Jahrbuch
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H H
der
Königlich Preussischen geologischen
Landesanstalt und Bergakademie
Berlin
für das Ja h r
1887. ; {
Berlin.
In Commission bei der Simon ScHROPP’schen Hof- Landkartenhandlung
(J. H. Neumann).
1888.
I ii 1i a 1 t.
i.
Mittheilungen aus der Anstalt.
Seite
1. Bericht aber die Thätigkeit der Königl. geologischen Landesanstalt
im Jahre 1887 ix
2. Arbeitsplan für die geologische Landesaufnahme im Jahre 1888 . . xix
3. Mittheilungen der Mitarbeiter der Königlichen geologischen Landes-
anstalt über Ergebnisse der Aufnahmen im Jahre 1887 xxv
K. A. Lossen: Ueber Aufnahmen im Brocken-Massiv und auf Blatt
Harzburg xxv
M. Koch: Ueber Aufnahmen auf Blatt Harzburg xxxn
A. Half ak : Ueber die Auffindung von Petrefacten zwischen Bruch-
berg - Ackerquarzit und Osteroder Grünsteinzug und über
Aufnahmen auf Blatt Zellerfeld xxxvil
A. von Koenen: Ueber Aufnahmen westlich und südwestlich vom
Harz xli
T ii. Ebert: Ueber Aufnahmen im Bereich der Blätter Waake und
Gelliehausen xlii
J. G. Bornemann: Ueber Aufnahmen auf Blatt Wutha .... xliv
R. Scheibe: Ueber Aufnahmen auf den Blättern Friedrichroda und
Ohrdruf xlv
E. Zimmermann : Ueber Aufnahmen auf Blatt Crawinkel .... xlviii
H. Proescholdt: Ueber Aufnahmen und Revisionen der Blätter
Meudhausen, Rodach, Hildburghausen und Dingsleben . . lviii
F. Beyschlao: Ueber Aufnahmen auf Blatt Salzungen .... lix
F. Beyschlaq: Ueber Aufnahmen in Hessen lxi
E. Kaiser: Ueber Aufnahmen in der Gegend von Marburg und
Dillenburg lxiv
H. Grebe: Ueber Aufnahmen an Mosel, Saar und Nahe .... lxv
E. Dathe: Ueber Aufnahmen in den Blättern Neurode, Langen-
bielau und Rudolfswaldau lxxii
*
Seite
F. M. Stapff: Ueber Aufnahmen in Section Charlottenbrunn . . lxxv
Schütze: Ueber Aufnahmen in der Umgegend von Waldenburg
und Landeshut lxxxvii
F. Wahnschaffe: Ueber Aufnahmen in der Uckermark .... xc
H. Grüner: Ueber Aufnahme des Blattes Wilsnack xcn
K. Keilhack: Ueber Aufnahmen in der Gegend zwischen Belzig
und Brandenburg xcv
L. Beushausen : Ueber Aufnahmen auf den Sectionen Gross -
Wusterwitz und Brandenburg xcvi
A. Jentzsch: Ueber Aufnahmen auf den Blättern Pestlin und
Gross -Krebs xcvii
R. Klebs: Ueber Aufnahme des Blattes Schippenbeil und Unter-
suchung des ost- und westpreussischen Tertiär .... ci
H. Schröder: Ueber Aufnahme des Blattes Heilige Linde . . . cvi
4. Personal -Nachrichten cvin
5. Nekrolog auf A. von Groddeck Cix
II.
Abhandlungen von Mitarbeitern der König!, geologischen
Landesanstalt.
Untersuchungen über die Gliederung des unteren Muschelkalks in einem
Theile von Thüringen und Hessen und über die Natur der Ooüth-
körner in diesen Gebirgsschichten. Von Herrn W. Frantzen in Mei-
ningen. (Tafel I — III.) 1
Ueber Fayolia Sterzeliana n. sp. Von Herrn Ch. E. Weiss in Berlin.
(Tafel IV.) 94
Ueber das Vorkommen von Kersantit und Glimmerporphyrit in derselben
Gangspalte, bei Unterneubrunn im Thüringer Walde. Von Herrn
H. Loretz in Berlin 100
Mittheilungen über die Eruptivgesteine der Section Schmalkalden (Thüringen).
Von Herrn H. Bücking in Strassburg i. Eisass. ( Tafel V.) .... 119
Bemerkungen zu dem Funde eines Geschiebes mit Pentamerus borealis
bei Havelberg. Von Herrn F. Wahnschaffe in Berlin 140
Zur Frage der Oberflächengestaltung im Gebiete der baltischen Seenplatte.
Von Demselben 150
Pseudoseptale Bildungen in den Kammern fossiler Cephalopoden. Von
Herrn Henry Schröder in Berlin. (Tafel VI — VIII.) 164
Ueber Schlackenkegel und Laven. Ein Beitrag zur Lehre vom Vulkanismus.
Von Herrn J. G. Bornemann sen. in Eisenach. (Tafel IX u. X.) . . 230
Ueber einen Damhirsch aus dem deutschen Diluvium. Von Herrn
K. Keilhack in Berlin. (Tafel XI.) 283
Ueber einige neue Vorkommnisse basaltischer Gesteine auf dem Gebiet
der Messtischblätter Gerstungen und Eisenach. Von Herrn L. G. Borne-
mann jun. in Eisenach 291
Seite
Die südliche baltische Endmoräne in der Gegend von Joachimsthal. Von
Herrn G. Berendt in Berlin 301
Die fossile Pflanzengattung TylodendroD. Von Herrn H. Potonie in Berlin.
(Tafel XII— XIII a.) 311
Ueber gewisse nicht hercynische Störungen am Südwestrand des Thüringer
Waldes. Von Herrn H. Pkoescholdt in Meiningen 332
Diluviale Süsswasser- Conchylien auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
Von Herrn Henrv Schröder in Berlin. (Tafel XIV.) 349
Ergebnisse eines geologischen Ausfluges durch die Uckermark und Mecklen-
burg-Strelitz. Briefl. Mittheilung der Herren G. Berendt und F. Wahn-
schaffe an Herrn W. Hauchecorne. (Tafel XV.) 363
Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide am nördlichen Harzrande. Von
Herrn G. Müller in Berlin. (Tafel XVI -XVIII.) . ...... 372
Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen. Von Herrn A. von Koenen in
GöttiDgen. (Tafel XIX.) 457
Das Vorkommen von Inesit und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
Von Herrn A. Schneider in Berlin. (Tafel XX.) 472
Abhandlungen von ausserhalb der Königl. geologischen
Landesanstalt stehenden Personen.
Ueber das Vorkommen des oberen Jura in der Nähe von Kirehdornberg
im Teutoburger Walde. Von Herrn Georg Gante in Cassel ... 1
1.
Mittheilungen ans
der Anstalt.
1.
Bericht über die Thätigkeit
der Königlichen geologischen Landesanstalt
im Jahre 1887.
I. Die Aufnahmen im Gebirgslande.
Im Mittelharze wurden von dem Landesgeologen Professor 1. Der Harz.
Dr. Lossen die für die Ost- und Südostseite des Brockenmassivs
und seines Contacthofes auf den Blättern Wernigerode und
Elbingerode (G. A. 56 ; 9, 15) x) behufs des Abschlusses der Auf-
nahmen erforderlichen Begehungen ausgeführt. Im Zusammen-
OO O
hange damit wurden einige Begehungen auf den geologisch ent-
o 000 OO
sprechenden Antheilen der Blätter Braunlage und Zellerfeld vor-
genommen (G. A. 56; 14, 7).
Darüber hinaus wurde auf Blatt Harzburg (G. A. 56; 8) die
Kartirung in dem Gebiete zwischen Brocken, Ilsethal und Radau-
thal im Granit, Gabbro und Eckergneiss fortgesetzt.
Bezirksgeologe Dr. Koch brachte die Aufnahme nordöstlich
vom Brockenmassiv auf Blatt Wernigerode zum Abschluss und
kartirte alsdann auf Blatt Harzburg (G. A. 56; s) das Schiefer-
gebirge beiderseits der Ecker und bis zur Radau auf der Nord-
seite, sowie in der Umgebung des Forsthauses Torf haus auf der
Westseite des Granits. Demnächst hatte derselbe noch einige
Nachtragungen innerhalb der Blätter Elbingerode und Blankenburg
(G. A. 56; 15, 16) vorzunehmen.
x) (6. A. 5G; 9, 15) = Gradabtheilung 56; Blatt 9 und 15,
X
2. Thüringen.
Im Oberharze wurden vom Sekretär Halfar die Unter-
suchungen in dem nordwestlichen Theile des Blattes Zellerfeld
(Gr. A. 56 ; 7) in der Gegend von Bockswiese und Hahnenklee,
sowie am Auerhahn fortgesetzt.
Derselbe bewirkte mit Erfolg die Aufsuchung von Versteine-
rungen im Thale »der Grossen Schacht« bei Riefensbeek.
Am Nordrande des Harzes wurde von Professor Dr.
Dames die Aufnahme des Blattes Halberstadt, dessen östliche
Hälfte im Vorjahre untersucht worden war, auch in dem west-
lichen Theile vollendet (G. A. 56; 11).
Am Westrande des Harzes führte Bezirksgeologe Dr.
Ebert die Aufnahme des grössten Theiles des Blattes Waake
(G. A. 55; 29) dem Abschlüsse nahe und begann die Untersuchungen
auf Blatt Gelliehausen (G. A. 55; 35), dessen westliche Hälfte
grösstentheils fertig; gestellt wurde.
Professor Dr. von Koenen vervollständigte die Untersuchung
der Blätter Gandersheim, Seesen, Westerhof und Osterode in
deren nicht hercynischen Theilen durch Eintragung der neueren
Aufschlüsse (G. A. 55; 11, 12, 17, is) und brachte das Blatt Göttingen
(G. A. 55, 28) bis auf eine Schlussrevision zum Abschluss. Ausser-
dem begann er die Aufnahme des im westlichen Theile des Blattes
Waake belegenen Abschnitts des Muschelkalkplateaus des Göttinger
Waldes.
Im nördlichen Thüringen wurde vom Bergingenieur
Frantzen die Revision des Blattes Kreuzburg (G. A. 55; eo) zu
Ende geführt.
Dr. Bornemann jun. setzte die Untersuchung des Blattes
Fröttstedt (G. A. 70; 2) fort.
Dr. G. Meyer begann die Aufnahme der Blätter Heiligen-
stadt und Dingelstedt, welche bis auf den südwestlichen Tlieil
des ersteren Blattes und vorbehaltlich einer Schlussrevision fertig
gestellt wurden und kartirte den südöstlichen Theil des Blattes
Kella (G. A. 55 ; 41, 42, 47).
Im Thüringer Walde brachte Bezirksgeologe Dr. Beyschlag
die Aufnahme des Blattes Salzungen (G. A. 69; 12) zum Abschluss
und revidirte den südlichen Theil der auf Blatt Eisenach
XI
(Gr. A. 69; 6) verbreiteten Ablagerungen des Rothliegenden und
der Zechsteinformation.
Professor Dr. Weiss führte die Aufnahme der Blätter Brotte-
rode und Friedrichroda (G. A. 70; 70, 78) und des ihm übertragenen
Antheiles des Blattes Wutha (G. A. 70; l) zu Ende und bewirkte
in Gemeinschaft mit Dr. Scheibe eine Schlussrevision der Dar-
stellung des Rothliegenden und der Zechsteinformation im süd-
westlichen Theile des Blattes Ohrdruff (G. A. 70; 9) zur Herbei-
führung des Anschlusses an das westlich angrenzende Blatt
Friedrichroda.
Professor Dr. Bücking führte unter Beihülfe des Dr. Linck
eine Revision der Aufnahmen der Blätter Schmalkalden und Tam-
bach (G. A. 70; 13, 14) aus.
Professor Dr. von Fritsch setzte die zur Abschliessung der
Erläuterungen zu den Blättern Suhl, Schleusingen und Tambach
(G. A. 70 ; 21, 27, u) erforderlichen Revisionsbegehungen fort und
bearbeitete das Blatt Remda (G. A. 70; 18).
Dr. Zimmermann brachte die Aufnahme des Blattes Crawinkel
(G. A. 70; 15) bis auf die letzte Revision zum Abschluss und
führte einzelne für die Vorbereitung der Blätter Gotha, Neu-
Dietendorf, Plaue und Stadt Ilm (G. A. 70; 3, 4, 16, 17) zur Publi-
kation erforderliche Revisionsbegehungen aus.
Landesgeologe Dr. Loretz setzte die Bearbeitung der Blätter
Königssee und Schwarzburg (G. A. 70; 23, 24) so weit fort, dass
dieselbe ihrer Vollendung nahe gerückt ist. Derselbe begann
demnächst die zu einer Umarbeitung der älteren Aufnahmen des
Blattes Ilmenau erforderlichen Begehungen (G. A. 70; 22).
Im südlichen und südöstlichen Thüringen wurden
von Dr. Proescholdt die Blätter Dingsleben und Hildburghausen
behufs des Anschlusses an die Nachbarblätter revidirt (G. A.70; 32, 33)
und letzteres Blatt druckfertig vollendet. Von demselben wurden
ferner neu aufgenommen der zu Meiningen gehörende nordöstliche
Theil des Blattes Mendhausen (G. A. 70; 37) und der nördliche
Theil des Blattes Rodach (G. A.70; 39).
Ilofrath Professor Dr. Liebe revidirte in Gemeinschaft mit
Dr. Zimmermann den südlichsten Theil des Blattes Probstzella
XII
(G. A. 7 1 ; 25) und setzte mit demselben die Aufnahme der Blätter
Lobenstein und Greiz (G. A. 7 1 ; 32, 24) fort, von welchen letzteres
vollendet wurde.
Um behufs der Herstellung einer Uebersichtskarte des
Thüringer Waldes Uebereinstimmung unter den dort arbeitenden
Geologen insbesondere hinsichtlich der Behandlung des Roth-
liegenden und der zugehörigen Eruptivgesteine in den verschiedenen
Aufnahmegebieten herbeizuführen, wurden unter Leitung des
Geheimen Bergraths Professor Dr. Beyrich in der ersten Hälfte
des Monats September gemeinschaftliche Excursionen im Thüringer
Walde ausgeführt.
3. Die Provinz Im Regierungsbezirk Cassel setzte Professor Dr. Kayser
n.'j.sj". die Aufnahmen in der Gegend von Marburg fort und vollendete
hier die grössere Hälfte des Blattes Nieder -Weimar (G. A. 68; 15).
Bezirksgeologe Dr. Beyschlag begann nach einigen Orien-
tirungstouren in der Umgegend von Cassel die Aufnahme des
Blattes Wilhelmshöhe (G. A. 55; 37). Derselbe führte ferner die
letzten Revisionen in den Blättern Melsungen und Altmorschen
aus (G. A. 55 ; 50, 56) und stellte die von dem verstorbenen Landes-
geologen Dr. Moesta begonnene. Aufnahme des Blattes Ludwigseck
fertig (G. A. 69; 2).
Professor Dr. Bücking führte die Aufnahme der Blätter
Neuswarts, Kleinsassen und Hilders weiter (G. A. 69; 22, 28, 29).
Bergingenieur Frantzen nahm die nördliche Hälfte des
Blattes Salmünster (G. A. 69; 43) und im Anschluss daran Tlieile
der Blätter Steinau, Birstein und Gelnhausen (G. A. 69; 37,
G. A. 68; 42, 48) auf.
Im Interesse der Eisenbahn -Verwaltung wurden von dem-
selben Untersuchungen zur Auffindung von zur Anlage von Stein-
O 00
brüchen geeigneten Bausteinen für die Ausmauerung des Milseburg-
Tunnels mit gutem Erfolge ausgeführt. Sie gaben zur Eröffnung
eines grossen Steinbruches im Trochitenkalk auf dem kleinen
Ziegenkopf bei Kleinsassen Anlass.
Im Regierungsbezirk Wiesbaden setzte Professor Dr.
Kayser die im Vorjahre begonnenen Aufnahmearbeiten in der
Gegend von Dillenburg fort. Von dem Blatte Herborn wurde ein
XIII
grösserer im nordöstlichen Tlieile des Blattes liegender Abschnitt
vollendet, während von den Blättern Dillenburg, Tringenstein und
Ballersbach nur kleine, an erstere Aufnahme angrenzende Tlieile
kartirt wurden (G. A. 67 ; 18, 24, G. A. 68; 13, 19).
Professor Dr. Holzapfel bearbeitete das Blatt Dachsenhausen,
welches seiner Vollendung nahe geführt wurde (G. A. 67; 45) und
begann die Aufnahme des Blattes St. Goarshausen (G. A. 67; 5i).
In der Rheinprovinz revidirte Landesgeologe Grebe unter
Zugrundelegung der neuen Messtischblattaufnahmen die Blätter
Trier und Pfalzel (G. A. 80; 14, 15). Behufs der Verbindung mit
den Reichsländischen Gebietsantheilen revidirte derselbe ferner die
Preussisclien Antheile der Grenzblätter Ittersdorf, Bouss, Saar-
brücken, Dudweiler, Lauterbach, Emmersweiler und Hanweiler
(G. A. 80; 44, 45, 46, 47, 51, 52, 53) und der Blätter Freisen, Ottweiler
und St. Wendel (G. A. 80; 30, 35, 36), letzterer wegen des Anschlusses
an die Bayerischen Gebietsantheile.
In der Provinz Schlesien vollendete Dr. Stapfe die
Aufnahme des Blattes Charlottenbrunn (G. A. 76; 13).
Landesgeologe Dr. Datiie brachte die Aufnahme des Blattes
Langenbielau zum Abschluss (G. A. 76; 20).
Die Aufnahme der Blätter Rudolfs waldau, Neurode und
Frankenstein (G. A. 76; 19, 26, 27) wurde von demselben weiter-
geführt.
Bergrath Schütze setzte die Aufnahme der Blätter Landeshut
und Waldenburg fort (G. A. 75; 17, 18).
II. Die Aufnahmen im Flaehüande
unter besonderer Berücksichtigung der agronomischen
Verhältnisse.
Landesgeologe Professor Dr. Berendt bearbeitete in der
durch Revisionsreisen nicht in Anspruch genommenen Zeit mit
Hülfe der Culturtechniker Baldus und Wülfer die Blätter
Templin, Gollin und Ringenwalde, deren ersteres fertiggestellt
wurde (G. A. 28; 50, 56, 57).
4. Die lxhein-
provinz.
5. Die Provinz
Schlesien
6. Ucker-
iniirkisches
Arbeitsgebiet
XIV
7. Havel-
Kindisches
Arbeitsgebiet.
8. Insel Rügen
9. West-
preussen.
10. Ost-
preussen.
Landesgeologe Dr. Wahnschaffe bearbeitete mit Hülfe des
Culturtechnikers Toellner das Blatt Boitzenburg und vollendete
dasselbe (G. A. 28; 44).
Bezii’ksgeologe Dr. Klockmann begann und beendete mit
Hülfe des Culturtechnikers Blüthner die Aufnahme der Blätter
Wusterhausen a. D. und Wildberg (G. A. 44; 7,8).
Professor Dr. Grüner führte die im Vorjahre begonnene Auf-
nahme des Blattes Wilsnack (G. A. 43; 4) bis auf einen kleinen
Antheil zu Ende.
Bezirksgeologe Dr. Keilhack bearbeitete mit Hülfe der neu-
eingetretenen Culturtechniker Poiilig, Gossner und Herberger,
nachdem er dieselben in die Aufnahmemethode eingeführt hatte,
die Blätter Göttin, Glienicke, Golzow und Damelang (G. A. 44;
38, 43, 44, 45).
Landesgeologe Dr. Läufer führte die im Vorjahre begonnene
Aufnahme des Blattes Gross-Kreuz (G. A. 44; 33) zu Ende, be-
arbeitete alsdann in Gemeinschaft mit Dr. Beushausen das Blatt
Gross -Wusterwitz (G. A. 44; 37) und begann die Untersuchung
des Blattes Kyritz (G. A. 44; 1).
Dr. Beushausen vollendete nach Abschluss des Blattes Gross-
Wusterwitz die im Vorjahre von Professor Dr. Scholz begonnene
Kartirung des Blattes Brandenburg (G. A. 44; 32).
Professor Dr. Scholz setzte die Aufnahme der Insel Rügen
in den Blättern Putbus und Vilmnitz fort (G. A. 11; 7,8).
Dr. Jentzsch begann und vollendete die Aufnahme des
Blattes Pestlin (G. A. 33; 11) und führte sodann diejenige des
Blattes Gross -Krebs weiter (G. A. 33; 17).
Dr. Klebs begann die Aufnahme des Blattes Schippenbeil
(G. A. 18; 47) und brachte dieselbe zum Abschluss.
Dr. Schroeder beendete die im Vorjahre angefangene Auf-
nahme des Blattes Heiligelinde (G. A. 18; 60) bis auf eine noch
erforderliche Schlussrevison. Alsdann begann derselbe eine Revision
und die Fortsetzung der Aufnahmearbeiten in Blatt Bischofstein
(G. A. 18; 58), dessen Untersuchung Dr. Noetling vor seiner
Berufung nach Indien in Angriff' genommen hatte.
XV
Im Laufe des Jahres sind zur Publikation gelaugt:
A. Karten.
1. Lieferung XXXII, enthaltend die Blätter
Calbe a. M., Bismark, Schinne, Gardelegen,
Klinke, Lüderitz 6 Blätter.
2. Lieferung XXXIV, enthaltend die Blätter
Lindow, Gross-Mutz, Klein-Mutz, Wustrau,
Beetz, Nassenheide 6 »
3. Lieferung XXXV, enthaltend die Blätter
Rhinow, Friesack, Brunne, Rathenow, Idaage,
Ribbeck, Bamme, Garlitz, Tremmen ... 9 »
zusammen 21 Blätter.
Es waren früher publicirt 173 »
Mithin sind im Ganzen publicirt . . . 194 Blätter.
Was deu Stand der noch nicht publicirten Kartenarbeiten
betrifft, so ist derselbe gegenwärtig folgender:
1. In der lithographischen Ausführung sind ausserdem noch
beeudet :
Lief. XXXIII, die Gegend von Schillingen,
Hermeskeil etc 6 Blätter.
Lief. XXXVI , die Gegend von Uers-
feld etc. ....... ... 6 »
zusammen 1 2 Blätter.
Die Publicirung dieser Blätter wird binnen
Kurzem erfolgen.
2. In der lithographischen Ausführung begriffen
sind 43 Blätter.
3. In der geologischen Aufnahme fertig, jedoch
noch nicht zur Publikation iu Lieferungen
abgeschlossen 136 »
4. Iu der geologischen Bearbeitung begriffen .108 »
Summa 299 Blätter.
Einschliesslich der publicirten Blätter in der
Anzahl von 194 »
sind demnach im Ganzen bisher zur Unter-
suchung gelangt 493 Blätter.
Stand der
Publikationen.
XVI
Debit der
Publikationen.
B. Abhandlungen und Jahrbuch.
1. Band VII, Heft 3. Untersuchungen über den inneren Bau
westfälischer Carbon -Pflanzen. Von Dr.
Joh. Felix. Hierzu Tafel I — VI. —
Beiträge zur fossilen Flora, IV. — Die
Sigillarien der preussischen Steinkohlen-
gebiete, I. Die Gruppe der Favularien,
übersichtlich zusammengestellt von Prof.
Dr. Weiss. Hierzu Tafel VII — XV. —
Aus der Anatomie lebender Pteridophyten
und von Cycas revoluta. Vergleichsmaterial
für das phytopalaeontologische Studium der
Pflanzen -Arten älterer Formationen. Von
Dr. Potonie. Hierzu Taf. XVI -XXI.
2. Band VII, Heft 4. Beiträge zur Kenntniss der Gattung Lepi-
doius. Von Professor Dr. W. Branco.
Hierzu ein Atlas mit 8 Tafeln.
3. Band VIII, Heft 2. Ueber die geognostischen Verhältnisse
der Umgegend von Dörnten nördlich
Goslar, mit besonderer Berücksichtigung
der Fauna des oberen Lias. Von Dr.
Aug. Denckmann. Hierzu ein Atlas mit
10 Tafeln.
4. Jahrbuch der Königl. Preuss. geol. Landesanstalt und Berg-
akademie für 1886. XCI und 369 Seiten Text und 13 Tafeln.
Nach dem Berichte für das Jahr 1886 betrug die Gesammt-
zahl der im Handel debitirten Kartenblätter . . 17 979 Blätter.
Im Jahre 1887 wurden verkauft:
von Lieferung I, Gegend von Nordhausen . . 40 Bl.
»
»
ii, »
» Jena
. 27
y>
»
hi, »
» Bleicherode
. 17
IV, *
» Erfurt .
. 32
116 Blätter.
Latus 18095 Blätter.
XVII
Transport 1 8 095 Blätter.
von
Lief. V, Gegend von
Zöi'big ....
3 Bl.
»
»
VI,
»
Saarbrücken
I. Tlieil . .
11
»
»
»
VII, »
»
II. *
8
»
»
»
VIII, »
»
Riechelsdorf .
17
»
»
»
IX,
des Kyffliäusers
39
»
»
»
X,
von
Saarburg .
6
»
»
»
XI, »
»
Berlin Nordwesten
(Nauen etc.) .
9
»
»
»
XII, »
»
Naumburg a. S. .
26
»
»
»
XIII, »
»
Gera
11
»
»
»
XIV, »
»
Berlin Nordwesten
(Spandau etc.)
12
»
»
»
XV, »
»
Wiesbaden
23
»
»
»
XVI, »
»
Mansfeld .
35
»
»
»
XVII, »
»
Triptis - Neustadt
9
»
»
»
XVIII, »
»
Eisleben
4
»
»
»
XIX, »
»
Querfnrt
36
»
»
»
XX,
»
Berlin Süden
(Teltow etc.) .
32
»
»
»
XXI, »
»
Frankfurt a. M. .
21
»
»
»
XXII, »
»
Berlin Süd westen
( Potsdam etc.)
29
»
»
»
XXIII, »
»
Ermschwerd . .
33
»
»
»
XXIV, »
»
Tennstedt . .
15
»
»
»
XXV, »
»
Mühlhausen .
19
»
»
»
XXVI, »
»
Berlin Südosten
(Cöpenick etc.)
46
»
»
»
XXVII, »
»
Lauterberg a. Harz
11
»
»
»
XXVIII, »
»
Rudolstadt
16
»
»
»
XXIX, »
»
Berlin Nordosten
40
»
»
»
XXX, »
»
Eisfeld in Thür.
30
»
»
»
XXXI, »
»
Limburg .
46
»
»
»
XXXII, »
»
Gardelegen .
214
»
so dass im Ganzen durch den Verkauf debitirt sind: 18 896 Blätter.
Jahrbuch 1887.
b
XVIII
Von den sonstigen Publikationen sind verkauft worden:
A b h andlunge n.
Band I, Heft 1. (Eck, Rüdersdorf und Umgegend) 1 Exempl
» » » 2. (Schmidt, Keuper des östlichen
Thüringens) 1 »
» » » 4. (Meyn, Insel Sylt) 2 »
» II, » 1. (Weiss, Steinkolilen-Calamarien) . 2 »
» » » 2. (Orth, Rüdersdorf und Umgegend) 3 »
» » » 3. (Berendt, Umgegend von Berlin) 3 »
» IV, » 4. (Speyer , Bivalven des Casseler
Tertiärs) 2 »
» V, » 3. (Noetling, Fauna d. samländischen
Tertiärs) 1 »
» » » 4. (Liebe, Schichtenaufbau Ost-Thü-
ringens) 6 »
» YI, » 1. (BeüSHAUSEN, Oberharzer Spiriferen-
sandstein) 4 »
» VII, » 2. (Berendt, Märkisch -Pommersches
Tertiär) 2 »
» » » 3. (Felix, Weiss, Potonie, Carbon-
pflanzen ......... 46 . »
» » » 4. (Branco, Lepidoten) 41 »
» VIII, » 1. (Geologische Karte von Berlin und
Umgegend) 18 »
» » » 2. (Denckmann, Umgegend v. Hörnten) 43 »
Ferner:
Jahrbuch für 1885 6 Exempl
» » 1886 41 »
Weiss, Flora der Steinkohlenformation 30 »
Geologische Karte des Harzgebirges 5 »
Höhenschichtenkarte des Harzgebirges 3 »
Karte der Umgegend von Thale 3 »
ö O
Geologische Karte der Stadt Berlin 8 »
XIX
2.
Arbeitsplan
für die geologische Landesaufnahme
im Jalire 1888.
S. !m Harz und seiner Umgebung.
Professor Dr. Lossen wird die Aufnahme des Blattes Harzburg
(Gr. A. 56 ; s) fortsetzen.
Bezirksgeologe Dr. Koch wird die vou Bergrath von Groddeck
o o o
bearbeiteten , jedoch nicht ganz vollendet hinterlassenen An-
theile der Blätter Seesen, Osterode, Zellerfeld und Riefensbeek
(G. A. 55; 12, 18. 56; 7, 13) behufs der Vorbereitung der Publication
und der Erläuterungen begehen und die Aufnahme ergänzen.
Nächstdem wird derselbe sich an der von Professor Dr. Lossen
fortgesetzten Aufnahme des Blattes Harzburg betheiligen.
Sekretär Halfar wird die Aufnahme des liercynischen Theiles
des Blattes Goslar (G. A. 56 ; 1) und die Ergänzung der Aufnahme
im nördlichen Theile des Blattes Zellerfeld abschliessen.
Professor Dr. Dames wird die Untersuchung des Blattes
Ballenstedt in seinem nicht hercynischen Theile in Angriff nehmen
(G. A. 56; 18).
Bezirksgeologe Dr. Ebert wird die Aufnahme des Blattes
Waake (G. A. 55; 29) abschliessen und diejenige des Blattes
Gelliehausen weiterführen (G. A. 55; 35).
b*
XX
Professor Dr. von Koenen wird die von ihm begonnene
Revision der Blätter Gandersheim, Seesen, Westerhof und Osterode
(G. A. 55; n, 12, 17, 18) zum Abschluss bringen und die Aufnahme
der Umgegend von Göttingen (G. A. 55; 28) weiterführen.
il. Im Thüringer Walde und seiner Umgebung.
Bezirksgeologe Dr. Beyschlag wird die begonnene Vervoll-
ständigung der Aufnahme des Blattes Eisenach (G. A. 69; g) ab-
schliessen und die zur Veröffentlichung dieses Blattes und der
Blätter Wutha und Fröttstedt (G. A. 70; i, 2) erforderlichen ver-
gleichenden Untersuchungen austeilen, welche sich auch auf die
nördlich angrenzenden Blätter erstrecken werden.
Bergingenieur Feantzen wird die Revision der Blätter Kreuz-
burg und Treffurt beenden (G. A. 55; GO, 54).
Professor Dr. von Fritsch wird die Revision der Blätter
Halle, Gröbers , Merseburg, Kötschau, Weissenfels und Lützen
(G. A. 57 ; 34, 35, 40, 41, 46, 47) absehliessen und diese Blätter zur
Veröffentlichung fertig stellen. Nächstdem wird derselbe die
Aufnahme des Blattes Remda (G. A. 70; is) zu Ende führen.
Landesgeologe Dr. Loretz wird die Kartiruug der Blätter
Königssee und Schwarzburg (G. A. 70; 22, 24) fertig stellen und
alsdann die Umarbeitung des Blattes Ilmenau (G. A. 70; 22) be-
ginnen, bei welcher er von Dr. Zimmermann, Dr. Scheibe und
für die Verbreitung des Steinkohlengebirges von Professor Dr.
WEISS unterstützt werden wird.
Dr. Zimmermann wird eine Schlussrevision des Blattes Cra-
winkel (G. A. 70; 15) bewirken und nächst der Mitwirkung bei der
Umarbeitung des Blattes Ilmenau dem Hofrath Professor Dr. Liebe
bei den Aufnahmen im östlichen Thüringen Hülfe leisten.
Dr. Proesciiolpt wird die Blätter Dingsleben und Rodach
(G. A. 70; 32, 39) zur Veröffentlichung fertig stellen und, wenn die
Zeit es gestattet, die Arbeiten in den Blättern Sondheim und Ost-
heim (G. A. 69; 35, 36) fortsetzen.
Hofrath Professor Dr. Liebe wird unter Mitwirkung des
Dr. Zimmermann die Aufnahme des Blattes Naitschau (G. A. 71; 23)
XXI
zu Eude führen und diejenige der Blätter Waltersdorf und Schön-
bach (G. A. 71 ; 18,29) möglichst zu fördern suchen. Während der
durch diese Arbeiten nicht beanspruchten Zeit wird derselbe die
Arbeiten in den Blättern Schleiz, Lehesten, Lobenstein und
Hirschberg fortsetzen und eine Revisionsbegehung des fertig vor-
liegenden Blattes Weida ausführen (G. A. 7 1 ; 27, 31, 32, 33, 17).
Professor Dr. Weiss wird die für die Herstellung einer
Uebersichtskarte des Thüringer Waldes erforderlichen Begehungen
des Gesam mtgebietes ausführen und den Landesgeologen Dr. Loretz
bei der Untersuchung des Steinkohlengebirges in dem Blatte
Ilmenau (G. A. 70; 22) unterstützen.
III. Im Regierungsbezirk Cassel.
Professor Dr. Ivayser wird die Aufnahmen in der weiteren
Umgebung von Marburg fortsetzen.
Bezirksgeologe Dr. Beyschlag wird die Aufnahme des Blattes
Wilhelmshöhe (G. A. 55; 37) fortsetzen, und wenn thunlieh, die-
jenige des Blattes Cassel (G. A. 55; 38) beginnen.
Professor Dr. Oebbeke wird nach einer Schlussrevision des '
Blattes Niederaula und Beendigung der Aufnahme des Blattes
Neukirchen diejenige des Blattes Schwarzenborn in Angriff nehmen
(G. A. 69; 8, 7, 1).
Bergingenieur Frantzen wird die Aufnahme des Blattes Sal-
münster (G. A. 69; 43) abschliessen und diejenige der angrenzenden
Blätter Birstein, Steinau und Altengronau (G. A. 68; 42. 69; 37,44)
weiterführen.
Professor Dr. Bücking wird behufs der Veröffentlichung der
Blätter Gelnhausen , Langenselbold , Bieber und Lohrhaupten
(G. A. 68 ; 48, 53, 54. 69; 49) einige Revisionsbegehungen innerhalb
dieser von ihm aufgenommenen Blätter ausführen und, wenn thun-
lieh, die Aufnahme innerhalb der Blätter Neuswarts, Kleinsassen
und Hilders fortsetzen (G. A. 69; 22, 28, 29).
Neben diesen Arbeiten für die geologische Specialkarte wird
unter Leitung und Mitarbeit des Professors Dr. Kayser von den
Herren Dr. Leppla und Dr. Denckmann die Bearbeitung eines
XXII
neuen Blattes Waldeck -Cassel der geologischen Uebersichtskarte
von Rheinland -Westphalen im Maassstabe 1 : 80000 in Angriff
genommen werden.
IV. Im Regierungsbezirk Wiesbaden.
Professor Dr. Kayser wird die Aufnahme der Blätter Dillen-
burg, Herborn, Tringenstein und Ballersbach (G. A. 67; 18,24.
68; 13, 19) fortsetzen.
Professor Dr. Holzapfel wird das Blatt Dachsenhausen ab-
schliessen und das Blatt St. Goarshausen zu vollenden suchen
(G. A. 67 ; 45, 5l).
V. In der Rheinprovinz.
Landesgeologe Grebe wird im Regierungsbezirk Trier die
zur Uebertragung seiner auf alten Messtischblättern ausgeführten
und fertig vorliegenden Aufnahmen auf die von der Königlichen
Landesaufnahme hergestellten neuen Messtischblätter erforderlichen
Begehungen und Umarbeitungen vornehmen, und zwar zunächst
für die Blätter Wallendorf, Bollendorf, Cordeil und Ehrang (G. A.
79; 3. 80; 7, 8, 9) und wenn thunlichst demnächst für die nördlich
angrenzenden Blätter.
Ausserdem wird derselbe die zur Veröffentlichung der dem
Nahe- Gebiet angehörenden Blätter Buhlenberg, Birkenfeld, Noh-
felden, Freisen, Ottweiler und St. Wendel (G. A. 80; 23, 24, 29, 30,
35, 36) erforderlichen Revisionsbegehungen ausführen.
VI. In der Provinz Schlesien.
Landesgeologe Dr. Dathe wird die Aufnahme der an das
vollendete Blatt Langenbielau (G. A. 76; 20) angrenzenden Blätter
Reichenbach und Rudolfswaldau (G. A. 76; 14, 19) zum Abschluss
bringen, damit demnächst die Veröffentlichung der genannten drei
Blätter und des Blattes Charlottenbrunn (G. A. 76; 13) bewirkt
werden könne.
Dr. Stapfe wird die Aufnahmearbeiten in dem Blatte Schweid-
nitz (G. A. 76; 7) fortsetzen.
XXIII
VII. Im Aufnahmegebiet des Flachlandes.
a) Uckermärkisches Arbeitsgebiet.
Landesgeologe Professor Dr. Berendt wird mit Hülfe der
o O
neu eiugetretenen Hülfsgeologen Dr. Lattermann und Müller,
sowie zeitweise des Culturteclinikers Wülfer die Blätter Golliu,
Ringenwalde und Gerswalde fertig stellen (G. A. 28; 56, 57, 5i). Der-
selbe wird ausserdem die erforderlichen Revisionsreisen im ge-
sammten Arbeitsgebiet des Flachlandes ausführen.
Landesgeologe Dr. Wahnschaffe wird mit Hülfe des Cultur-
technikers Blütiiner und Hübinger die Aufnahme der Blätter
Fürsten werder, Dedelow und Hindenburg fortsetzen (G. A. 28;
38, 39, 45).
Dr. Ivlebs wird Blatt Prenzlau bearbeiten und eventuell
nach dessen Vollendung auf Blatt Nechlin übergehen (G. A.
28; 40, 34).
Dr. Schröder wird das Blatt Wallmow aufnehmen und eventuell
nach dessen Abschliessung das Blatt Brüssow in Angriff1 nehmen
(G. A. 28 ; 41, 35).
Dr. Beushausen wird das Blatt Brandenburg (G. A. 44; 32)
revidiren und die Aufnahme der Blätter Bietikow und Gramzow
beginnen (G. A. 28 ; 46, 47).
b) Aufnahmegebiet der Priegnitz.
Professor Dr. Grüner wird nach Abschliessung des Blattes
Wilsnack (G. A. 43; 4) unter Hülfeleistung der Culturtechniker
Töllner und Gossner die Blätter Glöwen und Deinertin be-
arbeiten (G. A. 43; 5, e).
Dr. Klockmann wird Blatt Tramnitz (G. A. 44; 2) beenden
und eventuell das bereits in der Aufnahme begriffene Blatt Ivyritz
(G. A. 44; 1) fertig zu stellen suchen.
c) Aufnahmegebiet der Insel Rügen.
Professor Dr. Scholz wird die Aufnahme der Blätter Lubkow,
Putbus, Vilmnitz und Middelhagen (G. A. 11; 6, 7, 8, 9) zu be-
enden suchen und eventuell nach deren Vollendung nach Westen
weitergehen.
XXIV
d) Ilinterpommersches Arbeitsgebiet.
Bezirksgeologe Dr. Keilhack wird unter Hülfeleistung des
Culturtechnikers Pohlitz die Bearbeitung der Blätter Voldekow,
Bublitz, Gross -Karzenburg, Gramenz, Wurchow und Kasimirshof
(G. A. 31; l, 2, 3, 7, 8, 9) in Augrifl- nehmen und dabei zugleich die
Unterweisung; der neu eingetretenen Culturtechniker BaldüS und
o o
Burek bewirken.
e) Westpr eussisches Arbeitsgebiet.
Dr. Jentzsch wird die Aufnahme der Blätter Gross -Krebs,
Riesenburg und Gross-Radau (G. A. 33 ; 17, 18, 12) weiterführen.
XXV
3.
Mittlieilungen
der Mitarbeiter der Königlichen geologischen
Landesanstalt über Ergebnisse der Aufnahmen im
Jahre 1887.
Mittheilung des Herrn K. A. Lossen über Aufnahmen im
Brocken-Massiv und auf Blatt Harzburg.
Im Anschluss an die Untersuchungen des Vorjahrs und ältere
Voruntersuchungen x) und unter Berücksichtigung der seiner Zeit
durch Chr. Fr. Jasche* 2) getroffenen Unterscheidungen wurde das
Brocken-Massiv einer umfangreicheren und eingehenderen Durch-
o o
forschung unterworfen behufs Lösung der Frage, in wie weit
substanzielle und structurelle Verschiedenheiten der
darin auftretenden Gesteine eine Gliederung des selb eil
in solche Glieder zulassen, welchen eine besondere
geologische Bedeutung zukommt. Substanziell kommt
namentlich die Vertheilung von Turmalin (Schörl) einerseits und
die von Malakolith - Augit andererseits in Betracht. Structurell
tritt der schlichte, deutlich und dabei möglichst gleichmässig und
richtungslos körnige Granit (Eugranit im engeren Sinne des Worts)
Ü Yergl. dieses Jahrb. f. 1882, S. xxff. , sowie Zeitschr. d. Deutsch, geol.
Gesellsch. 1876, S. 405; 1880, S. 206 u. 1887, S. 233 ff.
2) Die Gebirgsformationen in der Grafschaft Wernigerode am Harz etc.
2. Aufl. 1863. Abschn. I. Es bedarf nicht erst der Erwähnung, dass unsere
Vorstellungen, welche wir vom Granit hegen, ganz andere sind, als die Jasche’s;
das hindert uns aber nicht, seinen thatsächlichen Beobachtungen und Unter-
scheidungen gerecht zu werden.
XXVI
in Gegensatz zn Jen ganz oder theilweise als Schriftgranit aus-
gebildeten Spielarten, dem Pegmatit und Mikropegmatit, und zu
den mehr oder minder ausgesprochen porphyrischen Spielarten,
dem porphyrartigen Granit, Granitporphyr und der Granophyr-
oder Porphyr -Facies des Granits; daneben ist die drüsige Be-
schaffenheit gegensätzlich zu der geschlossenen. Hinsichtlich der
besonderen geologischen Rolle verdienen die gangförmigen Ge-
birgsglieder Berücksichtigung neben den Gesteinen des stockförmigen
Massivs, sowie innerhalb dieses letzteren die Unterschiede des
Kerns und der Hülle oder diejenigen randlicher und innerer Zonen.
Eine innere Zone ist z. B. die Zone der Gabbro-Granite Jasche’s,
d. h. der Granite, welche diagonal durch das Massiv den Gabbro
von Hasserode über den Meineckenberg und die Gruhe mit dem
Harzburger Gabbro an der Ecker verbinden, während der Ilsen-
steiner Granit Jasche’s ebenso deutlich eine Randzone zusammen-
setzt. — Unter diesen Gesichtspunkten lassen sich die Ergebnisse
der einschlägigen Untersuchungen zusammenfassen, wie folgt:
1. Substanziell ist Turmalingehalt an und für sich für
keinen der Harzgranite als solchen allein bezeichnend, er kommt
vor im Eugranit des Brockengebiets, im Granit der Gabbro- Granit-
Zone, im Ilsensteiner, wie im Andreasberger Granit, in den Gängen
im Gabbro, selbst im Hohne-Diorit (speciell in der von Keibel
analysirten, auf der Universität zu Berlin bewahrten Probe), fehlt
nicht ganz im Rammberggranit und wird für den Ockergranit
geradezu als besonders charakteristisch angegeben, was indessen
wohl eher für das vielbegangene Ockerthal, in dem der Granit
fortwährend an den Hornfels grenzt, als für die grössere östlich
anschliessende Masse gelten dürfte. — Immerhin scheint der Tur-
malin in der nordöstlichen Ilsensteiner und der südwestlichen
Andreasberger Randzone des Brocken - Massivs als Drusen-
mineral besonders stark hervorzutreten, wie dies wohl auch für
den, übrigens viel selteneren Flussspath gilt.
2. Augitische Mineralien sind im Granit bisher nur aus
der Gabbro - Granitzone und zwar hier unbeschadet des höheren
oder niederen Kieselsäuregehalts und unbeschadet der eugranitischen
oder mikropegmatitischen Structur gefunden. Ebenso auch in Granit-
XXVII
gangen zwischen dem Radautlial und der Ostseite des Ocker-
grauits uud ganz speciell in dem Augitgranitit, der in schmalen,
übrigens recht quarzarmen Gängen der Harzburger Gabbroformation
und ihres metamorphosirten Nebengesteins auftritt. Dagegen ist
der Malakolith-Augit, von dem letztgenannten Vorkommen abge-
sehen, keineswegs in allen Graniten dieser Zone oder dieser Gänge
vorhanden, viel eher in der Minderzahl derselben, ja anscheinend,
obwohl sich das nicht ohne umfangreiche mikroskopische Studien
sicher behaupten lässt, ist die grosse Mehrzahl augitfrei. Der
Hauptaugitgehalt ist im Augitquarzdiorit, Augitdiorit und Gabbro
zu suchen, die auf der Ost- und Westseite des Brockengranits
stehen, in einzelnen Vorkommnissen aber auch inmitten der Gabbro-
Granitzone zwischen dieser Ost- und Westseite und noch jenseits
des Harzburger Gabbro gegen den Ockergranit hinzu Vorkommen.
(Meineckenberg, Grube, Ferdinandsthal, Silberborn).
3. Eine scharfe Grenze zwischen den basischeren Augit-
führenden Granititen und den saureren Augit-Biotit-Quarzdioriten
giebt es ebenso wenig als zwischen den basischeren Augit-Biotit-
Quarzdioriten und den sauersten Gabbro -Typen (Biotit- Augit-
Gabbro). Das weist uns auf die annähernde Gleichaltrigkeit
des Gabbro-Gran its mit den Dioriten und Gabbros hin.
4. Es giebt zwar andererseits ganz zuverlässig Granit-
Gänge im G a b b r o , wel che auf das rel ativ jüngere Alter
eines Theiles der Granitformation hinweiseu, aber es giebt
auch Granit-Gänge im Granit, was für die lange Dauer
der Granit- Aufpressung spricht. Der Ilsensteiner Granit
greift an seinem NW. -Ende westlich von der Ecker vom Kalte-
thalskopf her direct mit seinen Ausläufern in den Gabbro bei
Harzburg ein, so dass man speciell diesen Theil der Brocken-
granit-Formation als den jüngsten bezeichnen darf, um so mehr
als er porphyrische Apopliysen in der NW.- SO. -Richtung, ent-
sprechend seiner Axeuriehtung , aussendet und quer gegen das
vorherrschende Streichen der Harzschichten gerichtet ist. Der
Augit- Gehalt gewisser Granit- Gänge im Gabbro dürfte darauf
hindeuten , wie allmählich ’ das aufgepresste Magma wieder die
reine Granit-Mischung annahm.
XXVIII
5. Eine Stelle wenig unterhalb des Radauborns , an welcher
Granit und Bastit-Serpentin aneinandergrenzen und der
letztere wallnuss- bis faustdicke Kerne von typischem
eugranitischem Brockengranitit nmschliesst, die gegen
den Serpentin hin von einer basischeren, glimmerreicheren und
Bisilicat führenden Hülle umgeben sind, zeigt das umgekehrte
Verhältniss derjenigen Granite der Gabbro-Granit-Zone oder der
Harzburger Gangformation, welche basische Kerne in einer sauren
Hauptmasse bergen (in einem Harzburger Ganggranit mit 75,98 pCt.
Si02 z. B. ein Augit reiches Gestein von nur 44,57 pCt. Si-C^);
gleichviel ob man diese Kerne als Bruchstücke ansehen will oder
als Folge unhomogener Erstarrung zweier gemischter Magmen,
wird man hier, wo die basische Hauptmasse das umhüllende Ge-
stein ist, dazu geführt, derselben eine relativ spätere Festwerdung
als dem Granit zuzuerkennen; bezeichnender Weise liegt diese
Stelle auf der Grenze des bis gegen den Sclmbenstein vorge-
schobenen Andreasberger Granits und des Gabbro- Granits, der
bis in die Gegend des Abbensteins zu reichen scheint. — Es reden
diese Verhältnisse der Auffassung das Wort, wonach die
Eruption der basischeren Eugranite (Diorite, Gabbros etc.)
eine vorübergehende Phase während der längere Zeit
vor und nach ihrer Aufpressung andauernden Granit-
Eruption war.
6. Structurell und substanziell sind Ilsensteiner und Andreas-
berger Granit nahezu gleichartig mit dem Unterschiede jedoch,
dass in dem letzteren granitporphyrische Structuren mehrfach die
sonst hier wie dort herrschenden mikropegmatitischen vertreten.
Eine Altersgleichheit ist aus dieser Uebereinstimmung
indessen nicht abzu leiten, da der Ilsensteiner Granit sicht-
lich jünger als die Gabbroformation ist, wie oben dargethan; nur
so viel scheint daraus abzuleiten, dass nach und vor der Gabbro-
Eruption die gleichen Mischungsverhältnisse im Eruptionsheerde
geherrscht haben. Auch können jene vom Eugranit abweichenden
Structurformen nicht schlechthin als an die Aussenseite des
Granit-Massivs gebunden bezeichnet werden oder an die ursprüng-
liche Oberfläche der unter den erst später weggewaschenen Sedi-
XXIX
menten im Erdinneren erstarrten Eruptivmasse, obwohl dieselben im
Extrem ihrer Ausbildung, einschliesslich der Drusigkeit und
der charakteristischen Drusenmineralien hier ihre Stelle haben. Im
SW. der Brockengruppe unterlagert der solchergestalt abnorm er-
«
starrte Andreasberger Granit in einer ungeahnt breiten Ausdehnung
die Reste der erodirten Hornfels-Decke, setzt aber auch da noch
fort, wo diese aufhören, offenbar zufolge einer nur um einen ge-
ringen Betrag tiefgreifenderen Erosion. Gegen NO., also in der
vorherrschenden Streichrichtung der Harzschichten, gegen den
Brocken hebt sich der eugranitische Kern aus der Hülle
dieses Andreasbe rger Granits heraus, das sind die Granit-
Massen der hohen Gipfel, die Brockengranite im engeren
Sinne des Worts. An ihre NW.-, N.-, NO.- und O.- Seite legt
sich nun aber nicht der Ilsensteiner Granit als eine den Andreas-
berger Granit auf der gegenüberliegenden Seite ergänzende Hülle
an. Wohl umgeben auch hier zur Mikropegmatit- Structur hin-
neigende oder sogar ausgezeichnet mikropegmatitische Granite den
Eugranit, aber sie sind nicht so drüsig wie der Andreasberger
und der Ilsensteiner Granit, sie führen z. Th. Augit und sind un-
trennbar eng verbunden mit den noch mehr nach Aussen liegen-
den Gabbro-Graniten, die Quarzdiorite und Gabbro -Massen
einhüllen und dabei wieder echt eugranitisch werden, als habe die
Aufpressung des aus grösserer Tiefe stammenden schwereren
basischeren Magmas zugleich eine Wärmezufuhr und damit lang-
samere gleichmässigere grobkörnigere Auskrystallisirung bedingt.
Erst dann folgt nach Aussen der von Hasserode bis nahe an den
Harzburger Schlossberg reichende Ilsensteiner Granit, der
nirgends direct mit dem Andreasberger Granit in
gleicher Ausbildung zusammenhängt und vielmehr einen
mächtigen randlichen Nachschub der wiedergekehrten
reinen Granit-Masse in der jüngeren hercynischen Streichrichtung
bedeutet, als einen Krustentheil des Brockengranits. Das spricht
sich dann auch aus im Fehlen der auflagernden IIornfels-
Massen, die den Andreasberger Granit auszeichnen, während die
Gabbro - Granite reich an in die Tiefe gestürzten Hornfels-
Schollen sind, die bis in die Thalsohlen der tiefen Thäler reichen.
XXX
Dem Ilsensteiner Granit müssen zeitlich die Granitgänge im
Gabbro zugerechnet werden, obwohl sie grossentheils, wenn sie
nicht gar zu geringmächtig sind, eugranitische oder porphyrartig-
eugranitische Structur besitzep, was wohl ebenfalls der Wärme-
zufuhr durch den Gabbro zugeschrieben werden muss, wie denn
ja auch der Gabbro selber sichtlich viel weniger zur Feinkörnig-
keit oder gar porphyrähnlichen Structur neigt, als der Granit,
obwohl örtlich Verdichtungen nicht ganz fehlen.
Will man nach diesen Ergebnissen den Brocken granit
gliedern, so würden demnach zu unterscheiden sein durch
Nüancen derselben Grundfarbe oder Signaturen auf derselben:
1. Der Eugranit der engeren Brockengruppe (Granit der
mittleren Hochgipfel),
2. die Mikropegmatit- oder Granitporphyr - reiche drüsige
Hülle desselben im S.-, SW.- und W.: Andreasberger Granit,
3. die Gabbro-Granit-Zone, in welcher überdies die basischeren
Quarzaugitdiorit- und Gabbro -Massen die ihnen zukömmlichen
Farben zu erhalten hätten,
4. der Ilsensteiner Nachschub-Granit,
5. die porphyrischen Apophysen dieses letzteren,
6. Harzburger Gang- Granite und Granite in den Dioriten
und Gabbros der Hohne, einschliesslich
7. der Audalusit - führenden porphyrisch - felsitischen bis
gneissigen Granit-Bandstücke oder Gänge 1).
Ueber die sonstigen Fortschritte speciell auf Blatt Harzburg
wird Herr Koch, welcher unter meiner Leitung den grössten Theil
der den Granit nicht betreffenden Aufnahmen ausgeführt hat,
specieller berichten. Generell sei nur bemerkt:
1. Die Umwandlung der typischen Kieselschiefer,
sowohl der Culmkieselschiefer, als der unterdevonischen (letztere
auf den Bl. Wernigerode und Elbingerode^ im Granitcontact
zu zuckerkörnigen Quarziten hat sich überall sehr deutlich
') Vergl. Zeilschr. d. Deutsch, geol. Gesellsch. 1887, S. 234.
XXXI
bestätigt gefunden und konnten darnach Hauptquarzit-Einlagerungen,
welche frühere Forscher verzeichnet hatten, sicher als Culmkiesel-
schiefer an mehreren Stellen nachgewiesen werden.
2. Die Zusammengehörigkeit der sehr Kali-reichen,
durch kleine Orthoklas - Krystalloide scheckig gezeichneten bis
dichten, weissliehen bis gelblichweissen oder grauen Bandhorn-
felse1), welche früher mit Kalkhornfelsen verwechselt worden
sind, zum Kieselschiefer als umgewandelte Wetz- oder
Adinolschi efer-Lagen ist ebenso sicher erwiesen für das gleiche
Verbreitungsgebiet und für Culm, wie für Devon. Der hohe
Kali-Gelialt ist wohl durch Verdrängung des Natron-Silicats durch
Kali-Silicat bei der Metamorphose zu erklären.
3. Eckergneisse stehen ausserhalb der grossen zusammen-
hangenden Masse des Eckergebiets z. B. ganz typisch entwickelt zu-
sammen mit zuckerkörnigem Kieselschiefer - Quarzit an der W.-
Seite des Unteren Radaubergs neben einem Granit-Durchbruch an
und sind hier sicher hochgradig metamorphosirte Culmschiefer-
Hornfelse, in Einklang mit der Darstellung der Uebersichtskarte;
doch dürften Grauwacken-Aequivalente im Eckergneiss nicht fehlen,
ob auch Kieselschiefer - Aequivalente , muss noch dahin gestellt
bleiben.
Die chemische und mikroskopische Untersuchung der Eeker-
gneisse ist z. Th. bereits durchgeführt, die Kieselsäure- Wertlie
schwanken danach unter Miteinbeziehung der C. W. C. Füchs-
schen älteren Analysen zwischen 80,96 und 59,09 pCt., die Basen
schwanken z. Th. ebenfalls recht auffällig. Unter deu von Kayser
seiner Zeit gesammelten Ecltergneiss-Proben finden sich mehrfach
feinkörnige glimmerführende Gabbro-Gesteine.
4. An der neugebauten Kohleborn -Strasse wurde ein sehr
deutlicher Gang grobkörnigen Gabbros im Bastit-Olivin-
Serp entinfels beobachtet. Er enthält auch deu schon Jasciie
nicht unbekannten schönen rotlien Rutil, allem Anschein nach
durch Umwandlung aus Titaneisenerz hervorgegangen.
9 Ein Theil der i. d. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Gesellsch. 1887, S. 511 auf-
geführten Orthoklas-Hornfelse.
XXXII
Mittheilung des Herrn M. Koch über Aufnahmen auf
Blatt Harzburg.
Die auf Blatt Harzburg untersuchten Gebirgstheile in der
Umgebung des Torfhauses westlich vom Brockengranitmassiv und
zwischen Ilse und Radau nördlich desselben, umfassen die nord-
östliche Endigung des Acker-Bruchbergquarzits, die Quarzitmassen
zu beiden Seiten der Ecker , als dessen streichende nur durch
den Granit getrennte Fortsetzung, sowie die aus Kiesel-, Thon-
scliiefern und Grauwacken sich aufbauenden Schichten, welche
sich gegen Altenau resp. Harzburg hin nordwestlich an den
Quarzit auschliessen. Sie bilden einen Theil jenes mächtigen,
quer durch den Harz gerichteten Schichtenbandes, welches sich
zwischen die ihrem Alter nach wohl bestimmten Ablagerungen
des Unter- und Oberharzes einschiebt, über dessen geologische
Stellung selbst jedoch sich in Folge des Fehlens leitender Petre-
facten eine sichere Auffassung: nicht gewinnen liess. F. A. Roemer
rechnete die Quarzite zum Spiriferen- Sandstein, also zum Unter-
devon, später zum Culm. E. Kayser wurde durch die gleiche
Folge und petrographische Ueberseinstimmung der Schichten nord-
westlich vom Quarzit mit denen auf der Südostseite desselben
veranlasst, die Grauwacken, Kiesel- und Thonschiefer als Aequi-
valente der Tanner Grauwacke und der Wiederschiefer, den
Quarzit selbst als eine in diese eingelagerte Mulde des Haupt-
quarzits anzusehen, eine Auffassung, welche nicht mehr haltbar
war, seitdem v. Groddeck das Vorkommen der Posidonomya
Beclieri im Huhthal, südöstlich vom Osteröder Grünsteinzug,
sicher nachgewiesen hatte. Lossen vertrat schon im Jahre 1877
die Ansicht 1), dass die überaus mächtig entwickelten Quarzit-
massen nicht nur dem stets geringmächtigen Hauptquarzit, sondern
dem gesammten Unterdevon incl. der Elbingeroder Grauwacke
entsprächen, und dieses abweichend ausgebildete Unterdevon längs
einer streichenden Störung unter Verstauchung mittel- und ober-
devonischer Schichten auf Culm aufgeschoben sei. Durch die
Untersuchungen des Berichterstatters konnte nun zwar die petro-
') Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1877, S. 612 — 624.
XXXIII
graphische Uebereinstimnmng und der streichende Zusammenhang
der Schichten auf der Nordwestseite des Ecker - Usequarzits mit
den unzweifelhaft dem Culm angehörenden Ablagerungen zwischen
Grünsteinzug und Bruchbergquarzit und damit die Unhaltbarkeit
der Auffassung E. Kayser’s auch für diesen Theil des Ge-
birges nachgewiesen werden; die Altersstellung des Quarzits sicher
beweisende Beobachtungen sind jedoch nicht zu verzeichnen. Es
sind weder leitende Petrefacten aufgefunden, noch sichere Anhalts-
punkte gewonnen worden, welche für die Annahme Lossen’s einer
streichenden Wechselüberschiebung Verwerthung finden könnten.
In dem Gebiete am Torfhaus liegen die Verhältnisse nicht
günstiger als an den nordwestlichen Einhängen des Acker- und
Bruchbergs, indem auch hier mächtige Quarzitschuttmassen die
Hänge überrollen und nur unter vieler Mühe und mit geringer
Sicherheit auf Genauigkeit Abgrenzung der an den Quarzit
sichU anschliessenden Schichtenglieder gestatten. In dem Ge-
biete bei Idarzburg nördlich des Granits erscheinen die Auf-
schlussverhältnisse insofern günstiger, als durch einen neuen Fahr-
weg, welcher von der Mündung des Grossen Thals auslaufend in
einer Serpentine den Wartenberg, die Kattnäse und die Höhe
der Uhlenköpfe erklimmt, die sämmtlichen Glieder vom Quarzit
bis zur Culmgrauwacke mehrmals annähernd gegen das Streichen
durchquert werden. Jedoch auch hier lässt sich nirgends der
Anschluss des Quarzits an die Culmscliichten in anstehendem
Gestein beobachten.
Quarzite von meist deutlichem sandsteinartigem Habitus setzen
die Höhen zwischen Ilse und Ecker und jenseits der letztem bis
zur Kattnäse zusammen; westlich vom Torfhaus nehmen sie den
grössten Theil des Dänenkopfes und der Lerchenköpfe ein. In
beiden Gebieten ist die petrographische Beschaffenheit des Quar-
zits die gleiche. Es sind kalkfreie, hellfarbige und gleichkörnige,
meist lockere und dann löcherige (Kienberg), seltener zähe oder
ungleichkörnig und conglomeratisch ( Hirschkopf ) ausgebildete
Gesteine. Wie die Aufschlüsse der Steinbrüche am Kienberg,
die Profile am rechten Ufer der Ecker und der neuen Holzabfuhr-
wege am Gehänge des Hirschkopfs gegen die Ecker recht
Jahrbuch 1887. n
XXXIV
schön zeigen, bildet der Quarzit nicht zusammenhängende Massen,
sondern es wechsellagern mehr oder weniger mächtige Bänke
reiner Quarzite mit sehr wechselnd starken Lagen äusserst fein-
schliegiger Thonschiefer oder sandigschiefrigen, lockern und au
hellem Glimmer reichen Materials. Letzteres ist bisweilen der-
artig mit undeutlichen Pflanzenresten erfüllt, dass die für gewöhn-
lich hellgefärbten Zwischenhafen dunkel erscheinen. Starke
Zerklüftung und der massige Charakter der Quarzite lässt die
eigentliche Schichtung stark zurücktreten. Dennoch ermöglichen
der häufige Gesteinswechsel und die unten erwähnten Einlage-
rungen der Quarzite eine ziemlich genaue Feststellung der Streich-
linien und dadurch der Faltungen in den Quarzitmassen selbst.
Als vereinzelte Erscheinung (unterer Holzabfuhrweg am Hirsch-
kopf) wurden sehr schöne gewellte Schichtflächen beobachtet,
deren krumm schalige Vertiefungen mit thonigem Material ausgefüllt
sind. In ihrer Form entsprechen sie ganz den Wellenfurchen der
Sandsteine jüngerer Formationen und sind wohl auch auf die
gleiche Entstehung zurückzuführen.
XXXV
Ausser den oben erwähnten, in inniger Wechsellagerung mit
Quarzitbänken auftretenden und unzweifelhaft der Quarzitformation
selbst augehörenden Zwischenlagen wird deren Zusammenhang
häufig durch ziemlich bedeutende Mächtigkeit erreichende Kicsel-
und Wetzschiefereinlagerungen, zu denen grüne und rothe Schiefer
und untergeordnet Adinolen treten, unterbrochen. Die bedeutendste
derselben läuft von der Schmalen Scheide unweit der Ecker aus-
gehend quer über den Bauerberg und ist mit nur einmaliger
Unterbrechung bis an den Granit zu verfolgen. Sie besteht quer
gegen das Streichen gerechnet aus 30 Schritt schwarzem Kiesel-
schiefer, 80 Schritt grünlichgrauen Wetzschiefern und 50 Schritt
rothem Schiefer. Adinolen wurden nur in der äussersten, nach
der Ecker hinweisenden Spitze des Zuges gesammelt. Auch jen-
seits der Ecker am Hirschkopf treten derartige Kiesel -Wetzschiefer-
züge mit grösserer oder geringerer Betheiligung von bunten
Schiefern recht häufig aus dem Quarzit hervor. Neben dichten
Adinolen kommen hier eigenthümliche porphyroidartige, durch
makroskopisch erkennbare Quarzkörnchen und braune Glimmer-
blättchen ausgezeichnete schwarze oder graue Gesteine vor. Sie
erinnern in ihrer Zusammensetzung einerseits an adinolartige Ge-
steine, welche in Verbindung mit Kieselschiefer am Kipper- und
Löbeberg bei Oehrenfeld im Liegenden des Quarzits, aber auch
von Lossen am Ifenkopf südlich Altenau in echtem Culm beob-
achtet wurden; andererseits an feinkörnige, braunen Glimmer
führende Grauwacken aus dem Klosterholz bei Usenburg, ebenfalls
aus dem Liegenden des Quarzits. Was die Auffassung der Kiesel-
schiefereinschaltungen betrifft, so könnten dieselben als zur Quar-
zitformation zu zählende Einlagerungen, als sattelförmig auf-
tauchende oder bei der Faltung hindurchgestossene Theile des
zunächst Liegenden des Quarzits oder endlich als Aequivalente
der Culmkieselschiefer angesehen werden. Trotz der grossen petro-
graphischen Aelinlichkeit mit den letzteren scheint die Ausbildung
der Quarzitbänke, welche an die Kieselschieferzüge angrenzen,
darauf hinzudeuten, dass sie Schichtengliedern der Wiederschiefer
entsprechen, in denen der Quarzit im Klosterholz bei Ilsenburg
und am Spitzen- und Kipperberg südlich Oehrenfeld aushebt.
XXXVI
Es treten nämlich längs der Kieselschieferzöge alle jene Aus-
bildungsformen quarzitischer Gesteine auf, wie sie nördlich der
Sattelaxe der Tauner Grauwacke im Bereich des Hauptquarzits
bekannt geworden sind : sehr glimmerreiche plattigbrechende Ge-
steine, krummschalige, auf den Schichtflächen mit Glimmer über-
zogene Quarzitschiefer, schwarze glasige, eigenthümlich rund-
höckerige Quarzite und durch Aufnahme von Feldspatli- und
Schiefermaterial auf der Grenze zwischen Grauwacken und Quar-
ziten stehende Gesteine. Nur die kohlensauren Kalk enthaltenden
Glieder des Hauptquarzits fehlen nach den bisherigen Beob-
achtungen.
Eigentümliche breccienartige Quarzite, wie sie von Herrn
Prof. Lossen schon auf Blatt Wernigerode am Nackten Stein
und dem Kamm der Hippein, nahe der Granitgrenze beobachtet
wurden, treten auch hier, längs der Granitgrenze der Stötterthals-
köpfe, auf. Sie bestehen aus scharfkantigen Quarzitbruchstücken,
welche durch ein sandiges Gement verkittet sind, und haben ihre
Entstehung wohl nur mechanischer Zertrümmerung der dem
Granit zunächst liegenden Quarzitschichten bei der Faltung des
Gebirges und der Aufpressung des Granits zu danken. Durch
Turmalingehalt dunkel gefärbte Quarzite besitzen auf Blatt Harz-
burg nicht die Verbreitung wie längs der Granitgrenze am Nackten
Stein und Halberstädter Kopf auf Blatt Wernigerode.
Als trennende Glieder zwischen Quarzit und derben Cnlm-
grauwacken treten zunächst dem Quarzit Culmkieselschiefer auf,
am Wartenberg gemeinsam mit Adinolen, rothen und grünen
Schiefern und schwachen Diabaslagern, gegen die Grauwacke hin
Schiefer mit schmalen Bändern von feinkörnigem Grauwacken-
material. Nur an wenigen Stellen, wie an dem stark mit Quarzit-
schutt überrollten Nordabfall der Lerchenköpfe, konnten Kiesel-
schiefer am Quarzit nicht nachgewiesen werden. Es würde dies
auf eine streichende Störung längs des Quarzits schliessen lassen,
wenn nicht die Ungunst des Terrains und die Ueberrolluug mit
Schutt die Zuverlässigkeit der Beobachtung in Frage stellten.
Die Umwandlung der Kieselschiefer in der Granitnähe zu hell-
farbigen, feinkörnigen Quarziten, welche schon früher in Gemein-
XXXVII
Schaft mit Herrn Prof. Lossen am Meineberge an den Kiesel-
schiefereinlagerungen der Wiederschiefer beobachtet wurde, hat
in dem untersuchten Gebiet in weitem Maasse stattgefunden.
Diese umgewandelten Kieselschiefer sehen echten Quarziten so-
wohl im Stück wie auch im Dünnschliff so täuschend ähnlich, dass
nur der streichende Zusammenhang mit unverändertem Gestein,
die deutliche Schichtung gegenüber dem mehr massigen Quarzit
und die Erhaltung der häufig vorhandenen Streifung und Bände-
rung auch im Hornfelszustand darüber entscheiden kann, ob das
eine oder andere vorliegt. Eine Reihe von Vorkommnissen, welche
früher als Quarziteinlagerungen angesehen wurden, haben sich
als solche durch Contact umgewandelte Kieselschiefer erwiesen.
Mittheilung des Herrn A. IIalfar über neuere Auffindung
von Petrefacten zwischen dem Bru chberg- Acker-Quarzit
und Osteroder Grünsteinzug und über Aufnahmen auf
Blatt Zellerfeld.
Herr A. Halfar erlangte durch seine geologische Thätigkeit
Ö o o o
im Jahre 1887 hauptsächlich zwei Resultate. Zunächst gelang
es ihm, ausserhalb seines Arbeitsgebietes im südlichen Theile
des nordwestlichen Oberharzes in der bis zum Jahre 1883 nur
als fast petrefactenleer gekannten Schichtenfolge zwischen dem
Quarzitrücken des Bruchberg-Ackers und dem nordwestlich davon
gelegenen sogenannten Osteroder Grünsteinzuge , und zwar im
Thale der »Grossen Schacht« südwestlich von Riefensbeek, nachzu-
weisen, dass die recht unbedeutende Petrefacten-Fauna, welche
auf Adolph Roemer’s Andeutungen hin durch den inzwischen
verstorbenen Director der Clausthaler Bergakademie, Herrn Berg-
rath Dr. von Groddeck ermittelt und von 1883 — 1885 mit grossem
Fleisse ausgebeutet worden war, doch etwas reicher ist, als dies bisher
bekannt war. Zu den nicht seltenen Crinoidenstielen, einigen un-
deutlichen Orthoceren und einem verkiesten Lamellibranchiaten,
welche bereits von letztgenanntem Forscher im Grosse Schacht-
Thale vorwiegend aus einer Einlagerung sehr dunklen, höchst un-
reinen Kalksteins in Thonschiefern zwischen zwei Kieselschiefer-
Zonen gewonnen worden waren, kamen noch in grosser Individuen-
XXXVIII
Zahl Tentaculiten und Goniatiten hinzu, leider jedoch in der
denkbar schlechtesten Erhaltung1).
Andererseits liess sich in dem eigentlichen Arbeitsgebiete (Blatt
Zellerfeld) in der neuerdings »Goslarer Schiefer« benannt gewesenen
Schichtengruppe am nördlichen Saume des Mittleren Grumbacher
Teiches östlich Bockswiese und nördlich von Zellerfeld das Auf-
treten der Gattung Homalonotus nachweisen , obschon vorläufig
nur aus sehr mangelhaften, wenigen Kesten. Bedarf dasselbe
daher auch noch einer weiteren Bestätigung durch zukünftige
deutlichere Funde, so liefert es doch einen Beitrag mehr zur
richtigen Altersdeutung der sogenannten Goslarer Schiefer. Ausser
den petrographischen Analogien dieser mit den Orthocerasschiefern
von Wissenbach und den jenen gleichstehenden Devonbildungen
im Nassauischen kommen nämlich beiderseits auch gleiche Petre-
facten vor, und unter diesen sind von Goniatiten als besonders
charakteristisch bekannt: Goniatites occultus Barr.2), sogar von der
oben genannten Fundstelle der Homalonoten- Reste, Gon. verna-
rhenanus Maurer3 4) vom nördlichen Saume des Oberen Grum-
bacher Teiches östlich Bockswiese sowie vom untersten Schalk-
teiche nordöstlich von Zellerfeld, und der allgemein als Leitfossil
betrachtete Gon. Jugleri A. RoemA) (= Gon. emaciatus Barr.) von
der Festenburg, welcher auch gar nicht selten in den Thonschiefern
im Rammelsberg-Bergwerke südlich Goslar vorkommt. Da hiernach
die Gleichaltrigkeit der in Rede stehenden Nassauer und Oberharzer
Devonbildungen keinem Zweifel unterliegen dürften, so muss auch
der frühere A. RoEMER’sche Name »Wissenbacher Schiefer« für die
letzteren wieder an die Stelle der Bezeichnung »Goslarer Schiefer«
treten 5).
Im Uebrigen wurde bei den letzten geognostischen Aufnahmen,
welche sich auf die theilweise Beseitigung mehrerer Lücken be-
*) Siehe auch Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges., Jahrg. 1887, Protokoll der
November- Sitzung.
2) Dieses Jahrbuch für 1883, S. 51.
3) Dieses Jahrbuch für 1883, S. 53.
4) Dieses Jahrbuch für 1883, S. 45.
5) Vergl. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges., Jahrg. 1887, Protokoll der December-
Sitzung.
XXXIX
schränkten, die in der bisherigen Darstellung des Devon und Culm
in der Gegend zwischen Hahnenklee, Bockswiese und dem Auer-
hahn-Gasthause sowie südlich Goslar am Herz- und Rainmelsberge
verblieben waren, wenig bemerkenswerthes Neue beobachtet.
An der nördlichen Abdachung des Herzberges tritt auf dem
kleineren östlichen Bergtheile in der südlichen Böschung des
mittleren der drei neu angelegten Forstwege (des Kükenkorbs-
Weges der Oberförster REUSs’schen Uebersichtskarte von der
Stadtforst Goslar a. II ., im Maassstabe 1 : 16000) in den Calceola-
schicliten ein Gestein auf, welches in ihnen von keiner anderen
Stelle auf dem nordwestlichen Oberharze bisher bekannt geworden
ist. Dasselbe bildet ein schmales, nur 5 Centimeter dickes
Bänkchen, welches an genanntem Wege etwa 45 Schritt nordwest-
wärts von der Grenze des Spiriferensandsteins in h. 4. 6. 0 *)
streicht und unter 40° nach SO. einfällt. Es besitzt bei einer
grauen bis duukelgrauen, feucht einen deutlichen Stich in’s Berg-
grüne zeigenden Farbe die Härte 7, ist spröde, dicht, hat un-
deutlich kleinmuschligen bis splittrigen Bruch und lässt als
accessorische Bestandtheile unter der Lupe zahlreiche metall-
glänzende punktförmige Kryställclien von fein eingesprengten
Kiesen, besonders wohl Schwefelkies und Bleiglanz, erkennen.
Dieses Gestein wird durch unzählige, zu seinen Begrenzungs-
flächen mehr oder weniger schräge, mit weissein Quarz und Kalk-
spath meist wieder ausgefüllte Querklüftchen förmlich in unregel-
mässige, sehr dünne Querplatten zerschnitten. Da es vor dem
Löthrohr nicht schmilzt und in Säuren unlöslich erscheint, so
kann es in Anbetracht seiner grossen Härte und sonstigen Eigen-
schaften nur als eine Kieselschiefer- Varietät betrachtet werden.
An dem steilen, westsüdwestlichen Absturze des Rammels-
berges, östlich oberhalb des Herzberger Teiches, wurde, einiger-
maassen aufgeschlossen durch einen neuen Forstfussweg, welcher
von der eingeebneten Fläche mit dem langen Maschinengebäude
des Rammeisberg - Bergwerks westlich unterhalb des Grossen
') Die magnetische Deklination nach W. betrug für Clausthal in der Auf-
nahmezeit 12° 24 Vf oder h. 9. G. 9,8 0. = rund h. 9. 6. 10. 0.
XL
Communionsteinbruches mit sanftem Ansteigen in südsüdwest-
licher Richtung angelegt ist, zwischen den zweifellosen Calceola-
schichten und den darüber (hier scheinbar darunter) folgenden
Wissenbacher Schiefern eine etwa 15 Schritt breite eigenthümliche
Schichtenzone beobachtet. An ihrem Liegenden treten zwei sehr
mächtige Einlagerungen von recht hell bis ziemlich dunkel berg-
grünem, feinkörnigem Quarzit auf, während sie sonst aus meist
auffallend harten, grünlichgrauen, durch den Einschluss von
mikroskopisch kleinen Glimmerschüppchen hell schimmernden,
z. Th. phyllitähnlichen Thonschiefern besteht, die am Hangenden
in niederen Klippen aus dem von Gesteinsschutt ganz überrollten
Bergabsturze hervortreten. Diese Zwischenbildung schliesst sich in
ihrer allgemeinen Beschaffenheit den hiesigen Calceolaschichten an.
An dem nordwestlichen Innenrande des grösseren unteren
Theiles des Kranicher Teiches südwestlich Hahnenklee tritt, etwa
50 Schritt vom unteren Damme, in ein Paar kaum ^3 Meter
starken bankförmigen Einlagerungen, ganz an der unteren Grenze
des Culm-Posidonomyenschiefers, deutlich körnige Grauwacke auf,
und zwar mit einem Uebergauge in kleinkörniges Conglomerat,
welches Milchquarzbrocken von mehr als Erbsengrösse enthält.
Südsüdöstlich gegenüber von hier, in der südlichen Teichecke,
erscheint in dem daselbst ungewöhnlich harten Posidonomyen-
scliiefer diese conglomeratische Grauwacke in Folge eines kiesel-
säurereicheren Bindemittels fester, ist Kieselschiefer ähnlich zer-
klüftet und zeigt auf den Kluftflächen ockergelbe und rauchgraue
Anflüge.
Die überaus verwickelten Lagerungsverhältnisse der Devon-
und Culmschichten in dem diesmaligen Untersuchungsgebiete
O O Ö
lassen sich ohne bildliche Darstellung leider nicht klarlegen.
Bezüglich der ungemein zahlreichen und mannigfaltigen
Schichtenzerreissungen, durch welche ihre Erkenntniss noch mehr
erschwert wird, sei nur ganz allgemein angeführt, dass, wie sonst
im nordwestlichen Oberharze, auch diesmal vorwiegend mehr oder
minder querschlägige Verwerfungen neben den mehr zurück-
tretenden nachgewiesen wurden, die in einer streichenden, im
XLI
Allgemeinen südwest- nordöstlichen Richtung liegen, wobei jedoch
nicht unbedeutende Abweichungen von dieser Vorkommen. Ferner
konnten auch einige, zur Lage dieser beiden Hauptverwerfungen
annähernd diagonal, mehr nordsftdwärts , verlaufende Schichten-
störungen mit Sicherheit festgestellt werden.
Mittheilung des Herrn A. von Koenen über Aufnahmen
westlich und südwestlich vom Harz.
Die Kartirung der Umgegend von Göttingen ergab eine immer
grössere Zahl von grösseren und kleineren Dislocationen, welche
durchweg in ihrem Verhalten als weitere Belege für die An-
schauungen gelten können, welche vom Verfasser in den letzten
Bänden des Jahrbuchs der Königl. Preuss. geol. Landesanstalt
mitgetheilt wurden, z. Th. auch iu dem Aufsatz »Beitrag zur
Kenntniss von Dislocationen« in diesem Bande benutzt wurden.
Name atlich zeigten sich an den Abhängen in der Gegend von
Nikolausberg-Moringen mehrere schmale Gräben, mittlerer Muschel-
kalk in Wellenkalk eingesenkt in Parallelspaltungen zum Leine-
thal, deren Fortsetzung auf den Plateaus von oberem Muschelkalk
oder von Wellenkalk gar nicht nachzuweisen ist oder nur dann
verfolgt werden kann, wenn man von jenen besseren Aufschlüssen
ausgeht. Recht eigenthümlich verhält sich ferner eine von dem
Dorfe Geismar verlaufende Spalte. Zunächst liegt hier Keuper
zwischen oberem Muschelkalk eingesunken, weiterhin hat sich die
»Lengdener Burg« längs dieser Spalte gegen das Wellenkalk-
Plateau des »Göttinger Waldes« gesenkt; über Gross-Lengden
hinaus ist sie im Gebiet des Röth nicht zu verfolgen, aber im
Fortstreichen derselben folgt der »Hengst«, eine Wellenkalk-Mulde
mit deutlicher Verwerfungsspalte in der Muldenlinie und meist ziem-
lich steil einfällenden Flügeln, welche durch drei verschiedene Nord-
Süd-Brüche mehrmals nach Osten hin in’s Liegende verworfen
wird, so dass der im Westen einen hohen Kamm bildende Nord-
Hügel im Osten in die Thalsohle hinabsinkt.
Ferner stellte sich heraus, dass die südlich von Herberhausen
verlaufende komplizirte Bruchlinie und die Sattelspalte der »Kieper«
XLII
welche den Bau des Hainberges wesentlich beeinflussen, nach Süd-
osten hin konvergiren und bei dem Gute Kerstlingeröderfeld sich
vereinigen.
Aufschlüsse bei der Neu-Fassung des »Reinsbrunnens für die
Wasserleitung von Göttingen « stehen z. Th. noch in Aussicht,
haben aber im letzten Herbst ergeben, dass stellenweise über dem
Kalktuff ein grauer bis gelber oder bläulicher kalkhaltiger Sand
liegt, z. Th. noch von Kalktufi' bedeckt, in welchem Ziegelstück-
chen liegen, z. Th. aber auch von Lehm bedeckt. Der Sand ent-
hielt an einer Stelle zahlreiche Helix, Pupa , Succinea oblonga etc.
Vermuthlich hat Bornemann solchen Sand, der in solcher Lage
und als Diluvialsand mir sonst nicht bekannt geworden ist, als
Tertiärsand gedeutet, welchem er auch in der That ähnlich ist.
(Ueber die Liasformation in der Umgegend von Göttingen, Inaug.-
Diss., Göttingen 1854, S. 14.) Ich habe wirklichen Tertiärsand
unterhalb des Reinsbrunnens nicht gesehen; übrigens hat ja Borne-
mann diese Deutung nur mit allem Vorbehalt gegeben.
Mittheilung des Herrn Th. Ebert über Aufnahmen im
Bereich der Blätter Waake und Gelliehausen.
Die Aufnahme auf Blatt Waake und Blatt Gelliehausen
haben ergeben, dass dieses Gebiet reich au Schichtenstörungen ist,
die zum grossen Theil offenbar mit den Störungen des Leinethaies
im engen Zusammenhänge. stehen. Die Mehrzahl der nachgewiesenen
Bruchlinien hat ein nordnordöstliches Streichen. Die bedeutendste
derselben ist eine Verwerfung, welche beide Blätter durchschneidet
und sowohl nördlich wie südlich des Gebietes sich noch weiter
fortsetzt. Dieselbe zieht sich, vom Süden kommend, auf Blatt
Gelliehausen östlich vom Dorfe Rohrberg, am »Heinebrink«, dem
»Gr. Seeberg«, am Dorfe Bremke und dem Escheberg vorüber in
das Thal zwischen »Blumenthalsberg« und »Dibichsberg«. Auf
der ganzen Strecke ist der Röth gegen den Mittleren Buntsand-
stein verworfen. Der weitere Verlauf bis zum »Alten Kaiser«
(Blatt Waake) ist noch nicht sicher gestellt, da hier die Unter-
suchungen noch nicht beendigt sind. Dort ist aber die Verwerfung
wieder deutlich zu beobachten. Dieselbe erhält am Hengstberg
XLIII
eine starke Ablenkung nach Osten, und zwar wahrscheinlich in
Folge einer hier durchschneidenden Querverwerfung. Jenseits der
letzteren am Dachsberg wendet sie sich wieder nach Nord, be-
ziehungsweise Nordost, läuft durch das Thälchen zwischen Mittel-
und Langenberg, schneidet die Schweckhäuser Wiesen, zieht sich
am Ostabhang der »Fuchslöcher« entlang, durchquert zwischen
Ebergötzen und Domäne Radolfshausen das Auethal, und verläuft
wahrscheinlich über »Borzeleck« und »Streit« und durch das Sau-
thal nach Werxhausen auf Blatt Lindau. Kurz vor diesem Orte
schneidet der Fahrweg nach Krebeck (Blatt Waake) die Ver-
werfung. Obwohl auf der Strecke vom Dachsberg bis Werxhausen
nur wenig Aufschlüsse die Verwerfung deutlich zeigen, ist der
angegebene Verlauf doch als richtig anzunehmen, da östlich dieser
Linie die Bausandsteine bis auf unbedeutende Partieen, der
Chirotheriumsandstein und der Röth aber gänzlich fehlen, und
vielmehr, selbst in den höchsten Niveaus, nur die unteren Schichten
des Mittleren Buntsandsteins mit Gervillia Murchisoni Dein, und
Estherien vertreten sind. Ausserdem beweist aber auch das vielfach
zu beobachtende steile Einfallen der Schichten in der Nähe der
angegebenen Linie die Richtigkeit der Auffassung.
Vom Südrand des Blattes Gelliehausen bis Bremke bildet
diese Verwerfung, die ich der Kürze halber die »Bremker -Ver-
werfung« nennen will, die östliche Begrenzung einer Grabenver-
senkung. Der westliche Rand des Grabens wird durch eine
Bruchliuie gebildet, die in vorwiegend nördlicher Richtung am
Westabhang des Rohrbergs entlang, dann mehr nordöstlich durch
ein Thälchen im Hüttenholz nach Ischenrode verläuft und jenseit
des Dorfes mit mehr nördlicher Richtung am Möncheberg durch
Lehmablagerungen verdeckt wird. Wahrscheinlich bildet eine Ver-
werfung am Ostabhang des Eschebergs die Fortsetzung, so dass
der Graben sich hier an der Bremker Verwerfung auskeilt.
Die ganze Röth- und Muschelkalk -Partie südlich Bremke
ist also eingesunken, und zwar z. Th. te rassenförmig, wie ein Auf-
schluss am Nordrand des Rohrbergs zeigt, andererseits auch die
verschiedene Höhenlage der unteren Grenze der einzelnen Wellen-
kalk-Partieen vermuthen lässt.
XLIV
Die zahlreichen Bruchlinien östlich der Bremker Verwerfung
sind schwer zu verfolgen und zu fixiren, da dieselben sich im
Gebiet des Mittleren Buntsandsteins, und zwar vorwiegend der
unteren Abtheilung desselben befinden.
Mittheilung des Herrn J. G. Bornemann über Aufnahmen
auf Blatt Wutha.
Die Aufnahme des Blattes Wutha wurde zum Abschluss
gebracht.
Im Gebiete des Oberen Rothliegenden gestatteten einige neuere
Aufschlüsse in Eisenach specielle Studien bezüglich der Ent-
stehuugsweise dieser Ablagerung. Fussgrosse Granitblöcke sind in
dieser massigen Aufschüttung von vorweltlichem Gebirgsschutt
nicht selten und die eigenthümliche Vertheilung gleichgrosser Ge-
steinsfragmente zeigt die Linien unvollkommener Schichtung in
der Art eines Schuttdeltas, welches in einem tiefen Binnengewässer
abgesetzt wurde. Dabei sind zuweilen durch den Druck höherer
Aufschüttung die unterliegenden Massen vorwärts geschoben und
in bauchigen Formen aufgestaut worden, deren Umrisse sich durch
die Reihen jener gleichartigen Fragmente erkennen lassen.
Im östlichen Gebiet von Schmerbach, wo die unteren Glieder
der marinen Zechsteinformation als eine mächtig entwickelte
schiefrige Facies gegenüber den in nächster Nähe anstehenden
mächtigen Riffbildungen des Wartberges auffallen, ist auch
im Oberen Rothliegenden, welches dort als eine Folge fein-
körniger Sandsteine ausgebildet ist, eine bemerkenswerthe Er-
scheinung zu beobachten. In einem Steinbruch, in welchem dort
Sandsteinplatten gewonnen werden, sieht man in einer mächtigen
Sandsteinbank eine muldenförmige, mit groben Geröllschotter er-
füllte Aushöhlung — dem Bett eines Gebirgsbaches ähnlich —
über welcher die Schichtfläche der Sandsteinbank wieder voll-
kommen eingeebnet ist und concordante Schichten folgen. Es ist
danach anzunehmen, dass an jener Stelle die Schichtenablagerung
unter zeitweisem Einfluss eines vom Lande in’s Meer austretenden
fliessenden Gewässers stattfand.
XLV
Im Zechsteindolomit des Krumsberges bei Thal ist durch die
bergbaulichen Arbeiten auf Scliwerspath eine geräumige Holde mit
Stalaktiten augefahren worden.
Bezüglich des Buntsandsteins ergiebt die Vergleichung der in
verschiedenen Höhenstufen der Formation gelegenen Steinbrüche
im Poppenberge bei Sondra und am Dorfe Schwarzhausen eine
grosse Einförmigkeit in dem mächtigen Schichtensystem des Haupt-
sandsteins, welcher gänzlich als eine grosse Dünensandbildung
zu betrachten ist. Dieselbe zeigt alle Wechselfälle und strati-
graphischen Eigentümlichkeiten, welche derartige Gebilde aufzu-
weisen pflegen. Geröllführende Schichten fehlen und die im Ge-
steinsbestand wenig variirenden Bänke greifen durch Auskeilen
oder Zerspalten so innig in einander, dass sich die bisher ver-
suchte Abtrennung einer unteren feinkörnigen Abtheilung weisser
Sandsteine nicht durchführen Hess.
Als unterste. Abtheilung des Buntsandsteins kann hier eine un-
bedeutend entwickelte Schichtenfolge dünnschichtiger, braunroter,
thoniger Sandsteine gelten, welche andererseits wieder mit den
sogenannten Bröckelschiefern an der Grenze des Zechsteins so
innig Zusammenhängen, dass am besten diese beiden wenig mäch-
tigen Schichten als ein Glied vereinigt kartirt werden.
Von Chirotheriumsaudstein , welcher im südlichen Thüringen
eine typische Küstenbildung ist, hat sich auf Section Wutha Nichts
auffinden lassen. Dagegen erreicht der Röth eine ansehnliche
Mächtigkeit und enthält stellenweise unbedeutende Gypsschnüre und
au der unteren Grenze Chalcedoueinlagerungen.
Mitteilung des Herrn Robert Scheibe über Aufnahmen
auf den Blättern Friedrichroda und Ohrdruf.
In der ersten Zeit meiner Thätigkeit in Thüringen unter-
stützte ich Herrn Professor Weiss bei der Durchführung der
Gliederung des Unteren Muschelkalkes auf Blatt Friedrichroda.
Die Ausbildung dieses Formationsgliedes weicht im Wesentlichen
von der im südwestlichen Thüringen erkannten nicht ab. In seiner
unteren Abteilung sind die als Oolithbänke bezeichneten festen
XLVI
Schichten, in der oberen die sogenannten Terebratel- und die
oberen Werksteinbänke (Schaumkalke) verfolgt und eingetragen
worden.
Hierauf wurde die südwestliche Ecke des von Herrn Professor
Bauer bereits aufgenommenen Blattes Ohrdruf, nachdem bessere
topographische Grundlagen gewonnen worden waren, neu darge-
stellt. Gliedert man das Rothliegende in Unteres und Oberes
Rothliegendes, wovon die letztere Abtheilung im Wesentlichen die
Ablagerungen umfasst, die nach Abschluss der eruptiven Thätig-
keit während der Zeit des Rothli egenden gebildet worden sind, so
gehören auf unserem Blatte der oberen Abtheilung des Unteren
Rothliegenden an: der Porphyrit, die Quarzporphyre, die Tuffe
und wenig mächtige sandige Schieferthone (Thonsteine), welch’
letztere in dem Hohlweg südlich des Waldhäuschens bei Neuendorf
aufgeschlossen sind. In das Obere Rothliegende gehören die Por-
phyrconglomerate.
Unteres Rothliegendes. Der Porphyrit tritt nicht nur, wie
bisher angenommen wurde, am Finkenberg, sondern auch südlich
vom Waldhäuschen bei Neuendorf auf. An beiden Stellen ist es
mehr oder weniger stark verwitterter Augitglinnnerporphyrit. Da
zahlreiche Brocken dieses Porphyrits in den Porphyren eingeschlossen
sind, so sind letztere jünger als der Phorphyrit. Man tritt in der
Südwestecke des Blattes Ohrdruf bereits in ein Gebiet, wo die
Quarzporphyre grosse Massen bilden und das geschichtete Roth-
liegende zurücktreten lassen.
Diese Porphyre zeigen viele der Erscheinungen in besonderer
Schönheit, wie sie aus anderen Theilen des Thüringer Waldes
bekannt geworden sind, so die sphärolithischen und Kugelbildungen,
die Fluidalerscheinungen, blasige Massen, Verbindung mit Tuffen.
An einzelnen Stellen hat sich der Porphyr in einen feinen, bunt-
gefärbten Grus aufgelöst. In dem oben erwähnten Hohlwege
liegen auf Porphyr rothe und grüne, harte Schieferthone, welche
an ihrer unteren Grenze eine Lage groben Sandsteins einschliessen.
Dieselben sind überlagert von Tuffen, die nach Süden hin grössere
Verbreitung erlangen und auf Blatt Friedrichroda übergreifen.
XL VII
Oberes Rothliegendes. Das Obere Rothliegende wird ver-
treten durch Porpbyrconglomerate, die nach Osten hin weniger
grob, manchmal sandsteinartig sind, nach Westen hin dagegen
recht klotzig werden und besonders auf den Blättern Friedrich-
roda und Tambach weiter verbreitet sind. Die Gerolle der Con-
glomerate bestehen fest ausschliesslich aus Porphyr, nur nordöstlich
am Waldhäuschen, nahe der Zechsteingrenze, wurden einzelne
Granitgerölle gefunden. In den anstossenden Gebieten der Blätter
Tambach und Friedrichroda lassen sich im Oberen Rothliegenden
leicht drei Glieder unterscheiden: die liegenden, groben Porphyr-
conglomerate ohne Granitgerölle, die Zwischenschichten, bestehend
aus Sandsteinen und Schieferthoneu, die hangenden, mehr schüt-
tigen und grauitführenden Conglomerate. Die Porphyrconglomerate
auf Blatt Ohrdruf sind die Fortsetzung jener liegenden Conglo-
merate des Nachbargebietes. In ihnen sind aber, wie erwähnt,
grauitische Gerolle vorhanden. Im Gebiete des Blattes Ohrdruf
©
sind die Zwischenschichten und hangenden Conglomerate nicht
aufgefunden worden.
Ueber den Zechstein würde zu bemerken sein, dass seine
untere und mittlere Abtheilung in der Mächtigkeit auffallend gegen
den oberen Zechstein zurücktreten, eine Erscheinung, die auch auf
den angrenzenden Blättern beobachtet worden ist. Nahe am Süd-
rande des Blattes ist das Zechsteinband durch eine in h. 5 streichende
Verwerfung unterbrochen. Die beiden Tlieile desselben sind um
etwa 200 Schritt gegen einander verschoben.
Im Gebiete der Trias treten mehrere starke Verwerfungen
©
auf. Die Fortsetzung eines Sprungs, welcher von Herrn Prof.
Weiss auf Blatt Friedrichroda beobachtet worden ist, wird an der
Apfelstädt bei Georgenthal sichtbar, setzt sich, in nordwest-südost-
lic.her Richtung verlaufend, bis an die oberen Häuser von Neuen-
dorf fort und endet hier plötzlich an einer südnördlich streichenden
Querverwerfung. Jene in der Längsrichtung des Thüringer Waldes
verlaufende Verwerfung schneidet sämmtliche Schichten der Trias
vom Oberen Buntsaudstein bis zum Nodosenkalk ab, so dass Mitt-
lerer Buntsaudstein und Nodosenkalk, und an der Querverwerfung
XLYIII
sogar Mittlerer Buntsandstein und Lettenkohle au einander stossen.
Letzterer Sprung lässt sich, nachdem er bald in nordöstliche
Richtung umgebogen ist, nicht weiter verfolgen. Nordöstlich von
Gräfenhain stossen auch Mittlerer Buntsandstein und Lettenkohle
an einander. Die hier vorhandene Verwerfung konnte der Diluvial-
bedeckung halber nicht verfolgt werden. Es bleibt demnach dahin-
gestellt, oh sie etwa mit den oben genannten Sprüngen im Zu-
sammenhang steht.
Mittheilung des Herrn Zimmermann über Aufnahmen auf
Blatt Crawinkel.
Der mittlere Thüringer Wald ist seit langer Zeit durch seinen
Reichthum an Manganerzen bekannt; neben Blatt Ilmenau und
Suhl ist es besonders Blatt Crawinkel, welches diesen Reichthum
birgt und auf welchem das Erz in vielen Gruben gewonnen wird.
Dem Geologen drängen sich da zunächst die Fragen nach der
Beschaffenheit und Entstehung der Braunsteingänge und nach der
Herkunft des Erzes auf.
Zur Beantwortung der letzteren Frage können von unsrer
Section zunächst folgende Beiträge geliefert werden. Die Braun-
steingänge setzen fast ausschliesslich im Porphyr auf; ausgenommen
scheint nur der Gang Gotthilftgewiss auf dem nördlichen Theil
des Walsberges und ein Vorkommen bei der Grube Heinrichs-
glück im Untern Steiuthal zu sein; beide habe ich nicht näher
untersuchen können. Auch im Porphyr ist das Auftreten der
Gänge nicht auf die verschiedenen Varietäten gleich vertheilt,
sondern es steht im fluidalen, gebänderten Porphyr nur ein einziger
Gang (Grube Eisass im Langen Grund). Dagegen setzen in dem
massigen, an grossen Krystallen von Feldspath und Quarz reichen
Porphyr des Altebergs mehrere, wenn auch kurze Gänge dicht
bei einander auf, vor allen andern — wie nebenbei bemerkt sei —
durch Fluoritführung ausgezeichnet. Weitaus die meisten Braun-
steingänge setzen jedoch in dem mittelgrob- und mittelreich-
körnigen Porphyr auf, welcher die herrschende Varietät auf dem
Blatte bildet und älter als der erstgenannte (fluidale) zu sein
scheint. Wenn bei ihm auch die Bergleute zwischen einem röth-
XLIX
liehen und einem weissen Porphyr unterscheiden, so scheinen mir
diese Differenzen nur auf Zersetzungsvorgänge zurückzuführen zu
sein und auch praktisch wenig Werth zu besitzen. In der Regel
erkennt man in diesem Porphyr mit blossem Auge keinen Glimmer,
doch lässt das Mikroskop nicht selten zersetzte Reste davon
wahrnehmen, und an einzelnen Stellen, die aber auffälliger Weise
sonst nicht den Eindruck möglichster Frische machen, blitzen
schon aus dem Handstück überaus zahlreiche sehr dunkle frische,
bis 2 Millimeter grosse Biotittäfelchen hervor ; solche Abände-
rungen sind auch durch den Reichthum an noch wasserklar durch-
sichtigen Feldspathkrystallen (Orthoklas und Plagioklas) aus-
gezeichnet neben milchweisstrüben, welche den gewöhnlichen
Varietäten eigen sind. Die Untersuchung der frischen Glimmer
auf Mangangehalt steht noch aus, zu vermuthen ist aber doch,
dass vielleicht auf sie der Mangangehalt der Erzgänge zurück-
geführt werden könne.
Was die Beschaffenheit der Gänge betrifft, so dürften als
Typus wohl jene aufgestellt werden können, bei denen die liegende
Grenzfläche glatt ist oder gar als Rutschfläche gestreift ist, wäh-
rend gegen das Hangende sich ein allmählicher Uebeigang der
O O p} O O
aus kleineren oder grösseren Porphyrbrocken oder gar Schollen
mit mehr oder minder reichlichem Braunsteinbindemittel bestehen-
den Gangfüllmasse in den anstehenden, aber noch von zahlreichen
Ablösungen und Spältchen durchsetzten und endlich in den völlig
compakten Porphyr geltend macht, sodass also von einem eigent-
lichen Hangenden des Ganges schwer zu reden ist. Die Gang-
füllung ist demnach geologisch als eine aus Porphyr bestehende
Reibungsbreccie mit Manganbindemittel zu betrachten. Dem Berg-
mann sind natürlich die Sf eilen die willkommensten, wo sich das
Bindemittel in reineren Massen anhäuft. Wenn Seitentrümer
von solchen Gängen abzweigen, so zeigen sie entweder dieselbe
Beschaffenheit oder bestehen aus reinem Erz.
Eine Frage ist es auch noch, in welcher Form das Erz in
die Gänge gekommen sei oder wenigstens zuerst sich ausgeschieden
habe. Mir scheinen nämlich drei Punkte darauf hinzudeuten, dass
das Erz oder wenigstens ein gut Theil desselben sich aus den
O O
Jahrbuch 1887.
d
L
Lösungen nicht gleich fest niedergeschlagen habe, sondern eine Zeit-
lang eine feinschlammige Consistenz besessen habe, wie vergleichs-
Aveise sich einSchlamm aus Lösung von übermangansaurem Kali beim
Stehen an der Luft ausscheidet, oder wie der Manganniederschlag
aus Lösungen durch Alkalien beschaffen ist. Erstens ist die Dicke
vieler Mangandendriten auffällig, die zuweilen so stark ist, dass
man die Dendriten mit dem Messer oder sogar durch Schlag mit
dem Hammer unverletzt ablösen kann. Diese müssen doch in so
weiten Spalten entstanden sein, dass man wohl nicht mehr die
Capillarwirkung auf wässerige Lösungen, sondern die Adhäsion
schlammiger Massen zur Erklärung in Anspruch nehmen muss.
Es mag zugegeben werden, dass dieser Punkt der schwächste ist. —
Zweitens aber ist der Umstand zu beachten, dass die Ausfüllung
der Gänge nicht schichtenweise den Wänden parallel erfolgt ist,
oder wenigstens nur selten einmal eine solche Beobachtung ge-
o o o
macht werden kann, sondern dass die Füllmasse in gewissem Sinne
massig auftritt, als ob sie in der ganzen Mächtigkeit des Ganges
bestanden hätte, ehe sie fest wurde. Es hängt, damit vielleicht
auch der auffällige Mangel an besonderen Gangarten zusammen,
denn es finden sich ausser Baryt und Calcit und (am Alteberg,
wie erwähnt) Fluorit kaum andere Mineralien, und auch diese
spärlich genug. Zudem sind diese drei Mineralien dermaassen
nesterartig im Erz eingeschlossen und umschliessen andrerseits
selbst wieder Erz (der Kalkspath ist dabei durch den feinen Staub
dunkelbraun gefärbt), dass dies einer gleichzeitigen, nicht einer
aufeinanderfolgenden Entstehung das Wort redet. — Endlich
drittens kommen unter den beschriebenen Mangau-Porphyrbreccien
auch solche vor, in welchen sich die Porphyrbrocken nicht be-
rühren, sondern ziemlich weit von einander entfernt sind. Würde
ursprünglich ein loses Haufwerk solcher Brocken den Gang erfüllt
haben und nachträglich durch sogleich in fester harter Form sich
ausscheidenden Psilomelan verkittet sein, so hätten sie sich doch
anfangs berührt, und es wäre nicht leicht einzusehen, wie sie dann
voii einander getrennt werden konnten. Hatte aber das jetzige
Erzbindemittel ursprünglich eine plastische Beschaffenheit, so lassen
sich verschiedene Möglichkeiten denken zur Erklärung der Ent-
fernung der einzelnen Porphyrbrocken von einander.
LI
Im Anschluss hieran möge noch einer eigentümlichen Abart
der Manganporphyrbreccien Erwähnung geschehen, welche sich
besonders im Gebiet der Jüchnitz bei Arlesberg finden. Es bietet
da das Handstück den Anblick eines compakten Porphyrs dar,
in welchem die Grundmasse durch unreinen Psilomelan ersetzt
und anscheinend auch die Feldspathe in eine manganige Masse
verwandelt sind. Die Verteilung der Feldspathe, deren Form
und Spaltbarkeit noch deutlich zu erkennen ist, und der rauch-
braun durchsichtigen Quarzkörner ist eine so regelmässige, dass
ich vor näherer Untersuchung durch das Mikroskop eine bis anf
die Quarze vollständige Pseudomorphose von Braunstein nach
Porphyr, oder einen manganisirten Porphyr vor mir zu haben
glaubte. Im Dünnschliff erkennt man aber an den Quarzen sehr
häufig noch kleine Partien von heller weisslicher, also unveränderter
Porphyrmasse ansitzend; es muss demnach eine Zerreibung des
Porphyrs zu grusartiger Feinheit und daun eiue compakte Wieder-
verkittung stattgefunden haben. —
Von den jüngeren Bildungen auf Blatt Crawinkel nehmen die
auf dem Plateau liegenden Flussschotter ein besonderes Inter-
esse in Anspruch. Ich habe schon im vorigen Jahre an dieser
Stelle (S. L.) dieselben kurz berührt und darauf hingewiesen, dass
dieselben auf der Höhe nördlich von Gräfenroda auf einer von
tiefen eng an einander liegenden Binnen durchfurchten Fläche
auflagern. Ich muss jetzt noch nachholen, dass diese Rinnen und
dazwischen aufragenden Kämme quer zur heutigen Flussrichtung
verlaufen und dadurch auf abweichende Abflussverhältnisse hinzu-
deuten scheinen, — denn bei den sehr geringen Quer- und
Längserstreckungen dieser Rinnen lassen sich sichere Schlüsse
nicht daran knüpfen. — An den übrigen Vorkommnissen des
gleichen Plateauschotters habe ich entsprechende Beobachtungen
nicht machen können. Diese Vorkommnisse sind nun zwar jetzt
alle nur insuläre Reste, die ursprünglich natürlich in Zusammen-
hang gestanden haben müssen. Jetzt sind aber die Verbindungen
durch Erosion soweit zerstör! , dass die wenigen sehr zerstreuten
Geschiebe, die sich noch hier und da finden, keinen Anhalt mehr
zu sicheren Construktionen alter Flussläufe geben. Eines aber
d*
LII
muss doch besonders hervorgehoben werden: eine Beziehung zu
o o
heutigen Flussthälern lässt sich auf meinem Blatt uicht nachweisen,
einzelne dieser isolirten Reste liegen sogar beträchtlich weit weg
von jedem heutigen Fluss, der in Betracht kommen könnte; z. B.
die Vorkommen zwischen Crawinkel, Gossel und Wölfis liegen
4 — 5 Kilometer von der Ohra oder der Gera entfernt. Dies weist,
vielleicht unterstützt von der vorhin erwähnten Abweichung in
der Flussrichtung, allerdings auf ein hohes Alter dieser Ablage-
rungen hin; der Mangel nordischer Geschiebe könnte vielleicht
O 7 o
sogar für präglaciales Alter sprechen, aber ob desswegen schon
pliocänes anzunehmen sei, muss immerhin noch fraglich bleiben.
Jedenfalls kann die Frage völlig nur gelöst werden unter Berück-
sichtigung aller innerthüringischen Plateauschotter, eine Aufgabe,
die gewiss recht dankeuswerth wäre. —
Auch über die verkieselteu Zechsteinblöcke haben die
Aufnahmen des Jahres 1887 Neues ergeben. Als ich im vorigen
Jahrbuch (S. XLViil) darüber berichtete, konnte ich nur 3 Fund-
orte auf der Höhe des Gebirges angeben; jetzt kann ich noch
zwei benachbarte zufügen, an denen die Blöcke auch nur lose
sind, aber auf denselben Ausgangspunkt in der Nähe des Chaussee-
hauses Wegscheid hinweisen. Ferner haben sich vereinzelte
Blöcke noch auf dem Gabelkopf, im obern Kehlthal und auf Blatt
Suhl — worauf mich Plerr v. Fritsch hinzuweisen die Güte
hatte — im obern Schnabelbach gefunden, endlich ist auch im
Orte Arlesberg ein Block, der als Prellstein benutzt wird, ein
weiterer Beweis für die ehemalige ausgedehntere Verbreitung dieses
interessanten Gesteins. Das Vorkommen im Schnabelbach zeichnet
sich durch besonders grobe Krystallisation und Reichthum an
secundären drüsigen Quarztrümern aus; dass es aber trotz dieser
von der ursprünglichen überaus abweichenden Beschaffenheit und
trotz des Mangels von Versteinerungen zu dem Zechstein zu
ziehen ist, beweist die charakteristische mikroskopische Struktur.
In überraschender Uebereinstimmung mit Schliffen des Quarzits
von der Wegscheid erkennt man nämlich, dass das Gestein ein
holokrystallinisches Gemeng von Quarzkörnern geworden ist, welche
dicht von bräunlichen dendritischen Häutchen von Eisenhydroxyd
Liir
durchzogen sind; diese hauchdünnen Dendriten zeigen sehr häufig
überaus regelmässige Anordnung der Aeste und Zweige nach (im
Dünnschliff) zwei oder in Wirklichkeit jedenfalls drei Systemen,
welche sich ungezwungen auf die Blätterdurchgänge von Kalk-
spath beziehen lassen; dass diese Regelmässigkeit nicht eine Eigen-
tümlichkeit des Dendriteumaterials sei, dies also nicht idiomorph
auskrystallisirt sei, wird durch die völlige Abrundung der einzelnen
Endblättchen bewiesen, welche jeder krystallinischen Form bar
sind. Man muss also annehmeu, dass die fraglichen verkieselten
Zechsteinblöcke früher einmal grobkrystallinischer Kalk waren,
in welchem auf Spaltflächen der einzelnen Calcitindividuen sich
Eisenlösungen capillar verbreiteten und Eisendendriten lieferten.
Zu bemerken ist, dass zwischen den durch die Dendriten ange-
deuteten früheren Calcitkörnern und den jetzigen Quarzkörnern
keine Beziehungen bestehen; letztere sind in der Regel kleiner,
und die Dendritensysteme gehen ungestört durch mehrere Quarz-
körner durch. —
Das Blatt Crawinkel entfällt zu etwa 2/s auf das nordöstliche
Vorland des Thüringer Waldes, zu etwa 3/5 auf diesen selbst.
Die jetzt abgeschlossene Kartirung des Blattes hat gezeigt, dass
die Trias, welche den Vorlaudtheil zusammensetzt, in fast unge-
störter, nur äusserst schwach geneigter Lagerung sich befindet;
nur eine einzige Verwerfung scheint vorhanden zu sein und in
etwa N. — S.-Richtung zu verlaufen, kann aber, ganz von Diluvium
verdeckt, nicht direct beobachtet, sondern nur mit einiger Wahr-
scheinlichkeit erschlossen werden.
Viel auffälliger und wichtiger ist dagegen eine andere Störung,
C5 O O O ©7
welche sich erst nahe dem Fuss des Gebirges einstellt, gegen
diesen hin aber immer stärker wird: es richten sich die Schichten
immer mehr auf, und diejenige Schicht, welche am nächsten an
den sehr scharf markirten Fuss des • — ■ zudem auch uocli aus ganz
andern Gesteinen und Formationen gebildeten Gebirges grenzt, ist
schliesslich sehr steil oder gar senkrecht; zuweilen scheint sie so-
gar überkippt zu sein und gegen (d. h. also unter) das Gebirge
einzufallen. Ueber letzteres Verhalten werden wir unten noch
besonders zu berichten haben. Es ist zunächst gleichgültig, ob
LIV
die betreffende Schicht Zechstein oder ein Glied der Trias ist.
Jedenfalls biegt jede dieser steilen Schichten in irgend einer Tiefe
unter der Oberfläche um und nimmt dann ungefähr söhlige Lage
an, mit andern Worten, sie bildet eine Mulde oder den Mulden-
theil einer Falte derjenigen besonderen Art, welche man neuerdings
als Flexuren von den anderen unterscheidet. Der Satteltheil dieser
Flexur scheint ehedem auch vorhanden gewesen zu sein, da die
im vorigen Band dieses Jahrbuchs von mir beschriebenen ver-
kieselten Zechsteinblöcke, welche sich auf der Kammhöhe des Ge-
birges finden, als Beweis gelten können. Auch liefern die andern
Zechsteinvorkommnisse (von gewöhnlicher Beschaffenheit), welche
sich noch innerhalb des Gebirges selbst, wenn auch nicht auf
Kammhöhe, vorfinden (auf dem Arlesberg und am Raubschloss),
durch ihre horizontale Lagerung den weiteren Beweis, dass auch
der jetzt durch Erosion zerstörte Schenkel der Flexur, von dem
sie eben die (infolge von Einsinken zwischen Verwerfungen ge-
retteten) Reste bilden, diejenige Lagerung besass, welche bei einer
typischen Flexur vorauszusetzen ist. — Innerhalb des Rothliegen-
den lässt sich freilich, selbst hart am Gebirgsrand, nicht mit Sicher-
heit diejenige steile Schichtenstellung nachweisen, welche die Be-
theiligung auch dieser Formation an der Flexur beweisen würde J).
Man kann das Ganze also auch als ein grossartiges Beispiel jener
»Rücken« oder »Niederziehungen« ansehen, wie sie der Kams-
dorfer Bergmann gerade auch an der Sohle des Zechsteins so
häufig beobachtet.
Das Vorstehende ist zunächst gesagt im Hinblick auf die
Beobachtungen auf Blatt Crawinkel. Wenn man aber die in Be-
arbeitung befindliche geologische Uebersichtskarte des Thüringer
Waldes betrachtet, so ergiebt sich schon aus dem Umstand, dass
der Zeclistein in fast ununterbrochenem Zusammenhang den Nordost-
fuss des Gebirges nur in dexjenigen äusserst geringen Breite um-
b Zwar ist oft genug eine recht beträchtliche Neigung zu beobachten, z. B.
sehr schön am Oberrothliegenden von Arlesberg bis gegen Elgersburg hin,
aber doch bleibt sie auch hier wohl stets hinter der Neigung yon 30 — 35°
zurück, welche eine Schicht gleich von Anbeginn (Uebergnssschichtung) an-
nehmen kann.
LV
säumt , die fast unmittelbar seiner Mächtigkeit entspricht, der
Schluss, dass er entlang diesem ganzen Gebirgsfuss als Flexur-
mittelschenkel auf dem Kopfe stehe, - — ein Schluss, welcher durch
die directen Einzelbeobachtungeu des Schichtenfalles voll bestätigt
wird. — Die Flexuraxe verläuft natürlich, wie das ganze Gebirge,
ungefähr nordwestlich, mit einem Schwanken zwischen den Stunden 8
bis 10. Es ist nun interessant zu sehen, wie an den wenigen
Ausnahmefällen, wo die Flexur selbst einmal eine Unterbrechung
erleidet (z. B. auf Blatt Ilmenau), das Zechsteinband sogleich
nordöstliches Streichen, eine grössere Breite und ein sehr viel
flacheres Schichtenfallen annimmt. Dies gilt in gleicher Weise
bis zum südlichsten Punkt, den der Zechstein auf der Nordseite
des Thüringer Waldes erreicht, auf Blatt Saalfeld: im westlichsten
Theile dieses Blattes zeigt der Zechstein noch NW.- Streichen,
sehr steilen Schichtenfall, sehr schmales Ausstreichen, nimmt also
noch au der Bildung der Flexur theil; von der Mitte des Blattes
aus gegen Osten ist das Streichen nordöstlich, das Schichtenfallen
im einzelnen Aufschluss kaum merklich, die Breite des Ausstriches
demnach recht beträchtlich, ein Verhältnis, wie es dann weiter-
hin durch ganz Ostthüringen herrschend ist.
Können wir also auf dem ganzen NO.-Fuss des Gebirges die
Ausbildung einer flexurartigen Schichtenstellung insbesondere des
Zechsteins als erwiesen ansehen , als deren unmittelbarer karten-
mässiger Ausdruck das überaus schmale fast ununterbrochene
Zechsteinband uns vor Augen tritt, so brauchen uns dessen aus-
nahmsweise Unterbrechungen doch nicht weiter Wunder zu nehmen.
Wie bei gewöhnlichen Falten, so kann auch bei Flexuren der
Mittelschenkel sich einmal zu einer Verwerfung ausbilden und so
im bestimmten Falle, wie z. B. bei Frankenhain auf Blatt Crawinkel,
Muschelkalk in Berührung treten mit der Rothliegendformation.
Aber gerade hier sieht man auch - — an der senkrechten Stellung
der prächtig aufgeschlossenen Schichten, wie doch der Charakter
der Flexur möglichst gewahrt ist. Anders auf dem Südwestfusse
des Thüringer Waldes, und darin scheint mir ein charakteristischer
tektonischer Unterschied vom Nordostfusse zu bestehen; dort tritt
zwar auch die Trias oft genug in Berührung mit dem Rothliegen-
O O D O
LVI
den, aber in der Regel hat sie eine ziemlich horizontale Lagerung
bewahrt; sie ist entlang von glatt aufgerissenen Spalten nieder-
gesunken. Wir haben demnach am Südfuss des Gebirges eine
Randverwerfung, am Nordfuss eine Randflexur als die herrschende
Regel für den Schichtenbau, während endlich für das nördliche
Vorland des Frankenwaldes (Ostthüringen) eine auffällige nach-
trägliche Schichtenstörung von vorherrschender Bedeutung über-
haupt nicht zustande gekommen ist.
Kehren wir zum Südfuss des Thüringer Waldes zurück, so
ist dort eben infolge des Herrsehens echter Verwerfungen der
Zechstein selten an der eigentlichen Rand Verwerfung; zu beobachten,
vielmehr tritt er in der Regel abseits vom Gebirge an Parallel-
verwerfungen zu Tage und zwar nicht eben selten. Nördlich des
Thüringer Waldes1) dagegen ist meines Wissens bei Rudolstadt
die einzige Stelle, wo Zechstein getrennt von seinem Hauptaus-
streichen (natürlich von Trennungen durch Erosion abgesehen)
wieder zu Tage tritt, und zwar geschieht es dort wohl nur infolge
einfacher Emporsattelung, nicht infolge von Verwerfungen.
Mit der Auffassung' der Lagerungsverhältnisse am Nordost-
fusse des Gebirges, als beherrscht von einer Flexur, und derer
am Südwestfuss als beherrscht durch ein System von Verwerfungen,
steht die thatsächliche Beobachtung in gutem Einklang, dass dort
das Profil aus dem Gebirge nach dem Triasvorland eine möglichst
vollständige Schichtenfolge darbietet, oder wenigstens die Alters-
Differenz der beiden am Gebirgsrand an einander stossenden
Formationen meist eine verhältnissmässig geringe ist, und dass sich
das Oberrothliegende am Nordostabhang des Gebirges reichlich ent-
wickelt zeigt, dass dagegen ein Profil quer durch die südwestliche
Rand Verwerfung im Alter sehr verschiedene Schichten neben ein-
ander zeigt, dass das Oberrothliegende dort in der Regel fehlt
und häufiger das Unterrothliegende oder gar dessen Basis an die
Randspalte herantritt. Es ist darum um so interessanter zu sehen,
wie dort an den Stellen, wo vor dem eigentlichen Gebirge ein-
b Von der eigentlichen Nordspitze des Gebirges ist in dieser ganzen Mit-
theilung abgesehen.
LVII
mal wieder Zechstein zusammen mit Rotldiegenden emportaucht,
letzteres iu der Regel Oberrothliegendes ist (Blatt Meeder süd-
östlich vou Eisfeld, Gegend von Stockheim).
Aus dem Gesagten folgt nun aber nicht, dass der Zechstein
immer auf Oberrothliegenden gelagert sein müsse (so scheint z. B.
o-leich an dem ebenfalls aus der Trias isolirt aufragenden »Kleinen
Thüringerwald« eine Abweichung sich zu finden), es bleibt viel-
mehr die discordante Auflagerung des Zechsteins, wie auf ältere
Formationen, so auch auf die verschiedenen Glieder des Roth-
liegenden unangefochten bestehen, und darum wurde oben (auf
voriger Seite) nur von einer »möglichst vollständigen Schichten-
folge« gesprochen.
Es ist zum Schluss noch ein Punkt zu besprechen. Es ist
im Voraussehenden das Einfallen des Mittelschenkels der Flexur
als ein (von den Stellen der endgiltigen Umbiegung in die Seiten-
schenkel abgesehen) gleichförmiges, vielleicht entlang der Richtung
des Streichens wechselndes, aber doch nicht entlang der Fall-
richtung hin- und herschwankendes betrachtet worden, so zwar,
dass angenommen wurde, das Fallen einer Schicht an einer be-
stimmten Stelle des Streichens sei constant vom Gebirge weg ge-
neigt, an einer andern Stelle constant senkrecht, endlich an einer
dritten Stelle constant überkippt. Stellen letzterer Art hat man
stets besondere Beachtung geschenkt, weil sie in der That eine
eigenthümliclie, wohl meist recht schwierige Erklärung uöthig
machten. Beobachtungen an dem oben schon erwähnten Muschel-
kalk am Gebirgsrand bei Frankenhain haben aber ergeben, dass
das Fallen gar nicht immer constant nach einer und derselben
Richtung erfolge: die Schichten fällen dort im grossen betrachtet
saiger ein, in der Nähe aber sieht man sie mehrfach hin- und
hergebogen, also ähnlich einem aufrecht stehenden Wellblech mit
horizontal verlaufenden Wellen. Es ist das eine Erscheinung, die
wohl auf Zusammensinken und Stauchung zurückzuführen ist.
Von den Schenkeln jeder einzelnen Welle oder Falte fällt natür-
lich der eine stets von dem Gebirge ab, der andere gegen dieses
zu. Sind dann die Wellen sehr weit, so ist vielleicht auf eine
grosse Strecke nur ein Schenkel der letzteren Art der Beobachtung
KVIII
zugänglich, man hat dann scheinbar das Phänomen der Ueber-
kippung, ist aber doch nicht berechtigt, dem ganzen Mittelschenkel
der grossen Flexur am Gebirgsrand eine überkippte Stellung zu-
zuschreiben.
Mittheilung des Herrn II. Proescholdt über Aufnahmen
und Revisionen der Blätter Mendhausen, Rodach, Hild-
burg bansen und Dings leben.
Die Sectionen Mendhausen und Rodach werden zum grössten
Theil aus Kohlen- und Gypskeuper aufgebaut; die Gliederung des
letzteren schliesst sich eng an die, welche von Gümbel bei der
Aufnahme des Blattes Bamberg aufgestellt hat (Text zur Section
Bamberg, S. 6 — 8).
Die Schichten fallen flach südwestlich ein; an manchen
Stellen jedoch, so namentlich in der Umgebung von Streufdorf
und Steinfeld, zeigt der Ausstrich derselben ganz unverkennbar
eine in nordöstlicher Richtung verlaufende ältere Sattelung an,
die am deutlichsten in den Einschnitten der im Bau begriffenen
Bahn Hildburghausen-Friedrichshall zu Tage tritt. Im nordwest-
lichen Theil des Blattes Rodach sind Störungen beobachtet worden,
und zwar Ueberschiebuugen, von denen eine den südwestlichen
Theil der Section Hildburghausen durchsetzt, hier schwer erkenn-
bar, dann mit zunehmender Intensität nach Dingsleben übergeht,
auf diesem Blatt noch gegen 6 Kilometer lang bemerkbar ist und
sich schliesslich in der Sattellinie des Sattels verliert, der die
Main -Weser -Wasserscheide bildet.
Im Gebiete der Section Rodach treten sehr zahlreiche Basalt-
gänge zu Tage, die nahezu parallel mit einander ungefähr in
Stunde 2 die Schichten durchbrechen. Diesem allgemeinen Ver-
halten folgen auch die mächtigen Basaltgänge des Straufhains, die
von mächtigen Tuffbildungen begleitet werden; die andern Gänge
sind meistens sehr schmal, oft kaum 1 Meter breit, erreichen aber
vielfach eine bedeutende Länge. Einer konnte gegen 10 Kilometer
weit verfolgt werden. Das Gestein der Gänge scheint, soweit die
noch nicht ganz zu Ende geführten Untersuchungen ein Urtheil
ermöglichen, einem gemeinsamen oder gleichzeitigen Herd ent-
quollen zu sein. Die Untersuchungen von Bücking, Luedecke
LIX
und mir stimmen darin überein, dass der Basalt dem Nephelin-
basalt angehört, allerdings mit recht zurücktretendem Nephelin.
Hierzu gehört auch der Basalt von Hessberg bei Hildburghausen.
Andere Basalte sind bis jetzt auf der Section Rodach nicht auf-
gefunden worden ; dagegen gehören die Gesteine im äussersten
Westen und Norden des Gangzuges, der durch das Streichen in
Stunde 2 charakterisirt wird, dem Plagioklasbasalt und Basanit zu,
so die Basalte des Teufelsteins bei Themar, der Steinsburg bei
Suhl u. a.
Die Aufnahmen und Revisionen auf Dingsleben ergaben das
ö O
interessante Resultat, dass die Werra im langen Laufe Verwerfungen
folgt, die im Zusammenhang mit der Marisfelder Midde stehen.
D as heutige Werrathal zwischen Hildburghausen und Themar ist
zum Theil sehr jugendlichen Alters, so die Strecke zwischen
Ebenhards und Beurieth. Das alte Bett wich im grossen Bogen
davon ab und lag über 3 Kilometer südlich ; es umfloss in
grosser Schleife den Höhnberg und ist noch z. Th. im soge-
nannten Zeilfelder Grund erhalten, durch Diluvialablagerungen
deutlich gekennzeichnet. Die Verwerfungen im Werrathal laufen
übrigens nicht mehr im nordwestlichen Streichen, sondern nehmen
eine nahezu nördliche Richtung an.
Bei der Schlussrevision von Section Hildburghausen wurde
an der Wiedersbacher Störung, die von Eisfeld herkommt, infolge
neuer Ausschürfungen das Vorkommen von oberem Zechstein bis
zu den untern Letten constatirt, die hier an Anhydrit und Schaum-
kalk stossen. Die Lagerungsverhältnisse sind hier sehr eigen-
thümlicher Art und ganz abweichend von denen, die Loretz auf
Eisfeld beobachtet hat. Der Zechstein mit dem feinkörnigen
Sandstein und einem Theil des Gerolle -führenden zeigt deutliche
fächerförmige Schichtenstellung; die ganze Partie gehört einer
unzweifelhaft herausgequetschten Scholle an.
Mittheilung des Herrn Beyschlag über Aufnahmen auf
Blatt Salzungen.
Die Gliederung der ausgedehnten Diluvial- und Alluvial-
bildungen am südlichen Werra-Ufer bei Salzungen bewies, dass
die Beschaffenheit des Schottermateriales allein als Kriterium zur
LX
Trennung von Haupt- und Seitenthal-Schotter selbst in den Fällen
nicht immer ausreicht, wo die Gesteine der Seitenthäler sich
wesentlich von den im Hauptthale bewegten Erosionsproducten
unterscheiden. Indem die jüngeren Seitenthäler von Süden her sich
zur Werra austieften, mussten sie die bereits existirenden, ansehn-
lichen, älteren Schotterterrassen an den Flanken der Werra durch-
sägen und mischten somit ihr eigenes ausschliesslich aus Bunt-
sandstein und Bafealt bestehendes Material mit dem wiederauf-
bereiteten Schottermaterial der diluvialen Werra, welche vorzugs-
weise ältere Gesteine des Thüringer Waldes abgelagert hatte.
Bei dergleichen aus gemischtem Material bestehenden jungdilu-
vialen und alluvialen Schottermassen musste die Lagerung und die
Verbreitung für die Beurtheilung des Alters und der Herkunft
als ausschlaggebendes Merkmal betrachtet werden.
Zu den wenigen, in ihrem relativen Alter schwer feststell-
baren Tertiärablagerungen, welche aus dem Gebiete der Werra
und ihrer Nebenflüsse bekannt geworden sind (Eisfeld, Plateau
über Meiningen, Willmars, Schwarzbach, Rosa, Ober- Zella bei
Vacha) gesellt sich ein in seiner Entwickeluüg namentlich dem
letzten nahestehendes, räumlich sehr beschränktes Vorkommen unter
dem Dorfe Gumpelstadt auf Blatt Salzungen. Plastische Tlione
mit geringen Einlagerungen einer erdigen, schlechten Braunkohle
setzen die Ablagerung zusammen, die jedenfalls mehr zu den oben
aufgeführten jungtertiären Ablagerungen gehört, als zu den von
Basaltergüssen bedeckten, der Braunkohlenformation der östlichen
Rhön zugehörigen Ablagerungen der Geba und des Hahnberges
bei Oberkatz.
Für die Beurtheilung der Mächtigkeit der einzelnen Glieder
der Zechsteinformation sind die Resultate von Bedeutung, welche
bei den verschiedenen Bohrungen der Saline Salzungen gewonnen
wurden. Es ergeben sich als Mittel aus 5 gut übereinstimmenden
Bohrungen für die Bröckelschiefer und Obere Zechsteinletten
zusammen 24,4 Meter, für den oberen Zechsteindolomit 17,2 Meter,
für die Unteren Letten mit Gyps bis zum Steinsalzlager 48,4 Meter.
Das Steinsalzlager wurde nirgends durchbohrt.
O O
LXI
Mittheilung des Herrn F. Beyschlag über Aufnahmen in
Hessen.
In dem hessischen Arbeitsgebiet längs des Unterlaufes der
Fulda von Rotenburg bis Cassel konnte das Bild der für den
geologischen Bau jener Gegend so wichtigen Grabenversenkungen
im Einzelnen vervollständigt werden. So wurde zunächst der
Zusammenhang der von Grossalmerode in WNW.- Richtung
streichenden Bruchlinie mit derjenigen, welche erst dem Losse-
Thal folgend, dann von Oberkaufungen durch den Eichwald bei
Bettenhausen quer durch die Stadt Cassel und von da in gleicher
Richtung über Kirchditmold zum Fusse des Habichtwaldes ver-
läuft, ermittelt. So sehr die Verwerfungen und Gräben der be-
schriebenen Richtung; im weiter östlich gelegenen Gebiete nach
dem Thüringer Walde zu an Zahl und Intensität zunehmen, so
sehr tritt für unser Gebiet diese Bruchrichtung hinter der wich-
tigeren SW. -NO. streichenden zurück. Erst auf dem Blatte Alt-
morschen begegnen wir zwischen Wichte und Nieder- Beisheim
wieder einer zwar kurzen aber typischen Versenkung in WNW.-
Richtung, die den räumlichen Zusammenhang zweier an ihr ab-
schneidender Grabentheile der anderen Richtung vermittelt. Der
dritte und letzte Bruch ersterer Richtung verläuft auf dem Blatte
Ludwigseck vom Semmelberge bei Raboldshausen über Saasen
und Aua durch den oberen Gaisgrund in der Richtung auf Heenes
zur Fulda unterhalb Uersfeld. Diese drei ihrem Verlauf nach
skizzirten Gebirgsbrüclie haben die Eigentbündichkeit gemeinsam,
dass die Form und Lagerung, unter welcher die aus ihrem ur-
sprünglichen Gleichgewicht gelösten Schichtentheile dasselbe wieder-
fanden, auf kurze streichende Erstreckungen in auffallender Weise
wechselt. So kann ein einfacher linearer Bruch mit einseitiger
Einsenkung der Schichten gegen die Bruchlinie übergehen in eine
echte einflügelige oder doppeltflügelige Grabenversenkung, und
diese wiederum kann übergehen zu einer flach -muldenförmigen
Lagerung der Schichten, bei der nur noch das Ueberwiegen der
Längsaxe der Mulde an die Verwandtschaft mit der ursprünglichen
Grabenversenkung erinnert. Die bereits in der Drucklegung be-
LXII
griffene und demnächst erscheinende geologische Specialkarte
dieser Gegend wird die Mannigfaltigkeit, in der sich die Zer-
breclning des Gebirges vollzog, zum Ausdruck bringen. — Es
dürfte schwer sein anzugeben und zu begründen , ob und welche
der beiden in unserem Gebiete sich mannichfaltig kreuzenden, bezw.
an einander absetzenden Brüche die älteren und welches die zu-
letzt entstandenen seien. Es erscheint wohl angängig, die Kräfte,
welche die Schichtendislocation verursachten , sich gleichzeitig
wirkend vorzustellen, wenngleich nirgends eine in der Resultirenden
beider Richtungen liegende Kraftwirkung erkennbar ist. Zieht man
die Erfahrungen aus dem ganzen zwischen Thüringer Wald
und der Fulda belegenen Gebiete in Betracht, so will es scheinen,
als ob weder die eine, noch die andere Art von Brüchen in jedem
der iu Rede stehenden Gebietsteile die ältere resp. die jüngere
sei, sondern als ob zwischen der wiederholten Aeusserung der in
der einen Richtung wirkenden Kraft wiederholte, der Zeit nach
nicht beträchtlich von der ersteren unterschiedene, in der zweiten
Richtung wirkende Kräfte thätig gewesen seien. Zur Begründung
des Gesagten sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass die
NO. — SW. streichenden Brüche von Grossalmerode- Spangenberg-
Wichte bezw. von Raboldshausen - Salzberg - Oberaula an den
SO. — NW. verlaufenden Bruchlinien Wichte-Niederbeisheim bezw.
Semmelberg-Saasen- Aua- Heenes absetzen, und dass andererseits
das umgekehrte Verhältniss sowohl bei dem Bruche Wickenroda-
Grossalmerode-Ungsterode, als auch bei dem etwas südlicheren
Graben Waldkappel-Hollstein-Lichtenau zu beobachten ist.
Die geringe Zeit, welche in diesem Jahre für die Aufnahmen
in der Umgebung Cassels zur Verfügung stand, wurde noch durch
die besondere Aufgabe beeinträchtigt, die hydrographischen Ver-
hältnisse dieses Bezirkes in einer Weise zu untersuchen und dar-
zustellen, dass der städtischen Verwaltung von Cassel für ihr
Project einer neuen Wasserversorgung der .Stadt die nöthigen
Grundlagen geschaffen würden. So beschränkten sich die Beob-
achtungen und Begehungen im Wesentlichen auf die einzelnen
Tertiärablagerungen in der Umgebung von Cassel und auf die
© © © ©
Besichtigung der durch den Bergbau veranlassten Aufschlüsse in
O © ©
LXIII
denselben. Es gelang dabei in Sonderheit durch das Zuvorkommen
der Kgl. Bergbehörde und privater Bergbautreibender eine nicht
unbeträchtliche Zahl von Bohrlochs- und Schachtprofilen aufzu-
zeichnen, welche für die weitere Beurtheilung der Lagerungs-
verhältnisse sowohl, als auch des relativen Alters dieser Ablage-
rungen von Werth sind. Gleichwohl sind die Untersuchungen
darüber noch in einem Stadium, welche ein abschliessendes Urtheil
noch nicht gestatten. — Von besonderem Interesse waren die
Beobachtungen über das Verhältniss des Basaltes zu den Tertiär-
ablagerungen, wie solche der Bergbau ausser auf dem Habichts-
wald vor allem auf der Grube Stellberg III. bei Wattenbach
ermöglicht hat. In letztgenannter Grube ist das Kohlenflötz in
recht ansehnlicher Ausdehnung auf der Ostseite des Stellberges
beim Hambülskopf durch ein intrusives Basaltlager vom Liegenden
her metamorphosirt. Der mächtige Basalterguss hat sich nur
wenige Fuss über dem mittleren Buntsandstein, zum Theil direct
auf demselben in tertiäre Sande eingedrängt, die meist nur wenige
Fuss mächtig unter dem Kohlenflötz liegen. Vom Basalt aus
verzweigen sich durch den von Bitumen schwarz gefärbten Sand
bis weit in das Kohlenflötz hinein Apophysen, in deren Nachbar-
schaft die Umwandlung der Kohle bis zur stengeligen Absonderung
gesteigert ist. Dennoch kann die metamorphosirende Wirkung
des Basaltes, der zu Folge die gewöhnliche erdige Braunkohle
in der ganzen Flötzmächtigkeit von 3 — 4 Meter zu Glanzkohle
und Schwarzkohle veredelt ist, keineswegs lediglich auf diese das
Flötz thatsächlich berührenden und durchsetzenden Apophysen
bezogen werden, vielmehr ist dieselbe der Hauptsache nach durch
den in der Sohle liegenden und durch die erwähnte Sandschicht
getrennten Basalt hervorgebracht worden. Von der Intensität der
Veränderung der Kohle geben folgende Verhältnisszahlen eine
Vorstellung. Ist die Wassermenge von 0° C., welche von 1 Gewichts-
theil unveränderter Braunkohle vom Stellberg in Dampf von 150° C.
verwandelt wird, = 5,8 Gewichtstheilen, so ist die entsprechende
Wassermenge bei Anwendung von Schwarzkohlen = 6,9 und bei
Glanzkohlen = 7,6 dieser Gewichtstlieile.
Es kann heute nur andeutungsweise darauf hingewiesen
LXIV
werden, dass eine Anzahl von Basaltergüssen dortiger Gegend
wohl niemals Oberflächenergüsse gewesen sind, sondern Intrusiv-
Masseu, Einpressungen, die seitlich von Spalten aus in Buntsand-
stein, Muschelkalk oder Tertiärschichten injicirt wurden. In den
weitaus meisten Fällen ist durch die nachfolgende Denudation
und Erosion der Basalt bereits aus dem umgebenden Gestein
herausgeschält und freigelegt worden. Um so werthvoller und
interessanter sind Stellen, wie die angeführte am Stellberg, oder
der altbekannte Punkt im Ahnegraben des nördlichen Habichts-
waldes, wo der Basalt sich auf längere streichende Erstreckung
zwischen die Muschelkalkschichten eingedräncft hat. Verhälinisse
wie die vom Stellberg geschilderten, werden nun aber auch noch
insofern von weitersehender Bedeutung: für die umliesende Gebend
und insonderheit für die Beurtheilung der Altersverhältnisse von
Basalt- und Braunkohlenbildungen des Habichtswaldes , als die
übereinander folgenden, durch Tertiärschichten getrennten Basalt-
massen nun nicht mehr für jeden Fall verschieden-zeitigen Ergüssen
angehören müssen, sondern im gleichen Verhältniss zu einander
stehen können wie die grosse Basaltdecke des Stellberg;es im
Hangenden des Braunkohlenflötzes zu den Intrusiv- Massen im
Liegenden desselben.
Mittheilung des Herrn E. Kayser über Aufnahmen in
der Gegend von Marburg und Dillenburg.
Die schon im Jahre 1 88 G begonnenen, im Sommer 1887 fort-
gesetzten Arbeiten führten zur Entdeckung; einer überraschend
grossen Zahl von Verwerfungen im Buntsaudsteingfebiet der
Blätter Marburg und Niederweimar. Diese z. Th. mehrere Kilo-
meter weit verfolgbaren Spalten sind aber nicht blos auf den
Bundsandstein beschränkt, sondern setzen sich auch in das Roth-
liegende und in’s Alte Gebirge fort. Ein bestimmtes System in
der Richtung der Spalten ist bis jetzt nicht zu erkenneu.
In der Marburg;er wie auch in der DilDegrnd betraf die
Untersuchung besonders auch die weitverbreiteten Tentaculiten-
führenden Schiefer, die bis jetzt meist zum Culm gerechnet
wurden, die aber sammt den sie begleitenden Dachschiefern,
LXV
Kieselschiefern, Grauwacken, Kalksteinen, Quarziten etc. ein weit
höheres Alter besitzen. Das Hangende der fraglichen, sehr mäch-
tigen Schichtenfolge besteht nämlich an vielen Punkten nachweis-
bar aus Oberdevon, das Liegende aber aus den obersten Schichten
des Unterdevon, so dass jene selbst nur ein mitteldevonisches
Alter haben kann. Es ist eine sehr bemerkenswerthe Erweiterung
der bisherigen Ansichten über das Alter der Tentaculiten-führenden
Schiefer und der damit eng zusammenhängenden Orthocerasschiefer
der Dillgegend und des hessischen Hinterlandes, dass dieselben
nicht nur das untere, sondern auch das obere Mitteldevon ver-
treten, während Stringocephalenkalk in jener Gegend gänzlich zu
fehlen scheint.
Ein anderes interessantes Resultat ist die Auffindung weiterer
Punkte von Clymenienkalk im Dillenburg’schen. Ausser an der
schon seit einigen Jahren bekannten, aber in der Literatur wohl
nicht beschriebenen Localität bei Bicken, im Hangenden des
dortigen schwarzen Kalkes mit Goniatites intumescens wurden
Clymenien und Goniatiten des Clymenienniveaus auch bei Langen-
aubach (unweit Ilaiger), in unmittelbarer Nähe des dort entwickelten
Iberger Kalks nachgewiesen.
c5 O
Eine weitere unvermuthete Entdeckung ist die von typischem
Unter devon mit Homalonoten, Pterineen, Pleurodictyum, Chonetes
sarcinulata etc. mitten zwischen Schichten vom Alter des Mittel-
devon, Oberdevon und Culm oberhalb Herbornseelbach, an der
Landstrasse nach Bicken.
Erwähnenswerth ist endlich der Nachweis einer viel grösseren
Verbreitung der sog. Lahnporphyre im Dillgebiete, als man
bisher annahm. Dieselben sind ganz an die Verbreitung der
mitteldevonischen Schiefer geknüpft, in welchem sie als lager- und
stockförmige, aber, wie es scheint, nie als gangförmige Massen
auftreten.
Mittheilung des Herrn H. Grebe über die Aufnahmen an
der Mosel, Saar und Nahe im Sommer 1887.
Die letztjährigen geologischen Arbeiten bestanden meist in
Revisionen früher bearbeiteter Karten, zunächst der Blätter Trier
Jahrbuch 1887. p
LX VI
und Pfalzel, mit Zugrundelegung der Neuaufnahmen des General-
stabes.
Es wurden auf Blatt Trier die vielen Verwerfungen der Trias
in ihrem Verlauf von Neuem festgestellt und nicht nur verschiedene
anders dargestellt, sondern es konnten auch einige, früher nicht
erkannte, kartirt werden. Das gelang dadurch, dass auch hier, wie
es im vorhergehenden Jahre bei der Revision der im Jahre 1 880 publi-
cirten Blätter Merzig, Perl und Gross -Hemmersdorf (1876) ge-
schehen, eine speziellere Gliederung des Buntsandsteins durch-
geführt wurde. So ist westlich von Trier, kaum 1 Kilometer vom
linken Moselufer, noch eine Verwerfung nachgewiesen worden, die
bei 50 Meter Sprunghöhe in gleicher Richtung von SW. nach
NO. wie die meisten übrigen Klüfte des Blattes streicht. Der
nächste NW. -Sprung, welcher von Igel über Sirzenich nach dem
Kockeisberg (etwa 3 Kilometer NW. von Trier) verläuft und von
da nach NO. im Buntsandstein nicht weiter in seinem Fortstreichen
zu erkennen war, ist jetzt bis zum Steigerberg (3 — 4 Kilometer
vom Kockeisberg) festgestellt worden.
Im nordwestlichen Tlieile des Blattes Trier sind die Zwischen-
schichten zu beiden Seiten der Sauer, zwischen Wintersdorf und
Metzdorf, auf eine Länge von 5 Kilometer und dann längs der
Mosel von Wasserliesch bis nördlich von Pallien, sowie in den
Seitenthälern bei Zewen, Euren und Pallien, in dem Biewerbacli-
thal aufwärts bis Aach hin nachgewiesen worden. In der Nähe
dieses Dorfes, woselbst die Triasschichten durch Klüfte ausser-
ordentlich gestört sind, hat sich das Netz derselben bei der Revision
und beim Peststellen der Zwischenschichten etwas anders gestaltet.
Dann liegen auf der Höhe des Stubenbergs, nördlich der Kockels-
berger Kluft Zwischenschichten, südlich davon Vogesensandstein
in gleichem Niveau. Am Steigerberg liegen zu beiden Seiten
desselben Zwischenschichten, auf der südöstlichen Seite aber in
einem ca. 40 Meter höheren Niveau als auf der nordwestlichen.
Dasselbe ist am Kockeisberg der Fall.
Die an der Saar 40 — 50 Meter, in der Trier’schen Gegend
bis 70 Meter mächtigen Zwischenschichten sind grob- bis fein-
körnige Sandsteine, die sich wegen ihrer weichen Beschaffenheit
LXVIt
zu baulichen Zwecken selten eignen; sie sind im Gegensätze zuril
hellrothen und buntfarbigen Yogesensandstein tief braunrotb bis
graulich- violett gefärbt, glimmerführend und enthalten oftmals
Knollen von grauem Dolomit, sowie auch kleine Geschiebe von
Milcbquarz. Hohlräume, durch das Auswittern der Dolomite her-
vorgerufen, bemerkt man häufig darin. Conglomeratische Schichten
(Vertreter des Hauptconglomerates der Vogesen) zeigen sich auch
in der Trier’schen Gegend nicht selten an der Basis der Zwischen-
schichten; dagegen fehlt der in diesem Niveau an der Saar und
in den Vogesen ziemlich häufige Carneol in der Trier’schen Gegend.
Der auflagernde, bis zu 20 Meter mächtige Voltziensandstein ist
dem Sandsteine der Zwischenschichten, wenn sie in festeren und
stärkeren Bänken Vorkommen, ziemlich ähnlich; er erscheint meist
in wohlgeschichteten und starken Bänken, zumal in den unteren
Lagen; im Hangenden wird der Voltziensandstein gewöhnlich
dünnschichtig und wechsellagert mit sandig-thonigen Schichten;
meist liefert er einen geschätzten Baustein.
Man hatte bei den Aufnahmen in Elsass-Lothringen versucht,
eine Zweitheilung des Vogesensandsteins vorzunehmen und damit
begonnen, dieselbe auch an der Preussisch-lothringischen Grenze
in der Saarbrücker Gegend durchzuführen; ich erwähnte schon in
meiner Mittheilung des Jahrbuches für 1886, dass eine solche
nicht überall durchführbar sei; sie liess sich schon hei Saarlouis
nicht nachweisen, noch weniger in der Trier’schen Gegend, und
auch von Seiten der Strassburger Geologen ist sie bei ihren Auf-
nahmen aufgegeben worden. Der Vogesensandstein ist auch hei
Trier meist grobkörnig, glimmerfrei, nicht selten aber von fester
Beschaffenheit, wird an manchen Stellen gewonnen und zum Bauen
verwandt; manchmal erscheint er sogar in hoher Festigkeit.
Ich erwähnte auch im vorigen Jahre, dass die in den Vogesen auf-
gestellte, 100 Meter mächtige, untere Abtheilung des Buntsandsteins
(thonige und glimmerreiche Sandsteine mit Thonen) sich an der
Saar und Mosel nicht nachweisen lasse; meines Wissens ist sie
auch von den Strassburger Geologen wieder aufgegeben worden
und ist dieselbe als oberste Stufe des Oberrothliegendeu anzusehen,
wie gemeinschaftliche Begehungen mit ihnen in der Pfalz im vorigen
o o o o
e
LXVIII
Sommer und eine erneute Bereisung derselben im letzten Herbste
ergeben haben. Es kommen ganz ähnliche und recht mächtige
glimmerreiche, thouige Sandsteine mit Thonen wechselnd, östlich
von Trier bis zum Alfthal hin vor, die ich schon vor Jahren zur
oberen Stufe des Oberrothliegenden gestellt und in einem Aufsatz1)
in dem Jahrbuche für 1881 beschrieben habe: als braunrothe,
mürbe Sandsteine mit sandigen Schieferthonen, die häufig grünlich-
weiss gefleckt sind. Besonders kreisrunde, grünlich-weisse Flecken
findet man fast überall in diesen Schichten (Kreuznacher Schichten).
Die sandig-dolomitischen Schichten als Grenzgesteine zwischen dem
Oberrothliegenden und Vogesensandstein, deren ich in dem ange-
führten Aufsatze (S. 463) Erwähnung that, haben sich in der Pfalz
auch nur in geringer Mächtigkeit (15 Centimeter) gleichfalls auf-
finden lassen, hier aber thierische Beste einschliessend, die als
Zechstein- Versteinerungen erkannt worden sind.
Beste von Tertiär sind auf Blatt Trier spärlich vorhanden,
das Vorkommen einzelner Blöcke von Braunkohlenquarzit auf dem
Plateau (375 Meter über dem Meere) zwischen Fusenich und
Sirzenich, 5 Kilometer westlich von Trier, sowie die auf dem
350 Meter hohen Steigerberg lagernden, weissen, ganz abgerundeten
Quarzgerölle deuten darauf hin. Dann wurden im letzten Jahre
vereinzelte Geschiebe und Conglomerate auf den 400 Meter hohen
plateauförmigen Flächen zwischen Waldrach und Oberfell, ferner
bei Oberfell (Blatt Pfalzel) gefunden, die ebenfalls dem Tertiär
angehören dürften. Vulkanischer Sand wurde im Lehm auf dem
Plateau nordöstlich von Buwer, auf der Fläche bei Franzen-
knüppchen, in grösserer Ausdehnung am Boscheiderhof und im
Eurener Walde beobachtet.
Die Bevision des Blattes Pfalzel ging viel schneller und
leichter von Statten, da hier vorherrschend Hunsrückschiefer Vor-
kommen, die Arbeiten au der im Baue begriffenen Buwerthalbahn
ergaben keine weiteren Aufschlüsse, nur sind einige kleine Diluvial-
terrassen, mit Kies bedeckt, dabei entblösst worden. Dann sind
einige grössere Vorkommen von Diabas bei Lichtungen von
Waldparzellen aufgefunden worden.
') Ueber das Ober-ffothliegende, die Trias, das Tertiär und Diluvium in der
Trier’ sehen Gegend.
RXIX
Noch wurde bei der Revision des Blattes Pfalzel nordöstlich
von Ruwer eine Verwerfung erkannt, die das Oberrothliegende
vom Unterdevon trennt.
Bei den Revisionsarbeiten, die in der Saarbrücker Gegend
vorgenommen worden sind, handelte es sich zunächst gleich wie
bei denen von Blatt Merzig, Perl und Gross -Hemmersdorf im
Jahre 1886, mit den Aufnahmen von Seiten Eisass -Lothringens
Uebereinstimmung zu erlangen.
Auf Blatt Ludweiler (Bouss) wurden von Merten (Lothringen)
aus über Berus bis Felsberg (am Nordrande der Karte) die
Zwischenschichten ausgeschieden, auf dem südlichen Anschluss-
blatte St. Avold (Lauterbach) war an der Preussisch-lothringischen
Grenze nur eine kleine Partie dieser Schichten zu verzeichnen.
Auf dem Blatte Saarbrücken wurden dieselben an den Spicherer
Höhen längs der Landesgrenze festgestellt. An der Grenze der
Zwischenschichten gegen den Vogesen Sandstein kommen hier
ebenfalls schmale Lagen von Conglomerat und mehrfach Knollen
von Carneol vor, namentlich in der Schlucht östlich der Goldenen
Bremm. Dann wurden auch östlich von Saarbrücken, sowie westlich
und östlich von St. Arnual auf Blatt St. Johann (Dudweiler) die
Zwischenschichten kartirt und dabei mehrere Verwerfungen fest-
gestellt, die früher nicht erkannt waren. Eine derselben am
Grossen Bartenberg bei Scheidt schneidet die Zwischenschichten
gegen Norden ab; sie liegt im nordöstlichen Fortschreiten der
grossen Kluft, die G. Meyer in seiner Abhandlung ȟber die
Laererunffsverliältuisse der Trias am Südrande des Saarbrücker
o o
Steinkohlengebirges« auf der beigefügten Karte1) von Kochern
her über Stieringen und nördlich der Spicherer Höhen verlaufend,
angiebt.
Eine andere, südlich des Winterbergs durchsetzende und nach
Güdingen, in der Richtung von SW. nach NO. streichende von
G. Meyer schon beobachtete Kluft, hat bewirkt, dass die Trias-
schichten auf ihrer Nordostseite eingesunken sind und liegen
die Zwischenschichten am steilen nördlichen Gehänge des Arnualer
b Mittheilungen der CommissioQ für die geologische Landesuntersuchung von
Elsass-Lothringen 1886, Bd. 1.
LXX
Stiftswaldes in einem etwa 50 Meter höheren Niveau als am
Tief-Weiher (1 Kilometer westlich von St. Arnual).
Auf Blatt Saargemünd (Hanweiler) erscheinen die Zwischen-
schichten sowohl südlich von Güdingen, als auch westlich von
da im südlichen Theile des Arnualer Stiftswaldes, ferner bei
Fechingen gut aufgeschlossen.
Auf den Blättern der Saarbrücker Gegend ist Oberroth-
liegendes nur D/2 Kilometer südwestlich von Clarenthal (Blatt
Saarbrücken) angegeben. In gleicher Beschaffenheit als ein
mürbes, tiefbraunrothes, thonig-sandiges Conglomerat mit Stücken
von verwittertem Melaphyr wurde es bei dem Bau der Fischbacli-
balm am Bahnhofe Schleifmühle, 1 1/2 Kilometer vom Saarbrücker
Bahnhof, unmittelbar an der Grenze des Steinkohlengebirges auf-
geschlossen. Die Böschung ist jetzt überschottert, doch kann man
das Gestein noch im Graben neben dem Bahnplanum anstehend
finden.
Ferner wurde ein guter Aufschluss von Oberrothliegendem
dicht an der Mühle vou Werbeln (Blatt Luclweiler) augetroffen.
Am Wege von der Mühle über den Kothen Berg nach Schaff-
hausen steht es üeben dem Kohlengebirge an und scheint hier
eine Verwerfung durchzusetzen. Das leicht zerfallende, undeutlich
geschichtete ' Quarz- und Quarzitcouglomerat schliesst an dieser
Stelle faustgrosse Stücke von stark zersetztem Melaphyr und
Porphyrit ein.
Noch an mehreren Localitäten treten an der Grenze des
Kohlengebirges Schichten auf, die ich viel mehr für Oberroth-
liegendes als für Buntsandstein ansehen möchte. Dies gilt be-
sonders von einer Stelle am Käseberg bei Ludweiler, wo in einer
grösseren Entblössung an der Strasse nach Gr.-Kosseln über dem
zu Tage tretenden Kohlengebirge tief braunrothe, z. Th. auch
violett- graue und graulich - weisse Conglomerate auftreten, die
einzelne Gerolle von verwittertem Eruptivgestein einschliessen,
das Melaphyr zu sein scheint. In dem Gesteine der 6 Meter
tiefen Entblössung, t/a Kilometer nordöstlich vom Ramelter Schacht
und links der Strasse von Völklingen nach Altenkessel fanden
LXXI
sich zwar keine Brocken von Melaphyr, indess erinnert dasselbe
bei seiner eigentbömlicben Färbung — es ist ein grau-braunrotlier
und grau-violetter Sandstein mit einzelnen Quarzbrocken von mürber
Bescbaffeubeit - — doch sehr an gleiche Vorkommen, wie ich sie
vielfach an der unteren Nabe und auf im letzten Sommer und
Herbst unternommenen Excursionen in der Pfalz und in dem
Odenwalde, bei denen es sieb um vergleichendende Studien im
Öberrothliegenden bandelte, beobachtet habe. Ich bin geneigt,
das Gestein zur obersten Stufe des Öberrothliegenden zu rechnen.
Ferner kommen an der Grenze des Kohlengebirges Sandstein-
schichten, die ebenfalls dahin gehören dürften, an folgenden
Punkten vor: im Bahneinschnitt bei Krämershaus, zwischen Saar-
brücken und Jägersfreude, bei Griessborn, bei Gersweiler und
Schönecken nahe an der Landesgrenze.
Bei der Revision der Grenzlinien des Steinkohlengebirges
auf den Blättern Saarbrücken und Ludweiler (Bouss) auf Grund-
lage der neuen Karten konnten dieselben gegen den Buntsand-
stein schärfer angegeben, dann auch manche Diluvialterrassen ge-
nauer dargestellt und mehrere zugefügt werden , so dass auf den
neuerdings geologisch-colorirten beiden Blättern viel mehr Diluvium
erscheint. Dieses auszuscheiden , hat namentlich im Gebiete des
oft sehr geschiebereichen Vogesensandstein, der meist leicht zer-
fällt, nicht selten seine grosse Schwierigkeit; ausser Zweifel bleibt
man indess, dass Diluvium einzutragen ist, wenn mit den Ge-
schieben von Quarz und Quarzit gleichzeitig solche von Bunt-
sandstein und Muschelkalk Vorkommen, was vielfach der Fall ist.
Das 30 — 40 Meter über der Saar, westwärts der Strecke Saar-
louis-Bouss gelegene Vorland besteht aus Terrassen, die sich
weiter nach Westen bis zu dem Höhenzuge ausdehnen, der vom
Limberg (südwestlich von Dillingen) über Felsberg, Berus nach
der Lothringischen Grenze hin verläuft. Sie sind stellenweise
reichlich mit diluvialem Kies bedeckt und als ein ehemaliges
o
Saarbett anzusehen. An jenem steil abfallenden, östlichen Gehänge
des eben erwähnten Höhenzuges floss früher die Saar vorüber, es
bildete deren Uferrand oder vielmehr den eines Armes derselben. Die
LXXII
Begehung der Saarbrücker Gegend liat nämlich zu der Annahme
geführt, dass zur Zeit, als die Saar noch in einem 30 — 40 Meter
höheren Niveau floss, zwischen St. Arnual und Güdingen eine
Theilung in zwei Arme stattfand. Ein Arm wandte sich in
nordöstlicher Richtung zwischen den Haiberg und die Höhe des
Kolbenholz nach der Scliaafbrücke, machte hier einen scharfen
Bogen und setzte seinen Lauf zwischen dem Haiberg und
Kaninchenberg gegen W. und NW. in der Richtung der heutigen
Saar fort. Der zweite Arm verlief von St. Arnual in westlicher
Richtung zwischen dem Winterberg und den Spicherer Höhen
sehr wahrscheinlich über Forbacli hinaus und dann in einem
grossen Bogen längs der Lothringischen Grenze und des vorher
gedachten Höhenzuges Berus-Felsberg. Beide Arme vereinigten
sich etwa nahe unterhalb Saarlouis. Diese beiden Saararme
der älteren Diluvialzeit sind zu erkennen an den diluvialen Ab-
lagerungen bei 30 — 40 Meter über dem jetzigen Saarbett, dann
aber hauptsächlich an der Terrainbildung: die breiten Thäler zu
beiden Seiten des Haiberges weisen auf den zuerst genannten,
die grosse Thaleinsenkung zwischen dem Winterberg , altem
Exercierplatz und den SpicRerer Höhen, welche sich nach Forbacli
hin weiter ausdehnt, auf den westlichen Arm hin.
Die übrigen Arbeiten des letzten Jahres erstreckten sich auf
kleinere Berichtigungen in der Umgebung des Spiemont zwischen
Ottweiler und St. Wendel, sowie auf Ausgleichung einiger
Differenzen zwischen den diesseitigen und den Bayrischen Auf-
nahmen an der Landesgrenze, in der Nähe von Dörrenbach (Blatt
St. Wendel), auf Revisionen in der Gegend von Lichtenberg uud
zwischen der Nahe und Mosel.
Mittheilung des Herrn E. Datiie über Aufnahmen in
den Blättern Neurode, Langenbielau und Rudolfs-
waldau.
Die Gneissfor mation auf Section Neurode gehört aus-
nahmslos der Abtheilung der Zweiglimmergneisse an; sie ist im
nordöstlichen, von Silberberg nördlich gelegenen Sectionstheil ent-
wickelt. Breit- und grobflaserige Gneissvarietäten herrschen vor,
LXXIII
während die fein schiefrigen und köruigschuppigen Abänderungen
zurücktreten. Von erstem sind die Augengneisse (bei den drei
Grenzen, am Fuchsberge und die breite Zone von der grossen
Strohhaube bis zum Mannsgrunde) besonders hervorzuheben.
Einige 20 Amphibolit- und 4 Serpentinlager (drei bei dem
Forstorte »die drei Grenzen« und eins am Fuchsberge) sind darin
eingelagert. P e g m at i te durchsetzen zahlreich die Gneissschichten ;
sie führen bei der Schutzhütte nördlich des Schwarzen Grabens
neben Orthoklas, Mikroklin, Plagioklas, Glimmer, Quarz und Tur-
malin, noch erbsengrosse, rothbraune Granatkry stalle und erbsen-
grosse Körner von Apatit. Baryt- und Quarzgänge in der Um-
gebung von Silberberg, auf welchen zu verschiedenen Zeiten ein
wenig lohnender Bergbau umgegangen ist, sind Vertreter der Erz-
gänge. Ein Kersantitgang, zwischen Mannsgrund und dem
Hohenstein bei Silberberg in NS. -Richtung aufsetzend, ist da-
durch ausgezeichnet, dass er zwar im südlichsten Gangtheil reich-
lich dunklen Glimmer führt, aber in seiner Haupterstreckung fast
glimmerfrei und feldspatlireieh sich erweist und zum Theil Pseudo-
sphärolithe enthält, die auch mit unbewaffnetem Auge erkennbar,
in Gestalt von Variolen hervortreten.
Die Lagerungsverhältnisse sind vom Nordrand der Karte
bis zum Mannsgrund im S. regelmässig; die Schichten streichen
h. 6 — 7 bei steilem N. -Fallen; sie gehören der grossen, durch eine
bedeutende OW. -Verwerfung und längs des Höhlergrundes auf-
setzenden Verwerfung abgetrennten Scholle an. Bei der Abtrennung
dieser ungefähr 15 Quadratkilometer grossen Scholle wurde der
südlichste zwischen Mannsgrund und Silberberg vorhandene Theil
o O
der Gneissformation des Eulengebirges, den man jetzt gleichfalls
als eine, wenn auch kleinere Scholle auffassen kann, dermaassen
zerstückelt und in unendliche viele und ve rh ältni ssm ässi g kleine
Schollen zertheilt, dass man das letztere Gebiet eigentlich als
eine grossstückige Gneissbreccie auffassen muss. Die Gneiss-
bruchstücke sind oft durch Reib ungsbreccien, die grünlichgrau
oder graubraun gefärbt sind, ein grauwackenähnliches Aussehen
besitzen, haselnussgrosse Fragmente von Gneiss und Quarz führen
und deren Hauptmasse aus zerriebenem und nachträglich ver-
LXXIV
festigten! Gesteinspulver bestellen, tnun- oder gangförmig erfüllt.
Die Grösse der Gänge von Reibungsbreccie ist verschieden, meist
sind sie aber nur 1 — 2 Decimeter, höchstens 0,5 Meter stark. Der
letztere Gneissdistrict ist als Gneisszone mit Reibungsbreccien auf
der Karte ausgeschieden. Die erste Aufrichtung der Gueiss-
formation und deren erste Schollenbildung geschah vor
Ablagerung des Mittelsilurs von Herzogswalde bei
Silberberg.
Die Kartirung der Gneissformation in der Nordwestecke
des Blattes Langenbielau und in der Nordostecke der
Section Rudolfswaldau ergab das interessante Resultat, dass
die der Abtheilung der Biotitgneisse beizuzählenden Gneissschichten
um ein bei dem Orte Kasclibach gelegenes Centrum gruppirt sind.
Dieser Sattelkern ist in der OW. -Richtung 2 Kilometer breit und
fast ebenso gross in der NS. -Richtung; er besteht aus grob- bis
mittelkörnig- schuppigen Biotitgneissen von oft granitähnlichem
Aussehen und Gefüge. Die angrenzenden Gneissschichten fallen
allseitig von diesem innern Kerne ab und bilden mit demselben
und den weiter entfernt liegenden Gneisszonen einen deutlichen
Sattel, dessen Verbreitung nach S. bis Steiukunzendorf, nach W. bis
zur hohen Eule, nach O. bis nach Peterswaldau festgestellt werden
konnte, während seine Ausdehnung nach N. auf Section Reichenbach
durch Kartirung noch nachzuweisen ist. Es hat den Anschein, als ob
mau den ganzen Bau des Eulengebirges auf diesen Sattel beziehen
könne; dann würde allerdings die Abtheilung der Biotitgneisse in
diesem Gebirge die Abtheilung; der Zweiglimmergneisse unzweifel-
haft unterlagern. Neben den verschiedenen Gneissvarietäten er-
scheinen in diesem Gebiete noch viele Amphibolite, die, je
nachdem sie mit grobflaserigen oder körnigschuppigen Gneissen
verbunden sind, gleichfalls grobe oder feinkörnige Ausbildung auf-
weisen. Von den Serpentinen ist nur ein kleines Lager an der
Südseite des Burgberges bei Peterswaldau aufgefunden worden.
Von den zahlreichen Pegma täten mögen einige Vorkommen be-
ö o o
sonders erwähnt werden. Am Nordabhauge des Kesselberges bei
Eriedrichshain brechen in einem grobkörnigen, aus Perthit, Mikro-
klin, Quarz und dunklem Glimmer bestehend, sehr schöne, Smaragd-
LXXV
grüne, 3 — 4 Millimeter lange Kryställclien von Apatit. Zu den
Pegmatiten ist ein nordsüdlich streichender Gang; an der NO. -Seite
der hohen Eule zu stellen, welcher zwar hauptsächlich aus weiss-
lichem, splittrigem Gangquarz besteht, aber auch recht reichlich
bis mehrere Decimeter breite Gigen von schönem Rosenquarz führt,
und zurücktretend körnigen, weissen Feldspath und etwas Mus-
covit enthält. Im oberen Theile des Milmichthales, westlich der
Försterei, konnte eine ziemlich 1 Kilometer lange und ^2 Kilometer
breite Culmpartie nachgewiesen werden. Dieses Vorkommen ist
deshalb von Wichtigkeit, weil dadurch einerseits der ehemalige
Zusammenhang der beiden jetzt isolirt erscheinenden Culmpartieen
von Steinkunzendorf und Altfriedersdorf erwiesen wird, andrerseits
auch die Verbindung mit dem Culm südlich des Weistritzthales
hergestellt wird. Der Culm des Milmichthales besteht aus Con-
glomeraten und arkoseartigen , aus Gneiss entstandenen Grau-
wacken, die in den liegendsten Schichten zu wahren Pseudogneissen
(Seitenschlucht östlich vom Krähenberge) sich herausbilden.
Schliesslich wurde die Kartirung des Obercarbons und Roth-
liegenden auf der SW. -Ecke des Blattes Langenbielau vollendet.
Mittheilung des Herrn F. M. Stapff über Aufnahmen
in Section Charlottenbrunn.
Gliederung der G n eis sfor matio n 1). Nachdem auch die
in der NW. - Ecke der Section Charlottenbrunn vorherrschenden
Cordieritgneisse aufgenommen sind, ist es möglich eine Glied e-
rung des Biotitgneisses vorzunehmen, welcher nicht nur die
Structur zu Grunde liegt, sondern auch solche augenfällige Ueber-
gemengtheile, die für Bildung secundären Glimmers im Gneiss von
Bedeutung sind, nämlich Cord ie ri t und daraus hervorgegangener
Pinit und Fibrolith (oder gleichwerthige rhombische Thonerde-
silikate als Sillimanit, Andalusit, Monroelith, Bucliolzit, Bandit,
Xenolith, Wörthit).
Man sieht im feinkörnig -schuppigen Biotitgneiss sehr häufig
abgerundet-rhombische bohnenähnliche »Fibrolithkuoten«, aus Quarz
*) Bulletin de la Societe beige de geologie. Tome II, 1888. Seance du
25. janvier, p. 10 — 18.
LXXVI
bestehend, welcher von Sillimanitnadeln durchwachsen ist, oder
aus gelblich weissem Pinit, welcher Quarzkörner, Glimmerblättchen
und Fibrolith einschliesst, manchmal aber auch einen glasigen
Kern von Cordierit (?) umhüllt, ln grobflaserigem Cordieritgneiss
von Dittmannsdorf liegen manchmal kartätschengrosse Cordierit-
knollen, meist in Pinit zersetzt, von Magnesiaglimmerschuppen,
dicken Fibrolithstrahlen, Quarzkörnern und spärlichen Kaliglimmer-
schuppen durchwachsen ; letztere theils unmittelbar aus dem Cor-
dierit, theils erst aus dem Pinit hervorgegangen. Es ist leicht
zu übersehen, wie aus Cordierit (Al2 Si3 -+- 2 MgSi) unter Zu-
fuhr von Kali (z. B. aus zersetztem Feldspath) Kaliglimmer,
Pinit und Magnesiaglimmer hervorgehen kann, und weiter
aus dem Pinit (AlSi2 -f- R,KaSi), (Kaliglimmer) Quarz
und Fibrolith (Ai8Si9). Doch mag im Eulengebirgischen Gueiss
auch primärer Fibrolith Vorkommen, besonders solcher, dessen mikro-
skopische Nadeln die frischen Gesteinsgemengtlieile durchziehen.
Durch die Möglichkeit des Auftretens von primärem, von Cordierit
unabhängigem Fibrolith schwindet eine scheinbare Inconsecjuenz
in der folgenden Gliederung des Gneisses. Kaliglimmer, nicht in
dicken Schuppen, sondern in sporadischen Flimmern, zeigt sich
hie und da auch ohne erkennbaren Cordierit im Biotitgueiss, be-
sonders in zerrüttetem, von Eisenoxyd durchzogenem und von
Baryttrümmern durchschwärmtem Biotitgneiss, welcher dadurch
noch lange kein Zweiglimmergneiss wird.
o o o
Folgendes Schema dürfte, in Zusammenhang mit dem im
Jahrbuch für 1883 S. 514 f. gesagten, meine Gliederung des
Biotitgneisses im nordwestlichen Eulengebirge genügend
veranschaulichen, auch hinsichtlich der wesentlichen Einlagerungen.
J o o
Wir erhalten hiernach 4 Hauptarten von Biotitgneiss:
IF; quarzreicher, feinkörnig - klein schuppiger mit
Fibrolith knoten aus Cordierit.
II C ; feld spathreicher , grobkörnig-grossschuppiger
mit Cordierit und daraus hervorgegangenem Pinit und
Fibrolith.
LXXVII
Gliederung: nach Structur.
Breitflaseriger Uebergänge
Biotitgneiss II: aus I in II ( 1/ 1 1 ) oder (I. II)
Körnig schuppiger
Biotitgneiss II
Parallelflächige oder flach linsen-
förmige wechsellagernde Quarz-
feldspathlamcllen, durch häutigen
oder grossschupp. Biotit getrennt
Sandsteinkörnig.
Dünn und ebenstreifig
Euritische Lamellen.
Gefaltet, verworren, zerquetscht.
Quetschgranit.
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Gliederung nach Uebergemengtheilen und besonderen Einlagerungen.
Lxxvin
I ; feldspathreicher, fein körnig - kleinschuppiger ohne
secundären Fibrolith ; besonders als Grenzgestein von
Granulit und Verbindungsglied zwischen einzelnen Granu-
litlinsen bemerkenswerth.
II ; feldspathreicher , grobkörnig - grossschuppiger
Lagengneiss, ohne Cordierit (oder aus solchem her-
vorgegangenem Fibrolith und Pinit).
Die durch die Structur bedingten Zwischenglieder I/II und
I. II muss man bei der Kartenconstruction möglichst zu eliminiren
suchen; das accessorische Auftreten von Kaliglimmerflimmer n
höchstens durch Chiffrirung andeuten.
Die felsitischen Quarzitschiefereinlagerungen in IF
sind eine Art Parallelbildung des Granulits in I und II. Der
bisher unbekannte Granulitzug Oberweistritz, Höllenberg,
Kyuau, Klinke, Kaiser-Heinrich endet mit Eklogitlinsen;
beide Gesteine stehen also in einem geologischen Zusammenhang,
welcher petrographisch in dem Zusammenvorkommen des Granulits
mit Olivin- und Diallaghaltigem Amphibolgestein (und daraus her-
vorgegangenem Serpentin) begründet ist.
Gabbro, reich bald an Labrador, bald an Diallag, und
Olivindiabas, tritt im feinkörnig -schuppigen Eiotitgneiss IF
und im Fibrolith -führenden, breitflaserigen II F und I/IIF auf;
und zwar liegen die Einzelvorkommnisse (meist nur lose Steine)
in Linien, welche dem Verlauf der Gneissschichten folgen, wes-
halb die Gabbro- artigen Gesteine des NW. -Eulengebirges der
o o o
Gneissformation anzugehören scheinen.
Altersfolge der Gneissarten. Betrachtet man das aus
den Aufnahmen sich ergebende tectonische Bild , so möchte
man zunächst daran zweifeln, ob hier von einer gesetzmässigen
Aufeinanderfolge ursprünglich nahezu horizontal abgelagerter
Schichten überhaupt die Rede sein kann; man glaubt vielmehr
in einander geschlungene Schlieren vor sich zu haben, welche
beim Erstarren aus einem schmelzflüssigen Magma bereits so
ungleichartig zusammengesetzt waren , dass sich verschiedene
LXXIX
Gesteine aus ihnen herausbilden konnten, als nachmals gleich-
artige Kräfte und Keagentien gleichzeitig auf sie wirkten. Gneiss
kann ebensowohl aus einem Glas herausgebildet sein, als aus
dessen tuffigem Sediment.
Nehmen wir bei den Eulengebirgischen Gneissen das letztere
an, so müssen wir zugleich eine doppelte Faltung (über Kreuz)
voraussetzen, welche Schnittfiguren erklären kann, wie sie die in
einander geschlungenen Gneissvarietäten an der Oberfläche zeigen.
Profile durch einzelne der angenommenen Calottensättel oder
Schalenmulden zeigen dann die Cordierit- (Fibrolith-) führenden
Gneisse mit ihren Einlagerungen als liegende (ältere), die Cordierit-
(Fibrolith-) freien mit Zubehör als hangende (jüngere). Profile
durch andere Sättel und Mulden ergeben aber nicht dasselbe Re-
sultat, und nur durch die Annahme von Wiederholung gleich-
artiger Schichten, von Auskeilung einzelner, von Unregelmässig-
keiten im Faltenwurf, oder von späteren Störungen des Schichten-
aufbaues könnte man solche Widersprüche wegraisonniren.
In seinen Hauptzügen stellt das Schichtenbild der Section
Charlottenbrunn die oben gegliederten Gneisssorten so dar, dass
körnigschuppiger Fibrolithgneiss (IF) im Osten, Süden und Süd-
westen des Kartenblattes, breitflaseriger Cordieritgneiss (II C) im
Westen und Nordwesten desselben, ein ausgelapptes rundliches
Gebiet von überwiegend Cordierit- und Fibrolith -freiem, körnig-
schuppigem (I) und breitflaserigem (II) Biotitgneiss umfassen,
welches mit seinen Granulit- u. a. Einlagerungen die Mitte und
den Nordrand der Section einnimmt. Und da die, allerdings
steil aufgerichteten, Gürtelschichten dem Centralgebiet zu fallen,
so würden erstere das Liegende, letztere das Han gende ein-
nehmen.
Culm. Zu den kleinen, bisher gekannten Culminseln des
Stenzelberg’s und des Spitzberg’s sind durch meine Aufnahmen
in der Section Charlottenbrunn Culm ablager ungen von 7 bis
8 Quadratkilometer Flächenausdehnung gekommen, deren eine als
6V2 Kilometer langer, ununterbrochener, Streifen von Altfrieders-
dorf bis in den Ob erweist ritzer Forst sich erstreckt. Es
LXXX
sind hauptsächlich r oth e Culmconglo me rate mit Gneissgeröllen ;
theils solchen aus der Nachbarschaft, theils fremdartigen: rother
Zweiglimmergneiss u. a., welche in einzelnen Fällen nordischen
sehr ähneln. Von Neufriedersdorf bis zur Michelsdorfe r
Kirche habe ich eine ganze Anzahl natürlicher Entblössungen in
den Thalböden gefunden; weiter nordwärts werden solche aber sehr
spärlich, und man ist genöthigt nach der intensiven Itothfärbung des
Bodens und der Verbreitung loser Culmgerölle das Gebiet abzu-
grenzen. Dadurch wird die äussere Begrenzung manchmal unsicher,
um so mehr als Steine aus dem Gneissgrundschutt mit solchen aus
der Culmdecke vermengt sind, und als einzelne Culmgerölle weit
abwärts über die Berggehänge zerstreut liegen. An dieser Ver-
schleppung scheinen die diluvialen Flutheu um so mehr betheiligt
gewesen zu sein, als die Culmgrenze auf den Anhöhen nahezu in
den 560 Meterhorizont des diluvialen Eismeers fällt.
Da das Culmconglomerat ebensowohl auf den Böden der
jetzigen Thäler, als auf den zwischenliegenden Anhöhen, schwebend
abgelagert ist, so müssen den jetzigen Thälern conforme schon vor-
der Culmzeit das Gneissgebirge durchzogen haben. Und da die
Culmschichten überall schwebend verlaufen, so können seit ihrer
Ablagerung auch keine bedeutende schiefe Aufwärtsverschie-
bungen im Gebirge stattgefunden haben, obwohl sich das Eulen-
gebirge seitdem als ganzes verschiedene Male gehoben und ge-
senkt haben mag.
Der Culm der Section Charlottenbrunn besteht aus der NNW.
gerichteten Partie des Stenzelberg’s, aus der parallelen von
Friedersdorf- Heiurichau - Michelsdorf nebst ihrer ausge-
lappten nördlichen Fortsetzung, und aus einem Lappen zwischen
Wüstewaltersdorf und Heiurichau, welcher diese beiden
Züge verknüpft. Dazu kommt noch eine ganz kleine isolirte Insel
am nordöstlichen Gebirgsfuss bei Ludwigsdorf, und schwache
Andeutungen zwischen Wacheberg und Obertannhausen. Da
sowohl auf dem Culmconglomerat des Stenzelberg’s als auf dem
von H ein rieh au südwärts Grauwacke und Thonschiefer (am
Spitzberg mit Spiriferen -führenden Kalkknollen) liegt, so
scheint das Culmineer südwärts an Tiefe zugenommen zu haben.
LXXXI
Andererseits liegt aber auch eine Grauwackenablagerung auf dem
nördlichsten Zipfel des Conglomerats am Schlossberg, nahe dem
Schlesierthal.
Hier sind der Culmgrauwacke drei oder vier Schichten von
psammitischem, Sandstein - ähnlichem Porphyr concordant
zwischengeschoben. Aeusserlich ähnelt dieser »Schlossbergporphyr«
dem angewitterten Kersantit, welcher in repetirten Lagen dem
Schiefer und Grauwackensandstein des Spitzberg’s, gleichfalls
concordant, eingelagert ist. Auf der Verbindungslinie zwischen
Spitzberg und Schlossberg, welche südostwärts verlängert die
Culminsel von Steinkuuzen dorf trifft, liegt noch ein einzelnes
kleines Vorkommen von »Schlossbergporphyr«, zwischen Michels-
dorf und Leutmanns dorf.
Diluvium. Die Meeresstrandhorizonte des NW.-Eulen-
gebirges, welche ich im Jahrbuch der Königl. Geol. Landesanstalt
für 1883, S. 540 f.; 1884, S. Lxxxvnf.; 1886, S. 317 f. beschrie-
ben habe, konnten auch in dem nun aufgenommenen Theil der
Section Charlottenbrunn wiedererkannt werden. Der oberste und
deutlichste derselben, in 550 — 560 Meter M. II., bezeichnet den
Strand des diluvialen Eismeers, in welchem die skandina-
vischen Gletscher kalbten, und ist stellenweise noch jetzt mit ent-
sprechenden Ablagerungen garnirt: schwebend geschichtete
Sand- und Strandgeröll e-Bänke, mit zahlreichen Feuer-
stein- u. a. nordischen Geschieben, zwischen Hexenstein
und Hausmannsdorf, 555 Meter ii. M.; mit Lätt und Sand be-
deckte Lehmlager, worin gleichfalls Feuerstein- u. a. nor-
dische Geschiebe, am Heidelberg, 560 Meter ü. M. ;
nordische Findlinge, SW. von Leutmannsdorf, bis
520 Meter M. IJ.
Es ist mir nun aber auch gelungen, Bodenabsätze desselben
Meeres aufzufinden, welche nachmals nicht umgelagert und
durch Ueberdeckung so wenig gestört worden sind, dass über
ihre Natur kein Zweifel sein kann, selbst wenn die Andeutungen
von Yoldia , welche ich darin gefunden zu haben glaube, einem
raschen vorgefassten Urtheil nur noch als Thongallen erscheinen.
Ich habe diesen Meeresthon mit seinen Yoldiaspuren in der Sitzung
f
Jahrbuch 1887.
lxxxii
vom 2. November 1887 der Deutschen geologischen Gesellschaft vor-
gelegt, und zugleich das schematische Profil des Eulengebirgisclien
Gebirgsdiluviums skizzirt, welches weiter unten folgt.
Auf dem Sattel zwischen Reussendorf, Bärengrund und
Altwasser streckt sich von NO. nach SW. ein kilometerlanges
Lehmlager, dessen höchsten (Sattel) Punkt die Chaussee nahe
Cäsargrube in 486 Meter Meereshöhe passirt.
D ie Einzelprofile in den verschiedenen Lehmgruben können
dahin zusammengefasst werden, dass auf Grundschutt nach
Steinkohlen- oder Culmconglomerat liegt :
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1 1/-2 — 2 Meter dunkelgrauer, dünnschichtiger, fetter Thon;
0 — 2 » gelber, sandiger Thon, (aufwärts, öfters über-
gehend in folgenden);
0,5 — 6 » gelber, magerer, ungeschichteter Lehm.
Darüber
0,7 — 1,5 » wechselnde Schichten von gelbem und rotliem
Sand, Kies, Gerolle, oft durch ein dünnes,
rothes, sandiges Lehmband vom unter-
liegenden getrennt.
Die Decke der ganzen Ablagerung bildet
O O o
1/4 — 3/4. Meter gelber und blauer Lätt mit torfiger Ober-
fläche.
Von diesen Schichten ist die unterste und theilweise die
zweite, von »hvarfviglera« nicht zu unterscheiden. Sie besteht aus
papierdünnen, schwarzgrauen, hellgrauen und rostigen Lagen,
welche durch dünne Häutchen zartesten Sandes getrennt werden.
Man trifft darin ausser Feuerstein- und anderen kleinen
nordischen -Geschieben und Sandkörnern, Brocken von
Lignit und tertiäre Quarzitgerölle; in einer der Lehm-
gruben ist sogar Bernstein gefunden worden. Unter einhei-
mischen Geschieben fallen ausser carbo nis eben namentlich
solche von mürbem Phyllit auf.
In diesem Thon fand ich, in der zur Domäne Reussendorf
gehörigen, untersten Lehmgrube die fingernagelähnlichen
Kerne nach Yoldia (?) ohne Schale und Epidermis (welche von der
Thonmasse absorbirt sein könnten); ausserdem einzelne Mergel-
LXXXIII
puppen (mariekor). Dieser Thon kann nur äusserst zarter, ruhig
abgesetzter Seeschlamm sein; und da die Lokalität (Sattel, welcher
nach N bis O in eine freie Ebene abfällt, worüber ein Sperrdamm
unabsehbar ist) die Voraussetzung eines kleinen Binnensees aus-
schliesst, so können wir nur den Bodenabsatz eines Meeres
vor uns haben, desselben Meeres, welches den Strandhorizont
560 Meter erreichte, bevor es sich senkte. Daraus erklärt sich
danu von selbst, dass mit anderen Treibproducten auch eis be-
förderte nordische Geschiebe zum Absatz gelangten. Solche
sind in dem, in streifigen, gelben Thon übergehenden, Lehm aber
viel häufiger und grösser; ein gerundeter nordischer Granit-
block von 2 — 3 Kubikmeter liegt z. B. in der Lehmgrube nächst
W. von der Strasse, 4&0 Meter ü. M. Im gelben, ungeschichteten
Lehm sind auch Diluvialgeschiebe aus der Nachbarschaft viel
häufiger; nicht nur Lignit, Basalt, tertiärer Sandstein u. dergl.,
sondern auch car bo ui sch es.
Dieser Lehm ist offenbar kein einfaches Meeresdepositum mehr,
sondern während und nach dem Rückzug des Meeres zusammen-
geschwemmter Diluvialschutt, also Gehängelehm, dessen Um-
lagerung in der Diluvialzeit begann. Noch mehr gilt dies von
Ö O ö O
dem Kies und Sand, welcher den Lehm bedeckt und dem
Grundschutt der nächsten Anhöhen entnommen ist. Ueberlagert
von alluvialem Lätt mit seiner Torfdecke schliesst er die
Diluvialbildungen ab.
Aehnliche Ablagerungen von streifigem, dunkelgrauem Thon,
unter Lehm mit internen und nordischen Geschieben, kommen
am NW.- Eulengebirge noch vor bei Seitendorf, 425 Meter ü. M. x),
wo ich noch mehr Yoldia - ähnliche Thonkerne gesehen habe, als
bei Eeussendorf; bei Wüste gier sdorf, 460 Meter; Nieder-
tannhausen, 410 Meter; Schenkendorf, 380 Meter; (Ob er-
weis tri tz, 320 Meter?). Abgesehen von Seiten dorf wird bei
denselben aber fraglich, ob sie nicht in Landseen abgesetzt
*) Hier liegt S'/a 0 einfallender, gelbgrauer, blätteriger Thon auf 12° ein-
fallendem schwarzgrauem. Ich glaube nicht, dass die Discordanz beider, und
Wirrungen an ihrer Grenzfläche, anderen Ursachen zuzuschreiben sind, als Ab-
rutsclnmg der hangenden Schichten thalwärts.
f*
L.XXXIV
sein mögen, welche bei Rückzug des Weistritzfjords successive
in dessen äusserstem Winkel blieben; dies gilt namentlich von
Niedertannhausen; auch habe ich in denselben nicht nach
Meeresthierresten gesucht. Diese Vorkommnisse liegen ausserdem
so eingeengt im Thal, dass sie der Confusion mit nachmaligen
Diluvialtransporten aus dem Gebirge weit mehr ausgesetzt waren,
als die Sattelablagerung bei Reussendorf.
Es gliedert sich nun das Gebirgsdiluvium einfach und
o O
klar in 3 Gruppen:
I. Grundschutt des Gebirges, verschwemmt und um-
gelagert durch Fliesswässer (auch lokale Gletscher?) vor der letz-
ten Meeresbedeckung des Gebirges (oder während dieser, aber über
seinem Strand in 560 Meter Meereshöhe). Sturz-, Block- und
Trümmerhalden; alte Schuttkegel und Muhren; Glim-
mersand aus verwittertem Gneiss; steiniger, rauher, magerer
Gneisslehm, auf den Anhöhen (über 560 Meter). Nordisches
und tertiäres fehlt.
II. Meeresabsätze, aus der Zeit da skandinavische Glet-
scher im diluvialen Eismeer mündeten, welches Hör. 560 Meter des
jetzigen Eulengebirges erreichte.
1°. Straudablagerungen. Strandbilder. Findlinge, von
gestrandeten Eisbergen abgesetzt (Heinrichau-Leutmanns-
dorf 520 Meter u. M.; Heinrichau -Wüste -Waltersdorf
620 Meter ?); Lehm (H ei delberg 560 Meter) und geschichteter
Sand, Kies, Gerolle (Hexenstein-Hausdorf 555 Meter).
Theils vom Gebirge abgeschwemmtes, theils vom Meer beigeflutetes
und geschichtetes Material.
2°. Bodenablagerungen. Ausser Findlingen und Ge-
schieben, welche das Treibeis, vom Hör. 560 Meter bis in die
Ebene hinab abbürdete, bevor es strandete: Dünnstreifiger blätte-
riger Thon (hvarfviglera) mit Sandschmitzen im Liegenden und
II äugenden und in Strandnähe; mit einzelnen nordischen, tertiären
und internen Geschieben, Lignit, Bernstein, Mariekor, Yoldia (?)
(Reussendorf 486 Meter; Seitendorf 425 Meter; die anderen
oben angeführten Vorkommnisse gehören theilweise schon zu 111).
