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Jahrbuch
DES
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' o>*!
KAISERLICH DEUTSCHEN
Archäologischen Instituts
Band xxx
191S
MIT DEM BEIBLATT ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER
^
BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1915.
■4
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Inhalt.
Seite
B u s c h o r E., Skythes und Epilykos. Mit 2 Abbildungen 36
Drexel F., Über den Silberkessel von Gundestrup. Mit l Beilage und 16 Ab-
bildungen I
— Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
Mit 8 Abbildungen 192
Frickenhaus A,, Der Eros von Myndos 127
van Hoorn G., Eine minoische Bronze in Leiden. Mit Tafel i, i Beilage
und 3 Abbildungen 65
Müller K., Frühmykenische Reliefs aus Kreta und vom griechischen Festland.
Mit Tafel 9 — 12 und 34 Abbildungen 242
Noack F., Amazonenstudien. Mit Tafel 6 — 8, 2 Beilagen und 9 Abbildungen 131
Robert C, Der Kephisos im Farthenongiebel. Mit 3 Abbildungen 237
— Ein Vergessener 24I
Schröder B., Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. Mit Tafel
2 — 5, I Beilage und 13 Abbildungen 95
Six J., Kaiamis. Mit 14 Abbildungen 74
Sundwall J., Die kretische Linearschrift ', . . . 41
Thiersch H., Eros von Motye. Mit i Beilage und 15 Abbildungen 179
— Griechische Leuchtfeuer. Mit 5 Abbildungen 213
IV
Inhalt.
ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER
Spalte
Jahresbericht des Kaiserlich Deut-
schen Archäologischen Instituts für
das Jahr 1914 I
Verzeichnis der Mitglieder des Kaiser-
lich Deutschen Archäologischen In-
stituts V
Institutsnachrichten 106
Nachruf für C. Klügmann i
F. Adickes i
W. Barthel 107
W. Heibig 145
G. Loeschcke 147
Todesanzeige für H. Schultz 3
S. Wenz, E. Brenner, R.
Wünsch 59
Brueckner A., Bericht über die Kera-
meikos-Grabung 1914 — 1915. Mit 8 Ab-
bildungen 109
Duregger L., Abguß eines römischen
Hochzeitsreliefs. Mit i Abbildung .... 89
Holwerda J. H., Hyginus und die An-
lage der Kastelle. Mit 7 Abbildungen 59
Kazarow G., Eine neue Inschrift zum
griechischen Vereinswesen. Mit i Ab-
bildung 87
Kazarow G., Ein neues Denkmal aus
Thrakien. Mit 7 Abbildungen 166
Mötefindt H., Zu den Dornauszieher-
Mädchen 142
Sundwall J., Liste athenischer Marine-
besatzungen. Mit I Abbildung 124
Unger E. und Weißbach F. H., Die Darius-
stele am Tearos. Mit 4 Abbildungen.. 3
Spalte
Viedebantt O., Das Hohlmaß von Per-
gamon. Mit i Abbildung 138
Weißbach F. H., Die mäßige Elle und
die königliche Elle Herodots 149
Archäologische Funde im Jahre 1914:
Griechenland (G. Karo). Mit 10 Abbildungen 177
Bulgarien (B. Filow). Mit 13 Abbildungen 218
Rumänien (V. Pärvan). Mit 2 Plänen und
19 Abbildungen 236
Erwerbungsberichte:
Bericht vom Jahre 1913 über die Erwer-
bungen des Ungarischen Nationalmuseums
(G. Supka). Mit 22 Abbildungen 17
Archäologische Gesellschaft zu Berlin
1915:
Januar-Sitzung 50, 93
Februar-Sitzung 52
März-Sitzung 54
Mai-Sitzung '. . 105
Juni-Sitzung 106
November- Sitzung 270
Dezember-Sitzung 278
Gymnasialunterricht und Archäologie 57
Knust-Stiftung 144
Register 283
Bibliographie für das Jahr 1914 I
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX .9^5
b. I.
ÜBER DEN SILBERKESSEL VON GUNDESTRUP.
(Mit einer Beilage.)
Das Denkmal, dessen Heimat und Entstehungszeit nebst einigen anderen
Fragen, die sich daran knüpfen, hier erörtert werden sollen, ist bisher von den Archäo-
logen wenig und mehr im Vorübergehen beachtet worden. Der Fundort schien es
von vornherein der Kompetenz der Vorgeschichtsforscher zuzuweisen, die Stil-
Abb. I. Der Kessel von Gundestrap.
gebung nicht minder; ihre Eigenart mag manchen noch besonders von einem näheren
Eingehen abgeschreckt haben. Die Prähistoriker ihrerseits haben sich dem Kessel
auch nur mit großer Vorsicht genähert; zu groß schienen die Rätsel, die er aufgab.
So setzt sich denn die Literatur über ihn aus lauter Splittern zusammen, die 1892
erschienene Erstveröffentlichung Sophus Müllers ^) ist zugleich der letzte Versuch
einer allseitigen Beleuchtung geblieben. Man griff Einzelheiten aus dem Bilder-
>) Nordiske Fortidsminder I [Heft 2, 1892] S. 35-
Jahrbuch des archäolog-ischen Instituts XXX.
mit Taf. VI— XIV.
I
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
schmuck heraus, um sie in Parallele zu datierbaren Denkmälern zu setzen und da-
durch einen Anhalt für die Zeitstellung, seltener für die Heimat des Kessels zu ge-
winnen, man verfocht oder bekämpfte andererseits mit allgemeinen und zum Teil
sehr subjektiven Gründen seine Zugehörigkeit zu dieser oder jener Periode. Die
meisten Anhänger hat wohl heute seine Datierung in die mittlere Kaiserzeit, in das
2. oder 3. Jahrhundert, eine Meinung, die z. B. Schumacher i) und Kossinna 2)
vertreten. Daneben stehen aber unvermittelt Ansätze wie die von Loeschcke 3),
der an das 4. oder 3. Jahrh. v. Chr. denkt, und Marx 4), der aus ähnlichen Gründen
sich für das 2. Jahrh. v. Chr. entscheiden möchte, auf der Gegenseite der von S. Rei-
nach 5), der seit der Auffindung des Kessels mit Entschiedenheit die Anschauung
verficht, er sei ein Erzeugnis der Völkerwanderungszeit, etwa des 5. oder 6. Jahrh.
n. Chr. Eine vermittelnde Stellung nahm von Anfang an Sophus Müller 6) ein, der
den Kessel um die Wende unserer Zeitrechnung entstanden denkt. Rund ein Jahr-
tausend umspannen also die verschiedenen Datierungsversuche. Man wird zi^eben,
daß diese Unsicherheit für ein unbezweifelt antikes, reich mit Bilderschmuck ver-
sehenes Werk eine ganz ungewöhnliche Erscheinung ist.
Fast noch schlimmer steht es um die Frage nach der Heimat des Kessels. Im
allgemeinen gilt er allerdings für eine nordische, etwa jütländische Arbeit. Daneben
steht die Meinung gallischer Herkunft, der der entschieden keltische Grundcharakter
der Bilderwelt günstig sein mußte. Wenn sie dennoch nur zaghaft verfochten worden
ist, so trägt die Schuld daran das fast völlige Fehlen sachlicher und stilistischer
Analogien unter dem reichen gallischen Fundmaterial, während der Norden hier
allerhand Parallelen aufzuweisen hatte. Auch der Fundort hat natürlich bei der
Annahme nordischer Herkunft eine gewisse Rolle gespielt. Überraschen wird zu-
nächst eine dritte Vermutung. S. Reinach hat zuerst auf gewisse Beziehungen zur
pontischen Kunst hingewiesen und den Kessel an seinen »kelto-skythischcn« Stil
') Verzeichnis der Germanendarstellungen im figures de la Gaule romaine S. 264. Bull, archeol.
Römisch-German. Zentralmuseum 3 1912 S. 95 f.; 1895 S. 41 iT. Revue celtique XXV 1904 S. 211
Verz. der Gallierdarstellungen ebenda 1911 (= Cultes, mythes et religions I S. 282 f.).
S. 18 f. (in beiden auch sonst viel Material zum Repertoire de Reliefs I S. 147 ff. Abgesehen
Kessel). Immerhin nimmt Schumacher ein von der verfehlten Datierung hat Reinach den
älteres Vorbild an, ebenso F. Behn, Mainzer Kessel richtig beurteilt und die treffenden
Zeitschrift VII 1912 S. 39, der damit die an- Parallelen beigebracht.
geblich verkehrte Haltung der Drachentrompeten '^) Nordiske Fortidsminder a. 0. In seiner »Nordi-
erklären will. sehen Altertumskunde« II 1898 S. 160 — 174
*) Mannus II 1910 S. 203 — 205. Ebenso H. Hahne, setzte Müller dann den Kessel ins 2. Jahrh. n. Chr.,
Das vorgeschichtliche Europa (1910) S. 71. ging aber in der »Urgeschichte Europas« (1905)
3) Zuerst ausgesprochen bei Koenen, Bonner Jahrb. S. 167 f. wieder auf das erste zurück. — In allem
102, 1898 S. 160 — 162, dann in einem Vortrag Wesentlichen schloß sich an Müller auch Bertrand
(Römisch-Germ. Korrbl. III 1910 S. 45 und an, Revue archeol. 1893 I S. S. 283 — 291; 1894
Korrbl. des Gesamtvereins 1910 S. 461). I S. 152 — 169 und La Religion des Gaulois (1897)
4) Sitzungsber. der Sachs. Ges. der Wiss., Philol.- S. 363 — 380. Ich gehe auf seine Theorie von dem
Hist. Klasse 58, 1906 S. 116 ff. Kessel als einem Denkmal kimbrischer Kultur,
5) L' Anthropologie V 1894 S. 456 — ^458. Bronzes die Jullian (s. S. 4 Anm. i) wiederaufgenommen
hat, nicht näher ein.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
angeknüpft. Entschiedener hat ihn A. Voß ') in einer langen Untersuchung für eine
pontische Arbeit erklärt und versucht, seine Bilderwelt in mithrischem Sinne zu
deuten; diese Fäden hat dann Wulffs) wieder aufgenommen und scharfsinnig weiter-
verfolgt, wobei er ähnlich wie Reinach Stilelemente des frühen Mittelalters in den
Bildern des Kessels nachzuweisen suchte. Weitere wichtige Einzelbeobachtungen
anderer Forscher werden an ihrem Ort zur Sprache kommen.
Bei diesem Stand der Dinge scheint es angezeigt, das Rätsel des Kessels neu
vorzunehmen und unter Verwertung alles bisher beigebrachten tauglichen Vergleichs-
materials erneut nach seiner Lösung zu suchen. Die Lösung ist möglich, sie wird
zugleich zeigen, wie die bisherigen, so verschiedenartigen Anschauungen sich bilden
konnten. Einer jeden von ihnen ist etwas Richtiges zu entnehmen, und das Problem
wäre längst geklärt, wenn nicht alle bisher geäußerten Meinungen sich einseitig auf
jeweils bestimmte Punkte versteift hätten, anstatt von allen Seiten an es heran-
zugehen.
Der Kessel befindet sich jetzt im Nationalmuseum zu Kopenhagen. Gefunden
wurde er im Mai des Jahres 1891 bei Gundestrup nicht weit von Aars im Amt Aalborg
(Jütland) in 2 — 3 Fuß Tiefe eines Torfmoores ganz allein ohne alle Beigaben. Er
war in seine einzelnen Bestandteile aufgelöst. In der den Boden bildenden Kugel-
kalotte lagen die runde Mittelplatte und die zwölf rechteckigen Seitenplatten, dazu
zwei Stücke der Randeinfassung, aus Silberblech zusammengebogene Röhren mit
Resten eines Eisenkerns je in der Länge einer Außenplatte. Bei der Zusammen-
setzung zeigte sich, daß außer sechs weiteren Rohrstücken vom Rande eine Außen -
platte wie die Platten mit den großen Götterbildern und sämtliche Blechstreifen
fehlten, welche einst nach den Lötspuren die Fugen deckten und den Kessel zusammen-
hielten. Da nach Sophus Müller bei und seit der Auffindung nichts abhanden ge-
kommen ist, müssen sie schon gefehlt haben, als der Kessel in die Erde kam. Das
ist im Auge zu behalten.
Seine ursprüngliche Form hat der Kessel also erst wieder im Kopenhagener
Museum erhalten. Die gedachten Lötspuren und zwei rohe Nagellöcher gaben einen
Anhalt für die richtige Reihung der Platten, deren Aufteilung auf die Innen- und
Außenwand bereits durch ihre konkave oder konvexe Krümmung gegeben war.
Mit Sicherheit ergab sich die Anordnung des inneren, aus fünf größeren Platten
bestehenden Zyklus, während die sieben, nach den Maßverhältnissen ursprünglich
acht äußeren Platten nicht alle mehr in die richtige Reihenfolge gebracht werden
konnten. Die beiden Plattenreihen wurden oben durch die schon erwähnten Röhren
') Festschrift für Adolf Bastian (Berlin 1896) 1895 gab (mir nicht zugänglich; darüber Müller,
S. 367 — ^413. Voß' Deutung der Bilder braucht Nordische Altertumskunde a. a. 0.).
heute nicht mehr widerlegt zu werden, s. auch ^) Ein langobardischer Helm im Kgl. Zeughaus zu
Cumont, Textes et monuments figures relatifs Berlin, Jahrbuch d. Kgl. Preuß. Kunstsamm-
aux mysteres de Mithra II S. 528. Noch weniger lungen XXIV 1903 S. 223 ff. Wulff nennt als
freilich ihre Erklärung im buddhistischen Sinne, seinen Vorgänger v. Lenz, Zeitschrift für hist.
die Steenstrup, Kgl. Danske Vidensk. Selsk. Waffenkunde II 1900 — 1902 S. 103 ff.; der
Skrifter, 6. R., historisk og filosofisk Afd. III 4, Aufsatz ist mir nicht zugänglich.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
zusammengeklemmt, die ihrerseits einen ringsumlaufenden eisernen Reifen bargen,
der dem ganzen Gefüge des Kessels Halt gab. Nach noch anzuführenden Analogien
dürfen wir uns an diesem Reifen zwei bewegliche Eisenringe, vielleicht auch mit
Silberblech bekleidet, zum Halten und Tragen des schweren Kessels befestigt denken.
Er wiegt jetzt noch 8,885, also beinahe 9 kg. Sein Durchmesser beträgt 69, die Höhe
42 cm; die einzelnen Platten sind 21 — 22 cm hoch, die äußeren 24 — 26, die inneren
40 — 43 cm lang. Das Material ist nahezu reines Silber, die äußeren Platten und die
Mittelplatte sind vergoldet, und zwar mit Blattgold; die Vergoldung ist stark ab-
gerieben, wie überhaupt der ganze Kessel Spuren eines längeren Gebrauches zeigt.
Die figürlichen Darstellungen sind getrieben und ziseliert, die Reliefs sind zum Teil
noch mit einer Harzmasse hinterfüllt. Die Pupillen der sieben äußeren Götterbilder
waren aus blauem Glasfluß eingesetzt, sie sind nur noch teilweise vorhanden.
Genauere Angaben über alle diese Punkte findet man in der schon genannten
sorgfältigen Erstveröffentlichung Sophus Müllers, von der heute noch jede Be-
schäftigung mit dem Gegenstand auszugehen hat. Dieselbe Publikation bot auch
Jahre hindurch auf ihren ausgezeichneten Lichtdrucktafeln die zuverlässigste Wieder-
gabe sämtlicher Kesselbilder. Seit einigen Jahren besitzen wir eine zugänglichere
Veröffentlichung von gleicher Güte, allerdings nicht nach dem Original, sondern
nach der galvanoplastischen Nachbildung des Kessels im Museum von Saint -Germain,
in den Tafeln Jullians in der Revue des Etudes anciennes X 1908 ^). Nach Zeich-
nung, und zwar sehr getreu, wiedergegeben sind sämtliche Kesselbilder in den gleich-
falls oben genannten Arbeiten von Steenstrup und Voß; der Freundlichkeit der
Prähistorischen Abteilung des Völkerkundemuseums in Berlin, in deren Besitz die
Zinke aus Voß' Nachlaß gelangt sind, verdanken wir die Möglichkeit, die Druck -
Stöcke des letzteren Aufsatzes hier in der Beilage verwenden zu können. Sie geben
die Einzelheiten besser wieder als Autotypien. Umrißzeichnungen sämtlicher Reliefs
findet man in Reinachs Guide illustre du Musee de Saint-Germain S. 121 — 127 und
in desselben Repertoire de Reliefs I S. 147 — 150. Sonst sind nur gelegentlich
Proben abgebildet worden.
Die Bilder des Kessels zerfallen in zwei räumlich getrennte Gruppen. Die Außen-
seite trägt auf ihren jetzt noch sieben Platten die Brustbilder von ebensoviel Gott-
heiten, vier bärtigen männlichen, zwei weibhchen und einer Dreiheit, deren Haupt-
gestalt eine von einem bärtigen und einem unbärtigen Gott flankierte Göttin ist.
Die Götter halten die Arme emporgestreckt und die Hände, mit denen sie zweimal
ein Tierpaar, einmal ein Paar Menschen fassen, geschlossen. Die Göttinnen hin-
gegen, kenntlich durch die Angabe der Brüste und das lang herabfallende Haar,
pflegen die Hände mit dem bekannten, die weibliche Natur kennzeichnenden Gestus
vor die Brust zu legen. Sämtliche Gottheiten tragen den Halsring mit Pufferenden,
den keltischen Torques; wo er zu fehlen scheint, soll ihn wohl der Bart verdecken.
') Taf. I — X mit knappstem Text S. 71 — 75. S. Anm. Unsere nach Taf. I gefertigte Abb. i ist
auch desselben Histoire de la Gaule II S. 114 mit Erlaubnis des Paetelschen Verlags dem Buche
von Sadce, Römer und Germanen entnommen.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Neben den Gottheiten erscheint allerlei figürliches Beiwerk, teils in Zusammenhang
mit ihnen, teils als sinnloses Füllwerk verdächtig.
Von den fünf Innenbildern entsprechen zwei inhaltlich völlig den Außenbildern;
daß auf ihnen das Beiwerk überwiegt, braucht an sich keinen anderen Grund zu
haben als den des größeren Raumes, der hier zur Verfügung stand. Auch die Platte
mit dem Hirschgott wird nicht von ihnen zu trennen sein, da das für ihn bezeichnende
Sitzen mit untergeschlagenen Beinen nur zur Darstellung gebracht werden konnte,
wenn er in ganzer Figur erschien. Dagegen geben die beiden noch übrigen Seiten -
platten und die Mittelplatte Szenen des Lebens wieder, die im Zusammenhange wohl
als kultlich zu gelten haben, einen Kriegerzug mit einem Menschenopfer und eine
Stierhetze, diese auf zwei Platten verteilt, und zwar auf der Mittelplatte im Kessel-
innern entsprechend dem Standpunkt des Beschauers als von oben gesehen gedacht.
Bevor wir nach dieser kurzen Orientierung an unsere eigentliche Aufgabe
gehen, wird es sich empfehlen, einige Vorfragen zu erledigen. Zunächst die Fund-
umstände des Kessels. Er wurde, wie schon bemerkt, in einem Torfmoor in 2 — 3 Fuß
Tiefe gefunden, als ein Bauer dort Torf stach. Das Nationalmuscum hat an der Stelle
sachverständige Untersuchungen anstellen lassen, deren Ergebnis war, daß der Kessel
nicht vergraben, nicht ins Wasser versenkt, sondern frei auf der Oberfläche eines
fest verwachsenen, mit Wacholder- und Birkengebüsch bestandenen Moores nieder-
gestellt worden sei, das um ihn langsam zu seiner heutigen Höhe wuchs. Er gilt
darnach allgemein als ein Weihgeschenk, wobei man sich teils auf zahlreiche ähnliche
Funde, die keine andere Deutung zulassen sollen, teils auf Zeugnisse wie die Cäsars
(de b. G. VI 17), Diodors (V 27) und Strabos (IV p. 188) beruft, die von der heiligen
Scheu der Gallier, solche schutzlos den Göttern geweihten Gaben zu berauben, reden.
Aber diese Zeugnisse beziehen sich auf eigentliche Heiligtümer, nicht auf an beliebigem
Platze wie hier deponierte Gaben; übrigens mußte nach Cäsar die heilige Scheu
durch die Androhung grausamer Todesstrafe unterstützt werden. Und meint man
wirklich, ein Gegenstand von dem für seine Zeit außerordentlichen Materialwert des
Gundestruper Kessels habe unangetastet Jahrhunderte lang am Wege liegen können,
bis das Moor sich seiner erbarmte? Ich glaube seinen Landsleuten und Nachbarn
nicht zu nahe zu treten, wenn ich bezweifle, daß er dann jemals das Kopenhagener
Museum erbhckt hätte. Doch viel substantieller scheint mir ein anderes Moment.
Der Kessel ist ja gar nicht intakt gefunden worden, sondern zerlegt, und zwar mit
Gewalt, wie allerhand Spuren erkennen lassen, und so zerlegt, daß seine Bestandteile
möglichst wenig Raum einnahmen. Das ist nicht die Art, wie man eine Opfergabe
niedersetzt ^). Er ist vielmehr verpackt und dann auch verborgen gewesen, mag
er nun oberflächlich im Moor vergraben gewesen sein — ich weiß nicht, ob die Unter-
suchung der Fundstelle das mit solcher Sicherheit hat ausschließen können — , oder
in dem Buschwerk versteckt, dessen Reste man noch festgestellt hat. Der Kessel
ist weiter bei seiner Auffindung nicht vollständig gewesen, es fehlten ihm vielmehr
») S. Müller erinnert an die Sitte, Weihegaben, vor der Weihung dazu unverwendbar zu machen,
die dem praktischen Gebrauche dienen könnten, Das ist aber etwas ganz anderes, als was hier vorliegt.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
fast alle den Aufbau bewirkenden und sichernden Teile. Diese charakteristischen
Verluste hat er offenbar bei der tumultuarisch erfolgten Zerlegung erlitten. All das
zusammen ergibt, daß der Kessel irgendwo geraubt und in größter Eile zerrissen
und eingepackt worden ist, daß sein neuer Besitzer ihn aber in bedrängten Umständen
in dem Zustand, in dem er ihn erbeutet hatte, einem Versteck hat anvertrauen müssen,
ohne daß er Gelegenheit hatte, ihn abzuholen.
Ähnlich nüchtern stellt sich wohl auch der Zweck des Kessels dar. Man pflegt
ihn als Opferkessel zu bezeichnen und sich wohl gar vorzustellen, daß er bestimmt
war, das Blut der Menschenopfer aufzufangen, in der Art, wie man das Opferbild
der einen Innenplatte deutete. Selbst Schuchhardt, der sich sonst gerade gegen die
überall Opfer und Kult witternde Strömung wendet, möchte es für unsern Kessel
doch bei der geltenden Meinung belassen (Der Goldfund vom Messingwerk S. 12).
Demgegenüber sehe ich keinen Anlaß, hier eine Ausnahme zu machen, und erblicke
in dem Gerät einen Mischkessel, dessen Inhalt allerdings allen Respekt abnötigt.
Sein religiöser Schmuck stört dabei gar nicht, im Gegenteil. Auf der Kulturstufe,
die wir für die Herren des Kessels vorauszusetzen haben, hat jedes Fest und jedes
Gelage seinen religiösen Hintergrund. Das Festmahl ist im Grunde ein Opfermahl,
und insofern mag man allerdings von einem Opferkessel reden. Die Götter selber
sind beim Feste zugegen und kosten von der Opfergabe.
Beginnen wir jetzt die Momente zusammenzustellen, die die Zeitstellung des
Kessels klären sollen, so verdient die erste Stelle eine Beobachtung schon Sophus
Müllers, die man ohne Not beiseite geschoben hat. Der Kessel steht nach Form
und Aufbau nicht allein, sondern reiht sich einer größeren Gruppe gleichartiger
Behälter ein, die der flachgewölbte Boden, der scharfe Absatz zwischen Boden und
Wandung (der allerdings auch fehlen kann), besonders aber die Zusammensetzung
aus mehreren Teilen, die hier durch Nietung verbunden sind, und der Eisenring um
den oberen Rand charakterisiert ^). Zum Halten und Tragen dienen ein großer
0 S. Müller a. a. O. S. 40 f. Ders., Nord. Alter-
tumskunde II S. 23. 27. 174. Undset, Das erste
Auftreten des Eisens in Nordeuropa S. 138. 228.
236. 264. 280. 316. 406. 420 f. 425 ff. Willers,
Bronzeeimer von Hemmoor S. 112 f. Ders.,
Neue Untersuchungen über die römische Bronze-
industrie S. 13. Hoops, Reallex. d. Germ. Alter-
tumskunde I S. 322 a. Beltz, Die vorgesch.
Altertümer von Mecklenburg- Schwerin S. 326, i.
Knorr, Friedhöfe der älteren Eisenzeit in Schles-
wig-Holstein S. 24. Montelius, Kulturgesch.