III. Meeresabsätze und Gebirgsschutt, umgelagert
und vermischt, während des Rückzugs des Eismeeres und der
LXXXV
skandinavischen Gletscher (Vorschub lokaler Enlengebirgsgletscher?)
und später. Die Strandablagerungen II 1° beginnen schon diese
Reihe. Findlinge und heimische Klippblöcke nach Stein-
schären, am ursprünglichen Absatzort liegen geblieben oder ver-
rollt. Hauptgebilde ist diluvialer Gehängelehm, dessen
Thongehalt theils dem Diluvialthon II 2° entstammt, theils dem
verwitterten Gneissjmmdschutt des Gebirges. Die in diesem Lehm
reichlich eingepackten Steine sind theils zusammengeschwemmte
nordische und tertiäre Diluvialgeschiebe (selbst Blöcke) aus II,
theils einheimischer Gebirgsschntt; Lignit und Bernstein aus
II 2°. In der Oberweistritzer Lehmgrube sollen Säugethier-
knochen gefunden worden sein (?), wohl im Löss. Plateau von
Hohgiersdorf-Seitendorf, 460 — 480 Meter u. M. ; diluvialer
Thalboden der Weistritz und des Zwicker-Goldbachthales
mit ihren Terrassen, alten Seebecken und Stromrinnen.
(Wüstegiesdorf 470 Meter, Obertannhausen 460 Meter,
Niedertannhausen 410 Meter, Ivynau 380 Meter, Ober-
weistritz 320 Meter, Reussendorf bis 486 Meter, Ditt-
mannsdorf 420 Meter). Sand- und G eröll e- Ablagerungen
(Kiesgruben) derselben Kategorie, mit nordischen und tertiären
Geschieben in überwiegend internem Schutt: SW von Leut-
mannsdorf 440 Meter, Mährlestein 360 Meter, Kynau
370 Meter, Dittmannsdorf-Tschorn 450 — 380 Meter; vordem
Gebirgsfuss oft mit lössartiger Decke. Halden, Schutt-
kegel, Muhren in und vor dem Gebirge.
Das gemischte Gebirgsdiluvium (III) greift in die Erosionen
und Alluvionen (IV) aller Art der Jetztzeit ein. Das con-
ventionelle Ende der Diluvialzeit bezeichnen topographisch die
neuen Thalwege des Weist r itzt h a les (Nie de rtann hausen,
Mährlestein, Kynau) und Zwicker-Goldbachthales
(Dittmannsdorf-Tschorn); die aus dem diluvialen Thalboden
geschnittenen Terrassen, Erosionsmulden. Alluvialbildungen :
Halden, Schuttkegel, Ueberschwemmungsschutt, Ge-
hänge- (Au-) und W iesen-L ehm (Lätt), Torf u. dergl.
Graphisch lässt sich diese Gliederung des Gebirgs-
diluviums, von der ich hoffe, dass sie auch ausser dem Eulen -
gebirge Bestätigung finden wird, ungefähr so darstellen:
LXXXVI
Im V orgelienden ist öfters von internen Gletschern ge-
sprochen worden, während ich in früheren Berichten wiederholt
auf Pseudoglacialphänomene im Enlengebirge hingewiesen
habe, nämlich: Harnische auf anstehenden Klippen durch
Klüftung uud Schichtung vorgeschriebene Verwitterungs-
riefen auf Kohlensandstein, umgestauchte Schichtenköpfe,
Radschrammen auf losen und anstehenden Steinen, Muhren-
scheuerspuren an Thalwänden, Muhrengerölle mit rauh
geschundenen Flecken. Letzten Herbst habe ich aber mitten in
Dittmannsdorf dicht an der Chaussee Schrammen gefunden,
welche von einem Gletscher herrühren dürften, und zwar nach
Lage, Richtung, Stoss- und Läseite von einem Gletscher, welcher
sich am Langeberg, Ochsenkopf, Kaudersberg (776,6 Meter)
sammelte und theils dem Lehmwasserthal folgte, theils dem
Zwickerbachthal durch Steingrund, Reussendorf, Ditt-
mannsdorf. Bemerkenswerthe Ablagerungen oder Terraingestal-
tungen hat er nicht hervorgebracht; zu ersteren könnte man
vielleicht gemischte Gerölleablagerungen in Dittmannsdorf
und am Anschnitt der neuen Strasse am Südabhang des Tschorn
rechnen. Solchenfalls hätte der Zwickergletscher an Um-
lagerung des Meeres- und internen Diluviums (III) theilgenommen;
er könnte schon das Eismeer in seinem 560 Meter Strand erreicht
haben, dem Rückzug desselben gefolgt sein, oder- erst später
(durch Höheraufsteigen der Berge) sich gebildet haben. Das
Seitenthälchen, welches bei der Domäne Reussendorf vorbei
nach dem mehrerwähnten Sattel (Cäsargrube) führt, war aber
EXXXVII
nicht vergletschert, sonst würden die Thonablagerungen nicht ge-
blieben sein.
Da im Eulengebirge und Waiden b u r g e r Gebirge mehrere
Berggruppen die Höhe von 700 — 800 Meter übersteigen, so darf
man wohl noch mehrere solcher Miniaturgletscher voraussetzen,
welche an der Umlagerung des Diluviums (III) theilnalunen.
Ihre Bedeutung bleibt aber immerhin eine mehr meteorologische
als geologische (ungefähr gleich jener jetziger Alpengletscher
zweiten oder dritten Ranges), denn sie flössen in vorher existirenden
Thälern, hinterliessen keine auffälligen Moränen, verrichteten mit
einem Wort keine andere geologische Arbeit, als schuttreiche Wild-
bäche (Muhren ohne Eispanzer) auch verrichtet haben.
Einigermaasscn an Moränenlandschaft erinnert übrigens die
Gegend südlich von Zedlitzheide (Section Rudolfs waldau).
Mittheilung des Herrn Schütze über Aufnahmen in der
Umüjea'eiid von Waldenburg; und Landeshut.
o o
Die Arbeiten des Jahres 1887 erstreckten sich auf dem Blatt
Waldenburg in der Hauptsache auf das Rothliegende, Diluvium
und Alluvium, sodann wurden auf dem Blatt Landeshut, welches
die westliche Hälfte der Niederschlesischen. Steinkohlenmulde ent-
hält, die Steinkohlenformation und das Rothliegende mit den zu-
gehörigen Eruptivgesteinen in ihren Grenzen festgestellt.
Der Cu Im auf Blatt Landeshut zeigt denselben Charakter
wie in der Umgegend von Waldenburg, jedoch treten hier in der
Umgebung von Reichhennersdorf häufig grössere Rollstücke von
Gneiss in den Congloim raten hinzu. Schieferthone, denen des
Ober-Carbon zum Verwechseln ähnlich, treten au der Grenze mit
dem Ober-Carbon in der Nähe des Bahnhofes zu Landeshut auf,
wo sie durch einen Versuchbau auf Steinkohlen bekannt geworden
sind und sich durch zahlreiche Reste sehr gut erhaltener fossiler
Pflanzen, namentlich von Sphenopteris ( Diplotmema ) distans Sternb.
auszeichnen, während die früher im Betriebe gewesenen Steiu-
brüche von Leppersdorf die in Sandstein eingeschlossenen Reste
von Sagenaria Veltheimiana Sternb., Archaeocalamites radiatus
LXXXVIII
Brongn. , Sligmaria ficoides inaequalis Göpp., Adiantides tenui-
folius etc. geliefert hatten.
Bei Gaablau sind seit dem 16. Jahrhundert mehrere schwache
Erzgänge im Culm bekannt, welche bis zn einer Tiefe von
113 Meter untersucht worden sind, sich aber schliesslich als un-
bauwürdig erwiesen haben; sie führten Bleiglanz, silberreiches
Fahlerz, in geringen Mengen auch noch Kupferkies, Blende und
Speerkies, als Gangarten: Schwerspath, Flussspath und Quarz.
Ober-Carbon. Dasselbe beginnt auf Blatt, Landeshut in
einem grossen Theil seiner Erstreckung mit groben Conglomeraten,
sodass dadurch die Abgrenzung gegen den Culm erschwert wird
und dazu kommt noch, dass die Gerolle von Urscliiefern sich
auch noch im Ober-Carbon zeigen. Ob sämmtliche Schichten des
Ober- Carbon auf Blatt, Landeshut den Schatzlarer (Saarbrücker)
Schichten angehören, ist nur in Bezug auf die liegendsten
Schichten, welche den Ziegenrücken bei Hartau zusammensetzen,
zweifelhaft. Das von der hier liegenden Concordia-Grube in Bau
genommene Flötz wird überall von Sandstein bedeckt, Schiefer-
thon fehlt fast vollständig und damit ist auch die Auffindung
fossiler Pflanzenreste, welche die Bestimmung der Formationsstufe
ermöglichen, ausserordentlich erschwert. Die geringen Spuren,
welche gefunden worden sind, scheinen für die Zugehörigkeit
dieser Schichten zu den Waldenburger (Ostrauer) Schichten zu
sprechen. Hier endigen letztere, da es möglich war, festzustellen,
dass die liegendsten Schichten bei Landeshut und Reichhenners-
dorf den Schatzlarer Schichten angehören.
Das Roth liegende. Ob dasselbe dem Ober -Carbon con-
cordant oder discordant aufgelagert sei, lässt sich für die nächste
Umgebung von Waldenburg wegen Mangel an Aufschlüssen nicht
feststellen, wohl aber für das Terrain zwischen Gottesberg und
Liebau. Bei Schwarzwaldau zeigen die Schichten des Ober-
Carbon Neigungswinkel von 40 — 70°, während derselbe Winkel
bei dem Kalklag-er im Roth liegenden bei Rothenbach höchstens
25° beträgt. Ferner lassen die bergmännischen Untersuchungs-
arbeiten bei Reichhennersdorf ersehen, dass das Rothliegende
unter einem Winkel von 14 — 15°, das darunter liegende Ober-
Carbon dagegen unter einem solchen von 32° Neigung abgelagert
LXXXIX
ist. Endlich beweist das ans Felsitporphyr bestehende Grenzlager
zwischen Ober -Carbon und Rothliegendem bei Alt- Lässig und
Schwarzwaldau, dass die Ablagerung des letzteren nicht unmittel-
bar auf die des ersteren gefolgt ist.
Das vorhin erwähnte, dem Unter-Rothliegenden angehörende
Kalklager von Rothenbach ist dem von Alt-Lässig und dem von
der Wolkenbrust bei Langwaltersdorf (Blatt Waldenburg) parallel
zu stellen.
Das Mittel-Roth liegende. In weiter Erstreckung von
Langwaltersdorf auf Blatt Waldenburg bis Liebau auf Blatt
Landeshut lagern auf den Sandsteinen des Unter-Rothliegenden
© >3»
die Eruptivgesteine, Felsitporphyr und Melaphyr, und die aus der
Zertrümmerung des ersteren hervorgegangenen Conglomerate und
Tuffe. Die bisher unter dem Gesammtnamen Melaphyr zusammen-
gefassten Gesteine sind in Phorphyrit und eigentlichen Melaphyr
geschieden worden , von denen der letztere das ältere Ge-
stein ist.
Dem ersteren werden sämmtliche innerhalb des Ober-Carbons
auftretende, bisher Melaphyr genannte Gesteine, sodann diejenigen,
welche den Gr. und Kl. Wildberg und den Vogelsberg bei Lässig,
o o o ©7
den Spitz- und Mühlenberg bei Mittel-Conradswaldau zusammen-
setzen, dem letzteren der Storch- und Buchberg bei Langwalters-
dorf, die dem Kl. und Gr. Wildberg vorgelagerten Höhen, die
Forstberge, der Mummel- und Buchberg und die Hügelreihe am
westlichen Fass der Reichhennersdorfer Berge zugerechnet. Süd-
lieh von Reichhennersdorf löst sich dieser lange Melaphyrzug in
einzelne dem Rothliegenden eingestreute insulare Partieen auf.
Der Felsitporphyr, welcher vom nördlichen Ende der Reich-
hennersdorfer Berge über Liebau hinaus bis zur südlich vor-
liegenden Landesgrenze reicht, ist sehr arm an porphyrischen
Ausscheidungen. Die Porphyrconglomerate kommen nur noch als
eine bis zum südlichen Abhang der Forstberge reichende Fort-
Setzung der entsprechenden Ablagerungen zwischen Lässig und
Langwaltersdorf vor; mit ihnen ist diejenige Porphyrbreccie,
welche als Saum den Felsitporphyr der Reichhennersdorfer Berge
umgiebt, aber bei den südlich angrenzenden Liebauer Bergen
fehlt, in keiner Weise zu vergleichen.
xc
Das Ober-Roth liege ncle füllt das sehr breite, flache, von
Nieder- Zieder bis Kloster Gnissau nur sehr wenig ansteigende
Ziederthal aus; an der Grenze mit den vorgenannten Eruptiv-
gesteinen tritt vom Mummel- bis Habichtsberge eine Carneolbank
auf. Die groben Conglomerate des Ober-Rothliegenden mit Roll-
stücken vom Felsitporphyr, welche am Kirchberg bei Friedland an-
stehen, reichen von dort in nordwestlicher Richtung nur bis Ober-
Conradswaldau und scheinen im übrigen Theil der Mulde zu fehlen.
Mittheilung des Herrn F. Wahnschaffe über seine Auf-
nahmen im Uckermärkischen Arbeitsgebiete.
Der Kartencomplex, dessen geologische Kartirung von mir
im Sommer 1887 in Angriff genommen ist, umfasst die Messtisch-
blätter Boitzenburg, Hindenburg, Fürstenwerder und Dedelow,
von denen das erstgenannte Blatt fertig gestellt wurde.
Gegenüber der Umgegend Berlins bietet dieses dem baltischen
Landrücken zugehörige uckermärkische Aufnahmegebiet manche
O ö O
Eigentümlichkeiten dar. Dieselben bestehen in einer ziemlich
beträchtlichen Erhebung der Diluvialhochfläche über dem Ostsee-
spiegel , in einer sehr mannichfaltigen Gestaltung der Oberfläche
und in dem Vorkommen von wallartigen Endmoränen. Auf Blatt
Boitzenburg treten die angeführten Merkmale in sehr deutlicher
Weise hervor. Die mittlere Meereshöhe der Diluvialhochfläche
liegt hier zwischen 80 — 90 Meter, während einzelne Punkte, wie
beispielsweise die Gegend nördlich von Klaushagen bis zu 120 Meter
ansteigen. Eine grosse Verbreitung besitzt auf diesem Blatte der
Geschiebemergel, welcher sich einem aus grandigen Sauden ge-
bildeten stark welligen Untergründe anschmiegt und in Folge
dessen an seiner Oberfläche ein sehr verschiedenartig gestaltetes
Relief darbietet. Zahlreiche Pfuhle und unregelmässige, meist mit
Torf erfüllte Bodenvertiefungen, sowie kleinere und grössere Seen
sind in den Geschiebemergel eingesenkt und verleihen der Gegend
den Charakter der Moränenlandschaft. Dazu kommen noch ver-
schiedene Rinnen, durch welche die Seen zum Theil mit einander
verbunden sind. Die erodirende Thätigkeit der Schmelzwasser
des Eises hat sicher einen gewissen Einfluss auf die Ober-
XCI
flächengestaltung ausgeübt, doch ist dieselbe nicht als einziger
geologischer Factor hier in Betracht zu ziehen, denn aus den
Lagerungsverhältnissen geht deutlich hervor, dass viele der tieferen
Seen älter sind als der Geschiebemergel und auf Einsenkungen
zurückgeführt werden müssen, welche bereits in dem unregel-
mässig gestalteten Untergründe vorhanden waren. In einem be-
sonderen in diesem Jahrbuche befindlichen Aufsatze !) bin ich näher
auf diese Verhältnisse eingegangen und kann daher auf die dortigen
Ausführungen verweisen.
Das Vorkommen eines schmalen' aus grossen Blöcken zu-
sammengesetzten Walles, der mit nordwestlichem Streichen in
den östlichen Theil des Blattes eintritt, bietet ein besonderes
Interesse. Er ist nach Nordwesten zu unterbrochen, findet sich
jedoch in der Zerweliner Haide wieder, woselbst er in mehrere
parallele, die verschiedenen Etappen des sich langsam zurück-
ziehenden Inlandeises andeutende Blockwälle sich auflöst.
Die geologischen Verhältnisse des Blattes machen es wahr-
scheinlich, dass der an der Oberfläche eine so ausgedehnte Ver-
breitung besitzende Geschiebemergel als die Grundmoräne der
zweiten Vereisung und der Geschiebewall als die während der
Abschmelzperiode zurückgebliebene Endmoräne anzusehen sei,
welche sich bildete, als das zurückschmelzende Eis der zweiten
Vereisung auf dem baltischen Landrücken längere Zeit hindurch
stationär war. Die in unmittelbarer Umgebung des Geschiebe-
walles sich findenden Grande und Sande, welche oft zu kuppigen
Hügeln angehäuft sind, stellen die Aufschüttungsmassen der vom
Eisrande ausgehenden Schmelzwasser dar und sind daher dem
Geschiebewalle in einer breiten Zone vorgelagert. Dabei ist der
Geschiebemergel oft völlig von den Schmelzwassern denudirt oder
auch mit mächtigen Ablagerungen von geschichtetem Sand und
Grand überschüttet worden.
Die Hauptaufgabe der ferneren Aufnahmen in jenem Gebiete
wird es sein, den weiteren Verlauf des Geschiebewalles zu ver-
folgen und sein Alter sowie seine Lagerungsverhältnisse mit Bezug
b Zur Frage der Oberflächengestaltung im Gebiete der baltischen Seenplatte,
S. 150 — 163.
XC.I1
auf den ihn umgebenden Geschiebemergel festzustellen, da die
bisherigen Beobachtungen noch nicht genügen, um darüber ein
ganz bestimmtes Urtheil abgeben zu können 1).
Mittheilung des Herrn H. Grüner über Aufnahme der
Sectio n Wilsnack im Herbst des Jahres 1887.
Das dem Westpriegnitzschen Kreise zugehörige, in seinem
südwestlichen Theile von der Elbe begrenzte, der »Seehauser
Wische« gegenüber liegende Gebiet der Section Wilsnack bildet
eine weite Niederung, die in ihrer nordöstlichen Hälfte durch-
schnittlich 30 Meter, in der südwestlichen, dem unmittelbaren
Elbgebiete, etwa 23 Meter Meereshöhe besitzt. Erstere besteht
in der Hauptsache aus jungdiluvialem, sehr feinkörnigem, voll-
kommen steinfreiem Sand (Thalsand), der — wie Verfasser dieses
im Jahrbuch für 1886 darlegte — sich früher südlich bis zum
Höhenrand bei Hindenburg verbreitete. Die wasserfreien Höhen
in der Wischa bei Berga, Schönfeld und Königsmark, diejenigen
dicht an der Elbe bei Quitzöbel, Sandkrug und Bälow (Section
Wilsnack), und die Höhen, auf welchen die Städte Wittenberge
und Lenzen liegen, sind nur stehengebliebene Reste dieses einst
weit verbreiteten Thalsandes. Letzterer charakterisirt sich auf
dem Blatte dadurch, dass er seinem sonstigen Vorkommen ent-
gegen humusfrei erscheint. Vielfältig zeigt er sich stark eisen-
schüssig, demzufolge roth gefärbt, und in trockener Lage ganz
unfruchtbar. Fast durchweg liegt der Grundwasserstand darin
ziemlich nahe der Oberfläche und stellt sich Wasser schon bei
dem zweiten oder dritten Spatenstich ein, weshalb die Friedhöfe
vieler Ortschaften künstlichen Auftrag erhalten müssen. Eisen-
schüssige Thalsandflächen neigen daher auch zur Bildung von
Raseneisenerz und wird dieses in der gesammten Wilsnacker
Feldmark angetroffen, verschwindet jedoch dui’ch systematisches
Rajolen mehr und mehr. Die Feinkörnigkeit des Thalsandes,
') Durch die im Mai 1S88 ausgefiihrten Untersuchungen ist diese Frage
bereits entschieden worden. Yergl. G. Berkndt und F. Wahnschaffe, Ergebnisse
eines geologischen Ausfluges durch die Uckermark und Mecklenburg- Strelitz.
Dieses Jahrb. für 1887, S. 363 — 371.
XCIII
der Mangel eines Bindemittels und seine der herrschenden Wind-
richtung ausgesetzte Lage, bewirken leicht Verwehungen selbst
bei nur massigen Winden, bei starken jedoch kommt die gesammte
Fläche in Aufruhr und wird der Sand zu hohen, mächtigen und
weit sich hinziehenden Dünen aufgethürmt.
D ie Oberflächenbeschaffenheit des Thalsandes ist keine so
ebene, wie z. B. in den Haupttliälern der Mark, seine Flächen
sind mehr coupirt und treten darin weithin fortsetzende Rücken
auf, die aber, weil zu trocken, von den Ackerwirthen mehr und
mehr planirt werden. Die tiefer gelegenen Areale im Thalsande,
wie auch die Rinnen und Schluchten in den Dünenterrains, sind
theils mit Torf, theils mit Moorerde erfüllt, wozu noch Rasen-
eisenerz tritt, so besonders in den Wiesen bei dem Vorwerk
Siegröhn, wo es in erstaunlicher Verbreitung und Mächtigkeit
vorkommt, fleissig gegraben und in der absolut steinfreien Gegend
als Bau- wie als Wegematerial hoch geschätzt wird.
Das näher der Elbe gelegene Gebiet besteht in der Haupt-
sache aus Schlick — mehr oder minder sandigem, rotliem Lehm,
Thon, humosem Thon und Schlicksand. Wie aber schon hervor-
gehoben, schliesst es mehrere aus Thalsand bestehende Höhen ein,
von denen diejenige bei Sandkrug — unmittelbar an der Elbe —
die bedeutendste ist; Verwehungen bildeten hier aber so zahlreiche
Hügel, dass die gesammte Fläche auf dem Blatte als Flugsand
angegeben werden musste. Westlich von Kl. -Lüben und Legde
finden sich noch Sandareale, welche erst in neuerer Zeit bei
Dammbrüchen zum Absatz kamen und unter denen in geringer
Tiefe der frühere gute Schlickboden entsteht.
Diese Niederung ist im grossen Ganzen zwar eben zu nennen,
doch zeigt sie vielfach tiefe Auskolkungen, welche bei Damm-
brüchen entstanden und die mit sogenannten Qualmdeichen um-
geben wurden, um das vorzugsweise hier erfolgende Austreten
des Qualmwassers zu verhüten. In diese Niederung ergiesst sich
auch das Flüsschen Karthan, das aus der Gegend von Leppin —
auf dem anstossenden Blatte Glöwen — kommend, bei Wilsnack
das Elballuvium erreicht, nahe der Rühstedter Grenze sich Witten-
berge zuwendet und nach Vereinigung mit der Stepnitz oberhalb
XCIV
dieser Stadt in die Elbe fliesst. Das im näheren Bereiche des
Karthau gelegene und ausschliesslich als Wiese benutzte Sehlick-
terr.ain zeigt eine mehrere Decimeter mächtige Ueberlagerung von
Moorerde, und weiterhin — zwischen Bälow und Kuhblank —
bildet das Liegende des Schlicks wiederum Moorerde oder Torf
und zwar unweit Gr.-Liiben so mächtig, dass der Torf unter dem
Schlick mit Vortheil gestochen werden kann; hierdurch ist von
Neuem bewiesen, dass die betreffenden Areale -=■- ehe die Elbe
ihren Lauf hierher richtete — ursprünglich Sumpfflächen dar-
stellten, welche später mit dem Schlick der Elbe und hierauf
wieder lange Zeit mit Wasser bedeckt waren, in dem sich eine
reiche Sumpfvegetation entwickelte.
Hervorgehoben sei noch, dass sowohl verhäl'tnissmässig hoch,
wie auch tief gelegene, mit Moorerde überlagerte Schlickterrains
— wie z. B. südlich von Kuhblank und Gr.-Liiben — Nester
von Wiesenkalk enthalten und rother Schlick auf der Rühstädter
Feldmark auch oberflächlich mit Säuren übergossen braust, ein
Vorkommen, das Verfasser Dieses auch auf anderen sogenannten
Schlick -Sectionen — wie z. B. auf den Blättern Jerichow und
Tangermünde — beobachtete und welches beweist, dass der Kalk-
gehalt des Elbscldicks keine seltene Erscheinung ist. Beispiels-
weise möge hier noch das südlich vom Tangermünder Chaussee-
haus in den grossen Lehmgruben zwischen den beiden Tangerarmen
o o o
erschlossene Profil folgen :
9 — 17 Dec. rother Schlick,
5 — 7 Dec. schlickiger Wiesenkalk mit Kalkknauern,
Flussgrand u. -Sand.
Die gesammte Elbniederung des Blattes Wilsnack zeigt —
mit Ausnahme der durch oesondere Deiche geschützten Feldmark
— nur geringe Sicherheit gegen Uebersehwemmungen und stehen
im Winter meist sämmtliche Wiesen bis unmittelbar vor Wilsnack,
Legde und Abbendorf unter Wasser, weil bei längerem Hoch-
wasserstande der Elbe der Rückstau des Karthan bis an genannte
Ortschaften reicht. Ganz besonders leidet hierdurch Kl. -Lüben,
wesshalb dort beinahe alle Gehöfte auf künstlich aufgeworfenen
xcv
Sandhügeln angelegt worden sind. Aber auch die eingedeichten
Ländereien unterliegen Ueberschwennnnngen durch das sogenannte
Qualmwasser, das bei hohem Elbwasserstande aus den Kolken
oder hinter den Deichen, wo der Schlick zum Auftrag des
Dammes Verwendung fand, emporsteigt.
Mittheiluug des Herrn K. Keilhack über geologische
Aufnahmen in der Gegend zwischen Belzig und Branden-
b u r g.
Ein im vorigen Bande dieses Jahrbuches aus dem Alluvium
bei Genthin beschriebenes eigenthümliclies Gebilde, welches in
der Hauptsache aus kohlensaurem Eisenoxydul, Eisenhydroxyd
und Humus besteht , wurde bei den letztjährigen Aufnahmen in
weiter Verbreitung gefunden. Nicht nur die grossen Moore des
Fiener Bruches, sondern auch ein Theil der sogenannten Land-
schaftswiesen im Baruther Hauptthale nördlich von Brück führen
unter 2 — D/2 Meter mächtiger Torfdecke eine dünne Schicht
jener grauen bis grünlichen, in trockenem Zustande ausserordent-
lich leichten und dadurch an Diatomeenerde erinnernden Substanz.
Der im Fiener Bruch für dieselbe angewendete Name »Mergel«
ist wegen des gänzlichen Mangels an kohlensaurem Kalke nicht
zu gebrauchen; ich nenne deshalb diese verbreitete, aber viel
übersehene alluviale Bildung Eisenmoor. Wie so häutig der ersten
Beobachtung mehrere weitere, bestätigende folgen, so auch hier:
im Rhinluche bei Fehrbellin fand Klockmann, in der Gegend
von Boitzeuburg Wahnschaffe und bei Ringen wähle Wölfer
Eisenmoor als untere Grenze der Torflager.
Ferner wurde durch die Specialaufnahmen das im vorigen
Bande des Jahrbuches über Schotterdeltas am Nordrande des
Fläming Gesagte bezüglich der Deltas vor der Plane, dem Beiziger
Thale und dem von Verloren Wasser durchaus bestätigt.
Vor der Altersfeststellung der Tertiärbildungen im nördlichen
Theile des Fläming bedarf es noch eines Vergleiches derselben
mit den ungleich grossartiger aufgeschlossenen Ablagerungen am
O o o O OO
Südrande des Gebirges.
O
XCVI
Mittheilung; des Herrn L. Beushausen über die Ergeb-
O O
nisse seiner Aufnahmen auf den Sectionen Gross-
Wusterwitz und Brandenburg a. H.
Die Aufnahmearbeiten erstrebten die Fertigstellung der von
den Herren Landesgeologe Dr. Läufer bezw. Prof. Dr. Scholz
bereits theilweise kartirten Sectionen Gross- Wusterwitz und
Brandenburg a. H. Erstere wurde abgeschlossen, die zweite dem
Abschlüsse nahe gebracht.
Beide Blätter bieten, was Oberflächenformen und geognostischen
Aufbau anbetrifft, das gewöhnliche Bild der havelländischen
Sectionen: grössere oder kleinere Diluvialplateaus zwischen weiten
Thalflächen, welche grossentheils von jungalluvialen Bildungen
eingenommen werden. Auch die Ausbildung der einzelnen Dilu-
vial- und Alluvialablagerungen ist die gewöhnliche. Erwähnens-
werth möchte in Bezug auf Section Gross -Wusterwitz vielleicht
sein, dass ihre ganze südliche Partie — die östlichen Endigungen
des grossen Fiener Bruches umfassend - — von Sand- und Grand-
ablagerungen eingenommen wird, welche die von den nördlichen
Hängen des Fläming herabströmenden Gewässer in dieser flachen
Thalmulde zu jungdiluvialer Zeit absetzten. Es sind grandige
Thalsande , zum Theil Thalgeschiebesande mit oft gehäuften
Geschieben von Nuss- bis über Kopfgrösse. Sie bilden grossen-
theils den Untergrund des Fiener Bruches, treten aber auch insel-
förmig und im Osten zusammenhängend unter der allgemeinen
Torfbedeckung heraus. Das von K. Keilhack im Jahrgang 1886
dieses Jahrbuches S. 139 beschriebene Schotter-Delta der Buckau
liegt theilweise im Bereich des Blattes.
Auf Blatt Brandenburg sind die durch F. Wahnschaffe zu-
erst von Ketzin beschriebenen kalkreichen Havelthonmergel in
weiter Verbreitung zur Beobachtung gelangt, besonders ehemalige
Seitenbuchten früherer Wasserläufe in oft ziemlich beträchtlicher
Mächtigkeit — bei Radewege über 5 Meter - — erfüllend.
Sie erreichen im Uebrigen auf Section Brandenburg die West-
O O
grenze ihrer Verbreitung; die westlich bezw. nordwestlich an-
XCVII
stossenden Sectionen gehören bereits dem Verbreitungsgebiet des
der Regel nach völlig kalkfreien Elbschlicks an.
Südlich und östlich des Beetz -Sees und nördlich der Klein-
Kreuzer Berge dehnt sich eine weite Thalebene, welche bis auf
die stark abgewaschenen, aus Schichten des unteren Diluviums
bestehenden Bodenwellen bei Mötzow und zwischen Grabow,
Lünow, Weseram fast völlig horizontal ist. Sie besteht zum
kleineren Theile aus vertorften, mit Havelthonmergel erfüllten
Seitenbuchten des heutigen Beetz-Sees, zum bei weitem grössten
Theile wird sie jedoch von feinen, fast oder ganz steinfreien
Sanden eingenommen, in welche häufig — südwestlich von Grabow
in ziemlich bedeutender Ausdehnung — mehr oder minder mäch-
tige Schichten eines kalkreichen, feinsandigen Thonmergels einge-
schaltet sind, welche jedoch in ihrer Ausbildung sehr wechseln
und auf der einen Seite durch fast völliges Zurücktreten der
thonigen Bestandtheile zu einem kalkreichen Schleppsande, auf
der anderen durch Zurücktreten der feinsandigen Theile zu einem
an thonigen Bestandteilen reichen Süsswasserkalk werden können.
In der letzteren Ausbildungsweise gelangten dieselben besonders
südwestlich Grabow zur Beobachtung.
Ueber das Alter dieser Ablagerungen und ihre Beziehungen
zu den Havelthonmergeln konnte ein abschliessendes Urtheil noch
nicht erzielt werden, obgleich Manches dafür zu sprechen scheint,
dass sie in früherer Zeit als jene abgesetzt wurden. Die über-
lagernden Sande sind von den echten Thalsanden, mit denen sie
z. B. nördlich Klein -Kreuz unmittelbar Zusammenhängen, petro-
graphisch absolut nicht zu unterscheiden, und es erscheint die
Möglichkeit, dass man es hier mit Aequivalenten der im Gebiete
des Elbschlicks mehrfach zur Beobachtung gelangten »Thalthone«
zu thun habe, nicht ausgeschlossen.
Mittheilung des Herrn A. Jentzsch über Aufnahmen in
W estpreussen.
Section Pestlin wurde begonnen und vollendet. Dieselbe
gehört (zwischen Stuhm, Marienwerder und Riesenburg liegend)
der sanftwelligen Diluvialplatte an, welche rechts des Weichsel-
Jahrbuch 1887.
g
XCVIII
thal- Einschnittes von dem die russische Grenze bildenden Dre-
wenzthal bis zum Weichseldelta sich in etwa 60 — 120 Meter
Meereshöhe hält, eine westliche, bis 50 Kilometer breite Vorstufe
des ostpreussischen Haupthöhenrückens bezeichnend. Die Höhe
der Section variirt von 24 — 105 Meter und beträgt im Mittel circa
75 Meter. Höhen unter dem für die allgemeine Diluvialplatte an-
gegebenen Maass von 60 Meter finden sich auf der Section nur
in einer thalartigen Senke, welche fast geradlinig von der Nordost-
ecke des Blattes bis zu den nördlichen Abbauten des Marktfleckens
Pestlin hinzieht, von wo sie sich verflachend, anfangs verbreitert,
zuletzt schmal werdend nach Süden lenkt, wo sie sich über Luisen-
walde und zuletzt nur noch schwach angedeutet bis zum Südrande
der Section bei Dubiel verfolgen lässt. Während die Senke in
diesem ganzen Verlauf eine unregelmässig wellige, zumeist mit
Humusansammlungen erfüllte Thalsohle besitzt, setzt sich ein
Zweig derselben von Pestlin nach Westen fort und ist durch die
darin fliessende Bache zum Erosionsthal umgeprägt.
Inmitten der genannten Senke liegt eine nur 175 Fuss
(55 Meter) hohe Wasserscheide in den Hügeln, auf welchen der
Weg Ramsa - Sadlecken verläuft. Der nördliche Theil der Senke
wässert nach der von Stangenberg kommenden »Bache«, welche
bei Gr. -Rhodau beginnt, bei Dakau in die Section und dann in
die Marien werderer Weichselniederung tritt.
Der Lauf dieser »Pestliner Bache«, wie ich sie nennen möchte,
besteht aus zahlreichen charakteristischen, aber kurzen Erosions-
strecken, welche Torfniederungen verbinden — sichtlich alte See-
becken , deren kettenförmige Reihe die Pestliner Bache im Laufe
der Zeit in ein zusammenhängendes Erosionsthal umzuwandeln
bestrebt ist. Trotz der zahlreichen fast horizontalen Strecken,
innerhalb welcher sie Torfflächen durchzieht, hat die Pestliner
Bache innerhalb der Section ein Gefälle von 188 Fuss (59 Meter).
Die oben erwähnte Thalsenke lässt sich ausserhalb der Sections-
grenze in der gleichen (d. h. ungefähr erzgebirgischen) Richtung
meilenweit nach ONO. verfolgen, in schönster Uebereinstimmung
mit der Richtung des Kreiderückens von Prothen, Krapen und
Kerschitten bei Christburg und zahlreicher denselben benachbarter
XCIX
Rücken und Thalsenken. Diese Richtung spielt mithin in der
Tektonik dieser Gegend eine hervorragende Rolle. Die Epoche
der entsprechenden Terrainfaltung fiel mit dem Schlüsse der
Glacialzeit zusammen.
Ungefähr senkrecht auf diese Richtung steht diejenige einer
andern Senke, welche sich von Michorowo nach SSO. erstreckt
und nahe dem Südrande des Blattes unweit Orkusch plötzlich
endet. Sie wird in einem Theile ihres Laufes von der Pestliner
Bache durchströmt. Die eine wichtige tektonische Linie West-
preussens mai'kirende Hauptsenke bezeichnen wir als die Wap-
litzer Senke x), jene zuletzt erwähnte secundäre als die Port-
schweitener Senke.
Die nordwestliche Ecke des Blattes durchzieht eine schmale
und weniger lange, doch gleichfalls unverkennbare Falte, die
»Stuhmsdorfer Senke«, welche der Waplitzer Senke conform ver-
läuft und wie diese von der Pestliner Bache durchbrochen wird.
Auch die Stuhmsdorfer Senke ist mit Humusansammlungen und
Abschlemm-Massen erfüllt; nahe dem Nordraude des Blattes gabelt
sie sich.
Durch genannte Senken gliedert sich die Diluvialplatte der
Section in folgende Abschnitte:
1. Die Stuhmsdorfer Welle (80 Meter) in der NW.-Ecke.
2. Die Gurkener Welle zwischen der Stuhmsdorfer und
Waplitzer Senke, innerhalb der Section bis 75 Meter, nordöstlich
davon bei Gurken bis 84 Meter ansteigend.
3. Die Nikolaikener Platte, das Land südlich der Waplitzer
Senke bis zur Liebe und zum Sorgensee, vom Weichselg'ehäno'e
bei Rehhof bis zu dem von Stangenberg nach Waplitz ziehenden
Thale begreifend. Dieselbe steigt auf Section Pestlin bis 108 Meter,
östlich derselben (zwischen Nikolaiken und Gr. - Rolidau) auf
130 Meter.
Der Boden der Section besteht ausschliesslich aus Diluvium
und Alluvium. Unter den Diluvialgeschieben bemerkt man hin
l) Nach dem in ihrer NO. -Fortsetzung liegenden gräflichen Gute Gross-
Waplitz.
g
c
und wieder gerollte Feuersteine, sogenannte »Wallsteine« Meyn’s,
welche auch auf den Nachbarsectionen beobachtet, und welche er
als gewöhnliche Kreidefeuersteine auffasst, die zur Tertiärzeit ab-
gerollt und wie die sie begleitenden Phosphorite später in Dilu-
vialmassen umgelagert wurden.
Die Gliederung ist folgende:
Oberer Sand und Grand untergeordnet, besonders als
Bestreuung.
Oberer Geschiebemergel, einen grossen Theil der
Oberfläche bedeckend.
Unterdiluvialer Thonmergel (besonders im Nordwesten
stark entwickelt), Mergelsand, Unterdiluvialsand
und Unterdiluvialgrand mit einer Mischfauna auf
secundärer Lagerstätte. Dieselbe besteht aus
folgenden nach ihrer Häufigkeit geordneten Arten:
Yoldia arctica Gray, Cardium edule L., Cyprina
islandica L., Dreyssena polymorpha Pall, sp., Tel-
lina solidula Pult., Mactra subtruncata Dac., Palu-
dina diluviana Kunth, Nassa reticulata L. sp., Ele-
phas primigenius Blumenb.
Unterer Geschiebemergel.
Inter-
glacial
Mächtiger unterdiluvialer Sand mit Cardium echinatum
L., stellenweise Unter diluvialer Thonmergel.
Auf dem schwer durchlässigen Höhenboden des Jungglacial
bei Stuhmsdorf zeigt sich eine örtlich beschränkte Anreicherung
mit Humus, welche der jenseits der Weichsel in gleichem Niveau
auftretenden »Schwarzerde« von Mewe zu vergleichen ist.
Das Jungalluvium bietet, abgesehen von einzelnen kleinen
Dünenbildungen, nichts bemerkenswerthes.
Die Aufnahme der südlich angrenzenden Sectio n Gr. -Krebs
wurde foi'tgesetzt. Zu deu vorjährigen Mittheilungen über die-
selbe ist hinzuzufügen, dass eine Nordseefauna in dem inter-
glacialen Sande rechts der Liebe nahe östlich von Brakau aufge-
O 0
funden wurde. Zwar fand ich nur Cardium edule L., Tapes vir-
ginea L. sp. und Tellina solidula Pult., aber schon der Gegensatz
CI
dieser kleinen Fauna zu derjenigen der auf Section Pestlin an-
stehenden Diluvialsande beweist, im Verein mit den Lagerungs-
verhältnissen, ihre Ursprünglichkeit. So schafft dieser Fund ein
werthvolles Bindeglied zwischen dem Interglacial von Marienwerder
und Biesenburg.
Einen zweiten, etwas reicheren Fundort derselben Nordsee-
fauna fand ich im interglacialen Sand ausserhalb der Section, doch
dicht westlich der südwestlichsten Ecke derselben auf Section
Marienwerder rechts der Cypelle auf. Dort sammelte ich: Car-
dium edule L., Nassa reticidata L. sp., Cyprina islandica L., Ceri-
thium lima Brug., Scrobicularia piper ata Gmel., Mactra subtruncata
Dac., Tapes virginea L. sp. und ? Tellina solidula Pult., also eine
ganz typische reine Fauna, in welcher die wichtigsten Arten von
Jakobsmühle und Kleinschlanz vertreten sind. Von den dort
einigermaassen häufigen Arten fehlen bis jetzt nur Cardium echi-
natum L. und Mytilus edulis L.
Mittheilung des Herrn R. Klebs über geologische- Auf-
nahmen der Section Schippenbeil und über Unter-
suchung des ost- und westpreussischen Tertiär.
Section Schippenbeil wurde vollständig aufgenommen.
Auf derselben treten flächenbildend besonders die obersten Schichten
des ostpreussischen Diluviums: Decksand, Deckthon und Mergel
in mannichfachem Wechsel zu Tage. In den Rinnen und tiefer
gelegenen Districten ist der untere Thon verbreitet. Der obere
Mergel zeichnet sich durch grosse Armuth an Geschieben und
durch geringe Mächtigkeit aus. Der untere Sand ist meist sehr
feinkörnig und auch wenig mächtig und besitzt vielfach Einlage-
rungen von Thon, Fayencemergel und Mergelsand. Neu für die
von mir in V25000 kartirten Blätter waren obere Mergel, bei welchen
ein auffallender Gehalt an Humus sich in grösserer Tiefe (1,5 Meter)
bemerkbar machte. Ein gewisser Humusgehalt ist zwar vielfach
auch auf andern Sectionen beobachtet und in den Bohrtabellen
bezeichnet worden, doch ging dieser kaum über 2 Decimeter in
die Tiefe. Auf Section Schippenbeil jedoch finden wir schwarze
humose Lehme in grösseren Gebieten gleichmässig bis zu einer
cn
Tiefe von 1,2 Meter. Es Hegt nahe, diesen humosen Lehm als
übereinstimmend mit der Schwarzerde aufzufassen, welche in den
undurchlässigen Lehmterrains bei Rastenburg, Rössel u. s. w.
häufiger in Ostpreussen vorkommt. Auf Section Schippenbeil
findet sich die Schwarzerde in zwei Gebieten. Das eine liegt
unterhalb der 100 Fuss- Curve in dem Thale der Zaine südlich
Schlampen, das andere unterhalb 112,5 Fuss zwischen Schmirdt-
keim und Horst. In beiden Gebieten ist ein oberer Mergel
imprägnirt, welcher auf unterem Saude in kaum D/2 — 2 Meter
starker Decke lagert. Die Ursachen für die Bildung dieser
Schicht sind namentlich klar in dem letzteren Gebiet. Hier kann
entschieden nur ein höherer, wenn auch nur zeitweilig wieder-
kehrender Wasserstand die Durchtränkung des Bodens bewirkt
haben. Wenn wir die geologischen Verhältnisse dieses alluvialen
Beckens näher betrachten, so finden wir, dass an einer Stelle,
genau in der Höhe dieser Schwarzerde eine entschiedene Süss-
wasserbildung, der Wiesenkalk unter alluvialem Sande und dass
rund umher entweder Moorerde oder Wiesenlehm in demselben
Horizonte auftreten, und dass sonst Sande sich finden, bei welchen
man nicht entscheiden kann, ob sie als alluvialer oder diluvialer
ehemaliger Seegrund aufzufassen sind. Die tieferen Partieen dieses
Beckens sind mit Torf über Wiesenkalk oder mit Torf unter
Wiesenlehm erfüllt. Da es nun wohl sicher ist, dass auch in
dem Gebiet der Schwarzerde sich ähnlich, wie an den anderen
Stellen moorige Ablagerungen gebildet haben würden, wenn das-
selbe beständig unter Wasser gelegen hätte, so ist nur anzunehmen,
dass das Lehmterrain etwas, wenn auch nicht viel höher als der
damalige Wasserspiegel und zeitweilig trocken gelegen haben
muss. Auf diesen Lehm trat nun bei hohem Wasserstand das
von dem Torf braungefärbte Moorwasser und durchtränkte ober-
flächlich den Boden. Wenn dann im Sommer der Lehm trocken
lag, so erhielt er Risse und Sprünge; durch diese, durch die
Röhren von Würmern etc. mag ein plötzlicher Regen die humosen
Schichten in die Tiefe geführt, oft auch direct das Torfwasser
sich hineingezogen haben. Als dann später bei Rosenort der Ab-
fluss des Rosenorter Fliesses sich so vertieft hatte, dass die
ein
Wasser nicht mehr rückwärts stauen konnten, und sich durch
Abtrag der Lehmplateaus eine Schicht von Wiesenlehm über den
Torf lagerte, hatte die Bildung der Schwarzerde im Ganzen ihren
Abschluss erlangt. Die Annahme, dass nur eine starke Vege-
tationsdecke in früheren Zeiten, die sich auf dem undurchlässigen
Untergrund durch die dahin zusammenfliessende Feuchtigkeit be-
günstigt , gebildet hätte , wie Schröder die Schwarzerde von
Rössel erklärt (vergl. dieses Jahrbuch 1886, S. xl), halte ich
wenigstens für diese Gebiete auf Schippenbeil für unbegründbar.
Einer genauen Untersuchung wurden die Tertiärgebiete am
Nordstrand des Samlandes in Ostpreussen und zwischen Oxliöft
und Rixhöft in Westpreussen unterzogen, einmal um aus den
Letten eine grössere Sammlung der schön erhaltenen Pflanzen-
reste für das Museum der Kgl, geologischen Landesanstalt zu-
sammen zu bringen, sodann aber auch um Vergleiche mit dem
bereits kartirten Tertiärgebiet von Heilsberg anzustellen. Das
Resultat war im Ganzen ein recht günstiges. Am Nordstrande
des Samlandes wurden circa 600 wohl erhaltene Blatt- und Frucht-
abdrücke und Hölzer gesammelt. Von letzteren ist besonders ein
2,5 Meter langes Stammstück von Finites protolarix G. bemerkens-
werth, welches wunderschön erhalten und nach dem Urtheil des
leider inzwischen verstorbenen Prof. Dr. R. Caspary für die
Pliytopalaeontologie sehr interessant dadurch ist, dass es bedeutende
Abweichungen der Mikrostructur in verschiedener Höhe und an
der Aussenseite und Innenseite des Stammes zeigt. Leider aber
kamen diese vorläufigen Untersuchungen nicht über eine münd-
liche Mittheilung hinaus. — In Westpreussen wurden circa 900
gut erhaltene' Blattabdrücke und Früchte gesammelt und etwa 17
bestimmbare Stämme z. Th. blossgelegt und davon grössere Belag-
stücke genommen. Ein Cupressineenstamm hatte einen Durch-
messer von 1,2 Meter und war 3 Meter zu verfolgen. Leider
misslang es einen ganzen Querschnitt des Stammes zu nehmen,
da derselbe so mit Schwefelkies durchsetzt war, dass die Zähne
der Säge abbrachen.
Die Vergleichung der einzelnen Schichten mit den von
Zaddach aufgeführten ergab mancherlei Abweichungen. Wie
CIV
Zaddach beobachtete auch ich drei Kohlenflötze zwischen Chlapau
und Rixliöft. Nach Zaddach, Menge und Heer1) enthält die
oberste dieser Kohlen die Blattabdrücke. — Ich habe dort Nach-
grabungen im grossen Maassstabe anstellen lassen, weil es mir
sehr schwer wurde von dieser Anschauung ausgehend die Pflanzen-
reste aufzufinden, und kann die einzelnen Kohlenflötze in folgender
Weise charakterisiren:
1. Die obe rste Kohle enthielt absolut keine Blätter und
Früchte, sondern nur flach gedrückte bituminöse Stamm- und
Asttheile. Die grösste beobachtete Mächtigkeit war 1 Meter.
2. Die mittlere Kohle enthielt sehr viele runde Stamm-
stücke und ganz vereinzelt Blätter. Bis zu 1,8 Meter Stärke
beobachtet.
3. Die untere Kohle, etwa 1,5 Meter über dem Seespiegel
beginnend und 2,5 — 3,0 Meter mächtig, ist reich an Blättern und
Stammtheilen. Sie besteht zu oberst aus einer steinkohlenähnlichen
schwarzen, sehr rissigen Kohle, in welcher die Blätter zerstört
waren, 0,15 Meter; dann folgte eine 0,1 Meter starke Schicht, die
fast nur aus undeutlichem mulmartigem Holz- und Blattrippen-
theilen filzartig zusammengesetzt war; darunter lagen 0,6 Meter
senkrecht zerklüftete Kohlen mit vielen Blättchen; darunter 0,5 Meter
gut horizontal geschichtete Kohlen mit wenig Blättern ; dann 1 Meter
fast blattfreie Kohle. Beschlossen wird das Flötz durch eine 0,3 Meter
starke, grobsandige Kohle, in welcher viele, aber meist kaum
conservirbare Blätter von Querem- Arten. —
Die Schichten waren an der ganzen Küste von Chlapau bis Rix-
höft mannichfach gestört. Das von mir untersuchte untere Flötz fiel
in der ganzen Ausdehnung des s. g. Habichtsberges in einem Winkel
von 60° nach Südosten ein und wurde in demselben Einfallswinkel bis
ö1^ Meter in den Berg hinein d. h. hier bereits mit seiner oberen
Kante etwa 1 Meter unter dem Seespiegel verfolgt und ausgebeutet.
Leider setzte ein schnell auftretender starker Sturm meine Aus-
grabungen unter Wasser und zerstörte die Abräumungen in
wenig Minuten bis auf die geringste Spur. Durch diesen Sturm
') Heer, Miocene baltische Flora. Königsberg 1869.
cv
aber wurden die Ufer zwischen der grossen Schlucht von Chlapau
bis nach Rixhöft fast vollständig von jedem Abrutsch rein gefegt
und boten zahlreiche äusserst klare Profile. Als Gesammtresultat
ergab sich aus diesen, dass wir es hier mit Quarzsanden zu thun
haben, in welchen in verschiedenen Höhen drei Kohlenflötze lagern.
Die Quarzsande variiren von ganz feinem lettenartigen bis zu
gröberem, sie sind rein weiss, schwarz gestreift und gefleckt bis
chocoladenbraun. Sie führen in allen Höhen Holzreste, die an
einzelnen Stellen sehr reichlich, an anderen ganz vereinzelt Vor-
kommen. Durch diese Holzreste aber und auch durch die ganze
petrographische Beschaffenheit erweisen sich diese Schichten als
innig zusammengehörend und halte ich es für unzulänglich, sie in
eine obere und mittlere Etage nach Analogie des Samländischen
Tertiärs zu theilen. Die ZADDACH’sche Angabe, dass die Pflanzen
am Habichtsberge in der obersten Kohle (30 Fuss über der See)
Vorkommen, könnte möglicher Weise auf einem Irrthum beruhen.
ZaddaCH hat, wie er in seinen Arbeiten *) mehrfach sagt, die
Stellen nie selbst gesehen, da sie bei seinen Besuchen stets durch
Abrutsch verdeckt waren, sondern nur nach Angabe von Menge
gearbeitet. Ein Irrthum meinerseits ist unmöglich, da ich auch
die ganze Zusammensetzung und das Aussehen der obersten Kohle
anders fand, wie der Kohle, aus welcher ich die Pflanzen sammelte.
Sollten aber wirklich auch in der obersten Kohle damals, vor
nunmehr 30 Jahren, die Blätter vorgekommen sein, so lagen diese
sicher nur in einem kleinen Nest, dessen Spuren durch Abwässern
durch die See verwischt sind. Dieses Vorkommen der Pflanzen
aber würde für den engen Zusammenhang der drei Kohlenflötze
und der Quarzsande zu einem Ganzen noch mehr sprechen. Ich
kann daher der Ansicht Zaddach’s über das Rixhöfter Tertiär
nur in so weit beistimmen , dass dasselbe den obersten Lagen
des Samländischen Tertiärs entspricht, und fand ich hier wiederum
eine Bestätigung dafür, dass die ZADDACH’sche Dreitheilung der
Braunkohlenformation nur einen ganz lokalen Charakter für das
0 Zaddach, das Tertiär -Gebirge Samlands, Schriften der Ph ys.- ökon. Ges.
zu Königsberg 1867 — 1869. Beobachtungen über das Vorkommen des Bern-
steins etc. Ebenda,
cvi
Samland hat. Das au dem Westpreussischen Strande zu Tage
tretende Tertiär entspricht der oberen Abtheilung der Heilsberger
Braunkohle d. i. der oberen des Heilsberger Tertiär Q und somit
den ZADDACH schen Schichten vom unteren Letten eingeschlossen
aufwärts. Hierbei will ich noch bemerken, dass ich auch in dem
unteren Letten Zaddacii’s am Rothen Sand -Rauschen und im
oberen der Wolfskaule-Georgswalde Taxodium distichum miocenum
Heer verhältnissmässig häufig gefunden habe. Aus dem unteren
Letten waren auch Zaddach (S. 131) Blattabdrücke bekannt. —
Die Sammlung der Tertiärpflanzen bei Kraxtepellen hat noch
nicht stattgefunden, weil ein bald in Aussicht stehender sehr
ausgedehnter neuer Tagebau auf Bernstein grössere Ausbeute an
tertiären Pflanzen- und Thierresten verspricht, als ich sie je durch
eigene Aufdeckarbeiten erlangen könnte.
Mittheiluug des Herrn H. Schröder über Aufnahme der
Section Heilig e Linde (Ostpreussen).
Die g;eolo2'ische Kartiruna: der Section Heilige Linde verfolgte
O O O O o
zunächst den bereits im vorjährigen Jahresbericht kurz charakteri-
sirten Dur chragungszug unterdiluvialer Geröll- und Sand-
massen. Derselbe ist bei dem Rittergut Stumplack durch einen
Querriegel oberdiluvialen Geschiebemergels unterbrochen, setzt
dann aber unter Beibehaltung derselben Nordost- und Südwest-
richtung S.- Rehstall weiter fort und ist sonach auf eine Strecke
von ca. 15 Kilometer kartirt. Dieser und die ihm parallelllaufenden
kürzeren Durchragungen (z. B. bei Poswangen) bedingen den Ver-
lauf einiger Seen (Pötschendorfer, Wolfsbruch mit Wiladasee), die
als reine Faltungsseen erscheinen. Ebenfalls ist von ihm in
der nordöstlichen Ecke der Section die Richtung des Guberthales
abhängig, das ebenso wie der Zainsee auf Blatt Rössel1) bereits
unterdiluvial (rein geognostisch gesprochen) vorgebildet war, aber
dann unter dem Einfluss einer starken Erosion gestanden hat.
Beide sind also durch die Combiuation von Faltung und
Erosion entstanden.
b Das Tertiär von Heilsberg, Jalirb. der Kgl. preuss. geol. Landesanst. 1884.
CVII
In spitzem Winkel zu dem Heilige Linde - Durchragungszug,
also Nord- Südrichtung mit einer geringen Abweichung nach 0.
resp. W. streicht die grosse Sensburger Seenrinne — auf der
Section repräsentirt durch den Heilige Linder- See und die lang-
gestreckte Alluvion, den ehemaligen Wirbel -See — und durch-
schneidet denselben. Da nun die NW. -SO. streichenden Durch-
ragungszüge als ein« Faltungserscheinung von oberdiluvialem Alter
erkannt und in anderer Richtung verlaufende Falten bisher nicht
beobachtet sind, so können die SN.- Rinnen nach den bekannten
Thatsaclien nur durch reine Erosion während der letzten
Phase der Vergletscherung entstanden sein.
Als eine vierte Art von Seen betrachte ich die Evorsions-
(durch stürzende und strudelnde Wasser entstandene) Seen und als
einen Repräsentanten derselben in Ostpreussen nenne ich den
Mendar-See auf Section Cabienen.
Eine sehr auffallende Erscheinung ist die Thatsache, dass die
Sensburger SN. -Rinne nach Westen durch die Deine in das
Guberthal einen Abfluss besitzt, der sich durch retrogressive
Thalbildung von der alten Gubersenke aus erklärt.
Bemerkenswerth auf der Section Heilige Linde ist noch,
dass zu beiden Seiten der Deine bis in die Gegend von Rastenburg
mächtige unterdiluviale Thonmergel flächenhaft zu Tage treten,
deren Abtrennung gegen den oberdiluvialen Geschiebemergel,
wenn beide Bildungen nicht durch Sand getrennt sind, unmög-
lich ist.
In der Nähe des Gutes Lindenberg wurde in den unter-
diluvialen Sauden eine Süsswasserfauna auf primärer Lager-
stätte aufgefunden. Dieselbe ist in diesem Jahrbuch S. 349 — 362
näher beschrieben.
CVIII
4.
Personal - Nachrichten.
Der Königliche Landesgeologe Di’.Branco ist am 20. April 1887
als ordentlicher Professor an die Universität Königsberg i/P. be-
rufen worden. Der Königliche Bezirksgeologe Dr. Klockmann
erhielt am 1. November 1887 einen Kuf als Docent an die Berg-
akademie zu Clausthal.
Der bisherige Bezirksgeologe Dr. Dathe ist zum Landes-
geologen und die bisherigen Ilülfsgeologen Dr. Ebert und Dr. Koch
sind zu Bezirksgeolop-en ernannt.
Dr. G. Meyer ist aus der geologischen Landesanstalt aus-
geschieden, dagegen sind als Mitarbeiter neu eingetreten die Doc-
toren Louis Beushausen, Georg Lattermann und Gottfried
Müller.
Bei dem chemischen Laboratorium der Anstalt sind die
Chemiker Dr. Herrmann und Steffen ausgeschieden und au
deren Stelle die Chemiker Dr. Hölzer und Fischer eingetreten.
Bei der chemisch-technischen Versuchsanstalt ist der Chemiker
J. Schade wieder eingetreten.
In das Bureau der Anstalt ist der Bureauhülfsarbeiter Bottmer
eingetreten.
Bei der geologisch -agronomischen Aufnahme im Flachlande
ist der Culturtechniker W. Baldus ausgeschieden und sind die
Culturtechniker Gossner, Pohlitz, Herberger und P. Baldus
eingetreten.
Lichtdruck von A.Frisch, Berlin.
OIX
5.
Albrecht von Groddeck.
Am 18. Juli 1887 starb zu Clausthal nach mehrwöchentlichem
schwerem Leiden im 50. Lebensjahre Dr. Albrecht von Groddeck,
Königl. Bergrath und Director der vereinigten Königl. Berg-
akademie und Bergschule daselbst. Obwohl bereits im vorauf-
gegangenen Winter mehrfach kränklich und demzufolge häufiger
an’s Haus gefesselt, hatte er doch wohlgemuth und treu der ihm
liebgewordenen Berufspflicht in der Woche vor Pfingsten eine
geologische Studienreise mit seinen Zuhörern ausgeführt. Niemand
aus seiner Umgebung, am wenigsten er selbst, konnte eine Ahnung
von der Gefahr haben, welcher er sich dabei aussetzte. Eine
Erkältung indessen, die er sich in den wie so oft um diese Jahres-
zeit im Harz noch unfreundlichen rauhen Reisetagen zuzog,
brachte ein schmerzliches organisches Leiden zum Durchbruch.
Krank kam er nach Clausthal zurück und legte sich Pfingstmontag
auf sein Lager, von dem er sich nach Gottes unerforsclilichem
Rathschluss nicht wieder erheben sollte. — Tief erschüttert ver-
nahmen seine Freunde und Fachgenossen die Nachricht von der
Erkrankung und dem raschen Hinwegsterben des bis dahin so
rüstig wirkenden, nur zu rastlos thätigen Mannes, allgemein war
die warme Theilnahme an der Sorge um sein Leben und an dem
leider unaufhaltbaren schmerzlichen Verlust. —
Albrecht Ludwig von Groddeck ward geboren am 25. Au-
gust 1837 zu Danzig als Sohn des Admiralitätsraths von Groddeck.
Seine Mutter war eine Schwester des um das Bergwesen des
cx
preussischen Staats hochverdienten Berghauptmanns Martins,
welcher nach einander den Ober b ergämtern Berlin,
Brieg und Halle vorgestanden hat. Seine Gymnasialbildung
erhielt er in seiner Vaterstadt und besuchte nach Ablegung der
Abiturienten -Prüfung im Sommersemester 1856 die Universität
Berlin, alsdann aber von Herbst 1856 bis Herbst 1857 das
Collegium Carolinum zu Braunschweig. Hier entschloss er sich,
Hüttenmann zu werden. Zu dem Zweck arbeitete er zunächst
ein Jahr lang zur Erlangung der praktischen Fertigkeit auf der
damals herzoglich braunschweigischen Eisenhütte zu Zorge im
Harz und setzte, nachdem er auf sein Gesuch zur Ausbildung
für den preussischen Staatsdienst zugelassen und ein Jahr später
zum Exspectanten für das Hüttenfach angenommen worden war,
diese Beschäftigung auf der Königshütte, der Eisengiesserei bei
Gleiwitz und der Friedrichshütte bei Tarnowitz in Oberschlesien
bis Ostern 1860 fort. Zwei Jahre lang vervollständigte er darauf
seine theoretischen Studien auf den Universitäten zu Berlin und
Breslau, während er die Ferienzeit zur Befahrung der Gruben
Nieder- und Oberschlesiens ausnutzte. Im Sommer 1862 lernte
er die Werke im Mansfeldiscken und im Oberharze kennen und
besuchte in den darauffolgenden zwei Semestern die Bergakademie
zu Clausthal, damals noch Bergschule geheissen. — Unter seinen
akademischen Lehrern verehrte er besonders hoch Ferdinand
Roemer in Breslau als denjenigen, der es vor Allen verstanden
hatte, Lust und Liebe zur Wissenschaft in ihm zu wecken und
zu pflegen.
Nach Abschluss seiner Studienzeit bekleidete er kurze Zeit
die Stelle eines Chemikers bei der Actiengesellschaft für Bergbau,
Blei- und Zinkfabrikation in Stolberg und in Westfalen, folgte
aber schon ein Jahr später im Herbst 1864 einem Ruf an die
Clausthaler Akademie , der er fortan bis zu seinem frühzeitigen
Tod angehören sollte. Hier trug er, zunächst als Candidat, seit
Juli 1865 als angestellter Lehrer, Bergbaukunde und die Lehre
von der Aufbereitung vor. Nachdem aber im Herbst 1867
P. A. Roemer sich in den Ruhestand zurückgezogen hatte, über-
nahm von Groddeck zu den genannten Lehrfächern noch die-
CXI
jenigen der Mineralogie, Geognosie und Petrefactenkunde. Zu-
gleich wurde er commissarisch mit der Wahrnehmung der Ge-
schäfte des Directors der Lehranstalt betraut. Am 1. Januar 1871
erfolgte alsdann seine Ernennung zum Director der vereinigten
Bergakademie und Bergschule, und am 16. Juni 1872 wurde ihm
der Charakter eines königlichen Bergrathes zu Theil.
Bis zum Beginn des Sommersemesters 1880 ist der Verstorbene
127a Jahre lang unablässig diesen überaus vielseitigen Anforde-
rungen an seine Lehrthätigkeit neben seinen Verwaltungsgeschäften
mit ebensoviel Treue und Gewissenhaftigkeit, als Eifer und Erfolg
nachgekommen. Erst dann trat mit der Anstellung eines speciellen
Lehrers für die obengenannten bergmännisch -technischen Fächer
eine Erleichterung für ihn ein. Doch schon ein Jahr darauf
unterzog er sich wieder einer neuen Lehraufgabe, indem er von
da ab ausser den mineralogisch-geologischen Disciplinen auch die
von ihm mit Vorliebe gepflegte Lehre von den Erzlagerstätten
vortrug, deren Einfügung in den Studienplan der Clausthaler
Akademie ihm zum besonderen Verdienst gereicht.
Aus solchen viele Jahre hindurch fortgesetzten angestrengten
Leistungen im Dienste der Lehranstalt erhellt schon sattsam die
aussergewöhnliche Arbeitskraft, über welche der Verstorbene gebot.
Noch höher aber muss man dieselbe veranschlagen, wenn man
zugleich seine Thätigkeit als wissenschaftlicher Schriftsteller und
als Mitarbeiter an der geologischen Detailkarte des Harzes über-
blickt.
Die wissenschaftlichen Schriften VON Groddeck’s gehören
vorzugsweise zweien Forschungsgebieten an, welche sich ihm im
folgerichtigen Fortschreiten auf der Bahn seines Studienganges
und unter dem Einfluss der örtlichen und zeitlichen Verhältnisse
in seiner Stellung in Clausthal naturgemäss zum Arbeitsfeld dar-
boten. Gegenüber seinem Vorgänger im Lehramte, der noch sein
Lehrer gewesen war, und überhaupt gegenüber seinen akademischen
Lehrern bekundete er dabei in der Art und Weise, wie er die
eigene Arbeit angriff und durchführte, ein bemerkenswerthes Maass
von Selbständigkeit. Friedrich Adolf Roemer, von Haus aus
Jurist, aber ausgerüstet mit vortrefflichen naturwissenschaftlichen
CXII
Kenntnissen und in hohem Grade ausgezeichnet durch ein Fein-
gefühl für die Formunterschiede der Naturkörper, hatte sich mit
Vorliebe und rastlosem Eifer den Versteinerungen des Harz-
gebirges und seiner Vorlande zugewandt. Seine zahlreichen scharf-
sinnigen, beschreibenden und vergleichenden palaeontologischen
Untersuchungen hatten so viel Licht verbreitet, dass, als er sein
Amt niederlegte, die Altersfolge und Verbreitung der Schichten
im nördlichen Oberharze feststand und für das ganze Gebirge,
unbeschadet gewisser wesentlich irriger Altersbestimmungen,
einzelne wichtige Festpunkte gegeben waren, von welchen die
nachfolgende Forschung ihren Ausgang genommen hat. Die
Lagerungsverhältnisse der Gebirgsglieder dagegen zu entziffern,
war Friedrich Adolf Roemer weniger gegeben. Der verwickelte
Bau des eigentlichen Harzer Kerngebirges blieb daher zunächst
selbst in den Grundzügen unverstanden. Erst dem Zusammen-
wirken der vom Staate gesammelten und ausgerüsteten wissen-
schaftlichen Kräfte verschiedener Begabung war es Vorbehalten,
diese schwierige Aufgabe zu bewältigen, deren Grösse an Umfang
und Inhalt des einzelnen Mannes Mittel überstieg, und deren
Lösung nicht allein auf dem einseitig eingeschlagenen Wege der
O O O O O
Versteinerungskunde gesucht werden durfte. Demgegenüber fühlte
sich von Groddeck gerade vorzugsweise zur Erforschung der
Lagerungsverhältnisse hingezogen. Ihm, dem praktisch geschulten
Berg- und Hüttenmann, lag die Geognosie der Erzlagerstätten
zumeist am Herzen ; daneben beschäftigte ihn dann aber auch
noch besonders die Zusammensetzung, Verbreitung, Gliederung
und Lagerung der Formationsglieder des nordwestlichen Harzes.
In seinen beiden Hauptwerken : »Die Lehre von den Lagerstätten
der Erze. Ein Zweig der Geologie. 1879« und »Abriss der
Geognosie des Harzes. Mit besonderer Berücksichtigung des
nordwestlichen Theils. Ein Leitfäden zum Studium und zur
Benutzung bei Excursionen. 2. Aufl. 1883« hat er jene zwei
hauptsächlichen Richtungen seiner wissenschaftlichen Arbeit so-
zusagen verkörpert; weitaus die meisten seiner Abhandlungen
ordnen sich ungezwungen um diese beiden Sammelpunkte seines
Wissens.
CXIIt
Nur die allerersten Schriften des Verstorbenen gehören der
berg- und hüttenmännischen Technologie an. Das Hüttenfach
hatte er sich, wie oben berichtet, ursprünglich zum eigensten
Berufsstudium ausersehen. Dem entsprechend ist seine früheste
Abhandlung aus den Jahren 1864 und 1865 eine hüttenmännische,
aber indem er darin »die Mansfelder Hüttenprocesse in ihrer
Abweichung von den Ober- und Unterharzer Kupfer- und Silber-
gewinnungsarbeiten« beschrieb, umspannte er auf diesem Gebiete
bereits den ganzen Harz. Dieser ersten Frucht seiner Harz-
Studien folgten bald andere Leistungen, nachdem er in den Lehr-
körper der Clausthaler Bergakademie eingetreten war, so z. B.
im Jahre 1866 die »Uebersicht über die technischen Verhältnisse
des Blei- und Silberbergbaus auf dem nordwestlichen Oberharz«.
In demselben Jahre steht dann aber auch als ein Wende-
punkt und Hauptmarkstein seines Schaffens jene classische Ab-
handlung »über die Erzgänge des nordwestlichen Oberharzes«,
durch welche von Groddeck seinen geologischen Ruf begründet
hat. Mit ihr stellte er sich in die Reihen der Mitarbeiter der
Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, der er im
darauffolgenden Jahre als Mitglied beigetreten ist (4. Dec. 1867),
nachdem ihn die philosophische Facultät der Universität Göttingen
einige Monate vorher (19. Juni) auf Grund derselben Schrift zum
Doctor promovirt hatte. Die grossartige geologische Rolle der
zusammengesetzten Gänge im Gebirgsbau des Oberharzes als
Verwerfer ihres zerspaltenen und unter der Verwerfungswirkung
zum Theil zermalmten Nebengesteins wurde von dem Autor zum
erstenmal klar und bündig bewiesen und zugleich entgegen den
bisher gehegten Anschauungen die Gleichartigkeit der Lagerung
der Culm- und der Devon- Schichten dargethan.
Den Faltenbau der Schichten im Einzelnen zu verstehen,
dazn reichten die in dem meilenlangen tiefen Ernst- August-Stolln
und seinen Flügelörtern u. a. gemachten Beobachtungen damals
gleichwohl noch nicht aus. Erst, als einem amtlichen Aufträge
zufolge die unterirdischen Profile dieser weitläufigen Grubenbaue
unter markscheiderischer Beihülfe im Einzelnen aufgenommen und
die dabei gewonnenen Gesteinsproben genau geprüft waren, konnte
h
Jahrbuch 1887.
CXIV
der Verstorbene jene 1873 in der Zeitschrift für das Berg-, Hütten-
und Salinenwesen im Preussischen Staate veröffentlichten und
erläuterten »Durchschnitte durch den Oberharz« entwerfen, welche
dem Bergmann und Geologen den vollen Werth seiner Unter-
suchungen über das Verhältniss der Oberharzer Gänge zu ihrem
Nebengestein und über die Lagerungsweise dieses letzteren ent-
hüllen. - — Andere Kapitel der Inauguraldissertation von Grod-
deck’s beschäftigen sich mit der Füllmasse der Erzgänge. In
seinen Mittheilungen über die Veränderungen, welche das in den
Gangspaltenraum gerathene Nebengestein bei seiner Umbildung
zu Ganggestein erleidet, vertrat er die allerdings in dieser Fassung
nicht unangefochten gebliebene Anschauung, der schwarze Ober-
harzer Gangthonschiefer sei »nichts Anderes, als zerriebenes und
»mit Wasser in Schlamm umgewandeltes Nebengestein, welches
»unter dem Druck des im Sinken begriffenen Hangenden der
»Gänge sich zu schiefrig abgesonderten Massen umbildete«.
O O '75
Wichtiger erscheinen uns seine umfassenden, auf nahezu 100 Einzel-
beobachtungen gestützten paragenetischen Studien über Textur
und räumlich-zeitliche Aufeinanderfolge der Gangmineralien. Dar-
nach unterschied er in den Clausthaler Erzgängen eine nordöstliche
Kalkspath- und eine südwestliche Schwerspath-Combination, indem
er zeigte, wie bei sonst wesentlich gleichbleibender Erz- und
Mineralführung die beiden genannten Spathe in getrennter
regionaler Verbreitung einander nahezu völlig gegenseitig aus-
schliessen.
Alle diese in seiner geologischen Erstlingsarbeit eingeschlagenen
Richtungen des Forschern finden wir nachmals in von Groddeck’s
späteren Schriften weiter verfolgt. Für den Fortschritt seiner
Untersuchungen über die Zusammensetzung, Gliederung und Lage-
rung der Formationen des Oberharzes wurde alsbald seine vom
Herbst 1872 bis zu seinem Tode andauernde Mitwirkung an der
durch die geologische Landesaufnahme (seit 1873 Landesanstalt)
zu Berliu in Angriff genommene Kartirung des Harzes (1 : 25000)
maassgebend. Unter E. Beyrich’s bewährter Leitung hatten diese
Arbeiten schon 1862 im Flötzgebirge des mittleren und östlichen
Südharzes und seiner südlichen Vorlande begonnen und waren
cxv
1865 in den eigentlichen Kern des Gebirges vorgerückt. Die
beiden folgenden Jahre brachten wichtige palaeontologische Mit-
theilnngeu E. Beyrich’s aus diesem neuen Aufnahmegebiete,
darunter die wissenschaftliche Grundlage der ein Jahrzehnt später
durch E. Kayser monographisch bearbeiteten Hercyn-Formation
des Unterharzes, welche von F. A. Roemer theils dem Silur,
theils dem Devon zugetlieilt worden war. Ende 1867 konnte der
Verfasser dieses Nachrufs bereits den ersten Entwurf zur Gliede-
rung der Schichten des Unterharzes und die Hauptgrundzüge
ihres Faltenbaues unter Angabe der Sattelaxe und der drei Haupt-
mulden in diesem Antheil des Gebirges, sowie die dreifache Rolle
der Eruptivgesteine im Harz als sein Ergebniss aus der gemein-
samen Aufnahme veröffentlichen. Damit war die Culmformation,
welcher F. A. Roemer ausgedehnte Theile des Unterharzer Grau-
wackengebirges zugewiesen hatte, auf den nordwestlichen An-
theil des Gebirges zurückgedrängt; die HAUSMANN’sche Schollen-
theorie vom Bau des Gebirges war definitiv beseitigt, die Einheit
des Grundrisses und der formgebende Einfluss des Granits auf
den Faltenbau betont; gleichwohl erschien nunmehr der wenig
umfangreiche Oberharz durch die scharfe Ausprägung seiner im
Gegensatz zum Hercyn normalen unterdevonischen Facies und
durch das einseitige Vorhandensein der ihn besonders charak-
terisirenden Culmformation, sowie schliesslich durch seine relativ
geraden, in ihrer Richtung weniger abgelenkten Streichlinien dem
Unterharze eher entfremdet als näher gerückt. Die Gegend der
im Jahre 1870 als erste Lieferung der geologischen Specialkarte
von Preussen und den Thüringischen Staaten erschienenen 6 Harz-
blätter Zorge, Benneckenstein, Hasselfelde, Ellrich, Nordhausen,
Stolberg lag zu fern vom Clausthaler Plateau, als dass die zu-
gehörigen Erläuterungen bereits die Fühlung mit dessen Sonder-
stellung hätten vermitteln können.
Dieser Umstände muss man sich bewusst bleiben, will man
von Groddeck’s Mitwirkung: an der geologischen Erforschung
o o o o
des Harzes richtig würdigen. Ihm war es nicht beschieden, einen
so umfassenden Einfluss auf die Entwickelung der geologischen
Erkenntuiss des Gebirges auszuüben, wie seinem Vorgänger. Klar
li*
CXVI
erkannte er, dass mit dem Beginn der Kartirung im Einzelnen
der Schwerpunkt der Untersuchungen in den Unterharz als den
weitaus grösseren und am mannichfaltigsten zusammengesetzten
Antheil des Gebirges verlegt war. Das geht aus der Einleitung
zu seinen Erläuterungen zu den geognostischen Durchschnitten
durch den Oberharz hervor, in welchen er offen ausspricht, der
Faltenbau des Harzes sei zuerst von E. Beyrich und Iv. A. Lossen
aufgehellt worden. Somit richtete er seinen Forscherblick nicht
auf das Ganze, sondern auf den Theil des Gebirges, der ihm nach
seinem Wohn- und Berufsort naturgemäss zufiel. Hier im Ober-
harzer Culm und Devon — letzteres z. Th. durch A. Halfar
kartirt — war so recht seine geologische Heimath, wozu nicht
wenig beitrug, dass er sich als Bergmann hier heimisch fühlte.
Froh der eigenen Arbeit und stets dankbar gegen die Natur, auch
da, wo sie nur kärglich sein Bemühen lohnte, hat er seit 1872
den gi’össten Theil seiner Ferienzeit darauf verwendet, die palaeo-
zoischen Formationen zwischen der Kammlinie des Bruch- und
Ackerberges, der Ocker-Radau- W asserscheide südlich des Granits,
dem Rammeisberg -Kahleberger Sattel, Hahnenklee und Langels-
heim auf den Messtischblättern Clausthal (Seesen), Osterode,
Riefensbeek, Harzburg, Zellerfeld, Hahausen zu kartiren.
Ungenaues Kartenmaterial erleichterte ihm die Arbeit von
Anfang an nicht eben, die Herausgabe der neuen metrischen
Aufnahme des grossen Generalstabs half späterhin zwar diesem
Uebelstande ab, nöthigte ihn aber, den grössten Theil des bereits
untersuchten Gebiets wiederholt zu kartiren. So hat er leider
den Abschluss und die Veröffentlichung dieser Specialkartenblätter
nicht erlebt. Doch ist sein Antheil an der geologischen Kartirung
des Gebirges schon einigermaassen aus der von dem Verfasser dieses
Nachrufs zusammengestellten geognostischen Uebersiclitskarte des
Harzes (1 : 100000), hinsichtlich der Gliederung der Oberharzer
Culmschichten aber noch vollständiger aus einer 1883 durch
von Groddeck selbst im 3. Bande des Jahrbuchs der Kgl. Preuss.
geolog. Landesanstalt veröffentlichten und erläuterten Karte im
gleichen Maasstab zu ersehen. Ebendaselbst ist auch eine Special-
karte des von ihm verfolgten und beschriebenen Oberharzer Ker-
CXVII
santit-Ganges mitgetheilt. Ein Vergleich dieser Karten mit Pre-
diger’s Karte vom nordwestlichen Harzgebirge mit geognostischer
Colorirung von F. A. Roemer (1 : 50000) ermöglicht zum wenigsten
einen alliremeinen Uebei’blick über die bedeutenden Fortschritte,
welche wir dem Verstorbenen verdanken. Das richtige Maass
für denselben gewinnt man aber erst aus einer Reihe von Ab-
handlungen, welche der Verstorbene in dem Jahrzehnt von Ende
1872 bis Anfang 1883 in der Zeitschrift der Deutschen geologischen
Gesellschaft und in dem genannten Jahrbuche veröffentlicht hat.
Zuerst beschrieb er den aus devonischen Schicht- und Eruptiv-
gesteinen lagrenförmig zusammengesetzten Aufbau des Oberharzer
Diabaszuges zwischen Osterode und Altenau, den F. A. Roemer
als einen Lagergang im Culm mit emporgerissenen Schollen der
Devonformation gedeutet hatte, während von Groddeck im Fort-
gang seiner Untersuchungen eine zusammengepresste, einseitig
gegen SO. einfallende Sattelfalte mit nordostwärts einschiebender
Axenlinie darin erkannt hat. Wohl war diese Erkenntniss noch
eine unvollkommene, zu wenig im Einzelnen durchgearbeitete:
ohne die zusätzliche Annahme von Schichtenzerreissungen und
Wechselüberschiebungen ist von Groddeck’s profilarische Dar-
stellung: mit dem thatsächlich Beobachteten nicht in Einklang zu
bringen, auch Querbrüche mit Verwerfungen fehlen nicht ganz
in dem Sattelbau, haben aber nicht die ihnen übertriebener Weise
beigelegte allgemeine Bedeutung. Solchen Vernachlässigungen
der für das Verständniss des Ganzen schliesslich oft nicht un-
wichtigen, aber im Beginn der Untersuchung wenig hervortreten-
den und dann wohl von Anderen nachträglich bemerkten Neben-
umstände begegnen wir bei dem Verstorbenen mehrfach; er ver-
schloss sich Verbesserungen, welche er als solche erkannt hatte,
nicht, aber von vornherein liebte er vor Allem eine einfache klare
Darlegung des Hauptresultats, das er in ebenso einfacher Weise
zum Ausgangspunkt erneuter Forschung nahm. So hat ihn das
einmal gewonnene Verständniss jener in dem langgestreckten
Diabaszuge hervortretenden Sattelaxe alsbald zu dem Nachweise
geführt, dass die südöstlich derselben im Söse- Wassergebiet bis
gegen den Bruch- und Ackerberg hin anstehenden Schichten trotz
CXVIII
mancher abweichenden Faciesverhältnisse und trotz ihrer Armutli
an charakteristischen Leitfossilien gleichwohl dieselbe Culmformation
darstellen, welche auf der Nord Westseite dieser Axe in typischer Weise
das Clausthaler Plateau zusammensetzt. Daran reihten sich dann
Untersuchungen über den Iberg, sowie namentlich Studien über
die Verbreitung und petrographische Zusammensetzung einzelner
Formationsglieder des Culms: so die Studie über die Oberharzer
Adinolschichten , jene merkwürdigen, vorzugsweise aus mikrokry-
stallinischem Quarz und Albit zusammengesetzten Culmsedimente,
welche in besonders auffälliger Ausbildungsweise von Lerbach
schon seit Lasius’ Zeiten gekannt waren, nunmehr aber durch
von Groddeck als normale Einlagerung der Culmkieselschiefer
im SO. aus der Umgebung von Osterode bis über Altenau hin-
aus und im NW. in der Lautenthaler Gegend nachgewiesen und
auf seine Veranlassung nebst den damit zusammenvorkommenden
Wetz- und Kieselschiefern durch Wunderlich chemisch und mi-
kroskopisch analysirt wurden. Eine andere Studie betraf die
Charakteristik und Verbreitung der durch Fr. IIoffmann von
Altenau her beschriebenen conglomeratischen Grauwacke mit Gra-
nit-, Porphyr-, Quarz- und anderen Geschieben, worin der Ver-
storbene wichtige Leitschichten eines besonderen Culmgrauwacken-
Horizonts erkannte, den er später als Obere, posidonomyenfreie
Gründer Grauwacke von der Unteren, posidonomyenhaltigen Claus-
thaler Grauwacke geschieden hat. Beide Grauwacken-Stufen zu-
sammen machen F. A. Koemer’s Culmgrauwacke im nordwest-
lichen Oberharze aus, während die nächst tiefere Stufe der Posi-
donomyenschiefer nicht alle von demselben Autor so bezeiclmeten
Schichten umfasst: eine Anzahl Vorkommen zählt nach von Grod-
deck vielmehr zur Clausthaler Grauwacke; umgekehrt hat der
Letztere zahlreiche Sättel echter Posidonomyenschiefer da nach-
gewiesen, wo man zu F. A. Roemer’s Zeiten nur Grauwacken
kannte. Die Kieselschiefer, Wetzschiefer und Adinolen, örtlich
auch Culmkalke, die indessen auch den Posidonomyenschiefern
nicht fehlen, bilden überall, wo sie vorhanden sind, die tiefste
Culm-Stufe.
Mit diesen Fortschritten in der Erkenntniss der Einzelgliede-
rung der Culmformation, die, wie zumeist im Harz, viel mehr auf
CXIX
petrographischer und stratigraphischer, als auf palaeontologischer
Grundlage ruhen, wuchs mehr und mehr das Yerständniss des
Faltenbaues des Oberharzes und des Zusammenhanges zwischen
Falten und Spalten. Den Antheil nordwestlich des Diabaszuges
erkannte der Verstorbene zvdetzt als einen »grossen, durch nahezu
querschlägige Spaltenverwerfungen nach SW. zu terrassenförmig
niedergesunkenen Sattel, welcher einen breiten, flach fallenden,
nordwestlichen und einen schmalen, steil fallenden, südöstlichen
Flügel hat«. Letzterer ist in seinen jüngsten Schichten durch
das von E. Beyrich und A. IIalfar als Unterdevon nachge-
wiesene Schichtensystem der Wissenbacher Schiefer F. A. Roemer’s
am Liegenden des Diabaszuges längs einer Wechselkluft über-
schoben. Im Hangenden dieses Zuges folgt abermals Culm in
eng zusammengepressten, steil und tief gefalteten Sätteln und
Mulden mit parallel gegen SO. einfallenden Flügeln bis gegen
die Nordwestabdachung des Bruch- und Ackerberges hin, die trotz
der eifrigen Bemühungen von Groddeck’s in dieser einsamen,
schwer zu begehenden Gegend noch der weiteren Aufklärung be-
darf. Durchweg zeigt sich eine Abschwächung der Faltung durch
allmähliches Verflachen der Sättel und Midden in der Richtung von
SO. gegen NW., d. h. von jener mächtigen Quarzitsandsteinkette
und dem Brockengranit her gegen das Wassergebiet der Innerste.
Aus der Gesetzmässigkeit dieser Faltungsweise zog dann
von Groddeck den Schluss, den er zur Grundlage seiner Theorie
über die Entstehung der Oberharzer Gangspalten gemacht hat:
»dass bei der Hebung des Gebirges der Bruchbergquarzit und der
Brockengranit sich in der Richtung von SO. nach NW. bewegten
und dabei die vor ihnen liegenden Schichten zusammenschoben«.
Voraufgegangen war jener Theorie die für die Weiterentwicklung
der Geognosie des Gebirges wichtige Entdeckung der »Kellwasser-
spalte«, des nördlichen Endes der späterhin als Oderspalte bekannt
gewordenen Gang- und Verwerfungslinie. Durch den Nachweis
einer Anzahl auf ein und derselben Flucht liegender Seitenver-
Schiebungen der Culm- und Devonbildungen hatte der Verstorbene
einen bis dahin unbekannten weithin fortsetzenden Gang in der
Gegend östlich der Ocker bei Altenau aufgefunden. Erwies die
Aufschürfung denselben auch unbauwürdig, so blieb doch das
cxx
geologische Interesse daran ungernindert. Zumal die von allen
übrigen bedeutenderen Erzgängen des Oberharzes auffällig ab-
weichende nordnordwestliche Streichrichtung und das ostwärts
gekehrte Einfallen dieses östlichsten neuen Ganges traten bemerk-
bar hervor und verliehen dem Grundplane des ganzen Spalten-
netzes in diesem Gebirgsantlieil ein verändertes Aussehen. Der
einseitig dem Oberharze zugewandte Blick von Groddeck’s er-
fasste diesen Grundplan nunmehr dahin, »dass alle Gänge im
grossen Ganzen strahlenförmig vom oberen Keilwasserthal aus-
laufen«, und dass sich speciell die beiden äusseren Hauptstrahlen
dieses gegen NW. geöffneten Strahlenfächers, der südlichste und
jener östlichste, an der Steilen Wand da treffen, »wo Brucliberg-
quarzit und Brockengranit zusammenstossen«. Darnach leitete er
dann den Zerspaltungsvorgang aus seinem oben mitgetheilten
Faltungsgesetze so ab, dass er das Ausstrahlen der Spalten von
jener Stelle aus als Folge eines ungleich starken Faltungsdruckes
bezeichnete, welchen Quarzit und Granit rechtwinklig auf die
Streichlinie der in der Bewegungsrichtung vor ihnen liegenden
Schichten gleichzeitig oder nacheinander ausübten.
Es war zum erstenmal, dass von Groddeck den Granit in
seine geologischen Untersuchungen und seine darauf begründeten
Schlussfolgerungen miteinbezog. Das Jahr 1876, gegen dessen
Ende er diese Spaltenbildungstheorie aufstellte, hatte ihn mehrfach
mit den im Unterharze und im südöstlichen Oberharze kartiren-
den Geologen zusammengeführt. Im Frühling desselben Jahres
hatte der Verfasser dieses Nachrufs in kurzen gedrängten Worten
seine Grundanschauung über den gekreuzten Faltenbau des Gebirges
und die damit liarmonirende Lage und Neigung der mit ihren
Hauptdurchmessern rechtwinklig auf einander gerichteten Granit-
stöcke veröffentlicht und bei seinem zweimaligen Besuche im Ober-
harz die Ansicht geäussert, dass das einseitige Andrängen des
Granits in der hercynischen Richtung lediglich gegen die nörd-
liche Hälfte des niederländisch gefalteten Oberharzes jene Umge-
staltung und Spannung im Schichtenbaue erzeugt habe, als deren
Ausgleichung das Gangspaltennetz aufzufassen sei. Solche Mit-
theilungen mögen nicht ohne Einfluss auf die Theorie des Ver-
CXXI
storbenen geblieben sein, der eine Anregung aus fachgenossen-
schaftlichen Kreisen stets dankbar anerkannte. Sie waren indessen
zu unvermittelt und zu lückenhaft an ihn heraugetreten, als dass
sie ihn veranlasst hätten, die geologische Rolle des Granits im
Harz, dieses einen Factors in seiner Theorie, oder gar die niemals
von ihm bestimmt anerkannte Einwirkung des hercynischen Systems
auf den Oberharz eingehender zu studiren. So entging ihm der
bereits im darauffolgenden Jahre in dem Entwurf zur geognosti-
schen Uebersichtskarte des Harzgebirges klar zum Ausdruck ge-
brachte Umstand, dass seine Keilwasserspalte an der Steilen Wand
vorüber südwärts ins Oderthal hinein bis zu den Andreasberger
Ruschein fortsetzt und auf diesem Wege auch den südwestlichen
Antheil des Brocken - Granits im gleichen Sinne verwirft, wie die
ganze Schichtenreihe von der Tanner Grauwacke bis zur Culm-
Grauwacke einschliesslich. Die Differenz zwischen von Groddeck’s
Auffassung und derjenigen der Unterharzer Geologen ist aus dein
Aufsätze »über den Zusammenhang zwischen Falten, Spalten und
Eruptivgesteinen im Harz«, der die Spalten als Torsionsspalten
anspricht, und aus E. Kayser’s Abhandlung »über das Spalten-
system am SW. -Abfall des Brockenmassivs, insbesondere in der
Gegend von St. Andreasberg« leicht ersichtlich, nicht minder aber
auch die grosse Bedeutung, welche die von dem Verstorbenen
entdeckte Spalte für die Weiterentwickelung der Kenntniss vom
Bau des Harzes erlangt hat.
Es wäre indessen irrig, wollte man aus dieser Meinungsver-
schiedenheit den Schluss ziehen, von Groddeck habe sich über-
haupt den Resultaten gegenüber, die in den mittleren und öst-
lichen Gegenden des Gebirges gewonnen wurden, ablehnend oder
zurückhaltend gezeigt. Wenige haben so freudig diese Resultate
und ihre Zusammenfassung in der Geognostischen Uebersichts-
karte des Harzes begrüsst, wenige dieser Freude öffentlich einen
so warmen anerkennenden Ausdruck verliehen, als gerade er. Da-
von giebt namentlich die 1883 erschienene 2. Auflage seines »Ab-
riss der Geognosie des Harzes« Zeugniss. Schon 12 Jahre früher,
in der ersten Auflage des Buches, das ausser seiner Hauptaufgabe
noch die eines Führers auf Excursionen durch den Nordwestharz
CXXII
erfüllt, hatte der Verfasser neben der älteren Literatur die neueste
aus der geologischen Detailkartirung hervorgegangene sorgfältig
zusammengestellt und benutzt. In der zweiten Ausgabe tritt dies
sein Bestreben noch weit mehr und erfolgreicher hervor; darüber
hinaus hat er aber die ganze Gliederung des geologischen Stoffs
in Einklang gebracht mit der auf der Geognostlschen Uebersichts-
karte des Harzgebirges durchgeführten Eintheilung, so dass der
Abriss in der That der Absicht seines Verfassers gemäss zugleich
als ein aller subjectiven Auffassung möglichst entkleidetes kurz-
gefasstes Textbuch zu der Karte gelten kann.
Aufgabe der Zukunft muss es sein, nach Abschluss der De-
tailkartirung diesem einheitlichen Bilde der geologischen Gliede-
rung des Harzes ein ebenso kurz und klar umrissenes einheit-
liches Bild vom Zusammenhänge der Falten, Spalten und Eruptiv-
gesteine des Gebirges zur Seite zu stellen, worin auch die Ab-
hängigkeit der Füllmassen der Erzgänge von der Stellung dieser
letzteren in verschiedener Höhe über der Steil- oder Flachseite
der Granitstöcke zu berücksichtigen sein wird.
Mit der zuletzt ausgesprochenen Forderung betreten wir jenes
andere Forschungsgebiet von Groddeck’s, auf das sein Wirkungs-
kreis ihn besonders hinwies, und auf dem sein schaffensfreudiger
Geist seine eigenartigsten und tüchtigsten Leistungen hervor-
gebracht hat: die Lehre von den Erzlagerstätten. Hier ist vor
o o
Allem seines — Ferdinand Roemer als Zeichen seiner Dank-
barkeit gewidmeten — Lehrbuchs zu gedenken, das er in der
arbeitsreichsten Zeit seines Lebens geschaffen hat. Seit seiner
Studienreise hatte er dem Gegenstände das lebhafteste Interesse
zugewandt, die einschlägige, gar sehr zerstreute Literatur in hohem
Maass sich angeeignet und jede Gelegenheit, die sich darbot, aus-
genutzt, um Lagerstätten durch den Augenschein kennen zu lernen.
Was ihm dabei abging an Breite der eigenen Erfahrungsgrund-
lage — grössere Reisen in entferntere Grubendistricte hat der
Verstorbene erst nach der 1879 erfolgten Herausgabe seines Werks
gemacht — , das ersetzte er durch Vertiefung in die geologische
Natur des spröden Lehrstoffs, den er nach der ganzen Fülle
seiner Eigenschaften begrifflich gründlicher erfasst und in knapper
fasslicher Ausdrucksweise klarer dargestellt hat, als einer seiner
CXXIII
Vorgänger. An die Stelle der älteren, vorzugsweise auf die
äussere Form oder die mineralisch - chemische Zusammensetzung
der Lagerstätten begründeten Eintheilungsweise führte er, fort-
bauend auf K. F. Naumann’s Grundlagen, eine naturgemässere
Anordnung ein, die nach den räumlichen, structurellen und stoff-
lichen Beziehungen der Lagerstätten zu den sie beherbergenden
oder tragenden geologischen Formationsgliedern gebildet ist und
genetisches Gepräge zeigt. Innerhalb dieser systematischen Ueber-
siclit unterschied er 57 Lagerstätten-Typen vorwiegend nach deren
stofflichem Inhalt und erläuterte jede dieser thunlichst natürlich
abgegrenzten Familien durch zahlreiche um den leitenden Typus
gruppirte Beispiele. Ueberall erkennt man das Bestreben des
Verfassers, den Lehrstoff vom geologischen Gesichtspunkte aus
dem Verständniss näher zu bringen. In der möglichst consequenten
Anwendung dieses allein richtigen Princips nicht nur auf einzelne
Fälle, sondern auf das Gesammtgebiet der Lagerstättenlehre liegt
der epochemachende Fortschritt und die in die Zukunft segens-
reich fortwirkende Kraft dieses Buchs, das nach seines Autors
Willen nur der klare Ausdruck des zur Zeit Erkannten als sichere
Grundlage für den zielbewussten Fortschritt einer in der Haupt-
sache erst noch zu begründenden Wissenschaft sein sollte.
In diesem Sinn hat der Verstorbene nicht nur sein Lehrbuch
ein Jahr nach dessen Erscheinen zur Grundlage seines Lehrvor-
trags über die Erzlagerstätten gemacht, den er an einer umfang-
reichen, wesentlich durch sein Bemühen erst geschaffenen Samm-
lung von Belegstücken aus allen Weltgegenden erläuterte, sondern
er hat auch mit der ihn auszeichnenden Energie selbst eifrig den
Ausbau seiner Lieblingswissenschaft betrieben, die fortan ganz im
Vordergrund seiner schriftstellerischen Thätigkeit steht. Schon im
darauffolgenden Jahr bot ihm die Beschreibung der den Gängen
des Oberharzes ähnlichen Lintorfer Erzgänge die Gelegenheit, den
Begriff der Contactgänge gegen denjenigen der Verwerfungsgänge
besser abzugrenzen und den Begriff“ der Contactlagerstätten über-
haupt dem geologischen Sprachgebrauche richtiger anzupassen.
Wichtiger sind seine Studien über die chemischen und mine-
ralischen Umbildungsprocesse, welche sich im Nebengestein und
im Ganggestein zahlreicher Erzlagerstätten zu erkennen geben.
CXXIV
Neben der ihm aus seiner Studienzeit und hüttenmännischen Praxis
her geläufigen quantitativen chemischen Analyse benutzte er hier-
bei mit nicht geringem Erfolg die mikroskopische Untersuchungs-
methode, deren Handhabung er sich, unterstützt dm'ch den Ordi-
narius der ihm Freundnachbarlichen Universität Göttingen, mitten
im Drange seiner maunichfaltigen Arbeiten in schätzenswerthem
Grade zu erringen verstanden hat. Sericitschiefer , welche der
Verfasser dieses Nachrufs längs einiger Gänge bei Stolberg beob-
achtet und in Beziehung zu der Regionalmetamorphose des Süd-
ostharzes anfgefasst hatte, weckten in von Groddeck den Ge-
danken, die seit Bauer’ s mustergiltiger Abhandlung unter dem
Namen »Weisses Gebirge« in der Gangliteratur eingebürgerten
Gesteine aus der Umgebung der Holzappeler und Welmich-Wer-
lauer Lagergänge, sowie den Mitterberger »Lagerschiefer« und
den »Weissen Schiefer« von Agordo und ihre Zusammensetzung
zu prüfen und mit den normalen Gesteinen aus der Nachbarschaft
dieser Erzreviere zu vergleichen. Es war ein glücklicher Griff
seines durch genetische Fragen stets kräftig angeregten Geistes.
Die Resultate der stets denkwürdigen Untersuchung dieser Sericit-
gesteine haben nicht nur die Lagerstättenlehre, die Petrographie
und die Lehre vom Metamorphismus bereichert, sie eröffneten
überdies einen neuen Weg der Forschung, den der Verstorbene
fortan um so eifriger verfolgte, als er in der Begleitung der Lager-
stätten durch sericitisches Neben- oder Ganggestein ein charakte-
ristisches Merkmal der Lagergänge im Gegensatz zu den sedi-
mentären Erzlagern und auch zu den meisten Quergängen erkannt
zu haben glaubte. Seine Untersuchungen über die Grünen Schiefer
von Mitterberg, über die Gesteine der Bindt in Ober - Ungarn,
über die schwarzen und bunten Gangthonschiefer des Oberharzes,
über Thon- und Sericitschiefer im Harz gehören in den Kreis
dieser Studien.
Andere seiner mikroskopischen und chemischen Analysen der
Ganggesteine und Erze oder des zugehörigen Nebengesteins be-
ziehen sich auf jene eigenartig unter den übrigen Lagerstätten
hervortretende Gruppe, die sich durch die Anwesenheit Fluor-
und Bor - haltiger Silicate auszeichnet : dahin gehören drei lehr-
cxxv
reiche Beiträge: »Zur Kenntniss der Zinnerzlagerstätte des Mount
Bischof!’ in Tasmanien«, welche Topasfelse von porpliyrischer
Structur und beibrechend zinusteinhaltige dichte Topas- und Tur-
malinmassen u. a. beschreiben, deren geologische Bedeutung durch
M. Schröder’ s zwischenzeitlich erfolgte Darstellung der topasirten
Quarzporphyre und Turmalinschiefer aus der Topaszone des
Schneckensteins in und vor dem Contacthof des Eibenstocker
Granits das richtige Licht erhielt. Dahin zählt ferner ein Auf-
satz »über Turmalin enthaltende Kupfererze von Tamaya in Chile«,
dessen Veröffentlichung der Verfasser leider nicht mehr erlebt hat.
Neben einer Fülle interessanter Untersuchungsergebnisse über dies
bislang in seiner Art einzig dastehende Vorkommen bringt der-
selbe eine »Uebersicht des geologischen Vorkommens der Bor-
mineralien«, die ein ebenso beredtes Zeugniss für die umfassende
Literaturkenntniss, wie für den mehr und mehr geschärften geo-
logischen Blick des Verstorbenen ablegt.
Besondere Erwähnung verlangt schliesslich noch von Grod-
deck’s Abhandlung »über das Vorkommen von Quecksilbererzen
am Avala - Berge bei Belgrad«. Der hierin vorzüglich aus der
Mikrostructur der Gangmasse erbrachte Nachweis der Umbildung
des als Nebengestein anstehenden Serpentins zu einem eisen-
schüssigen, picotit-, chromit- und milleritführenden , mit feinzer-
theiltem Chromglimmer untermengten, braun spathhaltigen oder
eisenschüssigen Quarzgestein, in welchem Zinnober nebst Calomel,
Quecksilber und Schwefelkies zumal auf schwerspathhaltigen
Quarztrümern einbrechen, ist als einer der glücklichsten Erfolge
seiner Anwendung der neueren petrographischen Untersuchungs-
methoden auf die Ganggesteine zu verzeichnen.
Die Aneignung dieser Methoden, welcher wir auch die ein-
gehendere Untersuchung des von ihm in seiner ganzen Ausdehnung
verfolgten Oberharzer Kersantitganges verdanken, hatte sein Urtheil
über Erzlagerstätten binnen wenigen Jahren gewaltig gefördert.
So hoch er aber auch das Mikroskop schätzen gelernt hatte, ver-
gass er doch nie, dass jede geologische Untersuchung wenn mög-
lich am geologischen Körper, wie er in der Erdfeste ansteht, zu
beginnen habe. Die Gänge von Holzappel und Lintorf im Rhein-
CXXVI
land, die Lagerstätten der Bindt in Obernngarn, von Mitterberg
in den Salzburgischen Alpen, die serbischen Quecksilbererzvor-
kommen n. a., welche er beschrieb, hatte er zuvor an Ort und
Stelle besucht.
Solche geologischen Reisen, unter welchen besonders die im
Jahre 1884 durch einen grossen Tlieil der österreichisch -ungari-
schen Monarchie bis nach Serbien unternommene, weitere Ausdeh-
dehnung besass, erquickten den Menschen nicht minder, als den
Fachmann. Frisch gestärkt und reich beladen mit Ausbeute
kehrte er dann in das stille Revier der Oberharzer Bergstädte
heim, um auf’s Neue seinem Lehrberufe und der reinen Freude
des Forschens obzuliegen.
Er war ein unermüdlicher Arbeiter; als er im letzten Winter
durch Kränklichkeit mehrfach schon an’s Flaus gefesselt war, ist
das seiner wissenschaftlichen Thätigkeit nur zu gute gekommen.
Es war ersichtlich, dass er in der Fortbildung der Lagerstätten-
lehre seinen besonderen Beruf ergriffen hatte. Getragen von der
festen Ueberzeugung, dass das wachsende Verständniss der geolo-
gischen Natur der Erzlagerstätten, wenn auch nicht alsobald, so
doch mit der Zeit dahin führen werde, die Gesetzmässigkeit ihrer
Verbreitung zu enthüllen, schöpfte er aus dieser Ueberzeugung,
aus dem Durst nach Wahrheit, der mit jedem Einzelresultat
wuchs, die Kraft zur rastlosen Arbeit. Es war sein regster
Wunsch, dein er stets wieder auf’s Neue Ausdruck verlieh, »dass
monographische Arbeiten erscheinen, die sich nicht allein auf ein-
zelne Erzlagerstätten erstrecken, sondern auf Typen derselben, damit
die charakteristischen Eigenschaften derselben klarer hervortreten«.
Wie wacker er selbst darin mit gutem Beispiel vorangegangen
ist, erhellt aus den Mittheilungen über seine literarische Thätigkeit.
In dem Streben, von der naturgetreuen Darstellung der Einzel-
vorkommen zu allgemeineren Gesichtspunkten und schliesslich zur
Erkenntniss der Bildungsweise der Erzlagerstätten vorzudringen,
scheute er den Weg der Hypothese nicht. Ja in seinem Aufsatze
über Lagergänge, welcher diese letzteren wegen ihrer »Niveau-
beständigkeit innerhalb der Zonen regionalmetamorphischer Schich-
ten« wenigstens in den meisten Fällen als »Umwandlungspro-
ducte von Erzlagern (Metamorphisclie Erzlager)« aufzufassen ver-
CXXVII
sucht, hat er den hypothetischen Weg manchem Fachgenossen
vielleicht zu kühn beschritten. Er schied aber stets sehr ge-
wissenhaft das durch die geognostische Beobachtung und die
daran geknüpfte Untersuchung Festgestellte von der daraus ent-
wickelten theoretischen Speculation und hat in diesem besonders
hervorgehobenen Falle ausdrücklich erklärt: »Die Hypothese soll
einzig und allein zu neuen Untersuchungen anregen, sie soll nur
als neuer Gesichtspunkt gelten , von dem aus die Lagergänge
betrachtet und studirt werden können. — Da es dem Einzelnen
nicht möglich ist, solche Studien durchzuführen, scheint es mir
gerechtfertigt, einem solchen Gesichtspunkt öffentlich Ausdruck zu
geben, damit derselbe einer möglichst vielseitigen Prüfung unter-
zogen wird.«
Die von F. v. Sandberger zum Beweis der Lateralsecretions-
theorie unternommenen analytischen Arbeiten fanden bei von Grod-
deck, der seinem ganzen Studiengang nach der chemischen Unter-
suchungsmethode stets sehr zugethan war, von vornherein eine
warme Aufnahme. Sein Lehrbuch spricht das unverhohlen aus,
noch unverhohlener aber, dass der Verfasser keiner der Gangaus-
füllungstheorien eine ausschliessliche Giltigkeit zuerkannte, viel-
mehr eine jede innerhalb ihrer geologisch nachweisbaren Wirkungs-
weise zu schätzen wusste. Ausdrücklich sei hervorgehoben, dass
er die vielfach kurzsichtigerweise verworfene Congenerationstlieorie
für Contractionsspalten (Primärtrümer) anerkannt hat. Je mehr er
sich in das geologische Einzelstudium der Lagerstätten vertiefte, um
so vorsichtiger wurde er in seinen genetischen Schlussfolgerungen.
Um so bedeutungsvoller erscheint es, dass er die Haupterzgänge
des Harzes offen als Ascensionsgänge angesprochen hat.
Nach dem Wortlaute eines vom 28. April 1887 datirten, zur
Veröffentlichung in der Zeitschrift der Deutschen geologischen
Gesellschaft bestimmten Briefes an den Verfasser dieses Nachrufs
ist er »in der letzten Zeit bei seinen Studien über Erzlagerstätten
mehrmals auf Verhältnisse gestossen«, welche sich dessen »Beob-
achtungen über die Abhängigkeit der Ausfüllungsmassen der
Harzer Erzgänge von der Lage der Spalten zu den Granitstöcken
und ihren Contacthöfen anschliessen«. Dafür giebt der Brief
CXXYIII
Beispiele aus verschiedenen Weltgegenden und geologischen For-
mationen an, darunter vor Allem die Clausthaler Gänge. Ihre
bereits in von Groddeck s Inauguraldissertation topographisch in
eine nordöstliche Kalkspath- und eine südwestliche Scliwerspath-
Combination geschiedene Füllmasse wird nunmehr im Rahmen
der auf jener Beobachtung beruhenden Eintlieilung der vier Harzer
Gangformationen als gesetzmässig vertheilt nach der erkannten
inneren Structur des Oberharzes betrachtet: »Die Kalkspatli-Com-
bination entspricht einer tieferen, die Schwerspath - Combination
einer höheren Lage über der Granitoberfläche«. Ueberhaupt
scheint es auch ihm in hohem Grade wahrscheinlich, »dass Gang-
füllungen, welchen man ein jugendliches Alter zuschreibt, höheren,
solche, welche als älter bezeichnet werden, tieferen Tiefenzonen
angehören«. Der Brief schliesst mit den Worten: »Das Dunkel,
welches uns die wahre Natur der Gänge noch immer verhüllt,
wird sich mehr und mehr lichten, wenn sie im Zusammenhang mit
dem geognostischen Bau der Gegenden, in denen sie auftreten,
betrachtet werden können.«
Leider sollten diese Schlussworte zugleich auch die letzten
seiner reichen und für die Zukunft noch viel mehr verheissenden
Autorthätigkeit sein! Ihm blieb es versagt, in einer zweiten Aus-
gabe seines Lehrbuchs der Erzlagerstätten, welche er sorglich
vorbereitete, den durch die eigene Arbeit und durch die von ihr
ausgehende Anregung nicht am wenigsten bewirkten Fortschritt
der Erkenntniss auf’s Neue übersichtlich darzustellen. Doppelt
schwer wird das empfunden auf einem solchen speciellen Arbeits-
felde der Geologie, welches nur Wenige unter den Fachgenossen
in gleichem oder annäherndem Maasse beherrschten, wie der Ver-
storbene. Doch dürfen wir fest vertrauen, seine tief in der geo-
logischen Natur der Erzlagerstätten begründete Forschungs- und
Lehrmethode werde stets ihren Platz in der Geologie und im
Bergfach behaupten, fortvererbt, geläutert und vervollkommnet
durch seine Fachgenossen und insbesondere durch seine Freunde
und Schüler.
In seiner Stellung als Director der Bergakademie zu Claus-
thal und der damit vereinigten Bergschule bewährte VON Groddeck
o o
CXXIX
in vollem Maass jene Pflichttreue, die ihn überhaupt auszeichnete,
und die ihm im Verein mit vielen anderen guten Eigenschaften
die hohe Achtung seiner Vorgesetzten und Collegen gewährleistete.
Zwar waren ihm die eigentlichen Verwaltungsgeschäfte, weil sie
seine Zeit zu wissenschaftlichen Arbeiten beschränkten , wenig
sympathisch, aber er hat stets nach bestem Wissen und Können
Alles, was den guten Ruf der ihm unterstellten Anstalten zu er-
halten oder zu heben im Stande war, redlich gethan. Wie er zu
dem Zweck die Lehrpflicht bis zur Ueberbürdung seiner Kräfte
auf sich genommen und den Lehrplan sowie die Sammlungen er-
weitert hat, wurde bereits angegeben, im Vordergrund steht jedoch
die Anziehungskraft, welche er als akademischer Lehrer aus-
geübt hat.
Diese ging nicht allein von seinen Schriften und den durch
sie begründeten Ruf als Gelehrter, sondern ganz besonders von
seiner Persönlichkeit aus. Wirkten die Erfahrenheit seines Urtheils
und die Klarheit seines Vortrags überzeugend, so verstand er es
überdies vortrefflich, in seinen Zuhörern jenes warme Interesse
an der Wissenschaft zu wecken und zu erhalten, das ihn in so
hohem Maasse beseelte. Begabte und strebsame Schüler schob er
förmlich voran auf der Bahn des Studiums, aber auch weniger
fähige hat er stets nach Möglichkeit im Leimen unterstützt. Voll-
auf kam seine Liebenswürdigkeit im Verkehr mit der akademischen
Jugend auf den alljährlich unter seiner Leitung unternommenen
geologischen Excursionen zum Ausdruck. Nicht dass er dieselben
eben zu Vergnügungsfahrten im geläufigen Sinne des Worts ge-
macht hätte, wer mit ihm auszog, hatte vielmehr Noth, es ihm an
Marschtüchtigkeit und Ausdauer in Erfüllung der wissenschaft-
lichen Aufgabe gleich zu tlnin; war dann aber nach des Tages
Last und Hitze Schicht gemacht, dann legte er den Lehrer und
Vorgesetzten ab und wetteiferte in jugendlicher Frische und herz-
licher Fröhlichkeit mit den Studenten. Es war sein Stolz, der
Jugeud nahe zu stehen, und diese lohnte ihm mit Anhänglichkeit
und Dankbarkeit; noch auf seinem letzten Schmerzenslager hat er
sich kindlich gefreut, als einer seiner Zuhörer in einem schrift-
lichen Abschiedswort ihn als »Freund der Jugend« bezeichnete:
Jahrbuch 1887.
1
cxxx
ein schlichtes Wort und doch der bestverdiente schönste Ehren-
titel aus des Schülers Mund! —
Der tiefere Grund dieses liebenswürdigen Verhältnisses
zwischen Lehrer und Schüler war in von Groddeck’s harmo-
nischer Charaktergrundlage gegeben. Er vereinigte in sich den
Wissensdurst, den Arbeitsdrang und die Anspruchslosigkeit des
echten Gelehrten mit der frischen, kernigen, schaffensfreudigen
Natur des Bergmannes. Kalter wissenschaftlicher Egoismus,
schwächliche Autoreitelkeit oder trockene Stubengelehrsamkeit
blieben ihm daher gleich fremd. Gar wohl kleideten ihn sein
offenes männliches Wesen und jenes berechtigte Maass von Selbst-
bewusstsein, das der Mann aus der Tüchtigkeit gewinnt, mit der
er seine Stelle ausfüllt. Selbstüberhebung lag ihm fern. Auch
in der wissenschaftlichen Fehde strebte er aufrichtig nach Milde
des Urtheils, unbeschadet einer wohlangebrachten Festigkeit des-
selben. Dem entsprach der schöne Zug freudiger Dankbarkeit,
mit der er alles Gute entgegennahm , das Gott ihm gewährt hat.
Dieser Zu er der Herzensheiterkeit hat ihn sein ganzes Leben lang
begleitet und ihn auch nicht in seinem schweren Leiden verlassen,
das er in grosser Geduld bis an’s Ende ertrug. Auch auf den
wissenschaftlichen Verkehr, welchen der Entschlafene in reichem
Maasse pflegte, warf er seinen freundlichen Schein, denn wie der-
selbe sich selber hellleuchtenden Auges in kindlicher Dankbarkeit
des gewonnenen Resultats erfreute, so war es ihm auch Bedürfniss,
Anderen davon mitzutheilen, und nicht minder dankbar erwies er
sich dann gegen die Anregung, welche er im collegialischen Aus-
tausch von den Fachgenossen empfing. —
So ist von Groddeck Vielen ein wohlmeinender fördernder
Lehrer und Berather gewesen, Viele hat er im wissenschaftlichen
oder persönlichen Umgänge durch seine Tüchtigkeit und Liebens-
würdigkeit angeregt und angezogen, Allen aber, welche, gleich
dem Schreiber dieser Zeilen, das Glück hatten, ihm näher zu
treten, war er ein treuer, zuverlässiger Fi’eund! — Sein Andenken
bleibt ein gesegnetes, sein Name stets geehrt vom Bergmann und
Geologen! Er ruhe in Frieden!
Berlin, December 1887.
K. A. Lossen.
CXXXI
Verzeichniss der Schriften von Groddeck’s.
1. Die Mansfelder Hüttenprocesse in ihrer Abweichung von den Ober- und
Unterharzer Kupfer- und Silbergewinnungsarbeiten. (Berg- und hütten-
männische Zeitung. 1864 u. 1865, Jahrg. XXIII u. XXIV.)
2. Ueber die Bestimmung von Sohlenabständen beim Bergbau , mit specieller
Berücksichtigung der Harzer Verhältnisse. (Ibidem 1865, Jahrg. XXIV.)
3. Ueber das Zusammenvorkommen der wichtigsten Mineralien in den Ober-
harzer Gängen westlich vom Bruchberge und die von Herrn Cornu be-
merkten Beziehungen ihrer Aequivalentgewichte. (Ibidem 1866, Jahrg. XXV.)
4. Uebersicht über die technischen Verhältnisse des Blei- und Silberbergbaues
auf dem nordwestlichen Oberharz. (Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinen-
wesen im preussischen Staate. 1866, Bd. XIV.)
5. Ueber die Erzgänge des nordwestlichen Oberharzes. (Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges. 1866.)
6. Ueber ein neues Vorkommen von sogenanntem Silbersand zu Andreasberg.
(Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1869.)
7. Ueber die schwarzen Oberharzer Gangthonschiefer. (Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges. 1869.)
8. Auffindung von Knochen diluvialer Thiere am Harze. (Neues Jahrb. f. Mine-
ralogie etc. 1870.)
9. Abriss der Geognosie des Harzes. Clausthal. Verlag von Grosse. 1871.
10. Mittheilungen aus der Region des Oberharzer Diabaszuges zwischen Osterode
und Altenau. (Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1872.)
11. Erläuterungen zu den »Geognostischen Durchschnitten durch den Oberharz«.
Mit 2 Tafeln. (Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinen wesen im preussischen
Staate. 1873, Bd. 21.)
12. Ueber die Lagerungsverhältnisse des Oberharzer Diabaszuges und das Auf-
treten von Posidonomyenschiefern des Culm südöstlich von demselben.
(Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1876.)
13. Beiträge zur Geognosie des Oberharzes. (Ibidem 1877.)
14. Ueber das Vorkommen von Gold-, Kupfer- und Bleierzen in der Provinz
Rio Grande do Sul in Brasilien. (Berg- u. hüttenmännische Zeitung. 1877.)
15. Die Lagerungsverhältnisse am Iberg und Winterberg bei Grund etc. (Zeitschr.
d. Deutsch, geol. Ges. 1878.)
16. Die Lehre von den Lagerstätten der Erze. Leipzig 1879.
17. Ueber Grauwacken- und Posidonomyenschichten des Oberharzer Culm.
(Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1880.)
18. Ueber die Erzgänge bei Lintorf. (Zeitschr. f. Berg-, Hütten- und Salinen-
wesen im preussischen Staate. 1881, Bd. 29.)
19. Zur Kenntniss einiger Sericitgesteine , welche neben und in Erzlagerstätten
auftreten. (Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1882, Beil.-Bd. II.)
20. Zur Kenntniss des Oberharzes. (Dieses Jahrb. 1882.)
21. Der Kersantitgang des Oberharzes. (Dieses Jahrb. 1883.)
22. Zur Kenntniss der grünen Gesteine (Grünen Schiefer) von Mitterberg im
Salzburgischen (Jahrb. d. K. K. geol. Reichsanstalt 1883, Bd. 33, Heft 3).
CXXXII
23. Abriss der Geognosie des Harzes. 2. Aufl. 1883.
24. Zur Kenntniss der Zinnerzlagerstätte des Mount Bischof! in Tasmanien.
(Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1884.)
25. Ueber das Vorkommen von Quecksilbererzen am Avala-Berge bei Belgrad in
Serbien. (Zeitschr. f. Berg-, Hütten- u. Salinenwesen im preussischen Staate.
XXXIII. 1885.
26. Die geologische Geschichte des Harzgebirges. (Humboldt 1885. Bd. III,
Heft 5.)
27. Bemerkungen zur Classification der Erzlagerstätten. (Berg- und hütten-
männische Zeitung 1885, No. 22 u. 23.)
28. Ueber Lagergänge. (Ibidem 1885, No. 28 u. 29.)
29. Ueber die Gesteine der Bindt in Ober-Ungarn. (Jahrb. d. K. K. geolog.
Reichsanst. 1885, S. 663.)
30. Studien über Thonschiefer, Gangthonschiefer und Sericitschiefer. (Dieses
Jahrbuch 1885 u. 1886.)
31. Zur Kenntniss der Zinnerzlagerstätte des Mount Bischof! in Tasmanien.
(Forts, von S. 652 des Jahrg. 1884 der Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1886,
S. 370.)
32. Dritter Beitrag zur Kenntniss der Zinnerzlagerstätte des Mount Bischof! in
Tasmanien. (Ibidem 1887.)
33. Ueber die Abhängigkeit der Mineralfüllungen der Gänge von der Lage der-
selben. (Brief vom 28. April 1887 abgedruckt in der Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges. 1887.)
34. Ueber Turmalin enthaltende Kupfererze von Tamaya in Chile nebst einer
Uebersicht des geologischen Vorkommens der Bormineralien. (Zeitschr. d.
Deutsch, geol. Ges. 1887.)
II.
Abhandlungen
von
Mitarbeitern
der Königlichen geologischen Landesanstalt.
Untersuchungen über die Gliederung des unteren
Muschelkalks in einem T heile von Thüringen und
Hessen und über die Natur der Oolitlikörner in
diesen Gebirgsschicliten.
Von Herrn W. Frantzen in Meiningen.
(Hierzu Tafel I — III.)
Im Jahrbuch der Königl. preuss. geologischen Landesanstalt
für das Jahr 1885 ist eine Abhandlung des Herrn J. Cr. Bornemann
in Eisenach ]) veröffentlicht worden, welche sich mit dem in der
Ueberschrift bezeichneten Gegenstände beschäftigt. Die Resultate,
zu welchen derselbe bei seinen Untersuchungen gelangt, stimmen
in vielen Punkten mit den Ansichten anderer Geologen nicht
überein, und sind, soweit dies der Fall ist, unzutreffend.
Wenn ich mich entschliesse, dies hier näher nachzuweisen,
so werde ich dazu durch zweierlei Umstände veranlasst.
Erstens hat sich Herr Bornemann bewogen gefunden, neben
mehreren anderen Geologen, wie E. E. Schmid und Eck, in der
bezeichneten Abhandlung besonders mich in heftiger Weise an-
zugreifen. So erklärt er Seite 320 a. a. 0. in Bezug auf meine
*) J. G. Bornemann, Beiträge zur Kenntniss des Muschelkalks etc. in Thü-
ringen, Jahrbuch der Königl. preuss. geolog. Landesanstalt für 1885, S. 267.
Jahrbuch 1887.
1
2
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Ansicht über die Identität der Oolithbänke a und ß im Wellen-
kalk bei Meiningen mit den beiden untersten Schaumkalkbänken
a und ß in Thüringen und Hessen, »dass er derartige Behauptungen
nur als willkürliche Annahme ansehen könne, denen die wissen-
schaftliche Begründung fehle.« Diese durch mich in keiner
Weise provocirten Angriffe erfordern eine Abwehr, da es sonst
scheinen könnte, als ob ich solche Vorwürfe stillschweigend als
begründet anerkannte.
Ein anderer Anlass zur Veröffentlichung dieser Arbeit liegt
in dem Umstande, dass ich bereits vor mehreren Jahren in Folge
des Widerspruchs des Herrn J. G. Bornemann gegen die An-
wendbarkeit der üblichen Gliederung des unteren Muschelkalks
auf die Sectionen bei Eisenach, namentlich auf die Section Berka,
seitens der Direction der Kgl. preuss. geologischen Landesanstalt
beauftragt worden bin, die »Gliederung des unteren Muschelkalks
innerhalb eines Theiles der Section Berka in ihrer Beziehung zu
der Entwickelung im Meiningen’sclien zu untersuchen.« Nachdem
Herr Bornemann seinen Standpunkt in dieser Streitfrage öffentlich
dargelegt hat, wird mir durch jenen Auftrag die Verpflichtung
auferlegt, die Resultate meiner Untersuchungen in jenen Sectionen
ebenfalls zu veröffentlichen.
Ich werde mich jedoch bei diesen Erörterungen nicht auf
den engen Raum der Eisenacher Gegend beschränken, sondern
stelle mir die weitere Aufgabe, zu zeigen, dass in einem grossen
Umkreise rings um den Thüringer Wald bis weit in Hessen die
Entwickelung des unteren Muschelkalks eine fast ganz gleich-
mässige ist.
V orbem erklingen.
Ehe ich auf das Thema selbst eingehe, scheint es mir zur
Vermeidung von Missverständnissen wünschenswerth, einige Be-
zeichnungen, welche dazu Veranlassung geben könnten, näher zu
definiren.
Zur Gliederung des Wellenkalks hat man in Mitteldeutschland
bekanntlich oolithische und schaumige Schichten benützt, und nach
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
3
ihrem Fehlen oder Vorhandensein zwei Hauptabtheilungen im
Wellenkalk unterschieden, den unteren Wellenkalk ohne solche
Bänke, den oberen mit Schaumkalkbänken und den letzteren nach
dem Auftreten solcher Bänke in mehrere Unterabtheilungen zerlegt.
Es fragt sich nun, was man unter einer Oolithbank und einer
Schaumkalkbank zu verstehen hat.
Herr Bornemann hat der Beantwortung dieser Frage in
seiner Abhandlung einen besonderen Abschnitt gewidmet und be-
zeichnet als Oolithe solche kugelige Kalkbildungen, welche eine
concentrisch-schalige und eine radialfaserige Structur, oder eines
von beiden zeigen und sich als mineralische Ausscheidungen aus
Lösungen kennzeichnen. Dagegen hat er solche Formen, welche
eine unregelmässige Gestalt besitzen, weil er sie für psammitischer
Natur, für Zerreibungsproducte von Kalkstein und Mergel hält,
als Pseudooolithe von jenen echten Oolithen abgetrennt. Ich werde
weiter unten mich ebenfalls mit der Natur dieser Gebilde näher
beschäftigen und bemerke vorläufig darüber, dass ich auch diese
Körner mit sehr geringer Ausnahme für echte Oolithe halte. Ich
vereinige daher die Pseudooolithe Bornemann’s mit den echten
Oolithen.
Den Schaumkalk im petrographischen Sinne sehe ich, wie
dies bisher stets von den Geologen geschehen ist, als ein Gestein
an, welches durch die Auslaugung von Oolithkörnern aus Oolithkalk
entstanden ist, und so eine feinporige Beschaffenheit erlangt hat.
Es sind also Schaumkalk und Oolithkalk nur Varietäten ein
und derselben Gesteinsart, die in der Natur keineswegs scharf
von einander getrennt sind. Es giebt oolithische Kalkbänke, in
denen die Körner theilweise erhalten sind, während ein anderer
Theil derselben ausgelaugt wurde. Derselbe Kalkstein ist häufig
an einer Stelle typischer Schaumkalk, während in ganz geringer
Entfernung davon, oft sogar an demselben Handstück das Gestein
oolithisch erscheint. An manchen Körnern ist die Substanz der-
selben nur theilweise zerstört.
Ob eine derartige Bank aus echtem Schaumkalk oder aus
Oolithkalk besteht, ist daher, wenn es sich um die Gliederung
1
4
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
der Gebirgsschichten oder um den Namen einer Bank handelt,
ganz gleichgültig.
In diesem Sinne bezeichnet man die einzelnen schaumigen
oder oolithischen Schichten im Wellenkalk einfach als »Schaum-
kalkbänke« und unterscheidet sie in den einzelnen Etagen nach
dem Vorgänge von Moesta durch Hinzufügung der griechischen
Buchstaben a bis 8. Ich werde mich weiterhin diesem Sprach-
gebrauche anscbliessen.
Die Beantwortung der Frage, in welchem Grade eine Bank
oolithisch oder schaumig sein müsse, um den Namen Oolitli- oder
Schaumkalkbank zu verdienen, hängt natürlich von dem Er-
messen des einzelnen Beobachters ab. Man findet nicht selten,
dass eine Bank, in welcher in der einen Gegend Oolithkorn dicht
an Oolithkorn liegt, im weiteren Fortstreichen weniger Oolitli-
körner enthält und auch wohl streckenweise ziemlich frei davon
ist. Man hat dann ein und dieselbe Bank vor sich, welche nur
ihre petrographische Beschaffenheit geändert hat. In letzterem
Falle passt allerdings der der Zusammensetzung desselben Objects
an dem einen Orte entlehnte Ausdruck »Schaumkalk« an dem
anderen schlecht zur Sache, obwohl man ihn als Namen allenfalls
auch jetzt noch gelten lassen kann. Man kann sich jedoch in
diesem Falle damit helfen, dass man die petrographische Bezeich-
nung Schaumkalk und Oolitlikalk weglässt und die Bänke bloss
mit den Buchstaben a bis 8 benennt.
Auch der Begriff »Bank« bedarf einer kurzen Erörterung.
Die Autoren gehen in ihrem Sprachgebrauch in dieser Hin-
sicht weit aus einander, so dass durch das Schwanken im Aus-
druck die Verständigung erschwert wird und leicht Irrthümer
erregt werden.
Beim Bergbau bezeichnet man als Bank bekanntlich nicht
jede Schicht, sondern nur solche Sedimente, welche sich durch
ihre Zusammensetzung oder durch technische Wichtigkeit vor
der übrigen Masse des Gesteins in auffallender Weise auszeichnen.
Es empfiehlt sich die Anwendung dieses Wortes auch sonst in
ähnlicher Weise zu beschränken, im unteren Muschelkalk speciell
auf die mächtigen schaumigen und oolithischen Ablagerungen,
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc. 5
im Gegensatz zu der Masse des gewöhnlichen, zu technischen
Zwecken unbrauchbaren Wellenkalks, dessen einzelne Straten
ich Schichten, Lagen oder Platten nennen werde. Nur wenn
letztere mächtiger sind, wie die blauen, zu Bausteinen brauch-
baren Kalkplatten, welche sehr gewöhnlich in Begleitung der
Schaumkalkbänke, meist im Liegenden, seltener im Hangenden
auftreten, könnte man dickere Schichten von Kalkstein mit Rück-
sicht auf ihre technische Verwendbarkeit auch wohl als Bänke
bezeichnen.
Ebenso wenig, wie über die Anwendbarkeit des Wortes
»Bank«, herrscht bei den Autoren Uebereinstimmung in der Frage,
welche Schichten, im Falle die Bänke aus einer Anzahl von
Schichten zusammengesetzt sind, zu einer einzigen Bank gezählt
werden können.
Beim Steinkohlenbergbau hat sich der Sprachgebrauch so
festgestellt, dass man zwei Lagen Kohlen dann als zwei besondere
Flötze oder Bänke ansieht, wenn sie nicht mehr bequem auf ein-
mal abgebaut werden können, was bei bis 1 Meter Entfernung
der Fall ist.
Es wäre recht wünschenswerth, wenn man sich eines ähn-
lichen Sprachgebrauchs auch bei Beschreibung der Schaumkalk-
bänke bedienen wollte.
Bezeichnungen wie Doppelbank, Deckplatte oder gar »con-
stante Bank«, mit welchem Ausdrucke man seltsamer Weise bei
Jena ganze Complexe von dickeren und dünneren Schichten, die
gesimseartig an den Felswänden vorspringen, bezeichnet hat,
sollte man als uncorrect und selbst unverständlich gänzlich ver-
meiden.
A. Die Gliederung des unteren Muschelkalks.
I. Der untere Wellenkalk.
Die untere, schaumkalkfreie Abtheilung des Wellenkalks mit
ihren einförmigen , dünnschiefrigen und wulstigen Kalkschichten
giebt mir nur zu wenigen Bemerkungen Veranlassung, welche sich
6
W. Fkantzen, Untersuchungen über die Gliederung
auf die Abgrenzung des Muschelkalks gegen den Buntsandstein
beziehen.
Diese Grenze ist in der Umgebung des Thüringer Waldes
nicht gleichmässig gezogen worden.
Bei Meiningen wird bekanntlich der obere Theil des Röths
hauptsächlich aus lichten Mergeln gebildet, denen an manchen
Orten splitterige, zum Bauen benutzbare Kalkbänke eingelagert
sind.
Man hat diese Schichten , die ich nach dem massenhaften
Vorkommen der bei Meiningen anscheinend auf diese Ablagerung
beschränkten Alodiola hirundiniformis v. Sciiaur. als Mocliola-
Schichten bezeichnet habe und welche von anderen Autoren auch
wohl als Myophorieubänke angeführt werdeu, an der Westseite
des Thüringer Waldes deshalb zum Buntsandstein gestellt, weil
über den Mergeln mit den festen Kalkbänken noch eine Zone
von rothen, petrefactenleeren Tlionen von ganz ähnlicher Be-
schaffenheit, wie die Thone des eigentlichen Röths folgt. Die-
selben enthalten zahlreiche Geoden, welche, wie die Vergleichung
ihrer Formen mit den Gypsknollen in den tieferen Röthschichten
ergiebt , ohne Zweifel in Folge von Gypsauslaugung entstanden
sind. Auch die Einlagerung einer schmalen, etwa 0,3 Meter
dicken Zellenkalkschicht, welche unter der Rohrer Stirn bei
Meiningen in den rothen Thonen der Modiola-Schichten vorkommt,
sowie zahlreiche in diesen, wie in den lichten Mergeln vorhandene
rauhe Kalkplättchen weisen darauf hin, dass diese Schichten
gypshaltig waren, wie der Roth.
Für die Zutheilung dieser Schichten zum oberen Buntsand-
stein spricht auch die Entwickelung derselben weiter nach Süd-
westen hin. Nach dieser Seite verschwinden, bald nachdem man
das Werrathal verlassen hat, die festen, splitterigen Kalksteine im
unteren lichten Mergel, der Kalkgehalt der Schichten nimmt ab
und der rothe Thon gewinnt mehr und mehr die Oberhand, so
dass bei Würzburg im Mainthal diese Schichten ihr charakte-
ristisches Gepräge, die grosse Aehulichkeit mit dem Muschelkalk,
so ziemlich eiugebüsst haben. Jedoch sind auch hier die einzelnen
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
7
bei Meiningen zu unterscheidenden Abtheilungen dieser Zone noch
kenntlich * 1).
In anderem Lichte erscheinen die Modiola- Schichten an der
Ostseite des Thüringer Waldes.
An den Bergen bei Plaue, am Ostfusse des Gebirges konnte
ich das Vorhandensein der rothen Thone in dieser Ablagerung:
noch feststellen; dagegen fehlen sie darin bei Jena.
Hier wird die Modiola- Zone durch die »untersten ebenen
Kalkschiefer« Schmid’s 2) vertreten, welche derselbe jedoch nicht
dem Rüth, sondern dem Muschelkalk zugetheilt hat.
Die Ablagerung wird bei Jena in ihrem unteren Theile von
ebenflächigen, lichten, mergeligen Kalkplatten gebildet, in ihrem
oberen Theile aber von Mergeln, welche nach Art der Schiefer-
tlioue zu sehr feinen Blättchen zerfallen. Erstere kann mau mit
den unteren die Baubänke einschliessenden kalkreicheren Schichten,
die feinschieferige Ablagerung mit dem oberen Theile der Modiola-
Zone der Meininger Gegend vergleichen.
Bei Jena schliessen sich also die »untersten ebenen Kalk-
schiefer« viel enger an den Muschelkalk an und sind von Schmid
daher auch zu dieser Formation gestellt worden. Jedoch bemerkt
er ausdrücklich, dass »sich dieselben fast schärfer von dem darüber
liegenden Wellenkalk, als vom Röth unterscheiden«.
Auch R. Wagner3 4 5 6), welcher kürzlich eine sehr bemerkens-
werthe Arbeit über die Trias bei Jena veröffentlicht hat, hebt
') Am Wege von Thüngersheim nach Retzstadt unweit Würzburg ist der
der Modiola- Zone bei Meiningen entsprechende Theil des Roths wie folgt zu-
sammengesetzt und zwar von unten nach oben:
1) 0,80 Meter hellgrauer Mergel,
2) 0,20 » festere, würfelig zerfallende Mergelschicht mit Myophoria vul-
garis. Sie steht den festen Kalksteinen mit Modiola hirun-
diniformis bei Meiningen parallel,
3) 0,75 » hellgrauer Mergel,
4) 3,15 » rother Thon mit einigen dünnen Sandsteinlagen. Es ist dies
der Geodenthon von Meiningen,
5) 0,60 » grauer Mergel mit Gypsresiduen,
6) 0,80 » gelber Kalk. Darüber folgt dann der Muschelkalk.
2) Erläuterungen zu Blatt Jena, S. 6.
3) Richard Wagner. Die Formationen des Buntsandsteins und Muschelkalks
bei Jena, Jena 1887.
8
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
ausdrücklich die scharfe Trennung dieser Ablagerung von den
darüber liegenden Wellenkalkschichten hervor.
Die Grenze zwischen beiden Formationen würde sich auch
bei Jena ganz scharf und in völliger Uebereinstimmung mit der
Lage derselben bei Meiningen ziehen lassen; denn die von Herrn
Wagner erwähnten, an der oberen Grenze der Ablagerung vor-
kommenden »gelben Mergel« sind, wie ich mich unter seiner
Führung im Rosenthale bei Zwätzen an Ort und Stelle überzeugt
habe, mit dem gelben Kalk an der oberen Grenze des Röths bei
Meiningen identisch.
Ich mache auf das Vorkommen dieser gelben Kalke bei Jena
besonders aufmerksam, da sie an der Ostseite des Thüringer
Waldes sicher auch noch an vielen anderen Orten Vorkommen
und in ihrer Bedeutung bisher verkannt worden sind.
Wenn durch Herrn H. Loretz1) ein »ebenschichtiger Complex
von dichten und krystallinischen Kalkbänken mit Mergelzwischen-
lagen« aus der Eisfelder Gegend mit den »untersten ebenen Kalk-
schiefern« bei Jena verglichen worden ist, so ist dies ein Irrthum,
welcher offenbar durch die Zutheilung der Modiola- Schichten
Jena’s zum Muschelkalk hervorgerufen worden ist. Wie Herr
Loretz selbst angiebt, liegt der in Rede stehende Schichten-
Complex bei Eisfeld unmittelbar über dem gelben Röthkalk an
der Basis des Wellenkalks, während die »ebenen Kalkschiefer«
Sciimid’s darunter liegen.
In der Umgegend von Eisenach habe ich bisher keine Ge-
legenheit gehabt, die untersten Schichten des Wellenkalks in guten
Aufschlüssen zu sehen. Ich muss es daher zur Zeit dahin ge-
stellt lassen, ob die Lage der Grenze dort mit derjenigen in der
Meininger Gegend übereinstimmt, oder ob hier die Verhältnisse
ähnlich liegen, wie bei Jena.
IL. Die Gliederung des oberen Wellenkalks.
Im oberen Wellenkalk hat man bei der geologischen Landes-
aufnahme in Thüringen und Hessen bekanntlich 4 Schaumkalk'
zonen unterschieden :
b H. Loretz. Notizen über Buntsandstein und Muschelkalk. Jahrbuch d.
Königl. preuss. geol. Landesanstalt für 1880, S. 146.
des unteren Muschelkalks in einem Theile vod Thüringen etc.
9
1) Die Schaumkalkbank a :
2) die Schaumkalkbank ß ;
3) die Schaumkalkzone f (Zone der Bänke mit Terebratula
vulgaris) mit zwei durch Wellenkalk getrennten
Schaumkalkbänken und
4) die Schaumkalkzone 6, welche drei Schaumkalkbänke
enthält.
Dabei ist bisher angenommen worden, dass diese in den
verschiedenen Gegenden beobachteten Schaumkalklager im Zu-
sammenhang abgesetzte, also mit einander identische Bildungen
seien.
Herr Bornemann bestreitet die Richtigkeit dieser Ansicht.
Nach seinen eigenen Worten sind nicht nur die von ihm speciell
beschriebenen Schaumkalkeinlagerungen des Wellenkalks im Kirch-
thale bei Eichrodt, sondern auch »die Mehrzahl der grossen Schaum-
kalklager Thüringens und Hessens locale und vielen Zufälligkeiten
unterworfene Einlagerungen ohne fortlaufenden Zusammenhang.«
»Sie verändern«, wie er weiter ausführt, »ihre Natur in ihrem
weiteren Fortstreichen und keilen sich aus, während in der Nach-
barschaft und in etwas verschiedener Höhe andere Lager statt
ihrer sich ansetzen« u. s. w.
Ich muss diese Ansicht des Herrn Bornemann als eine irr-
thümliche bezeichnen. Die Schaumkalkbänke in Thüringen und
Hessen sind, wie ich weiterhin nachweisen werde, keine locale
Bildungen, sondern im Zusammenhang abgesetzte Bänke, welche
ein ganz bestimmtes Niveau einnehmen. Die Oolithbildung ist
im Wellcnkalk, abgesehen von vereinzelten Oolithkörnern, welche
man auch wohl in anderen dickeren Petrefacten-Schichten findet,
in Thüringen und Hessen lediglich auf die oben von mir an-
geführten 7 Bänke beschränkt. Diese 7 Bänke sind in diesen
Ländern über einen sehr grossen Raum verbreitet und zeigen in
ihren Abständen von einander, in ihrer Beschaffenheit und in
ihren organischen Einschlüssen im Grossen und Ganzen eine ganz
auffallende Gleichförmigkeit.
Im Einzelnen sind sie allerdings in ihrem Verlaufe manchen
Schwankungen unterworfen. Ihre Mächtigkeit ist zuweilen schon
10
W. Frantzen, Untersuch an gen über die Gliederung
auf kurze Entfernung hin eine verschiedeue. Die Anzahl der
Oolithkörner, oder wenn die Bänke schaumig sind, die Anzahl
der Poren des Gesteins ist grösser oder kleiner. Es schieben
sich ferner in eine einheitliche Schaumkalkbank in ihrer weiteren
Erstreckung Lagen von oolithfreiem Kalk ein. Auch kommt es
in einzelnen Gegenden wohl vor, dass auf längere oder kürzere
Erstreckung der Oolithkalk ganz durch blauen, oolithfreien Kalk
ersetzt wird, oder dass hie und da die ganze Bank verdrückt er-
scheint. Besonders häufig wird der letztere Fall in solchen Ge-
genden beobachtet, wo die Schaumkalkbänke sich auszukeilen
beginnen.
Neben diesen Verschiedenheiten, welche in Aenderungen der
Beschaffenheit der ursprünglichen Absätze bestehen, beobachtet
man in einigen Gegenden auch solche, welche erst nach der Ab-
lagerung der oolithischen Schichten durch spätere Einflüsse her-
vorgerufen sind. Dies ist nicht selten bei den Bänken der Schaum-
kalkzone ö und den Orbicularis - Schichten der Fall, welche in
Folge ihrer weichen Beschaffenheit und wegen ihrer krystallinischen
Textur zuweilen irrthümlich zum mittleren Muschelkalk gezogen
worden sind.
Aus diesen Verhältnissen oder aus einer nicht überein-
stimmenden Ausdruckweise oder Zählungsmethode entspringen
ganz allein die verschiedenen Angaben der Autoren über die Zahl
der Schaumkalkbänke, nicht aus der von Herrn Bornemann be-
haupteten localen Natur derselben.
Bei einer näheren Untersuchung dieser Verhältnisse ist es
natürlich ausgeschlossen, die Schaumkalkbänke Schritt vor Schritt
in einem so weiten Gebiete zu untersuchen. Ich muss mich darauf
beschränken, ihr Verhalten an einzelnen weit auseinander liegenden
Orten zu prüfen und so die Veränderungen, welche diese Schichten
in ihrem Verlaufe erleiden, zur Anschauung bringen.
Ich habe dazu die Gegend von Jena, Meiningen, Fulda,
Eisenach und Worbis ausgewählt, welche Orte einen ansehnlichen
Raum umspannen, und gerade diese einestheils deshalb, weil die
Schichten an den meisten von diesen Orten mir aus eigener An-
schauung bekannt sind, anderentheils, weil Herr Bornemann sich
les unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
11
auf das Verhalten der Schichten daselbst zum Beweise der Rich-
tigkeit seiner Meinung berufen hat.
1. Die Zone der Schaumkalkbänke et und ß.
Ich fasse hier die beiden Schaumkalkbänke a und ß zusammen,
da dieselben iu ihrer Beschaffenheit wie in ihren organischen Ein-
schlüssen einander so ähnlich sind, dass sie zu einer einzigen
Zone vereinigt werden könnten.
Zu ihrer Unterscheidung von den übrigen gleichartigen Ab-
lagerungen ist man im Allgemeinen lediglich auf ihre relative Lage
und auf die eigenthümliche Beschaffenheit eines Theiles der
Zwischenschichten angewiesen. Für engere Bezirke können in
dieser Beziehung natürlich auch noch andere Umstände, wie die
Ausbildung der Bänke als Oolithe oder Schaumkalke, die Be-
schaffenheit der Oolithkörner, die Färbung und die Einschlüsse an
Petrefacten in Betracht kommen.
Ich beginne die Untersuchung dieser Schichten in den durch
die Herren Eck, Giebelhausen und v. Seebacii aufgenommenen
Sectionen: Worbis, Bleicherode, Hayn, N ie der- O rschla,
Gross-Keula und Immenrode in der Nähe der Hainleite.
Aus persönlicher Anschauung kenne ich diese Gegend nicht,
so dass ich auf die Mittheilungen der oben genannten Forscher
angewiesen bin.
In der nachfolgenden Tabelle, welche nach den Angaben in
den zu den geologischen Karten gehörigen Erläuterungsheften ent-
worfen ist, finden sich die Zahlen über die Lage der Bänke über
der Basis des Wellenkalks, über ihre Entfernung von einander
und von der unteren Terebratelbank und endlich die Angaben
über ihre Mächtigkeit zusammengestellt. Wo die betreffenden
Mittheilungen seitens der Autoren fehlen, steht iu der Spalte ein
Strich.
Es zeigt sich hiernach in diesem Gebiete zwar ein erheb-
liches Schwanken in der Mächtigkeit der beiden Schaumkalkbänke,
aber fast vollkommene Uebereinstimmung in der Entfernung der
Schaumkalkbank a von der unteren Wellenkalkgrenze, in den Ab-
ständen der Bänke a und ß von einander, sowie in der Entfer-
12
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
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des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc. 13
nung der letzteren von der Schaumkalkzone y (Zone der Bänke
mit Terebratula vulgaris').
Für die Identificiruug der beiden Schaumkalkbänke a und ß
ist es von grosser Wichtigkeit, dass in dem sie trennenden
Wellenkalk ein gelb gefärbter, dichter, oder krystallinischer Kalk
lagert, welcher in einem grossen Bezirke sehr constant aushält.
In den oben angegebenen 6 Sectionen wird er von allen 3 Beob-
achtern erwähnt und von allen als eine ganz vorzügliche Leit-
Schicht erklärt. In den Erläuterungen zu den Sectionen Ilayu
und Bleicherode (S. 8) hebt Eck das »alleinige Vorkommen«
dieses gelben Kalks in diesem Niveau ausdrücklich hervor und
ebenso geschieht dies in den Erläuterungen zur Section Worbis
( S. 3) und zu Nieder-Orsclila (S. 5) von Herrn v. Seebach, der
ihn als »mittleren Ockerkalk« von den Ockerkalken an der oberen
und unteren Grenze des Wellenkalks unterscheidet.
Dieser Horizont setzt sich südlich bis nach Eisenach fort und
lässt sich noch bei Jena und allerdings nur in sehr geringen
Spuren in einigen gelben Straten unmittelbar über der Oolithbank a
auch noch bei Meiningen nachweisen.
Ganz ähnlich wie an der Hainleite sind auch die Verhältnisse
der Bänke a und ß in den von Moesta bearbeiteten, etwas südlich
liegenden Sectionen.
Ich greife, um das zu zeigen, zwei davon heraus, die Sec-
tionen Waldkappel und Netra.
Hier liegen die beiden Schaumkalkbänke cc und ß 15' =
4,5 Meter von einander entfernt und die dritte Schaumkalkzone y
folgt in der Section Waldkappel in 60’, in der Section Netra in
18 Meter über der Bank ß. Es stimmen diese Maasse mit den
vorhin angegebenen gut überein.
Auch die gelben Kalke sind hier zwischen den Bänken a und ß
vorhanden und werden von Moesta als sehr beständige Leit-
scliichten bezeichnet, die gute Dienste leisten könnten, wenn die
eine oder andere Bank nur schwach oder nicht in durchgehendem
Zusammenhang entwickelt sei x).
’) Erläuterungeif zu Blatt Waldkappel, S. 14.
14
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Am ganzen Westrande des Thüringer Waldes, von Wasungen
bis nach Eisfeld ist die Ablagerung des unteren Muschelkalks im
Grossen und Ganzen eine so gleichförmige, dass es völlii»' genügt,
die Schichtenfolge in den Sectionen Meiningen und Wasungen
zu untersuchen.
Die Schaumkalkbank a, von mir als Oolithbank a bezeichnet,
liegt in diesen beiden Sectionen 35 bis 37,3 Meter über der unteren
Wellenkalkgrenze. Sie ist gewöhnlich nur etwa 0,35 Meter dick,
schwillt bis zu 0,62 Meter an und ist an den meisten Stellen nur
schwach oolithisch, so dass ihre Bedeutung lange nicht erkannt
wurde.
Es ist mir unverständlich, in welcher Weise Herr Bornemann j),
der in einem Citat meiner Beschreibung der Oolithbank a bei
Meiningen die Worte »schwach oolithisch« mit einem (sic) begleitet,
aus dieser Eigenschaft für die Unrichtigkeit meiner Ansicht, diese
Bank sei die Oolithbank a in Thüringen und an der llainleite,
einen Beweis herleiten will. Ich finde darin nichts Besonderes,
dass eine Bank nicht in allen Gegenden gleich stark mit Oolith-
körnern durchsetzt ist.
Ueber der Bank a folgt in 7,5 bis 10,2 Meter Abstand die
Bank ß, welche, weil sie wie die Bank a bei Meiningen nicht
schaumig, sondern oolithisch ist und weil der von H. Emmrich
ihr gegebene Name »Oolithbank« sich in der Literatur eingebürgert
hatte, von mir als Oolithbank ß von der unteren Bank, der Oolith-
bank a, unterschieden wurde.
Die Bank ß hat bei Meiningen gewöhnlich eine Mächtigkeit
von etwa 0,75 Meter, schwillt bis zu 0,9 Meter an und ist im
Liegenden gewöhnlich von mehreren, meist sehr mächtigen Bänken
von festem, blauen Kalk begleitet.
Der Abstand der Bank von der unteren Terebratelbank (der
Zone j) beträgt im Mittel in der Section Meiningen 25,0 Meter,
in der Section Wasungen 25,5 Meter.
Auch in der Umgegend von Fulda, wo im Jahre 1886 der
untere Muschelkalk in einer grossen Reihe von Schürfen an der
l) a. a. 0., S. 267.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
15
Oberbernhardser Höhe, im Mambacli-Grunde und in der Umgegend
des Schackberges von mir untersucht worden ist, fand ich den
untersten Theil des Wellenkalkes und die beiden Bänke cc und [3
nicht viel anders zusammengesetzt wie bei Meiningen. Die Ent-
fernung der untersten Schaumkalkbank et über der Basis des
Wellenkalkes bestimmte ich an dem Steinbruch an der Bahn-
linie bei Elters durch Rechnung auf etwa 34,9 Meter oder 111
rhl. Fuss, unterscheidet sich also so gut wie gar nicht von der
Mächtigkeit dieser Schichten bei Meiningen.
Die beiden Bänke sind auch hier oolithisch entwickelt, jedoch
ist die untere Bank hier reicher an gelben Oolithkörnern wie bei
Meiningen und der oberen Bank in dieser Beziehung ganz ähnlich.
Beide Bänke zerfallen gewöhnlich in mehrere Lagen, von denen
einzelne, besonders die tieferen, zuweilen arm oder frei von Oolith-
körnern sind.
Ich gebe als Beispiel von der Beschaffenheit dieser Schichten
in dieser Gegend einen Durschschnitt der Zone a und ß aus dem
Steinbruch bei Elters und zwar zunächst das Profil der Oolith-
bank a von oben nach unten:
1) 0,13 Meter gelber Oolithkalk;
2) 0,04 » blauer fester Kalk;
3) 0,15 » oolithischer Kalk, der theil weise noch
blau gefärbt ist;
4) 0,06
5) 0,07
6) 0,21
7) 0,12
»
»
»
»
blauer Kalkstein, welcher auch wohl
oolithisch wird;
gelber Oolithkalk
Summa: 0,78 Meter.
Unter diesen Lagen folgt bis zum gewöhnlichen Wellenkalk
noch eine harte Kalklage von 0,22 Meter Dicke, welche dem blauen
Kalk im Liegenden der Bank bei Meiningen entspricht.
Die obere Bank ß ist hier 0,60 Meter dick und besteht aus
gelbem Oolithkalk, zerfällt aber anderswo, wie in dem zu Ver-
messungszwecken über dem Milseburg- Tunnel hergestellten Ein-
schnitte auf der Oberbernhardser Höhe, ebenfalls in mehrere, theils
oolithisclie, theils oolitharme Lagen.
16
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Der Abstand der beiden Bänke von einander beträgt bei
Elters 7,58 Meter, stimmt also mit den bisher angegebenen Zahlen
fast genau überein. Das Zwisclienmittel ist gewöhnlicher diiun-
schieferiger Wellenkalk, der oben ebenflächig und mürbe wird.
Der gelbe Kalk fehlt, wenigstens an den oben angegebenen Punkten.
Weniger leicht kenntlich, wie in dem bisher untersuchten
Gebiete, sind die beiden untersten Schaumkalkbänke bei Jena.
E. E. Schmid erwähnt von solchen Bänken nichts und will einige
dicke Kalkbänke, welche in dem mittleren Theile seines unteren
Wellenkalks, dessen obere Grenze er erst bei der unteren Tere-
bratelbank zog, Vorkommen, lediglich als »Flaserknoten« 1) ange-
sehen wissen, »die selten bis zu 2 Fuss Dicke anschwellen, aber
oft zu solcher Breite, dass sie das Aussehen beständiger Schichten
annehmen.«
Die in der letzten Zeit erschienenen Arbeiten des Herrn
R. Wagner zu Zwätzen bei Jena:
1) R. Wagner. Die Encriniten des unteren Muschelkalks bei
Jena. Jena 1886.
2) R. Wagner. Die Formationen des Buntsandsteins und
des Muschelkalks bei Jena. Jena 1887.
veranlassten mich im Frühjahr 1887 zu einer Excursion nach Jena,
bei welcher Gelegenheit ich unter Führung des Herrn R. Wagner
auch die Zone der Bänke c* und ß am Jenzig und im Rosenthal
untersucht habe.
Es ist nicht schwierig, in der von Herrn Wagner als
»unterer Terebratelkalk (e)« bezeichneten Bank eine der beiden
Bänke a oder ß zu erkennen. Sie liegt nach dem von ihm mit-
getheilten Profile 42,8 Meter über dem ockergelben Kalk der
obersten Grenzschicht des Buntsandsteins und ist die einzige Bank
in den Wellenkalkschichten unter der Zone mit Terebratula vul-
garis, welche oolithische Beschaffenheit zeigt. Herr Wagner be-
schreibt sie als eine bis 0,28 Meter mächtige Bank aus »bläulichem,
krystallinischem, festem Kalk mit oolitkischen Partien«, welche bei
Dornburg »fast aussieht, wie Schaumkalk« und hebt in unver-
') Erläuterungen zu Blatt Jena von E. E. Schmid, S. 7.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
17
kennbarem Gegensatz zur Anschauung von E. E. Schmid aus-
o O
drücklich auch die grosse Beständigkeit des Vorkommens dieser
Lage hervor.
Für die weitere Orientirung in diesen Schichten ist es sehr
wichtig, dass am Jenzig bei Jena in derjenigen Wellenkalkablage-
rung, welche Wagner nach Schmid als »obere constante Bank« be-
zeichnet, einige Straten von gelbem Kalk vorhanden sind. Dies
Vorkommen beweist in Verbindung mit den anderen Verhältnissen,
dass die eben erwähnte oolithische Bank mit der Schaumkalk-
bank ß zu identificiren ist und dass die Bank a unter jenen gelben
Kalken gesucht werden muss. Man erkennt als solche an Ort
und Stelle den oberen Rand der »mittleren constanten Bank«.
Wagner beschreibt sie in seinem Profile des Rosenthaies als eine
0,54 Meter mächtige, dickwulstige, feste, rauchgraue Kalkschicht,
mit Gliedern von Encrinus gracilis und mit Ammonites Bucki und
fügt ausserdem die Bemerkung hinzu, »dass diese Kalkschicht sich
deutlich von den flaserigen Schiefern in seinem Hangenden und
Liegenden abhebe und einen über das ganze Gebiet von Jena
ausdauernden, im Terrain auffallenden und daher leicht aufzu-
findenden Horizont« bilde.
Dass die Identificirung dieser Schichten bei Jena mit der
Schaumkalkbank oc und ß richtig ist, wird auch durch Vergleichung
ihrer Lage mit den gleichen Bänken in anderen Gegenden, wie
bei Meiningen bestätigt. Ich habe zu diesem Zwecke die be-
treffenden Zahlen hier in einer Tabelle neben einander gestellt.
Mächtigkeit
bei Jena
Meter
bei Meiningen
Meter
des unteren Wellenkalks von der oberen
Grenze des Buntsandsteins bis zur
Bank a
37,46
35 - 37,3
der Schaumkalkbank oc
0,54
0,35 — 0,62
der Schichten zwischen den beiden
Schaumkalkbänken oc und ß . . .
4,80
7,5 — 10,2
der Bank ß
0,28 — 0,36
0,75 — 0,9
der Schichten von derBank ß bis zurZone
der Bänke mit Terebratula vulgaris
23,5
25,0 — 25,5
Jahrbuch 1887.
2
18
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Bei der grossen Entfernung der beiden Orte von einander wird
man die Uebereinstimmung als eine recht gute anerkennen. Nur
darin zeigt sich in der Entwicklung bei Jena und Meiningen ein
Unterschied, dass die Bank a bei Jena gar nicht, die Bank ß nur
schwach oolithisch ist. Dies ist jedoch ein Umstand, der die
Unterscheidung zwar sehr erschwert, aber bei der Frage nach der
Existenz der Bänke ganz bedeutungslos ist.
Die Identität der erwähnten beiden Bänke mit den Oolith-
bänken a und ß bei Meiningen lässt sich auch an der Ueberein-
stimmung in dem Vorkommen und in der Lage der Spirifer
fragilis-Bank nachweisen. Bei Jena ist dies diejenige Bank, welche
Wagner als eine Trochitenbank beschreibt und in welcher er
seinen Encrinus aculeatus fand. Sie liegt nach ihm an der Hummels-
burg bei Jena 6,19 Meter unter der »oberen Terabratelbank«
Wagner’ s (der unteren Schaumkalkbank der Zone 7), also in
derselben Höhe unter dieser Bank, wie bei Meiningen. Wie dort
ist sie durch die conglomeratische Beschaffenheit, das zahlreiche
Vorkommen von Trochiten und von Spirifer fragilis, deren Haupt-
horizont am Thüringer Walde diese Schicht ist, charakterisirt 1).
Auf die organischen Einschlüsse in den Bänken « und ß habe
ich bisher keine Rücksicht genommen und zwar deshalb, weil die
beiden Bänke, abgesehen von Terebratula Ecki , keine besonders
charakteristischen Versteinerungen enthalten. Was man sonst an
Petrefacten in diesen Schichten findet, kommt auch in anderen
gleichartigen Bänken des Wellenkalks vor und kann für die
Ö O
Identificirung nicht verwerthet werden.
Die kleine Terebratula Ecki ist allerdings nach den bis-
herigen Erfahrungen auf das Niveau der Schaumkalkbänke a und ß
beschränkt, also für dieses sehr bezeichnend, aber eine Ver-
steinerung, die bisher nur an einigen Orten nachgewiesen worden
und nur selten häufig ist.
9 Das Citat des Herrn Bornemann (a. a. 0. pag. 318), die Spirifer fragilis-
Bank liege bei Meiningen nach meiner Angabe 6 — 8 Meter über der Oolithbank ß,
ist falsch. Ich habe gesagt, sie liege 6 — 8 Meter unter der unteren Terebratel-
bank. Vergl. W. Frantzicn: Uebersicht der geologischen Yerhältnisse bei
Meiningen, Berlin 1S82, S. XV111.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
19
Herr Bornemann hat sich veranlasst gesehen, gegen die Ab-
trennung der Terebratula Ecki von Terebratula vulgaris Wider-
spruch zu erheben. Er will sie nur als Varietät, vielleicht auch
nicht einmal als solche ansehen und bestreitet auch ihre strati-
grapliische Bedeutung.
In Bezug auf den ersten Punkt bemerke ich, dass ich mit
Niemandem Streit darüber anfangen werde, ob Terebratula Ecki
oder irgend eine andere Muschel eine Varietät oder Species sei.
Ich lege auf diese Frage in diesem Falle selbst kein erhebliches
Gewicht, habe mich übrigens hierüber bereits früher ausgelassen
und verweise auf die Publikationen Eck’s x) und meine eigene
Arbeit* 2).
Es ist dort auch schon das Verhältniss der Terebratula Ecki
zu den Terebrateln im oberen Muschelkalk erörtert (a. a. O. S. 159),
so dass es überflüssig erscheint, nochmals darauf einzugehen.
Was jedoch die andere Behauptung des Herrn Bornemann
angeht, die Terebratula Ecki habe keine stratigraphische Bedeutung,
so steht sie mit den Thatsachen in vollkommenem Widerspruch.
Durch seine Behauptung wird die Thatsache nicht aus der Welt
geschafft, dass in sehr weit auseinander liegenden Gegenden, in
der Umgegend des Thüringer Waldes und in Württemberg in dem
Niveau der Bänke a und ß Terebrateln Vorkommen, welche sich
durchweg von den Terebrateln der Zone j im oberen Wellenkalk
unterscheiden.
Ob man dem Unterschiede zwischen den Terebrateln der
beiden Regionen einen grösseren oder geringeren Werth beilegt
und ob die Terebratula vulgaris des oberen Muschelkalks sich in
irgend einem Stadium ihres Lebens der Terebratula Ecki des
Wellenkalks wieder nähert, berührt die oben angegebenen That-
sachen gar nicht.
Gerade die Terebratula Ecki hat sich, ähnlich wie die Tere-
bratula vulgaris , für die Unterscheidung der unteren beiden Schaum-
9 H. Eck: Zeitschrift der Deutsch, geolog. Ges. ßd. XXXII, Heft II. —
Geognostische Karte von Lahr, S. 93.
2) W. Fkantzen : Terebratula Ecki etc. Jahrb. der König! preuss. geolog.
Landesanstalt und Bergakademie für 1881. S. 157 ff.
2*
20
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
kalkbänke und ihrer Aequivalente als sehr nützlich erwiesen. Ich
habe bereits früher auf Grund des Vorkommens der Terebratula
Ecki im unteren Muschelkalk Württembergs das Lager derselben
in jener Gegend der Region der Bänke a und ß in Thüringen
gleich gestellt, eine Auffassung, welcher sich Eck1) auf Grund
anderer Beobachtungen angeschlossen hat.
Es gereicht mir ferner jenen Angriffen Bornemann’s gegenüber
zur besonderen Genugthuung, dass erst vor kurzer Zeit durch
Herrn Wagner bei Jena2) ein neuer Fundpunkt der Terebratula
Ecki in der Bank ß nachgewiesen wurde und zwar, nach seiner
Mittheilung am folgenden Tage, nachdem er meine Abhandlung
über Terebratula Ecki gelesen und an der betreffenden Stelle nach
dieser Versteinerung gesucht hatte. Es war damit der lange
vermisste ZENKER’sche Terebratelhorizont 2 wieder aufgefunden.
Hoffentlich gelingt den eifrigen Bemühungen des Herrn Wagner
das Gleiche auch mit der Terebratula-Schicht 3, die in der Nähe
der Bank a zu suchen sein dürfte.
Es ist wohl möglich, dass in Zukunft Terebratula Ecki auch
neben der Terebratula vulgaris in dem unteren Wellenkalk auf-
gefunden wird. Mit den Angaben des Herrn Bornemann über
das Vorkommen von Terebrateln im unteren Wellenkalk lässt sich
jedoch in dieser Hinsicht nichts anfangen, weil einestheils die
beiden Arten von Terebrateln nicht auseinander gehalten sind,
anderntheils auch meistens die Bestimmung des Horizonts, aus dem
er sie hat, fehlt.
Ich selbst habe in einer der beiden Oolithbänke a oder ß an
der Oberbernhardser Höhe in der Section Kleinsassen ein Paar Tere-
brateln gefunden, welche nach ihrem ganzen Habitus zur Tere-
bratula vulgaris gehörten ; doch blieb die Sache etwas zweifelhaft,
weil die Schale von der Muschel abgesprengt war.
Ein solches Nebeneinandervorkommen der Terebratula Ecki
und vulgaris würde allerdings den Werth der ersteren in strati-
graphischer Hinsicht etwas vermindern, aber nicht zu sehr. Es
*) H. Eck, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. XXXVII, S. 468 ff.
2) R. Wagner, a. a. 0. S. 15.
des unteren Muschelkalks in einem Tlieile von Thüringen etc.
21
kommt bei solchen Fragen auch auf die Quantität der Muscheln
an. Terebratula vulgaris hört nicht auf, eine wichtige Leitmuschel
für die Schaumkalkzone y zu sein, weil als Seltenheit hin und
wieder einmal im Schaumkalk 5 oder in anderen Schichten ein
derartiges Petrefact vorgekommen ist. In den Terebratelbänken,
in der Zone 7, liegt sie massenhaft, und dies, nicht das Vorkommen
allein, macht diese Muschel so werthvoll für die Unterscheidung
der Schichten. Genau dieselbe Rolle spielt Terebratula Echi für die
oolithische Zone; auch sie erscheint hier stellenweise in Menge.
7 O
Bei so vollkommener Uebereinstimmung der Verhältnisse der
Bänke der Zone a und ß in einem weiten Umkreise rings um
Eisenach, wie ich sie eben nachgewiesen habe, würde es sehl-
merkwürdig sein, wenn die Gliederung in der Umgebung dieses
Ortes eine ganz andere wäre, wie dies Herr Bornemann behauptet.
Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Die Gliederung ist auch
hier ganz dieselbe, wie an allen anderen Orten rings um den
Thüringer Wald; nur ist die eine oder andere Bank zuweilen
etwas verkümmert oder die Bänke haben unter späteren Einflüssen
ein etwas anderes Aussehen, wie gewöhnlich, angenommen.
Ich beginne, um dies nachzuweisen, mit der Sectiou Wutha,
und zwar mit der Betrachtung des von Bornemann veröffentlichten
Profiles aus dem Kirchthal bei Eichrodt.
Ich bemerke über dasselbe zunächst im Allgemeinen, dass ich
es bei einem Besuche keineswegs so schön gefunden habe, wie
Herr Bornemann. Man sieht in dem Hohlwege allerdings einen
ansehnlichen Theil der Schichten des Wellenkalks vom mittleren
Muschelkalk bis ziemlich tief unter der Oolithbank a entblösst,
aber keineswegs alle. Ziemlich gut aufgeschlossen sind von den
Schaumkalkbänken nur die Bänke der Zonen a bis 7. Ferner sehen
die Schichten nur sehr wenig aus dem Erdboden heraus, sodass
eine directe Messung kaum ausführbar ist. Herr Bornemann war
bei Ermittelung der Entfernungen der Bänke von einander ge-
nöthigt, zu »Constructionen« zu greifen. Ich wundere mich da-
her nicht, wenn er Resultate erlangt hat, welche mit meinen
22
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Messungen der Gebirgsmächtigkeit bei Eisenach nicht überein-
o o o
stimmen.
Ausserdem leidet dieses Profil an dem Mangel, dass die
Schaumkalkbänke der Zone o, soweit sich dies nach den nicht
ganz genügenden Aufschlüssen beurtheilen lässt, hier stark ver-
kümmert sind. Um ein richtiges Bild von der Beschaffenheit des
unteren Muschelkalks zu erhalten, genügt es nicht, ein Profil vor-
zuführen und als typisch hinzustellen, in welchem die Bänke nur
einen einzigen Fuss hoch — so weit mag die oberste Schaum-
kalkbank zu sehen sein — oder höchstens 2 Meter aufgeschlossen
sind; dazu braucht man Felswände, an denen man das Verhalten
der Schichten auf eine längere Erstreckung beobachten kann.
Au solchen Stellen fehlt es in der Umgebung; von Eisenach
auch keineswegs. Wer sich über den Wellenkalk daselbst unter-
richten will, thut am besten, nach Kreuzburg zu gehen, das etwa
1 1/2 bis 2 Stunden von Eisenach entfernt liegt. Dort findet
man zu beiden Seiten der Werra den Wellenkalk in horizontaler
Lagerung am rechten Werraufer mindestens 1 Stunde lang prächtig
entblösst. Sind auch die Felsen zuweilen so schroff, dass ihre
Untersuchung nicht möglich ist, so bleiben doch noch Stellen
genug übi’ig, wo man die Schichten ohne Gefahr erreichen kann.
So wenig typisch das von Herrn Bornemann zur Darstellung
gewählte Profil im Kirchthale auch ist, so reichen die Aufschlüsse
daselbst doch hin, um zu zeigen, dass die Gliederung des Wellen-
kalks hier nicht im Geringsten von derjenigen anderer Gegenden
abweicht.
Untersuchen wir zunächst die Schichten unter der Schaum-
kalkzone 0, so zählt Bornemann daraus folgende mächtige Bänke
auf, von denen ich jedoch einige von ihm getrennte Schichten zu
einer einzigen Bank zusammenfasse:
1) Die Bank ir ,
2) p-v,
3) X,
4)
5) £ El.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
23
Dieselben stehen der Reihe nach folgenden Schichten anderer
Gegenden gleich:
1) der oberen Terebratelbank;
2) der unteren Terebratelbank;
3) der Bank mit Spirifer fragilis ;
4) der Schaumkalkbank ß und
5) der Schaumkalkbank a.
Dass dies der Fall ist, lässt sich an der Uebereinstimmung
der Bänke in der Reihenfolge, an ihrer Zusammensetzung und an
den Einschlüssen an Petrefacten überzeugend nachweisen.
Nur die zuletzt genannten, unter 1, 2, 4 und 5 angegebenen
Ablagerungen werden im Wellenkalk in dem Gebirgstlieil unter
der Zone 8 oolithisch oder schaumig, und ganz analog beobachtet
man auch im Kirchthal darin nur 4 oolithische oder schaumige
Bänke.
Allerdings wird von den beiden untersten Bänken e s* und Yj
nur die letztere von Herrn Bornemann als »pseudooolitkisch«,
die andere aber als »braun« bezeichnet. Ich fand jedoch an Ort
und Stelle, dass auch e oolithisch ist.
Diese Bank zeigt hier folgende Zusammensetzung:
Unten besteht sie aus mehreren oolithischen , ockerfarbigen
Lagen, welche zusammen 0,55 Meter dick und stark zerklüftet
sind. Das Gestein ist stellenweise mit Oolithkörnern fast an-
gefüllt, während es in anderen Partieen hart daneben arm daran
ist und auch wohl in gewöhnlichen Kalk übergeht. Darüber folgt
0,22 Meter harter Kalkstein, fast frei von Oolithkörnern; doch be-
merkt man auch in dieser Lage schwach oolithische Stellen. Die
oberste Lage der Bank wird von einer 0,18 Meter dicken Kalk-
schicht gebildet, welche zahlreiche grau gefärbte Oolithkörner
enthält, die man wegen dieser Färbung leicht übersehen kann.
Da alle diese Lagen mehr oder weniger oolithisch sind, be-
trachte ich alle als zur Oolithbank £ sj gehörig.
Das Liegende der Bank besteht wie gewöhnlich aus festeren,-
ebenflächigen, blauen Kalksteinlagen, von denen die oberste
0,3 Meter mächtig wird. Abwärts nehmen dieselben an Dicke
24 W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
ab und gehen so allmählich in den dünnschieferigen Wellen-
kalk über.
Die Schaumkalkbank ß ist im Kirchthale eine einzige Schicht
von 0,43 Meter Dicke. Das Gestein ist gänzlich zerklüftet, wie
dies auch bei Meiningen in dieser Bank der Fall ist und besteht
aus graugelbem Oolithkalk. Unter der Bank liegt ebenfalls eine
feste, blaue Kalkplatte mit gelben Flecken und Streifen.
Vergleicht man die Entfernungen der im Kirchthal vorkom-
menden oolithischen und schaumigen Schichten mit Einschluss
der Spirifer fragilis-Bank mit den Abständen der gleichen Bänke
bei Meiningen, so ergiebt sich unter Berücksichtigung der oben
erwähnten Unsicherheit der Messung im Kirchthal immerhin eine
recht gute Uebereinstimmung. Ich habe zu diesem Zwecke die
betreffenden Zahlen hier in einer Tabelle übersichtlich neben ein-
ander gestellt.
O
Entfernung von
im Kirchthal
nach Bornemann
bei Meiningen
Meter
Meter
ot bis ß
10,5
7,5 — 10,2
ß bis zur unteren Terebratelbank . .
31
25 - 25,5
der unteren bis oberen Terebratelbank
6
3
der Spirifer fragilis - Bank von der
unteren Terebratelbank
11
6— 8
Herr Bornemann hat in seiner Abhandlung eine ähnliche
Betrachtung angestellt, will aber von einer solchen Argumentation
OO? O
nichts wissen und erklärt sie als unstatthaft, sagt aber nicht,
warum sie nicht statthaft sein soll. Er beschränkt sich darauf,
zum Beweise der Richtigkeit seiner Ansicht eine Anzahl einzelner
Stellen vorzuführen, an denen die Schaumkalkbänke verkümmert
oder ganz verdrückt sind.
Wäre die Anschauung des Herrn Bornemann begründet, so
müsste man doch statt der 4 schaumigen Bänke in der Zone a
bis 8 auch irgendwo einmal darin 5 und 6 finden. Man würde
da, wo die Bänke regelmässig liegen und weithin verfolgt werden
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
25
können, wie bei Treffurt, am Heldrastein, bei Kreuzburg abwärts
im Werrathal doch einmal irgend eine dieser Bänke sich auskeilen
und 2, 3, 4 Meter höher sich eine andere anlegen sehen. Davon
habe ich nie eine Spur gefunden und auch Herr Bornemann giebt
keine Stelle an, wo eine solche Erscheinung zu linden wäre.
Auch das Citat *), welches Herr Bornemann aus den Schriften
von SeebaCh’s beibringt und welches nach dem ganzen Zusammen-
hänge darthun soll , dass dieser Autor an ein Auskeilen der
Schaumkalkbänke und ein Wiedererscheinen derselben in einem
anderen Niveau geglaubt habe, beweist für die Sache des Herrn
Bornemann nichts. Er hat Herrn von Seebacii missverstanden.
Der Letztere erklärt allerdings, der Terebratelkalk und der Schaum-
kalk sei eine Zone und es seien dies nicht abgeschlossene Schich-
ten, meint aber nur, es seien dies Schaumkalkbänke und Wellen-
kalkschichten, im Gegensatz zu den Schaumkalkbänken a und ß,
welche aus einer einzigen abgeschlossenen Bank bestehen.
Ich habe weiter oben nachgewiesen, dass zwischen den beiden
Bänken a und ß in Thüringen und Hessen eine Ablagerung gelber
Kalke weit verbreitet ist, welche eine ausgezeichnete Leitschicht
für die beiden Schaumkalkbänke « und ß bildet. Dieser gelbe
Kalk fehlt auch in dem Profile im Kirchthale nicht und liefert
durch sein Vorkommen zwischen den oolithischen Bänken sei und q
ein treffliches Beweismittel für die Richtigkeit der Identificirung
dieser Bänke mit den Bänken a und ß.
Herr Bornemann legt zwar solchen gelb gefärbten Schichten
für die Wiedererkennung der Bänke keinen Werth bei* 2), indem
er meint, solche Färbungen kämen auch an anderen Stellen des
Wellenkalks vor. Ich will letzteres nicht bestreiten, aber daraus
folgt die Werthlosigkeit des Hülfsmittels noch nicht.
Im Wellenkalk erscheinen am Thüringer Wald gelb gefärbte
o o ö
Schichten in weitester Verbreitung und in solcher Mächtigkeit
nur hier. Was sonst von gelben Färbungen im Wellenkalk vor-
kommt, ist nur ganz unbedeutend, wie z. B. die schwach gelb-
a. a. 0. S. 314.
2) a. a. 0. S. 317.
26
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
liehen mergeligen Straten, welche bei Meiningen nicht hoch über
der Basis des Wellenkalks Vorkommen, oder es sind ganz locale
Erscheinungen. Sie rühren dann in den meisten Fällen auch nicht
von einem ursprünglich in den Schichten vorhanden gewesenen
Gehalt an Eisen her, sondern sind, wie bereits Herr v. Seebach
in seinen im Archiv der geologischen Landesanstalt liegenden
Berichten über seine Aufnahme- Arbeiten in der Umgegend von
Kreuzburg bei Eisenach richtig ausgeführt hat, veranlasst durch
eisenhaltige Gewässer , welche durch Klüfte in die Gesteine
eindrangen, also secundärer Entstehung. Man findet daher der-
artige gelbe Schichten wohl in solchen Gegenden, in denen das
Gebirge sehr zerrüttet ist. Sie erscheinen daher in der durch
Verwerfungen stark zerrissenen Gegend von Eisenach und Kreuz-
burg ziemlich häufig und sind nicht auf den Wellenkalk be-
schränkt, sondern kommen auch im oberen Muschelkalk vor, so
z. B. westlich vom Dorfe Mihlberg unweit Kreuzburg, wo auch
die harten Bänke des Trochitenkalks an vielen Stellen ganz ocker-
farbig werden, während sie unmittelbar daneben ihre ursprüngliche
Farbe behalten haben.
Es bleibt mir noch übrig, auch die organischen Einschlüsse
der Bänke des Kirchthales mit den Petrefacten in den gleichen
Bänken in anderen Gegenden zu vergleichen.
D ass auch in dieser Hinsicht Uebereinstimmung herrscht,
zeigt am besten eine Vergleichung der zu der bildlichen Dar-
stellung des Profils im Kirchthal von Herrn Bornemann selbst
hinzugefügten Bemerkungen über die in den einzelnen Bänken
enthaltenen Petrefacten mit meinen Angaben in meiner »Ueber-
sicht über die geologischen Verhältnisse bei Meiningen.«
In der eben bezeiclmeten Arbeit habe ich als charakteristisch
für beide Schaumkalkbänke der Zone den Reichthum an Tere-
bratula vulgaris angegeben und weiter bemerkt, dass die obere
Terebratelbank reicher sei an Trochiten, wie die untere und ferner
das nicht seltene Vorkommen von Spiriferen in dieser Bank —
bei Meiningen allerdings vorwiegend Spirifer hirsutus — erwähnt.
Bei der Aufzählung der charakteristischen Merkmale der Spirifer-
fragilis-Bank ist der Reichthum derselben an Spirifer fragilis von
mir hervorgehoben worden.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
27
Fast ganz übereinstimmend hat Herr Bornemann in dem
Profile des Kirchthals folgende Bemerkungen über die Petrefacten
beidrucken lassen: bei der oberen Terebratelbank (irirx): Gervittia
socialis , Spirifer fragilis, Terebratula vulgaris; bei der Spiriferen-
bank (X): Spiriferenbank.
Aus den Bänken vj und sei wird von Herrn Bornemann
eine Reihe von Petrefacten, wie Astarte , Pecten , Natica, Gervittia,
Nucula, Turritetta, Myophoria angeführt. Sie fehlen, abgesehen
von Astarte , die ich bei Meiningen bisher in den Oolithbänken a
und ß nicht gefunden habe, deren Existenz auch hier ich jedoch
keineswegs bezweifle, auch bei Meiningen in den Oolithbänken
nicht. Indessen sind dies lauter Petrefacten, welche auch in
anderen Horizonten des Wellenkalks weit, verbreitet sind und als
Leitmuscheln für diese Bänke nicht dienen können.
W as das Vorkommen von Astarte in der Oolithbank ß im
Kirchthale angeht, so ist Herr Bornemann viel glücklicher ge-
wesen, wie ich, da ich kein einziges Exemplar darin entdeckt
habe.
Ich bezweifle übrigens nach meinen Erfahrungen, dass Astarte
in der Zone der Bänke a und ß bei Eisenach so verbreitet und
häufig ist, dass man eine dieser Bänke als »Astartenbank« be-
zeichnen dürfte.
Verfolgen wir die beiden untersten Schaumkalkbänke « und ß
weiter in der Umgegend von Eisenach, Kreuzburg, Berka und
Treffurt, so finden wir diese Bänke überall als durchlaufende
Idorizonte entwickelt. Allerdings ist ihre Beschaffenheit hier recht
veränderlich. Sie spalten sich häufig in viele einzelne Lagen, sind
liier aus Oolithkalk, dort aus Schaumkalk zusammengesetzt und
auf kurze Strecken zuweilen recht arm an Oolithkörnern; aber
ein wirkliches Auskeilen der Bänke kommt in diesen Sectionen
nur ganz ausnahmsweise vor.
Auch in solchen Fällen, wo die Bänke sehr arm an Oolith-
körnern sind, ist es durchaus nicht schwer, sie zu erkennen und
zu verfolgen. Sie unterscheiden sich schon durch die Dicke und
Ebenflächigkeit der einzelnen Schichten leicht von dem gewöhn-
lichen Wellenkalk. Auch sind die Bänke wohl niemals völlig frei
von Oolithkörnern. Es bleibt gewöhnlich irgend ein Streifen
O O
28
W. Fkantzen, Untersuchungen über die G-liederun,
oolithisch und geht das Gestein in nicht grosser Entfernung regel-
massig wieder in typischen Ool ithkalk über.
In solcher wenig typischen Gestalt erscheinen die Bänke a
und ß u. A. an der Michelskuppe bei Eisenach, wo einer der
grössten Steinbrüche hart vor den Thoren der Stadt auf diesen
Bänken zur Gewinnung von Bausteinen und Strassenmaterial be-
trieben wird.
Diese Bänke eignen sich zu ersterem Zwecke gerade dann
sehr gut, wenu sie arm an Oolithkörnern sind, weil das Gestern
dann geschlossen zu seiu pflegt, während sie, wenn sie stark
oolithisch sind, nur selten hierzu benutzt werden können, da das
Gestein dann gewöhnlich stark zerklüftet ist.
Die Schichten des Wellenkalks liegen au der Michelskuppe,
worauf man zu achten hat, überstürzt, und werden an der Nord-
seite des Berges von einer Verwerfung, an welche sich nördlich
der Keuper anlegt, abgeschnitten. Die Kluft läuft schräg durch
die Schichten in der Weise, dass sie an der Ostseite der Höhe
den Wellenkalk zwischen den Bänken a und ß abschneidet, während
etwas weiter nach Westen hin, an dem nördlich am Fusse des
Felsens vorbeiführenden Thalwege, bereits ein ganz kleiner Fetzen
der imteren Terebratelbank sichtbar wird. Westlich von der
Michelskuppe findet man an der anderen Seite der Kreuzburger
Strasse auf der Höhe des Berges südlich vou der Verwerfung
auch die Schaumkalkbänke der Zone o und die Orbicularis-
schichten vor.
Die Zusammensetzung der beiden Bänke a und ß an der
Michelskuppe, sowie der zwischen ihnen lagernden Wellenkalk-
schichten geht aus folgender Messung hervor, welche ich an der
obersten Wand an der Ostseite des Steinbruchs vorgenommen
habe. Die Schichten sind von unten nach oben hin aufgezählt.
1) 0,50 Meter fester, harter, blauer Kalk, das eigentliche
Liegende der Bank;
2)
0,26 »
fester, blauer Kalk;
3)
0,03 »
Mergel ;
4)
0,17 »
schwach oolithischer Kalkstein;
3)
0,05 »
mergeliger W ellenkalk ;
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
29
6) 0,14 Meter Kalkstein;
7) 0,01 » Mergel;
8) 0,29 » feste, blaue Kalksteinlage, unten auf
0,03 Meter etwas schiefernd;
9) 0,12 » fester Kalkstein in harten, dünnen Lagen
von 1 — 6 Centimeter Dicke;
10) 0,11 » schwach oolithische Kalksteinlage;
11) 0,22 » schwach oolithische Kalksteinlage;
12) 0,55 » Wellenkalk, ziemlich ebenflächig, fest zu-
sammenhängend, aber etwas schiefrig;
13) 0,14 » desgl.;
14) 0,42 » wulstiger, conglomeratisch aussehender
Wellenkalk;
15) 0,65 » desgleichen, hier und da etwas gelb ge-
färbt;
16) 0,80 » dünnschiefriger, etwas conglomeratisch aus-
sehender blauer Wellenkalk;
17) 0,75 » blauer, conglomeratähnlicher Wellenkalk;
18) 1,00 » blauer, mässig schieferiger, ziemlich eben-
flächiger Kalkstein;
19) 0,35 » theils blau, theils gelblich gefärbter, mit
Mergel wechselnder Wellenkalk;
20) 1,15 » dickbänkiger, gelblicher Kalkstein;
21) 0,35 » grauer, dickbänkiger Kalkstein;
22) Oolithbank ß, etwa 1 Meter dick, gelb und oolithisch.
Von diesen Schichten betrachte ich 2 bis 11 als das Aequi-
valent der Bank «, die hier, wie in dem ganzen Steinbruch, nur
wenig oolithisch ist.
Viel typischer erscheint sie jedoch schon wenige Schritt von
dem Steinbruch entfernt an dem östlichen Absturz des Felsens
oberhalb des Schiessstandes. Hier ist ihre Zusammensetzung von
unten nach oben folgende:
1) 0,30 Meter harter, blauer Kalk;
2) 0,12 » desgleichen;
3) 0,14 » »
30
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
4) 0,75 Meter oolithischer, gelber Kalkstein;
5) 0,22 » schieferiger, fester, blauer Kalkstein;
6) 0,30 » harter, ebenflächiger, blauer Kalkstein ;
7) 0,14 » harter, etwas oolithischer Kalkstein;
8) 0,50 » dickschieferiger Wellenkalk;
9) gewöhnlicher dünnschieferiger Wellenkalk.
In diesem Profile repräsentiren die Lagen 1 bis 3 die Lage 1
des ersten Profils, die Lagen 2 bis 7 incl. die Lagen 2 bis 1 1 des
ersten Profils, wie man leicht erkennt, wenn man die Maasse auf
metrisch eingetheiltes Zeichenpapier aufträgt.
Dass die eben beschriebenen schwach oolithischen Bänke an
der Michelskuppe in der That die Bänke oc und ß sind, lässt sich
leicht nacliweisen. Ihre Entfernung' von einander beträgt nach
obigen Angaben 7,56 Meter, welche Ziffer mit den Abständen der
Bänke oc und ß von einander in anderen Gegenden gut überein-
stimmt. Auch das für die Orientirung in diesen Schichten so
wichtige gelbe Kalklager in dem Wellenkalkmittel zwischen den
beiden Bänken ist hier vorhanden; endlich liegen sie, wie der
Augenschein lehrt, in den gewöhnlichen Abständen von der unteren
Wellenkalkgrenze und von dem unteren Terebratelkalk.
Besser noch, wie an der Michelskuppe, kann man sich von
der Identität dieser Bänke mit den Bänken a und ß anderer
Gegenden durch Untersuchung eines anderen Profils überzeugen,
welches man ganz nahe bei der Michelskuppe nur wenige hundert
Schritt westlich von diesem Felsen au dem ersten Separationswege
vorfindet, welcher westlich von der Strasse nach Kreuzburg an
dem östlichen Ausläufer des Ramsberges an dessen Südseite auf-
wärts führt.
Ein Besuch dieser Stelle ist sehr zu empfehlen, da man hier
das ganze Profil der oberen Abtheilung des Wellenkalks recht
gut aufgeschlossen findet und sich davon überzeugen kann, dass
alle oben von mir genannten 7 Schaumkalkbänke auch bei Eisenach
vorhanden sind, nicht mehr und nicht weniger. Da die Bänke
hier fast vollkommen senkrecht stehen, so lassen sich an dieser
Stelle auch die Entfernungen derselben von einander durch directes
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
31
Nachmessen mit ziemlich grosser Genauigkeit ohne grosse Um-
stände bestimmen.
In der Nähe einer W egtheilung sieht man auf diesem Wege
aufwärts schreitend beide Oolithbänke, die hier viel reicher an
Oolithkörnern sind, wie an der Michelskuppe und in dem Wellen-
kalk zwischen ihnen auch das für die Identificirung derselben so
wichtige Lager von gelbem Kalk. Die Oolithbank ß ist 0,6 Meter
dick und liegt in 10 Schritt Entfernung oberhalb der erwähnten
W egtheilung.
Die Mächtigkeit des Wellenkalks zwischen der Oolithbank ß
und der unteren Terebratelbank bestimmte ich durch Nachmessen
der einzelnen Lagen und Addition der gefundenen Zahlen auf
24,01 Meter.
Auch die dünne Bank mit Spirifer fragilis ist in diesem Mittel
vorhanden, hier allerdings wenig typisch entwickelt. Es ist eine
harte, feste Petrefactenbank von 0,18 Meter Dicke, deren Entfer-
nung von der unteren Terebratelbank 5,79 Meter, von der Oolith-
bank ß 18,04 Meter beträgt.
Ich gebe an dieser Stelle auch gleich die Maasse der höheren
Schichten bis zur unteren Schaumkalkbank der Zone 8.
Die untere Terebratelbank ist 1,11 Meter mächtig und wird
an ihrer oberen Seite von einer 0,55 Meter dicken Bank von blauem
Löcherkalk begleitet. Dann folgt 1,85 Meter gewöhnlicher Wellen-
kalk, worauf eine offenbar nur sehr wenig bedeutende Störung
folgt, an deren Nordseite dann die schräg durchschnittene obere
Terebratelbank erscheint. In Folge des Durchlaufens dieses kleinen
Bruches lässt sich hier weder der wirkliche Abstand der beiden
Terebratelbänke noch die Mächtigkeit der oberen Terebratelbank
genau bestimmen.
Dagegen ist die Mächtigkeit des Wellenkalkmittels von der
O O O
oberen Terebratelbank bis zur unteren Schaumkalkbank wieder
genau messbar; sie beträgt 15,50 Meter.
Auf die Zusammensetzung der Zone o und der Orbicularis-
Schichten an dieser Stelle werde ich weiter unten noch zurück-
kommen.
32
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Es stimmt, wie man sieht, dieses Profil ganz mit der Zu-
sammensetzung des Gebirges in anderen Gegenden überein; auch
die durch directe Messung gefundenen Zahlen für die Abstände
der Schichten von einander weichen lange nicht so weit von den
in anderen Gegenden ermittelten Zahlen ab, wie die im Kirchthale
durch Herrn Bornemann durch Construction gefundenen Werthe.
Zur Vervollständigung des Bildes von der Beschaffenheit der
Schaumkalkbänke und a und ß gebe ich auch noch einige Profile
von solchen Stellen, wo diese Bänke ein normaleres Aussehen
haben, wie bei der Stadt Eisenach.
Man kann sie besonders gut bei dem nicht weit von Eisenach
entfernten Hörschel studiren, wo diese Bänke früher beim Bau
der Thüringer Eisenbahn zusammen mit den im Liegenden vor-
kommenden dicken, blauen Platten in nicht unbedeutendem Maasse
zu Bausteinen gebrochen worden sind und wo auch jetzt noch
ein Paar kleine Steinbrüche darauf im Betriebe sind.
Ich gebe zunächst ein Profil durch die ganze Zone von ß
bis ot, welches an der Kreuzungsstelle der Landstrasse von Eisenach
nach Hörschel mit der Thüringer Eisenbahn aufgeschlossen ist.
1) Die Bank ß mit folgenden Strafen:
0,30 Meter Kalkstein mit wenig Oolithkörnern;
0,12 » oolithischer Kalkstein;
0,10 » gewöhnlicher Wellenkalk;
0,24 » oolithischer Kalkstein mit wulstiger Ober-
fläche ;
2) 0,70 » blauer, zerbröckelnder Wellenkalk;
3) 1,20 » gelbe Kalkschichten;
4) 2,30 » blauer Wellenkalk;
5) die Schaumkalkbank a; deren Mächtigkeit man hier
nicht bestimmen kann.
Letztere Bank erscheint an mehreren Punkten bei Hörschel
als eine typische Schaumkalkbank und zwar in ansehnlicher
Mächtigkeit.
Ich gebe hier Messungen derselben von zwei Punkten, in
welchen die einzelnen Lagen von oben nach unten angeführt sind:
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
33
Profil nahe bei Bahnkilometerstein No. 174:
1) 0,60 Meter Schaumkalk, der unten angebraten ist;
2) 0,55 » meistens harte, blaue Kalkplatten, von denen
die eine oder die andere auch wohl ein
wenig schaumig wird;
3) 0,38 » Schaumkalk.
Das Liegende wird von harten, im Ganzen 0,70 Meter dicken
blauen Kalklagen gebildet.
Der Schaumkalk dieser Bank gleicht hier sehr dem der unteren
Schaumkalkbank der Zone 5. Die Poren sind fein und rund und
auch die Färbung ist zuweilen ganz licht, wie in jener Bank, wird
jedoch an anderen Stellen durch einen mehr oder weniger grossen
Gehalt an Eisenoxydhydrat ockerig gelb.
Den anderen Aufschluss der Bank a tindet man am Wege
von Hörschel nach Spichra, gleich südlich von der Thüringer
Eisenbahn, in einem kleinen Steinbruche.
Profil der Bank « von oben nach unten:
1) 0,45 Meter Schaumkalk in mehreren Schichten;
2) 0,10 » blauer, harter, ebenflächiger Kalkstein;
3) 0,06 » Schaumkalk, nur wenig porig und stellen-
weise in gewöhnlichen Kalk übergehend ;
4) 0,21 » blauer Kalkstein, oben schieferig;
5) 0,34 » ziemlich gelber Schaumkalk.
Der Schaumkalk der Lage 1 ist lichtgrau und feinporig. In
der Lage 5 sind die Oolithkörner zum Theil noch erhalten.
Das Liegende besteht aus festem, blauen Kalkstein von 1 Meter
Gesammtmächtigkeit, welcher als Baustein mitgewonnen wird. Er
ist dazu jedoch wenig tauglich, weil er sich an den Schichtflächen
leicht aufblättert.
In der Section Kreuzburg, in welcher, nebenbei bemerkt,
auch schon das eben erwähnte Hörschel liegt, habe ich feststellen
können, dass die beiden Bänke a und ß überall und zwar gewölm-
3
Jahrbuch 1887.
34
W. Fkantzen, Untersuchungen über die Gliederung
lieh in ansehnlicher Mächtigkeit Vorkommen. Sie sind, wie bei
Hörschel, bald schaumig, bald oolithisch.
Ich beschränke mich auf die Mittheilung eines einzigen Pro-
files aus dieser Gegend, welches man, ohne sich in irgend eine
Gefahr zu begeben, recht bequem untersuchen kann. Es liegt an
dem fahrbaren Wege, der von der Liboriuskapelle bei Kreuzburg
am rechten Ufer der Werra den steilen Abhang des Brückeubergs
nördlich nach Mihla hin aufwärts führt und neben welchem die
Telegraphenleitung entlang führt.
Das Liegende der Bank a trifft man in 192 Schritt über der
Stelle, wo dieser Weg von der Eisenacher Landstrasse abzweigt,
34 Schritt unterhalb der Telegraphenstange No. 5; das Liegende
der Bank ß in 257 Schritt Entfernung von der Eisenacher Land-
strasse, 29 Schritt unter der Telegraphenstange No. 6.
Die Bank a ist durch einige Schichtflächen in 3 Hauptpacken
getheilt. Der oberste von ihnen hat 0,39 Meter Mächtigkeit und
besteht aus zerklüftetem, lichtem, feinporigem Schaumkalk, den man
in Handstücken von dem Schaumkalk der untersten hellfarbigen
Schaumkalkbank der Zone 5 nicht unterscheiden kann. Aehnliche
Beschaffenheit zeigt auch der zweite Packen, welcher 0,27 Meter
Mächtigkeit besitzt. Die unterste Lage von 0,42 Meter Dicke
ist etwas geschlossener und enthält in den Poren zuweilen schwache
Ueberztige von etwas Eisenoxydhydrat, so dass sie an einigen
Stellen rostig aussieht.
Als Liegendes der Bank folgt, wie gewöhnlich, eine 0,85 Meter
dicke Lage von blauem, harten Kalk, welcher einige Neigung
zeigt, sich in mehrere Lagen zu zertheilen und weiter abwärts
eine zweite derartige Lage von 0,34 Meter Mächtigkeit, unter
welcher noch mehrere dünnere, ebenflächige Lagen von derselben
Beschaffenheit kommen, ehe der gewöhnliche wellige Kalk er-
scheint.
Die Bank ß wird durch eine von mir nicht ganz scharf be-
stimmte, annähernd 6 Meter mächtige Wellenkalkablagerang, in
welcher auch hier der oft erwähnte, für diese Schichtenreihe so
sehr charakteristische gelbe Kalk vorhanden ist, von der Bank a
getrennt. Sie besteht aus einer grossen Reihe einzelner, durch
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
35
mergelige und wulstige Zwischenmittel getrennte Lagen, die ich
von oben nach unten aufzähle:
1) 0,09 Meter Oolithkalk;
2) 0,06 » Mergel und Wulstkalk;
3) 0,09 » Oolithkalk;
4) 0,08 » mergeliger und wulstiger, zu Erde und
Grus zerfallender Kalk;
5) 0,07 » Oolithkalk;
6) 0,14 » Oolithkalk;
7) 0,01 » Mergelerde;
8) 0,12 » Oolithkalk;
9) 0,01 » Mex-gelerde;
10) 0,16 » Oolithkalk;
11) 0,09 » blauer Kalk und Mergel in mehreren
Straten ;
12) 0,03 » Oolithkalk;
13) 0,03 » Oolithkalk;
14) 0,01 » Mergel;
15) 0,12 » Oolithkalk.
Summa 1,11 Meter Gesammtmächtigkeit.
Die Oberfläche dieser Straten, welche übrigens in ihrer Zahl
etwas veränderlich sind, ist zuweilen wellig, eine Erscheinung,
welche ebenso wie die Absonderung der Bank in so viele einzelne
Schichten auf stärkere Wasserbewegung bei der Ablagerung der-
selben hindeutet. Die Oolithkörner sind in dieser Bank noch er-
halten und von gelber Farbe; doch sieht man beim Zerschlagen
oft noch einen unzersetzten blauen Kern.
In der Section Treffurt habe ich den Wellenkalk nur in
dem Gebietsteile südlich vom Werrathale untersucht und dort
ganz dieselben Verhältnisse, wie bei Kreuzburg gefunden.
Man kann an den senkrecht abfallenden Felswänden, mit
welchen hier das Plateau gegen das Werrathal abfällt, die Zone
der Bänke a und ß schon aus der Ferne au dem zwischengelagerten
gelben Kalk erkennen, welcher sich wie ein gelbes Band um die
3*
36
W. F rantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Felswände schlingt. Es ist aber nur an wenigen Punkten möglich,
die Bänke zu erreichen, so an dem collossalen östlichen Eckpfeiler
dieser Felsmauer, am Heldrastein, wo sich die abgestürzten Fels-
massen an einzelnen Punkten bis zur Höhe dieser Bäuke aufge-
thürmt haben.
Ich gebe zunächst eine Messung der Bank a, welche ich an
der Ostseite des Heldrasteins an der nördlichsten Stelle, wo sie
zu erreichen ist, vorgenommen habe, indem ich die einzelnen Lagen
von oben nach unten aufzähle:
1) 0,40 Meter gelber, oolithischer Kalk;
2) 0,20 » harter, ebenflächiger Kalk;
3) 0,15 » harter, oolithischer Kalk;
4) 0,08 » blauer Kalk;
5) 0,06 » schwach oolithische'r Kalk.
Summa 0,89 Meter Gresammtmächtigkeit.
Das Liegende der Bank ist wie gewöhnlich harter, blauer
Kalk in mehreren Lagen von 0,48 Meter Dicke, unter denen dann
der gewöhnliche Wellenkalk folgt.
Etwas von dieser Stelle nach Süden hin kann man auch die
Bank ß erreichen und messen. Die Zusammensetzung derselben
ist von oben nach unten folgende:
1) 0,17 Meter oolithischer Kalkstein;
2) 0,15 » blaugrauer, zerfallender, mergeliger Wulstkalk;
3) 0,20 bis 0,27 Meter oolithischer Kalkstein.
Die Messung; der Schichten zwischen den beiden Bänken a
und ß liess sich bei der Steilheit der Felswände von mir nur theil-
weise ausführen. Ich fand unter der Oolithbank ß bis dahin, wo
die abgestürzten Massen das anstehende Grestein verdecken, folgende
Schichten :
1) eine 0,30 Meter mächtige, harte blaue, ebenflächige
Kalkschicht ;
2) 1,55 Meter ebenflächigen, dickbänkigen , beim An-
schlägen klingenden, gelben Kalkstein;
des unteren Muschelkalks in einem Tkeile von Thüringen etc.
37
3) 0,55 Meter dickbänkigen, festen, eben flächigen, blau-
gefärbten Kalkstein;
4) 1,25 » feinschieferigen, blauen, stellenweise matt-
gelblich gefärbten Wellenkalk.
In der Section Berka treten die tieferen Schichten des
Wellenkalks mit den Bänken a und ß nur in zwei nicht sehr
ausgedehnten Partien zu Tage, nämlich westlich von Bischofsrode
im Langen Thale, vom Burgberge ab gegen den Grossen Zimmer-
berg hin und ferner im Grunde des »Thals« nördlich vom Horst-
berge bei Mihla, hier auf einem sehr beschränkten Raume.
Auch in dieser Section habe ich fast überall, wo die Felsen
die nähere Untersuchung erlaubten, die Bänke a und ß nachweisen
können; nur an zwei Stellen fehlte die eine oder andere Bank-
Allerdings sind in dieser Section die Bänke zuweilen nur dünn
oder wenig oolithisch, wie dies auch anderswo, namentlich bei
Eisenach, wohl vorkommt; doch lassen sie sich auch in dieser
Section ganz gut verfolgen, da sie, wie fast überall und wie fast
alle Schaumkalkbänke, im Liegenden von festeren, ebenflächigen
Kalkbänken begleitet werden, welche sich an den Felswänden
leicht auffinden lassen, und auch hier die gelben Kalke vorhanden
sind, welche durch die auffallende Färbung die Orientirung sehr
erleichtern.
In dem auf dem Messtischblatt als »Thal« angegebenen Grunde
bei Mihla findet man an der nördlichen Seite desselben da, wo in
nicht grosser Entfernung von den Mihlaer Schaumkalkbrüchen ein
Separationsweg mit einer kleinen Brücke von dem Thalwege auf
der Nordseite quer durch das Thal zur Südseite desselben nach
dem dort liegenden Wäldchen hin abgeht, die Bank ß in einem
nur 2 Meter über dem Wege, hart neben demselben liegenden
Steinbruche aufgeschlossen. Sie ist, wie am Wege von Kreuzburg
nach Mihla, aus einer grösseren Reihe von Schichten zusammen-
gesetzt, welche nur theilweise stärker oolithisch sind und die ich
hier von oben nach unten aufzähle:
38
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
1) 0,03 Meter Oolithkalk;
2) 0,23 » mehrere dünne Lagen von blauem Kalkstein ;
3) 0,32 » dünne Platten Kalkstein, die mehr oder
weniger oolithisch oder blau sind;
4) 0,03 » harter Kalkstein;
5) 0,20 » ockerfarbiger Oolithkalk;
6) 0,11 » schwach oolithisclier Kalkstein.
Summe : 0,92 Meter Gesammtmächtigkeit.
Darunter lagern, wie gewöhnlich, mehrere feste, ebenflächige,
blaue Kalksteinplatten, von 0,08, 0,07 und 0,04 Meter Dicke.
Von der Identität dieser Bank mit der Schaumkalkbank ß
kann man sich leicht überzeugen , wenn man den Abhang weiter
aufwärts untersucht, an welchem an der Westseite des kleinen
Wäldchens auch die beiden Terebratelbänke und über diesem
Wäldchen auch die oberste Schaumkalkbank der Zone a in den
gewöhnlichen Abständen aufgeschlossen sind.
Die Schaumkalkbank a liegt an dieser Stelle schon unter der
Thalsohle. Man trifft sie jedoch nicht weit von hier, wenn man
von dem kleinen Steinbruche über den Separationsweg quer
durch das Thal nach der Südseite desselben geht und dort neben
dem Abhange den südlichen Thalweg 225 Schritt weit verfolgt. Hier
hat man in dem Buchenwalde eine Felspartie neben sich, an
welcher in etwa 25 Fuss Höhe über dem Thal die Bank a her-
vortritt. Sie ist hier von unten nach oben aus folgenden Lagen
zusammengesetzt :
1) 0,15 Meter hellfarbiger Schaumkalk;
2) 0,47 » Strafen von festem, blauem Kalkstein;
3) 0,10 » ockeriger, mässig oolithischer Kalkstein.
Darüber folgt aufwärts noch eine harte 0,10 Meter dicke
Platte von ebenflächigem, blauem Kalk, die im Fortstreichen mög-
licherweise auch noch oolithisch wird und dann zur Bank zu
nehmen wäre und darüber der gewöhnliche Wellenkalk.
Wenig über der Bank sieht man an dem Felsen auch einige
Spuren der hier nur wenig entwickelten gelben Kalkschichten und
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
39
an einer Stelle auch ein Paar Straten der Oolithbank ß aufge-
schlossen.
Sehr unansehnlich sind die beiden Bänke a und ß durch-
schnittlich auch in der anderen Wellenkalkpartie im Langen Thal.
Man findet sie so am Burgberg, wenn man von Bischofsrode
kommend das Lange Thal aufwärts geht bis dahin, wo es sich
beim Burgberg in zwei Arme theilt und hier von der westlichen
Thalseite über den Verbindungsweg nach der östlichen Thalseite
geht. Verfolgt man von diesem Wege aus den östlichen Thalweg
O O O o
am Abhange des Burgbergs nach Nordosten hin 200 Schritt weit
bis zu einer dickeren Buche, so hat man etwas über der Thal-
sohle eine Felspartie über sich, an welcher die Bank cc in etwa
3 Meter Höhe über der Stelle, wo der nackte Fels aus dem Gei’öll
hervortritt, ansteht.
Es ist nur ein schmales Bänkchen von 0,34 Meter Dicke,
speciell von oben nach unten zusammengesetzt aus:
1) 0,11 Meter hartem, blauem Kalk;
2) 0,05 » desgleichen;
3) 0,10 » massig gelb gefärbtem Oolithkalk;
4) 0,08 » desgleichen.
In den Lagen 3 und 4 sind die Oolithkörner theilweise blass,
theilweise sind sie durch Eisenoxydhydrat gelb gefärbt.
Etwas typischer und auch mächtiger sieht die Bank a aus in
geringer Entfernung von hier, nahe vor der auf dem Messtisch-
blatte angegebenen Waldgrenze. Sie tritt hier an einem Felsen
in 3 Meter Höhe über seiner Basis hervor und ist daselbst eine
0,55 Meter dicke, oolithische, intensiv gelb gefärbte Bank.
Die Bank ß trifft man au der zuerst erwähnten Stelle nach
einer rohen Messung in 8 Meter Höhe über der Bank a. Sie ist
ebenfalls ein nur schwaches, 0,24 Meter mächtiges, gelbgefärbtes
Bänkchen, dessen Färbung hier jedoch weniger von Oolithkörnern,
als von einem Eisengehalt herrührt, welcher in Form von Punkten,
Flecken und Strichen darin vertheilt ist.
Die Identität dieser Bänkchen mit den Schaumkalkbänken a
und ß lässt sich auch hier leicht an dem Vorkommen des gelben
40
W. Fkantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Kalklagers in dem Mittel zwischen beiden Bänken und ferner an
der regelmässigen Folge der übrigen Bänke in höherem Niveau
nachweisen. Auch hier erscheinen an dem Abhang über der
Oolithbank « und ß in den gewöhnlichen Abständen die Spirifer
fragilis-Bank, die beiden Terebratelbänke und auf dem östlichen
Kopf des kahlen Burgbergs, neben welchem ein Waldweg nach
Norden aufwärts führt, auch die unterste Schaumkalkbank.
Man sieht an diesem Profile, dass auch in der Section Berka
die Gliederung des Wellenkalks dieselbe ist, wie überall in der
Umgebung des Thüringer Waldes.
ü O O
In der Nähe des Burgberges habe ich übrigens etwa 10 bis
15 Minuten weiter aufwärts an der westlichen Seite des Langen
Thals an einer Felswand den ausserordentlich seltenen Fall fest-
stellen können, dass eine der beiden Bänke a und ß an zwei nahe
bei einauderliegenden, räumlich sehr beschränkten Stellen wirklich
vollständig fehlte.
2. Die Schaumkalkzone 7 oder die Zone der Bänke mit
Terebratula vulgaris.
Bekanntlich haben diese Bänke ihren Namen »Terebratelbank«
nach dem Reichthum an Terebratula vulgaris erhalten, welche
Versteinerung im Wellenkalk in grösster Menge und weitester
Verbreitung nur in dieser Region gefunden wird.
Herr Bornemann hält jedoch die Gleichstellung der Terebrateln-
führenden Bänke im Wellenkalk für unstatthaft, weil er auch in
anderen Bänken des Wellenkalks, als in denen der Zone y der-
artige Muscheln gefunden hat und gestattet sich dabei von einer
Schablone zu reden1), nach welcher E. E. Schmid in Thüringen
seine Kartenaufnahmen gemacht haben soll, indem von ihm Tere-
bratelbänke gezeichnet worden seien, »wenn auch manchmal die
Terebrateln ganz fehlten«.
Diesen Angriff auf die Verwendbarkeit der Terebratula vulgaris
für die Gliederung im Wellenkalk halte ich für ebenso ungerecht-
fertigt, wie den Ausfall auf Schmid, welcher mit vollem Recht
l) a. a. 0. S. 314.
des untereD Muschelkalks in einem TheHe von Thüringen etc.
41
die Wichtigkeit dieser Muschel für die Bestimmung der Bänke
des Wellenkalks betont. Was Herr Bornemann dagegen vorbringt,
sind auch nur rein theoretische Betrachtungen , da er keinen
einzigen Fall anzugeben weiss, in welchem in Folge der Benutzung
des Vorkommens der Terebratula vulgaris, sei es durch Schmid,
sei es durch Andere, ein Irrthum in der Bestimmung der Bänke
vorgekommen wäre.
Die grosse Bedeutung der Terebratula vulgaris für die Orien-
tirung im Wellenkalk, welche in dem fast ausschliesslichen Vor-
kommen derselben in der Schaumkalkzone 7, in der weiten Ver-
breitung dieser Muschel und in der Massenhaftigkeit ihres Vor-
kommens begründet ist, geht dadurch nicht verloren, dass hie und
da in den Terebratelbänken diese Muscheln selten werden. Wenn
sie auch einmal verschwinden, so tauchen sie doch bald wieder
in Menge darin auf; so auch in der Eisenacher Gegend, wo ich
am Wisch bei Kreuzburg, ebenso wie an anderen Orten oft stunden-
lang in den Terebratelbänken nach ihnen vergebens gesucht habe,
während sie gegenüber, am anderen Ufer der Werra, am Brücken-
berge darin in Menge liegen.
Ebenso wenig kann es den Werth der Terebratula vulgaris
für die Orientirung wesentlich beeinträchtigen, wenn diese Muschel
als Seltenheit auch einmal in der Schaumkalkzone ö oder in der
Region unter den Terebratelbäuken auftaucht. Der Werth einer
Leitmuschel wird nicht lediglich durch das Vorkommen derselben
an sich, sondern viel mehr durch ihre weite Verbreitung und die
Menge bestimmt. Eine Seltenheit kann meines Erachtens gar
nicht Leitmuschel sein, eben weil man sie fast nie zu sehen be-
kommt, und sie darum nicht leiten kann. Terebratula vulgaris
ist aber eine Leitmuschel ersten Ranges, weil man sie an den
meisten Orten in den Terebratelbänken findet , oft so zahlreich,
dass sie, man kann fast sagen, in jedem Handstücke steckt,
während man sich Jahre lang, Tag für Tag, mit dem Wellenkalk
beschäftigen kann, ehe man ausserhalb der Terebratelzone auch
nur einen Splitter von dieser Muschel zu sehen bekommt.
Was übrigens die durch Herrn Bornemann bei Eisenach im
Wellenkalk angeblich ausserhalb der Zone 7 aufgefundenen Tere-
42
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
bräteln angeht, so sind sie sehr wenig geeignet, die Ansichten
desselben zu unterstützen. Ihre Zahl ist so gering, dass er sie
einzeln herzählen kann. Es steht ferner von einem Theile der-
selben gar nicht fest, aus welchem Niveau sie herrühren, ob sie
nicht vielleicht theilweise aus der Zone 7 selbst stammen, oder ob
sie, was mir sehr wahrscheinlich erscheint, nicht grösstentheils zu
Terebratula Ecki gehören.
Wie bereits oben angegeben wurde, besteht die Abtheilung y
aus zwei durch gewöhnlichen blauen Wellenkalk getrennten
Schaumkalkbänken, welche so nahe bei einander liegen, dass man
sie zu einer einzigen Zone vereinigt hat. Der Abstand der Bänke
von einander ist erheblich kleiner, wie derjenige der Bänke a
und ß, so dass sie sich daran leicht von diesen ähnlich aussehenden
Bänken unterscheiden lassen. Beide Bänke sind recht constant;
doch geht die obere Bank in manchen Gegenden nicht selten in
oolithfreien oder oolitharmen, ebenflächigen Kalkstein über.
Bei Jena sind die beiden Terebratelbänke schaumig; die
untere Bank ist nach Schmid 5 bis 6 Fuss, die obere 21/2 bis
4 Fuss dick. Ihre Entfernung von einander beträgt hier nur
3 bis 4 Fuss und wird an anderen Orten an der Ostseite des
Thüringer Waldes hie und da noch etwas geringer.
An der Westseite dieses Gebirges, in der Gegend von
Mein in gen, ist die Entfernung der beiden Bänke von einander
erheblich grösser, wie an der Ostseite desselben. Sie beträgt
ziemlich constant 21/2 bis 3 Meter.
Die untere Bank ist hier durchschnittlich dicker, wie die
obere ; meistens hat sie gegen 3/4 bis 1 Meter Mächtigkeit, schwillt
jedoch bei Dreissigacker bis zu 1,63 Meter an. Die obere Bank
hat bei Meiningen gewöhnlich nur eine Mächtigkeit von 0,4 bis
0,6 Meter.
Die untere Terebratelbank ist in dieser Gegend ein ziemlich
gelb gefärbter Oolithkalk, in welchem die Oolithkörner, die häufig
etwas zerfressen sind, gewöhnlich nur in mässiger Menge und lange
nicht so zahlreich erscheinen, wie in der Oolithbank ß. Die obere
Bank ist zuweilen ebenfalls oolithisch, aber an den meisten Stellen
des unteren Muschelkalks in einem Tlieile von Thüringen etc.
43
bestellt sie hier nur aus oolithfreiem , gewöhnlichen Kalkstein,
welcher wie die untere Bank reich ist an Terebrateln und ferner
auch sehr reich an grossen, weissen Encrinitenstielen, an letzteren
viel reicher wie die untere.
In dieser Gegend findet man übrigens Terebratula vulgaris
zuweilen auch wohl in einem Petrefactenbänkchen, welches in etwa
1 Meter Abstand über der oberen Terebratelbank vorkommt.
In der Puldaer Gegend fand ich bei den Schürfarbeiten
in der Nähe des projectirten Eisenbahntunnels an der Oberbern-
hardser Höhe im Mambachgrunde die Terebratelzone genau so
zusammengesetzt, wie bei Meiningen.
Die untere Terebratelbank ist auch hier eine gelbe, oolithische
Bank mit zahlreichen gelben Oolithköruern. Ihre Mächtigkeit be-
trägt gegen 3/4 bis 1 Meter.
Die obere Terebratelbank ist, wie bei Meiningen, fast ganz
frei von Oolithkörnern und ist auch hier durch den Reichthum
an Terebrateln und an grossen weissen Encrinitenstielen ausge-
zeichnet.
In einem dieser Schürfe war die Bank in zwei Packen ge-
theilt. Die Unterbank war 0,68 Meter, der Oberpacken 0,12 Meter
dick. Das Liegende war, wie gewöhnlich, blauer, ebenflächiger
Kalkstein von 0,65 Meter Mächtigkeit.
Die Mächtigkeit der ganzen Terebratelzone von der Unter-
kante der unteren bis zur Oberkante der oberen Terebratelbank
wurde hier an einer Stelle genau gemessen und auf 6,21 Meter
bestimmt.
In den Sectionen Eisenach, Kreuzburg, Netra, Treffurt
und Berka sind ebenfalls überall 2 Terebratelbänke vorhanden,
welche etwa in derselben Entfernung aus einander liegen, wie bei
Meiningen. Beide Bänke sind schaumig oder oolithisch; jedoch
enthalten sie in diesen Gegenden gewöhnlich zahlreiche Streifen
und Lagen von oolithfreiem, blauem Kalk. Der letztere ist von
ähnlicher Beschaffenheit, wie derjenige, welcher das Liegende der
Schaumkalkbänke zu bilden pflegt. Er zeigt häufig eine zackige,
rauhe Oberfläche, mit welcher er in die schaumigen Lagen ein-
44
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
greift, so dass beide Gesteinsarten sehr innig mit einander ver-
bunden erscheinen.
Dieser blaue Kalk enthält besonders dann, wenn die Lagen
dicker werden, häufig eigenthümliche, etwa fingerdicke Löcher,
welche das Gestein unregelmässig, aber doch meistens senkrecht,
durchziehen und welche theils leer, theils mit ockerfarbigem Kalk
ausgefüllt sind (Löcherkalk).
Besonders häufig und charakteristisch findet man diese Löcher
in der Umgegend von Eisenach in einer dicken Lage von blauem
Kalk, welche das Hangende der unteren Terebratelbank bildet.
Sie pflegt mit ihr so fest verwachsen zu sein, dass man diesen
Löcherkalk von der Bank hier nicht trennen kann.
Dieser Löcherkalk kommt besonders dann zur Geltung, wenn
sich die Terebratelbänke über grössere Flächen ausbreiten, wie
dieses z. B. auf dem Plateau östlich von Wolfmannsgehau in der
Section Kreuzburg der Fall ist. Man sieht dann das wunderlich
aussehende, von den Bauern aus den Feldern gehobene Gestein
zuweilen in zahlreichen Haufen auf den Feldern und in den
Wegen.
Bei Meiningen kommt derartiger Kalk nur in geringen Spuren
vor. Es finden sich dort zuweilen derartige, aber meist viel
engere Löcher in dem blauen Kalk unter der unteren Terebratel-
bank und unter der Oolithbank ß. In der Umgegend von Eise-
nach aber tritt derselbe so beständig in den Terebratelbänken,
namentlich in den unteren, auf, dass man ihn zum Wiedererkennen
derselben benutzen kann. Allerdings darf dies nur mit Vorsicht
geschehen, indem er dort auch wohl in Verbindung mit anderen
schaumigen Bänken vorkommt, so in der Schaumkalkzone o unter
der unteren Bank. Man beobachtet ihn an dieser Stelle z. B. auf
dem Plateau östlich von Wolfmannsgehau. Indessen ist sein Vor-
kommen ausserhalb der Terebratelzone viel seltener; auch pflegt
ausserhalb derselben der Löcherkalk weniger charakteristisch aus-
gebildet zu sein, so dass ich im Allgemeinen dem Urtheile
Sciimid’s über die grosse Bedeutung dieses Löcherkalks für die
Identificirung der Terebratelbänke, allerdings mit obiger Ein-
schränkung, beistimme.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
45
Wenn Herr Bornemann j), der demselben diese Bedeutung
abspricht, in seiner Abhandlung sagt, dass man den Löcherkalk
in jedem grösseren Steinbruche finden könne, so ist das sicher
eine viel grössere Uebertreibung, wie die, welche er an dem Aus-
spruche Sciimid’s tadelt.
Als Beispiel von der Zusammensetzung der Terebratelzone
in dieser Gegend gebe ich, da in anderen Orten die Verhältnisse
ganz ähnliche zu sein pflegen, lediglich eine Messung vom Zickels-
berge bei Hörschel unweit Eisenach, wo alte Steinbrüche auf der
Höhe des Berges gute Aufschlüsse gewähren.
Die obere Terebratelbank besteht daselbst von oben nach
unten aus folgenden Schichten:
1) 0,20 Meter Schaumkalk; die Oberfläche desselben ist
sehr uneben;
2) 0,01 » Mergel;
3) 0,13 » Schaumkalk;
4) 0,01 » Mergel;
5) 0,12 » Schaumkalk;
6) 0,18 » blauer Kalk in 6 Lagen, jede mehrere
Centimeter dick;
7) 0,15 » blauer Kalk, unten wulstig, nach oben hin
an einigen Stellen oolithisch;
8) 0,03 » mergeliger Kalk;
9) 0,16 » blauer Kalk, der stellenweise unten mässig
schaumig wird. In diese schaumigen
Partien greift der übrige blaue Kalk von
oben her zackig ein;
10) 0,03 » Mergelstreifen;
11) 0,20 » Schaumkalk , welcher hier und da kleine,
parallel mit der Schichtung liegende,
platte, Flussgeröllen ähnliche, blaue Kalk-
steinchen einschliesst;
*) a. a. O. S. 318.
46
W. Feantzen, Untersuchungen über die Gliederung
12) 0,09 Meter blauer, etwas conglomeratischer Kalk mit
zackigen Schichtflächen. Er ist nach
oben zackig mit dem Schaumkalk ver-
wachsen ;
13) 0,23 » feste, blaue Kalklage, die ebenfalls mit
No. 12 zackig verbunden ist;
14) 0,06 » fester, blauer Kalk, oben zackig und rauh;
15) 0,06 » Schaumkalk;
16) 0,10 » blauer Kalk, oben und unten zackig;
17) 0,18 » Schaumkalk;
18) 0,36 » fester, nach oben mit dem Schaumkalk
zackig verwachsener, blauer Kalk, der hier und da von Löchern
durchzogen ist (Löcherkalk).
Die Addition dieser grossen Menge von einzelnen Lagen,
deren Zahl und Mächtigkeit übrigens schon in dem Steinbruche
selbst stark variiren, ergiebt eine Mächtigkeit der oberen Tere-
bratelbank von 2,30 Meter. Der Schaumkalk der Bank ist mehr
oder weniger stark porig und durch Ausscheidung von etwas
Eisenoxydhydrat an den Wandungen mancher Poren ein wenig
gelblich gefärbt.
An Versteinerungen fand ich bei längerem Suchen viele Stiele
von Encrinus , auch von Pentacrinus , sparsam Dentalium laeve , von
Terebratula vulgaris bloss 2 Exemplare, 1 Exemplar von Spirifer
hirsutus , mehrere Exemplare von Nucula Goldfussi und einige
Gastropoden. Bemerkenswerth ist es, dass sich auch ein recht
schönes Exemplar von Myophoria orbicularis vorfand.
Unter der oberen Terebratelbank folgt bis zur obersten Lage
Schaumkalk in der unteren Terebratelbank eine 3,40 Meter mächtige
Ablagerung, welche im Einzelnen, von oben an, wie folgt zu-
sammengesetzt ist:
1) 1,50 Meter Wellenkalk, welcher nur wenig wellig ist
und in 0,4 Meter unter der oberen Tere-
bratelbank einige Strafen mit Neigung
o o o
zu schräger Schieferung enthält;
2) 0,18 » Wellenkalk, welcher stellenweise schräge
Absonderung zeigt;
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
47
3) 0,34 Meter conglomeratischer Wellenkalk;
4) 0,80 » schwach wulstiger Wellenkalk;
5) 0,58 » harte, blaue, etwas knollig und wulstig
erscheinende Kalklage. Es ist dies die in der Eisenacher Gegend
weit verbreitete an anderen Orten als Löcherkalk ausgebildete
Lage, die mit der unteren Terebratelbank gewöhnlich fest ver-
wachsen ist und daher auch zu dieser gerechnet werden kann.
Die unter diesen Schichten liegende untere Terebratelbank
besteht am Zickelsberge von oben nach unten aus folgenden
Schichten :
1) 0,30 Meter Schaumkalk;
2) 0,40 » blauer, fester Löcherkalk;
3) 0,24 » Schaumkalk;
4) 0,02 » blauer, fester Kalk;
5) 0,08 » Schaumkalk;
6) 0,04 » blauer, fester Kalk;
7) 0,04 » Schaumkalk;
8) 0,03 » blauer, fester Kalk;
9) 0,40 » Schaumkalk mit Schnüren von blauem,
zackig mit dem Schaumkalk verbundenem
Kalk;
10) 0,05 » blauer Kalk;
11) 0,07 » desgleichen;
12) 0,55 » gelber Schaumkalk.
Die Gesammtmächtigkeit der unteren Bank beträgt also
2,22 Meter, die Gesammtmächtigkeit der ganzen Terebratelzone
nach obigen Angaben 7,92 Meter.
In dem Profile des Kirchthals bei Eichrodt wird die
untere Terebratelbank durch die von Herrn Bornemann mit u.
und v, die obere durch die mit tt und iri bezeichneten Schichten
vertreten.
48
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Beide Bänke sind, ähnlich wie am Zickelsberge, aus ver-
schiedenen Lagen Schaumkalk oder Oolithkalk und aus blauem,
oolithfreiem oder oolitharmem Kalkstein zusammengesetzt, die so
innig mit einander verwachsen sind, dass man sie garnicht von
einander trennen kann. Es ist lediglich Willkür, wenn Herr
Bornemann, wie es scheint, seiner Theorie von der verschiedenen
Entstehung der Schaumkalke und der Pseudooolithe zu lieb, die
schaumigen und oolithischen Lagen |x und v von einander trennt;
wenn er ferner die obere Terebratelbank als eine durch Verwit-
terung »braun« gewordene Bank bezeichnet, obwohl sie, ebenso
wie die untere Bank, ganz deutlich eine oolithische oder schaumige
Beschaffenheit erkennen lässt und wenn er nur einem Streifen der
unteren Bank ganz einseitig den Namen »Terebratelbank« beilegt,
der oberen Bank tt -j aber nicht, obwohl er selbst die für diese
Bank so bezeichnenden Spiriferen und auch die Terebratula vul-
garis als Versteinerungen daraus anfuhrt.
Die Angabe des Herrn Bornemann l), seine Bank p des
Kirchthals, die untere Terebratelbank, sei erfüllt von den in
anderen Gegenden weit höher liegenden Schaumkalk - Petrefacten,
lasse ich zunächst auf sich beruhen Ich werde weiter unten bei
der Untersuchung der Schaumkalkzone b darauf zurückkommen.
In seiner Abhandlung hat sich Herr Bornemann mehrfach
auch auf Verschiedenheiten in der Zahl der Schaumkalkbänke in
der Zone in den von den Herren Eck, Giebelhausen und
v. Seebacii bearbeiteten Blättern Worbis, Bleicherode, Hayn,
Nieder-Orschla, Gr. Keula und Immenrode berufen. Die
Gliederung der Terebratelzone ist aber auch in diesen Sectionen
keine andere, wie bei Eichrodt. Wenn der eine dieser Schrift-
steller eine grössere Anzahl von Schaumkalkbänken in der Zone 7
angiebt, als der andere, so liegt dies zum Theil nur an der Ver-
schiedenheit in der Ausdrucksweise, nicht an einer wesentlichen
Verschiedenheit in der Zahl der Bänke. Die Abweichungen in
der Zählung rühren daher, dass in jenen Sectionen zuweilen die
!) a. a. 0. S. 303.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
49
oben aus der Eisenacher Gegend von mir beschriebenen Mittel von
blauem Kalk in der unteren Terebratelbank einige Fuss mächtig
werden. In solchen Fällen haben die Autoren aus der einen
Bank wohl 2 oder 3 Bänke gemacht.
Durch derartige Veränderungen in der Zusammensetzung
wird aber eine Ablagerung keine andere, als sie früher war. Die
verschiedenen »Bänke« haben sich in derselben Zeit gebildet, in
welcher anderswo die einheitliche Bank entstand und sind also
geologisch mit ihr vollkommen identisch.
Am klarsten lässt sich die Uebereinstimmung der Terebratel-
zone der Meininger und Eisenacher Gegend mit den Bänken der
dritten Schaumkalkzone in den Mittheiluugen des Herrn Giebel-
Hausen in dem Erläuterungshefte zu Blatt Gr. Keula erkennen.
Er beschreibt die untere Terebratelbank als eine 6 Fuss
mächtige, schaumige Ablagerung mit unregelmässigen, knotigen
Wellenkalkplatten, welche röhrenförmige Löcher zeigen, gerade
so, wie sie auch bei Eisenach in der unteren Bank gefunden
werden. Die obere Bank ist 2^2 Fuss dick und von der unteren
Bank durch ein Wellenkalkmittel von 8 Fuss Mächtigkeit ge-
schieden. Die Lage der Bänke in fast genau demselben Abstande
von der zweiten Schaumkalkbank und der vierten Schaumkalk-
zone, die Uebereinstimmung in der Beschaffenheit und dem Ab-
stande der beiden Bänke, alles dies stimmt so genau mit den
Verhältnissen der Zone *( bei Meiningen und Eisenach überein,
dass über die Identität dieser beiden von Giebelhausen beschrie-
benen Bänke mit der unteren und oberen Terebratelbank kein
Zweifel bleiben kann.
Die untere Bank schwillt nun, indem sie Einlagerungen von
blauem Kalk aufnimmt, in den benachbarten Sectionen stellen-
weise zu ungemein grosser Mächtigkeit an, nach den Mittheiluugen
Eck’s a) bis zu lU/2 Fuss.
Dass die drei von Eck angeführten Schaumkalkbänke in der
That nichts sind, wie die Repräsentanten der unteren Bank, lässt
sich ganz klar aus den genauen Mittheiluugen dieses Schrift-
Ei. Eck, Erläuterungen zu Blatt Immenrode.
Jahrbuch 1887.
4
50
W. Fran'tzen, Untersuchungen über die Gliederung
stellers über die Beschaffenheit der Zwischenmittel erkennen. Er
beschreibt sie sämmtlich als Löcherkalk, der nach meinen Er-
fahrungen nur in Verbindung mit den Schaumkalkbänken vor-
kommt, nicht aber selbstständige Lager bildet, die etwa hier den
Wellenkalk zwischen diesen Bänken vertreten könnten.
Uebrigens beweist, nebenbei bemerkt, das Vorkommen dieser
Löcherkalke, welche von allen drei genannten Autoren aus der
Terebratelzone angeführt werden, dass sie für die Identificirung
der Zone 7 doch nicht so unwichtig sind, wie Herr Bornemann
glauben machen will. Sie kommen nach E. Cartiiaus *) sogar
noch an der östlichen Grenze Westfalens in denselben Bänken
vor und »fehlen dort durchaus in den höher gelegenen echten
Schaumkalkbänken«.
Die obere Terebratelbank wird von TI. Eck in den Erläute-
rungen zu Blatt Immenrode allerdings nicht erwähnt. Daraus
folgt noch nicht, dass sie dort nicht vorhanden ist; es ist vielmehr
wahrscheinlich, dass sie auch dort vorkommt und nur deshalb von
ihm nicht unter den Schaumkalkbänken aufgeführt worden ist,
weil sie daselbst vielleicht nicht aus Schaumkalk, sondern wie bei
Meiningen aus blauem Kalk besteht. Jedenfalls ist die obere
Terebratelbank wie in der Section Gross -Keula, auch in der
benachbarten Section Worbis vorhanden, wo sie von Herrn
v. Seebach * 2) als Deckplatte« der unteren Bank, die durch 6Fuss
Wellenkalk von den übrigen Schichten getrennt ist, erwähnt wird.
Seltsam berührt es, dass Herr Bornemann 3) ein Steinbruch-
profil aus dem Ohmgebirge bei Worbis veröffentlicht, aus welchem
deutlich genug die Liebereinstimmung der Verhältnisse in der
ö O O
Zone 7 dort und bei Meiningen hervorgeht und doch diese Ueber-
einstimmung in Abrede stellt.
Die Lage von 0,34 Meter, deren Schaumkalknatur Herr
Bornemann selbst erwähnt, ist augenscheinlich die obere Tere-
bratelbank, unter der eine 1,25 Meter dicke Ablagerung von
') E. Carthaus : Mittheilungen über die Triasformation im nördlichen West-
falen und in einigen angrenzenden Gebieten. 1886, S. 28 ff.
2) Erläuterungen zu Blatt Worbis, S. 8.
3) a. a. 0. S. 311.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
51
blauem Kalk liegt, ganz so, wie man dies auch anderswo findet.
Dann kommt abwärts eine Wellenkalkablagerung von 5,20 Meter
Mächtigkeit und endlich die 2,20 Meter mächtige untere Tere-
bratelbanlc, deren Liegendes von einer 0,7 Meter dicken blauen
Kalkschicht gebildet wird.
Unrichtig ist es, wenn Herr Bornemann angiebt, die von
mir oben mit der Terebratelbank identificirte 0,34 Meter mächtige,
schaumige Bank sei die von v. 8eebach in den Erläuterungen
zu Blatt Worbis als vierte Schaumkalkzone angegebene Schicht.
Letztere liegt- in jener Gegend nach den übereinstimmenden An-
gaben aller Schriftsteller 50 Fuss über der Zone y und nicht bloss
ein Paar Meter. Die durch Herrn Bornemann erwähnte Bank
ist die »Deckplatte« des Herrn v. Seebach, von deren Zuziehung
zur Schaumkalkzone o derselbe ausdrücklich warnt J).
3. Die Schaumkalkzone o und die Orbicularis-Schichten.
Die oberste Abtheilung des Wellenkalks ist diejenige, über
welche die Mittheilungen der Schriftsteller am meisten von ein-
ander abweichen, sowohl in Bezug auf die Anzahl der Schaum-
kalkbänke, als auch in Hinsicht auf die Mächtigkeit der Orbicu-
laris-Schichten.
Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass auch in dieser
Abtheilung des unteren Muschelkalks weithin in Thüringen eine
viel grössere Uebereinstimmung herrscht, als man nach den Mit-
theilungen der Autoren annehmen sollte und gefunden, dass die
angeblichen Abweichungen nicht selten auf irrthümlicher Auf-
fassung der Verhältnisse beruhen.
Eine sehr gewöhnliche Veranlassung zu Verwechselungen liegt
darin, dass man sich in der Umgebung des Thüringer Waldes zu
sehr daran gewöhnt hat, den unteren und mittleren Muschelkalk
in einem und demselben Gewände zu sehen, jenen als eine Ab-
lagerung harter, blauer, schieferiger und wulstiger Wellenkalke,
diesen als lichte Mergel mit Einlagerung von Zellenkalken und
krystallinischen »Dolomiten«. In manchen Gegenden Thüringens
*) Erläuterungen zu Blatt Worbis, S. 8.
4*
52
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
und Hessens nehmen jedoch die obersten Schichten des unteren
Muschelkalks ebenfalls lichte Färbung an, werden mergelig oder
gelb und zugleich mehr oder weniger krystallinisch, nach Art der
Dolomite, so dass sie in ihrem äusseren Aussehen den Gesteinen
des mittleren Muschelkalks sehr ähnlich werden.
Bei der Abgrenzung der obersten Schichten des Wellenkalks
gehe ich von den Verhältnissen bei Meiningen aus, um hei der
Vergleichung einen ganz bestimmten Maassstab zu haben. Es ist
dies um so mehr thunlich, als die Lage der Grenze, wie sie von
anderen Autoren, wie von Eck bei Rüdersdorf und von Sandberger
hei Würzburg, also in weit entfernten Gegenden gezogen ist, mit der
Lage der oberen Grenze des unteren Muschelkalks gut übereinstimmt.
In der Umgegend von Meiningen gliedert sich die oberste
Abtheilung des Wellenkalks in die Schaumkalkzone 5 hier, wie
in einem grossen Theile Thüringens, der Schaumkalk xcct äcoyyjv
und in die kleine Abtheilung der Orbicularis-Schichten.
Die Schaumkalkzone o enthält bei Meiningen 3 Schaumkalk-
bänke, die untere, mittlere und obere Schaumkalkbank. Sie sind
bei Dreissigacker durch Wellenkalkmittel von 3,52 und 2,40 Meter
Mächtigkeit von einander getrennt.
Die untere Bank hat bei Meiningen durchschnittlich eine
Dicke von 1,5 bis 2 Meter, die mittlere von 0,4 bis 0,6 Meter,
die obere von 0,5 bis 0,7 Meter.
Petrographisch unterscheiden sich die Bänke dadurch, dass
die unterste Bank gewöhnlich sehr licht gefärbt ist, während die
obere eine viel dunklere, bräunliche, bräunlich-gelbliche bis dunkel-
braune Färbung zeigt.
O O
Die mittlere Bank ist gewöhnlich aus vielen Lagen zusammen-
o o
gesetzt, die theils aus Schaumkalk, theils aus gewöhnlichem Kalk
bestehen. Es ist. für dieselbe recht bezeichnend, dass sie häufig
zahlreiche kleine Rollsteinchen einschliesst, welche zwar viel kleiner,
aber sonst den Rollsteinen der Flüsse recht ähnlich sind. Der-
artige Gerolle kommen zwar auch wohl in anderen Schaumkalk-
bänken vor, namentlich auch in der oberen Schaumkalkbank der
Zone 6, aber doch gewöhnlich nicht in solcher Zahl und nicht so
häutig. In der mittleren Bank fand ich sie auch in anderen
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen ctc.
53
Gegenden weit verbreitet, so dass man diese Eigentümlichkeit
zur Unterscheidung der Bänke mit verwerten kann.
In gleicherweise kann man auch das Vorkommen von dünnen
Wellenkalklagen mit eigentümlicher schräger Schieferung be-
nutzen. Derartige Schichten fehlen zwar in keiner Abteilung
des Wellenkalks, sind aber nirgends so häufig und beständig, wie
in dem Mittel zwischen der mittleren und oberen Schaumkalkbank
und in den Orbicularis-Schichten.
In letzteren sind bei Meiningen in verschiedener Höhe an
vielen Orten 2 bis 3 derartige Lagen vorhanden, die hier bis
0,24 Meter Dicke erreichen und dickschieferige Structur besitzen,
während sehr häufig hart über der mittleren Schaumkalkbank eine
ganze Reihe, bis zu 8 derartige Schichten Vorkommen. In diesem
Niveau sind sie gewöhnlich viel dünner wie in den Orbicularis-
Schichten, und der geringeren Dicke entsprechend feinschieferiger.
Bei den Petrefacten macht sich von der untersten Schaum-
kalkbank nach oben hin eine allmähliche Verarmung der Schichten
an Versteinerungen bemerkbar, welche ich der allmählichen Zu-
nahme des Salzgehaltes des Meeres zuschreibe.
Die unterste Schaumkalkbank in der Zone o ist eine der
petrefactenreichsten Bänke des ganzen Wellenkalks, sowohl was
die Arten, als was die Individuen anlangt. Unter allen am häu-
figsten sind Stiele von Encriniten, die bei Meiningen in der oberen
Bank fehlen. Ausserdem stellen sich in dieser Bank zuerst zwei
Arten von Petrefacten in grosser Menge ein, welche für die ganze
Schaumkalkzone o in Thüringen sehr charakteristisch sind, die
häufig mit der Gervillia costata zusammen geworfene Gervillia
Goldfussi und die Myophoria orbicularis.
Beide Arten zählt auch Sandberger ’) unter den für die
Schaumkalkzone o bei Würzburg charakteristischen Versteinerungen
auf und bezeichnet derselbe erstere als häufig. Von letzterer wird
ausdrücklich hervorgehoben, dass sie bei Würzburg erst in dieser
Region auftrete.
L) F. Sandberger: Die Gliederung der Würzburger Trias und ihrer Aequi-
valente.
54
W. Fkantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Bei Meiningen und Eisenach geht die Myophoria orbicularis
allerdings etwas tiefer abwärts, da sie in der erstgenannten Gegend
von mir bereits in der Petrefactenbank mit Spiri/er liirsutus , etwa
1 Meter über der oberen Terebratelbank gefunden wurde, während
sie bei Eisenach auch schou in der Terebratelzone vorkommt. In-
dessen ist sie hier wie dort in dieser Region nur selten und keines-
wegs ein Leitfossil.
In der oberen Schaumkalkbank haben die Petrefacten an
Arten sehr abgenommen. Sehr oft findet man in ihr fast nichts
anderes, als Myophoria orbicularis und Gervillia Goldfussi , diese
beiden Arten jedoch in grösster Menge bei einander. Zuweilen
treten auch wohl noch andere Myophorien, besonders Myophoria
vulgaris und laevigata und ausserdem einige kleine Gasteropoden
hinzu.
In der Orbiculariszone verschwinden die Muscheln bis auf
eine einzige Art, die Myophoria orbicularis, die dicht gedrängt
neben einander liegend, hier dünne Schichten gänzlich anfüllt.
Neben diesen Muscheln finden sich sonst nur noch Reste von
Sauriern, wie Rippen, aber nicht häufig.
Die obere Grenze des Wellenkalks «■egen den mittleren
Muschelkalk ist bei Meiningen gewöhnlich leicht zu ziehen, da an
den meisten Orten die Orbicularis-Schichten an ihrer allerdings nur
schwach welligen Beschaffenheit, an der blauen Färbung des Ge-
steins und an der Härte, durch welche Eigenschaften sie sich
ganz an den Wellenkalk anschliessen, sich leicht von den darüber
liegenden ebenflächigen, weichen, lichten und bei Meiningen gänz-
lich petrefactenleeren Mergeln des mittleren Muschelkalks unter-
scheiden lassen. Die Trennung wird überdies dadurch sehr er-
leichtert, dass sich sein' häufig an der Grenze eine etwa 1 Meter
mächtige Ablagerung von intensiv gelb gefärbtem Kalk, der obere
Ockerkalk v. Seebach s, einstellt, welcher als unterste Schicht des
mittleren Muschelkalks betrachtet wird.
Au einzelnen Stellen fehlt aber der gelbe Kalk und es er-
scheinen über der oberen Schaumkalkbank statt der blauen Schichten
dickplattige, mergelige Gesteine, welche petrographisch denen des
mittleren Muschelkalks ganz ähnlich sind.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
55
Eine derartige Stelle findet sich z. B. in dem Steinbruche
auf dem Plateau des Still an der Ostseite des Berges. Hier lagert
unmittelbar über der 0,60 Meter dicken oberen Schaumkalkbank
0,3 Meter hoch gelber Mergel, der an anderen Stellen in festeren
gelben Kalk übergeht und auch wohl Streifen von blauem Kalk
einschliesst. Diese Ablagerung enthält wenige Centimeter über
der oberen Schaumkalkbank einen Streifen mit schräger Schieferung.
Ueber dieser Schicht lagert bis zur Erdoberfläche, noch etwa
2 Meter hoch lichter Mergel, der etwa auf D/2 Meter Höhe diclc-
bänkig ist und Lagen bis zu 0,10 und 0,15 Meter bildet. Auch
in diesen dickbänkigen Mergeln bemerkt man hier und da in
0,7 Meter Höhe über der Schaumkalkbank einen etwas breiteren
Streifen, der ebenfalls, jedoch in geringerem Grade, schräge
Schieferung zeigt. Die mergeligen Platten zeigen beim Durch-
schlagen den erdigen Bruch der Mergel, lassen aber auf den von
den Sickerwassern benagten Klüften zuweilen die wellige Structur
des Wellen kalks erkennen.
Wie hier, liegen die Verhältnisse auch an einigen anderen
Stellen bei Meiningen, so auf dem Dreissigackerer Plateau.
Ich sehe diese mergeligen dickeren Platten unmittelbar über
der oberen Schaumkalkbank als ein Aequivalent der Orbicularis-
Schichten an und werde dazu hauptsächlich dadurch veranlasst,
dass die darin vorkommenden Lagen mit schräger Schichtung an
derselben Stelle erscheinen, an denen sie auch in den typischen
Orbicularis -Schichten Vorkommen und dass sie zuweilen ebenfalls
Mijoplioria orbicularis enthalten, wie auf dem Dreissigackerer
Plateau.
Die Orbicularis- Schichten haben bei Meiningen durchschnitt-
lich eine Mächtigkeit von 2 — 4 Meter.
Um weiterhin eine genaue Vergleichung der Gebirgsglieder
in der Nähe der Grenze zwischen dem unteren und mittleren
Muschelkalk durchführen und die Grenze überall gleichmässig
ziehen zu können, gebe ich hier auch noch das Profil der untersten
Schichten des mittleren Muschelkalks an.
Ueber dem etwa 1 Meter mächtigen gelben Kalk an der
Basis der mittleren Abtheilung, oder wenn er fehlt, über den
56
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederun;
dicken Mergelplatten, folgt eine Ablagerung gelber und lichtgrauer,
gewöhnlich leicht zu Erde zerfallender Mergel bis zu 6 oder 7 Meter
Dicke. Dann kommt an vielen Orten ein Zellenkalklager, welches
etwa 1 Meter Mächtigkeit erreicht und auch anderswo am Thüringer
Walde an dieser Stelle erscheint und ohne Zweifel der Auslaugung
von Gypslagern seine Entstehung verdankt. Ueber dem Zellen-
kalk liegt entweder unmittelbar oder durch eine bis zu 4 Meter
Mächtigkeit auschwellende Ablagerung von Mergel davon getrennt,
eine Reihenfolge von dicken, festen, grauen oder blauen, eben-
flächigen Kalkplatten. Sie erreichen bei Meiningen mindestens
4 Meter Mächtigkeit und sind in der Umgebung des Thüringer
Waldes allgemein verbreitet, an manchen Orten aber zuckerig
krystallisirt. Sie werden dann häufig als »Dolomite« angeführt,
obwohl sie dies nach ihrer chemischen Zusammensetzung oft
nicht sind.
(ranz so wie bei Meiningen fand ich auch bei Jena in der
Schaumkalkzone 3 3 Schaumkalkbänke, welche mit den 3 Bänken
bei Meiningen identisch sind.
Die von Wagner1) als untere Schaumkalkbank bezeichnete
1,24 Meter dicke Bank ist die untere Schaumkalkbank bei Mei-
ningen, während die 3,52 Meter höher liegende, von Wagner als
obere Schaumkalkbank bezeichnete, 0,20 Meter dicke Bank mit der
mittleren Schaumkalkbank bei Meiningen identisch ist. Der oberen
Schaumkalkbank der Meininger Gegend entspricht bei Jena die
von Wagner als Grenzschicht aufgeführte 0,54 Meter über der
oberen Schaumkalkbank Wagner s liegende 0,17 Meter mächtige
Bank, mit welcher derselbe den unteren Muschelkalk schliesst.
Dass dies richtig ist, lässt sich leicht durch eine Vergleichung
der sehr genauen Beschreibung der genannten Bänke durch
Wagner mit meinen obigen Mittheilungen über die Beschaffenheit
o o
der Schaumkalkbänke bei Meiningen feststellen.
Wagner giebt ausdrücklich an, dass die Grenzschicht etwas
schaumig sei und nennt als bestimmbare Reste daraus die Myophoria
orbicularis und die Gervillia costata , unter welcher Bezeichnung er
0 a. a. 0. S. 17.
des unteren Muschelkalks in einem Tkeile von Thüringen etc.
57
die GcrvilHa Goldfussi aufführt, also ganz dieselben Versteinerungen,
welche auch in Meiningen unter Ausschluss fast aller anderen
Petrefacten massenhaft in der oberen Bank vorhanden sind.
Auch die Beschreibung der »oberen Schaumkalkbanke des
WAGNER’schen Profils passt genau zur Beschreibung der mittleren
Schaumkalkbank von Meiningen. Sie ist bei Jena, ebenso wie bei
Meiningen, eine theils aus Schaumkalk, theils aus dichtem Kalk
zusammengesetzte Bank, in welcher auch bei Jena zahlreiche
flache Scherben dunkleren Kalkes« Vorkommen.
Nach der Zutheilung der , Grenzschicht zum unteren Muschel-
kalk würden in dem Wagner sehen Profile die Orbicularis-Sehichten
ganz ausfallen, was bei der sonstigen Uebereinstimmung des
Muschelkalks bei Jena mit demjenigen bei Meiningen Bedenken
erregen muss.
Es ist auch bereits von Herrn Wagner selbst ein Zweifel
gegen die Richtigkeit der Grenze zwischen dem unteren und mitt-
leren Muschelkalk bei Jena ausgesprochen und von ihm angegeben
worden, dass man die Grenze auch höher legen könne und zwar
über den bekannten Saurierkalk des Rauhthaies bei Jena.
Ich bin in der That der Meinung, dass letzteres geschehen
muss und dass nur das abweichende Aussehen des Saurierkalks
dazu verleitet hat, ihn vom unteren Muschelkalk abzutrennen.
Denn abgesehen von der etwas mergeligen Beschaffenheit dieser
Schichten und ihrer lichten Färbung’, welche man übrigens auch
anderswo in diesen Schichten beobachtet und welche, wie ich oben
ausgeführt habe, auch wohl bei Meiningen vorkommt, stimmen
die Verhältnisse derselben mit denen in anderen Gegenden sehr
gut überein.
An Versteinerungen enthält der Saurierkalk bei Jena die für
die Orbicularis-Schichten charakteristische Myophoria orbiculans in
grosser Menge. Sonst sind an Petrefacten hier ebenfalls nur noch
die Saurierknochen zu finden, die auch in anderen Gegenden in
diesen Schichten Vorkommen, allerdings lange nicht so zahlreich
wie bei Jena.
Auch die Schichtenfolge stimmt bei Jena, wenn man diese
Saurierkalke zum unteren Muschelkalk stellt, genau überein mit
58
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
der Gliederung in anderen Gegenden, besonders auch bei Meiningen
und Eisenach.
lieber den lichten Saurierkalken sieht man in dem Stein-
bruche beim Jägerhaus weiche, zu Erde zerfallende Mergel, die
oben eigentümlich geknickt und gebogen erscheinen, während der
unmittelbar darunter liegende Saurierkalk sich in horizontaler Lage
befindet. Das Vorkommen dieser Knickungen beweist, dass hier
über den Mergeln mächtigere Gypslager vorhanden waren, welche
durch Umwandlung des ursprünglich abgesetzten Anhydrits in
Gyps Druckerscheinungen hervorgerufen haben.
In etwas höherem Niveau tritt in dem Graben westlich von
dem Steinbruch ein mächtiges Lager von lichten, grauen Kalk-
platten hervor, welches von dem unteren Plattenkalklager im
mittleren Muschelkalk bei Meiningen sich nicht im geringsten
unterscheidet.
In den Sectionen bei Eisenach habe ich in der Schaumkalk-
zone 8 ebenfalls ganz die gleiche Gliederung und annähernd die-
selben Abstände der Schaumkalkbänke von einander gefunden, wie
bei Meiningen. Auch die Mächtigkeit der Orbicularis- Schichten
ist hier keine andere, wie anderswo in Thüringen und schwillt
keineswegs so ungeheuer an, wie Herr Bornemann1) behauptet.
Nur dadurch unterscheiden sich die Schichten der Zone 8 und
die Orbicularis- Schichten in diesen Gegenden von den gleichen
Ablagerungen südlich von Eisenach, dass nördlich vom Thüringer
Walde dieselben häufig in einem etwas anderen Gewände erscheinen
und sich in ihrem Habitus den Schichten des mittleren Muschel-
kalks nähern.
In der Section Eisenach kann man sich von der vollständigen
Uebereinstimmung der Schaumkalkzone o und der Orbicularis-
Schichten bei Eisenach mit den gleichen Schichten bei Meiningen
am besten an dem bereits früher von mir näher bezeichneten W ege
») a. a. 0. S. 317.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
59
am östlichen Abhang des Ramsberges neben der Strasse nach
Kreuzburg überzeugen.
Die untere Schaumkalkbank tritt in diesem Wege 2 Schritt
nördlich von der östlich neben dem Wege stehenden Kirschbaum-
reihe als eine 0,55 Meter mächtige Bank hervor. Das Gestein ist
hier oolithisch und in Folge eines geringen Eisengehaltes an dieser
Stelle ausnahmsweise etwas gelblich gefärbt, ähnlich wie die
Oolithbänke a und ß. Mit der gewöhnlichen lichten Farbe trifft
man sie in 34 Schritt vom WTege nach der Strasse hin, wo sie
bei dem siebenten Kirschbaum in einem kleinen Schürf aus dem
Boden hervortritt. Sie ist hier 0,63 Meter dick, aber nicht ganz
aufgeschlossen. Das Gestein ist theilweise schaumig, theilweise
sind die Oolithkörner, die dicht gedrängt an einander liegen, noch
erhalten.
Ueber dieser Bank folgen bis zur mittleren Schaumkalkbank
die nachstehend verzeichneten Schichten:
1) 0,14 Meter hartes, blaues Kalksteinbänkchen;
2) 0,38 » desgl. ;
3) 0,51 » desgl.;
4) 0,33 » desgl.;
5) 0,43 » zerbröckelnder Wellenkalk;
6) 1,00 » Wellenkalk, der etwas überrollt ist;
7) 0,60 grauer, etwas mürber Kalkstein in dickeren
Lagen von etwa 0,04 Meter Dicke.
Summa 3,39 Meter.
Die mittlere Schaumkalkbank, welche nun folgt, trifft man
da, wo sich der Weg nach Westen hin umbiegt. Sie ist ebenso
wie die oben erwähnten Lagen 6 und 7 nicht scharf messbar und
mag etwa 1 Meter mächtig sein. Das Gestein der Bank enthält
zahlreiche Exemplare von Myophoria orbicularis , ist etwas mürbe,
gelblichgrau gefärbt und steckt ebenso, wie an vielen Orten bei
Meiningen, voll von kleinen platten Rollstein eben. Es ist mässig
oolithisch oder schaumig-porös; doch ist die Textur etwas verwischt,
indem das Gestein etwas zuckerig-krystallinisch verändert ist.
Die Wellenkalkschichten zwischen der mittleren und oberen
Schaumkalkbank sind fast ganz durch Gras und Schutt verdeckt.
60
W. Fbantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Letztere tritt hinreichend deutlich in zahlreichen grösseren Stein-
brocken in 2 bis 3 Meter Höhe über der mittleren Bank hervor.
Das Gestein ist grau - gelblich gefärbt, ebenfalls etwas conglo-
meratiscli und tlieils oolithisch, theils feinporös.
Die Orbicularis- Schichten sind ziemlich gut aufgeschlossen.
Sie sehen hier ziemlich normal aus, sind blaugrau gefärbt, schwach
zuckerig und bestehen aus wenige Centimeter dicken Lagen. Ihre
Mächtigkeit beträgt etwa 5 Meter. Nach oben werden sie dünn-
schieferig, mürbe und gehen allmählich in die weichen Mergel des
mittleren Muschelkalk’ s über.
In der Section Kreuzburg ist die Uebereinstiinmung der
Schaumkalkzone o und der Orbicularis-Schichten mit den gleichen
Ablagerungen bei Meiningen und Jena an manchen Orten so gross,
dass ihre Unterscheidung keine Schwierigkeiten macht, während
sie anderswo so verändert erscheinen, dass man sie leicht mit
Gesteinen des mittleren Muschelkalks verwechseln kann.
Für solche hat sie Herr v. Seebach bei seiner Aufnahme des
Blattes auch mitunter gehalten. Die grünliche obere Schaumkalk-
bank wurde von ihm als Grenzschicht zwischen dem unteren und
mittleren Muschelkalk angesehen und zu der zuletzt genannten
Abtheilung gezogen.
Die Veränderungen, welche diese Schichten aufweisen, bestehen
darin, dass sie die gewöhnliche blaue Färbung verlieren und dafür
eine lichte oder gelbliche Farbe annehmen. Die Festigkeit des
Gesteins nimmt ab und die Structur desselben wird oft krystal-
linisch, ähnlich wie bei den zuckerigen Dolomiten, so dass diese
Gesteine in der Sonne etwas funkeln. Die krystalliuische Be-
schaffenheit tritt besonders deutlich an den mächtigen Schaum-
kalkbänken hervor, während sie bei den weicheren, dünneren
Zwischenlagen weniger scharf ausgeprägt ist oder ganz zurücktritt.
Ich zweifle nicht daran, dass ein Theil dieser Veränderungen,
namentlich die mergelige Beschaffenheit mancher Strafen, in einer
Aenderung der ursprünglichen Absätze seinen Grund hat; dagegen
halte ich die Bleichung der Gesteine zu einem grossen Theile
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
61
und ferner ihre krystallinische Structur für die Folge einer
Schichtenmetamorphose, welche die obere Abtheilung des unteren
Muschelkalks in Folge des Eindringens von Schlottenwasser aus
dem mittleren Muschelkalk bis zu mehr oder weniger grosser Tiefe
betroffen hat.
Man wird diese Wirkung sehr erklärlich finden, wenn man
die grossartigen Auslaugungsprocesse betrachtet, welche nördlich
vom Thüringer Walde, besonders in den Sectionen Kreuzburg,
Netra und Eisenach in den Schichten des mittleren Muschelkalks
stattgefunden haben.
Man erkennt dieselben sowohl an dem eigentümlichen Ver-
halten der Schichten des mittleren Muschelkalks in diesen Gegen-
den, als an der zerstörenden Wirkung, welche sie auf die Schichten
über dem mittleren Muschelkalk ausgeübt und welche früher Herrn
v. Seebach zu seiner Theorie von der Entstehung der Verwerfungen
und zum Theil auch der Erdbeben durch Auslaugung Veranlassung
O O O
gegeben haben.
Während gewöhnlich der mittlere Muschelkalk eine gleich-
mässige Mächtigkeit zeigt, schwillt diese Schichtenreihe in den
genannten Sectionen stellenweise auf 100 und mehr Meter an,
schrumpft aber nicht weit davon auf die Mächtigkeit von wenigen
Metern zusammen. Dabei ändert sich jedoch die Zusammensetzung
und Mächtigkeit der darüberliegenden Schichten, namentlich des
Trochitenkalks, nicht im geringsten.
Eine derartige Erscheinung lässt sich nur dadurch erklären,
dass man annimmt, dass die Mergel des mittleren Muschelkalks
an manchen Stellen durch sehr mächtige Salz- und Gypslager
ersetzt wurden, welche in Folge von Auslaugung durch das Wasser
grösstentheils wieder verschwunden sind.
Reste solcher Lager sind noch heute an vielen Orten in diesen
Gegenden vorhanden. Sie schwellen bis zu etwa 25 Meter Mäch-
tigkeit an und haben durch Umwandlung des Anhydrits in Gyps
dieselben Druckerscheinuugen hervorgerufen, welche man auch in
den Mergeln über dem Saurierkalk bei Jena beobachtet. Besonders
schön sieht man sie in dem Steinbruch bei Hörschel neben der
Kreuzungsstelle der Eisenbahn mit der Landstrasse. . Hier ist
62
W. Frantzes, Untersuchungen über die Gliederung
bei steiler Aufrichtung der Schichten durch den aufquellenden
Gyps fast die ganze Schaumkalkzone o bei Seite geschoben und
zerquetscht worden. Ein anderer bereits von Herrn v. Seebach
erwähnter Fundpunkt dieser Art ist der Gypsbruch anr »Spanischen
Reiter« bei Kreuzburg, in welchem man die in Folge der Pres-
sungen im Gypse entstandenen Zickzackbiegungen besonders schön
beobachten kann.
Dass diese Lager nur geringe Reste der ursprünglichen
Absätze sind, folgt aus der colossalen Zerrüttung, welche das
Deckgebirge, besonders in den Sectionen Netra und Kreuzburg
zeigt. Dasselbe ist oft gänzlich zusammengebrochen. Grosse
O ö O
Theile der hangenden Formationen und selbst Fetzen der Proto-
cardien- Schichten sind in die Schlotten eingesunken und werden
jetzt vom mittleren Muschelkalk umgeben nahe über dem ungestört
darunter liegenden Wellenkalk gefunden.
Es ist begreiflich, dass bei der langen Dauer dieses Aus-
laugungsprocesses auch die Unterlage, der Wellenkalk, in Mit-
leidenschaft gezogen werden musste. Die zunächstliegenden
Schichten wurden gebleicht und zum Theil in zuckerigen Kalk
verwandelt, Erscheinungen, welche man unter ganz ähnlichen
Verhältnissen auch im Zechsteiu und in der Nähe aufsteigender
Quellen vielfach beobachtet.
Ob auch Veränderungen in der chemischen Zusammensetzung
der Gesteine des unteren Wellenkalks etwa durch Zuführung von
kohlensaurer Magnesia bei diesem Processe vor sich gegangen
sind, muss ich dahin gestellt sein lassen, da ich dieselben in dieser
Richtung nicht untersucht habe.
Es ist natürlich, dass da, wo der mittlere Muschelkalk fast
ganz aus Gyps und Salz zusammengesetzt war, die Reaction gegen
das Deckgebirge und gegen die Unterlage intensiver sein musste,
als da, wo der Gyps durch Mergel mehr zurückgedrängt wurde.
Daraus erklärt sich zum Theil der Wechsel in der Beschaffenheit
der obersten Schichten des unteren Wellenkalks bei Kreuzburg
und Eisenach, die an dem einen Orte ziemlich typisch erscheinen,
an einer andern, nicht weit entfernten Stelle dagegen krystallinisch
geworden sind.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
63
Ein ziemlich normales Aussehen haben in der Section Kreuz-
burg die Schichten der Schaumkalkzone 3 und die Orbicularis-
Schichten in den Steinbrüchen , welche am oberen Rande des
Brückenberges über der Liboriuskapelle am rechten Werraufer liegen.
Geht man von dieser Kapelle ab den Weg nach Mihla, an
dem die Telegraphenleitung entlang führt, aufwärts und auf der
Höhe des steilen Abhangs bald hinter der Wegbiegung den ersten
Feldweg nach Süden, so trifft man links am Abhange etwas unter
dem oberen Rande desselben in einem kleinen Steinbruche die
untere Schaumkalkbank.
Sie ist in der südlichen Ecke des Bruchs vollständig auf-
geschlossen. Die Bank ist hier 0,90 Meter dick und enthält einige
Streifen von dichtem, blauen Kalk, welcher zackig in den Schaum-
kalk eingreift; ferner zahlreiche Stylolithen, welche auch anderswo
in derselben sehr gewöhnlich sind und im oberen Theile auch
zahlreiche grosse, runde Encrinitenstiele. Der Schaumkalk hat
hier die gewöhnliche lichte Färbung, ist nicht zuckerig und sehr
feinporig.
Nur wenige Schritt von dieser Stelle, ganz auf der Höhe,
trifft man hart neben der steilen Felswand des Werrathaies die
mittlere Schaumkalkbank in einem kleinen auf ihr betriebenen
Steinbruch. Sie ist hart daneben auch in einem kleinen Stein-
bruche an der Felswand aufgeschlossen.
Die Bank besteht hier aus einer einzigen, 0,48 Meter mächtigen
Lage. Das Gestein ist ein Gemenge von dunklem, nicht zuckerigem
Schaumkalk und von dichtem Kalk, welcher auch hier, wie bei
Jena und Meiningen, die charakteristischen Rollsteinchen enthält.
Auch die bei Meiningen unmittelbar über der mittleren Schaum-
kalkbank so häufig vorkommenden dünnen Wellenkalklagen mit
der eigenthümliclien schrägen Schieferung findet man hier wieder.
Es wurden von mir 4 derartige Streifen nahe übereinander beob-
achtet, jeder von etwa 5 Centimeter Dicke.
An Petrefacten fand ich in dem Bänkchen nur solche, die
auch in der unteren Schaumkalkbank häufig sind : Encrinitenstiele,
Myophoria vulgaris , orbicularis, laevigata und in grösserer Zahl
Gervillia socialis.
64
W. Frantzes, Untersuchungen über die Gliederun.
Die oberste, dritte Schaumkalkbank der Zone o ist weiter
nach Süden am oberen Rande der sich allmählich senkenden Thal-
wand in einer Reihe fortlaufender Steinbrüche aufgeschlossen. Das
Gestein der Bank ist hier ziemlich dunkel gefärbt, glitzert etwas
in der Sonne und enthält an Petrefacten wie die gleiche Bank bei
Meiningen, fast nur die Gervillia Goldfussi und die Myophoria
orbicularis, diese auch hier in sehr grosser Menge. Die Mächtigkeit
der Bank konnte ich trotz der bedeutenden Länge der Steinbrüche
nicht bestimmen, da ich die Bank nirgends völlig entblösst fand.
In denselben Steinbrüchen trifft man auch die Orbicularis-
Scliichten fast vollständig; au Geschlossen. Ich beobachtete hier
von unten nach oben folgendes Profil:
1) 0,8 Meter ebenflächigen, dünnschieferigen, grauen oder
dunkel gefärbten Kalkstein;
2) 0,8 » gelblichen Kalkstein, ähnlich dem gelben Kalk
an der Basis des Wellenkalks bei Meiningen
und
3) 3,0 » dickere und dünnere, durch etwas Mergel
getrennte, blaue, aussen oft etwas gebleichte
Kalkplatten, auf denen man häufig Myoplioria
orbicularis findet.
Damit scliliesst der Aufschluss ab und es folgen in ganz geringer
Höhe die weissen Mergel des mittleren Muschelkalks.
Die Beschaffenheit der Schaumkalkzone o ist also hier eine
ganz ähnliche, wie bei Meiningen, ebenso auch die Mächtigkeit
und sonstige Beschaffenheit der Orbicularis- Schichten. Nur der
gelbe Kalk unter No. 2 des Profils ist an dieser Stelle eine nicht
ganz gewöhnliche Erscheinung.
Andere gute Aufschlüsse über die Verhältnisse der obersten
Schichten des Wellenkalks trifft man auch, ganz in der Nähe, in
den Gräben neben der von der Strasse Kreuzburg-Uetteroda ab-
gehenden Fahrstrasse nach Mihla und in den von ihnen abzwei-
genden Seitengräben.
Die untere Schaumkalkbank ist daselbst auf längere Strecken
entblösst. Das Gestein ist feinporiger Schaumkalk, gewöhnlich von
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
65
lichter Färbung, doch wird es in Folge eines kleinen Gehaltes an
Ocker, der sich an den Wandungen der Poren ans den ausgelaugten
Oolithkörneru abgesetzt hat, auch wohl etwas gelblich. Die Bank
schwillt am Wege an einer Stelle bis zu 2,32 Meter Mächtigkeit
an und enthält an Petrefacten zahlreiche grosse Encrinitenstiele,
ferner ziemlich häufig Dentalium laeve, und vereinzelt grosse Exem-
plare von Turbonilla scalata , also lauter Versteinerungen, welche
auch bei Meiningen in dieser Bank Vorkommen und in dieser
O
Zusammenstellung für dieselbe recht charakteristisch sind.
Man kann in dem nach Osten ganz unten von dem Graben
neben der Mihlaer Strasse abzweigenden Seitengraben auch einen
Aufschluss in den Schichten unmittelbar unter der unteren Schaum-
kalkbank beobachten, welcher in sofern einiges Interesse in An-
spruch nimmt, als man in diesen Schichten eine Petrefactenlage
antrifft, welche mit solcher Beständigkeit in den Sectionen Kreuz-
burg und Netra wiederkehrt, dass sie zur Orientirung dienen kann.
Es ist eine harte, blaue Platte, auf deren Oberfläche kleine
Petrefacten, worunter Myophoria vulgaris und Gervillia socialis
vorwiegen, dicht gedrängt, eine hart au der anderen neben ein-
ander liea;en. Zuweilen erscheinen statt der einen bis drei derartige
Platten nahe über einander. Ueber ihre Lage unter der unteren
Schaumkalkbank giebt nachfolgendes Profil, in welchem die Schichten
von der unteren Schaumkalkbank von oben nach unten angegeben
sind, Auskunft:
1) 0,40 Meter harter, blauer Kalk in mehreren Lagen;
2) 0,35 » desgleichen, eine einzige Schicht bildend
und oben zackig in 1) eingreifend;
3) 1,57 » mergelige Kalkschichten, oben von lichter,
unten von gelber Farbe;
4) Die blaue Kalkplatte mit Myoplioria vulgaris und Ger-
villia socialis.
Der unter 3) erwähnte gelbe Kalk wird auch wohl an anderen
Stellen in der Section Kreuzburg unter der unteren Schaumkalk-
bank beobachtet. Er ist dem gelben Kalk zwischen den Schaum-
kalkbänken a und ß ganz ähnlich, aber nur von localer Bedeutung.
Jahrbuch 1887.
0
66
W. Fraxtzen, Untersuchungen über die Gliederung
Sehr beachtenswerth ist in diesem Graben das Verhalten der
Orbicularis-Schiehten. Während sie an der vorhin untersuchten
Stelle am Brückenberge in typischer Form als blaue Platten auf-
treten, zeigen sie hier in einer Entfernung von nur 7 — 8 Minuten
ganz dieselbe Beschaffenheit wie am Jägerhaus in der Sectiou
Jena und wie am Still bei Meiningen.
Ueber der oberen Schaumkalkbank, welche dunkel und bräun-
lich gefärbt ist und hier genau so, wie die gleiche Bank bei
Meiningen aussieht , erscheinen zunächst einige Centimeter hoch
Straten von gewöhnlichem blauen, splitterigen Wellenkalk und
dann über einer durch Graswuchs verdeckten Stelle in 1 Meter
Höhe über dem Schaumkalk lichte, schwach gelbliche Platten in
einer Mächtigkeit von etwa 3 Meter. Sie sind ebenflächig, ziem-
lich fest und enthalten vereinzelt kleine, an den Wänden mit
Kalkspathkrystallen überzogene Drusenräume, welche sich auch
an anderen Orten in diesen Schichten vorfinden, so an der Galgen-
leite in der Sectiou Kreuzburg in ungewöhnlich grosser Menge.
Man hat diese Platten, welche bis 8 Centimeter dick werden, wie
die Saurierkalke von Jena gelegentlich auch in dieser Gegend
wohl zu Bauzwecken benutzt, so zur Anfertigung von Platten
zum Belegen der Flure im Innern der Häuser; doch sind sie
wegen ihrer geringen Härte dazu nur wenig geeignet. An Ver-
steinerungen findet man darin die Myophoria orbicularis in zahl-
reichen Abdrücken.
Nach oben werden die Orbicularis-Platten allmählich dünner
und thonreicher, so dass sie an der Luft leicht zerfallen. Sie
gehen ohne scharfe Grenze in dünn geschichtete, feinschieferige
Mergel über, welche leer an Versteinerungen sind. Sie sind als
die untersten Schichten des mittleren Muschelkalks zu betrachten
und stehen den Mergeln über dem gelben Kalk bei Meiningen
gleich. Ihre Mächtigkeit lässt sich an dieser Stelle nicht be-
stimmen; an der Strasse von Kreuzburg nach Mihla mag sie
etwa 3 Meter betragen. Sie enthalten an dieser Stelle zahlreiche
Knollen und Streifen von Zellenkalk.
Ueber ihnen liegen Schichten, die in Folge von Gypsaus-
laugungen zerbrochen sind, so dass es nicht möglich ist, die
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
67
Schichtenfolge genau zu erkennen. Mau bemerkt jedoch auch
hier eine Ablagerung von Zellenkalk und von Plattenkalk, von
denen der erstere mindestens 2 Meter, der letztere etwa Meter
Mächtigkeit hat.
Es geht aus diesen Angaben hervor, dass die Zusammen-
setzung der Schichten an den bisher untersuchten Punkten ganz
die gleiche ist, wie bei Meiningen und Jena: in der Schaumkalk-
zone liefen die 3 Schaumkalkbänke mit denselben Versteinerungen
wie dort und auch in fast den gleichen, hier von mir jedoch nicht
genau nachgemessenen Abständen von einander ; darüber die
blauen, splitterigen oder weichen, hellfarbigen Orbicularis- Schichten
und höher an der Basis des mittleren Muschelkalks zerfallende
dünngeschichtete Mergel, über welchen sich in kurzer Entfernung
Zellenkalke und feste Kalklager ausscheiden.
In ganz derselben Weise ist das Gebirge auch da gegliedert,
wo die Schaumkalkzone ö lichte Färbung und krystallinische Be-
schaffenheit zeigt.
Die Erkennung der Schaumkalkbänke ist an solchen Stellen
allerdings zuweilen mit Schwierigkeiten verknüpft, namentlich wenn
es sich um eine einzelne Bank handelt; doch unterscheidet man
sie gewöhnlich leicht da, wo man das ganze Profil vor sich hat.
Die Tiefe, bis zu welcher die bereits oben in allgemeinen
Zügen geschilderten Aenderuugen des Gesteins vor sich gegangen
sind, ist verschieden. Sie reichen mitunter bis nahe an die oben
erwähnten Petrefactenplatten mit Mjophoria vulgaris , etwas unter
der unteren Schaumkalkbank, während in anderen Fällen letztere
noch ziemlich typisch aussieht. Es kommt auch vor, jedoch nur
selten, dass einige Wellenkalklagen ihre blaue Farbe bewahrt
haben, während die übrigen Schichten gebleicht erscheinen.
Die 3 Schaumkalkbänke lassen sich an den meisten Stellen
schon an ihrer Dicke sofort von den übrigen Schichten unter-
scheiden. Gewöhnlich sind sie auch etwas anders gefärbt wie der
gewöhnliche Kalk; die beiden unteren Bänke zeigen häufig ein
etwas satteres Gelb, wie die nur blassgelb gefärbten Zwischen-
schichten. Am leichtesten erkennt man die obere Schaumkalk-
bank, da sie auch dort, wo sie zuckerig geworden ist, häufig ihre
5*
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
68
dunkele Farbe behalten hat. Sie zeigt dann nicht selten einen
auffallend grünlichen Ton.
Die Oolithkörner sind in den zuckerigen Sehaumkalkbänken
in Folge des Krystallisationsprocesses mehr oder weniger undeut-
lich geworden. In den beiden unteren Bänken lassen sie sich
zuweilen nur noch schwer nachweisen, dagegen sind sie an der
dunklen Farbe vieler Körner in der oberen Bank leichter zu er-
kennen, doch haben sie auch hier gewöhnlich ihre scharfen Um-
risse verloren.
Abgesehen von den Aenderungen in der Farbe, Härte und
Struc-tur sind im Uebrigen die Verhältnisse dieser Schichten keine
anderen, als da, wo sie typisch aussehen. Sie liegen in denselben
Abständen von einander und enthalten auch dieselben Petrefacten.
Es würde dies sicher nicht der Fall sein, wenn die Aende-
rungen in der Farbe und Härte lediglich auf einen Faciesweclisel
zurückzuführen wären. Es soll jedoch, wie ich bereits oben er-
wähnt habe, von mir nicht bestritten werden, dass in einigen
Schichten und bis zu einem gewissen Grade die weiche, mergelige
Beschaffenheit derselben eine ursprüngliche sein mag; doch schreibe
ich sie zu einem grossen Theile der Einwirkung der eingedrungenen
Sickerwässer zu.
Einen sehr überzeugenden Beweis, dass in der That eine
Metamorphose vorliegt , liefert die Beschaffenheit der oft von mir
erwähnten Rollsteine in der mittleren und oberen Schaumkalkbank.
Wo dieselben zuckerig und gebleicht sind, zeigen sie ganz die-
selbe Beschaffenheit wie das übrige Gestein.
Einen vortrefflichen Aufschluss solcher krystallinisch ge-
wordenen Schichten trifft man an dem ersten Kopfe ein wenig
nördlich von den Steinbruchshäusern, neben den Gypsbrüclien, an
der. Strasse von Kreuzburg nach Mihla. Die Schichtenumwandlung
ist hier bis etwas unter die untere Schaumkalkbank vorgedrungen
© ©
und hat auch die festen Platten zunächst unter dieser Bank ge-
bleicht und in zuckerigen Kalk verwandelt.
Die untere Schaumkalkbank ist an dieser Stelle eine feste
0,76 Meter dicke Bank mit wenigen Schichtungsflächen. Das
© ©
Gestern ist feiuzuckerig, nicht porös, licht bis gelblich gefärbt und
cles unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
69
enthält, besonders im oberen Tbeil zahlreiche grosse Encriniten-
stiele.
Ueber der unteren Schaumkalkbank folgt bis zur mittleren
Bank eine 3,40 Meter mächtige Ablagerung von dünnen, lichten,
bis schwach gelblichen, weichen Kalkschichten, welche oben mit
einer dickeren, 0,35 Meter mächtigen Platte, der Vertreterin der
festen blauen Kalke schliessen.
Die mittlere Bank ist 0,65 Meter dick, feinzuckerig krystalli-
liiseli und massig fest. Die oolithische Structur des Gesteins
ist verschwunden. Auf den angewitterten Flächen der Bank er-
kennt man einige Encrinitenstiele.
Ueber ihr folgt von unten nach oben weiter:
1) 0,95 Meter ziemlich fester, ebenflächiger, fein krystalli-
nischer, in der Sonne etwas glitzernder,
lichtgrauer Kalk in dickeren oder dünneren
Platten ;
2) 0,11 » leicht zerfallender, lichter, mergeliger Kalk-
stein ;
3) 0,30 » festere und dickere, lichtgefärbte Kalkstein-
platten mit einigen Kalkspathdrusen ;
4) 0,55 » licht gelblichgrauer , leicht zerfallender
Mergel.
Summa: 1,91 Meter.
Darüber liegt die obere Schaumkalkbank, welche etwa 1 Meter
Mächtigkeit hat. Das Gestein der Bank ist krystallinisch ge-
wordener, gelblich oder grünlich gefärbter Oolitlikalk und enthält
Drusen. Es besitzt hier so geringe Festigkeit, dass dasselbe theil-
weise zu Grus auseinander fällt; doch erkennt man darin noch
deutlich die Leitmuscheln dieser Bank, die Gervillia Gold/ussi und
die Myophoria orbicularis.
Die Orbicularis-Schichten sind hier nicht aufgeschlossen.
Sehr interessante Durchschnitte von solchen metamorphosirten
Schichten sind vielfach in den Gräben westlich vom Wisch bei
Kreuzburg, besonders in den Gräben nördlich von der Spillings-
koppe (Spindelkoppe der Generalstabskarte), deren Besuch ich
70
W. Frantzbn, UntersuchuDgen über die Gliederung
sehr empfehle, aufgeschlossen. Die Bänke sind hier viel weniger
leicht zu erkennen, wie bei den Steinbruchhäusern. Man orientirt
sich jedoch auch hier bald, wenn man auf die Myophorienplatteu
unter der unteren Schaumkalkbank achtet. Es sind hier drei der-
artige Lagen vorhanden, die oberste 2,1 Meter unter der unteren
Schaumkalkbank, die beiden anderen 0,6 und 0,9 Meter tiefer.
Die Metamorphose geht hier bis nahe zur obersten Myo-
phorienplatte abwärts.
Die untere Schaumkalkbank liegt bei der Spillingskoppe in
75 Schritt über der Grabentheilung in dem nach Westen ver-
laufenden Arm über einem steilen Absätze. Sie ist 1 Meter
mächtig und in gelblichen, krystallinischen Kalkstein verwandelt.
In 3,58 Meter Entfernung über dieser Bank tritt hier an dem
Abhang auch die mittlere Bank hervor. Die obere Bank findet
sich weiter aufwärts im Graben, ist aber hier kaum von dem
übrigen Gestein zu unterscheiden.
In der westlich an die Section Kreuzburg anstossenden Section
Netra sind die Verhältnisse des Muschelkalks die gleichen wie
bei Kreuzburg.
H. Moesta giebt zwar in den Erläuterungen zu Blatt Netra1)
an, dass die oberste »Schaumkalkschicht« in ihrem Verlaufe sich
vielfach unterbrochen zeige. Sie scheine auf längere Erstreckung
hin zuweilen gänzlich zu fehlen oder sei in kaum bemerkbarer
Stärke entwickelt.
Ich habe mich jedoch an Ort und Stelle überzeugt, dass auch
Moesta sich durch das veränderte Aussehen der obersten Schaum-
kalkzone hat täuschen lassen und dass von ihm zuweilen die
ganze Schaumkalkzone ö zum mittleren Muschelkalk gezogen
worden ist.
Es ist dies z. B. in dem Thale geschehen, welches sich west-
lich vom Hachen-Berge von der Oelbach-Mühle nach Norden hin
zieht.
Dort ist unter den zerbrochenen Schichten des mittleren und
oberen Muschelkalks die Schaumkalkzone ö metamorphosirt ; doch
9 H. Moesta, Erläuterungen zu Blatt Netra, S. 12.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
71
kann man die Schaumkalkbänke noch gut erkennen und an den
Petrefacten unterscheiden. In derselben Entfernung, wie bei
Kreuzbu rg, trifft man auch hier unter der unteren Schaumkalk-
bank die für die Orientirung wichtige Myophorienplatte.
Die Wellenkalkschichten, welche Moesta liier als Wellen-
kalk in die Karte eingetragen hat, sind nicht, wie man nach der
Zeichnung annehmen muss, die Orbicularis-Schichten, sondern die
Bänke zunächst unter der unteren Schaumkalkbank der Zone ö.
Ueber die Beschaffenheit der Schaumkalkzone b und der Orbi-
cularis-Schichten in den mehrfach zur Vergleichung; herangezogenen
Sectionen Worbis, Bleicherode, Ilayn, Nieder-Orschla,
Gross-Keula und Immenrode gehen die Angaben derjenigen
Geologen, welche dort kartirt haben, weit aus einander. Ich bin
jedoch der Ansicht, dass auch hier diese Differenzen, wenigstens
theilweise, auf einer falschen Deutung der Schichten beruhen, und
dass auch hier die Gliederung in der Hauptsache keine andere
ist, wie bei Kreuzburg.
Es lässt sich dies recht gut aus den ausführlichen Mittheilungen
© ©
nachweisen, welche Id. Eck über diese Gebirgsschichten in dem
Erläuterungshefte zu Blatt Immenrode gemacht hat.
Nach seinen Angaben liegt in 50 Fuss Höhe über der Zone 7
eine weiss gefärbte Schaumkalkbank.
©
Höher folgt in einem Steinbruche bei Straussberg:
1) eine Abtheilung (Wellenkalk?) von 16 ^2 Fuss Mächtig-
keit, welche anderswo weniger dick ist und viele
Exemplare von Myophoriu orbicularis enthält;
2) eine D/g Fuss dicke Conglomeratbauk , welche eben-
falls als Baustein gewonnen wird;
3) eine Abtheilung von 7 Fuss Mächtigkeit (Wellenkalk?);
4) eine conglomeratische Lage, welche in »einem grün-
lichen, dolomitischen Kalk Rollstücke von grauem
Dolomit enthält«.
Mit dieser Lage lässt Eck den mittleren Muschelkalk be-
ginnen, welcher nach seinen Mittheilungen unten aus einer Ab-
72
W. Frantzkn, Untersuchungen über die Gliederung
theilung von gelblichem, dolomitischen Kalkstein besteht, über
welchem eine mittlere Abtheilung mit Zellenkalken folgt.
Aus dieser unteren Abtheilung des mittleren Muschelkalks
hat Eck ein specielles Schichten -Profil mitgetheilt. Zu unterst
liegen verschieden gefärbte, lichte, gelbliche oder graue und bräun-
liche, mergelige oder feinkörnige Dolomite, insgesammt von 12 Fuss
11 Zoll Mächtigkeit, welche gegen ihre obere Grenze hin eine
1 Fuss 3 Zoll dicke Ablagerung von grauem, dichtem Kalkstein
eiuschliessen. Derselbe ist nach Eck von Wellenkalk ununter-
scheidbar und enthält Pentacrinus dubius und Anm'nws-Stielglieder.
An Petrefacten enthält diese Abtheilung sonst nur noch Myophoria
orbicularis.
Die Uebereinstimmung dieser Schichten mit denen der Schaum-
kalkzone 6 und mit den Orbicularis - Schichten tritt in dieser Be-
schreibung so auffallend hervor, dass man nicht daran zweifeln
kann, dass der weisse Schaumkalk in 50 Fuss Höhe über der Zone y
mit der untersten, die Bank unter 2 mit der mittleren und die Bank
unter 4 mit der obersten Schaumkalkbank in Thüringen zu iden-
tificiren ist, und dass erst die über dieser Bank liegenden gelblichen
Dolomite mit Myophoria orbicularis , welche Eck als unterste Schich-
ten des mittleren Muschelkalks ansieht, den Orbicularis-Schichten
anderer Gegenden gleich stehen.
Man darf nur die ganz ähnliche Beschreibung dieser Schichten
in der Section Worbis durch Herrn v. Seebach nachlesen, um
zu sehen, dass auch dort die Grenze zwischen dem mittleren und
unteren Muschelkalk höher, als wie es geschehen ist, gezogen
werden muss.
Es bleibt mir am Schlüsse dieser Untersuchungen über die
obersten Schichten des unteren Muschelkalks noch übrig, mich über
die Differenzen zu erklären, welche dieselben in den Sectionen
Berka und Wutha, namentlich auch in dem Profil im Kirch-
thal bei Eichrodt, nach den Angaben des Herrn Bornemann
zeigen sollen.
Nach der Darstellung dieses Autors erreichen im Kirchthale
die Orbicularis-Platten die ganz ausserordentliche Mächtigkeit von
23 Meter und ähnlich soll dies auch in der Section Berka sein.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
73
Er stellt seine Orbicularis- Schichten auf Seite 317 a. a. O.
ausdrücklich mit den Orbicularis - Schichten anderer Gegenden in
eine Reihe und sagt S. 319 wörtlich: > d i e verschiedene Mächtigkeit
der Orbicularis -Schichten in verschiedenen Gegenden zeigt, dass
die oberen Schaumkalkgrenzen nicht ein und dasselbe Niveau
einhalten« .
Diese Schlussfolgerung ist jedoch irrig, weil die Voraussetzung
falsch ist; denn diejenigen Schichten des Kirchthals, die Herr
Bornemann als Orbicularis - Schichten bezeichnet hat, sind nicht
identisch mit den Orbicularis-Schichten anderer Autoren.
Mit dem Ausdrucke »Orbicularis-Schichten« bezeichnet man
nach Eck’s Vorgang und feststehendem Sprachgebrauch eine ganz
bestimmte Schichtenreihe, welche unten von der obersten Schaum-
kalkbank der Zone o und oben von den untersten Schichten des
mittleren Muschelkalks begrenzt wird und die sich paläontologisch
dadurch auszeichnet, dass sie gewöhnlich an Versteinerungen aus-
schliesslich die Myophoria orbicularis enthält.
Myophoria orbicularis kommt jedoch auch in tieferen Schichten
vor. Sie ist, wie ich bereits oben angegeben habe, mit der Gervillia
Goldfussi eine der beiden Hauptleitmuscheln für die Scliaumkalk-
zone o, geht aber in einzelnen Exemplaren bis in die Terebratel-
zone 7 abwärts, aus der Herr Bornemann diese Versteinerung
(a. a. O. S. 300), sie vor allen anderen an die Spitze stellend,
anführt, ohne dass er jedoch in diesem Falle daran gedacht hätte,
auch diese Bänke zu den Orbicularis-Schichten zu ziehen.
Was Herr Bornemann im Kirchthale als Orbicularis-Platten
bezeichnet, umfasst die ganze Schaumkalkzone o und die Orbi-
cularis-Schichten anderer Autoren und zwar beginnen letztere erst
bei der Bank y, der obersten Mehlsteinbank des Kirchthaler Profils.
Diese Bank ist ein dunkler, grünlichgrauer Schaumkalk und
wie Herr Bornemann selbst angiebt, ganz gleich dem grünlichen
Schaumkalk im Gemeindebruch bei Mihla und sowohl nach ihrer
Lage, wie nach ihrer Beschaffenheit, wie auch nach den in ihr
vorkommenden Petrefacten identisch mit der obersten Schaumkalk-
bank der Zone o bei Meiningen, Jena und Eisenach.
*) H. Eck, Rüdersdorf und Umgegend, S. 99.
74
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Warum es Herr Bornemann für ein grosses Wagniss hält,
diese Bank des Kirchthals mit der ganz gleich aussehenden Bank
bei Mihla und mit der oberen Schaumkalkbank in anderen Gegenden
zu identificiren, ist mir unverständlich.
Es ist wohl übrigens nur ein lapsus calarni wenn derselbe
ihre Mächtigkeit zu nur 3 Centimeter angiebt. Sie sieht 0,18 Meter
dick aus dem Boden hervor, ist aber ungenügend aufgeschlossen,
so dass ihre Mächtigkeit vielleicht noch grösser ist.
Die beiden anderen Schaumkalkbänke der Zone o sind im
Kirchthale ebenfalls vorhanden, allerdings in nicht besonders
typischer Entwickelung und nicht genügend aufgeschlossen.
Da ich an Ort und Stelle mit Sicherheit nicht feststellen
konnte, welche Lagen den von Herrn Bornemann in seiner Zeich-
nung mit den Buchstaben p, cs, t, u und ca bezeichneten Schichten
entsprechen, so gebe ich das Profil, welches ich lediglich abge-
schritten habe, nach meinen eigenen Aufzeichnungen.
Vom Liegenden der leicht kenntlichen oberen Terebratelbank
an trifft man in dem Wege in einer Entfernung von 47 Schritt
östlich einen kleinen Wasserriss mit einer Reihe von Kirschbäumen.
Von dieser Stelle an liegt 19 Schritt weit gut aufgeschlossen
Wellenkalk, weiterhin tritt solches Gestein 1 1 Schritt breit nur
hier und da hervor.
An diesem Punkte sieht man westlich hart am Wege gran-
gelbliche, durch ihre abweichende Färbung leicht kenntliche
Schichten. Diese sind die untere Schaumkalkbank der Zone o.
Das Gestein dieser Bank ist mit der Lupe betrachtet fein-
krystallinisch, dicht und enthält Oolithkörner, die man allerdings
erst unter dem Mikroskop im Dünnschliff erkennt. Die Bank
sieht hier ganz ähnlich aus, wie die dichten Partieen der unteren
Schaumkalkbank im Steinbruch am Brückenberge bei Kreuzburg,
mit dem Unterschiede, dass das Gestein an letzterer Stelle nicht
gelblich, sondern weiss ist.
Wie dick die Bank ist, konnte ich nicht genau bestimmen,
da. sie nicht ganz aufgeschlossen ist. So weit sie sichtbar ist,
hat sie 0,3 bis 0,4 Meter Mächtigkeit.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
75
Ueber diesem etwas weichen Gestein folgen wieder blaue,
feste, fast ebenflächige Kalkschichten von etwa 3 Meter Mächtig-
keit, welche gut aufgeschlossen sind und am Wege eine Breite
von 22 Schritt einnehmen. Sie beginnen über der unteren Schaum-
kalkbank mit einer festen, blauen, 0,5 Meter dicken Gage, welche
oben mit einem Petrefactenstreifen abschliesst. Derartige feste
Platten trifft man in der Umgegend von Eisenach öfters als
Hangendes der unteren Schaumkalkbank und können local zur
Erkennung derselben benutzt werden. Ich habe bereits weiter
oben ein solches Vorkommen vom Ramsberge beschrieben.
In dem untersten Theile dieses blauen Wellenkalks stehen
wenig höher, wie die untere Schaumkalkbank, östlich am Berg-
abhang, schräg mit der Schichtenneigung sich aufwärts ziehend
einige kleine Steinbrüche, in denen man diese festen Straten in
Ermangelung besseren Materials gelegentlich ausgebeutet hat.
Ueber diesem blauen Wellenkalk tritt westlich am Wege
mürbes graues Gestein hervor, in welchem ein Streifen von etwa
0,12 Meter Mächtigkeit den mittleren Schaumkalk repräsentirt.
Wie dick die Bank hier in Wirklichkeit ist, konnte ich bei der
mangelhaften Entblössung des Gesteins hier ebenso wenig fest-
O O c5
stellen, wie bei der unteren und oberen Schaumkalkbank. Das
Gestein ist gelblichgrau gefärbt, voll von Petrefacten, die in Kalk-
spath verwandelt sind und zeigt deutlich schaumige Structur.
Die Schichten zwischen der mittleren und oberen Schaum-
kalkbank sind nicht aufgeschlossen. Die Entfernung der Bänke
von einander beträgt 9 Schritt.
Es sind also im Kirchthale ebenfalls alle 3 Schaumkalkbänke
in der Zone 8 vorhanden und zwar, wie der Augenschein lehrt,
in annähernd denselben Abständen von einander, wie überall bei
Eisenach. Allerdings sehen hier die Bänke nicht sonderlich typisch
aus. Dies ist jedoch ein rein zufälliger Umstand; anderswo er-
scheinen sie auch an den Hörselbergen in ansehnlicher Mächtig-
keit und in typischer Beschaffenheit, wofür Herr Bornemann
selbst Material beigebracht hat.
Die Orbicularis- Schichten über der dunklen oberen Schaum-
kalkbank sind im Kirchthale nur ganz unvollständig aufgeschlossen.
76
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Man sieht über der oberen Schaumkalkbank 3 Schritt breit zuerst
graue, mergelige Kalkschichten von 0,6 Meter Mächtigkeit, über
welchen nach einer Lücke von 3 Schritt Breite einige Kalk-
schichten von fast normaler blauer Färbung sichtbar sind. Gleiches
Gestein tritt auch weiterhin auf 14 Schritt Weglänge noch hier
und da zu Tage.
An dieser Stelle etwa kann man die Grenze zwischen dem
unteren und mittleren Muschelkalk ziehen.
Die untersten Schichten der letzteren Abtheilung, die auch
hier ohne Zweifel aus weichen Mergeln bestehen, sind nicht sicht-
bar. In 16 Schritt über der inuthmaasslichen Grenze liegen im
Felde Zellenkalkstücke umher und 16 Schritt weiter steht Zellen-
kalk in einer Mächtigkeit von 2 Meter an.
Berücksichtigt man, dass der Fallwinkel der Schichten etwa
15 Grad beträgt, so ergiebt sich aus diesen Angaben wenigstens
so viel, dass auch im Kirchthal die Orbicularis-Schichten nur die
gewöhnliche Mächtigkeit von gegen 4 oder 5 Meter haben.
In der Section Berka, in welcher nach der Angabe des
H errn Bornemann die Orbicularis-Schichten ebenfalls eine ganz
ungewöhnliche Mächtigkeit erreichen sollen, habe ich feststellen
können, dass auch hier diese Schichten ihre gewöhnliche Mächtig-
keit nicht überschreiten ; auch sind alle 3 Schaumkalkbänke in der
Schaumkalkzone 8 vorhanden.
Unter ihnen pflegt die oberste Bank die mächtigste zu sein,
während die untere an manchen Stellen etwas verkümmert.
Diejenige Bank, welche im Mihlaer Gemeindesteinbruch ab-
gebaut und auch von Herrn Bornemann mehrfach erwähnt wird,
ist die obere Schaumkalkbank der Zone 8. Sie schwillt hier zu
ungewöhnlicher Mächtigkeit an, nach meinen Messungen bis zu
2,22 Meter.
Ihre Identität mit der oberen Schaumkalkbank lässt sich
leicht an ihrem ganzen Habitus, an ihren Petrefacten und an
ihrer Lage feststellen.
Das Gestein ist gelblich oder dunkel gefärbt und nimmt in
letzterem Falle auch hier oft einen grünlichen Ton an. Es ist
zuckerig gewordener Oolithkalk, dessen Structur erst im Dünn-
schliffe deutlich erkennbar wird.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
77
An Petrefacten enthält die Bank wie gewöhnlich fast nur die
Myophoria orbicularis und die Gervittia Goldfussi , diese beiden
jedoch in Menge. Eine ungewöhnliche Erscheinung sind in dieser
Bank Encrinitenstiele, welche ich nördlich vom »Thal« im Walde
darin nicht selten fand.
Die Orbicularis-Schichten bedecken in der Nähe des Mihlaer
Gemeindebruchs allerdings eine recht ausgedehnte Fläche, haben
aber, wie ich in den Steinbrüchen an einzelnen Stellen feststellen
konnte, doch nur wenige Meter Mächtigkeit. Es sind auch hier
dickere, etwas mergelige, lichtgefärbte Kalkplatten.
Die beiden anderen Schaumkalkbänke sind in der Nähe des
Mihi aer Steinbruchs etwas verkümmert, so dass es einiger Auf-
merksamkeit bedarf, um sie nicht zu übersehen.
Man trifft die untere Bank, wenn man von Mihla den Weg
im »Thal« zur Harstallswiese geht, in 143 Schritt nördlich von
der Stelle, wo der Weg das in dem Grunde fliessende Wässerchen
kreuzt, an dem östlichen Abhange nahe am Wege, in etwa 4 Meter
Höhe über dem Acker.
Die Bank ist hier 0,3 — 0,5 Meter dick, mehr oder weniger
oolithisch und schwach gelblich gefärbt. Sie hat grosse Aehnlich-
keit mit der gleichen Bank im Kirchthale. Auch hier wird sie
von einer dickeren, blauen Kalkplatte bedeckt, die auch unten im
Bette des Wässerchens, in 87 Schritt hinter der oben bezeichneten
Kreuzung, zu sehen ist und dort viele grosse Encrinitenstiele führt.
Ueber dieser festen Kalkschicht treten am Abhange zunächst
auf etwa 2,8 Meter Höhe gewöhnliche blaue Wellenkalkschichten
hervor. Weiter aufwärts ist der Abhang bis zur mittleren Schaum-
kalkbank, die etwa 2,8 Meter höher sichtbar ist, mit gelblichem
Kalksteinschutt überrollt.
Die mittlere Schaumkalkbank ist nicht ganz entblösst. Sie
steht an einer Stelle 0,28 Meter hoch aus dem Boden hervor und
besteht hier, wie so häufig, nicht aus Schaumkalk, sondern aus
festem, conglomeratischem Kalk.
Die Schichten zwischen der mittleren und oberen Schaum-
kalkbank sind hier nicht aufgeschlossen. Ich schätze den Abstand
dieser beiden Bänke von einander auf etwa 3 — 3 Meter.
78
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
In grösserer Mächtigkeit, wie am Horstberg, und ganz typisch
ist die untere Schaumkalkbank u. a. am Burgberg an der bereits
früher angegebenen Stelle entwickelt. Sie besteht dort aus
weissem, porösem Schaumkalk, iu welchem ein Theil der Oolith-
körner noch erhalten ist. Das Gestein sieht hier ganz so aus,
wie das der gleichen Bank bei Meiningen. Die untere Schaum-
kalkbank hat am Burgberge eine Mächtigkeit von etwa 1 Meter.
Ganz in der Nähe findet man unten im Grunde des vom
Burgberg nach Südosten hin verlaufenden Seitenthals an dem
neuen Separationswege, auf der Südseite desselben auch die beiden
anderen Schaumkalkbänke aufgeschlossen. Sie erscheinen hier in
Folge vou Gebirgsstör ungen in viel tieferem Niveau. Die obere
Schaumkalkbank hat hier eiue dunkele, bräunliche Färbung und
ist vou dem Gestein der oberen Schaumkalkbank bei Meiningen
nicht zu unterscheiden. Die mittlere Bank besteht auch an dieser
Stelle aus gewöhnlichem, festem, conglomeratischem Kalkstein.
B. Untersuchungen über die Natur der oolithischen
Gesteine im unteren Muschelkalk.
Die herrschende Ansicht über die Natur der Schaumkalke und
oolithischen Gesteine ist bekanntlich die, dass man die Oolitlikörner
für Ausscheidungen von kohlensaurem Kalk iu Form kleiner
Kügelchen aus dem Meerwasser hält, den Schaumkalk aber für
Oolithkalk, aus welchem die Oolitlikörner durch Auslaugung ver-
schwunden sind.
Herr Bornemann ist auch in Bezug auf diese Materie bei
seinen Untersuchungen der Gesteine des unteren Muschelkalks zu
ganz anderen Resultaten gelangt. Er unterscheidet zwei Haupt-
typen im Schaumkalk, den typischen porösen Schaumkalk und
den Mehlstein. Letzteren gliedert er weiter iu gemeinen Mehlstein,
der unter dem Mikroskop keine Oolitlikörner, sondern eine fein-
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
79
körnige, krystallinische Structur zeigt und in pliytogenen Mehlstein,
welchen er als ein Product einer üppigen Vegetation von Kalkalgen,
die er Calcinema triasinum nennt, betrachtet. Die Oolithe des
Wellenkalks hält er nur theilweise für echte Oolithe, theil weise
aber für durch Friction im bewegten Wasser abgeschliffene Frag-
o o o
mente krystallinischen Kalksteins.
Ich kann auch in Bezug auf diese Fragen mich mit den
Ansichten des Herrn Bornemann nicht einverstanden erklären,
sondern scliliesse mich im Allgemeinen der herrschenden Anschau-
ung über die Natur dieser Gesteine an. Jedoch halte ich die von
mehreren Autoren ausgesprochene Meinung, dass die Oolithkörner
des unteren Muschelkalks auf chemischem Wege ausgeschieden
seien, für eine sehr zweifelhafte, unerwiesene Annahme und neige
mich zu der Ansicht, dass der kohlensaure Kalk in diesen Körnern
ähnlich wie bei Petrefacten mit Hülfe des Organismus ausgeschieden
o o
worden und zoogener Herkunft sei.
O
D ie ideale Form der Oolithkörner ist die Kugel. In Wirk-
lichkeit weicht aber ihre Gestalt häufig davon ab. Diese Er-
scheinung beruht auf zufälligen Umständen. Sehr häufig ist für
die äussere Form der Oolithkörner die Gestalt von zufällig in
denselben eingeschlossenen fremden Gegenständen, welche der
oolithischeu Substanz als Ansatzpunkte gedient haben , be-
stimmend gewesen. Eine andere Ursache der Unregelmässigkeit
der Formen liegt in der Bewegung des Meerwassers. Durch
Druck und Reibung ist die regelmässige Ausbildung der Körner
zuweilen bereits bei ihrer Bildung gestört worden; zuweilen sind
sie durch die mechanische Gewalt des Wassers sogar gänzlich
zerdrückt.
Auch in der Textur der Oolithkörner zeigen sich grosse
Unterschiede. Es kommen Formen vor, welche mehr oder weniger
deutlich Anwachsringe zeigen, ähnlich wie die Oolithkörner im
oberen Muschelkalk. Die grosse Mehrzahl lässt jedoch von einer
solchen Structur nichts wahrnehmen und zeigt eine feinkörnige
oder grobkörnige, krystallinische Beschaffenheit,
Alle diese Formen sind zwar in den Oolithbänken nicht schart
von einander geschieden, aber es zeigt sich in denselben in dieser
80
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Hinsicht doch eine gewisse Gleichförmigkeit, welche nicht nur in
derselben Gegend, sondern selbst auf grosse Entfernungen hin
erkennbar ist, so dass man mit einiger Vorsicht die Beschaffenheit
der Oolithkörner zur Unterscheidung der verschiedenen Abtheilungen
des Wellenkalks von einander benutzen kann.
Ich beginne die Untersuchung der Oolithe des unteren
© ©
Muschelkalks mit den Gesteinen der Schaumkalkzone 3 bei Mei-
ningen.
Alle drei Bänke bestehen hier gewöhnlich aus typischem
Schaumkalk; doch trifft man in der oberen und unteren Bank
zuweilen noch Partieen, in welchen die Oolithkörner erhalten sind.
In der oberen Bank kommt derartiges Material in grosser
Menge in einem Steinbruche am oberen Ende des Joachimthals vor.
©
Die oolithisclien Partieen sind hier sehr dunkelfarbig und
©
sehen nicht anders aus, wie gewöhnlicher dunkler Kalkstein.
Dünnschliffe dieses Gesteins sind in den Figuren 1 bis 5
auf Tafel I in etwa 50 facher linearer Vergrösserung dargestellt.
W as bei der Betrachtung derselben auf den ersten Blick auf-
fällt, ist die sehr regelmässige Form der Durchschnitte. Sie sind
meistens ganz regelmässig oval und gehen durch verschiedene
Abstufungen in dem Verhältniss der Länge zur Breite in kreis-
förmige Formen über. Letztere sind wenigstens theilweise nicht
© ©
Durchschnitte von Kugeln, sondern ebenfalls Querschnitte von
ovalen Körnern.
Die Grösse der Körner mag im Durchschnitt etwa 0,2 Milli-
meter betragen, doch weichen einzelne Körner ziemlich weit von
diesem Mittel ab. Eins der grössten Körner, welches ich gemessen
habe, hatte eine Länge 0,41 Millimeter bei einer Breite von
0,22 Millimeter; eins der kleinsten war 0,06 Millimeter laug und
0,04 Millimeter breit.
Im Centrum sind in diesen Oolithkörneru sehr häufig Fora-
miniferen eingeschlossen, auf deren Vorkommen in solchen Ge-
steinen bereits Herr Bornemann aufmerksam gemacht hat. Ein-
zelne sind in den vorliegenden Präparaten recht gut erhalten. Im
Längsschnitt erscheinen dieselben als aufgerollte Spiralen, welche
sich in ihrem Verlauf jedoch nur selten gut verfolgen lassen.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
81
Deutlicher erkennt man sie an den Querschnitten, welche aus-
sehen, wie gerade Perlenschnüre, an denen die einzelnen Perlen
vom Centrum nach beiden Seiten hin an Dicke allmählich zunehmen.
Ein sehr schönes Exemplar, nach der Bestimmung des Herrn
Professor Gr. Steinmann zu Freiburg eine Cornuspira , ist in Figur 1
Tafel I zu sehen. Man zählt 14 einzelne Perlen, welche 7 Um-
gängen der Schale entsprechen. Die Durchschnitte der Windungen
sind oval; die letzte äussere Windung hat bei 0,037 Millimeter
Höhe eine Breite von 0,056 Millimeter.
Die 'Ausfüllung der Schale ist an dem grossen Exemplare in
Fig. 1 theilweise recht klar, während die Masse an der Schalen-
wandung getrübt erscheint, offenbar durch Thon und anderen
Schmutz, welcher an der Schale Ansatzpunkte gefunden hat. Tn
anderen Fällen ist die ganze Ausfüllung der Schale getrübt, wie
in dem grossen Korn in Fig. 2 Tafel I.
In Folge dieses Ansatzes von Schmutz müssen alle Längs-
schnitte durch derartige Körner, welche die Schale der Foramini-
feren nicht durclischneiden, also mehr oder weniger parallel mit
ihr gehen, trüb erscheinen.
Sind die Foraminiferenschalen weniger gut erhalten und zer-
brochen, so sieht man in den Durchschnitten quer zur Schale
häufig nur eine stabförmige Trübung im Centrum, an welcher
sich die Zunahme der Weite der Windung von innen nach aussen
oft noch durch die grössere Breite der trüben Masse gegen die
äusseren Ränder hin bemerklich macht.
Die Durchmusterung der Figuren lehrt, dass ein sehr grosser
Theil der Oolithkörner, namentlich in den Figuren 1, 3 und 4
Foraminiferen enthält.
Der Aufbau des Oolithkornes um diese Foraminiferenschalen
ist in den abgebildeten Schliffen ein sehr symmetrischer. Als
nächste Umhüllung erscheint an dem grössten Theile der Oolith-
körner ein lichter, regelmässig begrenzter, je nach der Lage des
Schnittes ovaler bis kreisförmiger Kern, welcher von einer dunkelen,
offenbar durch Thon verunreinigten, breiteren oder schmäleren
Hülle umgeben ist. An manchen Körnern verdrängt letztere den
Jahrbuch 1887.
6
82
W. Frantzen. Untersuchungen über die Gliederurij
lichten Kern auch ganz, so dass die Kügelchen trübe und dunkel
erscheinen, wie die »Mergelkörner« in den Abbildungen des Herrn
Bornemann (Fig. 5, Taf. I). An einigen Körnern wechseln um
einen centralen, klaren Kern Ringe von klarer und trüber Kalk-
masse ganz symmetrisch mit einander ab, so an einem Kern in
Fig. 4, Taf. I , an welchem drei trübe und zwei helle Ringe um
einen centralen, hellen Kern erscheinen. Selten kommt es vor,
dass zwei Oolithkörner in unregelmässiger Lage zu einander von
einer gemeinsamen Hülle umgeben werden, wie an einem Korn
in Fig. 3, Taf. I.
Man erkennt an diesen Körnern also deutlich einen zonalen
Bau, der allerdings au ihnen viel weniger deutlich entwickelt ist,
wie an den Oolithkörnern im oberen Muschelkalk. Die Fora-
miniferen waren die Ansatzpunkte, um welche sich der kohlen-
sauere Kalk schichtweise aus dem Wasser abgesetzt, hat. Die
ovale Gestalt der Oolithkörner ist hier augenscheinlich durch die
ungleiche Ausdehnung der eingeschlossenen Foraminiferen nach
den verschiedenen Seiten hin bedingt.
Der ganze Bau dieser Körner zwingt zu der Annahme, dass
sie durch Ausscheidung des kohlensauren Kalks aus dem Meer-
wasser entstanden sind.
Von einer radialen Stellung der Kalkspathkrystalle ist an
diesen Körnern nichts wahrzunehmen. Sie liegen regellos neben
einander und sind im Allgemeinen um so grösser, je reiner der
Kalkspath ist. An dem grosseu Oolithkorn in Fig. 1, Taf. I be-
steht die klare Masse aus nur wenigen grösseren Krystallen,
während die Krystalle an den getrübten Stellen oft zu sehr geringer
Gi •össe herabsinken.
An Stelle der Foraminiferen erscheinen in manchen Dünn-
schliffen auch andere Gegenstände in den Oolithkörnern einge-
schlossen, wie Brut von Gasteropoden, Encrinitenglieder und sehr
häufig Bruchstücke von Muscheln. Ein derartiger Dünnschliff
mit zahlreichen Muscheltrümmern, welche mit oolithischer Substanz
überzogen sind, ist in Fig. 1, Taf. II abgebildet. Auch wurde
von mir in dieser Bank nicht selten Glauconit als Kern in den
Oolithkörnern aug-etroffeu.
O
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
83
Es sind dies lauter Dinge, welche auch in allen anderen
oolithischen Bänken Vorkommen; nur die Glauconitkörner habe
ich bisher in der unteren Schaumkalkbank der Zone 8 nicht beob-
achtet.
In allen diesen Fällen passt sich die Hülle von kohlensaurem
Kalk der Form des eingeschlossenen Körpers an. Solche Oolith-
körner sind daher mehr oder weniger unregelmässig gestaltet.
Neben diesen Körnern mit Einschlüssen verschiedener Art
kommen in dem Oolithkalk des Joachimsthals auch solche vor,
die frei davon sind. Wie dies von vorn herein erwartet werden
darf, zeigen sie häufig ziemlich rein die Kugelgestalt (Fig. 1, Taf. I).
Diese Untersuchungen lehren, dass an echten Oolithkörnern
der kohlensaure Kalk in regellos zu einander gestellten, grossen
oder kleinen, getrübten oder ungetrübten Krystallen vorkommt
und dass es nicht richtig ist, den Begriff' Oolithkorn auf concen-
trisch-schalige und radialfaserige Körner zu beschränken, wie dies
Herr Bornemann gethan hat.
Ueber das Aussehen der Oolithkörner in der unteren Schaum-
kalkbank der Zone 8 in der Meininger Gegend giebt die Fig. 2,
Taf. II Auskunft, in welcher ein Dünnschliff’ aus solchem Gestein
in etwa 50 facher Vergrösserung abgebildet ist. Das Gestein
stammt aus einem Steinbruch in den Herpfer Bergen, in welchen,
wie auch an einigen anderen Stellen bei Meiningen , hier und da
oolithische Partieen im Schaumkalk Vorkommen.
Die Körner in dieser Bank sind bei Meiningen im Allge-
meinen durch die Regelmässigkeit der Gestalt vor allen anderen
ausgezeichnet. Sie bilden zum grossen Theil regelmässige Kugeln
o o o ö o
oder weichen nur wenig von dieser Form ab. Sie sind zum Theil
recht klar, theilweise sind sie etwas getrübt, aber in viel geringerem
Grade, wie in der oberen Bank. Die Trübung macht bei den
meisten Körnern den Eindruck, als wären sie mit einem dünnen
Nebelschleier überzogen.
Zonale Structur ist an diesen Körnern gewöhnlich nicht wahr-
nehmbar. Sie bestehen aus einem Haufwerk von Kalkspath-
krystallen, welche im Allgemeinen nur geringe Dimensionen er-
reichen. Am grössten werden die Krystalle in den klaren Oolith-
6*
8-1
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
körnern , während sie in den schwach getrübten kleiner sind.
Foraminiferen kommen bei Meiningen in dieser Bank zwar eben-
falls vor, aber verhältnissmässig selten.
Die regelmässige Kugelgestalt des grössten Theils dieser
Körner hängt offenbar mit dem Fehlen der fremden Einschlüsse
zusammen. Sie beweist, dass diese Körner sich unmittelbar aus
dem Wasser ausgeschieden haben müssen, da ihre regelmässige
Kugelgestalt unerklärlich wäre, wenn dieselben weiter nichts, wie
Kalksand wären.
Es folgt dies übrigens auch aus den Störungen, welche auch
diese Körner im bewegten Wasser zuweilen erlitten haben und
von denen unten, bei der Untersuchung der »Pseudooolithe« weiter
die Rede sein wird.
Bei der Untersuchung der Schaumkalkbänke der Zone o bei
Eisenach habe ich im Vergleich zur Entwickelung derselben bei
Meiningen wesentliche Unterschiede in der Zusammensetzung
dieser Gesteine nicht auffinden können. Wenn Herr Bobnemann
zu einem anderen Resultate gekommen ist, so liegt dies nur daran,
dass derselbe die Veränderungen , welche diese Gesteine durch
die Umwandlung in zuckerige Kalke erlitten haben, nicht genügend
o o o o
in Rechnung gezogen hat.
Wo die untere Schaumkalkbank ihr typisches Aussehen hat
und die Oolithkörner nicht ausgelaugt sind, findet man, dass die-
selben auch bei Eisenach aus Oolithkalk besteht. Die Formen
der Oolithkörner sind theilweise dieselben, welche auch bei Mei-
ningen darin Vorkommen. So findet man in dem Gestein der
unteren Schaumkalkbank vom Ramsberg bei Eisenach, von dem
ein Dünnschliff' in Fig. 1, Taf. III abgebildet ist, ganz dieselben
schwach getrübten, regelmässig kugeligen Oolithkörner, wie ich
sie oben aus der gleichen Bank bei Meiningen beschrieben habe
und neben ihnen in grosser Menge diejenigen Körner, welche
Herr Bornemann als Pseudooolithe bezeichnet hat.
Wo jedoch die Schaumkalkbänke zuckerig geworden sind,
wird die oolithische Structur des Gesteins mehr und mehr un-
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
85
deutlich und kann in einzelnen Handstücken zuweilen kaum noch
nachgewiesen werden.
Es ist ganz klar, dass ein solches Resultat bei langer Berüh-
rung von oolithischen Gesteinen mit Sickerwasser endlich eintreten
muss, bei dem einen früher, bei dem andern später. Am frühesten
wird dies natürlich in solchen Bänken geschehen, welche freier
von färbenden Substanzen sind.
Daher kommt es, dass vorzugsweise die untere, auch bei
Eisenach gewöhnlich recht hellfarbige, aus reinerem Kalk bestehende
untere Schaumkalkbank der Zone 3 in der Form des »Mehlsteins«
erscheint, ein Ausdruck, welcher am Thüringer Walde übrigens
für alle weissen Schaumkalkbänke, auch für die typischen, porösen
Schaumkalke und nicht bloss für dichte Gesteine gebräuchlich ist.
Derartige Gesteine haben gewöhnlich ein etwas lockeres Ge-
füge, dessen Entstehung durch Fortführung eines Theils des
kohlensauren Kalks aus dem Gestein durch das Wasser leicht
erklärlich ist. Sie siud mitunter ziemlich weich, so dass sie zum
Bauen oft nicht benutzt werden können.
Die Umwandlung des gewöhnlichen Kalksteins in zuckerigen
Kalk wurde durch die eigentümliche Beschaffenheit der Schaum-
kalke besonders begünstigt. Daher kommt es, dass bei diesen
Gesteinen die krystallinische Structur überall viel deutlicher hervor-
tritt, als bei den zwischen ihnen liegenden Wellenkalkschichten
und dass die untere Schaumkalkbank zuweilen feinzuckerig ist,
während darüber und darunter gewöhnlicher blauer Wellenkalk
liegt.
Zu den Gesteinen dieser Art gehört auch die untere Schaum-
kalkbank an der Spillingskuppe bei Kreuzburg und ebenso die
gleiche Bank im Kirchthal bei Eichrodt.
In den Dünnschliffen aus letzterem Gestein sind die Oolitli-
körner zwar noch teilweise erkennbar, aber meistens etwas un-
deutlich geworden. Besser treten sie hier in der mittleren Schaum-
kalkbank hervor; doch haben sie auch in dieser Bank ihre scharfen
Umrisse verloren.
In ganz ähnlicher Weise sind auch wohl die oolithischen
Bänke in den tieferen Horizonten des unteren Muschelkalks in
86
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
der Nähe von Verwerfungsklüften verändert. So besteht das Ge-
stein der Oolithbank ß an der Nordseite der Michelskuppe bei
Eisenach hart neben der dort durchlaufenden Verwerfungsspalte
aus gelb gefärbtem, krystallinisch gewordenem Kalkstein. Das
Gleiche beobachtet man auch an dem Gestein der beiden Oolith-
bänke a und ß an dem mitten im Keuper aufragenden Muschel-
kalkfelsen der Galgenleite bei Madelungen unweit Eisenach. An
letzterem Punkte wird der Oolithkalk ungewöhnlich grob -kry-
stallinisch. Die Oolithkörner haben ihre Umrisse gänzlich ver-
loren und sind nur durch trübe Flecken in den Krystallen an-
gedeutet.
Auch die zweite Art von »Mehlsteiu«, der »phytogene Mehl-
stein« Bornemann’s, ist ebenfalls nichts Anderes, als gewöhnlicher
Oolithkalk, der mehr oder weniger durch Krystallisation verändert
ist. Ich habe eine grössere Anzahl von Dünnschliffen von dem
Gestein der oberen Schaumkalkbank sowohl aus dem Gemeinde-
bruch bei Mihla, als von anderen Orten jener Gegend hergestellt,
in welchen ganz übereinstimmend dieselben regelmässig runden
oder ovalen Formen von Oolithkörnern enthalten sind, welche
auch bei Meiningen in dieser Bank Vorkommen.
In Fig. 4, Taf. II ist ein Dünnschliff aus dem Gestein des
Mihlaer Steinbruchs abgebildet, in welchem man die Oolithkörner
recht deutlich erkennt.
Wenn Herr Bornemann die in der Fiff. 2 Taf. XI im Jahr-
buch der Königl. preuss. geol. Landesanstalt für 1885 erscheinenden
runden und ovalen Schnitte für Querschnitte von langen cylin-
drischen Körpern, für Kalkalgen erklärt, so kann ich diese Deutung
nicht als richtig anerkennen. Wäre diese Ansicht begründet, so
müssten neben den in grosser Zahl vorhandenen runden und ovalen
Schnitten lang gestreckte Körper in viel grösserer Menge in der
Abbildung erscheinen, als es der Fall ist. Es sind in der Figur
nur ein Paar davon zu sehen. Ich kann in ihnen nichts als
Muschelbruchstücke erkennen.
In den tieferen Schaumkalkbänken, in den oolithischen Schich-
ten der Zone a bis y zeigt bei Meiningen ein Theil der Oolithkörner
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
87
ganz dieselbe Beschaffenheit, wie diejenigen, welche ich oben aus
der Schaumkalkzone 3 beschrieben habe. Bei einem anderen und
zwar sehr bedeutenden Theil aber weicht die Form der Körner
mehr oder weniger von der Kugelgestalt ab. Sie werden ab-
gerundet-eckig, oft verhältnissmässig lang, oder sind gebogen und
gekrümmt.
In ihrer Textur unterscheiden sich diese Körner dadurch von
den bisher betrachteten Oolithkörnern, dass der grösste Theil der-
selben eine ziemlich grob-krystallinische Beschaffenheit hat. Dabei
beobachtet man an den verschiedenen Orten oft eine gewisse
Gleichförmigkeit in der Grösse der Kalkspathkörner. Manchmal
sind die Oolithkörner nur aus wenigen grossen Kalkspathkrystallen
zusammengesetzt und es kommt gar nicht selten vor, dass sie nur
aus einem einzigen Individuum bestehen. In anderen Fällen
gruppirt sich eine grössere Anzahl etwas kleinerer Krystalle zu
einem Korn. Sie zeigen dann zuweilen eine auffallende Gleichheit
der Grösse. Derartige Formen fand ich besonders schön in dem
Gesteine der Oolithbänke a und ß bei Elters in der Ivhön. Sie
bilden in demselben auch wohl längere Streifen und ungewöhn-
lieh grosse Körner.
Es ist sehr bemerkenswert!), dass diese grob-krystallinischen,
etwas unregelmässig gestalteten Oolithe gewöhnlich eine grosse
Anzahl von winzigen, unregelmässig begrenzten, undurchsichtigen,
schwarzen Körnchen einschliessen, welche sich besonders nach dem
Umfange hin anhäufen. Aus ihrer schwarzen Färbung und aus
der Beschaffenheit ihres Verwitterungsrückstandes schliesse ich,
dass sie wahrscheinlich eine Mangan-Eisen- Verbindung sind, nicht
aber Schwefeleisen, wofür sie Herr Bornemann erklärt. Er will
sogar aus der Zersetzung derselben zu Eisenvitriol und durch
Einwirkung der entstandenen Schwefelsäure die poröse Beschaffen-
heit der rostigen Schaumkalkbänke ableiten. Sie sind vermuthlich
ganz ähnlich zusammengesetzt, wie die von Gümbel *) beschriebenen
hauptsächlich aus Eisenoxyd, Mangansuperoxyd, Kieselsäure und
Thonerde bestehenden Halosiderite der heutigen Meere. Bei der
b K. W. Gümbel, Grundzüge der Geologie, S. 330,
88
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
Verwitterung lassen sie einen Auslaugungsrückstand von Eisen-
oxydhydrat zurück und veranlassen dadurch die ockerige Färbung
dieser Gesteine.
Bei dieser Beschaffenheit liegt allerdings der Gedanke, dass
diese krystallinischen Körner aus Zerstörung von Kalksteinfrag-
menten hervorgegangen seien, sehr nahe. Herr Bornemann hat
in der That diese Erklärung für die Entstehung derselben gegeben
und sie daher als Pseudooolithe bezeichnet.
Ich selbst habe sie, wie Herr Bornemann in seiner Ab-
handlung (a. a. O. S. 277) ganz richtig angiebt, in meiner Arbeit
»Ueber Terebratula Ecki « a) allerdings ebenfalls mit vom Wellen-
schlag abgerundeten Gesteinsfragmenten verglichen, aber ich habe
keineswegs gesagt, dass sie das wirklich seien. Als ich jene
Worte schrieb, war mir die Natur dieser Körner noch nicht klar,
so dass ich mich darauf beschränken musste, ihre Gestalt zu be-
schreiben. Heute kann ich jedoch auch diese Körner fast ohne
Ausnahme mit Bestimmtheit für echte Oolithe erklären und bin
in der Lage diesen Ausspruch auch beweisen zu können.
Die Annahme, die Pseudooolithe Bornemann’s seien psarn-
mitischer Natur, scheitert von vorn herein an der Schwierigkeit,
zu erklären, woher das zu Kalksand zerriebene Kalkgestein stamme.
Man könnte sich hierbei allenfalls auf die Congdomeratbildungen
O O
im Wellenkalk berufen.
Letztere bestehen jedoch aus Gesteinen, welche mit denen
in den tieferen Schichten gar keine Aehnliehkeit haben, nament-
lich nicht mit dem Zechstein, an welchen man in der Umgebung
des Thüringer Waldes allenfalls als Ursprungsgestein denken
könnte. Da ein anderes Festland gar nicht in der Nähe war,
der Thüringer Wald aber aus ganz anderen Gesteinen besteht,
so bleibt nur die Annahme übrig, dass die Gerolle im unteren
Muschelkalk aus Material gebildet worden sind, welches die
Strömungen vom Untergründe des Meeres losgerissen und eine
kürzere oder längere Strecke weit fortgeführt haben. Sie würden
') Jahrbuch der Königl. preuss. geol. Landesanstalt für 1881, S. 157.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
89
also im Wellenkalk eine ganz ähnliche Rolle spielen, wie die be-
kannten Thongallen in den Sandsteinbänken des Buntsandsteins.
Mit dieser Auffassung stimmt das Aussehen der Gerolle im
Wellenkalk ganz überein. Es sind theils recht eckige Bruchstücke,
denen man es ansieht, dass sie aus nächster Nähe stammen, theils
sind es flache Steinchen, in ihrer Form ganz ähnlich den Thon-
gallen des Buntsandsteins.
Es mag wohl sein, dass ausnahmsweise derartige Gerolle auch
wohl zu feinem Kalksand zerrieben worden sind. Im Allgemeinen
erfordern aber die Verhältnisse der oolithischen Bänke eine andere
Erklärung für die Entstehung der beschriebenen unregelmässigen,
grobkristallinischen Oolithkörnern.
Gerade diejenige Bank, in welcher die Rollsteine am zahl-
reichsten Vorkommen und am weitesten verbreitet sind, die Bank
mit Spirifer fragilis , ist frei von Oolithkörnern, während umge-
kehrt diejenigen Bänke, in welchen die Oolithkörner am häufigsten
die Form der »Pseudooolithe« haben, die Bänke a und ß, frei von
Gerollen sind. Es existirt also zwischen den Gerollen und den
Oolithkörnern kein Zusammenhang.
Nirgends beobachtet man ferner unregelmässige, grössere An-
häufungen von Oolithkörnern, wie man doch erwarten müsste,
wenn dieselben in einem sturmdurchwühlten, seichten Meere durch
Reibung gebildet worden wären. Im Gegentheil setzen, wie ich
oben gezeigt habe, die dünnen Oolithbänke mit ganz überraschender
Gleichförmigkeit über ganze Länder fort, so dass man deutlich
erkennt, dass sie sich in einem sehr ruhigen Wasser gebildet
haben müssen. Endlich ist es auch bei der Annahme, die »Pseudo-
oolithe« seien lediglich Reibungsproducte, nicht zu erklären, warum
diese Körner sich nicht in allen Schichten des Wellenkalks finden
und warum sie an wenige mächtige Lagen gebunden sind.
Es lässt sich auch durch directe Beobachtungen an diesen
Körnern nachweisen, dass die »Pseudooolithe« sich ebenso aus
dem Wasser zur Zeit der Bildung der oolithischen Schichten aus-
geschieden haben, wie die concentrisch-schaligen und radialfaserigen
Oolithkörner. Sie waren, als sie ausgeschieden wurden, noch ganz
weich, so dass sie bei der Bewegung im Wasser mitunter zer-
90
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
brochen sind und selbst geringem Druck des Wassers nachgegeben
O o o O
haben.
Man kann solche Veränderungen ganz vorzüglich an einem
Dünnschliffe vorfolgen, den ich aus dem Grestein der Oolithbank ß
vom Heldrastein bei Treffurt hergestellt habe. Es sind von diesem
Dünnschliff an vier verschiedenen, nahe bei einander liegenden
Stellen Abbildungen bei etwa 50 facher Vergrösseruug gemacht.
(Fig. 3, Taf. II und Fig. 2, 3 und 4, Taf. III.)
In der Fig. 3, Taf. II haben die Oolithkörner ihre normale
Gestalt. Sie sind theils regelmässig rund, theils etwas unregel-
mässig geformt und grobkrystallinisch.
In der Fig. 2, Taf. III sieht man links ebenfalls normal ge-
staltete Körner, rechts aber solche, welche durch die Bewegung
des Wassers Veränderungen erlitten haben. Sie sind verbogen,
zerquetscht, und zuweilen mit ganz scharfen Rändern in zwei
Theile zerbrochen. Es kommen in dem Dünnschliffe auch Kügelchen
vor, deren zerbrochene Theile noch hart neben einander liegen.
©
Die aus trüber Masse bestehenden Oolithkörner und die aus
klarem Kalkspath zusammengesetzten zeigen sämmtlich derartige
V eränder ungen.
Fig. 3, Taf. III giebt eine andere Stelle des Schliffes mit
© " ©
solchen durch den Wasserdruck verzerrten Oolithkügelchen wieder.
In Fig. 4, Taf. III sind die Oolithkörner noch weiter zu-
sammengedrückt. Sie sind so zerquetscht, dass, wenn man die
Uebergänge vom runden Oolithkorn der Reihe nach nicht vor
© ©
Augen hätte, mau in diesen Schlieren und Fetzen nicht oolithische
Substanz vermuthen würde.
Hat man diese zerbrochenen und zerquetschten Körner einmal
in einem guten Dünnschliff gesehen, so ist es leicht, auch solche
Dinge, wie Herr Bornemann sie in Fig. 1, Taf. VII im Jahrbuch
für das Jahr 1885 abgebildet hat, zu verstehen. Man sieht unten
in diesem Bilde ziemlich regelmässige, runde, aus kleinen Kalk-
spathkrystallen zusammengesetzte, aussen von einer trüben Zone
umgebene Oolithkörner; oben im Bilde aber solche, welche in
Folge der Wasserbewegung in mehrere, durch Schweife noch mit-
einander verbundene Theile auseinander gezogen sind.
des unteren Muschelkalks in einem Tkeile von Thüringen etc.
91
Auch in diesem Falle waren also die Körner bei ihrer Bildung
noch ganz weich, weicher noch, als in dem Präparate vom Heldra-
steiu, in welchem die Bruchstücke zuweilen scharfkantig erschienen.
Zuweilen beobachtet man in dem, Grundteig der Schaumkalk-
bänke kleine, unregelmässige Flitter in grosser Menge. Sie sind
nichts Anderes, als verdrückte, durch die Bewegung des Wassers
zerstreute Fetzen von Oolithkörnern.
Solche Beobachtungen, die mau in den oolithischen Bänken
gar nicht so selten machen kann, beweisen ganz augenscheinlich,
dass diese Körner sowohl die regelmässig runden, wie die unregel-
mässig gestalteten grobkrystallinischen, zuweilen noch ganz weich
waren, als sie sich absetzten. Sie müssen sich offenbar aus dem
Wasser als rundliche Kügelchen abgeschieden haben.
In ihrer Form spiegelt sich der Zustand des Wassers ab.
Die regelmässigen, typischen Körner sind die Formen des ruhigen,
die verunstalteten, unregelmässigen die Formen des stärker be-
wegten Wassers.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diejenige. Textur der
Kalksteine, welche Gümbel *) als eine oolithähuliche bezeichnet
hat, dieselbe ist, welche man an den Oolithkörnern der unteren
oolithischen Bänke des Wellenkalks so häufig beobachtet. Er be-
schreibt solche Körner als den »Oolithkügelchen entsprechende
Absondei’ungen«, die eine »von der Kugelform sehr abweichende
Gestalt zeigen und walzenförmig, wurstartig gekrümmt, gebogen,
seitlich ausgebuchtet und oft nach der Form eiugeschlossener
Theile gebildet sind«. An einer anderen Stelle seines Handbuch’s * 2)
werden von ihm ganz ähnlich aussehende Dinge aus dem Jura
als »Halboolithe« bezeichnet.
Beide Namen scheinen mir jedoch für die von mir beschrie-
benen unregelmässigen Oolithkörner nicht zu passen, der erstere
Name nicht, weil diese Bildungen echte Oolithe sind. Auch das
Wort »Halboolith« kann zu einer schiefen Auffassung Veranlassung
geben. Ich schlage daher für die von Gümbel ganz treffend be-
schriebenen, in ihrer regelmässigen Ausbildung gestörten Formen
‘) a. a. 0. S. 80.
2) a. a. 0. S. 173,
92
W. Frantzen, Untersuchungen über die Gliederung
die Bezeichnung »gestörte Oolithe«, oder wenn man sich eines dem
Griechischen entlehnten Wortes bedienen will, »Empodoolithe« vor.
Ueber die Art und Weise, wie die Abscheidung der Oolith-
körner aus dem Wasser erfolgte, haben meine Untersuchungen
keine neuen Aufschlüsse ergeben. Wenn ich oben erklärt habe,
dass ich geneigt sei, anzunehmen, dass sie nicht auf chemischem
Wege erfolgt sei, sondern mit Hülfe des Organismus, so gründet
sich diese Ansicht auf das Vorkommen der Oolithkörner und auf
allgemeine Erwägungen.
Die Annahme einiger Forscher, dass die Oolithkörner in ähn-
licher Weise, wie die Pisolithe sich gebildet hätten, stösst auf
die Schwierigkeit, zu erklären, durch welchen chemischen Process
aus einer so sehr verdünnten Lösung, wie es das Meerwasser ist,
der kohlensaure Kalk abgeschieden worden sein könnte. Wenn
Gümbel *) dieses Hinderniss durch die Annahme zu beseitigen
sucht, dass aus der Erde aufsteigende Quellen das Material für
diesen Process geliefert haben könnten, so steht dieser Theorie in
ihrer Anwendung auf die Oolithe des Muschelkalks das Vorkommen
dieser Bildungen im Wege.
Wäre diese Ansicht richtig, so müsste man die Oolithkörner
in allen Schichten des Wellenkalks zerstreut linden. Man beob-
achtet aber, dass sie iu Wirklichkeit an ganz bestimmte Horizonte
gebunden sind.
Diese Bänke sind stets durch ihre Ebenflächigkeit, ihre grosse
Mächtigkeit und ihren Reichthum an Petrefacten ausgezeichnet.
Die innige Verknüpfung der Oolithbildungen im Muschel-
kalk mit den ebenflächigen, mächtigen, petrefactenreichen Bänken
schliesst es auch aus, an eine Bildung der Oolithe auf chemischem
Wege zu glauben und zwingt zu der Annahme, dass sie ähnlich,
wie die Petrefacten , mit Hülfe des Organismus entstanden seien.
Forscht man nach analogen Bildungen in den heutigen Meeren,
so liegt es sehr nahe, die Oolithe der Trias mit den Coccolithen
der Jetztzeit zu vergleichen. Es wäre wohl möglich, dass sich
') a. a. 0. S, 389.
des unteren Muschelkalks in einem Theile von Thüringen etc.
1)3
derartige Formen zu grösseren Kugeln vereinigt hätten. Durch
die Y erschiedenartigkeit derselben würde alsdann die Verschieden-
artigkeit der Oolithkörner ihre einfache Erklärung finden.
Diese Annahme wird durch die ganz überraschende Aehnlich-
keit der heutigen Gflobigerinenschlämme mit den oolithischen
Bänken des Wellenkalks sehr unterstützt.
Nach Gümbel1) bestehen erstere vorzugsweise aus den Schalen
von Foraminiferen, Coccolithen und pulverigen Kalktheilchen,
daneben aus Fragmenten von Korallen und anderen Hartg ebilden,
Flocken von Thon, feinsten Sandkörnchen und Beimengungen von
Eisen- und Manganoxyden. Es sind dies, wenn man die Oolith-
körner als geballte Coccolithe auffasst, lauter Dinge, welche sich
auch in den oolithischen Bänken des Wellenkalks nachweisen
lassen. Sie sind die Globigerinenschlämme dieser Zeitperiode.
Ganz die gleiche Entstehung schreibe ich auch den radial-
faserigen Oolithen des oberen Muschelkalks zu, deren radialfaserige
Zusammensetzung zum Theil in einer etwas anderen Beschaffenheit
der dieselben bildenden Coccolithe ihre Ursache haben mag, die
aber zum Theil sicher eine Folge der grösseren Dimensionen dieser
Körner ist, in denen das Bestreben des Kalkspaths, sich bei der
Krystallisation in kugelförmigen Gebilden rechtwinklig gegen die
Oberfläche zu stellen, an den grossen Körnern deutlicher zum
Ausdruck kam, als an den winzigen Körnern der Oolithe des
Wellenkalks.
l) a. a. 0. S. 333.
Ueber Fayolia Sterzeliana n. $p.
Von Herrn Cb. E. Weiss in Berlin.
(Hierzu Tafel IV.)
Die nachfolgenden Zeilen liefern einen neuen Beitrag zur
Kenntniss der Gattung Fayolia , welche in der Abhandlung des
Verfassers über Calamarien (II. Theil, 1884) eine provisorische
Stelle gefunden hatte. Ein solcher Fund ergab sich nämlich bei
einem Besuche der Umgegend von Chemnitz in Sachsen, der den
Verfasser unter der freundlichen Führung des Herrn Prof. Siegert
in Kötschenbroda bei Dresden mit den dortigen geologischen
Formationen näher bekannt machen sollte. Wir gelangten dabei
auch in eine Gräberei nahe bei Borna, wo aus einem sehr lockeren
grauen bis bräunlichen Sandstein durch Zerklopfen mit Dresch-
flegeln Sand gewonnen wird , in deren westlichem Theile eine
Schicht mit Pflanzenresten auftritt, welche über die Stellung der
Schichten Aufschluss ertheilt. Die Beschaffenheit des Sandsteins
hatte denselben zuerst als Bothliegendes deuten lassen, als welches
er auch auf der Section Chemnitz der geologischen Specialkarte
des Königreichs Sachsen eingetragen ist; jedoch die erwähnten
Pflanzenreste, welche von Dr. Sterzel x) darin entdeckt wurden,
haben gelehrt, dass man es mit Hainichen -Ebersdorfer Schichten
zu thun hat, welche bekanntlich von den sächsischen Geologen
') Nachträge und Berichtigungen zur 2. Auü. des Kartenblattes 96a, Section
Chemnitz 1880. — Ueber die Flora und das geologische Alter der Kulmformation
von Chemnitz-Hainichen. IX. Ber. d. Nat. Ges. zu Chemnitz, 1884, S. 201.
Ch. E. Weiss, Ueber Fayolia Sterzeliana n. sp.
95
zum Culm gezählt werden und welche nahezu mit den Walden-
burger oder Ostrauer Schichten der Steinkohlenformation zu-
sammenfallen. An dem angegebenen Punkte der Müller’schen
Grube sind die Reste nicht selten und unter den Abdrücken fand
ich an Ort und Stelle ein Stück, das ich als einen Vertreter der
neuerdings von Renault und Zeiller aufgestellten Gattung
Fayolia erkannte. Das besondere Interesse, welches dieser Fund
trotz der problematischen Natur desselben hat, wird aus dem
Folgenden hervorgehen. Herr Dr. Sterzel in Chemnitz hatte
aber Stücke derselben Art schon längst gefunden, ehe noch die
Gattung bekannt geworden war, uud daher auch nicht als Fayolia
bestimmt. Er hat seine Exemplare mir freundlichst zur Benutzung
geliehen; das beste davon ist in Fig. 2 abgebildet und weicht am
meisten von dem meinigen (Fig. 1) ab; es ist mit Gegendruck vor-
handen. Vier andere kleinere Bruchstücke stehen zwischen diesen
beiden, so dass man Grund hat, alle als dieselbe Art zu betrachten.
Die letzteren sind theils der städtischen Sammlung in Chemnitz,
theils der geologischen Landessammlung in Leipzig einverleibt
worden. Das von mir gesammelte gehört der geologischen Landes-
anstalt in Berlin an.
Es sind 4 Vorkommnisse, welche in der Litteratur als mehr
oder weniger wahrscheinlich zu Fayolia gehörig zu finden sind
oder in Betracht kommen. Am vollständigsten erhalten sind Reste
aus der Steinkohlenformation von Commentry, welche Renault
und Zeiller unter obigem Namen in 2 Arten ( dentata und grandis)
unterschieden und in einer vorläufigen Mittheilung (Compt. rend.
liebd. 1884, 2. Juni) beschrieben haben. In einer restaurirten Figur
fassen sie ihre Beobachtungen an den einzelnen Stücken zu-
sammen. Ich selbst hatte fast gleichzeitig einen Rest aus dem
Rothliegenden der Pfalz (Steinkohlen - Calamarien II , Abhand], z.
geol. Specialkarte v. Preussen, V. Bd., 2. Heft, 1884, S. 152 und
Nachtrag S. 202) zuerst als Gyrocalamus palatinus , dann als
Fayolia palatina beschrieben, letzteres weil der letztere Gattungsname
vor beendigtem Druck meiner Abhandlung publicirt wurde. An der
angegebenen Stelle ist die Zusammengehörigkeit der Reste zur
nämlichen Gattung besprochen, auch die Renault-Zeiller sehen
96
Ch. E. Weiss, Ueber Fayolia Sterzeliana n. sp.
Figuren *) wiedergegeben worden. Noch früher, jedoch noch un-
vollkommenere Reste, deren Zugehörigkeit zur Gattung auch am
ehesten angezweifelt werden kann, hat Newberry (Descr. of
some peculiar screw-like fossils from the Chemung rocks. Aun.
of the New -York Acad. of Sciences vol. III, No. 7, p. 217; —
erschienen 1885, gelesen 10. Dec. 1883) als Spiraxis major und
Randalli beschrieben und abgebildet. Endlich ist auch ein Körper
als Spiraxis bivalvis durch Lester F. Ward (Types of the Laramie
Hora. Unit. St. Geol. Surv. Washington 1887, p. 14, t. I, f'. 3)
von Head of Clear Creek, Montana, beschrieben worden.
Die als lang spindelförmige, fruchtähnliche Reste dargestellten
Stücke von Commentry sind als verschieden von Palaeoxyris oder
Spirangium anzusehen, alle übrigen erscheinen mehr als Stamm-
stücke, cylindrisch, nur die als Spiraxis beschriebenen Körper
sind wenigstens an einem Ende verschmälert. Um die spindel-
förmige oder cylindrische Oberfläche verlaufen in 2 Spiralen er-
habene Kantenlinien, welche bei den Commentry -Vorkommen in
bandartige Fortsätze sich verlängern, wovon in den anderen Vor-
kommen nichts erhalten geblieben ist. Dagegen zeigen die fran-
zösischen Stücke und das aus der Pfalz über der Spiralkante je
eine fortlaufende Reihe runder Narben auf mehr erhabenem Felde,
woran nur bei den ersteren Stücken mitunter stachelähnliche An-
hängsel befestigt gefunden worden sind. Diese Narben sind an
den Stücken aus der Chemunggruppe nicht zu sehen, aber es ist
möglich, dass sie hier nur nicht erhalten sind, statt ihrer giebt
die Zeichnung je 2 erhabene parallele Spiralkanten, welche ein
erhabenes Band einschliessen, worauf die Narben gesessen haben
müssten. Sollten sie bei diesen Resten wirklich fehlen, so würde
darin wohl besser ein generischer Unterschied zu finden und es
würden diese Reste abzutrennen sein. Die Spiraxis bivalvis der
Laramieflora zeigt überhaupt nur eingedrückte Spirallinien und
deshalb nur mehr entfernte Aehulichkeit mit den übrigen Vor-
kommen; sie würde fernerhin ausser Betracht bleiben können. Die
übrigen Merkmale, welche die Commentry-Stücke erkennen Hessen,
x) Eine Copie dieser Figuren siehe auch in N. Jahrb. für Min. 1885, I. Bd.,
Ref. S. 344.
Ch. E. Weiss, Ueber Fayolia Sterzeliana n. sp.
97
wie die gehörnte Spitze und der Stiel der Körper, fallen bei der
Vergleichung nicht in’s Gewicht, weil diese Theile eben bei den
anderen nicht erhalten sind J).
Die Chemnitzer neuen Funde schliessen sich am nächsten
dem Pfälzer Vorkommen an und bilden mit ihm zusammen sicher
ein und dieselbe Gattung. Dass man diese aber von der Fayolia
von Commentry trennen sollte, wie Solms-Laubach geneigt scheint
(Einleitung in die Palaeophytologie , Leipzig 1887, S. 378), ist
zur Zeit wohl nicht räthlich, da zu wenig positive Merkmale hier-
zu gegeben sind. Lässt man auch die devonischen Funde bei
der Gattung, so kennt man jetzt zwei Arten aus Oberdevon, eine
Art aus unterer, zwei Arten aus oberer Steinkohlenformation und
eine aus Rothliegendem. Wenn die genauere Vergleichung mit
Spirangium ermöglicht sein wird , wird man ein weiteres Urtheil
über diese ähnlich aussehenden Körper und ihre Vertheilung er-
langen. Für jetzt genügt es, nur diejenigen Merkmale zu be-
rücksichtigen, welche an dem Pfälzer und Chemnitzer Vorkommen
sichtbar sind; danach hat man bei
Fayolia cylindrische oder spindelförmige Körper, welche von
zwei gegenüber stehenden Spiralkanten umzogen werden, an
welche sich oberwärts ein bandförmiges, vor springen des
Feld anschliesst, das zahlreiche dicht stehende Narben trägt,
welche selbst etwas vortreten, rundlich oder elliptisch und im
Centrum durch einen Punkt markirt sind. Der übrige grössere
Theil der Oberfläche zwischen Narbenreihe und nächst höherer
Spiralkante ist etwas vertieft, concav.
Nach den Mittheilungen von Renault und Zeiller an den
Exemplaren von Commentry trägt die Spiralkante ein halskrausen-
förmiges abstehendes Spiralband, die Narben dagegen Stacheln.
Der centrale Punkt in den Narben der Exemplare von Chemnitz
würde eher abgefallene Blätter als Stacheln erwarten lassen.
9 Wenn die Herren Renault und Zeiller als Analoga für Fayolia, Früchte
von Medicago und Orchis citiren, so konnte man sich auch an die von Chara
erinnern lassen, um so mehr als diese ähnliche Bekrönung zeigen.
Jahrbuch 1887. 7
98
Ch. E. Weiss, Ueber Fayolia Sterzeliana u. sp.
Die von Chemnitz vorliegenden Stücke x) zeigen speciell
Folgendes.
Das längste Bruchstück ist das in Fig. 1 gezeichnete von
72 Millimeter Länge bei nur 24 Millimeter unvollständiger Breite,
während das von Fig. 2 62 Millimeter Länge auf 33 Millimeter
ebenfalls noch unvollständiger Breite besitzt. Die übrigen Stücke
sind noch unvollständiger und kleiner.
Die scheinbaren Glieder oder die Entfernung zweier über
einander liegender Spiralen, von Mittelpunkt zu Mittelpunkt der
rundlichen Narben oder auch von kantiger Linie darunter zur
nächstfolgenden gemessen, beträgt bei dem Stück Fig. 1 unten
J 1 , oben 9,5 Millimeter bei dem Fig. 2 6 — 7 Millimeter, bei den
übrigen zwischen diesen Grenzen.
Die beiden Spiralen werden durch je eine hervorragende
kantige Linie bezeichnet, über welcher in geringer Entfernung
je eine Reihe dicht gedrängter, kleiner, rundlicher Narben stehen,
die parallel der Spiralkante verlaufen. Bei Fig. 1 ist die Kante
schwächer als bei Fig. 2, die übrigen Stücke, welche Hohldrücke
sind, lassen sie als eingedrückte, verschieden stark ausgeprägte
Linie erscheinen. In Fig. 2 bemerkt man dicht über der Kante
einige feine schwach ausgeprägte parallele Linien, dicht unter ihr
ist ebenfalls eine solche erkennbar. Es kommt auch vor, dass
diese Linien und die Kante wellig verlaufen, aber dies ist wohl
nur durch Druck hervorgerufen. Durch die Narbenreihen über
der Spiralkaute, welche auf convexem Boden stehen, erhält das
anstossende Feld das Ansehen eines gewölbten Bandes über der
Kante, doch liegt zwischen letzterer und der Narbenreihe noch
ein schmales concaves Feld. Der Abstand der unteren Ränder
der Narben von der Spiralkaute beträgt 1 — 1,5 Millimeter, der
Durchmesser der Narben ist kaum über 1 Millimeter, gewöhnlich
in der Höhe etwas mehr als in der Breite. Die Narben sind
demnach kreisrund bis etwas elliptisch, springen stets merklich
vor, sind aber in der Mitte ein wenig eingesenkt, mit vortretendem
9 Siehe auch Zeitschr. der Deutsch, geol. Gesellsch. 1887, Sitzungsber. vom
7. December 1887.
Ch. E. Weiss, TJeber Fayolia Sterzeliana n. sp.
99
Pünktchen. Dies Alles natürlich in umgekehrter Weise, vertieft
statt erhaben, bei den Abdrücken. Diese Narben stehen sehr
dicht, mit ihren Centren etwa 2 Millimeter auseinander, sie be-
rühren sich jedoch wohl nie völlig. Ueber ihrem Oberrande senkt
sich die Oberfläche ziemlich plötzlich ein, so dass hier ein stumpfer
kantiger Abfall entsteht, besonders an Fig. 1 , weniger an Fig. 2,
der ganze übrige Tlieil der übrigens glatten Oberfläche ist etwas
vertieft, flacher bei Fig. 1 , stärker concav bei Fig. 2; bei den
anderen Stücken, als Hohldrücken, sind es zum Theil stark con-
vexe Spiralbänder.
Dass der ganze Axentheil spiralförmig gedreht ist, kann nur
an dem Stück Fig. 1 wahrgenommen werden, wo es möglich ge-
wesen ist, eine Seite (links) so blosszulegen, dass die spiralige
Krümmung der Kantenlinie und Narbenreihen zum Vorschein kommt.
Die übrigen Bruchstücke könnten auch für quergegliederte gehalten
werden.
Wenn man die Bornaer Stücke mit der Fayolia palatina
aus der Pfalz vergleicht, so ist der auffälligste Unterschied nur
der in der Grösse. Der Durchmesser einer Narbe beträgt bei
jener bis 4 Millimeter, hier nur 1 Millimeter, allerdings constant;
dementsprechend sind auch die übrigen Maasse der sächsischen
Art geringer. Die feine schwache Streifung neben der Spiral-
kante, welche die sächsischen Exemplare zeigen, fehlt an der
F. palatina; indessen könnte dies an der Erhaltung liegen. Da-
gegen dürften die Narben bei ihnen verhältnissmässig noch enger
stehen als bei der palatina. Es kommen nämlich bei der säch-
sischen Art 10 — 11 Narben auf eine Länge von 17,5 Millimeter,
bei der Pfälzer 10 Narben auf ungefähr 62 Millimeter.
So fein diese Unterschiede auch sind, so wird man doch einen
specifischen Unterschied in ihnen festlialten müssen und ich be-
nenne daher die Art von Borna Fayolia Sterzeliana, nicht blos
mit dem Namen des ersten Finders derselben, sondern auch des-
jenigen, der sich in neuerer Zeit so vielfache Verdienste um die
Kenntniss der sächsischen Steinkohlen- und llothliegendfloren er-
worben hat.
7
Heber das Vorkommen von Kersantit und Glimmer-
porphyrit in derselben Gangspalte, bei Unterneu-
brunn im Thüringer Walde.
Von Herrn H. Loretz in Berlin.
Die Aufnahmen für die Königliche geologische Landesanstalt,
welche dem Verfasser übertragen sind, haben sich in den letzten
Jahren besonders in demjenigen Abschnitte des Thüringer Waldes
bewegt, welcher das Grenzgebiet des nach Osten und Südosten
folgenden Schiefergebirges und der nach Westen und Nordwesten
sich anschliessenden Eruptivmassen des Rothliegenden enthält.
Diese Arbeiten, besonders die im Bereiche der Section Masser-
berg ausgeführten, haben die geologischen Erscheinungsformen
einer Anzahl Ei’uptivgesteine kennen gelehrt, welche sich zum
Schiefergebirge entweder als durchsetzende Gänge oder als auf-
gelagerte deckenartige Massen verhalten, daher jüngeren Alters
als jenes sind und in der Hauptsache der Periode des Rothliegenden
angehören. Kurze Andeutungen über diese Verhältnisse sind seitens
des Verfassers bereits in den Aufnahmeberichten in den letzten
Bänden dieses Jahrbuchs J) gegeben worden; die ausführlichere
Darlegung soll später in den Erläuterungen zu den betreffenden
Blättern (wie bereits bei Blatt Eisfeld geschehen) folgen, womög-
lich auch in einem weiteren Artikel in diesem Jahrbuch besprochen
werden. Die folgenden Seiten dagegen werden sich mit einem
b Jahrgang 1883, S. xlii; 1884, S. lxi; 1885, S. xl.
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantit etc.
101
besonderen Falle beschäftigen und seine geo-
logische Bedeutung zu erörtern suchen, welcher
bei den Eruptivgesteinen des aufgenommenen
Gebietes an verschiedenen Stellen beobachtet
wurde, und auch aus anderen Gebieten wieder-
holt in der Fachlitteratur beschrieben worden
ist, nämlich mit dem Nebeneinandererscheinen
von zweierlei Eruptivgestein in demselben Gange,
wofür sich auf dem Blatte Masserberg ein be-
sonders gut zu beobachtendes Beispiel bietet 1).
An der Vereinigungsstelle des von Nord-
osten her kommenden Neubrunnthaies mit dem
von Norden her kommenden Schleusethale liegt
der Ort Unterneubrunn, und kaum eine Viertel-
stunde Weges aufwärts im Neubrunnthale der
Ort Oberneubrunn. Etwa halbwegs beider Orte
schneidet die Strasse ein Protil an, welches in
der beigezeichneten Figur schematisch wieder-
gegeben ist. In derselben bedeutet p phyllitischen
Schiefer, G Glimmerporphyrit und K Kersantit.
In der Richtung thalaufwärts oder von Südwest
nach Nordost folgen aufeinander: Phyllit; 21
bis 22 Meter (29 Schritt) Glimmerporphyrit;
1 Meter Kersantit; 10,5 Meter (14 Schritt) Phyl-
lit; 7,5 Meter (10 Schritt) Kersantit; 9 Meter
(12 Schritt) Phyllit; 1 Meter Kersantit ; 13,5 Meter
(18 Schritt) Phyllit; 0,6 Meter Kersantit; 21
bis 22 Meter (28 — 29 Schritt) Glimmerporphyrit;
2,4 Meter (3 Schritt) Kersantit; Phyllit. Durch
die Verwitterung, welche besonders den Ker-
santit, aber auch Theile des Glimmerporphyrits
stark zersetzt hat, sowie durch Schutt ist das
Profil nicht in der Deutlichkeit zu sehen, wie
es hier dargestellt ist, doch unterscheiden sich
') Kurz erwähnt bereits in diesem Jahrbuch, 1S83.
S. XLVJ.
102
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantit
die Gesteine auch noch im zersetzten Zustande hinlänglich von
einander, um das Profil sicher aufzunehmen. Das Auftreten der
beiderlei Eruptivgesteine ist also derart, dass der thalaufwärts oder
nordöstlich gelegene Gang ' von Glimmerporphyrit beiderseits ein
schmales Salband von Kersantit hat, was bei dem anderen nur
auf der rechten Seite der Fall zu sein scheint; doch ist die Mög-
lichkeit nicht ausgeschlossen, dass an der linken Seite ein ent-
sprechendes Salband bei sehr mangelhaft werdendem Aufschluss
durch starke Verwitterung und Verschüttung verborgen bleibt.
Ausserdem tritt der Kersantit noch für sich, ohne Glimmerporphyrit,
in der Mitte des Profils auf, wo er in einem stärkeren und einem
schwächeren Gange (die möglicherweise in der Tiefe mit den Ker-
santit-Salbändern der Gänge rechts und links Zusammenhängen
könnten) den phyllitischen Schiefer durchsetzt. Das nordöstliche
Einfallen der Gänge in dem ganzen Anschnitt ist deutlich zu sehen.
Eine metamorpliische Umwandlung des Schiefers durch die Eruptiv-
gesteine wurde nicht beobachtet, doch ist derselbe in der Nähe
der Gangwände mechanisch gestaucht und gebrochen und zum
Theil breccienartig geworden.
Das Nebeneinandervorkommen der beiden Eruptivgesteine
macht sich auch im weiteren Verlaufe derselben Gangspalte be-
merklich. Zunächst kann man die beiden Glimmerporphyritgänge
in nordwestlicher Richtung eine Strecke weit auf ebendemselben
Rücken, welchen die Strasse in unserem Profile anschneidet, ver-
folgen, den weiter thalaufwärts befindlichen in einer Länge, deren
Horizontalp rojection etwa Kilometer beträgt, den anderen etwa
halb so weit 1). Auch die Begleitung des Glimmerporphyrits durch
Kersantit, entweder einseitig oder an beiden Salbändern ist zu
verfolgen; aber auch die Fortsetzung des in der Mitte unseres
Profils für sich erscheinenden Kersantits kann weiterhin in nord-
westlicher Richtung zwischen dem Schiefer deutlich erkannt werden.
Nicht minder setzen beide Eruptivgesteine in entgegengesetzter
*) Wollte man einen in derselben Richtung verlaufenden, nur durch eine
kurze Zwischenstrecke davon getrennten Gang hinzurechnen, so würde die Ge-
sammtlänge dieses letzteren Glimmerporpkyritgangs sogar noch grösser sein als
die des anderen.
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte etc.
103
Richtung auf der südlichen Thalseite nach Südosten resp. Süd-
südosten gangförmig im Schiefer fort, zunächst am nördlichen
Abfall des Schnetter Berges und dann weiterhin über die Höhe
dieses Berges hinweg, in einer Längenerstrecküng, deren Horizontal-
projektion mindestens la/2 Kilometer beträgt, nur dass hier der
Zusammenhang' des Gangvorkommens mehrfach kürzere Unter-
brechungen zeigt und auch nicht mehr, wie an der anderen Thal-
Seite , deutlich zwei Glimmerporphyritgänge zu erkennen sind x) ;
diese Verschiedenheiten können aber zum Theil in mangelhaftem
Aufschluss begründet sein, da man in dem Waldbestande an der
südlichen Thalseite den Eruptivgesteinszug nur durch die Lage
der losen Blöcke verfolgen kann. Diese zeigen wenigstens soviel,
dass auch hier der Glimmerporphyritgang von Kersantit theils auf
der einen, theils auf der anderen Seite begleitet wird. Die Ver-
zeichnung des Gangverlaufes ergiebt eine Curve, aus deren Lage,
in Uebereinstimmung mit dem Profil an der Strasse, ein nordöst-
liches Einfallen des Ganges, beziehungsweise der beiden Gänge,
zu erschlossen ist. In der weiteren Verlängerung derselben
Richtung nach Südosten liegen noch Gangstücke von quarzarmem
Porphyr (Orthophyr), sodass die Länge der eigentlichen Gang-
spalte mit ihren Ausfüllungsmassen die angegebenen 1 lj-2 Kilometer
jedenfalls noch übertrifft und auf wenigstens 2 Kilometer an-
zugeben wäre. Das Streichen des durchsetzten Schiefers ist hier
im Mittel nordöstlich, so dass also der Gang quer dazu steht.
Die Begehung der weiterhin sich anschliessenden Berge und
Thäler im Einzelnen zeigte, dass in diesem Gebiete das Neben-
einander von zwei oder auch drei Eruptivgesteinen in derselben
Gangspalte, oder doch in nahe benachbarten Spalten eine öfters sich
wiederholende Erscheinung ist. Allerdings lässt sich diese Er-
kenntniss in den meisten Fällen nur aus dem gemeinschaftlichen
Vorkommen der Verwitterungsblöcke der betreffenden Eruptiv-
gesteine in unmittelbarer Nachbarschaft und in derselben Richtung
l) Man kann wegen des Thalalluviums und Schuttes an der südlichen Thal-
seite nicht entscheiden, welcher der beiden Glimmerporphyritgänge hier fort-
setzt, oder ob sich vielleicht beide vereinigen,
104
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantit
entnehmen, während Anschnitte an Wegen, oder ähnliche, bessere
Aufschlüsse sehr selten sind. Doch genügt das, was zu beobachten
ist, um sich von der häufigen Wiederkehr der in Rede stehenden
Erscheinung zu überzeugen. Das sogenannte Köpfle und die
weiterhin sich anschliessende Tannenleite nördlich von Unter-
neubrunn, die Abhänge der nördlichen Seite des Neubrunnthaies
zwischen dem genannten Ort und Giessübel, der Holzberg und
Schnetterberg an der Südseite desselben Thaies, die südöstliche
Seite der Hohen Warth u. s. w. bieten Beispiele für das Mit-
einandervorkommen von Quarzarmem Porphyr (Orthophyr)
und Glimmerporphyrit, Quarzarmem Porphyr und Kersantit,
Glimmerporphyrit und Kersantit. Das letztere wiederholt sich be-
sonders an der Siidost-Seite der Hohen Warth in mehreren parallel
streichenden Gängen. Wir können daher in dem beschriebenen
Profil nur einen besonders gut aufgeschlossenen Fall einer all-
gemeiner verbreiteten Erscheinung sehen.
Prüfen wir die beiden Eruptivgesteine unseres Profils etwas
näher, so finden wir, dass sie die bekannten Eigenschaften von
Kersantit und Glimmerporphyrit in recht typischer Weise besitzen.
Was zunächst den Kersantit betrifft, so ist seine Structur in-
soweit als porphyrisch zu bezeichnen, als grössere Blättchen von
dunklem Magnesiaglimmer in Menge ausgeschieden sind, welche
hier und da regelmässig verlaufende Kanten zeigen und bis zu
5 oder 6 Millimeter und mehr breit werden, und als auch hier
und da einzelne grosse Feldspäthe mit polysynthetischer Zwillings-
streifung: hervortreten. Die Grundmasse erscheint etwa zu gleichen
Tlieilen aus feinen Feldspathpartikeln und Magnesiaglimmer-
blättchen gemischt, unter der Lupe feinkörnig, mit blossem Auge
gesehen oft fast dicht, von dunkelgrauer Farbe, mit einem Stich
in’s bläuliche oder röthliche. Im mikroskopischen Präparate er-
scheint die Structur der Grundmasse strahligkörnig , durch die
Anordnung der Feldspathleistchen , welche übrigens nicht mehr
frisch und zum Theil durch Zersetzungsprodukte so getrübt sind
dass sie ihre muthmaassliche Plagioklasnatur nicht sicher mehr
erkennen lassen. Dazwischen ist vielleicht noch etwas ungestreifter
Feldspath (? Orthoklas) und etwas Quarz stellenweise vorhanden.
und Glimm erporphyrit in derselben Gangspalte etc.
105
Magneteisen (nach dem Titangehalt der Analyse auch wohl etwas
Titaneisen), und feine Magnesiaglimmerblättchen sind durch das
Ganze der Grundmasse ziemlich gleichmässig zerstreut. Gewisse,
mit Zersetzungsprodukten erfüllte Umrisse lassen sich ausser auf
Glimmer vielleicht auch auf verschwundenen Augit deuten. Die
Umwandlungsprodukte sind besonders chloritiseher und eisen-
oxydischer Natur, dazu tritt Kalkspath und secundärer Quarz.
Apatit ist unter dem Mikroskop recht deutlich wahrzunehmen.
Die Verwitterung umzieht die Gesteinsstücke mit einer braunen
Rinde, in welcher Grundmasse und Glimmereinsprenglinge sich
verfärbt zeigen, die letzteren halten etwas länger Stand als die
erstere; beim weiteren Vorschreiten lockert die Verwitterung das
Ganze zu einer ockerigen Masse, was in unserem Profile bei dem
grössten Theile des anstehenden Gesteins bereits eingetreten ist.
Die Structur des Gesteins bleibt indess in ein und derselben
Gangmasse nicht durchweg deutlich porphyrisch; durch Ver-
schwinden der grösseren Glimmertäfelchen und der an sich schon
nicht allzuhäufigen grösseren Feldspäthe wird die Structur so, dass
sie, wenigstens für das Auge und die Lupe, feinköi’nig krystalli-
nisch erscheint. Die dunkle Färbung des Gesteins im Gegen-
sätze zu der des Glimmerporphyrits liegt im Gehalte an Magnet-
eisen, welcher allerdings nur im mikroskopischen Bilde, oft in
regelmässigen Umrissen, zum Vorschein kommt.
Die chemische Zusammensetzling unseres Kersantits von Un-
terneubrunn ergab sich in zwei, im Laboratorium der Königlichen
geologischen Landesanstalt und Bergakademie angestellten Ana-
lysen, wie folgt:
I.
11.
Si02 •
54,81
52,12
Ti02 .
0,75
1,20
Al2 O3
17,80
13,52
Fe2 O3
2,69
2,56
FeO .
4,46
4,53
MgO .
5,03
6,36
CaO .
1,78
5,78
Transport 87,32
86,07
106
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantit
Transport
87,32
86,07
k2o
3,86
5,36
Na20
4,06
2,34
S03
Spur
0,22
P2Oö
.
0,45
0,92
co2
0,44
3,59
h2o
3,56
1,86
99,69
100,36
Spec.
Gewicht .
2,712
2,72
W. Hampe G. F. Steffen.
Probe I ist dem oberen Ende des Profils entnommen, sie
stammt aus dem am meisten rechts verzeichneten Kersantit nahe
an der Strasse. Probe II ist etwas weiter aufwärts am Abhang
entnommen.
Nach dem Gehalte an Kohlensäure sind beide Gesteine nicht
mehr frisch, am wenigsten II. Zieht man von dem Kalkerde-
gehalte der Analysen den entsprechenden Betrag ab, welcher auf
Kohlensäure und Phosphorsäure entfällt, um Kalkspath und Apatit
zu bilden, so bleibt weniger als 1 pCt. übrig. Es ergiebt sich
auch hieraus, so wie aus dem Aussehen im mikroskopischen Bilde,
der zersetzte Zustand des Plagioklas. Im Uebrigen wird zu dem
vorhandenen Kalkcarbonat auch die Zersetzung des muthmaass-
lichen augitischen Gemengtheils beigetragen haben. Soweit die
Höhe des Kaligehaltes nicht durch den Glimmer und vielleicht
etwas Kalifeldspath bedingt wird, ist dabei auch an eine relative
Anreicherung gegenüber dem Natrongehalt durch die Zersetzungs-
Vorgänge im Plagioklas zu denken. Der Wassergehalt ruht ab-
gesehen von gewissen Zersetzungsproducten zum Theil auch schon
im Glimmer.
Was nun den Glim merp orphyrit unseres Profils betrifft,
so ist er von ausgezeichnet porphyrischer Structur. In dichter,
braunrother, mit dem Auge und der Lupe nicht aufzulösender
Grundmasse liegen als Einsprenglinge dem Anschein nach noch
ziemlich frische, durchsichtige oder doch durchscheinende Feld-
späthe, tafelförmig nach der M. -Fläche ausgebildet, oder mehr
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte etc.
107
kurz leistenförmig; sie zeigen die polysynthetische Zwillingsstreifung
der Plagioklase, in Verbindung mit Verwachsung nach dem
Karlsbader Gesetz und scheinen von einerlei Art zu sein. Ebenso
reichlich wohl, oder noch zahlreicher als die Feldspäthe, doch
meist von geringerer Grösse, sind die ebenso frisch aussehenden,
schwarzen, oft mit deutlichen Kanten und Seitenflächen aus-
gebildeten Magnesiaglimmertäfelchen in die Grundmasse ein-
gestreut. Als dritter Einsprengling macht sich ein in etwas
grösseren, verschwommenen Umrissen, weniger reichlich als der
Feldspath und Glimmer vorhandenes Mineral von dunkler, un-
bestimmter Färbung geltend, in welchem wohl zersetzter Augit
zu vermuthen ist. Im mikroskopischen Präparate sieht man, dass
die Grundmasse im Wesentlichen aus einem feinen Gewebe kleiner
Plagioklasnadeln besteht, in deren Anordnung und Vertheilung
um die grösseren Einsprenglinge sich eine gewisse Fluidalstructur
ausspricht, wenn auch nicht so in die Augen fallend wie bei an-
deren Glimmerporphyritproben aus unserer Gegend. Die ganze
Grundmasse ist von rothbraunen, eisenoxydischen Punkten (Ferrit)
durchstäubt. Weniger reichlich ist dunkles Erz (Magneteisen,
Titaneisen) vorhanden. Wie weit neben Plagioklas auch Ortho-
klas in der Grundmasse steckt bleibt dahingestellt. Hier und da
treten die Durchschnitte unregelmässiger Quarzkörnchen zwischen
der feldspathigen Grundmasse hervor. In anderer Weise erscheint
auch etwas Quarz, nebst Kalkspath, Chlorit und Eisenoxydations-
stufen, als Zersetzungsproduct des muthmaasslichen Augits. Aehnlich
wie dieser erscheint auch bereits ein Theil des Glimmers zer-
setzt; auch die Plagioklaseinsprenglinge sind bereits etwas an-
gegriffen. Solche Feldspath -Individuen, welche in ihrer Grösse
zwischen den Mikrolithen der Grundmasse und den porphyrisch
ausgeschiedenen vermittelten, fehlen bei unserem Glimmerpor-
phyrit, dessen Structur aus diesem Grunde einen viel entschiedener
porphyrischen Habitus besitzt als die des benachbarten Ker-
santits.
Mit beginnender Verwitterung trüben sich die porphyrisch
ausgeschiedenen Feldspäthe unseres Glimmerporphyrits und werden
weiss, während die Glimmertäfelchen das glänzende Schwarz ver-
108
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantitf
liereu, sich aufblättern und einen bräunlichen oder grünlichen
Schiller, durch die Zersetzungsproducte bedingt, annehmen. Bei
weiter fortschreitender Verwitterung lockert sich das Gestein und
zerfällt zu Grus. In unserem Profil ist das Gestein nur theil-
weise noch anscheinend frisch. In der weiteren Erstreckung des
Ganges nach Nordwesten und nach Südosten ändert sich dasselbe
in keinem wesentlichen Punkte, höchstens in der Färbung der
Grundmasse.
Die Analyse eines frisch aussehenden Stückes Glimmer-
porphyrit von
unserem
Profil an der Strasse oberhalb Unterneu
brunn ergab:
SiOo
58,40
Ti02
0,38
A1203
15,61
F e2 03
2,72
FeO
2,94
MgO
3,50
CaO
3,97
k2o
5,37
Na2 0
3,13
SO,
SPur
p205
0,40
co2
2,56
h2o
1,72
Spec.
100,70
Gewicht . . . 2,6740
G. F. Steffen.
Der Gehalt an Kieselsäure ist höher als bei den oben an-
gegebenen Kersantit- Analysen , was mit einer Anzahl weiterer
Analysen derselben Gesteine von anderen Punkten unseres Ge-
bietes stimmt; bei etwa 12 Glimmerporphyrit-Proben ergaben sich
Kieselsäuregehalte von ca. 65 bis 58 pCt., nur bei einer von etwas
über 56pCt.; bei 4 Kersantit-Proben waren die Kieselsäuregehalte
von etwa 56 bis 52 pCt. Der etwas grössere Eisengehalt der Ker-
santit-Analysen im Vergleich zu dem des Glimmerporphyrits wird
am reichlicher beigemengten Magneteisen, zum Theil vielleicht auch
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte etc.
109
am grösseren Glimmergehalte liegen, der letztere dürfte auch den
grösseren Magnesiagehalt bewirken. Im Kalkerde- und Alkalien-
gehalte unterscheiden sich beiderlei Gesteine nicht auffällig. In
Bezug auf diese Bestandtheile gilt dasselbe, was oben beim Ker-
santit bemerkt wurde. Der Gehalt unseres Glimmerporphyrits
an Kohlensäure ist höher als man beim Ansehen des Gesteins
erwarten möchte.
Das specifische Gewicht des Glimmerporphyrits ist etwas
geringer als das des Kersantits; von acht daraufhin untersuchten
Glimmerporphyriten überstieg nur einer das specifische Gewicht 2,7 ;
vier ebenso untersuchte Kersantite hatten alle etwas mehr als 2,7
aufzuweisen. Hiernach und nach dem Kieselsäuregehalte steht
unser Kersantit an der Grenze zu den basischen Eruptivgesteinen,
der Glimmerporphyrit entfernt sich von diesen schon etwas mehr.
Im Uebrigen liegt der Unterschied dieser beiden Gesteine weniger
in der Art ihrer Gemengtheile als in der relativen Menge und
Grösse dieser letzteren, und in ihrer Anordnung, also der Structur1).
Wenden wir uns nunmehr zur Frage nach der geologischen
Bedeutung des Nebeneinandererscheinens beider Eruptivgesteine
in demselben Gange; ob wir nämlich dieselben als unabhhängig
von einander auffassen sollen, so dass das beiden Gemeinschaft-
liche nur der Weg wäre, auf welchem sie emporgedrungen sind,
oder ob wir dieselben als zusammengehörig, als durch Spaltung-
getrennte Theile von einem und demselben Magma, resp. als
Schlieren eines solchen anzusehen haben. Zur Beantwortung
dieser Frage wird es gut sein zunächst die gesammte Erscheinungs-
weise dieser Eruptivgesteine in unserem Gebirge und den Nach-
bargebieten in Betracht zu ziehen.
o
’) In den meisten Fällen war in unserem Aufnahmegebiete die Entscheidung
darüber, ob ein Glimmerporphyrit oder ein Kersantit vorliegt, nicht schwierig;
einzelne Fälle jedoch schienen zweifelhaft. Solches zwischen beiden Typen
schwankendes Gestein entsteht, wie nähere Untersuchung zeigte, besonders da-
durch, dass der Gegensatz in der Grösse zwischen den Feldspathmikrolithen der
Grundmasse und den in grösseren Individuen ausgeschiedenen Feldspäthen sich
vermindert oder schwindet, und dass die Zahl der Magnesiaglimmerblättchen
zwischen den Feldspathleistchen zunimmt.
110
H. Loretz. Ueber das Vorkommen von Kersantit
Den Kersantit finden wir in dem in Rede stehenden engeren
Gebiete und im südöstlichen Thüringer Walde überhaupt in Form
von Gängen, welche die aufgerichteten und gefalteten Schichten
des Alten Schiefergebirges, von dem ältesten Cambrium bis zum
Culm, durchschneiden ; so insbesondere im Gebiete der bis jetzt
nur zum Theil veröffentlichten Sectionen Masserberg, Gross-Breiten-
bach, Gräfenthal, Eisfeld, Steinheid, Spechtsbrunn der geologischen
Specialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten. In
Ostthüriugen (Vogtland) verhält es sich damit ebenso, nach den
Beschreibungen, welche Liebe und Zimmermann *) von dem ent-
sprechenden , dort als Lamprophyr bezeichneten Eruptivgesteine
geben. Wie dort sind auch in unserer Gegend die betreffenden
Gänge, bezw. Gangstücke, meistens wenig mächtig und horizontal
gemessen von nicht langer Erstreckung, dazu nach sehr verschiedenen
Richtungen orientirt, was selbst an recht nahe benachbarten Stellen
Vorkommen kann. Eine Erweiterung eines Ganges zu einem mäch-
tigen Stock, wie sie von Liebe und Zimmermann beobachtet ist,
findet sich in unserem Gebiete nicht * 2). Auch in Bezug auf die
Uebereinstimmung des Gesteins der verschiedenen Gänge und
auf die lokale Umwandlung des Nebengesteins durch die eruptive
Gangausfüllung; stimmt unsere Erfahrung; mit der von Liebe.
Denn während für gewöhnlich, und so auch in dem oben be-
schriebenen Strassenprofil am Schiefer keine chemisch -meta-
morphisehe Aenderung auffällig ist, kommt etwas weiter süd-
östlich, an der Südost-Seite der Hohen Warth auf engbegrenzter
Stelle eine deutliche derartige Umwandlung vor; der betreffende
Kersantitgang wird hier an der einen Seite von an Masse zurück-
tretendem Glimmerporphyrit begleitet und ist an der anderen
Seite mit einem Salband von hornfelsartig verändertem, pliylli-
tischen Schiefer verwachsen, während nur kleine Theile von
b Abhand], zur Geolog. Special-Karte von Preussen u. d. Thüring. Staaten,
Bd. V, Heft 4. (Uebersicht über den Schichtenaufbau Ostthüringens.) S. 77 ff.
Ferner dieses Jahrbuch für 1885. (Die jüngeren Eruptivgebilde im Südwesten
Ostthüringens.) S. 183.
2) Dagegen beschreibt auch Dathe einen stockförmigeu Gang von Kersantit
von Wüstewaltersdorf in Schlesien; dieses Jahrbuch für 1884, S. 567.
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte ete.