Schwedens S. 155. British Museum, A Guide
to the Antiquities of the early Iron age S. 125.
Pic, Die Urnengräber Böhmens S. 126 Taf. 68, 7.
69, I. Mitt. d. Prähist. Komm. d. K. Akad. d.
Wiss. Wien I S. 326 (Idria). Ulrich, Die Gräber-
felder von Bellinzona S. 77 Taf. IX 6. Musce
Neuchatelois N. S. I 1914 S. 59 mit Taf. III 3
(La Tene). Wagner, Fundstätten und Funde im
Großherz. Baden I S. 198 f. (Emmendingen). — ■
Die Form erscheint auch noch in der Kaiser-
zeit und weiter im frühen Mittelalter, dann
aber aus einem Stück getrieben: Willers, Hem-
moor S. 27 Taf. I 9. Westd. Zeitschr. I Taf. 8,
34 (Rheinzabern). Beltz a. a. 0. S. 365. Altert,
uns. heidn. Vorzeit V Taf. 6, 106. Mainzer
Zeitschr. III 1908 S. 139 mit Taf. V 14.
Genau die Form des Gundestruper Kessels zeigt
der von einem Gräberfeld des 6. Jahrh. n. Chr.
stammende, aus einem Stück Bronzeblech ge-
triebene Kessel von Bölcske (Kom. Tolna,
Ungarn) bei Hampel, Altertümer des frühen
Mittelalters in Ungarn I S. 131, III Taf. 242, i.
Der umgeschlagene Rand weist darauf hin, daß
hier einst ein eiserner Reif umlief, an dem auch
der Henkel oder die Tragringe befestigt waren.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Bügelhcnkel oder zwei ebenfalls bewegliche Tragringe. Mehrfach haben sich zu-
sammen mit den Kesseln starke eiserne Ketten gefunden, an denen sie über dem
Herdfeuer aufgehängt wurden; den Gundestruper Kessel, für den eine solche Ver-
wendung ausgeschlossen ist, wird man sich etwa an einem Dreifuß in der Art des
Dührener Stückes Altert, uns. heidn. Vorz. V Taf. 15, 284 hängend vorstellen
dürfen. Die Kessel bestehen aus Bronze, merkwürdig ist bei vielen von ihnen
die Verwendung von Bronze für den Bodenteil, von Eisen für die obere Wandung
(so auch Abb. 2). Sie gehören in die Spätlateneperiode; ihre Verwendung,
wohl auch ihre Anfertigung, zieht sich in Gebieten fortdauernder Unabhängigkeit
noch in die frühe Kaiserzeit hinein. Ihr Hauptfundgebiet scheint der germani-
sche Norden zu sein, im gallischen Gebiet sind sie mir nur aus La Tene bekannt.
Abb. 2 u. 3. Kessel aus Körchow.
Sie kommen auch in den böhmischen Gräberfeldern und noch weiter südlich vor.
In römischen Siedelungen scheinen sie entsprechend ihrer Zeitstellung noch nicht
nachgewiesen zu sein. Gern erscheinen sie vergesellschaftet mit den gleichfalls
der Spätlateneperiode angehörigen Bronzeeimern mit Delphinhenkelattachen ^).
Zwei gute Beispiele zweier verschiedener Spielarten aus dem Friedhof von Körchow
in Mecklenburg seien hier wiedergegeben (Abb. 2. 3) 2). Einige Stücke aus däni-
schen Funden weisen auch Reliefschmuck auf, der das Band mit dem Kessel von
Gundestrup noch enger knüpft. Wir kommen darauf zurück.
Unser Kessel wäre darnach ein Denkmal der Spätlateneperiode oder etwa
noch der frühesten Kaiserzeit, rund also der Spanne von 100 v. bis 50 n. Chr. Der
Anfangstermin wenigstens wird bestätigt durch einen Umstand, den namentlich
Kossinna nachdrücklich betont hat: die Reiter des Kriegerzugs und der Stierkämpfer
Der Fundort ist in Hinsicht auf die unten ver-
fochtene donauländische Herkunft des Gundes-
truper Kessels nicht unwichtig, wenn ihm auch
der Zeitabstand einiges von seinem Werte nimmt.
') Willers, Bronzeeimer von Hemmoor S. 108 ff.
Ders., Neue Untersuchungen S. i ff. Reinecke,
Festschrift des Mainzer Zentralmuseums 1903
S. 92.
2) Beltz, Die vorgesch. Altertum, des Großherzogt.
Mecklenb. -Schwerin Taf. 58. Die Zinke sind uns
von Prof. Bcltz freundlichst überlassen worden.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
der runden Mittelplatte tragen Sporen. Über das Aufkommen der Sporen in unserem
Kreise sind wir durch Funde hinlänglich unterrichtet ^)- Sie setzen in der Spät-
lateneperiode ein, und zwar gleich in ziemlicher Häufigkeit, sowohl in Siedelungen
wie La Tene selber und dem Hradischt bei Stradonitz 2) als auf Gräberfeldern des
gallisch -germanischen Gebietes. Vorher fehlen sie ganz und gar. Ein Sporn stammt
vom Schlachtfeld von Alesia 52 v. Chr. 3); in das folgende Jahr fällt ihre erste glaub-
würdige Erwähnung in einem geschichtlichen Bericht, und zwar bei Hirtius b. G.
VIII 48, wo Commius »incensum calcaribus equum coniungit equo Quadrati«, übrigens
zugleich die einzige Nennung der Sporen in den gesamten cäsarischen Kommentarien.
Nach diesem kleinen, aber wichtigen Indizium kann also der Kessel nicht vor rund
dem Jahre 100 v. Chr. entstanden sein.
Weitere Hilfe kommt von einem Denkmal, das sicher mit dem Kessel ungefähr
gleichzeitig entstanden und zum Glück datierbar ist. Es ist auch schon längst mit
ihm in Verbindung gebracht worden, doch, ist der betreffende Hinweis Egil Petersens
fast unbeachtet geblieben 4). Abb. 4 gibt es nach einer dem Wiener Hofmuseum
verdankten Photographie wieder. Es ist ein jetzt in mehrere Teile zerbrochenes und
stark verbogenes, auch rechts unvollständiges Silberblech mit roh getriebenen mensch-
lichen Figuren aus einem Fund von Csora im Komitat Unterweißenburg in Sieben-
bürgen. Man denke sich die beiden Gestalten unterhalb der Brust wagerecht ab-
geschnitten und man hat die Götterbilder des Kessels, nur in minder sorgfältiger
Ausführung, vor sich. Namentlich die höchst charakteristische Bildung des Ober-
körpers bei der Figur rechts läßt die Verwandtschaft hervortreten. Das Blatt- und
Punktfüllsel hat Rankenwerk wie auf dem Kessel zum unverstandenen Vorbild.
Wir haben es hier mit einer rohen, lokalen Arbeit des gleichen Kunstkreises zu tun,
dem auch der Kessel entstammt.
Der Fundzusammenhang ergibt für das Blech die gleiche Datierung, die wir
schon für den Kessel ermittelten, nämlich »die Zeit um den Beginn unserer Zeit-
rechnung« (Reinecke). Es gehört zu einem der dakischen Silberschätze, welche,
aus silbernen Fibeln, Hals- und Armringen, Schmuckketten und zuweilen auch
datierenden Münzen bestehend, die beiden unruhigen Jahrhunderte vor der trajani-
schen Eroberung füllen 5). Reichen Schmuck dieser Art tragen auch die beiden
Figuren des Blechs. Als Bekleidung sind aus dem Gürtel einerseits, den Schnür-
schuhen, die übrigens wieder an die des Kessels erinnern, andererseits lange, eng
I) Literatur bei J. Schlemm, Wörterbuch zur Vor- billigt von Reinecke, Festschrift des Mainzer
geschichte S. 568 f., dazu Blume, German. Zentralmuseums 1903 S. 106 Anm. 130. Ältere
Kulturen zwischen Oder und Passarge (= Mannus- Veröffentlichungen: Arneth, Gold- und Silber-
bibliothek 8) S. 118 ff., Kaufmann, Deutsche monumente G. S. XII 95. Gooß, Archiv des
Altertumskunde I S. 496 f., Dechelette, Les Vereins für siebenbürg. Landeskunde 1876 S. 5o8ff.
fouilles du Mont Beuvray de 1897 ä 1901 S. 155 f. Taf. XIII.
^) Pic-Dechelette, Le Hradischt de Stradonitz S. 78 f. 5) Eine ältere Zusammenstellung von Römer im
Taf. XXXI. Archaeologiai ifertesitö 1886 S.204 — 207, 385 — 392
3) Revue archeol. Nouv. Serie X (1864) Taf. XXII. (S. 387 f. Csora). Doch ist seitdem viel Material
4) Archaeologiai firtesito 1893 S. 199 — 202, ge- hinzugekommen.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
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anliegende Hosen zu erschließen. Der Oberkörper ist nach der Angabe der Rippen
und des Nabels nackt gedacht. Vermutlich haben wir darnach hier die ältesten Dar-
stellungen von Dakern zu erkennen. Die Gestalt links scheint trotz der Brüste nach
dem Schwert an ihrer Seite und vielleicht der Lanze — denn als solche hat der Künstler
möglicherweise das langgestielte Blatt neben der linken Hand verstanden wissen
wollen — männlich zu sein, die Figur rechts macht trotz der Tracht eher weiblichen
Abb. 4. Silberblech aus Csöra.
Eindruck. Über die Verwendung des Blechs, an dessen linkem Rand Nietlöcher
und verzierte Niete erhalten sind, läßt sich nichts Sicheres sagen.
Das Silberblech von Csora, das man in nicht zu weiten zeithchen Abstand von
dem Gundestruper Kessel setzen und eher für etwas jünger als älter halten wird,
führt uns also wieder in die Spätlatenezeit als seine Entstehungsperiode. Weshalb
ist man von ihr, die doch schon Sophus Müller verfochten hatte, wieder abgegangen.^
Der Hauptgrund ist wohl der, daß der Kessel unter dem reichen gallischen und ger-
manischen Fundmaterial wie ein völliger Fremdling stand. Seine reichen, fast ein
Bilderbuch darstellenden Reliefs fanden unter den bescheidenen Arbeiten der figür-
10 Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
liehen Spätlatenekunst auch nieht entfernt, weder saehlich noch stilistisch, ihres-
gleichen, während Anklänge an Werke der Kaiserzeit oder des frühen Mittelalters,
wenn auch nur Anklänge, so doch unverkennbar waren. Daneben gibt es aber einen
sehr realen Einwand, den zuletzt wieder Kossinna a. a. O. formuliert hat. Der Kessel
besteht nicht nur aus Silber, sondern er ist mit seinen neun Kilogramm eines der
gewichtigsten, wenn nicht das gewichtigste Silbergerät, das wir aus dem Altertum
besitzen. Demgegenüber fehlt »bei den Germanen das Silber vor der Zeit des Augustus
so gut wie vollständig, und bei den Kelten findet es nur wenig früher eine seltene
und äußerst sparsame Verwendung im Kleinschmuck«. Kossinna hat vollständig
recht, wenn er es deshalb ablehnt, den Kessel einer vor dem 2. Jahrh. n. Chr.
arbeitenden gallischen oder germanischen Werkstatt zuzuweisen ; wenn er
aber meint, damit einen Terminus post quem aufgestellt zu haben, so gilt das
doch nur für den Fall, daß der Kessel auch wirklich gallischen oder germa-
nischen Ursprungs ist. Dies steht aber, wie eingangs bemerkt ist, nach keiner
Richtung hin fest, alles ist hier noch im Ungewissen, und es bedarf einer neuen
Untersuchung.
Es wird also nötig sein, bevor wir die Frage nach der Zeitstellung des Kessels
wieder aufnehmen, seiner Heimat nachzuforschen. Orientieren wir uns an der Hand
seiner Bilderwelt über den Boden, dem er entstammt. Da ist die charakteristischste
Gestalt der mit untergeschlagenen Beinen sitzende Gott mit dem Hirschgeweih, der in
der rechten Hand einen Torques hält und mit der linken eine Schlange packt, deren
ohrenartige Kopf anhängsei aus ihrer Wiederholung auf der anschließenden Innen -
platte als Widderhörner kenntlich sind. Es ist der keltische Hirschgott Cernunnos,
wie ihn einer der Altäre der Nautae Parisiaci zu nennen erlaubt und wie ihn in gleicher
Haltung und Umgebung eine ganze Reihe Denkmäler zeigen ^). Ebenso ist die
Schlange mit den Widderhörnern ein Requisit der keltischen Mythologie. In dem
Gott mit dem vielspeichigen Rad hat man längst den keltischen Radgott, der einmal
als Juppiter bezeichnet und in Verfolg dieser Gleichung von manchen Taranis genannt
wird ^), erkannt, die Götterdreiheit ließ sich als eine etwas abweichende Darstellungs-
form des auf gallischen Monumenten vorkommenden dreiköpfigen Gottes deuten,
und schließlich verwies der charakteristische Halsschmuck des Torques auch alle
übrigen Gottheiten ins keltische Pantheon. Man konnte aber über diese Einzel-
heiten hinaus auch Analogien zu der Gesamtheit des Außenschmuckes unseres Kessels
auf keltischem Gebiete nachweisen. Wir kennen aus dem belgischen Gebiet mehrere
sehr gleichartige Tongefäße mit je sechs oder sieben außen ringsum plastisch auf-
gesetzten Götterbüsten, unter denen wieder der dreiköpfige Gott erscheint, die also
') Der Pariser Altar bei Esperandieu, Recueil IV richtet man sich immer noch am bequemsten bei
Nr. 3133. Die Schlange hält Cernunnos öfter in Reinach, Bronzes figures de la Gaule romaine
der Hand. Mit dem Hirsch neben sich erscheint mit seinen reichen Zusammenstellungen,
er auf dem Altar von Reims (Esperandieu V *) Vgl. außer Reinach a. a. 0. S. 31 ff. : Lehner,
Nr. 3653) und einem luxemburgischen Relief Westd. Korrbl. 1896 S. 44,17. 170 f. Maaß,
(Welter, Revue archeol. 191 1 I S. 63 ff.). — Die Tagesgötter S. 197 ff. Hertlein, Die Juppiter-
Über die oben genannten Göttergestalten unter- gigantensäulen S. 33. 148 f.
Fr, Drexel, Über den Silberkessel von Gundestnip. j j
keltische Gottheiten darstellen i). Ich bilde das besterhaltene Beispiel dieser »Wochen-
göttervasen«, die von Bavay, hier ab (Abb. 5). Die übrigen stammen aus Jupille
bei Lüttich, Troisdorf im Siegkreis und Mons, von welch letzterer übrigens nur ein
Wandfragment mit dem Dreikopf erhalten ist. Man sieht, daß diese Gefäße im Grunde
Geschwister des Kessels sind; allerdings hat man aus der Verwandtschaft zu weit-
gehende Schlüsse ziehen wollen.
Weitere keltische Züge bietet besonders der Aufzug der Krieger auf der einen
Innenplatte. Wie ein Totem zieht ihm die Schlange mit den Widderhörnern vorauf.
Abb. 5. Wochengöttervase von Bavay.
Drei Männer blasen den Karnyx, die keltische Drachentrompete, keltisch sind die
Hörnerhelme, deren einen auch der das Rad drehende Mann neben dem Radgott
trägt, und keltisch die Helme, auf denen als Bekrönung ein Vierfüßler oder ein Vogel
sitzt 2). Diodor beschreibt in seiner Aufzählung der gallischen Waffenstücke V 30
Helmschmuck eben dieser Art: xpa'vvj os yaXxoi TTsptxi'ösvTai, iis^dkaz £$'5X°^^ ^^ lautaiv
eyovxa xal -afAfisYsOrj '^avxaaiav i-iccepovta toi? ^(pwfjisvots" toi? jisv ^^p TrpoSxsiTai aiu[i.cpu^
xspaxa, TOI? Ss öpvswv r^ TSTpaTToStuv Ctp">v ixT£TU7ra>[X£vai 7rpoTO}i.ai. Unsere Vierfüßler
sollen wohl Eber vorstellen; Eber bekrönen ja auch die gallischen Feldzeichen.
Ein charakteristisches Waffenstück ist weiter der Langschild mit rundem,
durch zahlreiche Nägel befestigtem Schildbuckel, wie er in der keltischen Bewaffnung
») Bequeme Zusammenstellung bei Rademacher und Taf. XII. XIII. Die Vorlage zu Abb. 5 ver-
Kossinna, Mannus II 1910 Taf. I. II (Troisdorf), danke ich Herrn Direktor Krüger in Trier.
III (Bavay), IV (Jupille) und S. 206 Abb. i ') Über die gallische Bewaffnung Schumacher,
(Mons). Gute Lichtdrucktafeln der Vase von Gallierkatalog (s. S. 2 Anm. i) S. 5 ff., über die
Bavay: Revue des Etudes anciennes X 1908 Drachentrompete Behn, Mainzer Zeitschr. VII
1912 S. 39.
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Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup,
Abb. 6. Silbermedaillon im Rijksmuseum zu Leiden.
analog den Sporen erst in der Spätlatenezeit, den bandförmigen Buckel allmählich
ablösend, auftritt ^). Hinter dem Zug wird ein Menschenopfer vollzogen, dessen
gutkeltische Form uns die Berner Lucanscholien bezeugen 2). Ihre Worte »Teutatcs
Mercurius sie apud Gallos placatur: in plenum semicupium homo in caput demittitur,
ut ibi suffocetur« klingen bis auf das »Halbfaß« hinab wie ein Kommentar zu der
Szene auf dem Kessel 3).
I) Beide Schildbuckelformen nebeneinander auf dem
Nauheimer Spätlatenegräberfeld (Quilling, Die
Nauheimer Funde) und dem Schlachtfeld von
Alesia (s. S. 8 Anm. 3 und Schumacher, Gallier-
katalog S. 15). Über Aufkommen und Entwick-
lung des runden Schildbuckels Kossinna, Zeitschr.
f. Ethnol. 1905 S. 380 f. Salin, Altgermanische
Tierornamentik S. 92 ff. Beltz, Vorgesch. Alter-
tümer von Mecklenburg-Schwerin S. 314 f. Pic,
vorstellen, den Fuß auch dann bekleidet,
Die Urnengräber Böhmens S. 164. Jahn,
Mannus VI 1914 S. 143.
^) Lucani Commenta Bernensia ed. Usener S. 32
zu I 445.
3) Die Tracht ist zu stilisiert, um nähere Fest-
stellungen zu erlauben. Die Frauen tragen ein
langes gegürtetes Gewand, die Männer die all-
gemein nordische Hose, die Unterschenkel darf
man sich bestrumpft oder mit Binden umwunden
wenn nichts dergleichen angegeben ist.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. j o
Abb. 7. Silbermedaillon im Cabinet des Medailles zu Paris.
Ich wiederhole mit alledem nur Altbekanntes, denn der keltische Grundcharakter
der Bilderwelt ist ernsthaft so gut wie nie bezweifelt worden. Aber neben den keltischen
Elementen stehen eine Reihe anderer von ebenso unbezweifelt südlicher Herkunft,
fast alles Tiere oder Gruppen mit Tieren: Löwen, Greifen, Elefanten, Seedrachen,
ein Flügelpferd, der Kampf eines Mannes mit einem Löwen im gutgriechischen Schema
des Herakleskampfes und ein Delphinreiter. Man pflegt sie meist aus der römischen
Kunst herzuleiten, bei den Löwen und Elefanten wohl auch an Eindrücke zu denken,
die der Künstler in einem römischen Zirkus empfangen haben soll. Die Möglichkeit
einer solchen Erklärung ist natürlich nicht abzustreiten, man wird jedes der genannten
Motive aus der Fülle der römischen Bildwerke belegen können. Aber wäre es nicht,
näher betrachtet, eine recht eigentümliche Auswahl, die da der Künstler des Kessels
getroffen hätte ? Wer den Typenschatz der römischen Provinzialkleinkunst kennt,
die doch die Vermittlerin hätte abgeben müssen, wird es ablehnen, hier mit römischen
Einflüssen zu rechnen.
14 Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Es ist denn auch schon längst bemerkt worden — und die eingangs genannten
Versuche, den Kessel ins 4. bis 2. Jahrh. v. Chr. zu datieren, hängen wesentHch damit
zusammen — , daß es sich bei den aufgezählten Bildern durchweg um Motive oder
Typen bereits einer viel älteren Periode als es die römische Kaiserzeit ist, handelt,
daß hier altgriechische, im besonderen altionische Kunst eine sonderbare Auferstehung
feiert. Das wird schnell klar werden bei der Betrachtung der beiden hier Abb. 6 und
7 wiedergegebenen Denkmäler, deren Beziehungen zum Gundestruper Kessel
S. Reinach erkannt hat (s. S. 2 Anm. 5). Es sind zwei Medaillons aus Silberblech, ge-
trieben, ziseliert und vergoldet wie die Reliefs des Kessels; je vier Niete befestigten
sie auf einer Unterlage unbekannten Charakters, wie man überhaupt über ihre einstige
Verwendung verschieden denken kann. Das Medaillon Abb. 6 mißt 23, das zweite
15,5 cm, etwa zwei Drittel des ersten, im Durchmesser. Beide tragen im gleichen
Schema die Bilder von Tierkämpfen: um das mit einer Zweifigurengruppe gefüllte
Mittelrund schließt sich oben die Gruppe zweier Raubtiere im Ansprung auf ihr
Opfer, unten eine gleichartige Gruppe im Streit um die Beute, die beidemal ein
Stierkopf ist. Von den Tieren sind mit Sicherheit nur Löwen, Greifen, ein Widder
und eine Gazelle kenntlich, die vielleicht von einer Hyäne angefallen wird. Im ganzen
gleichartig dekoriert, stärker nur in der Füllung des Mittelrunds abweichend, ist
ein drittes, sehr zerstörtes Medaillon, das aus dem gleichen Fund wie Abb. 7 stammt
und dessen Beschreibung ich Herrn Jean Babelon vom Pariser Cabinet des Medailles
verdanke: »Les fragments du second disque, tres endommage, presentent d'autres
figures: au milieu, une tete d'elephant de face, la trompe repliee; au-dessous, une
hyene devorant un cerf, dont la tete seule subsiste; au-dessus et ä droite, le corps
d'une autre hyene ou d'un chien.«
Das Medaillon Abb. 6 befindet sich im Rijksmuseum zu Leiden, gefunden
ist es bei Roermond im holländischen Limburg, ohne daß über die Fundumstände
oder etwa mitgefundene Gegenstände etwas bekannt geworden wäre ^). Wichtiger
für die Frage nach der Heimat unserer Denkmäler ist die Herkunft der beiden anderen,
jetzt im Pariser Cabinet des Medailles aufbewahrten Medaillons 2). Sie befanden
sich früher in der Sammlung des Dr. Fenerly in Pera. Über ihren Fundort spricht
sich der Besitzer in einer Mitteilung an Odobesco nur indirekt aus: »D' apres mes
recherches, ces plaques, ainsi que quelques autres objets en argent, en tres mauvais
etat, doivent avoir appartenu ä un temple d' Artemis, situe dans le Pont et tres connu
dans l'Antiquite. II y a vingt-cinq ans, on y voyait encore quelques ruines, telles que
colonnes et autres marbres; il parait qu'aujourd'hui il n'en reste plus rien, les marbres
et les pierres ayant servi ä faire de la chaux pour l'usage des habitants d'une localite
^) Zuerst veröffentlicht von B. Stark, Bonner Besitzer erhalten hatte. Die Vorlage zu Abb. 7 hat
Jahrb. 58, 1876 S. 7 ff. Taf. IV. Die Photo- Giraudon neu angefertigt; mehrfache Auskunft
graphie verdanke ich Herrn Dr. J. H. Holwerda verdanke ich Herrn Jean Babelon, den Nachweis
in Leiden. des gegenwärtigen Aufbewahrungsortes Herrn
*) Zuerst veröffentlicht bei Odobesco, Le Tresor S. Reinach, der eine Umrißzeichnung des Medail-
de Petrossa I 1889 S. 513 Abb. 214, der Photo- Ions in sein Repertoire de Reliefs H S. 239, 4
graphie und Beschreibung von dem damaligen aufgenommen hat.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
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voisine.« Es gibt indessen nur einen Tempel, auf den Fenerlys Worte passen, nämlich
den der Ma oder Artemis Tauropolos in Comana Pontica, dessen Hohepriester an
Würde gleich hinter den Königen von Pontus kamen ^). Auch was Fenerly über den
damaligen Zustand der Ruinen sagt, stimmt zu dem Befund in Comana, Ich ent-
nehme Cumont, Voyage d'exploration archeologique dans le Pont (Studia Pontica
II 1906) S. 251, daß Reisende der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an der
Stelle des Tempels noch Säulenreste, Gebälk- und Friesstücke sahen, die aber jetzt
bis auf dürftige Marmorbrocken verschwunden sind. Alles brauchbare Material ist
den Bewohnern des benachbarten Tokat zum Opfer gefallen. Fenerly hat also min-
destens angenommen, daß der kleine Schatz, den er erworben hatte, aus Comana
stamme. Sein Glaube kann allerdings durch einen Umstand beeinflußt worden sein,
dessen Erörterung wir hier anschließen.