1 1 1
Glimmerporphyrit (deutlich vom Kersantit verschieden) auch au
dieser Seite in Verwachsung mit Kersantit und verändertem
Schiefer sich finden.
Während somit der Kersantit in unserem Aufnahmegebiete,
wie in den weiter ab liegenden Nachbargebirgen , sehr häufig als
Gangformation wiederkehrt , für deren Altersstellung man den
wiederholten Ausführungen Lossen’ s x) beipflichten muss, fehlt er,
soweit wenigstens unsere Erfahrungen reichen, als eigentlicher
Deckenerguss, und nimmt insofern den anderen, mit ihm vor-
kommenden Eruptivgesteinen (Glimmerporphyrit, quarzarmer Por-
phyr und auch Quarzporphyr) gegenüber eine besondere Stellung
ein. Es ist mir nämlich in meinem Aufnahmegebiet bis jetzt kein
Fall bekannt geworden, wo Kersantit in irgendwie bedeuten-
derer Ala ss e eine deckenartige Ausbreitung oder einen Theil
derselben bildete, so wie das bei jenen anderen Gesteinen der Fall
ist, welche die Ergussmassen unseres Rothliegenden geliefert haben.
Wohl aber kommt ein Gestein, Avelches mit Kersantit in allen
wesentlichen Eigenschaften übereinstimmt, und welches ich un-
bedenklich mit diesem Namen belegen möchte, innerhalb der vou
jenen anderen Gesteinen gebildeten Ergüsse des Rothliegenden in
verhältnissmässig ganz geringer Masse und nur an vereinzelten
Stellen vor* 2). Obgleich das hierüber Anzuführende uns etw'as
von unserem Thema ablenkt, möge es doch, des Interesses des
Gegenstandes wegen, hier eine Stelle finden.
Die von mir beobachteten hierhergehörigen Punkte befinden
© ©
sich in dem grösstentheils von Porphyr und Porphyrit einge-
nommenen Gebirgsabschnitte zwischen dem Schleusethal und Nahe-
thal, im Hinternaher Forst, und zwar im Querbachthal und Glas-
bachthal ( Seiten thäleru des Nahethals). Im erstgenannten Thale
fielen mir besonders zwei Stellen auf, beide am Fahrweg im Tbal-
grunde selbst gelegen; die eine am »Breiten Brunnen« des Mess-
tischblattes Masserberg (1:25000), wo innerhalb einer grösseren,
von Quarzporphyr und nächstverwandtem saurem Porphyr einge-
nommenen Strecke anscheinend gangartig (? schlierenartig; der
') Siehe besonders dieses Jahrbuch für 1885, S. 192 Anmerkung.
2) Wie bereits in diesem Jahrbuch für 1885, S. xlv angegeben.
112
Ii. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantit
Aufschluss ist ungenügend) Kersantit in Verbindung mit Glimmer-
porpbyrit erscheint. Die Uebereinstimmung des fraglichen Ge-
steines dieser Stelle mit Kersantit scheint mir im mikroskopischen
Bilde wie im Handstück vollständig zu sein. Die Stücke zeigen
die abgerundeten Formen, die starke, schalig sich ablösende, zer-
setzte Verwitterungsrinde, die Zähigkeit und schwere Zerspreng-
barkeit, wie man dies von den sonstigen, sicheren Kersantitvor-
kommnissen her kennt; das Gestein umschliesst ohne scharfe Um-
grenzung einzelne kleine Theile, welche das Aussehen von Glimmer-
porphyrit haben uud deu Eindruck abweichend gearteter Aus-
scheidungen aus demselben Magma machen. Weiter abwärts im
Querbachthal ist an demselben Fahrweg, an der südlichen Thal-
seite, abermals eine Stelle, wo sehr glimmerreicher Kersantit vor-
kommt, welcher hier anscheinend gangartig zwischen felsitischem
Porphyr ansteht. Im Glasbachthal wurde Kersantit an einer
Stelle mit Glimmerporphyrit zusammen beobachtet, innerhalb eines
sonst von Quarzporphyr und nächstverwandtem sauren Porphyr
eingenommenen Bereiches.
Das Gestein von der erstgenannten Stelle, also der Kersantit
vom »Breiten Brunnen« im Querbachthal, wurde einer Analyse
unterworfen, welche ergab:
Si02 ....
. . 52,25
Ti 02 . . . .
. . 0,62
Al2 O3 ....
. . 14,93
Fe2Ü3 .
. . 3,50
Fe 0 . . . .
. . 3,70
Mg O .
. . 5,84
CaO ....
. . 6,33
K20 ....
. . 3,76
Na20 ....
. . 2,86
S03 ....
. . 0,21
P2Oö ....
. . 0,62
co2 . . . .
. . 2,62
h20 ....
. . 2,68
99,92
Spec. Gewicht .
. . 2,7250
G. F. Steppen.
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte etc.
313
Die nahe Uebereinstimmung mit den weiter oben angegebenen
Kersantit -Analysen ist ersichtlich.
Von dem Kersantit aus dem Glasbachthale wurde nur der
Gehalt an Kieselsäure und Kohlensäure, und das specifische Ge-
wicht bestimmt und gefunden: SiOo 56,21 pCt. ; COj 1,19 pCt. ;
Specifisches Gewicht 2,7047 (Steffen).
Wir sehen also, dass eine eruptive Gesteinsmischung, welche
petrographisch auf den Kersantit-Typus hinauskommt, wenn auch
nur in ganz geringer Menge innerhalb der deckenartigen Ergüsse
O O O O o Ö
des Rotliliegenden erscheint, ihrem Alter nach also auch der
Rotliliegendeu Periode angehört. Will man die genannten Vor-
kommnisse nicht als der Kersantit -Gangformation gleichstehend,
sondern nur als basischere Ausscheidungen aus demselben
Magma auffassen, welches als Glimmerporphyrit erstarrte, so
sind dieselben doch bei der Frage nach dem Alter unserer
Kersantit - Formation überhaupt von Interesse , insofern sie
zeigen, dass jedenfalls noch zur eigentlichen Rotliliegenden Zeit
ebendieselbe Gesteinsmischung auf eruptivem Wege zu Stande
kam , welche die , zum Theil vielleicht etwas älteren (doch
wohl nicht älter als spätcarbonischen) Gänge im Schiefergebirge
erfüllt 1).
Abgesehen von diesen an Masse geringfügigen Vorkommnissen
kommt wie gesagt unserem Kersantit in keiner Weise die Rolle
eines Deckenergussgesteins zu.
Im Gegensatz zum Kersantit ist nun das geologische Auftreten
des Glimmerporphyrits nicht nur das eines Ganggesteius, sondern
auch das eines Erguss- oder Deckengesteins; er durchsetzt einer-
seits in zahlreichen Gängen das Grundgebirge (Schiefergebirge),
breitet sich aber auch andererseits in ansehnlichen Massen über dem-
selben aus; wiederholt kommt er auch innerhalb der vom Quarz-
porphyr und felsitischen Porphyr gebildeten Decken, wie es scheint
') Es steht dies in Uebereinstimmung mit den Ergebnissen, zu welchen
Liebe und Lossen gelangt sind.
Jahrbuch 1887.
8
114
H. Lohk'iz. Ueber das Vorkommen von Kersantit
gangartig durchsetzend vor 1). Er gehört also in der Hauptsache
der Periode des Rothliegenden an, wenn auch die Möglichkeit
besteht, dass einzelne Gänge desselben im Schiefergebirge bereits
etwas älter, nämlich spätoarbonisch sind. Die Zeit der Entstehung
der Glimmerporphyritmassen, welche wir in unserem Gebirge an-
treffen, kann nicht sehr verschieden sein von der Zeit der Ent-
stehung der Kersantitmassen; beide Zeiträume werden sich nicht
ganz decken, derjenige des Kersantits dürfte früher begonnen
haben. An Gesammtmasse wird der Glimmerporphyrit den Ker-
santit übertreffen, wegen der bedeutenden, ihm zukommenden Er-
güsse, welche dem letzteren fehlen.
Das Zi isa nunen Vorkommen der beiderlei Gesteine in derselben
Gangspalte ist wie wir gesehen haben nicht selten, doch ist es
keineswegs Regel. Es giebt Gänge genug, welche nur das eine
oder nur das andere Gestein enthalten; auch scheint das Vor-
kommen dieser Gesteine nach den aus dem südöstlichen Thüringer
W aide und weiterhin ostwärts vorliegenden Aufnahmen regionen-
weise verschieden zu sein, in der Art, dass sie in gewissen Ge-
birgstheilen überhaupt nicht beide zusammen erscheinen , oder
doch ganz vorwiegend nur das eine von ihnen, was besonders
vom Kersantit gilt. Das gemeinschaftliche Vorkommen und nament-
lich das in ein und derselben Gangspalte scheint sich überdies
besonders in denjenigen Gebirgstheilen einzustellen, wo der Glimmer-
porphyrit auch deckenförmig vorkommt, oder vielleicht in früherer
Zeit Decken desselben vorhanden waren, wie dies eben in der
Gegend, welcher wir unser Profil entnommen haben, der Fall ist.
Ziehen wir die Summe obiger Ausführungen über das Auf-
treten des Kersantits und Glimmerporphyrits, so ergiebt sich, dass
beiderlei Gesteinen nicht nur petrographisch sondern auch namentlich
nach ihrem Vorkommen im Gebirge, also geologisch, das gleiche
Maass von Selbständigkeit zukommt, sodass sie sich nicht gegen-
seitig bedingen. Somit können auch in unserem besonderen Falle,
nämlich im Gangprofil bei Unterneubrunn, zwei selbständige
b Der Habitus des in Gängen und des in Decken erstarrten Glimmerpor-
phyrits ist zum Theil etwas verschieden, doch bleibt das Gestein in den wesent-
lichen Punkten dasselbe.
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte etc.
115
Eruptivgesteine vorliegen, welchen nur der Weg, den sie zum
Aufdringen benutzt haben, gemeinsam ist. Dass dieselben sonst
nichts mit einander zu thun haben, in keinem engen genetischen
Zusammenhang stehen, ist damit noch nicht streng bewiesen, aber es
ist wahrscheinlich; denn wäre ein solcher Zusammenhang vorhanden,
so könnte es doch wohl nur der sein, dass der Kersantit ein
basischeres Ausscheidungsproduct des beiden Gesteinen gemein-
schaftlichen Magmas darstellte, und dann müsste man doch er-
warten, in den an zahllosen Stellen freigelegten Decken und Gang-
massen des Glimmerporphyrits häufig derartige basische Ein-
schlüsse und Schlieren von Kersantitnatur zu sehen, was eben
keineswegs der Fall ist x).
Wie bereits erwähnt, beschränkt sich das Zusammenvorkommen
von zwei , auch wohl drei Eruptivgesteinen in derselben Gang-
spalte, oder in einem kleinen System sehr nahe benachbarter
Spalten nicht auf Glimmerporphyrit und Kersantit, sondern ist
eine allgemeinere Erscheinung, welche auch bei einer anderen
Combination unserer Eruptivgesteine stattfinden kann, so zwischen
Glimmerporphyrit und quarzarmem Porphyr (Orthophyr), und
zwischen Kersantit und quarzarmem Porphyr; in diesem letzteren
Falle stehen die beiden Gesteine in der petrographischen Reihe
b Was ich an derartigen Vorkommnissen glimmerreicher Ausscheidungen
oder Einschlüsse, die kersantitähnlich aussehen, im Glimmerporphyrit beobachtet
habe, ist sehr vereinzelt und an Masse unbedeutend geblieben. Ebendesshalb
scheinen sie mir für die genetischen Beziehungen von Glimmerporphyrit und
Kersantit von keiner grösseren Bedeutung, als z. B. die örtlich vorkommende
Verwachsung von Glimmerporphyrit mit kleinen Massen (? Schlieren) von felsi-
tischem, quarz- und orthoklasreichem Porphyr für die Beziehungen zwischen
Glimmerporphyrit und Felsitporphyr sein können ; den letzteren Fall beobachtete
ich in einem Glimmerporphyritgang am linken Schleuseufer , eine Strecke ober-
halb Unterneubrunn.
Mögen auch die verschiedenen Typen unserer eruptiven Gang- und Decken-
formationen des Rothliegenden und der nächst vorhergehenden Zeit, vom Quarz-
porphyr bis zum Augitporphyr , als durch Spaltung aus noch älterem, einheit-
licherem Magma entstanden gedacht werden können, so spricht die Art ihres
Auftretens in jenen Formationen doch für eine geologische Selbständigkeit der
einzelnen Typen. Wir mögen uns dann vorstellen, dass ihre Scheidung in den
unterirdischen Heerden, mit welchen sie durch die Eruptionsspalten zunächst
zusammenhingen, bereits vollzogen war; und der Kersantit würde in dieser Hin-
sicht, nach den obigen Ausführungen, mit den anderen Typen gleichstehen.
8*
H. Loretz. Ueber das Vorkommen von Kersantit
116
um eine Stufe weiter auseinander als in dem Falle unseres Profils.
Beispiele hierfür finden sich, wie gesagt, wiederholt in der Um-
gebung von Unterneubr unn.
Fasst man nun die zweierlei neben einander, in durchgreifender
Lagerung erscheinenden Eruptivgesteine als von einander unab-
hängig auf, so wird weiter wahrscheinlich, dass die Erfüllung der
Orangspalte mit denselben in getrennten eruptiven Acten vor sich
gegangen ist, so dass dem einen Gestein ein etwas höheres Alter
zukommt als dem anderen. Diese Annahme ist ja nicht neu,
sondern ist in den Beschreibungen verschiedener derartiger Vor-
kommnisse aus verschiedenen Gebieten wiederholt ausgesprochen
worden. E. Weiss beschreibt ]) solche Fälle aus der Gegend von
Friedrichroda im nördlichen Thüringer Walde; es kommt hier
vor, dass ein und dasselbe Gestein einmal als Randgestein, in
einem anderen Falle dagegen als Gestein der Gangmitte, als Kern-
gestein, erscheint; das Randgestein wird als in der Eruption vor-
ausgehend angesehen. Früher schon sind von demselben Verfasser
verwandte Erscheinungen von den Gesteinsgängen des krystalli-
nischen Grundgebirges bei Liebenstein u. s. w. beschrieben worden2).
Wir möchten uns der von Weiss ausgesprochenen Auffassung des
Randgestein.s als desjenigen, welches in der Eruption und Gang-
erfüllung vorausging, für unser Profil von Unterneubrunn durch-
aus anschliessen. Nach dem Aufreissen der Gangspalte wäre die-
selbe also zunächst mit Kersantit erfüllt worden. Dass es übrigens
weniger eine einheitliche Spalte ist als zwei Parallelspalten, oder
eine kleine Gruppe von Rissen, welche untereinander parallel sein,
vielleicht auch Zusammenhängen mögen, zeigt das Profil; zudem
hat es in dem weiteren Verlaufe des Ganges nach Süden und
Südosten den Anschein , dass der Kersantit die Spalte nicht zu-
') Petrograph. Beiträge aus dem nördl. Thüringer Walde. Dieses Jahrbuch
für 1883.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. XXXIV, 1882, S. 677. — Vgl. dazu
PfflsGSHtui , a. a. 0. Bd. XXXII, 18S0. — Bei diesem Vorkommen spielen die
Einschlüsse des Randgesteins im Gestein der Mitte eine grosse Rolle. In unserem
Falle ist dies nicht so: Einschlüsse vom Kersantit des Randes im Glimmerpor-
phyrit der Mitte machen sich im Ganzen so wenig bemerklich, dass wir sie für
die Deutung der Erscheinung nicht in Betracht ziehen.
und Glimmerporphyrit in derselben Gangspalte etc.
117
sammenhängend, sondern stückweise erfüllte, je nachdem sie mehr
oder minder völlig aufgerissen war. Später erfolgte dann die Aus-
füllung mit Glimmerporphyrit, wozu eiu wiederholtes Aufreisseu der
Spalte, mit anderen Worten eine wiederholte gegenseitige Verschie-
bung' der beiderseits angrenzenden Gebirgstheile nöthig war. Ein
solches abermaliges Verschieben der Massen in derselben Richtung
ist mechanisch sehr wohl denkbar, und steht ganz in Einklang oder
ist nur ein besonderer Fall der geodyuamischen Erfahrung, dass
in derselben Linie oder Richtung zu verschiedenen Zeiten Bewe-
gungen sich wiederholen. Ein Hauptgrund davon liegt gewiss
in der Versehwächung, welche durch die erste verschiebende Be-
wegung in dieser Richtung eingetreten ist, da diese Versehwächung
nach der ganzen Art des Beweguugsvorgangs sich nicht immer
streng in einer Linie halten, sondern meistens einen Streifen von
einer gewissen Breite betreffen wird, und da durch die blosse
Anwesenheit der erstarrten Eruptivmasse die ursprüngliche Festig-
keit, wie sie dem noch zusammenhängenden und nicht zerrütteten
Nebengestein vor Entstehung der Spalte zukam, nicht ganz wieder
hergestellt sein wird. Die zweite Verschiebung und Aufspaltung
muss auch nicht genau, sondern nur ungefähr in die Lage der
ersten fallen, und so mag es bewirkt werden, dass das in Folge
dieses zweiten Bewegungsvorganges ei ud ringende, zweite Eruptiv-
gestein auf eine gewisse Strecke als Gang innerhalb des ersten
zu liegen kommt, auf andere Strecken seitwärts davon, auf wieder
andere in der Verlängerung, indem es nämlich solche Stücke des
Spaltenverlaufes erfüllt , welche wegen nicht völliger Aufreissung
bei der ersten Bewegung, von dem ersten Eruptivgestein noch
nicht erfüllt waren. Auf derartige Vorgänge lässt wenigstens das
Verhalten der von uns in der bezeichueten Gegend aufgenommenen
Gänge sohliessen.
Eigentümlich bleibt es immerhin, dass der Kersantit, wenig-
stens nach den Erfahrungen in unserem Gebiete und den Nach-
bargebieten, nicht deckenbildend auftritt, wodurch er eben eine
gewisse Sonderstellung einnimmt in der Reihe der ihm im Alter
nahestehenden Eruptivgesteine, welche, wie er, das Grundgebirge
in durchgreifender Lagerung durchsetzen, ausserdem aber auch in
118
H. Loretz, Ueber das Vorkommen von Kersantit etc.
deckenförmigen Ausbreitungen Vorkommen, nämlich Quarzporphyr
(Felsitporphyr etc.), Quarzarmer Porphyr (Orthophyr zum Thei.1),
Glimmerporphyrit, Augitporphyrit (? Melaphyr). Man könnte aut
die Vorstellung kommen, dass die Gesammtmasse des den Ker-
santit liefernden Magmas für Deckenergüsse nicht bedeutend ge-
nug war, sondern in ihrer horizontalen Verbreitung in der Tiefen-
region, welcher sie entstammt, überall nur in solcher Menge vor-
handen war, dass sie nur zur Ausfüllung der Gangspalten aus-
i’eiclite; wir wollen indess dieser Vorstellung nicht den Werth
einer Erklärung beimessen.
Mitteilungen über die Eruptivgesteine der
Seetion Schmalkalden (Thüringen).
Von II errn H. Bücking in Strassburg i. Eisass.
(Hierzu Tafel V.)
Im Herbst 1887 wurde das im Norden der Seetion Schmal-
kalden gelegene Gebiet, welches früher von Herrn von Seebach
für eine detaillirte Aufnahme vorbereitet worden war, einer ein-
gehenderen geognostischen Bearbeitung meinerseits unterzogen und
damit die im Jahre 1879 von mir begonnene Detailaufnahme der
Seetion Schmalkalden zum Abschluss gebracht- Besondere Auf-
merksamkeit wurde diesmal, ebenso wie früher, den Eruptiv-
gesteinen gewidmet, welche deckenartig im Rothliegenden
und gangförmig sowohl in dieser Formation, als in dem unter-*
liegenden Gneiss und Granit auftreten.
A. Deckengesteine.
Die Lagerung der Deckeilgesteilie ist aus den beigegebenen Pro-
filen 1 — 3 (Taf. V) zu ersehen. Das erste Profil ist durch die Hohe
Warte östlich von Kleinschmalkalden gelegt und zeigt über dem
Granit, gegen welchen der westlich von einer Verwerfung auf-
tretende Glimmerschiefer mit einer Neigung von 40° östlich ein-
fällt, die gleichfalls östlich einschiessenden Sedimente des Unter-
Rothliegenden, graue dünnplattige Sandsteine, graue und schwarze
Schieferthone und wenig mächtige Conglomeratbänke. Diesen
Schichten eingeschaltet, und zwar nahe an ihrer unteren Grenze,
sind eine Decke von dunkelen, stark zersetzten melaphyrartigen Ge-
120
H. Bücking, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
steinen (a) und ein Lager von einsprenglingsarmem , zuweilen
etwas plattig abgesondertem und deutlich fluidalstruirtem Quarz-
porphyr (b), welches, im Hangenden der Decke (a) befindlich, von
jener gewöhnlich durch eine schwache Lage von Sedimenten
(Melaphyrconglomeraten z. Th.) getrennt, und von einem wenig
ausgedehnten Lager von graugrünem, z. Th. mandelsteinartig
entwickeltem Melaphyr (c) bedeckt ist.
Das zweite Profil schliesst sich an das erste an. Ls benannt
Ö
am Kirchberg bei Floh, wo die gleichen Schichten zu Tage traten,
wie an der Hohen Warte bei Kleinschmalkalden im Hangenden
des Melaphyrlagers c, und folgt, einer über den Kohlberg und
Hachelstein bei Asbach nach dem Heftenberg und Arzberg bei
Steinbach-Hallenberg im Allgemeinen senkrecht zur Streichrichtunsr
der Rothliegenden - Sedimente verlaufenden Linie. Am Kirchberg;
bei Floh lagern über Unter-Rothliegendem, welches aus
grauen Sandsteinen und Schieferthonen , auch Arkosen, besteht,
rothgefärbte Sandsteine und Arkosen, mit welchen das Mittel-
Roth liegende beginnt. Fs folgen nach oben bis zum Kohlberg
rothe Sandsteine und Schieferthone, blaugraue tuffartige Gesteine
und dünnplattige Quarzite, rothe Arkosen, Sandsteine und Schiefer-
thoue mit eingelagerten Kalklinsen, Porphyrcouglomerate, und von
da bis zur Grenze des Ober-Rothliegenden rothe Schieferthone mit
untergeordneten Lagen von rothem Sandstein, Arkosen und Tuffen.
Von Eruptivgesteinen erscheinen , von unten nach oben ge-
zählt, zunächst nur vereinzelte, wenig ausgedehnte, linsenförmige
Einlagerungen von stark zersetztem Melaphyr (d), dann Ausläufer
des mächtigen Lagers von Hühnberggestein (e), ferner eine Decke
eines einsprenglingsreichen Quarzporphyrs (f) und über diesem
das am Kohlberg und am Hachelstein mächtig entwickelte Lager
des bekannten dünnplattig abgesonderten, deutlich fluidalstruirten
Quarz -Porphyrs von Asbach (g), welchem als jüngste, ebenfalls
mächtige Porphyrdecke, von dem tieferen Lager nur durch eine
schmale Zone von Sedimenten getrennt, wieder ein im Allgemeinen
einsprenglingsreicher, massig (nicht plattig) abgesonderter Quarz-
Porphyr, der Porphyr des Heftebergs (h) folgt.
Zwischen Hefteberg und Steinbach-Hallenberg ändert sich das
Einfällen der Schichten. Es bildet sich eine Mulde heraus, welche
der Seetion Schmalkalden (Thüringen).
121
über dem mittleren Rothliegenden noch Oberes Rothliegendes
enthält, d. i. ein Porphyrconglomerat mit vereinzelten Granit-,
Gueiss- und Quarzgeschieben, welchem an einzelnen Stellen wenig
mächtige Lagen von Schieferthon eingeschaltet sind. Das unter
dem Ober- Rothliegeudeu bei Altersbach und am Arzberg hervor-
tretende Mittel -Rothliegeude zeigt eine etwas andere petrogra-
phische Entwickelung als in dem nördlichen Muldenflügel; es folgen
nämlich unter rothem Schieferthon und Sandstein, der nach Be-
obachtungen des Herrn von Fritsch bei Rotterode Kieselhölzer
führt und noch zum Mittel-Rothliegenden zu rechnen ist, in der
Thalsohle bei Altersbach violette, mürbe, kaolinhaltige Sandsteine
und graudige, feldspathführende Schichten, in Wechsellagerung
mit rothen Sandsteinen, Schieferthonen und Porphyrconglomeraten.
Frei von diesen brandigen und conglomeratischen Zwischenlagen
sind erst wieder die tieferen Sedimente, rothe Schieferthone und
Sandsteine, welche unter der Decke des einsprenglingsreichen
Porphyrs von Arzberg (hm) liegen und das Hangende des ein-
sprenglingsarmen , zuweilen plattig abgesonderten und fluidal
struirten Porphyrs von Steinbach-Hallenberg (g") bilden.
Auch das dritte Profil, welches, dem zweiten nahezu parallel,
das Gebirge weiter südwestlich schneidet, zeigt ähnliche Verhält-
nisse, wie sie eben besprochen wurden. Es bedarf daher keiner
weiteren Erläuterung. Nur, was den Porphyr des Dörnbergs (h)
anlangt , so sei bemerkt, dass er petrographisch dem Porphyr des
Stiller-Steins (h”), und mit dem letzteren dem des Heftebergs (10
gleich ausgebildet erscheint. Auch der Porphyr des Arzbergs (h'")
ist diesen vergleichbar, während der Porphyr von Steinbach-
H alienberg (g") eine gewisse Aehnlichkeit mit dem etwa gleich-
alterigen Porphyr vom Kohlberg (g) besitzt, wenn er auch die für
den letzteren charakteristische plattige Absonderung und Fluidal-
structur nicht so deutlich erkennen lässt.
G 1 i m m e r m e 1 a p h y r e.
Die Gesteine der mit (a) bezeichneten weitverbreiteten Decke
entsprechen sicherlich nicht einer einzigen Eruption, sondern viel-
mehr mehreren über- und nebeneinander ausgebreiteten Ergüssen.
Sie zeigen fast durchgängig in ihrer Structur eine grosse Aehn-
Ö Ö Ö O O
122
H. Bücking, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
lichkeit mit echten Angitporphyriten, insofern als ihre Grundmasse
(eine hyalopilitische im Sinne Rosenbusch s ist, d. h.) wesentlich
aus kleinen schmalen, gewöhnlich unregelmässig angeordneten
Feldspathleisten und Augitkörnchen neben Resten einer amorphen,
fast immer zersetzten Basis besteht. Zuweilen befolgen die Plagio-
klasleistchen, welche sich gewöhnlich erst bei gekreuzten Nicols
von der zersetzten Basis gut unterscheiden lassen, eine parallele
Anordnung, und entsteht dadurch eine deutliche Fluidalstructur.
Aus der Grundmasse treten einsprenglingsartig einzelne grössere
Krystalle von Biotit, Augit und Olivin hervor. Die letzten beiden
Mineralien sind aber durchgehends zersetzt und umgewandelt in
ein Gemenge von Quarz (resp. Chalcedon), Chlorit und Kalkspatb.
Häufig ist auch der in frischem Zustande braune Biotit gebleicht
und metamorphosirt: doch scheint ihn im Allgemeinen der charak-
teristische schwarze Eisenerzrand gegen die Zersetzung widerstands-
fähiger zu machen. Apatit kommt in etwas grösseren, durch
staubähnliche Interpositionen grauen Krystallen mit pyramidaler
Endigung in der Grundmasse ziemlich reichlich vor. Neben den
herrschenden compacten Varietäten finden sich auch Mandelsteine
mit länglichen, meist von Calcit und Chalcedon erfüllten Mandeln.
Der Kieselsäuregehalt dieser Gesteine schwankt nach Analysen,
welche ich an verhältuissmässig frischem Material habe anstellen
lassen, zwischen 51 und 55 pCt. ; der Gehalt an Alkalien ist ge-
ringer als der an alkalischen Erden; unter den letzteren scheint
Magnesia über Kalk zu überwiegen. Wolff (Zeitsehr. für die ges.
Naturwiss. , Halle 1878) fand in dem Gestein vom Reisigenstein
bei Kleinschmalkalden sogar nur 43,5 Si02; jedenfalls hat ihm
nur zersetztes Material zu Gebote gestanden, zumal da am Reisigen-
stein kaum hinlänglich frische Gesteine, wie sie für eine ent-
scheidende Analyse wünschenswert!» wären, zu erhalten sind.
Auf Grund der gefundenen Zusammensetzung und mit Rück-
sicht auf die Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung sind
die eben besprochenen, die Hauptmasse des Eruptivlagers (a) zu-
sammensetzenden Gesteine als saure Melaphyre oder als basische
Augitporphyrite zu bezeichnen ; ich möchte den bisher für diese
Gesteine gebräuchlichen Namen Glimmermelaphyr beizube-
halten Vorschlägen.
der Section Schmalkalden (Thüringen).
123
Eine charakteristische Melaphyrstructur zeigen unter den zur
Untersuchung gelangten Gesteinen dieses Lagers nur die von der
»Floher Gemeinde« (seil. = Wald) nordöstlich von Seligenthal, in
welchen zwischen divergent-strahlig angeordneten Plagioklasleisten
eingeschlossen eine stark zersetzte, reichlich Plagioklas in kleinen
Kryställchen führende Grundmasse beobachtet wird (lntersertal-
resp. Tholeiitstructur Rosenbusch’s).
Sehr glimmerreiche Gesteine desselben Zuges herrschen süd-
lich von den eben erwähnten, am Masskopf und am Kaiserskopf
bei Floh, und kommen in nahezu gleicher Ausbildung auch in den
Grubenbauen des Stahlbergs vor. Sie sind wegen ihres an Minette
erinnernden Aeusseren früher von Moehl als solche beschrieben
worden (Neues Jahrbuch für Mineralogie 1875). In ihrer Structur
schliessen sie sich an die ersterwähnte Gesteinsgruppe dieses Lagers
an; nur besitzen sie ausser den grösseren Biotitkrystallen, welche
oft Rutilnadeln in regelmässiger Anordnung enthalten, auch in
der Grundmasse neben divergent gelagerten Plagioklasen und Zer-
setzungsproducten, welche vielleicht von einer vorhanden gewesenen
Basis herrühren, noch Biotit in kleinen Blättchen. Darnach würden
diese Gesteine den Glimmerporphyriten näher stehen als den
eigentlichen Augitporphyriten. Die ähnlichen Gesteine vom Stahl-
berg zeigen an den grösseren Biotitkrystallen unverkennbare Druck-
einwirkungen; auch erscheinen in der Grundmasse gelegene, etwas
grössere, chloritische Blättchen gebogen und zwischen den herr-
schenden ungestreiften Feldspathen untereinander parallel ange-
ordnet. Zersetzte Gesteins- Varietäten von Floh lassen häufig eine
Mandelsteinbildung erkennen.
Gesteine, welche bezüglich ihrer Structur den zuletzt be-
sprochenen ähnlich sind, zum Theil aber auch als veränderte Tuffe
angesehen werden können, stehen am Masskopf bei Floh in mäch-
tigen Felsen an. Sie werden hier nach allen Richtungen von
Quarzadern durchsetzt und sind durch und durch silificirt, der
Art, dass sie bei reichlichem Gehalt an Eisenoxyd und Braun-
eisen an Fisenkiesel erinnern.
Die mangelhaften Aufschlüsse und der schlechte Erhaltungs-
zustand der eben besprochenen Gesteine, welche das Lager (a)
zusammensetzen, lassen eine Trennung: in die genannten verschie-
] 24
H. Bücking, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
denen Arten nicht durchführbar erscheinen. Man wird deshalb
mit Rücksicht auf die kartographische Darstellung (im Maass-
stabe ]/25ooo) einen Gesammtnamen für sie wählen müssen. Dem
Namen » Gli mmerm elaphy r « möchte ich vor »Augitporphyrit«
den Vorzug geben, einmal, weil die Bezeichnung »Augitporphyrit«
den zuletzt erwähnten Gesteinen, welche durchgehends keinen
Augit zu enthalten scheinen, nicht wohl beigelegt werden kann,
und dann, weil unter Porphyr it schlechtweg im Allgemeinen
kieselsäurereichere Gesteine verstanden werden, als sie hier vor-
liegen, nämlich Gesteine mit 55 pCt. Kieselsäure und darüber
(vergl. Lossen, Jahrb. d. geol. Landesanstalt für 1883, »S. xxix,
und Zeitsehr. d. Deutsch, geol. Ges. 35, 1883, S. 212).
Typische Melaphyre.
Die mit dem Buchstaben (c) bezeichuete wenig ausgedehnte
Gesteinsdecke besteht aus typischem Melaphyrgestein, welches con-
verecent-strahliff angeordnete Plagioklasleisten und zwischen diesen
eingeklemmt eine meist veränderte Grundmasse enthält. Dieselbe
hat in frischem Zustande anscheinend eine amorphe Basis besessen ;
jetzt führt sie reichlich Calcit und Chaleedon. Neben den ge-
wöhnlich noch ziemlich frischen Plagioklasleisten finden sich als
Einsprenglinge grössere, vollständig in Calcit und Chaleedon um-
gewandelte Krystalle, vielleicht von Olivin und einem Augitmineral.
Auch Mandelsteinstructur wurde beobachtet.
Aehnlich diesem Vorkommen ist dasjenige, welches sich etwa
600 Schritt nördlich von Schnellbach im Unter-Rothliegenden be-
findet.
Auch die kleinen linsenförmigen Einlagerungen von stark zer-
setztem Melaphyr (d) im mittleren Rothliegenden südlich von Floh
schliessen sich hinsichtlich der Structur und der Zusammensetzung
an die eben erwähnten Melaphyre des unteren Rothliegenden an.
Das Ilüh nberggestein (e) ist, soweit es für die Section
Schmalkalden in Betracht kommt, nach seiner Structur und seinem
Mineralbestand ein Palatin it im Sinne von Lossen und Rosen-
busch, enthält also in holokrystallinischer Grundmasse Leisten
von Plagioklas und einen sehr gut prismatisch spaltenden, bräun-
der Seetion Schmalkalden (Thüringen).
125
liehen Augit, Apatit und Eisenerze. Ein in dem Gestein sehr
verbreitetes, ziemlich scharf gegen die Zersetzungsproducte der ge-
nannten Gesteinsbestandtheile abgegrenztes serpentinartiges Mineral
dürfte wohl als veränderter Enstatit oder Olivin anzusehen sein.
Da, wo das mächtige Lager im Westen sich auskeilt, wird
das sonst ziemlich grobe Korn des Gesteins ein feines; auch ist
die Zersetzung weiter vorgeschritten und frischer Augit nicht mehr
aufzufinden. Vollkommen dichte Gesteine von dieser Stelle, von
welchen bei den hier sehr mangelhaften Aufschlüssen nicht nach-
gewiesen werden konnte, in welcher Beziehung zum Palatinit sie
stehen, besitzen Porphyrit-Structur, und sind demnach als Augit-
porphyrit oder Melaphyr von porpliyritischem Habitus zu be-
zeichnen.
B. Ganggesteine.
Die Eruptivgesteinsgäuge auf der Seetion Schmalkalden (und
ebenso in dem angrenzenden Gebiet der Seetion Brotterode) bieten
sehr eigenthümliche und interessante Verhältnisse dar. Neben
Gängen, auf welchen nur eins der im Folgenden unter A, B und C
erwähnten Gesteine auftritt, allerdings zuweilen in mehreren sowohl
structurell als mineralogisch und chemisch etwas verschiedenen
Abarten, sind auch sogenannte gemischte Gänge zu unterscheiden,
auf welchen 2 oder 3 dieser Gesteine neben einander Vorkommen,
nicht ohne in ihrem Verbände eine gewisse Regelmässigkeit er-
kennen zu lassen.
1. Einfache Gänge.
Die Gesteine der einfachen hänge lassen sich in 3 Haupt-
gruppen eintheilen, welche leicht von einander zu unterscheiden
sind. Es sind folgende:
A. Basische Gesteinsgänge, namentlich im Gebiet des
Glimmergneisses verbreitet, ausgezeichnet durch eine dunkele Farbe
und ein mittleres Korn. Man kann folgende Gesteins -Varietäten
unterscheiden :
a) In Structur und mineralogischem Bestand dem Hühnberg-
gesteiu durchaus entsprechende Gesteine (Palatinite). Ihr speci-
126
H. Bücking, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
fisohes Gewicht beträgt 2,8 — 2,9 (resp. 3,0 nach Pringsheim); ihr
Kieselsäuregehalt 47 — 49 pCt. (vergl. WEISS, Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges. XXX11I, 1881, S. 488). Die Plagioklase haben in diesem
Gestein gewöhnlich eine convergeut stralilige Anordnung wie bei
den körnigen Diabasen, und werden zum Theil umhüllt von den
.oft gross ausgebildeten Augiten. Ausser einem bräunlichen Augit
( Diabasaugit) ist zuweilen auch noch ein ganz wasserheller, in
der Farbe mit dem Olivin leicht zu verwechselnder Augit vor-
handen, welcher randlich , auch in den frischesten Gesteinen, in
Serpentin zersetzt erscheint (vergl. die Beschreibung des Plühnberg-
gesteins (e) auf der vorigen Seite). Der bräunliche Augit ist in den
der Umwandlung stärker anheimgefallenen Gesteinen sehr ge-
wöhnlich am Rande oder durchaus in Uralit verändert, wobei in
einzelnen Fällen auch etwas Biotit als Neubildung entsteht. Mehr
untergeordnet erscheint zuweilen ein zweiter Feldspath. Die Ge-
steine sind entweder gleichmässig körnig oder auch wohl por-
phyrisch durch einzelne grössere Einsprenglinge von Plagioklas
und von Augit. Die Einsprenglinge von Plagioklas, deren Zer-
setzung immer im Centrum beginnt und allmählich nach aussen
fortschreitet, so dass also die rundlichen Theile am längsten frisch
bleiben, lassen nicht selten Biegungen (bis zu 25°), Brüche und
andere auf Druckkräfte zurückzuführende Erscheinungen erkennen.
b) In Gesteinen, welche den unter a) erwähnten im Allge-
meinen ganz ähnlich sind, kann auch noch Quarz, entweder in
ganz geringer Menge oder etwas häufiger, in Form von kleinen
Körnern zwischen den anderen Gemengtheilen auftreten.
c) In manchen dieser Gesteine erscheint neben dem Augit
noch brauner Biotit und etwas Quarz, auch wohl etwas bräun-
liche, von dem Uralit leicht zu unterscheidende, anscheinend pri-
märe Hornblende. Ist in diesen Kersantit- und Proterobas- ähn-
lichen Gesteinen — Lossen hat für sie den Namen »Hysterobas«
in Vorschlag gebracht — der Quarz etwas reichlicher vorhanden,
so zeigt er wohl auch eine regelmässige, schriftgranitartige (grano-
phyrische) Verwachsung mit dem Feldspath.
d) Es kann der Augit ganz zurücktreten oder fehlen, und
neben den Feldspäthen kann vorhanden sein Hornblende, sowohl
der Section Schmalkalden (Thüringen).
1'27
von uralitiscliem Aussehen (faserig, schilfig) und von grünlicher
Färbung, als von dichterer, mehr compakter Beschaffenheit und
von brauner Färbung, Biotit und reichlicher Quarz. Auch diese
Gesteine sind Proterobas - ähnlich (Hysterobase Lossen’ s), nähern
sich aber bei zunehmendem Biotitgehalt dem Kersantit.
An einzelnen Stellen, wie bei Reichenbach, verfeinert sich
das Korn der Gesteine, und es entstehen sehr feinkörnige bis
dichte Varietäten, bei welchen in einer anscheinend etwas Basis
führenden, sehr dichten Grundmasse einzelne oder sein’ viele
grössere Plagioklasleisten convergentstrahlig angeordnet gelegen
sind (Tholeiitstructur Rosenbusch’s).
Gesteine, welche den hier erwähnten im A I Gemeinen sehr
ähnlich sind, treten auch gangförmig im Unter -Roth liegen den
an der Hausmaas und im Porphyr (b) des Haderholzsteins, an
diesen beiden Orten ausgezeichnet durch deutliche Tholeiitstructur,
aber ohne frischen Augit, sowie im Granit des Haderholzgrundes,
hier als typischer Palatinit entwickelt, auf.
Aus dem ersteren Vorkommen, im Unter - Rothliegenden
und in dem Porphyr (b), kann man schliessen, dass wohl alle oder
wenigstens die meisten dieser basischen Ganggesteine ihrer Erup-
tionszeit nach dem Rothliegenden angehören und demnach mit
den analog zusammengesetzten und struirten Deckengesteinen des
Rothliegenden zu vergleichen sind. Die verschiedenen Varietäten
entsprechen dann ihrer Structur und ihrer mineralogischen und
chemischen Zusammensetzung zufolge den Melaphyren (und Pala-
tiniten) und sind deshalb als Gangmelaphyre (Gangpalatinite)
oder wohl auch, sofern sie porphyrisch ausgebildet sind, nach der
Rosenbuscii sehen Nomenclatur als Diabasporphyrite (bezw. auch
als Gangdiabase) zu bezeichnen. Nur sehr wenige von den oben
genannten Gesteinen, die sauersten unter ihnen, könnten den Por-
phyriten als Gangporphyrite (oder zum Theil als Dioritporphyrite)
zur Seite gestellt werden. Eine scharfe Abgrenzung zwischen den
verschiedenen mehr basischen und mehr sauren, oben erwähnten
Varietäten ist aber kartographisch nicht durchführbar; sie gehen
vielmehr, wie meine Untersuchungen ergeben, sogar innerhalb des-
selben Ganges in einander über. Deshalb möchte ich sämmtliche,
128
H. Bücking, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
oben unter a) bis d) aufgeführten Gesteine unter einem gemein-
schaftlichen Namen zusammenfassen und sie als Gangmelaphyr
(oder Gangdiabas, Diabasporphyr it z. Th.) bezeichnen.
Anmerkung. Im Haderholzgrund bei Seligenthal treten im
Granit Eruptivgesteinsgänge auf, welche ihn nicht ganz bis oben
durchsetzen, sondern sich in ihm verästeln und zerschlagen. Die
Gesteine dieser Gänge enthalten als grössere Einsprenglinge etwas
Feldspath, besonders aber Quarz, in welchen hier und da buchten-
artig die Grundmasse eindringt. Letztere besteht wesentlich aus
leistenförmigen Feldspäthen, welche, nach ihrem optischen Ver-
halten zu scliliessen, ziemlich sauer sind, und Zersetzungsproducten,
besonders Eisenoxyd. Andere Varietäten dieser Gesteine sind frei
von Einsprenglingen und lassen eine deutliche Mikrofluidalstructur,
bedingt durch parallele Anordnung der Feldspathleisten, erkennen.
Ich möchte die Gesteine dieser Gänge als Gangporpliyrit (bezw.
Dioritporphyrit) bezeichnen, und sie den vorher besprochenen
Gangmelaphyren , mit welchen sie durch Uebergänge nicht vex--
bunden zu sein scheinen, gegenüberstellen.
B. Gänge, deren Gesteine, unveränderte normale Glieder vor-
ausgesetzt, einen Kieselsäuregehalt von 56 pCt. und darüber besitzen
bei einem spec. Gew. von 2,71—2,75. Es lassen sich naturgemäss
zweierlei Arten unter diesen Gesteinen unterscheiden, nämlich
folgende :
a) Dunkele Gesteine mit einer feinkörnigen bis dichten Gruud-
inasse, aus welcher hin und wieder gi’össere, zuweilen glasig aus-
gebildete Feldspäthe hervortreten, die neben Kalium fast immer,
und zuweilen in beträchtlicher Menge, Natrium und Calcium ent-
halten. Die Grundmasse ist, wie die miki'oskopische Untersuchung
lehrt, vollkommen kristallinisch ausgebildet. Sie besteht vox-
wiegend aus Orthoklas (bezw. ixugestreiftem Feldspath); neben
diesem ist in zurücktretender Menge vorhanden Quarz, ferner
Eisexxerz und entweder noch etwas Biotit oder Augit in kleinen
Kryställchen, auch wohl Hoxmblende, welche, wenigstens zum
Theil, aus dem Augit durch Zersetzuxxg hei'vorgegangen ist. Der
Quarz ist gar nicht selten mit dem Oi'thoklas schriftgranitartig
der Section Schmalkalden (Thüringen).
1-29
und granophyrisch verwachsen. Augit und Biotit vertreten sich
gegenseitig, zuweilen auf demselben Gang.
Uebergänge in die auf Seite 126 unter A. c), und auch d),
erwähnten Gesteine können dadurch entstehen, dass der im All-
gemeinen stets neben dem Orthoklas vorhandene Plagioklas reich-
licher wird; doch gehören solche Uebergangsgesteine, welche
sich in ihrer chemischen Zusammensetzung dem Palaeophyr
Gümbel’s nähern, zu den Seltenheiten und treten nur unter-
geordnet auf.
b) Röth lieh graue und rothe Gesteine enthalten in einer kör-
nigen bis dichten Grundmasse braunrotlie Feldspäthe eingewachsen
und führen in seltenen Fällen auch Quarz, der aber dann von
einer dunkelgrauen Hülle von basischen Mineralien (Biotit und
Plornblende) umgeben ist und daran leicht als fremder Einschluss
erkannt werden kann. Viele der Feldspatheinsprenglinge besitzen
einen zonaren Aufbau; ein hellerer Kern wird häufig umsäumt
von einer röthlichen , weniger durchscheinenden Randzone. Kern
und Hülle unterscheiden sich durch einen verschiedenen Gehalt
an Natrium und Calcium. In einzelnen Fällen scheint, nach
Kieselfluorpräparaten zu urtheilen, das Natrium nicht nur im
Kern, sondern auch in der natriumärmeren Hülle das Kalium zu
überwiegen; dadurch entstehen dann Abarten des Gesteins, welche
dem allerdings viel älteren Keratophyr Gümbel’s vergleichbar
sind. Die Grundmasse besteht in allen den hierher gezählten
Gesteinen aus Orthoklas (bezw. ungestreiftem Feldspath) und Quarz,
die gewöhnlich mit einander regelmässig verwachsen sind. Die
Granophyrstructur ist zwar sehr häufig, aber nicht immer vorhanden.
Durch reichlicheres Auftreten von Quarz, der dann auch wohl
in Einsprenglingen erscheint, entstehen Uebergänge in die dritte
Gruppe von Gauggesteinen. Diese Uebergänge sind nicht sein-
häufig und mehr auf locale abweichende Ausbildungsformen zurück-
zuführen.
Die unter a) und b) beschriebenen Gesteine werden als
Gangorthoklasporphyre oder Syenitporphyre zu bezeichnen
sein. Ich gebe, mit Rücksicht auf die holokrystallinische Aus-
bildung der Grundmasse, dem letzteren Namen den Vorzug, be-
9
Jahrbuch 1887.
130
H. Bückixo, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
merke aber dabei, dass manche der hierher gehörigen, durch einen
sehr hohen Natrongehalt ausgezeichneten Abarten vielleicht besser
durch die von Lossen in Vorschlag gebrachte Bezeichnung »Meso-
Keratophyr« und 'Meso-Augit-Keratophyr« charakterisirt werden.
(Vergh Jahrbuch der geolog. Landesanst. für 1883, S. xxxiv.)
C. G r an i tische Gänge, deren Gesteine einen Kieselsäure-
gehalt von 67 pCt. und mehr aufweisen und das spec. Gew. 2,62
bis 2,66 (nach Pringsheim) besitzen. Die Ausbildung der Gesteine
ist stets eine deutlich porphyrartige (porphyrische im Sinne Rosen-
busch’s).
In einer körnigen, gewöhnlich mit dem blossen Auge oder
der Lupe auflösbaren Grundmasse liegen fast regelmässig grössere
Krystalle von Orthoklas, Quarz und Biotit, bald reichlicher bald
gegen die Grundmasse an Menge zurücktretend. Zuweilen ist
durch parallele Anordnung der oft leistenförmig ausgebildeten
Orthoklaskrystalle eine Fluidalstructur bedingt. Die Grundmasse
ist entweder ein regellos körniges Gemenge von Orthoklas und
Quarz, dem sich zuweilen etwas, wohl secundär gebildeter, Musko-
wit zugesellt, ist also mikrogranitisch entwickelt (und zwar allo-
triomorph- körnig), oder sie zeigt eine oft sehr ausgesprochene
Granophyrstructur; selten sind die Feldspäthe in der Grundmasse
ebenflächig' begrenzt.
O O
In schmalen Gängen und in schmalen Apophysen mächtiger
Gänge ist die Grundmasse der hierher zu stellenden Gesteine ge-
wohnlich so dicht ausgebildet, wie bei den dichtesten Mikrograniten,
sodass sich oft nicht mit voller Sicherheit entscheiden lässt, ob
sich nicht zwischen den Mineralbestandtheilen derselben noch eine
amorphe Basis befindet. Die Gesteine machen dann ganz den
Eindruck von felsitischen Quarzporphyren.
Die Einsprenglinge, zumal von Quarz und Biotit, zeigen fast
durchgängig Einwirkungen eines starken Druckes. Bei dem Biotit
sind dieselben am auffälligsten und im Dünnschliff schon im ge-
wöhnlichen Lichte sichtbar, bei dem Quarz erkennt man gewöhn-
lich erst im polarisirten Licht die vielen unregelmässig verlaufen-
den Biegungen, Knickungen und Brüche, bei deren Betrachtung
der’ Section Schmalkalden (Thüringen).
131
man unwillkürlich an einen Vergleich mit stark zerknittertem und
dann wieder schlecht geglättetem Papier denken muss.
Die Gesteine dieser Gruppe C. werden jetzt allgemein mit
dem Namen Granitporphyr bezeichnet; es liegt kein Grund
vor, von dieser Bezeichnungsweise abzugehen.
2. Gemischte Gänge.
Auf dem von mir im vergangenen Herbste kartirten Gebiet
der Section Schmalkalden giebt es unter den gemischten (dingen
alle Arten, welche bei Betheiligung von 3 Gesteinen überhaupt
nur denkbar sind. Es können also auf demselben Gang zusammen
auftreten — und hierbei bediene ich mich der Kürze halber der
oben in Vorschlag gebrachten Bezeichnungsweise der Gesteine:
1 . Syenitporphyr und Gangmelaphyr,
2. Granitporphyr und Gangmelaphyr,
3. Granitporphyr und Syenitporphyr.
4. Granitporphyr, Syenitporphyr und Gangmelaphyr 1).
Stets besteht dann die Gesetzmässigkeit, dass das
kieselsäurereichste Gestein in der Mitte, das kiesel-
säureärmste Gestein am Salband des Ganges gelegen
ist. In der Regel ist die Anordnung und Aufeinanderfolge der
Gesteine von der Mitte aus nach beiden Salbändern hin die gleiche,
auch die Mächtigkeit der gewöhnlich scharf von einander geschie-
denen Gesteine an beiden Seiten des Ganges ist nahezu dieselbe.
(Vei’gl. Profil 4 und 5; sowie Weiss, Zeitschr. der Deutsch, geol.
Ges. xxxiii, 1881, S. 483 etc. und Pringsiieim, ebenda, xxxn,
1880, S. 111 etc. In der letzteren Arbeit (S. 182) werden die
Erscheinungen als auf den Gang am Korällchen bei Lieben-
stein beschränkt hingestellt. Doch hat schon i. J. 1 858 (ebenda, x,
S. 315) Senft auf den am südlichen Abhang des Thüringer
J) Es liegt nahe, auch an gemischte Gänge, an welchen sich Dioritporphyrit
betheiligt, zu denken. Indessen habe ich gemischte Gänge mit typischem
Dioritporphjrit, wie er oben auf S. 128 aus dem Haderholzgrund erwähnt
worden ist, bis jetzt noch nicht aufgefunden.
9
132
H. Bücking, Mittbeilungen über die Eruptivgesteine
Waldes an mehreren Stellen zu beobachtenden »eigenthüm-
lichen Zusammenhang der Melaphyre« mit den >Dioriten«< hin-
gewiesen. Auch C. F. Danz, Topographie des Kreises Schmal-
kalden, 1848, S. 58 u. und J. L. Heim, Geolog. Beschreibung
des Thüringer Waldgebirges, Meiningen 1798, II. Theil, 1 (S. 111
u. 138 etc.) gedenken dieses Zusammenhangs als eines »gewöhn-
lichen« Falles.)
Die durchaus ge setz massige Lagerung der genannten
Gesteine innerhalb der gleichen Gangspalte schliesst von vornherein
die Annahme aus, dass das Gestein der Gangmitte bei einer
späteren Eruption in die mit bereits verfestigtem Gestein erfüllte
Gangspalte eingepresst worden sei. Solche Vorgänge könnten nur
angenommen werden bei denjenigen gemischten Gängen, welche
an beiden Salbändern ein verschiedenes Verhalten zeigen, also
unsymmetrisch gestaltet sind, und auch noch gewisse andere,
hier nicht näher zu besprechende Unregelmässigkeiten erkennen
lassen ; solche Gänge gehören aber auf der Section Schmalkalden
zu den Seltenheiten. Bei allen übrigen gemischten Gängen wird
man die gesetzmässige Aufeinanderfolge der Gesteine kaum anders
erklären können, als durch die Annahme, dass das in die Gans--
spalte eingepresste Magma sich unter gewissen Bedingungen, viel-
leicht unter dem Einfluss eines sich allmählich oder plötzlich oder
ruckweise verringernden, oder mehrmals wechselnden Druckes, in
verschiedene Gesteine gespalten hat, der Art, dass die basischen
Spaltungsproducte die randlichen, die saueren die mittleren Theile
des Ganges einnehmen.
Soweit die chemische Zusammensetzung der verschiedenen
hier in Betracht kommenden Gesteine bekannt ist — und von
den wichtigsten Typen liegen bereits mehrere Analysen vor — ,
spricht sie nicht gegen eine solche Auffassung; und was die Mine-
ralien der verschiedenen auf demselben Gang auftretenden Gesteine
anlangt, so würden sie in derselben Reihenfolge, in welcher sie
sich auf dem Gange (also in den verschiedenen zwischen Salband
und Gangmitte gelegenen und somit nach einander erstarrten Ge-
steinen) gebildet haben, auch unter gewissen Umständen in einem
und demselben Gestein in verschiedenen aufeinander folgenden
der Section Schmalkalden (Thüringen).
133
Generationen haben zur Ausscheidung kommen können. Die Er-
fahrungen, welche man bezüglich der Reihenfolge der Mineralaus-
scheidungen aus Schmelzflüssen und speciell aus Gesteinsmagmen
gesammelt hat, sprechen dafür, dass sich im Allgemeinen zuerst
die Erze und die Eisen-, Magnesia-, Kalk- und Natronsilikate
ausscheiden, während die Kalisilikate, ebenso wie die Kieselsäure,
länger gelöst bleiben *), ferner dass unter gewissen Bedingungen
in einer späteren Epoche der Gesteinsbildung bezw. -festwerdung
die gleichen Gemengtheile sich noch einmal ausscheiden, ja dass
sogar unter ganz besonderen Verhältnissen mehrmals ihre Bildung
sich wiederholt und somit mehrere Generationen derselben Mine-
ralien in dem Gestein vorhanden sein können. So lassen z. B.,
wie das Rosenbusci-i (1. c. S. 291) bestätigt, die Elvane vieler
Fundorte drei verschiedene Quarz- und Feldspath- Generationen
unterscheiden.
Aehnliche, wenn auch nicht so auffallende Erscheinungen, wie
sie die Gänge auf Section Schmalkalden darbieten, sind übrigens
mehrfach auch in anderen Gegenden beobachtet worden. Diebisch
berichtet in der Zeitschr. der Deutsch, geol. Ges. xxix, 1877,
S. 719 über Ergebnisse, zu welchen die Untersuchung der von
Kunth gesammelten »Syenitporpbyre« vom Hof Ris nördlich
von Christiania geführt hat; sie deuten auf ähnliche Verhältnisse
hin, wie sie auf Section Schmalkalden vorliegen. Auch BröGGEr
erwähnt von Ganggesteinen der Gegend von Christiania, welche
er als »porphyrartigen Glimmersyenit« bezeichnet, dass sie an
den Salbändern eine porphyritische, plagioklasreiche Ausbildung
besitzen (BröGGER, Silur. Etagen 2 und 3: 1882, S. 286). Noch
mehr erinnern an die hier beschriebenen die von Holst und
Eichstädt in Smäland beobachteten Gänge , welche in den
centralen Theilen Quarzporphyr , 6 — 30 Meter mächtig, an
den Salbändern »Uralitdiabas«, also Gangmelaphyr bezw. Diabas-
porphyrit, etwa 1 Meter mächtig, enthalten. (Geolog. Foren, i
Stockholm Förli. 1883, Bd. VI, S. 709 etc., sowie Neues Jahrb. f.
l) Yergl. Lagokio, über die Krystallisationsvoi gange im eruptiven Magma, in
Tschebmak’s Mineralog. u. petrograph. Mittli. 1887, VIII, S. 520 etc.; ferner
Rosenbusch, massige Gesteine, 2. Aufl. 1887, an vielen Stellen.
134
H. Bücking, Mittheilungen über die Eruptivgesteine
Min. 1884, II, S. 209). Auch auf Section Nassau im Königreich
Sachsen (Specialkarte des Königr. Sachsens, Erl. 1887, S. 35) hat
R. Beck einen Augitsyenitgang beobachtet, welcher an beiden Sal-
bändern ein scharf gegen das saure Gestein der Gangmitte sich ab-
setzendes basisches Gestein (mit gleichen Gemengtheilen wie jenes)
zeigte. Ferner hat M. Koch einen Gang von grauem Porphyr
des Harzes von Blatt Wernigerode besprochen (Jahrbuch d. geol.
Landesanstalt für 1885, S. xxvii), bei welchem das saure Gestein
der Gangmitte einen »allmählichen« Uebergang in basisches diabas-
artiges Gestein des Salbandes erkennen lässt.
Ein solcher allmählicher Uebergang des basischen Salband-
gesteins in das saure Gestein der Gangmitte findet bei den ge-
mischten Gängen auf Section Schmalkalden im Allgemeinen nicht
statt; nur an wenigen, deren Untersuchung noch nicht als abge-
schlossen betrachtet werden kann, ist der Uebergang ein schritt-
weiser. In der Regel lässt sich eine scharfe Grenze zwischen
den verschiedenen Ganggesteinen nachweisen.
Zur Erklärung dieser Verhältnisse müsste man etwa Folgendes
annehmen.
Aus dem Magma bildet sich am Salband des Ganges, wo in
Folge der Wärmeabgabe an das Nebengestein zuerst eine Ab-
kühlung und deshalb eine Mineralausscheidung aus dem Magma
eintreteu muss, zunächst ein aus vorwiegend basischen Mineralien
bestehendes Gestein, so lange, bis bei dem Aufhören oder Nach-
lassen der das Magma in die Gangspalte pressenden Druckkräfte
die Auskrystallisation des Magmas unterbrochen wird. Erst nach
einer gewissen Pause, nämlich dann, wenn die Temperatur des
noch flüssigen Magmas bis zu einem bestimmten Grade ge-
sunken oder der von unten wirkende Druck *) wieder eine be-
stimmte Höhe erreicht hat, beginnt von Neuem eine Mineralaus-
scheidung, welche nunmehr, im Falle dass das früher gebildete
basischere Randgestein nicht wieder vollständig eingeschmolzen
*) Bezüglich des Einflusses eines starken Drucks auf die Krystallisations-
vorgänge im Magma muss ich auf die oben citirte Abhandlung Lagorio’s und
die dort angeführte umfangreiche Litteratur verweisen.
der Section Schmalkalden (Thüringen).
135
ist, bei der von der ursprünglichen abweichenden chemischen
Zusammensetzung des Magmas zur Bildung eines anderen, saureren
und von dem erstgebildeten Salbandgestein ziemlich scharf getrennten
Gesteins führen muss.
Die Annahme, dass die Schwankungen in der Grösse des
von unten, vom Eruptionsherd, her wirkenden Druckes von Ein-
fluss auf die Art der Erstarrung des Gesteinsmagmas in den Gang-
spalten sein können, ist allerdings nur dann zulässig, wenn es
sich um Theile von Gängen handelt, welche dem Eruptionsherd
nicht allzu entfernt liegen, um Theile von Gängen, in welchen
solche Schwankungen auch wirklich noch in hervorragendem
Maasse fühlbar werden. Solche Gänge scheinen in dem be-
sprochenen Gebiet nun wirklich vorzuliegen. Die ausserordentliche
Menge von Gängen, und zwar gerade von gemischten Gängen,
zwischen Elmenthal und Kleinschmalkalden und besonders im
Trusenthal, muss Jeden, der die Gegend einmal besucht, über-
raschen; sie scheint unwiderleglich daraufhinzudeuten, dass in dieser
Gegend der Eruptionsherd nicht allzu tief unter der jetzigen Ober-
fläche gelegen hat. Jedenfalls hat — und diese Ueberzeugung
drängt sich jedem unbefangenen Beobachter auf — die eruptive
Thätigkeit, welcher die erwähnten Gänge ihre Entstehung ver-
danken, in dieser Gegend — gegenüber allen anderen im nörd-
lichen Thüringer Wald — ihren grössten Umfang erreicht. Kreuzt
man doch im Trusenthal zwischen der Stahlbergverwerfung in
Hei ges und der Nordgrenze der Section Schmalkalden, auf einer
nicht ganz 2 Kilometer langen Strecke 18 durchschnittlich je
10 Meter mächtige Eruptivgesteinsgänge. Zwischen der Restau-
ration Ittershagen und dem Wasserfall folgt Gang auf Gang;
O O O Ö 7
8 meist mehr als 10 Meter mächtige Gänge sind auf dieser nicht
ganz 500 Meter betragenden Strecke anstehend beobachtet; zum
Theil springen sie zwischen den abgerundeten Granitfelsen in
Form scharfkantiger Klippen koulisseuartig in das Waldthal vor
und verleihen demselben, es mehrfach einengend, seinen eigen-
artigen Charakter. (Vergl. die Skizze 6 vom unteren Trusen-
thal auf der Tafel V.)
136
H. Bücking, Mitteilungen über die Eruptivgesteine
Für die Annahme nur eines einzigen Eruptivmagmas, welches
in der Gangspalte selbst eine Spaltung in verschiedene Gesteine
erlitten hat, sprechen namentlich diejenigen gemischten Gänge,
welche sich aus drei verschiedenen Gesteinen symmetrisch auf-
bauen (vergl. Profil 5). Auch folgende Beobachtung ist ge-
eignet, diese Annahme zu unterstützen. Es tritt nämlich bei
mehreren Gängen1) der Fall ein, dass sie in einer gewissen Er-
streckung, und zwar besonders in den höher gelegenen, offenbar
von dem Eruptionsherd weiter entfernten Theilen der Gangspalte,
nur aus Syenitporphyr bestehen, während in anderen Theilen der-
selben Gangspalte und zwar in tieferen, dem Eruptionsherd näher
gelegenen Theilen, Granitporphyr mitten zwischen dem Syenit-
porphyr erscheint, gleichzeitig aber auch an den Flanken des Syenit-
porphyrs, an den beiden Salbändern des Ganges, Gangmelaphyr.
Man möchte aus diesen Beobachtungen fast den Schluss ziehen,
dass manche der einfachen Syenitporphyrgänge, ebenso wie sie
im Fortstreichen in gemischte Gänge übergehen können, auch weiter
nach der Tiefe hin, näher an ihrem Eruptionsherd, sich als ge-
mischte Gänge darstelleu.
Eine weitere, sehr wichtige Stütze für die Annahme einer
Entstehung der gemischten Gänge aus einem einzigen Eruptiv-
magma erblicke ich ferner in einer an mehreren Stellen, in guten
Aufschlüssen, beobachteten Erscheinung, die darin besteht, dass
auch da, wo die gemischten Gänge nach oben hin sich auskeilen,
das sauere Gestein der Gangmitte von dem Nebengestein des
Ganges durch das basische Salbandgestein getrennt ist. Das
letztere schliesst also wie eine Hülle — (Heim spricht in dem
oben citirten Werke von 1798, auf S. 111 u. S. 182, mehr divi-
natorisch als auf Grund wirklicher Beobachtungen, von einem
Ueberzug«, einer »Schale«) — den Gang ein, trennt den Kern
des Ganges von dem Salband.
!) Z. B. bei dem Gang »Elmenthal-Süd, welcher bei Elmenthal, am südwest-
lichen Ende des Dorfes das im Profil 5 angegebene Verhalten zeigt, weiter
östlich dagegen im Trusenthal, wie die Kartenskizze 6 ( i. M. 1 : 5000) angiebt, nur
als einfacher Gang entwickelt ist.
der Section Schmalkalden (Thüringen).
137
Das Vorhandensein von einfachen, entweder nur mit dem
basischen Gangmelaphyr oder nur mit dem sauren Granitporphyr
gefüllten Gängen würde dafür sprechen, dass solche Gesteine, wie
sie sonst als Spaltungsproducte eines in seiner Zusammensetzung
zwischen beiden stehenden Magmas auf den Gängen entstanden,
auch bereits in grösserer Tiefe, etwa innerhalb des Eruptionsherdes,
durch Differenzirungen aus ähnlichen Magmen erzeugt und von
Zeit zu Zeit, von einander getrennt, in Spalten injicirt werden
konnten. Es ist auch leicht möglich, dass das in dem Eruptions-
herd gebildete Magma an verschiedenen Stellen des Herdes zu
verschiedenen Zeiten der eruptiven Thätigkeit eine etwas andere
Zusammensetzung hatte, und würden sich hieraus die oben er-
wähnten Schwankungen , welche die Ganggesteine in ihrer che-
mischen und mineralogischen Zusammensetzung zeigen, recht wohl
erklären lassen.
Diese eben versuchte Erklärung hat viele Vorzüge vor der
Annahme mehrerer von einander getrennter Eruptionsherde.
Immerhin aber könnte man, nach dem Vorgänge von Bunsen,
auch an einen (vielleicht tiefer gelegenen) basischen (Mela-
phyrherd) und an einen (etwa höher gelegenen) sauren (Granit-
porphyr-) Eruptionsherd denken , und die Syenitporphyrgänge
ebenso wie die gemischten Gänge, auf zwei sich mit einander
mischende Magmen, ein basisches (Gangmelaphyr-) und ein saures
(Granitporphyr-Magma), zurückführen. Was speziell die gemischten
Gänge anlangt, so würde man dann für diese annehmen müssen,
dass sie zuerst mit den basischen Magmen gefüllt wurden und
noch, ehe dieses sich vollständig verfestigt hatte, das sauere ein-
drang. War das letztere im Staude, das erste vollständig einzu-
schmelzen (was z. B. bei Voraussetzung eines sehr weit nach oben
sich erstreckenden Ganges nicht gerade leicht erklärlich und wahr-
scheinlich ist), so konnte diese Mischung beider Magmen Syenit-
porphyr liefern; wurde das basische Magma nur theilweise ein-
geschmolzen, so konnten beim Erstarren, unter gewissen, oben
näher angedeuteten Bedingungen, gemischte Gänge entstehen.
Dass die Eruptionen, welche die Gänge gefüllt haben, nicht
gleichzeitig stattfanden, sondern lange Zeit hindurch sich öfter
© © ©
138
H. Bücking, Mitteilungen über die Eruptivgesteine
wiederholt haben, wird durch die Thatsache bewiesen, dass die
einfachen und gemischten Gänge, wenngleich sie im Allgemeinen
dasselbe Streichen, ein vorherrschend westnordwestliches, beob-
achten, sich doch an einzelnen Stellen gegenseitig durchsetzen.
So wird im Trusenthal ein gemischter, von Granitporphyr und
Melaphyr erfüllter Gang (»Buchenberg-Süd«), von einem anderen
gemischten, von Syenitporphyr und Melaphyr gebildeten Gang
(dem Trusenthaler Hauptgang)1), und an den Pulverköpfen bei
Hohleborn ein von Granitporphyr und Syenitporphyr erfüllter
gemischt er Gang von einem Granitporphyr - Melaphyrgang durch-
setzt.
Jedenfalls besitzen — das folgt unzweideutig aus den geo-
logischen Aufnahmen der Section Schmalkalden — die gemischten
Gänge nahezu das gleiche Alter wie die einfachen Melaphyrgänge,
von welchen ich oben erwähnt habe, dass sie noch bis in das
Unter-Rothliegende hineinsetzen. Es gehören demnach nicht nur
die gemischten, sondern auch die einfachen, mit Granitporphyr
oder mit Syenitporphyr gefüllten Gänge, wenigstens zum grossen
Theil, dem Rothliegenden an, und haben wir in den in dieser For-
mation auftretenden Eruptivlagern die zu den erwähnten Gang-
gesteinen zugehörigen Deckengesteine zu erblicken. Der Quarz-
porphyr ist demnach das Aequivalent des Granitporphyrs, der
quarzfreie Orthoklasporphyr das Aequivalent des Syenitporphyrs,
der Melaphyr (Palatinit) das Aequivalent des Gangmelaphyrs
(bezw. Diabasporphyrits), der Porphyrit das Aequivalent des Diorit-
porphyrits (Gangporphyrits). Auch diese Beziehungen sollten
durch die oben in Vorschlag gebrachten Benennungen angedeutet
werden.
Es erübrigt noch darauf aufmerksam zu machen, dass die im
Granit und Gneiss bezw. Glimmerschiefer, Quarzitschiefer, Plorn-
blendeschiefer etc. aufsetzenden Gänge keinerlei auffallende Con-
tactwirkungen im Nebengestein hervorgerufen haben; ich betone
') Vergl. die Kartenskizze 6 vom unteren Trusenthal auf der Tafel Y.
Die Gänge sind im Yerhältniss zum Maassstab der Karte (1:5000) zu breit
gezeichnet.
der Section Schmalkalden (Thüringen). 139
dasselbe ganz besonders, weil mehrfache Angaben in der Litteratur
vorhanden sind, denen zufolge man sehr bemerkenswerthe Ver-
änderungen im Nebengestein erwarten sollte.
Die hier nur angedeuteten, zum grössten Theil nicht näher
erörterten Verhältnisse hoffe ich demnächst in einer umfangreicheren
Bearbeitung aller von mir untersuchten Gänge der Section Schmal-
kalden, deren Zahl mehr als 70 beträgt, genauer darlegen zu
können.
Strassburg, den 12. Februar 1888.
Bemerkungen zu dein Funde eines Geschiebes
mit Pentamerus borealis bei Havelberg.
Von Herrn F. WahnschafFe in Berlin.
Bei der geologischen Aufnahme des Blattes Havel b erg fand
ich ein Geschiebe, welches aus mehreren Gründeu von Interesse
sein dürfte. Erstens gehört dasselbe in dem mittleren Gebiete
des norddeutschen Flachlandes zu den verhältuissmässig seltenen
Vorkommnissen, sodanu ist sein Heimathsgebiet ein so eng be-
grenztes, dass die daraus herzuleitenden Findlinge als treffliche
Leitblöcke« für die eiszeitliche Transportrichtung angesehen wer-
den können und drittens gewinnt es dadurch an Bedeutung, dass
es einem Geschiebemergel entstammt, dessen Lagerung sich genau
feststellen liess.
Dur ’ch das Vorkommen zahlreicher zusammengehäufter Schalen
von Pentamerus borealis Eicihw. erweist sich das in Frage stehende
Geschiebe als zur obersilurischen Borealis -Zone gehörig, welche
nach Friedrich Schmidt über der Jörden’sclien Schicht liegt
und von ihm als G 2 bezeichnet worden ist. Es besteht aus
einem grobkrystall inischen, weissgrauen Kalk, in welchem die durch
eiue beinerkenswerthe Dicke sich auszeichnenden Schalen einge-
bettet sind. Ihre Oberfläche ist gleichmässig gewölbt und glatt;
bei einigen Exemplaren sieht man eine schwache schmale Ein-
senkung längs der Mittellinie der grösseren Klappe sich hinab-
ziehen. Das Geschiebe stimmt sowohl in seiner petrographischen
F. Wahnschaffe, Bemerkungen zu dem Funde eines Geschiebes etc. 141
Beschaffenheit, als auch hinsichtlich der Ausbildung der Schalen
ganz und gar mit den Handstücken überein, welche ich im Früh-
jahr 1887 in Estland in einem Steinbruche des Pentameruskalkes
bei K ammarika unweit der Station Rakke sammelte.
Zum Verständniss für den Fundort des Geschiebes ist eine
kurze Darlegung der geologischen Verhältnisse bei Havelberg
erforderlich. Die dortige Diluvialhochfläche bricht sowohl nach
Süden gegen das vereinigte Oder-Weichselthal als auch
nach Westen gegen die breite Thalebene des alten Elbthales
in steilen Gehängen ab, an deren Fusse die Havel unmittelbar
entlang fliesst.
Diese Gehänge bestehen in der Umgebung von Havelberg
zu unterst aus einem blaugrauen, thonigen und nicht sehr block-
reichen Geschiebemergel, welcher mehrfach in den Gruben
nördlich von Havelberg aufgeschlossen ist. Zufolge einer in
Havelberg in der Lehmgrube des Herrn Otto Kirchner ausge-
führten Tiefbohrung ruht dieser untere Geschiebemergel auf einem
blaugrauen Tertiärthon, der bei 126 Meter noch nicht durch-
sunken wurde und nach meiner Auffassung zum Septarienthon zu
rechnen sein dürfte. Ueber dem blaugrauen Geschiebemergel fble't
meist ohne Zwischenlagerung ein gelbrother Geschiebe-
mergel, welcher viel blockreicher ist, als der darunter liegende
und hinsichtlich seiner Färbung mit dem rothen Geschiebemergel der
Altmark übereinstimmt. Oestlich der Elbe war letzterer bisher
noch nicht in grösserer Ausdehnung bekannt. Berendt1) hat ihn als
ein »vielfach durch eine gewisse Steiuarmuth sich auszeichnendes
Gebilde« gekennzeichnet. Dies gilt, wie gesagt, nicht für den rothen
Geschiebemergel von Havelberg und auch nur theilweis für den-
jenigen der Altmark. Es geht dies aus den Mittheilungen
Grüner1 s 2) hervor, welcher von dem rothen altmärker Geschiebe-
mergel des Blattes Schinne folgendes schreibt: Die von ihm eiu-
o-eschlossenen Geschiebe erreichen bisweilen erstaunliche Zahl und
*) G. Berendt, Zur Geognosie der Altmark. Unterschiede in den geognosti-
sehen Verhältnissen derselben gegenüber denen der Mark Brandenburg. (Jahrb.
d. Königl. geol. Landesanstalt für 1886. Berlin 1887. S. 106.)
2) H. Grüner, Erläuterungen zu Blatt Schinne S. 23.
142 F. Wahnschaffe. Bemerkungen zu dem Funde eines Geschiebes
Grösse und sind besonders die Höhen der vom Woltersberg und
den Ortschaften Grünwulsch, Darnewitz und Steinfeld eiuo-e-
Ö
schlossenen Gebiete damit wie besät; sie bilden hier ein förm-
liches Riesenpflaster, das man aber seit Jahren im Interesse der
Bodencultur mehr und mehr zu zerstören eifrig bemüht ist. Von
der Art und dem Umfang dieser Geschiebe erlangt man am
besten durch Besuch der in der Nachbarschaft von Kläden und
Steinfeld noch intact erhaltenen zahlreichen sogenannten Hühnen-
gräber Aufschluss«. In ähnlicher Weise ist von demselben Autor1)
der rothe Geschiebemergel des Blattes Lüderitz folgendermaassen
beschrieben worden :
Die in ihm und seinen Verwitterungsproducten , dem Lehm
und lehmigen Sande auftretenden Geschiebe, mit denen sie bis-
weilen wie bespickt erscheinen, oder die auch vereinzelt, aber oft
von über Kubikmeter Grösse auftreten, sind im Laufe der Zeit,
je näher an den Dörfern, desto mehr ausgegraben und zum Funda-
ment der Wohnhäuser oder auch zum Oberbau der Wirthschafts-
gebäude benutzt worden, wodurch oftmals eine wahre Musterkarte
der aus dem Norden stammenden Abarten krystallinischer Gesteine
entstand«. Auch Scholz 2) sagt von Blatt Gardelegen und
Klinke : »Der Geschiebemergel des unteren Diluviums führt seinen
Namen nach den zahlreich in ihm vorkommenden Geschieben der
verschiedensten Grösse, sodass man der gewöhnlich vorkommenden
Art desselben auch den Namen Blocklehm beigelegt hat. Er be-
sitzt eine eigenthümlich röthliche Färbung und wird desshalb zum
o o
Unterschiede vom gemeinen auch roth er altmärkischer Geschiebe-
mergel genannt«. Dagegen hebt er allerdings mehrfach hervor,
dass der stellenweise den rothen Geschiebemergel unterlagernde
graue meist sandiger und steinreicher ist als der erstere, während
nach Grüner auf den Blättern Lüderitz und Schinne das um-
gekehrte Verhältniss stattfindet.
Was nun die Gegend von Havelberg anlangt, so finden sich
an einigen Stellen des Gehänges, besonders in der Nähe des
1) H. Grüner, Erläuterungen zu Blatt Lüderitz S. 18 u. 19.
2) M. Scholz, Erläuterungen zu Blatt Gardelegen S. 18, desgl. zu Blatt
Bismark S. 16.
143
mit Pentamerus boreatis bei Havelberg.
nördlich von der Stadt gelegenen Dorfes Toppein einige Punkte,
wo die zuoberst liegende Geschiebemergelbank eine sehr ausge-
prägt rothe Farbe besitzt. Der Umstand, dass der graue und
der rothe Mergel oft in einer geraden Linie und unter deutlicher
Wahrnehmbarkeit einer Ablösungskluft von einander getrennt sind,
sowie auch der soeben hervorgehobene deutliche Unterschied im
Geschiebereichthum bestimmt mich dazu, hier nicht anzunehmen,
dass die obere Bank durch Oxydation der unteren blaugrauen
entstanden sei, sondern dass hier, ebenso wie westlich der Elbe,
zwei dem Alter nach verschiedene Grundmoränen vorliegen. Die-
jenigen der Altmark sind von Berendt beide dem Unterdiluvium
zugewiesen worden, worauf ich noch später zurückkommen werde.
Meine Annahme wird ferner unterstützt durch den ungleichen
Kalkgehalt, welchen die Mergel besitzen , obgleich man aller-
dings auf die eine vorliegende Untersuchung nicht zuviel Gewicht
legen darf. Die mit dem ScHElBLER’schen Apparate ausgeführten
Kohlensäurebestimmungen gaben auf Calciumcarbonat berechnet
folgendes Resultat :
Rothe obere Schicht aus der Wolf’schen Grube
am Steilgehänge bei Schmokenberg.
Erste Bestimmung 18,36 CaCOj*
Zweite Bestimmung 18,34 »
Durchschnitt 18,35 GaCO^.
Graue untere Schicht aus der Wolf’schen Grube
am Steilgeliänge bei Schmokenberg.
Erste Bestimmung 23,43 Ca CO?,
Zweite Bestimmung 23,12 »
Durchschnitt 23,27 CaCOs-
Für die Trennung spricht ausserdem noch der Umstand, dass
sich in dem Einschnitt am Havelberger Dom, sowie in der weiteren
Fortsetzung des Gehänges nach Osten zu zwischen die beiden
Geschiebemergel geschichtete Bänke von Grand und Sand
einschieben.
144 F. Wahnschaffe, Bemerkungen zu dem Funde eines Geschiebes
Vom Rande aus senkt sich die Hochfläche allmählich nach
Nordosten zu und die obere Bank des Geschiebemergels, welche
mit ihren V erwitterungsproducten bei Havelberg in einer ungefähr
2 Kilometer breiten Zone die Oberfläche bildet, verschwindet unter
z. Th. mächtigen Ablagerungen von geschichteten Sauden und
Granden, welche unter Berücksichtigung der Auffassung über die
Lagerungsverhältnisse am linken Elbufer bei der Kartirung von
mir zum unteren Diluvium gestellt worden sind.
Was nun das Vorkommen des Geschiebes mit Pentamerus
borealis betrifft, so stammt dasselbe aus einem Steinhaufen, der
am Rande der Ziegeleigrube zwischen Havelberg und Toppein
sich nahe bei der am nördlichsten gelegenen Ziegelei befand. Die
Geschiebe sind aus den beiden in der Grube aufgeschlossenen
Geschiebemergeln ausgelesen, doch war nach den dem Borealis-
kalk anhaftenden Mergelresten zu schliessen , dass derselbe in
der oberen rothen Bank gelegen haben muss.
Bekanntlich bildet der Borealiskalk nach Schmidts2) Unter-
suchungen eine schmale, nicht mehr als 15 Friss Mächtigkeit be-
sitzende' Zone, welche sich durch ganz Estland aus der Gegend
nördlich vom Peipus-See bis nach Hapsal hinzieht und auch auf
der benachbarten Iusel Dagö noch ihre weitere Fortsetzung findet.
Sehr wahrscheinlich war das Vorkommen dieser Zone nicht nur
auf dieses Gebiet beschränkt , sondern sie setzte sich weiter nach
Westen in die Ostsee hinein fort.
Ueber die Verbreitung des Borealiskalkes als Geschiebe
giebt Ferd Roemer 3) in seiner Lethaea erratica eine umfassende
Zusammenstellung. Darnach ist er durch die Untersuchungen
von Roemer, Jentzsch und Noetling in Ost- und Westpreussen
mehrfach nachgewiesen. Auch in der Provinz Posen wurde er
bei Meseritz und Bromberg gefunden, während er in der bereits
0 Vergl. das von G. Berendt gegebene Profil vom hohen Steilufer südlich
des Städtchens Arnebnrg. Jahrb. d. geol. Landesanstalt für 1886, S. 105.
2) Friedr. Schmidt, Revision der ostbaltischen sibirischen Trilobiten nebst
geognostischer Uebersicht. des ostbaltischen Silurgebietes. St. Petersburg 1881.
3) Palaeontologische Abhandlungen, herausgegeben von Dames und Kayseb.
Bd. II, Heft 5, S. 322 u. 323.
mit Pentamerus borealis bei Havelberg.
145
genauer durchforschten Provinz Schlesien an verschiedenen Orten
vorkommt. Weiter nach Westen zu in der Provinz Brandenburg
gehören Geschiebe von Borealiskalk entschieden zu den Selten-
heiten. Poeme R erwähnt ein solches von Sorau im Regierungs-
bezirk Frankfurt a. d. O. , welches sich im Breslauer Museum
befindet, sowie auf Grund einer Mittheilung Beyrich’s ein hand-
grosses Stück, das bei Rixdorf gefunden ist. Ferner machte mich
Herr Schröder auf ein ebenfalls handgrosses, in der Sammlung
der Königlichen geologischen Landesanstalt befindliches Stück auf-
merksam, welches die Bezeichnung »Berlin, Milecki’sche Sammlung«
führt. Schliesslich erwähnt Dames zwei bei Bei’lin, im Grune-
wald und bei Rüdersdorf, durch A. Krause gefundene Exem-
plare. Dieselben befinden sich in der Sammlung des Letzteren
und wurden mir freundlichst zur Untersuchung überlassen. Es
sind Stücke von der ungefähren Grösse eines PXühnereies, die in
ihrer petrographischen Beschaffenheit vollkommen mit dem Havel-
berger Funde übereinstimmen. Von besonderer Wichtigkeit war
mir die Mittheilung des Herrn Krause, dass das Rüdersdorfer
Geschiebe von ihm in einem Haufen von Steinen gefunden wurde,
die aus dem im Alvenslebenbruche den Schaumkalk direct über-
lagernden Oberen Gesell iebemergel ausgelesen waren. Das
Stück aus dem Grunewald lag an der Oberfläche; seine Herkunft
aus dem Oberen Geschiebemergel ist hier ebenfalls sehr wahr-
scheinlich, da derselbe mit seinen Verwitterungsresten bis in den
Grunewald hineinreicht. Die dort auf dem Unteren Diluvialsande
vereinzelt vorkommenden Blöcke sind als die Residua des in der Ab-
sclnnelzperiode zerstörten Geschiebemergels anzusehen. Die Fund-
orte in Holstein sind nach Meyn Schulau und nach Gottsche’s * 2)
Angabe Seegeberg, Tarbeck, Bornhoeved und wahrscheinlich auch
Lauenburg. Ferner wurde das Geschiebe bei Lüneburg in Hannover
x) W. Dames, Uebersicht über die in der Umgebung Berlins beobachteten
Sedimentärgeschiebe. (Erläuterungen zur geolog. Uebersichtskarte der Umgegend
von Berlin im Maassstabe 1 : 100,000. Berlin 1885, S. 106 Anmerkung.)
2) G-ottsche, Die Sedimentär - Geschiebe der Provinz Schleswig- Holstein.
Yokohama 1883, S. 23.
Jahrbuch 18S7.
io
146 F. Wahnschaffe, Bemerkungen zu dem Funde eines Geschiebes
und nach Martin’s Angabe bei Jever und Essen in Oldenburo-
gefunden. Das westlichste Vorkommen findet sich in Holland,
wo bei Groningen zuerst durch Ferd. Roemer 1) und später
durch Martin2) mehrere Stücke nachgewiesen wurden, sodass
Letzterer sogar vier verschiedene Modificationen unter den Bore-
aliskalken der dortigen Gegend aufgestellt hat. In dem ganzen
Gebiet zwischen Berlin und Lauen bürg- Lüneburg war das
Geschiebe bisher nicht bekannt, sodass der Fund bei Havelberg
eine ziemlich grosse Lücke ausfüllt und den Zusammenhang
zwischen den Fundpunkten bei Berlin und in Holstein herstellt.
Bei keinem der bisher im westlichen Theile Norddeutschlands
gefundenen Borealisgeschiebe ist das Alter der Schicht, aus der
es stammt, aus der Literatur bekannt geworden, ja in den meisten
Fällen ist es sogar nicht einmal möglich gewesen, zu bestimmen,
aus welcher Schicht das betreffende Stück herrührt. Bei dem
Havelberger Fund liess sich zwar die Diluvialschicht mit Sicher-
heit feststellen, aber das Alter derselben ist nach meiner Auf-
fassung noch immer fraglich.
Die über dem rothen Geschiebemergel bei Havelberg und
der entsprechenden Bildung der Altmark vorkommenden ge-
schichteten Sande und Tlione bieten nach meiner Ansicht
an sich keine zwingende Nothwendigkeit dar für ihre Zurech-
nung zum Unterdiluvium, welche durch Berendt, Klockmann3)
und Scholz 3) vertreten wird. Die Entstehung derartiger ge-
schichteter Absätze über dem oberen Geschiebemergel während
der Ab Schmelzperiode der zweiten Vereisung ist keineswegs
undenkbar. Dazu kommt noch, dass der rotlie Geschiebemergel der
Altmark ebenso wie der obere der Mark eine ausgedehnte Ver-
breitung an der Oberfläche besitzt und in zusammenhängender
Decke grosse Flächen beispielsweise von den Blättern Bismark,
1) F. Roemer, Die Versteinerungen der silurisclien Diluvialgeschiebe von
Groningen in Holland. N. Jahrb. f. Min. etc. Jahrg. 1858, S. 269 u. Zeitschr.
d. Deutsch, geol. Ges. 1862, S. 596.
2) K. Martin, Niederländische u. Nordwestdeutsche Sedimentärgeschiebe etc.
Leiden 187S, S. 21 u. 22.
3) Jahrbuch d. König!, geol. Landesanstalt für 1882. Berlin 1883, S. lii u. l.
mit Pentamerus borealis bei Havelberg.-
147
Schinne, Lüderitz und zum Tlieil auch von Klinke bedeckt,
während ein blaugrauer durch die Kartirung unterschiedener
Geschiebemergel in tieferem Niveau darunter sich findet.
Das vereinzelte Auftreten von Geschieben des Borealiskalkes im
westlichen Glacialgebiete beweist, dass ein Transport sicher
auf Estland zurückzuführender Gesteine im norddeutschen Flach-
lande in ost-westlicher Richtung stattgefunden haben muss.
Ist nun bereits während der ersten Vereisung eine solche Trans-
portbewegung in ost-westlicher Richtung anzunehmen? Diese An-
nahme wird in gewisser Hinsicht ausser durch die Borealisgeschiebe
noch durch das häufige Vorkommen von Alandsgeschieben im
westlichen Deutschland auf dem Hümmling bei Borges und bei
Haselünne1), sowie in Holland bei Groningen und Neu- Amster-
dam 2) unterstützt. Auch erwähnt Gottsche 3) einen Alands-
rapakiwi aus dem Unteren Geschiebemergel von Kiel. Da es
nun nach den Untersuchungen DE Geer’s 4) im südlichen Schonen
den Anschein hat, dass die Älandsgeschiebe in den unteren
Moränen Südschonens gänzlich fehlen, also zur Zeit der
ersten Vereisung ihren Weg nicht über Schweden genommen
haben können, so sind hinsichtlich ihres Vorkommens im nord-
westlichen Deutschland und in Holland zwei Möglichkeiten zu
erwägen. Entweder fand schon zur Zeit der ersten Vereisung
ein ost- westlicher Geschiebetransport in Norddeutschland statt,
während zu gleicher Zeit ganz Schonen bis zu Meereshöhen von
225 Meter von einem älteren baltischen Eisstrome 5) in Südost-
') Nach einer freundlichen Mittheilung F. Iylockmann’s, welcher Älandsge-
schiebe einmal auf dem Hümmling bei Borges und dann auch noch bei Haselünne
(2 Meilen östlich von Meppen), eingebettet in entschieden unterem Mergel, auffand.
2) van Calker, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1884, S. 718 u. 1885, S. 796.
3) 1. c. Tab. I. Transport-Richtungen von Geschieben des unteren Geschiebe-
mergels von Kiel (incl. Bülk, Labö, Ellerbeck). No. 5.
4) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1885, S. 205 und G. de Geer, Beskrif-
ning tili Kartbladet Lund (S. G. U. Ser. Aa, No. 92). S. 41 u. 55 — 57.
5) Der zuerst von A. G. Nathorst auf Blatt Trolleholm (Sv. Geol. Und.
Ser. Aa, No. 87) durch die Auffindung von Glacialschrammen in der Richtung
S. 25 — 80° 0., sowie durch das Vorkommen von baltischen Geschieben vermuthete
10*
148 £\ Wahnschaffe, Bemerkungen zu dem Funde eines Geschiebes
Nord west -Richtung überschritten wurde, oder die betreffenden
Diluvialablagerungen im westlichsten Norddeutschland gehören
nicht dem unteren, sondern dem oberen Diluvium an.
Diese letztere Annahme dürfte jedoch bis auf Weiteres auf
grösseren Widerstand stossen, als die erstere, denn in letzter Zeit
ist auf Grund der Arbeiten Klockmann’s die Anschauung immer
mehr herrschend geworden, dass die Ablagerungen der ersten
Vereisung eine beträchtlich grössere Ausdehnung nach Westen zu
besitzen, als die der zweiten, und jüngst hat Lorie *) gestützt auf
seine sorgfältigen Untersuchungen in den Niederlanden ausgeführt,
dass dort nur Ablagerungen der ersten Vereisung, also nur
unterdiluviale vertreten seien. Aus diesem Grunde bekämpft
er auch die Ansicht de Geer’s, dass sich die zweite Vereisung
ursprünglich nach Groningen erstreckt haben könnte, was Letzterer
aus dem Vorkommen estländiseher Geschiebe im Hondsruar ne-
folgert hatte * 2).
Klarheit kann in die Auffassungen über die Transportrich-
tungen nur durch fortgesetzte vergleichende Untersuchungen der
Geschiebeführung der verschiedenaltrigen Geschiebemergel im nord-
westlichen Deutschland gebracht werden, denn im östlichen und
mittleren Theile Norddeutschlands zeinen wahrscheinlich die
O
Grundmoränen der beiden Glacialperioden keinen Unterschied hin-
sichtlich der Herkunft ihrer Geschiebe, worauf schon de Geer
hingewiesen hat.
Bei dem engbegrenzten Heimathsgebiete des Borealiskalkes
und der leichten und sicheren Bestimmbarkeit des Geschiebes
wäre es von grosser Wichtigkeit, immer genau das Alter der Ab-
lagerung festzustellen, welche dasselbe einschloss. Aus einer
grossen Anzahl solcher Beobachtungen lassen sich dann vielleicht
ältere baltische Eisstrom ist neuerdings namentlich durch die Arbeiten H. Lund-
bohm’s und G. de Geer’s mit ziemlicher Sicherheit nachgewiesen worden. Ver-
gleiche H. Lundbohm, Om den äldre baltiska isströmmen i södra Sverige. (Geol.
Foren. Förhandl. No. 115, Bd. X, 1888, S. 157 — 189.)
*) J. Lorie, Contributions ä la geologie des Pays-Bas II, III. Haarlem 1887,
S. 102.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1885, S. 195.
mit Pentamerus borealis bei Havelberg.
149
interessante Schlüsse ableiten über die Transportrichtungen der
Geschiebe während der einzelnen Abschnitte der Eiszeit.
Es ist möglich, dass man für Norddeutschland zur Zeit der
ersten Vereisung bei grösster Mächtigkeit des Landeises im
Allgemeinen eine nord-südliche radial sich ausbreitende Rich-
tung des Geschiebetransportes annehmen kann, jedoch mit Ab-
lenkungen nach West bei Beginn dieser Periode, als das Eis noch
nicht die Mächtigkeit besass, um den von den deutschen und
russischen Küstengebieten ausgeübten Widerstand überwinden zu
können. Dagegen spricht vieles dafür, dass das Eis in der
Periode der zweiten Vereisung, in welcher es nicht die
Mächtigkeit und Ausdehnung wie in der ersten erlangte, vor-
herrschend eine ost- westliche Bewegungsrichtung besessen haben
mag. Es ist jedoch auch möglich, dass die Verhältnisse für Nord-
deutschland viel verwickelter liegen als für Schweden, wo die
Geschiebeführung der oberen und unteren Moränen deutliche
Unterschiede in Betreff der Herkunft des Materials zeigt.
Zur Frage der Oberflächengestaltung im
Gebiete der baltischen Seenplatte.
Von Herrn Felix Wahn schaffe in Berlin.
Die mit der Oberflächengestaltnng des baltischen Landrückens
im engsten Zusammenhang stehende Seenfrage ist in den letzten
Jahren vielfach Gegenstand eingehender Erörterung gewesen. Die
Versuche, die Entstehung dieser Seen zu erklären, gehen fast alle
von der erodirenden Thätigkeit des Wassers aus und knüpfen
meist an die Abschmelzperiode des Inlandeises an. Zu-
erst hat G. Berendt diesen Weg1) beschritten, indem er die
Pfuhle als Riesenkessel deutete und ferner ausführte, dass die
Seenbildung 2) der Berliner Gegend, in Uebereinstimmung mit den
ebenso hoch und höher gelegenen Gegenden Mecklenburgs und
Pommerns, stets und ausnahmslos in engster Verbindung mit der
Rinnenbildung stehe. Er sieht in den Seen jene Theile der nord-
südlichen Schmelzwasserrinnen, welche durch allmähliche Senkung,
bezw. durch Zurückbleiben bei allgemeiner Hebung des Gesammt-
plateaus in diese relativ tiefere Lage gekommen sind.
') G. Berendt, lieber Riesentöpfe und ihre allgemeine Verbreitung in Nord-
deutschland. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1880, S. 56.
2) G. Bereindt u. W. Dames, Geognostische Beschreibung der Umgegend
von BerÜD. Zur Erläuterung d. geol. Uebersichtskarte d. Umgegend von Berlin
im Maassstabe 1 : 100,000. 1880, S. 27 u. 28. 1885, S. 24 u. 26.
Felix Wahnschaffe, Zur Frage der Oberfläch engestaltung etc. 151
Klockmann1) schloss sich diesen Ansichten an, indem er
Solle, Rinnen und Seen als nur dem Grade nach unterschieden
auffasste und ihre Entstehung der Abschmelzung der zweiten
Vereisung zuschrieb. Hiervon nimmt er jedoch diejenigen Seen
aus, welche eine nordwestliche Längserstreckung besitzen und
desshalb Aon ihm mit Rücksicht auf die gleiche Erstreckung des
mecklenburgischen Landrückens für F altenseen gehalten werden,
d. h. für Wasserausfüllungen der Thäler und tiefsten Einsenkungen
der Diluvialdecke, deren Entstehung durch die orographische
Beschaffenheit des Untergrundes bedingt sei.
Nach Jentzsch 2) wirkte der abhobelnden, ausgleichenden
Thätigkeit des sich auf fester Unterlage fortschiebenden Eises
gleichzeitig die erodirende Kraft subglacial er Wasser entgegen.
Durch das wechselseitige Ineinandergreifen beider Ursachen ent-
stand angeblich jenes charakteristische vielgestaltige Relief, welches
wir als Moränenlandschaft bezeichnen und dessen integrirenden
Bestandtheil die Seen bilden. Die subglacialen Schmelzwasser
vermochten, wenn das Eis bis auf den Wasserspiegel herabreichte,
nach dem Princip des Fliessens in geschlossenen Röhren unter
mehr oder minder hohem Druck streckenweise »bergauf« zu laufen,
konnten demnach auch Sand und Schlamm, selbst grössere Ge-
schiebe »bergauf« transportiren und Wannen aushöhlen, die uns
als Seen erscheinen. Diese Ansicht ist jedoch von Jentzsch3)
neuerdings wieder wesentlich modificirt worden, sodass er jetzt Seen
und Seenthäler auf tektonische Linien zurückführt, die einer Erosion
h F. Klockmann, Die geognostischen Verhältnisse der Gegend von Schwerin.
(Archiv d. Vereins der Freunde der Naturgesch. in Mecklenburg, Heft XXXVI,
1883, S. 22 — 25.) — Die südliche Verbreitungsgrenze des ' oberen Geschiebe-
mergels und deren Beziehung zu dem Vorkommen der Seen und des Lösses in
Norddeutschland. Jahrb. d. Kgl. Pr. geol. Landesanstalt für 1883. Berlin 1884,
S. 256.
2) A. Jentzsch, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1884, S. 699 — 702. — Das
Profil der Eisenbahn Konitz-Tuchel-Laskowitz (Jahrb. d. Kgl. Preuss. geol. Landes-
anstalt für 1883. Berlin 1884, S. 563 — 564). — Beiträge zum Ausbau d. Glacial-
hypothese (ibid. für 1884. Berlin 1885, S. 519).
3) A. Jentzsch, Ueber die neueren Fortschritte der Geologie Westpreussens.
Schriften d. naturforsch. Gesellsch. zu Danzig. N. F. Bd. VII, Heft 1 , 18S8,
S. 23- 25.
152
Felix Wahnschapfe, Zur Frage der Oberfläcliengestalturig
unterworfen waren. Früher sah auch er in den Seen einen Ueber-
gang zwischen Pfuhlen und Rinnen.
Am ausführlichsten ist dieser Gegenstand bisher von F. E.
Geinitz1) behandelt worden, welcher die Entstehung der Haupt-
masse der Seen, sowie der Teiche, Sümpfe, Torfmoore, Kessel
und Solle Mecklenburgs auf die postglaciale Abschmelz-
periode zurückführt. Das durch das Abschmelzen des Diluvial-
gletschers in ungeheuren Massen gelieferte Wasser soll bei seiner
Bewegung und seinem Abfluss in sehr kurzer Zeit die Bodenum-
formungen im norddeutschen Diluvialgebiete verursacht haben.
Diese verhältnissmässig plötzlichen Erosions- und Denudations-
wirkungen machten sich im Gebiete der Seenplatte nicht durch
horizontal strömende Gewässer, sondern hauptsächlich durch ver-
tikal wirkende Stromschnellen und Wasserfälle geltend,
deren erodirende Thätigkeit Geinitz mit dem Namen »Evorsion«
belegt hat.
Penck 2) wollte die gesammte Oberflächengestaltung des
preussisch-pommerschen Landrückens als Ausdruck receuter Ver-
änderungen in den Gefällsverhältnissen der Flüsse ansehen, welche
am Schluss der Eiszeit dem nördlich von der Seenplatte gelegenen
Eisrande zuströmten, bei dem gänzlichen Verschwinden desselben
aber in Folge der dadurch bewirkten Veränderung der Geoid-
fläche in ihren völlig ausser Betrieb ersetzten Thälern zu Seen
wurden. Er hat jedoch in seinem neuesten Werke 3) diese Hypo-
these zu Gunsten der GEiNiTz’schen Ansicht aufgegeben.
Da die geologische Kartirung eines Theiles der uckermär-
kischen Seenplatte mir die Ueberzeugung verschafft hat, dass die
Entstehung der Dberflächenformen nicht einzig und allein auf die
erodirende Wirkung der postglacialen Abschmelzwässer zurück-
b F. E. Geinitz, Ueber die Entstehung der mecklenburgischen Seen. (Archiv
des Vereins der Freunde d. Naturgeschichte Mecklenburgs.) — Die Seen, Moore
und Flussläufe Mecklenburgs. Güstrow 1S86.
2) A. Pencic, Ueber Periodicität der Thalbildung. (Verhandl. d. Ges. für
Erdkunde. Berlin 1884, S. 1 9.)
3) A. Penck, Das deutsche Reich, S. 508 — 509. (Unser Wissen von der
Erde. Länderkunde des Erdtheils Europa. I. Theil. Erste Hälfte. Herausgeg.
von A. Kirchhofe.)
im Gebiete der baltischen Seenplatte.
153
geführt werden darf, so werde ich im Nachstehenden die Resultate
meiner Untersuchungen über diesen Gegenstand mittheilen.
Die westlich von Prenzlan gelegene Gegend von Boitzenburg
O O o o
in der Uckermark stellt durch ihren eigen thiimlichen Landschafts-
charakter einen Typus für die Oberflächengestalt der baltischen
Seenplatte dar. Bezeichnend für dieses Gebiet ist einmal eine
bedeutende Erhebung über den Ostseespiegel, welche hier im
Durchschnitt 80 — 90 Meter beträgt, in einzelnen Punkten jedoch
Höhen von 120 Meter erreicht; ferner eine ausgedehnte Ober-
flächenverbreitung des Geschiebemergels, sowie ein
rascher Wechsel der Höhenunterschiede innerhalb der
Diluvialhochfläche, hervorgerufen durch das Auftreten zahlreicher
Solle oder Pfuhle und grösserer Bodeneinsenkungen.
O O
Hierzu kommt als wesentliches Merkmal das Vorhandensein vieler,
theils grösserer, theils kleinerer Seen, welche entweder durch
Rinnen mit einander in Verbindung stehen oder auch als abfluss-
lose Becken in die Hochfläche eingesenkt sind. Endlich erhält
dieses Gebiet durch das Auftreten scharf markirter G e schieb e-
wälle ein ganz besonderes Interesse. Alb die angeführten Er-
scheinungen verleihen der Gegend den typischen Charakter einer
Moränenlandschaft von grösster Mannigfaltigkeit der Formen,
wie sie uns Desor, Zittel und Andere so trefflich geschildert haben.
Die eigenthümliche Oberflächengestalt der Uckermark erregte
bereits im vorigen Jahrhundert die Aufmerksamkeit Silber-
SCHLAG’s x), welcher die Pfuhle und Kessel für Kratere hielt, aus
denen Sand und Feldsteine hervorgeschleudert worden seien. Er
schreibt darüber folgendes :
»Von Boitzenburg aus mochte ich hingehen und hinschauen,
wohio ich wollte, lauter Kraters mit Heerlagern von Steinen um-
ringet und endlich fand gar, dass die ganze Uckermark aus lauter
Kratern bestehe. Da erblickt man Reviere von ganzen Meilen
im Umfange, wo Kraters in Menge anzutreffen sind.«
Die ganze Gegend von Boitzenburg zeigt allerdings innerhalb
der aus Geschiebemergel gebildeten Hochfläche einen Reichthum
') J.E. Silbers ch lag, Geogenie oder Erklärung der mosaischen Erderschaffung
nach physikalischen und mathematischen Grundsätzen. Berlin 1780. Erster
Theil. S. 10.
154
Felix Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung
an cisternenartigen Pfuhlen und mehr noch an unresrel-
massig gestalteten Bo den de pressionen, der geradezu er-
staunlich ist. In den meisten Fällen sind die letzteren hier nicht
in eine gleichmässig ebene Platte eingesenkt, sodass man ihr Vor-
handensein erst wahrnimmt , wenn man unmittelbar an dieselben
herantritt, vielmehr ist der grösste Theil der Hochfläche derartig
wellig und kuppig modellirt, dass derselbe ganz den Eindruck
eines wogenden Meeres macht. Dies hat Silberschlag auf
einer dem erwähnten Buche beigegebenen Tafel nicht richtig zur
Darstellung gebracht. Er umgiebt seine »Krater« mit ringförmigen
Wällen, welche einer ebenen Fläche aufgesetzt sind, während in
Wirklichkeit die grosse Mehrzahl der uckermärkischen Pfuhle jene
zahllosen Bodeneinsenkungen zwischen den eng zusammentretenden,
regellos angeordneten kurzen Bodenwellen und isolirten Kuppen
der Hochfläche darstellen. Sie sind zum Theil mit Wasser, am
häufigsten jedoch mit Torfablagerungen von meist über 2 Meter
Mächtigkeit erfüllt und haben dort, wo mehrere solcher mulden-
und wannenförmigen Depressionen mit einander verschmelzen,
sehr unregelmässige und verzerrte Formen.
Obwohl der bedeutende Einfluss der postglacialen Schmelz-
wasser des Eises auf die Oberflächengestaltung der Seenplatte
keineswegs in Abrede gestellt werden soll, so ist hier doch noch
ein anderer Umstand in Betracht zu ziehen, von welchem das
Relief der Geschiebemergelplateaus in hervorragender Weise ab-
hängig ist, nämlich die mannigfach gegliederte Oberfläche der
diluvialen Basis des Geschiebemergels 1).
fl Die Streichungsrichtung des baltischen Höhenrückens wird in ihren Haupt-
zügen durch den älteren Flötzgebirgskern bedingt sein, dagegen sind die Einzelheiten
der Oberflächenformen im Grossen und Ganzen davon unabhängig. Es ist allerdings
nicht unwahrscheinlich, dass die orographische Beschaffenheit des tieferen Unter-
grundes, wie Klockmann annimmt, für das Vorkommen einzelner Seen maassgebend
gewesen ist. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einen Irrthum von E. Geinitz
(Die mecklenburgischen Höhenrücken [Geschiebestreifen] und ihre Beziehungen zur
Eiszeit , 'S. 65 Anmerk. 4) in Betreff meiner Auffassung über die Entstehung
des baltischen Landrückens berichtigen. Geinitz führt mich als Vertreter der
BEEENDx’schen Ansicht an, dass der Rand des zurückweichenden abschmelzenden
Landeises den Landrücken wallartig emporgepresst habe. Ich habe jedoch in
meiner Arbeit: Ueber einige glaciale Druckerscheinungen im norddeutschen
Diluvium, S. 579 die BERENDi’sche Auffassung nur citirt, im Uebrigen jedoch
im Gebiete der baltischen Seenplatte.
155
Die Begründung dieser Annahme führt uns zu der Betrach-
tung der Seen, welche durch ihr Verbältniss zu den sie um-
gebenden Ablagerungen Anhaltspunkte für ihre Entstehung geben.
Der in ausgedehnten Flächen auftretende Geschiebemergel hat
nach den vorhandenen Aufschlüssen und Bohrungen zu urtheilen
eine durchschnittliche Mächtigkeit von 3 — 5 Meter. Das Liegende
bildet überall ein meist grandig ausgebildeter geschichteter Diluvial-
sand, dessen Oberfläche sehr unregelmässig gestaltet sein muss,
da er zuweilen in hohen Kuppen den Geschiebemergel durchragt.
Da sich nun der letztere von 120 Meter Meereshöhe auf der Hoch-
fläche ohne Unterbrechung bis zu 70 Meter an die Bänder der
Seen hinabzieht, so deutet dies darauf hin, dass er sich bereits
vorhandenen Vertiefungen bei seiner Ablagerung angeschmiegt
hat. Wären alle die Seen, welche Geinitz als »Evorsionsseen« zu-
sammenfasst, einzig und allein durch die vertikale Erosion der
Abschmelzwasser entstanden, so würde bei der verhältnissmässig
geringen Mächtigkeit des Geschiebemergels die Denudation des-
selben eine so vollständige gewesen sein, dass der darunter liegende
Diluvialsand überall an den Seerändern zu Tage treten müsste.
Wo das Letztere der Fall ist, wie z. B. am Haus-See und
schmalen Lucin-See bei Feldberg haben wir es allerdings mit
einer am Ende der Eiszeit stattgehabten Erosion der Schmelz-
wasser zu thun.
Unter den Seen des Blattes Boitzenburg ist eine langgestreckte
gewundene Form nicht selten, woraus mir hervorzugehen scheint,
dass dieselben als die zum Theil erhaltenen Reste alter Rinnen
anzusehen sind, welche in dem mit Grand und Sand beschütteten
Vorlande des vorrückenden Landeises als Wasserläufe glacialen
Alters vorhanden waren. Hierher rechne ich vor allen Dingen
den Haus- See bei Hardenbeck, der eine ostwestliche Längs-
erstreckung besitzt und sich aus einem tief nach Süd und einem
flach nach Nord gewölbten Bogen zusammensetzt. Die den Ge-
diejenigen Störungen des Untergrundes, welche ich durch Glacialdruck erkläre,
auf das vorr iick ende Inlandeis zurückgeführt, da ich der Ansicht bin, dass
dasselbe in Folge seiner grösseren Mächtigkeit und seines steileren Randes weit
eher dazu befähigt war, als das abschmelzende. Auf die Entstehung des bal-
tischen Landrückens bin ich damals überhaupt nicht eingegangen.
156
Felix Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung
schiebemergel unterlagernden grandigen und gerölleführenden
Sande sind die Absätze der dem Inlandeise entströmenden Gletscher-
flüsse, welche, wie dies von Keilhack x) bei den isländischen
»Sandr« beschrieben wurde, wegen der wechselnden Menge des
Schmelzwassers und wegen ihrer grossen aufschüttenden Thätig-
keit immerfort bestrebt sind, ihre Betten zu verlegen, sodass durch
tief eingeschnittene Rinnen und beträchtliche Aufschüttungen die
Landschaft einen hügeligen Charakter erhält. Dieses Hügelland
überschritt das Eis, indem es seine Grundmoräne den Ober-
flächenformen anpasste, die Rinnen zum Theil durch Erosion ver-
tiefte oder auch in anderen Fällen durch Zuschüttung zum Ver-
schwinden brachte. Dass die vorrückenden Eismassen einen be-
deutenden Druck auszuüben vermochten, zeigt sehr deutlich eine
nördlich von Boitzenburg gelegene Grandgrube, deren östliche Wand
ganz aus Geschiebemergel besteht, während die Sohle der Grube den
unterlagernden Sand erkennen lässt und die Westwand ebenfalls
durchweg aus demselben gebildet wird. Diese Lagerung lässt
sich nur durch eine starke Aufpressung der Sandschichten erklären,
welche sich auch dadurch zu erkennen giebt, dass der Geschiebe-
mergel keilförmig in den Sand hineinragt.
Andere Seen der Boitzenburger Gegend haben eine mehr
oder weniger ovale Gestalt und sind entweder ganz abflusslos,
wie der Haus- See bei Wichmannsdorf, oder werden durch theils
breitere, theils schmalere Rinnen mit anderen verbunden. Dass
diese Rinnen jünger sein können als die Seebecken, ist schon
früher von mir* 2) hervorgehoben worden; sie gehören zum Theil
der Absclunelzperiode an und wurden in diesem Falle durch
Schmelzwasser verursacht, welche den schon vorhandenen Boden-
einsenkungen folgten. Dadurch wurde auch wahrscheinlich das
lokale Hervortreten unterdiluvialer Sande an den Rändern sonst
ganz im Geschiebemergel liegender Seen veranlasst.
x) K. Keilhack, Vergleichende Beobachtungen an isländischen Gletscher- und
norddeutschen Diluvial- Ablagerungen. (Jahrb. d. Kgl. Pr. geolog. Landesanstalt
für 1883. Berlin 1884, S. 164.)
2) F. Wahnschaffe, Ueber einige glaciale Druck erscheinungen im nord-
deutschen Diluvium. (Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1882, S. 600 und 601.)
im -Gebiete der baltischen Seenplatte. 157
Tiefenlothungen einiger Seen auf Blatt Boitzenburg.
Maassstab 1 : 25000.
158
Felix Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltung
Was die Tiefe der Seen anlangt, so habe ich einige Lotlmngen
ausgeführt, deren Resultate die beigefügte Abbildung S. 1 57 enthält.
Die nachgenannten Seen zeigten folgende Maximal-Tiefen:
Haus -See südlich von Hardenbeck 22 Meter
Schumellen- See 15,5 »
Haus -See bei Wichmannsdorf 23 »
Kleiner Suckow -See 3 »
Mittlerer Suckow -See 8 »
Grosser Suckow -See 8 »
Kuhzer See a) 10 »
Trebow-See x) 5,5 »
Grosser Warthe-See1) 32 »
Kleiner Warthe -See x) 3,8 »
Dass diese Seen nicht ausgestrudelte, lochartige Vertiefungen
darstellen, zeigt am besten ein Profil durch eins der tieferen See-
becken.
Profil durch den Haus-See bei Wichmannsdorf.
90 m. 90m
w: " “ o.
Maassstab = 1 : 12 500. Höhe : Länge =1:1.
Der Haus -See bei Wichmannsdorf, durch welchen dasselbe
gelegt ist, besitzt keineswegs vom Rande aus nach dem tiefsten
Punkte zu steil-abgeböschte Kesselwände, sondern erscheint, im
gleichen Längen- und Höhen verhältniss dargestellt, als eine ganz
flache Mulde. Als solche würden auch zum grossen Theil die
von Geinitz gegebenen Seeprofile erscheinen, wenn nicht ihr
Höhenmaass zehnfach übertrieben worden wäre.
Dieselben Oberflächenverhältnisse, wie sie die Uckermark
zeigt, sind auch durch H. Schröder 2) vom masurischen Höhen-
0 Diese Lothungen wurden auf meine Veranlassung von Herrn Culturtechniker
Töllnek ausgefiihrt. — Der Grosse und Kleine Warthe- See liegen in einem Sand-
gebiete.
2) H. Schröder, Jahrb. d. Kgl. Pr. geol. Landesanstalt für das Jahr 1885.
Berlin 1886, S. xciv.
im Gebiete der baltischen Seenplatte.
159
rücken geschildert. Er schreibt in einer Mittheilung über die
Aufnahme des südlichen Theiles der Section Krekollen und der
Sectiou Siegfriedswalde in Ostpreussen: »Die »Durchragung« ist
die über das Bereich der genannten Sectionen hinaus charakte-
ristische Lagerungsform. Sie bedingt wesentlich das eigentüm-
lich zerrissene Bild der »Moränenlandschaft«, die nicht durch
Erosion einer gleichmässig ebenen Geschiebemergelfläche nach
Ablagerung derselben entstanden ist, sondern zum grossen Theil
schon durch die Oberkante der unterdiluvialen Sande und Grande
angedeutet wird. Die ungleichmässige Anhäufung der durch die
Gletscherwässer abgelagerten Sande und die gleichzeitig wirkende
Erosion sind die primären Ursachen für die Entstehung von
Höhendifferenzen , welche die Veranlassung zu Durchragungen
gaben; die darüber gleitende Moräne hat nur die specielle Aus-
führung der schon in allgemeinen Grundzügen gegebenen Ge-
staltung des Terrains übernommen, namentlich insofern, als ihr
Eigengewicht und das der ehemals über ihr ruhenden Eismassen
durch Druck und Schub die Oberfläche noch complicirter ge-
staltete, als sie ohnehin schon war.«
Vom Zainsee auf Blatt Bössel t h eilt derselbe Autor *) mit,
dass die jetzige Senke desselben in grossen Zügen unterdiluvial
vorgebildet sei, dass sie dann nach Ablagerung des Oberen Ge-
schiebemergels stark erodirt und durch alluviale Thonmergel zum
grossen Theil wieder ausgefüllt wurde. Auch berichtet er über
Aufpressungen von Diluvialschichten.
Es liegt mir fern, die Bildung der Seen einseitig beurtheilen
zu wollen; alle diejenigen, welche Abschnittsprofile an ihren Steil-
rändern zeigen, werden den postglacialen Abschmelzwassern ihre
Entstehung verdanken oder durch dieselben vertieft und erweitert
sein. Es kommen sicher auch »Evorsionsseen« im Sinne von
Geinitz vor. Viele Seen dagegen der näheren Umgebung von
Boitzenburg, wie der Mellen-See, Krewitzer See, Haus-See süd-
lich von Hardenbeck, Schumellen-, Krienkow-, Suckow-See, der
Haus -See bei Wichmannsdorf, Trebow- und Kuhzer See, sowie
*) Jahrb. d. Kgl. Pr. geol. Landesanstalt für 1886. Berlin 1887, S. xc.
160
Felix Wahn'schafpe, Zur Frage der Oberflächengestaltnng
der Fürstenauer See und Wootzen-See bei Fürstenhagen zeigen
jenes Hinabgehen des Geschiebemergels bis an ihre Ränder und
deuten dadurch an, dass die erste Anlage zu ihrer Entstehung
älter ist als der Geschiebemergel. Sie können demnach nicht zu
den »Evorsions-Seen« gerechnet werden, welche nach Geinitz als
Kessel-Seen sehr verschiedener Grösse die Hauptmasse der
mecklenburgischen Seen ausmachen sollen. Nach ihm kommen
in Mecklenburg ausser den Evorsionsseen noch einige Senkungs-
und Stau- (Fluss-) Seen vor, dagegen sollen Moränen - Seen , bei
welchen er allerdings nur au solche denkt, die durch Endmoränen-
absperrung entstanden sind, hier nicht nachweisbar sein. Auch
Penck *) sagt von den Seen der Seenplatte, dass sie nicht als
Moränen -Seen gelten könnten, »denn anstatt sich zwischen die
einzelnen Endmoränen zu drängen, zerschneiden sie dieselben;
anstatt sich von Ost nach West zu erstrecken, besitzen sie eine
deutlich ausgesprochene Nord -Süd -Richtung«. Trotzdem können
wir einen, wie ich glaube, nicht unbeträchtlichen Theil der Seen
des baltischen Landrückens als echte Moränen-Seen bezeichnen.
Durch die unregelmässige Lagerungsform der unter-
diluvialen Sande und Grande und die darüber gebreitete
Grundmoräne, welche den Höhen undTiefen folgte und
das vielgestaltige Relief noch mannigfach beeinflusst
hat, wurde eine für die Ansammlung- grosser Wasser-
massen günstige Oberflächengestalt dargeboten und so
Veranlassung zur Bildung zahlreicher Seen gegeben.
Viele mit Torf erfüllte Einsenkungen, welche die tieferen Tlieile
der Geschiebemergelhochfläche einnehmen, sind ursprüngliche De-
pressionen der Grundmoräne und als solche kleine erloschene
Moränen-Seen oder -Weiher.
Lüddecke * 2) hat bereits bei der Aufzählung der Gebiete,
welche eine auffallende Seen -Häufung im Verein mit Moränen-
landschaft zeigen, den östlichen Theil der norddeutschen Niederung
erwähnt und damit ihre Seen den Moränen-Seen zugerechnet. Er
') A. Penck, Ueber Periodieität der Thalbildung.
2) R. Lüddecke, Ueber Moränenseen. Halle 1881, S. 12 u. 41.
im Gebiete der baltischen Seenplatte.
161
hielt jedoch eine endgültige Erklärung ihrer Entstehung noch
nicht für möglich, während er hei dem Eingehen auf die lokalen
Verhältnisse der lombardischen Tiefebene, der schweizerischen Ebene
und der schwäbisch-bayerischen Hochebene zeigte, dass in diesen
Gebieten die Endmoränen auf das Vorkommen und die Verthei-
lu 112: der Moränen-Seen von wesentlichem Einfluss gewesen sind.
Die Endmoränen-Seen der ober-bayerischen Hochebene sind auch
kürzlich von Geistbeck 1) in ihrem Verhältnis zu den concen-
trisch geordneten Moränenzügen eingehend geschildert worden.
Die von mir beschriebenen uckermärkischen Seen dagegen ge-
hören einer Grundmoränenlandschaft an und müssen daher als
Grundmoränen- Seen unterschieden werden.
Die von Dames 2) geäusserte Ansicht, dass sich ein Theil
der Schmelzwasser in Bodenvertiefungen ansammelte und nach
dem gänzlichen Verschwinden des Eises als Seen zurückgeblieben
ist, trifft auf die von mir geschilderten Seen zu. Für die Ver-
muthung von Koenen’s 3), der auch ganz kürzlich Jentzscii4)
beigetreten ist und nach welcher die Bildung der heutigen nord-
deutschen Elussläufe und Seen mit Rücksicht auf die vorherr-
schende Nordwest- und Südnord -Richtung in ursächlichen Zu-
sammenhang mit postglacialen Dislokationen und Einstürzen
zu bringen sei, habe ich bisher bei den von mir näher untersuchten
Seen keine Anhaltspunkte in den Lagerungsverhältnissen gefunden.
Der Charakter der Moränenlandschaft wird noch vervoll-
ständigt durch das Vorkommen einer Endmoräne und der mit
ihr im engsten Zusammenhänge auftretenden Ablagerungen.
O O OO
') A. Geistbeck, Die Seen der deutschen Alpen. (Mittheilungen d. Vereins
für Erdkunde zu Leipzig 1884.)
2) W. Dames, Die Glacialbildungen der norddeutschen Tiefebene. (Samm-
lung gemeinverständlicher Vortrage, herausgeg. v. Vikchow u. Fr. von Holtzen-
dorff, Heft 479, S. 39.)
3) A. von Koenen , Ueber das Verhalten von Dislokationen im nordwest-
lichen Deutschland. (Jahrb. d. Kgl. Pr. geol. Landesanstalt für 1885. Berlin
1886, S. 83.)
4) A. Jentzsch, Ueber die neueren Fortschritte der Geologie Westpreussens.
(Schriften d. naturf. Ges. zu Danzig. N. F. Bd. VII, Heft 1. 1888. S. 23
und 24.)
Jahrbuch 1887.
11
162
Felix Wahnschaffe, Zur Frage der Oberflächengestaltun:
Ganz entsprechend dem Joachimsthaler Geschiebewall tritt in den
östlichen Theil des Blattes Boitzenbnrg eine schmale, wall-
artige, 4 — 5 Meter betragende Erhebung ein, deren weitere
Fortsetzung auf den Nachbarblättern bereits festgestellt ist; jedoch
ist die Kartirung noch nicht soweit fortgeschritten, um den näheren
Verlauf angeben zu können. Auf Blatt Boitzenburg hat dieser Ge-
schiebewall ein südost- nordwestliches Streichen. Er besteht aus
einer Packung von theilweis grossen Blöcken, von denen mehrere
einen Durchmesser von einem Meter und darüber besitzen. Sein
Zusammenhang ist kein völlig lückenloser. Zuerst wird er von der
tiefen Rinne im Boitzenburger Thiergarten unterbrochen, setzt
sich jedoch noch in einigen kleineren Kuppen jenseit derselben
fort. Hier fand sich ein graues Granitgeschiebe von bedeutendem
Umfange, dessen über der Erde befindlicher Theil 5,6 Meter Länge,
4,3 Meter Breite und 2 Meter Höhe besitzt. Nordwestlich von
diesen Kuppen ist der Geschiebewall auf eine grössere Erstreckung
unterbrochen, findet sich jedoch in der Zerweliner Haide wieder,
woselbst er in mehrere parallele schmale Hügelrücken aufgelöst
ist. Grosse Blöcke treten überall auf der Spitze oder am Ab-
hange dieser Kämme hervor. Ein auf der Grenze zwischen
Jagen 3 und 4 auf dem Kamme liegendes Geschiebe von rothem,
grobflaserigen Gneiss war 2,5 Meter breit, 2,3 Meter lang und
ragte 1,3 Meter aus der Erde hervor.
Die Blöcke sind namentlich in der Zerweliner Haide vielfach
mit Moos überkleidet und geben der Gegend oft ganz und gar den
Charakter einer Granitregion, in welcher das anstehende Gestein
wollsackähnliche Verwitterungsformen zeigt. Schon Silberschlag
hat die Steinpackung der Wälle, die er, da sie zuweilen pfuhlartige
Vertiefungen einschliessen, für Ringwälle von Kratern hielt, richtig
beobachtet und in einem Profil der Gegend von Naugarten zur
Darstellung gebracht. In der Umgebung des Geschieh ewalies treten
kuppige Karnes -artige Grandhügel als Umrandung desselben auf,
welche in einem Aufschlüsse deutliche Schichtung zeigten und als
das durch die Schmelzwasser ausgespülte und zu Kegeln aufge-
schüttete Endmoränenmaterial anzusehen sein dürften. Hieran
schliesst sich eine breite Zone grundiger geröllführender Sande.
im Gebiete der baltischen Seenplatte.
163
Als Abflussrinne der bei ihrem Absatz thätigen Schmelzwasser
ist die mit Sand und Grand erfüllte Einsenkung: anzusehen,
welche sich in nordost-südwestlicher Richtung von der Sandzone
bei Zerwelin abzweigt und in einem Bogen westlich von Harden-
beclc in das Becken des Haus -Sees einmündet. Dass wir es bei
dem Geschiebewall mit einer Endmoräne zu thun haben, welche
gebildet wurde, als das Eis in jener Gegend längere Zeit stationär
war, können wir mit Sicherheit annehmen, besonders da das Vor-
kommen im Zusammenhänge mit den von Berendt untersuchten
endmoränenartigen Wällen der Liepe- Joachimsthaler Gegend zu
stehen scheint. Diese Wälle unterscheiden sich deutlich von den ge-
©
schiebereichen Partieen des Geschiebemergels, die auch in der
Boitzenburger Gegend mehrfach Vorkommen, und sind daher nicht
als GEiNiTz’sche »Geschiebestreifen« aufzufassen. Wir haben in der
Boitzenburger Gegend eine Grund- und eine Endmoränenlandschaft
als neben einander vorkommende getrennte Typen; die erstere ist
durch die stark wellige Geschiebemergeldecke und zahlreiche
Pfuhle und Seen, die zweite durch scharf markirte Geschiebewälle,
Grandkuppen und Grandflächen cliarakterisirt.
Auf das Alter des Geschiebewalles und sein Verhältniss zum
Geschiebemergel will ich hier noch nicht näher eingehen, da es
dazu noch weiterer Forschungen in jener Gegend bedarf. Ich
bemerke jedoch, wie ich dies auch in den Mittheilungen über die
Aufnahmen im uckermärkischen Arbeitsgebiete ausgesprochen habe,
dass ich der Ansicht zuneige, die Bildung des Geschiebemergels
und des Geschiebewalles in die Periode der zweiten Vereisung
zu verlegen. Die Frage konnte vorläufig ausser Acht gelassen
werden, da es sich in obigen Ausführungen darum handelte, die
verschiedenen geologischen Factoren festzustellen, welche die Ober-
flächengestaltung der baltischen Seenplatte beeinflusst haben.
11
Pseudoseptale Bildungen in den Kammern
fossiler Ceplialopoden.
Von Herrn Henry Schröder in Berlin.
(Hierzu Tafel VI — VIII.)
Secundäre Pseudosepta, d. h. zwischen den normalen Kamraer-
scheidewänden befindliche septenähnliclie Membranen und damit
zusammenhängende Erscheinungen, sind unter allerdings sehr
verschiedenartiger Benennung und Deutung von Woodward j),
Barrande * 2), Dewitz 3), Holm4) und Anderen mehrfach bei Ortho-
ceren und auch theilweise gewundenen Nautiliden beschrieben.
Faltungen derselben hat zuerst Barrande und alsdann unter dem
Terminus »Längswände« Mascke 5) bei Lituites lituus Monte, und
Orthoceras cf. dimidiatum angegeben, später wies sie dann Dewitz 6)
an seinem Orth. Berendti nach. Beide letztere Autoren haben jedoch
die tiefere Bedeutung; dieser Erscheinung; nicht näher untersucht oder
wenigstens nichts Genaueres darüber veröffentlicht. Noetling 7)
beschrieb dann die »Verticallamellen« bei Lit. lituus näher, ohne sich
auf eine Deutung einzulassen , und Holm 8) brachte eine ähnliche
b Quart. Journ. geol. Soc. XII, 1856 p. 378.
2) Syst. sil. du ceutre de la Boli. II, 4, p. 264 sqcp
3) Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Halle III, 3, 1878, S. 295 u. Zeitschr. d.
Deutsch, geol. Ges. xxxii, 1880, S. 386.
4) Palaeontol. Abhandl. kerausgegeb. von Dames und Rayser III, 1, S. 17 ff.
5) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. xxvm, 1876, S. 51.
6) Ibid. xxxii, 1880, S. 389.
7) Ibid. xxxiv, 1882, S. 184.
8) 1. c. S. 22.
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen etc.
165
Erscheinung unter der Bezeichnung » Pseudoseptalfalten « bei
Lituiten aus der Gruppe des Ancistroceras undulatum Boll zu
unserer Kenntniss. Das Auftreten der V erticallamellen auf den Stein-
kernen von Orth. Berendti wird von Noetling und Holm als eine
ähnliche Erscheinung kurz berührt, aber nicht näher in Erwägung
gezogen. Diese Lücke auszufüllen war ursprünglich der Zweck
vorliegenden Aufsatzes; um jedoch für eine Deutung eine möglichst
breite Basis zu schaffen und um allgemeinere Gesichtspunkte zu
gewinnen, stellte sich die Notwendigkeit heraus, die in der
Literatur beschriebenen Erscheinungen einer nochmaligen Betrach-
tung resp. Untersuchung zu unterwerfen.
Das mir zu diesem Zwecke zu Gebote stehende Material sind
grösstentheils ost- und westpreussisehe Geschiebe, die mir durch
die Güte der Herren Proff. Drr. Liebiscii und Branuo und des
Herrn Dr. Jentzscii zur Bearbeitung überlassen wurden, wofür
ich meinen verbindlichsten Dank auszudrücken, an dieser Stelle
mir erlaube. Aus der alten KLÖDEN’schen , in dem Besitz des
Preussischen geologischen Landesmuseums befindlichen Sammlung
liegen mit dem Eticpiette »Tempelhof« einige Sternkerne vor,
welche die für die Gruppe des Orth. Berendti charakteristische
Verticalfurche tragen, im Uebrigen aber sehr abgerieben und
schlecht erhalten sind. Einige neuere Funde von Lituiten mit
den genannten Eigentümlichkeiten , welche auch dem Landes-
museum angehören, sind ebenfalls benutzt.
Herr Dr. Beusiiausen, dem ich meine Beobachtungen an
Orth. Berendti mittheilte , machte mich darauf aufmerksam , dass
ähnliche Erscheinungen an Orthoceren des Spiriferensandsteins be-
schrieben, aber bisher nicht gedeutet sind. Das hierher gehörige,
in der geologischen Landesanstalt und dem Universitätsmuseum
vorhandene Material, welch’ letzteres mir von Herrn Prof. Dames
bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurde, habe ich gleichfalls
verwerten können.
Aus den über die Bildung der Pseudosepta gemachten Beob-
achtungen schien mir der Schluss hervorzugehen, dass die von
Barrande beschriebene »Troncature normale ou periodique de
la coquille« in die gleiche Reihe der Erscheinungen gehöre. Um
166
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungei
nicht auf Barrande’s Beschreibungen und Abbildungen allein
angewiesen zu sein, wandte ich mich durch die gütige Vermittlung
von Herrn Geheimrath Hauchecorne an Herrn Prof. 0. Noväk
in Prag mit der Bitte, mir die BARRANDE’schen Originale zur An-
sicht zu senden. Meiner Bitte wurde mit grosser Liberalität gewill-
fahrt und fühle ich mich genanntem Plerrn zu ausserordentlichem
Danke verpflichtet.
A. Beobachtungen über Pseudosepta.
Lituites litnns Montf. , Lituites (Ancistroceras) undulatus Boll.,
Lit. (Aucistr.) Torelli Remele, Lit. (Ancistr.) Bolli Rem., Orthoceras
(Rhynchoceras) Damesi Dewitz, Orth. (Rhynchoc.) tenuistriatum
Rem., Orth, coiiicum His.
Obwohl das mir vorliegende Material eine namhafte Erwei-
terung des von meinen Vorgängern thatsächlich Beobachteten nicht
ermöglicht, halte ich es dennoch, schon um die angewandte Nomen-
clatur zu erläutern, für angemessen, mit den in der Ueberschrift
genannten Formen zu beginnen, sehe jedoch von jeder speciellen
Beschreibung ab und verweise deshalb auf die Ausführungen
Dewitz’1), Noetling’s 2) und IIolm’s 3). Bei einem Vergleich
meiner Darstellung mit den genannten Autoren wird man auf
Differenzen in der Bezeichnungsweise stossen, die sich im Verlauf
des Aufsatzes erklären werden.
Secundäre Wandbildungen treten im Lumen der Luftkammer
hier in zwiefacher Weise auf.
1) Am häufigsten findet sich namentlich bei Lituites lituus
Monte, die von Mascke zuerst beobachtete, dann von Noetling
näher beschriebene Pseudoseptenbildung. Man kann hier (Taf. VIII,
Fig. 2) in jeder Luftkammer eine hintere, den Ansatzring der
Septa und der concaven Fläche des hinteren Septums (sp) von
') Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Halle III, 3, 1878, S. 295 und Zeitsebr. d.
Deutsch, geol. Ges. xxxu, 1880, S. 386.
2) 1. c. S. 184.
3) 1. c. S. 17,
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
167
einer vorderen, der convexen Fläche des vorderen Septums (sa)
auflagernde Kalkspathlamelle unterscheiden; die erstere bezeichne
ich als die hintere (xtc), welche eigentlich aus einem ring-
förmigen und einem horizontalen Theil besteht, die letztere als die
vordere (xa) Horizontallamelle. Beide sind nach innen von
dem mit Gesteinsmasse ausgefüllten Lumen der Kammer durch
Membranen getrennt, die zwar in dem Anschliff als solche nicht
hervortreten, aber sich bei Exemplaren, an denen die Kalkspath-
lamellen von der Ausfüllungsmasse abgesprungen sind, als feine
erdige Häutchen deutlich abheben. Diese Membranen sind die
Pseudosepta (cnr und er«). Sie convergiren nach den vorderen
Ecken jeder Luftkammer und spitzen sich dort zwischen den an
einander tretenden Horizontallamellen aus. Auf der Siphonalseite,
bei Lit. lituus genau in der Mediane, sind diese Membranen in
einer schmalen, radiären Zone unterbrochen, von welcher aus
sie sich, die hintere nach vorne und innen, die vordere nach
hinten zu einer parallelwandigen Falte bis zum Sipho einstülpen
und denselben, soweit er häutig war, zangenartig, soweit er
verkalkt war , ringförmig umgeben. Dadurch , dass der Raum
zwischen den eingestülpten Membranen durch Kalkspath von
bräunlicher Farbe ausgefüllt ist, entsteht die Verticallamelle (u)1),
die die vordere und hintere Horizontallamelle mit einander ver-
bindet und von dem ringförmigen Theil der hinteren Lamelle
bis zum Sipho (allerdings nur auf der Siphonalseite) durch-
geht. Die innere Wandung jeder Kammer erscheint so mit einer
krystallinischen Schicht ausgekleidet, von der aus einseitig eine
von vorne nach hinten durchgehende Lamelle das Lumen der
Kammer bis zum Sipho durchsetzt. Hat es der Zufall gefügt,
dass die Kalkspathlamellen abgesprungen sindT so zeigt die Aus-
füllungsmasse eine runzelige und buckelige Oberfläche; ausserdem
treten mehr oder minder starke, anastomosirende, erhabene Linien
auf, die nur als die Spuren von Gefässen gedeutet werden können.
*) Man vergleiche, um sich diese Verhältnisse klar zu machen, die auf
Taf. VII, Fig. 2 u. 8 gegebenen Querschnitte von Orth. Berendti, wo die Vertical-
lamelle in ähnlicher Weise entwickelt ist, und namentlich Noetling, 1. c. Taf. XI,
Fig. 6 — 8.
168
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Auf Kosten der Gesteins-Ausfüllung werden die Kalkspathlamellen
nach hinten zu allmählich dicker, bis sie fast das ganze Lumen
der Kammer einnehmen, so dass die Gesteinsmasse ganz ver-
schwindet und beide Pseudosepten, welche die Lamellen nach
innen begrenzen, aufeinander liegen.
2) Bei der zweiten Ausbildungsweise der pseudoseptalen
Mantelausscheidungen, wie sie namentlich an den brevicouen Formen
der Untergattung Ancistroceras , aber auch an dem longiconen
Lit. lituus t) beschrieben ist, sind ebenfalls zwei pseudoseptale,
deutlich als solche beobachtbare Membranen und Kalkspathlamellen
vorhanden , die entweder direct aufeinander liegen oder durch
einen Spalt, der mit dem Lumen des Sipho in Zusammenhang zu
stehen scheint, von einander getrennt sind. Der mit Gesteinsmasse
erfüllte Spalt wird nach dem Centrum weiter und keilt sich nach aussen
zu spitz aus; je weiter nach vorne, um so weiter treten die Membranen
von einander, bis sie zuletzt in nur geringer Entfernung von den
normalen Septen der inneren Begrenzung der Kammer parallel
laufen und so wie bei der ersten Ausbildungsweise als zwei deut-
lich getrennte Pseudosepta erscheinen. Das eigentlich Abweichende
besteht bei dieser Entwicklung darin, dass, wenn beide Membranen
im Uebrigen einander berühren, auf der Siphonalseite doch eine
theilweise Spaltung stattgefunden hat. Denn von dem scheinbar
einheitlichen Pseudoseptum, welches sich von der vorderen Ecke
in circa halber Kammerhöhe ausspannt, ist die hintere Membran
nach hinten, die vordere nach vorne gefaltet; die hintere Falte
ist an die concave Fläche des hinteren normalen Septum und an
den Ansatzring desselben, die vordere an die convexe Fläche des
vorderen in einer radiären Linie angeheftet. Der Gegensatz beider
Entwicklungen besteht also darin, dass sich in ersterem Falle die
hintere pseudoseptale Membran nach vorne und die vordere nach
hinten, im zweiten Falle die hintere Membran nach hinten und
die vordere nach vorne faltet; ausserdem sind im zweiten die
Faltenmembranen nicht parallel, sondern schliessen einen Kaum
von rhomboidischem Querschnitt ein.
Holm, 1. c. Taf. Y, Fig. 3.
in den Kammern fossiler Cepbalopoden.
169
Beide Erscheinungsweisen der pseudoseptalen Faltung treten
an verschiedenen Individuen derselben Species und, wie es beob-
achtet ist, an verschiedenen Luftkammern derselben Individuen
zugleich auf, worauf ich hier noch näher eingehen muss.
Bei Lit. lituus und Torelli haben Mascke und Noetling die
V erti callamellen beobachtet und Holm erwähnt sie auch bei Lit.
(. Ancistroc .) unchilatus; alle drei Species zeigen in anderen Indi-
viduen auch die mit firstartigen Falten versehene Form der Pseudo-
septenbildung.
Holm hat offenbar auch an einem Individuum zugleich
Pseudoseptalfalten und Verticallamellen beobachtet, denn
er sagt1): »Bei einigen Exemplaren von Ancistroceras undulatum
habe ich in einigen der letzten Luftkammern, die wie oft mit
Steinmasse erfüllt sind, eine mehr oder weniger dicke, aus Kalk-
spatli bestehende, einseitige Verticallamelle beobachtet. Dieselbe
erstreckt sich die ganze Kammerhöhe vom Sipho bis zur Aussen-
wand entlang und nimmt ungefähr dieselbe Lage ein, wie die
Pseudoseptalfalte in den angrenzenden Luftkammern.«
Nach der Beschreibung der Verticallamelle des Lit. ( Ancistroc .)
Torelli fährt Noetling2) fort: »ln engem Zusammenhang mit der
krystallinischeu Auskleidungsschicht (d. li. den beiden Horizontal-
lamellen) scheint die von Dewitz zuerst (?) und bis jetzt nur (?) bei
diesem Genus beobachtete »Doppelkammerung« zu stehen. Bei
obigem Exemplar zeigen nämlich zwei mit gelblich weissem, grob-
krystallinischem Kalkspath erfüllte Kammern zwei dunklere Streifen,
welche jederseits von der oberen (nach meiner Bezeichnungsweise
vorderen) Kammerecke beginnend, in schräger Richtung nach rück-
wärts gegen die Mitte laufen, wo sie aber nicht mehr zu verfolgen
sind. In der Nähe dieser Streifen konnte ich mit Hülfe der Nadel die
Ausfüllungsmasse entfernen und hierbei ergab sich, dass die dunklen
Streifen Querschnitte einer dünnen convexen (ringförmigen?) Lamelle
(Membran?) darstellen, welche von der Seitenwand ausgehend, an-
scheinend nicht den ganzen Querschnitt überspannt, sondern in
1. c. S. 26.
2) Jabrb. d. Königl. geol. Landesanst. für 1883 S. 132.
170
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungei
der Mitte durchbrochen bleibt. An der Seitenwand verschmilzt
diese Lamelle mit der krystallinischen Auskleidungsschicht der
Kammern.« Diese Beobachtung kann ich an dem mir vorliegenden
Original bis auf den letzten Passus bestätigen; betreffs desselben
bemerke ich, dass sich die Lamelle, welche ich mit Holm pseudo-
septale Membran nenne, vielmehr wie andere Pseudosepta bis an
den äussersten Punkt der Kammerecke in vollständiger Unab-
hängigkeit von der krystallinischen Schicht verfolgen lässt. Ausser-
dem ist auf das Pseudoseptum einer der Kammern eine deutliche,
firstartige Pseudoseptalfalte nach hinten aufgesetzt; derselben ent-
spricht jedoch keine vordere Falte von gleichem Bau, denn von
beiden Seiten der hinteren Pseudoseptalfalte gehen zwei parallele
Linien senkrecht nach der vorderen normalen Kammerwand ab.
Wir haben also an diesem Exemplare von Lit. Torelli typische
Verticallamellen und deutliche HoLM’sche Pseudoseptalfalten ; in
der Kammer, welche zum grossen Theil mit Gesteinsmasse erfüllt
ist und die nur dünne Horizontallamellen besitzt, findet sich eine
Verticallamelle, in der Kammer dagegen, die fast vollständig von
den Horizontallamellen eingenommen wird, eine Pseudoseptalfalte.
Es bestätigt sich also auch hier der Satz Holm’s1): »Wenn die
Luftkammern bei Lit. lituus in dem Theile des Gehäuses, wo die
Pseudosepta und Pseudoseptalfalten vorzukommen pflegen, ganz
oder zum Theil mit Gesteinsmasse erfüllt sind, so fehlen, ganz
wie bei Ancistroceras, die Pseudosepta (in der Form, wie sie mit
der Bildung der Pseudoseptalfalten verbunden ist), und es treten
meist Verticallamellen auf.« Hieraus folgt der Schluss, dass ein
Causalnexus zwischen Pseudoseptalfalten und späthiger Ausfüllung
einerseits und zwischen Verticallamellen und dichter Ausfüllungs-
masse andrerseits existirt. Derselbe erklärt sich einfach folgender-
maassen: Die Pseudosepta mit ihren Vertical- und Horizontal-
lamellen waren, wie weiter unten ausgeführt werden wird, schon
vorhanden, als das Thier starb, die Schale auf den Meeresboden
sank und mit Schlamm erfüllt wurde, der nur durch den Siplio
in die Luftkammern eindringen konnte; das Eindringen war auch
') 1. e. S. 27.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
171
nur dann möglich, wenn der hornigkalkige Theil des Sipho durch-
brochen wurde und so eine directe Communication zwischen der
umgebenden Schlammmasse und dem Kammer-Inneren liergestellt
war. Wo nun Pseudosepta mit HoLM’schen Falten entwickelt
sind, treten dieselben meist ganz dicht aneinander und an den
Sipho heran, wesshalb gar keine oder nur wenig Schlammmasse
zwischen die pseudoseptalen Membranen eindringen konnte; wo
dagegen Verticallam eilen vorhanden sind, ist die Entfernung der
pseudoseptalen Membranen bedeutend und die Verbindung mit
dem Sipho -Lumen offener, wodurch hinreichender Kalkschlamm
Zutritt hatte.
Aus der Thatsache, dass die beiden oben beschriebenen Aus-
bildungsweisen der Pseudosepta sowohl an gleichen Species
und auch, was mehr sagen will, an demselben Individuum in
hintereinander liegenden Luftkammern auftreten, folgt unzweifel-
haft, dass sie beide nur als Modifikationen desselben Vorganges zu
betrachten sind. Jedoch darf man diese Abhängigkeit nicht so
deuten wie Holm, der sagt1): »Sie (nämlich die Verticallamellen bei
Lit. lituus ) erscheinen mir jedoch eine den Pseudoseptalfalten ent-
sprechende Bildung zu sein, da bei Zerstörung der das Pseudo-
septum bildenden Membran Ueberreste derselben zwischen den
Verwachsungslinien erhalten blieben. An und zwischen den hier
befindlichen Membranen konnte Kalkspath sich absetzen«. Der
in zahlreichen Kammern und zahlreichen Individuen in gleicher
Weise beobachtete, ununterbrochene Zusammenhang der Mem-
branen, welche die Verticallamelle einschliessen, mit den vorderen
und hinteren Pseudosepten und die scharfen Linien und Winkel
derselben, schliessen eine derartige Ableitung der Verticallamellen
aus zerbrochenen Pseudoseptalfalten vollkommen aus.
Betreffs der mikroskopischen Beschaffenheit der Pseudosepta
kann ich mich vollständig Holm1) anschliessen: »Weder die Septa
noch die Begrenzungsschichten der Pseudosepta sind an meinen
Dünnschliffen von bräunlicher organischer Substanz durchdrungen,
wie es Dewitz beschreibt, sondern ganz hell durchleuchtend.
») I. c. S. 27.
172
Henky Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Die innere, von den Begrenzungsschichten eingeschlossene Schicht
ist sehr unregelmässig Bald fehlt sie ganz, bald ist sie
unregelmässig, abwechselnd angeschwollen und wieder einge-
schnürt. Ihre Beschaffenheit ist ebenso wechselnd. Sie besteht
selten aus Kalkspath, ist vielmehr meist aus einer bräunlichen,
undurchsichtigen Kalkmasse gebildet, welche wahrscheinlich nur
von aussen eingedrungener Schlamm, mitunter vielleicht auch
von organischer Substanz durchdrungene Kalkausscheidung ist
Die Wände der Pseudoseptalfalte werden nur von einer einzigen
sehr dünnen Schicht gebildet, welche den Begrenzungsschichten
des Pseudoseptum entspricht. In ein paar Fällen habe ich den
Zusammenhang zwischen den Begrenzungsschichten und der Wand
der Pseudoseptalfalte verfolgen können«. Meine eigenen Beob-
achtungen haben mich überzeugt, dass die »innere Schicht der
Hilfskammerwand Dewitz’« nichts als anorganische Ausfüllungs-
masse ist und nichts mit den beiden »Begrenzungsschichten« der-
selben zu tlmn hat. Vielmehr sind letztere das Wesentliche und
spreche ich daher auch dort, wo beide auf einander liegen, von zwei
pseudoseptalen Membranen oder kurz von zwei Pseudosepten.
Orthoceras Berendti Dewitz.
Unsere durch Dewitz *) erlangte Kenntniss der Species Orth.
Berendti beschränkt sich nur auf einige Steinkerne, die keinen
genügenden Aufschluss über den Querschnitt, die Dickenzunahme
und den normalen Verlauf der Nahtlinien geben; ferner war die
Schale als »nur an einem Stück auf einem kleinen Theil erhalten
und quergerieft« beobachtet. In allen diesen Punkten gestattet
mir mein Material, unsere Kenntniss zu erweitern.
Das grösste Exemplar der vorstehenden Art ist bei Wehlau
am Pregel gefunden und gehört dem Provinzial- Museum zu
Königsberg i. Pr. an. Zwar zeigt es nicht die dem Orth. Berendti
von Dewitz für specifiscli eigenthümlich gehaltene Form der Kammer
und auch nicht das Längsseptum, jedoch stimmt es in sonstigen
‘) Zeitsclir. d. Deutsch, geol. Ges. xxxii, 1880, S. 389.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
173
Beziehungen vorzüglich mit anderen überein, welche die genannten
Eigentümlichkeiten tragen.
Der Querschnitt ist elliptisch mit einem Verhältniss der
Durchmesser von 4 : 5. Die Convergenz beträgt 1/6,25. Der
Sipho liegt im grösseren Durchmesser der Ellipse und zwar der
einen Seite etwas genähert, so dass sein Mittelpunkt von der
Siphonalseite 12 Millimeter, von der Antisiphonalseite 17 Millimeter
entfernt ist; sein Durchmesser beträgt in demselben Querschnitt
fast 5 Millimeter, ist also immerhin im Vergleich mit anderen Ortlio-
ceren sehr bedeutend. Ein Längsschnitt durch den Sipho zeigt
deutlich, dass Orth. Berendti echte Siphonalduten wie Orth, reguläre
besessen hat. Die Höhe der Kammern schwankt und zwar sind
die hinteren höher als die vorderen, wie es schon mehrfach be-
obachtet ist, worauf ich aber hier noch besonders aufmerksam
mache, da es für die Erklärung einzelner BARRANDE’scher Beobach-
tungen an Orth, truncatum von Wichtigkeit erscheint.
Grösster Kammerdurchmesser Kammerhöhe
34 Millimeter 9,5 Millimeter
43.5 » 8 »
46.5 » 6 »
Die Kammernahtlinien sind nicht grade, sondern beschreiben
auf den Seiten, wenn man die durch Sipho und Siphonalseite
gelegte Ebene als Symmetrieebene nimmt, einen flachen nach
hinten gewandten Bogen und treten dementsprechend in der
Mediane nach vorne. Der undulirende Verlauf der Nahtlinien
tritt an beiden Seiten nicht in gleich starker Weise auf, ebenso
sind am anderen Ende auf der Antisiphonalseite die Nahtlinien
abnormal nach der Flanke und vorne gezogen. Jedenfalls ist
ein Theil der Sinusbildung der Nahtlinien und auch ein Theil der
Ellipticität des Schalenquerdurchmessers auf Verdrückung zu
schieben, zumal über die Siphonalseite deutliche Bruchlinien
laufen.
Obwohl die Schale, welche auf der einen Seite anhaftet,
stark abgerieben ist, lässt sich doch constatiren, dass die Ober-
fläche mit dichten, erhabenen Querlinien geziert war, von denen
174
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
5 auf einen Raum von 3 Millimeter vertheilt sind. Ihr Verlauf
ist undulirend, aber gegen den Verlauf der Nahtlinien gerichtet
und auf der Antisiphonalseite deutlich nach vorne vortretend.
Ein mit dem Etiquette »Ostpreussen« versehenes Exemplar
(Taf. VI, Fig. 1) des Königsberger Mineralogischen Universitäts-
Museum zeigt die Oberflächensculptur besser. Scharf zugehende
Rippen sind durch flache Furchen von einander getrennt; beide
bilden auf der nicht abgeriebenen Seite eine Hervor Wölbung; nach
vorn und treten auf den Flanken zurück. Auf den Raum von
5 Millimetern kommen bei einem Schalendurchmesser von 22 Milli-
metern etwa 12 Rippen. (Taf. VI, Fig. lb u. c.) Bei einer auf den
Verlauf der Rippen gegründeten Reconstruction des Mündungrandes
würde die Siphonalseite einen Sinus aufweisen, der sich seinem wahr-
scheinlichen Zweck für die Aufnahme des Athmungstrichters ent-
sprechend, auf der Bauchseite des Thieres befindet. Das abge-
bildete Exemplar lag mit einer Hälfte im Gestein, das ein bläu-
licher Kalk mit zahlreichen Primitien ist, während die andere Hälfte
stark abgerieben war. Aus diesem und anderen Stücken geht her-
vor, dass Ortli. Berenclti eine obersilurische Form ist.
Von Maassen lässt sich nur die Convergenz 1/6,27, also fast
genau so gross wie bei dem vorher beschriebenen Individuum,
augeben.
Die Frage, ob der Orthocere mit den vorbeschriebenen Merk-
malen wirklich einer neuen Speciesbezeichnung als Orth. Berenclti
bedurfte, will ich nicht entscheiden, da es mir hier nur auf die
Eigentümlichkeit der Verticalfurchen ankommt, welche Dewitz als
für seine Species characteristisch angiebt. Möglich ist es immerhin,
dass unter der jetzigen Bezeichnung, soweit sie sich auf Steinkerne
erstreckt, eine schon früher benannte oder gar mehrere Species
begriffen werden.
Die Steinkerne sämmtlicher normalen Exemplare und die
vorderen Kammern aller Individuen von Orth. Berenclti zeigen
eine glatte Rundung, an der nur die Kammernahtlinien als mehr
oder minder ausgeprägte rinnenartige Linien hervortreten. Die
Oberfläche der Steinkerne der hinteren Kammern erscheint jedoch
eigenartig verändert. Die Ausfüllungsmassen der einzelnen noch
ö ö Ö
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
175
zusammenhängenden Luftkammern sind nämlich durch tiefe Furchen
von einander getrennt, und das Orthoceras - Hinterende ist dazu
stärker convergent ; ausserdem erscheint fast regelmässig auf
der Siphonalseite eine deutliche Längsfurche, welche über alle
Kammern hinweg'o'eht. Die Abbildungen Dewitz geben gute
oo O s o o
Ansichten dieser Erscheinung. Man vergleiche auch die zu dieser
Arbeit gegebenen Figuren Taf. VI, Fig. 2 a u. b und Taf. VII,
Fig. 1 a u. b.
Mehrere Exemplare von Orth. Berendti gestatten durch ihre
vorzügliche Erhaltung einen tieferen Einblick in die Natur dieser
scheinbaren Deformation .
Das ausgezeichnetste Individuum, Taf. VI, Fig. 2, stammt aus
einer Grandgrube von Kalthof bei Pr.-Holland (Ostpreusseu). Es
ist ebenfalls nur ein Steinkern, dessen Querschnitt nahezu dreh-
rund (28 — ■ 29 Millimeter) ist und aus 9 Kammern besteht, von
denen 4, obwohl es die hinteren sind, sich schon durch grössere
Kammerhöhe (7 — 9 gegen 4,5 • — 6 Millimeter) von den vorderen
unterscheiden. Die einzelnen Kammern sind durch starke King-
furchen von einander getrennt ; sie zeigen auch die Furche auf
der Siphonalseite sehr deutlich, von der der Sipho 12 Millimeter
entfernt ist.
Die Furche durchsetzt die ganze Höhe der Kammerausfüllung;
in der hintersten Kammer ist sie circa 3 Millimeter breit, an der
dritten 1,5 Millimeter und an der vierten nur noch eine ganz
schmale linienartige Rille. Auf der Antisiphonalseite zeigt sich der
vordere Rand der drei hinteren Kammern zu einer kurzen Einbuch-
tung zurückgezogen, während die vierte Kammer auf dieser Seite
bereits normal beschaffen ist, was beweist, dass die Organisations-
verhältnisse, denen die Verticalfurchen ihre Entstehung verdanken,
auf der Antisiphonalseite nur unvollkommen entwickelt waren.
Die von siphonalen und antisiphonalen Furchen gebildeten Verti-
calreihen fallen im Allgemeinen in die Mediane des Orthoceras,
die sich nicht nur durch die Lage des Sipho, sondern auch durch
das Zurücktreten der Kammernahtlinien auf den beiderseitigen
x) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. xxxii, 1880. Taf. XVIII, fig. 9 — 11.
176
Henry Schröder, Pseudosoplale Bildungen
Flanken kennzeichnet. Dagegen bemerkt man, dass die einzelnen
Furchen in ihrer Lage gegen einander etwas von der Mediane
nach rechts und links schwenken.
Die Convergenz der vier hinteren Kammern ist stärker als
die der fünf vorderen, die sich ausserdem noch durch ihre voll-
ständige Glätte auszeichnen.
Lieber die Oberfläche der rauhen hinteren Kammerausfüllungen
verläuft ein System erhabener Linien, die sich durch die Regel-
mässigkeit ihrer Anordnung als entschieden organischen Ursprungs
erweisen. Auf der Siphonalseite, wo die Längsfurchen vollständig
entwickelt sind, erscheinen sie stärker und zusammenhängend; auf
den Flanken werden sie schwächer, bis sie auf der Antisiphonal-
seite auf undeutliche, unzusammenhängende, linienartige Erhaben-
heiten reducirt sind. An zwei Kammern ist ihr Verlauf deutlich
zu verfolgen. Zu jeder Seite der Längsfurche treten bis zur
Mitte der Seitentheile mehrere Hauptstämme von der hinteren
Begrenzung der Kammerausfüllung hervor; sie divergiren von
hinten nach vorne, bilden jederseits einen Bogen und verlaufen
dann auf den Flanken in schräger Richtung über den Stein-
kern. Vor diesen Stämmen treten auf der äusseren Begrenzung:
der Kammerausfüllungsmasse jederseits schwächere auf, die in
ebenfalls bogigem Verlauf nach vorne und seitlich ziehend gegen
die Längsfurche absetzen. Von den Hauptstämmen gehen dann
noch schwächere Nebenstämme ab, die zum Theil auch eine Ana-
stomose zwischen den Hauptstämmen bewirken. Ausserdem ist
die Oberfläche zwischen den erhabenen Linien der vier hinteren
Kammern (Taf. VI, Fig. 2d) vollständig mit einer Sculptur bedeckt,
die dem unbewaffneten Auge als eine dichte, äusserst zarte Kör-
nelung erscheint, auf den hinteren Kammern am stärksten auftritt
und nach vorne zu allmählich undeutlicher wird; unter der Lupe
bemerkt man, dass die Körnchen kleine, nur zum Theil rundliche,
viel häufiger längliche und unregelmässig verzweigte Erhaben-
heiten sind, die auch mit den erhabenen Linien in Verbindung
treten können , so dass das Ganze netzartig gezeichnet erscheint.
Der vordere Rand jeder Kammer ist ein wenig nach aussen auf-
gebogen und zeichnet sich dadurch aus , dass auf ihm die
Sculptur nicht so stark hervortritt.
in den Kammern fossiler Ceplialopoden.
177
Die Regelmässigkeit der Anordnung und die Art der Ver-
zweigung der erhabenen Linien lässt wohl keine andere Deutung
zu als diejenige, dass das innere Lumen der Luftkammer nach
hinten und den Seiten von einer Membran resp. festen Lamelle
abgeschlossen war, die auf ihrer Concavseite Gefässe indrücke
tru«f , welche nun auf der Ausfällungsmasse der Luftkammer als
Erhabenheiten erscheinen müssen. Aelinlich wie man häufig auf
der concaven Fläche der Septen des Nautilus deutlich Gefässein-
drücke x) wahrnimmt, drückten sich die Gefässstämme des Mantel-
hinterendes auf der Lamelle ab, die sich vor dem normalen Septum
befand, aber mit ihm im Allgemeinen concentriscli angeordnet war.
Dewitz nannte die Membran, welche sich vor dieser Lamelle be-
findet, bei Vertretern der Untergattung Ancistroceras Hilfskammer-
wand, Holm bezeichnete sie als Pseudoseptum, ohne dass beide
Autoren jedoch die Spuren von GefäSsen nachweisen konnten.
NoetlinG 2) beschreibt Gefässeindrücke auf den Horizontallamellen
bei Lit. lituus und habe ich dieselben bei dieser Species mehr-
fach beobachtet; sie sind aber hier nicht im entferntesten so
deutlich und regelmässig angeordnet, wie an dem vorliegenden
Exemplar von Orth. Berendti. In ähnlicher, wenn auch nicht so
scharfer Weise habe ich die Spuren von Gefässen mehrfach auf
den Steinkernen genannter Species gesehen; es gehört diese Er-
scheinung nicht zu den grossen Seltenheiten.
O O
Es wurde oben erwähnt, dass an dem Exemplar von Pr.
Holland der siphonalen Hauptfurche diametral gegenüber die
undeutlichen Anzeichen einer antisiplionalen Furche sichtbar sind.
Am schärfsten sind zwei einander gegenüberstehende Längsfurchen
an einem grossen aus Westpreussen stammenden Individuum
(Taf. VII, Fig. 1) des Mineralogischen Uuiversitäts -Museums zu
Königsberg entwickelt. Obwohl die grössten Durchmesser, der
hintere 26 Millimeter, der vordere 38 Millimeter betragen, führen
sämmtliclie Luftkammern die verticalen Furchen. Während sonst
bereits Steinkerne mit einem Durchmesser von 28 Millimeter die
x) Waagen, Palaeontigraphiea XVII, S. 189.
2) Zeitsclir. cl. Deutsch, geol. Ges. xxxiv, 1882, S. 180.
Jahrbuch 18S7.
12
178
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
V erticalfurclien vermissen lassen, sind das erwähnte Exemplar nnd
ein zweites von Königsberg (Provinzial -Museum) die einzigen,
welche auch bei weiter fortgeschrittenem Wachsthum mit Längs-
furchen versehen sind. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen,
dass das Verschwinden derselben nicht an eine bestimmte Grösse
gebunden war.
Das Aeussere der Luftkammerausfüllung ist das für die
mit Längsfurchen versehenen Exemplare von Orth. Berendti ge-
wöhnliche. Starke Furchen trennen die nach hinten gerundeten
Ausfüllungen der einzelnen Kammern von einander, deren Höhe im
Verhältuiss zu dem kleineren Exemplar von Pr. Holland gering ist.
Legt man die Symmetrieebene durch den Sipho und den Punkt
der äusseren Begrenzung, welcher demselben am nächsten liegt,
so befinden sich die beiden Verticalfurchen seitlich von derselben,
jedoch insofern einander diametral gegenüber, als sie auf ver-
schiedenen Seiten der Symmetrieebene liegen. Dieselben sind
aussergewöhnlich breit; an einzelnen, wo eine etwaige nachträgliche
Beschädigung ausgeschlossen ist, mass ich 4 Millimeter. Wie
auch sonst liegen die Furchen nicht in einer Verticalreihe, sondern
schwanken nach rechts und links von -ihrer mittleren Richtung;
auch sind diese Schwankungen nicht insofern gesetzmässig, dass
eiue Abweichung nach liuks auf der Siphonalseite eine gleiche
Ablenkung nach rechts der Gegenfurche derselben Kammer
verursacht.
Zu beiden Seiten beider Verticalfurchen ist die Oberflächen-
zeichnung der Kammerausfüllung erhalten. (Taf. VII, Fig. 1 c.)
Sie erscheint in anderer Weise als an dem Exemplar von Pr. Holland.
Feine, dicht an einander liegende, stellenweise knotig anschwellende,
erhabene Linien, von denen nur selten eine oder die andere etwas
stärker hervortritt, kommen von der convexen Fläche der Kammer-
ausfüllung hervor und convergiren in der Nähe der siphonalen
und antisiphonalen Verticalfurche nach derselben. Diese radialen
Linien machen den Eindruck von Runzeln eines gefalteten Membran,
wie sie in ähnlicher Weise Holm ]) auf den Pseudosepten von
l) 1. c. S. 2-2.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
170
Ancistroceras undulatum beschrieb. Jedenfalls sind sie nicht als
von Gefässen herrührend zu deuten, da sie sämmtlich nahezu
parallel laufen, ohne sich zu verzweigen oder zu anastomosiren.
Jedoch dürfte es kaum zweifelhaft sein, dass sie organischen Ur-
sprungs und als Product des Mantelhinterendes zu betrachten sind.
Spuren von Gefässen sind an diesem Exemplar nicht vorhanden.
Zwei nahezu diametrale Yerticalfurchen sind an mehreren der
mir vorliegenden Exemplare von Orth. Berendti vorhanden, die
zweite auf der Antisiphonälseite befindliche ist aber bei allen bis
auf das eben beschriebene Exemplar wesentlich schwächer und
prägt sich häufig nur in einer mehr oder minder scharfen Ein-
kerbung des Vorderrandes der Luftkammerausfüllung aus.
An mehreren Steinkernen von Orth. Berendti lässt sich noch
eine andere Art von Furchen beobachten. Mehrfach bemerkt man
nämlich zu beiden Seiten der siphonalen resp. antisiphonalen
Hauptfurche Nebenfurchen, die jedoch, da sie oben an der Haupt-
furche beginnend, in schräger Richtung divergirend nach dem
Vorderrande der Kammerausfüllung laufen, keine über die Kammern
fortlaufende Verticalreihe bilden: ihre Anfänge und Endigungen
stehen vielmehr über einander senkrecht, während sie unter sich
parallel sind. An vier Exemplaren stehen diese Nebenfurchen
weiter von der Hauptfurche ab, ja sie können aus der Mediane
ganz auf die Flanken rücken. An einem sehr schönen Individuum
von Steinbeck bei Königsberg sind diese Verhältnisse am besten
erhalten. Es besitzt starke Siphonal- und schwache Antisiphonal-
furchen und seine Oberfläche trägt deutliche Spuren von Gefässen.
Ueber die Flanken von acht der erhaltenen Kammern sieht man
jederseits schräge einander parallele, feine Furchen verlaufen, die
ebenso wie die Hauptfurchen in engen Grenzen einer im Allge-
meinen eingehaltenen Richtung schwanken. Die Nebenfurchen
entsprechen in ihrer Stärke etwa den Autisiphonalfurchen, jedoch
liegt mir auch ein Exemplar von Pr. Holland vor, welches die
Nebenfurchen auf den Flanken in sehr kräftiger Entwicklung trägt.
Es dürfte vielleicht gewagt erscheinen, die eben berührte
Erscheinung der Nebenfurchen mit den verticalen Hauptfurchen
in eine Linie zu stellen, da ja eine Furche auf einem Steinkern
180
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungei
durch Entfernung einer lamellenartig auftretenden Substanz, die
sich, ohne organischen Ursprungs zu sein, nur durch leichte Ver-
witterbarkeit vor der umgebenden Kammerausfüllung auszeichnet.
Das Auftreten der Nebenfurchen als ein zufälliges zu betrachten,
verbietet jedoch die Thatsache, dass sie an vier Exemplaren und
hierselbst in mehreren Luftkammern hintereinander in vollständig
O
gleicher Weise und Regelmässigkeit auftreten. Dazu kommt noch,
dass Blake1) an Orth. Etheridgii ausser den beiden Hauptfurchen
mehrere radiäre Nebenfurchen beobachtet hat. —
Nach dieser Beschreibung der äusseren Erscheinung von
Ortli. Berendti wenden wir uns zur Untersuchung der Frage:
auf welchen Eigenthümlichkeiten der inneren Organisation beruht
das Vorhandensein der Vertical- und Horizontalfurchen auf den
Steinkernen?
Aus den Querschnitten Taf. VII, Eig 2, 3 und 4a erhellt zu-
nächst, dass die Verticalfurche ihr Erscheinen einer in das Innere des
Orthoceras vordringenden Kalkspathlamelle (o, dj, u2) verdankt, die
sich von der äusseren Wandung in radialer Richtung nach dem
Sipho spannt und Septum mit Septum verbindet. Je nach der
Höhe der Luftkammern, der Wölbung der Septen und Lage des
Querschnittes wird eine solche Verti callamelle, die in sich einheit-
lich erscheint, ein, zwei auch drei Luftkammern angehören. Sie
endigt frei im Lumen der Kammer entweder spitz und dann zu-
weilen peitschenartig ausgezogen (Fig. 2 a u. b) resp. gespalten
(Fig\ 2b) oder stumpf (Fig. 2d u. Fig. 3a — c). Sie schärft sich,
in die Nähe der Siphonaldute gekommen, zu (Fig. 3d) und
heftet sich an einen Kalkspathring, der das Lumen des Sipho
umgieht (Fig. 4a). Berücksichtigt man, dass Orth. Berendti kurze
Siphonalduten besessen hat und zieht man dazu den Schliff Fig. 4c,
der nahezu in die Verticalebene der Lamelle gefallen ist, so lässt
sich dieses Verhalten dahin deuten, dass die Kalkspathlamelle nur
mit der Siphonaldute und nicht mit dem häutigen Sipho in Verbin-
dung trat oder vielmehr, dass letztere Verbindung nicht beobachtet
') Brit. foss. Cephalopoda p. 104.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
181
werden kann, da der häutige Sipho nicht erhalten ist. Uebrigens
tritt dieser Kalkspathring nicht nur als Ersatz für die Siphonaldute,
sondern auch vor den siphonalen Durchbruchstellen an der concaven
Fläche der Kammerwand als eine Art Prosipho auf, wie aus dein
Längsschnitt Fi". 4c hervorgeht.
o o
Die Kalkspathlamelle geht vertical von Kammerwand zu
Kammerwand und in allen Kammern liegen die Lamellen entweder
in einer Ebene, wodurch sich die gradlinigen Furchen der Stein-
oberfläche (Taf. VI, Fig. 2) erklären oder die Lamellen fallen in zwei
auf einanderfolgende Kammern in verschiedene Ebenen (Taf. VII,
Fig. 2c und e), was die Schwankungen der Verticalfurche an dem
auf Taf. VII, Fig. 1 abgebildeten Individuum erläutert.
In dem Querschnitt Taf. VII, Fig. 4a springt gegenüber der
Hauptlamelle von dem siphonalen Kalkspathring ein kleiner Dorn
hervor, die erste Andeutung einer Gegenlamelle, die in Fig. 2
('(, Yi, Y2) in voller Entwicklung bis zur Aussenwand des Ortho-
ceras sichtbar wird.
Wie der Tangentialschnitt Fig. 4 b lehrt, setzen sich die
Lamellen in bedeutender Breite an die Concavfläche des Septum;
sie verschmälern sich nach vorne und sind in der Mitte der
Luftkammerhöhe vou parallelen Begrenzungsflächen eingeschlossen,
bis sie sich an die Convexfläche des folgenden Septums ohne
oder mit Erweiterung anheften. Die Kalkspathmasse, welche die
Verticallamellen bildet, breitet sich nach allen Seiten als Plorizontal-
lamelle über die Concavfläche des Septum in einer dünnen Lage
aus, die nach der äusseren Begrenzung zu immer etwas mächtiger
wird. Auf Kosten der Kammerausfüllung nehmen sowohl die
Vertical- als Horizontallamellen allmählich von hinten nach vorne
an Dicke ab. Die hintere Begrenzung der horizontalen Kalkspath-
lage ist fast stets glatt, nur einzelne Schuitte zeigten, dass sie am
äusseren Rande von dem normalen bogigen Verlauf abweichend
sich nach hinten aufbog. Bis auf diese Ausnahme entspricht die
hintere Begrenzung genau der Gestalt eines normalen Kammer-
septum; die vordere Grenze der Kalkspathlage ist dagegen stärker
gekrümmt lind sehr unregelmässig zackig , indem feine Spitzen
(die Durchschnitte der Radialsculptur an Taf. VII, Fig. la — c)
182
Henry Schröder, Pseudoseptalo Bildungen
der dichten Ausfüllungsmasse in den Kalkspath eindringen. Im
Bereich der Verticallamellen ist dieses zackige Aussehen namentlich
an der Ansatzstelle derselben an die Concavflache einer Kammer-
wand am schärfsten ausgeprägt. (Taf. VII, Fig. 4a u. b.)
Die directe Beobachtung an einzelnen noch mit Schale ver-
sehenen Individuen, deren Inneres jedoch mit den eigenthümlichen
horizontalen und verticalen Kalkspathlamellen versehen war, lehrt,
dass die abnorme äussere Erscheinung der Steinkerne von Orth.
Berendti secundären Ursprungs ist und dass die Schale an den-
selben nicht deformirt war, wie es Dewitz1) für möglich hält.
Die ringförmigen Furchen sind vielmehr durch randliehe Aus-
Witterung der die vordere Fläche des Septums bekleidenden Kalk-
spatblage (der Horizontallamelle), die Längsfurchen durch Aus-
witterung von radial in das Lumen der Luftkammer eindringenden
Verticallamellen entstanden. Die Grenze zwischen den Kalkspath-
lamellen und der inneren Kammerausfüllnng muss, da sie in ihrer
ganzen Anordnung eine bedeutende Regelmässigkeit aufweist und
da in ihr die Gefässspuren und die oben beschriebenen Ober-
flächenzeichnungen auftreten, organischen Ursprungs sein; sie
entspricht dem hinteren Pseudoseptum bei Lit. lituus. Ueber die
Herkunft der späthigen Lamellen wird sich dagegen erst in
weiterem Verfolg der Untersuchung ein Urtheil gewinnen lassen.
Die umstehende Zeichnung (Fig. 1) möge die Deutung veran-
schaulichen. c bezeichnet die äussere Schale, as den Ansatzring
der Kammerwände, s die Kammerwand, p die Siphonaldute, x-
die Kalkspathlamellen, u die Verticallamelle und a - das Pseudo-
septum, k die Kammerausfüllung. Man denke sich längs der
punktirten Linie x die Schale und die Kalkspath masse bis zur
Kammerausfüllung fort, so erhält man einen Steinkern von dem
Aussehen der als Orthoceras Berendti bezeichneten.
Betreffs der Ausbildung der pseudoseptalen Membranen und
der Verticallamelle bemerke ich, dass sie bei Orth. Berendti der
an den Ehstländischen Exemplaren von Lituites lituus am häufigsten
vorhandenen ersten Ausbildungsweise am meisten entspricht. Ein
') Zeitschrift der Deutsch, geol. Ges. xxxu, 1880, S. 385.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
183
Fig. 1.
Unterschied ist nur in sofern vorhanden, als bei Orth. Berendti
kein vorderes Pseudoseptum entwickelt, oder vielmehr in Aus-
buchtungen der Convexfläche einzelner Septen nur angedeutet ist.
Ortlioceras discors Eiciiwald.
D iese von Eiciiwald ( Trematoceras discors , Bulletin de la
societe des naturalistes de Moscou 1857, S. 182 und Lethaea Ilossica
], 2, S. 1259, PI. 48, Fig. 8 a— c) in ihren verwandtschaftlichen Be-
ziehungen vollständig verkannte1) Orthocerenspecies liegt mir in
5 allerdings nur als Steinkerne erhaltenen Exemplaren vor. Drei
derselben zeigen denselben Erhaltungszustand, wie das Eiciiwald-
sehe Original, indem nur die eine Hälfte an ihnen erhalten, die
andere dagegen wie durch einen Längsschnitt in der Symmetrie-
ebene verschwunden ist,
') Sandberger, Versteiner. d. rhein. Schichten syst. S. 141 und Barkande, 1. c.
11, 3, S. 771.
184
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Diese Stücke sind so sehr platt elliptisch, dass sich an zweien
die Durchmesser wie 1 : 3 verhalten. Das beste Exemplar, ein
Geschiebe von Allenstein, dessen Convergenz nicht gross ist, hat
niedrige Luftkammern von nur 4,5 Millimeter Höhe bei einem
Durchmesser der Kammern von 27 Millimeter. Die Nahtlinien
beschreiben einen flachen, aber constanten Bogen nach hinten und
treten auf Siphonal- und Antisiphonalseite nach vorne vor und
zwar ein wenig mehr auf ersterer. Der Sipho liegt in der
grösseren Axe des Querschnittes und zwar der einen Seite näher
gerückt als der anderen. Bei einem Durchmesser der Schale von
24 Millimeter ist der Sipho 2,5 Millimeter dick und sein Centrum
steht von den beiden Endpunkten der Querschnittsaxe 10 und
14 Millimeter ab.
Ein Längsschnitt beweist das Vorhandensein echter Siphonal-
duten bei Orth, discors , nur zeichnen sich dieselben dadurch aus,
dass sie scheinbar kräftiger sind wie die Septen, deren nach hinten
aufgebogene Fortsetzung sie darstellen. An einer Siplionaldute ver-
bindet eine nach hinten bogige Linie die beiden Uebergangspunkte
von Kammerwand zur Siplionaldute und schliesst so den hinteren
Theil der Luftkammern von den vorderen ab. Die Verstärkung der
Siplionaldute und die oben bezeichnete Linie gehören in die Reihe
der Erscheinungen, die Barrande1) als »anneaux obstructeurs« be-
zeichnet hat. Das Gleiche Mit von den Eigenthümlichkeiten der
EiCHWALDschen Gattung Trematoceras , deren Sipho folgender-
maassen beschrieben wird: »Le siphon ne se distingue pas bien,
mais chaque löge se prolonge au-dessus du lobe dorsal en une
pointe cpii simule un cornet siphonal presque globuleux, ä petite
pointe terminale et separe du globe suivant et precedent.«
Die Characteristik des Orthoceras discors ist noch immer eine
sehr unvollständige, da bis jetzt nur Steinkerne ohne Schale be-
kannt geworden sind, woraus es auch erklärlich ist, dass das
Wesenberger Exemplar mit den Geschieben betreffs der Quer-
schnitte nicht zu stimmen scheint.
Interessant sind nun für uns zwei der mir vorliegenden
Stücke, eines von Allenstein, das andere von Rastenburg dadurch,
») 1. c. II, 5 S. 1058.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
185
dass sich an ihnen das Vorhandensein von pseudoseptalen Bildungen
nachweisen lässt. Das erste Exemplar deutet dieselbe allerdings
nur in sofern an, als die Convexität der letzten Kammer mit einem
seitlich scharf begrenzten, durch seine dunkle Farbe hervortretenden,
dünnen Polster bedeckt ist. Die dunkle Färbung der Kalkspath-
lage, wie sie zuweilen auch an Orth. Derendti , in ganz ausge-
zeichneter Weise aber an böhmischen Orthoceren (siehe weiter
unten) beobachtet ist, weist auf das Vorhandensein der Horizontal-
lind eventuell auch der Verticallamellen hin. Und wirklich ist an
der letzten Kammer des anderen Stückes das Vorhandensein der
Verticallamelle durch das Auftreten einer nahezu in der Mediane
liegenden, schmalen Furche nachgewiesen, zu deren Seiten auch
die oharacteristische radial - runzelige Seulptur der Kammerober-
fläche sichtbar ist.
Ortlioceras sevorum Barr., Orth, patronus Barr., Orth. Agassizi
Barr., Orth. Jonesi Barr., Orth, probum Barr., Orth, bouum Barr.,
Orth, palma Barr. ]) etc.
Aus mehreren der von Barrande abgebildeten Orthoceren-
längsschnitte kann maii mit Bestimmtheit den Schluss ziehen, dass
sie die Pseudosepta in ähnlicher Weise aufweisen, wie die im
Vorhergehenden beschriebenen Orthoceren und Lituiten. Barrande
behandelt dieselben gelegentlich seiner Auseinandersetzung über
das »depöt organique.«
In zahlreichen Kammern der oben genannten Orthoceren
(■ Ortlioceras severum Barr., Taf. VIII, Fig. la Copie) bemerkt man
nämlich zwei Linien, welche scheinbar nur die Grenze zwischen
centraler Gesteinsmasse und dunkler Randzone darstellen; die
hintere läuft der concaven Fläche des hinteren Septum und der
inneren Fläche der äusseren Schale nahezu parallel, während die
vordere sich in ihrem Verlauf der convexen Fläche des vorderen
Septum anschliesst. Wie bei Orth. Berendti ist die Kalkspathzone
*) Barrande, Bull, de la soc.-geol. de France, ser. 2. XVI, p. 828: — Neues
Jahrb. f. Mineralogie etc. VII, 1859, S. 780; — Syst. sil. II, 4, p. 264. Aus der
grossen Zalil von Orthoceren, an welchen Baurande das »depöt organique« be-
obachtet hat, nenne ich nur diese; vollständig sind sie aufgezählt in Syst. sil.
II, 4 p. 286.
186
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
(depöt organique) häufig ausgewittert oder beim Zerschlagen ab-
gesprungen und kann man so auf der inneren Ausfüllung die Ge-
staltung des Pseudoseptum bequem studiren. Dieselbe erscheint
mit rundlichen Buckeln besetzt; genau in der Mediane zieht auf
der Siphonalseite der hinteren Begrenzung der Ausfüllungsmasse
(nach Barrande = der Rückenseite) radial nach dem äusseren
Rande ein firstartiger Wulst (Fig. 1 b uu) der an einzelnen Exem-
plaren gerundet ist, an anderen scharf zugeht und mehrfach eine
feine Furche trägt; seine Oberfläche ist im Gegensatz zu der
sonst höckrigen Ausfüllungsmasse glatt. Auf der concaven vor-
deren Begrenzung derselben erscheinen die gleichen Buckeln und
ebenfalls ein radialer Wulst. Taf. VIII, Fig. 1 c giebt diese Fläche
im Gegendruck wieder, und es erscheinen auf derselben daher die
Buckel als durch scharfe Kanten getrennte, rundliche Vertiefungen
und statt des Wulstes eine breite Furche (u a). Nach dem in
Fig. 1 d gegebenen idealen Tangentialschnitt, der senkrecht zur
Mediane gelegt ist, kann man sich am leichtesten über diese Ver-
hältnisse orientiren. Ich bemerke, dass entgegengesetzt der Natur
hier die centrale Ausfüllungsmasse dunkel, die Kalkspathamellen
hell gezeichnet sind, um eiuen Vergleich mit den auf Taf. VII
und VIII gegebenen Schnitten zu erleichtern, sp und sa sind
die Septa, air und sa die Pseudosepta, uu und oa die Pseudo-
sep talfalten und z- und za die Horizontallamellen.
Ich glaube, es unterliegt keinem Zweifel, dass wir hier mit
einigen nebensächlichen Modificationen dieselbe Erscheinung vor
uns haben, wie sie Holm als Pseudosepta und Pseudoseptalfalten
an Ancistroceras undulatum etc. beschrieben hat. Barrande giebt
allerdings nicht an, dass zwischen innerer Ausfüllungsmasse und
dunkler Randzone eine wirkliche Membran vorhanden war; je-
doch darf uns dies nicht Wunder nehmen, da dieselbe bei Orth.
Derendti auch nicht beobachtet ist und dort, wo sie noch vor-
handen ist, leicht übersehen werden kann. Hierzu kommt noch,
dass die Horizontallamelle häufig sammt Septum und Pseudo-
septum wie bei Orth. Berendti einen Umkrystallisationsprocess
durchgemacht haben, so dass alle drei zusammen eine einheitliche
Kalkspathmasse bilden. An den böhmischen Orthocereu scheint
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
187
das Septum in der Mehrzahl der Fälle daran nicht Theil genommen
zu haben. Ein Unterschied von der ,an Lit. (Ancistr.') undulatus
am häufigsten Entwicklungsweise der Pseudosepta besteht darin,
dass dieselben in den Böhmischen Orthoceren weiter von einander
entfernt liegen und dass die Pseudoseptalfalten nicht direct an die
normalen Septa angeheftet erscheinen.
Das Vorhandensein eines Radialwulstes auf dem Ausfüllungs-
kern scheint nicht constant für alle Individuen einer Species, welche
die Pseudosepta aufweisen , auch nicht für alle Kammern eines
Individuums zu sein. Orth, patronus (Barrande PI. 228, fig. 5 — 6),
Orth. Agassizi (Barrande PI. 228, fig. 7 — 8) und Orth. Jonesi
(Barrande PI. 404, fig. 10 — 11) zeigen keine Spur einer Pseudo-
septalfalte.
Mehrere Exemplare des Orth. Agassizi (Barrande, PI. 227,
282, 446) und Orth. Vibrayei weisen im Gegensatz zu der höckerigen
Oberfläche der inneren Ausfüllungsmasse grubige Vertiefungen von
grosser Regelmässigkeit, die mit einem feinen Netz kleinerer Ver-
tiefungen geziert sind, auf.
Einen dritten Typus vertritt Orth, honum (Barrande, PI. 228,
fig. 9); hier erscheint auf der Ausfüllungsmasse jeder Kammer
einseitig ein glattes radiales Band, das circa 1/^ der Kammerbreite
einnimmt und von dem nach hinten divergirend Querrillen aus-
gehen.
Orth, palma (Barrande, Pl. 518, fig. 1 — 3) zeigt auf der
hinteren Fläche der Ausfüllung neben den charakteristischen Ver-
tiefungen ein erhabenes Band, das vom Sipho ausgehend in radialer
Richtung elliptisch gestreckt und concentrisch gefurcht ist, jedoch
die äussere Fläche der Ausfüllung nicht erreicht.
Ausserordentlich deutlich vom Sipho ausstrahlende Furchen
zeigt die Ausfüllungsmasse einer mit depöt organicjue ausgeklei-
deten Kammern von Orthoceras sp. Barrande, Pl. 239, fig. 19.
Wenig ausgeprägt sind sie an Orth, sarcinatum , Pl. 341, fig. 19 — 20,
wo man jedoch ein Stück einer Verticallamelle in die Siphonalseite
eindringen sieht.
Die Stärke der jedes Septum einsch liessenden Kalkspathlagen
(depöt organique) variirt in auffallender Weise, wenn man diese
188
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungei
Verhältnisse in einem Ortlioceraslängsschnitte verfolgt. Sie ist sehr
viel bedeutender in den hinteren Kammern und nimmt ab, je
weiter nach vorne die Kammern liegen. An verschiedenen Indi-
viduen kann man beobachten, dass die Kalkspathlamellen in einem
gewissen Altersstadium der Schale auf der convexen Fläche
des Septum vollständig verschwinden, während sie noch auf ihrer
concaven Fläche persistiren, bis sie auch dort durch allmähliche
Abnahme der Dicke reducirt werden (Orth, decipiens Barrande,
PI. 325, fig. 12). Einzelne Ausnahmen abgerechnet, kann man
behaupten, dass die Stärke der Lamellen im umgekehrten Ver-
hältnis zum Dickenwachsthum der Schale steht, eine Beobachtung,
die auch an den Lituiten und an Orth Berendti gemacht wurde.
Die Farbe der Kalkspathlamelle ist ein dunkles Grau, das
gegen die weisse Färbung der inneren Ausfüllung, die allerdings
auch meist Kalkspath ist, scharf constratirt. Auf die durch
diese und andere Eigenthümlichkeiten begründete Anschauung
Barrande’s, dass die Lamellen organischen Ursprungs sind,
komme ich weiter unten zurück.
Ich glaube, es wird aus diesem Auszug der BARRANDE schen
genauen Beschreibung zur Genüge klar geworden sein, dass die
in Betracht gezogenen Erscheinungen der böhmischen Cepha-
lopoden in eine Kategorie mit den pseudoseptalen Bildungen der
Lituiten und des Orth. Berendti fallen.
Orthoceras imbricatum Wahlbg. und Orth, semipartitum Sow.
Blake x) beschreibt unter Orth, imbricatum, aus dem Upper
Ludlow und aus Schichten unbestimmter obersilurischen Alters
häutig vereinzelt gefundene Kammersteinkerne, deren Convex-
seiten radiär vom Sipho nach dem Rande laufende, linienartige Ein-
drücke zeigten, die er als Gefäfsemdrücke deutet und mit den bei
Nautilus auf den Scheidewänden beobachteten Gefässeindrücken
parallelisirt. Hier erscheinen dieselben jedoch auf der concaven
Kammerwand als Vertiefungen, müssten also auf dem convexen
Theil der Ausfüllungsmasse der Luftkammern, auf der sie Blake
') British foss. Cephalopoda. p. 153, PL XIV, fig. I und 3 — 6.
in den Kammern fossiler Cephalopodon.
189
beobachtet hat, als Erhebungen auftreten. Die beiden Erschei-
nungen lassen sich also direct nicht gleichstellen. Hält man daran
fest, dass die vertieften Linien (impressions) wirklich Gefässein-
drücke sind, so muss man, um das Verhalten zu deuten, annehmen,
dass hier eine mit dem Septum conceutrische Membran existirt
hat, auf deren Concavseite die Gefässe als erhabene Linien standen,
wogegen die bei Nautilus und Orth. Berendti beschriebene Erschei-
nuugsweise der Gefässspuren spricht, oder man muss von der
Deutung der »impressions« als Gefässeindriicke Abstand nehmen
und dieselbe für die Folge von radiärer Faltung einer pseudo-
septalen Membran halten, wie sie von Dewitz und Holm an
Anc. undulatum und von mir bei Orth. Berendti beobachtet ist.
Es würde alsdann bei Orth, imbricatum nach der Beschreibung
Blake’s neben dieser radiären Faltung noch eine ringförmige zu
constatiren sein , die allerdings nur auf eine schmale randliche
Zone beschränkt ist. Ferner erwähnt Blake auf der nach meiner
Deutung als pseudoseptale Fläche zu betrachtenden Convexseite
der »casts« ein »band passing from the siphuncle to some point
in the siele, not always to either encl of the diameter, but varying
in its position ; this is elevated on the cast, indicating a depression
on the sliell itself«. Mit diesem radialen Band vergleicht Blake
gelegentlich der Beschreibung von Orth, semipartitum eine Platte,
die auf der Siphonalseite von der Aussenfläche des Steinkerns bis
zum Siplio geht, aber nicht die ganze Höhe der Kammer durch-
setzt. Dieses »band« und »plate« entsprechen dem Radialwulst
Barrande’s und den Pseudoseptalfalten Holm’s.
Orthoceras Etliei idgii Blake.
Blake* 2) beschreibt aus fraglichem Ober -Silur Englands als
Orth. Etheridgii eine Anzahl mit eigentümlichen Furchen versehener
Orthoceras -Endigungen. »The remarkable feature of this species
is that, taking the place of the septal surface, there is a peculiar
inflated surface which is more or less oontiuous witli the outside
9 1. c. p. 125, PI. XIV, fig. 9 — 12.
2) Brit. foss. Cephalopoda p. 104 PI. VI, fig. 3 — G.
190
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
of the shell; over the siphuncle and leading down to it is an elon-
gated deep hollow in the direction of the longer diaineter; from
this , radiating impressed lines or furrows proceed to the eircum-
ference, having the aspect of heilig produced by folds . . . The
section shows that the siphuncle narrows at the junction of the
septa and expands cylindrically in the chanibers; the septal distance
and convexity is confirmed, and it is seen that the surface which
is exposed at the ends is not the septal surface; the latter are
apparently smooth and the tliickness small, and the short necks
are seen so turn rapidly outwards from the siphuncle; above these
is the dark deposit, whose exterior is exposed when the fossil be-
comes broken; this has a greater convexity then the septum, and
is continous in appearance with the exterior of the shell. Its occu-
rence in two or three chanibers proves that it is not a deposit
formed after the smaller end of the shell is broken oft’. The
nmnber of small fragments which occur, consisting of one or more
chanibers with cliaracteristic ends, shows that the breaking off was
not an uncommon circumstauce, and very possibly took place du-
ring the life. On the surface of these caps the deeper furrows lie
on the side uearest to the siphuncle; they are generally median,
but occasionally paired ; on the other side are three or more lighter
furrows, which occasionally bifurcate. It is difficult to conjecture
the cause of these phenomena, which must have had their origin
between the formation of one septum and the. next. I can only
suggest a shriukage of the mantle during the iuterval, by which
it was thrown into folds, which were perpetuated by an abnor-
mal deposit on their surface ... A fragment, figured by Barrande
under the title Orth, sarcinatum , shows very similar features on
a pseudoseptal surface.«
Bei einem Vergleich dieser Beschreibung mit der oben von
Orth. Berendti gegebenen unter Hinzuziehung der beiderseitigen
Abbildungen wird man ohne Weiteres zugeben, dass bei beiden
sogar bis in die Einzelheiten ähnliche Erscheinungen vorliegen.
Interessant ist namentlich die grosse Anzahl der radiären, aber
doch symmetrisch angeordneten Furchen; an Orth. Berendti sind
nur vier beobachtet, während das abgebildete Exemplar
von
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
191
Orth. Etheridgii deren elf zeigt, von denen die der Siphonalseite
angehörigen, wie in der Regel auch bei ersterer Species, die stärkeren
sind. Eine Verschiedenheit existirt insoweit, als an den Englischen
Orthoceren die Furchen auf den Convextheil der Kammer be-
schränkt und auf dem Aeussern des Steinkernes nicht vorhanden
sind, so dass dieselben hier jedenfalls nur wenig in das Kammer-
lumen eindraugen.
Blake’s »dark deposit« ist die »Horizontallamelle«, das »depöt
organique« Barrande's.
Orthoceras planiseptatum Sandb. und Ortli. midatolineolatum Sandb.
Sandberger ]) erwähnt bei Orthoc. planiseptatum und unda-
tolineolatum auf den Steinkernen der hinteren Kammern ähnliche
Sculpturen l 2), wie ich sie an Orth. Berendti beobachtet habe. Nach
Beschreibung der Wirtellamellen im Sipho sagt er: »Man darf
das mineralisch - krystallinische Gefüge des strahligen Kalkspaths,
welcher oft ganze Orthoceras-Kammern ausfüllt und von dem an
und für sich sehr wohlbekannten Sipho aus radial, auch sogar
unregelmässige Lamellen darstellend, zur Innenfläche der Röhre
sich hinzieht, nicht mit der Wirtellamellenstructur von Siphonen
verwechseln. Umsowenig’er würde eine solche Herleitung dieser
zufälligen Structurverhältnisse einer infiltrirten Mineralsubstanz
haltbar sein, als uns kein einziges Beispiel bekannt ist, wo eine
solche Ausfüllungsmasse einer Kammer sich um einen deutlich
mit Wirtellamellen versehenen dickeren Sipho anlegte. Vielmehr
umlagert dieselbe, wie an unseren Figuren von Orthoceras plani-
septatum und undatolineolatum ersichtlich ist, meist einen dünneren,
einfachen walzigen Sipho.«
Dass die hier beschriebene Erscheinung keinen zufälligen
Structurverhältnissen einer infiltrirten Mineralsubstanz ihren Ur-
ly Versteiner. d. Rhein. Schichtensyst. S. 141, Taf. XVII, Fig. 4c — f und
Taf. XVIII, Fig. 6, Gb u. d.
2) F. A. Roemer, Harzgebirge, Taf. X, Fig. 10 bildet dieselbe Erscheinung
ab. Beyrich, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1850, ii, S. 10 gründete darauf das
Genus Arthrophyllum.
192
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
sprang verdankt, geht aus der Regelmässigkeit und dem immer
gleichen Auftreten an zahlreichen Individuen genugsam hervor.
Mir liegen mehrere Stücke vom Kahleberg hei Zellerfeld und
von der Schalke aus der geologischen Sammlung der Universität,
vom Kronsfeld, Sect. Goslar, durch Herrn Halfar gesammelt,
vom Fahnenberg bei Ems und Niederlahnstein, beide letztere aus
der KoCH’schen Sammlung vor. Sämmtliche Stücke gehören dem
Spiriferensandstein resp. seinen Aequivalenten an.
Vier Exemplare zeigen die Zusammengehörigkeit der von
Roemer und Sandberger abgebildeten Erscheinung mit unzwei-
O ö
felhaften Orthoceren auf das Deutlichste.
Während die Oberfläche der Steinkerne an den vorderen
Kammern nur durch die regelmässigen Nahtlinien gegliedert er-
o o Ö O
scheint, zerfällt der hintere Theil des Orthoceras (Taf. VIII,
Fig. 6 a u. b) in mehrere äusserlich von einander getrennte
Segmente, die nur durch die Ausfüllungsmasse des Sipho
central verbunden werden. Die Ringfurchen zwischen den
schwachgewölbten Segmenten werden von vorne nach hinten
tiefer und die Segmente selbst dadurch niedriger, oder die
Furchen bleiben gleich breit, und nur der Umfang der einzelnen
Segmente verringert sich, jedoch in viel stärkerem Grade, als der
Schalendurchmesser von vorne nach hinten abnimmt. Sowohl die
convexe als die concave Fläche jedes Gliedes ist nun mit einer
eigenthümlichen Radialsculptur geziert; feine, erhabene, dicht ge-
drängte Streifen gehen vom Sipho zum Rande, allmählich stärker
werdend; einzelne keilen sich in ihrem Verlaufe und andere schieben
sich dazwischen. So zierlich sie an einem Stück vom Kahleberg,
so grob sind sie an einem anderen von der Schalke; an den Exem-
plaren vom Fahnenberg bei Ems sind die Streifen vollständig
scharfkantig und durch breitere, tief eingesenkte Furchen von ein-
ander getrennt. Die Stärke der Sculptur nimmt von hinten nach
vorne ab.
Bei oberflächlicher Betrachtung scheinen diese Streifen lamellen-
artig das ganze Segment von vorne nach hinten zu durchsetzen .
an solchen Exemplaren jedoch, wo die einzelnen Segmente Bruch-
flächen aufweisen, beobachtet man, dass die radiale Streifung
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
193
eben nur auf die convexen und concaven Fachen der Segmente
beschränkt ist. Die ganze Art des Auftretens dieser Radialsculptur
und ihre kleinen Modificationen , namentlich ihre Abhängigkeit
vom Alter der Kammern erinnern vollkommen an die bei Orth.
Berendti und imhricatum (cf. Taf. VII, Fig. 1) beschriebene und
abgebildete Oberflächenzeichmmg der Kammerausfüllungen.
Die oben beschriebenen Segmente sind also nichts Anderes als
solche Kammerausfüllungen, die auf ihrer vorderen und hinteren
Fläche den Abdruck einer radialen Faltung der Pseudosepta tragen.
Die Pseudoseptallamellen und normalen Septa ebenso wie die
Schale, aus Kalkspath bestehend, sind ausgelaugt, und daher scheint
das Orthocerashinterende in einzelne Segmente zu zerfallen, wie
es ähnlich an den hintersten Kammern von Orth. Berendti und
anderen beobachtet ist.
Die Uebereinstimmung geht jedoch noch weiter. An Exem-
plaren aus dem Rheinischen Devon (Taf. VIII, Fig. 6 a) sind die
Segmente durch eine mehr oder minder breite Furche (u) auf der
Siphonalseite unterbrochen, so dass hier die Ausfüllungsmasse
des Sipho als ein cylindrischer Strang (p) sichtbar wird. Diese
Furche ist die Verticalfurche bei Orth. Berendti und verdankt ihr
Dasein der Auslaugung einer Pseudoseptallamelle mit Pseudo-
septallamelle verbindenden Verticallamelle. Die anderen Exem-
plare deuten die Furche nur an, indem die Radialstreifen an
einer Stelle (wohl Siphonalseite) gegen einander convergiren, wie
es ja auch bei Orth. Berendti , Taf. VII, Fig. 1 c, beobachtet ist.
Bei Orth, planiseptaturn waren also zwei Pseudosepta und zwei
Pseudoseptallamellen entwickelt. Der Uebergang zu der normalen
Septenbildung geschah wie bei Lituites lituus , indem die Horizontal-
lamellen nach vorne zu immer dünner wurden, bis zuerst die
vordere und dann die hintere in jeder Kammer ganz fortfiel und
so nur das normale Septum gebildet wurde.
Orthoceras elegans Münster und Orth, politum Klipst.
An vier Individuen des aus den St. Cassian- Schichten stam-
menden Orth, elegans bildet Barrande *) auf den Convexflächen
9 1. c. PI. 483, fig. 5 — 15.
Jahrbuch 1867.
13
194
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
den hinteren Endigungen auffallend regelmässige Zeichnungen ab.
Dieselben sind um den Sipho entweder radialstrahlig und orden-
sternartig angeordnet, oder mit zahlreichen, einfach radialen Linien
von verschiedener Stärke, die von eoncentrischen Linien geschnitten
werden, geziert.
Quenstedt * 2 3 4) und Laube 2) schliessen aus dem Umstande,
dass diese Zeichnungen bedeutend unter einander abweichen und
fast bei jedem Exemplar ein anderes Aussehen zeigen, auf einen
unorganischen Ursprung. MOJSISOVICS 3) scheint dagegen zu der
entgegengesetzten Ansicht zu neigen.
Dass diese Sculptur Membranen angehört hat, die sich inner-
halb des Orthoceras septenartig ausspannten, ist zweifellos, da die
äussere Schale über die convexen Endigungen ein Stück hinaus-
reicht. Ausserdem siebt Barrande an, dass diese Zeichnungen
der Kammerwand selbst angehören, und MOJSISOVICS hat über noch
denselben noch ein durchscheinendes, glattes Häutchen beobachtet.
An Orth. politum Klipstein erwähnt Laube4) »auf der Unter-
seite der sehr convexen Kammerwand ein kleines Depot organischer
Materie«. Nimmt man noch hierzu, dass MOJSISOVICS 5) bei Orth,
dubium v. Hauer etwas Aehnliches beschreibt, so scheinen die
pseudoseptalen Bildungen auch bei den letzten Vertretern der
Orthoceren eine weitere Verbreitung zu besitzen.
Der Vergleich mit Orth. Berendti und planiseptatum etc. führt
zu der Annahme, dass die regelmässig sculpturirten Endigungen
bei Orth, elegans ebenfalls auf pseudoseptale Bildungen zurück-
zuführen sind.
Nautilus pompilius L.
An einem der zur Sammlung der Königlichen geologischen
Landesanstalt gehörigen Exemplare von Nautilus pompilius beob-
achtete ich ein Gebilde, das der Pseudoseptallamelle bei fossilen
Cephalopoden, wenn nicht vollständig gleichwerthig, so doch
wenigstens analog ist.
9 Cephalopoden S. 478, Tat. 31, Fig. 3 — 5.
2) Denkschr. d. Wiener Akad. XXX, S. 59.
3) Cephalopoden der mediterr. Triasprovinz S. 292, Tat. 92, Fig. 12,
4) 1. c. S. 60.
5) Gebirge um Hallstatt I, S. 4, Tat. I, Fig. 5.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
195
Kg. 2.
Sämmtliche Kammerwände (s) mit Ausnahme nämlich der
letzten sind normal entwickelt und haben eine ungefähre Dicke
von fast 1 Millimeter; diese jedoch über trifft ihre Vorgänger um
das Dreifache an Stärke und lässt sich in zwei durch eine scharfe
Linie deutlich getrennte Lagen zerlegen, von denen die hintere (s),
circa 1 Millimeter dicke das normale Septum darstellt, die vordere
dickere (x), circa 2 Millimeter stark, dasselbe in seiner ganzen
Fläche nach vorne bekleidet. Diese Lamelle besteht aus Perl-
muttersubstanz, wie das normale Septum; der Sipho durchbohrt
sie wie jede Kammerwand, nur die Gefässeindrücke und die Nor-
mallinie scheinen etwas stärker, als auf der vorderen Fläche der
normalen Septa entwickelt. Das Verwachsungsband zieht sich
über die Convexseite der vorhergehenden Windung in der ge-
wöhnlichen Breite hin, ein Beweis dafür, dass bei der Entstehung
dieser Lamelle das Thier den Mantel nebst Annulus vorwärts ge-
schoben hat. Aus dieser, soweit ich die Literatur kenne, bisher nicht
beobachteten Erscheinung geht hervor: Bei Nautilus war der
Mantel bei allmählichem Vorrücken auch nach Abson-
derung des normalen Septums befähigt, in Zusammen-
hang mit demselben eine dicke Perlinutterlaa’e abzu-
sondern. Mag diese Fähigkeit nun an den Schluss des Wachsthums
des Thieres überhaupt gebunden sein und die Perlmutterlage nur
vor der letzten Kammerwand auftreten oder nicht, die Analogie
zwischen derselben und der hinteren Pseudoseptallamelle in den
Luftkammern fossiler Cephalopoden wird man nicht verkennen.
13*
196
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Ein Septalhäutchen, welches dem Pseudoseptum der Orthoceren
entsprechen würde, ist vor der accessorischen Lamelle bei Nautilus
nicht vorhanden, ebensowenig wie es je vor dem normalen letzten
Septum entwickelt ist, von dem das Thier durch den Tod entfernt
wurde.
Die Normallinie, wie H. v. Meyer und Sandberger* 2) so-
wohl linienartige Eindrücke als Erhabenheiten 3) auf den Steinkernen
von Orthoceren bezeichnet haben, wird bei Nautilus durch eine
kleine Erhabenheit auf der inneren dorsalen Fläche des Septal-
ringes repräsentirt und ist ausserordentlich deutlich auf der acces-
sorischen Lamelle des obengenannten Nautilus -Individuums ent-
wickelt; (Taf. VIII, Fig. 7 a — b). Sie stellt sich hier als ein feiner,
vorne spitzer und scharf begrenzter, nach hinten zu sich allmählich
verbreiternder und in die Septalfläche verfliessender Kiel dar.
Sein längerer und breiterer Theil erstreckt sich von dem gerundet-
spitzigen Dorsalsinus des Vorderrandes des Septalringes nach
hinten, sein kürzerer und feinerer, vorderer Theil, dringt von
demselben Sinus aus in den Hinterrand des Annulus ein.
Dieser kleine der Innenfläche der Septen aufgesetzte Kiel
muss einer feinen nach innen geschlagenen Falte des Mantelhinter-
endes entsprechen, die ich als Analogon der Pseudoseptalfalte
anselaen möchte. Mascke4), der zuerst auf die Normallinie bei Nau-
tilus aufmerksam gemacht hat, nennt dieselbe und die Verticallamellen
sogar »vicariirende Organreste«. Beide kämen nicht nebeneinander
vor. Ausserdem benutzte er dieselben, um über die Lage des
Bauches resp. Rückens des Thieres zur Schale und somit auch
über die Art der Aufrollung zu entscheiden. Nach ihm wäre die
Seite, welche diese Gebilde trägt, stets, wie bei Nautilus, die
Rückenseite. Durch die Thatsache, dass nach Sandberger 5) und
Keferstein 6) zwei Normallinien einander diametral gegenüber-
9 Nova Acta Acad. Leop. Car. XY, 2 p. 70 sqq.
2) Versteiner. d. Rhein. Schichtensyst. S. 125f.
3) Es ist wohl möglich, dass in der Literatur verschiedenartige Dinge unter
der Bezeichnung Normallinie gehen.
4) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. XXVIII, 1876, S. 51.
5) 1. c. p. 126.
G) Bronn, Klassen und Ordnungen III, S. 1426.
in den Kammern fossiler Ceplialopoden.
197
stehend auftreten können und dass an mehreren Exemplaren von
Orth. Berendti nach meinen Beobachtungen1) zwei diametral gegen-
überstehende Yerticallamellen in einer Kammer Vorkommen, wird
die Bedeutung dieses Kriterium für Bauch- und Rückenseite natür-
lich abgeschwächt, obwohl zugegeben werden muss, dass in diesen
Fällen eine von beiden Normallinien resp. Yerticallamellen stärker
entwickelt ist als die andere.
An den im Vorhergehenden behandelten Ceplialopoden konnten
nach eigenen Beobachtungen und nach der vorhandenen Literatur
pseudoseptale Bildungen nachgewiesen werden. In anderen Fällen
Hessen mich die Beschreibungen und Abbildungen nicht zu einer
bestimmten Entscheidung kommen und sind dieselben hier nicht
berücksichtigt.
B. Deutung der Pseudosepta.
Da jede Erklärung von Organisationsverhältnissen ausgestor-
bener Thiere sich selbstverständlich auf das Innigste an die Kennt-
niss der jetzt lebenden Vertreter der Gruppe anschliessen muss
und um so mehr Vertrauen verdient, je mehr sie auf die recenten
Verwandten zurückgreifen kann, so sind wir bei der geringen Zahl
von Anhaltspunkten, welche die Mollusken sch ade für eine Recon-
struction der morphologischen und physiologischen Verhältnisse
der Weichtheile bietet, angewiesen, jede Deutung, die nicht
vollständig auf der Basis der an recenten Thieren beobachteten
Thatsachen steht resp. in Folge wirklicher Abweichungen im
Schalenbau nicht stehen kann, mit der grössten Vorsicht zu prüfen.
Dieser Gedanke leitet mich, wenn ich in Folgendem eine
Erklärung der oben beschriebenen Erscheinungen versuche, und
ist maassgebend für die Kritik der Deutungen, welche meine
Vorgänger versucht haben.
Trotz der jedenfalls riesigen zeitlichen Kluft, welche einen
Lituiten oder Orthoceratiten von einem Nautilus trennt, ist dennoch
eine auffallende Gleichheit im Bau der Schale zu constatiren.
!) Schröder, Schriften d. phys. ökon. Ges. Königsberg XXII, 1881, I, S. 61.
198
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Die äussere Schale der fossilen Cephalopoden besteht aus
zwei *) häufig auch der Sculptur nach verschiedenen Schichten,
von denen die äussere, dünnere der Porcellanschicht, die innere,
dickere und blättrige der Perlmutterschicht des Nautilus entspricht.
Jedes Septum setzt sich bei Nautilus aus einer Perlmutter-
schicht, welche den grössten Theil seiner Dicke ausmacht, und
zwei dünneren Lagen zusammen, von denen die eine die concave,
die andere die convexe Oberfläche bedecken. Diese feinen Septal-
häutchen unterscheiden sich leicht durch ihre gelbliche oder ein
wenig bräunliche Farbe von der inneren hellen Perlmutterlage,
welche sie bedecken. Die Beobachtungen Barranre’s 2) an sibiri-
schen Orthoceren haben die vollständige Uebereinstimmung des
Baues des Septum mit dem an Nautilus Beobachteten ergehen1
Ebenso kann ich selbst bestätigen, dass an vielen Orthoceren und
Lituiten jede Kammerscheidewand vorne und hinten mit einem
feinen staubartigen Ueberzuge bekleidet ist, welcher den beiden 3)
obengenannten Häutchen entspricht.
1) In einem PostScript zu dem vierten » Beitrag zur Kenntniss der in ost-
und westpreussischen Diluvialgeschieben gefundenen Silurcephalopoden« Schrift,
d. physik -Ökonom. GesellschaÜ, Bd. XXIII, 1S82, S. 10G schrieb ich: »Sowohl
Remele als Noetling sprechen von einer dritten Schalschicht bei TJtuites lituus.
Dieselbe ist nach Ersterem punctirt, nach Letzterem glatt. Diese Differenz er-
klärt, sich einfach daraus, dass Beide etwas Verschiedenes gesehen haben. Remele’s
punctirte dritte Schicht ist eine innere Lage der zweiten, welche der Perlmutter-
schicht des Nautilus entsprechend, auch bei anderen Cephalopoden, zuweilen in
zwei oder mehr Lagen spaltet. Noetling’s glatte dritte Schicht ist, wie er selbst
sagt, die Fortsetzung der Scheidewände auf die äussere Schale, welche ich in
meinem Beitrag II, p. 67 den »Ansatzring der Kammerscheidewände« genannt
habe. Ein integrirender Theil der äusseren Schale ist sie in den Luftkammern,
die Wohnkammer zeigt sie nur vor der letzten Nahtlinie. Ich selbst spreche da-
her von zwei Schalenmerabranen.« Eine andere Möglichkeit wäre die, dass Remele’s
dritte Schalenschicht der »Runzelschicht« Sandberger’s und Barrandk’s 1. c. II,
5 p. 1181 cqq. Hiermit fällt natürlich auch die Homologisirung der »inneren
glatten Schicht« mit der Perlmutterschicht des Nautilus, die Noetling zu ver-
muthen scheint. Die zweite punctirte Schicht parallelisirt Noetling mit der
schwarzen Schicht bei Nautilus, sie entspricht jedoch jedenfalls der Perlmutterschicht.
2) 1. c. H, 4 p. 208.
3) Keferstein, 1. c. S. 1342, behauptet zwar, dass sich auf der Vorderseite
der Septa keine Spur einer unverkalkten Membran findet. Dem muss ich ent-
schieden widersprechen; sämmtliche Exemplare des Nautilus zeigen deutlich zwei
Septalhäutchen von der angegebenen hornig-kalkigen Beschaffenheit und gelblichen
F arbe.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
199
Der Bau des Sipho lässt sich namentlich an solchen In-
dividuen, wo die Luftkammern mit krystallinischem Kalk und
das Sipho- Lumen mit dichter Kalkmasse erfüllt sind, stndiren.
Der Sipho ist in diesem Falle mit seiner Hülle in so vollstän-
digem Zusammenhänge erhalten, dass er als vollständiger Cy-
linder, wie bei vaginaten Orthoceren, aus der Schale beim Zer-
schlagen herausfällt. Die Siphonalduten sind sehr kurz und häufig
nur dadurch angedeutet, dass sich die Kammerwand ein wenig
nach hinten umbiegt. Als Fortsetzung der Siphonaldute bemerkt man
in Längsschliffen zwei feine Linien nach der nächstvorhergehenden
siphonalen Durchbohrung gehen; diese Linien sind die Längs-
schnitte desjenigen Theiles des Sipho, der dem hornigen Abschnitt
bei Nautilus entspricht. Bei den vaginaten Orthoceren und den mit
geschlossenem Sipho versehenen, gekrümmten Cephalopoden (IIolo-
choanoiden Hyatt’s1)) ist die Structur der Wand, welche das Innere
des Sipho von den Luftkammern trennt, ganz dieselbe, wie die
der Kammerwand. Der hintere Theil der Siphonalumhüllung bei
regulären und cochleaten Orthoceren (Ellipochoanoiden Hyatt’s)
sticht dagegen vollständig gegen die Kammerwand der Structur nach
ab; während diese aus bräunlichem, krystallinischem Kalk besteht,
hat der hintere Theil des Sipho ein mehr erdiges Aussehen und eine
gelbliche oder dunkle Farbe. Derselbe ist gegen Säuren wider-
standsfähiger, was uns zu dem Schlüsse berechtigt, dass er aus
einer mit organischer Substanz stark durchtränkten Masse bestand,
wie die Verhältnisse ja auch bei Nautilus sind.
Dass ferner die Verwachsung des Mantelhinterendes mit der
Schale an den palaeozoischen Nautiliden eine in den allgemeinen
Zügen und in manchen Fällen sogar bis in die Einzelheiten gleiche
wie bei Nautilus gewesen ist, glaube ich, geht mit Bestimmtheit
aus den Untersuchungen hervor, die Dames 2), Dewitz, Noetling
und der Verfasser 3) über diesen Punkt veröffentlicht haben.
Ich bin auf die nachweisbare morphologische Uebereinstimmung
der Schale der palaeozoischen Cephalopoden und des Nautilus
hier etwas näher eingegangen, um daraus den Schluss ziehen
9 Proc. of the Boston Soc. of Natural History Yol. XXII, 1884, p. 260.
2; Sitzungsber. d. Ges. natnrf. Freunde. Berlin 1879, S. 2.
3) Schrift, d. phys. Ök. Gesell. XXII, 1881, I, S. 55 ff.
200
Henry Schröder, Pscudoseptale Bildungen
zu können, dass auch der physiologische Vorgang der Septen-
und Siphobildung ein ähnlicher gewesen ist. Derselbe wird von
Keferstein *) sehr anschaulich geschildert: »Der hinter dem
Annulus liegende Theil der Körperoberfläche wird die Luft, die
wir in den Kammern finden, absondern und der Annulus verhindert
es, dass die Luft zwischen Mantel und Schale nach vorn entweicht.
Beständig wird durch diese abgesonderte Luft das Thier nach vorne
gedrängt und rückt darin ebenso fort, wie die Schnecke in der
Schale, indem sich dabei an der Mündung die Schale beständig
verlängert .... So sieht man an der Nautilusschale am Muskel-
und Ring-Ansatz deutlich dem vordersten Rande parallele Streifen,
als Zeichen des beständigen Fortrückens. In dieser Weise entfernt
sich der Nautilus mit der Absonderung der Luft ständig von dem
letzten Septum und wächst dabei bedeutend, wie die meisten
Schnecken, indem sich die Schale nach vorne entsprechend dem
Thier beträchtlich erweitert. Wie aber fast alle Concliylien Zeiten
des Wachsthums mit denen der Ruhe wechseln lassen, wie bei
den Schnecken z. B. sofort die in bestimmten Abständen wieder-
kehrenden Mündungswülste zeigen, so ist es auch mit dem Nautilus.
Und wenn er im Wachsthum stille steht, keine Luft mehr ab-
sondert und in der Schale nicht mehr vorritckt, so entsteht auf
dem sonst Luft ausscheidenden Hinterende des Thieres, hinter
dem Annulus eine vertikale Cuticularbildung , Perlmutterschicht,
das Septum, wie sie im vor dem Annulus liegenden Bereiche des
Alanteis beständig gebildet wird.« Der Sipho, als die diiecte Ver-
längerung des Mantelhinterendes, wird durch ein allmähliches Aus-
ziehen desselben während des Wachsthums gebildet.
Diese Beschreibung können wir kurz dahin zusammenfassen:
Der Mantelrand, der Annulus und Sipho wachsen bei Nautilus
gleichmässig fort und ruhen periodisch während der Abscheidung der
Kammerwand. Dieselbe Anschauung vertritt Woodward * 2), wenn
er sagt: » the septa indicate perodic rests«. Auch Waagen3),
b Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreiches III, 2, S. 1343.
2) Manual of Mollusca p. 184.
3) Palaeontographica XVIII, S. 186.
in den Kammern fossiler Ceplialopoden.
201
Barbande t) und Dewitz * 2) treten den Auseinandersetzungen
Keferstein’s bei. In der Lebensthätigkeit des Mantels wechselt
also bei Nautilus ein Stadium des fortschreitenden, die Körperfläche
vergrössernden Wachthiuns mit einem Stadium der septenbildenden
Ruhe ab. Kalkabsonderung und Ruhe, Luftabsonderung und W achs-
thum sind aneinander gebunden. Die jedes Septum einfassenden,
erdigen Membranen, die Septalhäutchen, zeigen den Anfang
und das Ende des Ruhezustandes und d er Kalkab so nd e-
riing an.
Drücken wir dies schematisch aus:
Anfang hinteres \
(Sp) Ruhe Septum Septalliiiutehen (sp)
Endo vorderes '
(K) Wachsthum Kammerlumen (k)
Anfang hinteres \
(Sa) Kühe Septum Septalhii utclien (sa)
Ende vorderes >
Auf einen ähnlichen Wechsel der Lebensfunctionen des Mantel-
hinterendes führe ich ebenfalls die Bildung der Pseudosepta und
Pseudoseptallamellen zurück, nur mit dem Unterschiede, dass die
Kalkabsonderung vor und nach dem Stadium der absoluten Ruhe
in das Wachsthumsstadium hinübergriff.
Bevor ich jedoch diese Deutung auseinandersetze, will ich die
Gründe hervorheben, welche zu der Annahme zwingen, dass die
pseudoseptalen Membranen und auch die zwischen ihnen und den
normalen Septen abgelagerten Kalklamellen organischen Ursprungs
und zu Lebzeiten des Thieres entstanden sind. Betreffs der
Pseudosepta dürften auch dem scrupulösesten Skeptiker folgende
Thatsachen genügen:
1) Die Pseudosepta sind an vielen Individuen und von meh-
reren Forschern als distincte Membranen oder Häutchen beobachtet
worden.
2) Im Bereich der Pseudosepta sind deutliche Spuren von
Gelassen vorhanden.
') 1. c. 11,5, p. 1237.
2) Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Halle III, 3, 1878, S. 293.
202
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
3) Die Oberflächenzeichnung mehrerer Pseudosepta ist der-
artig, wie wir sie nur an organischen Gebilden zu sehen ge-
wohnt sind.
4) Die Pseudosepta sind in den Kammern vollständig sym-
metrisch angeordnet und legen sich in Falten, die, abgesehen von
geringen Schwankungen, zweifellose Beziehungen zur Mediane
der Schale haben.
5) Die Entfernung der Pseudosepta von den normalen Septen
steht im umgekehrten Verhältnis zu dem Alter des Thieres und
weist somit auf eine Abhängigkeit von den Lebensfunctionen hin.
Ist die organische Natur der Pseudosepta hiernach gesichert,
so können dieselben entsprechend den normalen Septen nur als
eine Cuticularbildung betrachtet werden und verlangen, wie die
Septa als Hauptbedingung für ihre Entstehung, dass das Mantel-
hinteren de an der Stelle, wo sie jetzt vorhanden sind, eine Zeit
lang verharrt hat. Das Mantelhinterende ruhte also momentan
während der unter normalen Verhältnissen geforderten Wachsthums-
periode und erhielt dadurch die Fähigkeit, eine kalkige Membran
abzusondern.
Schwieriger wird die Deutung der Entstehung der Hori-
zontallamellen , deren organische Natur man jedoch ebenfalls
kaum bestreiten kann. Da dieselben durch die Gestalt der
Pseudosepta bedingt sind, so können dieselben Gründe für ihre
organische Natur angeführt werden. Doch wäre hiergegen fol-
gender Ein wand möglich : Zugegeben, die Pseudosepta sind orga-
nischen Ursprungs und waren bereits beim Absterben des Thieres
vorhanden, so könnten die Kalkspathmassen zwischen ihnen und
den normalen Septa immerhin noch rein anorganische Infiltration
sein. Dieselbe war jedoch nur auf zwei Wegen möglich: durch
die äussere Schale und durch den Sipho. Der letztere Weg ist
der leichtere, da hier nur die dünne kalkige und bei manchen
Formen zum grossen Theil aus nur hornig -kalkiger Masse be-
stehende Wandung an dem mit kohlensaurem Kalk gesättigten
Wasser zu durchdringen war. Um so auffallender und vollständig
gegen eine derartige Infiltration sprechend ist die Thatsaehe, dass
die siphonale Wand nicht und nur dann einseitig mit Kalkspath
ia den Kammern fossiler Cephalopoden.
203
umhüllt ist, wenn die pseudoseptalen Falten mit dem Sipho in
Verbindung treten. Die sämmtlichen von mir untersuchten Indi-
viduen von Lit. lituus , deren Zahl nicht gering ist, zeigen in allen
Kammern im Bereich des ehemals hornigen Sipho nur die zangen-
artige mit der Verticallamelle verbundene Umfassung durch Kalk-
spath auf der Siphoualseite, während die Antisiphonalseite davon
frei ist. In gleicher Weise hat Barrande *) bei den obengenannten
Formen Orth, seoerum etc. nie beobachtet, dass sich sein soge-
nanntes depöt organique auf der Aussenseite der Wandung des
Sipho vorfand.
Bei einer supponirten Infiltration durch die äussere Schale ist es
erstens unverständlich, wesshalb sie sich grade zwischen den Pseudo-
septen und Septen ihren Weg suchen musste und alle anderen
Räume der Luftkammern, zu denen sie ebenso leicht oder noch
leichter Zutritt hatte, verschonte, ferner wesshalb man nur in den
hinteren, jedoch nie in den vorderen Kammern, in denen die
Pseudosepta fehlen, Kalkspathlagen von gleicher Beschaffenheit an-
trifft, ferner weshalb z. B. in den Luftkammern von Orth. Berendti
nur hintere und nicht auch vordere Horizontallamellen entwickelt
sind. Pseudosepta und Horizontal- resp. Vertical-
lam eilen sind au einander gebunden.
Ebenso wenig kann man bei der Annahme einer rein anor-
ganischen Infiltration erklären, wie die so äusserst zarten Mem-
branen der Pseudosepta, wenn sie allein vorhanden waren, bei der
Verwesung und während des Eindringens der Versteinerungsmasse
sich in der so vielfach beobachteten Regelmässigkeit erhalten haben,
ohne dass sie bereits auf einer festen Lamelle auflagen.
Ein anderer Grund, die Horizontal- und Verticallamellen für
ein bereits zu Lebzeiten des Thieres vorhanden gewesenes Kalk-
gerüst zu erklären, ist die Beobachtung Barrande’s, dass bei deu
zahl reichen Orthoceren des böhmischen Silur, die eine Pseudo-
septenbildung aufweisen, ein scharfer Gegensatz zwischen Kalk-
spath als Ausfüllung des inneren Kammerlumens und Kalkspath
als innere Bekleidung der Kammerwandung existirt ; ersterer ist
■) Vergl. S. 185 ff.
204
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
weiss imcl grobkrystallinisch, letzterer dunkel und kryptokrystalli-
nisch. Bei einzelnen Exemplaren von Orth. Berendti und discors
habe ich ebenfalls in den entsprechenden Gebilden eine derartige
Färbung beobachtet. Die Horizontallamellen der nordeuropäischen
Lituiten sind in ähnlicher Weise durch ihr milchiges und wolkiges,
undeutlich krystallines Aussehen vor den Kalkspathmassen, wenn sie
als Kammerausfüllung auftreten, ausgezeichnet. Kommen im ersteren
Hohlräume vor, so sind dieselben, mit Kalkschlamm erfüllt, von
glatten Grenzlinien eingeschlossen, und gewähren selten das Aus-
sehen von Drusenräumen.
Ein Bestehen der Horizontallamellen aus einzelnen, dünnen
Lagen hat sich bis jetzt nicht nacliweisen lassen, ebenso wie ja auch
an den Septen, die doch ohne Zweifel aus Perlmuttersubstanz
bestanden haben, fast nie eine Spur der ursprünglichen Structur
nachweisbar ist. Vielmehr haben dieselben ebenso wie die Septa und
Pseudosepta eine Umkrystallisation erfahren, so dass häufig z. B.
stets bei Orth. Berendti diese drei ursprünglich getrennten Gebilde
eine einheitliche Kalkspathmasse bilden1); in anderen Fällen sind
die Septa und Pseudosepta abtrennbar, während jedoch die eigent-
liche Masse des Septum und die Horizontallamelle ihre organische
Structur vollständig eingebüsst haben. Es ist dies Verhalten das
Gleiche, wie in den »anneaux obstructeurs« Barrande’s und den
Kalkspathmassen, welche die »dards siphonaux« der vaginaten
Orthoceren umkleiden. Hiermit muss der Einwand, den man
gegen die organische Natur Vorbringen könnte, dass alle diese
Gebilde aus deutlich krystallinem Kalkspath bestehen, naturgemäss
fallen.
Sind die Beweisgründe für die organische Entstehung der
Horizontallamellen auch fast lediglich negativer Natur, so erscheint
!) Da die schlammige Kammerausfüllung der. Metamorphose einen bedeu-
tenderen Widerstand entgegensetzte als die schon an sich balbkrystallinische Perl-
muttersubstanz, so erklärt sich auf diesem Wege einfach die auffallende Beobach-
tung Dewitz’ (Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges.xxxu, 1880, S. 88G), dass die nor-
malen, relativ dicken Septa häufig resorbirt, die Hilfskammerwände (d. h. die Grenzen
von späthiger zur schlammiger Kammerausfüllung) dagegen wohl erhalten in
ihrer ganzen Ausdehnung zu verfolgen sind.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
205
dieselbe jedoeli gesichert. Im Gegensatz zu den durch Kalkab-
sonderung währen d m omentaner Ruhe entstandenen Pseudo-
septeu, müssen die Horizontallamellen während lang-
samen Vorrückens des Thieres entstanden sein.
Die sich aus der ganzen vorstehenden Erörterung ergebende
Deutung der Pseudosepta und der Lamellen ist die folgende.
Nehmen wir zunächst den gewöhnlichen Fall und diejenige Er-
scheinungsweise an, welche in den mittleren Stadien ihrer Ent-
wicklung die verbreitetste ist, nämlich dass in jeder Kammer zwei
Fig. 3.
von einander deutlich getrennte Pseudosepta o~ und acx vorhanden
sind, so verdankt die hintere Horizontallamelle (xtt) und das hintere
Pseudoseptum (ait) seine Entstehung dem Umstande, dass die
Fähigkeit der Kalkabsonderung nicht gleich beim Verlassen des Sep-
tum (sp) aufhörte, sondern über die Periode der absoluten Ruhe, in
welcher dasselbe gebildet war, hinaus eine Zeit lang auch während
langsamen Vorrückens des Mantels dauerte, bis sie nach Absonderung
des Pseudoseptum (atr) ganz erlosch. Ebenso wie auf diese Weise
die hintere Horizontallamelle (xu) und das hintere Pseudoseptum
der Luftkammer eine Fortdauer der Kalkabsonderung andeuten,
weist die vordere Kalkspathlage (xa) und das vordere Pseudo-
septum (oa) der Luftkammer den vorzeitigen Beginn der Kalk-
absonderung bei noch nicht vollständig eingetretenem Ruhestadium,
o O O 7
dem das vordere Septum (sa) seine Entstehung verdankt, hin.
Das mit Luft erfüllte Lumen der Kammer entspricht
einem Vorrücken des Thieres bei fehlender Kalkab-
sonderung, die jedes Septum einscli Hessen den Hori-
zontallamellen dagegen einem Waclisthum des Thieres
206
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
bei fortdauernder resp. frühzeitig eintretender Kalk-
absonderung. Die Pseudosepta bezeichnen das Ende
und den Beginn der Kalkabsonderung. Sie dürfen nicht
als Analoga der normalen betrachtet werden, sondern sind den
begleitenden erdigen Septalhäutchen derselben analog.
Drücken wir den iu jeder Kammer stattfindenden Vorgang
schematisch aus :
hinteres )
(Sp) Ruhe Septum / Septalhäutchen (sp)
vorderes )
(Ktc) Langsames Wachsthum1). Hintere Pseudoseptallamelle (xtt)
(1 -) Ende. Hinteres Pseudoseptum (stt)
(K) Waclisthum . . . Kammerlumen (k)
(2 a) Anfang. Vorderes Pseudoseptum (atz)
(Ka) Langsames Wachsthum1). Vordere Pseudoseptallamelle (xa)
hinteres j
(Sa) Ruhe Septum > Septalhäutchen (sa)
vorderes )
W ie bekannt ist das Nautilusthier durch ein ringförmig um
das hintere Körperende laufendes Band, als dessen Erweiterung
die beiden seitlich symmetrisch liegenden Muskelplatten anzusehen
sind, an die Schale geheftet2). Diese Verwachsungsstelle, der
Annulus, liegt mit ihrem hinteren Rande auf der Bauchseite um
ein beträchtliches Stück, auf der Rückenseite jedoch unbedeutend
von dem Vorderrande des Ansatzringes der Kammerwände ent-
fernt. Dass die Verhältnisse an fossilen Cephalopoden, wenn auch
im Einzelnen vielfach abweichend, im Grundpriucip ähnliche
waren, haben Dewitz3) und ich4) nachgewiesen. Auch hier blieb
die Verbindung des hinter dem Annulus befindlichen Stückes des
Mantels weniger fest, als sie im Bereich desselben war.
0 Das Vorriicken des Thieres in der Schale während dieser Periode dürfte
man vielleicht besser als ein Abdrängen des Mantelhinterendes von dem Septum,
hervorgerufen durch die Kalkabsonderung, bezeichnen.
2) Vergl. über diese Verhältnisse Schroeder, Schrift, d. phys. ökon. Ges.
Königsberg XXII, 1S81, I S. 55.
3) Schrift, d. phys. ök. Ges. 1880, S. 1G8.
4) 1. c. S. 57 ff.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
207
Begann nun die Wachthumsperiode , so rückte der Annulus
jedenfalls wie der Spindelmuskel der Gastropoden durch Resorp-
tion des Hinter- und Wachsen des Vorder -Randes in der Schale
um eine Kammerhöhe vor, während das dahinter befindliche Mantel-
stück sich mit seiner hinteren Fläche von dem Septum loslöste,
mit seineu seitlichen Theilen jedoch auf der inneren Fläche
der Ansatz ringe und der Schale nach vorne gleitend
nachgezogen wurde, und machte Halt, um ein neues Septum
abzuscheiden. Dies der normale Vorgang.
Bei Bildung der Pseudosepta erfolgte dagegen das Vorrücken
in drei Absätzen. Im ersten secundären Wachsthumstadium (Kit)
rückte der Annulus und ebenfalls das hinter ihm befindliche Mantel-
stück etwa um die Entfernung des alten Ansatzringes der Kammer-
wand von dem neu zu bildenden normalen Septum vor; während
dessen hatte die Kalkabsonderung den Mantel um ein nahezu gleich
grosses Stück von dem alten Septum gewissermaassen abgedrängt
und denselben auch seitlich beengt, so dass während des Haupt-
wachsthumstadiums (K), in welchem der hauptsächliche Fortschritt
des Thieres in der Schale stattfand, sich nur ein Theil der hinteren
Fläche des Mantels von dem Pseudoseptum loslösen konnte, die
seitlichen, äusseren Theile desselben dagegen in Berührung mit
der inneren Fläche der bereits vorhandenen hinteren
Horizontallamelle und des Pseudoseptum nach vorne
glitten; ja sie blieben sogar auch während der Bildung des
vorderen Pseudoseptum mit derselben innerhalb einer randlichen
Zone in Connex. Flieraus erklärt sich die Erscheinung, welche
Dewitz die »Gabelung der Hilfskammerwände« genannt hat und
der Umstand, dass beide Pseudosepta sich ständig in demselben
Punkt an die äussere Schale anlegen. Dieselbe Stelle hat sich
in der Mehrzahl der Fälle1) das am Schluss des zweiten seenn-
dären Stadiums (K a) entstehende normale Septum gewählt.
Ich habe bisher nur diejenige Erscheinungsweise der Pseudo-
septa behandelt, welche in den mittleren Lebensstadien des
Individuums die verbreitetste ist. In älteren und jüngeren Kammern
b Eine Ausnahme bietet Orth, truncatum Baku, siehe weiter unten.
208
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
verschieben sich die drei oben getrennt gehaltenen Wachsthums-
perioden gegen einander. Im Alter erscheint das Hauptwachs-
thumstadium (K), dessen Product das Kammerlumen ist, gegen
die beiden secundären Stadien soweit reducirt, dass beide Pseudo-
septa in einem grossen Theil ihrer Fläche auf einander ruhen und
so Ende und Anfang der Kalkabsonderung (2tt und 2 a) fast zu-
sammen zufallen scheinen; in jüngeren Kammern dagegen über-
wiegt das Hauptwachsthumstadium immer mehr, die secundären
kommen immer weniger zur Geltung, bis dann zuerst das vordere,
dann das hintere s;anz erlischt und so der Uebergang; in die normale
Septenbildung, wie sie in den der Wohnkammer zunächst liegen-
den Kammern vor sich geht, geschaffen ist. Bei Lit. lituus und
den böhmischen Orthoceren ist die Entwicklung' dieser Verhält-
nisse allmählich und continuirlich; in den Kammern der breviconen
Lituiten scheint sie jedoch mehrfach sprungweise vor sich gegangen
zu sein, indem hier eine Kammer mit weit von einander stehenden
Pseudosepten auf eine solche mit dicht auf einander liegenden
folgen kann (cf. Dewitz, Zeitschr. f. ges. Naturw. 1878, Taf. XIII,
Fig. 2 u. 3; Holm, 1. c., Taf. IV, Fig. 3; Noetling, Jahrbuch der
geol. Landesanstalt für 1883, Taf. XVIII, Fig. 6). Bei Orth.
Berendti erscheint das zweite secundäre Stadium sehr frühzeitig
unterdrückt, da bis jetzt noch kein vorderes Pseudoseptum in
deutlicher Entwicklung beobachtet ist.
Ich komme nun zu der Deutung der HoLM’schen dachförmigen
und der MAsCKE’schen verticalen Pseudoseptalfalten.
Erstere erklären sich folgendermaassen :
Nach der Bildung eines normalen Septum rückte das Mantel-
hinterende in einer radiären Linie auf der Siphonalseite garnicht
von dem Septum ab, so dass das Pseudoseptum hier an die Con-
cavfläche des Septum befestigt erscheint (Septale Verwachsuugs-
linie Holms bei Ancistroceras undulaium ). In anderem Falle löste
sich der Mantel zwar los , blieb aber auf der siphonalen Seite
hinter der übrigen Mantelfläche entweder in einer anfangs
linienartigen, dann sich allmählich zu einer radialen Zone ver-
breiternden Fläche oder in einer ursprünglich breitangelegten
Zone im Vorrücken zurück, so dass in ersterem Falle die dachartige
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
209
(Orth, severum ), in letzterem die mehr bandartige (Orth, bonum)
Falte entstand. Der geschilderte Vorgang dürfte auf ein Stocken
der Kalkabsonderung, welche die hintere Horizontallamelle bildete,
zurückzuführen sein. Entspricht der hinteren Falte eine vordere,
so unterblieb, wenn der Mantel in der Höhe des vorderen Pseudo-
septum angelangt war, in einer der hinteren Falte entsprechenden
Breite die Kalkabsonderung innerhalb der vorderen Horizontal-
lamelle, der Mantel zog sich jedoch in dieser Zone nach vorne
aus; diese Faltung ging entweder soweit, bis sich das Pseudo-
septum in einer radiären Linie an die Convexfläche des vorderen
Septum anlegte (Änc. vndulatum ) oder sie hörte früher auf
(Orth, severum ). Die Bildung und Verkalkung der eigentlich
pseudoseptalen Membranen erfolgte am Anfang resp. Ende des
Hauptwachsthumsstadium, in welchem das Kammerlumen gebildet
wurde; die Falten dagegen entstanden während der Entstehung
der Pseudoseptallamellen.
Schwieriger ist die Deutung der verticalen Pseudoseptalfalten
bei Orth. Berendti, planiseptatum und Lit. lituus. Nur dem Grade
der Entwicklung nach von der feinen Faltung der Pseudoseptal-
membranen (cf. Orth. Berendti Taf. VII, Fig. 1 und planiseptatum
Taf. VIII, Fig. 6), verschieden finden sie darin ihre physiologische
Erklärung, dass sich das Mantelhinterende während des Vor-
rückens von einem Septum zum anderen in einem Zustand der
Wucherung befand. Einen Beweis dafür sehe ich in der Beobach-
tung eines ausserordentlichen Gefässreichthums des Mantels
während der secundären Wachsthumsstadien, denn nicht nur ver-
einzelte, sondern zahlreiche Individuen des Lit. lituus und Orth.
Berendti tragen die Spuren von sehr kräftig entwickelten Gefässen,
wie sie auf den normalen Septen nie vorhanden sind. Eine Folge
des abnormen Gefässreichthums war eine über das nothwendige
Maass hinausgehende Flächenvergrösserung des Mantelhinterendes.
Denkt man sich nämlich die eigenthümlich buckligen und wulstigen
Pseudosepta von Lit. lituus, Orth, severum etc. zu einer septen-
älinlichen Membran geglättet, so stellen dieselben eine viel grössere
Oberfläche dar, als für die Bildung eines neuen normalen Septum
erforderlich. Da sich aber der vollständigen glatten Ausbreitung
Jahrbuch 1887.
14
210
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
dieser hypertrophen Membranen die bereits vorhandene und z. Th.
mit der Horizontallamelle innerlich bekleidete Schale und der noch
nicht genügend weit vorgerückte Annulus entgegensetzte, mussten
sich die Pseudosepta in Buckeln, Wülste und Falten legen, die
entweder radiär oder concentrisch angeordnet und so die Veran-
lassung zu den ihnen eigenthümlichen Oberflächenzeichnungen
wurden.
Wo durch die ganze Luftkammer hindurchsetzende Vertical-
lamellen entwickelt sind, hörte die Kalkabsonderung auf der Sipho-
ualseite (resp. wenn zwei Lamellen vorhanden sind auf Siphonal-
und Antisiphonalseite) auch während des Hauptwachsthumstadiums
innerhalb einer schmalen radiären Zone überhaupt nicht auf, und
das Mantelhinterende schlug ich in Folge dessen zu einer Falte
nach vorne bis zum vorderen Pseudoseptum resp. Septum und
nach innen, wo sie entweder am Sipho endete (Orth. Berendti )
oder denselben zangenartig umfasste (Bit. lituus ). Bei Orth.
Berendti legte sich die Falte, soweit beobachtet, direct an die
Convexfläche des vorderen Septum an, während sie bei Lit. lituus
an dem vorderen Pseudoseptum endigt, das hier eine dem nor-
malen Septum ähnliche Gestalt annimmt, ein Vorgang, der sich
während des Vorrückens des Mantels von dem hinteren nach dem
vorderen Pseudoseptum abgespielt haben mag. Ebenso wie auf
dem hinteren setzte sich auch während der Bildung des vorderen
Pseudoseptum die Kalkabsonderung in einer entsprechenden
radiären Zone fort. Der Raum zwischen den Membranen der Falte
füllte sich mix organischer Kalkmasse (Perlmuttersubstanz?) und
trat dadurch, dass er nach hinten und vorne von keiner Membran
abgeschlossen war, mit der vorderen und hinteren Horizontallamelle
in Verbindung.
Ausser der oben berührten Hypertrophie und der dadurch
veranlassten Faltung des Mantels war die Gestalt der Pseudosepta
ferner durch die ungleichmässige Stärke ]) der Kalkabsonderung
l) Namentlich hierauf muss die Unregelmässigkeit zurückgeführt werden,
dass die Pseudosepta häufig nicht direct vom Sipho abgehen, sondern scheinbar
auf der concaven Fläche des Septum beginnen und ebenso, dass sie nach dem
Sipho stärker konisch zugehen (Dewitz).
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
211
innerhalb der Horizontal- und Verticallamellen und durch die
Spannung, in welcher der Mantel durch die in seinem Innern
befindlichen Organe und die Körperflüssigkeit gehalten wurde,
bedingt.
Die Analoga der Pseudoseptallamellen und Falten sehe ich bei
der lebenden Gattung Nautilus, wie bereits oben bemerkt, in der
accessorischen Perlmutterlage vor dem letzten Septum und in der
Normallinie.
Die eigentliche Ursache der Pseudosepta und der Lamellen
ist uns verschlossen; die Frage, was veranlasste das Thier diese
interseptalen Gebilde hinter sich zu schaffen, was war die Ursache
der augenscheinlichen Hypertrophie des Mantelhinterendes, vermag
ich nicht zu beantworten. Momentan abnorme Ernährungsver-
hältnisse sind die Ursache nicht gewesen, da der Grad der Ent-
wicklung dieser Erscheinungen eine Abhängigkeit von dem Alter
des Individuums verräth.
Dagegen darf man als sicher annehmen, dass das Vorhanden-
sein der Pseudoseptallamellen einen Einfluss auf die Lebensthätig-
keit des Thieres insofern gehabt hat, als es das Gewicht der Schale
erhöhte1). Berücksichtigt man ausserdem, dass die Vertical-
lamellen und Falten entweder genau in die Mediane fallen oder
doch nur wenig in ihrer Lage um dieselbe sckwanken, so kann
man behaupten, durch die Erhöhung des Schalengewichtes erlangte
das Thier eine grössere Gewalt über die Schale und erzielte
hierdurch eine sicherere Lenkbarkeit des Schalenendes.
Mehrfach scheint eine Folge der mit der Pseudoseptenbildung
verbundenen Ablagerung des »depöt organique« ein Abstossen ein-
zelner damit erfüllten Kammern gewesen zu sein; so werden z. B.
sehr häufig im Ober -Silur Englands die Steinkerne einzelner
Kammern gefunden, die Blake2) zu Orth, imbricatum zieht und
von denen ich oben wahrscheinlich gemacht habe, dass sie Ausfül-
lungen von Luftkammern gewesen sind, die mit den pseudoseptalen
Horizontallamellen ausgekleidet waren. Da ich diese Erscheinung
o o
') Barrande 1. c. II, 4, p. 280 u. Zittel, Handb. d. Palaeontologie I, 2, S. 359.
3) Siehe oben S. 188.
14*
212
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
der Abstossung, die au bestimmten Böhmischen Orthoceren Regel
ist, weiter unten behandeln werde, verweise ich auf meine Seite 226
gegebenen Ausführungen.
Ich habe bisher absichtlich, um die Sache nicht noch weiter
zu compliciren, vermieden, auf die von meinen Vorgängern über
die Entstehung der Pseudosepta geäusserten Ansichten einzugehen.
Gelegentlich der folgenden Kritik der früheren Deutungen wird
es sich heraussteilen, dass die meinige sich in mehrfachen Punkten
an die älteren anlehnt, wenn sie auch, als Ganzes betrachtet,
durchaus selbstständig ist.
Bei S. P. Woodward x) linden wir die erste Deutung der
Pseudoseptenbildung. Nach ihm löste sich eine die inneren Wände
der Luftkammern auskleidende Membren ab und zog sich zu-
sammen, so dass zwischen ihr und den Wänden ein Zwischenraum,
in welchen der Schlamm nicht eindringen konnte, blieb. Der
Schlamm nahm seinen Weg bei Actinoceras vom Sipho aus durch
Blutgefässe , worunter die eigenthümlich radial angeordneten
Zwischenräume zwischen den »anneaux obstructeurs« Barrande’s
zu verstehen sind. In anderen Fällen * 2) drang der Schlamm durch
den in den hinteren Kammern unvollständigen (indem sein »tube«
nur ein Drittel der Kammerhöhe einnahm) Sipho in den von den
»lining membranes« übrig gelassenen Raum ein. Wir haben also
bereits hier die von allen (ausser Barrande) Forschern, welche
sich mit dem Gegenstände befasst haben, festgehaltene Behauptung,
dass die Pseudosepta wirkliche Membranen seien. Ich muss ge-
stehen, das Grundprincip der WoODWARD’schen Deutung erschien
mir am Anfang meiner Untersuchungen sehr einleuchtend, zumal
ja eine die inneren Wände der Luftkammern auskleidende Mem-
bran wirklich später entdeckt wurde. Jedoch hat mich nach
vielen Bemühungen, den von dem englischen Forscher nicht ge-
gebenen Beweis zu liefern — ich habe versucht, das Fehlen der
erdigen Septalhäutchen auf den normalen Septen zu beweisen,
') Manual of Mollusca 1851 p. 82.
2) Wood ward, Quart. Journ. geol. Soc. 185G, XII, p. 378.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
213
wann die Pseudosepta entwickelt sind — die Erwägung, dass die
WooDWARü’sche Deutung für die begleitenden Erscheinungen der
Faltung etc. unzureichend ist, bewogen, dieselbe aufzugeben.
Barrande *) bestreitet 1857 die Möglichkeit einer sieb ab-
lösenden und zusammenziehenden Haut, da dergleichen an Nau-
tilus nie beobachtet wäre. Er erklärt die von Woodward beob-
achteten Erscheinungen als »eigentbümliche Fälle von Ausfüllung,
entweder durch Krystallisation im Innern oder durch mechanische
Eintreibung von Schlamm von aussen her.« Jedoch bereits zwei
Jahre später beschreibt Barrande * 2) eine ganze Reibe von Er-
scheinungen, die in eine Kategorie mit der Pseudoseptenbildung
fallen, wie ich oben nachgewiesen habe. Im Jahre 1877 führte3)
er seine früheren Beschreibungen weiter aus und kommt zu fol-
gender Theorie über die Entstehung des »depöt organique«: »Au
moment oü la cloison est terminee, la faculte de secretion est
suspendue sur une grande partie de la surface du fond du man-
teau, tandisqu’elle persiste sur l’autre. D’apres la position ci-des-
sus etablie du depöt organique, c’est la region ventrale qui con-
serve la faculte de secretion, mais non plus avec la meme uniformite,
car le produit qui en resulte est irregulier, et contraste avec la
regularite du cloison. A mesure que ce produit recouvre la
moitie ventrale, en s’etendant meine peu ä peu sur la moitie dor-
sale, avec une epaisseur reduite, le fond du sac se trouve gra-
duellement bossele et souleve, de sorte qu’une partie de sa sur-
face ne repose plus immediatement sur la cloison, mais sur le
depöt qui se forme. Cette accumulation de la substance secretee
se continue jusq'au retour de l’epoque periodique de la progression
du mollusque vers le haut. Alors, le manteau se detache ä la fois,
mais lentement, de toute la surface sur la quelle il reposait et se
trouvant libre, il reprend sa forme arrondie. Des ce moment, au-
cune secretion ne peut s’ajouter ä la masse deposee sur la cloison,
qui vient d’etre abandonne. Mais comme la secretion continue,
’) Neues Jahrb. f. Mineralogie 1857, S. 679 ff.
2) Bull. soc. geol. de France ser. 2, XVI, p. 828 und Neues Jahrb. f.
Mineralogie etc. 1859, p. 780.
3) Syst. sil. II, 4 p. 264 sqcj.
214
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
le produit solide qui en resulte reste fixe ä la calotte eile meine
du manteau, pendant la progression. Seulement, comme le bord
de la surface reste en contact avec la paroi ventrale du test de la
coquille, cette paroi continue a recevoir la matiere exsudee, jus-
qu’ä ce que le mollusque s’arrete dans sa prochaine Station.«
Barrande’s Theorie von einem Ilinübergreifen der Kalksecretion
in das Wachsthumstadium ist die Grundlage meiner eben ausein-
andergesetzten Deutung der Pseudoseptallamellen. Barrande
nimmt allerdings an, dass, wenn vorderes und hinteres depot or-
ganique entwickelt sind, die Absonderung während der ganzen
Wachsthumperiode persistirt habe; die Beobachtung jedoch, dass
an nordeuropäischen Silurcephalopoden beide nach vorne resp.
hinten von einer distincten Begrenzungsschicht, dem Pseudoseptum,
gegen das Kammerlumen abgeschlossen sind, führt zur Annahme eines
Intermittirens der Kalksecretion während der Wachsthumsperiode.
Mascke a) erwähnt gelegentlich seiner Beschreibung des Genus
Clinoceras bei perfecten Lituiten und einer Gruppe der regulären
Orthoceratiten (cfr. Orth, dimidiatum ) das Auftreten von Längs-
wänden, welche bis zum Sipho reichen. Es sind dies unsere Ver-
ticallamellen. Ferner bespricht er die Bildung des depot organique
und kommt dabei zu einer anderen Erklärungsweise wie Barrande.
»Nach diesem ist das »depot organique« ein spontanes Erzeugniss
des Organismus, müsste also in gleich grossen Gehäusen der
gleichen Species vorschreiten und dürfte in keinem Gehäuse
ganz fehlen. Es giebt nun aber Orthocerengehäuse ohne depot
organique. . . . Da nun Barrande für keines der von ihm dieser-
halb besprochenen Gehäuse die Unverletztheit testirt und unter
circa 300 Nautilidengehäusen, welche vorliegen, auch keins befind-
lich ist, in welchem das »depot organique« bei unverletztem
Hinterende vorkommt, so steht der Annahme nichts entgegen, dass
seine Bildung erst begann, nachdem und weil eine Verletzung des
Nucleus und der Anheftestelle des Sipho in demselben oder den
hinteren Kammern überhaupt stattgefunden hatte ... War auf
!) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1876, xxviii, S. 53.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
215
irgend eine Weise eine Verletzung des Nucleus vorgekommen, so
füllten sich zuerst die hinteren und allmählich mehr und mehr
Kammern durch Infiltration von dem freiliegenden Septum aus
mit Wasser, an welches dann der Sipho, vielleicht in erhöhtem Maasse,
die Ausscheidung abgab, welche sonst zur Siphonalscheide ver-
wandt wurde. Aus der so entstandenen Lösung setzten sich die
festen Bestandtheile an den gleichartigen Kammerwänden und der
Siphonalscheide ab und bildeten eine allmählich an Dicke zu-
nehmende, hornig - kalkige Incrustation, an deren Bildung die
Lebensthätigkeit nur in direct betheiligt war.«
Zunächst bemerke ich, dass es mir, nach der Abbildung
Mascke’s (Taf. I, Fig. 1 c) zu urtheilen, gewagt erscheint, die
Kalkincrustation der Kammern bei Clinoceras für depot organique
zu erklären, da Barrande ausdrücklich bemerkt, dass dasselbe
sich nie um den Sipho in ganzer Rundung ablagere. Eine der-
artige von Mascke abgebildete Erscheinung mag vielleicht durch
Eindringen kalkhaltiger Wässer in verletzte Schalen entstanden
sein ; dagegen muss ich mich gegen seine Theorie der Entstehung
des wirklichen depot organique auf das entschiedenste erklären,
da dieselbe einen vom Nautilus wesentlich abweichenden Bau der
Siphonalscheide involvirt. Auch in den jüngsten Kammern ist hier
das Sipholumen durch theils vollständig verkalkte, theils hornig-
kalkige Wände, innerhalb welcher sich der häutige Sipho befindet,
von dem Kammerlumen getrennt und alle Beobachtungen sprechen
dafür, dass diese Verhältnisse die gleichen bei palaeozoischen Ortho-
ceren, wenn ihre Luftkammern auch mit den Horizontallamellen aus-
gekleidet waren, gewesen sind. Ausserdem ist gegen die MASCKFÄche
Deutung zu erinnern, dass jede Kalkabsonderung bei den Mollusken
als Substrat ein organisches Gewebe verlangt, wesshalb sie in der
Form von Membranen auftritt, und dass eine Abgabe von kohlen-
saurem Kalk an die äussere Umgebung erst zu beweisen ist.
Ferner ist die MASCKE’sche Theorie unvereinbar mit den
Erscheinungen der Faltung und erklärt ganz und garniclit das
Auftreten pseudoseptaler Membranen, wie sie mit dem depot or-
ganique verbunden sind.
216
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Dewitz 1) hat sich in verschiedenen Publicationen mit der
Entstehung der von ihm »Hilfskamm erwände« genannten Gebilde
beschäftigt. Die Erscheinung selbst bezeichnet er als »Doppel-
kammerung« und giebt folgende Erklärung: »Diese Doppelkam-
kamerung wurde von dem Thier wohl folgendermaassen zu Stande
gebracht. Nehmen wir an, es hat eine Kammerwand ausgeschieden;
es rückte dann mit seinem Ringmuskel in der Wohnkammer, welche
inzwischen durch die Ausscheidung des vorderen Mantelrandes
nach vorne verlängert war, um eine Kammerlänge vor; der Sipho
verlängerte sich jedoch nicht. Das auf der Kammerwand einen
Kugeltheil (wenigstens annähernd) darstellende hintere Körperende
musste sich natürlich, da der Annulus um eine Kammerlänge vor-
gerückt, der Sipho jedoch um nichts verlängert war, mehr kegel-
förmig ausziehen und in Falten schlagen, welche vom Sipho nach
dem Annulus liefen. In dieser Form schied das hintere Körper-
ende die Hilfskammerwand ab. Jetzt erst verlängerte sich der
Sipho um eine Kammerlänge, das hintere Körperende zog sich
wieder zu einem Kugeltheile zusammen und schied die neue
Kammerwand aus, welche dieselbe Nahtlinie hat wie die Hilfs-
kammerwand, da der Annulus inzwischen nicht weiter rückte.
Bei der Verlängerung des Sipho wurden zunächst die in der Nähe
desselben liegenden, mittleren Partieen der hinteren Körperenden
nach vorne gehoben, während die vom Sipho entfernter, dem An-
nulus zunächst liegenden Theile noch auf der Hilfskammerwand
verblieben. Die abgehobenen centralen Theile schieden dann
eine von der alten Hilfskammerwand sich abzweigende neue aus,
und so sehen wir die Hilfskammerwände im Durchschnitt dicho-
tomisch gegabelt.«
Gegen diese Ausführungen Dewitz' habe ich mehrfach Be-
denken zu erheben. Erstens bemerke ich, dass ich in den von
mir angefertigten Längsschnitten von stark - konischen Lituiten,
an denen Dewitz seine Beobachtungen gemacht hat, nur als Aus-
nahme die Gestalt seiner Hilfskammerwände so gefunden habe,
') Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Halle 1878, Bd. 51, S. 295 ff. — Schrift, d.
physik. - oekon. Gesellscli. Königsberg 1879, Bd. 20, S 1 80 ff. — Zeitschr. d.
Deutsch, geol. Ges. 1880, Bd. 32, S. 384 ff.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
217
wie er sie in seiner Figur 1, Tafel XIII abbildet und wie es seine
Deutung; verlangt. Nach seiner Abbildung erscheint nämlich das
Pseudoseptum als eine nur wenig gekrümmte Linie, die sich fast
in der Diagonale der Kammerhälfte von der vorderen Oeffnuug
der siphonalen Durchbohrung nach der vorderen Kammerecke
erstreckt. Die mir vorliegenden Präparate ergeben dagegen im
grossen Ganzen ein Bild, wie es Holm 1. c. Taf. IV, Fig. 3 und
Taf. V, Fig. 2 darstellt, wo die Pseudosepta sich in halber
Kammerhöhe an den Sipho in einem stumpfen bis rechten1)
Winkel anlegen, und nur als Ausnahme erscheint der Fall, dass
sich das Pseudoseptum direct nach der siphonalen Durchbohrung
des Septum heraufzieht. Hieraus folgt, bei Bildung der Hilfs-
kammerwand hatte sich meistens auch der Sipho bereits um ein Stück
verlängert und war ebenso wie der Annulus vorgerückt. Die Beob-
achtungen, welche zu der Annahme von Wachsthumsdifferenzen
zwischen Sipho und Annulus zu führen scheinen , erklären sich
vielmehr auf anderem Wege, nämlich dadurch, dass die hintere
Körperfläche nebst der siphonalen Hülle als deren directer Ver-
längerung den Spannungen, welche durch die ungleichmässige
Abscheidung der Horizontallamelle und die Bildung der Pseudo-
septalfalte, die Dewitz an Ancistroceras nicht bekannt, aber
jedenfalls an seinen Stücken auch vorhanden war, verursacht wurden,
nachgeben musste und so gezwungen war, die ursprüngliche Ka-
lottenform aufzugeben.
Als ganz unzureichend erweist sich die DEWiTz’sche Deutung
der Pseudosepta, wenn man sie auf die Erscheinungsweise der-
selben in den vorderen Kammern der Lituiten, wie sie auf Taf. VIII,
Fig. 2 dargestellt ist, anzuwenden versucht. Falls man hier an-
nehmen wollte, dass der Mantel sofort um eine ganze Kammer-
höhe vorgerückt wäre, so müsste das hintere Pseudoseptum nur
der eigentlich septalen Fläche des normalen Septum entsprechen,
während es jedoch augenscheinlich dieser Fläche und dem Ansatz-
ring des Septum an die äussere Schale gleichwertig ist. Der
b Sehr selten ist dieser Winkel ein spitzer, so dass sich das hintere
Pseudoseptum statt nach hinten herauf, nach vorne herabzieht.
218
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
Mantel kann daher hier nur um die Entfernung von dem Vorder-
rande des Ansatzringes bis zur nächsten Kammernahtlinie vor-
gerückt sein, eine Entfernung, die durchschnittlich ebenso gross,
wie die zwischen Pseudoseptum und Septum in der Nähe des
Sipho, ist; Annulus und Sipho haben sich hier um das gleiche
Stück vorgeschoben.
Gegen die Ansicht Dewitz’, dass die Septa schon bei Leb-
zeiten des Thieres aufgelöst und durch die Hilfskammerwände
ersetzt wurden, habe ich mich oben x) gewandt.
Dewitz erwähnt auch das Auftreten von Leisten, die in die
Luftkammern hineinragen, bei Orth. Berendti Dewitz und schreibt
sie der Bildung einer Mantelfalte zu, auf deren Entstehung er
jedoch nicht eingeht.
Die MASCKE’schen und DEWU'z’schen Beobachtungen sind
von Noetling und Holm wiederholt und erweitert worden.
Ersterer* 2) hat jedoch keine zusammenhängende Erörterung der
Entstehung der Pseudosepta gegeben. Aus seinen kurzen An-
deutungen geht hervor, dass seine Ansichten wesentlich den
meinigen entsprechen. So sagt er nach Beschreibung der
Gefässspuren bei Lit. lituus : »Zieht man in Erwägung, was
Waagen über die Beschaffenheit mancher Septa bei Nautilus
ne sagt hat, so muss man die Ueberzeugung gewinnen, dass hier
die Eindrücke von Gefässen vorliegen. . . . Giebt man dies zu,
so ist die kristallinische Schicht als eine secundäre Ausscheidung
des zur Zeit ungemein blutreichen Mantels aufzufassen«. Wes-
halb sich Noetling trotz dieser Auffassung gegen die Behauptung
Mascke’s wendet, dass die Verticallamellen depöt organique seien,
ist nicht einzusehen. Die von ihm angeführten Gründe, Barrande
habe niemals Gefässeindrüeke und eine Umhüllung des Sipho
durch das depöt gesehen, beweisen nur, dass die von Barrande
untersuchten Stücke dergleichen Erscheinungen vielleicht wegen
der ungeeigneten Erhaltung nicht aufweisen, wie er ja auch in
der an Arten und Individuen so reichen Fauna des Böhmischen
') Seite 204 Anm. ')•
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. XXXIV, 1882, S. 184 und Jakrb. d. Kgl.
Preuss. geolog. Landesanstalt für 18S3, S. 132.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
219
Silurbeckens nie ein Verwachsungsband gesehen hat, dessen Spuren
bei nordeuropäischen Silurcephalopoden nicht selten beobachtet
werden.
Holm 1) ist auf Grund seiner Untersuchungen zu einer voll-
ständig originellen Theorie über die Entstehung der Pseudosepta
gelangt: »Die Verlängerung des Gehäuses an der Mündung er-
folgte ununterbrochen und langsam, das Vorrücken und die Aus-
scheidung eines Septum dagegen periodisch und schneller. Es ist
nicht wahrscheinlich, dass sich der Siphonaistrang bei Formen
mit engem Sipho beim Vorrücken des Thieres ganz loslöste und
in seiner ganzen Länge mit vorgeschoben wurde; man darf viel-
mehr annehmen, dass seine Verlängerung nur am Ausgange des
Mantels und in dem dem Mantel zunächst liegenden Theil statt-
fand. Der Zuwachs, welcher eine solche Verlängerung und Vor-
Schiebung ermöglichte, ging wahrscheinlich, wie der Zuwachs des
Körpers allmählich und ununterbrochen vor sich. Bei dem perio-
dischen Vorrücken schob sich das Thier in der Wohnkammer um
die Höhe der neuen Luftkammern vor. Die Hautschicht des
Mantels, welche das hintere, gewölbte Körperende bekleidete ....
löste sich vom Septum und der Aussenwand des Gehäuses«.
Ich glaube, Holm richtig verstanden zu haben, wenn ich seine
Auseinandersetzung in folgender Weise etwas schärfer ausdrticke:
Die Verlängerung des Gehäuses an der Mündung und die Ver-
längerung des Sipho erfolgten allmählich und ununterbrochen, das
Losrücken des Mantelhinterendes von dem alten Septum und Ab-
sonderung eines neuen dagegen periodisch. Es wäre wohl denk-
bar, dass zwischen dem vorderen und hinteren Theil des Mantels
insofern ein Unterschied in den Wachsthumsverhältnissen statt
hätte, dass während der Mantelrand ständig fortwuchs, Mantel-
hinterende und Sipho in der alten Stellung verharrten und dass
in Folge der dadurch eingetretenen Spannung letztere zu einem
periodischen Loslösen resp. periodischen Fortwachsen gezwungen
waren, aber dass eine derartige Differenz am hinteren Körper-
ende selbst vorhanden war, dass der Sipho sich verlängerte,
9 Paläontolog. Abhandlungen, herausgeg. von Dames u. Kayser III, 1, S. 26.
220
Henry Schröder, Psoudoseptale Bildungen
während das Mantelhinterende noch in seiner alten Lage blieb,
ist unverständlich und widerspricht vollkommen den Ansichten,
die Woodward, Keferstein, Waagen, Barrande und Andere
über das Vorschreiten des Nautilusthieres in seinem Gehäuse
geäussert haben. Diametral entgegengesetzt ist die HoLM’sche
Annahme der DEWiTz'schen , dass das Wachsthum des Sipho
bei Bildung der Pseudosepta hinter dem Vorrücken des Körper-
endes zurückgeblieben sei.
Die Pseudosepta erklärt Holm folgendermaassen : Die Haut-
schicht des Mantelhinterendes bestand bei der Ablösung von dem
Septum aus einer Doppelmembran; der Sipho verlängerte sich
an zwei Stellen, erstens, wo er dem alten Septum und zweitens, wo
er dem Mantel eingefügt war; durch ersteren Vorgang wurde die
Doppelmembran von dem alten Septum, durch letzteren von dem
Mantel abgehoben und war so etwa in halber Höhe der in
Bildung begi'iffenen Luftkammer an dem Sipho befestigt. Dadurch
dass sich der Sipho auch in dieser Befestigungsebene verlängerte,
wurden die beiden Blätter der Doppelmembran oft ein wenig aus-
einandergezogen. — Die Existenz einer Doppelmembran am
Mantelhinterende, das Abstossen derselben und das Wachsthum
des Sipho an drei verschiedenen Stellen erscheint so gezwungen und
entbehrt so aller Analogieen mit Mollusken überhaupt und speciell
mit Nautilus, auf welchen uns sämmtliche Beobachtungen an paläo-
zoischen Cephalopoden hinweisen, dass jede andere Deutung vor
ihr den Vorzug der Natürlichkeit und grösseren Wahrscheinlichkeit
besitzt.
Gegen die Deutung, die IIolm für die Verticallamellen in
Anwendung bringen will, habe ich mich oben S. 171 gewandt.
C. Ueber Barrande's Reparation de la troncature normale
gu periodique de la coquille .
Die an Orth. Berendti gewonnenen Erfahrungen führten mich
O O
zu der Vermuthung, dass die von Barrande als »reparation de la
troncature normale ou periodique« an Orthoceras truncatum und
anderen Cephalopoden gedeutete Erscheinung auf die gleichen
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
221
Eigentümlichkeiten der Pseudoseptenbildung zurückzuführen sei.
Fest davon überzeugt, dass meine der BARRANDE’schen Erklärung
entgegengesetzte Vermutung lediglich auf einer verschiedenen
Deutung der Thatsachen beruhen würde, war ich nicht wenig er-
staunt, als sich bei genauer Betrachtung der Originalstücke auch
eine Differenz in der Beobachtung herausstellt.
Barrande x) beobachtete nämlich, dass das Hinterende vieler
Exemplare von Orthoceren und auch einiger gekrümmten Cepha-
lopoden calottenartig abgestumpft sei und dass die Oberfläche
dieser stumpfen Endigungen vollständig in die äussere Schalen-
membran übergehe, so dass beide von einer zusammenhängenden
Membran bekleidet zu sein scheinen. In den Endigungen gibt er
drei resp. vier von einander getrennte Lagen an , deren Sculptur
in vielen Fällen sich durch grosse Regelmässigkeit auszeichnet.
Der Umstand, dass er diese Erscheinungen nie in mehreren
Kammern hintereinander, sondern nur in den eigenthümlich stumpfen
Endigungen beobachtete, veraulasste ilm zu folgender Deutung:
Das Orthoceras - Individuum stiess zufällig oder absichtlich eine
oder mehrere Luftkammern des Hinterendes ab; der hierdurch
verursachte Bruchrand wurde alsdann, um das Thier vor etwa
eindringendem Wasser zu schützen, verheilt, indem sich von der
Wohnkammeröffnung her zwei Arme nach hinten herumsch lugen
und dort von einer ringförmigen Linie (ligne de soudure) ab die
schützenden Membranen absonderten.
Meine Beobachtungen, die ich an den von Herrn Prof. Noväk
mir giitigst übersandten Originalexemplaren machen konnte, haben
mich nun gelehrt, dass die Oberfläche der äusseren Schale und
der abgestumpften Endigungen durchaus nicht völlig in einander
übergehen, sondern vielmehr häufig durch deutliche Bruchlinien
von einander getrennt sind.
Orth, truncatum gehört unter die regulären Orthoceratiten
mit schwach elliptischem Querschnitt. Der Sipho liegt etwas ex-
centrisch in der grösseren Axe. Die Wölbung jeder Kammerwand
') Syst. sil. IT, 4, p. 291. — Bull. Soc. geol. France, ser. 2, XVII, p. 573. —
Neues Jalirb. f. Mineralogie etc. 1860 S. 641.
222
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
ist sehr bedeutend und Schwankungen unterworfen, die jedoch in
sofern gesetzmässig sind, als die hinteren Septen stärker gewölbt
erscheinen und der Uebergang in die schwächere Wölbung der
vorderen Septa ein allmählicher ist. Der von Barrande PL 343,
fig. 15 abgebildete Längsschnitt, dessen Original mir vorliegt,
zeigt das Yerhältniss auf das Deutlichste: die vordersten vier Septa
weisen eine gleiche Wölbung auf, die fünfte lässt bereits eine Er-
höhung derselben erkennen, die bei der sechsten bedeutend hervor-
tritt !).
Die Kammern sind im Allgemeinen sehr niedrig, doch be-
merkt man auch hierin ein Schwanken namentlich in der Richtung,
dass die älteren die höchsten sind. Man vergleiche hierzu das bei
Orth. Berendti S. 173 Gesagte.
Die Abstumpfung des Hinterendes ist symmetrisch nach ihrem
etwas excentrischen Höhepunkt ausgezogen, wobei jedoch der Ab-
fall nach der Siplionalseite bedeutend steiler wird als nach der
Antisiphonalseite. Auf ihrem Höhepunkt wird die Oberfläche
kreisförmig unterbrochen. An dem Exemplar PI. 343, fig. 4 — G
hat die Unterbrechung 3 Millimeter Durchmesser, von der Peri-
pherie derselben aus bemerkt man zuerst einen mehr glatten Ring
von 0,5 Millimeter Breite, eingefasst von zwei feinen Kanten,
während das Centrum durch eine rauhe Oberfläche gegen die
glatte Endigung absticht. Aehnlich verhält sich PI. 342, fig. 2
und PI. 344, fig. 1 — 3; dagegen ist das Centrum an PI. 343,
fig. 1 — 3 nur von einer 0,5 Millimeter grossen Grube durchbohrt.
An den anderen Stücken sind diese Verhältnisse wegen der
schlechten Erhaltung nicht deutlich.
Die Oberfläche der Abstumpfung ist entweder glatt (PI. 312,
fig. 2 und hoc loco Tafi. VIII, Fig. 3), was nach Barrande’s aus-
drücklicher Bemerkung als Regel gilt, oder mit einer eigenthüm-
lichen Sculptur versehen; am häufigsten (PI. 344, fig. 1 — 3; 343,
fig. 4 — 6; 343, fig. 1 — 3) treten feine concentrische Linien (h. 1.
Taf. VIII, Fig. 5) auf, die jedoch wegen ihres unregelmässig
*) Barrande, I. c. ii, 4 p. 200 bemerkt: »Le bombement des cloisons est un
element tres- variable non seulement entre les diverses especes d’un meme genre,
mais encore dans la longueur d’un meme individu.«
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
223
zackigen Verlaufes und ihrer gleichen Begrenzung nicht an eine
Oberflächensculptur erinnern. An dem grössten Stück (PL 341,
fig. 15 — 18) kann man beobachten, dass diese Sculptur von
grösseren Wärzchen, die kräftiger als die die Zwischenräume
ausfüllenden, kleinern entwickelt und in concentrischen Reihen au-
geordnet sind, herrührt. An zwei diametral gegenüberstehenden
Seiten, die jedoch nicht immer in die Symmetrieebene fallen, sind
die Reihen zu spitzen Winkeln nach oben gebogen. Nach hinten
und nach vorne sind die Wärzchen schwächer, ja zwischen der
in dieser Weise sculpturirten Oberfläche und der »ligne de sou-
dure« (m in Fig. 5, Taf. VIII) ist stets ein mehr oder minder
breiter Ring vollständig glatt.
Die glatte Oberfläche der Abstumpfung führt Barrande auf
eine »quatrieme Operation du mollusque ä combler les vides ou
sillons creux, qui restent entre les stries transverses de la calotte
terminale« zurück. Thatsächlich beobachtbar ist nur, dass glatte
und concentrische Sculptur in verschieden starker Entwicklung an
verschiedenen Individuen getrennt und an demselben Individuum
gleichzeitig auf der hinteren Begrenzung der Abstumpfuug auf-
treten können. Die eben geschilderte Fläche entspricht also
nach der Beobachtung Barrandes »couche terminale, lisse« und
»couche ornee des stries transverses« zugleich.
Au den Exemplaren (PI. 343, fig. 11 — 12; 343, fig. 14; 343,
fig. 15 und h. 1. Taf. VIII, Fig. 4) ist die Sculptur etwas anders
beschaffen, obwohl es zweifellos ist, dass wir hier die äusserste
Fläche der Abstumpfung vor uns haben. Statt der concentrischen
Warzenreihen treten radiale, sehr feine, aber ebenfalls nicht glatte
Linien auf, die direct bis an die Linie m (ligne de soudnre) heran-
treten, ohne durch einen glatten Ring getrennt zu sein. Der Scheitel
der Abstumpfung ist hier nur zu einer kleinen Vertiefung eingesenkt.
An mehreren Exemplaren ist die äussere Hülle der Endigung
abgebrochen und gestattet einen Einblick in den inneren Bau der
Abstumpfung. An den Stücken PI. 343, flg. 1 — 3; 341, fig. 13 — 14
und 344, fig. 4 bemerkt man, dass dieselbe äusserlich von einer
circa 1 Millimeter dicke Kalkspathlage (Taf. VIII, Fig. 5 xtt) be-
kleidet ist, welche sich von dem aus derber Kalkmasse bestehenden
224
Henry Schrödre, Pseudoseptale Bildungen
Kern scharf abhebt. Wo die innere Ausfüllung der Abstumpfung
Kalkspath ist, sticht derselbe durch seine intensiv weisse Farbe
gegen die dunkle, hintere Kalkspathlage ab.
Die Oberfläche dieses Kernes (k der Taf. VIII, Fig. 5 und
depöt conique Barrande’s), die concentrisch mit der äusseren
Abstumpfung verläuft, ist für das unbewaffnete Auge nahezu glatt,
erst unter der Lupe bemerkt man an PI. 343, fig. 14 und 343,
fig. 1 — 3 eine zierliche Radialstreifung. An zwei Exemplaren
PI. 344, fig. 4 und 341, fig. 13—14 verläuft auf der Siphonalseite
jedoch nicht genau in der Mediane eine feine Furche vom Scheitel
zum vorderen Rande der Ausfüllungsmasse. Noch complicirter
sind die Stücke PI. 341, fig. 1 — 5 und 341, fig. 6 — 10 gebaut; an
ersterem ist der mützenartige Kern hinten nicht so gleiclnnässig ge-
wölbt, es lässt sich vielmehr eine randliche, stark gewölbte Partie
von einer flacheren, eingezogenen unterscheiden, die nach hinten in
eine stielartige, centrale Verlängerung ausläuft; letztere in der Rich-
tung der Mediane gestreckt, verursacht aufSiphonal- und Antisipho-
nalseite eine zum vorderen Rande herabgehende, radiale Hervor-
wölbung; die antisiphonale ist kräftiger und breiter, dagegen die
schwächere siphonale durch eine deutliche Längsfurche ausge-
zeichnet. Die radiale Streifung der Oberfläche ist hier besonders
deutlich und zierlich, aber bei weitem nicht in der Regelmässigkeit,
wie sie die Barrande sehe Abbildung PI. 341, fig. 3 angiebt. Die
vordere Begrenzung des Ausfüllungskernes wird entweder durch
die convexe Fläche der letzten Kammerwand gebildet (PI. 341,
fig. 6 — 10) oder es legt sich zwischen beide noch eine ca. 1 Milli-
meter starke Kalkspathlage (PI. 341, fig. 1 — 5 und h. 1. Taf. VIII,
Fig. 5 xa), die alsdann ebenfalls eine radiale, aber bei weitem nicht
so ausgeprägte Sculptur auf ihrer hinteren Fläche trägt.
Bei einem Vergleich mit den oben beschriebenen Erschei-
nungen von Orth. Berendti etc. drängt sich die Ueberzeugung auf,
dass die beiden mit Radialsculptur und Furchen gezierten Flächen
(couche ornee de stries regulieres, longitudinales Barrande’s) den
pseudoseptalen Membranen entsprechen, dass die hintere, durch
ihre dunkle Farbe dem depöt orgauique gleichende und die vor-
dere, selten entwickelte Kalkspathlage die Horizontallamellen sind
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
225
und ferner, dass das depöt conique als solches nur die Ausfüllung
einer mit pseudoseptalen Bildungen ausgekleideten Kammer ist.
Nach Barrande soll die Oberfläche der Abstumpfung direct
in die äussere Schalenoberfläche übergehen, beide sind nach ihm
nur durch eine feine Linie (ligne de soudure, m in Taf. VIII, Fig. 3
und 4), welche der Nahtlinie parallel läuft, von einander getrennt.
Das eigentliche Wesen dieser Linie wird an einem der Barrande’-
Ö
sehen Anschliffe PI. 343, hg. 15 klar; hier trifft nämlich diese deut-
lich sichtbare Linie der äusseren Oberfläche genau auf den Punkt,
in welchem die Grenze zwischen dem aus weissem Kalkspath be-
stehenden Kern der Kammerausfüllung und der äusseren, dunkleren
Kalkspathumhüllung an der äusseren Begrenzung des Steinkernes
ausgeht. Dieser Punkt liegt etwas hinter dem Ausgehenden des
Kammerseptum d. h. der Nahtlinie, von der er durch eine Strecke
dunklen Kalkspatlis getrennt ist, der sich in einer sehr dünnen
Lage über die letzte Kammerwand ausdehnt. Ist diese letztere
Kalkspathlage nicht entwickelt, so fällt die »ligne de soudure« mit
der Nahtlinie zusammen.
Erstere markirt sich um so mehr, als vor ihr die Oberfläche
in einem ca. 3 Millimeter breiten Ringe (x bis m) eine etwas
rauhe Beschaffenheit erhält und weil von ihr nach vorne die
Schale sich ein wenig erweitert, um dann in die äussere Schalen-
oberfläche überzugehen. Das Verhalten macht den Eindruck, als
ob hier an den Orthoceraskern eine abgedachte Membran angelegt
ist. Au der »ligne de soudure« erscheint das Ausgehende dieser
Membran abgeschülfert und darunter kommt eine vollständig glatte
Fläche zum Vorschein. Nach vorne setzt dieser schmale Ring mit
einem deutlichen, unregelmässigen Bruchrand (x) gegen die äussere
Schalschicht ab, deren Sculptur nur bis an denselben herangeht.
Am schärfsten ist diese Erscheinung an PI. 343, fig. 14 (h. 1.
Taf. VIII, Fig. 4), wo die erhabenen Linien der Schalenoberfläche
in spitzen Winkeln gegen den Bruchrand absetzen, aber auch
PI. 342, fig. 2 und andere zeigen dies Verhalten mit grosser Deut-
lichkeit.
Der Vergleich mit den Beobachtungen über die Pseudoseptal-
bildungen an Orthoceren aus verschiedenen Formationen und ver-
Jahrbuch lb87.
15
226
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungen
schiedenen Bezirken führt mich nun zu folgender Deutung der
eben kurz beschriebenen Erscheinungen an den böhmischen
Orthocereu.
Die an dem auf Taf. VI, Fig. 1 c abgebildeten Exemplar von
Orth. Berendti beobachtete Sculptur , die sich in 9 Kammern
wiederholt und die ich mehrfach an anderen, dem nordeuropäi-
scheu Silur entstammenden Individuen beobachtet habe, gleicht
vollkommen derjenigen, welche Barrande an seiner »couche ornee
des stries regulieres, longitudinales« in den abgestumpften Endi-
gungen seines Orth, truncatum beschreibt. Dieselbe entspricht dem
Pseudoseptum (ait resp. aa), ihre auf der Siphonalseite mehrfach
von Barrande constatirte Furche den Pseudoseptalfalten bei Orth.
Berendti , Etheridgii , planiseptatum etc. Die in der Mehrzahl der
Fälle glatte Oberfläche der Endigung deute ich als Bruchfläche
des normalen Kammerseptum; ist dieselbe ausnahmsweise sculp-
turirt, so haben wir uns hinter derselben noch eine feine Membran
mit concentrisch angeordneten oder vor derselben eine Membran
mit radialgestellten Wärzchen resp. Fältchen zu denken; diese
Membranen sind die Septalhäutchen des normalen Septums. Die
dunkle Kalkspathlage, welche die Abstumpfung hinten bekleidet,
ist die Pseudoseptallamelle (depöt organique, /7t), und das »depöt
conique« stellt nichts Anderes als die Ausfüllungsmasse (k) des von
den Pseudoseptallamellen freigelassenen Kammerlumens dar. Die
starke Wölbung der Abstumpfung erklärt sich einfach aus der
stärkeren Wölbung der hinteren Kammerwände und der grösseren
Höhe der hinteren Kammern (vergl. S. 173 u. 222).
An den beiden Längsschnitten PI. 342, fig. 6 und PI. 343,
fig. 15 verschliesst die dunkle Kalkspathlage auch die Stelle, wo
unter normalen Verhältnissen der Siplio durch die Kammerwand
gehen musste. Dieser vollständige Abschluss ist dadurch ver-
O •->
anlasst, dass ausser den Pseudoseptallamellen im Innern der
Kammer auch im Sipho eine Ablagerung von organischen Kalk-
massen vor sich gegangen ist, wie sie ähnlich Barrande als
»anneaux obstructeurs etc.« beschrieben hat. Hierdurch gerieth
das Thier noch zu Lebzeiten ausser allem organischen Zusammen-
hang mit den hinteren Kammern. Die Schale derselben wurde in
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
227
Folge dessen hinfällig und stiess sich, ebenso wie bei Gastro-
poden a), welche die ersten Umgänge ihres Gehäuses verlassen
und hinter sich Scheidewände bilden, ab. Hieraus erklärt sich
der Umstand, dass Barrande nie an mehreren hintereinander
liegenden Kammern die oben geschilderten Membranen und Sculp-
turen beobachtet hat, womit noch nicht gesagt ist, dass diese
Beobachtung; nicht doch noch einstmals im Böhmischen Silur ge-
macht wird.
Barrandes Deutung und die meinige stehen sich insofern
einander gegenüber, als er die Bildung der verschiedenen »couches«
und des »depöt conique« für eine Folge der Abstossung der Schale
hält, während ich sie für die Ursache derselben erkläre.
Fig. 4.
Den Vorgang der Abstossung (troncature normale ou perio-
dique de la coquille) stelle ich mir folgendermaassen vor: Hinter
einer an sich schon höheren und mit sehr convexem hinterem
Septum (sp) versehenen Luftkammer, in welcher sich bereits ein
oder zwei Pseudoseptallamellen (xtt und za) und Pseudosepta
(a tt und aoc) gebildet hatten, brachen die Schale und die dahinter
') Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreiches III, 2, S. 891 u. 909.
228
Henry Schröder, Pseudoseptale Bildungei
liegenden Kammern ab. Der Bruch ging in einer Linie, die in
der nebenanstehenden Zeichnung angedeutet ist, bei x durch die
äussere Schalenmembran, von x bis m schräg durch die innere
und dann längs des Septalringes und des Septum, falls die hintere
Fläche glatt ist. Wenn die Abstumpfung eine coneentrische Sculptur
aufweist, ging die Bruchlinie längs des warzig entwickelten hinteren
Septalhäutchens (x — m — x^), zeigt sie dagegen radiäre, längs des
vorderen (x — m — X2). Die coneentrische Sculptur der hinteren,
die radiäre der vorderen Membran des Septums zuzurechnen,
bestimmt mich der Umstand, dass die erstere von der Linie m
durch eine Zone getrennt ist, welche der Ansatzfläche des Septal-
ringes an die innere Schale entspricht und in Folge dessen glatt
ist, und dass die radiale Sculptur direct bis an die Linie m heran-
geht, bis wohin ja auch das vordere Septalhäutchen sich ausdehnen
muss. Ferner ist bei concentrischer Sculptur auf dem Höhen-
punkt der Abstumpfung ein glatter, von zwei feinen Kanten
eingefasster Ring entwickelt, welcher die Bruchfläche der Siphonal-
dute darstellt x).
Lieber die beiden anderen Orthocerenspecies, disjunctum und
pleurotomum , und ebenso über die ganze Familie der Ascoceratidae ,
an denen Barrande die gleiche Erscheinung wie bei Orth, trun-
catuni erwähnt, erlaube ich mir kein Urtheil, da mir kein Material
zur Nachuntersuchung zu Gebote steht. Betreffs der beiden
mir vorliegenden Gomphoceren bemerke ich, dass an Gomphoceras
Alphaeus Barr. PI. 83, fig. 6 nur eine beträchtliche Verdickung
der letzten Kammerwand zu beobachten ist und dass die äussere
Schale mit einem deutlichen Bruchrande über dieselbe hinausragt.
Die Endigung von Gomphoceras- decurtatum Barr. PI. 75, fig. 13
ist dagegen beschädigt, so dass man etwas Bestimmtes über den
Bau derselben nicht aussagen kann.
Die Hypothese Barrande’s, dass das Orthoceras-Thier lange,
an ihrem Ende verbreiterte Arme besessen habe, um die Reparatur
des hinteren Bruchrandes zu vollziehen, und ebenso diejenige
l) Vergl. S. 226.
in den Kammern fossiler Cephalopoden.
229
Hyatt’s, der eher an eine Verlängerung der Kopf-Kappe denken
möchte, wozu Zittel j) bemerkt, dass jede dieser Hypothesen »eine
wesentliche Verschiedenheit des Orthoceras-Thieres von jenem des
Nautilus« voraussetzt, fallen selbstverständlich mit der Annahme
meiner Deutung.
Den Satz Barrande’s, welchen man als Resultat seiner Aus-
einandersetzung über die »reparation de la troncature« betrachten
kann: »Dans tous les cas, l’etude cjue nous venons de faire nous
indique suffisamment , que la forme des Nautilides paleozoiques
ne saurait etre conyue rigoureusement d’apres le modele des Nautils
vivants« halte ich nur mit ganz besonderer Betonung des »rigoureuse-
ment« für berechtigt. Alle bisherigen Beobachtungen, die einen
Schluss von dem Bau der Schale auf den des Thieres gestatten,
drängen zu dem Endresultat, dass die Weichtheile der palaeozoi-
schen Nautiliden in keinem wesentlichen Punkte von denen der
lebenden Gattung Nautilus abwichen.
') Handbuch der Palaeontologie I, 2, S. 359.
Ueber Sclilackenkegel und Laven.
Ein Beitrag zur Lehre vom Vulkanismus.
Von Herrn J. G. Bornemann in Eisenach.
(Hierzu Tafel IX u. X.)
Die Schmelzprocesse der Schlacken in Hochöfen und das
Wesen der Laven in thätigen Vulkanen haben soviel Ver-
wandtes in ihren Erscheinungen, dass Vergleiche zwischen beiden
wohl geeignet sind, uns besser, als vieles Andere, den Weg zur
Erklärung mancher Verhältnisse des Vulkanismus zu zeigen.
Das Ausfli essen der Schlacken aus dem Ofen und der Aus-
bruch eines Lavastromes aus einer Kraterspalte sind einander sehr
ähnliche Vorgänge. In beiden Fällen besteht die glühendflüssige
Masse vorwaltend aus geschmolzenen Silicaten von glasiger Be-
schaffenheit, und aus der Glasmasse scheiden sich mehr oder
weniger krystallinische oder krystallisirte Mineralsubstanzen aus,
je nachdem die längere oder kürzere Zeitdauer bis zur Erstarrung
die molekulare Veränderung des homogenen Magmas zulässt.
Die bei dem Festwerden der geschmolzenen Massen statt-
findenden Bewegungen, Formbildungen und Kraftäusserungen ge-
statten uns hier, wie dort Schlüsse auf den inneren Zusammenhang
der chemischen und physikalischen Vorgänge; aber das, was uns
in den grossen Verhältnissen der Vulkane oft unnahbar und der
Beobachtung entrückt bleibt, ist im engeren Raume der Hütte zu-
gänglich und sicher zu controliren.
J. G. Bornemann, Ueber Schlaekenkegel und Laven.
231
Gelegentlich eines Besuches, den ich im Herbst 1876 in Be-
gleitung meines Sohnes L. Georg in den Stolberger Hüttenwerken
machte, sahen wir bei dem Ablassen der Bleischlacken aus dem
Hochofen Vorgänge, welche in treuester Weise Lavaströme und
vulkanische Auswurfskegel im Kleinen nachahmten und wegen
ihrer Analogie mit den grossen geologischen Phänomenen eine
ausführliche Besprechung verdienen.
Aehnliches mag zuweileir auch in anderen Hüttenwerken vor-
gekommen sein — in der Clausthaler Silberhütte sah ich einen
kleinen Schlackenkegel gleichen Ursprungs, aber von unvollkom-
mener Gestalt — indessen die näheren Umstände des Verfahrens
beim Ablassen der Schlacken mögen wohl kaum irgendwo für das
vulkanologische Experiment so günstig gewesen sein, als damals in
der Stolberger Hütte.
In belgischen Bleihütten liess man schon damals die Schlacken
in konische, leicht fahrbare Tiegel von Eisen laufen, welche von
einem Arbeiter aus dem Vorraum der Hütte in’s Freie geführt
und umgestürzt wurden. Die Schlacken erkalten dort rascher,
sie lassen sich leicht zerschlagen und stören nicht durch Hitze,
Rauch und Staub den Aufenthalt in der Hütte. In manchen
deutschen Hütten lässt man die Schlacken einfach auf den ebenen
Boden vor dem Ofen laufen und beseitigt sie von dort.
Bei diesem Verfahren bilden sich keine dicken, zusammen-
hängenden Massen und die Schlacken erstarren rasch und ohne
erhebliche Ausscheidungen.
In der Stolberger Hütte hatte man dagegen sehr grosse fahr-
bare Pfannen zum Auffangen der Schlacke gewählt, ein Verfahren,
welches wegen der Schwerfälligkeit des Apparates und der lang-
samen Erkaltung in technischer Beziehung jedenfalls unzweckmässig
war. Gerade dieser Umstand, dass die flüssige Schlacke in grosse
Gefässe gesammelt wurde und eine dicke langsam erstarrende
Masse bildete, gab aber dort Veranlassung zu einem sehr über-
sichtlich zu beobachtenden Vorgänge, einem vulcanologischen Ex-
periment von blendender Schönheit, welches sichere und weitgehende
Folgerungen für die Geologie der Vulkane gestattete. Die Pro-
ducte waren prachtvolle Exemplare von Schlackenkegeln, allmäh-
232
J. G. Bornemans, lieber Scklackenkegel und Laven.
lieh aufgebaut mit allen Einzelnheiten der Erscheinungen, wie wir
sie an den parasitischen Auswurfskegeln der Lavaströme kennen.
Die Schlacken kamen sehr flüssig aus dem Ofen. Nach dem
Volllaufen der Gefässe trat bald die Erstarrung der dabei etwas
convex anschwellenden Oberfläche der flüssigen Masse ein, dann
bildeten sich Risse durch Zusammenziehung der glasigen Kruste
und Ausdehnung des umschlossenen flüssigen Magmas. Die Risse
waren einzeln, meridianartig oder diametral von einem Rande der
Pfanne bis zum andern laufend, zuweilen auch mehrere, oder mit
seitlicher Abzweigung.
Aus den Rissen quoll glühend flüssige Schlacke hervor und
erstarrte in Gestalt von Rippen oder deckenartigen Ausbreitungen,
wodurch sich die Spalten wieder schlossen. Nur eine oder wenige
Stellen blieben offen, gestalteten sich zu runden Löchern und ver-
mittelten längere Zeit hindurch das Austreten flüssiger Schlacke
aus dem Innern, wodurch sich nun ein einzelner oder mehrere, in
einer Reihe stehende Kegel bildeten. Stossweise, mit längeren
oder kürzeren Pausen wurde glühend flüssige Masse aus den Oeff-
nungen herausgetrieben und floss nach allen Seiten über den Rand
des kleinen Kraters, mantelförmig oder kappenförmig die Kegel
umgebend und vergrössernd. Mit dem Höherwerden der Kegel
nahmen die Schlackenströme mehr einseitige Richtungen an und
lieferten getreue Modelle von Lavaströmen, die kleinen zuweilen
mit ganz glatter Kruste erstarrend, die grösseren mit runzlicher
und faltiger Oberfläche, an den Rändern die gedrehten Formen
der Stricklava nachahmend.
Dann änderte sich die Art der Thätigkeit; statt des ruhigen
Ausfliessens erfolgten kleine Explosionen, allmählich an Intensität
zunehmend. Flüssige Schlacke wurde in die Höhe geschleudert
und fiel auf den Talus des Kegels zurück, in schmalen Streifen
herabfliessend. Manche Tropfen flogen wohl 50 Centimeter hoch
über die Krateröffnung hinaus und hefteten sich, beim Niederfallen
noch weich, in Gestalt kleiner Kuchen an die Fläche des Kegels.
Nach dem Aufhören dieser Eruptionen rauchte der hohle Schlund
des Miniaturvulkans noch längere Zeit hindurch und der aus
Metalloxyden, besonders Zinkoxyd, bestehende Rauch setzte sich
J. G. Bornemann, Geber Schlack enkegel und Laven. 233
als eine weisse Kruste am oberen Rande der schwarzen Mün-
dung fest.
Das schöne Schauspiel fesselte lange Zeit unsere Aufmerk-
samkeit, und Herr Generaldirektor Landsberg1), welcher uns selbst
bei diesem Besuche begleitete, hatte die Güte, den schönsten
Kegel, welcher sich als ein kleiner Centralvulkan auf einer der
Schlackenpfannen vor unsern Augen gebildet hatte, nach dem
völligen Erkalten für mich sorgfältig ablösen zu lassen, denn sonst
gingen die spröden Kegel bei der weiteren Behandlung in Stücke.
Der wohlerhaltene Kegel, welchen ich als ein instructives
Modell eines Vulkans aufbewahre 2) , ist auf Taf. IX in halber
Grösse photographirt dargestellt. Er hat eine Höhe von 12,5 Centi-
metern. Die etwas convexe, im Umriss unregelmässig elliptische
Grundfläche, mit welcher er auf der ersten Erstarrungskruste der
Schlacke aufgesessen hatte, war durch eine Oxydhaut von derselben
getrennt und leicht abgelöst worden. Die Durchmesser der Basis
sind 17 und 23 Centimeter. Der centrale Eruptionskanal ist hold,
von elliptischem Querschnitt, unten mit 2,5 und 3 Centimeter
Weite, nach oben conisch verengert, an der Mündung 1,5 und
2,4 Centimeter weit. Die innere Wandfläche des Kanals ist in
der unteren Hälfte ziemlich regelmässig gestaltet und wenig rauh;
in der oberen Hälfte befinden sich unregelmässige Ausbuchtungen
und Erweiterungen der Röhre.
Beim Erkalten des Kegels haben sich mehrere verticale Sprünge
gebildet, welche vom Canal ausgehen, hier am weitesten klaffen
und radial gegen den Mantel verlaufen, meist ohne dessen Aussen-
fläche zu erreichen. Sie sind Erkaltungsrisse der sich ungleich
*) Dieser thatkräftige Leiter der Stolberger Gesellschaft, welcher das grosse
Unternehmen viele Jahre hindurch und zum Theil unter schwierigen Verhältnissen
geführt hat, starb an einem plötzlichen Schlaganfall, welcher ihn in der diesjäh-
rigen Generalversammlung seiner Gesellschaft ereilte.
2) Eine spätere Anfrage bei der Stolberger Hütte, um noch mehrere solcher
Exemplare zu erhalten, blieb erfolglos. In der Antwort hiess es, sie bildeten sich
nicht mehr und man sei froh darüber, denn sie seien ein Zeichen, dass der Gang
des Ofens ein mangelhafter gewesen gei, was in der Art der Beschickung seinen
Grund habe. Vielleicht hatte man auch die Methode des Schlackenablassens ge-
ändert.
234
J. G. Bornemann, Ueber Scklackenkegel und Laven.
zusammenziehenden festen Massen und vergegenwärtigen im Kleinen
die Gangspalten der Eruptivgänge, welche wir an den Steilwänden
der Kratere Lava- und Aschenschichten vertikal durchsetzen und
von jüngeren Eruptivgesteinen erfüllt sehen.
Zur Untersuchung der mikroskopischen Structur der Schlacke
wurde ein Dünnschliff quer zu einem der zuletzt aus dem Kegel
ausgetretenen und bis zur Basis gelaufenen Schlacken strömehen
gemacht, und zwar von einer Stelle nahe am unteren Ende des-
selben.
Die äusserlich ganz schwarze Schlacke zeigte sich im Innern
erfüllt von langgestreckten, wasserhellen Krystallen, welche mit der
sie umgebenden schwarzen, in sehr dünnen Lamellen bräunlich
durchscheinenden Glasmasse den Bestand der Schlacke ausmachen.
Die äussere Kruste ist ganz von dichter Glassubstanz gebildet;
im Innern walten die farblosen Krystalle vor; in der Mitte be-
finden sich auch Hohlräume, in welche Krystalle hineinragen.
Das farblose Mineral ist rhombisch und zeigt mit seinen
schwarzen Kernen und Interpositionen derselben Masse eine sehr
grosse Aehnlichkeit mit den Form Verhältnissen des Chiastolith,
von dem es sich aber durch andere Eigenschaften unterscheidet.
Es ist in Säuren ziemlich leicht auflöslich. Der Kiesel Säuregehalt
der Schlacke wurde = 30 pCt. gefunden.
Ein besonderes Interesse verleiht diesen Schlacke n-
kegeln der Stolberger Bleihütte der Umstand, dass ihre Ent-
stehung gänzlich ohne die Mitwirkung; von Wasser oder
Wasser dampf vor sich ging und dabei eine vollkommene Ana-
logie der Erscheinungen mit vulcanischen Eruptionen stattfand.
Sie beweisen, dass alle diejenigen Kraftäusserungen,
welch e wir bei der erstarrenden Lava beobachten,
ohne die Mitwirkung; des Wassers zu Stande kommen
können und dass andere Motoren wirksam sein müssen,
welche in der ersten Phase der Eruption den ruhigen
Auftrieb der feurig flüssigen Masse, in der zweiten das
Schlackigwerden der erstarrenden Schmelzmasse, die
Detonationen und das Ausschleudern von Schlacken-
theilen bewirken.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
2 35
Die Erweiterungen des Centralskanals im oberen Theile des
Kegels, welche entstanden, während die oberste Auswurfsöffnung
immer eine ziemlich gleichbleibende Grösse behielt, beweisen, dass
an dieser Stelle die nach und nach an der Mündung erstarrten
Schlacken durch erhöhte Temperatur von neuem geschmolzen und
wiederholt in den Kreis der Auswurfsthätiglceit gezogen worden
sind, bevor der Miniaturvulkan zur Ruhe kam.
Die erkaltete Bleischlacke zeigt auf dem Querbruche zahl-
reiche blasige Hohlräume, Luftblasen; dieselben sind aber nicht
gleichmässig durch die Masse vertheilt. Die schnell erkalteten
Rinden sind dicht, die langsamer erstarrten inneren Theile sind
blasig. Die kleinen Ströme, welche als flüssige Schlacken aus-
geschleudert wurden und am Talus abwärts flössen, sind an ihren
oberen Theilen, wo die Schlacke noch dünnflüssig war, als eine
zarte, rasch erkaltende Rinde mit dichtem Gefüge und glatter
Oberfläche erstarrt; nach unten werden sie dicker und haben eine
rauhere Oberfläche; das untere Ende ist meistens sackförmig ge-
staltet und zeigt gewöhnlich auf seiner Oberseite ein Loch; dieses
ist meist von einer erhöhten Umrandung umgeben. Alles das
sind Dinge, welche bis in Einzelnheiten mit den Vorgängen bei
den auf den Lavaströmen vorkommenden Auswurfsöffnungen zu
vergleichen sind.
Die Ursachen, welche die Bewegungen der Massen veranlassen
und jene Formenverhältnisse hervorbringen, sind complicirter Natur,
und schon die Verschiedenheit der Phasen, welche wir beim
Schlackenkegel der Bleihütte beobachten, deutet darauf hin, dass
diese Erscheinungen , durch das Zusammentreten verschiedener
Kräfte, deren Wirkungsweise keine gleichmässig verlaufende ist,
zu Stande kommen müssen.
Das Erstarren der Schlacken geschieht nicht continuirlich,
sondern ruckweise fortschreitend; bei jeder Erstarrung einer Zone
erfolgt ein Freiwerden von Wärme, welche die Erstarrung der
nächsten Zone verzögert 1). Es folgt also eine Pause und dann
') Analoge Erscheinungen sind öfters an Lavaströmen des Vesuvs beobachtet
worden. Pat.mieri berichtet, dass an mehreren Stellen an bereits erstarrter Lava
im Fosse della Vetrana ein erneutes Erglühen stattfand (Roth, Vesuv, p. 295, 304).
236
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
ein plötzliches Weitergreifen des Erstarrungsprocesses, und so ent-
steht das Schauspiel einer von rythmischen Pausen unterbrochenen
Thätigkeit.
Mit jeder Temperaturveränderung ist auch eine Volumen-
veränderung verbunden und es werden dadurch Schwankungen
in Bezug auf die Quantität und Zeitdauer der periodisch aus-
tretenden, feurig flüssigen Massen bedingt.
Die Veränderung des Aggregatzustandes, der Uebergang der
geschmolzenen Massen in den starren Zustand ist ebenfalls von
Volumenänderungen begleitet; es ist aber nicht gleichgültig, ob
dieser Uebergang schnell oder langsam vor sich geht und im
ersteren Fall mehr glasige oder im letzteren mehr krystallinische
Struktur der Schlacke oder des Gesteins zur Folge hat.
Der leere Eruptionskanal des Schlackenkegels beweist, dass
beim endlichen Erkalten der inneren Masse sich ihr Volumen
erheblich verkleinert hatte. Diese Verringerung wurde aber nicht
allein durch die in der Masse selbst vorgehenden molecularen
Veränderungen beim Erkalten bedingt, sondern durch die Mit-
wirkung elastischer Gase, welche in der flüssigen Schlacke gelöst
waren und beim Erstarren ausgeschieden, die Blasenbildung, das
gewaltsame Ausschleudern vieler Schlackentheile und schliesslich
eine grössere Zusammenziehung der inneren, noch von Blasen
erfüllten Schlacke veranlasst haben.
Das Verhalten der Gase zu glühenden und im Feuer schmel-
zenden Körpern bietet viele merkwürdige Erscheinungen, doch ist
unsere Kenntniss in dieser Beziehung noch sehr lückenhaft, weil
sich den Beobachtungen auf diesem Felde sehr viele Schwierig-
keiten entgegenstellen.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass glühende und geschmol-
zene Metalle für Gase durchdringbar werden und solche in Menge
in sich aufnehmen. Glühendes Platin lässt nur Wasserstoff hin-
durch, nicht aber Sauerstoff1, Stickstoff, Wasserdampf u s. w. , es
absorbirt Wasserstoff in der Rothglühhitze und hält ihn bei nie-
driger Temperatur lange gebunden. In viel höherem Grade als
Platin absorbirt Palladium den Wasserstoff. Nach Graham nahm
J. G. Bornemann, lieber Schlackenkegel und Laven.
237
schwammiges, durch Glühen von Palladiumcyanür erhaltenes Metall
bei 200° sein 686faches Volumen an Wasserstoff’ in sich auf.
Auch Eisen besitzt die Fähigkeit, in dunkler Rothglühliitze
Wasserstoff und Kohlenoxyd zu absorbiren und unter anderen
Umständen wieder abzugeben 1).
Schmelzendes Silber nimmt in Berührung mit der Luft das
20 fache seines Volumens an Sauerstoff auf und scheidet ihn beim
Erstarren wieder aus, wodurch plötzlich eine beträchtliche Gas-
entwickelung und das Wegschleudern flüssiger Metalltheile be-
wirkt wird. Durch langsames Abkühlen lässt sich das »Spratzen«
verhindern.
Die ähnlichen beim Kupferschmelzen vorkommenden Erschei-
nungen, welche das Blasigwerden des Kupfers und das Entstehen
von Spritzkupfer bewirken, sind nach Marci-iand und Scheerer
ebenfalls durch eine Sauerstoffabsorption Seitens des flüssigen
Kupfers, nach Böttger durch einen Schwefelgehalt desselben
zu erklären 2).
Ebenso wie die Metalle sind auch geschmolzene Silicatmassen
für Gase durchdringbar. Den Ofenschlacken ist durch die Gebläse-
luft und die sich beim Schmelzungs- und Verbrennungsproccss im
Ofen bildenden Gase Gelegenheit zur Aufnahme derselben gegeben.
Die erstarrte Kruste ausfliessender Schlacken ist für die Gase
undurchlässig, und da die Aufnahmefähigkeit für sie in der ge-
schmolzenen Masse eine begrenzte ist, so muss bei fortschreitender
Erstarrung in der verminderten Menge des noch Flüssigen eine
Concentration der aufgelösten Gase stattfinden, gerade so wie bei
den Salzen einer Mutterlauge. Wird die Grenze der Absorptions-
fähigkeit überstiegen, so scheiden sich die Gase in Blasenform aus.
Bei verengertem Raum und Erhöhung des Drucks der bis zur
Jahresbericht für Chemie XIX, 1866, S. 48 — 51. (Graham hat die Meinung
ausgesprochen, dass die Absorption der Gase durch Metalle nicht ein rein physi-
kalisches Phänomen sei, sondern dass die Gase durch Verflüssigung zwischen den
feinsten molekularen Poren eindringen.)
3) cf. Kerl, Hüttenkunde 1855, 3a, S. 183, S. 199. Nach ersterer Ansicht
ist es der entweichende Sauerstoff, nach der zweiten die aus der Wirkung des
Schwefels auf Kupferoxydul oder Schwefelsäure auf Kohle entstehende schweflige
Säure, welche das Steigen hervorbringt.
238
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
vollendeten Erstarrung zunehmenden Gasausscheidung sind die
Kräfte gegeben, welche die geräuschvollen Eruptionserscheinungen
der zweiten Phase in der Bildung der beschriebenen Schlacken-
kegel bewirken konnten.
Da hierbei eine Mitwirkung von Wasser nicht stattfand, so
wird man auch bei den Vulkanen in kritischer Weise zu unter-
suchen haben, in wie weit dort eine Mitwirkung von Wasser oder
Wasserdampf bei Eruptionen überhaupt angenommen werden kann.
In der landläufigen Lehre vom Vulkanismus, wie sie sich aus
den älteren Lehrbüchern der Geologie in viele neuere Werke über-
tragen hat, wird die Bedeutung des Wassers und Wasserdampfs
in den Vulkanen noch vielfach verkannt. Es wird dem Wasser-
dampf gewöhnlich die Rolle als treibende Kraft zugeschrieben, die
ihm bei Landvulkanen nur in wenigen ausserordentlichen Fällen,
in der Regel nur bei submarinen Vulkanen, wirklich zukommt.
C. F. Naumann, mein trefflicher Lehrer, pflegte in seinem
Colleg über physische Geographie eine lebendige Schilderung der
vulkanischen Phänomene zu geben, in denen er sich besonders
von den phautasiereichen Beschreibungen L. v. Bucn’s *) leiten
liess und der Wasserdampf hypothese huldigte. Auch bei Be-
arbeitung der 2. Ausgabe seines Lehrbuchs der Geognosie (1858)
blieb er derselben treu, obgleich er bei Benutzung von Deville’s
Arbeiten aus dem Jahre 1855 sich des Widerspruchs der neuen
Resultate gegen jene Theorie bewusst wurde * 2).
Die Lehre von der wässerigen Schmelzung, von dem fried-
liehen Beisammensein des Wassers und Feuers, wie sie in den
Schriften von Menard de la Groye, Poulett Scrope, Scheerer,
Virlet d'Aoust und Anderen sich entwickelt hatte, war so fest
eingewurzelt, dass sie nicht leicht wieder beseitigt werden, sondern
sogar neue Anhänger finden konnte.
Bei der Schwefelgewinuung, wenn der unter Dampfdruck ge-
schmolzene, wasserhaltige Schwefel ausgegossen wird und erkaltet,
finden auf der erstarrten Oberfläche kleine Eruptionen statt, und
es bilden sich kleine Kegel und überfliessende Ströme, welche die
') Geogn. Beobachtungen auf Reisen, 2. Bd.
2) Naumann, Geognosie 1858, I, S. 115 und 101.
J. G. Bornemann, Ueber ScLilackenkegel und Laven.
239
Thätigkeit eines Vulkans im Kleinen nachahmen, v. Hochstetter,
welcher diese Erscheinungen sehr anschaulich beschrieben hat,
glaubte darin auch eine Stütze für die Ansicht gefunden zu haben,
dass der Wasserdampf die hauptsächlichste Triebkraft der Vul-
kane sei J).
In ähnlicherWeise haben sich andere Geologen ausgesprochen.
Neumayr bildet Spratzkegel von Bleiglätte 2) ab, welche in
den Hüttenwerken von Pribram dadurch erhalten wurden, dass
die flüssige Glätte auf eine nasse und kalte Unterlage aus-
gegossen wurde. Diese Kegel haben Aehnlichkeit mit den Ge-
stalten der Schlackenkegel und sind ebenso wie die kleinen
Schwefelkegel unter Mitwirkung von Wasserdampf entstanden;
auch sie sollen als Belege für den Hergang bei vulkanischen
Erscheinungen dienen. An anderer Stelle 3) wird in demselben
Werke angegeben, die geschmolzenen Laven führten eine un-
geheure Menge von Wasserdampf und Kohlensäure, welche bei
ihrem Austreten die Bildung von Schlackenkegelu auf Lava-
strömen bewirken sollen, was durchaus unrichtig ist.
Auch Credner s 4) weitverbreitetes Lehrbuch bringt Aehnliches,
indem die aufsteigende Lava mit dem im Probirgläschen kochenden
Wasser verglichen und auf den Zusammenhang der Vulkane mit
der Meeresnähe ein besonderes Gewicht gelegt wird 5).
9 N. Jahrbuch f. Min. 1871, S. 469. Es heisst dort: »Es ist bekannt, welche
wichtige Rolle der Wasserdampf bei den Eruptionen der Vulkane spielt. Wasser-
dämpfe sind es, welche die Lava im Kraterschlund heben, Wasserdämpfe werden
von den Lavaströmen noch ausgehaucht, lange nachdem sie schon zu fliessen
aufgehört haben, oft in solcher Menge, dass sie zu kleinen secundären Eruptionen
auf den Lavaströmen selbst Veranlassung gaben. Von eingeschlossenen Wasser-
dämpfen rührt auch die blasige Struktur der Lava her, wenn sie unter geringem
Druck erstarrt. Alle diese Thatsachen (?) beweisen, dass in den unterirdischen
Herden der vulkanischen Thätigkeit die Gesteinsmassen nicht in einem Zustande
von trockener Schmelzung, wie geschmolzenes Metall sich befinden, sondern in
einem Zustande wässeriger Schmelzung unter hohem Druck überhitzter Wasser-
dämpfe.« Dieselben Darstellungen finden sich in der Allgem. Erdkunde von
Hann, v. Hochstetter, Pokorny (1886) wiederholt.
2) Erdgeschichte I, S. 161-
3) Ebenda S. 95.
4) Elemente der Geologie 1883.
5) ibid. S. 157.
240
J. Gr. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Gegen die alte Lehre, dass die Vulkane mit dem Meere in
Zusammenhang stehen und deshalb stets in der Nähe der Küsten
oder Wasserbecken stehen müssten, hat schon A. von Humboldt :)
hervorgehoben, dass es sehr weit vom Meere entfernte Vulkane
giebt; und bezüglich des aus den Kratern hervorkommenden
Wasserdampfes schreibt er: »Wenn ich Alles zusammenfasse, was
ich der eigenen Anschauung oder fleissig gesammelten Thatsachen
entnehmen kann, so scheint mir in dieser verwickelten Unter-
suchung Alles auf den Fragen zu beruhen: ob die unleugbar grosse
Masse von Wasserdämpfen, welche die Vulkane selbst im Zustande
der Ruhe aushauchen, dem mit Salzen geschwängerten Meerwasser
oder nicht vielmehr den sogenannten süssen Meteor-
wassern ihren Ursprung verdanken.«* 2)
Dass bei dem denkwürdigen Ausbruch des Krakatoa3) im
Jahre 1883, welcher ausserordentliche Zerstörungen anrichtete und
dessen Kraftäusserungen sich weit über die Erdoberfläche fort-
pflanzten, das Meerwasser und die Dampfkraft eine hervorragende
Rolle gespielt haben, wird niemand bezweifeln.
Es muss dort eine directe Berührung des Meerwassers mit
dem feurigflüssigen Magma in grossem Maassstabe stattgefunden
haben, durch welche eine lange Reihe furchtbarer Explosionen
durch plötzlich sich ausdehnende Dampfmassen und eine beispiel-
los massenhafte Zerstäubung von vulcanischem Gesteiusmaterial
bewirkt wurde.
Aehnlich scheint auch der Vorgang bei der grossen Kata-
strophe gewesen zu sein, welche im Juni 1876 die Umgebung des
Rot omahanasees umgestaltet hat4). Derselbe begann mit einem
Ausbruch trockener Aschen aus dem Vulkan Tarawera. Darauf
erst wurden die umliegenden Wassermassen in Mitleidenschaft ge-
zogen und die Verwüstung jener merkwürdigen Landschaft voll-
x) Kosmos I, S. 255.
2) ibid. S. 253.
3) cf. N. Jahrbuch 1884, II, S. 53 ff.; 1885, I, S. 52 ff.
4) cf. Roth, Sitzungsber. d. Berliner Akad. 21. Oct. 1886. vom Rath, N. Jahrb.
1887, 1, S. IUI.
,T. 6. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
241
bracht, von welcher uns von Hochstettee eine so schöne Be-
schreibung !) hinterlassen hat.
Ebenso wie bei jenen Ereignissen begleiten Dampfexplosionen
naturgemäss in grösserem oder geringerem Maassstabe alle Aus-
brüche submariner Vulkane.
Solche Verhältnisse sind aber sehr verschieden von dem Ver-
halten der continuirlichen oder mit Zwischenpausen thätigen Land-
vulkane, welche eine stetige Verbindung des feurigflüssigen
Erdinnern mit der Atmosphäre darstellen.
Der plötzliche Ausbruch, welcher während der Eruption des
Vesuv am 26. April 1872 am nördlichen Fuss des Eruptionskegels
stattfand und mehreren Menschen das Leben kostete, ist von
manchen dem Einfluss einer Wasserdampfexplosion zugeschrieben
worden. Nach Palmieri bestand indessen das Ereigniss in dem
plötzlichen Hervorbrechen einer gewaltigen Masse flüssiger Lava
aus einer Spalte des Aschenkegels, während gleichzeitig die
Gipfelkrater zahllose glühende Projectile unter heftigen Detona-
tionen empor schleuderten * 2).
Jenen im Volksglauben weitverbreiteten Ansichten und von
vielen Geologen noch jetzt gelehrten Annahmen von dem Verhalten
des Wassers in den Vulkanen stehen die von Charles Sainte-
Claire Deville im Jahre 1855 3) an den Lavaströmen des Vesuv
gemachten und vielfach bestätigten Beobachtungen entgegen.
Deville fand die aus den Spalten des grossen Lavastromes
austretenden Gase und Dämpfe vollständig wasserfrei, so-
lange die Lava noch in Bewegung und nach ihrer Erstarrung
noch glühend war. Er belegte sie mit dem Namen »f um er oll es
seches«. Sie enthielten weder Wasserdampf noch Kohlensäure
und keinerlei brennbare Gase, sondern sie bestanden vorwaltend
aus den Bestandtheilen der atmosphärischen Luft im normalen
Vei’hältniss von Sauerstoff und Stickstoff. Die sie begleitenden
Sublimationsproducte waren zum grössten Theil Kochsalz mit Bei-
x) Reise der Novara. Geol. Theil I.
2) Palmieri, Ausbruch des Vesuv vom 2G. April 1872. Deutsch vou
Rammelsberg.
3) Bulletin geologique. II. Ser. V. 57, XIII, p. G19.
Jahrbuch 1887.
IG
242
J. G. Bohneman'n, Ueber Schlackenkegel und Laven.
mengung mannigfaltiger anderer Chlorverbindungen , geringer
Mengen schwefelsaurer Salze und anderer sublimirbarer Substanzen;
auch Fluorverbindungen, welche die Glasgefässe angriffen, konnten
nachgewiesen werden.
Aus dem Verhalten der trockenen Fumarolen an den
Spalten und Schlackenkegeln der Lavaströme schloss Deville
schon damals x), dass die flüssige Lava in ihren Poren kein Wasser,
wohl aber andere Gase und flüchtige Substanzen festhält, welche
sie erst dann ausscheidet, wenn ihre Abkühlung in ein gewisses
Stadium eingetreten ist.
Die Untersuchung der vulkanischen Gasexhalationen hat
Deville mit grosser Ausdauer und Sorgfalt und ungeachtet
mancher Gefahren Jahre lang fortgesetzt und wiederholt. Meine
Reise * 2) im Jahre 1856 fiel mit der seiuigen zusammen und lieferte
eine reiche Ausbeute von Beobachtungen und Untersuchungs-
material vom Vesuv, dem Aetna, Stromboli, Vulcano und von den
Umgebungen dieser Vulkane.
D ie damals gesammelten Proben von Gasen und anderen Ex-
halationsproducten bilden den Gegenstand einer ganzen Reihe von
Arbeiten über die chemischen Vorgänge in den Vulkanen, durch
welche sich mein verstorbener Freund Charles Sainte- Claire
Deville besondere Verdienste um die Geologie erworben hat.
Während man früher die verschiedenartigen Gas- und Dampf-
exhalationen der Vulkane nicht gehörig zu unterscheiden verstand
und in den theoretischen Betrachtungen den Wasserdampf überall
die Hauptrolle spielen liess, zeigte Deville, dass AVasser den
flüssigen Laven nicht innewohnt und dass je nach der
Entfernung von dem glühend flüssigen Centralapparat die Natur der
Fumarolen sich ändert. Atmosphärische Niederschläge und Schicht-
wasser, welche von oben und von den Seiten in den erwärmten
x) 1. c. p. 621. — »la lave fondue maintient encore dans ses pores les gaz
et les matieres volatiles et qu elle ne les abandonne que lorsqu’elle a dejä atteint
une certaine periode de son refroidissement.«
2) cf. Brief an A. v. Humboldt in der Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1857,
S. 464. — Deville, Cinquieme et sixieme lettre ä M. Elie de Beaumont. Compt.
rend. tome XLIII, 1856.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
243
Schlackenmantel der Vulkane eiudringen, erhitzen sich und werden
in Dampf verwandelt. Wo Wasserdampf mit glühenden Laven und
ihren Sublimaten zusammentrifft, wird er in seine Bestandtheile
zerlegt und kann nicht mehr als Wasserdampf seine Spannkraft
ausüben.
Durch die Wechselzersetzung des Wassers mit heissen Chlor-
und Schwefel Verbindungen werden die sauren Fumarolen gebildet,
welche im näheren Umkreise des Centralherdes überall zu Tage
treten, weiter hin findet sich Schwefelwasserstoff“ und Schwefel,
und allen diesen äusseren, zonenweise verschiedenartigen Ema-
nationen ist Wasserdampf beigesellt und in der äussersten Um-
gebung ihres Wirkungskreises ist er das alleinige Verdampfungs-
product des Kegelmantels.
Die massenhafte Verdampfung des Wassers aus dem erwärmten
Körper der Aschenkegel macht den Vesuv und alle thätigen Vul-
kane zu den empfindlichsten Hygrometern und Wetterverkündigern,
und es ist deshalb wohl verzeihlich, dass vielfach dem Wasserdampf
eine grössere Rolle im Vulkanismus zugeschrieben wird, als ihm in
der That zukommt.
Wenigen Besuchern der Vulkane und wenigen Geologen ist
es vergönnt, trockene Fumarolen und fliessende Lava in nächster
Nähe zu sehen und genauer beobachten zu können; meist sind
die Verhältnisse ungünstig oder die Gefahren der Annäherung
zu gross.
Der Vesuv ist der einzige »civilisirte« Vulkan der Welt, wie
geschaffen für das Studium des Vulkanismus in seiner Reinheit,
und nicht mit Unrecht ist ihm ein eigenes Observatorium ge-
widmet worden. Er ist in jeder Jahreszeit bequem zugänglich,
und erprobte Führer, denen die Grenze der Gefahren geläufig ist,
stehen stets zur Verfügung.
Wie unbequem ist dagegen der 11000 Fuss hohe Aetna, den
man mit Erfolg nur während einer kurzen Zeit des Jahres be-
suchen kann und wo die in trostloser Einöde errichtete Casa
inglese nur ein dürftiges Obdach gewährt!
16*
244
J. G. Borkemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Noch mehr Schwierigkeiten bietet der Besuch des Vulkans
von Stromboli 1). Die Bewohner der Insel sind so abergläubisch,
dass es Mühe kostet, Träger bis in das »verrufene Thal« zu er-
halten, bei dessen Betreten sich die Leute bekreuzigen. Weiter
nach dem Krater, der »Casa del diavolo« zu folgen, ist Niemand
zu bewegen, so dass man bei dem nicht gefahrlosen weiteren Vor-
dringen auf sich allein angewiesen ist. Dieselben Erfahrungen
hat auch Abich gemacht, als er im Jahre 1836 Stromboli be-
suchte 2). Der Aufenthalt auf Stromboli ist wegen der entomo-
logischen Verhältnisse in den unreinlichen Wohnungen so wenig-
einladend, dass man es gern vorzieht, unter freiem Himmel in der
Barke zu übernachten.
Ich unterlasse es, die vulkanischen Erscheinungen von San-
torin, über welche wir besonders Fouque 3) ausgezeichnete Beob-
achtungen verdanken, in den Bereich dieser Betrachtungen zu
ziehen, weil es sich dort meist um submarine Ausbrüche handelt.
Indessen mag doch auf die charakteristische Trennung hingewiesen
werden, welche zwischen den glühenden Gesteins- und Aschen-
eruptionen, den heissen und zum Theil brennbaren Gasemanationen
und den peripherischen Wasserdampffumarolen beobachtet wurde.
Dass die von der submarin fliessenden Lava aufsteigenden
Gase nicht aus dem Lavamagma selbst stammen, sondern dass sie
vorwaltend durch Wasserzersetzung u. s. w. an der Berührung mit
den glühenden Massen erzeugt werden, lässt sich wohl mit Sicher-
heit annehmen.
Wenn nun schon die Mehrzahl der im civilisirten Europa ge-
legenen Vulkane so wenig zum ruhigen Verweilen und längeren
Aufenthalt geeignet sind, wie es zu eingehenden wissenschaftlichen
Untersuchungen erforderlich ist, so begreift man die Schwierig-
keiten, welche in fremden Ländern durch uncivilisirte , abergläu-
bische Bewohner und örtliche Hindernisse der verschiedensten
Art dergleichen Unternehmungen im Wege stehen, und wie wenig
*) cf. meine Ansichten von Stromboli. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1866,
S. 696.
2) Ebenda 1857, S. 392.
3) Fouque, Santorin 1879. — N. Jahrb. f. Mineral. 1880, II, S. 313.
J. G. Bornemann, Ueber Schlack enkegel und Laven.
245
fruchtbar für die Kenntniss des inneren Wesens der Vulkane auch
die meisten der von begabten Forschungsreisenden aus der Ferne
zurückgebrachten Reiseergebnisse sein werden.
Bei meinen öfteren Besteigungen des Vesuv im Jahre 1856
war es nur die grosse unnahbare Fumarole im Schlunde des öst-
lichen Kraters von 1850, welche vorwaltend aus trocknen Subli-
maten, besonders aus Kochsalz bestand, aber doch auch schon
saure Dämpfe mit sich führte. Die Ausströmungsöftnung dieser
gewaltigen Rauchsäule war aber für jede directe Beobachtung
unzugänglich. Fliessende Lava war nirgends sichtbar, nur im
August 1856 konnte ich im Grunde des 160 Meter tiefen mittleren
Kraterschlundes Schlackeneruptionen beobachten und auf Augen-
blicke in die glühende enge Oeffnung eines kleinen Aschenkegels
hinabsehen, welcher sich auf dem Boden des Kraters zu bilden
begonnen hatte. Auch die in die Höhe geschleuderten glühenden
Schlacken kamen nicht über den Rand des tiefen Schlundes hinaus,
sondern fielen jedesmal wieder in denselben hinunter und nach
jeder Explosion war alles wieder von dunklen Aschen und Schlacken
verdeckt.
Der Krater von Stromboli hatte während meines dortigen
Aufenthalts nur eine, unzugängliche Auswurfsöffnung, die anderen
Oeffnungen waren im Solfatarenzustande, ebenso die Krater des
Aetna und der Insel Vulcano.
Als ich am 15. März 1878 den Vesuv bestieg — es war am
Tage nach einem starken Schneefall und etwas Schnee erleichterte
den Aufstieg — fand ich den Gipfel ganz verändert; ein einziger
tiefer Trichter nahm den Raum des ehemaligen Kraterplateaus ein;
in seiner Mitte war ein kleiner dampfender Aschenkegel und an
seinem Talus lag weisser Schnee, ein merkwürdiger Contrast gegen
die gelbe Eisenchloridfärbung der hohen Kraterwände.
Weit erfolgreicher war mein letzter am 15. Mai 1881 J) mit
meinen Söhnen Adctor und Felix unternommener Besuch. Von
der oberen Station der Drahtseilbahn erreichte man nach kurzem
x) Ansichten des Vesuvkraters vom Jahre 1880 und 1882 finden sich in
Neumayr’ s Erdgeschichte I, S. 157 u. 158 nach Photographien von Sommer.
246
J. G. Bornemann, lieber Schlackenkegel und Laven.
Ansteigen den mit einem Kreise dünner Wasserdampffumarolen
besetzten Rand des wieder ausgefüllten Hauptkraters, innerhalb
dessen sich eine ziemlich ebene Aschenfläche ausbreitete. Auf
dem östlichen Theile dieser Ebene erhob sich ein neuer Auswurfs-
kegel, den wir bis zu seinem Rande ersteigen konnten. Er war
offenbar mit flüssiger Lava erfüllt, aber die glühenden Massen
konnte man nur auf Augenblicke während der periodisch sich
wiederholenden Explosionen wahrnehmen. Grell gefärbte, mit
Krusten sublimirter Substanzen und Effloreseenzen bedeckte Schollen
schienen sich schwankend zu bewegen, aber dichte Rauchmassen
verhinderten meist den Einblick. Von Zeit zu Zeit erfolgten starke
Detonationen und massenhafte Lapilli auch grosse glühende Lava-
fetzen flogen hoch in die Luft, manche über uns hinweg.
Es gelang uns, ein faustgrosses Schlackenstück noch völlig
glühend und weich zu erhaschen, so dass wir noch mehrere
Münzen hineindrücken konnten.
Nach längerem Verweilen auf dem Rande des Auswurfskegels
stiegen wir hinab und waren im Begriff, das Kraterplateau zu
verlassen, als wir durch einen von einer Recognoscirungstour zurück-
kehrenden Führer von einem Lavastrom hörten, welcher an der
Ostseite des von uns eben verlassenen Kegels auszufliessen be-
gonnen hatte.
Sofort begaben wir uns, dem südlichen Plateaurande folgend,
nach der bezeichneten Stelle und waren hier Zeugen eines impo-
santen Schauspieles. Aus einer Seitenöffnung des Kegels, welche
etwa 15 Meter höher lag als unser Standpunkt, quollen die hell-
glühenden, zähflüssigen Lavamassen hervor und hatten sich als ein
breiter Strom am Talus des Auswurfskegels, dessen Ostseite mit
dem Abhang des Hauptkegels in eine Linie fiel, weit an diesem
hinab verlängert.
Nahe an der Ausflussstelle sah man deutlich die Bewegung
der Lava, deren Geschwindigkeit wir dort auf *5 Meter in der
Minute schätzten. Die in fluctuirender Menge austretende feurige
Masse drehte sich an den Rändern zu Stricklaven und häufte sich
zu wilden Formen aufeinander.
In unmittelbarer Nähe hatten wir vor uns eine frisch er-
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
247
starrte Fläche schwarzer Lava, hinter welcher der glühendflüssige
Strom durch erstarrte Schlackenmassen in Arme getheilt, in meh-
reren Rinnen ganz ruhig, ohne Aufwallen und mit sehr geringer
Rauchentwicklung abwärts floss.
Es gelang uns, zu wiederholten Malen auf der heissen Kruste
bis an die erste Rinne vorzudringen, mittelst eines Hakenstockes
mehrere Fetzen der fliessenden Lava herauszureissen und dieselben
aus dem Bereich der Hitze herauszutragen, worauf wir noch die
üblichen Soldi in die noch weiche Pasta eiuschliessen konnten.
Auch durch eine Spalte der Lavakruste, auf welcher wir
standen, konnte man noch flüssige Lava erreichen, doch gelang
es nur mühsam, etwas davon herauszureissen, weil sich der Stock
dabei schnell entzündete.
Von Dämpfen waren wir bei dieser Unternehmung garnicht
belästigt, nur die intensive, von der Lava ausstrahlende Flitze
erschwerte die Beobachtung; der erst seit kurzer Zeit erstarrte
Rand war so heiss, dass nach kurzem Aufenthalt auf demselben
die Stiefelsohlen versengten, und der fliessenden Lava dahinter
konnte man sich nur auf Augenblicke nähern.
Die Lava dieses Stromes zeigte eine starke Tendenz, sich in
Fäden zu ziehen. Haardünne Spitzen und zarte Schlackenbüschel
bedeckten die Oberfläche vieler Krusten. Da, wo dieselben nicht
den zersetzenden Einflüssen der nahen Säurefumarolen ausgesetzt
waren, zeigten sich die Laven überall schwarz und glasglänzend.
Die Glasmasse ist aber durch Säuren leicht zersetzbar, wird durch
dieselben ihres Glanzes beraubt, gebleicht und durch Eisenverbin-
dungen gelb und braun gefärbt.
In der Beschaffenheit der aus dem Strome entnommenen Lava
und derjenigen des glühend und weich erlangten Auswürflings
aus dem Krater zeigte sich kein Unterschied. Es war ganz das-
selbe Magma, hier fliessend, dort zerrissen und ausgeschleudert.
Nur die zahlreichen lufterfüllten Hohlräume sind bei der Stromlava
mehr in die Länge gezogen, bei den Auswürflingen mehr gerundet.
Die zahlreichen Luftblasen, welche die Lava mit sich führt, geben
die Veranlassung zur Entstehung jener haarförmigen Bildungen,
indem sich heim Indielängeziehen die aus zähflüssiger Glas-
•248
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Substanz bestehenden Zwischenwände zusammenziehen und in
Fäden verwandeln.
Alle Unebenheiten auf der Oberfläche der schwarzen Schlacke
bergen in ihrem Innern ausgeschiedene Krystalle, welche sämmtlich
von einer feinen Glashaut verhüllt sind.
Der Dünnschliff zeigt ein buntes Bild von Mineralsubstanzen.
Die ausgeschiedenen Mineralien sind vor Allem kleine, wasserhelle
Leucite, zu dichten Schwärmen versammelt. Weniger zahlreich
sind die Augite, dafür sind sie grösser und einzeln durch die
Masse zerstreut. Die Feldspathe sind klein und der Menge nach
zurücktretend. Magneteisen in Körnern und Kryställchen findet
sich gruppenweise angehäuft oder durch die Masse zerstreut.
Die Leucitkrystal le enthalten Einschlüsse von Glas, theils
gerundet, theils eckig mit vollkommener Leucitgestalt und meist
von kleinen Bläschen begleitet, welche sich durch den dunklen
Rand als Hohlräume oder (?) Gaseinschlüsse kundgeben. Zuweilen
sind die Glaseinschlüsse auch noch von einer zweiten, anders aus-
sehenden, amorphen festen Substanz begleitet, und an dieser befindet
sich ein Bläschen.
Flüssigkeitseinschlüsse konnte ich in diesen Krystallen nh’geuds
entdecken.
Die Augit- und Plagioklaskrystalle schliessen zahlreiche, un-
regelmässig gestaltete Glaspartieen ein, ebenso die weniger häufig
vorkommenden Olivine.
Erhitzt man ein Stückchen solcher Lava vor dem Gasgebläse
zum bellen Rothglühen, so erweicht es zu einer zähen Masse,
indem die Glastheile schmelzen und Theile der eingeschlossenen
Mineralien wieder auflösen. Während äusserlich das schwarze
Glas zu einer zusammenhängenden Kruste zusammenfliesst, trennt
es sich im Innern der eingeschlossenen Hohlräume von den
grösseren Leucit- und Augitkrystallen , und diese werden blos-
e’eleo-t. So maa' auch im Krater durch Umschmelzuna; von
Schlacken oftmals die Bloslegung der Krystalle vor sich gehen,
welche oft, von allem Nebengestein befreit, in Menge mit den
Aschen ausgeworfen werden.
J. 6. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
249
In einem Dünnschliff, den ich aus der vor dem Gebläse um-
geschmolzenen Lava herstellte, sah man dunkle und helle Glas-
partieen und in den letzteren fielen besonders kleine Leucitkrystalle
auf, welche in der Mitte jeder Fläche eine tiefe Grube zeigten.
Die Kanten waren noch wohl erhalten und stellten ein zierliches
Krystallgerippe dar. Die hellen Glaspartieen waren offenbar durch
Auflösen von Leucitmasse in dem umgebenden dunklen Glase ent-
standen. Feldspathzwillinge zeigten sich von den Stirnseiten her
angegriffen. Grössere Luftblasen, welche jedenfalls vorher lang-
gestreckt gewesen waren, hatten vollkommene Kugelgestalt an-
genommen.
Auf Sprüngen, welche die grösseren Leucite durchsetzen und
welche jedenfalls schon vor dem Schmelzversuch existirt hatten,
waren die Glastheilchen sämmtlich zu kugeligen Perlen um-
gestaltet.
Die umgeschmolzenen Glaspartieen enthalten auch eine grosse
Menge Neubildungen; das dunkle Glas ist ganz von kugeligen
Gruppen kleiner schmaler, fast nadelförmiger, dunkelbrauner
Krystalliten a) erfüllt, auch in den in Leucitkry stallen eingeschlos-
senen Glasperlen sieht man einzelne solcher Sterne. Die globuli-
tischen Bildungen finden sich stellenweise auch zu baumförmigen
Gruppen vereinigt; sie bedingen die dunkle Färbung der Glas-
masse, während die umschliessende Glassubstanz entfärbt ist.
Das Studium des Leucit ist nicht allein von hohem minera-
logischen Interesse und hat deshalb schon eine grosse Anzahl aus-
gezeichneter Arbeiten der bedeutendsten Mineralogen veranlasst,
es ist auch von grosser Bedeutung für die Lehre vom Vulkanismus
überhaupt, wegen der besonderen chemischen und physikalischen
Eigenschaften des Minerals und wegen der zahlreichen verschieden-
artigen Einschlüsse, die es zu enthalten pflegt.
Unter zahlreichen, an den Vulkanen Italiens gesammelten
*) Hansel fand bei der Untersuchung der Vesuvlava von 1878 (Tschermak,
Min. Mitth. 1880, S. 421) in Lava von der Oberfläche des Stromes: braunes Glas
zuweilen mit globulitischen Entglasungsprodukten, welche aus gelben Schüppchen
einer eisenreichen Verbindung — Ferrit — bestehen und durch ihre Bildung die
einschliessende Grundmasse des Glases selbst entfärbt haben,
250
J. G\ Boknemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Leucitvorkommnissen erscheint mir eins ganz besonders der
Beachtung werth.
Es sind lose Krystalle, meist 5 — 9 Millimeter gross, welche
ich im Jahre 1856 im Canale del Inferno am Vesuv aufhob, wo
sie zahlreich in der Asche umherlagen. Sie stammen jedenfalls
von einer der bedeutenderen vorhergehenden Ascheneruptionen
und sind aus grosser Tiefe des Hauptkraters in die Luft ge-
schleudert, nicht mit einem Lavaerguss herausbefördert worden.
Im Aeussern gleichen die Krystalle sehr den ebenfalls an
jenem Orte, in einer sehr rauhen Lava von grauer Farbe vor-
kommenden Leuchten, im Innern sind sie aber sehr davon ver-
schieden. Während bei den letzteren die bekannten Trübungs-
zonen aus Glaseinschlüssen bestehen, verhalten sich die Einschlüsse
der losen Krystalle ganz anders.
Im Dünnschliff zeigen diese Krystalle in der durchsichtigen
Leucitmasse ebenso vertheilte Trübungen, welche aus concen-
trischen Zonen dunkler Krystalliten bestehen. Ueberall, wo
diese Körperchen gleichmässig in der Zone vertheilt sind, erkennt
man bei starker Vergrösserung, dass jeder einzelne dieser Punkte
von einer Gruppe winziger Krystallelemente gebildet ist, welche
zu kreuzförmiger oder oktaedrischer Stellung vereinigt sind.
Glaseinschlüsse sieht man in diesen Zonen und in diesen
Leuciten nirgends, ebensowenig Gasbläschen oder Hohlräume.
Das Verhalten dieser Körperchen im polarisirten Lichte zeigte sich
durchaus isotrop und handelte es sich daher um ein reguläres
Mineral. Dennoch konnte man über die Art desselben im Zweifel
bleiben, wenn nicht das Verhalten der Krystalliten zu einzelnen
grösseren und wohlausgebildeten Melanitkrystallen, welche zerstreut
in und zwischen den Trübungszonen Vorkommen, jede Unsicher-
heit beseitigt hätte.
O
Liegt ein Mel anit inmitten der Trübungszone, so ist er
zunächst von einem hellen Kaum umgeben, weil er die zunächst
liegenden Körperchen an sich herangezogen hat. Fast immer sind
die dem Krystall benachbarten Krystalliten nur kleine keilförmige
Krystallelemente, welche mit der Spitze dem Krystalle zugekehrt
und oftmals in Gruppen geordnet sind , welche rottenweise auf
den Krystall zuzuschwirren scheinen.
J. G. Bornemann, Ueber Schlaokenkegel und Laven.
251
Taf. X, Fig. 1 zeigt bei 460facher: V ergrösserung einen kleinen
Theil eines Leucitdünnschliffs , in welchen ein Melanitkrystall
zwischen zwei Krystallitenzonen liegt und im Momente der Er-
starrung im Begriff war, die Krystalliten von beiden Seiten an
sich heranzuziehen. Andere solche Melanite erscheinen mit rauher
und förmlich borstiger Oberfläche von den eben angekommenen
Krystallelementen, deren Attraction in flagranti unterbrochen wurde.
Wir haben hier den sichersten Beweis vor uns, dass der
fast unschmelzbare Leucit und der leicht schmelzbare
Granat zu gleicher Zeit aus dem flüssigen Lavagemenge
auskrystallisirt sind, dass beide Mineralien zonenweise er-
starrten und dass jeder Erstarrung ein Zustand vorausging, in
dem die Moleküle sich ordneten und eine Bewegung noch möglich
war. Die Attraction der einzelnen Melanitkrystalle war stark
genug, um seinen nächsten Umkreis zu beherrschen und das
Gleichartige zu sich heranzuziehen , während in weiterer Ent-
fernung die Melanitelemente sich begnügen mussten, selbstständig
zu kleinen Axenkreuzchen zusammenzutreten.
Die Entstehung dieser Krystalle muss in grosser Ruhe und
tief im Innern des Vulkans, wohl unter hohem Druck, aber bei
einer nicht besonders hohen Temperatur vor sich gegangen sein ]).
Der Umstand, dass die Leucite der Lavaströme und der
kleinen Gipfeleruptionen keinen Granat oder Melanit, sondern stets
Glaseinschlüsse enthalten, verdient Beachtung und veranlasst zu
einer näheren Betrachtung der beiden, einander in der Form so
ähnlichen und in den physikalischen Eigenschaften so verschiedenen
Mineralien des Leucites und Granates.
Der Leucit ist für sich sehr feuerbeständig. Vor dem Gas-
gebläse gelingt es nur schwer und nach langem W eissglühen
seine Oberfläche, besonders die Kanten zum Schmelzen zu bringen.
Das Innere bleibt dabei völlig unverändert und zeigt nach dem
Glühen dieselben schönen Polarisationserscheinungen wie der un-
geglühte Krystall.
’) Heim bemerkt: >Bie Leucitkrystalle , welche der Gipfelkrater häufig aus-
schiesst, entstammen aus der Tiefe des Kraterschachtes und sind nicht erst
während des seitlichen Lavaaustrittes ausgeschieden.« Zeitscbr. d. Deutsch, geol.
Ges. 1873, S. 35.
252
J. G. Bobnemann, Ueber Schlackeakegel und Laven.
Die angeschliffene und polirte Durchschnittsfläohe eines Kry-
stalls war nach starkem Weissglühen glasglänzend geworden. An
den Kanten hatte der schmelzende Lencit begonnen, sich in feinste
Ström chen zu zertheilen, eine Art Aufschäumen, welches vielleicht
durch Verflüchtigung fester alkalischer Bestandtheile *) bewirkt
wird. Eine tiefergehende Schmelzung hatte an Trübungszonen
stattgefunden. An den an der Durchschnittsfläche offenhegenden
Einschlüssen hatten sich — wohl unter Luftaufnahme von Aussen
— hohle Glasbläschen gebildet, welche über die Oberfläche her-
vorragten.
Schmilzt man Granat für sich vor dem Gebläse, so fliesst
er bald, erstarrt aber nach kurzer Zeit zu einer blasigen, sehr
streng flüssigen Masse, einem Gemenge krystallinischer Mineralien * 2).
Der Versuch, auf einer Leucitfläche ein Stück Granat vor
dem Gebläse festzuschmelzen, gelang nur unvollkommen, weil die
Granatmasse sich sofort zu einer hügligen Perle zusammenzog; nur
an kleinen Berührungsstellen zeigte sich, dass die beiden Mine-
ralien vereinigt ein leichtflüssiges Glas zu bilden vermögen.
Nach diesen Proben erschienen die Granateinschlüsse in den
losen Leuciten vom Canale del Inferno als ein besonders geeig-
netes Material zu Schmelzversuchen und diese Versuche führten
zu einem überraschenden Resultate.
Ich schnitt solche Krystalle in zwei Hälften und setzte die
eine derselben längere Zeit vor dem Gasgebläse einer beinahe zur
Weissgluth ansteigenden Hitze aus. Nach dem Erkalten erschien
dieses Stück etwas fester in seiner Structur und weniger rissig
als das andere. Beide Hälften wurden darauf dünn geschliffen.
Während nun die trüben Zonen des nicht geglühten Stückes
aus den oben beschriebenen dunkeln Krystalliten bestehen,
sind sie in den geglühten aus ebenso vertheilten, hellgrünlichen
Glaseinschlüssen gebildet, welche durchsichtiger und etwas
x) Auch beim Glasschmelzen in den Glasfabriken kommen bedeutende Ver-
flüchtigungen von Alkalien vor, wenn auch dabei nur kohlensaure Alkalien zur
Verwendung kommen.
2) Nach Doelter und Hussak (N. Jahrbuch f. Mineral. 1884, I, S. 159) bilden
sich Mejonit und Anorthit, nach Fouque Anorthit und Augit.
J. G. Bornemann, Ueber Sch lack enkegel und Laven.
253
grösser sind als der Umfang, welchen jene Krystallkreuzchen ein-
nehmen. Die Glaseinschlüsse sind theils eckig von annähernd
octaedrischer Form, theils gerundet und zwar um so vollkommener
kuglig, je stärker die Stelle erhitzt worden war. Taf. X, Fig. 2.
In jedem dieser Glaseinschlüsse befindet sich nun ein Bläs-
chen, An Stelle der kleinen, keilförmigen Krystalliten, welche
die grösseren Melanitkrystalle zu umgeben pflegen, sieht man ent-
sprechend längliche, mit dem spitzigen Ende einer grösseren Glas-
kugel zugewendete Glaseinschlüsse und in diesen befindet sich
ebenfalls ein kleines Bläschen.
Die umgebende Leucitmasse des geglühten Krystalls hatte sich
bei der Operation nicht verändert und das optische Verhalten im
polarisirten Lichte ist bei dem geglühten Leucit ganz ebenso wie
bei dem ungeglühten.
Die eingeschlossenen dunkeln Kryställchen sind offenbar in
der Glühhitze sämmtlich geschmolzen, haben sich mit angrenzenden
Theilen des Leucits zu Glas vereinigt, und dieses ist dann als
solches erkaltet.
Das Volumen der bei diesem Vorgang betheiligten Substanzen
o ö o
ist dabei verringert worden und füllt nicht mehr den vorher ein-
genommenen Raum aus; daher kommt das Bläschen, welches nicht
als eine Gasblase, sondern als ein Vacuum zu betrachten ist.
Alan könnte einwenden, dass die Bildung der Bläschen viel-
leicht durch Lufttheilchen veranlasst worden sei, welche sich an
den Berührungsflächen zwischen den Krystalliten und dem um-
gebenden Leucit befunden und sich beim Schmelzen des Glases
vereinigt hätten. Es müsste dann aber unnatürlich erscheinen,
dass nach der Schmelzung unter den verschiedensten Hitzegraden
fast regelmässig nur ein Bläschen vorhanden ist, während bei
solchem Vorgang doch wohl mehrere Bläschen an der Peripherie
der zusammenschmelzenden Glassubstanz entstanden sein würden,
gerade so wie die Glasperlen, welche sich auf den Sprüngen
grösserer Leucite aus Laven beim Umschmelzen bilden.
Für das Nichtvorhandensein von Hohlräumen zwischen Granat
und Leucitmasse spricht auch der Umstand, dass in einem durch
Zufall mit Farbe injicirten Leucitkrystall vom Vesuv die bis in
254
J. (x. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
die feinsten Sprünge eingedrnngene Tinte, welche auch braune
Granateinschlüsse erreichte, nicht in die Begrenzungsflächen der-
selben mit dein Leucit eindrang, während Kryställchen eines an-
deren daneben befindlichen Minerals von weisser Farbe (vielleicht
Nephelin!) von der eingedrungenen Farbe umsäumt wurden.
Sowohl bei schwächerem als bei stärkerem Glühen, wobei
verhältnissmässig weniger oder mehr Leueitmasse mit den eiuge-
schlossenen Granatmikrolithen zur Glasbildung sich vereinigte,
aber die übrige umgebende Leueitmasse in ihren optischen Eigen-
schaften iutact blieb, schien das Grössenverhältniss zwischen den
Glaskörpern und den von ihnen eingeschlossenen Bläschen stets
annähernd constant zu bleiben. Dagegen zeigten sich an solchen
Stellen, wo der Leucit selbst zum Schmelzen gebracht war, auch
vollkommen kugelförmige und homogene Glaseinschlüsse, in denen
das Bläschen verschwunden war.
Dieses Verhalten spricht unbedingt für die Natur der Bläschen
als durchaus leere Hohlräume.
Sehr gut lässt sich der Versuch in der Weise ausführen, dass
man aus der Mitte eines granatführenden Leucitkrystalls eine
Scheibe herausschneidet und diese vor dem Gebläse nur an einem
Rande zum Weissglühen bringt, während der entgegengesetzte
Rand ungeglüht bleibt. Es wird dies leicht dadurch erreicht, dass
man die Scheibe fast ganz in eine schmale passende Grube ver-
senkt, welche man in eine Löthrohrkohle eingeschnitten hat und
aus welcher nur die stark zu glühende Stelle hervorsieht. Die
nach dem Glühen zum Dünnschliff verarbeitete Leucitscheibe zeigt
dann in continuirlicher Reihe die verschiedenen Stadien der Schmel-
zung an den eingeschlossenen Mikrolithen.
Wir haben hier einen Beweis für die Richtigkeit der von
Sorby ]) über die Entstehung der in vesuvischen Augitkrystallen
die Glaseinschlüsse begleitenden Bläschen ausgesprochenen An-
sicht, welche auch Zirkel* 2) angenommen, später aber wieder
verlassen hat, um sich einer anderen von V ogelsang über diese
Erscheinungen aufgestellten Hypothese anzuschliessen.
*) Quart. Journ. 1858, p. 478.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1868, S. 100.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
255
Der Versuch mit dem geglühten Leucitkrystall liefert uns
ferner den Beweis, dass ein und dieselbe Quantität eines
Gemenges von Silicaten im glasigen Zustande ein ge-
ringeres Volumen einnehmen kann als dieselbe Menge
© ©
im Zustande krystalliuischer Erstarrung.
Diese Beobachtung steht scheinbar in directem Widerspruch
mit den bisherigen, von vielen Geologen gemachten Erfahrungen
und den zahlreichen Angaben in der Literatur, nach welchen das
specifische Gewicht der Laven durch anhaltendes Glühen und
Schmelzen abnimmt
Es besteht aber ein grosser Unterschied zwischen unserer
Beobachtung, bei welcher die Glasbildung in hermetisch abge-
schlossenen , starren mikroskopischen Bäumen ohne Luftzutritt
stattfand und den zahlreichen Versuchen, welche von Andern meist
durch Glühen im Platintiegel zur Beobachtung der Veränderungen
des specifischen Gewichts gemacht worden sind und bei welchen
kein Abschluss der Luft stattfand.
Viele Gesteine erleiden beim Schmelzen an der Luft Sub-
stanzverlust oder sie werden schlackig oder sie nehmen Gase in
sich auf. Es können daher Gewichts- und Volumveränderungen,
und zwar ebensowohl im positiven als im negativen Sinne, dabei
Vorkommen.
Roth bemerkt 1 2), dass das specifische Gewicht geschmolzener
Gesteine sich aus mehreren Gründen nicht sicher berechnen lässt
und dass beim Schmelzen von Obsidian und Bimsstein bald Ver-
mehrung, bald Verminderung des specifischen Gewichts stattfindet,
wobei die austretenden flüchtigen Stoffe, welche darin enthalten
sind, zur Volum- und Gewichtsveränderung Veranlassung gaben.
Nach Abich schwillt z. B. der Obsidian von Procida »vor der
Löthrohrflamme sogleich auf, bis er endlich, aber schwer, zum
schaumigen Glase fliesst.« Aus dem schaumigen Glase lassen sich
die Lufteinschlüsse beim Schmelzen an der Luft nur sehr schwer
gänzlich austreiben.
1) Pfaff, Allg. Geologie 1873, S. 113. — Roth, Chem. Geologie II, S. 51 ff.
2) 1. c. S. 55.
256 J. G. Bornejiann, Ueber Schlaekenkegel und Laven.
Bei Eisenhochofenschlacken ist die Dichtigkeit um so grösser,
je rascher die Abkühlung von statten ging und nimmt in dem-
selben Grade ab, je langsamer die Erstarrung erfolgt ist1). Bei
rascher Abkühlung entsteht aber Glasstructur , bei langsamer Er-
starrung ein krystallinisches Gefüge und damit eine Ausdehnung
des Volumens.
Diese Thatsache steht also völlig im Einklang mit der Volum-
verminderung; des im Leucit unter hermetischem Abschluss g’ebil-
o o
deten Leucit - Granatglases.
Leucit besteht nach Rammelsberg
aus
Kieselsäure
. 55,58 pCt.
»
Thonerde ....
. 23,16 »
»
Kali
. 21,26
vom
Vesuv nach Trolle
-Wachtmeister
aus
Kieselsäure
. 39,93 pCt.
»
Thonerde ....
. 13,45 »
»
Eisenoxyd ....
j
»
Eisenoxydul .
16,02
»
Manganoxydul
»
Kalk
31,66
Denkt man sich Leucit und Granat zu gleichen Theilen zu-
sammengeschmolzen, so hat man ein Gemenge von der unter a
nachfolgenden Zusammensetzung. Vergleicht man dieselbe mit
der Zusammensetzung der Vesuvlaven vom Jahre 1855, deren
Analysen nach Deville die Resultate sub b und c 2)
a ' b c
Kieselerde ....
. . 47,7
47,5
50,7
Thonerde ....
. . 18,3
20,0
23,7
Eisenoxyd etc.
. . 8,0
10,0
10,9
Kalk incl. Magnesia
. . 16,0
10,5
7,3
Kali und Natrium
o
©
9,4
5,6
100,0
97,4
98,2
') Kerl, Hüttenkunde I, S. 317.
2) cf. Roth, Gesteinsanalysen S. 25. — Ganz ähnliche Resultate erhielt
Rammelsberg bei der Untersuchung anderer Vesuvlaven. Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges. 1S59, S. 502 ff.
J. Gr. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
257
ergaben, so sieht man, dass das Gemenge von gleichen Theilen
Leucit und Granat der Zusammensetzung des allgemeinen Lava-
Magmas sehr nahe kommt. Bezüglich des geringeren Gehaltes
an Alkalien in der Lava ist dabei zu berücksichtigen, dass von
den austretenden Laven grosse Mengen von Alkalien verflüchtigt
werden und die Alkalibestimmungen selbst gewöhnlich den
schwächsten Theil der Gesteins- Analysen ausmachen.
Die relative Grösse der durch Glühen im Leucit entstandenen
Glaseinschlüsse zu der Grösse der in ihnen befindlichen Bläschen
liess auf den ersten Bick eine Gesetzmässigkeit erkennen. Je
grösser der Glaskörper, desto grösser war auch das Bläschen,
und umgekehrt nahm die Grösse der Bläschen mit den Dirnen-
sionen des Glaseinschlusses ab.
Eine grössere Anzahl von Messungen unter dem Ocularmikro-
meter ergab die nachfolgenden Resultate, in denen [j, als Einheit
= jjo Millimeter gebraucht ist.
Von einer Anzahl annähernd octaedrisch gestalteter Glasein-
schlüsse wurde die Breite oder Octaederkante (== k) gemessen und
daraus nach der Formel 0,4714 k3 das Volumen dieser Einschlüsse
berechnet. Aus dem Durchmesser der zugehörigen Bläschen = d
wurde nach der Formel 0,5236 d3 der Inhalt ß dieser kugelför-
migen Räume bestimmt. Die Werthe bezeichnen dann den
n
Procentsatz, um welchen die Volumina der Glaseinschlüsse kleiner
sind als die vorher von denselben Substanzen im krystallinischein
Zustande eingenommenen Räume.
k
a
d
ß
100 ß
1)
0,529
0,0697
0,176
0,00285
4,0 pCt.
2)
0,441
0,0404
0,147
0,00166
4,1 »
3)
0,588
0,0958
0,206
0,00458
4,7 »
4)
0,647
0,1276
0,235
0,00680
5,3 »
5)
1,029
0,5136
0,294
0,01330
2,5 »
6)
1,909
3,2795
0,706
0,18425
5,6 »
7)
1,909
3,2795
0,585
0,10482
3,2 »
8)
3,234
15,9446
0,882
0,35926
2,2 »
9)
2,058
4,1089
0,647
0,14116
3,4 »
Mittel 3,9 pCt.
17
Jahrbuch 1887.
258 J. 6. Bornkmajjn, lieber Schlackenkegel und Laven.
1
u einem
anderen etwas stärker
geglühten
ö o
Präparate wurden
runde
Glaskörper nach
ihrem Durc
lnnesser D
und ebenso die
Bläscl
lieu (nac
h d), und
zwar beide
als Kugeln.
, bestimmt.
D
CL
d
ß
100 ß
a
10)
2,646
9,70
0,999
0,522
5,3 pCt.
11)
2,646
9,70
0,941
0,436
4,5 »
12)
4,116
36,51
1,323
1,212
3,3 »
13)
1,470
1,66
0,558
0,091
5,4 »
14)
1,470
1,66
0,529
0,077
4,6 »
15)
2,970
13,71
0,882
0,359
2,6 »
16)
1,350
1,28
0,382
0,029
2,3 »
17)
2,499
8,17
0,732
0,205
2,o »
18)
3,087
15,40
0,940
0,435
2,8 »
19)
0,881
0,36
0,294
0,013
3,7 »
20)
4,410
44,91
\ 0,911
\ 0,882
0,396
0,359
j
j 0,755 1,7
Mittel 3,5 pCt.
Die Bestimmung der Volumina der Glaseinschlüsse in beiden
Beobachtungsreihen konnte nur ein annäherndes Resultat geben,
weil die Gestalten nur unvollkommen den supponirten mathe-
matischen Formen entsprechen. Dies ist besonders bei den
grösseren Einschlüssen der Fall, deren Unregelmässigkeiten man
nicht sicher beurtheilen kann, weil man sie nur in einer Richtung
beobachtet.
Bei den grössten Einschlüssen wurden in auffallendem Ver-
hältnis kleinere Bläschen gefunden, besonders bei No. 20, wo
2 Bläschen eingeschlossen waren. Hierbei kommt aber in Betracht,
dass der atmosphärische Druck auf die glühende Leucitsubstanz
doch einen Einfluss ausüben und die grösseren Hohlräume ver-
ringern konnte.
Die kleinen Glaseinschlüsse, deren Regelmässigkeit eine ge-
nauere Bestimmung zuliess, ergeben für -^--ß stets einen Werth,
welcher nahezu = 4 ist, und welcher den Procentsatz aus-
drückt, um welchen sich das Volumen des vulkanischen
J. G. Bornemann, Ueber Scblackenkegel und Laven.
259
Glases vermehrt, wenn es bei der Erstarrung in kry-
stallinischen Zustand übergeht.
Die künstliche Hervorrufung der Bläschen in den Glasein-
schlüssen der Leucite wirft ein eigenthümliches Licht auf die
Bedeutung dieser in so ausgedehnter Verbreitung vorkommenden
und sorgfältig beobachteten Erscheinungen, und es wird in vielen
Fällen von neuem zu untersuchen sein, ob man sich für die
Deutung als Gaseinschlüsse oder als Vacua zu entscheiden hat1).
In vielen anderen Mineralien, namentlich in Augiten und
Plagioklasen vulcanischer Gesteine sind zonenweise vertheilte Glas-
einschlüsse mit Bläschen sehr häufig und diese können ebenfalls
von späterer Einschmelzung früher krystallisirt gewesener Materie
herstammen.
Dabei mag es Vorkommen, dass in den Krystallen enthaltene
Gas- oder Flüssigkeitsinterpositionen Formenänderung erlitten
haben und in gerundeter Gestalt in die neugebildete Glasmasse
eingeschlossen worden sind, vorausgesetzt dass bei solchen Vor-
gängen genügender Druck vorhanden war, um das sonst eiu-
tretende Zerspringen oder Decrepitiren der Krystalle zu ver-
hindern.
Die Annahme, dass bei Vorhandensein mehrerer Gasporen in
einem Glaseinschluss2) die Gase in der Glassubstanz gelöst gewesen
seien , als diese von dem beherbergenden Krystall umschlossen
wurde, »da man sich sonst nicht denken könne, dass viele Bläschen
in einem flüssigen Magma nebeneinander bestehen könnten, ohne
sich zu vereinigen«, ist nicht immer die richtige.
Man wird mit Sicherheit annehmen können, dass der Haupt-
sitz der Laven, von welchem die tliätigen Vulkane ihr
Ausbruchsmaterial erhalten, die zunächst unter der
festen Erdkruste befindliche Zone des Erdinnern ist,
und dass in dieser das Magma zähflüssig, rothglühend
»Secundäre Gasporen in Mineralien können auf zweierlei Weise entstehen :
1. durch Eindringen des Magma von aussen; 2. durch Einschmelzen im Mineral
praeexistirender leichter schmelzbarer Substanzen (Mikrolithe)«, — v. Chrustschoff
in Tschermak’s Min. Mitth. VII, 1885. S. 66.
2) cf. Penck Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1878, S. 126.
17
260
J. G. Bornemans, Ueber Schlackenkegel und Laven.
und von der E r s t a r r u n g s t e m p e r a t u r nicht sehr weit
entfernt ist. Der Zustand der Laven in grossen langan-
dauernden Stromergüssen, welche sich in einem Zustand ruhigen
Abfliessens befinden, dürfte diesem Ursprungszustand sehr nahe
liegen, ln diesem Stadium werden jedenfalls Krystallausscheidungen
stattfinden, welche bei' ruhiger und langsamer Erstarrung holo-
krystalüne Gebilde und Durchwachsungen verschiedener Mineralien,
und zwar ohne erhebliche Glasbeimengungen darstellen werden.
Bei einem solchen ruhigen Vorgänge werden auch die im flüssigen
Magma absorbirten oder diffuudirten Gase Zeit haben, sich aus
der langsam festwerdenden Substanz in die flüssig bleibende zuriick-
zuziehen oder auszuscheiden, ohne Gaseinschlüsse in den Krystallen
zurückzulassen.
Aus einer solchen Erstarrungszone dürften auch die oben be-
schriebenen granatführenden Leucite herrühren.
Für die meisten von den Vulkanen zu Tage geförder-
t en E r up ti onsp r o d u ct e ist nun aber reichliche Gelegen-
heit zu neuer und starker Erhitzung u n d U m s c h m e 1 z u n g
gegeben, bevor sie ausserhalb des Vulkanherdes end-
lich zur Ruhe kommen. Bei solcher Umschmelzung muss
folgerichtig auch die Entstehung secundärer Glaseinschlüsse mit
der Bildung von Bläschen verbunden sein und diese Bläschen
können leer oder mit Flüssigkeit oder mit Gas gefüllt sein.
Nach mehreren Schmelzversuchen mit den granatführenden
Leucitkrystallen vom Vesuv fanden sich die grösseren Melanit-
kryställchen nur theilweise mit Leucitmasse zu einer Glaszone ver-
wandelt, und darin befand sich eine kristallinische Kugel von ent-
glasten) Granatschmelz, daneben ein oder mehrere Bläschen.
Bei schwerer schmelzbaren Mineraleinschlüssen, als der Granat,
bleibt stets ein unveränderter Krystallkern umgeben von einer Glas-
zone, aus dem Zusammenschmelzen von Theilen des Einschlusses und
der Umgebung entstanden, und in dieser Glaszone befindet sich
das Bläschen. Es gilt dies besonders von den schon früher er-
wähnten weissen krystallinischen Einschlüssen, welche vielleicht
dem Nephelin angehören.
Die Leucite der Laven und Aschen finden sich in sehr
verschiedenen Erhaltungszuständen. Manche sind aus dem Tiefsten
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel and Laven.
261
des Schachtes direct ausgeschleudert , andere haben mit den sie
einschliessenden Massen lange Zeit gebraucht, ehe sie an die Ober-
fläche gelangten und haben auf ihrem Wege mancherlei Schicksale
erlitten 1).
Tn einem dunkelfarbigen, grünlichen Ganggestein des Atrio
del Gavallo sieht man die Krystalle mit ihren Aussenflächen fest
an der umgebenden Gesteinmasse anhängend, während sie im Innern
von Sprüngen durchsetzt sind, welche von aussen eng beginnend
im Innern stark erweitert sind. Diese Krystalle scheinen ähnlich
wie Septarien einen inneren Substanzverlust und eine starke Con-
traction erlitten zu haben.
Andere Gesteine von dort enthalten wolilausgebildete Leucite,
welche nur lose im Gestein sitzen und sich hei der geringsten Be-
rührung von demselben ablösen.
Tn vielen neuen Laven findet man, ebenso wie in derjenigen
vom Mai 1881 kleine Leucite, welche nach dem ganz frischen Aus-
sehen und ihrer Mikrostructur zu ertheilen erst kurz vor dem Er-
starren der Lava aus dem glasigen Magma auskrystallisirt sind.
Flüssigkeitseinschlüsse habe ich in den Leuciten der Vesuv-
laven nirgends entdecken können, auch nicht in meinen Stücken
vom Capo di Bove, von wo ich reichliches Material im Jahre 1856
selbst sammelte und die am wenigsten verwitterten Gesteine näher
untersuchte.
In den kleinen Leuciten, welche den Hauptgemengtheil des
Lavastromes von Capo di Bove bilden, sah ich in meinen Dünn-
schliffen alle jene Einschlüsse, welche Zirkel von dort beschrieben
hat,2), mit Ausnahme der Flüssigkeitseinschlüsse. In den einzelnen
grösseren Leuciten, welche in der Lava Vorkommen, fand ich das
Innere ganz frei von Einschlüssen und nur ganz nahe der äusseren
Begrenzung lagen verschiedenartige Kryställchen und Schlacken-
perlen eingestreut. Diese Leucite sind von Sprüngen durchsetzt,
von denen einzelne im Innern weit klaffen.
In einem anderen solchen Leucit sieht man nur Schlacken-
perlen, welche aber nicht in concentrischen Zonen, sondern in
') Siehe auch C. W. C. Fuchs, Die Veränderungen in der flüssigen und er-
starrenden Lava in Tschermak Min. Mitth. Eef. N. Jahrb. 1S62, S. 541.
2) Zeitschr. der Deutsch, geol. Ges. 1868, S. 116.
262
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Gruppen und Schichten in solcher Weise vertheilt sind, dass sie
Sprüngen und Rissen entsprechen, welche den Krystall ehemals
durchsetzt haben und welche nach dem Eindringen von Schlacken-
material durch eine spätere Umschmelzung wieder geschlossen
worden sind. In Aschen am Capo di Bove findet man auch viele
lose Leucitkrystalle von grosser Reinheit, fast ganz frei von Zonen
und Einschlüssen und nur von wenigen Sprüngen durchsetzt.
Nach Zirkei/s Beschreibung der von ihm in Leuciten der
Lava vom Capo di Bove aufgefundenen Flüssigkeitseinschlüsse
lässt sich annehmen, dass dieselben nicht ursprünglich darin ent-
halten waren oder mit den Leuciten aus dem Vulkan gekommen,
sondern dass sie erst später in die Krystalle hineingelangt sind.
Sie finden sich nämlich in den Leuciten »bald nur ganz vereinzelt,
bald zu Haufen versammelt, bald schichtweise angeordnet, aber
nicht in ähnlicher Weise wie jene schlackigen oder glasigen Ein-
schlüsse kranzförmig gruppirt« 1).
Wie weit Flüssigkeiten in Leucit eindringen können, wurde
schon oben erwähnt. Die zufällige Tinteninjection jenes zu
Dünnschliffen benutzten Krystalls, welcher auch Zonen der oben
beschriebenen Granatkrystalliten enthält, bot nebenbei eine will-
kommene Controle für die Integrität der zwischen den Sprüngen
liegenden Leucitsubstanz und die Beobachtungen über die beim
Glühen vorgehenden Volumänderungen.
Die Verbreitung der von Zirkel im Leucit der Lava von
Capo di Bove gefundenen Flüssigkeitseinschlüsse ist höchst wahr-
scheinlich eine local beschränkte, und ihr Ursprung ist in den von
der Lava überdeckten jüngeren Sedimenten der Campagna zu
suchen. Ebenso fand derselbe Forscher Ansammlungen grosser
Wasserporen im Olivin der Lava vom Mosenberg in der Eifel
am unteren Ende des Stromes, also da, wo derselbe über wasser-
haltige Schichten geflossen ist.
Die meisten Mineralien haben, ähnlich wie Eisen und Glas
nach dem Schmelzen, einen Zwischenzustand, in welchem sie zähe
und dickflüssig sind. Sie können dann, weil weich vor dem
') 1. c. S. 116.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
263
Erstarren, durch Gase oder Dämpfe, welche sie entwickeln oder
von welchen sie durchströmt werden, bleibende Unterbrechungen
der Raumerfüllung erfahren :l).
Nach Scheerer 2) sollte die im Granit enthaltene geringe
Wassermenge die Schmelzbarkeit befördert haben. Daubree 8)
sprach von einer »wässerigen Schmelzung, welche durch den
Druck in ihrem Bestände erhalten werde«.
Sehr treffend bemerkt dagegen Roth4): Wäre es richtig,
dass Wasser den Schmelzfluss der Silicate befördert, so würde
höchst wahrscheinlich davon in der Technik längst Anwendung
gemacht sein«.
Dass Gase und Dämpfe von geschmolzenen Gesteinsmassen
gelöst und condensirt wurden, folgt aus dem Befunde vieler in den
Mineralien dieser Gesteine enthaltenen mikroskopischen Flüssig-
keitseinschlüsse. Sehr merkwürdig ist der Wassergehalt in mäch-
tigen Strömen von Obsidian und Bimsstein. Von ihrer Entstehung
o o
vermag man sich schwer eine klare Vorstellung zu machen.
Indessen bieten auch hier die Hütten analoge Erscheinungen.
Bimssteinähnliche Garschlacke entsteht aus glasartigen Schlacken,
wenn dieselben beim Ausfliessen mit der feuchten Hüttensohle in
Berührung kommen oder wenn Wasser auf sie gegossen wird5).
Der Wassergehalt in frischen krystallinisclien Eruptivgesteinen
ist stets so gering, dass man ihm eine Bedeutung für das Schmelzen
nicht zuschreiben kann und, wo er grösser wird, ist das Wasser
später vom Gestein aufgenommen worden. Auch bei Gläsern hat
in vielen Fällen eine spätere Wasseraufnahme stattgefunden6).
Aelinlich verhalten sich Hochofenschlacken, in deren Zu-
sammensetzung gewiss Niemand einen ursprünglichen Wasserge-
halt annehmen wird. Doch fand man z. B. in einer auf der
') Roth, Chem. Geologie I, S. 41.
2) Bull. geol. II. ser., vol. 4, p. 492.
3) ibitl. vol. 18, p. 486.
4) Chemische Geologie II, S. 70.
5) Kerl, Hüttenkunde I, S. 316.
6) cf. Roth, 1. c. S. 71. Roth bemerkt dabei : »mir erscheint die Bezeichnung
hydroplutonisehe Schmelzung oder hydatopyrogene Bildung der plutonischen
Gesteine in Betrachtung der geringen Wassermenge als eine Uebertreibung«.
■264
J. G. Bornemann, lieber Schlackenkegel und Laven.
Königshütte in Schlesien bei Versuchen zur gleichzeitigen Erzeu-
gung von Zink und Eisen erhaltenen Schlacke, welche die Eigen-
Schaft hatte, an der Luft zu Staub zu zerfallen, 0,9 pCt. Wasser.
Solche Schlacken zersetzen sich aber leicht, indem sie aus der
Luft Wasser anziehen. Schwefelhaltige Schlacken enthalten ge-
wöhnlich Schwefelcalcium und riechen schon beim Zerreiben nach
Schwefelwasserstoff1), indem sie das hygroskopisch aufgenommene
Wasser in seine Bestandtheile zerlegen. Schlackenwolle, welche
in ihrer Zusammensetzung im Allgemeinen der Amphibolformel
entspricht, enthält iu der Kegel etwas Schwefelcalcium und ent-
wickelt bei Anwesenheit von Feuchtigkeit so viel Schwefelwasser-
stoff, dass sie zur Ausfüllung von Fussböden und Bauzwecken
überhaupt unbrauchbar ist2).
Wenn schon diese im Kleinen stattfindenden Zersetzungen
bemerklich werden, so mag man sich eine Vorstellung von der
Grossartigkeit der chemischen Wechselwirkungen machen, welche
statthaben müssen, wenn die im Vulkanschlot aufsteigenden,
glühendflüssigen Laven mit schwefelhaltigen, salzführenden und
wasserhaltigen Schichten Zusammentreffen.
Die Fumarolenzonen der thätigen und die als Solfataren
im Zustande zeitweiser Ruhe befindlichen Kratere bieten in der
That einen solchen Reichthum chemischer Neubildungen dar, dass
wir sie als grosse natürliche Laboratorien bezeichnen können.
Viele ihrer Producte sind alte Rückstände und nicht erst
durch die neuesten Ausbrüche aus dem unteren Vulkanherde ge-
liefert. So kennt man seit lange Schwefel auf gewissen Stellen
des Vesuvplateaus und jedesmal, wenn ein neuer Lavastrom jene
Stellen überdeckt, erscheint der Schwefel von Neuem sublimirt
in der erkaltenden Decke.
Ebenso ergeht es dem Kochsalz, welches in grosser Masse
von den Laven sublimirt wird und sich in Krusten absetzt. Das
Regenwasser löst es wieder auf und führt es hinab in die porösen
Gesteine der Tiefe, wo die Soole in der Nähe der heissen Lava
Jahresbericht f. Chemie 1870, S. 1087.
3) Jahresbericht f. Chemie 1876, S. 1119.
J. G. Bornemann, Ueber Scblackenkegel und Laven.
265
wieder eingedampft wird und bei Gelegenheit neuer Eruptionen
abermals verwendet werden kann.
Die Frage nach der ursprünglichen Herkunft des vulkanischen
Chlornatriums ist vielfach Gegenstand der Betrachtung gewesen.
Eine beliebte Hypothese leitet es direkt vom Meereswasser ab1).
Viel einfacher würde es sein, an die Steinsalzlager zu denken, von
denen die jüngeren Sedimentforinationen Italiens und Siciliens
zahlreiche Beispiele darbieten. Dass auch der Hauptschlot des
Vesuv steinsalzführende Schichten durchkreuzt hat, ist durchaus
wahrscheinlich.
Auf ähnliche Weise erklärt sich das Vorkommen vieler anderen
Substanzen in den Krateren, auch das Jod, welches ich in Vulcano
beobachtete2) und von welchem A. v. Humboldt der Meinung
war, es möchte »von dem mitgehobenen fossilen Seetang her-
ö O
rühren 3).
Eine grosse Bedeutung für die Erklärung der bei den Erup-
tionen stattfindenden Vorgänge haben die mineralogischen und
namentlich die mikroskopischen Untersuchungen der vul-
kanischen Aschen und Sande, welche wir Zirkel4), Penck5)
und Andern verdanken.
Lapilli und Laven unterscheiden sich dadurch, dass in
den ersteren die Glassubstanz die Grundmasse ausmacht, während
in den letzteren gewöhnlich die krystallinischen Bestandtheile vor-
walteu und in ihnen nur hier und da mehr oder weniger Glas-
partieen auftreten, die nur an der Oberfläche der Ströme an deren
oberster Kruste vorwalteu6).
Besonders charakterisirt sind die Lapilli durch di»' zahlreichen
Luftblasen, die sich nach allen Richtungen hindurch ziehen, ihnen
das eigenthümliche schlackige bis schaumige Ansehen gebend, das
sie von den ihnen sonst gleichenden Lavathränen oder Bomben
0 cf. vom Rath, Zeitsclii'. d. Deutsch, geol. Ges. 1871, S. 721.
2) Tagebl. d 32. Versamml. Deutsch. Naturf. Wien 1856, S. 116.
3) Brief vom 7. Oct. 1856 an den Verfasser.
4) N. Jahrb. 1872, S. 16 ff.
5) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1878, S. 97 ff.
6) cf. Penck, 1. c. S. 107.
266
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
auszeichnet. Bewirkt wird diese Aufblähung, wie besonders aus
der mehrfach beobachteten Mikrofluctuationsstructur hervorgeht, iu
einem nicht allzu zähflüssigen Magma, in dem die Krystallbildung
lebhaft von statten geht ').
Die vulkanischen Sande und Aschen sind als solche durch
Zerstäubung eines flüssigen Magmas entstanden, indem Gas- und
Dampfexplosionen sich stossweise durch die Laven Bahn brachen.
Zur Bildung der Lapilli ist weiter nichts nöthig als eine
flüssige Lava, aus welcher Gase entweichen. Die im flüssigen
Magma diffundirten Gase — meist atmosphärische Luft —
werden beim Erstarren aus demselben ausgeschieden oder in die
flüssigbleibende Schmelzmasse zurückgedrängt. Sobald aber die
Grenze der Absorptionsfähigkeit überstiegen wird, müssen sich
blasige Schlacken bilden, in denen sich die Gase sammeln; und
indem sie sich zu grösseren Blasen vereinigen, blähen sie die
zähe Masse auf und bringen sie zum Zerplatzen.