Beide Pariser Medaillons tragen nämlich auf dem profilierten, sonst schmuck-
losen Randstreifen Inschriften, von denen aber nur die des abgebildeten Stückes
Abb. 8. Inschrift des Silbermedaillons Abb. 7. Nat, Gr.
ganz erhalten ist. Abb. 8 gibt sie nach einer sorgfältigen Zeichnung in natürlicher
Größe wieder 2). Sie lautet NAOS APTEMIA EK TßN TOY BA MIGPAT mit
merkwürdig weiten (in der Abbildung weggelassenen) Zwischenräumen zwischen
dem ersten und zweiten und namentlich dem zweiten und dritten Wort. Von der
Inschrift des zweiten Medaillons ist nach Herrn Babelons Auskunft nur noch NAOZ
kenntlich. Es ist leicht zu ersehen, daß es sich um Eigentum eines Artemistempels
handelt, das er auf irgendeine Weise aus dem Besitz eines Königs Mithradates er-
halten hatte.
Die Inschrift ist verdächtigt worden, Reinach erklärt sie für »suspecte«, auch
im Cabinet des Medailles zweifelt man an ihrer Echtheit. Ich habe mich mangels
eigener Zuständigkeit an die Freundlichkeit der Herren Hiller v. Gaertringen und
Dressel gewandt und darf das Urteil des letzteren anführen: »Trotz des guten Licht-
bilds ist es schwer, ein Urteil über die Inschrift abzugeben. Das Bild gibt nur die
Form der Buchstaben, läßt aber nicht erkennen, ob diese in die Scheibe eingegraben
oder eingeschlagen sind, und darauf kommt viel an. Sind sie eingeschlagen, dann
ist die Inschrift alt, denn das Einschlagen konnte nur erfolgen, als das Metall noch
') Strabo XII p. 557. 558. 559. Vgl. Drexler bei
Röscher II Sp. 2217 f.
^) Ich verdanke die Zeichnung ebenso wie die unten
mitgeteilten technischen Beobachtungen, die die
Echtheit der Inschrift sicherstellen, der Güte
Herrn Professor F. Lconhards in Freiburg.
l6 Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
gesund (dehnbar und nachgiebig) war; das Einschlagen in das jetzt dem Anschein
nach stark oxydierte und infolgedessen sehr spröde Metall hätte die Scheibe zer-
trümmert. Das Eingraben hingegen kann auch bei ganz durchoxydiertem Metall
vorgenommen werden. Die Buchstabenform ist nicht schön, aber auch nicht derart,
daß man die Schrift für modern halten müßte. Die Fassung der Inschrift ist tadellos
und die Abkürzungen BA sowohl wie MI0PAT sind so gut, daß sie einem Fälscher
nicht zuzutrauen sind. NAOZ ist allerdings unangenehm, aber trotzdem möchte ich
die Inschrift nicht verdammen. Soweit meine Ansicht auf Grund der Abbildung;
vor dem Original könnte das Urteil vielleicht anders ausfallen.« Herr von Hiller
äußert sich etwa im gleichen Sinne, neigt allerdings mehr zur Annahme der Un-
echtheit.
Auf dieser Grundlage kann man weiterbauen. Einmal läßt sich selbst auf der
Photographie erkennen, daß die Inschrift eingeschlagen ist. Sie steht auf einer profi-
lierten Fläche. Wäre sie eingegraben, so würden die Furchen den Erhebungen und Ver-
tiefungen folgen, sie liegen aber im Gegenteil tiefer in den Erhöhungen, flacher in den
Tälern, weil sich beim Einschlagen das Instrument stärker in die ersteren, schwächer
in die letzteren eingrub. Weiter erkennt man aber fast bei jedem Buchstaben deutlich
die Wulste, die durch das Einschlagen in das weiche Metall am Rande der Furchen
aufgeworfen wurden und die beim Eingraben weder entstehen noch nachgeahmt
werden konnten. Also schon aus technischen Gründen ist die Inschrift als antik
zu betrachten. Daneben liegen die allgemeinen auf der Hand. Wäre die Inschrift
eine Fälschung, so müßte sie spätestens in den achtziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts, und zwar vermutlich in der Levante, entstanden sein. Wer wird aber einem
dortigen und damaligen Fälscher eine Inschrift wie die unsere zutrauen, mit der man
etwa die akademische Inschrift der Saitapharnestiara vergleichen mag, um den Ab-
stand zu ermessen ? Ganz abgesehen von den epigraphischen Voraussetzungen hätte
er zu einer Zeit, da Furtwänglcrs Goldfund von Vettcrsfelde das Verständnis dieser
Dinge erst anbahnte, bereits eine so eindringende Kenntnis des pontischen Kunst -
handwerks besessen, daß er die Medaillons vollkommen richtig einzureihen verstand.
Ich glaube, man braucht diese Konsequenzen nur zu erwägen, um zur Annahme
der unbedingten Echtheit der Inschriften zu gelangen. Sie wäre vielleicht nie ver-
dächtigt worden, wenn man nicht die durch den Namen des Mithradates gegebene
Datierung angezweifelt hätte, die aber vollkommen zu Recht besteht.
Allerdings schwindet mit der Annahme der Echtheit der Inschrift die Sicherheit,
daß unter Mithradates der mit dem Beinamen Eupator zu verstehen ist. Ein Fälscher
hätte natürlich ihn gemeint, nunmehr melden sich allein im Bereiche des Pontus,
in dem wir zu bleiben haben, allerhand andere königliche Anwärter, so außer Mithra-
dates Eupators Vorgängern Mithradates von Pergamon, der Parteigänger Cäsars ^),
oder Mithradates der Bosporaner oder Mithradates der Iberer, beides Zeitgenossen
Neros. Aber diese kurzlebigen und bescheidenen Träger eines harmlosen Königstitels
verschwinden doch ganz vor den pontischen Königen und namentlich vor der Riesen -
0 über ihn Hepding, Athen. Mitt. XXXIV 1909 S. 329 ff.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. I7
gestalt Mithradates Eupators, der ein halbes Jahrhundert hindurch ein zuzeiten
gewaltiges Reich regierte. Die Inschrift auf ihn zu beziehen, darf uns weiter die Ver-
wandtschaft der Medaillons mit dem Kessel von Gundestrup veranlassen. Gehört
dieser, indem wir das Ergebnis des ersten Teiles dieser Untersuchung als richtig
unterstellen, in das erste Jahrh. v. Chr., etwa in dessen Mitte, so entspricht die
Datierung der Medaillons rund in den Anfang des Jahrhunderts vorzüglich diesem
Ansatz. Wir nehmen also an, daß sie als Geschenk Mithradates Eupators einem
Artemistempel zugekommen sind, wie er einem Verein von Eupatoristen den be-
kannten Krater des Konservatorenpalasts gestiftet hat ^).
Es wäre sehr schön, wenn wir nun auch diesen Artemistempel benennen könnten.
Aber leider lassen Fenerlys Worte es im Dunklen, ob er wirklich Comana Pontica
auf Grund von Nachforschungen als Fundort festgestellt oder ob ihn bloß die Inschrift
und die Lektüre Strabos auf diesen Ort gebracht hat. Das »doivent avoir appartenu«
spricht für letztere Erklärung, während man sich allerdings wundert, daß er sich
dann doch gedrungen fühlte, Erkundigungen über die Ruinen des Tempels von
Comana einzuziehen. Möglich bleibt es also, daß ihm wirklich Kunde über den Fund-
ort zugegangen ist; und warum soll die Königsgabe nicht, von den Plünderern des
Tempels übersehen, zwei Jahrtausende an der Stelle geruht haben, an der sie einst
niedergelegt wurde.''
Die Medaillons sind nun sichere Erzeugnisse des pontischen Kunsthandwerks,
das das Erbe der altionischen Tierbildnerei angetreten hat und mit erstaunlicher
Zähigkeit noch zu einer Zeit pflegt, da sie im Mutterlande und seinen übrigen Kolonien
längst bis auf allerhand dekorativ verwendete Reste abgestorben ist. Von solcher
ornamentalen Verwendung ist auf den Medaillons nichts zu spüren; hier ist noch die
volle Freude am Tierleben als solchem lebendig. Überraschend rein ist der Stil bewahrt,
man darf die Medaillons unmittelbar an die Jahrhunderte ältere zweite Goldscheibe
von Vettersfelde 2) anknüpfen, deren Kunstweise hier in provinzialer Erstarrung er-
halten geblieben ist. Eben diese Erstarrung trennt sie von den Funden vom Nordufer
des Pontus, die teils den freieren griechischen Stil zeigen, zum größeren Teil aber stär-
kerer oder schwächerer Barbarisierung, Skythisierung anheimgefallen sind 3). Es
srnd offenbar Goldschmiedearbeiten aus seinem eigenen Stammkönigreich, die Mithra-
dates der Artemis geweiht hat. Die Darstellungen sind weiter gewiß nicht ohne
Beziehung auf die Empfängerin gewählt worden. Die Artemis, welche Mithradates
verehrte, ist die kleinasiatische Naturgöttin, die wir unter den verschiedensten Namen
kennen. Im pontischen Reiche heißt sie, wie wir schon sahen, Ma. Ihr als der Herrin
der Tiere sind die Tierbilder dargebracht worden, den alten Typen hat man das
gewaltigste Landtier, den Elefanten, neu beigesellt. Vielleicht darf man hier an
^) Th. Reinach, Mithradate Eupator Taf. III. Scliriften I S. 469 ff. Icli setze die Kenntnis der
Heibig, Fülirer 3 Nr. 961. Die Inschrift IG XIV Abhandlung im folgenden voraus.
S. 236. 3) Das Buch von E. H. Minns, Scythians and Greeks
*) Furtwängler, Der Goldfund von Vettersfelde (Cambridge 1913) mit reichem Material ist mir
(Berliner Winckelmannsprogramm 1883) = Kleine wie so viele andere Literatur, deren Nichtberück-
sichtigung entschuldigt werden muß, hier nicht zugänglich.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. 2
l8 Fr. Drexel, Über den Silberkessel voö Gundestrup.
einige, um sechs bis sieben Jahrhunderte ältere Denkmäler erinnern, die in Form,
Inhalt und wohl auch Bestimmung Vorläufer unserer Medaillons sind, nämlich an
einzelne der kretischen Votivschilde, so besonders einen aus der idäischen Zeushöhle
und einen aus dem diktäischen Zeustempel von Elaia ^).
Die Verwandtschaft der Medaillons mit dem Kessel von Gundestrup, auf den
wir nun zurückkommen wollen, springt in die Augen. Die Übereinstimmung reicht
bis in solche Einzelheiten wie die grätenartige Wiedergabe des Felles, die ähren-
förmigen Schwänze, die Rauhung des Grundes oder seine Füllung mit verkommenem
Rankenwerk. Der Elefant erscheint wieder, es wiederholt sich der singulare Greifen -
typus 2) rnit dem nackten Adlerkopf und den archaisch aufgebogenen Flügeln, der
Löwenkampf, die antithetische Tiergruppe. Daneben braucht man den starken
künstlerischen Abstand zwischen Medaillons und Kessel nicht zu verkennen. Sie
verhalten sich wie Vorlage und Nachahmung, wobei das Leidener Medaillon eine
gewisse Mittelstellung einnimmt: es ist erheblich unbeholfener ausgeführt als das
Pariser Stück, steht aber doch höher als die Kesselbilder. Wie sehr letztere den
Medaillons unterlegen sind, lehrt besonders ein Vergleich der Dreifigurengruppen
der Medaillons mit der gleichen Gruppe im unteren Streifen der Elefantenplatte
des Kessels. Die Reliefs des Kessels sind von barbarischen Händen im Anschluß
an Vorlagen im Stile der Medaillons ausgeführt worden.
Ein Bild des Kessels liefert nun noch einen direkten Beweis für seine Abhängig-
keit von pontischer Kunst. Eine der Außenplatten trägt das Bild eines Gottes, der
mit beiden Händen je ein merkwürdiges Seeungeheuer packt. Ich gebe Furtwänglers
Worte über dieses Wesen wieder 3): »In seiner einfacheren Gestalt hat es einen' ge-
wundenen Fischleib, einen Tierkopf mit langer Schnauze und eine Stachelmähne;
eine dekorativ günstigere Gestalt erhielt es dann durch die Beflügelung.« Es ist eine
aus dem Seepferdchen (Syngnathus Hippocampus L.) entwickelte phantastische
Bildung, die am Pontus entstanden und seiner Kunst eigentümlich geblieben ist;
außerhalb kommt sie nicht vor.
Der Gott, der die beiden Tiere gepackt hält, tut das auf eine Weise, die ent-
schieden an die altgriechischen tierhaltenden Gottheiten erinnert. Offenbar sind nicht
nur seine Tiere, sondern er ist mit ihnen pontischer Kunst entlehnt, ebenso dann
aber der die beiden Hirsche haltende Gott. Auch bei diesem läßt sich das durch
eine Beobachtung stützen. Man vergleiche seine beiden Hirsche mit dem hölzernen
Hirsch zur Seite des Hirschgottes, sie sind unendlich viel besser und naturwahrer
I) Der idäische Schild: Amer. Journal of Archaeol. *) Er scheint auf ganz alte Bildungen zurück-
IV 1888 Taf. XVIII. Revue des Etudes anciennes zugehen, vgl. außer den Artikeln Gryps von Furt-
X 1908 S. 144 Abb. 48; der diktäische: Poulsen, wängler in Roschers Lexikon und Prinz bei
Der Orient und die frühgriechische Kunst S. 78 Pauly-Wissowa Furtwängler, Die Bronzefunde
Abb. 76. Das Dekorationsschema stimmt völlig aus Olympia (Abh. Berl. Akad. 1879) S. 50
mit dem der Medaillons überein, den Tier- Typus C (= Kleine Schriften I S. 377).
protomen des Mittelfelds vergleicht sich der 3) Der Goldfund von Vettersfelde S. 28 (= Kleine
Elefantenkopf. Vielleicht wären also die Me- Schriften I S. 493).
daillons richtiger als Votivschilde zu bezeichnen.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. ig
ausgeführt. Jenen Hirsch mußte sich der Künstler des Kessels selber zeichnen, hier
arbeitete er nach einer griechischen Vorlage, die eine Gottheit darstellte, welche in
streng antithetischer Gruppierung zwei Hirsche an den Hinterbeinen gepackt hielt;
seine Hirsche sind viel zu gut in ihrer Haltung, als daß wir ihm irgendeine Änderung
an dem Schema zuschreiben werden.
In den gleichen Kreis gehört weiter die mütterliche Gottheit der einen Innen-
platte, der von rechts und links zwei Elefanten dienend nahen ^). Man möchte hier
fast eine Vorlage, die auch äußerlich den Medaillons glich, voraussetzen: in der Mitte
die Göttin, um sie oben eine antithetische Gruppe von zwei Elefanten, unten zwei
Greifen im Ansprung auf ihre Beute; das Schema wiederholt sich ungeschickter
auf der Platte mit dem Radgott, ein Rest davon, eine antithetische Löwengruppe,
erscheint auch auf der Cernunnosplatte. Jedenfalls dürfen wir in der Elefanten-
göttin wieder die kleinasiatische Tierherrin, die Ma von Comana, erkennen, gleichviel
wie sie von den Kelten des Kessels gedeutet worden ist. Vielleicht kommt sie noch
ein zweites Mal vor, in der weiblichen Gottheit der Außenseite, neben der ein Mann
mit einem Löwen ringt; wir sahen dieselbe Szene auf dem Medaillon von Roermond.
Schließlich mag auch der bärtige Gott, der zwei Männer gepackt hält, hierher zu ziehen
sein, obwohl die Eberfiguren in den Händen dieser Mariner eher auf keltische Vor-
stellungen weisen.
Wir blicken hier in ein Pantheon von sonst nicht eben geläufigen Göttergestalten
hinein. Zwar die Tierherrin, die iro-cvia dr^poiv, ist bekannt genug ^), aber ihre männ-
lichen Korrelate sind für uns fast verschollen. Es ist ihnen ähnlich ergangen wie der
ionischen Tierbildnerei: wie diese auf unteritalischen Vasen und pränestinischen
eisten ein dekoratives Dasein an untergeordneter Stelle weiterführt, so erscheinen
jene tierbändigenden Dämonen im gleichen Kreise als Henkelschmuck an Bronze-
gefäßen 3), Doch fehlt es nicht ganz an Denkmälern einer älteren Stufe, in der
sie um ihrer selbst willen dargestellt wurden und von der sie erst allmählich zum
Ornament herabsanken: ich nenne den zwei Enten packenden Dämon des Gold-
schmuckes von Aegina und ähnliche Gestalten, wieder mit Vögeln, auf einer Bronze -
platte von der Akropolis und auf einem spartanischen Elfenbeinrelief 4). Drachen-
bändigende Dämonen sind mir sonst nicht bekannt, dagegen solche, und zwar See-
') Es sei angemerkt, daß in der persisch-indischen S. 9 ff. Radet, Revue des Etudes anciennes
Kunst der Nachfolger Agokas die Darstellung X 1908 S. 109 ff. Ders., Cybebe, Paris 1909.
der Göttin ^ri als einer von zwei Elefanten, die Thompson, Journal of Hellenic Studies XXIX
Wasser auf sie gießen, flankierten Hindufrau 1909 S. 286 ff. Frothingham, Amer. Journal of
außerordentlich beliebt ist (Grünwedel, Buddhist. Archaeol. 191 1 S. 349 ff. Vgl. auch Cumont,
Kunst in Indien ' S. 40 f.). Die Elefanten nähern Die oriental. Religionen im röm. Heidentum,
sich ihr ganz in der Weise wie auf dem Kessel. Abschnitt III: Kleinasien.
Ein Zusammenhang des Motivs erscheint nicht 3) Annali 1880 Taf. W. Archäol. Anz. V 1890 S. 5.
ausgeschlossen. Übrigens stellen die Gundestruper Österr. Jahresh. VII S. 162 f. VIII S. 70 ff.
Elefanten nach der Kleinheit ihrer Ohren den Reinach, Repertoire de la Statuaire II S. 88 ff.
indischen Elefanten dar. III S. 25. IV S. 48 f. 321. 326.
*) Studniczka, Kyrene S. 153 ff. Ders. bei Röscher 4) Poulsen, Der Orient und die frühgriechischc
II Sp. 1750 ff. G. Körte, Athen. Mitt. XX 1895 Kunst S. 60.
20 Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
dämonen in der Art der Tritonen, die Fische halten, so der bekannte, noch sinnvoll
verwendete »Halios Geron« auf dem goldenen Fisch von Vettersfelde ^). In seiner
symmetrischen Bildung ist der Gottheit des Kessels besonders vergleichbar ein
bärtiger Schlangenfüßler, der in den erhobenen Händen je einen Fisch hält; er bildet
die Henkelattachc eines untcritalischen Bronzeeimers 2). Die Anwohner des Fontus
haben wie so vieles andere Altvätergut zu dem Glauben an männliche tierbezwingende
Gottheiten auch ihre alte Darstellungsform festgehalten.
Unter griechischem Einfluß steht noch eine weitere Gottheit des Kessels. Eine
Außenplatte zeigt eine Göttin, die auf der rechten Hand einen Vogel trägt, während
die Bewegung der linken dahin zu gehen scheint, daß sie mit ihr das kleine Menschen-
bild an die Brust drückt; allerdings wäre das Motiv denkbar ungeschickt wieder-
gegeben. Eine Dienerin strählt ihr das Haar, ein weiteres weibliches Wesen, das
nach dem Torques, den es trägt, göttlicher Natur sein könnte, sitzt auf einer Art
Verlängerung der rechten Schulter. Zwei Vierfüßler, von denen einer an der Brust
der Göttin zu ruhen scheint, und zwei Vögel beleben weiter das Bild. Die keltische
Gottheit, die hier gemeint ist, hat Züge der eine Taube haltenden und von Tauben
umflatterten Aphrodite angenommen.
Ganz griechischen Ursprungs ist natürlich auch der kleine Delphinreiter. Man
hat ihn auf den Taras der Tarentiner Silberstücke zurückführen wollen. Aber ein
Vergleich mit den verschiedenen Tarastypen zeigt doch starke Abweichungen, die
man um deswillen nicht für selbständige Änderungen des Künstlers des Kessels halten
darf, weil sie bereits in der griechisch-römischen Kunst auftreten; man vergleicht
das bequem auf der Münztafel zu Useners Sintflutsagen, wo etwa die kaiserzeitlichen
Münzen von Nicomedia, Perinth und Korinth Abb. 2 — 4. 12. 13 dem Typus des
Kessels entsprechen. Dagegen könnten der Pegasus und der kleine Reiter des Kessels
Münzbildern entnommen worden sein; dadurch würde ihre Kleinheit mit verständlich.
Die Beziehungen, welche die Bilderwelt des Kessels mit den Ländern des Pontus
verbinden, sind, wie schon eingangs bemerkt, bereits mehrfach erkannt und betont
worden. Allerdings das Material, das A. Voß zur Begründung seiner These beigebracht
hat, ist fast durchweg untauglich. Dagegen hat Wulff, vom frühmittelalterlichen
Kunsthandwerk und im besonderen von den Spangenhelmen ausgehend, eine Reihe
sehr förderlich'cr, zumeist stilistischer Beobachtungen 3) an den Kesselbildern ge-
macht; verfehlt ist nur wieder seine Datierung in die ausgehende Antike. Beide weisen
den Kessel einer pontischen Werkstatt zu, wobei Wulff wegen der keltischen Elemente
an Beeinflussung durch die kleinasiatischen Galater denkt.
Diese Anschauung, die die keltischen Elemente des Kessels nur als unter-
geordnetes Moment gelten läßt, schießt nun über das Ziel hinaus. Sie bilden im
Gegenteil die Grundlage, neben welcher sich die fremden Motive wie aufgepfropft
') Furtwänglera. a. 0. S. 25 f. (= Kl. Sehr. S. 490f.) demente zu erkennen geglaubt. Das ist wohl
^) Archäol. Anz. V 1890 S. 6. Schumacher, Karls- nicht unrichtig, erklärt sich aber daraus, daß
ruher Bronzen Nr. 632. auch die sassanidische Toreutik ein Abkömmling
3) Voß und Wulff haben auch sassanidische Stil- der pontischen ist, in der manche ihrer Er-
scheinungen vorgebildet sind.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. 21
ausnehmen. Zu erwägen wäre indes Wulffs Hinweis auf die Galater. Könnte nicht:
ihnen die Entstehung des Kessels zugeschrieben werden } Die Vermischung keltischer
mit griechischen und kleinasiatisch -barbarischen Göttergestalten wäre gerade für
sie charakteristisch. Sie verehren in der großen Göttermutter von Pessinus und der
Artemis, t^v [xotXiaxa FaXa-ai aißouai, eben die Tierherrin des Kessels; zur Zeit
Strabos ist der Galater Dyteutos Hohepriester gerade des Ma-Heiligtums von Comana
Pontica. Wir wissen, daß sie die Sitte des Menschenopfers wenigstens im Anfang
des 2. Jahrh. v. Chr. noch pflegten, und kennen ihre Vorliebe für Stierhetzen aus
dem der Zeit des Tiberius angehörenden Verzeichnis der Augustuspriester vom Tempel
von Ancyra ^). Aber die Beziehungen des Kessels zum europäischen Keltentum
sind doch zu eng, um diesem Gedanken Folge zu geben; man erwäge, was über die
Kesselform gesagt ist, bedenke die Verwandtschaft der gallischen Wochengöttervasen
und die des gewiß bodenständigen Silberblechs von Csöra, auch das Gewicht des
Fundorts: von Kleinasien bis Jütland ist für ein so umfangreiches Denkmal eine
etwas weite Reise. Auch ist sehr fraglich, ob bei den Galatern des i. Jahrh. v. Chr.
die keltischen Göttcrgestalten noch eine irgend erhebliche Rolle gespielt haben,
unsere Quellen weisen eher auf das Gegenteil.
Die Heimat des Kessels muß vielmehr in einer Gegend gesucht werden, in der
sich Einflüsse von Ost und West, vom Pontus und vom keltischen Stammland her
kreuzen konnten, also etwa an der mittleren oder unteren Donau, und wieder nicht
allzuweit von dem dakischen Fundgebiet des Silberblechs von Csora. Dabei werden
die keltischen Stämme im Gebiet des heutigen Österreich -Ungarn, deren Hinter-
lassenschaft wir zudem einigermaßen überblicken, mit ziemlicher Sicherheit aus-
zuschließen sein; soweit sind die pontischen Elemente in dieser Stärke und relativen
Reinheit unmöglich stromauf gelangt. Immerhin möchte ich auf eine Gruppe von
Silbermünzen hinweisen, die mir noch unter dem entfernten Einfluß unserer Kunst-
richtung zu stehen scheint. Man pflegt sie wohl als bojisch zu bezeichnen, da in dem
Gebiet, wo sie geschlagen wurden, etwa zwischen Donau und Neusiedler See, damals
Bojer gesessen haben ^). Ihre Zeit hat Kubitschek mit Recht auf rund die Jahre
40 — 15 V. Chr. bestimmt; den Endpunkt bildet die römische Eroberung des Landes.