Zn dem Schluss, dass Wasser bei diesem Vorgang nicht mit-
wirkt, ist auch Penck bei seinen sorgfältigen Untersuchungen ge-
kommen; er sagt* 2): »es dürfte jedoch das Wasser dabei kaum
die Bolle spielen, die ihm häufig zugetheilt wird, z. B. die,
dass es die alleinige Ursache der Aschenbildung sei. Es würde
dies vor Allem einen grossen Reichthum von Wasserporen in
jüngeren Eruptivgesteinen verlangen, der denselben bekanntlich
fehlt.«
Bezeichnend ist die Beschreibung, welche vom Rath von
den Schlackenauswürfen des Vesuv im April 1871 gegeben hat.
In einem Schlunde von 2 — 3 Meter Durchmesser, welcher aus
13 — 16 Meter Entfernung und von einem 7 — 8 Meter höheren
Standpunkte übersehen wurde, wallte und brodelte die glühend-
flüssige Lava. Alle 6 — 8 Secunden hob sich das Niveau des
flüssigen Feuers um nahe 1 Meter und schwoll bis fast zum Rande
anf3). Dann stiegen kopfgrosse Blasen auf, welche unter heftiger
Bewegung der zähflüssigen Masse platzten, und Stücke ihrer
*) Penck, 1. c. S. 1 14.
2) 1. c. S. 127.
3) Zeitsckr. d. Deutsch, geol. Ges. 1871, S. 720.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
267
Schalen flogen auf und bildeten die bekannten Schlackenauswürf-
linge. vom Rath glaubte den Inhalt der platzenden Blasen für
Wasserdampf ansprechen zu sollen. Das ist aber nicht anzu-
nehmen, denn es könnten dann die Schlacken nicht die schwarze,
glänzende Oberfläche haben, die ihnen beim Auffliegen eigen ist.
Mit dem in Menge vorhandenen Chlornatrium hätte Wasserdampf
in der Glühhitze Chlorwasserstoff bilden *) und dieser würde wei-
tere Zersetzungen der glasigen Schlacken haben hervorbringen
müssen.
Nicht alle festen Auswurfsstoffe bedürfen einer be-
sonderen Wurfkraft, um in die Luft zu fliegen. Die
pinienförmige Aschenwolke, welche in manchen Zeiten so ruhig
und gleichmässig über dem Vesuvgipfel steht, ist der Rauchsäule
eines Fabrikschlots vergleichbar, wo der starke Luftzug allein hin-
reicht, nicht allein Gase und Dämpfe, sondern auch massenhafte
feste Kohlen und Aschentheilehen in die Höhe zu führen.
Die starke Luftbewegung, welche durch die Anwesenheit einer
grossen glühenden Lavamasse im Grunde des geöffneten Krater-
schlotes erzeugt werden muss, besteht in einem centralen Strom
aufsteigender erhitzter Luft, welcher ein Zuströmen kalter Luft
von den Seiten in den Krater hervorruft und genügt, um alle
feineren Staub- und Aschentlieile in ihrem Bereich zusammenzu-
kehren und aufwärtszutreiben. Der starke Luftzug aspirirt eben-
so die aus dem erhitzten Kratermantel ausströmenden Wasser dampf -
und Sublimationsproducte. Bei manchen grösseren Eruptionen,
wenn mehrere Ausbruchsöffnungen thätig sind, kommt es vor, dass
dieselben abwechselnd arbeiten und sich gleichsam die Wetter-
führung streitig machen. Dabei können die Aschenausbrüche un-
geheuere Massen festen Materials zu Tage fördern.
Bei dem Vesuvausbruch des Jahres 1872 sah Heim von
Castellamare aus am 29. April grosse schwarze Aschenwolken 2)
aufsteigen, welche nur aus festen Theilen zu bestehen schienen,
und zu Anfang Mai erschien die Centralfumarole als eine schwarze
x) cf. Rammelsbbrg, Der Ausbruch des Vesuv vom 26. April 1872, S. 42.
3) Zeitsebr. d. Deutsch, geol. Ges. 1873, S. 22, Taf. III, Fig. 2.
268
J. G. Bornemann, Ucber Schlackenkegel und Laven.
Aschensandwolke, welche geräuschlos und in wechselnder Stärke
aufstieg. Man hörte aus nächster Nähe nur von Zeit zn Zeit den
leisen Ton des an den Rändern des Kraters hinabrieseluden
Aschensandes. Die Wolke enthielt aber Schwefeldämpfe; von
anderen Stoffen, wie Salzsäure, schweflige Säure oder Schwefel-
wasserstoff roch inan keine Spur in der Kraterwolke, nur die
Ranclfumarolen bestanden vorwaltend aus Salzsäure (1. c. S. 32).
Bezüglich einer in Calabrien niedergefal lenen Aetnaasche er-
klärt Guembel, welcher sie untersuchte, dass sie aus zertrümmerten,
schon früher erstarrten Lavatheilen, nicht aus Zerstäubungsproducten
flüssiger Lava durch Wirkung von Dampfexplosionen bestehe J).
Die vulkanischen Bomben, welche sich durch Gestalt und
Zusammensetzung: wesentlich von den anderen schlackigen Aus-
würflingen der Kratere unterscheiden und in Bezug auf ihre Wurf-
bewegung abgeschossenen Projectilen gleichen, verdienen noch
nähere Betrachtung als ihnen gewöhnlich in der V ulkanlehre zu
Theil zu werden pflegt.
Tn Naumann’s Lehrbuch der Geognosie * 2) ist versucht, das
Phänomen mit den folgenden Worten zu erklären : »Werden
noch halbflüssige Lavaklumpen während des Auffliegens durch
einen seitlichen Stoss in rotirende Bewegung versetzt, so hallen
sie sich zu kugligen, ellipsoidischen , bimförmigen oder zapfen-
förmigen Schlackensphäroiden , den sogenannten vulkanischen
Bomben.«
Bei (.'REDNER 3) heisst es: »Bei zähflüssiger Lava, wo dem
Entweichen der Dämpfe und Gase ein grosser Widerstand ent-
gegengesetzt wird, wo sie demnach sich ansammeln müssen, um
letzteren zu überwinden, ist die Gewalt der zur Oberfläche ge-
langenden explodirenden Gase so bedeutend, dass die noch weichen
Schlackenfragmente bis zu Tausenden von Fussen hoch in die
Luft geworfen werden können, auf ihrem Wege in Folge rascher
Rotation kuglige oder elliptische Gestalt annehmen und als vul-
kanische Bomben rings um den Krater zurückfallen.«
‘) N. Jaln-b. 1879, S. 861.
2) 1858, I, S. 125.
3) 1. c. S. 157.
J. G. Bornemann, Ueber Scklackenkegel und Laven.
269
Aehuliche Schilderungen findet- man in den meisten der
neueren geologischen Lehrbücher.
Wäre das darin Gesagte für die Frage erschöpfend, so würde
man nicht einsehen, warum die Bomben nicht dieselbe blasig-
schlackige Structur haben, wie die gewöhnlichen Rapilli und
Schlackenkuchen, welche beim Platzen der luftgefüllten zähflüssigen
Lavablasen hinweggeschleudert werden, und warum diese Gas-
entwicklungen gerade besondere Anstrengungen machen sollen,
um solche compacte Gesteinsklumpen besonders hoch in die Lüfte
zu schleudern.
Dazu kommt noch, dass sehr viele solche Bomben nicht allein
aus dichterer Lavamasse bestehen, sondern dass sie Gesteinsstücke
von dichten oder ganz kristallinischen älteren Laven oder von
geschichteten Gesteinen enthalten, welche die aufsteigende Lava auf
ihrem Wege mitgenommen und eingehüllt hat. Andere Bomben —
und an solchen ist besonders der Vesuv reich — enthalten im
Innern ein Haufwerk krystallisirter Mineralien und Drusen mit
kleinen oft sehr schönen Kryställehen. Eisenglanz und Magnet-
eisen sind darin sehr verbreitet.
Die grosse Vesuv eruption im April 1872 hat zahlreiche sehr
merkwürdige Bomben dieser Art geliefert, welche von Scacchi j)
und vom Rath 2) beschrieben worden sind.
Sehr merkwürdig ist eine, wohl 4,5 Meter im Durchmesser
haltende Riesenbombe, welche unweit des Weges vom Observa-
torium nach der unteren Vesuvbahnstation niedergefallen und dort
zerschellt ist. Ihre Umhüllung besteht aus einer Lava mit krystal-
liuischer Grundmasse, sehr nahe übereinstimmend mit derjenigen
der Schollenlava des aus derselben Zeit stammenden Stromes bei
S. Sebastiano, aber verschieden von der glasigen Stricklava gleichen
Alters aus dem Atrio.
Das Innere der Bombe besteht aus einem lockeren Krystall-
haufwerk, in welchem zahlreiche Mineralspecies vertreten sind, von
welchen unter vielen anderen Silicaten besonders Augit und nach
diesem kleine Leucitkryställchen vorwalten.
l) Zeitsclir. d. Deutsch, geol. Ges. 1872, S. 497.
3) Ibid. 1873, S. 220.
270
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Das eigenthüinliche Aussehen dieser Krystalldrusen veranlasste
Scacchi zur Annahme, dass diese Mineralien, und zwar: Leucit,
Augit, Hornblende, Glimmer, Sodalith, Mikrosommit, Cavolinit,
Granat, Sanidin, Idokras (?) neben Eisenglanz und Magueteisen,
durch Sublimation gebildet seien.
Diese Ansicht ist auch von Andern ziemlich allgemein adoptirt
worden.
Roth bringt zur Erklärung die Hypothese, dass jene
Silicate aus dem Zusammentreffen der entsprechenden Fluoride
oder Chloride und Fluorsiliciumverbindungen mit Wasserdampf
hervorgegangen sein möchten.
O O O
Es widerstrebt aber den bisherigen Erfahrungen, für so schwer
schmelzbare Silicate, wie Leucit u. s. w., die Möglichkeit der Subli-
mation, d. h. die Verflüchtigung der fertig gebildeten Silicate in
gasförmigem oder in Gasen fein zertheiltem Zustande und Wieder-
anschiessen derselben in Krystallform anzunehmen.
Nach Roth’s Hypothese würde die betreffende Mineralbildung
streng genommen keine Sublimation sein, sondern eine Neubildung
fester Mineralien aus der Wechselzersetzung flüchtiger Verbin-
düngen, nach Art der bekannten Entstehung des Eisenglanzes aus
der Zersetzung von gasförmigem Eisenchlorid und Wasserdampf.
Wenn auch das von Scacchi vielfach beobachtete Vorkommen
flüchtiger Fluorverbindungen eine solche Annahme zu stützen
scheint, so ist es dennoch nicht wahrscheinlich, dass eine Zer-
setzung eines solchen Silicats, z. B. des Leucits, auch wieder die
Neubildung desselben zur Folge haben sollte.
Die aus diesen Gründen gegen die Idee der Sublimation der
so widerstandsfähigen Silicate zu erhebenden Einwände begegnen
sich auf der anderen Seite mit der bisher ungenügenden Erklärung
der Entstehungsweise der vulkanischen Bomben überhaupt. Es
scheint mir aber in den interessanten Beobachtungen Scacchi 's
selbst der uöthige Anhalt gegeben, um sowohl für die Genese der
sogenannten »Sublimatbomben« als der vulkanischen Bomben im
Allgemeinen eine genügende Erklärung zu finden.
o o o <_5
') Chemische Geologie I, S. 418.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackonkegel und Laven.
271
Scaochi fand nämlich in mehreren Bomben vom Jahre 1872
Einschlüsse von Chloriden1) und zwar einestheils Erythrosiderit,
aus Chlorkalium, Eisenchlorid und Wasser, anderutheils Chlor o-
calcit aus wasserfreiem Chlor calci um und Chloriden von
Kalium, Natrium und Maugan bestehend. Eine sehr grosse, auf
der Lava bis nach Massa di Somma fortgeführte Bombe enthielt
viele solche zum grössten Theil aus Chlorcalcium besteheude
Krystalle.
Da man nun einerseits als Inhalt der Bomben Gesteiusstücke
kennt, welche die Lava den Wänden ihres Leitungskanals ent-
nommen hat und ferner in der Contactzone zwischen der Lava
und dem Nebengestein grosse Massen von verflüchtigten Sub-
stanzen, besonders Chloriden aufgespeichert sein müssen, so lässt
sich mit Hülfe derselben der Ursprung der Bomben erklären.
Sobald die zähflüssige Lava einen Brocken solcher Chlorverbin-
dungen oder anderer leichtflüssiger Salze oder ein damit umhülltes
Gesteinsstück ergreift und umschliesst, werden diese Körper als
Flussmittel wirken; es wird eine flüssigere und sich im Auf-
steigen stärker erhitzende Kugel entstehen. Dabei werden die
geschmolzenen Chloride sich nach und nach in Dampf verwandeln ;
die Kugel wird nach Art einer Rakete mit beschleunigter Ge-
schwindigkeit aufwärts steigen und schliesslich mit Gewalt, die
obersten erkaltenden Laven des Kraters durchbrechend und mit
einer Hülle von denselben umgeben, als Bombe in die Luft hinauä-
schiessen.
Die Chlorverbindungen und wohl auch noch andere flüchtige
Körper, welche die Ursache solchen Vorganges sind, werden
gewöhnlich schon auf dem Wege bis zur Oberfläche der Lava,
besonders aber, wenn sie als hellglühende Projectile an die Luft
treten, sich gänzlich verflüchtigen.
Die in den sublimirbaren Flussmitteln aufgelösten Lavatheile
werden aber während der Verdampfung derselben sich als ein
Haufwerk klein-krystallisirter und krystallinischer Mineralien aus-
scheiden müssen.
x) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1872, S. 505.
272
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
Eine Bestätigung der liier gegebenen Ansicht über die Ent-
stehung der Bomben finde ich in den Beschreibungen *), welche
vom Bat II von den von ihm im Jahre 1871 am Vesuv beobach-
teten Erscheinungen dieser Art gegeben hat, obgleich er selbst
auch hierbei eine Mitwirkung von Wasserdampf anzunehmen
scheint. Er fand grosse ausgeschleuderte Steine von Leucitophyrlava,
welche noch heiss waren und Chlornatrium ausschiedeu, und sagt:
Wir hoben einen eben niedergefalleneu Stein noch glühend auf
und sahen, während er vor unseren Augen sich abkühlte, jenen
weisseu Salzschimmer sich auf demselben erzeugen.« Am 17. April
1871 sah er »massenhafte Steine ausschleudern, wobei eine heftige
Dampfentwicklung stattfand. Jeder der grösseren Steine zog
gleichsam einen Dampfstreifen nach sich. Da die Steine in Folge
ihres Zusammenschlagens oft plötzlich ihre Bahnrichtungen änder-
ten, so bildeten zuweilen die Dampfschweife gebrochene Linien«.
Alle diese Sublimationen waren offenbar vorwaltend alkalische
Chorverbindungen; die zur Verdampfung derselben nöthige Hitze
ist aber so gross, dass man auf eine gleichzeitige Gegenwart von
Wasserdampf gewiss nicht scliliessen kann.
Die Hitzegrade, welche in manchen Bomben bei ihrem
Aufsteigen stattfinden, müssen eine ganz bedeutende Höhe
erreichen, wie die nähere Untersuchung ihrer Schmelzungszustände
lehrt. Dabei hat in der Mitte der Bombe wie in einer Muffel
die weitgehendste Feuereinwirkung stattgefunden. So fand ich in
einem Stücke von der 1872er Eruption einen in der Mitte der
Bombe eiugeschlossenen Leucitophyrbrocken vollständig gefrittet,
während Fragmente desselben Gesteines, welche sich in der
schwarzen Umhüllung eingebettet finden, bei weitem weniger
alterirt sind. Beide Einschlüsse sind durch die grosse Menge
kleiner Leucite von ganz bestimmtem Habitus unverkennbar als
ursprünglich gleichartig und von demselben älteren Gesteins-
Material herrührend anzusehen. An dem ganz gefritteten inneren
Einschluss sieht man eine völlig opake und homogene ziegelrothe
Grundmasse; die Leucite sind, obgleich mit wohlerhaltener Gestalt,
.') Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1871, S. 722 und S. 731.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
273
vollständig geschmolzen und zu einer krystallinisch körnigen Masse
entglast. Neben ihnen liegen einzelne frische Feldspäthe.
In dem in der Umhüllung eingeschlossenen Fragmente des-
selben Gesteins sind dagegen die Leucite nur weiss umrandet,
d. h. in ihrer äusseren Zone zu einem undurchsichtigen Email
umgewandelt, während das Innere vollkommen erhalten ist und
die bekannte Leucitpolarisation zeigt. Die Grundmasse dieses
Gesteins ist grau und krystallinisch geblieben, es zeigt nur geringe
Glasbildungen.
Die schwarze Umhüllung der Bombe enthält in der sehr
dichten Paste grössere Krystalle von Augit, Hornblende und Glim-
mer porphyrartig eingemengt. In der Grundmasse erscheinen im
Dünnschliff sehr zahlreiche kleine Leucite mit jenen sonderbaren
radialen Glaseinschlüssen, welche Zirkel1) beschrieben und ab-
gebildet hat. Das zwischen den Leuciten befindliche, dieselben
einschliessende Grundgemenge ist ein nur in äusserst dünnen
Schliffen auflösliches mikrokrystallinisches Haufwerk kleiner Nadeln
und schwarzer Magneteisenkörner u. s. w.
Da die völlige Schmelzung des Leucits Temperaturen voraus-
setzt, wie wir sie nur mit dem Knallgasgebläse erzeugen können,
so harren hier noch ungelöste Fragen der Aufklärung durch die
chemische Geologie, wobei die Leucitkrystalle als die natür-
lichen Pyrometer vielleicht eine wichtige Rolle zu spielen be-
rufen sein werden.
Das Austreten und die Bewegu ngsers cheinungen der
Lavaströme sind vielfach der Gegenstand eingehender Unter-
suchungen und Beschreibungen gewesen. Auch hier finden wir,
dass die meisten Autoren zur Erklärung der dabei stattfindenden
Vorgänge den Wasserdampf zu Hülfe nehmen, ohne dass dazu
eine begründete Veranlassung gegeben wäre.
In seiner mit meisterhaften Zeichnungen geschmückten Ab-
handlung über die Vesuveruption im April 1872 unterscheidet
Heim die »Schollenlava« von der »Fladenlava« und giebt an 2),
') Mikrosk. Beschaffenheit d. Mineralien und Gesteine 1873, S. 150.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1873, S. 38 — 41.
Jahrbuch 1887.
18
274
J. G\ Bornemann, Ueber Scblackenkegel und Laven.
die erstere erstarre aus Mischung mit Wasser und Salzsäure,
welche gleichzeitig als Dampf entwichen, »wobei die Wassermenge
der Schollenlava immerhin relativ geringer sei als bei Hochofen-
schlacken«. Dagegen seien die Fladenlaven »ohne Dämpfe flüssig«,
sie erstarrten trocken und ohne Dampfentwickelung mit glasiger
Oberfläche.
Obgleich Heim die beiden Lavavarietäten im Innern und
Aeussern chemisch identisch und bei Schmelzversuchen durchaus
gleichartig fand und den Strom im Grunde des Atrio ruhig und
geräuschlos zu Tage treten sah, während weiter unten »die weissen
Dämpfe den Laven, besonders an ihren vorschreitenden Rändern,
wo sie die Vegetation versengten, entstiegen«, blieb er doch bei
der Ansicht, das Lavamagma müsse im Erdinnern sich in wässe-
riger Schmelzung befinden und beim Austritt in Dämpfe und Lava
zerlegt werden. Das Lavamagma ist dabei als eine Lösung von
Chlornatrium, Salmiak, Kieselsäure, Kalk, Natron, Kali, Magnesia,
Eisen, Schwefel, Wasser, Salzsäure, scliwefelige Säure, Schwefel-
wasserstoff u. s. w. in und durcheinander bei hohem Druck und
hoher Temperatur gedacht (!) ]). Es dürfte schwer halten, sich
von einem solchen Hexenbrei eine Vorstellung zu machen.
Die mechanische Fortbewegung eines erstarrenden
Lavastromes auf wenig geneigter Bahn ist kaum noch ein
Fliessen zu nennen, denn es ist nichts Flüssiges mehr, was sich
fortbewea't. Die innere zähe Gluthmasse dehnt sich beim Er-
starren aus, indem das glasige, noch plastische Magma sich in
krystallinische Masse verwandelt. Geringe Mengen von Gasen
und Dämpfen können dabei keinen mechanischen Druck mehr
ausüben, denn sie vermögen überall ungehindert auszutreten.
Die im Magma während des weichen Glaszustandes gebil-
deten Blasen werden bei der Fortbewegung und Pressung oftmals
zusammengedrückt und Krystallenden ragen in sie hinein, meistens
aber bleiben sie völlig offen, weil ihre aus krystallinischen Elementen
zusammengefügten Wände wie ein Gewölbe dem Druck der sie
umgebenden Masse zu widerstehen vermögen.
0 1. c. S. 42.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
275
So vermag die Scholleidava, abgesehen von dem Druck nach-
folgender Gluthmassen, in langsamer Ausdehnung ihres Volumens
vorzurücken und an ihrem Stirnende mit klirrendem Geräusch
Schollen auf Schollen zu wälzen, so lange noch weiche Gluth-
massen oder nur noch glühende Theile vorhanden sind, welche der
Umwandlung aus dem glasigen in den krystallinischen Zustand
unterliegen.
Indem die Krystallbildung aus dem amorphen nachgiebigen
Magma starre geometrische Mineralkörper mit ebenen Flächen
erzeugt, welche verschiedenen Krystallisationssystemen angehören
und mit ihren Flächen nicht überall genau aneinander scbliessen
können, werden bei der totalen Umlagerung der Moleküle mehr
oder weniger poröse Gesteine entstehen und ein Anschwellen des
Gesammtvolumens stattfinden müssen, welches erheblich grösser
ist als die Volumendifferenzen, welche wir bei den Schmelzver-
suchen der im Leucit eingeschlossenen Mineralien besprochen
haben.
Dass diese Volumenvermehrung eine gewaltige treibende Kraft
auszuüben vermag, kann nicht zweifelhaft sein. Als ein Beispiel
eines solchen Vorganges lässt sich ein Lavakegel anführen, welchen
vom Rath auf dem grossen Lavastrom von 1858 beobachtete
und wie folgt beschrieb1): »Er ist ein wahrer Erhebungskegel,
gebildet aus mächtigen gegen einander geneigten Lavaplatten,
welche an der Basis sich berührend, an der Spitze der Bocca aus-
einander klaffen«, vom Rath glaubt, dass er »durch die Gewalt
der sich entwickelnden Dämpfe gehoben worden sei, gerade so wie
sich L. von Buch die Entstehung; seiner Erhebungskratere dachte«.
Diese Annahme ist aber nicht zutreffend wegen der starken
Porosität der Lava, welche für Gase und Flüssigkeiten durchlässig
ist. Dünne Scheiben derselben, welche man auf eine nasse Unter-
lage legt, saugen durch Capillarität sehr schnell Wasser auf und
erscheinen dann auf der Oberfläche dunkel. Es gilt dieses Ver-
hältniss vorzüglich für die sogenannte Schollenlava der grossen
l) Der Vesuv am 1. u. 17. April 1871. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1871,
S. 711.
18*
27G
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkeg'el und Laven.
Ströme, deren Grundmasse unter dem Mikroskop fast ganz aus
einem Haufwerk krystallisirter Mineralsubstanzen bestellt, es gilt,
wenn auch in geringerem Grade, auch für die Fladenlava, deren
Grundmasse noch ziemlich viel glasige Bestandtheile enthält.
Regenwasser und Thau, welche auf die Laven niederfallen,
werden von den Laven begierig eingesogen und die Lavaströme
sind auch für das in der von ihnen überdeckten Unterlage ent-
haltene und durch die Wärme zur Destillation gebrachte Wasser
durchlässig.
Dadurch entstehen besonders in der kälteren Jahreszeit überall
w asserdampffumarolen secundären Ursprungs auf den Lava-
strömen, durch welche sich viele Beobachter haben täuschen
lassen.
Betrachten wir zum Schluss unserer Erörterungen die Lehre
vom Vulkanismus in ihrer historischen Entwickelung, so erinnern
wir uns zuerst an den Streit der Neptunisten und Plutonisten.
Daun kam die Theorie der Erhebungskrater e von L. von Buch
und Elie de Beaumont, welche die Geologen in zwei Lager
tlieilte. Zu Frankreich blieb diese Lehre unter Elie de Beaumont,
welchen A. vonHumboldt scherzweise1) den »pentagonalen« nannte,
lange die herrschende und Constant Prevost versuchte vergebens
dagegen anzukämpfen. Auch mein Reisegefährte Ch. S. C. Deville
war als E. de Beaumont's Schüler sein eifriger Anhänger und
manche Discussion2) über die Streitfrage ist mir von meiner Vulkan-
reise mit ihm in Erinnerung geblieben.
!) In einem Briefe vom 4. März 1856 an den Verfasser.
2) Die letzte mag hier erzählt werden: Als wir zu Anfang Juni 185G zusammen
auf dem Vesuvplateau standen und vor uns den raucherfüllten mittleren Krater-
schlund hatten, in welchem man nichts Deutliches erkennen konnte, sahen wir
jenseits desselben die Punta di Pompei« hoch aufragen. Ihre uns zugewendete
Seite war durch den Einsturz des Kraters senkrecht abgeschnitten und man sah,
dass sie aus stark geneigten Schichten zusammengesetzt war. Es war ein gross-
artiger Anblick. Voilä un veritable soulevement! rief mein Freund begeistert
aus und schrieb in seinem 5. Briefe an E. de Beaumont (d. d. 13 Juni — Compt.
rend. tome XLIII), dass die Punta di Pompei nicht durch Aufschüttung, sondern
durch Erhebung entstanden sei. Als wir dann zu Anfang August von neuem
den Vesuv bestiegen, war der Kraterschlund völlig klar und frei von Dämpfen,
so dass ich sogar die Tiefe trigonometrisch messen konnte. Da sah man deutlich,
J. G. Bornemann, Heber Schlackenkegel und Laven.
277
Zur Erklärung der Erhebungskratere und zur Bildung ihres
sternförmigen Aufbruchs war ein besonderer Krafteffect nöthig
und dieser musste in der Gewalt der Wasserdämpfe gesucht
werden. Die Erhebungskratere sind beseitigt, aber von dem
Glauben an die Wirkungen des Wasserdampfes in den Vulkanen
ist noch vieles in der Vulkanlehre zurückgeblieben, was unserem
gegenwärtigen Wissen nicht mehr entspricht.
Durchliest man in den Werken von Spallanzani, Breislak,
Fr. IIoefmann, Abich und Andern, welche in älterer und neuerer
Zeit als Augenzeugen vulkanische Eruptionen in nächster Nähe
beobachtet haben, so findet man überall, wo es sich in ihren
Schriften um eigene unmittelbare Wahrnehmung handelt, getreue
Schilderungen der Vorgänge, oft bis in die feinsten Einzelnheiten
einer exacten Darstellung; nur dann, wenn die Speculation über
jene Erscheinungen auf unsicherer Basis weiter geführt wird, als die
directe Beobachtung- bedingt, beginnen die Fehlschlüsse und Ver-
irrungen auf dem Gebiete fruchtloser theoretischer Betrachtung 1).
Gar maunichfaltig sind die zum Theil sehr geistreichen Com-
binationen, welche die ausgedehnte Literatur über die Theorie des
Vulkanismus erfüllen und welche die Vorstellungen von den ein-
gesperrten Gasen und Wasserdämpfen auf die verschiedenartigste
Weise mit den Erstarrungsvorgängen des flüssigen Magmas im
Erdinnern verbinden.
Ich erinnere nur au die zahlreichen Aufsätze von Angelot 2)
und seine Discussionen mit anderen namhaften Mitgliedern der
Societe geologique, so wie an vieles andere, was man in Zirkel’s
Petrographie 3) über diese Fragen zusammengestellt findet.
dass den geneigten Aschenschichten der Punta ein mächtiger Wechsel fast hori-
zontaler Lavabänke und schwacher Aschenschichten zur Basis diente. Mit meinem
Gefährten auf derselben Stelle am Bande des 160 Meter tiefen Abgrundes stehend,
wie im Juni, zeigte ich mit der Hand nach dem Gipfel der Punta und dann nach
unten. — Deville aber wandte sich ab und hat niemals mehr mit mir von Er-
hebungskrateren gesprochen.
fl cf. z. B. Abich: Ueber Erhebungskratere, SAU, wo von »Centralisirung auf
grössere Flächenräume« von »horizontaler Verbreitung nach oben« etc. die Rede ist!
2) Bulletin geologique I. Ser., vol. XI, XIII, XIV.
3) 1. c. II, S. 363-411.
278
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
In einem soeben erschienenen Buche über allgemeine Geologie
hat auch K. von Fritsch die Fragen des Vulkanismus besprochen,
indem er dem Wasser die gewohnte Rolle zutheilt. Nach ihm
»ist im Vulkanherde selbst die Lava einem Gemenge von Salzen,
die mit ihrem gebundenen Wasser schmelzen (etwa einem Zeolith-,
Chlorit- und Pinit- Gemisch), vergleichbar« x).
Weshalb enthalten dann die Laven niemals ursprünglich
Zeolith?!
Es wird ferner der Satz aufgestellt, dass »die Krystalli-
sationen im Lavamagma durch die Verflüchtigung der dampf-
förmigen Stoffe veranlasst würden«.
Die Erfahrungen in Laboratorium und Hütte bestätigen diese
Ansicht nicht und die Beobachtungen an den Vesuvlaven stehen
ebenfalls nicht damit in Einklang.
Auch die Angabe, dass in der glühenden Lava »der Wasser-
dampf fester gehalten wird als andere flüchtige Substanzen« (1. c.,
S. 263) entspricht der Natur nicht.
Wenn es nun auch keinem Zweifel unterliegt, dass die feurig-
flüssige Erdmasse vom Anfänge ihrer Entstehung an grosse Mengen
von Gasen absorbirt haben muss, und diese Gase bei ihrem Aus-
treten eine Quelle für vulkanische Erscheinungen* 2) darbieten
können, so wird dagegen wieder anzunehmen sein, dass durch
allmälige Scheidung der Massen nach ihrer Schwere jene Gase im
Laufe der geologischen Perioden zum allergrössten Theile wieder
ausgeschieden und in die Atmosphäre und äussere Erdkruste über-
gegangen sein müssen, soweit sie nicht selbst schon in dem flüssigen
Magma chemische Verbindungen eingehen konnten.
Dass die glühendflüssige Masse des Erdinnern selbst eine
grosse Menge Wasserdampf und Gase unter Druck eingeschlossen
halte, ist nicht anzunehmen, da sich das Wasser zersetzt und seine
b v. Fritsch, Allgemeine Geologie 1888, S. 271.
2) Dem von v. Seebach aufgestellten Satz (Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1866,
S. 647), nach -welchem die recenten Vulkane vorherrschend durch leichtflüssige
Lava und beträchtliche Einwirkung von Gasen sich von den älteren Eruptiv-
massen unterscheiden sollen u. s. w. — lässt sich kaum eine Bedeutung einräumen.
J. G. Boknemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
279
Bestandteile in der Bildung anderer Verbindungen Verwendung
finden. Sauerstoff' ist ja ein Hauptbestandteil der meisten Mineral-
körper im flüssigen und festen Zustande und Wasserstoff findet
sich ebenfalls als integrirender Bestandteil mancher Mineralien 1).
Für die Erscheinungen an den gegenwärtigen Vulkanen wird
man kaum noch einen so erheblichen Gasgehalt bei der in die
Eruptionsschlöte von unten eindringenden Schmelzmasse voraus-
setzen dürfen, dass aus dessen Ausscheidung die Hauptkraft für
die Auswurfsphaenomene abgeleitet werden könnte.
Der Druck, unter welchem sich die in der flüssigen Lava des
Erdinnern jetzt noch diffundirten Gase befinden müssen, ist gar
nicht als ein so übermässig grosser anzusehen, weil sie überall, wo
die flüssige Lava mit der Luft in Berührung kommt, frei austreten
können, und dazu hat die Erde eine grosse Anzahl offener Ventile.
In den grossen Krateren der Sandwichinseln gehen die vulkanischen
Ausbrüche aus diesem Grunde in verhaltnissmässig grosser Ruhe
von statten.
Nur dann, wenn die Gase durch erstarrte Glaskrusten ein-
gesperrt und durch Erstarrung zur Ausscheidung aus dem Magma
gezwungen sind, beginnt die geräuschvolle Thätigkeit der vulka-
nischen Ausbrüche.
Für den Auftrieb der Laven aus dem Erdinnern genügt es,
zur Erklärung der gegenwärtigen Kraftäusserungen als Haupt-
ursache die Volumenvermehrung der krystalliniseh erstarrenden
Gesteine anzunehmen, abgesehen von der Zusammenziehung der
erkaltenden Erdkruste und allgemeinen, durch kosmische Zustände
hervorgerufenen Schwankungen derselben.
Dass aber beim Aufsteigen der Lava und ihrem Contact mit
den Schichten der festen Erdmasse gewaltige chemische Zer-
o o
Setzungen und massenhafte Gasentwicklungen erzeugt werden
müssen, wer wollte daran zweifeln?
Räthselhaft bleibt dabei noch das Verhalten des Wasserstoff-
gases2) und Fluors3), welche bei den Vulkaneruptionen entschieden
9 cf. Roth, Chem. Geologie 11, S. 71.
2) cf. Fouque, Santorin 1879.
3) Einen Schlackenüberzug vom Vesuv von sehr eigenthümlicher Zusammen-
setzung analysirte Fkeda (N. Jahrb. f. Min. 1881 1, S. 198).
280
J. G-. Bornemann, Ueber Schlackenkegel und Laven.
nachgewiesen worden sind, wenn auch die grossen Flammen x),
welche manche Beobachter zu sehen geglaubt haben, auf Täuschun-
gen beruhen mögen.
Dass Wasserstoffgas in Menge von manchen Körpern absorbirt
werden und plötzlich wieder ausgeschieden werden kann, dass dann
durch Verbrennung sehr hohe Temperaturen entstehen können, ist
klar und Beispiele solcher bedeutender Erhitzung liefern die Leucite
in den Vesuvbomben von 1872.
Die Beobachtung von Flammen ist eine sehr schwierige.
Abgesehen von den grossen Flammenausbrüchen bei submarinen
Vulkanen kommen sie auch in Solfataren entschieden vor. Im
Krater von Vulcano habe ich selbst ihre Temperatur zu bestimmen
versucht, indem ich mit Hülfe einer langen eisernen Zange Metall-
stücke in Schmelztiegeln in die aus den Spalten austretenden
Flammen einführte * 2).
Bei erhöhter Thätigkeit der V ulkane, wenn die Lava aufsteigt
und wenn Schlacken und Aschenausbrüche stattfinden, spielen in
den Kratern gewiss auch brennbare Gase eine Bolle, aber ihre
Natur ist dann schwer zu bestimmen wegen der Unnahbarkeit der
Vorgänge.
Der Vulkan von Vulcano, diese interessanteste aller Solfa-
taren 3), dürfte der geeignetste Ort sein, um durch weitere Beob-
achtung über manche der noch dunklen Fragen Licht zu verbreiten,
weil dort eine fortdauernde chemische Controle der Vorgänge
ausführbar und die vulkanische Thätigkeit leicht in eine Phase
grösserer Intensität übergehen kann.
Fassen wir das Kesultat unserer Betrachtungen zusammen, so
0 cf. das feurige Gemälde, ■welches L. v. Buch von dem Kampfe des Hydrogens
mit dem »wüthenden« Oxygen gegeben hat. Geol. Beob. II, S. 141 — 146.
2) Tageblatt der 32. Versamml. Deutscher Naturforscher, Wien 1856, S. 116.
3) Der Vulkan von Vulcano hat später wieder eine grössere Thätigkeit entfaltet
und Aschenausbrüche geliefert, über welche Baltzer (Zeitschr. d. Deutsch, geol.
Ges. 1875) berichtet hat. Bemerkenswerth ist der dort gemachte Versuch, ein
Bohrloch in der Sohle des Kraters niederzubringen, wobei, nachdem man in einer
Tiefe von 7 Meter angelangt war, eine Dampfexplosion erfolgte, welche den Bohrer
in die Höhe schleuderte. Eine mächtige Fumarole entstand in dem Bohrloch selbst
und verhinderte weitere Versuche.
J. G. Bornemann, Ueber Schlackenkegel uncl Laven.
281
sehen wir, dass beim Schlackenkegel der Bleihütte im Anfang
blasenlose Erstarrungsmasse gebildet wird und das Aus-
fliessen ruhig und ohne Detonationen vor sich geht.
Erst bei zunehmender Höhe des Kegels findet ein ge-
räuschvolles Auswerfen statt, weil die beim Erstarren in
die noch flüssige innere Schlacke gedrängten Gase dort Ueber-
Sättigung hervorbringen und ausgeschieden werden müssen.
Ebenso geben auch grosse Lavaströme, welche aus Seiten-
spalten der Vulkane ausbrechen, zum grössten Theil blasenlose
Laven; dichtgefügte Gesteine erfüllen die Gänge.
Beim Aufst eigen der Lavasä ule im Kraters chacht
finden aber gewaltige Reibungen statt, chemische Zer-
setzungen der verschiedensten Art vollziehen sich bei
der Berührung der gluthflüssigen Masse mit ihrer neuen
Umgebung; eine stärkere Erhitzung und eine Ver-
flüssigung des zähen Magmas muss stattfinden. Gase,
aus den chemischen Processen entstehend oder aus der
porösen Umgebung mechanisch hinzutretend, werden
in vergrösserter Menge in der Lava diffundiren, empor-
fahrende Bomben rühren den Gluthbrei durcheinander.
Im oberen Lavakessel ist das Getöse am stärksten.
Hier erkaltet die Oberfläche der Lava unter glasiger Erstar-
rung des mit Gasen gesättigten Magmas. Dabei müssen
die Gase sich sondern, die Masse wird mehr und mehr blasig;
die Blasen vereinigen sich und sprengen, sich aufblähend, die
erstarrten Krusten. Andauernd sich wiederholend liefert diese
Thätigkeit die zerkleinerten Auswurfsproducte der Vulkane, in
denen wir meistens ein vielfach umgeschmolzenes und auf seinem
Durchgänge durch den Vulkanschlot in Bestand und Form ver-
ändertes Material erblicken dürfen.
Je höher die Krater, um so mehr herrschen im Allgemeinen
die schlackigen Aschen und Auswürflinge vor.
Der Wasserdampf aber spielt bei ihrer Entstehung durchaus
nicht die Rolle 1), welche ihm noch von Vielen zugeschrieben wird
Ü cf. Penck, 1. c. S. 128.
282
J. G. Bornemann, Ueber Schlack enkegel und Laven.
und ganz besonders weisen uns das wasserfreie Chlorcalcium und
die hohen Schmelztemperaturen in den Vesuvbomben darauf hin,
dass dabei keine Was s er da mpfwir kungen, wohl aber an-
dere chemische Vorgänge mit intensiven Feuererschei-
nungen stattfinden müssen.
Ueber einen Damhirsch aus dem deutschen
Diluvium.
Von Herrn K. Keilhack in Berlin.
(Hierzu Tafel XI.)
In einem Aufsätze in diesem Jahrbuche für 1882 »Ueber
präglaciale Süsswasserbildungen im Diluvium Norddeutschlands«
konnte ich nur noch in einer Fussnote darauf hinweisen, dass ich
während des Druckes die Reste eines fast vollständigen Geweihes
eines Dama-ähnlichen Hirsches aus den unterdiluvialen Süsswasser-
kalken der Gegend von Belzig (10 Meilen südwestlich von Berlin
am Nordrande des Fläming gelegen) erhielt. Nach der Präpa-
rirung und Wiederherstellung des durch die Arbeiter beim Kalk-
graben in einige 30 Stücke zertrümmerten Geweihes ergab es sich,
dass dasselbe im Allgemeinen das Aussehen derjenigen alter Dam-
hirsche besitzt. Bei dem hohen, wahrscheinlich prä- oder alt-
glacialen Alter des Fundes erschien es indessen wünschenswerth,
durch eine Reihe von vergleichenden Messungen festzustellen, ob
resp. in welcher Hinsicht durchgreifende Veränderungen im Ge-
weihbaue des Damhirsches seit der älteren Diluvialzeit stattge-
funden haben. Ich habe zu diesem Zwecke genaue Messungen
an 30 der stärksten Damhirschgeweihe angestellt, die ich tlieils
im Gräfl. Fürstenstein’schen Schlosse zu Wiesenburg bei Belzig,
284
K. Keilhack, lieber einen Damhirsch
theils im Königl. Jagdschlösse zu Letzlingen bei Gardelegen in
der Altmark vorfand. Ich bin Herrn Oberförster Müller in
Wiesenburg und dem Kastellan des Jagdschlosses in Letzlingen
zu Danke verpflichtet für die Bereitwilligkeit, mit welcher sie mir
bei der Ausführung dieser Arbeit behülflich waren. Es werden
besonders in Letzlingen ausserordentlich zahlreiche Geweihe aus
den durch die jährlichen Hofjagden bekannten, durch reichen Be-
stand an starken Damhirschen ausgezeichneten, ausgedehnten Letz-
linger Forsten auf bewahrt. Ich habe an diesen 30 Geweihen
16 verschiedene Maasse in Millimetern resp. Graden in überein-
stimmender Weise ermittelt, nämlich :
1. den Umfang des Geweihzapfens hart unter dem Rosen-
stocke ;
2. den Umfang der Stange hart über dem Rosenstocke;
3. den Umfang der Stange unterhalb des zweiten Sprosses;
4. den Umfang des Augensprosses an der Wurzel;
5. den Umfang des zweiten Sprosses an der Wurzel;
6. die grösste Dicke der Schaufel;
7. die Dicke der Schaufel 2 Centimeter vom hinteren Rande
entfernt ;
8. die Breite der Schaufel;
9. den Abstand des ersten vom zweiten Spross;
10. den Abstand des äussersten vorderen Schaufelendes vom
Rosenstock;
11. den Abstand der äussersten vorderen Schaufelenden beider
Stangen ;
12. den Abstand der Wurzeln des zweiten Sprosses;
13. den Abstand der Wurzeln des Augensprosses;
14. den Abstand der Geweihzapfen (Mitte zu Mitte);
15. den Winkel der Stange mit dem Augenspross;
16. den Winkel der Stange mit dem zweiten Spross.
aus dem deutschen Diluvium.
285
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3 § P (H Ph O
*) Geweihe nicht auf dem Zapfen aufsitzend oder dieser noch mit der Haut bedeckt. 2) Geweihe nicht schädelecht.
286
K. Keilhack, Ueber einen Damhirsch
Die Tabelle giebt in den ersten 30 Columnen eine systema-
tische Uebersicht über die sämmtlichen an norddeutschen Hirschen
ermittelten Werthe und zwar entfallen die Nummern 1 — 12 auf
Wiesenburger, 13 — 30 auf Letzlinger Hirsche. Die drei folgen-
den Reihen enthalten für jede Dimension resp. Winkel den ge-
fundenen grössten und kleinsten Werth sowie das Mittel. Die
fettgedruckte Reihe enthält die auf den fossilen Hirsch bezüg-
liehen Werthe. Ueber die beiden letzten auf ausländische Dam-
hirsche bezüglichen Reihen siehe unten.
Die aus dieser Tabelle sich ergebenden Abweichungen im
Geweihbaue des fossilen Damhirsches gegenüber den lebenden
deutschen sind so zahlreich, dass sie eine etwas eingehendere Be-
sprechung verdienen. Wir können von vornherein die für den
fossilen Damhirsch ermittelten 16 Werthe in 3 Gruppen ein-
theilen :
1. in solche, die völlig ausserhalb der für den lebenden
Damhirsch Norddeutschlands gefundenen Grenzwerthe stehen
(!! der Tabelle).
2. in solche, die mit einem dieser Grenzwerthe zusammen-
fallen (! der Tabelle).
3. in solche, die innerhalb dieser Grenzwerthe liegen.
Die ersten werden uns die stärksten, die zweiten weniger
starke Abweichungen anzeigen und die letzten endlich diejenigen
Tlieile des Geweihes bezeichnen, in denen keine Veränderung ein-
getreten ist. Von den gefundenen 16 Werth en nun gehören 11
der ersten und nur 2 resp. 3 der zweiten und dritten Gruppe an.
Der Umfang des Geweihzapfens (1) des fossilen Hirsches
übertritft den der lebenden in allen Fällen, überschreitet den ge-
fundenen grössten Werth (Geweihe No. 7 und 14) um 14, das
Mittel um 23 Millimeter. In direktem Zusammenhänge damit zeigt
auch die Stange an den beiden gemessenen Stellen unter dem
Rosenstock (2) und unter dem zweiten Spross (3) einen den lebenden
Damhirsch übertreffenden Umfang, der an der ersten Stelle den
oberen Grenzwerth um 10, das Mittel aber um 50 Millimeter, an
der zweiten um 25 resp. 38 Millimeter übertrifft. Ganz besonders
auffallend ist aber diese grössere Stärke der Hauptstange in dem
aus dem deutschen Diluvium.
287
stark verdickten vorderen Schaufeltheile. Hier beträgt die grösste
Stärke (6) bei dem lebenden Hirsche 27 Millimeter, bei dem fos-
silen dagegen 37 Millimeter. Nicht minder bedeutende Differenzen
zeigen die beiden Sprossen, deren Wurzelumfang (4 und 5) den
oberen Grenzwerth des lebenden Hirsches um 15 resp. 8 Milli-
meter übertrifft. Auch die Breite der Schaufel (8) überragt die
des lebenden Hirsches und zwar den grössten Werth um 10, das
Mittel um 25 Millimeter.
Waren in den bisherigen Fällen die Grenzwerthe für den
heutigen Damhirsch durch den fossilen alle nach oben hin über-
schritten , so finden wir das Gegentheil bei einer zweiten Gruppe
von Zahlen, die die Stellung der beiden Stangen zu einander be-
stimmen. Während der Mittenabstand der beiden Geweihzapfen (14)
des fossilen Hirsches noch innerhalb der Grenzwerthe des lebenden
liegt, sind die Wurzeln des ersten Sprosses (13) einander bereits
so genähert, dass ihr Abstand gleich dem unteren Grenzwerthe
wird, den nur ein lebender so niedrig zeigt (No. 3), während die
weitaus meisten beträchtlich grössere Zahlen zeigen. Diese Au-
näherung der Stangen drückt sich noch besser im Abstande der
Wurzeln des zweiten Sprosses (12) aus, indem hier der untere
Grenzwerth des lebenden Hirsches um 50, das Mittel um 80 Milli-
meter unterschritten wird. Auch im Abstande der beiden vorderen
Schaufelenden (11) zeigt sich noch die gleiche Tendenz, indem er
um 40 Millimeter hinter dem Grenzwerthe, um 106 Millimeter
hinter dem Mittel zurückbleibt.
Ergeben so diese Maasse einen geringeren Winkel beider
Stangen als bei dem lebenden Hirsche, so zeigt ein Vergleich der
unter (10) gegebenen, auf den Abstand des Schaufelendes vom
Rosenstocke bezüglichen Zahlen, dass das Geweih des fossilen
Hirsches von oben nach unten zusammengedrückt erscheint, denn
der lebende Hirsch besitzt ein bedeutend gestreckteres Geweihe,
so zwar, dass die längsten das fossile um 100 Millimeter über-
treffen, keines aber kürzer ist.
Ganz eigenthümliche Differenzen mit dem lebenden Hirsche
zeigt die Anordnung beider Sprossen an der Stange. Der Winkel
von 135°, den der untere Spross des fossilen Geweihes mit der
288
K. Keilhack, lieber einen Damhirsch
Stange bildet, ist um 5° grösser, als der grösste am lebenden
Hirsche gemessene Winkel, um 16° grösser als der Durchschnitt.
Dahingegen ist der Winkel des zweiten Sprosses mit der Stange
um 15° kleiner als der untere Grenzwerth und um 25° kleiner
als das Mittel: mit anderen Worten, die Differenz beider Winkel
beträgt 45° bei dem fossilen, 0 — 25° bei dem lebenden Hirsche.
Keine Aenderungen zeigt die Dicke der Schaufel am hinteren Rande
und der Abstand der beiden Sprossen von einander.
Kurz zusammengefasst ergeben sich daraus folgende Diffe-
renzen des fossilen Damhirsches mit dem lebenden: der Geweih-
zapfen, die Stange, die beiden Sprossen und die Schaufel sind be-
deutend stärker und dicker, die beiden Sprossen erscheinen die
untere nach unten, die obere nach oben gedreht; das Geweih selbst
ist etwas kürzer und erscheint in Folge der grösseren Stärke be-
deutend gedrungener. Die beiden Stangen gehen unter weniger
stumpfem Winkel vom Schädel ab und erscheinen dadurch, zumal
im mittleren Theile, einander genähert. In der Entwickelung des
Damhirschgeweihes seit der älteren Diluvialzeit ist also eine mit
beträchtlichem Schwächerwerden verbundene Tendenz zu grösserer
Schlankheit, ein Grösserwerden des Abstandes gleicher Theile
beider Stangen und eine Näherung derWertlie der Winkel beider
Sprossen mit der Stange deutlich wahrzunehmen.
Da das beschriebene Damhirschgeweih den ersten und bisher
einzigen zweifellosen Beweis für das Auftreten von Dama vulgaris
im Diluvium Deutschlands bildet, so darf es eine gewisse Be-
achtung beanspruchen. Ich habe deshalb geglaubt, eine Abbildung
des ganzen Geweihes, sowie der Innenseite beider Stangen auf
Tafel XI geben zu sollen. Gleichzeitig zwang aber die starke Diffe-
renz jenes fossilen Geweihes mit demjenigen des heute in Deutsch-
land lebenden Damhirsches zu Erwägungen anderer Art. Bekannter-
maassen ist der Damhirsch im ganzen nördlichen und mittleren
Europa erst zur nachchristlichen Zeit, in Norddeutschland sogar
erst in den letzten Jahrhunderten eingeführt worden und noch
heute wird er zumeist in Wildpark -artigen, eingehegten Forsten
gehalten, in denen er trefflich gedeiht. Es war nun leicht mög-
lich, dass die oben besprochenen Aenderungen im Geweihbau eine
aus dem deutschen Diluvium.
289
durch die halbe Domesticirung bedingte Verkümmerung darstellten.
Zwar ist durchaus nicht immer mit der Hegung der Hirsche eine
Neigung zu Rückschritten in der Geweihbildung verbunden, denn
das doch gewiss im vollen Sinne des Wortes gehegte Elch-
wild in der Ibenhorster Forst in Ostpreussen zeichnet sich
nach freundlicher Mittheilung des ehemaligen Ibenhorster, jetzt
Letzlinger Oberförsters, Herrn Axt, durch ausserordentlich starke
Schaufelbildung gerade gegenüber dem frei lebenden volhynischen
und podolischen Elche aus. Nichtsdestoweniger erschien es an-
gemessen, wenn irgend möglich, Geweihe von Damhirschen aus
dem ursprünglichen Verbreitungsgebiete des Thieres, d. h. aus den
Mittelmeerländern, zum Vergleiche heranzuziehen.
Der Güte der Herren Dr. P. Choffat in Lissabon und Dr.
Tu. KrÜper in Athen, denen ich auch an dieser Stelle meinen
Dank für ihre freundlichen Bemühungen aussprechen möchte, ver-
danke ich die Mittheilung der den oben angeführten entsprechenden
Maasse von je einem starken portugiesischen und griechischen
Damhirsche. Dieselben sind in der obigen Tabelle unter den
Nummern 31 und 32 angegeben und zeigen recht beachtenswerthe
Unterschiede. Das Geweih des portugiesischen Hirsches unter-
scheidet sich danach in nichts von demjenigen des norddeutschen
und zeigt somit in keiner Beziehung nähere Uebereinstimmung
mit dem fossilen, und die aus den Differenzen zwischen dem Ge-
weihe unseres norddeutschen Hirsches und dem fossilen gezogenen
Schlüssse behalten auch für den portugiesischen volle Gültigkeit.
Wie mir aber Herr Choffat schreibt, ist auch in Portugal der
Damhirsch schon längst kein seiner vollen Freiheit sich erfreuen-
des Thier mehr, sondern findet sich nur noch in einigen König-
lichen Parks, wenn auch in diesen seit unvordenklichen Zeiten.
Dagegen steht der in völliger Freiheit bei Astakon in Akar-
nanien geschossene griechische Hirsch, von dessen Geweih mir
Herr Dr. KrÜper die Maasse besorgte, unserem fossilen ganz be-
deutend näher. Einmal sind bei diesem die auf die Stärke der
einzelnen Stangen und der Schaufel bezüglichen Maasse zum Theil
so hoch, wie die der stärksten norddeutschen Damhirsche, zum
Theil übertreffen sie dieselben sogar; dann aber, und das ist der
19
Jahrbuch 1887.
290
K. Keilhack, Ueber einen Damhirsch etc.
Hauptunterschied, geht aus den auf die gegenseitige Stellung beider
Schaufeln und auf die Höhe der einzelnen Schaufel bezüglichen
Messungen eine Gedrungenheit im Geweihbaue des griechischen
Damhirsches hervor, die ihn dem fossilen ganz bedeutend nähert.
Es ergiebt sich also aus dieser Untersuchung, dass der altdilu-
viale fossile Damhirsch mit seinem in völliger Freiheit im Südosten
Europas lebenden Artgenossen bei Weitem mehr übereinstimmt,
als mit dem durch Jahrhunderte lange, halbe Domesticiruug stark
veränderten heutigen deutschen Damhirsche.
Zu den in der Eingangs citirten Abhandlung aufgeführten
© © © ©
3 Cerviden aus dem altdiluvialen Süsswasserkalke von Belzig, näm-
lich dem Reh, dem Rothhirsch und dem Damhirsch, kommt als
vierter Hirsch der Elch.
Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Bürgermeister Wall-
© ©
BAUM in Belzig erhielt ich für die geologische Landesanstalt eine
prächtige dreisprossige Schaufel eines etwa fünfjährigen Elchhirsches
aus derselben Grube, die die zahlreichen anderen Reste von Hirschen,
aber auch nur von solchen und von keinem anderen Säugethiere
bisher geliefert hat.
Ueber einige neue Vorkommnisse basaltischer
(jiesleine auf dein Gebiet der Messtischblätter
Gerstlingen und Eisenach.
Von Herrn L. 0. Bornemann jun. in Eisenach.
Der Basaltgang Landerskopf - Kupfergrube.
Im vergangenen Frühjahr erhielt ich von dem Cf rossherzog-
lichen Oberförster Herrn Gerlach in Frauensee die Mittheilung,
dass im dortigen Forstrevier ein neues Basaltvorkommen im Bunten
Sandstein aufgefunden worden sei, und zwar auf der Südseite des
Landerskopfes, dicht an dem vom Josthof nach Gospen-
roda führenden Wege und genau südlich von dem unter dem
Namen der Kupfergrube1) altbekannten Basaltbruch. (Siehe
umstehende Kartenskizze.)
Bei einem Besuch der Localität fand ich diese Angaben be-
stätigt. Der Basalt hat den unteren Bunten Sandstein zweifellos
auf der gleichen nord-südlichen Eruptionsspalte wie derjenige der
Kupfergrube durchbrochen, und scheint, soweit sich nach der Be-
schaffenheit des mit Wald bestandenen Terrains beurtheilen lässt,
eine flachrunde Anschwellung von etwa 60 Schritt Durchmesser
*) Vergl. über diese Moesta, Erläut. zu Blatt Gerstungen S. 13, sowie dieses
Jahrb. 1882, S. 156, Arun. 3, und die nachfolgenden Ausführungen in gegenwärtiger
Abhandlung.
19
292 L. G. Bornemann, lieber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine etc.
zu bilden. In der Mitte desselben war z. Z. meines Besuches eine
ungefähr 2 Meter tiefe Grube angelegt, aus welcher ein in unregel-
massigen Stücken brechender, sehr fester Basalt gefördert wurde.
Weitere Steinbruchsarbeiten werden lehren, ob der Basalt mit der
au der Oberfläche beobachteten Mächtigkeit in die Tiefe setzt oder
ob er lediglich einer schmalen Spalte oder einem engen Kanal ent-
quollen ist. Auch über das etwaige Vorhandensein blasiger Rand-
gesteine, welche an der Kupfergrube eine so ausgezeichnete Rolle
spielen, geben die Abbauarbeiten zur Zeit noch keinen Aufschluss.
Schon makroskopisch erweist sich der Basalt des Landers-
kopfes etwas grobkörniger als derjenige der Kupfergrube; er führt
wie dieser grosse und schöne Augite, ausserdem reichlich Pyrit in
Trümern und als Ueberzug der Flächen der Augite. U. d. M.
unterscheidet man in dem Mineralgemenge eine spärliche glasige
Grundmasse, schöne frische Plagioklase, Augit, etwas Biotit,
Nephelin in einzelnen, aber wohlumgrenzten Durchschnitten,
Schwefelkies und Magneteisen. Letzteres ist in bedeutend ge-
ringerer Menge vorhanden als im Basalt der Kupfergrube, daher
die Schliffe leichter pellucid werden als von letzterem Gestein.
L. G. Boksemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basalt-, Gesteine etc. 293
Salzsäure scheidet aus dem Basalt des Lauderskopfes Chlornatrium-
würfel. Hiernach und nach dem mikroskopischen Befund ist der-
selbe den hornblendefreien Tephriten zuzuzählen.
Was die Zusammensetzung des mehrerwähnten Basaltes der
Kupfergrube anbetrifft, so hat Moesta eine dieselbe im Allgemeinen
gut charakterisirende Beschreibung gegeben, auf die hier nochmals
hingewiesen sei, obgleich seine Bestimmungen in mehreren Punkten
der Berichtigung bedürfen J). Dass dieser Basalt auch Hornblende
führt, habe ich schon früher erwähnt; man findet sie theils isolirt,
theils in regelmässiger Verwachsung mit Augit ; dieser ist meist
lichtbraun, häufig mit einem unregelmässigen grünen Kern ver-
sehen und mitunter verzwillingt. Olivin fehlt auch dem Basalt
der Kupfergrube gänzlich; was von Moesta dafür angesprochen
wurde, sind dem Bunten Sandstein entstammende Quarzkörner mit
grünlicher Silicatschmelzrinde. Die von Moesta auf Apatit be-
zogenen, »grellumgrenzten sechseckigen, wasserhellen, übrigens
recht häufigen Krystalldurchschnitte mit schwarzem Kern« gehören
zweifellos dem Nephelin an.
Bei der Behandlung des Gesteins mit Salzsäure erhält man,
wie nicht anders zu erwarten, Chlornatriumwürfel. Hiernach ge-
hört dasselbe zu den hornblendeführenden Tephriten und
bieten somit die beiden Basalte des Landerskopfes und der Kupfer-
grube ein Beispiel der verschiedenen Ausbildung, deren ein und
dasselbe Magma auf kurze Entfernung hin fähig ist.
Das Gestein, auf welches sich vorstehende Beschreibung be-
zieht, stammt aus der Mitte der Kupfergrube und ist dicht und
tiefschwarz. Nach den Rändern des Ganges zu geht es in ein
graugrünes, weicheres und körnigeres, magneteisenarmes Gestein
mit vielen Blasenräumen über und noch weiter folgen thonige,
blasig zellige Tuffmassen. Jenes zweite Gestein führt in seinen
Blasenräumen Drusen mannigfacher zeolithischer und anderer
Mineralien, die in früheren Jahren in sehr schönen Exemplaren
vorgekommen und Gegenstand des Handels gewesen sind.
■) Herr Dr. R. Brauns in Marburg hatte die Güte, meine Schliffe von diesem
Gestein nachzuprüfen.
294 L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine etc.
Von diesen Mineralien erwähne ich hier nur Breithaüpt’s so-
genannten Glimmer von Berka1), weil auf denselben im Verlauf
dieser Arbeit nochmals Bezug genommen werden muss. Es ist
dies ein eigenthümliches, in rhomboedrischen Tafeln der Combina-
tion B, OB. krystallisirendes, gelblichgrünes, perlmutterglänzendes
Silicat von noch unbekannter chemischer Zusammensetzung, dessen
nähere Beschreibung man a. a. O. zusammen mit dem Thuringit
als Anhang zum Genus Astrites findet, und welches jedenfalls mit
Glimmer nichts zu thun hat. Ich hoffe, später eine ausführliche
Untersuchung dieses Minerals anstellen und veröffentlichen zu
können. Einstweilen sei dasselbe durch diesen Hinweis der Ver-
gessenheit entrissen, in die es gerathen.
Moesta schildert den Basaltgang der Kupfergrube als con-
tinuirlich ausstreichend, gegen das südliche Ende geknickt und aus-
gelenkt. In Wahrheit liegt die Sache so, dass eigentlich zwei
Basaltdurchbrüche vorhanden sind, getrennt durch eine Partie
Bunten Sandsteins. Diese Beobachtung wird durch eine Angabe
von -T. C. W. Sartorius bestätigt, welcher hier zu Anfang des
Jahrhunderts die Steinbruchsarbeiten leitete2). »Im Verfolg der
Steinbruchsarbeiten«, schreibt derselbe, »bin ich belehrt worden,
dass der daselbst sich findende Basalt in zwei Abtheilungen, die
eine Sandwand von 20 Fuss trennt, vorkommt, und beide von
Sandstein umschlossen sind«.
Basaltgang am Königsrain hei Dippach.
Bei Gelegenheit der vorerwähnten Excursion erfuhr ich von
einem alten Einwohner der Stadt Berka a/W., dass vor langen
Jahren ein Basaltgang am sogenannten Königsrain, d. i. der
westliche Steilrand des Oelberges, südlich vom Dorfe Dippach,
ausgebrochen und das gewonnene Material zur Pflasterung von
Berka verwandt worden sei. Da auch dieses Vorkommen auf dem
geologisch bearbeiteten Blatt Gerstungen nicht vermerkt ist, so
Breithaupt, Mineralogie Bel. II, S. 390: »Findet sich, in den Blasenräumen
eines der Werke etwas genäherten Basaltes aus der Kupfergrube (kein Bergwerk)
zu Berka an der Werra im Herzogthum Eisenach.«
2) Sartorius, Geogn. Beob. und Erfahrungen vorzüglich in Hinsicht des
Basaltes. Eisenach 1821, S. 29.
L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine etc. 295
hielt ich es für geboten , die mir gewordenen Angaben an Ort
O " O ö
und Stelle zu prüfen.
In der Tliat liess sich das Vorhandensein eines schmalen
Ganges, welcher vielleicht 1 Meter Mächtigkeit gehabt haben
mag, aus dem Vorhandensein eines Grabens bezüglich einer durch
Wiederzuschüttung desselben entstandenen Terrasse, welche sich
an der Kante des bezeichneten Steilrandes hinziehen, ermitteln
und von der preussisch-weimarischen Landesgrenze ca. 500 Schritt
in süd-nördlichem etwas östlichem Streichen verfolgen.
Die zahlreich umherliegenden Gesteinsbrocken gehören einem
nur selten noch in unverwittertem Zustand anzutreffenden, meist
in sichtlicher Zersetzung befindlichem Basalt an, aus dessen dichter
Grundmasse Einsprenglinge von Augit und Olivin sowie Kalk-
spathmandeln in reichlicher Menge hervortreten. Die Grundmasse
löst sich u. d. M. zu einem Gemenge von Glasmasse, Augit,
Olivin in allen Verwitterungsstadien, Plagioklas und Magneteisen auf
und ist vielfach durch als Zersetzungsprodukt auftretendes Eisen-
oxyd braun gefärbt. Nephelin konnte nicht direkt nachgewiesen
werden, da sich aber bei Behandlung des Gesteius mit Salzsäure
Chlornatriumwürfel ausscheiden, so dürfte das Gestein den in der
Umgegend verbreiteten Basaniten zuzurechnen sein (cf. Bücking,
Dieses Jahrbuch 1882, S. 2).
296 L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine etc.
Die Verbreitung der Basalte auf Blatt Eisenach.
Der am Schlüsse meiner Bemerkungen über einige Basaltgesteine
aus der Umgebung von Eisenach (Dieses Jahrbuch 1882, S. 157)
erwähnte Gang am Ende des Bingerthals, welchen ich Mangels
entsprechender Ortsbezeichnung auf den Messtischblättern nördlich
der Pflasterkaute suchen zu müssen glaubte, ist seitdem durch
Herrn Geh. Rath Beyrich in südöstlicher Richtung, jenseits der
Werrabahn im Forstort Birkenkopf wieder aufgefunden worden1);
es ist ein kleiner Durchbruch eines olivinführenden Limburgites,
dem Hauptgestein der Stopfeiskuppe zum Verwechseln ähnlich.
Ferner habe ich durch einen alten, beim Bau der Werrabahn
beschäftigt gewesenen Arbeiter in Erfahrung bringen können, dass
bei Ausschachtung des tiefen Einschnittes oberhalb Marksuhl, ca.
200 Schritt über dem zweiten Viadukt ein schmaler Basaltgang
c7> O
durchfahren worden ist. Derselbe ist zwar gegenwärtig vollständig
verrollt, die mir bezeichnete Stelle liegt aber genau in der die
Pflasterkaute mit dem Birkenkopf verbindenden Linie.
Von der Pflasterkaute selbst giebt Sartorius an2), dass sie
4 Gänge von 1 1/2 — 4 Fuss Breite in der Richtung der Stopfels-
kuppe entsende.
Die Fortsetzung der Stopfeiskuppe nach Norden lässt sich
an einem den Berg umkreisenden, neuangelegten Fahrweg und
dann weiter an einem schmalen Ausstreichen, welches auf der
halben Höhe des jenseitigen Berghanges von einem Fussweg ge-
kreuzt wird, etwa 300 Schritt südlich von den von mir a. a. O.
beschriebenen Gängen an der Berkaerstrasse verfolgen.
Durch diese Beobachtungen ist die Zusammengehörigkeit zu
einem einzigen Gangzuge aller der Basaltdurchbrüche aufs Neue
bestätigt, welche zwischen dem Birkenkopf einerseits und den
Gängen im Muschelkalk von Hörschel andrerseits auf einer Längen-/
erstreckung von ca. 1 0'/g Kilometer liegen, gleichgültig, ob die-
selben als Limburgit oder als olivinführende Nephelinbasalte auf-
9 Nachträglich gewahre ich, dass der Punkt sich auch auf Cotta’ s geolo-
gischer Karte von Thüringen (1847) ziemlich richtig eingezeichnet findet.
2) 1. c. S. 25.
L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine etc. 297
treten. Dieser Gang streicht vom Birkenkopf zur Pflasterkaute
h. 10 und von da ca. h. 1 2 1/4. Die vorhin aus Blatt Gerstlingen
geschilderten Gänge Landerskopf-Kupfergrube und am Königsrain
stellen sich als Parallelgänge zu diesem grossen Gangzug dar, und
was von mir in meiner früheren Arbeit über die Beziehungen des
Basaltdurchbruches von Vitzerode und der Kupfergrube zur Stopfels-
kuppe vermuthungsweise ausgesprochen war, erweist sich daher
als hinfällig.
Nepheliiiitgänge der Stopfeiskuppe.
Als ich seiner Zeit das gangförmige Vorkommen eines ächten
olivinfreien Nephelinits in den Tuffen der Stopfeiskuppe be-
schrieb, kannte ich nur den einen in jener Arbeit skizzirten Gang.
Bei wiederholtem Besuch der Lokalität stellte sich jedoch bald heraus,
dass die östliche Tuflwand des Bruches von einem wahren Netz-
werk derartiger Gänge der verschiedensten Mächtigkeit durchzogen
ist, die sich durch ihre graue, dem Nebengestein ähnelnde Farbe
dem ersten Blick entziehen. Von 30 Centimeter bis herab zu
wenigen Millimetern Mächtigkeit kann man diese Gänge bei
einigermaassen geschärftem Blick in allen Richtungen den Tuff
an der angegebenen Stelle durchkreuzen sehen , bald sich zer-
theilend und Apophysen aussendend, bald sich schaarend und ver-
einigend, bald sich kreuzend und verwerfend.
298 L. G. Bornemann, Ueber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine etc.
Alle diese Gänge sind intrusiv geblieben und nirgends ge-
wahrt man an ihnen ein Saalband oder eine Einwirkung auf den
umgebenden Tuff'. Wie erstaunlich dünnflüssig muss dieses Magma
gewesen sein, um solche Injectionen bewirkt haben t.\\ können!
Höchst auffällig ist, dass gerade die mächtigsten dieser Gänge
ganz feinkörnige, fast dichte Gesteine führen und dass mit ab-
nehmender Mächtigkeit die Korngrösse zunimmt, so dass die ganz
schmalen Gänge ein wahrhaft granitisehes Aussehen mit makro-
skopisch deutlichen Bestandteilen besitzen. Da aber die Nephe-
line der Einwirkung der Atmosphärilien um so bessere Angriffs-
flächen bieten, je grösser sie sind, so ist die Folge, dass man in
den schmäleren, grobkörnigen Gängen nur wenig oder keinen
frischen Nephelin mehr findet. Meist ist dieser Gemengtheil dann
vollständig in sclmeeweissen Natrolith umgewandelt und oft ermög-
licht es nur dieser, den Verlauf der fadendünnen Gänge zu verfolgen.
Zur mikroskopischen Untersuchung sind die fein- und mittel-
körnigen Varietäten der grösseren Frische wegen vorzuziehen.
Die Beschreibung des mikroskopischen Befundes habe ich schon
früher gegeben. Das Bild ist für alle Gesteinsvarietäten, abge-
sehen von der verschiedenen Grösse der Gemengtheile, genau das
gleiche, nachzutragen ist nur, dass auch Biotit in dem Mineral-
gemenge vertreten ist. Das hierunter in 25 facher Vergrösserung
reproducirte Photogramm
L. G. Bornemann, Geber einige neue Vorkommnisse basalt. Gesteine eto. 299
giebt ein anschauliches Gesammtbild dieses wegen der Deutlich-
keit seiner Gemengtheile besonders auch für das Studium der
beiden hexagonalen Mineralien Nephelin und Apatit überaus lehr-
reichen Gesteins, welches den schönsten bisher bekannten Nephe-
liniten an die Seite gestellt zu werden verdient.
Anhang.
Ein angebliches Gestein der Pflasterkaute.
Heinrich Credner führt in seiner -Beschreibung der Pflaster-
kaute dreierlei Gesteinsvarietäten als dort vorkommend an :
1. »am Rande ein schwarzes dichtes basaltartiges Gestein . .«
2. »nach der Mitte zu ein schwarzgrüner feinkörniger Do-
lerit ... .« das Muttergestein der zahlreichen an der Pflasterkaute
vorkommenden Zeolithe ;
3. »in der Mitte der ganzen Masse herrscht neben diesem
Gestein ein minder fester, z. Th. mürber, grünlichgrauer Dolerit
vor, zumeist innig mit weissem Mesotyp gemischt. In den häufig
in ihm vorkommenden Drusen finden sich vorzüglich Mesotyp,
Natrolith, Sphärosiderit, Kalkspath und ein licht graugrüner
Glimmer, in der Grundmasse selbst Rubellan und Hornblende.«
Das Gestein No. 1 ist heute noch anstehend zu beobachten,
von No. 2 findet man in dem tief ausgebrochenen und voll Sand-
stein gerollten Bruch noch ansehnliche Blöcke, von No. 3 hin-
gegen, dessen absonderliche Beschaffenheit mir ohnehin auffällig
erschien, konnte nie eine Spur gefunden werden. Dies und der
Umstand, dass Credner dann im weiteren Verlauf der Arbeit (S. 60)
seinen »licht graugrünen Glimmer« als »Breithaupt’ s Glimmer
von Berka« bezeichnet und entsprechend beschreibt, stieg in mir
die Vermuthung auf, es könne hier eine falsche Fundortsangabe
') Jahrb. f. Mineralogie etc. 1860, S, 57,
300
L. G. Born-emann, Ueber einige neue Vorkommnisse etc.
untergelaufen sein. Diese Vermuthung wurde vollauf bestätigt
durch Besichtigung des CREDNER’schen Originalhandstückes, welches
sich mit der Bezeichnung Pflasterkaute bei Marksuhl in der Uni-
versitätssammlung zu Halle befindet und von dem ich Herrn
Prof. Lüdecke einige Brocken verdanke.
Es ergab sich hiernach eine so vollständige Uebereinstimmuug
(die Richtigkeit der Credner sehen Mineralbestimmungen ausser
Acht gelassen) zwischen diesem Stück und dem oben beschriebenen
grauen Mittelgestein der Kupfergrube, auch bezüglich des »Glimmer
von Berka« genannten Minerals, dass jeder Zweifel über die Ab-
stammung des ersteren beseitigt erscheint, und also das von
Credner unter 3) beschriebene Gestein an der Pflasterkaute gar
nicht vorkommt.-
Die südliche baltische Endmoräne
in der Gegend von Joachimsthal
Von Herrn G. Berendt in Berlin.
Die Kartenaufnahme im Uckermärkischen Arbeitsgebiet, ins-
besondere in der Joachimsthal -Templiner Gegend, boten mir im
vorigen Herbste Veranlassung zu einer näheren Verfolgung des
bekannten Joachimsthal- Chorin -Lieper Geschiebewalles. Richtiger
gesagt, setzten diese Aufnahmen die nähere Keuutuiss des Ge-
schiebewalles, sowohl in seinem Aufbau, wie in seinem Verlaufe
geradezu voraus und zwangen mich somit zu einer solchen Einzel-
Studie. Die darauf bezüglichen Untersuchungen sind nun zwar
noch keineswegs abgeschlossen; doch schon die Ergebnisse einer
vorläufigen Zusammenstellung zeigten sich von so allgemeinem
Interesse, dass ich auch in Hoffnung auf eine durch vereinte
Kräfte schnellere Lösung der dabei angeregten, für das Verständ-
niss der Diluvialbildungen Norddeutschlands so wichtigen Fragen
glaube, die bisherigen Ergebnisse noch vor Abschluss der bezüg-
lichen Untersuchungen bekannt geben zu sollen, und mir weitere
Mittheilung über den Gegenstand Vorbehalte.
Die wichtigste, und daher in erster Reihe hervorzuhebende
Beobachtung ist zumeist die Feststellung der Thatsache, dass
302
G. Berendt, Die südliche baltische Endmoräne
mau es in dem genannten Geschiebewall wirklich mit
einem solchen, d. h. mit einer, zum Theil sogar ausge-
prägt wallartigen, einstmaligen Endmoräne des, hier
längere Zeit abschmelzend, zum Stillstände gekommenen
Eises der Diluvialzeit zu thun hat, wie sie nur den End-
moränen heutiger Gletscher verglichen werden kann.
Seit jener denkwürdigen November- Sitzung der Deutschen
geologischen Gesellschaft im Jahre 1875, in welcher zuerst die
Gletscherschrammung der Riidersdorfer Kalksteinoberfläche fest-
gestellt wurde, blieb eine andere Auffassung des Geschiebewalles
zwar kaum übrig und habe ich die Endmoränennatur desselben
seitdem durch Wort uud Schrift mehrfach vertheidigt, ebenso wie
diese Ansicht seitens des Prof. Kemele zum Jubiläum der Kgl.
Forstakademie in Eberswalde und auch in einer geognostischen
Bergreferendararbeit des nachherigen Bergassessor Dr. Busse ver-
treten wurde.
Dennoch bedarf es der Hervorhebung dieses Punktes in
doppelter Hinsicht. Einmal deswegen, weil die verschiedenen
Aufschlüsse des Geschiebewalles, namentlich bei Fiepe, bei Chorin
und bei Joachimsthal, zwar schon lange bekannt und auch von
anderen Geologen besucht worden sind — im Jahre 1880 hatte ich
selbst die Ehre , den damals in Berlin tagenden Deutschen
Geologentag zu einem der schönsten Aufschlüsse bei Liepe zu
führen — jedoch stets in der Hauptsache nur betreffs des inneren
Aufbaues, der Art der Gesteine und dergl. Beachtung fanden;
zum anderen, weil die in seiner Abhandlung über die mecklen-
burgischen Höhenrücken (Geschiebestreifen) von E. Geinitz un-
längst gegebene Darstellung der mecklenburgischen Verhältnisse
wirkliche Geschiebewälle gar nicht kennt, so dass es bereits den
Anschein hatte, als habe es sich bei allen bisherigen Nachrichten
von Geschiebewällen nur um die von E. Geinitz beschriebenen
Geschiebestreifen gehandelt, d. h. mehr oder weniger breite
Landstriche, in welchen der Geschiebereichthum der Oberfläche
oder der an der Oberfläche liegenden Schicht besonders zunimmt.
E. Geinitz sagt ausdrücklich von seinen Geschiebestreifen, deren
in der Gegend von Joachimsthal.
303
Breite er auf »etwa ^ bis 2 Meilen« angiebt: »Die Geschiebe-
streifen gleichen nicht den »Endmoränen moderner Gletscher,
vielmehr sind sie zu bezeichnen als die geschiebereichen Grund-
moränenabsätze des sogenannten Oberen Diluviums, welche nur in
geringer Mächtigkeit (0 — 8 Meter) auf schon vorhandenen Boden-
erhebungen auf- und angelagert worden sind.«
Solche, durch ihre Geschiebebestreuung besonders in die Augen
fallende Landstriche giebt es allerdings vielfach in Norddeutsch-
land und ganz besonders auch in der soeben in Rede stehenden
Uckermark. Ja, die Breite der einzelnen Streifen wird vielfach
so bedeutend, ihre Entfernung von einander so gering und ihre
Uebergänge ineinander, bei häufig wechselnder Erstreckungsrich-
tung, so zahlreich, dass es — wie solches sich auch in Mecklen-
burg erwiesen hat — vielfach gar nicht möglich ist, dieselben aus-
einander zu halten und die Zugehörigkeit zu dem einen oder
anderen Geschiebestreifen zu behaupten. Dem gegenüber ist der
in Rede stehende Uckermärker Geschiebe wall ein entweder
aus mehr oder weniger gerundeten Hügeln sich zusammensetzender
oder auch, was ich selbst früher in dem Grade garnicht kannte,
wallartig fortlaufender Höhenkamm, von dessen Rücken man beider-
seits mehr oder weniger weit das Land zu überschauen im Stande
ist. Ebenso unterscheidet sich der Uckermärker Geschiebewall,
der eben nichts anderes als die grosse südliche Endmoräne des
skandinavischen Eises ist, iu seiner inneren Zusammensetzung
dadurch von den mecklenburgischen Geschiebe streifen und den
auch ihn seitlich begleitenden, in gleicher Weise besonders ge-
schiebereichen Landstrichen bezw. Geschiebestreifen der Uckermark,
dass er, wo er bisher aufgeschlossen worden ist, sich geradezu als
eine Steinpackung erweist. Dieser Steinpackung sind sowohl Ge-
schiebemergel wie geschichtete Bildungen nur untergeordnet ein-
gelagert oder seitlich an- bezw. nebengelagert. Die Steinpackung
ist vielfach so dicht, dass sich die einzelnen grösseren Geschiebe
berühren und nur die zwischen ihnen entstandenen Hohlräume
mit Sand, Grand oder kleinerem Geröll oder auch mit geschiebe-
mergelartigem Bindemittel ausgefüllt sind.
304
G. Berendt, Die südliche baltische Endmoräne
In dieser Weise hatte ich im vorigen Herbste Gelegenheit,
den Verlauf der grossen Endmoräne aus der Gegend von
Oderberg und Liepe über Chorinchen und Senftenhütte
mit einer Eückbiegung bis in die Gegend von Schmargendorf
über Alte Hütte, Joachimsthal, Friedrichs walde und
Ringenwalde mit einer abermaligen Rückbiegung nach Alt-
Tem men zu und weiter bis Vorwerk Alt-Kölpin in ununter-
brochenem, mit der allgemeinen Oberfläche auf und absteigendem
Zuge volle 8 Meilen oder 60 Kilometer genauer zu ver-
folgen und durch Eintragung in die Karte festzustellen.
in der Gegend von Joachimsthal.
305
Die Breite des Geschiebewalles schwankt auf diese ganze
Erstreckung hin in der Hauptsache nur zwischen 100 und 400 Meter.
Das Doppelte, also 8 — 900 Meter erreichende Verbreiterungen
kommen nur ganz vereinzelt an zwei Stellen, einerseits bei Senften-
liiitte, andererseits bei Ringenwalde vor (s. das Uebersichtskärtchen).
Aber auch hier beschränkt sich die hauptsächlichste Geschiebe-
anhäufung, die eigentliche Geschiebepackung, auf einen mehr oder
weniger schmalen Streifen auf diesem breiteren Rücken.
Was die Höhe dieses Kammes oder der einzelnen Kegel-
berge betrifft, so überragen sie ihre Umgebung um durchschnitt-
lich etwa 5 — 10, aber auch bis 20 Meter, ja stellenweise selbst
bis 40 Meter mit vielfach 30 — 45° erreichendem Böschungswinkel.
O
Ihre innere Beschaffenheit lassen schon oberflächlich die zuweilen
aus der Gras- oder Moosdecke des sie meist bedeckenden Waldes
hervorblickenden, oder namentlich kleine Kuppen und Vorsprünge
unverhüllt bildenden, gewaltigen Geschiebeblöcke erkennen.
Ueberblickt man den bereits oben angedeuteten Verlauf des
Geschiebewalles im Ganzen, wie es das beigegebene Karten-
bildchen gestattet, so sieht man, dass man es auf der in Rede
stehenden Strecke mit zwei grossen, gegen W. bezw. WSW. vor-
geschobenen, bogenartigen Ausbuchtungen der grossen Endmoräne
zu thun hat, innerhalb welcher, also gegen ONO., der Geschiebe-
mergel, die alte Grundmoräne, in der Hauptsache die Oberfläche
bildet, während ausserhalb der Bogen weite, Anfangs wellige,
weiterhin zum Theil völlig; ebenflächige und nur von aufgesetzten
Dünenkämmen durchzogene Sandflächen , nach Art der aus
Island durch Dr. Keilhack beschriebenen Sandrs , sich vor-
legen.
Besonders schön lässt sich dieser Gegensatz in der Boden-
beschaffenheit der Innen- und Aussenseite unserer End-
moräne an der Stelle beobachten und in der Natur überblicken,
wo beide Bogen aneinanderstossen. Während hinter dem Ge-
schiebewall, dort, wo man sich die in der Endmoräne abschmelzende
Eismasse seiner Zeit zu denken hat, einerseits also bei Gr.-Ziethen
und Senftenhütte, andererseits bei Amt Grimnitz und Alte-Hütte,
Jahrbuch lö$7.
20
306
G. Berendt, Die südliche baltische Endmoräne
überall fruchtbare, wenn auch zum Theil steinbesäete Felder die
wellige Oberfläche des Geschiebemergels bedecken, starren vor
der Endmoräne, d. h. in der breiten, durch ihre beiderseitige Be-
grenzung gebildeten, nach Schmargendorf hinaufführenden Rinne,
magere, meist brach liegende Grand- und Sandfelder. Ja, die hier
beiderseits damals dem Eise entströmenden Schmelzwasser haben
ihre durch den Zusammenfluss weit mehr als gedoppelten Sand-
massen vor der Mündung der in Rede stehenden Rinne, zu einem
für lose Masse wunderbar steilen, nur den Karnes Schottlands
und Nordamerikas vergleichbaren kammartigen Hügel von 50 Meter
Höhe aufgeschüttet. Diese, den Rücken der Endmoräne selbst
weit überragende Höhe, der sogen. Aue rhah*npfalz, ist nur ya\
verstehen, wenn man bedenkt, dass hier auf die Erstreckung einer
Viertelmeile — soviel beträgt etwa die Breite der Ausmündung
des durch die Moränenbogen gebildeten Thaies — sich die Ab-
sätze von ungefähr 2 Meilen Länge des an der Moräne ab-
sclnnelzenden Eises zusammendrängen.
Aber noch ein zweites Merkmal ausgeprägter Endmoränen
finden wir auf der in Rede stehenden Strecke auf’s Schönste zum
Ausdruck kommen. Während in dem einen der grossen Bogen
unserer Endmoräne der Paarsteiner, Serwster und Gr.-Plagen-
See sich als die Ueberreste eines grossartigen Stausees zu er-
kennen geben, fliessen auch der Grimnitz-, der Mellin- und
die beiden Prüssnick - Seen in dem zweiten Bogen vermittelst
der grossen, den alten wenig höher gelegenen Seeboden bezeich-
nenden Sandebene der Joachimsthaler Haide, zu einem noch
grösseren, mehr als eine Quadratmeile einst bedeckenden zweiten
Stausee, wie er aus der breiteren Horizontalstreifung im Ueber-
sichtskärtchen zu erkennen ist, zusammen.
Der Gegensatz zwischen den hinter der Endmoräne liegen-
den flachen Stauseen und den vor derselben schluchtartig im
engen Thale sich hinziehenden tiefen Auswaschungs-Seen
kann kaum schöner ausgesprochen erscheinen, als in den beiden bei
Joachimsthal liegenden derartigen Beispielen, dem Grimnitz -See
und dem Wer bellin- See. Während der erstem nach den bis-
herigen Messungen 15 — 18 Fuss Tiefe zeigt, beträgt die des
in der Gegend von Joachimsthal.
307
letzteren 60 — 70 Fuss 1). Während der Grimnitz-See bei fast
3/s Meilen Durchmesser fast kreisrunde Form besitzt, zieht sich
der an den breitesten Stellen J/g Meile durchschnittlich nicht über-
schreitende Werbellin volle 1 3/g Meilen lang hin. Während der
Spiegel des Grimnitz-Sees noch gegenwärtig in einer Meereshöhe
von 65 Meter liegt, ergaben die Messungen des Generalstabes für
den Werbellin eine solche von 43 Meter mithin auf eine Entfernung
von kaum mehr als 1/8 Meile diesseits und jenseits der Endmoräne
einen Höhenunterschied des Wasserspiegels von 22 Meter oder fast
70 Fuss. Nimmt man die vorhin erwähnte Tiefe von 60 — 70 Fuss
oder ebenfalls über 20 Meter hinzu und bedenkt, dass die Ufer
des Werbellin in unmittelbarster Nähe über 30 und 40 Meter an-
steigen, so ergiebt sich eine Auswaschungsfurche von 50 bis
60 Meter Tiefe.
Und selbst an den Stellen, wo diese schluchtartige Ausbildung
der Ausspülung vor dem Geschiebe wall fehlt, wie z. B. bei den
Choriner Schmelzwasssern , da bezeichnet doch eine weithin mit
den Blicken von der Höhe des Geschiebewalles zu verfolgende
Wiesenschlänge, aus der eine ganze Anzahl kleiner, aber meist
tiefer Wasserbecken flussartig hervorleuchten, die später zuge-
schlemmte und verwachsene Rinne.
Es bleibt zum Schluss noch eine, allerdings sehr wichtige
und leider bis jetzt auch noch nicht mit Sicherheit zu entschei-
dende Frage zu erwähnen: Welcher Vereisung, der ersten
oder der zweiten, der unteren oder der oberen Grund-
moräne bezw. Geschiebemergelbildung gehört diese
grosse südbaltische Endmoräne an?
Vor 2 Jahren glaubte ich allerdings (s. briefl. Mittheilung im
Jahrg. 1885 d. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 804) diese Frage
bereits zu Gunsten der ersten Vereisung entschieden halten zu
dürfen. Seitdem sind mir jedoch so erhebliche Bedenken gegen
die Durchführung dieser Annahme entgegengetreten; dass ich mich
*) Auf meine Veranlassung von Herrn Postverwalter Treskow in Joachims-
thal gegenwärtig in der Ausführung begriffene Tiefenmessungen haben nach
freundlicher Mittheilung desselben bereits Tiefen von 90, ja sogar 107 Fuss
ergeben.
20*
308
G. Berendt, Die südliche baltische Endmoräne
genöthigt sehe, die Frage noch für eine offene zn erklären und
die Entscheidung derselben von den Ergebnissen der diesjährigen
Sommeraufnahme zu erhoffen. Während nämlich auf der einen
Seite die Einlagerung einer deutlichen Bank als durch seine tief
blaugraue Farbe seither zu unterscheidenden Unteren Geschiebe-
mergels und im Einklang damit das unmittelbare Hervortreten
des hoch aufgepressten Tertiärgebirges als der nächsten Unterlage
in unmittelbarer Nähe vor der Endmoräne (bei Joachimsthal und
Freienwalde) wohl geeignet war, für die erste Vereisung zu
sprechen, stimmt die Richtung der bisher verfolgten Längserstreckung
des Uckermärker Geschiebewalles in NNW. zu SSO. -Richtung
vielmehr zu derjenigen der zweiten Vereisung, des eigentlichen
baltischen Eisstromes. Und wenn auch die meisten Untersuchungen
unserer schwedischen Nachbarn (Lundbohm) dieselben gegenwärtig
zu der Annahme geführt haben, dass die Stromrichtung schon
einmal zum Beginn der ersten Vereisung vorübergehend die ost-
westliche des baltischen Eisstromes gewesen sei, was wieder ge-
eignet wäre, das eben geltend gemachte Bedenken zu beseitigen,
so bedurfte es doch unter allen Umständen erst eines sicheren
Nachweises des Weges, auf welchem die zweite Vereisung — der
nördlich und südlich der Endmoräne, wenn auch in grösserer
Entfernung, bekannte Obere Geschiebemergel — in diesem Falle
die noch frisch und unzerstört liegende Endmoräne der ersten
Vereisung als Nunatakker umflossen hätte.
Kann nun aber auch entgegnet werden, einer solchen Mühe
bedarf es überhaupt nicht, sobald man den Uckermärker Geschiebe-
wall als Endmoräne der zurückweichenden letzten Vereisung an-
nimmt, so muss man sich dagegen auch klar machen, dass dann
einerseits auch die bisher, übereinstimmend mit den Schweden,
Engländern und Franzosen für Oberes und Unteres Diluvium
cum grano salis in Anspruch genommene gelbe und blaue Fär-
bung, so gut wie gänzlich, ihre Brauchbarkeit als Unterscheidungs-
merkmal verliert, und dass andrerseits auch unsere bisherigen
Anschauungen über die Zusammensetzung des Oberen Diluviums
einer weiteren wesentlichen Berichtigung bedürfen, indem die
mächtigen Sandmassen, welche der Endmoräne vorgelagert sind
in der Gegend von Joachimsthal.
309
und — wie bisher nur aus dem Unteren Diluvium bekannt ge-
worden — in steilen Hügeln, selbst zu 50 Metern, wie die oben
erwähnte Auerhahn - Pfalz , aufsteigen, möglicher Weise dem
Oberen Diluvium angehören bezw. dem Oberen Geschiebemergel
aufgelagert sind *).
Wenn ich somit zum Schluss sehr erhebliche
Zweifel angeregt und neue Fragen als der Lösung bedürftig auf-
geworfen habe, so ändert doch diese Zugehörigkeit zur ersten
oder zweiten Vereisung an dem Vorhandensein der Endmoräne
selbst nicht das Mindeste.
Unter diesen Umständen kann all’ unseren Geologen der Be-
such der genannten Strecke' des Uckermärker Geschiebewalles
nicht genug empfohlen werden, damit doch endlich die Natur des
Geschiebewalles als echte Endmoräne anerkannt wird und mir
nicht z. B. der durch seine Arbeiten auf dem Gebiete der glacialen
Geologie bekannte Mitarbeiter Prof. Chamberlin’s, Herr Salisbury,
schreiben kann, er sei sehr überrascht gewesen, als er kürzlich aus
dem Jahrg. 1879 der Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. ersehen habe,
dass ich bereits damals den baltischen Höhenzug mit Endmoränen
in enge Beziehung gebracht habe, während er bisher nie in der
Literatur eine anderweitige ähnliche Bemerkung gefunden habe
und ihm auf bestimmte auf die Endmoränen des Höhenzuges ge-
richtete Fragen wiederholt von deutschen Geologen das Gegen-
O o o
theil versichert sei. Dann wird es sicher auch unserem mecklen-
burgischen Nachbar Prof. E. Geinitz bald gelingen, die Fort-
9 Von der durch Prof. Eug. Geinitz und fast gleichzeitig durch Dr. Keil-
hack kürzlich besonders betonten Zugehörigkeit eines Theiles der unter dem
Oberen Mergel liegenden Sande zum Oberen Diluvium ist hier garnicht die Rede.
Sie war theoretisch stets, ich möchte sagen als selbstverständlich, angenommen.
Sie ist aber praktisch d. h. in der Unterscheidung auf Karten auch heute noch
ebenso unausführbar, es sei denn an Stellen, wo eben eine eingelagerte inter-
glac-iale Fauna oder Flora die Trennung ermöglicht. Im Uebrigen wird man sich
auch heute noch darauf beschränken müssen, die von den Schmelz wassern der
zurückweichenden ersten Vereisung und die von denjenigen der wieder vor-
dringenden zweiten Vereisung abgesetzten mächtigen Sandmassen als Untere
Sande wie bisher ungetrennt zu lassen. Nicht einmal als Mittlere Sande sie von
den unter dem Unteren Mergel wieder bekannten Unteren Diluvialsanden abzu-
trennen, lässt sich mit einiger Sicherheit kartographisch durchführen.
310
G. Bekendt, Die südliche baltische Endmoräne etc.
Setzung echter Endmoränen neben oder zwischen den Geschiebe-
O
streifen aufzufinden, wie durch die früheren BoLL’schen Angaben
doppelt wahrscheinlich gemacht wird.
Grade diese Angaben, wie überhaupt die ganze WNW. -Rich-
tung der mit der Endmoränenbildung in ursächlichem Zusammen-
hange stehenden mecklenburgisch - uckermärkischen Seenplatte,
lassen mich auch die Fortsetzung des Uckermärker Geschiebe-
walles, als eines Theiles der entsprechend langen Endmoräne,
nicht in der in dem Kärtchen hervortretenden NNW. -Richtung
nach Vorpommern zu, sondern vielmehr in dieser WNW. -Rich-
tung nach Mecklenburg hinein suchen. Der ganze in dem Ueber-
sichtskärtchen bereits mehrere Bogen darstellende, bisher beob-
achtete Theil der Endmoräne wäre somit, meiner Auffassung nach,
wieder nur ein grösserer Bogen in dem Gesammtverlauf der bal-
tischen Endmoräne, dessen Gegenbogen weiter westlich läge.
Ebenso würde aber auch die Fortsetzung nach Osten zu, in
der Gegend zwischen Oder und Weichsel, entsprechend der
ONO. -Richtung der hinterpommerschen Seenplatte bezw. der ge-
sammten baltisch-uralischeu Landeserhebung, von der die mecklen-
burgisch-uckermärkische und die pommersche Seenplatte nur Theile
sind, in letztgenannter Richtung zu suchen sein, wozu mir Spuren
der Endmoräne wie ich sie in Geschiebepackungen gerade auf den
höchsten Erhebungen in der Gegend von Bublitz in Hinterpommern
bereits kenne, festen Anhalt gewähren.
Die fossile Pflanzen -Gattung Tylodendron*
Voa Herrn H. PotOH!8 in Berlin.
(Hierzu Tafel XII- XIII a.)
V orbemerkung.
Der König!. Landesgeologe, Herr Prof. Dr. E. Weiss, wurde
durch den Erwerb zweier neuer verkieselter Stückchen von Tylo-
dendron veranlasst, mir eine anatomische Nachuntersuchung dieser
interessanten Gattung der oberen Steinkohlenformation und des
Rothliegenden zu empfehlen. Bevor ich nun das überraschend
ausgefallene Resultat dieser Untersuchung mittheile, gebe ich vor-
erst unsere bisherigen Kenntnisse der in Rede stehenden, eigen-
thümlichen Gattung.
I.
Unsere bisherigen Kenntnisse über Tylodendron.
In seiner 1869- — 1872 in Bonn erschienenen »Fossilen Florader
jüngsten Steinkohlenformation und des Rothliegenden im Saar-
Rheingebiete« machte E. Weiss einen fossilen Coniferen- Typus
aus der oberen Steinkohlenformation und dem Rothliegenden be-
kannt, welchem er den Gattungs - Namen Tylodendron beilegte;
übrigens war ein zu Tylodendron gehöriger Pflanzenrest schon
1845 von Ad. Brongniart unter dem Namen Lepidodendron
312
H. Potonie, Die fossile Pflanzen- Gattung Tylodendron.
elongatum beschrieben und abgebildet worden 1). Vor dem voll-
ständigen Erscheinen der genannten Flora hatte Weiss bereits in
der Sitzung vom 21. Februar 1870 der Niederrheinischen Gesell-
schaft für Natur- und Heilkunde in Bonn2) Tylodendron vorgelegt
und kurz besprochen. Zur Orientirung über das in Rede stehende
Petrefact gebe ich zunächst in der Hauptsache nach diesen beiden
Quellen im Folgenden eine kurze Besprechung des Wesentlichsten
und daran anschliessend eine Darstellung des Wichtigsten aus der
Litteratur, die wir nicht umgehen können. Tylodendron ist näm-,
lieh zu wiederholten Malen und in den verschiedensten Gegenden
gefunden worden, jedoch immer nur in einzelnen Stücken. Des-
halb und wegen des Interesses, welches eine wirklich »echte
Conifere 3)« mit Araucarioxylon- ( Araucarites -) Structur aus den
palaeozoischen Formationen bietet, auch wegen der auffallenden
äusseren Gestaltung unseres Petrefactes, ist es erklärlich, dass
jeder Autor, dem ein Tylodendron -Rest zur Verfügung stand,
denselben immer wieder beschrieben und auch abgebildet hat.
Es standen Weiss ein verkieseltes , in seiner anatomischen
Structur erhaltenes Stück, (Taf. XII), aus dem Feldspathsandstein
am Bahnhofe zu Ottweiler (mittlere Ottweiler Schichten) und
mehrere längere »in Sandstein umgewandelte Stämme« aus
mehreren Steinbrüchen bei Otzenhausen und (nach Exemplaren
der WEiss’schen Sammlung) bei Schwarzenbach, beide unweit
Birkenfeld (nach Grebe Lebacher Schichten) zur Verfügung, von
denen das längste über 70 Centiineter lange Exemplar eine »Vege-
tationsspitze«, nämlich ein kuppelig verjüngtes Ende zeigt. Als
weiteren Fundpunkt giebt Weiss noch an: im Sandstein am
Bleckarsch südöstlich von Ulmet bei Altenglan.
Die in Rede stehenden Birkenfelder Stücke und das Ott-
weiler Exemplar — jetzt in der Sammlung der Königl. Preuss.
') Seite 10 und Tafel C Fig. 6 in R. J. Murchison, E. de Verneuil und
A. de Keyserling: »Geologie de la Russie de l’Europe et des montagnes de
l’Oural«, Bd. II, Theil 3: Palaeontologie. — London u. Paris 1845.
2) Verhandl. des naturh. Vereins d. preuss. Rheinlande und Westphalens.
Sitzungsber. der Niederrhein. Gesellsch. S. 47 — 48. Bonn 1870.
3) H. Graf zu Solms -Laubaoh : »Einleitung in die Palaeophytologie«. Leipzig
1887, S. 81 u. 85.
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
313
geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin befind-
lich — sind stielrund ; in Entfernungen von etwa je 3 Decimeter
erscheinen periodisch wiederkehrende Anschwellungen. Die wohl-
erhaltene Oberfläche ist mit dichtgedrängten und spiralig gestellten
»Polstern« bedeckt, welche länglich-rhombische Gestalt haben, in-
dem der Längendurchmesser derselben mit der Längsachse des
Stammes zusammenfällt. Die eine Polsterhälfte — Weiss sagt
die obere auf Grund des Exemplares mit »Vegetationsspitze« —
wird durch einen Schlitz der Länge nach gespalten, in der Weise
also wie dies das hier beigegebene einfache Schema zur Veran-
schaulichung der Form eines »Polsters« klar macht. Unsere
Figuren 2, 10, 14 zeigen das natürliche Aussehen dieser »Polster«.
Besondere Blattnarben zeigen diese Polster nicht, und Weiss
spricht daher die Vermuthung aus, dass dieselben »die Oberfläche
des inneren Kernes des entrindeten Stammes« sein könnten.
In dem »unteren« Theil der Anschwellungen sind bei Tylo-
dendron speciosum Weiss j) die Polster am längsten, von wo aus
die Länge derselben allmählich bis zur nächsten Anschwellung
wieder abnimmt. Die Anschwellungen und periodisch kleineren
und grösseren Polster mögen »sicher auf periodisch beschleunigtes,
dann wieder verlangsamtes oder sistirtes Wachsthum (Jahres-
periode?) deuten«. Bei Tylodendron saxonicum Weiss 2) aus dem
Rothliegenden des Mansfeldischen ist ein solcher Unterschied in
Bezug auf die Länge der Polster jedoch nicht zu bemerken,
während die periodischen Anschwellungen nicht fehlen. Weiss
giebt zwar von dieser »Art« keine Diagnose, jedoch konnte ich
b Foss. Flora d. jüngsten Steinkohlenformation u. d. Rothliegenden.
3) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 26, S. 616. Berlin 1874.
314
H. PotoniiS, Die fossile Pflanzen- Gattung Tylodendron.
das Gesagte an dem ebenfalls in der Sammlung der geol. Landes-
anstalt befindlichen Original-Stück ersehen, und auch Herr Prof.
Weiss bestätigte mir mündlich, dass er in dem angedeuteten Ver-
hältniss den Unterschied zwischen beiden Arten erblickt habe. Vergl.
Taf XIII a, Fig. 10. — Auch ein in der naturwissenschaftlichen
Sammlung der Stadt Chemnitz befindliches verkieseltes , von
O. Weber gesammeltes Stück von Araucarioxylon aus der unteren
Abtheilung des mittleren erzgebirgischen Rothliegenden von Hilbers-
dorf bei Chemnitz, welches mir Herr Dr. T. Sterzel, der Custos der
mineralogisch-palaeontologischen Abtheilung der genannten Samm-
lung, vorlegte, ist dem Tylodendron saxonicum zuzurechnen. Das
Exemplar zeigt eine Anschwellung des zerstörten Markkörpers im
Hohldruck. Die übrigen Tylodendron-Exemplare der Chemnitzer
Sammlung — alle aus dem Chemnitzer Rothliegenden stammend —
Hessen die Oberflächen-Sructur des Markes nicht erkennen. Ein
in Herrn Dr. J. G. Bornemann’s Besitz befindliches Exemplar,
ebenfalls aus der Chemnitzer Gegend — nämlich aus dem Mittel-
bacher-Schacht bei Chemnitz — ergiebt gleichfalls keinen sicheren
Anhalt zur Ermittelung der »Art« , obwohl die Tylodendron-
Oberflächen-Structur nicht zu verkennen ist.
Bemerkenswerth für unsere spätere Darlegung ist es ferner,
dass an der einen Seite des verkieselten Exemplares an der
angeschwollenen Stelle ein Körper zu bemerken ist, »welcher
ein abgebrochener Ast sein mag«: a in Fig. 1, 2 u. 3. »Doch
— fährt Weiss fort — ist gerade bei diesem Exemplare der
Umstand störend, dass ein anscheinend fremder ebenfalls ver-
kieselter Körper, über welchen man nicht klar wird, parallel
dem Stammstücke und fest mit ihm zusammengewachsen, da-
nebenliegt. Das Wahrscheinlichste ist allerdings, dass es ein
zweites Stammstück derselben Art, vielleicht desselben Individuums
gewesen sei, welches aber entrindet, also ohne Blattpolster, in der
Araucariten - Form auftritt«. Den fraglichen Anhang habe ich in
den beigegebenen Figuren 1 u. 3, welche beide dasselbe Exemplar
(vergl. Figuren - Erklärung) von verschiedenen Seiten darstellen,
mit II bezeichnet.
Von dem in Frage stehenden Exemplar — und zwar, wie
sich später von selbst ergeben wird, vielleicht von jenem »fremden
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
315
Körper« — erhielt L. Dippel einige Schliffe, der dieselben auf
Anregung von Weiss untersuchte.
Dippel äussert sich *) über seinen Befund wie folgt:
»Die innere Structur des Holzes, von welchem der Quer-
schnitt nur die primären Wände und eine mannichfach verschobene
Form der Zellen erkennen lässt, der Längsschnitt dagegen viel
brauchbarere Präparate gewährt, stimmt allerdings keineswegs mit
jener unserer Nadelhölzer überhaupt überein. Hiernach wäre man
viel eher versucht, das Holz zu den Cycadeen zu stellen, indem
die Holzfaser auf ihren radialen Längswänden ein, zwei bis drei
Reihen behöfter Poren (Tüpfel) zeigen, wie sie bei allen jetzt
lebenden Cycadeen in ganz übereinstimmender Weise auftreten.
Es möchte daher am geeignetsten erscheinen, vorläufig: die Stellung:
des Holzes unter Ertheilung eines diese keineswegs anticipirenden
Namens, innerhalb der Gymnospermen unbestimmt zu lassen und
eine genauere Einreihung späterer, sich über Rinde u. s. w. er-
streckender mikroskopischer Analyse, zu der uns für jetzt das
Material gemangelt hat, vorzubehalten.«
Weiss fügt hinzu:
» . . . Dippel giebt hier die Möglichkeit auf, dass das PIolz
nach seiner Structur allenfalls mit Araucaria verglichen werden
könnte, woran er früher noch festhielt. Es ist mir bei dem noch
unzureichenden Materiale der mikroskopischen Untersuchung nicht
möglich, ihm hierin zu folgen und ich glaubte in letzterer Be-
ziehung keinen entscheidenden Grund zur Abtrennung von den
Coniferen zu finden.«
Namentlich also ist es die beschriebene charakteristische
Oberflächenbeschaffenheit, die sich mit derjenigen gewisser Coni-
ferenzweige vergleichen lässt, welche Weiss veranlasste, Tylo-
dendron bei den Coniferen unterzubringen. Den eigenthümlichen
Schlitz glaubte er vermuthungsweise als die Spur eines Harz-
ganges deuten zu dürfen.
Wie bereits gesagt, ist also Tylodendron schon früher unter
dem Synonym Lepidodendron elongatum Brong. bekannt gewesen;
Brongniart’s Rest entspricht einer Anschwellung von Tylo-
*) In Weiss, Foss. Flora S. 183 — 184.
316
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
dendron — »provenant d une montagne ä trois verstes de l’usine
de Kameusk, gouvernement de Perm«. Brongniart giebt die-
selbe Species auch aus Bitschweiler iu den Vogesen an, aus
Schichten, die nach Angabe von Voltz älter als das Carbon sein
sollen. Die Polster des abgebildeten Stückes sind über und unter
der Anschwellung von gleicher Länge. Will man Tylodendron
saxonicum als »Art« belassen, so müsste dieselbe demnach, ge-
mäss dem Prioritätsprincip, in der Nomenclatur T. elongatum ge-
nannt werden.
Ausser Lepido dendron elongatum rechnet Weiss aber noch
als Synonyme zu Tylodendron vier von E. von Eichwald *) be-
kannt gemachte Arten; es sind dies /S tigmato dendron cribromm ,
Angiodendron orientale, Schizodendron tuberculatum und Schizo-
dendron lineare. Obwohl allerdings die Oberfläche der von dem
genannten Autor beschriebenen und aba'ebildeten Stücke der von
~ O
Tylodendron gleicht oder doch sehr ähnlich ist, vermag ich mir
doch — ohne die Originale gesehen und untersucht zu haben —
über die Beziehung der genannten vier Arten zu Tylodendron
keine bestimmte Meinung zu bilden. Nur Schizodendron tuber-
culatum * 2) — »d’un gres cuivreux pres de Bjelebei du gouverne-
ment d’Orenbourg« — scheint mir trotz des Widerspruches von
R. Zeiller 3) mit Tylodendron zusammen zu gehören ; der von
Eichwald abgebildete kurze Rest ist wenigstens bezüglich seiner
Oberflächenbeschaffenheit und seiner Grössenverhältnisse von Tylo-
dendron nicht zu unterscheiden, wenn er auch keine Anschwellung
zeigt. Auch in der zugehörigen Beschreibung steht nichts, was
nicht auch für Tylodendron Geltung hätte.
Uebrigens beschreibt Zeiller 4) selbst einen sehr charakte-
ristischen längeren Steinkern von Tylodendron speciosum mit einer
*) E. d’Eichwald, Lethaea Rossica ou Paleontologie de la Russie. Bd. 1.
Stuttgart 1860.
2) 1. c. S. 266 und Taf. XVIII, Fig. 10.
3) Note snr quelques plantes fossiles du terrain permien de la Correge
p. 204, 205 (Bulletin de la societe geologique de France. 3. Serie, t. 8, 1879 — 80).
Paris 1880.
4) 1. c. S. 203, 204.
H. Potonie, Die fossile Pflanzen- Gattung Tylodendron.
317
Anschwellung und bildet denselben auch ab ]) ; er stammt aus
dem Perm in der Nähe von Brive in Frankreich. Zeiller macht
darauf aufmerksam, dass zwischen den Polstern, welche die An-
schwellung bedecken, Narben bemerkbar sind, »ou pour mieux
dire des arrachements qui semblent correspondre ä des ramaux
disposes en verticilles, comme ceux de beaucoup de coniferes,«
» il est probable — sagt Zeiller weiter — , comme l’in-
dique M. Weiss, que la trace charbonneuse qui existe dans le
sillou de chaque tubercule correspond au faisceau foliaire«.
Letzteres ist, wie man sieht, ein Missverständniss * 2). Der Ver-
fasser spricht endlich die Vermuthung aus, dass die Tylodendron-
Stengel zu Walchia gehören.
AI. Blankeniiorn bemerkt3), dass die von Weiss abgebil-
deten »Aeste« die Annahme einer umgekehrten Stellung und da-
mit der »Blattkissen« nicht unmöglich erscheinen lassen, zumal
die drei längsten abgebildeten Aeste am »oberen« Ende verhält-
nissmässig dicker aussehen als unten. Dem Verfasser erscheint
Tylodendron sehr nahe verwandt mit Voltzia.
Schliesslich hat noch J. Schmalhausen4) Tylodendron specio-
sum aus der artinskischen Stufe (Permo- Carbon) und in einem
zweifelhaften Stück auch aus dem Perm im Osten des europäischen
Russlands bekannt gemacht. Seiner russisch geschriebenen und
mir daher leider unverständlichen Abhandlung ist glücklicher
Weise ein ausführliches Resume in deutscher Sprache beigegeben.
Der Autor schreibt in diesem über unsere Pflanze:
»Die zuweilen eine Anschwellung zeigenden Stengelstücke
dieser Conifere sind von mehr oder weniger langgezogenen rhom-
bischen Blattpolstern bedeckt; diese haben eine breite Längsfurche,
welche meist etwas über der Alitte der Polster beginnt und ge-
x) 1. c. Tafel V, Fig. 1.
2) Vergl. Seite 315 dieser Abhandlung.
3) »Die fossile Flora des Buntsandsteins und des Muschelkalkes der Umgegend
von Commern« S. 136. (Palaeontographica Bd. 32.) Stuttgart 1885 — 86.
4) »Die Pflanzenreste der artinskischen und permisclien Ablagerungen im
Osten des europäischen Russlands« S. 41. (Memoires du cornite geologique.
Bd. II, No. 4.) Petersbourg 1887.
318 H. Potonik, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
wohnlich bis zum unteren Ende verläuft, wodurch dieses in zwei
fein zugespitzte Schenkel getheilt ist. An den meisten Stücken
sind die Polster sehr in die Lauge gezogen und in der gleichen
Richtung miteinander verschmolzen, sodass sie längsfurchigen
Calamiten ähnlich erscheinen, sich aber von diesen dadurch unter-
scheiden, dass die Rippen ungleich breit und an den Blattpolstern
entsprechenden Stellen angeschwollen sind Ungeachtet der
Unterschiede, welche verschiedene Exemplare zeigen, habe ich
es nicht für möglich gefunden verschiedene Arten zu unter-
O o
scheiden «
Obwohl Schmalhausen im Text — wenigstens im deutschen
Resume — keinen Grund dafür angiebt, orientirt er in seiner
Figur ]), welche ein sehr charakteristisches Stückchen von Tylo-
dendron vorstellt, dasselbe anders als Weiss, indem die Mittel-
furchen in seiner Figur die unteren Polsterhälften zweitheilen.
Ich habe im obigen alle mir bekannt gewordenen Fund-
orte von Tylodendron angegeben bis auf einen; ich entnehme
denselben einem verkieselten Tylodendron -Exemplar des Roth-
liegenden der Berliner Sammlung , dessen beigefügter Zettel
von Weiss’ Hand die Auskunft giebt: » Tylodendron cf. speciosum.
Uord westabhang der Nauenburg bei Kaichen (resp. Windecken),
fiskalischer Steinbruch. Feg. v. Koenen 1879« 2).
II.
Anatomie von Tylodendron.
Die von mir unternommene anatomische Neuuntersuchung
von Tylodendron hat nun ergeben, dass die eigenthümlichen Reste
dieser Pflanze eine vollständige Umdeutung erfahren müssen.
*) 1. c. Taf. VII, Fig. 34.
2) Zur Vervollständigung der Tylodendron -Litteratur sei erwähnt, dass in
den Abhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg XXIX,
Berlin 1888, eine vorläufige Mittheilung nach einem von mir im genannten Verein
am 1 1. November 1887 gehaltenen Vortrag erschienen ist. Auch in den Berichten
der Deutsch. Botan. Ges. (Jahrg. 1887, Bd. V, Heft 10) und der Deutsch, geol.
Ges. ist je eine wenigzeilige Notiz zu finden.
H. Potonik, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
319
Es standen zur anatomischen Untersuchung drei verkieselte
Bruchstücke zur Verfügung, unter diesen als das besterhaltene
und vollständigste auch das bereits von Weiss abgebildete J) und
beschriebene Stück aus Ottweiler, das wir in den Figuren der
Tat'. XII noch einmal veranschaulichen, und ausserdem zwei Herrn
Prof. Weiss 1887 von A. Lapointe zugestellte kurze Stücke, angeb-
lich aus der Gegend von Tholey, also ebenfalls aus dem Saar-Rhein-
Gebiet stammend, welche zu der vorliegenden Nachuntersuchung
die Veranlassung; gegeben haben. Aus dem Chemnitzer Roth-
liegenden konnte ich Schliffe aus der städtischen Sammlung zu
Chemnitz und des BoRNEMANN’schen Exemplars vergleichen.
Ich will das Resultat der Untersuchung vorweg nehmen und
erst dann die Thatsachen Vorbringen, welche zu demselben ge-
führt haben.
Tylodendron ist kein Holz, sondern das Mark und
zwar allerdings einer Conifere, wahrscheinlich specieller von
einer Araucariee in dem Sinne A. W. Eichler’s * 2).
Es geht uns also mit Tylodendron genau so wie seinerzeit
mit den Artisien, welche erst nach anatomischen Untersuchungen
als die Markkörper der Cordaiten erkannt worden sind, nachdem
sie bekanntlich vorher ebenfalls für Stämme gehalten worden waren;
ihre den Markdiaphragmen entsprechenden, die Oberfläche charak-
terisirenden Querfurchen galten demgemäss begreiflicherweise für
die Insertionsstellen von Blättern.
Die Oberflächenstructur von Tylodendron hat allerdings eine
ganz andere Ursache als die der Artisien : sie wird durch den
Verlauf der Primärbündel in den Thälern zwischen den Rhomben-
feldern und der von diesen abgehenden Blattspuren — in den die
halben Felder spaltenden Schlitzen — bedingt 3). An den best-
*) Foss. Flora Taf. XIX— XX, Fig. 4 — 7.
2) »Coniferen« in Englek und Pkantl: Die natürlichen Pflanzenfamilien
(Leipzig 1887). Auch im Folgenden richten wir uns nach der in dieser Bear-
beitung gegebenen Nomenclatur und Systematik der Coniferen.
3) Ganz ähnliche Markkörper — die zuweilen ebenfalls im freien Zustande
gefunden werden — besitzt Stigmaria. W. C. WiLLiAMSon (A. monograph of the
morphology and histology of Stigmaria ßcoides. Taf. XIII, Fig. 64 u. 65. —
The palaeontolographical Society. London 18S7) giebt Abbildungen von einem
320
H. Potonie, Die fossile Pflanzen- Gattung Tylodenclron.
erhaltenen Stellen kann man an den Objecten wahrnehmen, dass
der eine jener Schenkel, in welche die Hälfte jedes Feldes durch
den Schlitz getheilt wird, wie Taf. Xllla, Figur 14 deutlich macht,
etwas über den anderen hinausgeht. Dieser Umstand deutet wohl
daraufhin, dass die Blattspuren von Tylodenclron um ein Geringes
seitlich von der Längsmittellinie der Felder abgingen.
Eine Folge dieser Erkenn tniss ist — um eine weitere Ueber-
eiustimmung mit Bekanntem zu erzielen, nämlich der abgehenden
Blattspur die übliche Lage zu geben — , dass wir Tylodenclron nun-
mehr umgekehrt als bei WEISS orientiren müssen: also derartig, dass
die Mittelfurche der Felder die untere Hälfte derselben theilt,
wie in unseren Figuren 2, 10 u. 14. — Die vermeintliche Vege-
tationsspitze des Otzenhausener Exemplares mag daher die übliche
Verjüngung des Markkörpers an der Stelle, wo der Stamm mit
der Hauptwurzel resp. der Zweig mit dem Stamm in Verbindung
steht, vorstellen: ebenso wie die sich verjüngenden Enden der
Calamiten - Steinkerne als Ausfüllungen der Markhöhlung nicht
— wie früher angenommen — die Spitzen, sondern vielmehr die
Ansatzstellen der Zweige an ihrem Mutterspross sind.
Das Holz, von dem sich an den Tholeyer Exemplaren hier
und da noch Spuren in den Primär-Leitbündel-Furchen der Mark-
oberfläche erhalten haben, welches ferner in einem grösseren Stück
mit einem Radial-Durchmesser von etwa 4 und einem Tangential-
Durchmesser von etwa 2 Centimeter dem Ottweiler Exemplar an-
hängt, H in den Fig. 1 u. 3, Taf. XII, gehört zu Araucarites Göppert,
oder — ■ wenn man lieber will — Araucarioxylon Kraus. Von dem
einen der Exemplare der Chemnitzer Sammlung mit verkieseltem
Holz habe ich Schliffe gesehen und ebenso wie diejenigen des
BoRNEMANN’scheu Exemplares mit den für meine Untersuchung
angefertigten Schliffen der Stücke der Berliner Sammlung überein-
stimmend gefunden.
solchen und von einem Markltörper-Hohldruck, welche Objecte nicht nur die den
primären Markstrahlen entsprechenden rhombischen Felder, sondern auch die
das halbe Feld der Länge nach deutlich zweitheilenden Schlitze — den in die
Appendices der Stigmarien eintretenden Spuren entsprechend — aufweisen.
H. Potonie, Die fossile Pflanzen- Gattung Tylodendron.
321
Eine sichere »Art« -Bestimmung des Holzes ist meines Er-
achtens nach mit Hilfe der vorliegenden Litteratur-Mittel jedoch nicht
möglich. Die Gattung Araucarioxylon harrt einer gewissenhaften
monographischen Bearbeitung. Nun hat ja allerdings G. Stenzel
in Breslau im Aufträge der Akademie der Wissenschaften zu
Berlin eine von Göppert hinterlassene Arbeit über palaeozoische
Coniferen herausgegeben *), von welcher Göppert eine vorläufige
Uebersicht im »Botanischen Centralblatt« von 1881 veröffentlicht
hat, aber auch diese neueste Arbeit befriedigt das Bedürfniss
nicht. Herr Prof. Stenzel schreibt mir:
...... In dem mir übersendeten, von anderer Hand aus
dem Nachlass zusammengestellten Manuskript waren erstens nur
die Hölzer der fossilen Coniferen der palaeozoischen Formation
behandelt und auch von diesen fast nur die aus früheren Ver-
öffentlichungen bekannten Diagnosen. Der fast gänzliche Mangel
einer, auf den Werth der benutzten Merkmale eingehenden, ver-
gleichenden Behandlung bestimmte mich hauptsächlich, der Aka-
demie vorzuschlagen, von der Veröffentlichung der Monographie
abzusehen und nur eine Auswahl von Arten, für welche bessere
Abbildungen gegeben waren, zu veröffentlichen. Dieser Vorschlag
ist angenommen und danach Cordaites Ouangondianus, Brandlingii,
medullosus, Araucarites Thannensis, Ungeri, Beinertianus , Tschihcit-
cheffianus , carbonaceus , Elberfeldensis und cupreus, endlich Pinites
Conwentzianus neu bearbeitet worden. Von einer Abgrenzung
dieser Arten gegen die zahlreichen anderen Araucariten- Hölzer,
welche ich selbst würde als Dadoxylon bezeichnet haben, habe
ich aber abgesehen, um nicht noch weiter, als es ohnehin schien,
über das Original hinausgehen zu müssen. Eine Monographie
der Araucariten- und Cordaiten-Hölzer in diesem Sinne ist daher
heute noch ein frommer Wunsch. Ich würde schon zufrieden
Nachträge zur Kenntniss der Coniferenhölzer der palaeozoischen For-
mationen. Aus dem Nachlass von H. R. Göppert, im Aufträge der Kgl. Akademie
der Wissenschaften bearbeitet von G. Stenzel, Berlin 1888. — Von Göppert
schon in der Anmerkung auf Seite 2 des gedruckten Begleitschreibens zu dem
»Arboretum fossile«, einer »Sammlung von Dünnschliffen fossiler Coniferen-
Hölzer der palaeozoischen Formation gefertigt von Voigt & Hochgesang in
Göttingen« (1880) angekiindigt.
Jahrbuch 1887.
21
322
H. Potonik, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
sein, wenn ich einige Bausteine dazu beigetragen hätte, welche
von einem späteren Bearbeiter verwendet werden könnten.«
Demnach muss ich mich vorläufig auf die Beschreibung dessen,
was ich aus meinen Schliffen ermitteln konnte, beschränken. Nur
möchte ich auf den von Göppert x) beschriebenen Araucarites
meduttosus, der sich durch einen auffallend grossen Markcylinder
auszeiclmet, wenigstens liinweisen, da er zum Theil wohl mit
Tylodendron zusammenfällt. Die der Diagnose beigegebene
Radialschliff - Figur* 2) bietet allerdings nur sehr wenig dar; die
Traclieiden zeigen hier vier Reihen gehöfter Tüpfel, in der Diagnose
p'iebt Göppert 2 — 4 Reihen an. Im SxENZEL’schen Nachtraa:
o o
zeigen die Figuren 1 — 3, die Diagnose giebt 1 — 2 (3 — 4) Tüpfel-
reihen an. Meine Schliffe durch das Holz von Tylodendron zeigen
ein oder zwei, selten drei Tüpfel-Reihen, Fig. 5, und in dieser
Flinsicht stimmt es eher z. B. mit Araucarites Rhodeanus Göpp. 3)
überein. Eine sichere Bestimmung nach der bisherigen Litteratur
scheint mir aber — wie gesagt — unmöglich, und G. Kraus4)
hat ganz Recht, wenn er sich dahin äussert, dass falls man nicht
den allein richtigen Weg des Analogieschlusses von der Jetzt-
auf die Vorwelt verlassen wolle, man unbedingt zugeben müsse,
dass von einer Art - Unterscheidung »der Araucarien« einer und
derselben Formation nach dem Holzbau gar nicht die Rede sein
könne. Er geht jedoch vielleicht etwas zu weit, wenn er Arau-
carites stigmolithos Ung. sp. , stellaris Göpp., Valdojolensis Moug.,
Richteri Ung. sp., Kutorgae Merkl., Brandlingi , Rhodeanus, pachy-
tichus, Fleurotü, cupreus Göpp. und permicus Merkl. unterschieds-
los mit Araucarites Schrollianus Göpp. zusammenbringt: es sind
die Diagnosen dieser »Arten« für ihn nur Diagnosen von Indi-
viduen.
') »Die fossile Flora der Perinischen Formation« S. 259 — 260 (Palaeonto-
graphica Bd. 511). — Cassel 1864 — 65.
2) 1. c. Taf. LX, Fig. 8.
3) 1. c. S. 256.
4) »Zur Kenntniss der Araucarien des Rothliegenden und der Steinkohlen-
formation« S. 70 — 71 (Würzburger naturw- Zeitschr. Herausgeg. v. d. physik. -
medicin. Gesellsch. Bd. VI). — Würzburg 1866 — 1867.
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
323
Die periodischen Anschwellungen des Tylodendron- Markes
sind mit denen im Mark des Hauptstammes lebender Araucarieen,
an den Stellen wo die Zweigquirle abgehen, zu vergleichen. Schon
äusserlich betrachtet zeigen viele lebenden Araucarieen, z. B. Arau-
caria brasiliana Lamb. , A. Bidwillii Hook, und A. imbricata
R. et Pav. an den bezeichneten Stellen ganz deutliche Ver-
dickungen, und zwei Stammstücke der letztgenannten Art, die ich
zu untersuchen Gelegenheit hatte, ergaben denn auch in der That
eine entsprechende Erweiterung in dem verhältnissmässig grossen
Mark. Der Querdurchmesser des Markkörpers an den Anschwel-
lungen im Vergleich mit dem Querdurchmesser des Markes an
anderen Stellen ergiebt durchaus das gleiche Verhältniss wie bei
Tylodendron.
Unsere Figur 12 bietet zum Vergleich die Abbildung eines
(von Herrn E. Oiimann für mich hergestellten) Wachsabgusses
des Markes mit einer Anschwellung im Haupt-Stamm von Arau-
caria imbricata in natürlicher Grösse.
Meine Deutung befindet sich auch — wie wir gesehen haben —
vollständig im Einklang mit dem Befund an dem einer An-
schwellung entsprechenden Ottweiler Exemplar (Fig. 1 — 3) mit
einem Astrest a, sowie an dem von Zeiller beschriebenen Stück
mit »Astnarben« und endlich an dem Exemplar Bornemann’s,
welches gleichfalls einen von der Anschwellung abgehenden Ast
aufweist. Das Ottweiler Stück zeigt übrigens ausser jenem Ast-
rest ebenfalls solche »Astnarben« zwischen den Rhombenfeldern:
b, Fig. 1 u. 2.
Bei Ayathis australis Salisb. (= Dammara australis Lamb.)
ist eine Markanschwellung des Hauptstammes an den Stellen der
Zweigquirle ebenfalls zu beobachten, wenn auch nicht so auf-
fallend wie bei Araucaria imbricata. — Bei Pinus-Arten und ver-
wandten Arten aus anderen Gattungen, auch bei der ein besonders
grosses Mark besitzenden Pinus nigricans Host habe ich solche
Anschwellungen nicht finden können, ferner auch nicht bei den
im Königl. botanischen Garten zu Berlin vorhandenen Taxoideen
(Arten der Gattungen Phyllocladus, Ginkgo, Cephalotaxus, Torreya,
Taxus, Podocarpus, Dacrydium ), die desshalb zu untersuchen
21*
324
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
waren, weil aus den Funden hervorgeht, dass die bis jetzt be-
kannten echten Coniferen der palaeozoischen Formationen ver-
muthlich zu dieser Abtheilung gehören J).
Was mich mit veranlasst hat Tylodendron mit Araucarites
medullosus zu vergleichen, ist die bemerkenswerthe Figur 5 in
Göppert’s citirter Arbeit* 2). Diese Figur stellt einen Holzrest
mit Markcylinder seiner äusseren Ansicht nach dar; sie entspricht
einer Anschwellung, wie wir solche an den Astquirlen des Stammes
lebender Araucarien kennen gelernt haben. Göppert macht auf
diese sich deutlich markirende Anschwellung zwar nicht aufmerk-
sam, wohl aber auf einen an der breitesten Stelle bemerkbaren
Aststumpf. Fig. 14 in der STENZEL'schen Bearbeitung von der
nachgelassenen Arbeit Göppert’s über palaeozoische Coniferen-
hölzer bietet eine Stelle mit quirlig stehenden Astabgängen. —
Es ist allerdings dabei zu beachten, dass T. Sterzel 3) das Holz
eines Stammstückchens — wie ich mich überzeugt habe — mit
deutlichem Artisia-Mark als Araucarites medullosus bestimmt hat.
Die vom Holz hergestellten Dünnschliffe sind aber ziemlich
mangelhaft und lassen sich wohl besser als Cordaites ( Cordaioxylon )
Brandlingii bestimmen. Herr Dr. Sterzel betonte mir gegenüber
übrigens auch schriftlich und mündlich, dass Araucarites medullosus
verschiedenen Gattungen anzugehören scheine, eine Ansicht, der
ich — wie schon S. 322 angedeutet — durchaus beipflichte.
Auch beschreibt Göppert 4) ein Stammstück von Araucarites
Rliodeanus von zwei Fuss Durchmesser, welches vier in einen
Quirl gestellte Astnarben aufweist. Auch dieses Stück zeigt sich
auf der beigegebenen Abbildung 5) an dieser Stelle gelinde an-
geschwollen.
Das Auftreten längerer Felder unter den Anschwellungen
und kürzerer über denselben bei Tylodendron speciosum ist eben-
b Vergl. A. Schenk in Zittel’s Handbuch der Palaeontologie. Bd. II,
Lief. III, S. 259. — München und Leipzig 1884.
2) 1. c. Taf. LX.
3) »Palaeontologischer Charakter der oberen Steinkohlenformation und des
Rothliegenden im erzgebirgischen Becken« S. 26G — 267. (Siebenter Bericht der
naturw. Gesellsch. zu Chemnitz.) Chemnitz 1881.
4) 1. c. S. 257.
5) 1. c. Taf. LXIV, Fig. 8.
H. Potonib, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
325
falls nichts Besonderes im Vergleich mit lebenden Pflanzen; denn
man findet oftmals bei Coniferen — z. B. bei einem mir gerade
vorliegenden dünnen Zweig von Pinus nigricans — die Blattpolster
unterhalb der Zweigquirle länger als oberhalb derselben: ein Ver-
bältniss, das sich im Verlauf der Primär-Leitbündel doch ebenfalls
kund geben muss.
Unser Wachsabdruck des Markes von Araucaria imbricata
(Fig. 12) zeigt genau dieselbe Rhombenfeldbildung auf seiner
Oberfläche wie Tylodendron. Figur 13 zeigt ein solches Feld
vergrössert. Die Felder werden auf den Strecken zwischen den
Anschwellungen mehr oder minder undeutlich, sie verlängern sich
hier bedeutend, so dass die von Schmalhausen erwähnte Cala-
miten - ähnliche Streifung zu Stande kommt. Auch die Birken-
felder Exemplare der Berliner Sammlung zeigen an den ent-
sprechenden Stellen diese Streifung sehr deutlich. Das KÖNEN’sche
Tylodendron -Exemplar der Berliner Sammlung ähnelt unserem
Wachsabdruck von Araucaria so sehr, dass es sogar die die Ast-
ansätze andeutenden Markvorsprünge (a, Fig. 12) an der einzigen
Anschwellung besitzt.
Wir gehen nun zur eingehenderen Beschreibung der Ana-
tomie über.
Von dem besten, nämlich dem Ottweiler Exemplar habe ich
— um dieses Unicum möglichst zu schonen — ein Scheibchen
von nicht einem Centimeter Höbe untersucht, aus dem sich aber
genügend viele Schliffe zur Erforschung des Wesentlichsten haben
hersteilen lassen.
Das Mark.
Fig. 7 u. 9.
Der Markkörper zeigt auf dem Querschliff (Fig. 7) in allen
seinen Theilen ein gleichmässiges, grosszeiliges, dünnwandiges
Parenchym, welches allerdings an einigen Stellen der Präparate
durch kieselige, strukturlose Substanz ersetzt ist; jedoch lässt sich
durch Combination ermitteln, dass auch hier dasselbe Parenchym
vorhanden gewesen sein muss. An manchen Stellen ist es so
vorzüglich erhalten, dass sogar die Intercellularräume constatirbar
sind. Im Längsschliff zeigen sich die Zellen niedriger als breit,
326
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
nur hier und da höher als breit wie in Fig. 9. Längsschliffe durch
das Mark des BoRNEMANN’schen Exemplares zeigen etwas wie
längsverlaufende, mit einer dunklen Substanz angefüllte Gänge
von der Breite einer Parenchymzelle; diese Gebilde bedürfen je-
doch noch näherer Untersuchung. Au den bis jetzt vorhandenen
Schliffen der Stücke der Berliner Sammlung konnte ich Aelmliches
nicht bemerken.
Das vollständig: für Schliffe aufgebrauchte kleinere LAPOiNTE’sche
Stück zeigt auf Längsschliffen verschwommen - parenchymatische,
den Markraum durchquerende Gewebeplatten, die sich nach der
Peripherie zu in mehrere spalten, während die zwischen den
Platten liegenden Partieen ausschliesslich Kieselsubstanz bergen
resp. ganz frei von Material sind. Unsere Figur 11 zeigt einen
solchen Längsschliff, geführt von der Peripherie des Markes bis
zur Centralachse desselben. Es ist diese Eigenthümlichkeit nur
auf eine besondere Art des Verwesungsprocesses vor dem Beginn
der Verkieselung zurückzuführen, sodass die fraglichen Quer-
platten nicht etwa als Diaphragmen gedeutet werden können. —
Aehnliches habe ich an dem ausfaulenden Mark eines Stammes
von Cycas revoluta beobachtet. — Auch die Tylodendron -Exem-
plare der Chemnitzer Sammlung zeigen häufig die beschriebenen
Pseudodiaphragmen .
Das Holz.
Fig. 4, 5, 6 u. 8.
Der Querschliff zeigt in der Markkrone — in den Furchen
zwischen den Rhombenfeldern und in dem halbirenden Schlitz —
Holzkeile aus kleineren, sehr bald radial voreinander gestellten
Tracheiden (Fig. 4). Auf dem radialen Längsschliff durch die
Markkrone habe ich Spiralgefässe erkennen können (Fig. 8), und
in der Markkrone des BoRNEMANN’schen Exemplares sind deut-
liche Treppenhydroiden bemerkbar; sonst besteht das Holz aus
Tracheiden mit gehöften, kreisförmigen Tüpfeln auf den radialen
Wandungen (Fig. 5), welche auf diesen einreihig oder in zwei,
sehr selten in drei alternirenden Reihen oft so dicht stehen, dass
sie sich berühren und hierdurch häufig an den Berührungsstellen
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
327
polygonal werden. Die Poren in den Tüpfel-Wölbungen er-
scheinen — an den wenigen Stellen wo sie bemerkt werden
können — kreisförmig.
Die Markstrahlen bilden, wie der Holz-Querschnitt (Fig. 4) und
der Holz-Tangentialschnitt (Fig. 6) zeigen, im Secundärholz meist
nur einzellschichtige, nur selten streckenweise auch zweizellschichtige
Lamellen. Die Höhe derselben kann auf dem Holz- Tangential-
schnitt bis über 20 Zellen betragen. Die Länge der Markstrahl-
zellen beträgt 2 ^ bis 3 Trachei'den-Querdurchmesser. Auf ihren
Radialwänden tragen die Markstrahlelemente spaltenförmige, schief-
stehende Poren; es lässt sich an mehreren Stellen der Präparate
ausmachen, dass diese Tüpfel linksschief zur Längsaxe der Mark-
strahlzellen gerichtet sind: in Fig. 5 wurden die bei oberer mikro-
skopischer Einstellung sichtbaren Tüpfel nur conturirt, die bei
unterer Erstellung sichtbaren vollständig schwarz zugelegt.
Gleiche schiefgestellte Poren finden sich auf den Markstrahlzell-
wänden an dem Präparat von Araucarites Rhodeanus in der schon
genannten von Göppert herausgegebenen Sammlung »Arboretum
fossile Q«.
Jahresringe habe ich im Holz von Tylodendron nicht be-
merkt.
Ein von WEISS gesammeltes, in der Sammlung der geolo-
gischen Landesanstalt befindliches Holzstück von Ottweiler (Ott-
weiler Schichten) zeigt genau denselben Bau wie das Tylodendron-
Holz.
Herrn Prof. Stenzel habe ich 3 Schliffe von Tylodendron
gesandt. Er schreibt mir über dieselben:
»Soviel ich bei Durchsicht der Schliffe gesehen habe, hat das
Holz ganz den Araucariten- oder Dadoxylon-Charakter. Dass die
Tüpfelhöfe meist kreisrund sind, spricht bei der unvollständigen
Erhaltung derselben nicht dagegen; ich habe bei keinem Tüpfel
einen deutlichen Porus gesehen. Dass namentlich einreihige
Tüpfel breitgedrückt- elliptisch sind, kommt auch bei anderen
l) Sammlung von Dünnschliffen fossiler Coniferen- Hölzer der palaeozoischen
Formationen gefertigt von Voigt & Hochgesang in Göttingen 1880.
328
H. Potonib, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
Arten, z. B. Araucarites cupreus vor. Die Häufigkeit einreihiger
Tüpfel ist auffallend, aber sie sind keineswegs nur bei dieser Art
vorkommend. Einen Punkt, welchen ich bei Besprechung von
Corddites Brandlingii behandelt habe, können Sie vielleicht auch
benutzen : die Höhe der Markstrahlzellen verglichen mit der der
Tüpfel. Bei Tylodendron sind sie etwa so hoch wie zwei Tüpfel,
fast ebenso bei Corddites medullosus, Araucarites cupreus; bei Cor-
ddites Brandlingi und Araucarites ccerbonaceus nur wie l1/^ Tüpfel.
Bei T schihatchef fianus über 3; bei Ungeri, Beinertianus 6. Aber
der Werth des Merkmals bedarf noch weiterer Prüfung«.
III.
Ergebmiss bezüglich der systematischen Stellung von
Tylodendron.
Nach alledem scheint mir Tylodendron bis auf Weiteres —
wie schon gesagt — zu den Araucarieen, jedenfalls aber zu den
echten Coniferen gestellt werden zu dürfen. Letzteres ausdrück-
lich zu bemerken, ist nicht überflüssig, da ja durch C. Grand’
Eury a) nachgewiesen worden ist, dass die Cordai'ten, welche so-
wohl zu den Cycadaceen als auch zu den Coniferen — innerhalb
dieser specieller zu den Taxoideen — Beziehungen aufweisen,
Holz von Araucarioxylon - Struktur besessen haben. Zwar hat
Grand’ Eury nur Hölzer vou dem charakteristischen Bau des
Araucarites Brandlingii Göpp. mit mehrzellschichtigen Markstrahlen
und Tracheiden mit 3 — 4, selten 2 oder öreihigen, dicht ge-
drängten und polygonal erscheinenden gehöften Tüpfeln als sicher
zu Cordaites - Blüthenständen gehörig nachgewiesen , und nur
solche können zunächst daher mit Recht als zu Cordaiten gehörig
bezeichnet werden; aber man darf doch nicht behaupten wollen,
dass wegen dieses Nachweises auch alle übrigen Hölzer der
palaeozoi sehen Formationen mit Araucarioxylon-Struktur desshalb
ebenfalls Corda'iten-Hölzer seien.
x) »Flore carbonifere du Departement de la Loire et du centre de la France«
p. 248 u. ff. — Paris 1877.
H. Potonib, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
329
Uebrigens spricht, abgesehen vom anatomischen Bau des
Holzes, für die echte Coniferen - Natur unseres Gewächses der
Verlauf' der Primärbündel, welcher mit dem mancher lebenden
Coniferen übereinstimmt — man vergleiche z. B. nur die von
H. Th. Geyler *) gegebenen Abbildungen des Bündelverlaufes
von Juniperus nana (gilt nach Angabe des Autors auch für Juni-
perus communis ) und Callitris quadrivalvis — und endlich noch
die charakteristischen Anschwellungen im Mark gleich denen bei
jetztlebenden Araucarieen. Die im freien Zustande unter dem
Namen Artisia bekannten Markkörper von Cordaiten haben ja
eine ganz andere Oberflächen-Beschaffenheit als die Tylodendron-
Markkörper und die Verzweigung der Cordaiten - Stämme ist vor
allen Dingen im allgemeinen auch nicht quirlig wie bei Tijlo-
dendron.
Wenn nun auch für den kritischen Sinn vieler Forscher der
Hinweis auf die Uebereinstimmung des Holzbaues von Tylo-
dendron mit dem der Araucarieen, ferner der Markanschwellungen,
wie solche bei den jetzt lebenden Gymnospermen doch für die
Araucarieen charakteristisch zu sein scheinen, mit Recht nicht
genügen wird, um schon aus diesen Daten die zweifellose Zu-
gehörigkeit von Tylodendron zu den Araucarieen hcrzuleiten —
namentlich weil auch in den Schichten , in denen Tylodendron
vorkommt, bislang noch keine sicheren Araucarieen- Blüthenreste
gefunden worden sind — , so wird doch immerhin an der echten
Coniferen - Natur von Tylodendron weniger gezweifelt werden
können.
Die Richtigkeit der KRAUS’schen Angabe vorausgesetzt, dass
sich aus der absoluten Grösse und dem Verhältniss der tangen-
tialen Holzzellbreite zur Breite des Tüpfelhofes echte Araucarien
von araucarien-ähnlichen aber nicht zu ersteren gehörenden Hölzern
unterscheiden lassen * 2), würde Tylodendron übrigens ebenfalls zu
9 »Ueber den Gefässbündelverlauf in den Laubblattregionen der Coniferen«
Taf. I, Fig. 1 u. 3 (Prinqsheim’s Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik
Bd. VI). — Leipzig 1867 — 1868.
2) »Ueber das Araucarioxylon« (Sitzungsberichte der naturforschenden Ge-
sellschaft zu Halle. Sitzung vom 25. November 1882).
330
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
den Araucarieen gestellt werden können: wenigstens auf Grund
des Verhältnisses jener beiden Grössen, welches mit dem bei
lebenden Araucarien übereinstimmt. Kraus giebt für lebende
Araucarien an *) : für die tangentiale Holzzellbreite 25,3 — 34,0
Mikromillimeter, für die Grösse des Tüpfelhofes 9,2 — 10,5 Mikro-
millimeter, ergiebt ein Verhältniss von 3:1. Beim Tylodendron-
Holz fand ich an meinen Schliffen die tangentiale Holzzellbreite
im Mittel 48,07 Mikromillimeter, die Grösse des Tüpfelhofes zu
15,51 Mikromillimeter ergiebt ebenfalls das Verhältniss 3:1. Wegen
der KRAüs’schen Ermittelungen musste ich auf diese Zahlen ein-
gehen, wenn ich auch kein Gewicht auf dieselben lege; weist doch
Kraus selber in einer späteren Arbeit* 2) nach, »dass Grössen-
messungen nur unter besonders günstigen Verhältnissen und unter
genau bestimmbaren Beschränkungen Anwendung für specifische
Diagnostik finden können«. Ich bemerke hierzu, dass die von
mir angestellten Messungen bezüglich der absoluten Grössen mit
den Angaben von Kraus nicht recht übereinstimmen; denn z. B.
für seinen Typus I der Araucarioxyla, wohin Tylodendron gehören
müsste, giebt Kraus die Zahlen 25,8 — 38,8 für die tangentiale
Holzzellbreite und 14,3 — 16,7 für die Grösse des Tüpfelhofes an,
also Zahlen, denen das Verhältniss 2 : 1 entspricht.
Alles zusammen genommen geht jedenfalls soviel
aus der vorausgehenden Untersuchung hervor, dass sich
das Wenige, was wir zur Zeit von Tylodendron kennen,
nur mit dem von den jetztlebenden Araucarieen her
Bekannten in vollen Einklang bringen lässt. Die end-
gültige Entscheidung, ob die Araucarieen, wie Schenk3)
und andere Autoren angeben, wirklich erst in der meso-
zoischen Zeit auftreten, bleibt daher der Zukunft Vor-
behalten.
*) ]. c. S. 3 des Separat- Abzuges.
2) »Beiträge zur Kenntuiss fossiler Hölzer. II. Zur Diagnostik des Coniferen-
Holzes« S. 95 (Abhandl. der naturforschenden Gesellsch. zu Halle. XVI. Band). —
Halle 1886.
3) 1. c. S. 279.
H. Potonie, Die fossile Pflanzen-Gattung Tylodendron.
331
Zusammenfassung des Resultates.
Die Tylodendron- Petrefaeten sind nicht , wie bisher ange-
nommen wurde, ganze resp. entrindete Stämme, sondern nur Mark-
körper. Die Felder der Oberfläche derselben sind demgemäss
keine Blattpolster, kommen vielmehr durch den Verlauf der
Primärbündel und der von diesen abgehenden Blattspuren in den
Furchen der Oberfläche zu Stande. Ein ähnlicher Bündelverlauf
ist bei Coniferen zu beobachten. Die periodischen Anschwellungen
von Tylodendron entsprechen denen des Markes lebender Arau-
carien an den Stellen, wo die Zweigquirle abgehen. Das Holz
gehört zu Araucarioxylon im engeren Sinne. Der Bau von Tylo-
dendron und seines Holzes weist auf die systematische Zugehörig-
keit der in Rede stehenden Petrefaeten zu den Araucarieen.
In halts-U ebersicht.
Seite
Vorbemerkung 311
I. Unsere bisherigen Kenntnisse über Tylodendron ........ 311
II. Anatomie von Tylodendron 3 IS
III. Ergebniss bezüglich der systematischen Stellung von Tylodendron . . 328
Zusammenfassung des Resultates 331
Tafel -Erklärungen und 3 Tafeln.
lieber gewisse nicht liercynisclie Störungen
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
Von Herrn H. Proescholdt in Meiningen.
Die Arbeiten von Credner und Cotta, namentlich aber die
Specialaufnahmen der letzten Jahre haben in dem fränkischen
Vorland des Thüringer Waldes eine grosse Anzahl von in nord-
westlicher Richtung verlaufenden (hercynischen) Störungen nach-
gewiesen , die in langen Linien den Bruchrand des Gebirges be-
gleiten. Einzelne Theile der Dislocationen sind monographisch
behandelt worden 1), andere sind im Zusammenhang auf den von
Loretz aufgenommenen und bereits herausgegebenen Blättern
Eisfeld, Meeder, Neustadt a. d. Heide zur Darstellung gekommen.
Aus diesen Karten scheint hervorzugehen, dass der orographische
und geologische Bau des auf ihnen dargestellten Terrains aus-
schliesslich durch hercynische Störungen bestimmt ist. In dem
nordwestlich anstossenden Gebiet treten indessen neben denselben
') Bücking, Gebirgsstörungen und Erosionserscheinungen südwestlich vom
Thüringer Walde. Jahrb. d. König!. Preuss. geol. Landesanstalt 1880, S. 60 — 105;
Fkantzen, Die Störungen in der Umgebung des Grossen Dollmars bei Meiningen.
Ebenda, S. 106 — 136; Bücking, Gebirgsstörungen südwestlich vom Thüringer
Walde etc. Jahrb. 1882, S. 33 — 43; Pkoescholdt, Die Marisfelder Mulde und
der Feldstein bei Themar. Ebenda, S. 190 — 218; Bücking, Gebirgsstörungen
südwestlich vom Thüriuger Walde. Jahrb. 1884, S. 546 — 555; Bücking, Ge-
birgsstörungen südwestlich vom Thüringer Walde. Jahrb. 1886, S. 40—43,
H. Proescholdt, Ueber gewisse nicht hercynische Störungen etc. 333
auch Störungen anderer Richtung auf, die an Energie allerdings
hinter den ersteren zurücktreten. Doch ist ihre Bedeutung grösser,
als man aus den dürftigen Notizen in der Literatur schliessen
darf. Nach ihrer Entstehung kann man sie in zwei Gruppen
trennen. Die eine umfasst Störungen von geringer Erstreckung
und Intensität und von unbestimmter Richtung; sie sind jedenfalls
gleichzeitig mit den hercynischen entstanden und zwar infolge des
sehr verschiedenen Widerstandes der verschiedenen Gebirgsglieder
gegen Faltung und Zerreissung. Sie können als Localstörungen
bezeichnet werden und bedürfen keiner weiteren Besprechung.
Die andere Gruppe zeigt ein wesentlich abweichendes Verhalten,
wie aus dem Folgenden ersichtlich sein wird.
Auf ihr zugehörige Störungen wies zuerst Emmrich hin :
»Wenn wir den Keuper am Dollmar 850 Fuss höher liegend
finden als bei Marisfeld, so sehen wir darin die Folge einer
Senkung, deren Richtung durch frühere Störungen in der Richtung
des nordwestlichen Thüringer Waldes vorbereitet wurde. Die
verwickelten Lagerungsverhältnisse dieser Versenkungsmulde, in
der sich Schollen des Letten- und rothen Keupers erhalten konnten,
stehen wohl mit der Bildung des Dollmars in Zusammenhang.«
Emmrich schreibt also diese Niveaudifferenz einer Hebung durch
den Dollmarbasalt und einer Senkung in liercynischer Richtung zu.
Viel bestimmter spricht sich über ähnliche Störungen
Frantzen * 2) aus. Er unterscheidet Faltungen und Brüche des
Gebirges nach zwei Richtungen, »von denen jedoch diejenigen,
welche von Südwesten nach Nordosten laufen, den Faltungen und
Störungen der Thüringer Wald-Richtung an Bedeutung sehr nach-
stehen. Zu den rechtwinklig gegen den Thüringer Wald laufenden
Faltungen gehört z. B. die flache, muldenförmige Einsenkung der
Schichten in der Nähe des Helbaer Grundes bei Meiningen.
Ferner liegt nördlich von der Wellenkalkgrenze in ca. 5 Kilometer
Entfernung von ihr im Buntsandstein die bedeutendere und mit
0 Geologische Skizze der Umgegend von Meiningen. Realschulprogramm
Meiningen 1873, S. 12 — 13.
2) Die Störungen in der Umgegend des Grossen Dollmars bei Meiningen.
Jahrb. d. Königl. Pr. geol. Landcsanstalt für 1880. S. 100—107.
334 H. Proescholdt, Ueber gewisse nicht hercynische Störungen
Brüchen verbundene, grabenartige Schichtensenkung bei Wasungen.
Dass die Faltungen, welche ein gegen den Thüringer Wald recht-
winkliges Streichen zeigen, ebenso gut wie diejenigen, welche mit
ihm parallel gehen, mit dem Aufsteigen der Basalte in Zusammen-
hang stehen, darauf deutet z. B. die Lage der Mehmelser Kuppe
bei Mehmels an der Westseite der Werra, nicht weit von Wa-
sungen. Dieser kleine Basaltausbruch liegt nahe bei der erwähnten
Gebirgsstürung bei Wasungen, und zwar annähernd in ihrem
Streichen, nimmt also eine ganz ähnliche Lage zu der Störung
bei Wasungen ein, wie der Grosse Dollmar zu den Faltungen
und Verwerfungen in seiner Umgebung«.
Frantzen unterscheidet also von den hercynischen Störungen
solche, die rechtwinklig gegen den Thüringer Wald, also nord-
östlich, gerichtet sind, die aber ebenso wie die ersteren durch die
Eruption der Basalte hervorgerufen sein sollen.
In meiner Abhandlung über die Marisfelder Mulde sind nord-
östliche Störungen nicht erwähnt worden. Die fortgesetzten Unter-
suchungen haben aber ergeben, dass dieselben sich durchaus nicht
auf die von Frantzen angeführten Fälle beschränken, sondern
weit verbreitet sind. Am besten lässt sich das Auftreten der-
Fig. 1.
Gr Oollmar
selben aus den beiden beigegebenen Profilen beurtheilen. Das
eine folgt der Tiefeulinie der Marisfelder Mulde vom Dollmar bis
über den Feldstein hinaus, läuft also von Nordwesten nach Süd-
osten , das andere gleich lange und dem vorigen parallele liegt
südlich ab und durchschneidet das Gebiet ausserhalb der Dislo-
cationen. Der Verticalabstand beider Profile liegt demnach in
nordöstlicher Richtung und beträgt 3 Kilometer. Da das Gebirge,
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
335
das von Südwesten her an die Marisfelder Störungen stösst, eine
deutliche, wenn auch schwache Faltung im liercynischen Sinne
zeigt, so haben die Angaben der Meereshöhen von ein und der-
selben Schicht in dem zweiten Profil nur bedingten Werth; die
Fehler werden jedoch durch die hercynische Richtung desselben
zum grössten Theil ausgeglichen.
Die Profile lassen sofort erkennen, dass sowohl die Maris-
felder Mulde als auch das von den Störungen nicht betroffene
Gebiet eine Faltung in südwestlich - nordöstlicher Richtung zeigt,
also senkrecht gegen die hercynische. Sehr schön sind die ent-
sprechenden Sattel- und Muldenbiegungen des letzteren an den
Steilrändern des Werrathals aufgeschlossen, so namentlich bei
Vachdorf. Ein genaues Studium der Karten lässt übrigens deut-
lich erkennen, dass die Sättel und Mulden in und ausserhalb der
Mulde mit einander correspondiren; in der Mulde erscheinen sie
vertiefter und intensiver, ausserhalb derselben werden sie wegen
der erwähnten hercynischen Faltung undeutlicher. Recht auf-
fällig ist die wellenförmige Lagerung der Schichten in nordöst-
lieber Richtung am Feldstein bei Themar und seiner Umgebung.
Sie tritt hier nicht nur in weiten Sätteln und Mulden auf, son-
dern auch als förmliche Runzelung. Spuren dieser Faltung lassen
sich noch weit nach Süden nachweisen, so z. B. recht hervor-
tretend in der Nähe des Dorfes Steinfeld bei Rodach. Bei gleich-
massigem Einfallen der Schichten nach Südwesten zeigt der Aus-
strich derselben durchaus keinen nordwestlichen Verlauf, sondern
wellenförmiges Auf- und Abbiegen und zwar vollständig unab-
hängig vom orographisclieu Bau des Terrains. Das beigegebene
Situationsbild mag die Verhältnisse veranschaulichen.
336 H. Proescholdt, Ueber gewisse nicht hercynische Störungen
Da in diesem Falle, wie gesagt, an Erosionserscheinnngen
nicht gedacht werden kann, so lässt sich dieses eigentümliche
Verhalten der Lagerung nur dadurch erklären, dass die Schichten
bereits in nordöstlich -südwestlich streichende Sättel und Mulden
zusammengeschoben waren, ehe sie in südwestlicher Richtung
einsanken. Wenn hier noch Zweifel vorhanden sein könnten,
so würden dieselben sicherlich schwinden durch die Aufschlüsse,
die die im Bau befindliche Hildburghäuser Heldburger Bahn in
der Nähe liefert. Die Einschnitte derselben am sogenannten
Hahnritz zeigen auf das deutlichste starke Faltungen der Letten-
kohlenschichten in nordöstlicher Richtung, ja sogar Ueberfaltung,
wie die Figur darstellt.
Es dürfte überflüssig sein , noch weitere Beispiele als Nach-
weis anzuführen, dass das Gebirge südwestlich der Marisfelder
Störungen von Faltungen betroffen worden sind, die mit den
hercynisclien Dislocationen ungefähr einen rechten Winkel bilden.
Nördlich der Marisfelder Mulde ist der Nachweis viel schwieriger.
o
Denn die Muschelkalkschichten in diesem Gebiet sind in nord-
westlicher Richtung steil aufgerichtet, stehen sogar in langer Er-
streckung auf dem Kopf; sodass eine früher vorhandene Faltung
nicht mehr erkennbar ist. Der Buntsandstein, der bis zum Rand
des Thüringer Waldes noch ein breites Band bildet, liegt zwar
flacher, indessen bereiten der Mangel an Aufschlüssen bezüglich
der Schichtenstellung, die grosse Mächtigkeit der einzelnen Glieder
und vor Allem die petrograpliische Beschaffenheit derselben x) dem
*) Der Gerolle -führende Sandstein geht auf Section Themar durch allmäh-
liches Verschwinden der Gerolle und Zurücktreten des Kornes nach und nach
in feinkörnigen über. Es wiederholen sich aber gerade hier starke Einlage-
rungen von grobkörnigem Sandstein und machen dadurch auch die Unterschei-
dung von dem typisch groben unsicher. Vergl. Zeitscbr. d. Deutsch, geol. Ges.
1887, S. .343, 35S.
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
337
genaueren Einblick in den Gebirgsbau sehr grosse Schwierigkeiten.
Dass aber nordöstliche Faltung nicht fehlt, folgt aus dem Hervor-
treten von Zechstein und Rothliegendem am Kleinen Thüringer
Wald. lieber der Dyas folgt in ungestörter Lagerung der
Buntsandstein, der auf dem Kopf des Gruber Schneebergs in
1845 Decimalfuss Meereshöhe mit dem Gerolle führenden endigt,
während der höhere Horizont, der grobe, in nordwestlicher Rich-
tung schon in 1200 Fuss Höhe ansteht. Recht bemerkbar ist die
Faltung bei Ebertshausen-Benshausen; ihr folgt eine Strecke des
Thaies der Lichtenau, und in der weiteren Umgebung lässt sich
nicht gar selten ein nordwestliches oder südöstliches Einfallen der
Buntsandsteinschichten beobachten.
Es sind also in dem Gebirge südwestlich vom Thüringer
Wald neben den hercynischen Dislocationen auch solche in nord-
östlicher Richtung vorhanden. Sie äussern sich vorzugsweise in
Faltungen, seltener in Verwerfungen, wie bei Wasungen. Diese
Lagerungsverhältnisse erinnern sogleich an den Bau des südöst-
lichen Thüringer Waldes und lassen eine besonders grosse Aehn-
liclikeit mit denen erkennen , die Loretz x) aus der Gegend von
Gräfenthal eingehend dargestellt hat. Wie dort herrscht, was
den Vorgang der Faltung anbetrifft, auch hier von den beiden
tectonisclien Richtungen die nordöstlich-südwestliche, also die erz-
gebirgische vor, während die liercynische in den Vordergrund
tritt, was Verwerfungen betrifft. Wie dort entspricht auch hier
der Schichtenausstrich nicht immer dem Streichen. Während
aber die Orographie des Thüringer Waldes wesentlich durch das
Vorherrschen der erzgebirgischen Richtung hervorgerufen ist, tritt
diese in dem südlichen Vorland an Bedeutung hinter der hercy-
nischen zurück.
Es fragt sich nun zunächst, wie das zeitliche Verhältniss
der beiden tectonisclien Richtungen oder Kräfte beschaffen ist.
Loretz* 2), dem dieselbe Frage bezüglich des südöstlichen Thüringer
Waldes Vorgelegen hat, hat dieselbe dahin beantwortet, dass jeden-
') Zur Beurtheilung der beiden Haupt- Streicbrichtungen im südöstlichen
Thüririger Walde. Jahrb. d. Königl. Preuss. geol. Landesanstalt, S. 84—104.
2) 1. c. S. 98-101.
Jahrbuch 1887.
22
338 H. Proescholdt, lieber gewisse nicht hercynische Störungen
falls ein Theil der Wirkungen in hercynischer Richtung erst nach
erfolgter Hauptfaltung im erzgebirgischen Sinne eingetreten sei,
ein Theil jedoch oder die erste Anlage mancher nordwestlich
streichenden Sattel- und Muldenbiea;un2:en aber auch aus früherer
Zeit herrühren könne. Dieser Beurtheilung kann man sich fast
vollinhaltlich auch in Bezug auf das fränkische Vorland an-
schliessen.
Vergleicht man die Sattel- und Muldenbiegungen in nord-
östlicher Richtung innerhalb der Marisfelder Mulde mit denen
des anstossenden , nicht gestörten Gebietes , wie in den Profilen
dargestellt ist, so geht daraus mit ziemlicher Gewissheit hervor,
dass die hercynischen Brüche und Faltungen in einen Theil der
Erdoberfläche eingebrochen sind , der bereits in nordöstlich
streichende flache und steile Mulden und Sättel gelegt war. Fast
noch deutlicher als an den Marisfelder Störungen tritt dieses
Verhalten in der Gegend von Rodach hervor. Hier wird das
einst im erzgebirgischen Sinn gefaltete Gebirge von einigen her-
cynischen Verwerfungen und zwar Ueberschiebungen durch-
schnitten, an deren Linien die entsprechenden Sattel- und Mulden-
linien eine seitliche Verschiebung aufweisen.
Aus dem Altersverhältniss der beiden tectonischen Rich-
tungen im Vorland ergiebt sich, dass die erzgebirgische zu einer
Zeit entstanden sein muss, in der der Thüringer Wald noch nicht
als ein Horst aus seiner Umgebung hervorragte. Die nordöst-
lichen Falten bei Themar, Rodach etc. sind gewissermaassen Er-
innerungen an jene Periode, in der das Gebirge mit dem fränkischen
Senkungsfeld ein zusammenhängendes Ganze bildete. Denn die
hercynischen Störungen der Gegend sind wohl sicherlich erst mit
und nach dem Absinken erfolgt, obwohl es keinem Zweifel unter-
liegt, dass die hercynische Kraft schon viel früher thätig war.
Jedenfalls ist das Auftreten von nordöstlicher Faltung daselbst
nicht zu verwechseln mit der Erscheinung, die SüESS »Unter-
brochene Gebirgsfaltung« nennt, trotzdem ausserordentlich grosse
Aehnlichkeit vorhanden ist. Denn Suess x) versteht darunter, wie
b Ueber unterbrochene Gebirgsfaltung. Sitzungsberichte der Kais. Acad. d.
Wissenschaften. Wien. Bd. XC1V, S. 111 — 117.
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
339
er sagt, einen posthumen Versuch der Gebirgsbildung auf dem
Senkungsfeld selbst. Nach dieser Theorie müsste die nordöstliche
Faltung Nordostfrankens gleichzeitig oder gar später als die her-
cynischen Störungen eingetreten sein, eine Zeitfolge, die aus den
Lagerungsverhältnissen nicht gefolgert werden darf. Höchstens
kann man in dem vorliegenden Fall nur in dem Sinne von unter-
brochener Gebirgsfaltung reden , als nach Liebe t) in Ost-
thüringen die im erzgebirgischen Sinn wirkende Kraft hauptsäch-
lich in der vorcarbonischen Zeit thätig war.
Aus der Existenz und der Zeitfolge der beiden teutonischen
Wirkungen ergeben sich Resultate, die geeignet sind, neues Licht
auf manche Erscheinung in der Architectur des fränkischen Vor-
landes zu werfen. So ist es nicht richtig, wenn man ohne
Weiteres in den verschiedenen Höhenlagen ein und derselben
Schicht das Ausmaass der Intensität der hercynischen Störungen
zu bemessen glaubt, wie das bisher geschehen ist. Wenn z. B.
Emmrich * 2) in der Thatsache, dass am Dollmar der Keuper
850 Fuss höher liegt als bei Marisfeld, die Folge einer Senkung
sieht, deren Richtung durch frühere Störungen in der Richtung
des nordwestlichen Thüringer Waldes vorbereitet wurde, so ist
diese Angabe dahin zu berichtigen, dass diese bedeutende Niveau-
differenz in erster Linie durch Faltung im erzgebirgischen Sinn
entstanden ist und dann nachträglich durch hercynische Störungen
bis zum vollen Betrag gebracht wurde.
Bei seinen Untersuchungen über die Störungen in der Um-
gebung des Grossen Dollmars ist Frantzen 3) zu dem Resultate
gekommen, dass infolge des Basaltausbruches eine locale Hebung
des Gebirges an diesem Berge eingetreten sei, deren Länge von
Norden nach Süden etwa 5^2 Kilometer betrage. Bei Betrachtung
der Karte, der ja zuverlässige Aufnahmen zu Grunde liegen, hat
in der That diese Annahme etwas Bestechendes für sich. Trotz-
dem ist sie unrichtig. Frantzen ist zu seiner Annahme verführt
worden einestheils durch das Ansteigen der Schichten nach der
9 Uebersieht über den Sehicbtenaufbau Ostthüringens, S. 68.
2) a. a. 0. S. 9 u. 12.
3) a. a. 0. S. 116 — 117.
22*
\
340 H. Proescholdt, Ueber gewisse nicht hercynische Störungen
Höhe des Berges zu nicht nur von Südwesten nach Nordosten,
sondern auch von Süden nach Norden, anderntheils durch auf-
fällige Lagerungsverhältnisse in der Gegend südlich von Kühn-
dorf, da wo die Hebung beginnen soll. Hier zeigen die Schichten
ein Fallen nach dem Dollmar hin, also ein nordwestliches, ändern
jedoch dasselbe wieder südlich davon gegen das Schwarzathal zu
in das umgekehrte.
Diese Lagerungsverhältnisse sind nichts anderes als das com-
binirte Resultat von grossartiger Erosion und 2 auf einander senk-
recht wirkender, aber zeitlich getrennter tectonischer Kräfte. Vom
Nordwestfuss des Dollmar läuft nach dem Werrathal bei Wall-
dorf und jenseits desselben nach Melkers und weiter nach der
Rhön zu ein scharf ausgeprägter Wellenkalksteilrand, dessen
Schichten südöstlich einfallen. Er gehört einer nordöstlich
streichenden Falte an, die ursprünglich nicht gegen den Dollmar
anstieg, sondern horizontal lag. Ihr laufen nach Südosten zu
andere Faltungen parallel, so ein Sattel in der Gegend südlich
von Kühndorf, dessen Fortsetzung sowohl südlich als nördlich x)
noch nachweisbar ist. Das so gefaltete Gebirge ist später in
hercynisclier Richtung aufgerichtet worden. Wo die Schichten
steil stehen, ist natürlich von der ehemaligen Querfaltung sehr
wenig oder nichts zu bemerken, wo aber, wie von Kühndorf nach
dem Schwarzathal zu, durch die Erosion dieselben Schichten in
flacher Lagerung entblösst werden, da müssen die ehemaligen
nordöstlich streichenden Sättel und Mulden bei nordwestlicher
Hebung, wenn diese Bezeichnung erlaubt ist, die Ausstriche geben,
die auf der Karte des Dollmar von Frantzen südlich von Kühn-
dorf sichtbar sind. Unter solchen Umständen wird man sogar
das ursprüngliche Fallen der Schichten zu beobachten im Stande
sein, wie es eben bei Kühndorf der Fall ist.
Erzgebirgische und hercynische Dislocationen, Faltungen und
Verwerfungen bedingen natürlich eine förmliche Gitterstructur des
Landes, die ihren Ausdruck nicht nur in der Thalbildung, sondern
auch in der Verbreitung der Formationsglieder findet. Ist die-
b Im Christeser Grund trifft man im Streichen dieses Sattels die Buntsand-
steinschichten mit einem Fallen nach Südwesten und Südosten an.
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
341
selbe auch hauptsächlich durch die hercyuische tectonische Kraft
als durch die intensivere und jüngere bedingt, so lässt sich die
Wirkung der älteren doch auch vielfach erkennen. Schon die
CREDNER’sche Karte zeigt deutlich, dass die nach dem Thüringer
Wald zu vorgeschobene Partie mittlerer und oberer Triasschichten
zwischen dem Dollmar und dem Feldstein auf beiden Flanken
mit nordöstlichem Ausstrich endigt, entsprechend dem südöstlichen
und nordwestlichem Einfallen. Ebenso auffällig ist der Ausstrich
des Wellenkalks auf Blatt Neustadt a. d. Heide, bei Kronach und
an anderen Orten. Sehr wahrscheinlich hängt auch das Auftreten
mancher vereinzelter Schollen irgend eines Formationsgliedes, z. B.
des Zechsteins, mit der früheren erzgebirgischen Sattelung zu-
sammen, wie das am Kleinen Thüringer Wald bei Bischofsrod,
wie denn auch das Auftreten und Verschwinden von älteren und
jüngeren Schichten an Verwerfungsspalten wohl nicht immer
durch eine wechselnde Intensität des Verwurfs, sondern auch
durch eine frühere Querfaltung der verworfenen Schichten in
manchen Fällen zu erklären ist.
Die erzgebirgische Faltung scheint schliesslich in einem sehr
bestimmten ursächlichen Zusammenhang zu stehen zu dem Auf-
treten und der Richtung der zahlreichen Basaltgänge in Nord-
ostfranken, die auf den Blättern Meeder, Rodach, Heldburg,
Römhild, Hildburghausen, Themar und Schleusingen zu Tage
gehen. Die Mächtigkeit ist meist sehr gering, 0,6 bis 1 Meter,
wird aber beträchtlich am Straufhain und bei den nördlichen
Gängen am Ottilienstein und Feldstein bei Themar und der
Steinsburg bei Suhl. Die Gänge, besonders die schmalen, erreichen
häufig eine bedeutende Länge; auf Section Rodach konnte einer
gegen 6 Kilometer weit verfolgt werden. Heber die mineralo-
gische Zusammensetzung liegen Untersuchungen vor von Loretz1),
Bücking 2) , Luedecke 3) und mir 4). Dieselben sind von mir
0 Text zu Blatt Meeder, S. 34—35.
3) Jahrb. d. Königl. Preuss. geol. Landesanstalt für 1880, S. 164 — 189.
3) Zeitschr. für Naturwissenschaften, LVI. Band, Halle 1883, S. 661. Die
Ortsangaben sind hierin nicht immer richtig.
4) Jahrb. d. Königl. Preuss. geol. Landesanstalt für 1883, S, 180 — 181.
Ebenda für 1886, p. lv.
342 H. Proescholdt, TJeber gewisse nicht hercynische Störungen
fortgesetzt, aber noch nicht abgeschlossen worden. Nach den-
selben herrschen durchaus 1) Nephelinbasalte vor; nur die Gänge
an der Peripherie des gesammten Gebiets, und zwar im Westen
auf der Section Römhild am Einfahrtsberg, im Norden auf den
Blättern Themar und Schleusingen an den eben erwähnten Locali-
täten sind Feldspathbasalte und Basanite. Alle diese Gänge
laufen parallel mit einander und halten in ihrem Streichen nahezu
oder völlig die erzgebirgische Richtung ein. Der Parallelismus
derselben erinnert an den der Küstenflüsse der Normandie,
Picardie und des Artois, welchen Daubree2) auf den Parallelismus
von das Gebiet durchziehenden Diaclasen zurückzuführen ver-
sucht. Zuweilen erregt es den Anschein, als wenn die Gänge
durch spätere kleinere und grössere Verwerfer eine seitliche,
nordwestlich -südöstliche Verschiebung erfahren hätten; in den
Sedimentärschichten konnten jedoch entsprechende Lagerungs-
verhältnisse nicht beobachtet werden.
Es ist nicht leicht, für das Auftreten der Basalte eine be-
friedigende Erklärung zu geben. Dass die Uebereinstimmung im
Streichen der unter sich parallelen Gänge mit der erzgebirgischen
Faltung eine rein zufällige ist, wird wohl Niemand annehmen.
Die Vermuthung, dass hier ein ursächlicher Zusammenhang vor-
liegt, wird überdies um so lebendiger, wenn man sieht, dass da,
wo die nordöstliche Faltung am auffälligsten erscheint, die Gänge
besonders mächtig auftreten wie am Feldstein.
Bei dem Versuch einer Erklärung stellt sich zuerst die Frage
in den Vordergrund: Sind die Basalte älter als die Faltung, die
durch ihr Hervortreten erst entstanden ist, oder sind sie jünger
als dieselbe und haben ihren Weg in einer Richtung genommen,
die ihnen gewissermaassen infolge bestimmter tectonischer Vor-
gänge vorgeschrieben war?
Der erste Theil der Frage ist entsprechend der in jüngster
Zeit gewonnenen Einsicht über das Verhältniss der Basalte zu
den grossen tectonischen Vorgängen der Gebirgsbildung zu ver-
neinen. Bei dem absolut passiven Verhalten der an die Basalte
') Der Nephelin tritt zuweilen bis zum Verschwinden zurück.
2) Bullet, de la soc. geol. de France Ser. 3, t. VII, p. 144.
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
343
stossenden Schichten ist an irgend welche Hebung durch die
Eruption derselben gar nicht zu denken.
Wodurch ist aber die gleich bleibende Richtung der Basalt-
gänge veranlasst worden? Es liegt sehr nahe, in ihr die Folge
desselben nordwestlich wirkenden Horizontaldruckes zu sehen, der
die nordöstlich streichenden Sättel und Mulden der Gegend zu-
sammengeschoben hat.
Es ist wohl denkbar und physikalisch möglich, dass ein der-
artiger lang anhaltender Process neben der Faltung der gepressten
Schichten die Cohäsion in einer senkrecht gegen den Druck
stehenden Richtung modificirt und dadurch Erscheinungen hervor-
ruft, die die grösste Aehnlichke.it mit den Diaclasen Daubree’s1)
zeigen. Die Abtheilung der Lithoclasen oder Brüche des be-
rühmten Verfassers zeigt nach ihm Neigung, sich parallel unter
sich in zwei oder mehrere Systeme zu gruppiren, jedoch herrscht
häufig ein System vollständig vor. Baubree hat bekanntlich
solche Spaltensysteme experimentell durch Torsion oder Druck
erzeugt, aber wie er selbst2) sagt: »la regularite geometrique ne
peut etre obtenue qu’au moyen de precautions particulieres«. Die
von ihm erzielten Resultate lassen sich daher nicht ohne Weiteres
auf die Verhältnisse im Gebirge anwenden. Uebrigens sind die
Diaclasen nur graduell verschieden von seinen »paraclases« oder
»failles«, unseren Verwerfungen, da Daübree3) selbst angiebt, dass
entlang der Diaclasen deutlicher Verwurf constatirt werden konnte
und auf den Wänden Gleitflächen oder Harnische zu sehen waren;
ebenso seine »piesoclases«. Man könnte annehmen, dass das Basalt-
magma, durch das Sinken der fränkischen Scholle in die Tiefe
*) Essai de geologie experimentale, p. 289 etc. und Les eaux souterraines ä
l’epoque aetuelle, 1. 1, p. 132 — 143.
3) Les eaux souterraines etc. p. 143. Yergl. Lossen: Ueber ein durch Zu-
fall etc. Jahrb. für 1886, S. 337.
3) a. a. 0. p. 145. Es geht das namentlich auch aus seinen Besprechungen
der Quellen, vorzüglich der Thermen hervor, so z. B. der von Carlsbad ( S. 286).
Die Diaclasen, aus denen die Quellen hervorbrechen, sind identisch mit den
beiden Verwerfungssystemen Hochstetter’s, die die verschiedenen Granite durch-
setzen und , beiläufig bemerkt, auch das Egerthal bei Ellbogen z. Th. vorgebildet
haben, wie ich in dem letzten Winter beobachtet habe.
344
H. Proescholdt, Ueber gewisse nicht hereynische Störungen
in die Höhe gepresst, auf Diaclasen ähnlichen Spalten zur Ober-
fläche emporstieg. Die Dichtung der Spalten war durch den im
erzgebirgischen Sinn wirkenden Druck vorher gegeben worden.
Allein eine derartige Erklärung befriedigt nicht in jeder Beziehung,
wenigstens für sich allein nicht, obgleich Vieles für sie spricht.
Mir scheint es, als ob die Richtung und der Parallelismus der
Basaltgänge gar nicht einfacher und verständlicher erklärt werden
könnten als durch die Ansichten, welche von Koenen t) über den
Bau von Mulden und Sätteln ausgesprochen hat, und welche ich
in nicht vereinzelten Fällen als richtig erkennen konnte. Der
Erguss des Basaltes durch Mulden- und Sattelspalten, von denen
die ersteren der Natur der Sache nach viel häufiger benutzt werden
als die letzteren, würde genau das Bild ergeben, das die Basalt-
gänge in Nordostfranken darbieten. Man kann dagegen allerdings
mit Recht einwenden, dass die flachen nordöstlichen Sättel und
Mulden, die in den Triasschichten bemerkbar sind, keine Veran-
lassung zur Zerreissung des Schichtenverbändes gegeben haben
können oder doch höchstens zur Entstehung von nur ganz ver-
einzelten Spalten. Aber diesen Einwand kann man entkräften,
sowie man den Versuch macht, sich eine Vorstellung von der
Structur der Schichten unter der Trias zu verschaffen. Dazu
haben wir manche zuverlässige Anhaltspunkte. Der südöstliche
Thüringer Wald ist ein Abrasionsplateau, das ehemals von Trias
und Dyas überlagert wurde, von der sich Reste bis zum heutigen
Tage erhalten haben. Im Schiefergebirge machen sich 2 tecto-
nische Richtungen geltend, eine südwestlich-nordöstliche und eine
südöstlich-nordwestliche, von denen die erstere hauptsächlich in
Faltungen sich äussert und älterer Entstehung im Allgemeinen ist.
Sicherlich dürfen wir anuehmen, dass die nordöstliche Faltung des
Gebirges der Hauptsache nach beendigt war, ehe an der Bruch-
linie des Thüringer Waldes ein Theil desselben in die Tiefe sank.
Dieser abgesunkene Theil des Schiefergebirges muss dann natür-
lich auch iu nordösticher Richtung gefaltet sein, und da die erz-
b Ueber das Verhalten von Dislocationen im nordwestlichen Deutschland.
Jahrb. für 1885, S. 53 — 83,
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
345
gebirgische Faltung des alten Gebirges sehr energisch gewesen
ist, so können wir erst recht bei demselben von Sattel- nnd Mulden-
spalten im Sinne von Koenen’s sprechen. Die Richtung und der
Parallelismus der Basaltgänge erklären sich dann sehr einfach.
Die Basaltmasse ist während des Absinkens Fraukens auf den
Muldenspalten des alten , nordöstlich gefalteten , und nieder-
sinkenden Schiefergebirges aufgestiegen und hat dann in der auf-
gezwängten Richtung das überlagernde Schichtensystem durch-
brochen; dieses um so leichter, wenn es wie in unserem Fall den-
selben Faltungsprocess, nur schwächer durchgemacht hat. Diese
Theorie erklärt zunächst die immerhin befremdliche Thatsache,
dass nirgends ein Basaltgang in hercynisclier Richtung trotz der
zahlreichen nordwestlich verlaufenden Brüche in unserem Gebiet
zu Tage tritt. Sie erklärt aber auch in ganz überraschender
und einfacher Weise, warum die Basaltgänge bald ganz vereinzelt,
bald in Gesellschaft mit einander auftreten. von Koenen x)
schreibt, nachdem er auseinander gesetzt, dass Schichtenbiegungen
ohne Zertrümmerung der Schichten nicht denkbar und auch
nirgends nachgewiesen sind: »Ich glaube vielmehr annehmen zu
müssen, dass bei uns im Grossen und Ganzen entweder nur in
den sogenannten Mulden- und Sattel - Linien Zerreissungen der
Schichten, mit einem Worte »Spalten« entstanden, so dass die
tafelartigen Gebirgsmassen zwischen den Sattel- und Mulden-
Spalten immer in ungestörtem Zusammenhang blieben, oder es
wurden durch Nebenspalten, welche annähernd dasselbe Streichen
wie die Hanpt-Mulden- und Sattel-Spalten erhielten, stärker ge-
störte, resp. geneigte oder aufgerichtete Gebirgstheile von den
übrigen, ziemlich ungestört gebliebenen Massen abgetrennt, oder
endlich — und dies ist das am meisten an wirkliche Sättel und
Mulden erinnernde — es entstanden eine ganze Anzahl paralleler
oder schwach divergirender und convergirender enger Spalten,
welche sich leichter der Beobachtung entziehen, so dass bei
mangelhaften Aufschlüssen oder oberflächlicher Untersuchung die
Schichten dann wohl einfach gebogen erscheinen; von diesen
b a. a. 0. S. 56.
346 H. Proescholdt, Ueber gewisse nicht hercyniscke Störunge]
Spalten ist aber gewöhnlich eine auf der Sattel- resp. Mulden-Linie
liegende etwas stärker entwickelt und desshalb als Haupt- Sattel-
resp. Mulden -Spalte zu bezeichnen gegenüber den die Sattel- und
Mulden-Flügel durchsetzenden »Nebenspalten«. Ganz gewöhnlich
verschwächt sich aber eine solche Hauptspalte im Fortstreichen, und
eine benachbarte Nebenspalte öffnet sich weiter und wird dann
allmählich zur Hauptspalte, ebenso wie durch Verschwinden oder
Erscheinen von Nebenspalten Uebergänge und Zwischenformen
zwischen diesen Haupt- Typen nichts weniger als ungewöhnlich
sind«. Vergleicht man nun mit dieser Schilderung das Auftreten
der Basaltgänge, wie sie bald vereinzelt, bald vergesellschaftet
erscheinen, bald in ansehnlicher, bald in kaum nennenswerther
Mächtigkeit zu Tage treten und häufig anscheinend durch Quer-
störungen seitliche Verschiebungen aufweisen, so ist der causale
Zusammenhang in die Augen springend. Die Basaltgänge in
Nordostfranken verrathen die Structur des unter der Trias und
Dyas lagernden Schiefergebirges.
Dislocationen in nordöstlicher Richtung scheinen im fränkischen
Senkungsgebiet weit verbreitet zu sein. Ich habe früher nach-
gewiesen, dass die äusserst verwickelten Lagerungsverhältnisse am
Südostrande der Rhön durch das Durchkreuzen von 3 Spalten-
systemen, in nordwestlicher, nordöstlicher und nordsüdlicher Rich-
tung hervorgerufen werden *). Herr von Koenen hat indessen
die Selbstständigkeit der nordöstlichen Verwerfungen in Frage
gestellt und die Vermuthung ausgesprochen, dass dieselben ent-
weder als Querbrüche zu den Nordwestspalten oder als etwas
mehr nach Osten abweichende Süd-Nordspalten aufzufassen seien* 2).
!) Geologische und petrograph. Beiträge zur Kenntniss der Langen Rhön.
Jahrb. d. Königl. Preuss. geol. Landesanstalt für 1884, S. 242.
2) a. a. 0. S. 77. Herr von Koenen scheint anzunehmen, dass ich die Auf-
findung der Nord -Südspalten in der Ostrhön für mich in Anspruch nehmen
wolle. Das ist ein Missverständniss. Ich habe nur das Nebeneinandervor-
kommen der drei Spaltensysteme betont. Die Entdeckung der nord- südlichen
Rhönrichtung konnte ich mir um so weniger zuschreiben, als kurz zuvor Frantzen
dieselbe in seiner Arbeit über den Dollmar erwähnt hatte, ohne Emsirich’s zu
gedenken. Dies zur Klarstellung, namentlich gegen das sehr subjectiv gehaltene
Referat im Neuen Jahrbuch für Mineralogie etc. 1886, II. Bd., S. 237, gelegent-
lich dessen Erwähnung ich entschieden Verwahrung einlege gegen die Unter-
schiebung, als hätte ich Mittheilungen von Embirich als eigene ausgegeben.
am Südwestrand des Thüringer Waldes.
347
Dieser Deutung kann ich nach meinen Erfahrungen nicht zu-
stimmen; ich kann hier nur wiederholen, dass in der Gegend von
Ostheim Verwerfungen in erzgebirgischer Richtung ebenso zahlreich
und wirkungsvoll auftreten als diejenigen der beiden anderen
Richtungen. Bereits von Gümbel führte eine Kreuzung von süd-
östlichen und südwestlichen Verwerfungen bei Kissingen an l).
Aehnliche Verhältnisse kenne ich aus der Gegend von Neustadt
a. d. Saale, und Lenk kommt in seiner jüngst erschienenen Ab-
handlung 2) zu dem Resultat, dass die Lagerungsstörungen der
südlichen Rhön sich in solche mit nordwestlicher und solche mit
nordöstlicher Richtung gruppiren. Zu den letzteren gehören z. B.
die Lagerungsstörungen bei dem Bad Brückenau. Nach Lenk
ist es übrigens nicht unwahrscheinlich, dass dem nordöstlichen
Spaltensystem manche Basaltgänge angehören, so der Zug der
Bammersfelder Kuppe3), die in h. 2 streicht, demnach wie der
Ottilienstein und Feldstein und andere Gänge bei Themar und
Hildburghausen. lieber das gegenseitige zeitliche Verhältniss
sind keine Angaben gemacht worden.
Es erscheinen also in Nordfranken neben den Südostdisloca-
tionen auch solche in nordöstlicher Richtung und zwar in grosser
Verbreitung. Es steht zu hoffen, dass, wenn das Auftreten der
beiden Systeme, wie auch das der Nordsüdstörungen kartographisch
festgestellt ist, sich wichtige Aufschlüsse über die Zeitfolge der-
selben, ihren Ursprung und ihre Bedeutung für Oro- und Hydro-
graphie ergeben werden.
Es ist im Laufe unserer Untersuchung der Nachweis zu führen
versucht worden, dass die Faltungen wie überhaupt die Disloca-
tionen in nordöstlicher Richtung im fränkischen Vorland des
Thüringer Waldes älter sind, als die hercynischen Mulden, Brüche
und Ueberscliiebungen, welche den Bruchrand des Gebirges be-
gleiten und die ersteren sehr verwischt haben. Es wäre irrthüm-
lich, daraus zu folgern, dass die tectonischen Kräfte in hercy-
nischem Sinne erst dann ihre Wirksamkeit begannen, als bereits
]) Bad. Kissingen von Sotiek, S. 13 — 16.
3) Zur geologischen Kenntniss der Südlichen Rhön.
3) a. a. 0. S. 31.
348 H. Proesoholdt, Ueber gewisse nicht hercynische Störungen etc.
die erzgebirgische faltende Kraft erloschen war. Nach Liebe1)
sind ja beide Kräfte schon in vorcarbonischer Zeit in Ostthüringen
thätig gewesen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass dieselben
gleichzeitig in Wirkung treten konnten. Für Südostthüringen hat
allerdings Loretz2) das gleichzeitige Auftreten verneint, da hier-
selbst im Gebirgsbau eine einheitliche dritte Streichrichtung fehlt,
wie sie in dem Falle resultiren müsste. In dem fränkischen Vor-
land treten aber zuweilen Lagerungsverhältnisse hervor, in denen
man wohl das Resultat gemeinsamen und gleichzeitigen Wirkens
der beiden technischen Kräfte erkennen kann. Hierher möchte
ich manche nordsüdliche oder nahezu nordsüdliche Dislocation in
der Umgebung des Feldsteins und des Werrathals zwischen Themar
und Hildburghansen rechnen. Sie sind vielleicht älteren Ursprungs
als die nordwestlichen Spalten und Faltungen.
Auch im Thüringer Becken sind Dislocationen in nahezu
nordöstlicher Richtung nachweisbar. Sie ergeben sich aus dem
Studium der Karten, sind aber jüngst besonders hervorgehoben
worden aus der Umgebung von Jena3). Wie in Franken treten
sie auch hier hauptsächlich als Faltungen auf und treten an Be-
deutung hinter den hercynischen zurück.
Meiningen, im April 1888.
b a. a. 0. S. 48—41.
3) a. a. 0. S. 98.
3) R. Wagner, Die Formationen des Buntsandsteins und des Muschelkalkes
bei Jena; ferner Mittbeilungen der Geograph. Gesellschaft zu Jena 1888, S. 172.
Diluviale Süsswasser-Conchylien auf primärer
Lagerstätte in Ostpreussen.
Von Herrn Henry Schröder in Berlin.
(Hierzu Tafel XIV.)
Vor zwei Jahren entdeckte ich gelegentlich der Kartirung
der Blätter Krekollen und Siegfridswalde zwei neue Fuudpunkte
mariner Diluvialconchylien auf primärer Lagerstätte1) im
Herzen von Ostpreussen. Die Untersuchung der Gegend ist seit-
dem weiter nach Osten vorgeschritten und hat zu der Auffindung
eines ausgezeichneten Fundpunktes diluvialer Süsswasser-
concliylien auf ebenfalls zweifellos ursprünglicher Lagerstätte
geführt.
Lindenberg bei Rössel.