Die Ausführung der Bilder — die Vorderseiten tragen Köpfe mit keltischen Häupt-
lingsnamen, die Rückseiten mit Vorliebe sprengende Reiter, Löwen, einen Vogel mit
Menschenkopf — entbehrt zwar nicht ganz der Anklänge an den bekannten Stil der
keltischen Prägungen, hält sich aber gänzlich von dessen Ausschweifungen fern und
ist eher trocken und hart. Mit unseren Denkmälern, dem Kessel und den Medaillons,
vergleichbar erscheinen mir besonders die Köpfe mit dem vorgebauten Obergesicht,
der gerade verlaufenden Profillinie von Stirn und Nase, den Falten um den Mund
und dem spitzen Kinn. Man vergleiche besonders den Löwenbezwinger des Roer-
') Die Zeugnisse bei F. Stähclin, Geschichte der ») De la Tour, Atlas de monnaies gauloises Taf. LIV
kleinasiatischen Galater ^ S. 46, 9 (Kulte); 45, 4 Nr. 10141 ff. Kenner, Wiener Num. Zeitschrift
(Menschenopfer); 102 f. (Stierhetzen). Dyteutos: XXVII 1895 S. 57 ff- Luschin, Jahrb. d. k. k.
Strabo XII p. 558. Zentralkommission N. F. II 1904 S. 73 ff. Ku-
bitschek, Östcrr. Jahresh. IX 1906 S. 70 ff.
22 Fr- Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
monder Medaillons, dessen Kopf sorgfältiger ausgeführt ist als die Profilköpfe des
Kessels; auch seine Haarbildung kehrt völlig übereinstimmend bei den Köpfen der
Münzen wieder. Ich nenne an Einzelzügen weiter namentlich die raumfüllenden
Efeuranken De la Tour 10160. 66. 70. 80. 84, den Zackenkamm und das schrauben-
förmige Schwanzende des Löwen ebenda 10162 (s. auch 10160), die Angabe der
Behaarung durch eine Art Grätenwerk bei dem Raubtier lOi 63, die vogelartigen
Krallen der Tiere, alles zugleich bezeichnende Erscheinungen unseres Stilkreises,
als dessen verwaschene Ausläufer darnach die fraglichen Münzbildcr wohl betrachtet
werden dürfen.
Zwischen den Bojern und dem Schwarzen Meere, dessen keltische Anwohner
früh den Thrakern erlegen sind ^), gibt es im i. Jahrh. v. Chr. nur noch einen großen
Keltenstamm, die Skordisker, die um die Savemündung und im Gebiet der Morava
wohnen ^). Wenn ihr Name vom Skordosgebirge, dem heutigen Schar Dagh westlich
von Üsküb, abzuleiten ist, müssen ihre Sitze sich weit nach Süden gezogen haben;
er wird dann auch ursprünglich nicht einen besonderen Stamm, sondern die Gesamt-
heit der Kelten bezeichnet haben, die dort zur Zeit ihrer Balkanzüge in der ersten
Hälfte des 3. Jahrh. v. Chr. seßhaft wurden. Bis gegen die Wende unserer Zeit-
rechnung sind die Skordisker einer der mächtigsten, wildesten und gefürchtetsten
Balkanstämme. Seit der Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. liegen sie in beständigen heftigen
Kämpfen mit den Römern. Wir kennen fast ein Dutzend gegen sie gerichteter Feld-
züge, größtenteils wohl Versuche, der ständigen Beunruhigung des Balkans ein Ende
zu machen. Um das Jahr iio bedrohen die Skordisker gemeinsam mit thrakischen
Scharen selbst den delphischen Tempel, wie die delphische Ehrung ihres Besiegers
Minucius erschließen läßt; wenn zwanzig Jahre später den Thrakern die Plünderung
des Tempels wirklich gelingt, werden die Skordisker dabei kaum gefehlt haben.
Nach einer etwas verworrenen Stelle bei Appian Illyr. 5 sind sie allerdings von einem
L. Scipio, den man mit dem Konsul des Jahres 83 identifiziert, vernichtet und ihre
Reste s? xov "latpov xal tk? vr^aou? tou Troxaixou verpflanzt worden. Dort, d. h.
um Belgrad und in Syrmien, wohnen sie allerdings in der Kaiserzeit; aber wenn
sie im Jahre 16 v. Chr. gemeinsam mit den am Oberlauf des Strymon sitzenden
Dentheleten einen Raubzug nach Mazedonien haben unternehmen können, müssen
sie damals doch wenigstens teilweise noch in ihren alten Sitzen wohnhaft gewesen
sein. Auch nach anderen Nachrichten kann ihre Niederlage so vernichtend nicht
gewesen sein. Sie erscheinen unter den Gegnern des in Mazedonien kämpfenden
Appius Claudius 78/76 v. Chr., als Verbündete der Daker unter Burebistas, als Ver-
bündete des Tiberius im pannonischen Krieg und schließlich in der Aufzählung der
von Tiberius eroberten Provinzen bei Velleius 2, 39, 3 : Raetiam et Vindelicos ac
') So das Reich des Komontorios und Kavaros um II S. 261 ff. Niese, Zeitschrift für deutsches
200 V. Chr. (Polybios IV 45, 10 ff. 52, i. VIII Altertum 42, 1898 S. 129 ff. Die Zeugnisse bei
22 (24) I — 3). Über seine Münzprägung Forrer, Holder, Alt-Celtischcr Sprachschatz s. v. Über
Keltische Numismatik S. 175. 177 f. die Kämpfe mit den Römern besonders Zippel,
*) Zeuß, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme Die römische Herrschaft in Illyrien S. 31 ff.
S. 172 ff. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde passim.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. 2 "^
Noricos Pannoniamque et Scordiscos novas imperio nostro subiunxit provincias,
eine Zusammenstellung, die die Skordisker als einen nicht unverächtlichen
Faktor noch jener letzten Zeit der Unabhängigkeit der Donaustämme erscheinen
läßt. Auch Strabo, der mehrfach von ihrer einstigen Macht und Ausbreitung
mit Achtung redet, tut durchaus nicht, als ob er etwas lange Vergangenes be-
schriebe.
Mir will scheinen, daß sich alle Rätsel lösen, wenn wir den Kessel von Gundestrup
bei den Kelten der unteren Donau, also, um einen Namen zu nennen, bei den Skor-
diskern entstanden sein lassen, wobei dieser Name im weitesten Sinne gefaßt sein
soll. Das allgemeine Bild, das uns die Quellen von den Skordiskern geben, deckt
sich mit dem Eindruck, den der Kessel von seiner Umgebung vermittelt. Beidemal
haben wir es mit einem kriegerischen und wilden und vor allem völlig unabhängigen
Keltenstamme zu tun; nur ein solcher sendet Krieger unter dem Klange von Drachen-
trompeten und nach Vollziehung eines Menschenopfers ins Feld, man weiß, wie eifrig
sich die Römer bemühten, diese letztere Sitte in Gallien auszurotten ^). Zu speziellen
Vergleichen fehlt allerdings die Möglichkeit, da wir von der Kultur der Skordisker
und ihrem religiösen Leben so gut wie nichts erfahren. Nur ein Punkt kehrt, wohl
nach Livius, noch in der Ethnographie der späten Kaiserzeit immer wieder, nämlich
ihre grausamen Menschenopfer und daß sie die Schädel der Gefangenen als Trink -
gefäße benutzten; Orosius 5, 23, 18 berichtet dies bei Gelegenheit des Feldzugs des
Appius Claudius 78/76 v. Chr. Wichtiger sind also die aufgedeckten stilistischen
Verwandtschaftsverhältnisse. Zunächst ist negativ hervorzuheben, daß jegliche,
auch die mindeste Spur römischen oder durch Rom vermittelten griechischen Ein-
flusses auf die Kunstübung unseres Keltenstammes fehlt. Dagegen bestehen Be-
ziehungen einmal zum dakischen Kunsthandwerk, zweitens und hauptsächlich solche
zum pontischen, und zwar zum Reiche des Mithradates; alle griechischen Elemente
der Kesselbilder gehen auf Vorlagen dieses letzteren Kreises zurück, die uns in Bei-
spielen noch erhalten sind. Alle diese Momente wiederholen sich nun in der politi-
schen Stellung der Skordisker gegen die Mitte des i. Jahrh. v. Chr. Mit den Römern
leben sie in erbitterter Feindschaft. Mit den nur durch die Donau von ihnen getrennten
Dakern stehen sie in guten Beziehungen, Ixei'vou? \t.h (die Bojer und Taurisker)
ot Aaxol xatsXuaav, toutoi? 8s (die Skordisker) xat au\i\ia.-/ot.? sj^pVjCfavxo koXXocxi?,
sagt Strabo VI p. 313; wenn sich diese Worte auf die Zeit des Burebistas beziehen
werden, so erfahren wir aus Frontin. strateg. 2, 4, 3, daß schon Minucius Rufus (s. o.)
gegen Skordisker und Daker gemeinsam zu kämpfen hatte. Die pontischen Einflüsse
erfahren ihre volle Beleuchtung durch den freundschaftlichen Verkehr, den Mithra-
dates Eupator mit den Donaukelten pflegte. Er hatte keltische Söldner in seinen
Diensten, wir kennen den Namen eines ihrer Führer, Bituitus, der dem alten König
auf seine Bitte den Tod gab (Appian Mithrad. iii). Bedeutungsvoller indes ist,
was diesem Ereignis vorausging. 'Ex ttoXXou cpt'Xou? £-1 x<oo£ 01 Ye^ovoia; nennt
Appian Mithrad. 109 die Donaukelten; Mithradates hatte sich seit langem mit ihnen
0 Ihm bei Pauly-Wissowa V Sp. 1731. S. Reinacli, Revue archcol. 1913 II S. 94 f.
24 Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup,
verständigt, gemeinsam in Italien einzufallen ^). Der Plan scheiterte zwar an der
Weigerung seines entmutigten Heeres; aber er zeigt, wie eng die Beziehungen zwischen
Mithradates und den Kelten waren, übrigens auch, wie groß ihre Macht und Kampf-
kraft damals noch gewesen sein muß; wenn jemand, so verstand Mithradates seine
Leute einzuschätzen. Ein solcher Verkehr war aber sehr geeignet, den Kelten, sei
es in Form von Sold, Subsidien oder auch Beute pontisches Silbergerät, wie es dem
Künstler des Kessels vorlag, zuzuführen. Ich weiß wohl, daß politische oder Handels-
beziehungen zwischen Kulturvölkern, wenn überhaupt, so nicht ohne weiteres auf
das künstlerische Gebiet zu übertragen sind; bei einem Barbarenstamm sind sie
hingegen der einzige Träger solcher Einflüsse. Wir dürfen also die politische Stellung
der Skordisker unbedenklich als Beweismittel für ihre Kunstübung verwenden.
Es ist noch auf einen Punkt hinzuweisen, dessen Verfolgung vielleicht hand-
greifliche Beweise für die Herkunft des Kessels bringen kann. Sein Verfertiger ist,
so unselbständig und hilflos er seinem Auftrag als Künstler gegenübersteht, technisch
sehr geschickt 2). Wie sauber ist alles getrieben und ziseliert, wie sorgfältig ist die
Zeichnung des Felles bei den Tieren, des Gewands bei den Menschen ausgeführt, wie
liebevoll sind Haar und Bart der Götterfiguren durchgebildet. Wir dürfen also
bei dem Volke, dem er angehört, eine ziemlich entwickelte Goldschmiedekunst voraus-
setzen, die nur nie das figürliche Gebiet betrat. Aus dem Skordiskergebiet sind mir
keine Funde aus der Zeitstufc des Kessels bekannt, dagegen weist das benachbarte
Dakien ihrer eine ganze Menge in den oben (S. 8) schon berührten Silberfunden
auf. Ihre Schmucksachen, Ringe, Ketten, Fibeln vertreten eben die vorausgesetzte
Stufe. Arbeiten gleicher Natur werden dann auch die skordiskischen Goldschmiede
gefertigt haben. Ein Vergleich jener dakischen Silbersachen mit dem Kessel könnte
die Übereinstimmung der Technik und damit auch die gleiche oder vielmehr nach-
barliche Herkunft erweisen; ich muß mangels genügender Abbildungen auf einen
Versuch verzichten und bemerke nur, daß bei den Tierkopfenden der dakischen
Spiralarmbänder das Fell durch parallele Halbkreisreihen angegeben wird, wie sie
den Körper des großen Stieres auf der runden Mittelplatte des Kessels überziehen.
Unsere der Heimat des Kessels geltende Untersuchung ist von dem Anstoß
ausgegangen, den sein materieller Wert erregt hatte. Ich brauche kaum zu sagen,
daß er jetzt entfällt. Den Skordiskern hat es schon infolge ihrer Raubzüge niemals
an Silber gefehlt. Das Gold, sagt Poseidonios bei Athen. VI p. 234 a — c, verschmähen
sie, und zwar in Erinnerung an die schwere, von Apoll wegen der Plünderung des
delphischen Tempels unter Brennus über sie verhängte Strafe; apYupoi ok yn^Sivzrti
^) »An die Skordisker ist nicht zu denken; sie waren hatten. Schon hundert Jahre vor Mithradates
schwer zu erreichen und grenzten auch nicht an hat Philipp V. von Mazedonien Bastarner und
Italien wie die Taurisker,« sagt Niese a. a. 0. Skordisker gegen Italien in Bewegung setzen
S. 158 Anm. 4. Im Gegenteil, sie waren für wollen (Livius 40, 57,7).
Mithradates viel leichter zu erreichen als die 2) Es spielt für unseren Zweck keine Rolle, daß an
Taurisker (und Bojer), und den Weg nach den Reliefs des Kessels verschiedene Hände tätig
Italien hatten ihnen die Kämpfe mit den Römern gewesen zu sein scheinen; er bleibt ein einheitlich
gewiesen, mit denen die Taurisker wenig zu tun erfundenes und ausgeführtes Werk.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
25
xotl TouTou yd^tiv TioXXa xal osiva -oioöatv. Dazu lagen die reichen Silberbergwerke
an der Drina, die später den Mittelpunkt der römischen Silbergewinnung in Illyrien
bildeten I), in oder mindestens nahe ihrem Gebiete. Das Material für den Kessel
muß ihnen also zur Zeit ihrer Macht so reichlich zur Verfügung gestanden haben
wie keinem anderen Keltenstamm.
Wir beschließen hiermit den Versuch des Nachweises, daß der Kessel von
Gundestrup bei den Kelten der unteren Donau etwa zur Zeit Mithradates Eupators
entstanden ist. Indessen haben uns Stil und Inhalt seiner Bilder und ihre Quellen
sowie einige andere Erscheinungen des gleichen Kunstkreises noch etwas zu be-
schäftigen.'" Zunächst der Kessel als Ganzes. Er steht (oben S. 10) in unverkennbarem
Abb. 9. Bronzebüsten aus Gallien.
Zusammenhang mit den belgischen »Wochengöttervasen«. Datiert ist von diesen
die Vase vom Fliegenberg bei Troisdorf durch andere Beigaben desselben Grabes
etwa in das Ende des 2. oder den Anfang des 3. Jahrh. n. Chr., ein Ansatz, der bei
der Gleichmäßigkeit der ganzen Reihe unbedenklich auf alle anderen ausgedehnt
werden darf 2). Sie stammen aus einer Zeit, in der die einheimischen Kulte auch
nach anderen Zeugnissen wieder einen starken Aufschwung nahmen, stellen aber,
wenn die Siebenzahl mit Recht auf die Wochengötterreihe gedeutet wird, ein Kom-
promiß mit griechisch-römischen Vorstellungen dar. Hier hat man die äußere Götter-
reihe des Kessels anknüpfen wollen, auch sie sollte die sieben Wochengötter dar-
stellen. Man hat weiter gesehen, daß die Götter des Kessels stilistisch eng verwandt
') Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten*
S. 153 f-
*) Vgl. Rademacher und Kossimia a. a. O. Der
Versuch von E. Krüger, Deux monuments du
dieu tricephale gaulois, Compte rendu du Congres
de la Föderation archeologique et historique de
Belgique, XXIe Session, Liege 1909, S. 2 — 9
des S.-A., die Gruppe etwa in augusteische Zeit
zu setzen, ist nicht haltbar.
26 Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
sind mit einer Reihe von Köpfen oder Masken aus Silber- oder Bronzeblech unzweifel-
haft gallischen Ursprungs, die auch meist in gallischen Funden, daneben als Import
auf germanischem Boden auftreten ^). Die Ähnlichkeit erstreckt sich selbst auf
eine so charakteristische Einzelheit wie die aus blauem Glasfluß eingesetzten Augen.
Mehrere jener Köpfe tragen den im gewöhnlichen Leben ganz verschwundenen
Torques, was sie wie die Gundestruper als Gottheiten kennzeichnet; vermutlich ist
die ganze Reihe göttlicher Natur. Soviel die Fundumstände erkennen lassen, gehören
sie in die Kaiserzeit, einer der Köpfe (Reinach Nr. 223) trägt eine lateinische Weih-
inschrift.
Wer den Kessel nur von diesen Voraussetzungen aus betrachtete, wurde aller-
dings zu der Annahme gedrängt, eine gallische oder Gallien nahestehende Arbeit
der Kaiserzeit vor sich zu haben. Wir haben demgegenüber ein wichtiges Moment
zu betonen. Jene Masken und Köpfe und die Götterbüsten der »Wochengöttervasen«
stehen stilistisch als völlige Fremdkörper in der figuralen gallo -römischen Kunst da.
S. Reinach selbst, der doch die Spätdatierung des Kessels verficht, ist hier unser
Eideshelfer: »II y a lä commc une resistance du genie national ä l'influence des modeles
helleniques, comme un retour involontaire aux traditions d'une epoque oü la represen-
tation de la vie organique etait reprouvee« (a. a. O. S. 3). Diese Köpfe sind hieratisch
erstarrte Überlebsel einer älteren Kunstepoche, eine Erscheinung, die die religiöse
Kunst auf Schritt und Tritt bietet; der Kessel aber ist eben ein Originalwerk jener
Periode, die vor dem Eindringen des griechisch-römischen Stiles liegt. Ähnlich
stellt sich sein Verhältnis zu den »Wochengöttervasen« dar. Man wäre wohl nicht
darauf verfallen, zu ihrem Schmuck die alten Göttertypen hervorzuholen, wenn es
nicht zur Zeit, da diese Typen in voller Kraft standen, schon Vasen mit Götterbildern
gegeben hätte, deren eine eben unser Kessel ist, und die man schlecht und recht
nachgeahmt und durch den neu eingeführten Begriff der Wochengötterreihe auf-
geputzt hat. Nebenbei bemerkt, hatte unser Kessel ursprünglich acht Platten; und
wir haben keinen Grund, anzunehmen, daß die achte anders dekoriert gewesen sei
als die übrigen sieben.
Klärt sich so das zeitliche Verhältnis der gallischen Denkmäler zu dem Kessel,
so bedarf es noch eines Wortes über die ja unbestreitbaren stilistischen Beziehungen
zwischen ihnen. Sie lassen sich wohl am besten verstehen, wenn man annimmt,
daß die religiöse Kunst der Kelten eine bildliche Tradition größerer Verbreitung
besaß, die, aus der Zeit der Unabhängigkeit stammend, sich atavistisch bis in
die Kaiserzeit erhielt. Eine ihr eigentümliche Erscheinung sind auch die empor-
gestreckten Arme und Hände der Gundestruper Götterbilder, die primitiven Idolen
nachgebildet scheinen 2). Marx meint gleichartige Götterbilder auf Münzen von
I) Reinach, Bronzes figures S. 2 f. und 224 ff. *) Man fühlt sich an die böotischen Glockenfiguren
Unsere Abb. 9 nach Nordiske Fortidsminder erinnert, als Beispiel ist mir eben nur Archäol.
I S. 58 Abb. 8 — 10, die drei Köpfe zeigen bei Jahrbuch XXI 1906 S. 187 Abb. 2 zur Hand,
gleichem Stilcharakter (von rechts nach links) Natürlich soll kein Zusammenhang konstruiert
die Wandlung von primitiver Gebundenheit bis werden, aber die Kelten könnten ähnlich primitive
zum Ausgleich mit der römischen Provinzialkunst. tönerne Götterbilder gehabt haben, die auf dem
, Kessel halbwegs modern umstilisiert wären.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. 27
Baeterrae in Südgallien zu erkennen, erinnern kann man auch an die gallischen
Münzen De la Tour 8145 und 8472 und namentlich mit Loeschcke an die schon dem
4. Jahrh. v. Chr. angehörenden Schmuckplattcn des Waldalgesheimer Grabes ^).
Die Fragen, die sich hier auftun, hat jüngst Heron de Villefosse gelegentlich der
Publikation einer Bronzestatuette des gleichen Typus aus Bouray (Seine -et -Oise)
erörtert ^) All diesen Ansätzen zu einer nationalen Typik der Götterdarstellung
hat die griechisch-römische Kunst ein entschiedenes Ende bereitet. Als Träger der
gedachten bildlichen Tradition, die gallische wie donauländische Kelten umspannt,
möchte man am liebsten die Druiden betrachten, denen man ohne rechten Grund
eine Abneigung gegen die anthropomorphe Götterdarstellung zuschreibt.
Von den einzelnen Figuren des Kessels sind diejenigen, welche pontischen
Ursprungs sind, schon hinlänglich beleuchtet worden. Bemerkt sei nur noch, daß
die Kelten des Kessels natürlich mit der bildlichen Darstellung dieser fremden Gott-
heiten und ihrer Umgebung nicht auch den ihnen innewohnenden Begriff über-
nommen haben. Der Goldschmied hätte ebensowohl orientalische oder römische
Typen in sein Pantheon eingefügt, wenn sie ihm zur Hand gewesen wären; es war
ihm nur um die Form, nicht um den Inhalt zu tun. So ist es z, B. sehr wahrscheinlich,
daß die keltischen Beschauer des Kessels in dem Hirschgott der Außenseite ihren
Cernunnos erkannten.
Neben diesen pontischen und oberflächlich oder gar nicht keltisierten Typen
stehen nun als echt keltische Gottheiten der Cernunnos, der Gott mit dem Rad und
die hier in drei Köpfe aufgelöste Götterdreiheit, alles wieder keine Erfindungen des
Goldschmieds, sondern Zeugen jener oben besprochenen gemeinkeltischen bild-
lichen Tradition. Der Cernunnos ist ziemlich getreu wiedergegeben; dem Radgott
scheint der Typus zugrunde zu liegen, in dem der Gott das Rad gewissermaßen
schultert, obwohl das Motiv hier mit dem einer Kulthandlung vermischt ist (s. u.).
Auch für die Götterdreiheit wird der Goldschmied über eine Vorlage verfügt haben,
die die drei Köpfe in der geläufigen Art miteinander verwachsen zeigte, und erst sein
künstlerisches Unvermögen ließ sie ihn trennen.
Neben dem Radgott ist ein kniender Mann mit Hörnerhelm beschäftigt, das
vielspeichige Rad zu drehen, das an der Schulter des Gottes zu lehnen scheint. Wir
treffen eine solche Szene wieder auf zwei Frühlatenedenkmälern der Ostalpen. Auf
der bekannten Schwertscheide von Hallstatt (Abb. 10) 3) sieht man zu beiden Seiten
eines Kriegerzugs eine Gruppe von je zwei Männern in trikotartigen Hosen und
merkwürdigen frackähnlichen Jacken, die eifrig ein achtspeichiges Rad drehen.
Die Darstellung wiederholt sich, nur abgekürzt und allein mit Angabe des Rades
und der drehenden Arme, auf einer früher in Naues Besitz befindlichen eisernen
') Bonner Jahrbücher 102, 1898 Taf. II. Taf. 32. Hoernes, Österr. Jahresh. III 1900
^) Mein, de ia Soc. des Antiqu. de France 1912 S. 37 f. und sonst häufig besprochen. Rationalisten
S. 2.;4 ff. deuten allerdings dieseSzene wie die entsprechende
3) Kunsthistor. Atlas der k. k. Zentralkommission, des Kessels als »Bergleute am Haspel«, so Voß
I. Abteilung von M. Much Taf. 70, 3. 71, 3 (dar- S. 381 und v. Heyden, Zeitschr. für Ethnol. 1890
nach Abb. 10). Altert, uns. heidn. Vorzeit IV S. (50).
28
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Hiebmesserscheide aus dem Gardasee ^). Beide Male also dient die Szene zur Ver-
zierung von Waffen, einmal in ausdrücklicher Verbindung mit einem Kriegerzug,
und auf unserem Kessel schmückt sie die links an den Kriegerzug anschließende
Platte: man wird gern schließen, daß die Kulthandlung des Raddrehens, einmal
zudem von einem Behelmten ausgeführt, in irgendwelcher Beziehung zu kriegerischen
Aktionen steht. Zwischen dem Radgott und dem Kriegerzug wird das Menschen-
Abb. lo. Schwertscheide von Hallstatt.
Opfer dargebracht, das die Berner Lucanscholien dem Teutatcs-Mercurius zuweisen.
Michaelis 2) hat schon bemerkt, daß diese Gleichung unrichtig und Teutates viel-
I) Naue, Bonner Jahrbücher 85, 1888 S. i ff. Taf. I.
Hoernes, Urgeschichte der Kunst S. 662 Abb. 199.
Montclius, Civil, prim. en Italic I Taf. 64, 13.
*) Lothring. Jahrb. VII 1895 S. 160 f. Die von
Michaelis vertretene und durch die Denkmäler
gestützte Annahme einer Verwechslung ist jeden-
falls erheblich plausibler als die künstliche Auf-
rechterhaltung beider Versionen, wonach denn
sowohl Esus als Teutates je mit Merkur und
Mars geglichen worden wären. Im übrigen ent-
halte ich mich bei der absoluten Unsicherheit auf
diesem Gebiete jedes Ausflugs in die keltische
Mythologie, zu dem die Kesselbilder etwa ein-
laden könnten.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. 2Q
mehr mit der anderen Version der Scholien Mars zu nennen ist, d. h. der keltische
Kriegsgott ist. Unsere Szene führt ihm einen weiteren Beweis zu, nur um ein Opfer
an den Kriegsgott kann es sich hier handeln. Sollte er nicht der auf der anstoßenden
Platte dargestellte Radgott sein, dem dann zugleich das Drehen des Rades und das
Menschenopfer gälte .-* Bei dem Schwanken, das stets eintritt, wenn Gottheiten
miteinander ausgeglichen werden, wäre es nicht verwunderlich, daß der Radgott
später in Gallien zum Juppiter geworden ist, übrigens zu einem kriegerischen Juppiter,
wie die Panzerstatue von Seguret (Vaucluse) und der Altar von Vaison erweist ^).
Die Schwertscheide von Hallstatt zeigt zwischen den beiden Gruppen der
Raddreher einen Kriegerzug aus behelmten und mit einer Art Koller bekleideten,
die Lanze führenden Reitern und barhäuptigen, Ovalschild und Lanze führenden
Fußgängern; er ist keltisch stilisiert, geht aber auf Anregungen aus dem Kreise der
Situlenkunst Oberitaliens, die ähnliche Kriegerzüge öfters darstellt *), zurück.
Wenn hier auch kein Beweis zu führen ist, so ist doch wohl denkbar, daß derartige
ältere Arbeiten ostkeltischer Werkstätten ihrerseits unserem Künstler einen Anhalt
für seinen Kriegerzug boten, der wie eine steife Übersetzung des Hallstätter Frieses
in einen anderen Dialekt anmutet. Der Begriff, den schon die Art der Benutzung
der pontischen Vorbilder von seiner künstlerischen Unselbständigkeit vermittelte,
ist einer solchen Annahme nur günstig, und daß sich in unserem Kreise auch andere
Spuren des Nachlebens der Situlenkunst bemerkbar machen, werden wir noch sehen.
Eine ganz selbständige Erfindung unseres Meisters ist offenbar das Menschen-
opfer und die Stierhetze der rechteckigen Innenplatte, die ihn mit ihrer dreimaligen
Wiederholung derselben hölzernen, aus Stier, Hund und schwertbewaffnetem Kämpfer
bestehenden Gruppe in völligster Hilflosigkeit zeigt. Das ist nicht unwichtig für die
Frage nach der Entstehung des Kessels. Dem Meister war sichtlich ein Programm
vorgeschrieben; andernfalls hätte er sich nicht mit Bildern abgequält, für die ihm
jede Vorlage fehlte. Auf diesem Programm stand die Darstellung des Pantheons
seiner Auftraggeber und gewisser Kultszenen, eines Kriegerzugs oder, anschaulicher
gesprochen, einer Parade mit Menschenopfer und einer Stierhetze, welch letztere
nach dem Ehrenplatz, den sie auf dem großen Mittelbild einnimmt, wohl einen Höhe-
punkt des Festes bezeichnete. Stierhetzen kennen wir als eine besondere Liebhaberei
der kleinasiatischen Galater (s. oben S. 21); wenn dabei auch barbarisch -kleinasiatische
Einflüsse mitspielen mögen, so wird dieses Vergnügen doch ebenso wie die großen
Schmausereien der Galater seine Wurzel in der eigenen Vorzeit haben.
Jenes große Mittelbild auf dem Boden des Kessels bildet ein Kuriosum. Sach-
lich gehört es zu der Seitenplatte mit der Stierhetze, formal ist es eine völlige Un-
geheuerlichkeit. Mit den verzweifeltsten Mitteln hat der Künstler den Eindruck
hervorzurufen gesucht, man sehe die Szene von oben. Die Hartnäckigkeit, mit der
er diesem Ziele nachgegangen ist, zeigt, welchen Wert er auf diese Fiktion gelegt
hat. Es ist keine bloße Spielerei. ^
') Die Statue von Seguret: Esp^randieu, Recueil XXXV 3. Bertrand-Reinach, Les Celtes dans les
I Nr. 303; der Altar von Vaison ebenda Nr. 299. vallees du Po et du Danube S. 109 ff. Montelius,
«) Hoernes, Urgeschichte der Kunst Taf. XXXII. Civil, primit. en Italic I Taf. 105.
30
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Jolles hat in einem lehrreichen Aufsatz dieses Jahrbuches XXIII 1908 S. 209 ff.
die Entwicklung dieser Art von Gefäßschmuck dargelegt. Er hat seinen Ursprung
in den altägyptischen, im Innern mit allerhand plastischen Genreszenen geschmückten
Prunkgefäßen. Durch die Wucherung dieses Innenschmucks geht allmählich der
Gebrauchswert der Gefäße völlig verloren. Ägyptische Originale sind nicht erhalten,
wir gewinnen aber eine Vorstellung von ihnen, abgesehen von ihrer Wiedergabe auf
Gemälden, aus gewissen viel jüngeren Denkmälern Italiens, im besonderen Campaniens,
die in Zusammenhang mit jener ägyptischen Entwicklung stehen, nämlich den
Abb. II, Der Bronzewagen von Strettweg.
»Platten werken«, Scheiben verschiedener Verwendung, die mit allerhand figürlichem
Bildwerk meist ländlichen Charakters besetzt sind ^). Ihr Einfluß reicht bis in die
Ostalpen, aus deren Gebiet wir hier den bekannten Bronzewagen von Strettweg
abbilden (Abb. II). Die Vereitelung des Gebrauchszwecks der Gefäße führt zu Rück-
schlägen, der Schmuck wird soweit verkleinert oder beiseite gedrängt, daß er nicht
mehr hinderhch ist, oder er wird überhaupt, etwa als Griff oder Henkel, praktisch
verwendet. Auch diese Entwicklungsstadien greifen auf Italien und weiter die Hall-
stattkultur der Ostalpen über, ohne daß ganz klar wird, wieviel Anteil hier der fort-
dauernde Einfluß Ägyptens hat, wieviel auf die griechischen Vermittler kommt
') Dazu auch Petersen, Rom. Mitt. XII 1897 S. i ff., ein Aufsatz, der übersehen zu werden pflegt.
Fr, Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrap. 2 1
oder wieweit der Wandel spontan vor sich geht. In den Ländern des Mittelmeers
mündet die Entwicklung schließlich in das reine Relief der kalenischen Dekoration aus.
Es ist klar, daß auch der Innenschmuck des Gundestruper Kessels auf eine
solche Reihe zurückschaut. Nicht nur das Bodenbild, auch die Seitenbilder sind einmal
vollplastisch gewesen und erst allmählich auf Boden und Wände zurückgewichen.
Ja, die Zähigkeit des Künstlers in der Wiedergabe des Bodenbilds wie einer von oben
gesehenen plastischen Gruppe läßt schließen, daß er hier wirklich eine solche nach-
zubilden hatte. Es hätte also ältere Geräte in der Art unseres Kessels gegeben, die
im Innern mit rundplastischen figürlichen Szenen besetzt waren. Vergleichen wir
damit den Bronzewagen von Strettweg, Bei ihm ist allerdings das Gefäß ^), der
ursprüngliche Träger des Ganzen, an sekundäre Stelle gerückt, und sein Inhalt, die
Figuren, ist herausgeschlüpft und zur Hauptsache geworden; insofern gehört er zu
einer anderen Entwicklungsreihe als der Kessel. Aber der Inhalt ihrer Figurenwelt
deckt sich : beide Male ein Aufzug von Kriegern zu Fuß und zu Pferd und, der Gundes-
truper Stierhetze vergleichbar, in Strettweg je zwei Männer, die einen gefangenen
Hirsch an den Hörnern führen. So verschmelzen in der Dekoration des Kessels zwei
Kunstkreise: altkeltische Tradition erheischte die Reihe der Götterbilder als Außen -
schmuck, das Kesselinnere knüpft an hallstättische Prunkgeräte an.
Es ist erfreulich, daß ein dem Kessel von Gundestrup nahverwandtes Werk
in den gleichen Zusammenhang gehört, nämlich der Bronzekessel von Rynkeby
auf Fünen (Abb. 12. 13) 2). Man hat die beiden schon immer zusammengestellt, auch
der Kessel von Rynkeby rechnet zu der oben S. 6 besprochenen Kesselgruppe. Es
ist von ihm nur ein größeres Fragment erhalten, das auf der Außenwand unter dem
bronzenen Tragring die Protome eines gehörnten Tieres, trotz den merkwürdigen
Proportionen sicher eines Stieres oder Rindes, weiter die Maske einer Frau mit Torques
und noch einmal die Tierprotome zeigt, während an der Innenseite eine Platte mit
zwei einander anfletschenden Vierfüßlern befestigt war, von denen der eine als Eber
kenntlich ist. Man erkennt leicht, daß es sich um die Nachahmung eines Kessels
in der Art des Gundestruper handelt. Die Stiere sind in Form und Funktion völlig
mißverstanden und ähneln eher Rehen, die Bedeutung des Torques ist dem Künstler,
der ihn ähnlich dem Tragring behandelt hat, überhaupt nicht aufgegangen, und die
Tiergruppe im Innern ist eine lateneartig umstilisierte Reminiszenz an antithetische
Gruppen in der Art der Löwen der Cernunnosplatte oder der entsprechenden Szenen
der Silbermedaillons. Zudem fehlt jeder organische Zusammenhang zwischen Kessel
und Schmuck. Es ist nicht unmöglich, daß der Kessel ein nordisches Produkt ist,
jedenfalls ist er nicht gallischer Herkunft, wie man auch gemeint hat.
') Die flache Schale sollte übrigens erst den eigent- eines zweiten gefunden, die zu ihm gehört haben
liehen Kessel aufnehmen, deshalb auch die können.
kräftigen Stützen für die schwere Last des ge- *) Undset, Erstes Auftreten des Eisens in Nord-
füllten Gefäßes. Im gleichen Grab wieder Bronze- europa S. 425 ff., wonach unsere Abbildungen,
wagen wurden nach Much (s. S. 27 Anm. 3) zu Von ganz ähnlich dekorierten Kesseln sind im
Taf. XLI ein bauchiges Bronzegefäß und Reste Kopenhagener Museum noch geringere Reste
vorhanden.
32
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Schon die Verwendung der Protome an Stelle des bloßen Kopfes zeigt, daß
dieser Schmuck in letzter Linie auf ein südliches Vorbild zurückgeht. Als solche^
bietet sich ungezwungen ein Gefäß nach Art der bekannten altgriechischen Greifen -
kessel dar, die ihrerseits eine Stufe der von Jolles klargelegten Entwicklung bilden.
Ein kleines Detail zeigt, daß der Weg vom Mittelmeer bis zum Kessel von Rynkeby
wie bei Gundestrup über Italien und die Hallstattkultur der Ostalpen führt. Um
- TrnnMmi ,
mm
Abb. 12. Kessel von Rynkeby.
Abb. 13, Innenplatte des Kessels von Rynkeby,
die beiden Tiere der Inncnplatte sprießt allerhand Gewächs auf, das, wenn auch
verroht, doch als Abkömmling des charakteristischen Pflanzenwerks der oberitalischen
Situlenkunst und ihrer hallstättischen Ableger kenntlich ist ^). Dieselbe Hallstatt -
kunst kennt aber auch, wieder unter italischem Einfluß, Tierkopf und -protome,
und zwar gerade die des Rindes, als Gefäßschmuck '). Irgendwo im ostkeltischen
Gebiet sind dann diese Elemente mit den pontischen zusammengetroffen, als keltisches
Motiv kam die torquesgeschmückte weibliche Maske hinzu. Man sieht, für den Kessel
von Rynkeby gilt alles, was schon für den von Gundestrup gesagt ist.
Unsere Untersuchung ist bisher ohne jedes Zusammentreffen mit der griechisch -
römischen Kunst und im besonderen der römischen Provinzialkunst verlaufen. So
') Vgl. Studniczka, Archäol. Jahrbuch XVIII 1903
S. 19 ff.
') Mitt. Prähist. Komm. Wien. Akademie I S. 75 f.
Hoernes, Urgesch. d. Kunst S. 498 ff. 518 f.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. ■s^
mag denn das hier Abb. 14 wiedergegebene Denkmal als Ausnahme die Richtigkeit
der Regel bestätigen. Es ist ein Medaillon aus Bronzeblech mit getriebenen Tier-
figuren vom Südufer des Genfer Sees, jetzt im Museum zu Saint-Germain aufbewahrt i).
Der Durchmesser, 24 cm, ist ziemlich genau der des Medaillons von Roermond.
Dargestellt ist in der Mitte ein Löwe, der einen Stier in den Nacken beißt, darunter
ein einsamer Eber, oben Tigerin und Esel im Ansprung aufeinander. Niemand wird
Abb. 14. Bronzerelief aus Lyaud bei Thonon (Haute-Savoie).
hier den provinzialrömischen Stil verkennen, niemand auch, daß der Künstler Tiere
der Arena hat wiedergeben wollen, wofür der Leibgurt des Stieres ohne weiteres
beweisend ist. Andererseits wird man sich sofort an die pontischen Silbermedaillons
erinnert fühlen. Der Künstler hat das Dekorationsschema und wohl auch einzelne
Tiere, wie mindestens Stier, Löwen und Eber — man erinnere sich auch der Beliebtheit
des Pantherweibchens in der altionischen Kunst, das hier zur Tigerin geworden
ist — von einem solchen Medaillon übernommen, wobei die Beibehaltung der alten
antithetischen Gruppierung zu dem grotesken Bild führte, daß Tigerin und Esel
mit gleicher Tapferkeit auf einander losspringen. Bis auf gewisse Kleinigkeiten des
Stils ist sonst aber alles Archaische verschwunden.
In den gleichen Zusammenhang gehören zwei vielbesprochene Denkmäler,
nämlich die beiden Hildesheimer Humpen. Als provinziale Arbeiten gelten sie ja
seit langem. Studniczka (s. S. 32) hat für die Form auf Spätlatenegefäße aus Ober-
') Reinach, Bronzes figures nr. 254. Ich verdanke dem Verfasser die hier wiedergegebene Photographie.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. ^
24 Fr, Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup.
Italien verwiesen. Er hat zugleich auf das archaische Stilelement in den Tierfriesen
aufmerksam gemacht und die Abhängigkeit des Pflanzenwerks auf dem einen Fries
(Abb. 15 und 16) von den schon angezogenen Gewächsen der Situlenkunst bemerkt.
Man sieht auf diesem Fries den gleichen Stier wie auf der Bronzescheibe in der be-
kannten altgriechischen Haltung mit eingeknicktem Vorderbein und streng von
vorn gesehenem Schädel, aber gut römisch mit dem Zirkusgurt geschmückt, und
denselben Eber, diesen antithetisch mit einem Hund gruppiert; der Löwe ist erst
im Ansprung auf den Stier begriffen. Die Reihe geht auf einen Tierfries in der Art
des Frieses auf dem goldenen Goryt von Nikopol ^) zurück. Damit haben wir wieder
die charakteristische Mischung von pontischen, hallstättischen, keltischen und diesmal
auch provinzialrömischen Elementen, die uns längst beschäftigt. Die Humpen werden
Arbeiten der frühen Kaiserzeit aus einer keltischen Ecke der Donauprovinzen sein.
Abb. 15 u. 16, Von einem Hildesheimer Humpen.
Wenn der Einfluß der in Rede stehenden Mischkunst auf das Handwerk der
nördlichen Provinzen Roms auch nie von besonderer Bedeutung gewesen sein kann,
so ist er doch auch nicht ganz außer acht zu lassen. Mit welcher Zähigkeit dabei
altgriechische Elemente lebendig blieben, zeigt ein Stück aus dem ersten der drei
bei Sackrau in Schlesien gefundenen, reich mit römischer Importware ausgestatteten
Germanengräber, die dem Ende des 3, Jahrh. n. Chr. angehören. Der Boden eines
flachen Bronzegefäßes ') trägt rings um die Mitte in streng antithetischer Anordnung
eingegraben die Gruppen von Greif und Damhirsch, Panther und Hirschkuh. Wie
bei dem Bronzemedaillon von Saint-Germain und dem Hildesheimer Humpen sind
die Tiere durch den Leibgurt als Zirkustiere bezeichnet. Ihre eigentliche Quelle
indes bilden Arbeiten in der Art der zweiten Schmuckplatte von V^ttersfelde. Dam-
hirsch und Greifentypus bekräftigen noch besonders die pontische Herkunft.
Weitaus wichtiger ist jedenfalls die Rolle, welche dem Kunstkreis des Kessels
bei der Ausbildung des frühmittelalterlichen Kunsthandwerks zugefallen ist. Wir
kommen damit auch zu den Versuchen, den Kessel selber in diese Spätzeit zu datieren.
Allenthalben drängten sich inhaltliche oder stilistische Analogien auf Denkmälern
des frühen Mittelalters auf. Man wies auf figürliche Bronzebleche meist aus dem
Schweden des 6./y. Jahrh. n. Chr. hin, welche, als Beschlägevon Helmen oder Schwert-
scheiden dienend, Krieger zu Pferde und zu Fuß oder Kämpfe darstellten und trotz
erhebhch verstärkter Unbeholfenheit der Wiedergabe doch als rechte Nachfahren
') Reinach, Rep. des Reliefs III S. 497, i. *) Grempler, Der Fund von Sackrau (1887) Taf. IV 6.
Fr. Drexel, Über den Silberkessel von Gundestrup. oc
der Kesselbilder gelten durften ^). Wulff a, a. 0. legte ihre stilistische Verwandt-
schaft mit den Bildern der etwa derselben Zeit angehörigen Spangenhelmc dar.
M. Much 2) stellte die Gürtelschnallen und verwandten Beschläge des frühen Mittel-
alters mit dem Bilde eines von zwei Tieren flankierten Mannes zusammen, das schließ-
lich als »Daniel in der Löwengrube« ins Christliche umgebogen wird, und führte es
auf den Typus des tierbändigenden Gottes, wie er ganz rein nur auf dem Gundestruper
Kessel erscheint, zurück. Die Goldhörner von Gallehus wurden zum Vergleiche
herangezogen 3); man verwies auf den dreiköpfigen und den gehörnten Gott als
keltische, auf den einen Fisch verzehrenden Vogel, das Münzbild von Sinope, und
den Kentauren als südliche Motive neben den nordischen Elementen und erkannte
damit die gleiche Mischung von Motiven verschiedener Herkunft wie auf dem Kessel.
Wulff hat in dem angeführten Aufsatz weiter auf die Verwandtschaft mit den nor-
dischen Goldbrakteaten 4) aufmerksam gemacht und die oben S. 2i bereits charakteri-
sierte Bildung des Gesichts als gemeingermanisch hingestellt. Wer die nordischen
Funde überblickt, wird hier noch viel Material beibringen können. Die Tierbildung
des Kessels lebt z. B. fort in den Tieren eines der Kaiserzeit angehörigen, aber einer
Werkstatt des freien Germaniens entstammenden silberblechbelegten Bronzebügels
aus dem Torsberger Moor 5). Wie sind alle diese Erscheinungen zu erklären, wenn
der Kessel so viel älter ist.f*
Man hat seit langem die Bedeutung erkannt, welche die meixhellenischen
Goldschmiedewerkstätten am Pontus für die Entstehung des frühmittelalterlichen
Kunsthandwerks gehabt haben ^). Lange vor der eigentlichen Völkerwanderungszeit
sind eine ganze Reihe ihrer Erscheinungen in Ansätzen oder schon ausgebildet am
Pontus festzustellen, so die wichtige Technik der Almandineinlage 7). Altgriechische
und orientalische Motive, deren Wiederauftreten im frühen Mittelalter nach langem
Verschollensein überrascht, haben dort an der Grenze von Orient und Okzident
geschlummert. Alle diese Elemente wurden frei, als mit dem Untergang der römischen
Herrschaft auch die Gewalt der griechisch-römischen Reichskunst gebrochen war.
Im Gefolge der siegreichen Stämme ergossen sie sich über das nördliche Europa,
um sich dort in mannigfacher Mischung mit den Kunstäußerungen der bisherigen
Herren des Landes zu entfalten. Eines dieser Elemente ist denn auch die Kunst -
weise, der unsere Untersuchung galt, sie lebt in allen den oben zusammengestellten
Denkmälern fort. Entwicklungsgeschichtlich steht also der Kessel von Gundestrup
*) Schumacher, Germanenkatalog 3 (s. S. 2 Anm. i) die eigentümliche Nackenlocke der Männer des
Nr. 47. 47 a und Ph. 31. Montelius, Kulturgesch. Kessels kehrt auf den Brakteaten wieder.
Schwedens S. 232. 5) Mestorf, Vorgesch. Altertümer aus Schleswig-
a) Mitt. der k. k. Zentralkommission 1898 S. 133 ff. Holstein Taf. LIII Nr. 667.
Viel weiteres Material bei Besson, L'art barbare 6) Hampel, Der Goldfund von Nagy-Szent-Miklos
dans l'ancien diocese de Lausanne (Lausanne S. 127 ff. S. Reinach indenS. 2 Anm. 5aufgeführ-
1909) S. 64 ff. ten Schriften. Giemen, Bonner Jahrb. 92, 1892
3) S. Müller, Nordische Altertumskunde II S. 151 ff. S. 6 ff. Salin, Altgermanische Tierornamentik
4) Salin, Antikvarisk Tidskrift för Sverige XIV 2. S. 12 ff. 41 ff.
Ders., Altgerm. Tierornamentik S. 216 ff. Auch 7) Ebert, Prähist. Zeitschr. I 1909 S. 65 ff. Ders.,
Festschrift für O. Montelius 1913 S. 271 ff.
3*
^5 E. Buschor, Skythes und Epilykos.
allerdings am Beginn des Mittelalters, dessen figürliche Reliefkunst nach Stil und
Inhalt in seinem Bilderwerk vorgebildet erscheint. Der Gang der Geschichte hat
mit der römischen Eroberung des Nordens den Lauf dieser Strömung aufgehalten
und unterbunden, bis die Ereignisse der Völkerwanderung ihr wieder freie Bahn
geschaffen haben.
Vermutlich sind eben im Getriebe dieser Wanderungen das Medaillon von
Roermond wie der Kessel von Gundestrup an ihren Fundort gelangt. Der Kessel
ist dann die gleiche Straße gezogen wie die Herulerscharen, die zu Anfang des 6. Jahrh.
n. Chr. ihre Sitze in Südungarn wieder mit der alten Heimat Skandinavien ver-
tauschten (Procop. de bello Goth. II 15).
Frankfurt a. M. Fr. Drexel.
SKYTHES UND EPILYKOS.
Dem Vasenmaler Skythes, der den Namenspatron des »epiktetischen Kreises«
so sehr in den Schatten gestellt hat, ist sein Recht erst geworden, als in Caere die
schöne, von Rizzo im zwanzigsten Band der Monuments Piot (S. lOi ff.) veröffent-
lichte Schale mit der Malersignatur auftauchte. Der Herausgeber hat auch sofort
erkannt, daß der neugewonnene Meister mit diesem Werke nicht allein steht, sondern
daß die Caeretaner Schale eine ganze Gruppe von Gefäßen nach sich zieht, die mit
ihr durch den gemeinsamen Lieblingsnamen des Epilykos verknüpft ist und deren
geschlossenen Charakter schon Pottier im 3. Band seines Louvre -Katalogs (S. 891 ff.)
und mehr noch Furtwängler (Griechische Vasenmalerei II S. 182) betont hatte.