Der Punkt liegt ca. 2 Kilometer von der Kreisstadt Rössel
südlich der nach dem Wallfahrtsorte Heiligelinde führenden Chaussee
an dem Communicationswege, der von ihr nach dem Rittergut
Kattmedien abführt. Betritt man diesen Weg von der Chaussee
aus, so hat man nach einer kurzen Strecke zu rechter Hand eine
ca. 0/2 Meter tiefe Grube vor sich, in welcher in deutlicher
*) Schröder, Ueber zwei neue Fundpunkte mariner Diluvialconchylien in
Ostpreussen. Dieses Jakrb. für 1885, S. 219.
350
Henry Schrödrr, Diluviale Süsswasser-Conchylien
Weise typischer Geschiebemergel aufgeschlossen ist. Derselbe
besitzt ziemlich bedeutenden Thongehalt , hat -eine rothbraune
Farbe und ist von Kalksträhnen durchzogen ; er zerklüftet
in mehr oder minder grosse, scharfkantige Stücke von ausser-
ordentlicher Festigkeit; Geschiebe sind in ihm in normaler Weise
vertheilt. Dass derselbe oberdiluvialen Alters, lässt sich kaum be-
zweifeln; zunächst ergiebt seine Verbreitung und zeigen die in
der Nähe der Grenze zum Unterdiluvium gelegenen Aufschlüsse,
dass derselbe discordant dem Grand, Sand und Thonmergel auf-
lagert und dass dieser Geschiebemergel das höchste in dieser
Gegend entwickelte diluviale Gebilde ist. Was seine Beziehungen
zu den entsprechenden Bildungen im mittleren Norddeutschland
betrifft, so kann ich hier nur wiederholen, was ich im Jahre 1886
gesagt habe1): »Durch die Kartiruug im Maassstabe 1 : 100 000
und die sich anschliessende im Maassstabe 1 : 25 000 ist constatirt,
dass ein Geschiebemergel sich von der Meeresküste auf die höchsten
Punkte des masurischen Landrückens heraufzieht.« Innerhalb der
Gebiete, die unter meiner Bearbeitung gestanden haben, kann ich
mit Bestimmtheit behaupten, dass dieselbe Geschiebemergel-Bank
bei 150' Meereshöhe die Oberfläche bildet wie bei 600'. Die
Gründe, welche Berendt zu der Vermuthung veranlassten 2), die
norddeutschen Höhenrücken haben unterdiluviales Alter d. h. wur-
den von der zweiten Vergletscherung nicht überschritten, sind
lediglich speculativer Natur. Bis jetzt liegt kein auf reinen Be-
obachtungen basirender Grund vor, den höchsten Geschiebemergel
Ostpreussens nicht als oberdiluvial aufzufassen.
Verfolgt man den Weg von der oben genannten Mergelgrube,
so beobachtet man bald auf der Kuppe des Hügels an der Ober-
fläche, die leichter und sandiger wird, dass man an die Grenze
zwischen Geschiebemergel und Sand gelangt ist. Noch einige
Schritte, man steht vor einer grossen zu dem nahebei liegen-
den Gute Lindenberg gehörigen Sandgrube, deren Ansicht auf
Tafel XIV, Figur 1 gegeben ist3). Der grösste Tlieil der Gruben-
») 1. c. S. 229.
2) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1885, S. 807.
3) Die beiden Ansichten auf Tafel XIV sind nach den an Ort und Stelle ent-
worfenen Skizzen des Herrn Regierungsbaumeister Schröder angefertigt.
auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
351
wände ist mit sandigen und grandigen Abrutschmassen bedeckt;
nur an der östlichen Wand ist durch neue Abgrabungen ein Theil
der Schichten entblösst, die in umstehendem Profil skizzirt sind.
Unter 5 Meter grandigem Abrutsch beobachtet man nachstehende
Schichtenfolge von oben nach unten:
1) 0,5 Meter Spathsand.
2) 0,15 » deutlich fein geschichteter Kalk.
3) 0,25 » feiner Sand mit wenigen Thonmergelstreifen.
4) 0,75 » feine Sande und dünne Thonmergelstreifen
wechsellagernd mit vereinzelten Linsen
gröberen Sandes resp. Grandes.
5) 3,00 » Spathsand, nicht durchsunken.
Lassen sich diese einzelnen Schichten in der Mitte nun
auch bequem trennen, so sind sie doch am nordwestlichen und
südöstlichen Ende des Profils nicht mehr zu erkennen. Nach
ersterer Richtung wird 2) 3) und 4) immer weniger mächtig,
2) verliert seinen Charakter als Kalk und wird durch dünne
Thonstreifen zu einem dünngeschichteten Thonmergel; nach Süd-
osten nimmt die Mächtigkeit der Schichten zu, zwischen 2) und 3)
schiebt sich eine Grandlinse von 0,35 Meter Dicke ein und die
obersten Schichten bilden hier einen deutlichen Sattel, der sich
nach dem Liegenden zu vollständig ausgleicht; in der Lage 4)
keilen sich die Thonmergelstreifen vollständig aus und ein feiner
Spathsand tritt an seine Stelle. In den sämmtlichen Schichten
1) bis 4) habe ich Süsswasserconchylien in sehr verschieden-
artiger Vertheilung gefunden. Während sie in 1) und 3) selten
sind, ist der Kalk 2) vollständig von kleinen Schalenbruchstücken
erfüllt und enthalten die feingeschichteten Thonmergelstreifen 4)
zahlreiche wohlerhaltene Conchylien, die jedoch wegen ihrer Zer-
brechlichkeit ausserordentlich schwer herauszubringen waren 1). In
der Schicht 5) habe ich nie ein Conchyl bemerkt.
Die Schichten fallen in schwacher Neigung gegen den Hori-
zont nach Nordosten ein.
Die von oben her von Sand und Thon befreite Schale wurde in ihrem
Lager mit einer Lösung von Kopallack in Aether getränkt und erst nach voll-
ständigem Verdunsten des Aethers herausgehoben.
352
Henry Schröder, Diluviale Süss wasser- Conchylien
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Durch einen nach
dem Wege vorspringeuden
Sandrücken ist der eben
beschriebene Aufschluss
von einer zweiten, südöst-
lich daran anstossenden
Grube getrennt , deren
Ansicht auf Tafel XIV
Figur 2 wiedergegeben ist.
Die Conchylienschicht a
des Aufschlusses Tafel XIV
Figur 1 setzt durch den
Saudrücken durch und er-
scheint, von ca. 3 — 4 Meter
Grand, Sand und Gerollen
bedeckt, als eine durch-
schnittlich 0,18 Meter mäch-
tige Lage feinen, z. Th.
grünlichen Sandes , der
durch eingelagerte, dünne
Thonmergelstreifen eine
deutliche Schichtung erhält.
Conchylien sind in der-
selben selten, nurValvaten
bemerkt man häufiger. Im
weiteren Verfolg behält die
Schicht a ihren Charakter
bei und streicht am Ge-
hänge des Hügels, durch
dessen Anschnitt die Grube
entstanden ist, aus.
W eiterhin sind die
niedrigen Gehänge des
Aufschlusses stark von
grandigen Abrutschmassen
bedeckt und man gewinnt
keinen klaren Einblick in
auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
353
den Schichtenaufbau. Erst ca. 35 Meter von dem letzten Auf-
schluss der Schicht a ist wieder eine scharf abgeschnittene Ent-
blössung vorhanden, deren Profil umstehend gegeben wird. Unter
einer dünnen Gerölldecke erscheint hier ein etwa 0,15 Meter
starker Streifen oben grünlich gelben, nach unten zu bräun-
lichen Thonmergels b (Tafel XIV Figur 2), der von Kalk-
strängen durchzogen ist. Durch Einschaltung von Sandschmitzen
geht derselbe im Liegenden in normalen Spathsand über; nach
dem südöstlichen Ende der Grube zu schieben sich in denselben
zahlreiche Grandbänke ein , so dass zuletzt das Liegende der
Thonmergelbank als ein grandiger Sand zu bezeichnen ist. In
demselben vertieft sich der Aufschluss und mittelst des Zweimeter-
bohrers erreicht man ca. 5 Meter unter der Schicht b grauen
Geschiebemergel.
In der Thonmergelbank treten zahlreiche Conchylien, nament- .
lieh Anodonten auf, die jedoch in sich so zerdrückt sind, dass
ihre Conservirung unmöglich und auch zwecklos ist. Ebenfalls
in den liegenden Sanden sind Conchylien nicht selten und sogar
die Grande des südöstlichen Theiles der Grube haben eine Vcdvata
geliefert.
Um das Lagerungsverhältniss der Conchylienlager a und b
gegeneinander festzustellen, suchte ich die Schicht b im Fallen
nach Nordwesten zu verfolgen und wirklich gelang es mir die-
selbe auf dem Boden der Grube unter deutlich geschichteten nicht
abgerutschten Sandmassen aufzufinden. Die Conchylienlager a und b
sind nach einer ungefähren Schätzung durch ca. 5 Meter mächtige,
wohlgeschichtete Grande und Sande von einander getrennt.
Die Conchylien hatte Herr Prof, von Martens die Güte zu
bestimmen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen verbind-
lichsten Dank ausspreche.
f Anodonta anatina L. zahlreich. Betreffs der Bestimmung als
Anodonta ist noch ein leiser Zweifel vorhanden, da es bis
jetzt nicht gelang, ein Schloss dieser Versteinerung zu
Gesichte zu bekommen. Die Uebereinstimmung in der
Gestalt und flachen Wölbung der Schale mit Anodonta
gegenüber der starkgewölbten Unio ist vorhanden.
23
Jahrbuch 1887.
354
Henry Schröder, Diluviale Süsswasser- Conchylien
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Unio pictorum L. häufig.
Limnaea stagnalis L. selten.
auricularia L. na-
mentlich zahlreiche jugend-
liche Exemplare.
Limnaea ovafa Drap, häufig1.
o
Planorbis carinatus Müll, er-
füllt ganze Schichten.
Val oata piscinalis MÜLL. var.
antiqua Morris häufig.
Wir haben soeben eine ca.
15 Meter mächtige Schichten-
folge betrachtet, die im
W esentlichen aus Sauden und
Granden zusammengesetzt ist
und in sich eingeschaltet
Lagen feineren Materiales
von geringer Mächtigkeit
führt. Letztere zeichnen sich
dadurch aus, dass sie zahl-
reiche Conchylien auf pri-
m ä r er Lagerstä 1 1 e führen ;
man wird daher diese Schich-
ten als reine Süsswasser-
b i 1 d u n g e n bezeichnen
müssen. Da jedoch im
auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
355
Hangenden und Liegenden dieser Hauptconchylienlager, wenn auch
vereinzelt so doch ebenfalls gut erhaltene Fossilien gefunden sind,
dürfte man nicht Fehl gehen, die ganze Schichtenfolge für Süss-
wasserabsatz zu erklären und den Mangel resp. die Seltenheit der
Conchylien in den grandigen Schichten als eine Folge der stärkeren
Stromgeschwindigkeit, welche die Thiere an Ort und Stelle nicht
leben Hess, hinzustellen.
Hält man nun daneben das Auftreten mariner Schichten in
demselben geologischen Niveau bei Kiwitten !) W. Bischofstein,
nur 4 Meilen westlich von dem hier beschriebenen Fundort Linden-
berg, so kommt man zu dem Resultat, dass in dem Zeitraum
zwischen den beiden Vereisungen resp. den beiden Oscillationen
einer Vereisung, welche den beiden höchsten Geschiebemergeln
ihre Entstehung gaben, die Grenze von Meer und Land zwischen
den Städten Bischofstein und Rössel gegangen ist.
Diese Schlussfolgerung würde eine unbedingte Anerkennung
beanspruchen können , wenn nicht namentlich durch Jentzsch * 2 3)
bei Vogelsang und Succase die stratigraphische Verknüpfung von
diatomeenführenden Süsswasserschichten mit Cardiumbänken be-
obachtet und somit ein mehrfaches Hin- und Herschwanken der
Grenze des Landes, zum diluvialen Meere bewiesen wäre. Soviel
geht jedoch wenigstens aus dem Mitgetheilten hervor, dass wir
uns in diesem Gebiete Ostpreussens in der Nähe des ehe-
maligen Ostsee ufers8) befinden.
Lindenberg bei Rössel scheint nicht der einzige Punkt zu
sein, der eine reiche Süsswasser- Diluvialfauna besitzt. Klebs 4 *)
berichtet über 2 solche Punkte, die er allerdings als nur von zweifel-
haft unterdiluvialem Alter hinstellt. Der erste Punkt liegt auf
:) Henry Schröder, Ueber zwei neue Fundpunkte mariner Diluvialconchylien
in Ostpreussen. Dieses Jahrb. f. 1885, S. 219 ff.
2) Zeitsehr. d. Deutsch, geol. Ges. 1884, S. 169 ff. c. 1887, S. 492ff.
3) Auffallenderweise fällt die supponirte Grenze zwischen Meer und Land
mit der Verbreitungsgrenze mariner Conchylien auf secundärer Lagerstätte zu-
sammen, die natürlich für eine solche Feststellung nicht maassgebend ist. Siehe
Jentzsch, Dieses Jahrb. f. 1884, S. 507, Taf. XXVII.
4) Jahrb. d. Königl. Preuss. geol. Landesanstalt 1884, p. CVIII und 1885
p. XOII.
23*
356
Henry Schröder, Diluviale Süsswasser- Conchylien
Section Heilsberg am linken Simserufer an der linken Wand eines
kleinen Seitenthälchens. Klebs theilte mir hierüber brieflich
Folgendes mit : Bei
Heilsberg
ist das Profil folgendes:
1)
Sandiger Lehm .
0,7
Meter
2)
Lehm
0,5
»
3)
Gelber Sand
1,0
»
4)
Mergelsand ....
1,5
»
\
3)
Grober Grand .
0,7
»
6)
Blauer Fayencemergel
0,1
»
' Mit vielen Süsswasser-
7)
Grand
0,5
»
) Schnecken (Anodonten,
8)
Fayencemergel .
0,8
»
l Valvaten etc.).
9)
Grand
0,3
»
0)
Fayeucemergel .
0,6
»
/
1)
Sand mindestens .
2,0
»
Der Anberg ist mithin 7 Meter hoch. In 4) finden sich ver-
einzelte Anodonten, in 5) und 6) werden sie häufiger, namentlich
aber ist 8) ganz voll davon. Ich Hess ein Querprofil abgraben,
so dass ich 3,5 Meter in den Berg ging. Die Schichten stiegen
nach Norden zu, d. h. in den Berg hinein an. Die Schichten
liegen aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen zwei unteren Mergeln,
doch ergiebt sich dieses nur aus der Kartirung, ein directes auf-
lagern von eharacteristischem unterem Mergel habe ich nicht be-
obachtet. >Bei
Bartenstein
ist das Profil:
1) Lehmig humoser Grand ...... 0,8 Meter
2) Grand 0,4 »
3) Humoser Grand 0,1 »
4) Lehmiger Grand 0,4 »
5) Grandiger Sand 1,0 »
6) Sand 0,6 »
7) Fayencemergel mit feinsandigen Einlagen 0,8 »
(Derselbe wird 10 Meter westlich
mindestens 2,0 Meter stark.)
auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
357
8) Grand 1,2 Meter
9) Grandiger Sand mit einzelnen Bänken
von Fayencemergel 2,0 »
1 0) Grandiger Sand 1,0 »
Die Schichten 7) 8) 9) enthalten hier die Fauna und zwar
7) am reichlichsten. Auch hier scheinen diese Schichten zwischen
2 unteren Mergeln zu liegen, doch ist ein directes Auflagern
nicht beobachtet worden. Aus diesen Gründen stehe ich der Auf-
fassung, dass diese Schichten unterdiluvial sind, immer noch etwas '
pessimistisch entgegen, und habe die Publication, trotzdem dass
ich die Heilsberger Aufschlüsse schon 1882 gefunden habe, noch
zurückgehalten. «
Einen vierten Punkt beschreibt Jentzsch j) von der Heide-
schanze von
Taubendorf, Kreis Graudenz;
er erwähnt von demselben einen von Süsswasser abgelagerten
Grand, »wie eine darin liegende mit bröcklichen Schalen von Unio
(oder Anodonta?) erfüllte Muschelbank beweist«; und bezeichnet
ihn als interglacial.
Auf Süsswasser deuten ferner die
™ l Neuenburg,
1 ori lasrer von /
( Purmallen und (iwilden bei Memel,
; Succase,
Diatomeenmergel von < Vogelsang,
( Wilmsdorf und Domblitten bei Zinten
hin. Sie sind sämmtlich zweifellos unterdiluvial und werden von
Jentzsch als interglacial bezeichnet.
Das geologische Niveau der in Ost- und Westpreussen ver-
hältnissmässig seltenen Diluvialsäugethiere (abgesehen von den
aus den Yoldiathonen bekannten) wird uns durch einen Fundort
‘) Schrift, d. naturf. Ges. zu Danzig VII, 1. S. 6.
358
Henry Schröder, Diluviale Süsswasser-Conchylien
angegeben, der das vollständige Analogon zu dem durch seine
Säugethierfauna so bekannten Rixdorf ist. Von
Fort Neudamm bei Königsberg i. Fr.
sind durch Schirrmacher :) zahlreiche Reste diluvialer Wirbel-
thiere beschrieben worden, nachdem Jentzsch* 2) und Noetling3)
bereits vorher auf diesen Punkt aufmerksam gemacht hatten. Das
Profil des dort angelegten Wasserkanals wird angegeben als:
Brauner Lehm resp. Mergel . . ca. 3,0 Meter,
Spathsand ca. 1,5 »
Grauer Mergel bis ca. 3,5 »
In dem Spathsand sind nun zum Theil an einer ganz eng
begrenzten Stelle folgende Reste 4) gefunden worden :
Rhinoceros antiquitatis Blumenb.
1) Rechter m3 vollständig,
2) Rechtes Femur, Fragment der Diaphyse,
3) Linkes Femur, Caput und distales Gelenkfragment,
4) Linker Calcaneus,
5) Rechtes Ulnafragment.
Equus caballus L.
1) Atlas, fast vollständig,
2) Linke Tibia mit distaler Gelenkfläche,
3) Rechter Metacarpus, proximales Ende,
4) Linker Calcaneus vollständig.
Bos sp.
1) Epistropheus, Basalstück mit Proc. odontoideus und
Resten der seitlichen Wirbelbogen,
2) Linke Ulna, proximaler Fortsatz,
3) Proc. spinosus eines Brustwirbels.
') Die diluvialen Wirbelthierreste der Provinzen Ost- und Westpreussen.
Diss. inaug. Königsberg i/Pr. 1882, S. 11.
2) Schrift, d. Physik. -Oekon. Ges. 1877, S. 142.
3) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1881.
4) Demselben Niveau gehören ebenfalls die im Graben des 250 Meter ent-
fernten Forts selbst gefundenen Knochen an. Dieselben sind in die folgende Auf-
zählung aufgenommen.
auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
359
Elephas priniigenius Blumenb.
1) Stosszahnfragment 1,35 Meter Länge und 0,16 Meter
Dicke, mittleres Stück,
3) L wohl einem Individuum angehörig,
4) Rechter Humerus, Fragment,
5) Rechter Radius, Fragment,
6) Calcaneus,
7} Rippen, 8 Bruchstücke.
Ausserdem erwähnt Sci-iirrmacher noch eine ganze Reihe
von Knochenbruchstücken , deren Erhaltungszustand zu einer Be-
stimmung nicht hinreichte.
Ich habe die Belegstücke der vier Species einzeln auf-
geführt, um zu zeigen, dass wir hier nicht eine Ablagerung, in
der vereinzelt wie auch sonst in Ostpreussen Wirbelthierreste Vor-
kommen, vor uns haben. Die Zahl der Reste, ihre Beschränkung
auf einen relativ eng begrenzten Raum und ihre Erhaltung, von
der Schirrmacher ausdrücklich betont, dass der Gedanke eines
längeren Transportes derselben ausgeschlossen ist, weisen vielmehr
darauf hin, dass die diluvialen Säugethiere an Ort und Stelle
gelebt haben. Nimmt man hierzu noch die Lagerung der Fauna
zwischen zwei Geschiebemergeln und ihre zoologische Zusammen-
setzung, so springt die Gleichheit aller Verhältnisse mit dem be-
kannten Rixdorfer1) Fundorte in die Augen.
0 Bei dieser Gelegenheit bemerke ich zu der von Pohlig, Zeitsclir. d. Deutsch,
geologischen Gesellschaft 1888, S. 806 gegebenen Anordnung der mitteleuro-
päischen Diluvial-Säugethierfaunen, dass dieselbe den maassgebenden Principien
einer geologisch - palaeontologischen Classification widerspricht. Berücksichtigt
man nur die Elephas- und Rhinoceros -Arten, so ist die Rixdorfer Fauna gegen-
über der Mosbacher und Taubacher, die hauptsächlich E. antiquus und Rh.
Merckii führen, durch E. primigenius und Rh. antiquitatis charakterisirt, denn
neben den sehr zahlreichen Belegstücken dieser beiden Species haben sich in
Rixdorf nur ein Zahn von Rh. Merckii und nur ein Zahn, der nicht zu E. primi-
genius gehört, gefunden. Mag letzterer nun als »broad crowned variety of E.
antiquus Adams« oder als E. trogontherii Pohlig, einer Uebergangsform zwischen
2) R '
360
Henry Schröder, Diluviale Siisswasser- Concliylien
Man würde deshalb auch nicht fehlgehen, die Neudammer
und Rixdorfer Säugethierfauna als gleichzeitig anzusprechen und
die unter gleichen Lagerungsverhältnissen auftretende Diluvial-
kohle. von Purmallen und die Conchylienlager von Lindenberg
bei Rössel als Aequivalente der Interglacialschichten des Westens
anzusehen, wenn dieser Parallelisirung der märkischen und alt-
preussischen Diluvialbildungen nicht eiu gewichtiger Umstand
entgegen stände. Die geologischen Verhältnisse an der Weichsel
und auch im inneren Ostpreussen zwingen nämlich, wenn man
von dem Vorhandensein von zwei durch eine Inter-
glacialzeit getrennten Vergletscherungen Norddeutsch-
lands ausgeht, zur Annahme von grossen Oscillationen des Eises,
die nicht localer Natur waren, sondern sich über weite Flächen Alt-
preussens ausdehnten. Diese Annahme ist begründet durch die
Existenz von drei und mehr Geschiebemergeln übereinander und
durch den von Jentzsch, Ebert, Klebs und mir geführten Nach-
weis, dass diese Geschiebemergel in scharfer Trennung von ein-
ander auf weite Strecken hin aushalten. Da man nun die Möglich-
keit der Existenz von Faunen und Floren zwischen grossen Oscil-
lationen einer Vergletscherung nicht bestreiten kann, so ist es bis
jetzt für Ost- und Westpreussen nicht gelungen zu entscheiden,
ob man in den Sanden und Thonmergeln, welche die Grund-
moränen von einander trennen und die mehrfach thierische und
pflanzliche Reste geliefert haben, nur interglaciale oder zum Theil
auch interoscilläre Bildungen vor sich hat. Die Möglichkeit, dass
die 3 oben namhaft gemachten Punkte einem geologischen Niveau
angehören, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen.
Eine nach allen Richtungen hin sichergestellte Parallelisirung
der östlichen und westlichen Diluvialbildungen wird sich erst
E. meridionalis und primigenius , bestimmt werden, so kann man auf einen Zahn
hin nicht die Altersstellung einer im fiebrigen ausreichend bekannten Fauna be-
stimmen wollen, zumal wenn alle anderen Thier -Species derselben auf eine
zoologische Beziehung zur Fauna des Löss hindeuten und ihr in Folge dessen
mit mehr Recht nicht die älteste sondern die jüngste Stelle in der Reihe der
Säugethierfaunen anweisen. Uebrigens halte ich die Frage nach dem Alters-
verhältniss der oben genannten Faunen für noch nicht lösbar.
auf primärer Lagerstätte in Ostpreussen.
361
dann vornehmen lassen, wenn das Gebiet zwischen Oder und
Weichsel, das bis jetzt fast eine geologische Terra incognita ist,
genau untersucht wird.
Betreffs der Altersstellung der marinen Schichten West-
preussens muss ich heute noch an dem im Jahre 1885 ver-
tretenen Standpunkt festhalten, dass es verfrüht ist, die Conchylien-
lager von Jakobsmühle, Mewe etc. für ein Aequivalent der Lauen-
burger Kohle und der Rixdorfer Säugethierfauna zu erklären.
Entgegen der mit Bestimmtheit auftretenden Ansicht Jentzsch’ *),
dass dieselben interglacial seien, kann ich liier nur wieder-
holen, dass die marine Fauna zur Annahme eines gemässigten
Klimas nicht zwingt. Ihre zoologische Zusammensetzung findet
o o o
eine ebenso genügende Erklärung darin, dass die damalige Ostsee
nicht in weiter, offener Verbindung mit dem Weltmeer gestanden
hat und dass die jüngere marine Fauna Ost- und Westpreussens
ebenso gut als eine durch abnehmenden Salzgehalt und andere
äussere Ursachen verarmte Eismeerfauna betrachtet werden kann.
H err Dr. Ebert * 2) giebt in dem Profil zu der von ihm ge-
fundenen Diluvialkohle von Neuenburg, die Jentzsch für inter-
glacial, also seinen marinen Schichten für gleichaltrig erklärt, an,
dass in dem dieselbe unterteufenden, dritten Geschiebe-
mergel ebenfalls eine marine Fauna steckt, die sich durch
Nichts von der in höheren Geschiebemergeln und Sanden auf-
tretenden unterscheidet. Nach einer persönlichen Mittheiluug des
Genannten enthält sie:
Dreyssena polymorpha Pall., selten,
CarcLium edule L., sehr häufig,
Cardium echinatum L., sehr selten,
Tapes virginea Gmel., sehr häufig,
Tellina baitica L., selten,
Mactra subtruncata Dac., häufig,
!) Zeitsclir. d. Deutsch, geol. Ges. 1885, S. 804.
2) Schrift, d. naturf. Ges. zu Danzig 1888, VII, S. 5.
362
Henkt Schröder, Diluviale Süsswasser-Conchylien etc.
Scrobicularia piper ata Gmel., selten,
Corbula gibba Oliv., sehr häufig,
Nassa reticulata L., sehr häufig,
Ceritliium lima BrüG., häufig.
Ein Besuch der genannten Stelle hat mich von Richtigkeit
der Ebert sehen Angaben überzeugt; ich kann hinzufügen, dass
sich sogar in dem 4. Geschiebemergel marine Fauna findet.
Jedenfalls befinden sich die Conchylien hier auf secundärer
Lagerstätte ; Dreyssena polymorplia liesse sich aus dem tieferen
Niveau der mit den Yoldiathonen eng verbundenen Siisswasser-
schichten herleiten, aber woher stammen die übrigen Formen?
Sie sind in den Yoldiathonen noch nicht gefunden und weisen
darauf hin, dass auch vor den von Jentzsch als interglacial
supponirten marinen Schichten eine in gleicher Weise zusammen-
gesetzte Fauna in Westpreussen existirt haben muss. Es sind
nur zwei Möglichkeiten vorhanden, entweder die marinen Faunen
von Jacobsmühle etc. befinden sich auf secundärer Lagerstätte
und ihre primäre ist älter oder es existiren zwei Niveaus mit
mariner Fauna, die den Charakter der jetzt in der westlichen
Ostsee lebenden trägt.
Ergebnisse eines geologischen Ausfluges
durch die Uckermark und Mecklenburg- Strelitz.
Briefliche Mittheilung
der Herren G. Berendt und F. WafonschafFe
an Herrn W. Hauchecorne.
(Hierzu Tafel XV.)
Der von den Verfassern unternommene geologische Ausflug
hatte den Zweck, den weiteren Verlauf des uckermärkischen Ge-
schiebewalles, sowie das Altersverhältniss desselben zu den in
seiner Umgebung auftretenden Ablagerungen der Eiszeit festzu-
stellen. In dieser Hinsicht bildet diese Mittheilung eine Ergänzung
und Bestätigung der von den Verfassern in zwei besonderen Ab-
handlungen niedergelegten Beobachtungen, welche unter dem Titel:
»Die südliche baltische Endmoräne des skandinavischen
Eises in der Uckermark« von G. Berendt und »Zur Frage
der Oberflächengestaltung der baltischen Seenplatte«
von F. Wahnschaffe in dem vorliegenden Baude dieses Jahr-
buches enthalten sind. Da die Ergebnisse des Ausfluges für die
Kartenaufnahmen in jenem Gebiete von Wichtigkeit sind, so
hielten die Verfasser eine sofortige Mittheilung darüber für au-
gezeigt.
Was zunächst den Gesammtverlauf der Endmoräne betrifft,
wie ihn das beigegebene Uebersichtskärtchen (Taf. XV) giebt, so
unterscheidet man deutlich eine erste und älteste Endmoräne aus der
364 G. Berendt u. F. Wahnschaffe, Ergebnisse eines geolog. Ausfluges
Gegend von Alt- und Neu-Strelitz, über Feldberg, Warthe, Alt-
Temmen und Joachimsthal bis Liepe und Oderberg ziehend, und
eine dem flachen Bogen zwischen Feldberg und Alt-Temmen
gleichlaufende zweite Endmoräne, zu welcher auch das Verbin-
dungsstück von Wendorf bis Feldberg gehört.
Nur diese zweite Endmoräne, zwischen Fürstenwerder und
Gerswalde einerseits, Wendorf und Feldberg andererseits, war
Gegenstand der gemeinsamen Bereisung und soll hier näher be-
sprochen werden. Das von Liepe über Joachimsthal bis Alt-
Temmen und Alt-Ivölpin sich erstreckende Stück der ersten süd-
lichen Endmoräne ist dagegen bereits in der Eingangs erwähnten
Abhandlung in diesem Jahrbuche eingehend beschrieben worden
während eine nähere Mittheilung über den übrigen Theil derselben
Vorbehalten bleibt.
Diese zweite Endmoräne, welche sich in der Hauptsache
immer längs der, nur einmal von dem Thale des Boitzenburger
Fliesses oder sogenannten Stromes unterbrochenen, fast nördlich
streichenden Hauptbodenerhebung verfolgen lässt, beginnt schon
nördlich der et>va meilebreiten Gerswalder Senke, zwischen Gers-
walde und Buchholz deutlich in die Erscheinung zu treten. An-
fangs die eigentliche Höhe der gen. Hauptbodenerhebung be-
herrschend, bleibt sie in der Folge mehr auf dem westlichen
Gehänge und wird von dahinterliegenden Sandkämmen noch
überragt.
Nördlich von Hassleben, noch einen einfachen Kamm bildend,
beginnt sie schon vor dem Boitzenburger Thale, sich in mehrere
gleichlaufende Ketten zu spalten, welche nach der Unterbrechung
des Thaies in der grossen Zerweliuer Forst westlich Berckholz und
Naugarten , wie bereits in der Eingangs zweitgenannten Abhand-
lung J) erwähnt wurde, zu vollster Entwickelung kommen. Schon
in der Gegend des Forsthauses Zenvelin, südlich Arendsee und
westlich Berckholz, wo in diesem Frühjahre die gemeinschaftlichen
Beobachtungen wieder aufgenommen wurden, sind alle diese
Kämme allmählich bereits ausgelaufen und lassen nur noch einen
b Dieses Jahrbuch S. 162.
durch die Uckermark und Mecklenburg-Strelitz.
365
einzigen schmalen, z. Th. sehr scharf hervortretenden Wall er-
kennen. Derselbe erstreckt sich, wie dies das beigefügte Ueber-
sichtskärtchen zeigt, fast ununterbrochen und immer durch das
Auftreten grosser Blöcke auf dem Kamme oder am Gehänge ge-
kennzeichnet, in einer fast nördlichen Richtung längs der Prenzlau-
Templiner Kreisgrenze, bis er von der Rinne zwischen Parmener
Mühle und Porsthaus Kicker unterbrochen wird. Jedoch gleich
bei genanntem Forsthause setzt er wieder ein, durchquert die Forst
nördlich vom Parmener See in südost- nordwestlicher Richtung,
wird abermals durch einen nach Ost gerichteten Arm dieses Sees
unterbrochen und reicht dann in sehr gleichmässigem und deut-
lichem Zusammenhänge bis unmittelbar an das Südthor von Fürsten-
werder heran, indem er hier allmählich ausläuft.
Die zuletzt geschilderte Nordrichtung des Geschiebewalles ist
aber nur eine scheinbare, denn sie ist nur dadurch bedingt, dass
die baltische Endmoräne hier den Theil eines grossen Bogens
bildet. Diese Auffassung, welche bereits in der Eingangs ge-
nannten Mittheilung über die Endmoräne als Vermuthung aus-
gesprochen war, wurde durch die Auffindung eines zweiten, west-
lich davon gelegenen Bogentheils vollkommen bestätigt. Dieser
besitzt, der Südnord-Linie Arendsee-Fürstenwerder entsprechend,
einen nord-südlichen Verlauf, um dann in der Gegend von Feld-
berg sich wieder mit der ersten und ältesten Endmoräne zu ver-
binden. Dieser westliche, mit der westlichen Fortsetzung der
Hauptmoräne den entsprechenden nächsten Bogen bildende Bogen-
theil wurde zuerst ungefähr 6 Kilometer westlich von Fürstenwerder
zwischen Wendorf und Lichtenberg aufgefunden, von wo aus er
sich in südlicher Richtung bis an das Nordufer des Breiten Luzin-
Sees verfolgen liess. Südlich vom See erstreckt sich die End-
moräne in gleicher Richtung zwischen Tornowliof und Wittenhagen
auf der Landzunge zwischen dem Schmalen Luzin-See und dem
Zausen entlang, um sich im sogenannten Hullerbusch, gegenüber
Feldberg, mit der ersten Endmoräne zu verbinden.
Die Bezeichnung: »südliche baltische Endmoräne« anstatt
»Geschiebewall« erscheint nothwendig, um einmal diese Ablagerung
in ihrer geologischen Bedeutung als etwas sicher Erkanntes
366 G. Berbndt u. F. Wahnschaffe, Ergebnisse eines geolog. Ausfluges
zu kennzeichnen und zweitens, weil ihre Ausbildungsform sich
nicht in den verschiedenen Theilen völlig gleich bleibt, sodass das
Vorkommen als Geschiebewall nur die eine, wenn auch bis jetzt
hauptsächlichste Art ihrer Entwickelung darstellt. Nördlich der
Zerweliner Haide in der Gegend von Arendsee (Südwest-Ende des
Parkes) und besonders schön auch bei Schulzendorf, südlich Fürsten-
werder, bildet die Endmoräne einen scharfen, gegen das umliegende
Gebiet deutlich abgesetzten Wall von etwa 100 bis 200 Meter
Breite, der aus einer Packung von z. Th. sehr grossen Blöcken
besteht, ganz entsprechend der Ausbildungsweise, wie sie in der
betreffenden obengenannten Abhandlung aus der Joachimsthaler
Gegend geschildert worden ist.
Die andere Ausbildungsform giebt sich als eine mehr aus-
gebreitete Geschiebeschüttung auf dem Geschiebemergel zu er-
kennen und beschränkt sich auf die Stellen, wo entweder eine
Verbreiterung der Moräne auf das Doppelte oder Dreifache der
oben angegebenen Breite stattfindet, wie bei Tornowhof und
Wittenhagen, oder wo, wie dicht südlich Fürstenwerder einerseits
und bei Lichtenberg und Wendorf andererseits, die Moräne aus-
läuft. Besonders deutlich sieht man letzteres in den Aufschlüssen
südlich von Fürstenwerder. Die eine der dortigen Gruben zeigt
zu oberst eine 1,5, eine zweite, der Stadt noch näher gelegene,
sogar nur noch eine 0,5 Meter mächtige schichtungslose Geröll-
decke mit beigemengten grossen Geschieben. Darunter folgt eine
0,5 — 1,5 Meter mächtige Lage eines nicht gerade geschiebereichen
Geschiebemergels und die Unterlage bilden Grande und Sande,
welche, wie wir weiter unten zeigen werden, in dem ganzen be-
reisten Gebiete das Liegende des Geschiebemergels bilden. Ganz
der Ausbildung am auslaufenden Ende entsprechend, erscheint die
Endmoräne als eine verhältnissmässig breite Geschiebeschüttung
in dem nordsüdlichen Bogentheile zwischen Tornowhof und Witten-
hagen. Auf diese Ausbildungsform würde die E. GEiNiTz’sche
Bezeichnung »Geschiebestreifen« (Geröllstreifen Bole’s) noch am
ehesten passen, obgleich sowohl von E. Geinitz, wie von Boll
vor ihm in diesem Namen stets auch die reichere Geschiebe-
bestreuung breiter angrenzender Gebiete , wie sie sich in der Zu-
durch die Uckermark und Mecklenburg- Strelitz.
367
nähme der Steinmauern in den Dörfern und an den Wegen kund-
giebt, mit einbegriffen ist.
Dagegen hat eine reihenweise Anordnung dieser Geschiebe-
streifen in nordwest - südöstlicher Richtung, insbesondere eine
Fortsetzung der mit III und IV bezeichneten, wie dies E. Geinitz1)
auf zwei Uebersichtskärtchen angedeutet hat, auf preussischer
Seite der Grenze bezw. in der ganzen Uckermark von uns
nicht beobachtet werden können. Aber auch auf mecklen-
burgischer Seite stimmt die von der Endmoräne mit ihrem
Geschiebestreifen eingehaltene scharfe Ostwest-Richtung südlich
Feldberg bis Goldenbaum keineswegs mit der angeblichen Nord-
west-Richtung; und müssen wir ausdrücklich Verwahrung einlegen
gegen die Einordnung des von gewöhnlichem Geschiebemergel
ohne jeden besonderen Blockreichthum bedeckten Helpter Berg
in einen Geschiebestreifen, ja gegen den mit dem Helpter Berg
(s. die gen. beiden Uebersichtskärtchen) dann überhaupt fallenden
Geschiebestreifen III. Wir würden einer solchen widersprechenden
Beobachtung kaum Erwähnung gethan haben, wenn nicht "gerade
der Helpter Berg als eine die ganze Seenplatte zwischen Elbe
und Oder beherrschende Höhe mit Recht die besondere Aufmerk-
samkeit der Geologen , wie der Geographen zu erregen geeignet
wäre und derartige Angaben, wie solches z. Th. schon geschehen
ist, daraufhin dann sogar in geographische Lehrbücher über-
gingen.
Innerhalb des ganzen Gebietes, in welchem die Endmoräne
auftritt, konnte in der Regel die Wahrnehmung gemacht werden,
dass die sogenannte Stein bestreu ung, das Vorkommen von Ge-
schieben an der Oberfläche, mit der Annäherung an die
Endmoräne zunimmt. Diese Erscheinung wird demnach auf
eine gemeinsame Entstehungsursache zurückzuführen sein. Be-
sonders deutlich zeigt sich dies beispielsweise zwischen Bredenfelde
und Wendorf, wo bis zu letztgenanntem Orte hin der die Ober-
fläche einnehmende Geschiebemergel geradezu als steinarm be-
') E. Geisitz, Die mecklenburgischen Höhenrücken (Geschiebestreifen) und
ihre Beziehungen zur Eiszeit. 1886. (Forschungen z. deutsch. Landes- und
Volkskunde, I. Bd., Heft 5.)
368 G-. Berendt u. F. Wahnschaffe, Ergebnisse eines geolog. Ausfluges
zeichnet, werden kann. Dies ändert sich sofort, wenn man sich
östlich von Wendorf der Endmoräne nähert. Hier sind die Felder
an der Oberfläche mit zahlreichen kleineren Geschieben oft wie
besäet, und je näher der Endmoräne, um so grösser und zahlreicher
werden dieselben. Dieselbe Beobachtung macht man, wenn man
sich von Prenzlau her über Arendsee oder Rackow, sowie andrer-
seits von Hassleben aus dem östlichen, oder auch von Weggun
her- über Fürstenhagen dem westlichen Arme der Endmoräne
nähert, so dass, falls nicht Sandüberdeckung an der Aussenseite
die Sachlage ändert, das Gleiche von der Innen- wie von der
Aussenseite der Moräne gilt.
Was den Geschiebemergel selbst betrifft, auf welchem
die Steinbestreu ung augetroffen wird oder auch die Endmoräne
selbst aufgesetzt ist, so besitzt derselbe keineswegs eine sich
durch besonderen Steinreichthum auszeichnende Aus-
bildung. In verschiedenen, oft in unmittelbarer Nähe des Ge-
schiebewalles befindlichen Mergelgruben zeigte derselbe die ge-
wohnliche Ausbildung, wie der Obere Mergel der Umgegend
Berlins und im Flachlande überhaupt, und nur die Oberfläche
lässt einen grösseren Reichthum an Geschieben erkennen. In der
ausgedehnten Geschiebemergelhochfläche der Uckermark und des
angrenzenden Mecklenburg -Strelitz’schen Gebietes, nördlich der
Endmoräne, scheint der Geschiebemergel vielfach nur etwas fetter
ausgebildet zu sein, als der Obere Mergel der Berliner Gegend,
und hieraus erklärt sich wohl der Umstand, dass die äusserste
Verwitterungsrinde, der lehmige Sand, häufig auf der baltischen
Seenplatte fehlt, sodass dann ein zäher Verwitterungslehm un-
mittelbar die Oberfläche bildet.
Die Lagerungsverhältnisse des Geschiebemergels in Beziehung
zu der Endmoräne sind durch die bereits erwähnten Aufschlüsse
südlich von Fürstenwerder, ebenso aber auch bei Tornowhof und
Wittenhagen, sowie östlich Boitzenburg und a. a. O. sehr deutlich
zu erkennen. Der auslaufende und als Geröllschicht mit tbeilweis
grossen Blöcken entwickelte Geschiebewall ruht dort auf Resten
oder noch unversehrt erhalten gebliebenen Theilen des Geschiebe-
mergels, während letzterer von Sanden und Granden unterlagert
durch die Uckermark und Mecklenburg- Strelitz.
369
wird. Ebenso deutlich ist diese Auflagerung der Endmoräne auf
dem Geschiebemergel zwischen Wittenhageu und Tornowhof,
Wendorf und Lichtenberg, woselbst eine ausgedehnte Geschiebe-
mergeldecke sowohl vor als hinter der Endmoräne liegt und
man beim Dünnerwerden der Steinbeschüttung die Fortsetzung
des Mergels unter der Endmoräne durch Bohrungen nachweisen
kann.
Die ausgedehnte deckenartige Verbreitung des Geschiebe-
mergels an der Oberfläche, seine verhältnissmässig geringe Mächtig-
keit, welche, nach den Aufschlüssen zu urtheilen, im Durchschnitt
3 bis 5 Meter beträgt, und vor allem sein regelmässiges IJeber-
gehen in die allgemeine, stets für Oberes Diluvium angesprochene
Geschiebemergelplatte der Prenzlauer und Angermünder Gegend
veranlassen uns dazu, denselben zum Oberen Diluvium zu stellen.
Beide Verfasser sind darin übereingekommen, dass die blaue Farbe
des im Geschiebewal! bei Joachimsthal und Liepe x) vorkommenden
Geschiebemergels, sowie die au einigen Stellen darüber liegenden
geschichteten Sande keinen Beweis mehr für die Zurechnung zum
Unteren Diluvium abgeben können. Auch die Grundmoränen der
heutigen Gletscher sind gewöhnlich von graublauer Farbe, und
wenn der Geschiebemergel in der Endmoräne bei Joachimsthal
eine solche zeigt, so ist dies sehr wohl durch seiue verhältniss-
mässig tiefe Lage bedingt, welche ihn vor dem Zutritt der Luft
der dabei bewirkten' Oxydation seiner Oxydulverbindungen schützt.
Die auf der Endmoräne dort beobachteten geschichteten Bildungen
dagegen sind offenbar durch die Abschmelzwasser des längere Zeit
auf derselben Stelle verweilenden Eisrandes auf der Endmoräne
abgelagert, wie solches auch längs des ganzen äusseren Moränen-
randes vom Boitzenburger Thal bis Pannen und ebenso früher
(s. d. erste Abhdl. über die Endmoräne) an der Aussenseite des
Joachimsthal-Bingen walder und des Chorin-Lieper Moränenbogens
beobachtet wurde.
x) G. Berendt, I)as unterdiluviale Alter des Joachimsthal- Oderberger Ge-
schiebewalles. (Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1885, S. 804 — 807.) — A. Remele,
Bemerkungen über die geologische Stellung des Joachimsthal - Licper Geschiebe-
walles. (Ibid. 1885, S. 1014 — 1021.)
Jahrbuch 1887.
24
370 Gr. Berendt u. F. Wahnschaffe, Ergebnisse eines geolog. Ausfluges
Die Verfasser sind demnach zn der Ueberzeugung gelangt,
dass die Endmoräne jünger ist als der Obere Geschiebemergel,
nnd als eine Bildung der Abschmelzperiode der zweiten Inland-
eisbedeckunof angesehen werden muss.
Nicht minder ergab der geologische Ausflug eine Bestätigung
der bereits in dem zweiterwähnten Aufsatze ausgeführten Ansicht,
dass die ausserordentlich unregelmässige und kuppige Oberflächen-
gestalt der Uckermark nicht ausschliesslich, aber im Wesentlichen
durch den Vorgefundenen Untergrund bedingt wird. Der Geschiebe-
mergel hat sich , ungeachtet man gerade eine Einebenung durch
das Vorrücken der zweiten Vereisung erwarten sollte, einer stark
welligen, aus Sauden und Granden gebildeten Hochfläche an-
gesclnniegt und erstreckt sich daher, wenn auch nicht in gleicli-
mässiger, so doch auf den Höhen nur meist dünner werdender
oder auch stellenweise durchbrochener Decke von den höchsten
Kuppen, die im Helpter Berg bei Woldegk 179 Meter erreichen,
oft bis in den Spiegel der Seen herab. Demgegenüber finden sich
Abschnitts-Profile einer stattgefundenen Auswaschung nur da, wo
auch zur Zeit der zweiten Vereisung eine solche zur Geltung ge-
kommen ist. Wie weit eine solche Seen- oder Thalrinne dann
ausschliesslich das Werk 'dieser zweiten Vereisung bezw. deren
Abschmelzperiode ist, oder wie weit sie bereits vorgebildet ge-
wesen, lässt sich schwer ermessen. Jedenfalls sind aber — und
darauf kommt es hier in erster Reihe an — viele Seen und Thäler,
wie beispielsweise das Uckerthal, an dessen Rande die Stadt
Prenzlau gelegen ist, älter als der Obere Geschiebemergel.
Auf seiner unregelmässig gestalteten Oberfläche ist die End-
moräne zur Ablagerung gelangt. Sie ist nicht das eigentlich Be-
dingende für die Oberflächengestalt der Uckermark im Allgemeinen.
Sie ist andrerseits aber auch unabhängig, sowohl von dem dilu-
vialen, als auch von dem tieferen Untergründe. Dies zeigt sich
einmal in ihrem bogenförmigen, die einzelnen Eiszungen sichtbar
veranschaulichenden Verlauf und zweitens auch darin, dass sie
über Anhöhen und Vertiefungen gleichmässig hinweggeht. Sie
ist demnach nicht durch Flötzgebirgsfalten und regelmässig auf-
tretende Wellen des unteren Diluviums bedingt, wie dies E. Geinitz
durch die Uckermark und Mecklenburg- Strelitz.
371
für die mecklenburgischen Geschiebestreifen annimmt, denen er
einen endmoränenartigen Charakter zuschreibt. Wohl kommen
Fälle vor, wo auch die Endmoräne für kürzere oder längere
Strecke, namentlich mit letztgenannter Wallung in gewisser Be-
ziehung steht; bis jetzt ist aber noch nicht nachweisbar, welche
von beiden Erscheinungen als Ursache, welche als Wirkung zu
betrachten ist. Dagegen schliessen sich die, wie schon bei der
früheren Besprechung der Frage erwähnt, auch in der Ucker-
mark beobachteten und bis in’s Mecklenburgische hinein verfolgten
Geschiebestreifen eng an die Endmoräne an, gehen mit dieser über
Höhen und durch Senken und sind gewissermassen der bald lang,
bald kurz, bald vor-, bald zurückgeworfene Schatten der Endmoräne.
Bei der Oberflächengestalt der Uckermark ist somit zu unter-
scheiden zwischen der Oberflächenform, wie sie von dem Oberen
Geschiebemergel mit der ihm aufgelagerten Endmoräne vorge-
fundeu wurde, und der nachträglichen Veränderung, welche dieses
Gebiet sowohl durch die ausgrabende als auch durch die auf-
sclnittende Thätigkeit der Schmelzwasser des hinter der End-
moräne befindlichen Eisrandes erhalten hat.
Prenzlau, im Juni 1888.
24*
Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
am nördlichen Harzrande.
Von Herrn G, Müller in Berlin.
(Hierzu Tafel XVI -XVIII.)
Schon Friedrich Hoffmann j) beschrieb eingehend die Kreide-
ablagerungen zwischen Blankenburg, Halberstadt und Quedlinburg
und übertrug auf die Kreide jener Gegend die von Werner für
die sächsisch-böhmischen Kreidesandsteine eingeführte Benennung
»Quadersandsteingebirge«, welche Bezeichnungsweise von Bey-
ricii 2) durch den Zusatz »subhercynisches« noch genauer gefasst
wurde. Wenn Hoffmann auch im Allgemeinen die Lagerungs-
Verhältnisse des subhercynisclien Kreidegebirges richtig erkannt
hatte, so unterschied er doch nichts weiter als Kreidekalkstein
und Kreidesandstein.
Noch 1852 finden wir auf der von Lachmann herausgegebenen
Karte des Herzogthums Braunschweig und des Harzgebietes Nichts
wie jene von Hoffmann unterschiedenen Glieder, obwohl inzwischen
die Arbeiten Roemer's s) und Beyrich’s erschienen waren , welche
auf Grund eingehender geognostischer und palaeontologischer Unter-
suchungen die Gliederung der subhercynischen Kreide bedeutend
*) Geognostische Beschreibung des Herzogthums Magdeburg. 1823. — Ueber-
sicht der orographischen und geognostischen Verhältnisse vom nordwestlichen
Deutschland. 1830. S. 457 ff.
2) Ueber die Zusammensetzung und Lagerung der Kreideformation zwischen
Halberstadt, Blankenburg und Quedlinburg. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges.
Bd. 1, S. 288 ff.
3) Die Versteinerungen des norddeutschen Kreidegebirges. 1841.
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide etc.
373
gefördert hatten. Die von Beyrich vorgenommene Gliederung
war um so wichtiger, als er derselben eine geognostische Karte
jenes Gebietes beigab, welcher er einige Jahre später eine zweite für
die Gegend zwischen Blankenburg und Langelsheim1) folgen liess.
Beyrich macht jedoch nur wenige Angaben über palaeonto-
logische Funde, welche ihn ausser seinen stratigraphischen Beob-
achtungen bei der Aufstellung seines Systems geleitet haben. In
der Eintheilung des subhercynischen Senons folgte ihm im Wesent-
lichen Ewald 2). Derselbe unterschied Salzbergmergel, Senon-
quader, Heimburggestein und Ilsenburgmergel, indessen
leider nur kartographisch. Es war deshalb von grösster Wichtig-
keit, als Schlüter 3) in seiner auf Grund palaeontologischer Unter-
suchungen aufgestellten Gliederung der oberen Kreide, welche zu-
nächst für das westfälische Kreidegebirge berechnet war, sich
bemühte, die von Ewald unterschiedenen Horizonte des sub-
hercynischen Unter- Senons mit den drei Horizonten des west-
fälischen Unter-Senons (1. Sandmergel von Recklinghausen
mit Marsupites ornatus , 2. Quarzige Gesteine von Haltern
mit Pecten muricatus , 3. Kalkig-sandige Gesteine von Dülmen
mit Scaphites binoclosus') in Einklang zu bringen. Gleichzeitig
gelang es Schlüter, nachzuweisen, dass die Vertreter der in
Westfalen über dem Cuvieri- Pläner folgenden »Emscher-Mergel«
(»graue Mergel« Strombeck’s ) auch am nördlichen Harzrande
auftreten. Ferner vermuthete Schlüter, dass die Ilsenburgmergel,
nach dem von Ch. Fr. Jasche 4) gegebenen Verzeichniss von
Versteinerungen zu schliessen, nicht ausschliesslich der oberen
*) Bemerkungen zu einer geognostisclien Karte des nördlichen Harzrandes
von Langelsheim bis Blankenburg. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. III,
S. 567 ff.
2) Geognostische Uebersichtska.rte der Provinz Sachsen. 4 Blätter. 1865 — 1869.
3) Cephalopoden der oberen deutschen Kreide. Theil I, 1870 — 72 in Palaeon-
tographica Bd. 21, Tat. 1 — 35. Theil II ibidem Bd. 24, Taf. 38 — 40. — Der Emscher-
Mergel, in Verh. d. naturhist. Vereins d. Pr. Rheinl. u. West.f. Jahrg. 31, S. 89 ff.
u. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 26, S. 775 ff., 1874. — Kreidebivalven. Zur
Gattung Inoceramus. Palaeontographica Bd. 24, S. 249 ff.
4) Die Gebirgsformation in der Grafschaft Wernigerode a. H. 2. Aufl. 1863,
S. 98 ff.
374
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Quadraten -Kreide, sondern auch noch tieferen Stufen des Senon
entsprechen dürften.
Verschiedene Aufschlüsse und Vorkommnisse von Fossilien
aus der Gegend von Halberstadt und Zilly, über welche Herr
Professor VON Koenen eine kurze Mittheilung auf der Conferenz
der Mitarbeiter der geologischen Landesanstalt im Jahre 1886
machte, zeigten nun, dass Vertreter der Emscher Mergel, die
Schichten mit Ammonites Margae in grösserer Verbreitung dort
vorkämen. Ewald hatte diese Schichten, welche nördlich Zilly
anscheinend auf dem Pläner mit Inoceramus Cuvieri und unter
seinen Ilsenburgmergeln lagen, als Heimburggesteine aufgefasst.
II ei'r Professor von Koenen, dem ich auch an dieser Stelle meinen
besten Dank ausspreche für die mannigfache Unterstützung, die
er mir hat zu Theil werden lassen, schlug mir daher vor, die
hier gegebenen Aufschlüsse durch eine Untersuchung der übrigen
subhercynischen Kreide zu vervollständigen, soweit dies eben
ohne eine specielle geologische Aufnahme des Gebietes möglich
ist. Zu einer solchen reichte die mir disponible Zeit nicht ent-
fernt aus. Ich hoffe aber immerhin für die endgültige Regelung
dieser Frage einen brauchbaren Beitrag geliefert zu haben.
Die Arbeit wurde mir wesentlich erleichtert durch die reiche
Sammlung von Fossilien der subhercynen Kreide und durch
das gute Vergleichsmaterial, welche im Göttinger Museum vor-
handen sind.
Jedoch habe ich nur die Fauna der Localitäten beschrieben,
die ich auch selbst ausbeuten konnte. Herr Professor Kloos ge-
stattete mir ferner gütigst die Benutzung der Sammlung des Poly-
technicums zu Braunschweig. Herrn Oberlehrer Zech verdanke
ich eine Anzahl Formen vom Salzberg bei Quedlinburg. Ausser-
dem konnte ich die Sammlungen der Herren Hütteuinspector a. D.
Stern, Bergrath Württenberger, Pastor Lindemann benutzen.
II errn Betriebsführer Winkhold und Herrn Rittmeister von Haen-
lein verdanke ich endlich einen wesentlichen Theil der aus der
Zone des Ammonites Margae von Zilly angeführten Arten. Allen
genannten Herren bin ich zum grössten Danke verpflichtet.
am nördlichen Harzrande.
375
I.
Geologischer Theil.
Gegend von Zilly - Heudeber.
Nördlich von Zilly (etwa 16 Kilometer west-nordwestlich von
Halberstadt) ist an der Strasse nach Dardeslxeim in einem Ein-
schnitt ein Profil durch das mit ca. 40° nach West- Südwesten
einfallende Kreidegebirge sichtbar. Ueber dem Cenoman mit
Ammonites Rhotomagensis u. s. f. folgt in normaler Entwickelung
das Turon. An dieser Stelle fand ich zwar nicht den Inoceramus
Cnvieri selbst, wohl aber weiter nach Westnordwesten bei Hoppen-
stedt im Fortstreichen in Mergeln, welche dieselbe Lage haben.
An beiden Stellen folgen darüber grau-blaue, sandige Mergel,
welche auf der EwALü’schen Karte als Heimburggesteine ein-
getragen sind. Dieselben zerfallen leicht und sind bei Hoppen-
stedt besser aufgeschlossen, als bei Zilly, wo sie erst in neuerer
Zeit durch bergmännische Arbeiten zur Gewinnung von Phospho-
riten durch eine belgische Gesellschaft nordöstlich von Zilly und
durch die Firma Merck & Cie. östlich von Zilly auf der »Trift«
unter den phosphorithaltigen Sanden und Conglomeraten aufgedeckt
worden sind.
Das Phosphoritlager auf der Trift ist lediglich ein Conglomerat
von wenig abgerundeten, höchstens haselnuss- bis wallnussgrossen
Phosphoritgeschieben und grobem glaukonitischem Quarzsand.
Ueber dem eigentlichen Phosphoritlager liegt ähnlicher glauko-
nitischer Quarzsand, gelegentlich durch Kalkspath zu festem Ge-
stein verkittet und in diesem Quarzsande treten noch kleinere,
unregelmässige Conglomeratlagen auf.
376
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Die Mächtigkeit des Sandsteins und Conglomerats ist eine
ziemlich bedeutende. Etwa 75 Meter südlich vom Ausgehenden
des Phosphoritlagers abgeteufte Schächte erreichten dasselbe erst
in einer Tiefe von circa 25 Metern. An einigen Stellen schieben
sich in das eigentliche Lager grobe Sande ohne Phosphorite ein.
So vereinigen sich nach Osten hin zwei durch sandige
Schichten getrennte Lager von je 1,5 Meter Mächtigkeit zu einem
einzigen von 3 Meter Mächtigkeit. In den Tagebauen am Aus-
gehenden des Lagers sind vielfach streichende Verwerfungen auf-
geschlossen worden, deren Sprunghöhe jedoch selten mehr wie
0,80 Meter beträgt.
Einen Kilometer westlich von diesen Gruben wurde zuerst
von Herrn Maass und dann bis zum Jahre 1887 durch eine bel-
gische Gesellschaft dasselbe Lager ausgebeutet. Leider wurden
bei meinem ersten Besuch die Tagebaue schon wieder zugefüllt.
Doch verdanke ich der Güte des Herrn Director Schräder eine
Reihe von Profilen, welche einen Einblick in den dortigen Gebirgs-
bau gestatten.
Auf dem östlichen Flügel des Betriebes wurde folgende
Schichtenfolge festgestellt :
A. 1. Dammerde, Gerolle, Lehm, Thon;
2. 1,60 Meter sandige Letten, ziemlich reich an Phos-
phoritknollen ;
3. 1,00 » fester, grünlicher Sandstein;
4. 2,00 » fester bläulicher Sandstein, reich an Phos-
phoritgeschieben ;
5. fester bläulicher Sandstein.
Westlich von hier folgen unter
B. 1. Dammerde, Gerolle, Lehm, Thon;
2. 2,00 Meter thoniger Mergel mit wenigen, aber grossen
Phosphoritgeschieben ;
3. 1,25 » sandiger Thon, nach oben loser werdend,
reich an Phosphoriten;
4. ca. 4,00 Meter fester Sandstein, reich an Phosphorit-
knollen von geringerer Grösse;
5. wie oben.
am nördlichen Harzrande.
377
100 Meter nach Westen folgen unter
C. 1. Dammerde, Gerolle, Lehm, Thon;
2. 0,60 Meter thonige Mergel mit einzelnen grossen Phos-
phoritgeschieben ;
3. 0,75 » Letten;
4. 1,00 » thonig-sandiges Conglomerat mit zahlreichen
Phosphoritgeschieben ;
5. ca. 4,00 Meter sandiges reiches Phosphoritconglomerat;
6. wie bei A und B 5.
Am Westflügel des Betriebes, 70 Meter von Profil C entfernt,
ergab sich folgendes Profil:
o o
D. 1. Dammerde, Gerolle, Lehm, Mergel;
2. 0,75 Meter thonige Mei'gel wie im Profil C;
3. 1,00 » sandig-tlioniges Conglomerat, reich an Phos-
phoriten ;
4. ca. 4,00 Meter festes, reiches Phosphoritlager;
5. wie in den übrigen Profilen.
Das bei A, B, D unter No. 4 und bei C unter No. 5 auf-
geführte Lager ist, wie mir Herr Director Schräder giftigst mit-
theilte, dasselbe, wie das Hauptlager auf der »Trift«.
Die Einstellung des Betriebes auf den Gruben der Belgischen
Gesellschaft wurde dadurch herbeigeführt, dass durch eine strei-
chende Verwerfung das Lager unter das Grundwasserniveau kam.
Auf den Gruben sind eine Reihe von Fossilien gesammelt
worden, die ebenso, wie die von Herrn Professor von Koenen
angeführten den Nachweis liefern, dass diese Schichten dem
Horizont des Ammonites Margae oder dem » Emscher- Mergel «
Schlüter s entsprechen. Die Erhaltung der auf der »Trift« vor-
kommenden Formen ist insofern eine günstigere, als die Schale
zumeist noch erhalten ist. Doch gelingt es nicht immer, dieselben
unbeschädigt herauszupräpariren , namentlich wenn sie in sphä-
ro'idische Concretionen eingebettet sind, deren Bindemittel Kalk-
spath ist. In den lockeren sandigen Conglomeraten sind die
Fossilien gewöhnlich nur Steinkerne und zerbröckeln leicht. Zum
378
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Theil waren sie abgerieben und genügen oft nicht zu einer näheren
Bestimmung.
Folgende Formen konnte ich nach weisen und habe sie zum
Theil im palaeontologischen Theil der Arbeit beschrieben:
Rhynchonella vespertilio Brocchi.
Ostrea sulcata Blumenb.
Spondylus spinosus Sow.
Lima Hoperi Sow.
Vola quadricostata Sow.
Inoceramus subcardissoides Schlüt.
» bilobatus n. sp.
» n. sp.
» involutus Sow.
» Winkholdi n. sp.
» sp.
» Cripsii Mant.
Cucullaea subglabra d’Orb.
Crassatella arcacea Roem.
Cardium productum Sow.
Venus Goldf ussi Gein. ?
Cytlierea ovalis Goldf.
Panopaea gurgitis Brongn.
Gastrochaena amphisbaena Goldf.
Pleurotomaria linearis Mant.
Trochus tricarinatus Roem.
Voluta sp.
Nautilus Neubergicus Redt.
» leiotropis Schlüt.
Ammonites Texanus Roem.
» Emscheris Schlüt.
» Alargae Schlüt.
» aff. Lewesiensis Mant.
Scaphites sp. indet.
Turrilites cf. varians Schlüt.
Sowohl die Inoceramus- Arten als auch die Cephalopoden ge-
hören durchweg der Zone des Ammonites Alargae an. Die san-
am nördlichen Harzrande.
379
digen Mergel im Liegenden haben bis jetzt keine Versteinerungen
geliefert. Da sie jedoch petrographisch von dem Cuvieri- Pläner
verschieden sind, so möchte ich vorziehen, sie als einen unteren
mergeligen Horizont,1) zu unseren Conglomeraten und Sanden zu
ziehen.
Ueber den Conglomeraten folgen dunkelgraue, mergelige
Thone, welche nach oben durch Verwitterung gelbbraun werden.
Dieselben sind östlich Zilly durch Thongruben aufgeschlossen , in
welchen ich ausser Leda producta Nilss. und unbestimmbaren
Pholadomya- Arten A ctinocam ax Westphalicus Schlüt. fand. Ob
demnach die Thone schon dem nächst höheren Horizont, dem
Salzbergmergel, zuzuweisen sind, wage ich vorläufig nicht zu ent-
scheiden, doch neige ich zu letzterer Annahme, da die Thone
nach oben in gelblich grauen bis gelbbraunen Mergel übergehen,
in denen festere, bis 0,5 Meter mächtige Kalkbänke eingelagert
sind. Dieselben treten am Nordabhang des Galgenbergs zu Tage
und sind nach Süden zu durch diluviale Bildungen bedeckt. An-
scheinend dieselben Mergel und Kalke sah ich südöstlich vom
Galgenberg an den »Rabenbergen« an Wegen und in Gräben
ebenfalls mit südwestlichem Einfallen. Von Versteinerungen habe
ich hier indessen ausser einem Haifischzahn nur Cytherea ovalis
Goldf. aufgelesen. Eine reichere Fauna aus diesen Mergeln
sammelte ich jedoch am Südwest- Abhang der Schanzenburg bei
Heudeber, wo petrographisch vollkommen ähnliche Mergel mit
festeren Kalkbänken abwechseln, aber weit reicher an Fossilien
sind.
Es sind zwar meist nur Steinkerne und Abdrücke, lassen
aber deutlich die Sculptur erkennen. Wegen ihrer mürben Be-
schaffenheit mussten sie freilich an Ort und Stelle mit verdünntem
Gummi getränkt werden. Die Schale ist nur bei einigen Austern,
den Anomia- und theilweise auch bei den Inoceramus- Arten er-
halten. Die Versteinerungen aus den festen Bänken sind in ihrer
Erhaltung den Vorkommnissen vom Salzberg bei Quedlinburg voll-
kommen gleich.
x) Diesem Niveau gehören auch die grauen Mergel an , welche nördlich von
Hoppenstedt über dem Cuvieri- Pläner folgen, und welche von Ewald als Heim-
burggestein bezeichnet sind.
380 Gr. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Folgende Arten wurden von mir an der Schanzenbui
sammelt:
Rhynchonella vespertilio Brocchi.
Ostrea sulcata Blumenb.
Exogyra sigmoidea Keuss.
Anomia semiglobosa Gein.
» subtruncata d Orb.
» n. sp.
Lima canalifera Golde.
Limatula semisulcata Nilss.
Pecten septemplicatus Nilss.
Pecten virgatus Nilss.
Vota quadricostata Sow.
Avicula glabra ReüSS.
Lnoceramus cardissoides Golde.
» lobatus Mstr.
» sp.
» Cripsii Mant.
Modiola radiata Mstr.
» concentrica Mstr.
Myoconcha discrepans J. Müller.
Pinna quadrangularis Golde.
» decussata Goldf.
Area striatula Reu, SS.
» undulata Reuss.
Isoarca Hercynica Brauns.
Cucullaea subglabra d'Orb.
Pectunculus dux J. Böhm.
Leda producta Nilss.
Trigonia Vaalsiensis J. Böhm.
Crassatella arcacea Roem.
Eriphyla lenticularis Golde.
Cardium productum Sow.
» alutaceum Golde.
» deforme Gein.
Isocardia cretacea Goldf.
Cytherea ovalis Goldf.
am nördlichen Harzrande.
381
Cyprimeria faba Sow.
Tellina strigata Goldf.
» subdecussata Roem.
Siliqua concentristriata n. sp.
» sinuosa n. sp.
Panopaea gurgitis Brongjst.
» mcmdibula Sow.
Pholadomya Esmarki Nilss.
» nodulifera Mstr.
Goniomya designata Goldf.
» Sterni n. sp.
Liopistha aequivalois Goldf.
Corbulamella striatula Goldf.
Pleurotomaria sp.
Trochus Nilssoni Mstr.
» planatus Roem.
Nerita rugosa Roem.
Turritella sexcincta Goldf.
Natica lamellosa Roem.
Cerithium binodosum Roem.
Aporrhais stenoptera Goldf.
Fasas Buchii J. Müller.
» Renauxii ü'Orb.
Fusus coronatus Roem.
Voluta suturalis Goldf. sp.
» subgranulosa n. sp.
Cinidia Humboldti J. Müller.
Ammonites clypealis Schlüt.
Scapliites aquisgranensis Schlüt.
» hippocrepis Dekay.
Baculites incurvatus Dujardin.
Actinocamax Westphalicus Schlüt.
» verus Schlüt.
Flabellina cordata Reuss.
Lunulites Bourgeoisii d’Orb.
Calianassa antiqua Otto
und eine Anzahl Fischzähne.
382 G. Müller, Beitrag zur Kenutniss der oberen Kreide
Die grosse Mehrzahl der angeführten Arten wurde von
Brauns1) vom Salzberg bei Quedlinburg beschrieben. Auch das
häufige Vorkommen von Inoceramus cardissoides Goldf. , welcher
bis jetzt mit Sicherheit nur im untersten Senon nachgewiesen ist,
deutet darauf hin, dass die Gesteine der Schanzenburg, der Raben-
berge und des Galgenbergs dem Salzberghorizont angehören.
Einige von obigen für die Salzbergmergel neuen Arten fanden sich
im gleichen Niveau auch am »Anisberg« nördlich Derenburg in
ähnlichen, festeren, kalkigen und auch mürberen Mergeln, die mit
einander in Wechsellagerung treten.
Der Vollständigkeit halber führe ich die von Herrn Pastor
Schmidt in Aschersleben und im letzten Herbste von mir gesam-
melte Suite von Versteinerungen vom Anisberg bei Derenburg
mit an :
Lima canalifera Goldf.
Pecten virgatus Nilss.
Vola quadricostata Sow.
Avicula glabra Reuss.
Inoceramus cardissoides Goldf.
Modiola radiata Mstr.
Isoarca Hercynica Brauns.
Cucullaea subglabra dOrb.
Pectunculus dux J. Böhm.
» decussatus Roem.
Trigonia Vaalsiensis J. Böhm,
Crassatella arcacea Roem.
Cardium alutaceum Goldf.
Isocardia cretacea Goldf.
Tapes elliptica Roem.
Cytherea ovalis Goldf.
Cyprimeria faba Sow.
Tellina Renauxii Math.
» subdecussata Roem.
‘) Die senonen Mergel des Salzberges bei Quedlinburg und ihre organischen
Einschlüsse. Zeitschr. f. d. gesammten Naturwissenschaften Bd. XL VI, S. 323 ff.
Halle 1876.
am nördlichen Harzrande.
383
Tellina costulcita Goldf.
Panopaea gurgitis Brongn.
Mactra angulata Sow.
Corbulamella striatulä Goldf.
Turritella nodosa Roem.
Fusus coronatus Roem.
Ammonites clypealis Schlüt.
Westlich und südwestlich von der Schanzenburg bei Heudeber
folgen nach der EwALD’schen Karte die Ilsenburgmergel, welche
ich indessen nicht aufgeschlossen gefunden habe.
Dagegen wurden die Ilsenburgmergel des »Börnkerberges«
bei Berssel westlich von Zilly, durch einen Schurfschacht auf
Phosphorite aufgeschlossen, ln den zähen, dunkeln Tlionen wurden
von Herrn Professor VON Ivoenen und Herrn Dr. Denckmann eine
Reihe interessanter Arten gesammelt, welche beweisen, dass jene
Thone ebenfalls dem Niveau des Salzberggesteins angehören. Ob-
wohl die Versteinerungen z. Th. durch Verdrückung gelitten hatten,
so gelang es mir doch, folgende Arten festzustellen:
Pecten virgatus Nilss.
Vola quadricostata Sow.
Gervillia solenoides Defr.
Inoceramus cardissoides Goldf.
Inoceramus Cripsii Mant.
Pinna decussata Goldf.
Area undulata ReüSS.
» . striatula »
Leda producta Nilss.
Cardium alutaceum Goldf.
Cytherea ovalis Goldf.
Cyprimeria faba Sow.
Turritella quadricincta Goldf.
Natica lamellosa Roem.
Aporrhais Reussi Gein.
» stenoptera Goldf.
Voluta suturalis Goldf.
384 G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Voluta subgranulosa n. sp.
Fusus coronatus Roem.
Ammonites clypealis SchlÜt.
Actinocamas quädratus Blainv.
Gegend von Quedlinburg -Halberstadt.
Aus der WlTTE’schen Sammlung herrührend, besitzt das
Göttinger Museum zwei Inoceramen als Inoceramus involutus Sow.
und Inoceramus mytiloides Mant. bestimmt, mit dem Fundpunkt:
Löhofsberg bei Quedlinburg. Ausserdem wurde dem Göttinger
Museum von Herrn Pastor Schmidt in Aschersleben eine Reihe
von Fossilien von den Spiegelsbergen bei Halberstadt geschenkt.
Nach der EwALD’sclien Karte besteht das Quedlinburg-Halber-
städter Plateau, auf welchem diese Fundpunkte liegen, aus sub-
hercynischem Senon-Quader, und darunter Salzberggestein. Ueber
die Lagerungsverhältnisse habe ich Folgendes zu bemerken.
Ueber dem Cuvieri- Pläner, welcher in dem Kalkbruche in
der Nähe der Eisenbahn-Haltestelle Spiegelsberg gut aufgeschlossen
ist, folgen graue Mergel, welche leicht zerfallen und nur gelegent-
lich durch tiefes Pflügen sichtbar werden. Anstehend aber schon
sandig sah ich sie am Fusse des Plateaus und am Fuss des Lohofs-
berges bei Quedlinburg, wo sie als Formsande gewonnen werden.
Fossilien enthalten sie anscheinend nur in kugeligen, kalkhaltigen
Concretionen, meist mit erhaltener Schale. Doch ist diese nicht
leicht vom Gestein zu reinigen. An den Spiegelsbergen sind von
Herrn Schmidt und mir folgende Arten gesammelt worden:
Rhynchonella vespertilio Brocchi.
Ostrea sulcata Blumenb.
Exogyra canaliculata Sow.
Spondylus spinosus Sow.
Lima canalifera Goldf.
Lima Hoperi Mant.
Pecten virgatus Nilss.
Vola quadricostata Sow.
Avicula lobata n. sp.
am nördlichen Harzrande.
385
Inoceramus sublabiatus n. sp.
» Koeneni n. sp.
» percostatus n. sp.
» sinuosus n. sp.
Perna lanceolata ReüSS.
Nucula truncata Nilss.
Pectunculus dux J. Böhm.
Trigonia Vaalsiensis J. Böhm.
Crassatella arcacea Roem.
Cyprimeria faba Sow.
Panopaea gurgitis Brongn.
Liopistha aequivalvis Golde.
Natica lamellosa Roem.
Scaphites sp.
Toxoceras sp.
Turrilites varians Schlüt.
Baculites sp.
Calianassa antiqua Otto.
Am Löhofsberg bei Quedlinburg sammelte ich bei einem
flüchtigen Besuch:
Ostrea sulcata Blumenb.
Pecten virgatus Nilss.
Inoceramus sublabiatus n. sp.
» Koeneni n. sp.
» percostatus n. sp.
Perna lanceolata ReüSS.
Pectunculus dux J. Böhm.
Panopaea gurgitis Brongn.
Goniomya designata Golde.
Turritella cf. acantophora J. Müller.
Scaphites sp.
In dem darüber folgenden Sandstein, welcher schon von Weitem
durch die von ihm gebildete Terrainkante kenntlich ist, sind nur
spärliche Fossilien gefunden worden. So liegen im Göttinger
Museum aus dem Sandstein der Spiegelsberge nur Vola quadri-
25
Jahrbuch 1887.
386
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
costata Sow. und Pinna sp. — Auf dem Sandstein des Halber-
städter-Quedlinburger Plateaus legt sich noch ein glaukonitisclier
Sand, in welchem auch Kieslagen und in diesen Phosphoritgerölle
auftreten. Das Conglomerat bedeckt jedoch nicht das Plateau in
seiner ganzen Ausdehnung, sondern tritt nach Angabe von Herrn
Professor Dames 3) erst nach Westen hin auf, während im Osten
der unterlagernde Sandstein direct von diluvialem Schotter bedeckt
wird. An der oberen Grenze des Sandsteins treten, wie dies schön
am Löhofsberg und in dem Einschnitt der Chaussee von Halber-
stadt nach Börnecke in der Nähe des »Molken-Bruches« zu sehen
ist, schon eine Reihe von wenig mächtigen Conglomeratbänken
auf, so dass ein allmählicher Uebergang von dem feinköniigen
Sandstein zu dem Phosphoritgeschiebelager statt hat, welches in-
dessen wegen Yorwaltens von Quarzgeschieben zur Zeit nicht mehr
ausgebeutet wird.
Es lassen sich hiernach zwischen Quedlinburg und Halber-
stadt die Schichten über dem Cuvieri - Pläner , welche auf der
EwALü’schen Karte als Salzberggestein und Senon- Quader be-
zeichnet sind, in der That in zwei Horizonte trennen, in untere
mergelige und obere sandig- conglomeratische Schichten.
o r? o o
Dieselben würden nach Analogie ihrer Lagerung den Mergeln
und Sauden von Zilly , also der Zone der Ammonites Margae an-
gehören können. Es wird dies bestätigt dadurch, dass einige der
von Löhofsberg gefundenen Formen, wie Turrilites varians Scheut.
bisher nur aus dem Emscher Schlüter’s und aus den Conglo-
meraten von Zilly bekannt geworden sind. Inoceramus involutus
Sow. ist nach Roemer’s* 2) Angabe am Gläsernen Mönch« südlich
Halberstadt gefunden worden. Schlüter3) glaubt jedoch, dass
die Art aus den Mergeln im Liegenden des Quaders stamme.
Inoceramus percostatus n. sp. kenne ich auch aus dem Bahnein-
schnitte bei Goslar, in dem Ammonites Texanus Roem. von Herrn
Bergrath Württenberger gefunden und unzweifelhafter Emscher
ansteht. Inoceramus Koeneni n. sp. ist diesem Plateau eigen-
•) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 38, S. 915.
2) Nordd. Kreidegeb. S. 61.
3) Palaeontogr. Bd. 24, S. 273.
am nördlichen Harzrande.
387
thümlich. Inoceramus involutus Sow. habe ich übrigens bis jetzt nicht
trotz aller Mühe im Salzbergmergel finden können, während
Brauns Q diese Art aus diesem Horizont citirt. Vielleicht stammt
das von Brauns angeführte Exemplar, falls es in der Tliat zu
Inoceramus involutus gehört, aus den tieferen Sandsteinen, die von
Brauns * 2) gleichfalls in die Zone des Ammonites Margae gestellt
werden. Es ist dies jener Quadersandsteinzug, welcher sich vom
St. Wipertikloster bei Quedlinburg aus nach NW. über Wester-
hausen, Börnecke bis nach Langenstein hinzieht.
Die Mehrzahl der übrigen Formen ist allerdings auch in
höheren Horizonten des Senons vorhanden, jedoch treten dieselben
zum grossen Theil auch in den Conglomeraten von Zilly auf.
Durch den grossen Procentsatz von senonen Arten wird höchstens
bewiesen, dass die Zone des Ammonites Margae näher dem Senon
steht als dem Turon und somit am besten als unterstes Senon
aufzufassen ist.
Sudmerberg bei Goslar.
Als gleichaltrig mit dem westfälischen Emscher - Mergel
wurden von Schlüter 3) »die lockeren grauen kalkigen Mergel«
angesehen , welche am Fuss des Petersberges östlich von Goslar
im Paradiesgrund die Inoceramus Cuoieri - Schichten überlagern.
Ebenso wie Schlüter habe auch ich nichts deutlich Be-
stimmbares von Fossilien darin gefunden.
Doch sind nach einer gütigen Mittheilung von Herrn Schuch
die Mergel reich an Foraminiferen. Nach oben hin erhalten die
Mergel sandige, glaukonitische Lagen. 200 Schritt nördlich von
dem Profil des Paradiesgrandes sind durch die Eisenbahn nach
Vienenburg flach nach Norden einfallende, gelblich graue, mer-
gelige Sandsteine aufgeschlossen, aus welchen A. Eoemer4) u. a.
folgende Arten auf führte :
0 Salzbergmergel, S. 579.
2) a. a. 0., S. 418.
3) Palaeontographica Bei. 24, S. 229.
4) Die Quadraten -Kreide des Sudmerberges bei Goslar. Palaeontographica
Bd. 13, S. 193.
388
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Terebratula carnea.
Pecten quadricostatus.
Lima Hoperi.
Spondylus striatus.
Inoceramus Cuvieri.
» digitatus.
» lobatus.
$> cancellatus.
Cardium decussatum.
Scaphites binodosus.
Nautilus laevigatus.
Beleinnitella quadrata.
Die Göttinger Sammlung erhielt vor einigen Jahren folgende,
von Herrn Bahnmeister Winter beim Bau der Bahn gesammelte
Arten :
Rhy nchonella vespertilio Brocchi.
Exogyra canaliculata Sow.
Spondylus spinosus Sow.
Lima Hoperi Mant.
Inoceramus Cuvieri Sow.
» subcardissoides Schlüt.
» percostatus n. sp.
» sp.
» cfr. Cripsii Mant.
Lithodomus cfr. Scheuchzeri Gutb.
Nautilus cfr. Neubergicus Redt.
Scaphites sp.
Actinocamax Westphalicus Schlüt.
Scalpellum maximum Sow.
Ausserdem befindet sich in der Sammlung der geologischen
Landesanstalt zu Berlin ein Bruchstück von Ammonites Texanus Roem.
aus dem Bahneinschnitt bei Goslar, welches von Herrn Bergrath
Württenberger gesammelt worden ist.
Dieselben Schichten wie im Eisenbahneinschnitt sind im Bett
der »Abezucht« unterhalb der Oelmühle aufgeschlossen. Bis zum
am nördlichen Harzrande.
389
Fass des Sudmerbergs sind dann die Kreideablagerungen durch
Schottermassen verdeckt.
Die Spongien- und Bryozoenreichen Mergel und das Sudmer-
bergconglomerat dürften nicht, wie Schlüter1) glaubt, der Zone
des Ammonites Margae angehören, sondern einem höheren Niveau.
Nach den mir vorliegenden Versteinerungen, die z. Th. von den
Herren Bergrath Württenberger, Pastor Lindemann und Lehrer
Reitemeier gesammelt sind, z. Th. aus der WiTTE’schen Sammlung
herrühren, glaube ich jene Mergel mit dem Salzbergmergel paralleli-
siren zu dürfen. Da es nicht leicht ist festzustellen, ob die
am Fuss des Sudmerbergs liegenden Fossilien aus den unteren
Mergeln oder aus den Mergeln zwischen den Conglomeratbänken
herrühren, so führe ich in der folgenden Liste nur diejenigen
Arten auf, von denen ich mit genügender Sicherheit weiss, dass
sie aus den unteren Mergeln stammen :
Ostrea diluviana Linn.
» proteus ReüSS.
» sulcata Blumenb.
Exogyra laciniata NlLSS.
» canaliculata Sow.
Inoceramus cardissoides Goldf.
Panopaea gurgitis Brongn.
Goniomya designata Goldf.
Natica lamellosa Roem.
» acutimarga Roem.
Nerita rugosa PIoeningh.
Baculites incurvatus Duj.
Actinocamax Westphalicus Schlüt.
Entscheidend für die Bestimmung des Horizonts dürfte Inoce-
ramus cardissoides sein, welchen ich bis jetzt nicht höher als im
Horizont der Salzbergmergel gefunden habe.
Vom Sudmerberg sind mir im Uebrigen folgende Arten noch
bekannt geworden, von welchen die mit einem Kreuz versehenen
») a. a. 0. S. 229.
390
G-. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
aus den Conglomeraten stammen. Von den übrigen könnten ein-
zelne immerhin auch aus den unteren Mergeln herrühren.
Crania Parisierisis Defr.
Terebratula subrotunda Sow.
Terebratulina chrysalis Schloth.
» rigida Sow.
Rhynchonella vespertilio Brocchi.
» Cuvieri d’Orb.
Ostrea sulcata Blumenb.
-f- Exogyra auricularis Wahlenb.
-+- Lima canalifera Golde.
IAmatuia semisulcata Nilss.
-+- Pecten undulatus Nilss.
-(- Vota quadricostata Sow.
-+- Inoceramus fasciatus n. sp.
-4- » Cripsii Mant.
-h Pinna decussata Goldf.
Radiolites subhercynicus Ewald.
-+- Panopaea gurgitis Brongn.
-+- Goniomya designata Goldf.
Anatina concentrica n. sp.
-b Nautilus sublaevigatus d'Orb.
-4- Ammonites syrtalis Mort.
Unter diesen Arten befindet sich keine recht bezeichnende,
wir werden aber bei Besprechung des »Butterberges« sehen,
dass diese Schichten aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem in
der Blankenburger Gegend verbreiteten Senon- Quader zu paral-
lelisiren sind.
Durch eine etwa 5 Meter mächtige, an der Westseite in halber
Höhe des Berges liegende Schicht graublauen, glaukonitischen
Mergels wird das Sudmerbergconglomerat in zwei Bänke getrennt,
von denen die obere sich nicht unwesentlich durch den bedeutend
geringeren Gehalt an Quarz und Glaukonit von der unteren unter-
scheidet.
am nördlichen Harzrande.
391
Gegend von Harzburg, Ilsenburg und Vienenburg.
Auf der EwALD’schen Karte sind am »Butterberg« nördlich
von Harzburg direct über dem Neocom »Ilsenburgmergel« und dann
»conglomeratische Bänke im Ilsenburgmergel« angegeben.
Nördlich vom Bahnhof Harzburg, dicht bei der Flussbade-
anstalt sind diese Ilsenburgmergel blossgelegt. Es sind wie die
Mergel im Liegenden des Sudmerbergconglomerats graue, glauko-
mtische Mei'gel , welche anscheinend steil nach Norden ein-
fallen.
Herr Hütteninspector Stern hat an dem steilen Abhange
des Radauufers vor längeren Jahren eine Reihe von Versteine-
rungen gesammelt, von denen ich folgende Formen bestimmen
konnte :
Rhynchonella vespertilio Brocchi.
Ostrea sulcata Blumenb.
Gryphaea vesicularis Lamk.
Exogyra laciniata Nilss.
Lima canalifera Golde.
» pseudocardium Reuss.
» Hoperi Sow.
Limatula semisulcata Nilss.
Pecten virgatus Nilss.
» serratus Nilss.
Vola quadricostata Sow.
Modiola siliqua Math.
Pinna decussata Golde.
Crassatella arcacea Roem.
Cytherea ovalis Golde.
Cyprimeria faba Sow.
Tellina subdecussata Roem.
Panopaea mandibula Sow.
Goniomya designata Goldf.
Liopitha aequivalvis Goldf.
Nautilus sublaevigatus dOkb,
392
G. Müller, Beitrag zur Kennt niss der oberen Kreide
Ammonites syrtalis Mort.
Actinocamax Westphalicus SchlÜt.
» verus Mill.
Spongien fanden sich nicht an dieser Fundstätte.
Wenn auch unter den oben angeführten Arten keine einzige
o o
der für die Altersbestimmung so wichtigen Gattung Inoceramus
vorhanden ist, so scheint doch die bis auf drei Arten vollkommene
Uebereinstimmung mit der Fauna des Salzbergs bei Quedlinburg
hinlänglich zu beweisen, dass die am Radauufer anstehenden
Mergel in das Niveau der Salzbergmergel zu stellen sind.
Noch wahrscheinlicher wird diese Annahme gemacht durch
ein Profil auf der Höhe des Butterberges, welches durch eine
Mergelgrube östlich der Chaussee von Harzburg nach Westerode
aufgeschlossen ist. Hier folgen über blaugrauen, an der Ober-
fläche durch Verwitterung gelblich grau gewordenen Mergeln,
welche reich an Versteinerungen sind, nach Norden einfallend:
1) eine 1,10 Meter mächtige Bank feinkörnigen, gelblich
grauen Sandsteins;
2) 6,50 Meter graue Mergel, welche nach oben sandig
werden ;
3) ca. 4 » grauer, stark zerklüfteter Kalksandstein;
4) 0,12 » Kalkconglomerat, welchem wie dem Sudmer-
bergconglomerat Quarz, Glaukonit u. s. w.
beigemengt sind;
5) ca. 4,10 Meter feinkörniger, gelblich grauer Kalksand-
stein.
Ungefähr 40 Schritt weiter nördlich sind in einem jetzt auf-
gegebenen Steinbruche
1) 4,55 Meter hellgrauer, schwach dolomitischer Kalk,
2) 5,50 » stark zerklüftetes , glaukonitisches , sandiges
Kalkconglomerat
aufgeschlossen.
Die festen conglomeratischen Bänke auf dem Kamm des
Butterberges sind schon von Beyrich mit Recht mit dem Sudmer-
am nördlichen Harzrande.
393
berggestein parallelisirt worden. Die Parallelisirung des Ge-
steins vom Butterberg mit dem Quader bei Derenburg, Blanken-
burg u. s. f. wird bewiesen durch die Versteinerungen, welche sich
hauptsächlich in den unter und über der 1,10 Meter mächtigen
Bank feinkörnigen Sandsteins liegenden Mergeln finden. Die von
mir bestimmten Arten wurden gleichfalls zum grössten Theil von
Herrn Hütteninspector Stern gesammelt.
Es sind dies:
Credneria sp.
Ostrea sulcata Blumenb.
Gryphaea vesicularis Lamk.
Exogyra canaliculata Sow.
Spondylus striatus Sow.
Limatula semisulcata Nilss.
Pecten virgatus Nilss.
Vola quadricostata Sow.
Inoceramus Cripsii Mant.
Pinna decussata Golde.
Area striatula ReüSS.
» undulata ReüSS.
Cucullaea subglabra d’Orb.
Leda producta Nilss.
Trigonia Vaalsiensis J. Böhm.
Eriphyla lenticularis Goldf.
Cardium Ottoi Gein.
» productum Sow.
» alutaceum Goldf.
Cytherea ovalis Goldf.
Cyprimeria faba Sow.
Siliqua concentristriata n. sp.
Panopaea gurgitis Brongn.
Goniomya designata Goldf.
» Sterni n. sp.
Liopistha aequivalvis Goldf.
Turritella sexcincta Goldf.
nodosa Roem.
»
394
G. Müi-ler, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Natica lamellosa Roem.
» acutimargo Roem.
Aporrhais stenoptera Golde.
» granulata Sow.
Cylichna sp.
Ammonites syrtalis Mort.
» clypealis Schlüt.
Scaphites sp.
Baculites incurvatus DüJ.
Actinocamax Westphalicus Schlüt.
Calianassa antiqua Otto.
Allerdings zeigt die Fauna eine grosse Uebereinstimmung mit
der Fauna des Salzbergiuergels der Schanzenburg. Doch fehlt
einerseits der im Salzbergmergel aller von mir besuchten Localitäten
nicht gerade seltene Inoceramus cardissoides gänzlich, während der
typische Inoceramus Cripsii in den Mergeln des Butterberges häufig
ist. Andererseits sammelte ich bei einem nur flüchtigen Besuch
des »Teichberges« bei Derenburg1) im dortigen Quader ebenfalls
Ammonites syrtalis , Ammonites cf. clypealis und Baculites incurvatus.
Auch hier gehört Inoceramus Cripsii zu den häufig vorkommenden
Arten. Zudem tritt hier eine Quadersandsteinbank mit auf, welche
auch petrographisch auf den Senon-Quader von Blankenburg u. s. f.
hi uw ei st.
Leider ist die Fauna des Senon- Quaders bis jetzt nur un-
vollkommen bekannt. Doch scheint sich die Fauna des Quaders
von der des Salzbergmergels besonders durch die Inoceramus- Arten
b Da bis jetzt nur vereinzelte Angaben über die im Quader vorkommenden
Versteinerungen sich in der Literatur finden, so veröffentliche ich hier gleich-
zeitig die am Teichberge gesammelten Arten:
Inoceramus Cripsii Mant.
Pinna decussata Goldf.
Cucullaea subglabra d’Orb.
Pectunculus dux J. Böhm.
Crassatella arcacea Roem.
Cardium cf. productum Sow.
Cyprimeria faba Sow.
Liopistha aequivalvis Goldf.
Turritella nodosa Roem.
Volutoderma fenestrata Roem.
Nautilus sp.
Ammonites syrtalis Mort.
» cf. clypealis Schlüt.
Baculites incurvatus Duj.
am nördlichen Harzrande.
395
zu unterscheiden. Während im Quader Inoceramus lobatus, Ino-
ceramus lingua und der für das ganze Senon als Leitfossil geltende
Inoceramus Cripsii ihre Hauptverbreitung haben, ist Inoceramus
cardissoides nach Schlüter1) und den von mir gesammelten Er-
fahrungen nicht höher als im Salzbergniveau zu treffen.
Brauns1) glaubt die Schichten des Butterberges in den Horizont
der Heimburggesteine setzen zu müssen, doch bieten hierzu die
aufgezählten Arten durchaus keinen Anlass.
Nördlich vom Butterberg werden die Kreideschichten von
alluvialen und diluvialen Bildungen verdeckt, so dass es nicht mög-
lich ist, festzustellen, welche Schichten unmittelbar im Hangenden
der festen Kalke folgen. Erst bei Bettingerode und nördlich von
hier am »Hopfenberge« bei Lochtum sind in Mergelgruben blau-
graue und gelblichgraue Mergel aufgeschlossen, deren Fauna sich
durch kleine Formen auszeichnet, von denen ich hier folgende
Arten anführen will:
Terebratulina chrysalis Schloth.
Rhynchonella vespertilio Brochhi.
Spondylus spinosus Sow.
Vola quadricostata Sow.
Inoceramus lobatus Mstr.
Pinna decussata Golde.
Area undulata ReüSS.
Leda producta Nilss.
Cardium alutaceum Golde.
Panopaea gurgitis Brongn.
Turritella nodosa Roem.
Natica lamellosa Roem.
Aporrhais stenoptera Goldf.
Actinocamax verus Miller.
Unter diesen Arten weisen Inoceramus lobatus und Actinocamax
verus darauf hin, dass die Mergel von Bettingerode und vom
Hopfenberge nordwestlich Lochtum noch zum Unter -Senon zu
ziehen sind.
1 ) Palaeontographica Bd. 24, S. 275.
396
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Im Hangenden der Mergel folgt nach Osten die Coeloptychien-
Kreide mit Actinocamax quadratus (Zone der Becksia Sockelandi ),
welche östlich von Westerode und südöstlich von Lochtum in einer
Anzahl Mergelgruben, vor Allem aber gut in einem Hohlwege
500 Meter südlich von letzterem Orte aufgeschlossen ist.
Ebenso liegen am Sassberge westlich Veckenstädt bei Ilsen-
burg und in der Nähe des Vorwerks Wenderode östlich Vienen-
burg unter der Coeloptychien - Kreide graue Mergel, durchaus
ähnlich den Mergeln des Hopfenberges bei Lochtum, aber meist
durch diluviale Bildungen bedeckt. Auch wurden im vergangenen
Jahi’e dieselben grauen Mergel gelegentlich einer Vertiefung des
Chausseegrabens auf dem Nordabhange des ersten Hügels nördlich
von Gr.-Biewende bei Börssuin blossgelegt. Aus diesen stammt
ö O
vielleicht Actinocamax verus , welchen Schlüter1) von Biewende
anführt. In der Coeloptychien-Kreide des Wohrenberges bei Gr.-
Biewende habe ich trotz häufiger Besuche Actinocamax verus nicht
gefunden.
Wichtig sind endlich die Aufschlüsse der sog. Ilsenburgmergel
bei Stapelburg nördlich von Ilsenburg. Hier folgen über der
Coeloptychien-Kreide am Kirchhof im Osten des Dorfes zunächst
graue Mergel und dann ein festes helles Kalkconglomerat. Dieses
bildet eine kleine Anhöhe, auf welcher sich die Ruine Stapelburg
erhebt. Nördlich von hier, am rechten Ufer der »Stimmecke«,
zwischen dem Dorfe ixnd der Amtsmühle bilden die nach Norden
einfallendeil Conglomerate eine kleine Bodenanschwellung und
lieferten mir zahlreiche grosse Spongien und kleine der Gattung
Radiolites angehörende Rudisten von ca. 15 Millimeter Länge.
Ausserdem fand ich Caratomus- und Cidaris- Arten und vereinzelte
Mollusken, wie Vola quinquecostata und Area sp.
Leider konnte ich die Fundstelle der vorgerückten Jahreszeit
halber nicht genügend ausbeuten, um mir ein Urtheil darüber zu
bilden, ob dieselbe nach der oberen Quadratenkreide oder schon
zu der unteren Mukronatenzone zu ziehen sei.
’) Palaeontographiea Bd. 24, S. 194.
Zu S. 397.
Quedlinburg -
Blankenburg
nach
Ewald und Brauns
Quedlinburg-
Halberstadt
Zilly- Heudeber
Harzburg-
Vienenburg
Sudmerberg
Westfalen
nach Schlüter
Ober-
Ilsenburgmergel
Conglomerate
des Burgberges
bei Stapelburg (?)
(Conglom er atische
Bänke im Ilsenburg-
mergel nach Ewald)
Untere
Mucronatenkreide
Senon
Ilsenb urgmergel
(nach Ewald)
Zone der Becksia
Soekelandi bei Lochtum,
Wenderode,
Stapelburg u. s. f.
(Ilsenburgmergel
Ewald’s)
Zone der
Becksia Soekelandi
Heimb urggestein
Mergel vom Hopfen-
berg bei Lochtum,
von Bettingerode.
( Ilsenburgmergel
Ewald’s)
Die obersten
Bänke des
Sudmer-
berg’s (?)
Kalkig -sandige
Gesteine v. Dülmen
mit
Scaphites binodosus
Unter-
Senon
Senon- Quader
Conglomerate
des Butterberges
bei Harzburg nebst
den Mergeln unmittel-
bar im Liegenden des
Conglomerats.
(Conglomeratische
Bänke im Ilsenburg-
mergel nach Ewald)
Sudmerberg
conglomerat
Quarzige Gesteine
von Haltern mit
Pecten muricatws
Salzberggestein
Mergel des Galgen-
bergs, der Rabenberge,
der Schanzenburg.
( Heimburggestein
nach Ewald)
Graue Mergel
am Radauufer nördlich
Harzburg.
(Ilsenburgmergel
Ewald’s)
Die grauen
sogenannten
Sandmergel von
Thonmergel
des Börnkerberges
bei Berssel.
( Ilsenburgmergel
nach Ewald)
Siphonien-
Mergel
Recklinghausen mit
Marsupites ornatus
Zone
des Avim.
Sandstein
im Liegenden des
S alzb er gges teins
am St. Wiperti-
kloster bei Quedlin-
burg (nach Brauns)
Sandstein der Clus-
u. Spiegelsberge,
des Löhofsbergs
u. s. f.
(Senon-Quader
Ewald’s)
Sandstein der »Trift«
östlich Zilly.
( Heimburggestein
Ewald’s)
Conglomerat
des Bahn-
einschnitts
bei Goslar
Emscher - Mergel
Margae
?
Mergel
im Liegenden des
Sandsteins
( Salzberggestein
Ewald’s)
Mergel
im Liegenden des
Sandsteins
( Heimburggestein
Ewald’s)
Mergel des
Paradies-
grundes am
Betersberg
bei Goslar
am nördlichen Harzrande.
397
Jasche1) citirt in seiner Liste Belemnitella mucronata vom
Burgberge bei Stapelburg.
Beyrich2) dagegen hat die Schichten auf seiner »geognostischen
Karte des nördlichen Harzrandes von Langelsheim bis Blanken-
burg« als Sudmerberggestein eingetragen.
Während demnach ein Theil der Ilsenburgmergel, welche das
wellige Plateau zwischen der Ilse, Radau und Oker auf bauen,
dem Ober-Senon (im Sinne Schlüter s) zufällt, gehört ein anderer
Theil noch dem Unter -Senon an. Welchem Gliede des Unter-
Senons der östlichen Kreidebildungen jene untersenoneir Mergel
angehören, für welche wir den Ausdruck Ilsenburgmergel bei-
behalten wollen, wage ich vorläufig nicht zu entscheiden, da hierzu
noch eingehende palaeontologische und stratigraphische Unter-
suchungen, wie ich sie in der kurzen Zeit nicht habe ausführen
können, gemacht werden müssen. Doch möchte ich annehmen,
dass die Mergel von Bettingerode, Lochtum und Veckenstädt
gleichaltrig mit dem Heimburggestein sind.
Aus beiliegender Uebersichtstabelle ergiebt sich wohl am besten
das Resultat meiner Untersuchung.
') Gebirgsformation in der Grafschaft Wernigerode a. H. 2. Aufl.
2) Zeitsclir. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. III.
1S63.
398
G-. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
II.
Palaeontologischer Theil.
Bracbiopoda.
1. Crania Parisiensis Defr.
1818. Crania Parisiensis Defrance, Diet. II, p. 313, No. 3.
1866. » » Schloenbach , Iirit. Stud., S. 323, t. 40, f. 18 — 22.
Pal. XIII, c. syn.
1868. » » » Sitzb. d. K. Akad. d. Wissensch.
Bd. LVII, S. 41, t. 3, f. 11.
Diese Art ist schon seit langer Zeit vom Sudmerberg bekannt.
Von den beiden vorliegenden Exemplaren ist das eine auf einer
Rhynchonella vespertilio festgewachsen. Eine Oberklappe verdanke
ich Herrn Pastor Lindemann in Seesen.
2. Rhynchonella vespertilio Brocchi sp.
1814. Anomia vespertilio Brocchi, Conch. foss. subapenn. t. 15, f. 10.
1847. Rhynchonella vespertilio d'Orbigny, Terr. cret. IV, p. 44, t. 499, f. 1 — 7.
1876. » » Brauns, Sal/.bergm. S. 397 (c. syn.).
Die von Brauns aufgestellte Synonymik scheint mir die
richtige zu sein, da ich keinen Unterschied zwischen Rhynchonella
alata Lamk. und Rhynchonella ala Marklin bei Roemer (Kreide-
geb. S. 39) habe herausfinden können, und deshalb der von
d’Orbigny wieder aufgenommene Name Rhynchonella vespertilio
der Priorität halber vorzuziehen ist.
Rhynchonella vespertilio findet sich im »Emscher« von Zilly, am
Fusse der Spiegelsberge, im Bahneinschnitt von Goslar; im Mergel
des Salzbergs und der Schanzenburg bei Heudeber; ferner häufig
am Sudmerberg und auch im Ilsenburgmergel von Lochtum.
am nördlichen Harzrande.
399
3. Rhynclionella Cuvieri d’Orb.
1847. Rhynclionella Cuvieri d’Orbigny, Terr. cret. IY, p. 39, t. 497, f. 12 — 15.
1868. » » Schloenbach, Sitzb. d. K. Akad. d. Wissensch.
Bd. LVII, S. 33, t. 3, f. 3, 4 (c. syn.)
Diese von vielen Autoren als Rhynclionella ( Terebratula )
pisum Buch citirte Art stand mir in 4 Exemplaren vom Sudmer-
berg zur Verfügung.
4. Terebratulina chrysalis Schloth. sp.
1813. Terebratulites chrysalis Schlotheim, Leonh. Taschenb. YII, S. 113.
Terebratulina
»
Schloenbach, Palaeont. Bd. XIII, S. 277, t. 38,
f. 3, 4.
»
»
» Sitzb. d. K. Akad. d. Wissensch.
Bd. LVII, S. IS, t. 1, f. 3 — 5.
Terebratulina chrysalis fand ich im Emscher Mergel des
»Abezucht«-Bettes bei Goslar in einem Exemplar. Am Sudmer-
berg ist die Art ziemlich häufig. Eine Jugendform aus den
Mergeln von Lochtum war in der S'rERN’schen Sammlung vor-
handen.
5. Terebratulina rigida Sow. sp.
1829. Terebratula rigida Sowerby, Min. Conch., t. 536, f. 2.
1866. Terebratulina rigida Schloksbach, Palaeontog. Bd. XIII, S. 283, t. 38,
f. 10—17.
1868. » » » Sitzb. d. K. Akad. d. Wissensch.
Bd. LVII, S. 18, t. 1, f. 1, 2.
Während das eine der von Herrn Reitemeier am Sudmer-
berg gesammelten Stücke die typische Form zeigt, zeichnen sich
die beiden anderen durch eine gewölbtere Ventralklappe und
weniger scharfe Sculptur aus.
(i. Terebratula subrotunda Sow.
1813. Terebratula subrotunda Sowerby, Min. Conch., t. 15, f. 1.
1868. » » Schloenbach, Sitzb. d. K. Akad. d. Wissensch.
Bd. LVII, S. 19, t. 1, f. 6—12.
Bezüglich der Abgrenzug dieser Art schliesse ich mich gleich-
falls vollkommen an Schloenbach an. Ich kenne Terebratula
subrotunda aus dem Emscher des Bahneinschnitts von Goslar und
vom Sudmerberg.
400
0. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Lamellibranchiata.
7. Ostrea (Alectryonia) diluviana Linn.
1767. Alectryonia diluviana Linnk, Syst. nat. p. 1148.
1834. Ostrea diluviana Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 11, t. 75, f. 4.
» pectinata » ib. S. 9, t. 74, f. 7.
1872 — 75. » diluviana Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 176, t. 39, f. 1 — 5.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 392.
Eine Muschel vom Sudmerberg stimmt am besten mit Geinitz
(a. a. O.) t. 39, f. 1 überein. Kleinere Formen finden sich nach
Brauns im Mergel des Salzbergs bei Quedlinburg.
8. Ostrea proteus Keuss.
1845. Ostrea proteus Reuss, Böhm. Kreidef. II, S . 41, t. 27, f. 12 — 17.
1869. » » Coquand, Monogr. du genre Ostrea, p.94, t. 27, f. 2 — 14.
In der Sammlung des Herrn Bergrath Württenberger in
Hannover befinden sich einige Stücke dieser Species vom Sudmer-
berg, von denen das grösste 15 Millimeter hoch ist. Dieselben
unterscheiden sich von den böhmischen Exemplaren garuicht.
9. Ostrea sulcata Blumenb.
1803.
1825.
1827.
1834.
»
»
1841.
1869.
1872-75.
1876.
Ostracites sulcatus Blumenbach, Spec. Arch. Teil., t. 1, f. 3.
Ostrea semiplana Sowerby, Min. Conch. t. 489, f. 1, 2.
» flabelliformis Nilsson, Petref. Suec. p. 31, t. 6, f. 4.
» » Goldfuss, Petr. Germ. S. 12, t. 76, f. 1.
» sulcata » ib. S. 13, t. 76, f. 2.
» armata » ib. S. 13, t. 76, f. 3.
» » sulcata , flabelliformis Roemer, Nordd. Kreidegeb.
S. 45 u. 46.
» semiplana Coquand, Monogr. du genre Ostrea, p. 74, t. 28.
f. 1-15, t. 35. f. 1, 2, t. 38, f. 10—12.
» » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 38, t. 9, f. 6—8.
» sulcata Brauns, Salzbergm. S. 393.
Mit Brauns gebe ich dem älteren BLUMENBACEfschen Namen
den Vorzug. Die horizontale wie verticale Verbreitung ist sehr
gross. So liegt mir Ostrea sulcata aus dem Emscher des Löhof’s-
berges bei Quedlinburg, der Spiegels- und Clusberge, aus dem
gleichen Niveau von Zilly und aus dem Bahneinschnitt bei Goslar
vor, wo sie überall häufig auftritt. Nicht, minder häufig kommt
am nördlichen Harzrande.
401
die Muschel vor im Salzberghorizout bei Quedlinburg, Langen-
steiu, der Schanzenburg bei Heudeber, des Radauufers gegenüber
Bahnhof Harzburg und am Sudmerberg. Aus dem nächst höheren
Horizont kenne ich Ostrea sulcata vom Butterberg bei Harzburg
und aus den festen Bänken des Sudmerberges. Ein Exemplar
aus den Ilsenburgmergeln von Lochtum liegt in der STERN’schen
Sammlung.
10. Grypliaea vesicnlaris Lamk. sp.
1806. Ostrea vesicularis Lamarck, Ann. Mus. tome 8, t. 22, f. 3.
1834. » » Goldfuss, Petr. Germ. S. 23, t. 81, f. 2.
1840. Gryphaea » Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 46.
1865. Ostrea » Zittel, Gosaubivalv. II, S. 47, t. 19, f. 6.
Aus dem Salzberghorizont am Radauufer nördlich vom Bahn-
hof Harzburg liegen drei Exemplare dieser leicht bestimmbaren
Muschel vor.
11. Exogyra sigmoidea Eeuss.
1846. Exogyra sigmoidea Reuss, Böhm. Kreidef. S. 44, t. 27, f. 1 — 4.
1846 — 47. » haliotidea Geinitz, Grundr. S. 481, pars, t. 20, f. 21 a.c
1849 — 50. » sigmoidea u. squamula Geinitz, Quad. Deutschi. S. 204.
1864. » cf. » Zittel, Gosaubivalv. S. 47, t. 19, f. 5.
1871 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. S. 186, t. 41, f. 14 — 27.
Zwei rechte Klappen, von denen die grössere 3 Centimeter
hoch ist, fand ich im Salzbergmergel der Schanzenburg. Auf der
ohrförmigen Schale verläuft ein sehr scharfer Kiel, von dem der
hintere (bei dem grösseren Exemplare 14 Millimeter hohe) Rand
senkrecht abfällt, während die vordere Fläche concav ist. Die
Oberfläche ist mit feinen Auwachsstreifen versehen.
12. Exogyra canaliculata Sow. sp.
1813. Chama canaliculata Soweuby, Min. Conch. t. 26, f. 1.
1827. Ostrea lateralis Nilsson, Petr. Suec. p. 29, t. 7, f. 7 — 10.
1834. » » Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 24, t. 82, f. 1.
1837. » » Hisinger, Leth. Suec. p. 46, t. 13, f. 1.
1843. » canaliculata d’Obbigny, Terr. cret. III, p.709, t. 471, f. 4 — 8.
1846. » lateralis Geinitz, Grundr. S. 480, t. 20, f. 22.
Exogyra » Reuss, Böhm. Kreidef. II, S. 42, t. 27, f. 38 — 47.
1869. Ostrea canaliculata Coquand, Monogr. du genre Ostrea, p. 128.
26
Jahrbuch 1887.
402 G. Müller, Beitrag zur Renntniss der oberen Kreide
1870. Ostrea lateralis Roemer, Geol. v. Oberschi. S. 341, t. 29, f. 4, 5.
1871. » canaliculata Stoliczka, Cret. Fauna of South. Ind. Pelec.
p. 463, t. 48, f. 6-8.
1871 — 75. Exogyra lateralis Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 179, t. 41, f. 28 — 35;
II, t. 8, f. 15-17.
Diese von den englischen und französischen Autoren als
Ostrea canaliculata aufgeführte Muschel, wird von den deutschen
Geologen gewöhnlich als Ostrea lateralis Ntlss. beschrieben, ob-
wohl schon d’Orbigny erkannt hatte, dass Chama canaliculata Sow.
identisch ist mit Ostrea lateralis NlLSS.
Exogyra canaliculata findet sich nicht selten im Emscher an
den Clus- und Spiegelsbergen bei Halberstadt, am Löhofsberg bei
Quedlinburg, im Eisenbahneinschnitt bei Goslar und im Salzberg-
mergel am Bahnhof Harzburs:.
o o
13. Exogyra laciniata Nilss. sp.
1827. Chama laciniata Nii.sson, Petr. Suec. p. 28, t. S, f. 2.
1834. Exogyra » Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 35, t. 86, f. 12.
1841. » » Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 48.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 394.
Ausser vom Salzberg bei Quedlinburg liegen typische Exem-
plare vom Sudmerberg und vom Radauufer nördlich Bahnhof
Harzburg vor. Brauns führt Exogyra laciniata noch von Langen-
stein an.
14. Exogyra auricularis Wahl. sp.
1821. Ostracites auricularis Wahlenberg, Petref. p. 58.
1827. Chama, haliotidea Nii.sson, Petr. Suec. S. 28, t- 8, f. 3.
1834. Exogyra planospirites Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 39, t. 88, f. 3.
» » auricularis Goldfuss, ib. S. 39, t. 88, f. 2.
1841. » » Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 48 (non E. conica ).
Exogyra auricularis vom Sudmerberg stimmt vollkommen mit
Nilsson's Chama haliotidea überein, welche von Wahlenberg als
Ostracites auricularis beschrieben war. Ob Coquand in seiner
Monographie der Gattung Ostrea bei der Aufstellung der Liste
der synonymen Formen von Ostrea canaliculata überall das Richtige
getroffen hat, scheint mir zweifelhaft.
am nördlichen Harzrande.
403
15. Aiiomia semiglobosa Gein.
1844—50. Anomia subglobosa Geinitz, Quadergeb. Deutschi. S. 206, t. 11,
f. 6 — 9.
1864. » » Zittel, Gosaubivalv. S. 51, t. 19, f. 9.
Eine Oberschale einer 8 Millimeter grossen, stark gewölbten
fein concentrisch gestreiften Anomia von der Schanzenburg bei
Heudeber stimmt mit der Beschreibung von Geinitz und Zittel
soweit gut überein. Doch ist die Muschel noch stärker gewölbt
als wie dies bei den von den genannten Autoren gegebenen Ab-
bildungen der Fall ist.
16. Anomia subtruncata d’Orb.
1842. Anomia truncata Geinitz, Char. IIL, S. 87, t. 19, f. 4, 5.
1846. » » Reuss, Böhm. Kreidef. II, S.45, z. Th., t. 31, f. 13.
1850. » subtruncata d’Orbigny, Prodr. de Pal. II, p. 171.
Die sehr dünnen, runden, gleichmässig gewölbten, am Schloss-
rande gerade abgeschnittenen Schalen zeigen bei einiger Yer-
grösserung feine concentrische Linien. Der kleine, bei oberfläch-
licher Betrachtung kaum bemerkbare Wirbel liegt in der Mitte
des Schlossrandes, ohne jedoch denselben zu erreichen.
Vier mit Schale erhaltene Exemplare von der Schanzenburg
bei Heudeber lagen zur Beschreibung vor, von denen das grösste
15 Millimeter mass.
17. Anomia n. sp.
Oberschale rundlich, gewölbt, nach vorn ein wenig steiler als
nach hinten abfallend. Schale verliältnissmässig dick, regelmässig
concentrisch gestreift. Die im gleichen Horizont auftretende
Anomia lamellosa Boem. unterscheidet sich leicht durch die lamel-
lösen Anwachsstreifen und die stets stärkere Wölbung der Ober-
schale.
Vier Oberschalen aus dem Salzbergmergel der Schanzenburg
bei Heudeber sind von mir gesammelt worden. Das Material ist
jedoch derartig, dass ich vorläufig von einer Namengebung ab-
sehen muss.
404
6. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
18. Spondylus spiuosus Sow. sp.
1814. Plagiostoma spinosa Sowerby, Min. Couch, t. 78.
1834 — 40. Spondylus spinosus Goldfuss, Petr. Germ. TI, S. 95, t. 105, f. 5.
1841. » » Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 58.
1843 — 47. » » d’Orbigsy, Terr. cret. III, p. 173, t.461, f. 1 — 4.
1872—75. » » Geinitz, Geol d. Elbthalgeb. II, S. 31, t. 9, f. 1 — 3.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 391.
Diese von den Autoren so häufig citirte Art ist in der Zone
des Amm. Margae von Zilly sehr gewöhnlich; aus dem gleichen
Horizont kenne ich sie von den Spiegelsbergen bei Halberstadt
und aus dem Bahneinschnitt bei Goslar. Auch im Mergel des
Salzberges bei Quedlinburg tritt sie nach Brauns auf.
19. Spondylus striatus Sow. sp.
1815. Dianchora striata Sowerby, Min. Conch. t. 80, f. 1.
1864. Spondylus striatus Zittel, Gosaubiv. S. 42, t. 18, f . 7 (cum syn.).
1871 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 186, t. 42, f. 1 — 3.
Spondylus striatus soll nach Roemer ]) im Bahneinschnitt bei
Goslar vorgekömmen sein. Eine auf einer Spongie festgewachsene
Schale wurde von Herrn Hütteninspector Stern am Butterberg
bei Harzburg gesammelt.
20. Lima pseudocardium Reuss.
1846. Lima pseudocardium Reuss, Böhm. Kreidef. II, S. 33, t. 38, f. 2, 3.
1871 — 75. » » Geinitz, Geologie des Elbth. I, S. 204, t. 42.
f. 14, 15.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 3S6.
Ein Stück vom Ufer der Radau nördlich von Harzburg
scheint mit der REUSS’schen Abbildung übereinzustimmen. Am
Salzberg bei Quedlinburg soll die Art auch gefunden sein.
21. Lima canalifera Goldf.
1834. Lima canalifera Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 89, t. 104, f. 1.
1872 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 38, t. 9, f. 6 — 8 (e. syn.).
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 386.
Diese Muschel wurde von den Palaeontologen je nach der
Zahl der Rippen und dem Abstand derselben untereinander theils
!) A. Roemer, Quadratenkreide des Sudmerberges. Pal. Bd. XIII, S. 196.
am nördlichen Harzrande.
405
als Lima canalifera oder als Lima multicostata Gein. oder als
Lima laticostata Roem. * 2) aufgeführt. Nachdem von Kunth 3) und
Gümbel 4) bemerkt war, dass Lima multicostata nichts anderes
als wie eine Varietät von Lima canalifera sei, wurde die erste
Art von Geinitz selbst eingezogen und auch Lima laticostata da-
mit vereinigt, da sie alle durch Uebergäuge mit einander ver-
bunden sein sollen.
Die zur Untersuchung vorliegenden Stücke von den Spiegels-
bergen, vom Salzberg, von Derenburg, von der Schanzenburg und
vom Radauufer nördlich Harzburg stimmen gut mit den Goldfuss’-
schen und GEiNiTz’schen Abbildungen überein. Nach Brauns ist
Lima canalifera auch im Salzbergmergel bei Langenstein anzu-
treffen.
22. Lima (Plagiostoma) Hoperi Mant.
1822. Plagiostoma Hoperi Mant., Geol. of Sussex, p. 204, t. 20, f. 2, 3, 15.
1872 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 40, t. 9, f. 11, 12
(c. syn.).
Diese von den Autoren wegen ihrer grossen vertikalen und
horizontalen Verbreitung häufig angeführte Muschel kenne ich aus
der Zone des Amm. Margae des Bahneinschnitts bei Goslar, von
Zilly und von den Spiegelsbergen.
23. Lima (Limatula) semisnlcata Nilsson.
1827. Plagiostoma semisulcata Nilsson, Petr. Suec. p. 25, t. 9, f. 3.
1837. » » Hisinqer, Leth. Suec. p. 25, t. 9, f. 3.
1876. Limatula semisulcata Brauns, Salzbergmergel S. 3S7 (c. syn.).
Die Schalen sind elliptisch, ziemlich gleichseitig, wenig schief,
hoch gewölbt. Der hohe Wirbel greift nach vorn über. Die
kleinen Ohren sind gleich gross. Die Oberfläche der Schalen ist
') Geinitz, Charakt. I, S. 24, t. 8, f. 3 (excl. Naundorf und Tunnel).
2) A. Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 56, 57.
3) Kunth, Kreidemulde bei Lahn in Niederschlesien in Zeitschr. d. Deutsch,
geol. Ges.
4) Gümbel, Geogn. Beschr. des Königr. Bayern II, S. 757.
406
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
in der Mitte mit 16 — 20 scharfen Rippen versehen, welche durch
die nahezu gleichen Furchen von einander getrennt sind. Die
beiden steil abfallenden Seitenflächen sind dagegen nur mit feinen
wellenförmigen Anwachslinien geziert, welche über die Radial-
rippen fortlaufen und dort dann, namentlich dem unteren Rande
zu eine Körnelung veranlassen können, wie dies auf den von
d’Orbigny x) abgebildeten Formen besonders auffällt.
Die von Kn er* 2) und Alth3) aus dem Lemberger Becken
als Lima semisulcata bestimmten Exemplare werden von Favre4)
zu Lima decussata gezogen. Da jedoch Kner ausdrücklich her-
vorhebt, dass die von ihm untersuchten Stücke zum Theil sehr
wohl erhaltene Schale gezeigt hätten, so scheint mir die von
Favre vorgenommene Vereinigung um so weniger berechtigt, als
Kner selbst Stücke mit »weniger steil abfallendem Rücken und
beiderseits bis an die Ohren (selbst an Steinkernen) sehr deut-
lichen Rippen« als Lima decussata deutet. Auch auf den mir vor-
liegenden Steinkernen unserer Art hebt sich die Sculptur scharf
ab, dass sie zu einer Bestimmung der Art immerhin noch gut
ausreicht.
Limatula semdsulcata findet sich am Salzberg, bei Langenstein,
an der Schanzenburg bei Heudeber, am Radauufer nördlich Harz-
burg, am Sudmerberg, am Butterberg bei Flarzburg und in den
Lochtumer Mergeln.
24. Pecten serratus Nilss.
1827. Pecten serratus Nilsson, Petr. Suec. p. 20, t. 9, f. 9.
1834. » » Goi.dfuss, Petr. Germ. II, S. 58, t. 94, f. 3.
1846. » » Reuss, Böhm. Kreidef. II, S. 30, t. 39, f. 19.
Die eiförmige Schale ist von zahlreichen, schmalen, wenig
erhabenen Rippen bedeckt. Die Zwischenräume sind doppelt so
breit wie die Rippen selbst und mit feinen concentrischen Streifen
d’Orbigny, Terr. cret. III, p. 562, t. 424, f. 5 — 9.
2) Haidinger’s Abhandlungen, III. Band, S. 29.
3) ibid. S. 242.
4) Description des mollusques fossiles de la crace environs de Lemberg , p. 135.
am nördlichen Harzrande.
407
versehen. Auf den Rippen erheben sich dichtgedrängt schräg-
stehende Körnchen, welche die Rippen spiralig gedreht erscheinen
lassen. Von Pecten hispidus Goldf. unterscheidet sich die obige
Art dadurch, dass die Längsrippen gerade nach unten verlaufen,
während bei ersterer dieselben nach vorn gebogen sind. Des-
halb ist eine Vereinigung der sonst verwandten Formen ausge-
schlossen.
Zwei Exemplare vom Radauufer konnten bestimmt werden.
25. Pecten imdulatas Nilss.
1827. Pecten undulatus Nilsson, Petr. Suec. p. 21, t. 9, f. 10 (non t. 10, f. 10).
1834. » » Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 50, t. 91, f. 7.
1837. » » Hisinger, Leth. Suec. p. 51, t. 16, f. 7.
1872-75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 35, t. 10, f. 7.
Ein anscheinend aus den festen Bänken des Sudmerberg;-
conglomerats stammendes Stück stimmt gut mit der von Nilsson
gegebenen Beschreibung und Abbildung überein.
26. Pecten septemplicatns Nilss.
1827. Pecten septeniplicatus Nilsson, Petr. Suec. t. 10, f. 8 A u. B.
1834. » ptychodus Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 56, t. 93, f. 4.
1841. » septemplicatus Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 51.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 389.
Dieser durch die Sculptur leicht erkennbare Pecten findet sich,
wenn auch selten, ausser am Salzberg und bei Langenstein auch
an der Schanzenburg bei Heudeber. Zu welcher Untergattung
von Pecten die Art zu stellen ist, ob zu Pseuclamusium Klein,
wie Brauns glaubt, oder zu Lyropecten Conrad, wie Zettel1)
mit Stoliczka annimmt, konnte ich nach den vorliegenden
Stücken nicht entscheiden. Doch halte ich die letztere Annahme
für die richtige, da die Oberfläche von Pseudamusium glatt, radial
gestreift oder gefaltet sein soll, während doch Brauns selbst an-
giebt, dass die Formen vom Salzburg mit schuppigen, wenn auch
zarten Anwachsstreifen bedeckt sind.
b Handbuch d. Palaeont. S. 29.
408 Gr. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
27. Pecten (Oamptouectes) virgatus Nilss.
1827. Pecten virgatus Nilsson, Petr. Suec. p. 22, t. 9, f. 15.
1834. » arcuatus Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 50, t. 91, f. 6.
1876. » virgatus Brauns, Salzbergm. S. 390.
Diese Art ist mit der verwandten Pecten curvatus Gein.
häufig verwechselt worden. Die von Zittel1) veröffentlichte Sy-
nonymik wurde von Stoliczka2) als unrichtig verworfen, und es
liegt nach letzterem Autor das Hauptunterscheidungsmerkmal
zwischen den beiden sehr nahe verwandten Arten nur darin, dass
Pecten curvatus Gein. viel enger stehende und zahlreichere Rippen,
welche durch Reihen feiner Punkte von einander getrennt sind,
als Pecten virgatus zeigt. Brauns vereinigt Pecten striatopunctatus,
Gein.3) und Pecten divaricatus Reuss4) mit unserer Muschel. Nun
hat aber Geinitz5) seinen Pecten striatopunctatus in neuerer Zeit
zu Pecten curvatus gezogen und ebenso Pecten divaricatus ReüSS,
was schon von Stoliczka als wahrscheinlich angedeutet wurde.
Frech 6) führt Pecten arcuatus Sow. bei Goldfüss unter
Pecten curvatus auf, während Stoliczka, welchen Frech als
Autorität anerkennt, ausdrücklich die von Goldfüss beschriebene
Form als Pecten virgatus bezeichnet.
Die Muschel ist in den senonen Schichten am Harzrande
nicht selten, jedoch gelingt es nicht leicht, brauchbare Stücke zu
erlangen, da die Schalen zu zerbrechlich sind. An der Schanzen-
burg bei Heudeber habe ich Exemplare gesammelt, welche gut
mit der GoLDFUSS’schen Abbildung übereinstimmen. Nur sind die
concentrischen Anwachsstreifen der linken Schale in der Nähe des
Wirbels noch schärfer als dort, so dass dieselben selbst auf Stein-
kernen deutlich zu sehen sind. Ausserdem standen mir bestimm-
baie Stücke vom Anisberg bei Derenburg, von Berssel, vom
Radauufer nördlich Harzburg und vom Butterberg zur Verfügung.
’) Denkschr. Acad. Wien, XXV, 2, S. 109, t. 17, f. 8.
2) Cret. Pelecyp. of S. India, p. 433.
3) Ckarakt. S. 83.
4) Böhm. Kreidef. I, S. 28, t. 39, f. 6.
5) Elbthalgeb. S. 193.
6) Zeitsehr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 39, S. 155.
am nördlichen Harzrande.
409
In der Zone des Amm. Margae fand ich Pecten virgatus bisher
nur an den Spiegelsbergen bei Halberstadt und am Löhofsberg
bei Quedlinburg.
28. Vola quadricostata Sow. sp.
1814. Pecten quadricostatus Sowerby, Min. Concli. p. 121, t. 56, f. 1,2.
1840. » » Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 54, t. 92, f. 7.
1866. Vola quadricostata Zittel, Gosaubivalv. S. 115 (39), t. 18, f. 4.
(t. syn.).
1872-75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 37, t. 10, f. 14 — 16.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 388.
Da diese Art ausserordentlich häufig und weit verbreitet ist,
wird sie von den Autoren vielfach citirt und beschrieben, u. A.
auch von Brauns. Jedoch habe ich nicht finden können, dass,
wie Brauns angiebt, die Deckelschale gleiclnnässig gerippt sei.
Vielmehr sind, und das tritt besonders bei jugendlichen Exemplaren
hervor, ebenso wie auf der gewölbten Schale auch auf der Deckel-
schale Zwischenrippen vorhanden, die allerdings im späteren Alter
den stärkeren Rippen gleich werden können. Aber auch bei diesen
ist die BRAUNs’sche Angabe keineswegs die Regel.
Vola quadricostata liegt in einer grossen Anzahl von Exem-
plaren vor, von den Spiegelsbergen bei Halberstadt, von Zilly,
vom Salzberg, von der Schanzenburg bei Heudeber, von Berssel,
vom Radauufer nördlich Harzburg, vom Sudmerberg und aus den
Ilsenburmnergreln von Lochtum.
O O
29. Avicula glabra Reuss.
1846. Avicula glabra ; Reuss, Böhm. Kreidef. II, S 22, t. 32, f. 4, 5.
1849. » anomala Geinitz, Quadergeb. Deutschi. S. 170, pars.
1871-75. » glabra Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 208, t. 46, f. 7; II, t. 1 1, f. 2.
Schale quer verlängert, fast viereckig. Ueber den Rücken
läuft eine scharfe Kante, von der die Vorderseite steil, die Hinter-
seite allmählich abfällt. Die Oberfläche der Schale ist mit feinen
concentrischen Anwachslinien bedeckt.
Geinitz j) hat auf dem vorderen steil abfallenden Theile der
Schale einzelne radiale Streifen beobachtet und glaubt daraufhin,
*) a. a. O. S. 208.
410
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
obige Art mit Avicula raricostata ReüSS *) aus der Gosau ver-
einigen zu können. Da Reuss auf den in Böhmen häufig vor-
kommenden Stücken nie radiale Linien beobachtet hat, und auch auf
den mir vorliegenden Stücken aus dem Salzbergmergel der Schanzen-
burg bei Heudeber und von Derenburg keine Spur von radialer
Streifung vorhanden ist, so scheint mir die Vereinigung der beiden
Arten nicht richtig zu sein.
30. Avicula (Pseudoptera) lobata n. sp.
Tat. XVI, Fig. 1.
Lanzett-eiförmig, schief, etwa doppelt so hoch wie breit. Die
schwach gerundeten Vorder- und Unterränder der Schale bilden
einen stumpfen Winkel mit einander, während der Unterrand mit
dem ein wenig- ausgebuchteten hinteren Schalenrande einen rechten
Winkel beschreibt. Die gerade Schlosslinie beträgt nur die Hälfte
o o
der Schalenhöhe. Ueber den Rücken ziehen sich zwei stumpfe
Kanten, zwischen denen die Schale schwach eingedrückt erscheint.
Die vordere Fläche fällt gewölbt nach dein vorderen Schalenrande
ab, mit der stärksten Wölbung etwas über der Mitte der Höhe.
Der vordere Flügel ist sehr klein, der hintere nur niedrig.
Die Oberfläche der Schale ist von feinen unregelmässigen, con-
centrischen An wachsstreifen bedeckt.
Aviculata lobata ist mit Avicula anomala Sow. und Avicula
glabra ReüSS verwandt und gehört wie diese zur Untergattung
Pseudoptera Meek.
Es liegt nur ein Exemplar aus dem Emscher der Spiegels-
berge bei Halberstadt zur Beschreibung vor.
31. Gervillia soleuoides Defr.
1820.
1866.
1871.
1875.
1876.
Gervillia solenoides Defrancjs, Diet. Sc. nat. XV III, p. 503, t. 86, f. 4.
» » Zittel, Gosaubivalv. II, S. 15, t. 13, f. 2 (c. syn.).
» » Stoliczka, Cret. Pelecyp. of S. Ind. p. 409,
t. 50, f. 5.
» » Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 209, t. 48, f. 19,
II, t. 11, f. 1.
» » Brauns, Salzbergm. S. 376.
!) Char, d. Kreidesch. d. Ostalp, S. 147, t. 28, f. 16.
am nördlichen Harzrande.
411
Von dieser leicht bestimmbaren Muschel liegen Stücke vom
Salzberg, Berssel und Butterberg bei Harzburg vor. Brauns
führt Geroittia solenoides ausserdem von Langenstein au.
32. Inoceramus cf. Cuvieri Sow.
1823. Inoceramus Cuvieri Sowerby, Linn. Trans. XIII, t. 25 u. Min. Conch.
t. 441, f. 1.
1877. » » Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 266, (c. syn.).
Eine Muschel aus dem Bahneinschnitt bei Goslar stimmt am
besten mit Inoceramus Cuvieri überein.
33. Inoceramus sublabiatus n. sp.
Taf. XVI, Fig. 2.
? Inoceramus mytiloides Roemer, Kreidebild. v. Texas, S. 60, t. 7, f. 5.
In der Sammlung des Göttinger Museums fand sich eine
Inoceramen-Species vom Löhofsberg bei Quedlinburg, welche als
Inoceramus mytiloides Mant. bestimmt war. Abgesehen von dem
höheren Horizont Hessen sich auch sonst Unterschiede finden,
welche die Aufstellung einer neuen Art hinreichend berechtigen.
Im Umriss Inoceramus labiatus soweit ähnlich, ziehen die
schwachen, an einigen Exemplaren kaum bemerkbaren concen-
trischen Runzeln sich nicht soweit hinunter, sondern biegen sich
rascher um, wie es bei der unterturonen Art der Fall ist.
Ausser den concentrischen Runzeln ist die Schale mit feinen, con-
centrischen Streifen bedeckt, die genau so verlaufen, wie die
Runzeln. Die Wirbel sind spitz, etwas nach vorn gedreht und
niedergebogen.
Möglicherweise gehört Inoceramus mytiloides bei Roemer
(a. a. O.) zu Inoceramus sublabiatus , welcher nach Roemer mit
Inoceramus Cripsii zusammen bei Neu -Braunfels Vorkommen soll.
34. Iiioceramus (Volviceraimis) involutus Sow.
Taf. XVI, Fig. 3, 4.
1828. Inoceramus involutus Sowerby, Min. Conch. t. 583.
1845. » » d’Orbigny, Terr. cret. III, p. 520, t. 413.
1877. » » Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 272.
Diese nach den Beschreibungen und Abbildungen von Sowerby
und d’Orbigny leicht erkennbare Art kommt in der Zone des Anim,
412
G-. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Margae bei Zilly häufig vor. Doch siud die eingerollten Buckel in
der Regel abgebrochen oder abgerieben, da hier die sonst sehr dick
werdende Schale noch sehr dünn ist. Bei günstiger Erhaltungs-
weise zeigt sich an den Zillyer Stücken, dass die nautilusartig
eingerollte , linke Schale mit unregelmässigen Runzeln versehen
ist und erst im Alter glatt wird.
Brauns x) citirt Inoceramus involutus aus dem Mergel des
Salzbergs bei Quedlinburg. Mir ist es bis jetzt nicht gelungen,
in diesem Horizont obige Art zu finden. Ausserdem führt Brauns
(a. a. O.) Inoceramus involutus noch vom Sudmerberg an.
35. Inoceramus (Yolviceramus) Koeneui n. sp.
Tat. XVII, Fig. 1.
Schale gewölbt, ungleichklappig. Wirbel annähernd median,
schlank, schräg nach vorn geneigt, niedergebogen, sich beinahe
berührend. Nach hinten ein flügelartiger Fortsatz. Die Oberfläche
der rechten Klappe ist mit hohen concentri sehen Rippen versehen,
welche durch tiefe, halbkreisförmig ausgekehlte Rillen getrennt
sind. Die Runzeln werden auf den Flügeln schwächer, ebenso
werden sie im Alter weniger scharf. Die gewöhnlich erhaltene
Faserschale springt äusserst leicht beim Herauspräparireu aus dem
Gestein ab. Dann erscheinen zuweilen auf dem gewölbten Rücken
in der Nähe der Wirbel in den Rillen radialverlaufende Runzeln.
Die linke Klappe ist gewölbter wie die rechte und unter dem
Wirbel auf der vorderen Seite tief eingedrückt. Die concentrischen
Runzeln sind viel weniger hoch und unregelmässiger wie auf der
rechten Klappe. Im Alter wird die Schale fast glatt. Das Ligament
konnte nicht blossgelegt werden.
In den Sammlungen des Göttinger Museums und des Braun-
schweiger Polytechnicums fand ich die Muschel als Inoceramus
involutus bestimmt, an welche sie in der That erinnert. Doch
unterscheidet sich Inoceramus Koeneni von Inoceramus involutus
leicht dadurch, dass die rechte Klappe bei ersterer Art stets be-
deutend gewölbter ist und somit die Muschel nicht so stark un-
gleichklappig wie Inoceramus involutus ist. Auch an Inoceramus
umbonatus Meek erinnert der Habitus unserer Art.
B Salzbergmergel, S. 379.
am nördlichen Harzrande.
413
Inoceramus Koeneni gehört der Untergattung Volviceramus
Stol. an.
Die Muschel ist am Löhofsberg bei Quedlinburg und au den
Spiegelsbergen bei Halberstadt häufig. Das Stück des Braun-
schweiger Museums stammt vom »Steinholz« nordwestlich von
Quedlinburg.
36. Inoceramus Winkholdi n. sp.
Taf. XVII, Fig. 2.
Steinkern oval, höher wie breit, massig gewölbt. Bücken
nach dem hinteren Rande steiler abfallend wie nach vorn. Die
Ornamentik, welche der der rechten Klappe von Inoceramus in-
volutus ähnlich ist, besteht aus concentrischen , im Alter scharf-
kantigen Rippen.
Von Inoceramus Winklioldi liegt eine linke Klappe aus dem
Emscher von Zilly zur Beschreibung vor.
37. Inoceramus n. sp.?
Unregelmässig vierseitig, höher wie lang, schwach gewölbt,
hinten allmählich in den flachen, vierseitigen Flügel übergehend.
Wirbel ganz nach vorn gerückt, Schlossrand senkrecht zum geraden
Vorderrand. Der Unterrand ist halbkreisförmig gebogen und bildet
mit dem unteren Rande des Flügels eine S-förmig geschwungene
Linie. Die Oberfläche des Steinkerns ist mit concentrischen
Falten versehen, die im Alter undeutlich werden.
Eine rechte Klappe aus dem Emscher von Zilly liegt vor.
38. Inoceramus subeardissohles Schlüt.
1877. Inoceramus subcardissoides Schlüter, Palaecmtogr. Bd. 24, S. 271, t. 37.
Ein Exemplar aus dem Emscher von Zilly, welches von
Herrn Professor von Koenen gesammelt wurde, und ein Stück
aus dem Bahneinschnitt von Goslar stimmen vorzüglich mit der
Abbildung bei Schlüter überein.
39. Inoceramus percostatus n. sp.
Taf. XVII, Fig. 3a— 3c.
Die oval-dreiseitige; stark gewölbte Muschel erinnert nament-
lich in den Jugendformen an Inoceramus striatus Mant. bei Gold-
414
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
FUSS (t. 112, f. 2). Die sehr starken, unregelmässigen Wülste, zu
denen in der Nähe der spitzen niedergebogenen Wirbel noch
feinere gleichfalls unregelmässige Streifen kommen, unterscheiden
obige Art hinlänglich von der des sächsischen cenomanen Quaders.
Auf die kurzen, hinten vorhandenen Flügel gehen, nach den Stein-
kernen zu urtheilen, die Runzeln nicht über. An einigen Exem-
plaren beobachtet man vom Wirbel ausstrahlende Linien. Dazu
kommt eine mehr oder minder scharf ausgeprägte Einsenkung auf
der hinteren Schalenhälfte, die vom Wirbel aus an Deutlichkeit
zunimmt.
Ausser einem ausgewachsenen Exemplar aus dem Eisenbahn-
einschnitt bei Goslar, welches aus der WiNTER’schen Sammlung
stammt, fand ich Inoceramus percostatus am Löhofsberg bei Qued-
linburg.
40. Inoceramus bilobatus n. sp.
Taf. XVIII, Fig. 2.
Mit voriger Art form verwandt, jedoch breiter und weniger
gewölbt. Nach der vorderen und hinteren gebogenen Seite steil
abfallend. Schlossrand senkrecht zur Achse. Die im Alter sehr
stark werdenden Wülste sind abgestumpft. Die Oberfläche der
Schale ist mit regelmässigen, concentrisclien Rippen bedeckt, die
nach dem unteren Schlossrande hin undeutlich werden. Vom
Wirbel aus verlaufen zwei Einsenkungen, von welchen jedoch die
auf der hinteren Schalenhälfte schärfer ausgeprägt ist, so dass
der Rücken mit einem zweikantigen Kiel versehen ist.
Eine linke Klappe aus dem festen Conglomerat im Hangenden
des Phosphoritknollenlagers von Zilly wurde von mir aufgelesen.
41. Inoceramus sp.
Aus dem »Emscher« von Zilly liegen einige unvollständige
Steinkerne vor, die möglicherweise zu einer bis jetzt unbekannten
Art gehören.
Dreiseitig, gewölbt; Wirbel schlank, scheinbar nicht gedreht.
Oberfläche mit gleichmässigen concentrisclien Falten bedeckt.
am nördlichen Harzrande.
415
42. Inoceramus Kleini n. sp.
Taf. XVIII, Fig. 1 a und 1 b.
Muschel ungleichseitig, gleichklappig, hoch gewölbt, eiförmig,
höher wie lang. Die vordere Seite gerade abgeschnitten. Die
spitzen, gedrehten Wirbel liegen ganz am vorderen Ende. Der
gewölbte Rücken setzt sich scharf gegen den kurzen Flügel ab.
Der Schlossrand bildet mit dem vorderen Rande einen rechten
Winkel. Die concentrischen, in der Achse nach dem unteren
Rande herabgezogenen Rippen sind mehr oder weniger stark ent-
wickelt, doch stets scharf und deutlich.
In der Zone des Avim. Margae der Spiegelsberge nicht
selten.
43. Inoceramus cardissoides Goldf.
1840. Inoceramus cardissoides Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 112, t. 110, f. 2.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 377 (pars).
1877. » » Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 274.
Auch hier schliesse ich mich Schlüter an, welcher Inoceramus
cardissoides von dem verwandten Inoceramus lobatus vorläufig noch
getrennt wissen will.
Die Art findet sich nur im untersten Senon. Ausser vom
Salzberg und Langenstein kenne ich Inoceramus cardissoides von
der Schanzenburg bei Heudeber, Anisberg bei Derenburg und
vom Börnkerberg bei Berssel.
44. Inoceramus sp. ?
Zwei Bruchstücke von rechten Klappen eines Inoceramus fand
ich im Mergel der Schanzenburg, welche anscheinend einer neuen
Art angehören. Dieselben sind jedoch nicht vollständig genug,
um eingehend beschrieben werden zu können.
Der Umriss scheint dreiseitig, der Unterrand abgerundet ge-
wesen zu sein. Der Wirbel ist schlank. Die Oberfläche des
Steinkerns ist mit regelmässigen, concentrischen Falten bedeckt.
45. Inoceramus lobatus Mstr.
1840. Inoceramus lobatus Münster in Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 113,
t. 1 10, f. 3.
» » Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 275, t. 39, f. 1,2.
1877.
416
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Vereinzelt im Salzbergmergel der Schanzenburg. Einige gute
Stücke vom Heidelberg bei Blankenburg verdanke ich der Güte
des Herrn Rittmeisters von Haenlein. Ein Exemplar von Ino-
ceramus lobatus sammelte ich am Hopfenberg bei Lochtum.
46. Inoceraimis firipsii Mant.
1S22. Inoceraimis Cripsii Mantell, Geol. of Sussex, p. 139, t. 27, f. 11.
1840. » planus Münster in Goldfuss, Petr. Germ. II, t. 113, f. 1.
1877. » Cripsii Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 277.
Aus der Zone des Arnm. Margae von Zilly ist mir ein
Exemplar bekannt, welches sich in der Sammlung des Herrn
Rittmeisters von Haenlein befindet. Aus dem Bahneinschnitt
bei Goslar liegen im Göttinger Museum einige gewölbte Formen,
die noch am besten mit den von Geinitz1) abgebildeten Exem-
plaren übereinstimmen und die ich deshalb als Inoceramus cf.
Cripsii anführe.
Inoceramus Cripsii findet sich dann, wenn auch nicht häufig,
am Salzberg und im gleichen Niveau am Fuss der Schanzenburg
bei Heudeber und bei Berssel. Sehr gewöhnlich ist die Muschel
im Quader, im Heimburggestein und in der Coeloptychienkreide,
z. B. bei Blankenburg, Derenburg, Butterberg bei Harzburg, Sud-
merberg, Lochtum, Biewende u. s. w.
47. jiioceramiis (Actinoceramus) fasciatus n. sp.
Tat. XVIII, Fig. 3.
Von dreiseitigem Umriss, wenig gewölbt, Wirbel nicht her-
vorragend. Der gebogene Unterrand bildet mit dem geraden
Vorderrande einen rechten Winkel. Nach hinten fällt die Schale
rechtwinklig ab. Vom stumpfen Wirbel aus strahlen etwa 15
mehr oder weniger scharfe, nach vorn schwach concave Rippen
büschelartig nach dem unteren Rande zu.
Demnach gehört Inoceramus fasciatus zu der von Meek2) auf-
gestellten Untergattung Actinoceramus , welcher von deutschen
Arten Inoceramu ssulcatus Park, des Gault und Inoceramus radians
Schlüt. aus dem Emscher angehören.
Ein Exemplar aus dem festen Sudmerberggestein liegt vor.
b Elbthalgeb. II, t. 13, f. 13 u. 15.
2) Invertebr. Cret. and Tert. foss. of Upper Missouri, p. 39.
am nördlichen Harzrande.
417
48. Ferna lanceolata Gein.
1842. Perna lanceolata Geinitz, Char. S. 80, t. 21, f. 18.
1843. » » d’Orbigny, Terr. cret. III, p. 498, t. 402, f. 1—3.
1846. » » Reuss, Böhm. Kreidef. II, S. 24, t. 32, f. 15, 21,
t. 33, f. 2; t. 37, f. 3, 4.
1871 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 210, t. 46, f. 8.
Schale lang eiförmig, schief, etwa doppelt so hoch wie breit,
schwach gewölbt. Der hintere und vordere Rand wenig gebogen,
der untere Rand spatelförmig abgerundet. In der Nähe der Wirbel
unregelmässige, concentrische Streifen. An den Steinkernen ist
ein grosser elliptischer Muskeleindruck sichtbar.
Am besten stimmen die vorliegenden Stücke mit der Geinitz-
schen (Elbthalgeb.) Beschreibung und Abbildung überein.
Häufig in der Zone des Amm. Margae der Spiegels- und Clus-
berge bei Halberstadt und des Löhofsberges bei Quedlinburg.
49. Modiola siliqiia Matheron.
1842. Modiola siliqua Matheron, Cat. meth. p. 178, t. 28, f. 5, 6.
1844. Mytilus » d’Orbigny, Terr. cret. III, p. 274, t. 339, f. 3, 4.
1850. » » Geinitz, Quad. Deutschi. S. 168, t. 10, f. 14.
1866. Modiola » Zittei,, Gosaubivalv. II, S. 5, t. 11, f. 3.
1871 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 215, t. 47, f. 3;
II, t. 13, f. 4.
Unter den citirten Abbildungen stimmen die von d’Orbigny
und Geinitz (Quadergeb.) am besten mit den vorliegenden Stücken
vom Salzberg und vom Radauufer nördlich Harzburg überein.
50. Modiola conceutrica Mstr. sp.
1840. Mytilus concentricus Münster in Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 178,
t. 138, f. 5.
1841. Modiola concentrica Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 67.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 374.
Die länglich ovale Schale ist etwa doppelt so lang wie hoch.
Von dem am Ende der abgerundeten Vorderseite liegenden, ein
wenig angeschwollenen Wirbel zieht sich ein gewölbter Rücken,
unter welchem eine schwache Furche liegt, nach der schräg nach
unten abgerundeten Hinterseite. Der gerade Schlossrand geht
bis zur Mitte der Länge. Die Oberfläche der Schalen ist mit
unregelmässigen, concentrischen Linien versehen.
Jahrbuch 1887,
27
418
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Von Modiola aequalis Sow. *), welche nach Zittel* 2) bis in
den oberen Pläner hinaufgeht, unterscheidet sich unsere Art durch
die verhältnissmässig höhere Vorderseite.
Modiola concentrica ist am Salzberg und an der Schanzenburg
ziemlich selten.
51. Modiola typica Forb. sp.
1846. Mytilus ( Modiola ) typicus Forbes, Geol. trans. II, ser. VII, p. 152,
t. 14, f. 4.
1866. Modiola typica Zittel, Gosaubivalv. II, S. 2, t. 11, f. 5.
1871. » » Stoliczka, Cret. Pelee. of S. Ind. p. 377, t. 23, f. 12
bis 15.
Die von den angeführten Autoren eingehend beschriebene
Art findet sich, wenn auch höchst selten, am Salzberg bei Qued-
linburg.
52. Modiola flagellifera Forb. sp.
1846. Mytilus ( Modiola ) flagelliferus Forbes, Geol. Trans. II, ser. VII,
p. 152, t. 16, f. 9.
1866. Modiola flagellifera Zittel, Gosaubivalv. II, S. 6, t. 12, f. 2.
1871. » » Stoliczka, Cret. Pelec. of S. Ind. p. 379,
t. 24, f. 1, 2.
1872 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 55, t. 15, f. 5.
Der von den Buckeln nach hinten verlaufende Kiel ist auf
den Exemplaren vom Salzberg weniger scharf als wie bei den
Gosauformen, und stimmen in dieser Beziehung die vorhandenen
Stücke mehr mit den von Stoliczka abgebildeten überein. Im
Uebrigen lässt die eigenartige Sculptur keinen Zweifel darüber
aufkommen, dass wir obige Art vor uns haben.
Der Habitus von Modiola flagellifera erinnert an Modiola pli-
cata Sow. aus dem Dogger und an Modiola Gillieroni Pict. und
Camp. 3) aus dem Valangien.
53. Modiola radiata Mstr. sp.
1840. Mytilus radiatus Münster in Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 178,
t. 128, f. 6.
1866. Modiola radiata Zittel, Gosaubivalv. II, S. 7, t. 12, f. 3.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 375.
!) Min. Conch. t. 210, f. 2.
2) Gosaubivalv. II, S. 5.
3) Pictet et Campiche, Pal. suisse, 4 ser., p. 503, t. 133, f. 9 — 10.
am nördlichen Harzrande.
419
Länge 40 Millimeter, grösste Höhe 16 Millimeter.
Schale länglich oval, etwas gebogen. Von dem nahezu end-
ständigen Wirbel verläuft nach dem abgerundeten Hinterrand ein
hoher Rücken, unter welchem eine Depression der Schale sichtbar
ist. Der gerade Schlossrand ist schräg nach oben gerichtet und
trifft mit dem gebogenen Hinterrand unter einem stumpfen Winkel
zusammen. Die ganze Oberfläche ist mit unregelmässigen , con-
centrischen An wachsstreifen bedeckt, die von der Depression zur
Höhe des Rückens sich zu Rippen verdicken. Ausserdem strahlen
vom Rücken zwei divergirende Systeme von gebogenen Rippen
aus , von denen die auf der oberen Hälfte den Rand etwa unter
einem rechten Winkel treffen und weit kräftiger hervortreten, wie
die auf der unteren. Die letzteren gehen nur bis zur Furche
herab und kreuzen sich hier mit den concentrischen Rippen, so
dass dieser Theil der Schale eine gitterförmige Verzierung erhält.
Selten am Salzberg, am Anisberg bei Derenburg und an der
Schanzenburg bei Heudeber.
54. Lithodomus cf. Sclieuchzeri Gutbier sp. bei Gein.
1871—75. Lithodomus Sclieuchzeri Geinitz, Elbthalgeb. 1, S. 219, t. 51,
f. 22, 23, 27-30.
Eine Colonie von Bohrmuscheln aus dem Horizont des Am-
monites Margae vom Bahneinschnitt bei Goslar, welche auf einer
Spongie festgewachsen ist, stimmt am besten mit den von Geinitz
beschriebenen Stücken überein.
55. Myoconeha discrepans Jos. Müller sp.
1847. Lithodomus ( Modiolina ) discrepans Müller, Monogr. Aach. Krdf. I,
S. 36, t. 2, f. 15.
1876. Myoconclia spathulata Geinitz b. Brauns, Salzbergm. S. 373, t. 9,
f. 11, 12 (excl. syn.).
1885. Modiolina discrepans Böhm, Grüns, von Aach. u. s. Mollskf. S. 89.
Böhm vereinigt die von Brauns als Myoconclia spathulata
Gein. bestimmte Art vom Salzberg mit Modiolina discrepans Müller.
Die stark verlängerte, schotenförmige, ungleichseitige Schale
stimmt mit Myoconclia discrepans um so mehr überein, als die von
27 *
420
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Brauns bei dieser angeführte »scharf begrenzte, vertiefte Lunula«
an tien Aachener Exemplaren nach Böhm nicht vorhanden ist.
Böhm beschreibt obige Art als Modiolina discrepans , indem
er Modiolina Müller als Untergattung zu Myoconcha festhält.
Als Gattungsmerkmal giebt Böhm einen »in Form einer Rinne
aufwärts gezogenen Zahn« an. Da mir leider keine Aachener
Schalen zur Verfügung stehen, und ich mir ein derartiges Schloss
nicht so ohne weiteres vorstellen kann, so folge ich vorläufig
Zittel1) und führe die von der Schanzenbnrg bei Heudeber und
vom Salzberg vorhandenen Stücke als Myoconcha discrepans an.
56. Pinna decussata Goldf.
1840. Pinna decussata Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 166, t. 128, f. 1,2.
» compressa ibid. S. 167, t. 128, f. 4.
1871—75. » decussata Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 211, t. 47, f . 4 , 5;
II, t. 15, f. 2, 5 und t. 16, f. 1.
1876. » diluviana Brauns, Salzbergm. S. 376 (pars).
Die von Brauns wieder aufgenommene Artbezeichnung Pinna
diluviana Schloth. ist nach Zittel zu verwerfen, weil die von
Schlotheim2) citirte Abbildung im WALCiüschen Petrefactenwerk
ein verwittertes Exemplar eines Inoceramus darstellt.
Pinna quadrangularis Göldf., welche von Brauns mit Pinna
decussata vereinigt ist, unterscheidet sich bestimmt dadurch, dass
unterhalb des Kiels nur Anwachsstreifen auftreten.
Pinna decussata kommt vor am Salzberg bei Quedlinburg, im
gleichen Niveau bei Berssel und am Radauufer nördlich Harzburg,
im Quader von Derenburg, am Butterberg bei Harzburg und am
Sudmerberg.
57. Pinna quadrangularis Goldf.
1840. Pinna quadrangularis Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 168, t. 127, f. 8.
1887. » » Frech, Zeitscbr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 39,
S. 158 (c. syn.).
Zwei Exemplare von der Schanzenburg bei Heudeber stimmen
gut mit den von Frech beschriebenen Suderoder Stücken überein.
l) Haudb. d. Palaeontol. II. Bd. S. 45.
3) Petrefact. S. 303.
am nördlichen Harzrande.
42]
58. Area undiilata Reuss.
1843. Area undulata Reuss, Geogn. Skizz. II, S. 195.
184G. Oucullaea » Reuss, Böhm. Kreidef. I, S. 12, t. 34, f, 33 und 39.
1876. Area » Brauns, Salzbergm. S. 384.
Da an keinem Steinkerne dieser Art das Schloss beobachtet
werden konnte, so ist eine genaue generische Bestimmung mir
zur Zeit unmöglich. Doch möchte ich mit Brauns die Art eher
zu der Untergattung Scapharea Gray als zu Trigonoarca Conr.
stellen, wie Stoliczka1) vorschlägt.
Area undulata findet sich als Steinkern erhalten sehr ver-
breitet im subhercynischen Senon. Die zur Bestimmung vorliegen-
den Exemplare stammen von der Schanzenburg bei Heudeber,
vom Börnkerberg bei Berssel, aus der Thongrube östlich Zilly,
vom Butterberg bei Harzburg, Hopfenberg bei Lochtum und vom
Hillerberg nördlich Osterwieck.
59. Area (Barbatia) striatula Reuss sp.
1843. Cucullaea striatula Reuss, Geogn. Skizz. II, S. 195.
1846. » » Reuss, Böhm. Kreidef. II, S. 12, t. 34, f. 28.
1850. Area » Geinitz, Quader Deutschi. S. 162.
Die ungleichseitigen, querovalen Schalen sind etwa doppelt
so lang wie hoch. Die niedrige Vorderseite ist abgerundet, während
die höhere Hinterseite schräg abgeschnitten erscheint. Die ein-
wärts gebogenen Wirbel liegen stark antemedian. Die Oberfläche
der Schalen ist mit feinen, engstehenden, concentrischen und
radialen Linien bedeckt, die jedoch an den Steinkernen nicht
leicht sichtbar sind. Am deutlichsten sind sie an den Stücken
von Berssel zu beobachten, da hier die Schale zum Theil mit-
erhalten ist.
Die Exemplare aus dem subhercynischen Senon werden be-
deutend grösser wie die böhmischen, zeigen aber sonst keine Ver-
schiedenheiten.
Stoliczka2) stellt Area striatula zu Barbatia Gray, welcher
sie allerdings äusserlich am meisten gleicht.
’) Cret. Pelecyp. of S. Ind. p. 344.
2) Cret. Pelecyp. of S. Ind. p. 344.
422
G. Müllek, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Häufig an der Sclianzenburg, bei Berssel und am Butterberg
bei Harzburg.
60 Area (Isoarca) hercyuica Brauns.
187G. Isoarca hercynica Brauns, Salzbergm. S. 382, t. 10, f. 15 — 17.
Da die aus dem Salzberggestein der Schanzenburg und des
Anisberges bei Derenburg gesammelten Exemplare zur Beschrei-
bung nicht genügend erhalten sind, so verweise ich auf die
BRAUNs’sche Beschreibung und Abbildung, nach welchen die ge-
sammelten Steinkernen leicht zu bestimmen sind.
61. Cucullaea (Trigonoarca) Gosaviensis Zittel.
1864. Cucullaea Gosaviensis Zittel, Gosaubivalv. I, S. 69, t. 10, f. 4.
Eine Muschel vom Salzberg stimmt mit Cucullaea Gosaviensis ,
wie ich durch Vergleichung mit Stücken aus der Gosau feststellen
konnte, vollkommen überein.
62. Cucullaea subglabra d’Orb.
1840. Cucullaea ylabra Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 149, t. 124, f. 1.
1841. » » Roemek, Nordd. Kreideg. S. 70 (non Sow. Min. Coneh.)
t. 67.
1850. » » Geinitz, Kieslingswalde, S. 14, t. 3, f. 5 — 7.
1850. » subglabra d’Orbigny, Prod. de Pal. p. 244.
1885. » » Böhm, Verb. d. naturh. Ver. f. Rkeinl. u. Westf.
Bd. 42, S. 92.
Mit Cucullaea subglabra aus dem Aachener Grünsand scheint
mein Material, welches fast ausschliesslich aus Steinkernen besteht,
genügend übereinzustimmen.
Brauns x) beschreibt vom Salzberg Cucullaea Matheroniana
d’Orb. Holzapfel * 2) führt in seiner neuesten Arbeit in einer
Liste beide Arten nebeneinander auf. Es ist immerhin möglich,
dass auch unter meinem Material sich Ctocullaea Matheroniana be-
findet, doch konnte ich bis jetzt unter den Steinkernen letztere Art
nicht herausfinden.
Cucullaea subglabra ist gefunden in der Zone des Amm.
Margae von Zilly, am Salzberg, bei Derenburg, an der Schanzen-
6 Salzbergmergel, S. 385.
2) Palaeontographica, Bd. 34, S. 38.
am nördlichen Harzrande.
423
bürg, im Quader von Derenburg (Teichberg) und am Butterberg
bei Harzburg.
63. Pectunculus dux J. Böhm.
1840. Pectunculus sublaevis Sowerby bei Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 160,
t. 126, f. 3.
1878. » lens Brauns, Salzbergm. S. 383.
1885. » dux Böhm, Verh. naturh. Ver. f. d. Rheinl. u. Westf.
Bd. 42, S. 93.
Diese in den senonen Ablagerungen am nördlichen Harzrande
in ungeheuerer Individuumzahl auftretende Muschel (bestehen doch
ganze Bänke des Quaders von Derenburg fast nur aus ihr) wird
von den älteren Autoren entweder als Pectunculus sublaevis Sow. J)
oder Pectunculus lens Nilss. 2) citirt. Da nun einerseits die Aachener
Form wie die hierherzuziehenden aus dem subhercynischen Senon
von der englischen Pectunculus sublaevis verschieden ist, und andrer-
seits Nilsson’s Abbildung und Text zu ungenügend sind, um
danach eine bestimmte Art wiedererkennen zu können, so war
Böhm’s Aufstellung einer neuen Art sehr berechtigt.
Im Salzbergmergel von Quedlinburg, Langenstein, von der
Schanzenburg, vom Anisberg bei Derenburg; ferner am Teichberg
bei Derenburg und am Butterberg bei Harzburg.
64. Pectunculus decussatus Roem.
1841. Pectunculus decussatus Roemer, Nordd. Kreideg. S. 69.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 383.
Einige Steinkerne aus dem Salzberggestein vom Anisberg bei
Derenburg liegen vor, die nach Brauns’ Beschreibung hierher-
zurechnen sind.
65. Leda producta Nilss. sp.
1827. Nucula producta Niusson, Petr. Suee. p. 16, t. 10, f. 5.
1846. » » Reuss, Böhm. Kreidef. II, S. 17, t. 34, f. 17 — 20.
1869. Leda » Favre, Moll. foss. de Lemb. p. 118, t. 12, f. 9 (c. syn.).
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 380. z. Th.?
Ich habe mich nicht überzeugen können, dass Leda tellinella
Reuss, Leda nana Roem. und Leda Hagenowi J. Müll., wie
Brauns annimmt, mit obiger Art ident sind und folge hier Favre.
') Min. Conch. t. 472, f. 5, 6.
'0 Petr. Suec. t. 5, f. 4.
424
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Leda producta ist häufig an der Schanzenburg, am Börnker-
berg bei Berssel, am Salzberg bei Quedlinburg, am Radauufer
nördlich Harzburg, am Butterberg bei Harzburg und am Hopfen-
berg bei Lochtum.
66. Trigonia Vaalsiensis J. Böhm.
1884. Trigonia Vaalsiensis J. Böhm, Verb. d. naturhist. Ver. f. Rheinl. u.
Westf. 1884, S. 55.
1885. » » Holzapfel, Zeitsehr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 456,
t. 6, f. 3 (c. syn.)
Diese Art wird von den älteren Autoren gewöhnlich als
Trigonia alata , Trigonia aliformis Park., Trigonia scahra Lam.
und Trigonia limbata d’Orb. angeführt. Die von mir am Salzberg
gesammelten Exemplare, welche z. Th. noch mit Schale erhalten
sind, lassen keinen Zweifel darüber bestehen, dass sie als Trigonia
Vaalsiensis zu bestimmen sind.
Ausser am Salzberg fand ich die Art in der Zone des Amm.
Margae der Spiegelsberge, im Salzberggestein der Schanzenburg,
am Anisberg bei Derenburg, am Radauufer nördlich Harzburg
und am Butterberg bei Harzburg.
67. Astarte (Eriphyla) lenticularis Goldf. sp.
1840. Lucina lenticularis Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 228, t. 146, f. 16.
1872—75.
Eriphyla »
Gehetz, Elbthalgeb. II, S. 62, t. 17, f. 1,2;
t. 18, f. 1,2.
1876.
» »
Brauns, Salzbergm. S. 367.
1884.
» »
Holzapfel, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges.
S. 458, t. 6, f. 1, 2.
1885.
Dozyia »
Böhm, Verh. d. naturh. Ver. f. Rheinl. u. Westf.
S. 126.
Der von Holzapfel gegebenen Artbeschreibung habe ich
nichts hinzuzufügen. Brauns führt die Art vom Salzberg und
von Langenstein an. Ich sammelte Eriphyla lenticularis in grosser
Zahl am Fuss der Schanzenburg bei Heudeber.
68. Crassatella arcacea Roem.
1841. Crassatella arcacea Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 74, t. 9, f. 24.
1876. » • » Brauns, Salzbergm. S. 372.
1885. » » Böhm, Verh. d. naturhist. Ver. f. Rheinl. u. Westf.
S. 108 (c. syn.).
am nördlichen Harzrande.
425
Crassatella arcacea ist in der subhercynischen Kreide sehr
verbreitet. So kenne ich die Art aus dem »Emscher« der Spiegels-
berge und von Zilly, aus dem Salzberghorizont von Derenburg,
von der Schanzenburg und vom Radauufer bei Harzburg, ferner
aus dem Quader des Teichbergs bei Derenburg.
69. Radiolites subliercynicns Ewald sp.
1856. Biradiolites subhercynicus Ewald, Monatsber. der Königl. Akad. der
Wissensch. zu Berlin, S. 596.
1866. Radiolites Gosae Roemer, Paläontogr. XIII, S. 193.
Da Ewald, die Art hinlänglich beschrieben hat, so dürfte sein
Name der RoEMER’schen Bezeichnung vorzuziehen sein. Im
Göttinger Museum sind 8 Stück dieser Rudistenart vorhanden,
welche jetzt nur noch selten am Sudmerberg gefunden wird.
1831.
1864.
1871.
1876.
1884.
70. Cardium productum Sow.
Cardium productum Sowerbt, Trans. Geol. Soc. III, p. 417, t. 39, f. 15.
» » Zittel, Gosaubiv. I, S. 37, t. 6, f. 1 (cum syn.).
» » Stoliczka, Cret. Pelecyp. of S. Ind. p. 217, t. 11,
f. 15, 16.
»
»
» Brauns, Salzbergm. S. 371.
» Holzappel, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 461,
t. 6, f. 4 — 6 (cum syn.).
Diese Muschel findet sich in den senonen Ablagerungen am
Harzrande nicht gerade selten. Doch liegen nur Steinkerne vor, so
dass es unmöglich ist, zu bestätigen, dass Cardium 'productum und
Cardium tubuliforme zusämmenfallen, wie Holzapfel nachzuweisen
sucht. Ausser vom Salzberg und Langenstein ist mir obige Art
bekannt von der Schanzenburg und vom Butterberg bei Harzburg.
Aus dem »Emscher« von Zilly standen mir zwei Exemplare zur
Verfügung.
71. Cardium alutaceum Goldf.
1834 Cardium alutaceum Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 220, t. 144, f. 5.
1875. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 65, t. 18, f. 6, 7.
1887. » » Frech, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 162,
t. 12, f. 16.
Schale eiförmig, bauchig gewölbt, fast gleichseitig. Wirbel
dick, mittelständig. Radial verlaufende, durch schmälere Rinnen
von einander getrennte, gleichmässige Rippen.
426 G. Müller, Beitrag zur Kermtniss der oberen Kreide
Leider ist, wie bei allen vorliegenden Cardien, auch bei Car-
dium alutaceum die Schale nie erhalten. Am besten stimmen die
vorhandenen Stücke mit Geinitz (a. a. 0. t. 18, f. 6) überein.
Nicht selten an der Schanzenburg, am Börnkerberg bei Berssel
und am Anisberg bei Derenburg.
72. Cartliiim deforme Gein.
1875. Cardium deforme Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 64, t. 18, f. 8.
Schale länglich oval, hoch gewölbt, mit einem der hinteren
Seite genäherten Längskiele versehen, von dem die Schale nach
dem vorderen Rande gewölbt, nach dem Hinterrande fast senk-
recht abfällt. Die mittelständigen, hervorragenden Wirbel er-
scheinen eingerollt. Von dem Wirbel ausstrahlende Linien be-
decken die Oberfläche der Schalen.
Die von mir an der Schanzenburg gesammelten Steinkerne
stimmen gut mit der von Geinitz gegebenen Abbildung überein.
73. Cardium Öttoi Gein.
1843. Cardium Ottonis Geinitz, Kieslingsw. S. 14, t. 1, f. 31, 32.
1850. » Ottoi » Quadergeb. Deutschi. S. 154.
Der Umriss der Schale gerundet, ein wenig schief. Der ge-
wölbte, fast mediane Buckel niedergebogen. Die Hinterseite fällt
steiler ab wie die Vorderseite. Die Oberfläche der Schale ist mit
gerundeten Rippen versehen, welche durch gleich grosse Zwischen-
räume von einander getrennt sind.
Im Quader des Butterbergs selten.
74. Isocardia cretacea Goldf.
1840. Isocardia cretacea Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 211, t. 141, f. 1.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 370.
Bauchig, gleichmässig gewölbt. Der Umriss der Muschel ist
ovalkreisförmig, die median liegenden hohen, dicken Buckel sind
eingerollt und gegen einander geneigt.
Nach Brauns am Salzberg und bei Langenstein, im gleichen
Niveau an der Schanzenburg bei Heudeber, jedoch überall selten.
am nördlichen Harzrande.
427
75. Tapes (Baroda) elliptica Roem. sp.
1841. Venus elliptica Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 72.
1876. Tapes » Brauns, Salzbergm. S. 366.
Steinkern elliptisch, schwach gewölbt; vorn kurz und zu-
gespitzt; hinten lang, stumpf abgerundet. Wirbel wenig hervor-
ragend. Oberfläche mit feinen, concentrischen Streifen bedeckt.
Tapes fragilis d’Orb. x), welcher von Brauns mit Tapes elliptica
vereinigt wird, unterscheidet sich durch die abgerundet vierseitige
Gestalt. Selten im Salzbergmergel des Anisberges bei Deren-
burg und nach Brauns bei Langenstein.
76. Venus Goldfussi Gein.
1849. Venus Goldfussi Geinitz, Quadergeb. Deutsch. S. 154, t. 10, f. 7, 8.
1872 — 75. » » » Elbthalgebirge II, S. 67, t. 18, f. 16
(cum syn.).
Ein Steinkern aus dem Emscher von Zilly stimmt vollkommen
mit der Beschreibung und Zeichnung von Geinitz, ist nur etwas
grösser, als wie Geinitz es als Regel angiebt.
Ob Venus Golcl/ussi wirklich zu Eriphyla gehört, wieSTOLiCZKA2)
muthmaasst, konnte auf Grund des einen Steinkerns nicht ent-
schieden werden.
77. Cytherea ovalis Goldf. sp.
1840. Venus ovalis Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 247, t. 151, f. 5.
1884. Cytherea ovalis Holzapfel, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 464,
t. 7, f. 2 — 4 (cum syn.).
Die schwach querovale, flach gewölbte, mit feinen, con-
centrischen Linien versehene Art hat einen wenig vor der Mitte
gelegenen Wirbel.
Brauns 3) führt von Veneriden vom Salzberg und von Langen-
stein ausser Cytherea plana Sow. noch Venus fabacea Roem. an
und vereinigt Venus ovalis Goldf. = Venus fabacea Roem. mit
Venus ( Cyprimeria ) faba Sow. Die von Zilly, vom Salzberg,
von der Schanzenburg, vom Anisberg bei Derenburg, von Berssel,
') Terr. cret. III, p. 446, t. 385, f. 11, 12.
2) Cret. Pelec. of S. Ind. p. 162.
3) Salzbergm. S. 367.
428 G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
vom Radauufer nördlich Harzburg uud vom Butterberg bei Harz-
burg vorliegenden Exemplare, obwohl zumeist nur als Steinkerne
erhalten, sind trotzdem nicht schwer von Cyprimeria faba Sow.
zu trennen, da Cytherea ovalis weniger seitlich verlängert und mit
mehr in der Mitte liegendem Wirbel versehen ist, als Cyprimeria
faba. Ausserdem beträgt nach Holzapfel bei Cytherea ovalis das
Verhältniss der Höhe zur Breite durchschnittlich 100 : 118, während
es bei Cyprimeria faba etwa 100:133 ist.
78. Cyprimeria faba Sow. sp.
1829. Venus faba Sowerby, Min. Conch. t. 567, f. 3.
1884. Cyprimeria faba Holzapfel, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 467,
t. VII, f. 1 (cum syn.).
Cyprimeria faba ist am Salzberg weniger häufig als wie die
vorhergehende Art, während im Salzberggestein von Derenburg
und der Schanzenburg Cytherea ovalis an Zahl der Individuen be-
deutend übertrifft. Ausserdem findet sich Cyprimeria faba am
Börnkerberg bei Berssel, am Radauufer bei Harzburg, am Butter-
berg bei Harzburg und im Quader des Teichberges bei Deren-
burg. Ein Exemplar fand ich im Niveau des Amm. Margae der
Spiegelsberge bei Halberstadt.
79. Tellina Renauxii Math.
1842. Tellina Renauxii Matheron, Cath. meth. p. 143, t. 13, f. 4.
1844. » » d’Orbigny, Terr. cret. III, p. 421, t. 380, f. 6 — 8.
Muschel quer verlängert, wenig gewölbt, ungleichseitig, glatt.
Der Wirbel nahezu mittelständig, ein wenig vor der Mitte. Vorder-
seite gerundet, hintere Seite zugespitzt, mit einer vom Wirbel bis
zum Hinterrande verlaufenden Kante. Der untere Rand wenig
gebogen. Die zur Beschreibung vorliegenden Stücke aus dem
Salzbergmergel des Anisberges bei Derenburg stimmen gut mit
d’Orbigny’s Abbildung überein.
Ob Tellina Renauxii wirklich zur Untergattung Tellinella Gray
gehört, wie Stoliczka *) annimmt, konnte ich nach den Stein-
kernen nicht entscheiden.
*) Cret. Pelec. of S. Ind. p. 123.
am nördlichen Harzrande.
429
80. Tellina strigata Goldfuss.
1840. Tellina strigata Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 235, t. 147, f. 18.
1885. » » Böhm, Verb, naturhist. Ver. f. Rhein), u. Westf. S. 131.
Die hierher gehörenden Steinkerne vom Salzberg und von
der Schanzenburg stimmen gut mit der GoLDFUSS’schen Abbildung
und den Von Aachen zu Gebote stehenden Stücken überein. Tellina
strigata gehört nach Stoliczka ]) zur Untergattung Palaeomoera.
81. Tellina (Linearia) suMecnssata Roem.
1841. Tellina subdecussata Roemer, Nordd. Kreideb. S. 74, t. 9, f. 20.
1849. » » Gf.initz, Quad. Deutschi. S. 150 (z. Th.).
1864. Arcopagia semiradiata Zittel, Gosaubiv. S. 14, t. 2, f. 9 (c. syn.).
1876. Capsula subdecussata Brauns, Salzbergm. S. 364.
Schalen gleichklappig, flach, länglich oval, vorn ein wenig
niedriger wie hinten, mit concentriscben Falten bedeckt. Auf dem
hinteren Theile der Schale werden die concentrischen Rippen durch
feine Radialrippen gekreuzt, wodurch eine gitterförmige Verzierung
hervorgebracht wird. Die Zahl der Radialrippen wird von Roemer
und Brauns auf 8 angegeben. Unter der Lupe konnte ich an
Stücken von der Schanzenburg, die zum Theil die Sculptur noch
recht scharf zeigen, beobachten, dass in der Nähe des nahezu
median liegenden, wenig erhabenen Wirbels die radiale Berippung,
wenn auch nach vorn feiner und gedrängter werdend, sich über
die ganze Schale fortsetzt. Jugendexemplare sind daher ganz mit
feiner gittex-iger Sculptur versehen. Im Alter verschwinden die
Radialrippen dem hinteren Rande zu allmählich, bis zuletzt nur
noch etwa 8 sich bis zum unteren Rande fortsetzen. Die con-
centrischen, ziemlich scharfen Rippen sind durch circa 1 Milli-
meter breite Zwischenräume von einander getrennt.
Linearia ( Arcopagia ) semiradiata Math.* 2) = Linearia radiata
d’Orb. 3) steht unserer Ax’t so nahe, dass die von Geinitz4) vox'-
geschlagene Vei’einigung berechtigt erscheint.
') a. a. 0. p. 116.
2) Cath. meth. p. 153, t. 15, f. 6.
3) Terr. cret. III, p. 412, t. 378, f. 11 — 13.
4) Elbthalgeb. I, S. 232.
430
G. Müller, Beitrag zur Keuntniss der oberen Kreide
Ob Tellina inaequalis Sow. x), welche den äusseren Umrissen
nach allerdings sehr nahe steht, mit Linearia subdecussata zu ver-
einigen ist, kann ich nach Sowerby’s Text und Abbildung nicht
entscheiden.
Was die generische Bestimmung anbelangt, so stellen d’Or-
bigny* 2), PiCTET und Campiche 3) und Stoliczka4) obige Species
zur Gattung Arcopagia Brown, deren Arten von Meek 5) zum
grössten Theil der Gattung Linearia Conr. zugewiesen werden.
Zittel 6), dem ich hier folge, betrachtet Arcopagia bei D Orbigny
u. a. als synonym mit Linearia Conr. und stellt Arcopagia semi-
radiata Math, zu Linearia.
Bei Brauns finden wir Tellina ( Linearia ) subdecussata als Cap-
sula subdecussata aufgeführt. Capsula Schum, deckt sich nach
Zittel mit Asapkis Modeer, und da Brauns wahrscheinlich
auch blos Steinkerne Vorgelegen haben werden, so scheint mir
seine generische Bestimmung um so weniger festzuhalten sein, als
unsere Art äusserlich die Merkmale von Linearia besitzt.
82. Tellina (Linearia) costulata Goldf.
1840. Tellina costulata Goldfuss, Petr. Germ. II., S. 235, t. 147, f. 19.
1885. Linearia » J. Böhm, Verb. d. naturh. Ver. f. Rheinl. u. Westf.
S. 133 (c. syn.).
Brauns 7) stellt diese Art gleichfalls zur Gattung Capsula
Schum. , wozu ihn wohl die radiale Berippung veranlasst hat.
Wegen der an Aachener Exemplaren sichtbaren Seitenzähne wurde
von Zittel 8) die Muschel Linearia Conr. zugewiesen.
Die von mir am Salzbei'g und am Anisberg bei Derenburg
gesammelten Stücke stimmen mit Exemplaren von Vaels gut
überein.
x) Min. Conch. t. 456, f. 2.
2) Prod. de Pal. II, p. 235.
3) Materiaux p. 1. paleont. suisse III, p. 144.
4) Cret. Pelec. of S. Ind. p. 124.
s) Report on the invert. cret. and ter. foss. of the Up. Miss. Country p. 196.
6) Handbuch d. Pal. II, S. 116.
7) Salzbergm. S. 364.
8) Handbuch d. Palaeont. II, S. 116.
am nördlichen Harzrande.
431
83. Siliqna concentristriata n. sp.
Taf. XVIII, Fig. 5.
Länge: 45 Millimeter, Höhe: 15 Millimeter.
Die vorliegenden Steinkerne sind stark quer verlängerte,
klaffende, mit concentrischen Linien bedeckte Formen. Die ein
Viertel der Länge einnehmende Vorderseite ist etwas verschmälert
und gerundeter wie die längere Analseite, welche fast rechtwinklig
abgestumpft erscheint. Vom Wirbel verläuft schräg nach hinten
dem unteren Rande zu eine tiefe Furche als Abdruck der Wirbel-
leiste, welche dem Unterrand der Schale sich bis ein Drittel der
Höhe nähert.
Siliqua truncatula ReüSS1) und Siliqua Moreana d’Orbigny 2)
unterscheiden sich durch die senkrecht herablaufende Leiste.
Die ähnliche Siliqua Petersi ReüSS3 4) hat eine glatte Schale.
Siliqua limata StolA) ist niedriger.
Häufig im Salzbergmergel der Schanzenburg bei Heudeber,
ferner am Anisberg bei Derenburg und am Butterberg bei Harzburg.
84. Siliqua sinuosa n. sp.
Taf. XVIII, Fig. 6.
Länge: 35 Millimeter, Höhe: 12 Millimeter.
Steinkern stark quer verlängert, ungleichseitig, gleichschalig,
abgerundet vierseitig, klaffend, vorn abgerundet, hinten abgestumpft.
Wirbel sehr klein, weit nach vorn gelegen, am Ende des ersten
Viertels der Schalenlänge. Die beinahe senkrechte, starke Schalen-
leiste nähert sich bis auf der Höhe dem unteren, dem Schloss-
rande parallelen Rande. Die Oberfläche ist mit feinen con-
centrischen Linien bedeckt, die jedoch nur auf dem hinteren
Theile der Schale schärfer hervortreten. Charakteristisch für
Siliqua sinuosa ist die doppelte Eindrückung des vorderen Schalen-
theils, wodurch sie sich von allen anderen zur Zeit bekannten
Arten leicht unterscheidet.
Selten im Salzbergmergel der Schanzenburg bei Heudeber.
*) Böhm. Kreide f. n, S. 17, t. 26, f. 13, 16, 17.
2) Terr. cret. III, p. 324, t. 350, f. 8 — 10.
3) Cliar. Kr. Ost. Alp. S. 145, t. 28, f. 10 u. Zittel, Gosaub. S. 5, t. 1, f. 3,
4) Cret. Pelee. of p. Ind. p. 101, t. 1, f. 12, 13.
432
Gr. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
85. Glycimeris gurgitis Brongn. sp.
1822. Lutraria gurgitis Brongniart, Descr. des env. de Paris, p. 97, t. 9,
f. 15.
1872—75. Paiiopaea » Gf.initz, Geol. d. Elbthalgeb. II, S. 68, t. 19,
f. 1, 2.
Die Gestalt von Glycimeris gurgitis ist mannigfachen Form-
veränderungen unterworfen. Das Verhältniss der Längen- und
Höhemnaasse wechselt, jedoch gilt die Regel, dass die quer ver-
längerte, gleichklappige , weitklaflende Muschel hinten höher, wie
vorn ist. Die Oberfläche ist mit concentrischen Falten bedeckt,
welche am hinteren Rande unter stumpfen Winkeln umbiegen;
diese sind durch eine schwach angedeutete Furche getheilt, welche
sich von der hinteren Seite des Wirbels nach der hinteren Ecke
des UnterraDdes der Schale hinüberzieht. Der Vorderrand ist ab-
gerundet, während der hintere Rand mit dem unteren Schalrande
einen stumpfen Winkel bildet.
Die von Geinitz vorgenommene Vereinigung von Panopaea
plicata Golde.1) und Panopaea Goldfussi d’Orbigny2) scheint mir
richtig und die von Stoliczka 3) vorgeschlagene Aufstellung einer
neuen Art für GoldfüSS ’ Panopaea plicata, d’Orbigny’s4) und
Reuss’ 5) Panopaea gurgitis nach dem mir zur Beschreibung vor-
liegenden Material unthunlich zu sein.
Glycimeris gurgitis fand ich am Löhofsberg bei Quedlinburg
und an den Spiegelsbergen bei Halberstadt, bei Zilly, am Salzberg,
an der Schanzenburg bei Heudeber (über 40 Stück), am Anisberg
bei Derenburg, am Sudmerberg' und am Butterberg bei Harzburg.
86. Glycimeris mandibula Sow. sp.
1813. Mya mandibula Sowerby, Min. Couch. t. 43.
1840. Panopaea Beaumontii Münster bei Goldf., Petr. Germ. II, S. 274,
t. 158, f. 4.
1841. » lugleri Roemer, Norddeutsch. Kreidegeb. S. 75, t. 10, f. 4.
1847. » mandibula iüOrbigny, Terr. cret. III, p. 344, t. 360, f. 3, 4.
1871 — 75. » » Geinitz, Geol. d. Elbthalgeb. I, S. 70, t. 18,
f. 20, 21.
b Petr. Germ. II, S. 274, t. 158, f. 5.
b Prodr. de Pal. II, p. 157 u. 233.
3) Cret. Pelec. of S. Ind. p. 87.
4) Terr. cret. III, t. 361, f. 1.
5) Böhm. Kreidef. II, S. 17, t. 36, f. 3.
am nördlichen Harzrande.
433
Die rhomboidale, hinten weit klaffende Muschel unterscheidet
sich von der vorigen Art durch die geringe Differenz der Höhen-
und Längenmaasse (Länge: 45 Millimeter, Höhe: 42 Millimeter,
während bei der vorhergehenden Art die Länge durchschnittlich
50 Millimeter und die Höhe 35 Millimeter betrug). Die wulstigen,
concentrischen Runzeln biegen sich dem entsprechend früher um
als bei Glycimeris gurgitis. Die schlanken, spitzen Wirbel liegen
vor der Mitte. Auch hier verläuft eine Furche nach hinten herab,
welche den hohen gewölbten Rücken begrenzt.
Am besten stimmen die Stücke von der Schanzenburg und
dem Radauufer nördlich Harzburg mit d’Örbigny’s und Goldfuss’
Abbildungen überein.
87. Plioladomya Esmarkii Nilss. sp.
1827. Cardita Esmarkii Nii.sson, Petr. Suec. p. 17, t. 5, f. 8.
1875. Plioladomya Esmarkii Moesch, Abhandl. d. Schweiz, pal. Ges. Bd. II,
S. 101, t. 83, f. 7 u. t. 34, f. 5.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 360.
Zwei defecte Steinkerne von der Schanzenburg stimmen mit
einem wohl erhaltenen Exemplare vom Salzberg so gut überein,
dass ich nicht anstehe, dieselben als obige Art anzusprechen.
Vor allem weisen die durch runzelige Längsstreifen schwach
höckrig gewordenen radialen Rippen, und der ganz vorn gelegene
Wirbel darauf hin, dass wir Plioladomya Esmarkii vor uns haben.
Brauns führt die Art noch von Langenstein an.
88. Plioladomya nodulifera Mstr.
1840. Plioladomya nodulifera Münster in Goldf. Petr.Germ.il, S. 273,
t. 158, f. 2.
1875. » » Moesch, Abhandl. d. Schweiz, pal. Ges.
Bd. II, S. 103, t. 34, f. 2 (c. syn.).
1872—75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 70, t. 19, f. 5.
1876. » elliptica Brauns, Salzbergm. S. 360, z. Theil?
Steinkern oval, bauchig ungleichseitig. Von dem weit nach
vorn liegenden Wirbel strahlen 14 starke, radiale Rippen aus,
welche durch concentrische Anwachsrunzeln kräftige Knoten er-
halten. Der obere Theil des vorderen und hinteren Randes ist
Jahrbuch 1887,
28
434
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
davon befreit. In der Seulptur ist Pholadomya nodulifera ähnlich
der gleichaltrigen Pholadomya elliptica , unterscheidet sich jedoch
von letzterer Art durch die im Verhältniss zur Länge geringere
Höhe. Ein am Wirbel abgeriebener, aber sonst noch die Seulptur
gut zeigender Steinkern von der Schanzenburg bei Heudeber
stimmt am besten mit den von Moesch abgebildeten Formen
überein.
89. Goniomya designata Goldf. sp.
1840. Lysianassa designata Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 264, t. 154, f. 13.
1841. Goniomya consignata Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 75, t. 10, f. 3.
1872 — 75. » designata Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 71, t. 19, f. 8.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 361.
Diese leicht erkennbare Art findet sich am nördlichen Harz-
rande häufig. So kenne ich Goniomya designata vom Salzberg, von
Langenstein, vom Anisberg bei Derenburg, von der Schanzenburg,
vom Sudmerberg und vom Butterberg bei Harzburg.
90. Goniomya Sterni n. sp.
Taf. XVIII, Fig. 4 a u. 4 b.
Länge: 72,5 Millimeter, Höhe: vorn 27 Millimeter, hinten
32 Millimeter.
Diese Muschel ist quer verlängert, bauchig, sehr ungleich-
seitig, vorn niedriger wie hinten, stark klaffend, gleichklappig.
Vorn und hinten abgerundet, Unterrand gerade, hinter den Wirbeln
eine schwache Einbiegung des Schlossrandes. Die niederen, ein
wenig; hinter dem Ende des ersten Viertheiles der Schale liegen-
den Wirbel sind vorn übergebogen und berühren sich. Die Ober-
fläche ist mit convergirenden Rippen verziert, jedoch ist die Spitze
der Winkel durch eine Querrippe abgeschnitten, ähnlich wie bei
Goniomya rhombifera Goldf. aus dem oberen Lias. Die von vorn
kommenden Rippen erreichen aber nur in der Jugend die Quer-
rippen, wodurch ein blos von unregelmässigen, feinen concentrischen
Anwachsstreifen bedecktes, dreiseitiges Feld frei bleibt. Ausser-
dem muss die Schale mit sehr feinen, radialen Körnchenreihen
versehen gewesen sein, die noch stellenweise, auch schon mit un-
bewaffnetem Auge, bemerkbar sind.
am nördlichen Harzrande.
435
Selten im Unter-Senon der Schanzenburg und des Butterbergs
bei Harzburg.
91. Anatina concentrica n. sp.
Tat. XVIII, Fig. 7 a u. 7 b.
Steinkern quer verlängert, ungleichseitig, vorn abgerundet;
hinten verschmälert sich die Muschel und klafft. Von dem schwach
hervortretenden Wirbel verläuft nach hinten eine Falte, über wel-
cher die. Schale etwas eingedrückt erscheint. Die Oberfläche ist
concentrisch gefurcht und mit schon mit blossem Auge sichtbaren,
radialverlaufenden, dichtgedrängten Punktreihen versehen.