Die photographischen Wiedergaben der Schalen Boston (Mon. Piot XX Tafel 8)
und Rayet (Tafel 7) sowie der Pariser Schale G 13 (S. 129) lassen an der Einheit
der Malerhand keinen Zweifel; die von Sudhoff (Aus dem antiken Badewesen S. 56)
abgebildete Schale mit dem Frauenbad zeigt, wie die unpublizierten obszönen Außen-
bilder der Schale G 13, daß diese Pfand auch derber gezeichnete Gestalten in weniger
penibler Ausführung und völligeren Proportionen hinsetzen konnte, ohne ihre Eigen-
art zu verleugnen, die Pariser und Palermitaner Schale mit den schwarzfigurigen
Außenbildern (Mon. Piot IX S. 157 — 159) schlagen die Brücke von den signierten
Pinakes zu den rotfigurigen Vasenbildern, und der Rest der Gruppe, besonders die
Bankettschale des Louvre (Mon. Piot IX, Tafel 15), harmoniert, soweit dies sich
aus den geringen Abbildungen entnehmen läßt, vortrefflich. Die ganz andersartige
Schale in Philadelphia ist keineswegs sicher dem Epilykos gewidmet (vgl. Rizzo
S. 132). Daß die Epilykosgruppe durch eine Krates- und eine Pedieusschale (Cam-
bridge 70, Mon. Piot XX S. 136) erweitert wird, hatte schon Pottier wahrscheinlich
gemacht; vor der Zuweisung der Cornetaner Pedieusschale hat sich Rizzo mit Recht
E. Buschor, Skythes und Epilykos. •57
gesträubt, und daß er dies auch angesichts der Euergidesschale der Sammlung Barone
hätte tun sollen, hat ihm inzwischen schon Beazley (J. H. St. XXXIII S. 348) nach-
gewiesen.
Dagegen hat Rizzo drei Gefäße aus diesem Zusammenhang, in den Potticr
und Furtwänglcr sie mit großer Wahrscheinlichkeit gestellt hatten, wieder gerissen:
die Berliner Fragmente Furtw. 4041, die Pariser Fragmente G lo'"^ und die Pariser
Schale G 10. Allerdings hat er nicht den mindesten Versuch unternommen, die
Eigenart dieser Gefäße zu charakterisieren oder irgendeinen stilistischen Unterschied
zwischen ihnen und den Skytheswerken aufzuzeigen; er beschränkt sich darauf,
sich über die alte Einreihung dieser Stücke lustig zu machen (S. 124 Anm. i) und
sie als signierte Werke des Malers Epilykos auszuscheiden.
Ich glaube, der neue Fund hat Furtwängler und Pottier nicht so Unrecht ge-
geben, wie Rizzo meint. Eine auf mein Ersuchen von R. Zahn Januar 1914 gütigst
vorgenommene Untersuchung hat ergeben, daß das . . cpcfsv der Inschrift auf dem
kleineren Berliner Fragment durchaus nicht notwendig mit dem E- . Xu des größeren
Fragments verbunden werden muß. Da G. Roden waldt, der unabhängig zu dem-
selben Resultat gekommen ist, den Sachverhalt inzwischen im Arch. Anz. 1914
vSp. 87 ff. festgestellt hat, brauche ich nur darauf zu verweisen; die angebliche Maler-
signatur des Epilykos löst sich danach mit größter Wahrscheinlichkeit in eine Maler-
signatur des Skythes und eine Lieblingsinschrift des Epilykos lauf. Nun steht den
Berliner Fragmenten die wenig jüngere Pariser Scherbe G 10^'^ (Furtwängler -Reich -
hold. Griechische Vasenmalerei II S. 183 Abb. 63) außerordentlich nah, und Furt-
wängler (S. 182 Anm. 2) und Pottier (Catalogue G lo*"*) haben diese intime Ver-
wandtschaft mit Recht besonders hervorgehoben. Kann man das Fragment im
Louvre wirklich als signiertes Werk des Malers Epilykos in Anspruch nehmen ?
Muß das . . xo? wirklich mit dem . . pacp . . (vgl. die Abbildung Mon. Piot XX S. 123)
unmittelbar verbunden werden } Ist es wirklich ungezwungener, E-iXuxo; sypacpssv
und xaXo? SxuOe? zu verbinden, als EmXuxoc xaXo? und Sxuös? sypocpasv.'' Ist
nicht die Analogie der Inschriften auf der neu gefundenen Schale ausschlaggebend?
Hat xaXo; mit isoliert geschriebenem l'xuDsc überhaupt einen Sinn oder ist etwa
gar der Junge, neben dem die Inschrift SxuOe? steht, der Pinax- und Vasenmaler.?
Und hat das gegenseitige Schönheitslob irgendeine Analogie oder innere Wahr-
scheinlichkeit.'* Ich glaube, daß die Inschriften der alten Zuweisung an den (damals
noch nicht dem Namen nach bekannten) Skythes alle Ehre machen.
Schwieriger, aber nicht hoffnungslos liegt der Fall bei dem dritten »signierten
Epilykos«, der fragmentierten Schale im Louvre G 10. Pottiers Liebenswürdigkeit
verdanke ich die Photographie des Innenbildes im neu gereinigten Zustand (Abb. i),
auf der die frappante Übereinstimmung mit den Skytheswerken sofort in die Augen
springt. Die Inschrift zieht sich nach gütiger Mitteilung Pottiers von links Mitte
bis rechts Mitte dem tongrundigen Rändchen entlang und lautet vor der Lücke
EtciXuxo, dahinter . asv xaXo?. Das . . asv kann natürlich nicht anders ergänzt
werden al? zu e^pacpssv oder erotsacv. Da kein Anhaltspunkt zu einer Ent-
scheidung vorliegt, so sei zunächst festgestellt, daß eine sichere Malersignatur
38
E. Buschor, Skythes und Epilykos.
des Epilykos überhaupt nicht existiert. Man würde angesichts der stiHsti-
schen Übereinstimmung der Schale mit den Skytheswerken eher die Töpfersignatur
ergänzen wollen, wenn man nicht überhaupt der Inschrift Sinn und Korrektheit
absprechen müßte. Das doppelte Prädikat . . asv xotXo? kann nur durch ein Ver-
sehen erklärt werden, und die Tatsache, daß sich Eit[iXux')c] xoiXo? auf der Außen-
Abb. I. Louvre G lo.
Seite wiederholt, spricht entschieden dafür, daß dasselbe im Innenbild gemeint war.
xaXo? als Adverb zu fassen, geht nicht an. Pottier hat Mon. Piot IX S. 171 mit
Recht erklärt, daß das xaXo? auf den Epilykosschalen nicht auf einmal etwas ganz
anderes bedeuten kann als auf tausend anderen Vasen, und nachdem sich das EiriXuxo?
xaXo? auf allen anderen Gefäßen als eine von Skythes beliebte einfache Lieblings -
inschrift erklärt hat, wird man das . . aev der Hermesschale als eine durch Ver-
schreibung eingeschlichene und durch das nachfolgende xaXo?" korrigierte Irrung
der Malerhand ungezwungener erklären als durch die Annahme, Skythes habe —
nicht ohne Verstoß gegen die Grammatik — seinen Chef als irat? xaXo? gefeiert.
E, Buschor, Skythes und Epilykos.
39
Nun hat Rizzo, der die Verehrung schöner Knaben im Altertum nicht recht
wahr haben will, diese Lobschriften anders gedeutet; als ob die allgemeine
Formel 6 izaig xaXo? in unzähligen Fällen nicht deutlich verriete, welche Eigen-
schaft an dem mit Namen Genannten gefeiert wird. Er versteht 'EttiXu/o? v.tXoz
als: »Epilykos ist ein wackerer Maler« und scheut sich nicht vor der Vorstellung,
Skythes sei 20 Jahre (denn über soviel Zeit verteilt er etwa die Epilykosgefäße) nicht
müde geworden, auf seinen Schalen die künstlerischen Fähigkeiten seines Kollegen
Abb. 2. Wien, Hofmuseum 318.
zu preisen. Es braucht aber kaum erst bewiesen zu werden, daß sich die Epilykos-
gefäße nicht über ein Jahrzehnt hinaus erstrecken, ein Jahrzehnt, das zum aller-
größten Teil dem der Leagrosgefäße vorausliegt, also etwa mit dem vorletzten des
6. Jahrhunderts zusammenfällt. Zudem halten wir die künstlerische Betätigung
des Epilykos überhaupt nicht für erwiesen und haben auch gesehen, daß das Gegen-
lob, das angeblich Epilykos auf der Schale Louvre G lO*"'' dem Skythes zollt, auf
sehr schwachen Füßen steht. Nicht viel besser steht es mit den von Rizzo heran-
gezogenen Analogien. Ein Lob des alten Euphiletos (der vielleicht gar nicht der
Maler, sondern nur der Stifter des Finax 'Ecp. 1888 Tafel 12 gewesen ist) auf schwarz -
figurigen Gefäßen mit voll entwickelter Faltengebung stößt doch ebenso auf chrono-
logische Bedenken wie der Preis des Kleinmeisters Tleson auf einer rotfigurigen Schale.
AO E. Buschor, Skythes und Epilykos.
Daß Duris auf der schönen Eosschale, also gegen 480, die Kleinmeisterschalen des
Hermogenes preise, ist vollends ausgeschlossen, und den Glaukytesnamen auf dem
Pinax'Ecp. 1887 Tafel 6 hat Wolters (S. ii8 ff.) doch mit großer Wahrscheinlichkeit
als Ersatz des 486 ostrakisierten Megakles erwiesen; auch die .Entstehungszeit des
Werkes fiele ein gutes Stück über die Kleinmeisterzeit hinaus. Das einzige Beispiel,
das einlädt, den Liebling mit einem Vasenmeister zu identifizieren, schließt gleiche
Schaffenszeit so gut wie aus. Denn daß Andokides sein Geschäft schon im Betrieb
hatte, als Timagora auf einer Hydria ihm huldigte, ist fast undenkbar; er kann
damals kaum mehr als ein Knabe gewesen sein. So bleibt die eine Inschrift Xa[;(pu]X[i]ov
xotXo? der Palermitaner Sehale Hartwig, Meisterschalen, Tafel i, die man (falls
das ETroeasv wirklich gefehlt hat und der Name richtig ergänzt ist) lieber mit Klein
durch ein Versehen erklären wird, statt sie als Preis der Töpferkunst Kachrylions
zu deuten. Jedenfalls genügt dieses eine Beispiel nicht, um Rizzos »Bravo«-Theorie
darauf aufzubauen.
Auf diesen Stein des Anstoßes hätte Rizzo übrigens mit demselben Recht
einen anderen legen können. Ich meine den henkellosen Deckelbecher Nr. 318 aus
der Sammlung des Kaiserhauses in Wien, der die Inschrift Ntxoar&evs? xctXo? trägt
und noch zu Lebzeiten des fruchtbaren Töpfers entstanden sein kann (Phot. Wlha
9067; Abb. 2 nach einer für die Bayr. Akademie gemachten Aufnahme). Er ist
etwas jünger als das signierte Florentiner Gefäß gleicher Form (Milani, Monumenti
scelti Taf. I, 2 — 4) und muß aus der Zeit stammen, in der der rotfigurige Stil schon
mit dem alten konkurrierte; aus einer Zeit, in der der Bildtypus der panathenäischen
Amphora Bonner Studien S. 247 schon gangbare Münze geworden war und die Indi-
vidualisierungsversuche aus den Werkstätten des Andokides (Furtw. -Reichh. Taf. 1 1 1 )
und Kachrylion (Hartwig, Meisterschalen S. 27) schon zu Lösungen wie der des
Euphronios (Furtw. -Reichh. Taf. 93) hindrängten. Das letztgenannte Bild gibt uns,
glaube ich, den Schlüssel zum richtigen Verständnis der Wiener Inschrift. Das Zu-
sammentreffen von vier Knabennamen und vier Knabenbildern läßt keinen Zweifel,
daß die Lieblingsinschrift am Bema dem reizenden Flötenspieler gilt, und man wird
nicht umhin können, einen der beiden jugendlichen Vortragskünstler auf dem Bema
des Wiener Bechers Nikosthenes zu benennen. Daß dieser Bursche nicht zur frühen
Amasis- und Exekiaszeit schon Amphoren wie die des Britischen Museums B 295
auf den Markt gebracht hat, leuchtet ein.
Sind damit die »schönen Maler« und die »schönen Töpfer« wieder in der Ver-
senkung verschwunden, so bleibt auch für Epilykos die einfachste Lösung die, daß
er weiter nichts als ein schöner Knabe war, der in den letzten Jahren des pisistra-
tischen Regiments zusammen mit Memnon, Miltiades, Hipparchos in der Palästra
Aufsehen erregte. Was weiter aus ihm geworden ist, wissen wir nicht; vielleicht
der Großvater jener kostspieligen jungen Schwiegertochter des Perikles, die nach
Plutarch Perikles 36 ihren Gatten zu etwas anrüchigen Finanzmanipulationen ver-
anlaßt hat.
München. Ernst Buschor.
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. ^j
DIE KRETISCHE LINEARSCHRIFT.
§ I. VORWORT.
Vorbereitende Studien über die kretische Linearschrift, die trotz ihrer ein-
schneidenden Bedeutung für unsere Kenntnis der ägäischen Kultur noch zu wenig
beachtet und untersucht und auch leider noch zu wenig bekanntgegeben ist, habe
ich vor zwei Jahren in einer kurzen Untersuchung niedergelegt ^). Die dort ge-
machten Beobachtungen konnte ich während eines Besuches im April 1914 in Hera-
klion auf Kreta weiter verfolgen und berichtigen, dank der Liberalität der Herren
Hatzidakis und Xanthudidis, die die Arbeit in zuvorkommender Weise unter-
stützt haben, wofür ihnen hier mein bester Dank ausgesprochen sei. Ich habe dabei
die Täf eichen aus Hagia Triada, die die Hauptsumme des A- Systems ausmachen,
in ihrer Gesamtheit einer Musterung unterzogen, um ein möglichst richtiges Bild
dieser Schrift zu gewinnen, und dürfte somit das Material dieser Schriftgattung
beinahe vollständig übersehen, während dagegen die Knossos -Täf eichen in ihrer
unzähligen Masse fast unübersehbar sind. Hier habe ich jedoch den Befund der
männlichen Namen erheblich erweitern können. Es erscheint mir nicht unangebracht,
eine zusammenfassende Darstellung meiner Beobachtungen zu geben, um einem weite-
ren Kreise Kenntnis von diesen Dingen und die Möglichkeit einer Beschäftigung mit
ihnen zu schaffen, soweit dies ohne Veröffentlichung des gesamten Materials möglich
ist; nur vielseitiges Zusammenwirken kann in diese so schwierige Frage mehr Licht
bringen. Zunächst gebe ich noch einmal das Verzeichnis der publizierten Schrift-
denkmäler der linearen Gattungen zur allgemeinen Orientierung.
Von den Schriftdenkmälern, die zu dem linearen System A gehören, sind
folgende bekannt gegeben:
1 — 4. Vier Tontäfelchen aus einem Privathause in Hagia Triada, Rendic. Ac.
Lincei XIV (1905), 390; 5 — 9. Täfelchen aus Hagia Triada, Monum. antichi XIII
23 — 6; 10 — 11. Täfelchen aus dem Privathause in Hagia Triada, Mem. Inst. Lomb.
XXI 247 u. Taf. VI; 12 — 16. »Clay disks« aus Hagia Triada, Mon. ant. XIII 27;
17 — ^19. Tontäfelchen aus Tylissos, 'Ecp. dpx- 1912, 213 f.; 20. Mtvtuixöv OpTjOxeuxixov
oxsuoc aus Archanai südl. von Knossos, 'E(p. dp^. 1909, 182; 21 — 22. »Tables of offering«
aus der Diktäischen Höhle, Evans, Scripta Minoa I 15 u. An. Brit. Seh. VI 114; 23.
Beschriebenes Stückeines Steatitbechers aus Palaikastro, 'E(p. apj(. 1909, 192; 24. Ton-
täfelchen aus Phaistos, Ausonia III 267; 25 — 26. Inschriften auf 2 Pithoi aus
Phaistos, Mon. ant. XII 97 f.; 27. »disk« aus Zakro, J. of Hell. Stud. XXII 89;
28. Täfelchen aus Gurnia, Boyd-Hawes, Gourniä S. 55; 29 — 30. Vaseninschriften
ausKnossos, An. Brit. Seh. VII 10. VIII 108; 31. Täfelchen aus Knossos, An. Brit. Seh.
1X52; 32 — 33. Vaseninschriften aus Melos Excav. at Phylakopi S. I77f.; 34. Vasen-
zeichen aus Mochlos, Seager, Explor. in Mochlos S. 39; 35. Vaseninschrift aus Orcho-
menos, Evans, Scripta Min. I 34; 36 — 37. Lineare Zeichen und Zeichengruppen
') Über die vorgriechische lineare Schrift auf Kreta, Öfversigt af Finska Vet.-Soc. Förh. 1913.
A2 J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
zusammengestellt von Evans, Cret. Pictogr. S. 346 f.; 38. »contromarche dei sigilli«
aus Hagia Triada, Monum. ant. XIII 46!.; 39. Zeichen auf Bronzetalenten aus
Hagia Triada, Rev. Et. Gr. 1905, 83; 40. »cretula con segni« aus Hagia Triada, Rend.
Acc. Line. XIV (1905) ^y6] 41. Steinzeichen aus Phaistos, Mon. antichi XII 87 f.
XIV 333 f. 431 f.; 42. Steinzeichen im Palast von Knossos, Evans, Cret. Pict. 282.
J. ofH. Stud. XXI273. An. Brit. Seh. VIII 64 f. und mehrfach Beschreibung derselben
in den Ausgrabungsberichten im An. Brit. Seh. VI — XI, vgl. Indices dazu; 43. Stein -
zeichen in den Gräbern von Knossos, Evans, The prehist. tombs of Knossos, Ar-
chaeologia LIX (1905) 391 f. 526f. ; 44. Steinzeichen auf einem Block in Gurnia,
Boyd-Hawes, Gourniä S. 25; 45. Beschreibung von Zeichen auf den Quadern in
Hagia Triada, Mem. Inst. Lomb. XXI 238 f.
Als Inschriften des linearen Systems B (alle aus Knossos) sind publiziert:
46. Tafel mit Frauennamen, Evans, Scripta Minoa I 48; 47. Tafel mit Wagen-
rädern, Evans, Scripta Minoa I 47; 48. Tafel mit drei Paragraphen, Scripta Minoa
I 49; 49. Täf eichen aus dem »Deposit of the Chariot Tablets«, An. Brit. Seh. VI 58;
50. Täfelchen mit Rhyta und Becher, Corolla Numismatica 352 f.; 51. Täfelchen
mit Schwertzeichen, Evans, Scripta Minoa I 55; 52. Täfelchen mit »Frame of Chariot«,
An. Brit. Seh. X 58; 53 — 54. Täf eichen mit Ziegenhörnern, An. Brit. Seh. X 58; 55.
Täf eichen »docketed with summary of Contents«, Evans, Scripta Min. I 46; 56. Teil
eines Täfelchens aus dem »Room of the Chariot Tablets«, An. Brit. Seh. IX 128; 57.
Beispiel von Schwertideogrammen, An. Brit. Seh. VIII 94; 58. Beispiele von Täfelchen
in B-Schrift, Mosso, Escurs. nel Medit.^ S. 305; 59 — 60. »Clay sealings«, An. Brit.
Seh. X 60; 61 — 62. Siegel, Evans, Scripta Minoa I 43; 63. Vasenfragment mit be-
malter Inschrift, An. Brit. Seh. VIII 67; 64. Graffiti, Evans, Scripta Minoa I 51.
§ 2. VERZEICHNIS DER ZEICHEN.
A. Die Zeichen im A-System,
Die Zeichen, die in diesem System belegt sind, glaube ich in folgende Gruppen
einteilen zu können:
I. Schriftzeichen.
+ 1. Allgemeines Zeichen in Hagia Triada; auch in Knossos, Melos, Gulas,
Prodromos Bozano bezeugt, auf Siegeln aus Hagia Triada und Steinblöcken
in Phaistos, Knossos und Isopata, dort bisweilen schräg gerichtet oder mit Quer -
hasten oder zusammengesetzt (vgl. unten Nr. 35. 7. 6y). Es ist schon unter den
hieroglyphisch -pictographischen Zeichen sehr bekannt (Evans, Scr. Min. 1 222 Nr. 112).
Es erscheint auch auf den Hagia Triada -Täf eichen mit anderen Zeichen zusammen-
gesetzt (vgl. unten Nr. 3) ; in den Hagia Triada -Täf eichen kommt es zuweilen zwischen
aufgezählten Gegenständen vor. Meist steht es am Ende eines Wortes.
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. A'i
l 2. Allgemeines Zeichen, in Hagia Triada, Knossos, Tylissos, Gurnia, Gulas,
[ Ida, Menidi, Phaistos, auch auf Quadern belegt; in den Hagia Triada-Täfel-
I chen auch als Aufzählungsgegenstand sich findend, zuweilen als Zeichen zwischen
solchen Gegenständen, zuweilen zusammengesetzt (vgl. Nr. i6). Dieses Zeichen
findet sich schon unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen (Scr. Min. I
227 Nr. 128).
I j j 3. Allgemeines Zeichen von verschiedenen Formen
-4— —T— yt\ in Hagia Triada, dort auch auf Siegeln; auf Blöcken
■ *"" ^ in Phaistos, Knossos, Isopata. Häufig steht es in den
Hagia Triada -Täf eichen als zweites Wort vom Anfang allein zwischen Punkten,
einmal kommt es als Gegenstandszeichen mit Zahlangabe vor. Auch zusammen-
gesetzt kommt es vor, einmal mit Nr. i, wie es scheint. Unter den hieroglyphisch-
pictographischen Zeichen findet man dieses »Baumzeichen« ebenfalls (Scr. Min. I
217 Nr. 97).
1-
4. Allgemeines Zeichen, bekannt in Hagia Triada, Knossos, Tylissos.
5. Häufiges Zeichen, belegt in Hagia Triada, Knossos und in Phaistos als
Blockzeichen. Es ist von dem folgenden Zeichen zu unterscheiden.
6. Häufiges Zeichen, belegt in Hagia Triada und in Phaistos als Block-
zeichen; vom vorhergehenden und nachfolgenden zu unterscheiden.
Es begegnet auch unter den pictographischen Zeichen (Scr. Min. I 199
Nr. 45)-
Sy. Allgemein, in Hagia Triada, Phaistos, Knossos, der Diktäischen Höhle,
Praisos belegt, ebenso auf den Steinblöcken der knossischen und phaistischen
Paläste (in Knossos auch vereint mit anderen Zeichen, wie mit Nr. i und mit
dem Stern). Es findet sich unter den hieroglyphischen und pictographischen Zeichen
in mehreren Formen belegt (Scr. Min. I 198 f. Nr. 44); von den beiden vorher-
gehenden ist es zu unterscheiden. Als zusammengesetzt in Hagia Triada, vgl.
bei Nr. 14.
T
T
8. Allgemein, in Hagia Triada, Phaistos, Archanai gefunden.
r-T-. 9. Allgemein, in Hagia Triada, Knossos, Phaistos belegt, auch als pictogra-
Iphisches Zeichen gefunden (Scr. Min. I 223 Nr. 113). Es wird auch allein-
stehend als Gegenstandszeichen mit Zahlangaben bei Aufzählungen verwen-
det, auch zusammengesetzt (vgl. unten bei Nr. 72).
10. Allgemein in Hagia Triada; die letzte Form, die ich für
identisch halte, ist aus Knossos bekannt. Es kommt in den
Hagia Triada -Täf eichen häufig als Gegenstandszeichen mit Zahl -
angaben vor. Pictographisch sind beide Formen überliefert (Scr. Min. I 220 Nr.
103. 104).
^^Y
44 J' Sundwall, Die kretische Linearschrift.
+ +
II. Allgemein, in Hagia Triada, auch auf Siegeln, Tylissos, Phaistos,
Archanai gefunden. Es kommt auch als Gegenstandszeichen mit Zahlan-
gaben vor. Zusammengeschrieben wird es mehrfach mit einem anderen
Zeichen cß in einer bestimmten Bedeutung.
I . t V ly 12. Allgemein, die erstere Form belegt in Hagia Triada, Archanai, die
M^ f letztere in Melos, Siphnos, Siteia und als Steinzeichen in Phaistos. Die
' • zweite findet sich auch unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen
(Scr. Min. I 215 Nr. 92) als eins der am häufigsten auftretenden Zeichen. Es
kommt auch zuweilen in Hagia Triada als Gegenstandszeichen mit Zahlangabe vor,
unter den phaistischen Steinzeichen auch doppelt gezeichnet und in Knossos zu-
sammengesetzt als -71 K , in Phaistos als ^ 1 (vgl. unten bei Nr. 69, 70).
Y13. Allgemein, belegt in Hagia Triada, auch auf Siegeln, in der Diktäischen
Höhle, Palaikastro, Archanai, Phaistos als Steinzeichen, auch zusammen-
gesetzt (vgl. unten Nr. 35). Dieses Zeichen findet sich bisweilen zweimal
hintereinander. Es ist unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen sehr
gewöhnlich (Scr. Min. I 205 Nr. 60).
V14. Allgemein, in Hagia Triada und Melos gefunden, in Phaistos als Stein-
zeichen doppelt gezeichnet und eckig. Es erscheint auch unter den hierogly-
phisch-pictographischen Zeichen (Scr. Min. I 192 Nr. 30). Einigemal kommt
es in Hagia Triada mit einem anderen Zeichen zusammengesetzt vor, so finden
wir ^ ft]i , die auch, statt zusammengesetzt, nebeneinander stehen können.
I ** j L I j I 1 ( j 15. Allgemein, belegt in Hagia Triada, auch auf Siegeln,
Tylissos, Palaikastro, Archanai, Melos, Zakro, Knossos, wo
auch auf Blöcken, wie in Phaistos. Die Formen variieren
sehr, sind aber meines Erachtens alle auf dasselbe Zeichen zurückzuführen. Es
begegnet auch schon unter den pictographischen Zeichen (Scr. Min. I 228 Nr. 133).
Die letzte Form ist die in Knossos verwendete; sie kommt auf Blöcken in der jün-
geren Periode des jüngeren Palastes vor (vgl. Scr. Min. I 191 Nr, 28 und An. Brit. Seh.
Vni 64). Das Zeichen kann in den Hagia Triada- Täfelchen auch als Gegenstands-
zeichen mit Zahlen stehen. Vorwiegend ist sein Platz am Anfang eines Wortes.
Auch Zusammensetzungen kommen vor (vgl. Nr. 16).
ei6. Allgemein, belegt in Hagia Triada, auch auf Siegeln, Archanai, Melos
und Isopata, wo achträdrig. Es kommt in Hagia Triada als Gegenstands -
zeichen vor, auch in Zusammensetzungen, indem es mit einem anderen
Schriftzeichen zusammengeschrieben wird, anstatt daß die beiden hintereinander
folgen würden. So haben wir 2r\ HT^ J > ^^n denen die Zeichen des ersten
und dritten Paares auch nebeneinander geschrieben vorkommen.
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. ^e
Jl \ 17. Allgemein, mit einigen Variationen, meistens die zwei ersten,
j\ j also nach links orientiert; belegt in Hagia Triada, der Diktäischen
^-» ^-^ Höhle, Palaikastro, Archanai, Phaistos, Zusammensetzungen kom-
men vor (vgl. unten bei Nr. 72).
Cp7 T — \ 18. Allgemein, in Hagia Triada, auch auf Siegeln, Archanai,
1 1 Melos, Tylissos, Phaistos, Praisos gefunden. Das Zeichen kommt
*— ^ i^ zuweilen als Gegenstandsbezeichnung in Hagia Triada vor, auch
zusammengesetzt (vgl. unten Nr. 72).
p— 1 19. Nach den in B gefundenen Formen zu urteilen, ist dieses Zeichen von
I dem vorhergehenden verschieden. Es kommt mehrfach in Hagia Triada vor,
*— auch in Knossos und Archanai.
tii »II in; ijii 20. Allgemein, in Hagia Triada, wo auch auf Siegeln,
cL y^ S— *n"- Phaistos, Archanai, Gurnia, Knossos belegt; es ist wahrschein -
' ' ' ' lieh das »Hand«-zeichen, das schon unter den hieroglyphisch -
pictographischen Zeichen begegnet (Scr. Min. I 183 f. Nr. 9), mit einer gewissen
Modifikation, indem die Finger deutlich gezeichnet werden, deren Zahl allerdings
schwankt.
21. Allgemein, in Hagia Triada, Knossos, Tylissos, Melos be-
legt; kann auch als Gegenstandszeichen mit Zahlen vorkommen,
auch zusammengesetzt (vgl. bei Nr. 72). Ich habe es am Ende
eines Wortes nicht gefunden, dagegen häufig am Anfang, auch doppelt.
v.,^^^ 22. Allgemein, in Hagia Triada, auch auf Siegeln, Knossos,
* — 4-» — -^ Tylissos, und wohl auch als Steinzeichen in Phaistos (Mon. ant.
^ Xn 89 Tab. Nr. 14). Es stellt einen fliegenden Vogel dar, wie auf
dem Phaistosdiskos. Es kann auch zusammengesetzt vorkommen (auf Siegein mit
Nr. i), auch zweimal hintereinander.
\ /' 23. Allgemein, in Hagia Triada und wohl auf einem Steatit aus Siphnos
iy (Evans, Cret. Pict. 353 Tab. H Nr. 12). Es ist in Hagia Triada als Gegen-
^ Standszeichen belegt, auch zusammengesetzt (vgl. bei Nr. 72). Vielleicht
ist hier eine kursive Schreibung des Ziegenkopfes zu erkennen, der unter den
hieroglyphisch - pictographischen Zeichen häufig vorkommt (Scr. Min. I 207
Nr. 65).
\ 24. Mehrfach in Hagia Triada belegt. Ich möchte hier eine kursive Schrei -
y/l bung eines Vogels erkennen, und zwar einer hieroglyphisch (Scr. Min. I 210
^ Nr. 80) überlieferten Figur.
25. Allgemein, in Hagia Triada, Phaistos, Gurnia belegt, wohl ein Tier-
kopf. Kommt auch zusammengesetzt vor (vgl. bei Nr. 14).
"3^^
26. Allgemein, in Hagia Triada auch auf Siegeln, Knossos,
Tylissos belegt. Die letzte Form in Knossos ähnlich der in Ty-
lissos gefundenen Form. Es stellt ein Laubzeichen dar; kann auch
zusammengesetzt vorkommen (vgl. bei Nr. 72).
*5 J- Sundwall, Die kretische Linearschrift.
?/2y
27. Allgemein, in Hagia Triada, Knossos, Tylissos, wo die drei
ersten Formen vorkommen, die eckige vierte auf Steinblöcken in
Phaistos, Knossos, Isopata. Dieses ist das Schlangenzeichen, das
auch unter den pictographischen Zeichen vorkommt (Scr. Min. I 211 Nr. 84) und
dessen Entwicklungstypen dort zu erkennen sind. Es ist auch als Blockzeichen
zusammengesetzt bezeugt.
V » . 28. Allgemein, in Hagia Triada, auch auf Siegeln, Phaistos, Knossos
}) J I belegt. Unter den pictographischen Zeichen bekannt (Scr. Min. I 224
\\ ^J Nr. 115).
r\jt 29. Mehrfach in Hagia Triada belegt, auch in Zusammensetzungen,
y über die Zusammenschreibung mit einem anderen Zeichen vgl. oben
bei Nr. il.
30. Allgemein, in Hagia Triada, Tylissos, Mykene (die
»measure
of grain« darstellend, ist auch unter den pictographischen
Zeichen bekannt (Scr. Min. I 202 Nr. 52). Es steht auch als Beizeichen bei
mehreren Gegenstandsbezeichnungen, vielleicht um ein Maß zu bezeichnen (vgl.
unten bei Nr. 72 und 73).
VTj I 31. Einige Male in Hagia Triada und in Phaistos als Blockzeichen
I j^ belegt; vielleicht auch einmal in Archanai (das 5. Zeichen).
©^-^ ^^.^ 30. Allgemein, in Hagia Triada, Tylissos, Myl
( • «J l ^ ^J letzte Form) gefunden. Dieses Zeichen, nach Evans
^*^*^ ^^^ r\T rrt-o in// i\n fcHoll ot^H 10+- onr»n nnt-<:at" ^Ci.x\ T-\ir»<-r\nr*-'
i
n
32. Mehrfach aus Hagia Triada bekannt.
33. Mehrfach in Hagia Triada belegt.
/v A A 34. Allgemein; die erste Form ist in Hagia Triada (ich habe dort
/ I / 1 / l ^^^^ Beispiel für die Form H gefunden), in Phaistos auch als Block-
' ' ' ' zeichen, in Mykene, in Isopata als Blockzeichen belegt; die zweite
Form ist in Knossos auch als Steinzeichen, ferner in Orchomenos und Melos gesehen;
die dritte Variation in Zakro und wohl etwas verändert in der Diktäischen Opfer -
tischinschrift (das 2. Zeichen). In den Hagia Triada -Täf eichen ist es auch als
Gegenstandszeichen mit Zahlenangaben gefunden.
^ i-/\-> r^ 35- Mehrfach belegt in Hagia Triada, Archanai, die dritte
"V/ ^^^ y Form als Blockzeichen in Phaistos. Es kommt auch doppelt
l ' ' vor, ebenso als Blockzeichen, als solches auch in Zusammenset-
Zungen wie ^ \[_^ ^ .
\J 36. Einigemal in Hagia Triada belegt. Begegnet schon unter den picto-
I graphischen Zeichen (Scr. Min. I 197 Nr. 39), das sogenannte »ankh«.
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. a>i
Q
■^y. Einigemal in Hagia Triada belegt.
38, Einigemal in Hagia Triada belegt, vielleicht auch als Gegenstands -
-7) j- oder Sinnzeichen. Es ist das »Augen«-Zeichen, das schon unter den hierogly-
^^^ phisch-pictographischen Zeichen bekannt ist (Scr. Min. I 182 f. Nr. 5).
(39. Nur einigemal in Hagia Triada, auch auf Siegeln, in Knossos und in
Phaistos als Blockzeichen belegt. Es soll die Mondsichel vorstellen und wird
schon unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen gefunden (Scr. Min.
I 222 Nr. in).
940. Kommt einigemal in Hagia Triada und auch in Tylissos vor. Es exi-
stiert schon unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen (Scr. Min. I
190 Nr. 26).
""T — - I 41. Ziemlich häufig in Hagia Triada belegt, in Knossos und Isopata
Ci^ ■- 4 ■ als Blockzeichen. Es kommt vielleicht einmal als Sinnzeichen vor,
— -^ — "^— auch zusammengesetzt (vgl. bei Nr. 72). Wohl schon als pictogra-
phisches Zeichen bekannt. (Scr. Min. I 170 P. lOO b).
/^;3L 42. Einigemal in den Hagia Triada -Täf eichen belegt, auch als Sinnzeichen
/^ mit Zahlen; daneben zusammengesetzt (vgl. Nr. 16).
43. Einigemal in Hagia Triada, Knossos, Tylissos belegt. Es
scheint schon unter den pictographischen Zeichen sich zu finden (Scr.
Min. I 189 Nr. 20).
44^
w
ffl ffl
44. Ziemlich häufig in Hagia Triada, auch in Tylissos, wohl auch in
Phaistos und Archanai belegt.
45. Erinnert an das vorhergehende Zeichen. Einigemal in Hagia Triada
gefunden.
46. Einigemal in Hagia Triada belegt, vielleicht einmal als Sinn-
zeichen. Die Form ist ziemlich variierend.
47. Einigemal in Hagia Triada in variierender Form belegt.
48. Die erstere Form einigemal in Hagia Triada, Tylissos, Mykene
und in Knossos als Blockzeichen bekannt; die zweite Form einmal in
Hagia Triada belegt und ohne Punkte in einer Pithosinschrift aus
Phaistos. Es kommt mehrfach zusammengesetzt vor, wie Ö ra , vgl. auch
unten Nr, 55. Vielleicht geht es auf ein pictographisches Zeichen »a storehouse«
zurück (Scr. Min. I 198 Nr. 43), Vgl, unten Nr, 71.
^8 J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
49. Einigemal in Hagia Triada belegt. Es dürfte vielleicht schon pictogra-
phisch vorkommen (vgl, Scr. Min. I 198 Nr. 42).
50. Einigemal in Hagia Triada belegt.
t w fs^ 51. Einigemal in Hagia Triada, auch auf Siegeln, in Knossos und
y\ X I ( Phaistos belegt. Hier ist das »adze«-Zeichen zu erkennen, das schon
» ' ' unter den hieroglyphischen Zeichen bekannt ist (Scr. Min. I 189
Nr. 21).
y^ /\^ /\ 52. Zuweilen in Hagia Triada und in einer Vaseninschrift aus
Orchomenos belegt. Es ist wohl das Zeichen »der gekreuzten Arme«,
das unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen bekannt ist
(Scr. Min. I 183 Nr. 7).
53. Einigemal in Hagia Triada belegt; es scheint vorwiegend Sinnzeichen
zu sein, kommt auch zusammengesetzt vor.
Ed
54. In der Gestalt der zwei ersten Beispiele kommt es in Hagia
Triada in den Täf eichen vor sowie in Phaistos als Blockzeichen;
die dritte ausführlichere Form, die auf Siegeln in Hagia Triada be-
gegnet, weist deutlich das »Palast«-Zeichen auf, das unter den hieroglyphisch -
pictographischen Zeichen bekannt ist (Scr. Min. I 197 Nr. 41).
ß55. Mehrfach in Hagia Triada belegt, meistens als Sinnzeichen mit Zahlen,
einigemal auch als Schriftzeichen mit anderen kombiniert; auch zusammen-
gesetzt als L_,h^
A \A 5^' Ersteres einigemal in Hagia Triada, letzteres in Mykene belegt.
( \\ Es ist das »mountain«-Zeichen, unter den hieroglyphisch -pictographischen
^ ' Zeichen wohl bekannt (Scr. Min. I 223 f. Nr. 114). In den Hagia
Triada-Täfelchen wohl auch zuweilen als Sinnzeichen verwendet.
A57. Kommt in den Hagia Triada-Täfelchen einigemal vor, entweder
doppelt oder einfach; als zweites Wort im Anfang einer Phrase und einer
Tafel. Es könnte möglicherweise zusammengesetzt sein.
/v 58. Einigemal in Hagia Triada und Knossos, überwiegend als Sinn-
~r jL zeichen vorkommend, auch zusammengesetzt. Das Zeichen erinnert an
ein Zeichen des Phaistosdiskos, das als lykischer Bau gedeutet ist (Scr.
Min. I 276 Fig. 126 Nr. 24).
zrz\
59. Einigemal in Hagia Triada belegt, meistenteils als Sinnzeichen mit
Zahlenangabe.
60. Bisweilen in Hagia Triada belegt. Vielleicht der Hasenkopf, der schon
pictographisch überliefert ist (vgl. Scr. Min. I 208 Nr. 68).
J, Sundwall, Die kretische Linearschrift. aq
6i. Einigemal in Hagia Triada und einmal in Archanai in der letzteren
Form sich findend; zusammengesetzt in Tylissos (vgl. bei Nr. 72).
62. Einmal in Hagia Triada und in Knossos belegt, als Blockzeichen
in Phaistos.
63. Einmal in Knossos belegt. Dasselbe Pfeilzeichen erscheint auch hiero-
glyphisch-pictographisch belegt (Scr. Min. I 185 Nr. 13).
V^ 64. Einmal in Knossos belegt (An. Brit. Seh, VIII 108, innerste Reihe,
I 3. Zeichen), unsicher.
^
a
65. Etwa zweimal in Hagia Triada gefunden.
66. Einmal in Archanai gefunden.
hv^ 6^. Die Doppelaxt, ein gewöhnliches Blockzeichen (Phaistos, Knossos,
^j^ Hagia Triada, Gurnia, Isopata, in Knossos oft mit einem anderen Block-
' zeichen gepaart), auch unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen
häufig (Scr, Min. I 195 Nr. 36), ist auf den Hagia Triada-Täfelchen nur einmal
als Beizeichen überliefert, kommt aber noch in Inschriften aus Melos und Gulas
einigemal vor (in Archanai ziemlich unsicher).
^^ ^ 68. Die mittlere Form kommt auf einer Vaseninschrift
y) — I \J p^ aus Orchomenos vor; die erste auf Blöcken in Phaistos
-i- ^ (auch zusammengesetzt mit Nr. i), dreieckig in Inschriften
aus Mykene und Messarä (vgl, Cretan pictogr. 349 Tab. I 23). Hiermit ist das
pictographische Zeichen, Scr. Min. I 230 Nr. 138, zu vergleichen.
III 69. Der Dreizack, ein gewöhnliches Blockzeichen in Phaistos, Knossos,
LLi Isopata, auch zusammengesetzt (vgl. oben Nr. 35. 12), und auf Siegeln aus
' Hagia Triada belegt, kommt auch einmal auf einem Täfelchen in Knossos vor.
170. Gefunden auf Quadern in Phaistos und Isopata, auch zusammen-
gesetzt (wie mit Nr. 12), auch einigemal in Inschriften aus Knossos und
Phaistos.
71. In einer Inschrift aus Gulas und in Knossos als Blockzeichen, auch
mit der Doppelaxt vereint, belegt. Vgl. oben Nr. 48.
II. Sinnzei'chen.
72. Dieses Zeichen findet sich einigemal in den Hagia Triada-Täfelchen
unzusammengesetzt in obiger Form als Sinnzeichen mit nachfolgenden Zahlen.
Ungleich häufiger ist der Gebrauch von Zusammensetzungen dieses Zeichens
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. 4
—
'
f
CQ J. Sund wall, Die kretische Linearschrift,
mit Schriftzeichen, welche Zusammensetzungen dann immer (auf Täf eichen aus Hagia
Triada und Tylissos) den Charakter von Sinnzeichen mit Zahlenangaben haben.
Dieses Zeichen ist vielleicht die lineare Form des hieroglyphischen Zeichens »die
Hand in Profil« (Scr. Min. I 184 Nr. 10), das auch als Blockzeichen in Phaistos
belegt ist und einigemal, nach rechts gewendet, nur mit zwei Haken versehen, in
Inschriften aus Siphnos und Mykene (vgl. Cret. Pict. 349 f. Tab. II 10. 12) vor-
kommt. Man könnte aber auch an das hicroglyphisch-pictographische Zeichen Scr.
^r
Min. I Nr. 100 denken. Ein ähnliches Zeichen /^■^'^ ( kommt mehrfach in
Hagia Triada vor, stets mit nachfolgenden Zahlen. Die zweite Form, in Phaistos
als Gegenstandszeichen gefunden, dürfte wohl eine Variation sein. Das obige Zeichen
ist eine Gesamtbezeichnung, also von Maß, Material oder dergleichen.
-?*«r 73. Ein sehr häufig vorkommendes Zeichen in den Hagia Triada -Tafel -
\1/ chen, wo es mit nachfolgenden Zahlen steht wie auch in einigen Zusammen-
Setzungen f ^ f ^ 1 •
y^ 74. Häufig in Hagia Triada, auch in Phaistos gefunden in abgeleiteter Form.
' Als solche findet man j- :r / . Es steht in einfacher oder abgeleiteter Form
entweder nach Zahlen — es können auch mehrere Formen zusammen stehen — oder
selbständig ohne Zahlangabe, hinter einem Sinnzeichen oder einer Zeichengruppe.
Kann mit vorhergehendem Zeichen zusammengesetzt werden. Es ist mit Variationen
schon hieroglyphisch -pictographisch überliefert (vgl. Scr. Min. I 193 f. Nr. 32 — 5),
wohl als ein Maß (vgl. Scr. Min. I 249); dieselbe Bedeutung hat das Zeichen auch
im A-System.
(}
75. Einigemal in Hagia Triada gefunden, als Beizeichen zu einem anderen
Sinnzeichen, wie Nr. J^,, mit nachfolgenden Zahlen.
T76. Findet sich einigemal in Hagia Triada, Phaistos und Knossos, wohl
hinter einem anderen Sinnzeichen oder einer Zeichengruppe, mit oder ohne
Zahlen.
yy. Dieses Zeichen ist in Tylissos, Orchomenos und auf Blöcken in
Isopata gefunden. Es steht auf den Täf eichen aus Tylissos nach einem Sinn-
zeichen mit Zahlenangabe als Bestimmungszeichen, in Orchomenos vor
Zahlen. In einer erweiterten Form kommt es auf einem Amethyst aus Knossos
(Cret. Pict. 349 Tab. I Nr. 20) und als pictographisches Zeichen vor (Scr. Min. I
227 f. Nr. 130— i), wohl auch hier als Zahl- oder Bestimmungszeichen (vgl. Evans
a. a. O. S. 249).
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. cj
Außer diesen Sinnzeichen kommen nun in den Täfelchen eine große Zahl von
Gegenstandszeichen vor — abgesehen von den im ersten Abschnitt als solche be-
zeichneten — , die in den Inventarverzeichnissen, was die Täfelchen ohne Zweifel
größtenteils sind, einfach den aufgezählten Gegenstand abbilden und wiedergeben,
anstatt daß man das Wort dafür ausschrieb. Diese zähle ich hier zusammen auf,
ohne Vollständigkeit anzustreben; was sie darstellen, ist in vielen Fällen nicht recht
auszufinden. Evans erwähnt: »saffron flower, various vessels including tripods,
balances«, in Tylissos finden wir ferner a[xa;a, aziaxpov. Gewöhnlich stehen Zahl-
angaben oder Bestimmungszeichen wie Nr. 74 hinter ihnen. So haben wir
ct.y
; das erste auch auf Siegeln bekannt; das zweite auch als Block-
zeichen in Phaistos.
Zu der A-Klasse sind noch einige Zeichen zu rechnen, die als Steinmetzzeichen
gefunden sind, ohne sonst in Inschriften belegt zu sein, wie ^ ^ IX r^
r\ C (^ M/ 1 [ ) ^^^ beiden ersten der sechs- und achtstrahlige Stern oder
Sonne, unter den hieroglyphisch -pictographischen Zeichen (Scr. Min. I 221 Nr. 107)
schon belegt, in Phaistos und Knossos als Blockzeichen vorkommend, auch in Zu-
sammensetzungen (vgl. Nr. 7, 27); ferner das dritte Blockzeichen in Phaistos (vgl.
das hieroglyphisch - pictographische Zeichen Scr. Min. I 200 Nr. 46) ; über das
sechste Zeichen vgl. das hieroglyphische Zeichen Scr. Min. I 228 Nr. 132; das vor-
letzte Zeichen Blockzeichen in Phaistos und wohl auch in Hagia Triada; das letzte
Zeichen Blockzeichen in Phaistos und auf einer Vase aus Menidi (vgl. Cret. Pict.
274, 3).
B. Die Zeichen im B-System,
t
I. Schriftzeichen.
I. Allgemein; dasselbe A i. Es findet sich wie in A überwiegend am
Ende eines Wortes.
2. Häufig; dasselbe A 2.
3. Allgemein; dasselbe A 3.
4. Allgemein; dasselbe A 4, Es kann auch als Sinnzeichen vorkommen.
C2 J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
5. Öfters belegt; dasselbe A 5.
6. Allgemein; dasselbe A 7. Es findet sich häufig am Ende eines Wortes
oder Namens.
7. Allgemein; dasselbe A 8. Es findet sich oft am Ende eines Wortes
oder eines Namens.
T
' ' ' 8. Einigemal gefunden; dasselbe A9. Soll auch als Sinnzeichen vorkommen
I können (vgl. Scr. Min. I 223 Nr. 113).
Y^ 9. Ziemlich oft gefunden; dasselbe A 10.
^+^ 10, Häufiges Zeichen; dasselbe A 12.
V
VL; Wagt
II. Häufig; dasselbe A 14.
12. Diese beiden Formen halte ich jetzt für dasselbe Zeichen (sie sind
auch in denselben Zeichenkombinationen gefunden), das allgemein ist.
Dasselbe A 15. Es kommt vorwiegend am Anfang eines Wortes vor.
Allgemein; dasselbe A 16. Es erscheint auch als Ideogramm (für
enrad) in etwas anschaulicherer Ausführung.
14. Allgemein; dasselbe A 17.
15. Allgemein; dasselbe A 18. Es wird vielleicht auch als Ideogramm
verwendet.
16, Einigemal belegt; dasselbe A 19,
17, Allgemein; dasselbe A 20.
^ ' 18. Allgemein; dasselbe A 21. Es kommt als Ideogramm in der Form
\J eines Vaphiobechers vor.
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. e-y
* =^
*— -^ 19. Einigemal belegt; dasselbe A 22,
l(/ 20. Mehrfach belegt; dasselbe A 23.
*/ 21. Mehrfach belegt; dasselbe A 24, Eine ähnliche Figur in einem
n\ Viereck kommt als Ideogramm vor.
j\ / 22. Mehrfach belegt; ich halte es gegen meine frühere Annahme für
\m^ identisch mit A 25. Es kann auch als Ideogramm vorkommen.
23. Einigemal belegt; dasselbe A 26.
24. Mehrfach belegt; dasselbe A 27.
U^ 25. Mehrfach belegt; dasselbe A 29.
\' / 26. Einigemal bekannt; dasselbe A 31.
C-\ 27. Mehrfach belegt; dasselbe A 33,
/n 28. Allgemein; dasselbe A 34.
\F 29. Häufig belegt, meist im Anfang eines Wortes; dasselbe A 35.
\jy 30. Allgemein; dasselbe A 40.
rX 31. Einigemal belegt; dasselbe A 42. Kommt auch als Ideogramm vor,
y nach rechts gewendet wie in A.
77T 32. Allgemein; dasselbe A 43.
CA J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
/7I
7^
^T,. Einigemal belegt; dasselbe A 44.
34. Einigemal belegt; dasselbe A 46.
35. Einigemal belegt; dasselbe A 47.
rTj 36. Häufig; dasselbe A 48.
37. Ziemlich häufig; dasselbe A 51.
A /] 38. Mehrfach belegt; dasselbe A 52.
39. Mehrfach belegt; dasselbe A 58.
"^ 40. Ziemlich häufig; dasselbe A 62.
l _L 41. Einigemal gefunden; dasselbe A 63.