Von der verwandten Anatina producta Zitt. 1 ) unterscheidet
sich unsere Art durch eine vom Buckel aus sich allmählich ver-
stärkende, schräg nach unten ziehende Eindrückung.
Anatina concentrica liegt in zwei Exemplaren vom Sudmerberg
bei Goslar vor.
92. Liopistha aequivalvis Goldf. sp.
1840. Corbula aequivalvis Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 250, t. 151, f. 15.
1884. Liopistlia » Holzapfel, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 471,
t. 6, f. 3.
1887. » » Frech, ib. S. 172.
Diese von den meisten Autoren zu Pholadomya gestellte Art
ist neuerdings von Holzapfel und Böhm zu der von Meek
geschaffenen Gattung Liopistha gestellt worden, wie dies auch
schon von Meek selbst als wahrscheinlich angedeutet war. Die
in der Quedlinburger Gegend so gewöhnliche Muschel findet sich
an der Schanzenburg nicht sehr häufig, ebenso kenne ich dieselbe
von Harzburg und Derenburg nur in einigen Exemplaren. An
den Spiegelsbergen fand ich Liopistha aequivalvis einmal.
93. Mactra angulata Sow.
1850. Mactra angulata Sow. bei Geinitz, Quadergeb. Deutselil. S. 148, t. 10,
f. 5, 6.
Dieser Steinkern ist dreiseitig, glatt, hinten mit einer scharfen
Kante versehen, vorn schwach eingedrückt, der Unterrand gerundet,
Wirbel spitz.
9 Gosaubivalv. I, S. 10, t. 1 , f. 6.
28*
436
G. Mü ller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Das aus dem Salzbergmergel von Derenburg stammende Stück
stimmt völlig mit den von Geinitz gegebenen Bildern überein.
94. Corbulamella striatula Golde.
1S40. Corbula striatula Goldfuss, Petr. Germ. II, S. 251, t. 151, f. 16.
1885. Corbulamella striatula J. Böhm, Verh. d. naturhist. Ver. f. Rheinland
und Westf. S. 144.
1887. » » Frech, Zeitschr. d. Deutsch, geolog. Ges. S. 173,
1. 12, f. 5 — 8.
Die von mir im Salzbergmergel der Schanzenburg und am
Anisberg östlich Derenburg gesammelten Stücke sind nur als
Steinkerne erhalten. Dieselben zeigen sämmtlich eine vom Wirbel
nach hinten verlaufende schwache Vertiefung, welche wohl als der
Abdruck des von Meek und IIayden beschriebenen, den hinteren
Sehliessmuskel tragenden Plättchens zu deuten ist. Die quer-
ovale, sehr ungleichseitige Schale ist nach dem unteren Rande
zu mit concentrischen Rippen bedeckt, welche nach dem Wirbel
hin zu feinen Streifen werden. Die auf den Suderoder Exem-
plaren vorhandene, radiale Streifung ist auf den vorliegenden
nicht zu sehen, obwohl sonst die Versteinerungen aus dein
Mergel der Schanzenburg häufig noch sehr scharfe Sculptur
zu zeigen pflegen. Doch hebt sich der stark gerippte, untere
Abschnitt der Schale scharf gegen die darüber beginnende, cou-
centrische Streifung ab, ebenso wie bei Corbulamella striatula von
Suderode die obere, fein concentrisch und radial gestreifte Partie
deutlich gegen den mit wulstigen Rippen versehenen Theil der
Schale absticht. Die grösste Uebereinstimmung haben die von
mir bestimmten Stücke mit den von Müller x) beschriebenen
Formen, doch übertreffen sie die Suderoder und Aachener Stücke
an Grösse nicht unbedeutend. Die durchschnittliche Länge betrug
13 Millimeter, die Höhe 8 Millimeter.
95. (jastrochaeua Amphisbaeiia Goldf.
1833. Serpula Ampkisbaena Goldfuss, Petr. Germ. S. 239, t. 70, f. 16.
1843. Fistulana » Geinitz, Kieslingsw. S. 11, t. 4, f. 11 — 14.
1871—75. Gastrochaena » » Elbthalgeb. I, S. 235, t. 52, f. 8 — 12.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 358.
l) Aach. Kreidet. I, S. 25, t. 2, f. 8.
am nördlichen Harzrande.
437
Diese meist als Serpula beschriebene Muschel findet sich ver-
einzelt im »Emscher« von Zilly. Brauns führt sie vom Salzberg
und Langenstein an.
Gastropoda.
96. Pleurotomaria linearis Mant. sp.
1822. Trochus linearis Mantell, Geology of Snssex, p. 1 10, t. 1 8, f. 16, 17.
1872 — 75. Pleurotomaria linearis Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 165, t. 29, f. 10.
1876. » » Bkauns, Salzbergm. S. 356, z. Th.
Von dieser variablen Art liegen 6 Exemplare aus dem Emscher
von Zilly vor, die am besten mit Pleurotomaria velata Goldf. *)
und Pleurotomaria granulifera Goldf.* 2) übereinstimmen. Im Salz-
bergmergel von Quedlinburg ist die Art nach Brauns selten, noch
seltener bei Langenstein.
97. Pleurotomaria sp.
Einige Steinkerne aus dem Salzberggestein der Schanzenburg
bei Heudeber erinnern im Habitus an Margarita ( Soraiella ) glabra
Jos. Müll. Doch ist ausser dem deutlich wahrnehmbaren Schlitz-
band und feiner Spiralstreifung keine Sculptur vorhanden und
zudem die Erhaltung so schlecht, dass eine genauere Bestimmung
ausgeschlossen ist.
98. Turbo cf. qoadricinctus Jos. Müll.
1851. Turbo quadricinctus Jos. Müller, Monogr. d. Aach. Kreidef. S. 43,
t. 5, f. 7.
Steinkern niedrig, kreiselförmig. Die schwach gewölbten
Umgänge (nach Müller 5 an der Zahl) tragen vier stark ge-
körnte Spiralgürtel. An dem einzigen vorhandenen Exemplar aus
dem Thone im Hangenden des Phosphoritknollenlagers von Zilly,
von dem nur die beiden letzten Windungen erhalten sind, bemerkt
*) Petr. Germ. III, S. 75, t. 187, f. 2.
2) ibid. t. 187, f. 3.
438
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
man einen gleichfalls gekörnten Nahtsaum. Weitere Verschieden-
heiten konnten nicht ermittelt werden.
99. Troclius Nilssoni Mstr.
1842. Trockus Nilssoni Münster bei Golde., Petr. Germ. III, S. 58, t. 181, f. G.
1850. » » Geinitz, Quadergeb. Deutsch! S. 132.
Gehäuse kegelförmig. Die 5 bis 6 runden Windungen sind
durch tiefe Nähte von einander getrennt. Die Oberfläche der
Umgänge ist mit drei Gürteln von spitzen Höckern verziert, von
denen je 20 bis 25 auf eine Windung kommen.
15 Stück wurden von mir im Mergel der Schanzenburp; bei
Heudeber gesammelt.
100. Troclius planatus Roem.
1841. Troclius planatus Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 81, t. 12, f. 8.
1850. » » Geinitz, Quadergeb. Deutsch!. S. 132.
Dieser niedrige, kegelförmige Troclius besteht aus vier flachen
Windungen, welche über die scharfen Nähte ein wenig hinüber-
ragen. Auf der Schale sieht man zwei spiralige Knoteureihen.
Die flache Basis ist ebenfalls mit Knötchen besetzt. Der Nabel
ist weit.
Sechs Exemplare von Trockus planatus sammelte ich im Salz-
bergmergel der Schanzenburg bei Heudeber.
101. Troclius tricarinatus Roem. sp.
1841. Trockus tricarinatus Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 81, t. 12, f. 3 — 6.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S 355.
Ich folge hier noch Brauns und lasse es unentschieden, ob
Trockus plicato -carinatus Goldf. *) und Trockus tuberculato-cinctus
Goldf. 2) in der Tbat so scharf von einander zu trennen sind,
wie Favre s) annimmt, und Trockus tricarinatus Roemer bei diesen
Arten unterzubringen ist.
Im Horizont des Anim. Mcirgae von Zilly, am Salzberge und
bei Langenstein. Jedoch überall nur selten.
0 Petr. Germ. III, S. 59, t. 181, f. 11.
2) ibid. t. 181, f. 12.
3) Kreide v. Lemberg S. 54 u. 62.
am nördlichen Harzrande.
439
102. Nerita (Otostoma) rugosa Hoeningh sp.
1830- Natica rugosa Hoeninqhaus, Jahrb. f. Min. S. 467.
1841. » » Eoemer, Nordd. Kreidegeb. S. 83, t. 12, f. 16.
1844. » » Goldfuss, Petr. Germ. III, S. 119, t. 199, f. 11.
1876. Nerita rugosa Brauns, Salzbergm. S. 354.
Die von der tiefen Nahtfurche aus nach unten und hinten
verlaufenden Furchen und Falten — auf dem letzten der drei sehr
gewölbten Umgänge, etwa 20 an der Zahl — lassen die Art sehr
leicht erkennen.
Nerita rugosa liegt vor vom Salzberge, von der Schanzenburg
bei Heudeber und aus dem Mergel im Liegenden des Sudmerberg-
conglomerats (1 St. aus der WiTTE’schen Sammlung).
103. Turritella nodosa Roem.
1841. Turritella nodosa Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 80, t. 11, f. 20.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 353.
1887. » » Frech, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 177, t. 16,
f. 18 u. 19 (c. syn.).
Die im Unter-Senon weit verbreitete Art findet sich im Mergel
des Salzberges, bei Langenstein, bei Derenburg, Suderode, am
Butterberge bei Harzburg und im Ilsenburgmergel von Lochtum.
104. Turritella sexcincta Golde.
1841. Turritella sexcincta Goedfuss, Petr. Germ. III, S. 107, t. 197, f. 2.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 352.
1887. » » Frech, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 174, t. 16,
f. 14, 15.
Sehr häufig im Salzberggestein von Quedlinburg, Langenstein,
der Schanzenburg am Radauufer nördlich Flarzburg, ferner in den
Thonen von Suderode und am Butterberge bei Harzburg.
105. Turritella quadricincta Golde.
1844. Turritella quadricincta Goldfuss, Petr. Germ. III, S. 106, t. 196,
f. 16 u. 17 c.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 352 (c. syn.).
Sechs Exemplare aus dem Salzberghorizont von Berssel stimmen
vollständig mit den Beschreibungen der Autoren überein.
Nach Brauns findet sich die Art am Salzberge und bei
Langenstein.
440
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
106. Tnrritella cf. acaiitophora Jos. Müll.
1851. Turritella acantophora J. Müller, Monogr. d. Aach. Kreidef. II, S. 32,
t. 3, f. 15.
1887. » » Frech, Zeitsc.hr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 179,
t. 16, f. 1—7.
Windungen flach, die Nähte wenig vertieft. Die Oberfläche
der Umgänge ist mit vier gleich starken und gleich weit von
einander entfernten Spiralgürteln bedeckt, welche mit schwachen
Knoten besetzt sind. Zwischen den Spiralgürteln beobachtet man
feine Spiralstreifen.
Da nur ein Bruchstück vom Löhofsberg bei Quedlinburg vor-
handen ist, so möchte ich dasselbe nur als Turritella cf. acanto-
phora bestimmen.
107. Natica lamellosa Roem.
1841. Natica lamellosa Roem er, Nordd. Kreidegeb. S. 83, t. 12, f. 13.
1871 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. I, S. 243, t. 54, f. 17 (excl.
N. exaltata Goldf.).
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 348 (excl. syn. parte).
Ich folge hier Holzapfel 1), welcher das Verhältniss der
verwandten Natica lamellosa Roem. , Natica cretacea Goldf. und
Natica exaltata Goldf. eingehend bespricht. Die Stücke von den
Spiegelsbergen bei Halberstadt und vom Löhofsberge bei Quedlin-
burg stimmen gut mit der Beschreibung von Roemer überein,
ebenso die kleinen Exemplare von der Schanzenburg, Berssel und
vom Butterberge bei Harzburg. Aus dem Mergel im Liegenden
des Conglomerats am Sudmerberge steht mir ein defectes Stück
zur V erfügung, welches jedoch durch Vergleich als Natica lamellosa
bestimmt werden konnte. Nach Brauns häufig am Salzberge und
bei Langenstein.
108. Natica acutimargo Roem.
1841. Natica acutimargo Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 83, t. 11, f. 14.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 349.
1884. » » Holzapfel, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 476.
Diese leicht bestimmbare Art liegt vom Salzberge und vom
Butterberge bei Harzburg vor. Brauns führt Natica acutimargo noch
von Langenstein an.
') Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. Bd. 36, S. 472 ff.
am nördlichen Harzrande.
441
109. Ceritliiuin binodosum Roem.
1841. Cerithium binodosum Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 79, t. 11, f. 16.
1872 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 176, t. 31, f. 4.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 351.
Gehäuse schlank, thurmförmig. Die niedrigen schwach ge-
wölbten Windungen (nach Geinitz mindestens 12) zeigen an der
Naht zwei Reihen von Knötchen. Zwischen diesen und den in
der Mitte befindlichen zwei dicken Höckerreihen sieht man feinere
Spirallinien. Canal kurz.
Im Salzbergmergel der Schanzenburg nicht selten, jedoch
meist nur in Bruchstücken zu erhalten.
110. Aporrliais (Lispodestlies) Reussi, Gein. sp,
var. megaloptera Reuss.
1842. Rostellaria Reussi Geinitz, Charakt. III, S. 71, t. 18, f. 1.
1845. » megaloptera Reuss, Böhm. Kreidef. I, S. 45, t. 9,
f. 3 u. 9.
1872 — 75. » » Geinitz, Elbthalgeb.il, S. 169, t. 30, f. 10.
In der Sculptur und in der Ausbildung des Flügels stimmen
die von Berssel vorliegenden Exemplare am besten mit Reuss
(a. a. O.) t. 9, f. 3 überein.
111. Aporrliais (Helicaulax) granulata Sow. sp.
1887. Aporrliais granulata Soweeby bei Frech, Zeitschr. d. Deutsch, geol.
Ges. S. 193, t. 19, f. 10, 12—14.
1888. Helicaulax » Holzapfel, Palaeontogr. S. 117, t. 12, f. 6 — 9.
Zwei einzelne Bruchstücke vom Butterberge bei Harzburg,
von denen sich eins im Museum des Braunschweiger Polytechnikums
befindet, konnten durch Vergleichung mit Suderoder Stücken mit
Sicherheit als Aporrliais granulata bestimmt werden.
1 1 2. Aporrliais (Helicaulax) stenoptera Godlf. sp.
1844. Rostellaria stenoptera Goldfuss, Petr. Germ. III, S. 18, t. 170, f. 6.
1869. Aporrliais » Favre, Lemberg, S. 76, t. 10, f. 2, 3.
1885. Dimorph osoma, » Böhm, Verh. d. naturh. Ver. f. Rheinl. u. Westf.
S. 55.
1888. Helicaulax » Holzapfel, Palaeontogr. S. 116, t. 12, f. I — 3.
Bezüglich der Artbestimmung schliesse ich mich Böhm und
Holzapfel an, welche obige Form ausführlich beschrieben haben.
442
G. Müller, Beitrag zur KenntDiss der oberen Kreide
Die von der Schanzenburg, von Berssel, vom Radauufer nördlich
Bahnhof Harzburg gesammelten Exemplare stimmen gut mit der
GoLDFüSs’schen Zeichnung überein.
1 1 3. Fnsus Buclii Jos. Müll.
1851. Fusus Buclii Jos. Müller, Monogr. d. Aach. Kreidet. II, S. 35, t. 5, f. 15.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 345.
1888. Chrysodomus Buclii Holzapfel, Palaeontogr. S. 102, t. 10, f. 9 — 12.
Gehäuse kreiselig-spindelförmig. Von den sechs Windungen
ist die letzte stark bauchig. Ueber alle Windungen ziehen sich
etwa 12 bis 14 wulstige Längsrippen, welche von abwechselnd
schwächeren und stärkeren Spirallinien durchschnitten werden.
Auf den Durchschnittspunkten stehen scharfe Knötchen. Nach
Holzapfel gehört die Art zu Chrysodomus Swainson. (a. a. O.)
Vier Exemplare von Fusus Buchi aus dem Salzbergmergel
der Schanzenburg liegen vor, welche vollständig den im Göttinger
Museum vorhandenen Exemplaren von Aachen gleichen.
114. Fusus Reuauxianus d'Orb.
1843. Fusus Reuauxianus d’Orbigny, Terr. cret. II, p. 339, t. 223, f. 10,
1852. » » Zekeli, Gastrop. Gosaugeb. S. 85, t. 15, f. 9.
Gehäuse spindelförmig. Die 6 bis 7 Windungen sind von
8 Längswülsten bedeckt, welche ihrerseits von 6 bis 8 Spiral-
linien durchschnitten werden. Der Canal ist lang und zugespitzt.
Die von mir an der Schanzenburg; gesammelten Stücke stehen
in Bezug auf die Grösse in der Mitte zwischen der französischen
Form und der Aachener Art Fusus gracilis Böhm.
115. Fusus (Hemifusus) coronatns Roem. sp.
1841. Pyrula coronata Roemer, Nordd. Kreidegeb. S. 78, t. 11, f. 13.
1887. Tudicla Monheimi Frech, Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. S. 197, t. 19,
f. 6-8.
1888. Hemifusus caronatus Holzapfel, Palaentogr. S. 105, t. 11, f. 8 — 13.
Ich habe es mir nicht zur Aufgabe gestellt, zu untersuchen, ob
die von Holzapfel gegebene Synonymik die richtige ist. Doch kann
ich bestätigen (und zu diesem Ergebniss war ich schon vor dem Er-
scheinen der IIOLZAPFEL’schen Arbeit gekommen), dass Frech’s
am nördlichen Harzrande.
443
Tucllica Monheimi nichts ist wie Pyrula coronata Roem. Die Stein-
kerne ans den Thonen von Berssel und aus den milden Mergeln der
Schanzenburg, bei denen die Sculptur verhältnissmässig gut aus-
geprägt ist, stellen die Verbindung her zwischen den Suderoder
Stücken und den Steinkernen aus dem festere!). Salzberggestein
von Quedlinburg und Derenburg.
116. Ficulomorplia pyruliformis Jos. Müll. sp.
1851. Mitra pyruliformis Müllek, Monogr. d. Aach. Kreidef. II, S 23, t. 3, f. 25.
1888. Ficulomorplia pyruliformis Holzapfel, Palaentogr. S. 101, t. 9, f. 17, 18.
Wenn mir auch nur die letzte Windung eines Steinkernes
vom Salzberg bei Quedlinburg zur Verfügung steht, so stimmt
dieselbe, wie durch Vergleich mit Aachener Stücken festgestellt
werden konnte, mit der Art von Aachen vollkommen überein.
117. Voluta (Volutilithes) suturalis Golde, sp.
1841. Pleurotoma suturalis Goldfuss, Petr. Germ. III, S. 19, t. 170, f. 12.
1872 — 75. Voluta » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 172, t. 31, f. 2.
An den Steinkernen aus dem Salzbergmergel von der Schanzen-
burg und von Berssel beträgt die Anzahl der Längsrippen 10
bis 12 auf jeder Windung, über welche feine Spirallinien ver-
laufen. An den Jugendexemplaren tritt der Kiel auf den gewölbten
Umgängen noch nicht so hervor, ebenso ist der Nahtsaum nicht
so deutlich, so dass man anfangs geneigt ist, dieselben zu Voluta
semiplicata Goldf. *) zu stellen. Doch ist bei dieser Art die letzte
Windung viel länger.
118. Voluta (Volutilithes) subgrauulosa n. sp.
Höhe 50 Millimeter, Breite 18 Millimeter.
Gehäuse spindelförmig, stark verlängert. Die leicht gewölbten
Windungen sind nach der Naht abgestuft. Der letzte Umgang
geht allmählich in den Canal über. Ueber die Windungen ver-
laufen gleichmässig 10 bis 12 Spiralrippen, welche durch 25 bis
30 Längsrippen gekreuzt werden. Durch diese gegitterte Sculptur
erinnert Voluta subgranulosa an Voluta granulosa Favre 3). Doch
0 Goldfuss, Petr. Germ. III, S. 19, t. 170, f. 11.
2) Kreide von Lemberg, S. 95, t. 11, f. 1, 2.
444
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
abgesehen von der geringeren Anzahl von Längs- und Querrippen
unterscheidet sich unsere Art von der Nagorzanyer noch durch
den breiteren Nahtsaum.
Je ein Exemplar aus dem Salzbergmergel von der Schanzen-
burg bei Heudeber und von Berssel liegt vor.
119. Cinulia ilumboldti Jos. Müll. sp.
1851. Avellana Humboldti Jos. Müller, Monogr. Aach. Kreidef. II, S. 12,
t. 3, f. 15.
1888. Cinulia » Holzapfel, Palaeontogr. S. 84, t. 6, f. 19 — 21.
Höhe: 8 — 10 Millimeter.
Gehäuse oval, bauchig. Die vier gewölbten Windungen sind
mit zahlreichen Querrippen verziert, welche durch halb so breite
Furchen getrennt sind. Die Aussenlippe ist verdickt. Obwohl nur
Steinkerne von der Schanzenburg bei Heudeber von mir gesammelt
wurden, so finde ich zwischen diesen und den Aachener Exem-
plaren keinen weiteren Unterschied als die geringere Grösse. Die
Breite konnte nicht gemessen werden, da hierzu die Steinkerne zu
sehr verdrückt waren.
120. Cylichna sp.
Höhe: 10 Millimeter, Breite: 3,5 Millimeter.
Ein Steinkern vom Butterberg lässt sich der ungenügenden
Erhaltung wegen nur als Cylichna sp. bestimmen.
Ceplialopoda.
121. Nautilns Neubergicus Redt.
1858. Nautilus Sowerbyanus Hauer, Cephalopod. d. Gosausch. S. 14, t. 1,
f. 1, 2.
1873. » Neubergicus Redtenbacher, Abh. d. K. K. Reichsanstalt Bd. 5,
S. 97, t. 22, f. 4.
Ganzer Durchmesser des Gehäuses 150 Millimeter. Höhe des
letzten Umganges in der Windungsebene 64 Millimeter.
Sowohl der enge Nabel als auch der Verlauf der Nähte und
die Form des ganzen Gehäuses beweisen, dass das vorliegende
am nördlichen Harzrande.
445
Stück aus der Zone des Amm. Margae von Zilly der echte Nautilus
Neubergicus ist. Die Lage des Sipho konnte nicht beobachtet
werden. Dies Exemplar befindet sich in der Sammlung des Herrn
von Haenlein zu Blankenburg.
Ein anderes breitrückigeres, aber stark verdrücktes Gehäuse
von Zilly stimmt mehr mit den westfälischen Formen überein,
welche von Schlüter ]) als Nautilus cfr. Neubergicus beschrieben
sind.
Ebenso habe ich ein Bruchstück aus der Zone des Amm.
Margae des Bahneinschnitts bei Goslar, auf welchem noch eine
Naht vorhanden war, als Nautilus cfr. Neubergicus bestimmt, da
dasselbe die Formverhältnisse der ScHLÜTER’schen Stücke zeigt.
122. Nautilus leiotropis Schlüter.
1876. Nautilus leiotropis Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 175, t. 4S, f. 1, 2.
Nautilus leiotropis wohl charakterisirt durch den scharfen Kiel,
über welchen die das übrige Gehäuse bedeckenden breiten Rippen
nicht hinweggehen, ist in drei Exemplaren bei Zilly gefunden
worden. Ein Stück befindet sich in der Sammlung des Herrn
von Haenlein in Blankenburg.
123. Nautilus sublaevigatus d’Orb.
1840.
1850.
1872.
1873.
1872—75.
1876.
Nautilus laevigatus d’Orbigny, Terr. cret. I, p. 84, t. 17.
» sublaevigatus d’Orbigny, Prod. de Pal. II, p. 189.
» » Fritsch u. Schlönbach, Cepli. d. böhm.
Krdef. S. 21, t. 12, f. 1.
» » Redtenbacher, Abh. d. K. K. Reichsanst.
Bd. V, S. 95, t. 22, f. 1.
•» » Geinitz, Elbthalgeb. II, S. 182, t. 32, f. 1, 3
(non! 2).
» » Brauns, Salzbergm. S. 339.
Ausser wohl erhaltenen Stücken vom Salzberg liegt ein
Exemplar aus dem festen Conglomerat des Sudmerberges vor,
welches in der Gestalt mit Nautilus sublaevigatus übereinstimmt.
Der Verlauf der Loben und die Lage des Siphos war nicht zu
sehen.
[) Palaeontogr. Bd. 24, S. 174, t. 48, f. 3 — 5.
446
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Da jedoch der Horizont (ganz abgesehen von der Gestalt)
gut passt, so stehe ich nicht an, jenes Gehäuse, welches aus der
WiTTEschen Sammlung herrührt, hier mit aufzuführen.
In der Stern’ sehen Sammlung liegt ein Stück vom Radau-
ufer bei Harzburg.
124. Ammonites aff. Lewesiensis Mant.
Ein flach scheibenförmiges Gehäuse eines riesigen Ammoniten
von Zilly wurde von Herrn Gutsbesitzer Hoffmeister in Zilly
dem Göttinger Museum geschenkt.
Dasselbe ist nicht vollständig, da der äussere Umgang mit
einer Kammerwand endigt. Ausserdem war das Innere so ver-
drückt, dass nur U/2 Umgänge beschrieben werden können. Diese
zeigen einen eiförmigen Querschnitt. Die Nabelfläche fällt senk-
recht ab. Bis zur Mitte des letzten Umganges bemerkt man zwölf
schwache Wülste, die sich nach der Mitte zu verlieren. Der Umriss
ist eine Ellipse wie bei Ammonites ( Oekotraustes ) subfuscus Waag.
aus dem braunen Jura.
Auf dem Steinkerne fanden sich einzelne regelmässige, an-
scheinend aus Kalkspath bestehende Pyramiden, ähnlich wie sie
Denckmann !) beschrieben hat. Auch hier standen an einer Stelle
dieselben »mit ihrer Basis an einander gereiht«. Eine concentri-
sclie Berippung war jedoch nicht vorhanden.
Am nächsten verwandt ist der vorliegende Steinkern mit
Ammonites Lewesiensis , dessen Umgänge jedoch nach Schlüter2)
einen »nahezu halbkreisförmigen« Querschnitt haben, und dessen
Nabelweite eine grössere ist. Die Loben konnten nicht präparirt
werden, so dass eine sichere Bestimmung ausgeschlossen ist.
Durchmesser des Gehäuses .... 73,0 Centimeter,
Weite des Nabels 17,5 »
Höhe des letzten Umganges in der
o o
Windungsebene 28,0 »
') Abh. zur geolog. Speeialkarte von Preussen etc. Bd. VIII, Heft 2, S. 95,
t. 10, f. 4.
Palaeontogr. Bd. 21, S. 23.
am nördlichen Harzrande.
447
Höhe des letzten Umganges von der
Naht zum Bauche
Höhe der vorletzten Windung von der
Naht zum Bauche
Dicke des letzten Umganges ca.
» » vorletzten Umganges ca.
35.5 Centimeter,
14.5 »'
18,0 »
7,0 »
125. Ammonites Texanus F. Roem.
1849. Ammonites Texanus F. Roemer, Texas mit bes. Rücksicht auf deutsche
Auswanderung etc. S. 417.
1852. » » » Kreidebild, von Texas etc. S. 31,
t. 3, f. 1.
1872. » » Schlüter, Palaeontogr. S. 41 z. Th.
1876. » » » ibid. S. 155, t. 41, f . 1,2 u. t. 42 , f. 1 1
(cum syn.)
Ausser zwei Fragmenten stand mir ein nahezu vollständiges
Exemplar von Ammonites Texanus von Zilly von 175 Millimeter
Durchmesser zur Verfügung. Das Gehäuse ist zwar ein wenig
verdrückt, doch ist die Berippung genau dieselbe, wie sie auf der
ScHLÜTER’schen Zeichnung- angegeben ist. Die Knotenreihen sind
jedoch weniger scharf. In dieser Hinsicht ähnelt das Zillyer Stück
mehr dem Original Eoemer’s.
126. Ammonites Emscheris Schlüter.
1876. Ammonites Emscheris Schlüter, PalaeODtogr. S. 155, t. 42, f. 8 — 10.
Ein ca. 10 Centimeter grosses Fragment dieser durch die
Stellung der Knotenreihe von Ammonites Texanus verschiedenen
Art befindet sich in der Sammlung des Herrn von Haenlein in
Blankenburg. Dasselbe mass von der Naht bis zum Bauch
72 Millimeter. Leider ist nur noch die eine Seite des Bruch-
stückes erhalten. Doch genügte dieselbe, um die Art genau fest-
stellen zu können.
127. Ammonites Margae Schlüter.
1867. Ammonites Margae Schlüter, Beitrag zur Kenntniss der jüngsten Am-
moneen N. -Deutschi. S. 29, t. 5, f. 2.
» » » Palaeontogr. S. 43, t. 12, f. 4
» » Redtenbacher , Cephalop. der Gosausch. S. 109,
t. 25, f. 1.
1572.
1573.
448
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Ein auf einen Durchmesser von etwa 250 Millimeter deutendes
Bruchstück aus dem Emscher von Zilly ist zwar ein wenig abge-
rieben, jedoch noch immer so gut erhalten, dass man mit Sicherheit
dasselbe zu obiger Art stellen kann. Das flache, weit genabelte,
scharf gekielte Gehäuse stimmt sowohl mit dem von Schlüter als
auch mit dem von Redtenbacher gegebenen Bilde gut überein.
Ein zweites Stück glaube ich in der Sammlung des Herrn
Jehniscii in Oker gesehen zu haben.
128. Ammonites syrtalis Morton.
1834. Ammonites syrtalis Morton, Synopsis of organ. remains of creta-
ceous group of U. S. p. 40, t. IG, f. 4.
1871. » » Schlüter, Palaeontogr. S. 46, t. 14, f. 1 — 10
t. 15, f. 1 — 5 (c. syn.)
1878. » » Brauns, Salzbergm. S. 339.
Ausser vom Salzberg kenne ich Ammonites syrtalis vom Radau-
ufer nördlich Harzburg, vom Teichberg bei Derenberg und vom
Sudmerberg. Vom Butterberg liegt u. a. ein Bruchstück vor,
welches einen Durchmesser von etwa 155 Millimeter gehabt zu
haben scheint.
129. Ammonites clypealis Schlüter.
1871. Ammonites clypealis Schlüter, Palaeontogr. S. 51, t. 15, f. 9 — 14.
1876. » » Brauns, Salzbergm. S. 34?, t. 8, f. 1 — 3.
Ammonites clypealis ist am nördlichen Harzrande weit ver-
breitet. Am Salzberg bei Quedlinburg ist die Art nicht selten.
Im gleichen Horizonte sammelte ich dieselbe am Anisberg bei
Derenburg und an der Schanzenburg bei Heudeber. Herr Pro-
fessor v. Koenen fand Ammonites clypealis in den über dem Con-
glomerat von Zilly folgenden Thomnergeln und am Börnkerberge
bei Berssel. In der STERN’schen Sammlung liegt ein Bruchstück
vom Butterberg bei Harzburg mit theilweise erhaltener Mündung,
welche den eigenthümlichen sichelförmigen Anwachsstreifen folgt.
Die Höhe des Umganges von der Naht zum Bauche beträgt
an diesem Stücke 60 Millimeter.
130. Scapliites sp.
Vom Löhofsberg bei Quedlinburg und aus dem Bahneinschnitt
bei Goslar liegen Bruchstücke einer anscheinend neuen Art vor.
am nördlichen Harzrande.
449
Leider ist der spirale Theil an den drei vorhandenen Exemplaren
abgebrochen. Der breite convexe Bauch ist mit kräftigen Rippen
verziert, welche nicht ganz so breit sind als wie die Zwischenräume
und von denen je 2—3 auf je ein Knoten paar kommen. An dem
Stück aus dem Bahneinschnitt zählte ich 14 Knoten an dem ge-
streckten und kurzen aufgebogenen Theile des Gehäuses. Ausser
dieser auf der Grenze von Bauch und Flanken sitzenden Knoten-
reihe ist noch eine innere, schwächere Knotenreihe an der Nabel-
kante vorhanden, welche mit der äusseren durch Falten verbunden
ist. Doch beginnt die innere Knotenreihe nicht auf allen Stücken
gleich an der Mündung, sondern auf einem Exemplar vom Löhofsberg
erst auf dem gestreckten Theile. Nach der ovalen Mündung hin
verjüngt sich das Gehäuse nicht unwesentlich.
131. Scaphites aquisgranensis Schlüter.
1868. Scaphites compressus Bosquet bei Dewalque, Prodr., p. 405.
1876. » aquisgranensis Schlüter, Palaeontogr. Bd. 21, S. 81, t. 24,
f. 7—9.
1887. » » Holzapfel, ibid. Bd. 34, S. 61, t. 5, f. 2.
In Form und Ornamentik stimmt ein vollständiges Stück aus
den festen Bänken des Salzberggesteins der Schanzenburg bei
Heudeber ziemlich genau mit Scaphites aquisgranensis Schlüter
überein. Nur der Bauch ist ein wenig breiter als wie ihn Holzapfel
abbildet.
Scaphites Roemeri Brauns !) habe ich im Salzberggestein der
von mir besuchten Lokalitäten nicht gefunden. Wie von Schlüter2)
bemerkt ist, muss für die von Brauns beschriebene Art ein neuer
Name geschaffen werden, da jene Bezeichnung schon für eine Art
der Mukronatenkreide vergeben war.
132. Scaphites hippocrepis Dekay.
1876. Scaphites Cuvieri Morton bei Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 162,
t. 42, f. 1-3.
1887. » hippocrepis Dekay bei Holzapfel, ibid. Bd.34, S. 62, t. 5, f. 3.
') Salzbergm. S. 342, t. 8, f. 4, 5.
2) Palaeontogr. Bd. 24, S. 240.
Jahrbuch 1887.
29
450
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
Von dieser Art fand ich ein ziemlich vollständiges Stück im
Salzbergmergel der Schanzenbnrg bei Heudeber. Dasselbe ist ein
wenig grösser als wie die abgebildeten Aachener Exemplare. Auf
dem aufgebogenen Theil des Gehäuses stehen die Rippen etwas
weniger gedrängt. Im Uebrigen ist die Uebereinstimmung eine
vollkommene.
133. Toxoceras (?) sp.
Ein nur 2 Centimeter langes und dabei 13 Millimeter hohes
Bruchstück von den Spiegelsbergen bei Halberstadt erinnert im
Habitus an Toxoceras Turoniense Schlüt. 1). Der Querschnitt ist
ein schmales Oval. Die Flanken und die Aussenseite sind mit
starken Rippen bedeckt, welche ähnlich wie bei Hamites aquis-
granensis Schlüt.2) von der Mitte der Flanken an ein wenig
nach hinten gebogen sind. Die Innenseite ist glatt. Loben sind
nicht vorhanden.
134. Turrilites variaiis Schlüt.
1876. Turrilites varians Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 137, t. 36, f. 2— 5
u. Bd. 21, t. 35, f. 11-13.
Ein Bruchstück von den Spiegelsbergen bei Halberstadt stimmt
vollkommen mit obiger Art überein.
Aus der Zone des Amm. Margae von Zilly befindet sich in
der Sammlung des Herrn Rittmeister VON Haenlein ein stark ver-
drücktes Fragment, dessen Ornamentik etwas verwischt ist, so dass
ich dasselbe nur als fraglich hierher stelle.
135. Bacnlites sp.
Am Fuss der Spiegelsberge bei Halberstadt fand ich eine
Anzahl von Bruchstücken von einem glatten Baculiten von schmal
ovalem Querschnitt. Anhaltspunkte für eine sichere Bestimmung
sind leider nicht vorhanden.
:) Palaeontogr. Bd. 21, t. 31, f. 4.
2) ibid. t. 31, f. 6 — 11 u. Holzapfel ibid. Bd. 34, t. 5, f. 8.
am nördlichen Harzrande.
451
136. baculites incurvatus Duj.
1835. Baculites incurvatus Dujardin, Mein. soc. geol. p. 232, t. 17, f. 13.
1876. » anceps Brauns, Salzbergm. S. 344.
1876. » incurvatus Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 142, t. 39,
f. 6, 7, t. 40, f. 3.
1887. » » Holzapfel, ibid. Bd. 34, S. 64, t. 4, f. 5, 6,
t. 5, f. 10.
Baculites incurvatus findet sich am Salzberg, bei Langenstein
(nach Brauns), an der Scbanzenburg bei Heudeber, am Sudmer-
berg in den Mergeln, welche im Liegenden des festen Conglo-
merats folgen, im Quader des Teichberges bei Derenburg und am
Butterberg bei Harzburg.
137. Actinocamax Westphalicus Schlüt.
1876. Actinocamax Westphalicus Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 188, t. 53,
f. 10—19.
Actinocamax Westphalicus liegt vor aus dem Bahneinschnitt bei
Goslar, aus den Tbongruben östlich Zilly, vom Salzberg, von der
Scbanzenburg, vom Radauufer nördlich Harzburg, vom Sudmerberg
und vom Butterberg bei Harzburg.
138. Actinocamax verus Miller.
1823. Actinocamax verus Miller, Transact. geol. soc. II. ser. Yol. II, p. 63,
t. 9, f. 17.
1876. » » Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 191, t. 52, f. 9
bis 15.
Von Actinocamax verus sammelte ich zwei typische Exemplare
im Salzbergmergel der Schanzenburg und eines im Ilsenburgmergel
von Lochtum. In der STERN schen Sammlung befinden sich zwei
Stück vom Radauufer nördlich Harzburg.
139. Actinocamax quadratus Blainv. sp. .
1827. Belemnites quadratus Bainville, Mem. sur les Belemnites, p. 62,
t. 1, f. 8.
1876. Actinocamax » Schlüter, Palaeontogr. Bd. 24, S. 197, t. 54,
f. 1 — 13, t. 53, f. 20-25.
Aus dem Versuchsschacht von Berssel bei Wasserleben wurden
einige Exemplare von Actinocamax quadratus gefördert.
29*
452
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide
No.
Zone des
Amm.
Margae
Salzberg-
Gestein
Senon-
Quader
1
Crania Parisiensis Defr
?
X
2
Rhynchonella vespertilio Brocchi . .
X
X
X
3
» Cuvieri d’Orb. . . .
?
X
4
Terebratulina chrysalis Schloth. . .
X
X
X
5
» rigida Sow
?
X
6
Terebratula subrotunda Sow. . . .
X
X
X
7
Ostrea diluviana Linne
X
8
» proteus Reuss
?
X
9
» sulcata Blumenb
X
X
X
10
Gryphaea vesicularis Lamk
X
11
Exogyra sigmoidea Reuss ....
X
12
» canaliculata Sow
X
X
13
» laciniata Nilss. . . . . .
X
14
» auricularis Wahl
X
15
Anomia semiglobosa Geinitz . . .
X
16
» subtruncata d’Orb
X
17
» n. sp
X
18
Spondylus spinosus Sow
X
X
19
» striatus Sow
X
20
Lima pseudocardium Reuss ....
X
21
» canalifera Goldf
X
X
22
» Hoperi Mant
X
23
» semisulcata Nilss
X
X
24
Pecten serratus Nilss
X
25
» undulatus Nilss. . . . . .
X
26
» septemplicatus Nilss
X
27
» virgatus Nilss
X
X
X
28
Vola quadricostata Sow
X
X
X
29
Avicula glabra Reuss
X
30
» lobata G. Müller ....
X
31
Gervillia solenoides Defr
X
X
32
Inoceramus Cuvieri Sow
X
33
» sublabiatus G. Müller
X
No.
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
am nördlichen Harzrande.
453
Zone des
Arnim.
Margae
Salzberg-
Gestein
Senon-
Quader
Heimburg-
Gestein
lnoceramus involutus Sow
X
» Koeneni G. Müller
X
» Winklioldi G. Müller . .
X
» subcardissoides Schlüt. .
X
» n. sp. ?
X
» percostatus G. Müller
X
» bilobatus G. Müller . .
X
» sp
X
» Kleini G. Müller . . .
X
» cardissoides Goldf. . .
X
» sp. ?
X
» lobatus Mstr
X
X
?
» Cripsii Mant
X
X
X
X
» fasciatus G. Müller . .
X
Per na lanceolata Gein
X
Modiola siliqua Matheron ....
X
» concentrica Mstr
X
» typica Forb
X
» flagellifera Forb
X
» radiata Mstr
X
Lithodomus cf. Scheuchzeri Gutbier .
X
Myoconcha discrepans Jos. Müller
X
Pinna decussata Goldf
X
X
» quadr angularis Golde. . . .
X
Area undulata Reuss
X
X
?
» striatula Reuss
X
X
» hercynica Brauns
X
Gucullaea Gosaviensis Zittel . . .
X
» subglabra d’Orb
X
X
X
Pectunculus dux J. Böhm
X
X
» decussatus Roem. . . .
X
Leda producta Nilss
X
X
?
Trigonia Vaalsiensis J. Böhm . . .
X
X
454
G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberer: Kreide
No.
Zone des
Amm.
Margae
Salzberg-
Gestein
Senon-
Quader
Heimburg-
Gestein
67
Astarte lenticularis Goldf
X
68
Crassatella arcacea Roem
X
X
X
6‘J
Racliolites subhercynicus Ewald
X
70
Cardium produclum Sow
X
X
X
71
» alutaceum Goldf
X
72
» deforme Gein
X
73
» Ottoi Gein
X
74
Isocardia cretacea Goldf
X
75
Tapes elliptica Roem
X
76
Venus Goldfussi Gein
X
77
Gijtherea ovalis Goldf
X
X
X
78
Cyprimeria faba Sow
X
X
X
79
Tellina Renauxii Matheron . . .
X
80
» strigata Goldf
X
81
» subdecussata, Roem
X
82
» costulata Goldf
X
83
Siliqua concentristriata G. Müller
X
X
84
» sinuosa G. Müller ....
X
85
Glycimeris gurgitis Brongn
X
X
X
86
» mandibula Sow
X
87
Pholadomya Esmarkii Nilss. . . .
X
88
» nodulifera Mstr. . . .
X
89
Goniomya designata Goldf
X
X
90
» Sterni G. Müller . . .
X
X
91
Anatina concentrica G. Müller . .
X
92
Liopistha aequivalms Goldf. . . .
X
X
93
Mactra angulata Sow
X
94
Corbulamella striatula Goldf. . . .
X
95
Gastrochaena Amphisbaena Goldf.
X
X
96
Pleurotomaria linearis Mant. . . .
X
97
» sp
X
98
Turbo cf. quadricinctus J. Müller
X
99
Trochus Nilssoni Mstr.
X
No.
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
am nördlichen Harzrande.
455
Zone des
Amm.
Margae
Salzberg-
Gestein
Senon-
Quader
Heimburg-
Gestein
Trochus planatus Roem
X
» tricarinatus Roem
X
X
Nerita rugosa Hoeningh
X
7 urritella nodosa Roem. .....
X
X
?
» sexcincta Goldf
X
X
» quadricincta Goldf. . . .
X
» cf. acantophora J. Müller
X
Natica lamellosa Roem
X
X
» acutimargo Roem
X
X
Cerithium binodosum Roem
X
Aporrhais Reussi Gein
X
» granulata Sow. ....
X
» stenoptera Goldf. . . .
X
Firnis Buclii Jos. Müller ....
X
» Renauxianus d’Orb
X
» coronatus Roem
X
X
Ficulomorpha pyruliformis Müller .
X
Voluta suturalis Goldf
X
» subgranulosa G. Müller . .
X
Cinulia Humboldti J. Müller . . .
X
Cijlichne sp
X
Nautilus Neubergicus Redt
X
» leiotropis Schlüt
X
» sublaevigatus d’Orb. . . .
X
Ammonites aff. Lewesiensis Mant. .
X
» Texanus Roem
X
» Emsclieris Schlüt. . . .
X
» Margae Schlüt
X
» syrtalis Mort
X
X
» elypealis Schlüt. . . .
X
X
Scaphites sp
X
» aquisgranensis Schlüt. . .
X
» hippocrepis Dekay . . .
X
456 G. Müller, Beitrag zur Kenntniss der oberen Kreide etc.
No.
Zone des
Amm.
Margae
Salzberg-
Gestein
Senon-
Qnader
Heimburg-
Gestein
133
Toxoceras (?) sp
X
134
Turrilites varians Schlüt
X
135
Baculites sp
X
136
» incurvatus Duj
X
X
137
Actinocamax Westphalicus Schlüt.
X
X
X
138
» verus Miller ....
X
X
?
139
» quadratus Blainv. . .
X
?
?
Beitrag zur Kenntniss vom Dislocationen.
Von Herrn A. von Koenen in Göttingen.
(Hierzu Tafel XIX.)
In den letzten vier Bänden des Jahrbuches der Königlich
Preussischen geologischen Landesanstalt habe ich eine Reihe von
Beobachtungen, Anschauungen und Folgerungen mitgetheilt, welche,
wie mir recht wohl bewusst war, zum Theil allgemein verbreiteten
Ansichten wenig entsprechen und deshalb theils Widerspruch her-
vorrufen, theils leicht missverstanden werden konnten, und zwar
letzteres besonders deshalb, weil ich gesucht hatte, möglichst kurz
einen Stoff darzustellen, über welchen sich recht wohl ein »Buch«
hätte schreiben lassen, sobald nur die einzelnen Betrachtungen
weiter ausgeführt , und zahlreichere Profile und Beispiele hinzu-
gefügt wurden.
Ich möchte daher im Folgenden ein Paar Einwendungen
richtigstellen, die in den letzten Jahren gegen meine Ausführungen
gemacht worden sind, dann aber auf einige Arbeiten Anderer hin-
weisen, welche mit meinen eigenen Resultaten mehr oder weniger
übereinstimmen, und endlich einige Profile mittheilen, welche ich
im letzten Jahre kennen lernte und welche sehr klar und ent-
scheidend sind.
Berendt hatte meine Angabe, dass die Seen- und Fluss-
thäler der norddeutschen Ebene so viel Aehnlichkeit in ihrem
Auftreten, in ihren Richtungen und Richtungsänderungen sowie
in den Terrainformen ihrer Ufer mit den Seen- und Flussläufen
zunächst der Göttinger Gegend bieten, dass sie vermuthlich eben-
458
A. von Koenisn, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
so wie diese mit Dislocationen und Versenkungen in ursächlichen
Zusammenhang zu bringen wären, scharf und richtig aufgefasst
und gleich auch einen Beleg dafür beigebracht (Jahrbuch 1886,
S. 1); er nahm auch Veranlassung, sich selbst von den ver-
wickelten Verhältnissen unserer Gegend persönlich nähere Ein-
sicht zu verschaffen, wie dies auch andere Fachgenossen seitdem
gethan haben.
Wenn Andere, welche sich vorzugsweise mit der norddeutschen
Ebene beschäftigen, anderen Anschauungen huldigen, so ist es
ja möglich, dass sie Recht haben, es ist aber auch möglich, dass
sie selbst oder Andere auf Grund der von ihnen schon gemachten
oder neuer Beobachtungen schliesslich zu ganz anderen Ansichten
gelangen, und ich überlasse es getrost der Zukunft, die jetzt
herrschenden Ideen zu klären oder zu bestätigen oder über Bord
zu werfen. Ich verzichte deshalb auch ganz darauf auf einzelne
neuere, mir bedenklich erscheinende Angaben hier einzugehen.
Wenn aber Scholz (Jahrbuch 1887, S. 220) für die Thäler
und Sumpf- resp. Wasserlöcher im nordöstlichen Theile von Rügen
ausführt, dass »nach den Tiefbohrungen weder an die Unterlage der
Kreide, noch an etwaige Steinsalzlager in grösserer Tiefe begleitende
Gypslager zu denken ist« (dieser Satz ist wohl durch einen Druck-
fehler etwas unklar geworden), und daraus folgert, dass diese Boden-
Vertiefungen nicht Erdfälle, sondern » Strudellöcher, jedenfalls
aber, man möge ihre Entstehung auch anders deuten, allein durch
glaciale Wirkungen im oberen Diluvium erzeugte Bildungen
darstellen « , so hat er ganz übersehen , dass ich ausdrücklich und
wiederholt darauf hingewiesen habe, dass die Auslaugung von
Gyps und Steinsalz und dadurch veranlasste Erdfälle secundäre
Erscheinungen sind und erst durch Spalten verursacht werden,
mögen diese nun deutlich nachweisbare Dislocationen im Gefolge
haben oder nicht, und dass ich vielfach grabenartige oder rund-
liche Bodenvertiefungen auf solchen Spalten beobachtet habe, also
auch » Erdfälle « , ohne dass dabei an eine Auslaugung von Gyps
oder Steinsalz zu denken ist. Gerade mit solchen Erdfällen und
Rinnen in unserer Gegend, wo doch Glacialbildungen ganz fehlen,
habe ich aber das auf Rügen Beobachtete verglichen. Ich acceptire
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
459
im Uebrigen vollständig die von ihm, zum Theil nach Meyn und
Geinitz hervorgehobene Aehnlichkeit mit den Verhältnissen in
Mecklenburg und dem östlichen Schleswig und Holstein und habe
selbst seitdem noch viel Aehnliches in Westpreussen gesehen.
Für Westpreussen hat aber soeben Jentzsch in einem sehr
inhaltreichen Aufsatze »Ueber die neueren Fortschritte der Geologie
Westpreussens« (Schriften der Naturforschenden Gesellschaft zu
Danzig, No. 7, Band VII, Heftl, 1888, S. 24) die Ueberzeugung aus-
gesprochen, dass die dortigen »Seen und Seenthäler auf tectonische
Linien, die Flussthäler auf erodirte Seenthäler zurückzuführen«
seien, indem er hinzufügt, dass meilenlange, schmale, bis 24 Meter
hohe nordsüdlich streichende Terrainwellen quer durch das
Verbreitungsgebiet jungdiluvialer Schichten hindurch-
setzen. Es hat hiernach Jentzsch eine Begründung der von mir
hervorgehobenen Analogie ebenfalls gefunden, und ich würde nur
nach dem, was ich aus dem mittleren Deutschland kenne, für noch
zutreffender halten, dass die »Flussthäler auf theils erodirte, theils
durch Diluvium oder Alluvium ausgefüllte Seenthäler zurück-
zuführen« seien.
Ich hatte ferner (Jahrbuch 1883, S. 198) ausgesprochen, das
Vorkommen von Geschieben auf dem östlichen Harz sei leichter
erklärlich, wenn man annähme, »dass der Harz zur Glacialzeit
noch weniger hoch gewesen sei«; Wahnschaffe (Zeitschr. der
Deutsch, geol. Gesellsch. 1885, S. 903) meint dagegen, es sei »viel-
leicht nicht nöthig, eine beträchtliche Hebung des Harzes zur
Quartärzeit anzunehmen, um das Vorkommen der nordischen
Blöcke auf so bedeutenden Höhen (452 Meter) zu erklären; wahr-
scheinlich seien dieselben durch Drift dorthin transportirt worden,
so dass sie für die Mächtigkeit des Binneneises nur insofern einen
Maassstab abgäben, als aus ihrer Höhenlage ein Rückschluss auf
die Hochfluth gemacht werden kann, die nur durch den Eisrand
zu so bedeutender Höhe angestaut werden konnte«. Diese Aus-
führungen sind ja nun auf den ersten Blick recht annehmbar, und
ich selbst habe früher gemeint, die Ablagerung der gewaltigen,
bis zu beträchtlicher Höhe über den Thalsohlen ansteigenden Lehm-
massen in den Flussthälern und Becken des mitteldeutschen Berg-
460
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
laudes dadurch erklären zu können, dass die Flüsse zur Glacialzeit
durch den Eisrand zurückgedrängt und angestaut worden seien,
und ich habe dergleichen auch bis vor ca. 6 Jahren in meinen
Vorlesungen erörtert. Diese Erklärung einer Anstauung durch
nordische Gletscher wurde aber völlig unhaltbar, nachdem ich die
Beobachtung gemacht hatte, dass Reste von Mammuth, Rliino-
ceros u. s. w. sich, abgesehen von Spalten und Klüften im an-
stehenden Buntsandstein u. s. w., ausschliesslich in Kies und Ge-
rölleschichten der Thalsohlen bei uns finden; es müssen daher
die Flüsse in der Glacialzeit annähernd in demselben
Niveau geflossen sein, wie diejenigen der Jetztzeit,
wie ich dies schon früher ausgesprochen habe, und die Löss-
Lehmmassen, welche vor allem Einsturzbecken und beckenartige
Erweiterungen der Flüsse bis über 40 Meter über der Thalsohle resp.
über dem Kies erfüllen, müssen in anderer Weise erklärt werden.
Da ferner in manchen Thalbecken, wie in dem von Göttingen,
die Kiesmassen noch in grösserer Mächtigkeit unter dem jetzigen
Flussniveau anstehen, so muss in solchen Becken das Wasser-
niveau seitdem gestiegen, das Becken durch Kiesmassen zum Theil
ausgefüllt worden sein , und wir haben hier eine ähnliche Er-
scheinung der Hebung und Senkung des Wasserniveaus vor uns,
wie sie aus der Nachbarschaft der Meeresküsten ja in so aus-
gedehntem Maasse fast in allen Ländern mit Sicherheit nach-
gewiesen worden ist. Ein Anstauen unserer Flussläufe allein durch
das in postglacialer Zeit etwa höher gestiegene Niveau des Meeres
ist aber sicher nicht anzunehmen, da ausgedehnte Ablagerungen
von Löss-Lehm in der Gegend von Kreiensen u. s. w. sich noch
in einer Höhe von über 200 Meter über dem Meere finden, und
da keinerlei Anzeichen dafür vorhanden sind, dass das Meer in
postglacialer Zeit auch nur an den Harz heraugereicht, geschweige
denn hier eine nennenswerthe Höhe erreicht hätte. Wir müssen
daher diese Anstauungen des Wassers durch Niveauveränderungen
der Erdoberfläche erkläi'en, sei es durch Oscillationen, sei es durch
Dislocationen.
Dass solche Niveauveränderungen überhaupt stattgefunden
haben, ergiebt sich aus der jetzigen Lage ganz gleichalteriger
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
461
und gleichartiger, zweifellos in gleicher Meerestiefe abgelagerten
Schichten im Berglande und in der norddeutschen Ebene, und
zwar nicht nur der Tx-ias-, Jura- und Kreidebildungen, sondern
auch des marinen Mittel- und Ober- Oligocäns, welches in der
hiesigen Gegend z. Th. über 300 Meter über dem Meere liegt,
in der norddeutschen Ebene z. Th. unter dem Meeresniveau. Es
würde aber kein Grund gegen die Annahme sprechen, dass diese
Niveauveränderung z. Th. erst in postglacialer Zeit erfolgt ist.
Da die Lehmmassen aber ganz gewöhnlich auf Bruchlinien
resp. in Versenkungsbecken liegen, so liegt es nahe, sie mit diesen
in ursächlichen Zusammenhang zu bringen und anzunehmen, dass
nach der Ablagerung des Schotters mit Rhinoceros u. s. w. und
vor der Ablagerung des Lehms Dislocationen erfolgt sind.
Gegen Wafinschaffe’s Ausführungen ist aber geltend zu
machen, dass, wenn der Harzschotter zur Glacialzeit sich circa
4 Kilometer weit deltaartig nördlich vom Harzrande ausbreitet,
hier auch ganz flaches Wasser und genügendes Gefälle und Ab-
fluss vorhanden sein musste, und wenn der Eisrand, wie er glaubt,
nördlich von den Vorbergen des Harzes lag, so musste
hier eine so breite Rinne bleiben, dass mir eine Hochfluth, welche
von ca. 200 Meter (dem Niveau des Harzschotters) bis zu
450 Meter (der Lage der Geschiebe auf dem Harz) anschwoll
durch die Schmelzwasser des Harzes , in dieser Rinne bei dem
vorhandenen Gefälle doch nicht glaubhaft erscheint.
Auch Beyrich’s , von Wahnschaffe citirte Beobachtung,
dass die Gerölleablagerungen am Harzrande z. Th. ganz unab-
hängig von den jetzigen Flussläufen abgesetzt sind, würde durch
die Annahme postglacialer Dislocationen sehr wohl ihre Erklärung
finden.
Dass übrigens in recht junger Zeit noch Spalten am Harz-
rande sich gebildet haben, ergiebt sich ausser aus dem im ver-
gangenen Jahre von mir Angeführten auch aus folgender Beob-
achtung. In und neben dem Innerste -Thal nordöstlich von
Langelsheim sind in der Entfernung von ca. 1 bis ca. 3 Kilometer
nördlich von der Eisenbahn eine ganze Reihe von kleinen Erd-
fällen vorhanden, welche meist auf der Niveaukarte im Maassstabe
462
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
von 1 : 25000 verzeichnet, zum Theil aber auch erst in neuester
Zeit entstanden sind. In einen derartigen Erdfall war nun das
Wasser der Kahnstein -Mühle hineingelaufen und auf längere Zeit
spurlos darin verschwunden, ohne ihn auszufüllen. Dies wurde
der Direction des Kalisalzbergwerkes zu Vienenburg bekannt,
welche für den Bau einer chemischen Fabrik eine geeignete Stelle
suchte, von welcher die Abwässer abfliessen könnten, ohne Schaden
zu thun. Es wurde deshalb nordöstlich der Kahnstein -Mühle
im Pläner mit Inoceramus Brongniarti ein kleiner Schacht von
26 Meter Tiefe abgeteuft, welcher durchweg Pläner mit weit
klaffenden Rissen und Oeffnungen antraf, und, wie ich mich selbst
im vergangenen Jahre überzeugte, verschwand alles Wasser,
welches von oben herabträufelte, sofort in diesen Rissen. Später
wurden, wie mir Herr Director Wiefel gütigst mittheilte, 5 bis
6000 Cubikmeter Wasser der Innerste pro Tag in den Schacht
geleitet, und selbst diese grosse Wassermasse verschwand in dem
Schacht, ohne dass es gelang, in der näheren oder weiteren Um-
gegend eine Stelle zu finden, wo dieses Wasser wieder zu Tage
gekommen wäre.
Nach der Richtung der erwähnten Erdfälle zu urtheilen, liegt
hier also eine vom Harz aus nach Norden verlaufende Spalte vor,
welcher das Bett der Innerste folgt; die Sohle desselben ist aber
einigermaassen wasserundurchlässig, sonst würde die Innerste viel-
leicht ganz verschwinden.
Die Sohle des Schachtes erreicht aber etwa den Spiegel der
Innerste bei Ostharingen und Othfresen, und das in die Schacht-
sohle verlaufende Wasser könnte also erst etwa bei Ringelheim-
Salzgitter, also mindestens 9 Kilometer weiter nördlich, zu Tage
treten.
Diese Spalten können aber nicht wohl schon zur Diluvialzeit
existirt haben, da sie sonst doch von Diluvialsand u. s. w. erfüllt
worden wären.
Veranlasst durch meinen Aufsatz über postglaciale Disloca-
tionen machte mich ferner Herr Professor Kirciihoff auf eine
Mittheilung von P. Kahle »über Höhenänderungen in der Gegend
von Jena (Mittheilungen der geographischen Gesellschaft zu Jena
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Disloeationen.
463
1886, Band V, Heft 13)« aufmerksam, welche mir hier nicht zu-
gänglich war, und welche Herr Dr. Regel mir auf meine Bitte
gütigst zusendete.
Es werden dort eine Anzahl Fälle namhaft gemacht, in
welchen in der Gegend von Jena, Weimar und Sulza nach Aus-
sage von Ortsbewohnern eine Verschiebung des Horizontes in
neuester Zeit stattgefunden habe, so dass Gebäude u. s. w. von
bestimmten Punkten sichtbar oder vollständiger sichtbar geworden
seien, als früher, oder umgekehrt, dass sie unsichtbar geworden
seien. Ein ganz ähnlicher Fall wurde mir aber vor 6 Jahren aus
der Nähe von Göttingen mitgetheilt, indem der Kirchthurm von
Nikolausberg und ein Theil des Dorfes selbst von Grone und anderen
Punkten in den letzten 40 Jahren weit besser sichtbar geworden
wäre. Nun geht durch die Schlucht, welche sich durch Nikolaus-
berg hindurchzieht, eine Verwerfung, und andere Störungen ver-
laufen westlich und südlich davon , zwischen dem Dorfe und den
angegebenen Beobachtungspunkten, ähnlich wie Kahle für die
meisten seiner Fälle das Vorhandensein von Disloeationen con-
statirte und auf solche jene Verschiebungen zurückführte 1).
Selbstverständlich bin ich weit entfernt davon, die erwähnten,
in keiner Weise controllirbaren Angaben als wissenschaftlichen
Beweis anzusehen; wenn solche Angaben aber in grösserer Zahl
von verschiedenen Leuten und in verschiedenen Gegenden gemacht
werden, so ist doch eine gewisse Geneigtheit zu dem Glauben ge-
rechtfertigt, dass für jene Angaben ein gewisser thatsächlicher
Anhalt vorhanden sein könnte, und dass es erforderlich ist, noch
weiteres Material in dieser Beziehung zu sammeln, um möglichst
Fälle zu finden, in welchen durch Messungen aus älterer Zeit
wie aus neuester Zeit Veränderungen der Erdoberfläche bestimmt
nachgewiesen werden können.
0 In neuester Zeit hat Kahle in den Mittkeilungen der geographischen
Gesellschaft für Thüringen Band VI, S. 169 ff. eine ganze Reihe von ihm neuer-
dings zugegangenen Angaben mitgetheilt, durch welche die früheren Beobachtungen
zum Theil noch von anderen Seiten bestätigt wurden, zum Theil aber noch
an anderen Stellen Verschiebungen und Niveauveränderungen bekannt gemacht
werden.
464
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
Nun hat schon im folgenden Hefte (Band Y, Heft 4, S. 165)
der geographischen Gesellschaft zu Jena E. Pfeiffer jene Höhen-
veränderungen durch die Gegenwart von Gyps und Anhydrit-
Lagern resp. durch die Umwandlung des Anhydrit in Gyps und
andererseits durch Auflösung des Gypses an den Thalrändern er-
klären wollen, aber wenn auch die Möglichkeit einer derartigen
Erscheinung nicht in Abrede gestellt werden kann, so ist doch
das Vorhandensein von Gyps oder Anhydrit an all’ den von
Kahle angeführten Stellen nicht erwiesen, und wenn die Ver-
schiebungen in relativ kurzer Zeit so merklich geworden sind,
so hätten die erwähnten Gesteins-Umwandlungen doch so bedeuten-
den Umfang haben müssen, dass, wären sie auch nur seit der
Tertiärzeit in nur gleicher Weise erfolgt, der Anhydrit doch wohl
längst in Gyps übergeführt wäre. Wenn aber selbst die Annahme
von Pfeiffer für die Gegend von Jena zutreffen könnte, so liegt
doch bei Nikolausberg die Sache wesentlich anders, da das Dorf
theils auf Trocliitenkalk, theils auf mittlerem Muschelkalk steht,
und die Gypslager in letzterem hier nirgends zu Tage treten, und
da nur stellenweise ihr früheres Vorhandensein durch Zellenkalke an-
gedeutet wird; auch ist der mittlere Muschelkalk nur ca. 40 Meter
mächtig, so dass Gyps und Anhydrit hier nicht wesentlich in
Betracht kommen.
Die von mir über das Verhalten von Dislocationen aus-
gesprochenen Anschauungen haben nun, wie nicht anders zu er-
warten war, bei denjenigen, welche nicht selbst ähnliche Ver-
hältnisse beobachtet haben, wie ich, wohl nicht ohne Weiteres
Zustimmung gefunden; es ist mir indessen direct nur der Einwand
mündlich gemacht worden, dass nämlich eine Zerreissung der
Gesteine in der Muldenlinie nicht habe erfolgen können in Folge
des hohen Druckes, unter welchem dieselben plastisch geworden
sein müssten. Ich habe aber keineswegs das Vorhandensein oder
die Möglichkeit von einfachen Schichtenbiegungen in Abrede ge-
stellt, sondern die Entstehung von Dislocationen beleuchten wollen.
Abgesehen aber davon, dass mindestens in manchen Fällen
die Schichtenfaltungen nur unter mässigem Druck darüber liegender
Gesteine erfolgt sind, ist gegen diesen Einwand vor allem an-
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
4G5
zuführen, dass Basalt-Gänge u. s. w. vorwiegend auf Muldenspalten
hervorgedrungen sind, so dass in diesen selbst die milden Thone
und Sande der Braunkohlenformation zerrissen worden sind, wie
ja am Habichtswald und an zahlreichen anderen Punkten durch
Bergbau nachgewiesen worden ist, dass in der That der Basalt
auf Muldenspalten emporgedrungen ist.
Beyschlag hat nun zwar sehr richtig in den Erläuterungen zur
geol. Specialkarte, Blatt Aliendorf, hervorgehoben, dass der Basalt
stets gangförmig emporgedrungen ist, hat dann aber gefolgert,
dass der runde Eruptionskanal von 100 Meter Durchmesser in der
Ebene des Friedrichsstollns am Meissner » eine Einsenkung der
Basaltdecke in eine Vertiefung der Unterlage« sei. Ich würde es
immerhin für möglich halten, dass diese »Einsenkung« sich weiter
nach unten noch mehr verjüngt und doch ein Eruptionskanal ist.
Ich habe häufig genug gesehen, dass Spalten, welche an einzelnen
Stellen Basaltgänge enthalten, an anderen sich ganz schliessen und
oft genug kaum noch nachweisbar sind oder sich dem Auge ganz
entziehen, an anderen Stellen dagegen Basalt-Kuppen oder Kegel
tragen, welche in keiner Weise gangförmig erscheinen. Im
Uebrigen liegt es ja auf der Hand, dass eine ganz geringfügige Ver-
schiebung der Schichten längs einer sonst ganz geschlossenen
Spalte an solchen Stellen, wo sie ein wenig von ihrer Haupt-
richtung abspringt, ein Klaffen zur Folge haben muss. Ich
würde daher vorziehen, dem Meissner einen ähnlichen Stiel zu-
zuschreiben, wie ihn Beyschlag in seinem Profil dem Hirschberge
zugebilligt hat.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die nicht bloss in der
Gegend von Kassel und Dransfeld, sondern auch in der Rhön
häufig wiederkehrende Erscheinung hinweisen, dass die von Basalt
überlagerten Mulden vom Tertiärgebirge discordant auf der Trias
liegen, so dass das Liegende auf dem einen Flügel durch ältere
Schichten gebildet wird, als auf dem anderen. Die Profile werden
nun ganz allgemein so construirt, wie auch Beyschlag es gethan
hat, dass diese Discordanz durch vorher gehende Erosion erklärt
wird. Wenn aber doch in der Muldenlinie und vielleicht auch sonst
Spalten durch dieses Liegende hindurchsetzen, so liegt die Möglich-
30
Jahrbuch 1887.
4G6
A. von Roenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
keit vor, dass vor Ablagerung der Tertiärbildungen die Trias-
Scbichten an diesen Spalten gegen einander verschoben, also ver-
worfen worden, und der höher emporragende Theil allein oder doch
stärker erodirt worden sei, und dass dieselben Spalten später dem
Basalt als Ausweg gedient hätten. Es würde sich hierdurch die
Häufigkeit jener Erscheinung gut erklären; ich selbst habe noch
keinen Aufschluss gesehen, welcher ein sicheres Urtheil über diesen
Punkt gestattete, und möchte daher Andere anregen, denselben im
Auge zu behalten.
Ein Profil, welches besonders geeignet ist, für meine Aus-
führungen über Sattel- und Mulden-Spalten als Beispiel zu dienen,
wurde im letzten Herbst etwa 2 Kilometer nordöstlich von Göttingen,
ca. 1500 Meter ostsüdöstlich vou Weende am südlichen Gehänge
des Butterberges in einem Steinbruche aufgeschlossen. Es liegen
hier im Bereich der nordsüdlich verlaufenden Leinethal- Spalte,
meist von Keuper umgeben, Fetzen von Muschelkalk, welche im
nordwestlichen Fortstreichen der sehr complicirten Bruchlinie
südlich Herberhausen belegen, dasselbe Streichen und mit dieser
ohne Zweifel ursprünglich zusammen gehangen haben. In jenem
Steinbruche werden die obersten Schichten des Wellenkalkes aus-
gebeutet, und es wurde hierbei eine ganz kurze Sattel- und
Mulden-Faltung aufgedeckt, welche diese Faltung mit durch-
schnittlich nordwestlichem Streichen ohne Zweifel, ebenso wie eine
Reihe anderer Fetzen, erhalten hat, ehe sie durch die südnördlichen
Brüche von dem übrigen Muschelkalk abgerissen wurden. Der
nordöstliche Flügel der Mulde fällt mit ca. 40 Grad, der süd-
westliche mit ca. 30 Grad ein; dieser ist bis zur Sattellinie nur
ca. 10 Meter lang, und der Südwestflügel des Sattels hat eine
Neigung von ca. 15 Grad. Sowohl in der Sattellinie als auch in
der Muldenlinie ist je eine Spalte vorhanden, welche indessen
nicht eine merkliche Verschiebung der Flügel gegen einander
zur Folge hat, sondern nur von einer starken Stauchung und Zer-
trümmerung der zunächst angrenzenden Gesteine begleitet wird.
o o o
Während aber die Sattelspalte ganz eng ist und nur etwas
braunen Thon, zersetztes Nebengestein, enthält, ist die Mulden-
spalte oben zwar eng, wird aber nach unten schnell weiter resp.
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen. 467
theilt sich in mehrere Spalten, welche durch lose, von den Seiten
hineingefallene Gesteinsbrocken zu einem kleinen Theile ausgefüllt
werden. Es ist hier also eine nach unten weiter klaffende Mulden-
spalte sichtbar, welche sich noch im ersten Stadium der Ausfüllung
durch Hereinbröckeln von Gestein befindet; derartige Profile sind
jedenfalls schon deshalb äusserst selten aufgeschlossen, weil so
stark zerrüttete Schichten für Steinbruchsbetrieb in der Regel
nicht gewählt, sondern möglichst vermieden werden, und weil sie
leicht und schnell zerfallen, wenn sie wirklich einmal künstlich
aufgeschlossen wurden. Uebrigens zeigt der längs des Stein-
bruches z. Th. stehen gebliebene Südwestflügel des Sattels auch
einige nach Südwesten verlaufende Querbrüche von geringer Sprung-
höhe. Herr Dr. Stremme, welcher dieses Profil während seines
Aufenthaltes hier in Göttingen kennen gelernt hatte, schickte mir
kürzlich ein Photogramm der Südostecke des »Alvensleben-Bruchs
bei Rüdersdorf«, welches ein ganz ähnliches Verhalten einer
Muldenspalte zeigt, so dass bis jetzt noch Jeder bei oberfläch-
licher Betrachtung glaubte, ein Photogramm des Profiles am
Butterberge zu sehen.
Es sind hiernach auch im norddeutschen Flachlande ähnliche
Muldenspalten vorhanden, wie am westlichen Harzrande.
In neuester Zeit hat Andreae (Verhandl. d. Naturhist.-Med.-
Vereins zu Heidelberg N. F. IV. Band, 1. Heft 1887) interessante
Mittheilungen gemacht über das Verhalten des Rheinthalspalten-
systems, in welchem er u. a. auch Profile beschrieb resp. ab-
bildete, welche ein Divergiren der Rheinthalspalten nach unten
bestimmt erkennen lassen; es ist dies also genau dasselbe, was
ich für die Leinethalspalte, die nördliche Fortsetzung der Rhein-
thalspalte, wiederholt ausgesprochen hatte; man findet dergleichen
freilich sehr selten aufgeschlossen, und noch seltener dürfte sich
sicher entscheiden lassen, ob die jetzige, vom Thal abfallende
Richtung einer Verwerfung die ursprüngliche ist oder dadurch
hervorgebracht, dass die hinter der Verwerfung liegenden Gesteius-
massen sich secundär in Folge einer Art Ilinüberkippung oder
Oscillation nach dem Thale zu gesenkt resp. geneigt haben. Ich
muss übrigens darauf hinweisen, dass die beiden Flügel seines
30*
468
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
»idealen Querprofils« des Rheinthalgrabens doch eine gewisse
Analogie zeigen mit den weiter unten von mir besprochenen
Schichten- Verschiebungen im 13 Lachter-Querschlag bei Clausthal,
so dass die »Abrutschungsspalten« wenigstens theilweise vielleicht
nicht durch ein Abrutschen nach »den seitlichen Senkungsfeldern«,
sondern durch Neigung und Senkung der Gesteinsmassen nach
dem Rheinthal zu hervorgebracht sind, vielleicht auch beides gleich-
zeitig, oder erst das Eine, dann das Andere.
Von Seiten des Königlichen Oberbergamtes in Clausthal wurde
mir im letzten Sommer mitgetheilt, dass sich in dem sogenannten
»13 Lacliter-Stollu«, welcher bei ca. 160 Meter Tiefe zwischen den
alten Schächten Dorothea und Caroline hindurch den längst ab-
gebauten Burgstädter Gang und den Rosenbüscher und den
Silbernaaler Gang querschlägig von Norden nach Süden durch-
fahren hat, Verschiebungen der Schichten bemerkbar machten,
welche z. Th. aus neuester Zeit herrühren, da sie stärker sind, als
diejenigen, welche von Ch. Zimmermann (die Wiederausrichtung
verworfener Gänge, Lager und Flötze) 1828 an derselben Stelle
beobachtet und (Tab. II, Fig. 1 — 5) ziemlich genau abgebildet
wurden.
Auf meine Bitte Hess das Königliche Oberbergamt den be-
treffenden Theil des Stöllns durch den Königlichen Markscheider
Herrn Flachsbart genau aufnehmen, und diese Aufnahme ist auf
Taf. XIX in verkleinertem Maassstabe (1 : 500) wiedergegeben.
Dieser Stölln ist aber nach den an einzelnen Stellen ein-
gehauenen Jahreszahlen und nach den von Zimmermann mit-
getheilten Angaben der alten Acten in den Jahren 1720 bis 1730
getrieben worden, und der uns interessirende Theil zwischen 1723
und 1727.
Der Stölln ist auf der östlichen Seite mit Schlägel und Eisen,
meist in Grauwacke, zugeführt, auf der westlichen Seite dagegen
mit Pulver gesprengt, wie einzelne Reste von Bohrlöchern (und
die alten Acten) ergeben. Verschiebungen in demselben, der, wie
alle Stölln, schwach ansteigend getrieben ist, damit das Wasser
ablaufen kann, wurden wohl besonders dadurch bemerkbar, dass
hinter einzelnen stärkeren derselben das Wasser nicht ablief;
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
469
hinter den Spalten n bis p, die unten ca. 6 Meter von einander
entfernt sind, beträgt die Verschiebung in’s Liegende 0,37 Meter,
so dass hier fusstiefes Wasser stehen blieb. Dass die Ver-
schiebungen aber erst nach Fertigstellung des Stolln-Querschlages
erfolgt sind, ergiebt sich auch daraus, dass nahe dem Silbernaaler
Gang ein Bohrloch und an zwei Stellen »Gedinge -Stuffen« durch
Spalten durchschnitten und verworfen worden sind.
Die Gedinge- Stuffen sind etwa % Zoll (2 Centimeter) tief
eingehauen, und die langen Striche sind etwa 6 Zoll (14 Centi-
meter) lang; dieselben bezeichnen die bis zu jedem Abrechnungs-
tage hergestellte Streckenlänge in ganzen, halben, viertel und
achtel Lachtern (=2 Meter). Die Verschiebung der nördlichsten
Gedinge - Stuffe ist aber jetzt etwa doppelt so stark, als wie
Zimmermann sie a. a. O. abbildete. Diese liegt nun noch circa
30 Meter südlich vom Rosenbftscher Gange, und dieser ist hier
noch über 60 Meter vom Burgstädter Hauptzuge entfernt. Dar-
aus , dass hier sowohl der Rosenbiischer Gang als auch der
Silbernaaler Gang taub (nicht erzführend) sind, und dass deshalb
niemals Bergbau auf denselben stattgefunden hat, folgerte Zimmer-
mann mit Recht, dass jene Verschiebungen nicht durch Bergbau
veranlasst sein könnten, der im Hangenden, nach Süden zu, statt-
gefunden hätte.
Herrn Bergrath Fickler verdanke ich nun folgende Angaben:
Der Rosenbiischer Gang convergirt mit dem Burgstädter Gang
bis zum Caroliner Schacht, wo beide sich treffen, unter ca. 30 Grad,
und ersterer weicht nach Osten um ca. 60 Grad gegen die Haupt-
richtung des Stöllns ab, fällt aber mit ca. 70 Grad nach Süden ein.
Er hat bis zu 20 Meter Mächtigkeit und wird seit Anfang des
sechszehnten Jahrhunderts bebaut; 1720 war jedenfalls die Sohle
unseres Querschlages mit 160 Meter Tiefe schon erreicht, und
1826, wo der tiefe Ernst- August -Stölln schon angefangen war,
gingen die Baue schon bis unter 386 Meter herab, während sie
heute bis zu 540 Meter reichen.
Die grossen, durch den Bergbau entstandenen Hohlräume im
Burgstädter Gange gaben aber ohne Zweifel Veranlassung dazu,
dass dessen Hangendes sich auf seiner Unterlage von unverritztem
470
A. von Koenen, Beitrag zur Keüntniss von Dislocationen.
Gestein gleichsam nach Norden, nach dem Gange zu, überneigte,
so dass nach Süden hin eine Lücke entstand, nach welcher Gesteins-
massen längs der darin auftretenden Spalten und Klüfte ab-
rutschen konnten. Es ist also die erste Ursache dieser Ver-
schiebungen im Liegenden, nach Norden hiu, zu suchen, nicht im
Hangenden, wie man sonst wohl glauben sollte, und der Vorgang
ist ganz analog demjenigen, den ich für den Rand einer Mulden-
spalte in Anspruch genommen hatte.
Aus dem Grundriss ergiebt sich nun weiter, dass die seitliche
Verschiebung der Schichten an jeder einzelnen Kluft stärker oder
doch mindestens ebenso stark ist, als die verticale oder richtiger
schräge, mit dem Einfallen der Klüfte. Hier beträgt sie, Alles in
Allem, 0,572 Meter, seitlich dagegen im Ganzen 0,793 Meter und
zwar verschieben sich nach Norden hin die Schichten hinter jeder
Kluft nach Osten, also nach der Seite, auf welcher der abgebaute
Burgstädter Zug dem Querschlag näher liegt, nach welcher hin
schräg gegen den Querschlag also die ganze Bewegung hin erfolgt
sein muss. Es ist dies zugleich ein Beweis dafür, dass wirklich
ein Kippen der Gesteinsmassen nach dem Burgstädter Gange hin,
eine Art Oscillation stattgefunden hat. Der Querschlag ist nach
Angabe Zimmermann’s und nach Ausweis der alten Grubenrisse
384 Lachter = 768 Meter lang gewesen, war aber 1828 nur noch
auf eine Länge von 1 14 Lachtern = 228 Metern fahrbar. Jetzt
steht er in starkem Druck, wie dies ja in Folge jener Ver-
schiebungen selbstverständlich ist; er wird zur Zeit aber zum
Zweck der Wasserableitung erhalten.
Da im vorigen Sommer eine genaue Vermessung des jetzigen
Zustandes erfolgt ist, so wird eine neue Vermessung in einer
Reihe von Jahren ein noch klareres Bild gewähren können über
das Fortschreiten jener Verschiebungen, namentlich auch in Folge
des immer tiefer fortschreitenden Abbaues.
Es ist dies aber vielleicht der einzige Punkt auf der Erde,
an welchem sich Ursache und Wirkung durch einen so langen
Zeitraum von über 160 Jahren mit gleicher Sicherheit und Genauig-
keit übersehen lassen.
Als ich die erste Nachricht von diesen Verschiebungen er-
hielt und zugleich erfuhr, dass die benachbarten Gänge, der Silbern-
A. von Koenen, Beitrag zur Kenntniss von Dislocationen.
471
aaler und der Rosenbüscher Gang dort nicht erzführend seien, so
dass ein Bergbau hier nach Süden, also in der Richtung der Ver-
schiebungen, nicht stattgefunden habe, glaubte ich annehmen zu
dürfen, dass dieselben auf Bewegungen in der Erdrinde zurück-
zuführen wären. Als ich aber in Clausthal den oben kurz ne-
o
schilderten Sachverhalt erfuhr, habe ich jene Annahme natürlich
aufgegeben und zwar um so eher, als ich erwarten möchte, dass,
wenn einst eine neuere Bewegung in der Erdrinde im Harz nach-
gewiesen werden kann, dies nicht in der hier vorliegenden Richtung
erfolgen wird, sondern eher senkrecht dagegen, also in der Rich-
tung der meisten Flussthäler des Harzes und der Oderthalspalte
und parallel den jüngsten Störungen, die ich am Harzraude kennen
lernte.
Ueber moderne Dislocationen, Hebungen und Senkungen sind
nun in letzter Zeit eine Reihe von Angaben gemacht worden aus
sehr verschiedenen Gegenden, so von Le Conte (Eine posttertiäre
Hebung der Sierra Nevada. American Journal of Science 1886,
S. 167), von Ochsenius (Ueber das Alter einiger Tlieile der süd-
amerikanischen Anden. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Gesellseh. 1886,
S. 766 und 1887, S. 301), wonach die Anden sich in neuester
Zeit gesenkt haben sollen, so dass Quito von 9596 Fuss im
Jahre 1745 bis 1876 auf 9520 Fuss über dem Meere gekommen
sei. Hierbei ist die Richtigkeit und Zuverlässigkeit der früheren
Messungen in keiner Weise zu controlliren.
Sehr viel wichtiger, schon weil sie weit näher belegene
Gebiete betrifft, ist die Mittheilung von Heim (Vierteljahrsschr. d.
Naturforsch. -Ges. zu Zürich 1887, S. 137), dass nach trigono-
metrischen Messungen in der Zeit von etwas über 30 Jahren die
Lägern sich dem Rigi und Napf um 1 Meter genähert hätten.
Das Vorkommen von Inesit und braunem
Mangankiesel im Dillenburgischen.
Von Herrn Adolf Schneider in Berlin.
(Hierzu Tafel XX.)
Die Umgebung von Dillenburg, den nordöstlichen Theil des
Bergreviers gleichen Namens bildend, wird von Gesteinen des
Mittel- und Oberdevons, sowie des Untercarbons zusammengesetzt,
welche eine zwei Meilen breite Unterdevon- Mulde ausfüllen J),
deren nordwestliche Grenze von Haigerseelbach über Strassebers-
bach hinüberläuft, während nach SO. die Rückenlinie des bei
Rodenhausen auftauchenden und nach Greifenstein hinstreichenden
Sattels die Begrenzung angiebt. Innerhalb der Mulde lagern sich
an die oberen Coblenzschichten von Haigerseelbach in schmalem,
nordöstlich gestrecktem Zime die Orthocerasschiefer von Wissen-
o o
bach, sowie der ältere Schalstein von Nanzenbach an und es folgt
hierauf eine bis Bicken reichende 8 Kilometer breite Zone von
vorwiegend jüngeren Schalsteinen und Kramenzelschichten, die
von schmalen Bändern mitteldevonischer Gesteine und Culm-
schichten durchzogen werden. In dem nach SO. hin übrig
bleibenden Theile der Mulde sind die Schichten des Untercarbons
vorherrschend. Die zwischen den Schiefern von Wissenbach und den
Hercynkalken von Bicken2) gelegene Partie paläozoischer Schichten
') v. Dechen, Geolog. Karte der Rheinprovinz etc. Sect. Laasphe.
2) E. Kayseh, Zeitschr. der Deutsch, geol. Ges., Bd. XXIX, S. 407.
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit etc.
473
wird von vielen Zügen von Diabasgesteinen durchsetzt, welche im
Allgemeinen das mittlere, in hora 4 liegende Schichtenstreichen ein-
halten und mit den Sedimentgesteinen wechsellagern, oft aber
auch unterirdische Kuppen bilden und dann bedeutende lokale
Störungen in der regelmässigen Schichtenlagerung hervorbringen.
Es sind theils echte Diabase, theils Diabasporphyrite 1), neben
welchen noch glimmerführende und glimmerfreie Proterobase 2)
und ein als Pikrit 3) bezw. Paläopikrit 4) bezeichnetes Gestein
bestimmt worden sind.
Das vorliegende Gebiet ist für den Bergbau von grosser
Wichtigkeit, weil in demselben die altberühmten Dillenburger
Kupfererzgänge 5) und sehr bedeutende Kotheisenerzlagerzüge 6)
auftreten. Der auf diesen Lagerstätten begründete alte Gruben-
betrieb hat in günstiger Weise dazu beigetragen, den mit dem
lebhaften Wechsel der erwähnten Gesteine in Zusammenhang
stehenden complicirten Schichtenaufbau näher kennen zu lernen
und den an der Oberfläche vielfach zerstörten Zusammenhang der
Schichten wieder aufzufinden. Dieselben erscheinen somit als ein
System engzusammengepresster, meist in überkippter Stellung be-
findlicher Falten, welche das vorstehend genannte mittlere Ge-
birgsstreichen besitzen und nach SO. einfallen, wobei aber grosse
örtliche Abweichungen gerade in dem Bezirk, welcher hier näher
besprochen werden soll, nachgewiesen sind.
Nahezu in der Mitte der Unterdevon- Mulde und etwa eine
Meile nordöstlich von Dillenburg, im Thale des Scheldebaches, ist
während der letzten Jahre ein lebhafter Betrieb auf Manganerze
entstanden, welcher in mehrfacher Beziehung bemerkenswerthe
Ergebnisse geliefert hat. Das Erzvorkommen ist in den auf der
fl Rosenbusch, Mikroskopische Physiographie der massigen Gesteine. 1877.
S. 382.
2) Schauf, Verhandlungen des naturhistorischen Vereins für Rheinland und
Westfalen. 1880. S. 1 — 34.
3) Angelbis, Verhandl. ders. Zeitschr. 1887, S. 118—130.
4) Oebbecke, lnaugural-Dissertation, Würzburg 1877.
5) Becher, J. P. , Mineralog. Beschreibung der Oranien-Nassauischen Lande
etc. Marburg 1789.
61 Frohwein, E., Beschreibung des Bergreviers Dillenburg. Bonn 1885.
474
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
nordwestlichen Thalseite gelegenen Grubenfeldern »Friedrichszug«,
»Hilfe Gottes« und »Ferdinand« bei Nanzenbach aufgefunden
worden und erreicht unter Hinzuziehung der Verleihungen von
»Medardus« und »Julius« eine Länge von 2 Kilometer bei einem
Hauptstreichen in hör. 4 und Einfallen nach SO. Es tritt an der
Grenze eines Diabasgesteines gegen dunkel gefärbte Thonschiefer
und zwar so auf, dass jenes durchweg das Hangende ist, diese das
Liegende der Lagerstätte bilden. Für die genannte relativ be-
deutende Erstreckung ist eine grosse Regelmässigkeit im Streichen
zu bemerken, welche zum Verhalten der direct anschliessenden
Rotheisenerzlager im Gegensatz steht. So zeigen die an den
beiden Enden des Vorkommens gelegenen, zwischen liegendem
Schalstein und bangendem Diabas aufgeschlossenen Lager der
Gruben »Friedrichszug« und »Schwinueboden« grosse Umbiegungen
o o O O
aus NO. über N. nach NW. und ähnlich sind die im Liegenden
befindlichen, zwischen Schalstein und hangendem Kramenzel-
schiefer bekannten Eisenerzlager der Gruben »Ferdinand«, »Glück-
stern« und »Glücksmond« in ihrem Streichen um zwei Stunden
steiler nach N. gerichet.
Die Eisen- und Kupfererzgrube »Ferdinand« hat die Be-
rechtigung zur Mitgewinnung von Manganerzen schon vor 1867
O O ö Ö Ö
erworben, den weiteren Aufschluss des Manganerz- Vorkommens
aber seit 1884 in Angriff genommen. Der Betrieb wird in zwei
Stölln geführt, welche zu beiden Seiten des Hermannsgrundes
liegen, 195 Meter von einander entfernt sind und die Lagerstätte
h. 3 . 6 . 0 streichend und SO. 50° einfallend bis jetzt in einer
Gesammtlänge von 210 Meter nachgewiesen haben. In einem aus
dem nordöstlichen Stölln (No. 1) 20 Meter tief niedergebrachten
Gesenke ist das Niedersetzen der Erze bis zur Scheldethalsohle
verfolgt. Das Fördergut besteht aus einem gelb- bis röthlich-
braunen Kieselmanganerz, das öfter Manganit fein eingesprengt
enthält und dann dunkelbraune Farbe annimmt. Die Mächtigkeit
beträgt im ersten Stölln 1 bis 1,5 Meter, im Stölln II (Betriebs-
punkt Untereck) 0,5 bis 1 Meter; das im erwähnten Gesenke in
durchweg hellbrauner Farbe anstehende Erz ist über 1 Meter
mächtig.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgisclien.
475
Südwestlich von Stölln Untereck, etwa 800 Meter entfernt,
ist im Grabenfelde des Bergwerks »Hilfe Gottes« im Jahre 1885
die Fortsetzung der Manganerzlagerstätte nachgewiesen und ein
Jahr später der Betrieb auf derselben begonnen worden. Die
Stelle befindet sich zwischen den im südöstlichen Feldestheile den
Schalstein querdurchsetzenden, schon im vorigen Jahrhundert be-
bauten Kupfererzgängen und dem nordwestlich gelegenen, an zwei
im Kramenzelsandstein auftretende Serpentingänge gebundenen
reichen Nickelerzvorkommen, welches während der fünfziger und
sechziger Jahre Gegenstand blühenden Betriebes war *) und zwar in
180 Meter südöstlicher Entfernung von diesem Nickelerzvor-
O
kommen. Die Aufschlüsse sind in einem Stölln und drei in süd-
westlicher Richtung vorgeschlagenen Schächten bewirkt. Der
ebenfalls nach SW. eingetriebene Stölln hat vom Tage aus die
während der ersten 10 Meter 1,3 Meter mächtige und SO.-Fallen
zeigende Manganerzlagerstätte in h. 4 bis zu einer Verwerfungs-
lduft, welche anfänglich westliches, dann allmälig nordwestliches
Streichen annimmt und mit 40° in S. bezw. SSW. einfällt, ver-
folgt. Nach 40 Meter weitem Auffahren auf der Kluft, welche
vom 30. Meter an Kupferkies und Schwefelkies führt, ist die
Lagerstätte etwas über 1 Meter mächtig wieder ausgerichtet,
streicht während der nächsten 25 Meter in h. W. 6.6, wendet sich
dann nach SW. in h. 3.6 und wird, nachdem bei 10 Meter eine
Verdrückung eingetreten war, hinter welcher sie sich wieder zu
einer mittleren Mächtigkeit von 1 Meter aufgethan hatte, bei
40 Meter Länge von einer h. 8 streichenden, steil stehenden Kluft
abgeschnitten, legt sich aber, ohne eine grössere seitliche Ver-
schiebung erlitten zu haben, im linken Stoss als Besteg wieder
an. Nachdem von hieraus im vierten Meter eine zweite Kluft durch-
fahren worden war und die Lagerstätte hinter derselben annähernd
die frühere Mächtigkeit wieder erlangt hatte, wurde sie in ver-
minderter Bauwürdigkeit bei 13 Meter von einem h. 6.6 streichenden,
12 Centimeter mächtigen Nickelerzgang durchsetzt. Von dieser
Ü Kauth in Odernheijier, Das Berg- und Hüttenwesen im Herzogtkum
Nassau. Wiesbaden 1867. II, S. 111 — 118,
476
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
Stelle an wurde die Lagerstätte schwächer, zeigte sich total unbau-
würdig und stiess in der Stollnsohle an einer 3 Meter entfernten,
h. 9.1 streichenden uud SW. einfallenden offenen Querkluft ganz
ab. Hinter derselben ist der Gebirgswechsel zwischen Hangendem
und Liegendem noch 6,5 Meter weit bis zu einem h. 9 streichenden
und SW. einfallenden Serpentingang verfolgt. In den oben
genannten, 42 Meter über der Stollnsohle am Ausgehenden au-
gesetzten drei Schächten ist die directe Fortsetzung der Lagerstätte
auf weitere 60 Meter nachgewiesen. Der in der Nähe des Stolln-
ortes stehende Schacht No. III ist 23 Meter tief auf derselben mit
50° SO. -Fallen niedergebracht worden. Im Tiefsten des tonnlägigen
Schachtes nimmt die Lagerstätte flacheres Fallen an und keilt sich
nach dem Hangenden hin aus. Erwähnt sei noch, dass der Anhieb
der in der Nähe des Ortstosses durchsetzenden Querkluft dem
Schaarungspunkt mit dem, im südöstlich vorliegenden Carolinen-
Stolln bebauten und ins Niveau des neuen Stöllns projicirten
Hauptkupfererzgang entspricht.
Die Verhältnisse des Nebengesteins sind denen auf Grube
Ferdinand analog. Das im Hangenden befindliche Diabasgestein
zeigt krystallinisch feinkörniges, nur ausnahmsweise grobkörniges
Gefüge, ist sehr fest und zähe, hat graugrüne Farbe und tritt
meist massig, selten Uebergänge ins Schiefrige zeigend auf.
Durch zahlreich eingestreute erbsengrosse Mandeln von weissem
und röthlichem Kalkspath wird oft deutliche Maudelsteinstructur
hervorgerufen, welche aber in der Nähe der Lagerstätte durch
Zurücktreten der Kalkmandeln verschwindet. Das Gestein nimmt
hier ein dichtes aphanitisches Aussehen an und sein hoher Kalk-
gehalt ist dem unbewaffneten Auge nicht mehr bemerkbar. Als
accessorische Bestandtheile des in den eingangs erwähnten Gruben-
feldern häufig anstehenden Diabasgesteines sind nickelhaltiger
Schwefelkies, Kupferkies, Magneteisenerz und geringe Mengen
von in krystallinischen Körnern eingesprengten Cordierits be-
kannt geworden. Dem aus dem feinkörnigen Gestein hergestellten
l) C. Koch, Jahrbücher des Vereins für Naturkunde in Nassau. H. 13,
1858, S. 137.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
477
Dünnschliff geinäss besteht die Grundmasse aus Plagioklas, dessen
schmale Leistchen divergentstrahlig gruppirt sind imd Neigung zu
büscheliger Anordnung zeigen. Als Gemengtheil erscheint Augit,
zersetzt in Chlorit und Epidot und spärlich Magneteisen; als
weiteres Zersetzungsproduct ist reichlich Kalkspath vorhanden.
Das hangende Gestein ist also ein echter Diabas und es wird von
dem, auf der von DECHEN’schen Karte an dieser Stelle wie auch
im übrigen Scheldethal verzeichneteu Melapliyr x) ein breiter
Streifen hierhergehören. Am Hangenden der Lagerstätte sind
öfter Uebergänge des Gesteins in grau und röthlich gefärbten
Schalstein zu bemerken und es finden sich an diesen Stellen rothe
Letten und bis 0,5 Meter mächtige Bänke kieseligen Rotheisen-
steins.
Der das Liegende der Manganerze bildende, scheinbar nicht
sehr mächtige Thonschiefer hat dunkelgraue Farbe mit lieber-
gängen nach graubraun und graugrün ; einzelne Lagen sind
glimmerführend oder auch feinsandig. Im Gegensatz zu dem
frischen Aussehn des hangenden Diabases ist er mehr zersetzt
und von milder Beschaffenheit, zeigt aber im Ganzen grosse
Aelmlichkeit mit den benachbarten , sicher bestimmten Culm-
schiefern und dürfte zu diesen zu rechnen sehr. Organische Reste
sind bis jetzt darin nicht beobachtet worden. Nach der Lager-
stätte hin treten da, wo ihre Mächtigkeit abnimmt, bis 0,6 Meter
starke Lagen von hellgelblich- und röthlichgrauen Adinolschiefern
und verschiedenfarbigen Hornsteinen auf, deren gebändertes Aus-
sehen von einem grösseren oder geringeren Maugangehalt beein-
flusst wird. An den Stellen , an welchen der vollständige Con-
tact von Adinolen und Diabas vorhanden ist, sind erstere total
schwarz gefärbt, sodass sie von Lydit nur durch ihre Schmelz-
barkeit unterschieden werden können. Eigentlicher Kieselschiefer
ist nur auf Grube Ferdinand in der Nähe des auf dem nordöst-
lichen Stölln stehenden Schachtes II in einer 20 Centimeter dicken
Schicht anstehend gefunden worden.
0 C. Koch hat in der, dein vorseitig genannten Heft der nassauischen Jahr-
bücher beigegebenen geognostischen Uebersichtskarte der Gegend von Dillenburg
und Herborn den grössten Theil dieser Gesteine als Eisenspilit eingetragen.
478
Adoi.p Schneider, Das Vorkommen von Inesit
Das Mineral, welches Gegenstand des Bergbaus ist, besitzt
zwar auf Grube »Hilfe Gottes« eine etwas wechselvollere Be-
schaffenheit, als auf Grube »Ferdinand«, besteht aber auch liier
hauptsächlich aus dichtem, undurchsichtigem Kieselmangan,
dessen rötlilichbraune Grundfarbe die verschiedensten Scliattiruugen
von hellen bis zu den dunkelsten Tönen zeigt. Das mittlere speci-
fische Gewicht des mattschimmernden Erzes ist 3,1, sein Bruch
splittrig, die Härte (nach der Mohs- von KoBELlfschen Scala)
— 5. Wie die weitere Untersuchung dargethan hat, wird die
Hauptmasse aus einem Erz gebildet, welches wir mit von Ivobell
Klipsteinit nennen wollen. Es enthält neben Kieselsäure Mangan-
oxyd, Manganoxydul und Wasser und ist zweifellos ein Mineral-
gemisch, hervorgegangen durch Umwandlung aus einem Mangan-
oxydulsilicat, welches jetzt noch einen Theil der Masse bildet.
Letzteres findet sich da in reineren Partien vor, wo in der
Masse dünne, dunkelbernstejn- bis schwarzbraune Schichten auf-
treten, welche öfter von dunkelrothbraunen bis kirschrothen Lagen
begleitet wurden. Ferner sind wulstige Anhäufungen vorhanden,
bei denen ein länglicher, unregelmässig geformter schwarzbrauner
Kern von rothen Lagen schalenförmig umhüllt wird und endlich
durchzieht das dunkelbernsteinbraune Mineral hellrothbraune auf-
fallend leichte Erzstücke in äusserst dünnen Klüftchen, welche im
Querbruch als feine, glänzend schwarze Linien erscheinen. Das-
selbe ist ki'ystallisii’t noch nicht gefunden worden; sein Bruch ist
splittrig bis kleinmuschlig, die Härte 3 — 4, der Strich gelbbraun,
die Schmelzbarkeit — 3, das specifische Gewicht = 2,465. Es
besitzt starken Fettglanz und ist in Splittern vollkommen durch-
scheinend. Mit concentrirter Phosphorsäure gekocht, erhält man
eine farblose Lösung unter Ausscheidung von schleimigem Kiesel-
erdepulver, Manganoxyd ist demnach nicht darin enthalten. Im
Dünnschliff ist vorherrschend ein honiggelbes, durchsichtig wer-
dendes Mineral in unscharf begrenzten parallel oder strahlig ge-
ordneten Leistchen. Dasselbe ist doppelbrechend, optisch zwei-
axig mit positivem Charakter der Doppelbrechung; Brechungs-
exponent und Doppelbrechung ungefähr, wie bei Quarz. Hin und
wieder zeigen sich gelbliche, trübe Stellen, welche isotrop sind
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
479
und einer beigemischten, amorphen Substanz angehören. Die
Grundmasse wird von Kalkspath in Trümchen und unregelmässigen
Partien durchzogen. Vereinzelt bemerkbar sind Büschel oder
Sphärolithe bisweilen roth durchscheinender Nüdelchen, welche als
Göthit gedeutet wurden.
Eine in dem unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Finkener
stehenden chemischen Laboratorium der hiesigen Königl. Berg-
ö O Ö
akademie von Herrn Dr. Bärwald angefertigte Analyse ergab :
Si0.2 . . .
. 35,64 pCt.
Fe2Oß .
3,02 »
Ala O3 • •
. 2,59 »
Mn 0 . . .
39,26 »
CaO . . .
. 1,75 » (
MgO . . .
. 1,31 »
co2 . . .
0,60 »
h2o . . . .
. 13,94 »
98,11 pCt.
Der Best sind Alkalien, welche aus Mangel an Material nicht
näher bestimmt wurden. Der gefundenen Kohlensäure entsprechen
0,76 pCt. CaO, welche, als beigemengtem Kalkspath angehörig,
wie oben angedeutet, in Abzug zu bringen sind. Obige pro-
centische Zusammensetzung kommt der des Stratopeit von Pajs-
berg, den Nordenskjöld *) analysirt hat, nahe.
Wie jedoch nach der mikroskopischen Untersuchung schon
zu vermuthen war, eignen sich die Kesultate unserer Analyse nicht
zur Ableitung einer einfachen Formel, da ganz reines, vollständig
homogenes Material, welches in derben Partien honig- bis bern-
steingelbe Farbe hat, so spärlich auftritt, dass es der Analyse
nicht zu Grunde gelegt werden konnte. Es ist aber neuerdings
Aussicht vorhanden, soviel von letzterem zu beschaffen , dass die
Untersuchungen mit definitiven Resultaten abgeschlossen werden
können.
Die erwähnten hellrotlibraunen, leichten Erzstücke
haben ein spec. Gew. von 2,313, hellbräunlichgelben Strich, flach-
Vergl. Dana, a System of mineralogy, 18G8, S. 491.
480
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
muschligen bis splittrigen Bruch, Schmelzbarkeit — 3,5 und
matten Fettglanz, der aber auch öfter einem stumpfen, erdigen
Aussehen Platz macht. Im Dünnschliff sind ausser viel Kalkspatli,
gelbe doppelbrechende und bräunlichgelbe isotrope Stellen nebst
undurchsichtigen Theilen bemerkbar; untergeordnet ist Quarz in
Körnchen vorhanden ; Hohlräume dagegen, welche die Bestimmung
des specifisclien Gewichtes unsicher erscheinen lassen würden,
sind nicht wahrzunehmen.
Die dunkelr otli braun e oder kirschrothe Erzvarietät, welche
das dunkelbernsteinfarbene Mineral begleitet, ist undurchsichtig,
hat starken Fettglanz, flachmuschligen, zuweilen splittrigen Bruch,
Härte 4, Schmelzbarkeit 3,5, rothbraunen Strich uud ein spec.
Gew. von 2,675. Oefter ist das Material von bröckeliger Be-
schaffenheit, hat dann etwas geringere Härte und sein spec. Gew.
nimmt ab bis zu 2,34. Die mikroskopische Untersuchung zeigt
eine bernsteingelbe, durchsichtige Grundmasse von ziemlich hoher
Lichtbrechung, aber isotrop, also jedenfalls amorph, stark durch-
setzt mit Brauneisenerz; auch einzelne doppelbrechende Stellen
sind vorhanden. Daneben treten ausschliesslich in den eisenerz-
freien Theilen Anhäufungen von Erzpartikelchen auf, welche aus
Magneteisen zu bestehen scheinen. Auch Eisenglanzblättchen
sind eingeschlossen. Durchsetzt wird die Grundmasse noch von
unregelmässigen Partien weissen Kalkspathes. Das Resultat der
von Dr. Bärwald angefertigten Analyse ist:
Si02 .
30,21 pCt.
Fe203 .
. . . . 12,49
»
A1203 .
. . . . 2,30
»
Mn 0 .
. . . . 29,16
»
CaO .
. . . . 6,04
» (-
- 3,05)
MgO .
. . . . 0,98
»
o*
o
ü
. . . . 2,40
»
h2o .
. . . . 16,62
»
100,20
aCt.
rührt die g
efundene Kohlensäure von
eingesprengtem
der trotz
sorgfältigsten Au^
O O
lesens
nicht ganz ent-
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
481
fernt werden konnte. Die Menge desselben beträgt 5,45 pCt.
Das rotbe Erz ist demnach im Wesentlichen als eine Abänderung
der dunkelbernstein- bis glänzend schwarzbraunen Erzmasse an-
zusehen. Der reichlichen Beimischung von Brauneisenerz ent-
spricht der höhere Gehalt an FegC^ und Wasser.
Es ist charakteristisch für das ganze bis jetzt besprochene
Fördergut, dass alle Erzstücke von unzähligen feinen Klüftchen
durchzogen werden, in welchen sich in den meisten Fällen papier-
dünne Lagen von hellem Kalkspatli ausgeschieden haben. Zu-
weilen ist eine gewisse Gesetzmässigkeit in dem Verhalten der
Klüfte dann bemerkbar, wenn dieselben eine Breite von mehreren
Millimetern annehmen und in grösserer Zahl bestimmte Richtungen,
welche entweder parallel den Begrenzungsflächen der Lagerstätte
oder schräg dagegen verlaufen können, einhalten. So ist an einer
solchen Stelle des Aufschlusses ein vorliegendes Handstück ab-
geschlagen worden, das aus vielen dünnen bis centimeterdicken,
mit einander abwechselnden Erzlagen von dunkelleberbrauner und
grauer Farbe besteht, an welchem diese scharf abgegrenzten Lagen,
in der Horizontalprojection betrachtet, von einem System von
Klüften in einem Winkel von 70° durchschnitten werden, und
nun durchsetzt ein zweites Kluftsystem das Ganze so, dass die
Begrenzungsflächen der Erzlagen nahezu im rechten Winkel ge-
kreuzt, die ersterwähnten Klüfte aber im Streichen spitzwinklig,
im Einfallen dagegen unter 80° getroffen werden. Hierdurch ist
in den verschiedenfarbigen Erzlagen und Klüften eine Anzahl
deutlich bemerkbarer Verwerfungserscheinungen im Kleinen hervor-
o o
gerufen worden.
Hin und wieder treten in der Kieselmanganerzlagerstätte Nester
von Psilomelan, Manganit und Wad auf, welche man, da
das Fördergut an Eisenhütten zur Darstellung von Spiegeleisen
abgesetzt wird , nicht besonders ausscheidet. In der ganzen Erz-
masse fein vertheilt, wie auch zu körnigen Krystallaggregaten und
grösseren derben Partien vereinigt, treten Schwefelkies und
Kupferkies auf, wobei ersterer der Menge nach vorwiegt und
namentlich nach dem Liegenden zu Nester bis zu 10 Centimeter
Mächtigkeit bildet, welche häufig von schwarzer, stark zerklüfteter,
Jahrbuch 1887.
31
482
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
kieseliger Grundmasse umhüllt sind. Seine speisgelbe, ins Silber-
weisse verlaufende Farbe und die ganze Aebnlicbkeit mit den früher
auf den Nickelerzgängen von »Hilfe Gottes« gewonnenen Erzen
deuten auf einen ziemlich hohen Nickelgehalt hin. Erwähnens-
werth ist noch das zuweilen beobachtbare Auftreten von «e dienen
o o
Kupfer, welches in dünnen Lamellen auf feinen Schnittflächen des
Mangankiesels erscheint. Die kleinen Schuppen haben ein stumpfes
Aussehen und kupferrothe Farbe.
Des Weiteren ist hervorzuheben, dass innerhalb der Lager-
stätte Anthracit vorkommt, welcher als pulveriger Ueberzug in
schmalen Klüften des dunkelgefärbten harten Mangankiesels oder
auch als eisenschwarze, stark glänzende, bröcklige Anhäufungen
kleine Nester in einer dunkeln, kieseligen Grundmasse bildend,
gefunden worden ist. Die partielle Analyse einer möglichst rein
ausgehaltenen Probe ergab:
Kohlenstoff .... 72,67 pCt.
Wasserstoff .... 3,38 »
Asche 20,40 »
Als Eeductionsmittel hat er offenbar zur Ausscheidung der
erwähnten Schüppchen von gediegen Kupfer beigetragen. Aehn-
liche Vorkommen von Anthracit in den benachbarten Rotheisen-
steinlagern der Gruben »Schwarzenstein«, »Breitehecke«, »Stillings-
eisenzug« und »Königszug« bei Nanzenbach *), sowie im Eisenspilit
des Scheider Waldes an dessen hangendem Salband* 2) sind bereits
früher bekannt gewesen.
In dem S. 475 beschriebenen Stollnaufschluss der Grube
»Hilfe Gottes« und zwar bei 61 bezw. 104 Meter Stollnlänge
ziehen sich von der Manganerzlagerstätte zwei apophysenartige
Abzweigungen (Fig. 1. a und b auf Tafel XX) in den hangenden
Diabas, welche beide nicht viel über je 1 Meter laug sind, anfangs
eine Mächtigkeit am ersten Punkte von 0,3 und am zweiten von
0,5 Meter besitzen, sich aber im linken Stollenstoss rasch aus-
keilen. Die Erzführuug ist im Allgemeinen die gleiche, wie auf
der Hauptlagerstätte, nur ist der Fördermasse Manganit etwas
]) Fr. Wenciienbach in Jahrbücher des Vereins für Naturkunde in Nassau,
1878 u. 1879, S. 154.
2) C. Koch, Dieselbe Zeitschrift, Heft 13, 1858, S. 101.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
483
häufiger beigemengt, wodurch sie eine dunklere Färbung besitzt.
Die eben erwähnten beiden Stellen sind deshalb von besondei'er
Bedeutung, weil an ihnen das neue wasserhaltige Mangansilicat,
welches ich bereits früher für den ersten Fundort a beschrieben
und mit dem Namen Inesit (von Ivsc Fleischfaser) belegt habe,
auftritt. Dasselbe durchsetzt in zwei Trümchen von 6 bezw. 4 Centi-
meter Dicke den dunkelbraunen Mangankiesel, findet sich aber
auch in vielen schmalen Klüftehen des letzteren vor. Der Inesit
hat fleischrothe Farbe und bildet radialstrahlige Massen, deren
Büschelsysteme von meist an den Begrenzungsflächen der Trümchen
gelegenen Centren ausstrahlen und oft ineinander geschoben er-
scheinen. Die einzelnen Fasern erreichen dabei eine Länge bis
zu 2 Centimeter und eine Dicke von 1 bis 2 Millimeter. Die
Zwischenräume sind durch ein weisses Carbonat ausgefüllt, welches
sowohl häufig die strahligen Gruppen umhüllt oder als Ausfüllung
von Klüften dieselben durchsetzt, wie auch zwischen die Fasern
eindringt. Als seltenere Gemengtheile sind messinggelber Kupfer-
kies, schwarzglänzende krystallinische Körner von Manganit, so-
wie ein feinfaseriges, kirschrothes Mineral zu nennen, welch’ letz-
teres sowohl in sphärolitischen Aggregaten von 1,5 Millimeter
Durchmesser, wie auch in feinen, parallel verlaufenden Klüftehen
mit normal gegen die Wandungen derselben gerichteter Stellung
der Nüdelchen auftritt, welche aber ebenfalls die Neigung zu
radialer Gruppirung erkennen lassen. Diese, auf Farbe, Härte,
Strich und chemisches Verhalten geprüften Mineralaggregate
scheinen nur aus Eisenoxyd zu bestehen. Diejenigen Stücke des
Inesit, welche das frischeste Aussehen haben, besitzen die Härte 6,
haben Glasglanz, sind lebhaft fleischroth bis rosenrotli gefärbt
und an den Bändern durchscheinend; Anhäufungen feiner Krystall-
nädelchen haben ziegelrothe Farbe. Die beginnende oder fort-
schreitende Umänderung des Materiales, welche sich zunächst in
einem Nachlassen des Härtegrades ausspricht, bewirkt ein Aus-
bleichen der Farbe, so dass diejenigen Stücke, welche den Ein-
wirkungen der Atmosphärilien längere Zeit ausgesetzt waren, voll-
l) Zeitsckr. d. Deutsch, geol. Gesellsck. Jahrg. 1887, H. 4, S. 833 u. f.
31*
484
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
ständig weiss geworden sind, nunmehr eher Seidenglanz besitzen
und sich zwischen den Fingern zu weissem Pulver zerreiben lassen.
Sowohl in sehr dünnen Blättchen, wie, auch in dem, aus dem
fleischrothen Material hergestellten Dünnschliff sind in der schwach
rosafarbenen durchsichtigen Grundmasse öfters winzige, gelb- bis
rothb raune Einschlüsse sichtbar, welche bei Anwendung starker
Vergrösserungen als kleine, rundlich begrenzte Flocken einer
amorphen röthlichbraunen Substanz, deren Natur nicht anerkannt
wurde, erscheinen. Ausserdem sind stellenweise wahrscheinlich
dem Eisenglanz angehörende rundliche Blättchen eingebettet. Der
Brechungsexponent der Grundmasse ist viel grösser, als derjenige
des Canadabalsams , da das Mineral sich mit bedeutendem Relief
von diesem abhebt. Die obenerwähnten rothbraunen Einschlüsse
bewirken offenbar eine öfter hervortretende Nüancirung der Grund-
farbe des Inesit.
Eine zweite, durch Herrn Dr. Bärwald im hiesigen Labo-
ratorium ausgeführte Analyse ergab folgende Bestandteile :
Si 02 . .
. 43,92 pCt.
-ABO3 .
. . . 0,29
»
FeO . .
. . . 0,69
»
MnO . .
. . . 37,87
»
CaO . .
. . . 8,40
»
MgO . .
. . . 0,33
»
II20 . .
. . . 9,22
»
100,72 pCt.
Ueber die mit grosser Sorgfalt ausgeführte Wasserbestimmung
ist hervorzuheben, dass das Mineral beim Erhitzen das Wasser
ganz allmälig verliert, wie die folgenden Zahlen zeigen:
Bei 110° wurden abgegeben . . . 4,54 pCt. H20
» 200° » » ... 0,48 » »
» 300° » » ... 2,23 » »
» 440° (Siedepunkt des Schwefels) 0,62 » ».
Ueber dem Gebläse ...... 1,35 » »
9,22 pCt. Id20
') Vergl. die erste von Herrn Dr. Hampe angefertigte Analyse in der Zeit-
schrift d. Deutsch, geol. Gesellsch. Jahrg. 1887, H. 4, S. 833.
und braunem MangaDkiesel im Dillenburgischcn.
485
Das Wasser wurde durch Phosphorsäure absorbirt. Das
Phosphorsäurerohr staud mit einem Kölbchen in Verbindung, welches
die Substanz aufnahm. Der Apparat wurde evacuirt und darauf
das Erhitzen vorgenommen. Vor dem Wägen des Rohres wurde
dasselbe mit trockener Luft gefüllt. Das Erhitzen über dem
Gebläse geschah in einem Porcellanrohr ebenfalls im Vacuum.
Ueber die Verwerthung der vorstehenden Analysenresultate
theilt Herr Dr. Bärwald Folgendes mit: Wie der mikroskopische
Befund bereits ergeben hat, war das Analysenmaterial nicht voll-
kommen rein und nicht einheitlich gefärbt. Rothbraune winzige
Einschlüsse und die etwas schwankende Farbe lassen vermuthen,
dass das Mineral eine geringe Veränderung erlitten hat, aus
welchem Grunde von der Aufstellung einer Formel Abstand ge-
nommen wurde. Dem unveränderten Mineral kommt vielleicht
II II
die Formel RglLtSigOn zu, wobei R = Mn und Ca ist. Wir
II
kommen sodann zu dem Ausdruck R3 (OH^SigOg -+- H20 oder
II II
R(R0H)2Si308 -h aq, wenn wir dem Umstand Rechnung tragen,
dass nur ein Theil des Wassers bei 110° abgegeben wird, während
das Mineral den übrigen Theil erst bei ziemlich hoher Temperatur
verliert. Hiernach hätte man es mit einem basischen Silicat zu thun,
welches sich von der Polykieselsäure H^S^Og ableitet, derselben
Säure, die Groth1) den Alkali-Feldspäthen zu Grunde legt. Für
ein solches Silicat berechnet sich unter der Annahme, dass Mn : Ca
sich wie 4:1 verhält, folgende procentische Zusammensetzung:
Si02 42,86 pCt.
Mn O ...... 40,57 »
CaO 7,99 »
H20 8,57 »
99,99 pCt.
Der als Krystall wasser angenommene Theil des Wassers be-
trägt 4,29 pCt., das analysirte Material verlor bei 110° 4,54 pCt.
Wie früher schon erwähnt, erscheint das mit dem braunen
Kieselmanganerz im Zusammenhang auftretende Carbonat öfter
9 Tabellarische Uebersickt der Mineralien, II. Aufl.
486
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
gelblich und röthlich gefäi’bt; dagegen besitzt dasjenige, welches
den Inesit begleitet und in die Faserbüschel desselben eindringt,
oder ihn als Ausfüllung von Klüften durchsetzt, eine weisse Farbe
und es sind, wo diese getrübt erscheint, in den meisten Fällen
fein eingesprengte Erztheilchen als die Ursache der Färbung zu
erkennen. Ganz rein ausgesuchte weisse Stücke zeigten folgende
Zusammensetzung :
C02 . . . 42,92 PCt.
MnO . . 4,18 » ( — 2,59 pCt. C02 erfordernd)
CaO . . . 52,20 » (—41,01 » » » )
MgO . . Spur zus. 43,60 pCt. C02 erfordernd
Rückstand . 0,45 »
99,75 pCt.
Das weisse Carbonat ist demnach als manganhaltiarer Kalk-
spath, bestehend aus 93,21 pCt. CaCÜ3 und 6,77 pCt. MnC03 an-
zusehen. Au einer einzigen bisher gefundenen Stelle umschloss
dieser auch eine kleine Partie von derbem cochenillrothem, lebhaft
glänzendem Zinnober. Das Belegstück befindet sich im Besitze
des Königlichen Revierbeamten, Herrn Bergrath Froh wein in
Dillenburg, welcher mir dasselbe zum Zweck der Bestimmung
freundlichst iiberliess.
Herr Dr. Scheibe, welcher die weitere mineralogische Unter-
suchung des Inesit ausgeführt hat, spricht sich über die Ergeb-
nisse derselben aus, wie folgt:
»An den strahlig angeordneten Individuen des Minerals konnten
Krystallfläclien ohne Weiteres nicht wahrgenommen werden. In
der Zone der Längsrichtung zeigten sich die abgelösten Strahlen
durch zwei Spaltflächen begrenzt, welche sich unter etwa 82 y20
schneiden. Der Inesit besitzt nämlich einen sehr vollkommenen und
einen weniger hervortretenden Blätterbruch , eine Eigenschaft,
welche das Zerfallen der Individuen in dünne Blättchen begünstigt
und beim Herausbrechen von Krystallen sich nachtheilig bemerk-
bar macht.
Durch vorsichtiges, stundenlang fortgesetztes Behandeln be-
sonders von kleineren, von Kalkspath umgebenen Stücken des
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
487
Inesit mit Essigsäure oder verdünnter kalter Salzsäure gelang es,
den Kalkspath zu entfernen, und bei möglichster Schonung des
eingeschlossenen Minerals Strahlen bloss zu legen, an denen be-
sonders das freie Ende durch Krystallflächen abgeschlossen war.
Freilich war dies nur bei wenigen der Fall und noch weniger
von ihnen konnten unbeschädigt aus dem immer noch festen Ver-
band gelöst werden. Die gewonnenen Krystalle besitzen kaum
0,5 Millimeter Dicke. Es sind schiefwinklige, gewöhnlich vier-
seitige Säulchen, welche bei übereinstimmender Aufstellung bald
am oberen, bald am unteren Ende Krystallflächen zeigen.
Nehmen wir die Hauptausdehnungsrichtung als Vertikalachse
an, so erfolgt die Begrenzung in der Säulenzone stets durch die
Flächen b (Taf. XX, Fig. 2), parallel zu welcher der erste, voll-
kommene Blätterbruch, und a, parallel zu welcher der zweite,
weniger vollkommene Blätterbruch verläuft. Hierzu kommt öfters
noch die Fläche m als Abstumpfung der scharfen Kante der
Flächen a und b (Fig. 3, 4), etwas gegen letztere zurücktretend.
An dem Ende zeigen die einfach gebauten Krystalle die Flächen
d und e (Fig. 2). An anderen Krystallen finden sich noch c und g
vor (Fig. 3), oder auch c, 1 und i. Nur einmal wurde Fläche o
beobachtet, in Verbindung mit a, b, m, c, d, e, i. Sämmtliche
beobachtete Flächen sind in Fig. 4 dargestellt. Die Flächen d
und e herrschen stets vor.
Im Ganzen waren die Krystalle zu Messungen auf dem
Reflexionsgoniometer (Modell 2 a von Fuess in Berlin) wenig ge-
eignet. Die Flächen der Säulenzone besassen zwar meist genügen-
den Glanz, um die Messung unter Anwendung des Oculars ß
oder j x) zu gestatten, gaben jedoch nur selten scharfe und ein-
fache Bilder des W EBSKY’schen Spaltes. Die Flächen a und b
waren uneben, gewöhnlich in Folge unregelmässigen Aufbaues
des Krystalles, wodurch auch die Parallelität von Fläche und
Gegenfläche gestört wurde. Die Winkel schwanken beträchtlich.
Die Endflächen hatten in der Regel nicht genügenden Glanz, um
') Vergl. Webskv. Ueber Einrichtung und Gebrauch der von R. Fuess in
Berlin nach dem System B abinet gebauten Reflexionsgoniometer, Modell II.
Groth, Zeitschr. IV, 545. 1880.
488
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
Anwendung des Oculars y zu gestatten ; sie waren rauh oder matt,
wohl in Folge der Bedeckung mit Kalkspath und z. Th. auch des
Aetzens heim Entfernen des letzteren. Die Messungen an den-
selben wurden beinahe stets mit Ocular 8 :) ausgeführt, da nur
mit diesem Bilder erhalten werden konnten, die zudem fast nie
einfach und scharf waren. Unter diesen Umständen konnte geringe
Uebereinstimmung in den Werthen entsprechender Kantenwinkel
nicht gerade auffallen. Differenzen von mehr als 1° kamen vor.
Sechs ausgesuchte Krystalle wurden vollständig, etliche andere
nur in der Säulenzone gemessen. Aus den erhaltenen Werthen
wurden mit Rücksicht auf das den einzelnen Werthen zukommende
Gewicht Mittelwerthe berechnet.
Der Inesit krystallisirt triklin.
Deutet man:
a = a : 00 b : 00 c — 00 P V» (100)
b = 00 a : b : 00 c = 00 P ^ (010)
d = 00 a : b' : c = 'P, 88 (Oll)
e = a' : 00 b : c = (P(~öö (101)
und legt man den Berechnungen zu Grunde:
a : b = (100) : (010) = 97° 25’
a : e = (100) : (TOI) = 132° 39'
b : d = (010): (011) = 1 30° 37 '
a:d = (100): (011) = 1150 23’
b : e = (010) : (101) = 86° 40'
so ergiebt sich:
a: b : c = 0,9753 : 1 : 1,3208
und im Oktanten v . r . 0 :
A = 96° 45' 1" a = 92° 18' 12”
B = 133° 18' 28” ß = 132° 55' 54”
C = 97° 25' — ” y = 930 50' 42”
Aus einer QuENSTEDT’schen Projektion (Fig. 5) erkennt man
sogleich das Zeichen der Flächen c und m, während die Symbole
von 1, g, o, i durch Berechnung bezw. Zonenverband bestimmt
wurden.
9 Websky a. a. 0.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
489
Die beobachteten Formen sind demnach:
a — a : co b : 00 c
=
OO-P Go
(100)
b = co a : b : 00 c
=
CO P
(010)
c = 00 a : co b : c
=
0P
(001)
m = a : b' : co c
=
co P
(110)
d = co a : b' : c
-
;p ^
v , GO
(011)
e — a' : co b : c
=
,P,oo
(101)
l = a : 00 b : c
=
’P’"oö
(101)
g = 2 a : 00 b : c
=
2'P'^
(201)
°= 5a': gb : 5C
=
5 P5
(532)
i = a' : |b : c
=
P7
fl
(747)
In der folgenden Tabelle sind neben den ans den Grund-
dimensionen berechneten Combinationskantenwinkeln die an den
Krystallen No. 1, 5, 10, 12, 13 gefundenen Wertlie angeführt,
um einen Einblick in den Grad der Abweichung der gemessenen
Winkel unter sich und von den berechneten Winkeln gewinnen
zu können.
Ungeachtet der grossen Differenz, welche zwischen den ge-
messenen und berechneten Winkeln der Form i = P \ (747) be-
steht, ist an diesem Symbol zunächst festgehalten worden. Den
gemessenen Winkeln würde die Gestalt
(il a : j b : c) = P 25 (98 . 52 . 91)
entsprechen. Da aber die Abweichung der Fläche i aus der
Zone [e : b] nur gering ist und nur an einem Krystall Mes-
sungen möglich waren, so wurde mangelhafte Ausbildung des
Krystalls als Ursache der Abweichung angenommen und dem
einfachen Symbol der Vorzug gegeben. Immerhin bedarf dasselbe
noch der Bestätigung.
Wie die geometrische, ergab auch die optische Natur des
Inesit seine Zugehörigkeit zum triklinen Krystallsystem. Die Lage
der Auslöschungsrichtungen schwankt etwas. Diejenigen, welche
die Lage der optischen Axenebene andeuten, liegen auf b (010)
im Mittel GO1/^0 gegen Kante a:b nach oben hinten, auf a (100)
im Mittel 12° gegen Kante a/b nach links unten gerichtet (Fig. 6).
Orientirte Schnitte für Messung des Winkels der optischen Axen
Gemessen
490
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
fl
c3
Ui
O
CO O
njH CM
fl
A3
CO CM CO CO 00
CO IO CM
CQ
O O O O — < — <
, — , I , — , I , — , I o o o
o O r— I H CM *— < O
o o o o o o o
o O O I— 1 o o o
r-l — ! T— I O F— I T-l I
o
uo
CM
»o
(M C— O l— O
i—i <M | Tf
CM D- <M
05 co 05 co
rH co
co
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CO TH
o
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00 O
kO ‘O
co
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O OO h Tt<
CM CO
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CO >o
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C5 co co
O CO
co co
vO C5
05 co
co
co
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co
CM
O I -H
rH I ^
O CO io
CO CO 05
I I I I I
CM
CM
o
CM
CO
CO rH CO CO C"- r-HCOCO
rti r-( lO C) C4 ^ lO LO
wOcOCMCOCMkOOcOh^
^ 05 CO 05 CO 1—t co co 05
lO O CM I rH 05
— < ^ co I >o
O ‘O
^ lO
io ^ co co
CM ^ i—t
kO CO CM
kO CM
05 »O CO
CO ^ CO C)
I>* O CM
CO ^ CO
-rji CM
CO
05 CO
kO
CM WO
»O
CM
05 CO
CO CM
05 CO
KO O
»— h CO
CO kO
CO C5
O
co
CM
CO 05
<M
CM
O
o
o o o
O IrH |rH
-H — I -H O
o o o o
rH CM O I rH
O rH
rH O
O p
O 1 1-
OKMrHt^C-t-
|H O o ^ tH
rH KO 1 rH I t>- I I>- I t'-
OOOrH^HOOOrHO
O I rH r-< O | rH | rH rH rH O O
rH O O I rH O rH , r-, O |H |H
') Granddimensionen.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
491
anzufertiffen, gestattete die Beschaffenheit des Materials nicht. Da
aber in Spaltblättchen nach b (010) im konvergenten polarisirten
Licht ein Axenbild sichtbar wird, wurden solche zur Bestimmung
benutzt. Die Dispersion der Axen ist p >* v, die Doppelbrechung
negativ ( — ) um die erste Mittellinie, welche etwas schief auf
b (010) austritt. Im AüAMs’schen Polarisationsapparat ]) wurde
in einem Spaltblättchen der Axenwinkel gemessen. Es ergab sich
2 Ha = 64° — ' für Lithiumlicht
— 63° 28' » Natriumlicht
= 62° 51' » Thalliumlicht.
Der Brechungsexponent des zu den Halbkugeln benutzten
Glases ist
n = 1,7782
für Linie D des Spektrums (Natriumlicht).
So lange der Inesit noch nicht ausgebleicht ist, zeigt er deut-
lichen, wenn auch nur schwachen Dichroismus. Es tritt ein
Wechsel zwischen sehr blassem und etwas lebhafterem rosa ein.
Aus den angeführten Beobachtungen geht hervor, dass der
Inesit mindestens geometrisch und physikalisch als ein selbst-
ständiges Mineral charakterisirt ist. Ich hebe dies hervor, weil
M. Bauer neuerdings* 2) in einer vorläufigen Mittheilung neben
dichten Mangansilicaten ein Mineral aus dem Dillenburgischen be-
schreibt, welches hellroth, nach zwei Richtungen stralilig, der Länge
der Fasern nach spaltbar ist. Diese Charakteristik und das Auftreten
des Minerals treffen auch für den Inesit zu. Das Mineral enthält
ferner neben Kieselsäure und Manganoxydul etwas Kalkerde,
Wasser und Kohlensäure und stimmt in jeder Beziehung mit
Rhodonit überein. Letzteres ist beim Inesit nicht der Fall. Der-
selbe enthält auch keine Kohlensäure. Im Uebrigen könnte seine
chemische Zusammensetzung, obwohl sie eine stabile erscheint,
wie die beiden kaum von einander abweichenden Analysen zeigen,
die Vermuthung nahe legen, dass man einen Körper vor sich habe,
der durch theil weise Umwandlung, insbesondere durch Wasserauf-
9 Von Fuess in Berlin konstruirt.
2) Briefliche Mittheilnng im Neuen Jahrbuch für Mineralogie u. s. w, 1888,
I. Bd., S. 214.
492
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit
nähme aus einem Bisilicat, etwa von der Zusammensetzung des
Pajsbergit (Rhodonit) entstanden, oder geradezu iu Veränderung
begriffener Rhodonit ist. Das Verhältnis der Kieselsäure zu den
Basen ist nahezu =1:1. Iu einem solchen Falle müssten aber
auch krystallographische Beziehungen zum Rhodonit vorhanden
sein, was jedoch nicht zutrifft. Eine Zurückführung der Gestalten
des Inesit auf die Augitform geht nicht an. Deutet man am
Inesit die Flächen b (010) und e (101), welche unter 86° 40' gegen
einander geneigt sind, als Säulenflächen, macht also b = (110) und
e = (110) und dann d (011)= (111) und a (100) = (111), so wird
nun zwar eine Annäherung der Winkel (110) : (1 10), (1 10) : (111),
und (11 0) : (111), welche 86° 40', 132° 39', 130° 37’ messen, mit
den entsprechenden am Augit J), welche hier 87° 6', 134° 39',
134° 39’ betragen, erzielt, aber eine Annäherung in anderen
Winkeln, eine Uebereinstimmung im ganzen Habitus und in den
Blätterbrüchen tritt durchaus nicht hervor. Als ebenso gering'
ergiebt sich die Annäherung an die Winkel des Rhodonit. Zur
Klarlegung derselben stellt man am besten den Inesit so auf, dass
seine Flächen e (101), b (010), a (100), d (011) den Flächen (110),
(110), (113), (443) am Rhodonit* 2) entsprechen. Die Winkel
(110): (110), (110): (111), (110:443) betragen dann am Inesit
86° 40’, 132° 39’, 130° 37', am Rhodonit (nach Flink) 87° 31’ 24",
135° 33' 8", 126° 49’ 58".
Auch die optische Natur des Inesit weicht von der des
Rhodonit ab. Bei der soeben angegebenen Aufstellung des Inesit,
in welcher eine, allerdings nur entfernte Annäherung einiger
Winkelwerthe an analoge des Rhodonit hervortreten sollte, ent-
spricht Fläche b am Inesit der Fläche b (110) am Rhodonit.
Beiden Flächen geht auch eine deutliche Spaltbarkeit parallel.
Während aber Rhodonit von Pajsberg auf Fläche b eiue uuter
etwa 2674° gegen Kante (110): 110) nach rechts unten geneigte
9 Vergl. Koicscharow, Mat. zur Mineralogie Russlands, IV. Bd., 285.
2) Vergl. G. Flink, Studien über schwedische Pyroxenmineralien. Gkoth,
Zeitschr. XI, 506. Obige Symbole beziehen sich auf die DANA-GROTH-FLiNic’sche
Aufstellung des Rhodonit.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
493
Auslöschungsrichtung und im konvergenten polarisierten Lichte
den Austritt nur einer optischen Axe dicht am Rande des Ge-
sichtsfeldes zeigt, bildet jene Richtung auf Fläche h des Inesit
mit der analogen Kante einen nach rechts unten offenen Winkel
von 721/4° und im konvergenten Lichte treten beide optischen
Axen aus. Endlich stimmen auch, abgesehen von der verschiedenen
Lage der optischen Axenebenen, die Winkel der optischen Axen
in beiden Körpern nicht überein. G. Flink x) fand für den
Rhodonit in Jodkalium- Jodquecksilberlösung (n — 1,726 für eine
mittlere Farbe) 2 II a= 79° für Natriumlicht. Auf ein Medium,
dessen n = 1,7782 ist, zurückgeführt, würde 2 Ha = 76° 15' be-
tragen. Beim Inesit wurde in Spaltblättchen nach b 2 Ha = 63° 28'
gefunden, welcher Werth in Platten senkrecht zur ersten Mittel-
linie sich nur wenig anders darstellen würde. Aus alle dem geht
aber hervor, dass andere Beziehungen zwischen Inesit und Rho-
donit, als dass beide wesentlich Kieselsäure und Mangan ent-
halten, zunächst nicht nachweisbar sind.
Ein Mineral, auf welches hier hingewiesen werden möge,
weil seine Zusammensetzung, abgesehen von einem 1,6 pCt. be-
tragenden Gehalt an Alkalien, nur wenig von der des Inesit ab-
weicht, ist der Hydrorhodonit von Längbanshyttan. Engström ')
beschreibt denselben als ein krystallinisches, ziemlich leicht in einer
Richtung spaltbares, durchscheinendes, in Splittern auch durch-
sichtiges, rothbraunes Mineral. Die Härte ist
5 — 6,
das
Gew. 2,7. Zwei
Analysen ergaben :
I.
II.
Si02
. . 44,07 pCt.
44,06 pCt.
Mn 0 .
. . 30,83 »
31,15
»
FeO .
. . 1,04 »
1,00
»
CaO .
3,60 »
3,54
»
MgO .
6,98 »
7,24
y>
Na20 .
• • 0,39 » 1 = 4,48 j
Li2 0 .
1,23 » j Chloralkalien i
4,80
»
IJ20 .
. . 11,84 »
11,96
»
99,98 pCt.
*) Geol. Foren.
i Stockholm Förh. 2. Bd. 1875. S. 468.
494
Adolf Schneider, Das Vorkommen yon Inesit
Daraus folgt die Formel
R0.Si02 + H20.
Nähere Angaben über Vorkommen und Eigenschaften des
Minerals werden nicht gemacht. Aus diesem Grunde sind nähere
Beziehungen nicht festzustellen. Ebensowenig können Vergleiche
mit den Mineralien, welche man als Umwand lungs- und Zer-
setzungsproducte von Rhodonit betrachtet und mit den Namen
Stratopeit, Photicit, Neotocit, Wittingit belegt hat, zu bemerkens-
werthen Ergebnissen führen, denn diese Substanzen sind amorph
oder dicht und kaum homogen.«
Soweit Herr Dr. Scheibe.
Fasst man das Auftreten des Inesit und seine Beziehungen
zu den Mangansilicaten seiner Umgebung in das Auge, so ergiebt
sich, dass an den hier vorliegenden Stücken ein directer genetischer
Zusammenhang nicht vorhanden ist. Hiermit soll nicht gesagt
sein, dass nicht das Eine Material zur Bildung des Anderen ge-
liefert habe, sondern nur, dass eine allmälige Umwandlung des
Einen in das Andere in situ nicht nachweisbar ist.
Als ältestes und ursprüngliches Mangansilicat auf der Lager-
stätte erweist sich das homogene, honig- bis bernsteingelbe, stark
durchscheinende, optisch zweiaxige Mineral 1). Aus ihm gingen
durch allmälige Umwandlung, z. Th. unter Bildung von Eisen-
erzen, amorphe Massen hervor, in denen der Wassergehalt steigt
und zuletzt Eisenoxyd und Manganoxyd sich einstellen. Die hell-
rothbraunen 2) und duukelrothbraunen oder kirschrothen Erzmassen
sind so entstanden und zeigen noch wechselnde Reste des ur-
sprünglichen Minerals. Als letztes und am stärksten verändertes
Product ist der sogenannte Klipsteinit anzusehen. Die nach
Bildung der Massen eintretenden Zerklüftungen gaben Wege für
weitere eindringende Lösungen ab und nun wurde auch in Spalten
des Kieselmanganerzes an den zwei Abzweigungen a und b der
Lagerstätte der Inesit als wasserhaltiges Kalk-Manganoxydulsilicat
•) Vergl. S. 478 ff.
2) Vergl. S. 479 ff.
und braunem Mangankiesel im Dillenburgischen.
495
abgesetzt und von Kallcspath oft vollständig umhüllt. Die An-
wesenheit von Anthracit und von Sulfiden weist darauf hin, dass
auch nach Bildung von Eisen- und Manganoxydsilicaten eine
solche von Oxydulsilicaten möglich sein konnte.
Dass der Inesit seinerseits durch Zersetzung Material zur
Bildung von Erzmassen, die zum Klipsteinit hinüberführen, geben
kann, ist durch die winzigen, rothbraunen Zersetzungsflocken,
welche sich stellenweise in ihm zeigen, wahrscheinlich gemacht.
Da aber eine Ausbleichung des Inesit im Fortschreiten der Um-
wandlung stattfindet und die rothbraunen Einschlüsse verschwinden,
so ist eine Wegführung derselben anzunehmen.
Ob nun den Kieselmanganerzen der Lagerstätte wasserfreie,
dem Rhodonit zugehörende Mangansilicate als erste Producte vor-
ausgegangen sind, kann an dem vorliegenden Material nicht ent-
schieden werden, da dieselben nicht bemerkt worden sind. Der
nach grösserer Teufe vorschreitende Betrieb wird aber hierüber
Auskunft geben.
Wie die beiden mehrfach erwähnten, in den Diabas ver-
laufenden, apophysenartigen Trümer der Kieselmanganerz -Lager-
stätte, ferner die an den Begrenzungsflächen (Salbändern) der-
selben hin und wieder blossgelegten Rutschflächen, ebenso die zahl-
losen in der Erzmasse befindlichen Klüfte und Schnitte und endlich
die an einzelnen Faserbüscheln des Inesit bemerkbaren Stauchungen
beweisen, haben vor, während und nach der Bildung der Erz-
lagerstätte viele kleine Bewegungen des Nebengesteins statt-
gefunden, welche auf das Vorhandensein von mit der Gebirgs-
faltung im Zusammenhang stehenden Schiclitungs- und auch Quer-
klüften zurückzuführen sind. Unsere Erzlagerstätte erscheint als
eine, aus den Absätzen der eindringenden Mineralsolutionen ent-
standene theilweise Verkittung einer solchen Schichtungskluft oder
Grenzfuge und besitzt demnach den Charakter eines Contactganges.
Was nun den Zeitpunkt des ersten Auffindens des Inesit an-
Jangt, so ist darüber zu bemerken, dass an einem Handstück von
Klipsteinit, welches aus der, durch das mineralogische Museum
der Königlichen Bergakademie zu Berlin in den siebziger Jahren
erworbenen 1 ) a n n e n be rg’s eben Sammlung herstammt und im
496
Adolf Schneider, Das Vorkommen von Inesit etc.
Monzenbaclithal bei Herborn x) gefunden sein soll, kleine Partieen
eines röthlichgrauen , faserigen Minerals anhaften, welches als
Tremolit signirt war, aber mit dem Inesit identisch ist.
Zum Schlüsse spreche ich den Herren Bezirksgeolog Dr. Max
Koch für die mir gewährte Unterstützung bei der mikroskopischen
Untersuchung, Dr. R. Scheibe für die krystallographische Bestim-
mung des Inesit, Dr. C. Bärwald für die Ausführung der Ana-
lysen und den Herren Betriebsführern H. MöbüS in Oberscheld
und W. Hardt in Frohnhausen für freundliche Ueberlassung der
zur Untersuchung; nothwendigen Erze meinen verbindlichsten
O O
Dank aus.
’) Der Angabe von Kobell’s bezw. von Klipstein’s (vergl. Erdmann, Journal
für praktische Chemie, Jahrg. 1866, S. 181) ist berichtigend hinzuznfügen, dass
bei Herborn, wie Herr Bergrath Frohwein von Dillenburg die Freundlichkeit
hatte mir zu bestätigen, eine Grube »Bornberg« nie bestanden hat, wohl aber
eine Grube »Burmberg« im Monzenbachthal vorhanden ist, in welcher durch
Prof, von Klipstein im Jahre 1865 der Klipsteinit gefunden worden ist.
Abhandlungen
von
ausserhalb der Koni gl. geologischen
stehenden Personen.
Landesanstalt
Jahrbuch 1887,
Ci]
Ueber das Vorkommen des oberen Jura in der
Nähe von Kirclidornberg im Teutoburger Walde.
Von Herrn Georg Gante in Cassel.
Auf der von von Dechen herausgegebenen geognostischen
Karte des Teutoburger Waldes findet man als einzigen Ort, an
welchem der obere Jura zur Ablagerung gekommen ist, den Kreuz-
krug bei Kirclidornberg verzeichnet, und auch liier ist derselbe
nur auf eine Länge von 500 — 600 Meter und eine Breite von
höchstens 200 Meter entwickelt. Das Vorkommen desselben hier
auf dem Nordostabhang des Muschelkalkrückens ist um so auf-
fallender, als erst einige Meilen nordwärts in der Kette des Weser-
gebirges der obere Jura wieder zum Vorschein kommt, während
die ganze Mulde zwischen Teutoburger Wald und Wesergebirge,
abgesehen von einzelnen lokalen Tertiärablagerungen, wie im
Doberg bei Bünde, nur von älteren Formationen bis zum Lias
aufwärts ausgefüllt wird. Noch auffallender war es aber dem
Verfasser, dass auf dem Südwestabhang des Muschelkalkrückens,
wo die übrigen Glieder der Trias-, Jura- und Kreide-Formationen,
wenn auch räumlich in geringer Ausdehnung , zur Ablagerung
gekommen sind, der obere Jura gänzlich fehlen sollte.
Durch den Bergbau auf die im Wälderthone auftretenden
Steinkohlenflötze in der Nähe von Kirclidornberg und durch den
zu diesem Zweck von letzterem Dorfe aus getriebenen Stölln hatte
man die einzelnen Abtheilungen der oben erwähnten Formationen
aufgeschlossen, merkwürdigerweise aber das Vorhandensein des
4
Georg Gante, lieber das Vorkommen des oberen Jura
weissen Jura übersehen. Abgesehen davon, dass der Stölln schon
vor etwa 50 Jahren aufgefahren ist, und die Leiter des Unter-
nehmens mehr praktische als wissenschaftliche Zwecke verfolgten,
ist das Uebersehen bezüglich Nichterkennen des oberen Jura
schon aus dem Grunde erklärlich, weil das Vorkommen desselben
wesentlich von demjenigen in anderen bekannten Gebieten ab-
weicht, und das Gestein selbst theilweise sehr leicht mit dem des
Muschelkalkes verwechselt werden kann.
Während es nun dem Verfasser trotz aller Mühe — das
Flussbett des am Kreuzkruge vorbeifliessenden Baches wurde
unter anderem sorgfältig untersucht, — nicht gelungen ist, das
Vorhandensein des weissen Jura an der auf der von DECHEN’schen
Karte angegebenen Stelle nachzuweisen, wurde der obere Jura
auf dem Südwestabhange des Muschelkalkrückens auf eine ziem-
lich weite Erstreckung constatirt und zugleich auch das Alter
der Sandsteinschichten des Hassberges und Wittbrinkes dem
Kreuzkruge gegenüber, welche bisher für Neocom gehalten wurden,
genauer bestimmt.
Etwa 850 Meter auf dem von Kirchdornberg nach der Stein-
kohlenzeche Friedrich Wilhelm führenden Wege zweigt sich nach
Westen ein kurzer Fahrweg vou 120 Meter Länge ab, welcher in
einen Steinbruch (No. I der nachstehenden Skizze) mündet. Dieser
Steinbruch ist etwa 4 — 5 Meter tief und bildet die Fortsetzung
eines früheren, jetzt vollständig von Moos überwucherten Stein-
bruchs südlich des Fahrweges. Die hier gewonnenen Steine sind
bedeutend fester als die sonst zum Strassenbau verwendeten
Plänerkalke. Die Schichten stehen fast auf dem Kopfe mit einer
geringen Neigung nach Nordosten; die Streichrichtung ist, soweit
dies ersichtlich war, parallel dem Hauptstreichen des Gebirgs-
zuges vou Nordwest nach Südost. Die Farbe des Gesteins ist
in den oberen, mehr der Verwitterung ausgesetzten Theilen grau-
weiss und wird nach der Tiefe zu dunkler. Die Mächtigkeit der
Schichten beträgt nur 4 — 6 Meter; im Hangenden und Liegenden
zeigt sich ein aus Letten bestehendes und von Kalkspathadern
durchzogenes grünlich - braunes Gestein, dessen Verwendbarkeit
zu Bausteinen und zur Pflasterung ausgeschlossen ist, da dasselbe
nach t Wert her
in der Nähe von Kirchdornberg im Teutoburger Walde.
5
250 0 500 1 0 0 0 2 000 rn
Muschel- Keuper Lias Dogger Heersumer Oberer Wealden Hils
kalk Schichten weisser Jura
an der Luft schnell verwittert und zerfällt. Zwischen diesen
Schichten setzt etwa 1 Meter vom Liegenden 1) eine mit schwarz-
blauem Letten ausgefüllte Kluft durch. Der Zusammensetzung
nach besteht das Gestein vorwiegend aus kohlensaurem Kalk, da
es mit Säure betupft heftig aufbraust. Auf dem Bruch erscheint
dasselbe grobkörnig-oolithisch. Mitunter finden sich darin Gerolle
von Nussgrösse und darüber, die so innig mit dem feineren Binde-
mittel verkittet sind, dass sie beim Zerschlagen eines Gesteins-
stückes nicht herausfallen, sondern zerspringen.
Im Allgemeinen ist das Gestein arm an Versteinerungen, nur
Stücke kleinerer Austerschalen finden sich häufiger. Als wichtigste
Versteinerung kann das Bruchstück einer Nerinea von 45 Milli-
meter Länge und 30 Millimeter Durchmesser gelten. Dieselbe ist
langkegelförmig, sehr allmählich sich nach oben verjüngend. Der
Durchmesser des Nabels beträgt an der Mündung 8 Millimeter,
x) Da die Gebirgsschicbten vollständig überkippt sind, sind die anscheinend
bangenden Schichten thatsächlich die liegenden.
6
Georg Gante, Ueber das Vorkommen des oberen Jura
die Höhe der untersten Windung 15, die der nächstfolgenden 10
und die der dritten 9 Millimeter. Die Mitte eines jeden Um-
ganges ist von einer ziemlich tiefen Furche durchzogen, welche
parallel dem Umgänge läuft. Der Spiralwinkel ist gering. Sie
hat am meisten Aehnlichkeit mit der aus dem mittleren Kimme-
ridge (s Qüenst.) stammenden Nerinea Gosae F. A. Roem.1). Obwohl
das Stück nur ein Steinkern ist und desshalb der für die genannte
Species charakteristische aus 18 bis 20 Knoten gebildete Naht-
wulst und auch die sichelförmigen nach oben zurückgebogenen
Anwachsstreifen nicht sichtbar sind, so möchte ich dennoch (da
der sonstige Bau dem der Nerinea Gosae sehr ähnlich ist) die
Versteinerung zu jener Species rechnen.
Ferner fanden sich kleine Lepidotus- und Pycnodus ähnliche
Zähne. Dieselben erreichen eine Höhe von 2 — 4 Millimeter, einen
Durchmesser von 1 — 8 Millimeter und sind cylindrisch oder oval
geformt. Die Krone ist flach oder wenig gewölbt und theilweise
(. Lepidotus ) mit einer kleinen Vertiefung versehen. Die Farbe ist
oben tiefschwarz, unten bräunlich. Von einer Pycnodus- Art fand
sich noch ein Theil einer der vier Zahnreihen, aus drei Zähuen
bestehend, vor, welche nach ihrer geringen Grösse zu urtheilen,
der vierten oder dritten Reihe angehören.
Auch wurde ein Knochen, etwa 50 Millimeter lang und etwa
30 Millimeter breit, gefunden, doch gelang es nicht, denselben
unversehrt aus dem Gestein heraus zu bekommen.
Der Streichrichtung der im eben beschriebenen Steinbruche
anstehenden Schichten folgend, gelangt man zu dem etwa 300 Meter
entfernt liegenden Steinbruch. (No. II der Skizze.)
Während im Steinbruch No. I das Einfällen noch als nord-
östlich bezeichnet werden konnte, stehen hier die Schichten auf
dem Kopfe oder zeigen schon ein südwestliches Einfallen und
sind demnach weniger überkippt.
Auch liier haben die zu baulichen Zwecken verwendbaren
Schichten nur eine Mächtigkeit von wenigen Metern, während
das Flangende und Liegende derselben sehr schnell der Ver-
x) H. Credner, Ueber die Gliederung des oberen Jura etc. S. 160, Taf. I,
Fig. 2.
in der Nähe von Kirclulornberg im Teutoburger Walde.
7
Witterung unterliegt. Conglomerate treten noch häufiger wie
im Steinbruch No. I auf. Auch hier zeigen häufig ganze Quader
die oolithische Struktur der im Steinbruch I anstehenden Schichten.
Versteinerungen waren selten, nur einige Knochen- und Pflanzen-
Eeste, welch’ letztere verkiest sind, fanden sich vor. Bemerkens-
werth ist ferner noch das Vorkommen von Asphalt, welcher
kleine Risse und Spalten der Kalksteinbänke durchsetzt. Höchst
wahrscheinlich rührt auch die dunkle Farbe der tiefer liegenden
Schichten von der Imprägnation mit diesem Bitumen her, während
die oberen Schichten durch das Sonnenlicht nnd sonstige atmo-
sphärische Einflüsse gebleicht sind. Es dürfte dieses Vorkommen
von Asphalt grosse Aehnlichkeit mit demjenigen in der Nähe von
H annover am Ith und bei Limmer haben.
Den dritten Aufschlusspunkt bildet der etwa 300 Meter vom
Steinbruch No. II entfernt liegende, augenblicklich nicht im Betrieb
befindliche Steinbruch No. III der Skizze. Hier zeigen die
Schichten deutlich das ursprüngliche Einfallen nach Südwest und
zwar unter einem Winkel von 50 — 60°. Versteinerungen wurden
nicht gefunden und herrschte auch hier die oolithische Struktur vor.
Aus der in allen drei Steinbrüchen gefundenen geringen Zahl
von Versteinerungen würde sich kaum bestimmen lassen, mit
welchem Gliede des oberen Jura man es zu thuu hat, zumal
Leitfossilien, mit Ausnahme der erwähnten Nerinea , vollständig zu
fehlen scheinen. Aus der Lage dieser Schichten indessen zu den
im weiteren Verlauf der Arbeit behandelten wird es aber doch
möglich sein, annähernd zu bestimmen, welchem Gliede des oberen
Jura dieselben zuzuzählen sind.
Kurz vor dem Steinbruch No. I führt nach Norden hin ein
schmaler Hohlweg ab, welcher einen weiteren Aufschluss bietet.
(Punkt B der Skizze.) Man sieht, dass hier in einer Entfernung
von nur 8 Meter die Schichten allmählich flacher nach Nordosten
einfallen. Dieselben bestehen vom Hangenden nach dem Liegenden
zu aus oben verwitterten Massen, wie schon vorher erwähnt,
dann folgen grauweisse, sehr feste Kalksteine und darunter lagert
eine 1 Meter mächtige, grün - bräunliche Schicht, aus Letten be-
stehend. In den festen Kalken fehlt die oolithische Struktur
vollständig.
8
Georg Gante, Ueber das Vorkommen des oberen Jura
Es fand sich ein Bruchstück eines Gastropods, welches mit
der Melania Bronnii F. A. Roemer identisch zu sein scheint und
stimmt dieselbe auch mit dem in der Sammlung der geologischen
Landesanstalt zu Berlin vorhandenen Exemplar vollständig überein.
Ferner fanden sich das Bruchstück einer Nerinea cfr. Visurgis
F. A. Roem. von sehr schlanker Form, ein Bruchstück eines Ab-
druckes eines Pecten , ein Stückchen von der Schale eines Echi-
niden und endlich in ziemlich guter Erhaltung die Eccogyra vir-
gula Golde.
Wenngleich auch hier die Anzahl der gefundenen Versteine-
rungen sehr gering und der Erhaltungszustand derselben ein wenig
guter ist, so dürfte man doch aus dem Vorkommen der Exogyra
virgula schliessen, dass diese Gesteine dem Kimmeridge angehören.
Die oben erwähnte grün-bräunliche Schicht bildet den Ueber-
gang zu braunen Sandsteinschichten, welche nach Farbe und Be-
schaffenheit genau dem weiter südlich liegenden, die höchsten
Kuppen des Gebirges bildenden Hilssandstein ähnlich sehen. Die
Mächtigkeit dieser braunen Sandsteinschichten liess sich nicht
genau feststellen, da der Weg sehr bald den Charakter eines
Hohlweges verliert, und der Boden an der Oberfläche mit Humus
bedeckt ist. Indessen beträgt die Mächtigkeit, nach den überall um-
herliegenden Sandsteingeröllen zu schliessen, mindestens 100 Meter.
Auf der von DECHEN’schen Karte ist das Auftreten dieser Saud-
steinschichten nicht bezeichnet, sondern an Stelle derselben findet
sich der braune Jura, wie solcher weiter nördlich durch den alten
Stölln und an anderen auf der Skizze angegebenen Punkten
unzweifelhaft aufgeschlossen ist.
Anfänglich glaubte ich wegen der grossen Aehnlichkeit mit
dem Hilssandstein auch dieses Vorkommen für eine den mecha-
nischen Einflüssen des Wassers und der Luft entgangene Scholle
einer Hilsablagerung halten zu müssen, trotzdem ich mir die Con-
cordanz der Schichten mit denen des oberen Jura nicht erklären
konnte. Da jedoch nach den Lagerungsverhältnissen das ganze
Gebirge bedeutenden Störungen unterworfen gewesen sein muss,
0 Versteinerungen des norddeutschen Oolitlien- Gebirges S. 159, Tab. IX, fig. 22.
in der Nähe von Kirchdornberg im Teutoburger Walde.
9
so schenkte ich diesen Schichten anfangs um so weniger Auf-
merksamkeit, als ja auch der Hassberg und Wittbrink auf dem
Nordabhang: des Muschelkalkrückens für Hilsschollen angesehen
wurden. Ich verfolgte indessen diese Schichten über den vom
Dorfe Kirchdornberg nach der Steinkohlenzeche Friedrich Wilhelm
führenden Weg in südöstlicher Richtung weiter und fand hier in
einer Thalrinne (Punkt A der Skizze) einen kleinen verlassenen
Steinbruch, dessen Material früher zur Herstellung von Gement
benutzt worden ist. Die hier gebrochenen Steine hatten aber einen
zu geringen Kalkgehalt ergeben und der aus denselben bereitete
Gement hatte so wenig Bindekraft, dass der Betrieb des Stein-
bruches sehr bald eingestellt wurde.
Das Gestein zeigt hier eine tief braune bis schwarze Farbe,
ist häufig von helleren Flammen durchzogen und ähnelt in mancher
Beziehung den im Lias vorkommenden, zur Cementfabrikation
verwendeten, thonhaltigen Kalksteinen. Die der Verwitterung
ausgesetzten Blöcke besassen eine bedeutend hellere, grauweisse
Kruste, während der Kern noch die ursprüngliche Farbe zeigte.
Im Uebrigen liess sich das Gestein sehr schlecht mit Hammer
und Meissei bearbeiten und die darin vorhandenen Versteinerungen
zersprangen häufig beim Zerschlagen des dieselben umschliessenden
Materials. Eine Schichtung war nicht wahrzunehmen, da nur
einzelne Blöcke aus dem mit dichtem Gesträuch bewachsenen Boden
herausragten.
Die Versteinerungen, welche ich hier fand, belehrten mich
sehr bald, dass diese Sandsteine nicht dem Hils angehören konnten.
Von den sämmtlichen, hier gefundenen Petrefakten war kein ein-
ziges mit den im Hils vorkommenden identisch und das häufigere
Auftreten von Ammoniten, die im Hils des Teutoburger Waldes
zu den Seltenheiten gehören, meines Wissens aber in den Hils-
sandsteinbrüchen der benachbarten Hüneuburg noch irar nicht ire-
funden worden sind, führte mich zu der festen Ueberzeugung, dass
ich es mit einer älteren Formation zu thun haben müsse. Bei
näherer Untersuchung stellte es sich denn auch heraus, dass der
erwähnte Ammonit der in den Heersumer Schichten typische
Ämmonites cordatus Sow. sei.
10
Geokq Gante, Ueber das Vorkommen des oberen Jura
Ausser diesem fand sich in einem unvollständigen Exemplar
der Abdruck eines Ammoniten, den ich für den gleichfalls in den
Heersumer Schichten vorkommenden Ammonites plicatilis Sow. halte.
Die unregelmässig vertheilten Rippen sind meist gerade, zum
Theil etwas gebogen und in der Nähe des Rückens zweispaltig.
Ein Kiel ist nicht vorhanden, doch bildet bei dem vorliegenden
Exemplar der Rücken eine mässig scharfe Kaute, über welche
indessen die Theilrippen fortsetzen.
Von Brachiopoden fand ich eine kleine Rhynchonella, welche
mit Rhynchonella varians v. Sciilotii. grosse Aehnlichkeit hat und
welche sowohl als Steinkern, als auch mit Schale erhalten war.
Von Zweischalern ist zunächst eine Lima zu erwähnen, welche
durch ihre Grösse sehr an die L. gigantea des Lias erinnert.
Dieselbe ist gestreckt und wenig ungleichseitig. Die radiale Rippung
ist sehr dicht und fein, von concentrischen Anwachsstreifen in
ziemlich weiten Zwischenräumen durchzogen und an den Zuwachs-
ansätzen wellig geformt. Die Länge derselben beträgt 35, die
Breite 30 Millimeter. Dieselbe dürfte vielleicht mit der Lima
nubantiquata F. A. Roem. ]) identisch sein. Eine Pholadomya fand
sich nur als Bruchstück, der obere Theil derselben mit den Wirbeln,
welche ich als Pholadomya paucicosta F. A. Roem. bestimmt
habe. Besonders bemerkenswerth ist eine Goniomya, deren beide
Schalen sehr schön erhalten sind. Die Form derselben ist quer-
oval, die Höhe beträgt vom Wirbel bis zum Schalenrande ge-
messen 39, die Länge 58 Millimeter. Die Rippen, etwa 20 an
der Zahl, gehen von beiden Seiten des Wirbels aus und wei’den
unter einem stumpfen Winkel durch einen Querbalken verbunden.
Diese Querbalken sind allerdings nur auf den Wirbeln sichtbar,
während sie nach dem Mantelrande zu mehr und mehr verschwinden.
Nur die äussersten beiden Rippen ziehen sich in eiförmigen Linien
parallel dem Schalenrande herum. Sie unterscheidet sich von
der im Lias o. vorkommenden G. rhombifera Golde, durch ihre
bedeutende Grösse und dadurch, dass die zweimal geknickten
Rippen nur wenig über den Wirbel hinaus die Rhombenform er-
') 1. c. S. 78.
in der Nähe von Kirchdornberg im Teutoburger Walde.
1 1
kennen lassen. Sie dürfte mit der Goniomya litterata Sow. iden-
tisch sein.
Ferner wurde eine Thracia gefunden, welche mit Thracia incerta
Thurm, viel Aehnlichkeit besitzt. Dieselbe ist fast ffleichschalig;
vorn mehr abgestutzt als hinten, während hinten eine vom Wirbel
ausgehende Falte bis zum Rande verläuft. Die Höhe beträgt
45, die Breite 64 Millimeter. Die rechte Schale einer Muschel,
an welcher indessen der Schlossrand wenig deutlich sichtbar ist,
erinnert sehr an Sanguinolaria undulata QuenStedt 1). Es ist
eine sehr schlanke Form, 24 Millimeter breit und 57 Millimeter
lang, mit concentrischen Rippen versehen, welche nach vorn un-
deutlich verlaufen. Zugleich verjüngt sich die Schale nach vorn
und scheint dort weit zu klaffen.
In dem bei Punkt B bezeichneten Hohlwege, an welchem die
oben angeführten Schichten in ihrem Streichen nach Nordwesten
hin einen Aufschlusspuukt bieten, fand sich ausser einem kleinen
Gastropoden, vielleicht einer Chemnitzia zugehörig, ein Abdruck
eines Pecten , der merkwürdigerweise ausserordentlich häufig in
den Sandsteinen des Hassberges und Wittbrinkes ist und, wie
noch weiter unten erwähnt werden wird, auch im Streichen dieser
Schichten in der Nähe von Werther angetroffen wurde. Die
Schalen sind ungleich, die rechte meist symmetrisch, die linke
mehr oder weniger schief. Vom Wirbel gehen dichte, feine ra-
diale Rippen aus, welche feine kurze Stacheln tragen. Derselbe
hat grosse Aehnlichkeit mit dem im Korallenoolith ( ß Quenst.)
häufig auftretenden Pecten subßbrosus d’Orb.
In den unteren Schichten des Wittbrinkes, gegenüber dem
Kreuzkruge, welche aus einem sehr festen, kieselartigen Sandstein
bestehen, wird ausser der grossen Fülle von Trigonien namentlich
dieser Pecten sehr häufig gefunden. Ebenso waren Ammoniten
häufig und unter ihnen Ammonites cordatus Sow.
Der Sandstein des Hassberges und Wittbrinkes kann in Folge
dessen nicht dem Hils angehören, sondern muss einer älteren For-
!) Handbuch der Petrefaktenkunde S. 657, Taf. 58, hg. 1.
12
Geokg Gante, Ueber das Vorkommen des oberen Jura
mation zugezählt werden, eine Behauptung, die sich durch die
bei der Stadt Werther untersuchten Aufschlüsse bestätigt.
Während auf dem Nordostabhange des den Kern des Teuto-
burger Waldes bildenden Muschelkalkrückens im ganzen Verlauf
des Gebirges nur Keuper und Lias zur Ablagerung gelangt sind,
zieht sich von Kirchdornberg; bis in die Nähe von Werther ein
Sandsteinzug hin, der in dem Hassberg und Wittbrink seine
höchsten Erhebungen bildet. Die Sandsteinschichten reichen theil-
weise bis dicht an die von Bielefeld nach Werther führende
Chaussee heran und gewähren dort einige Aufschlusspunkte. Zu
einem der wichtigsten gehört die einen Hohlweg bildende alte
Werther Poststrasse, welche sich in einer Entfernung von etwa
1,5 Kilometer vor der Stadt Werther westlich von der neuen
Chaussee abzweigt. Namentlich an der nördlichen Seite der
Chaussee sind die Schichten auf eine ziemlich weite Entfernung
blosssreleort , und man kann hier auch das nordöstliche Einfallen
derselben constatiren.
Das Gestein, ein Sandstein, variirt in der Farbe und in der
Härte sehr; bald hat dasselbe das dunkle, von hellen Flammen
durchzogene Aussehen wie an dem Aufschlusspunkte B bei Kirch-
dornberg und in den oberen Schichten des Hassberges und Witt-
brinkes und ist dann nicht besonders fest, bald ist es heller und
kieselartiger, wie die unteren Schichten des Hassberges und Witt-
brinkes in dem Thal zwischen den beiden Hügeln, bald endlich
ist es braun und zerreiblich und ähnelt dann sehr dem Hilssandstein.
Schon das Auftreten des Ammonites cordatus , den ich hier
in verschiedenen Exemplaren fand, zeigte mir, dass diese Sand-
steinschichten nicht dem Idils angehören konnten und das Bruch-
stück eines Abdruckes eines anderen Ammoniten, den ich als
Ammonites mendax v. Seebach1) bestimmen, möchte, gaben mir die
Gewissheit, dass auch diese Ablagerungen den Heersumer Schichten
zuzuzählen sind.
Von Brachiopoden fand sich die vorher erwähnte Rhynchonella
varians v. Schloth. wieder und ferner eine sehr ähnliche Species der-
x) Der Hannoversche Jura, S. 154, Tat. IX, fig. 3.
in der Nähe von Kirckdornberg im Teutoburger Walde. 13
seihen Gattung, welche indessen bedeutend grösser ist. Letztere
ist auf der Bauchseite ganz flach, während sich auf der Mitte der
Rückenseite eine Vertiefung befindet, so dass hier die Seiten be-
deutend vorstehen.
Von Zweischal ern fanden sich zwei Pholadomyen , von denen
ich die eine als Plioladomya hemicardia F. A. Roem. bestimmte
und das Bruchstück, nämlich der Wirbel, der linken Schale der
Goniomya sp. mit rhombenförmigen Rippen, höchstwahrscheinlich
derselben Species angehörend, wie das bei Kirch dornberg gefundene
Stück.
Ferner trat in den mehr kieseligen Partieen, welche, wie
schon erwähnt, sehr grosse Aehnlichkeit mit den unteren, im
Wittbrink anstehenden Schichten zeigten und eine solche Menge
von Versteinerungen enthielten, dass beim Zerschlagen eines
Stückes die meisten zerbrachen , Trigonia muricata Goldf.
häufiger auf.
Von Gastropoden fanden sich eine Menge von Steinkernen
von Chemnitzia. Der aus Kitt hergestellte Abdruck zeigt eine
stumpfkegelförmige Gestalt mit vielen Spiralstreifen, welche mit
Knötchen versehen sind. Leider ist der letzte Umgang mit dem
Mundsaum nicht erhalten, so dass eine genauere Bestimmung
der Gattung nicht möglich ist.
Die Gattung Pecten wurde in verschiedenen Exemplaren
( Pecten cfr. fibrosus ) gefunden, unter welchen sich auch der schon
vorher erwähnte, am Hassberg und beim Punkte B in der Nähe
des Steinkohlenschachtes Friedrich Wilhelm gefundene Pecten
subfibrosus d’Orb. befand.
Fassen wir die Resultate der vorliegenden Arbeit kurz zu-
sammen, so ergiebt sich Folgendes.
Auf beiden Seiten des Muschelkalkrückens des Teutoburger
Waldes ist das Vorhandensein des oberen Jura nachgewiesen,
und zwar lässt sich die aus Sandstein bestehende Zone durch das
häufige Vorkommen des Ammonites cordatus als Oxford oder
Heersumer Schichten näher bestimmen. Die Schichten des Hass-
berges und Wittbrinkes, welche bisher für Hils gehalten wurdeu,
gehören ebenfalls den Heersumer Schichten an, während in dem
14
Georg Gante, Ueber das Vorkommen des oberen Jura etc.
Bachthal zwischen den beiden Bergen nachweisbar Dogger und Lias
auftreten. Die über den Heersumer Schichten liegenden weissen
Kalke auf der Südwestseite des Muschelkalkrückens (Punkt B der
Skizze) mit den Nerineenbruchstücken und der Exogyra virgula
dürften zum Kimmeridge zu zählen sein, doch wird eine Gliederung
derselben in oberen, mittleren und unteren Kimmeridge wenigstens
an dem oben erwähnten Aufschlusspunkte wegen der geringen
räumlichen Ausdehnung und der schlecht erhaltenen Versteine-
rungen vorläufig: nicht möglich sein.
Die auflagernden, festen Kalke, welche die feine oolithische
Struktur zeigen, und die leicht verwitternden grau - grünlichen
Lettenmassen im Hangenden und Liegenden derselben würden
dann vielleicht dem Portland und Purbeck entsprechen, auf welche
der Wälderthon mit den in demselben aufgeschlossenen Steiu-
kohlenflötzen folgt.
A. W Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 45/46.
Berichtigungen zum Jahrbuch für 1885.
Abhandlungen von Mitarbeitern der Königl. geologischen Landesanstalt.
Seite 276
Zeile 6
von
unten
lies:
vielmals statt vielmehr.
»
276
»
3
»
»
»
organischen statt animalischen.
»
277
»
3
»
»
»
7) statt n.
»
313
»
17
»
oben
»
Ausnahme statt Annahme.
»
314
»
4
»
»
»
im statt ein.
»
314
»
16
»
»
»
werden statt wurden.
»
318
»
5
»
unten
»
die Bank statt bei Bank.
»
319
»
5
»
oben
»
Nur statt Vor.
»
321
»
15
»
»
»
Calcinema statt Calcinima.
Erkl
ärung
ZU
Tafel IX Fig.
3 zu
ergänzen : b b Lücken und Hohlräume.
»
»
»
IX
»
4 »
»
a a Gastropoden.
»
»
»
IX
»
4 »
»
b c Oolithkörner.
»
»
»
IX
»
5 »
»
a a Kalksteinkörner.
»
»
»
IX
»
5 »
»
b b Mergelkörner.
»
»
»
XIII
»
1 »
»
c c Hohlräume.
»
»
»
XIII
»
7 »
»
c c Hohlräume.
»
»
»
XIII Zeile 4 von unten
lies: mit Foraminiferen statt aus
Foraminiferen.
Berichtigt! n
gen
z u m
Jahrbuch für 1887.
Abhandlungen von Mitarbeitern der Königl. geologischen Landesanstalt.
Seite 158 Zeile 6 von oben lies: 24 statt 23.
»
233
»
14
»
»
»
concave statt convexe.
»
361
»
17
»
»
»
hochnordische Fauna statt Eismeerfauna.
»
366
»
6
»
»
»
Schulzenshof statt Schulzendorf.
»
369
»
10
»
unten
»
der Luft und der dabei statt der Luft der
dabei.
1
(
Tafel I
Fig. 1. Oolithischer Kalkstein mit ovaleu und runden, hellen und
trüben Oolithkörnern. Querschnitt einer Cornmpira.
Fig. 2. Oolithkörner mit undeutlichen Querschnitten von Cor-
nuspira.
Fig. 3. Oolithischer Kalkstein mit einem aus 2 Oolithkörnern zu-
sammengesetzten Oolithkorn.
Fig. 4. Oolithischer Kalkstein mit zahlreichen , Foraminiferen-
haltigen, ovalen Oolithkörnern. Ein Oolithkorn mit
mehreren Anwachsringen.
Fig. 5. Oolithischer Kalkstein mit trüben Oolithkörnern.
Sämmtliclie Figuren sind Abbildungen nach Photographieen
von Dünnschliffen aus Gestein der oberen Schaumkalkbank bei
Meiningen in etwa 50 fach er Vergrösserung.
© © ©
Jahrbuch d.geolog.Laudesanstu.Bergakademie 1887.
Taf . I .
Lichtdruck vA. Frisch Berlin.
Tafel II.
Fig. 1. Oolithischer Kalkstein mit trüben, in die Länge gezogenen
Oolithkörnern und mit Schalenresten , überzogen mit
oolithischer Substanz. Gestein aus der unteren Schaum-
kalkbank bei Meiningen.
Fig. 2. Regelmässige Oolithbildung der unteren Schaumkalkbank
bei Meiningen.
Fig. 3. Trübe und lichte, grobkristallinische durch Druck und
Reibung deformirte Oolithkörner. Gestein aus der
Oolithbank ß am Heldrastein.
Fig. 4. Dunkele, runde und ovale Oolithkörner. Gestein aus der
zuckerig gewordenen oberen Schaumkalkbank im Ge-
meindebruch bei Mihla.
Die Figuren sind Abbildungen von Dünnschliffen in etwa
50 facher Vergrösserung.
Jahrbuch d.geolog.Landesanst uBergakademie 188/.
Taf. II.
Lichtdruck v A Frisch, Berlin.
Tafel 1X1.
Fig. 1. Oolithischer Kalkstein aus der unteren Schaumkalkbank
der Zone o vom Ramsberg bei Eisenach.
Fig. 2 und 3. Durch Wasserbewegung zerbrochene und aus ein-
ander gezogene Oolithköruer. Gestein aus der Oolith-
bank ß vom Heldrastein.
Fig. 4. Durch den Druck des Wassers zusammengeschobene und
zerquetschte Oolithköruer. Ebendaher.
Die Figuren 1 — 3 sind nach Photographieen von Diinu-
schliffen hergestellt. Fig. 4 ist unter dem Mikroskop gezeichnet.
Vergrösserung aller Abbildungen etwa 50.
Jahrbuch d.geolog.Landesanstu Bergakademie 1887.
Taf. H.
Lichtdruck v A. Frisch, Berlin.
Tafel IV.
\/ Fig. 1. Fayolia Sterzeliana n. sp., von Borna bei Chemnitz,
Ha inichen-Ebersdorfer Schichten. In der geologischen
Laudessammlung in Berlin.
\j Fig. 2. Desgl. Geologische Landessammlung in Leipzig.
Taf. IV.
WStaack del
Li eilt druck v. A. Frisch, B eilin ,
Taf.V.
Stembaclt-
KoTübertj
Altersbach
Arzt>erg
Hallenbers
*
Meter über Meer.
Süd
V ; i [
_ Ob ci' - Ruth- Zi e cf &7Lde.s
Ti"- —
■
v 1 —
jf
y
/
J fi tte.l-Jtotkli&c/ e7id.es ^Jlittlerer Bunts andstem.
i'<j Stiller Stdn, Fuchsgmuul ALtersbacll
Meter über Meer.
Süd
700
60 0
SOO
400
30 0
- Jf ittel -Bo thli ey &rt cL es
rer Zedist&n Je tt en .
BröckeLsch iefer. Feinkorn. . Sandstein .
Unterer Buntsandstein. .
Mittlerer- Buntsand -
stein.
1 errDerUungeri .
Profil 5.
(lang' Elmenthal - Süd in Elmenthal.
Massstab 1:200.
Farherverklärung für die Profile k u. 5 und Skizze 6.
Uranit, . Granttpoiphyr.
Syenitporp hyr.
Gixrupiudap hyr.
B erliner litlio gT. Institut .
ITT
Jahrb.d.Geol Landes
Taf.V.
sansl u Bereakad 1887.
Floll Kirclibrrg llainbcrg
Profil 2.
HaehcUtein
KolilbcriJ AabndtM'Tluil Abtumg de* llolierod
llrfir
Kohlberg Altcrabacll Arzberg
Steinhnrli -
Hiiflenber^
Profil 1.
Profil 3.
Uetep über Meer Klp'u,s'
Ilobc W'aj'lc
limalkaldrn
Mühlberg
Asb ach
Homberg
Hirachenbcrg
^ ^ Dörnberg
StUlcr Stein.
Fuchagnmd.
Altersbndi
West
Ost Nord
Süd
Farbenerklärung für die Profile 1, 2 und 3.
ac,d.e b, fa.h
Profil 4.
Trusenthaler Hauplgang ini Trusentlial.
Massstab 1: 200.
Auftfenonunen von II Bwbno I88ii u .1887
Tafel VI.
Fig. 1. Orthoceras Berendti Dewitz, aus obersilurischem
Kalk mit Primitien. Ostpreussen. Mineralo-
gisches Universitäts - Museum zu Königsberg
in Pr. — 1 a Von der Antisiphonalseite gesehen;
lb Oberflächensculptur 12/i der natürl. Grösse;
lc Profilansicht derselben S. 174
Fig. 2. Desgl. Steinkern. Kalthof bei Pr. - Holland
(Ostpreussen). Mineralogisches Universitäts-
Museum zu Königsberg in Pr. — 2 a Von der
Siphonalseite gesehen; xir = hintere Horizontal-
lamelle, o = Verticallamelle; 2 b desgl. 2/i der
natürl. Grösse ; 2 c von der Seite gesehen,
x bezeichnet die Stelle wo die Vergrösserung
2d s/i natürl. Grösse entnommen ist; 2e Concav-
fläclie des letzten Septum S. 175
Jahrb.d qeol.Landesanst.u.Bergakad 1887
Za.
Taf.VI
In
1b.
wißmm.
7T
X7t
JC
Ml. Pütz ad natin lap. del
Druck v. A-RenaucL
Tafel VII.
Orthoceras Berendti Dewitz. Steinkern. West-
preussen. Mineralogisches Universitäts- Mu-
seum zu Königsberg in Pr. — 1 a von der
Antisiphonalseite ; lb von der Siphonalseite ;
1 c Oberflächenzeichnung in 4/x der natürl.
Grösse S. 177
— e. Querschliffe desselben Individuums durch
die beiden jüngsten Kammern. — o, u1? i>2, 03
= Verti callamellen der Antisiphonalseite ;
Yb 72 , 73 = Verticallamellen der Siphonalseite S. 180
— e. Orthoceras Berendti Dewitz. Querschliffe
0 und ux — V erticallamelle S. 180
Desgl. 4 a Querschliff; 4 b Tangentialschliff' senk-
recht zur Ebene der Yerticallamelle; 4cLängs-
schliff' in der Ebene der Verticallamelle;
s = Septum; an = hinterer Pseudoseptum;
X7T = hintere Horizontallamelle; 0 = Vertical-
lamelle s/x (Jer natürl. Grösse S. 181
Taf.VH .
Jahrb.d.geol.Landesansl.u. Bergakad 1887.
1a, .
1c.
1b.
Tafel VIII.
Fig. 1. Orthoceras severum Barr. Copie von Barrande
Syst. sil. II, PI. 229, fig. 5 — 8. - — la von der
Seite gesehen, die drei hinteren Kammern im
Längsschnitt ; 1 b Ansicht des Abdruckes der
Concavfläche der hinteren Pseudoseptallamelle ;
1 c Ansicht der Convexfläche der vorderen
Pseudoseptallamelle ; 1 d Idealer Tangential-
schnitt durch die Pseudoseptalfalten . S. 185
Fig. 2. Lituites lituus Monte. Czerwiusk in West-
preussen. Geologisches Landes - Museum. —
2 a LängsschlifF in der Ebene der Vertical-
lamelle; 2 b Längsschliff, etwas seitlich davon S. 166
Fig. 3. Orthoceras truncatum Barr. Hintere Abstumpfung
des Individuums Barrande PI. 342, fig. 2 . . S. 222
Fig. 4. Desgl. Barrande PI. 343, fig. 2, 2/i der natürl.
Grösse S. 223
Fig. 5. Desgl. Barrande PI. 343, fig. 14, 3/2 der natürl.
Grösse S. 223
Fig. 6. Orthoceras planiseptatum Sandberger. 6 a Fahnen-
berg bei Ems. Geologisches Landes-Museum. —
3/ 2 der natürl. Grösse; 6b Oberfläche eines
Kammerausfüllungsegmentes. Zellerfeld. Geolo-
O o
gisches Universitäts- Museum Berlin . S. 191
Fig. 7. Nautilus pompilius L. Normallinie 2/i der natürl.
Grösse S. 196
Buchstabenerklärung für alle Figuren.
K Ausfüllung des Kammerlumens (= Barrande's depöt conique),
sp hinteres )
. feeptum,
sa vorderes )
p Sipho,
m
x
an
CS U
a a
XU
x a
Uli
u a
Barrande’s »ligne de soudure«,
Bruchrand der änsseren Schalenmembran,
Annulus,
hinteres i
, Pseudoseptum,
vorderes )
hintere )
, Pseudoseptallamelle,
vordere )
hintere 1
, / Pseudoseptalfalte.
vordere }
Taf. VI .
ihi'b. dcjeol. Landesaiist.u. Bergakad . 1 887 .
W: Pute ad. rat in Jap del.
Druck v. A. Renan d
Tafel IX.
Bleischlackenkegel von der Stolberger Hütte
S. 233
Jahrbuch d.geolng.tandesanstu-Bergakademie 1887.
Taf.IX
Autor phot .
lichtdruckv A.Frisch, Berlin.
Tafel X.
Fig. 1. Dünnschliff ans einem Leucitkrystall vom Vesnv
(Canale del Inferno) bei 460facher Vergrösserung.
Derselbe zeigt einen Melanitkrystall zwischen
zwei aus Melanitkrystalliten bestehenden Trü-
bungszonen des Leucits (Ungeglüht) . . . . S. 251
Fig. 2. Dünnschliff aus der geglühten Hälfte desselben
Krystalls bei 4G0 facher Vergrösserung. Die
kleinen Krystalliten sind in Glaseinschlüsse mit
Bläschen verwandelt. Ein grösserer Glasein-
schluss mit Bläschen rührt ebenfalls von Melanit
her. Ein anderer Glaseinschluss mit unver-
ändertem krystallinischen Kern und Bläschen
entspricht einem schwerer schmelzbaren weissen
Mineral (Nephelin?) S. 253
Jahrb.d. geolog. Landesänst . u. Bergakad. 1887.
Tal'. X.
2.
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E.Ohnuum, hlh..
Druck v. A. RenmiöL.
Talei XI
Geweih von Dama vulgaris Brook aus dem unterdiluvialen
Süsswasserkalk von Belzig.
Fig. ]. Ansicht des ganzen Geweihes schräg von vorne.
O O O
Fig. 2. Rechte Schaufel von der Seite.
Fig. 3. Linke Schaufel von der Seite.
Sämmtliche Figuren 1/e der natürlichen Grösse.
Jahrbuch d.geolog.LandesanstaBergakademie 1887.
Taf.XI.
W. Pütz pliot.
Lichtdruck v A. Frisch, Berlin.
Tafel XII.
Fig. 1.
V Fig. 2.
i/Fi«- 3-
Exemplar von Tylodendron speciosum aus dem Feldspath-
sandstein am Bahnhofe zu Ottweiler von der Seite
gesehen. — Natürliche Grösse.
Dasselbe von vorne gesehen. — Natürliche Grösse.
Querschliff des über a, b, Fig. 1 befindlichen Stückes. —
Natürliche Grösse.
In allen 3 Figuren bedeuten:
M = Mark,
II = Holz,
a = Astrest,
b — Astabgangsstelle, sich narbenförmig markirend.
Jahrbuch d.geolog.LandesanstuBergakademie 1887.
Taf.Xfl.
Gez.vonW.Piitz u.E.Raatz.
Lichtdruck A. Frisch, Berlin.
Tafel XIII.
Fig. 4. Querschliff durch das Holz. — Stark vergrössert.
Fig. 5. Radialschliff durch das Holz. - — Stark vergrössert.
Fig. 6. Tangentialschliff durch das Holz. — Stark vergrössert.
Fig. 7. Querschliff durch Markgewebe. — Stark vergrössert.
Fig. 8. Stück einer Spiralhydroi'de aus der Markkrone. — Stark
vergrössert.
Fig. 9. Längsschliff durch Markgewebe. — Stark vergrössert.
Jahrbuch d. geolog. Landesanst. u. Bergakademie 1887.
Taf. XIII.
Gez. von C. Boeuecke.
Druck von A. W. Schade.
Tafel XHIa.
M Fig. 10.
\ Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 14.
Steiukern einer Markanschwellung von Tylodendron saxo-
nicum aus dem Rothliegenden des Mansfeldischen. —
Natürliche Grösse.
Längsschliff durch das Mark von Tylodendron speciosum
des kleineren LAPOiNTE’schen Stückes, von der Peri-
pherie bis zur Centralachse des Markes reichend, um
die Pseudo - Diaphragmen zu zeigen. — Natürliche
Grösse.
Wachsabdruck der durch Ausbürsten von seinem Marke
befreiten Markhöhlung des Hauptstammes von Arau-
caria imbricata. — Natürliche Grösse.
Vorsprünge des Markes die Astabgänge anzeigend.
Ein Rhombenfeld des Wachsabdruckes der Markhöhluug
von Araucaria imbricata. Der die Figuren 12 und 13
verbindende Strich führt auf das betreffende Feld des
Abdruckes. — 2 x/2 mal vergrössert.
Ein Rhombenfeld des grösseren LAPOiNTE’schen Exem-
plares. — Natürliche Grösse.
Jahrbuch d.jSeolog.Landesansi u.Bergakademie 1887. faUXIU. a
Gez.von W.Pütz
L ichtdruck v. A.Fri sch. B e rl i n .
Jahrbuch d.geolog.LandesanstuBergakademie 1887.
Taf.XIV.
W.Pütz clel.
Lichtdruck v.A.Frisch., Berlin.
.
Tafel XVI.
Fig. 1. Avicula lobata G. Müller von den Spiegelsbergen bei
Halberstadt.
Fig. 2. Inoceramus sublabiatus G. Müller vom Löliofsberg bei
Quedlinburg.
Fig. 3. Inoceramus involutus Sow. von Zilly.
Fiff. 4. » » » » »
Die abgebildeten Exemplare befinden sich im geologisch-
palaeontologischen Museum der Universität Göttingen.
Taf.XVI.
Li eilt druck v: AJnscli, B_e rlin.
4t
Jahfb.d-geol.Landesanst u.Berg-Akad.1887.
Tal'.XVl.
0 Peters gez
Lichtdruck-- AFriscKBerLn
Tafel XVII.
Fig. 1. Inoceramus Koeneni G. Müller vom Löhofsberg bei
Quedlinburg.
Fig. 2. Inoceramus Winkholdi G. Müller von Zilly.
Fig. 3 a — 3 c. Inoceramus percostatus G. Müller vom Löhofsberg
bei Quedlinburg.
Die abgebildeten Exemplare befinden sich im geologisch-
pal aeontologischen Museum der Universität Göttingen.
Taf.XVE.
Lichtdruck v.ATrisch, Berlin.
Lichtdruck v A Frisch, Berlr
Tafel XVIII.
Fig. 1. Inoceramus Kleini G. Müller von den Spiegelsbergen
bei Halberstadt.
Fig. 2. Inoceramus bilobatus G. Müller von Zilly.
Fig. 3. » fasciatus G. Müller vom Sudmerberg.
Fig. 4 a — 4 b. Goniomya Storni G. Müller vom Butterberg bei
Harzburg.
Fig. 5. Siliqua concentristriata G. Müller von der Schanzenburg
bei Heudeber.
Fig. 6. Siliqua sinuosa G. Müller von der Schanzenburg bei
Heudeber.
Fig. 7 a u. 7 b. Anatina concentrica G. Müller vom Sudmerberg.
Die abgebildeten Exemplare befinden sich im geologisch-
palaeontologischen Museum der Universität Göttingen.
Taf.XVHL
Fig. 6.
Fig.7§
Fig. I's
Fig. 5.
Lichtdruck v. A Frisch, Berliii.
Jahvb.cLgeol.Landesanst.u.Uertj- Akad.1887.
Taf.XVIII.
0 Peters gez
Fi ff- 5.
Fig. 6.
Fig.7?
Fig 7b
Lichtdruck v. AFnsch,Berha
Markscheiderische Afiiahme zur Ermittelung der Gesteinsverschiebungen im Juliane - Sophier Querschlage
östlich vom Dorotheer Schachte, nn Niveau des 13 Lachter -Stollens.
Mm.
Marksclieiderisch auföenommen durch
H Flachsbart . Clausthal .d. 29. Juli 1887.
Lith.Anst.v. L.Kraatz. Berlin.
Horizontale
Jahrb. d geol Landesanst.u. Bergakad. 1887 Taf.XX.
4
Fiep 1.
Pütz lith.
t&'fm
MM
SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES
3 9088 01365 7846