T 42. Einigemal gefunden; dasselbe A 64.
Y
A
=1
43. Mehrfach belegt; dasselbe A 65.
s. 44. Häufig; dieses »throne and sceptre«-Zeichen (vgl. Evans, An. Brit,
lU Seh. X 58) dürfte A 66 entsprechen. Möglicherweise kann es ideographisch
1— ' vorkommen, jedenfalls ist als deutliches Ideogramm ein Thronzeichen bekannt.
v..^ 45. Einigemal belegt; ähnliche Zeichen sind unter A 72 aufgeführt, ohne
'^1 daß ich entscheiden kann, ob eins von diesen Sinnzeichen mit diesem
A ^'
Zeichen identisch wäre.
Ziemlich häufig.
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. r e
47. Einigemal belegt.
77
^ 49- Hä
vJ 51. Einigemal belegt.
M-^ v-L/ 52. Einigemal belegt
---— 48. Allgemein; beinahe durchgängig am Ende eines Wortes,
kann mit Nr. 6 wechseln. Die beiden obigen Formen halte ich jetzt
für identisch.
läufig.
50. Häufig.
53. Einigemal belegt.
54. Einigemal belegt.
55. Einigemal belegt, einmal mit drei Punkten auf beiden Seiten.
'^- 56. Einigemal belegt.
0 57. Einmal belegt.
("\ 58. Einmal belegt.
Sa 59. Einigemal belegt.
1 \-\ 60. Einmal belegt.
e5 J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
II. Sinnzeichen.
Außer den Zeichen Nr. 4, 8, 13, 15, 18, 21, 22, 31, 44, die auch als Sinnzeichen
gefunden sind, leben von den Schriftzeichen in ANr. 30 (in etwas deutlicherer Form),
41, 55 in B als Sinnzeichen weiter, und ebenfalls die Sinnzeichen in A Nr. 73, 76.
Sonst verzeichnet Evans von Ideogrammen in B u. a. folgende: saffron flower, spades,
houses, bows, arrows, bronze ingots, 2-handled vases, single-edged axes, human
figures, ears of corns, tree, vases of metallic forms, vessels of clay, granary, swords,
balance, ewer, swine, four-toothed comb, shepherd's crook, spearsor javelins, throne-
sign, measure of grain, horns of wild goats, horses head, frame of chariot, chariot,
chariot wheals, cuirass, oxheads (rhyta), cups of Vaphiotype; dazu noch das männ-
liche und weibliche postpositive Determinativ.
§ 3. VERHÄLTNIS DER LINEAREN SCHRIFTSYSTEME ZU EINANDER.
Aus dem obigen Verzeichnis geht hervor, daß einerseits im A-System etwa
71, im B-System etwa 60 Schriftzeichen gefunden sind, und daß andererseits die
beiden Systeme wenigstens etwa 45 Zeichen gemeinsam haben. Ein Vergleich mit
den etwa 139 hieroglyphisch -pictographischen Zeichen lehrt ferner, daß unter den
45 A und B gemeinsamen Zeichen etwa 20 in dieser Gattung wiederzuerkennen
sind; daß ferner unter den etwa 26 für A spezifischen Zeichen ebenfalls etwa 14
schon hieroglyphisch -pictographisch überliefert sind, dagegen unter den 15 B-Zeichen
keines. Ebenfalls leben unter den Sinnzeichen und Ideogrammen in A deutlich
etwa 10 hieroglyphisch -pictographische Zeichen weiter, unter den B-Ideogrammen
erkenne ich etwa 4 solche, während von den Schriftzeichen in A etwa 3 als Sinnzeichen
in B vorkommen. Was die Ideogramme sonst betrifft, sind sie in A wenigstens ebenso
zahlreich wie in B (was entgegen einer Annahme von Evans in den Scr. Min. I 36, die
auch ich früher teilte, geltend gemacht werden muß), nur fallen sie in A nicht so auf,
weil sie dort nicht mit der in B gewöhnlichen sorgfältigeren Zeichnung und Größe
hervorgehoben sind; auch stehen die Schriftzeichen in A viel häufiger auch als Sinn-
zeichen; ich habe ungefähr 20 gegen 9 in B gefunden. Zu bemerken ist noch die häufige
Zusammenschreibung zweier Zeichen in A, die in B vollständig fehlt. Wir können
überhaupt sagen, daß die Zeichnung in A durchgängig ungelenker ist und weniger
einheitlich als in B, das kalligraphisch viel entwickeltere und geübtere Schrift auf-
weist, lediglich kalligraphische Spielereien sogar, wie z. B. die Wiedergabe des Hand-
zeichens, obwohl auch die A- Schrift, in der auch schon die rechtsläufige Schreibweise
vorherrscht, eigentlich schon etwas sehr Europäisches in ihrem Äußeren hat. Die
Dokumente in B sind außerdem weit vollständiger und die Täfelchen größer, wie
auch Evans (a. a. O. S. 38) hervorhebt. Wir müssen ferner an der Tatsache festhalten,
daß überall im zentralen und östlichen Kreta, sowohl in Knossos wie in Phaistos,
Hagia Triada, Gurnia, Palaikastro, Papura, Zakro u. a., ja sogar in Melos (vgl. Scr.
Min. I 28 — 37) während MM III und der Übergangszeit zu LM I ein im großen
und ganzen einheitliches lineares Schriftsystem A belegt ist, welches dann in
Knossos mit dem Umbau des jüngeren Palastes durch einen neuen Schrifttypus B
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. cy
ersetzt wird, der sich dort während LM II weiter entwickelt, während der A-Typus
anderswo noch eine Zeitlang fortlebt (vgl. Scr. Min. I S. 38). So sind auch die
Inschriften auf den in Tiryns gefundenen Gefäßen, die ich unten (S. 63 f.) besprechen
will, als lokale Ableger des A- Systems zu erklären. In Anbetracht dessen ist die
Ansicht von Evans, daß diese beiden Schriftgattungen eigentlich als parallele zu
betrachten seien, unrichtig, um so mehr, als von einem Parallelsystem von A, aus
dem B hervorgegangen wäre, keine Spuren zu finden sind. Die B- Schrift kann
also nur eine knossische Ummodelung des allgemeinen A-Typus sein; dafür spricht
auch der Zeichenbefund. In B ist nämlich ein ganz bewußtes Bestreben nach
Klarheit und Methode zu erkennen, dieses System zeigt sich als eine Reform der
älteren, allgemein gebrauchten A- Schrift; wahrscheinlich ist es durch dynastischen
Einfluß entstanden, jedenfalls außerhalb von Knossos nicht angenommen und
anerkannt worden.
§ 4. DIE BEZIEHUNGEN ZU DEM KYPRISCHEN SYLLABARALPHABET.
Evans hat in den Scripta Minoa l70f. den entscheidenden Nachweis erbracht,
daß das kyprische Syllabaralphabet Verwandtschaft mit Zeichen der kretischen
Linearschrift aufweist. Daß ferner die 55 bekannten kyprischen Syllabarzcichen
nur die spätere Auswahl eines größeren Systems waren, hat er ebenda durch Heran-
ziehung der Schriftzeichen aus Enkomi aus der Wende des 14. Jahrhunderts und
der Folgezeit nachgewiesen. Die Übereinstimmung zwischen der kyprischen Syllabar-
und der kretischen Linearschrift läßt sich jedoch viel weiter ausdehnen, wie aus
der folgenden Tabelle S. 58 hervorgeht.
Von den 33 übereinstimmenden Zeichen fallen auf der minoischen Seite 19
unter diejenigen, die der A- und B- Schrift gemeinsam sind, 14 unter die der A-
Schrift. Es kommt ferner hinzu, daß die den ersteren entsprechenden kyprischen
Zeichen durchweg die für A spezifischen Formen aufweisen. Ich kann deswegen
die Ansicht von Evans nicht teilen, daß nicht ein konformes Schriftsystem von
Kreta aus nach Kypern übergebracht sei, sondern daß sich auf Kypern durch mino-
ische Kolonisten eine provinziale oder koloniale Schriftform entwickelt habe, auf
alter Grundlage fußend, aber dennoch gewissermaßen eine parallele Erscheinung
zu den kretischen linearen Systemen (vgl. Scripta Minoa I S. 93). Im Gegenteil
können wir die Behauptung aufstellen, daß als Prototyp für die kyprische Schrift
die kretische lineare A-Klasse gedient hat. Wenn noch etwa 22 kyprische Zeichen
schwieriger wiederzufinden sind (ich habe die obige Tabelle gegen früher etwas
modifiziert), beruht dies lediglich auf ihrer entstellten und kursiven Form. Es fehlt
ja vor allem noch eine paläographische Untersuchung über die Entwicklung der
kyprischen Syllabarschrift sowie genügende Funde von minoischen Schriftdenk-
mälern aus Kypern. Es muß aber noch betreffs der kyprischen Prototypen hervor-
gehoben werden, daß sie ein ziemlich altertümliches Gepräge aufweisen und daß
unter ihnen Zeichen und Formen vorkommen, die der pictographischen Klasse nahe-
stehen, so z. B. XI, XIII, XV, XVI, XXXII. Das nämliche bezeugt der Umstand,
58
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
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daß unter den kyprischen Zeichen sich viele befinden, deren Prototypen in den
Hagia Triada-Täf eichen nur mehr noch Sinnzeichen sind, und auch viele Stein -
zeichen; darauf deuten auch die auf Kypern gefundenen minoischen Zeichen.
Ich will an dieser Stelle auf die Frage nach der Zeit der Schriftübertragung nicht
eingehen, die ich in meiner früheren Schrift zu erörtern versucht habe, und deren
Lösung ich nicht behaupten will gefunden zu haben (vgl. Goessler, Wochenschr. f.
klass. Phil. 1914, 1387), für die ich aber eine bessere Erklärung zurzeit nicht
beibringen kann.
§ 5. BEMERKUNGEN.
Ohne mich auf Deutungsversuche einzulassen, will ich hier einige Beobach-
tungen mitteilen, die sich mir über den Inhalt der Täfelchen und verschiedenes
andere ergeben haben. Die Täfelchen in Hagia Triada enthalten Verzeichnisse
von Gegenständen, sind also reine Inventarurkunden, während die B-Urkunden,
obwohl auch größtenteils gleicher Art, doch auch anderen Inhalt aufweisen. Die
allgemeine Struktur des Inhaltes der Hagia Triada-Täf eichen ist dadurch ge-
kennzeichnet, daß entweder Gegenstände ideographisch verzeichnet sind mit Zahlen-
angaben nach jedem Gegenstand und daß vor einer Gruppe oder einem solchen
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. cg
Ideogramme mit Zahlen eine Gruppe von Zeichen steht, auf die sich diese Ideo-
gramme beziehen, oder aber daß keine Ideogramme auf dem Täfelchen stehen,'
sondern immer auf eine Gruppe von Zeichen Zahlen folgen. Am Anfang eines
Täfelchens stehen oft eine oder ein paar Zeichengruppen, hinter oder zwischen ihnen
das durch Punkte bestimmt gesonderte Zeichen :^ ; am Ende des Täfelchens steht
die Zeichengruppe ^~P^ ~" mit Zahl, deren Bedeutung aus vielen Fällen ersichtlich
als. Schlußsumme ermittelt werden kann. Diese oben erwähnten Zeichengruppen
müssen nun entweder Personennamen sein (etwa von Häuptlingen, die die auf-
geführten Gegenstände abgeliefert haben) oder Namen von Ortschaften, die tribut-
pflichtig waren; in dem Falle, daß keine Ideogramme, sondern nur Zahlen auf eine
Gruppe folgen, könnte man auch an Sachen denken, die verzeichnet und aufge-
schrieben sind. Ich will hier einige öfter auftretende Zeichengruppen wiedergeben.
Die verschiedenen Kategorien von Zeichengruppen sind allerdings schwierig bestimmt
zu sondern, da wir oft nicht bestimmen können, ob ein Zeichen als Lautzeichen
oder als Sinnzeichen dasteht, auch kommt dieselbe Gruppe in den verschiedenen
Kategorien vor. Ich stelle mir also den normalen Inhalt eines Täfelchens etwa
folgendermaßen vor: »N^ hat (oder liefert) Gegenstand so und so; N^ hat (oder
liefert) usw.« oder »D^ liefert Gegenstand so und so; D^ liefert so und so usw.«,
Summa: Gegenstand^ so und so viel, Gegenstand^ usw.« (mit diesen Täf eichen
kann man auch die Tributlisten der assyrischen Könige vergleichen, siehe Keil-
inschr. Bibl.). Häufiger wiederkehrende Zeichengruppen derart sind u. a. :
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JQA ^4^ YO '^ra
(man könnte die erste Gruppe in sazo, die zweite in paxe, vgl. Fa;oc, die
dritte in salo auflösen, wenn man die entsprechenden kyprischen Werte einsetzt; die
zwei vorletzten Gruppen treten in der letzten zusammengesetzt auf). Da ich über-
zeugt bin, daß die kretische Linearschrift syllabarische Schrift war, so weit wenigstens
die Zeichen als Schriftzeichen, nicht als Ideogramme stehen, und zwar wegen der
geringen Zahl der Zeichen, so würde sich wohl aus den Zeichengruppen eine MögHch-
keit zur Bestimmung des Lautwertes verschiedener Zeichen ergeben, unter Einsetzung
der Werte der entsprechenden kyprischen Zeichen. Es handelt sich doch sicher in
vielen Fällen um Ortsnamen, die sich in Kreta in großer Zahl aus der vordorischen
Zeit erhalten haben (vgl. zuletzt die Sammlung von Majuri, Studi suU' onomastica
cretese Rend. Ac. Line. 1910 — il). Ebensowenig wie diese einen griechischen
Charakter aufweisen, ebensowenig deuten diese Zeichengruppen darauf hin; viel-
mehr würden die vielen Zeichen, auf die sie ausgehen, eher für eine nicht -indoger-
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J. Sundwall, Die kretische Linearschrift.
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62 J- Sundwall, Die kretische Linearschrift.
manische Struktur sprechen, wie im Lykischen und anderen Ortsnamen der klein-
asiatischen Gruppen, Nur fehlen hier die in kleinasiatischen Ortsnamen so üblichen
suffixalen Endungen, ebenso wie in den griechisch überlieferten Namen Kretas.
Wenden wir uns noch zu den B-Täf eichen, so sehen wir auch hier dasselbe
Prinzip der Aufstellung in den Inventarurkunden herrschen, nur viel klarer und
umständlicher. Obwohl ich eigentlich nicht dieselben Zeichenkombinationen in den
beiden Systemen gefunden habe, deutet meiner Ansicht nach vieles darauf, daß hier
dennoch dieselbe Sprache vertreten ist, so z. B. die Stellung gewisser Zeichen, wie
~4" ö I ^^°' "^^' "^^ überwiegend am Ende eines Wortes.
Besonderes Interesse und Studium verdienen die in diesen Tafeln durch männ-
liche und weibliche Determinativen als Namen erkennbaren Zeichengruppen. Ich
gebe hier S. 60 f. folgende Namen bekannt (die 62 ersten sind Mannsnamen, dann
folgen 41 Frauennamen).
Die Namen bestehen aus 2 — 5 Zeichen, sie enden auf folgende Zeichen
(m = männliche Namen, w = weibliche Namen; die Zahl bezeichnet die Häufig-
keit des Vorkommens) :
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1/0 9^ '^ /^ 7n \ yO>n -für U S^ ^,
^ j^ su. Ts 3^ ir^ ^ /^ /^ y i^ ^
\ ^^ Zur h ^^n ? ^>^ (^ ^^ '} -e
\ 1ur ß\ fw n Zur W Zl^ 7^ Zur
Für 62 Männernamen finden wir also 18 verschiedene Endzeichen, für 41 weib-
liche 17 Endzeichen, gemeinsame Endzeichen für beide Geschlechter sind 7; bei
den männlichen Namen dominieren 1 -f- j ((?), lo, na); bei den weibHchen
J. Sundwall, Die kretische Linearschrift. 5"?
n (xe). Diese Tatsache spricht entschieden gegen einen griechischen Charakter
dieser Namen, denn wir würden, natürhch immer bei der Annahme, daß die minoi-
schen Zeichen syllabischen Wert haben, für die männhchen Namen nur etwa vier
verschiedene Zeichen am Ende erwarten können. Die Namen sind deutHch einfach,
zusammengesetzt, oder zeigen zuweilen einen abgeleiteten Stamm. Gemeinsame
Namen für Männer und Frauen sind nicht bekannt, ebensowenig Lallstämme be-
legt. Irgendwelche nähere Deutung der Namen halte ich jedoch noch für verfrüht,
bevor das ganze knossische Material vorliegt.
NACHTRAG.
Zu den Inschriftenfunden aus Tiryns.
Durch freundliche Vermittlung der Herren Dr. Kurt Müller, Prof Dragen-
dorff und Prof Karo habe ich Gelegenheit gehabt, die bei den Ausgrabun-
gen des Deutschen archäologischen Instituts in Tiryns gemachten Inschriftenfunde
in photographischer Reproduktion einsehen zu können und darf mit Erlaubnis
der genannten Herren hier über diese Funde kurz berichten. Es sind kurze,
gemalte Inschriften auf den Scherben großer Gefäße, hauptsächlich von großen
groben Bügelkannen, welche technisch von der tirynthischen Tonware abweichen.
Zu datieren sind diese Funde in die spätmykenische Zeit, doch nicht die allerletzte
(vgl. auch Müller, Ath. Mitt. 19 13, 90). Nach der Ansicht von Evans, dem Proben
vorgelegt wurden, wäre die Schrift verschieden von der gleichzeitigen kretischen,
aber abgeleitet aus älteren kretischen Systemen (Ath. Mitt. a. O.). Das ist wieder
ein undeutlicher Orakelspruch dieses Forschers, denn ich konnte in diesen In-
schriften folgende kretische Zeichen feststellen: A 6, A 40 (= B 30), A 27 (== B 24),
A33(=B27), A2(=B 2), A i ( = B i), A 18 (= B 15), A 16 (= B 1-3), A 15 (= B 12),
A 9 (= B 8), A 63 (=B 41), A 48 (= B 36). Außerdem waren noch folgende
Zeichen zu sehen : CJI+t^ /\ ^ f N -^ V -U^ . Von diesen ist
das erste mir bisher gänzlich unbekannt, es ist aber auf den tirynthischen Scherben
vielfach belegt; das zweite, gewöhnlich unter dem ersten geschrieben, erinnert
etwas an B 60, obwohl von einfacherer Form ; das dritte, über dessen Form ich jedoch
nicht sicher bin, da die Bemalung sehr verwischt ist, wäre eine früher nicht
bekannte lineare Schreibung des hieroglyphischen Zeichens Scr. Min. I 207 Nr. (i^ \
von den beiden letzten schließlich, die auf zwei zueinander gehörigen Henkeln
eines Gefäßes stehen, wäre vielleicht das erste, das weiß aufgemalt ist, eine Variation
von A 61, das zweite, das eingeritzt steht, ist A 29 (= B 25). Auf jeden Fall
liegt hier in diesen Funden direkt kretische Linearschrift vor, und zwar würde ich
sagen A-Schrift. Denn obwohl die allermeisten Zeichen auch in B vertreten sind,
scheinen mir die Formen dennoch für A zu zeugen, aber allerdings eine sehr ge-
wandte und entwickelte, späte und lokale Art der A-Schrift, wie ja auch B im
04 J- Sundwall, Die kretische Linearschrift.
Grunde genommen nichts anderes als eine knossische Lokalform der A-Schrift ist.
Woher auf Kreta die Gefäße mit ihren Inschriften stammen,
ist ungewiß, jedenfalls dürften sie also nicht knossisch sein. Die
kurzen Inschriften geben dann Fabrikantenmarken oder den Inhalt
der Gefäße wieder. Nebenstehend Proben der drei besterhaltenen
Inschriften. Die zweite ist öfters belegt; eigentümlich für die
kretischen Namen ist gerade die Endung (lo) ; das erste Zeichen
in der dritten Inschrift steht wie in den kretischen am Anfang.
Dieselben Wörter oder Namen habe ich in den kretischen In-
schriften nicht belegt gefunden.
Berlin, J. Sundwall,
EINE MINOISCHE BRONZE IN LEIDEN.
Hierzu Tafel i und eine Beilage.
Das Typische einer Handlung im lebensvollen Bilde festzuhalten, ist eine Auf-
gabe der Kunst, welche die ägäischen Künstler auf eine Weise gelöst haben, die
immer von neuem unser Erstaunen weckt. Auch die hier veröffentlichte unscheinbare
Bronzestatuette (Taf. I; Abb. i — 3)^) ist von einer so prägnanten Formgebung, daß
wir trotz des fragmentarischen Zustandes das Aktionsmotiv erkennen und es wagen
dürfen, eine Ergänzung zu versuchen.
Die Statuette, massiv aus Bronze gegossen, im unvollständigen Zustande 14 cm
hoch, jetzt im »Rijksmuseum van Oudheden« in Leiden, ist im Kunsthandel erworben
und in der Nähe von Phaistos auf Kreta gefunden. Sie ist sehr verwaschen und
schlecht erhalten; Hände und Unterschenkel fehlen. Dargestellt ist ein stehender
Mann; der Oberkörper ist stark zurückgebeugt (so fordert es die kretische Etikette),
das hnke Bein etwas vorgesetzt; die Unterarme sind vor der Brust aneinandergepreßt,
so daß die Handgelenke sich unweit des Mundes befinden. Immerhin muß die Möglich-
keit in Betracht gezogen werden, daß die Krümmung der Oberarme durch eine
nachträgliche Verbiegung entstanden ist und daß folglich auch die Unterarme etwas
nach innen versetzt und einander näher gekommen sind. Auf dem Kopfe hat der
Mann einen kleinen runden, sehr flachen Hut, um die Taille den konkaven Gürtel,
der mit der Schurztracht zusammenhängt. Das Haar, leider sehr verwaschen, fällt
ziemlich breit über den Nacken und einen Teil des Rückens herab. Gerade unter
dem Hut, dem Rande parallel, sind zwei Linien eingeritzt, um das Haar zu
charakterisieren, jedoch, dem Anschein nach, nicht zur Bezeichnung von Zöpfen,
die um den Kopf gelegt sind. Ob der Mann einen Kinnbart hat, läßt sich hier
ebensowenig entscheiden wie bei einer kretischen Bronze in Wien '), Außer diesen
zwei recht zweifelhaften Fällen ist der Bart bei minoischen Monumenten fast noch
nicht nachgewiesen 3), Die Gesichtsbildung ist ziemlich flach, mit breiten Backen,
zum Teil sehr verwittert, so daß das Adlerprofil der Nase (Abb. i ) nur Schein ist.
Der Brustkasten ist breit; die kräftigen Muskeln, zumal der Biceps, und die feinen
') Die Photographien sind mir von Herrn Museums- 3) Der Bogenschütze auf einem Steatitfragment
direkter Prof. Dr. A. E. J. Holwerda gütigst aus Knosos dürfte ein Fremdling sein, vgl.
zur Verfügung gestellt; ihm verdanke ich auch B. S.A. VII S. 44 Abb. 13 = Lagrange, La Crete
die Erlaubnis zur Veröffentlichung. ancienne, Paris 1908, Abb. 85. Lagrange S. 77
*) Arch. Anz. 1892 S. 48 Nr. 63. (Abb. 49) erwähnt sehr primitive bärtige Ton-
figuren, die Halbherr in H. Triada gefunden hat.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. c
66
G. van Hoom, Eine minoische Bronze in Leiden.
Abb. I.
Abb. 2.
Minoische Bronze in Leiden.
Handgelenke sowie die Ellenbogen sind gut und sorgfältig gearbeitet; die Musku-
latur des Rumpfes und die Rippen sind angedeutet. Die Oberfläche der nicht ver-
witterten Teile ist ziemlich rauh, ungefeilt und mit kleinen Buckeln besetzt.
Zur Deutung der Haltung und Rekonstruktion der Statuette beachte man den
Stand der muskelgespannten Arme. Es erfordert eine ziemlich große Anstrengung,
die Unterarme so aneinanderzulegen; diese Anstrengung muß den Zweck haben, den
auf die Brust gestützten Armen einen festen Stand zu geben, so daß sie einen schweren
Gegenstand emporhalten können. Daß ein Flötenspieler ^) sich freiwillig so das
Atmen erschweren sollte, ist kaum glaubhch (der Flötenspieler auf einem Fresko
hält denn auch die Ellenbogen fern vom Körper 2) ; wir müßten also annehmen, daß
die Arme durch Beschädigung verbogen sind. Ändert man den Stand der Arme, so
gäbe es noch andere Deutungsmöglichkeiten, z, B. auf einen Betenden oder Opfern-
den; man vergleiche die Tonfigur mit einer Taube in den erhobenen Händen aus
') Ad. Abt, Archiv für Religionswiss. XIII 1910
s. 159.
*) Mon. dei Lincei XIX S. 73 Abb. 23. Außerdem
fehlt der Raum für die Hände; vgl. den Flöten-
spieler auf dem Sarkophag aus H. Triada, Mon.
d. Lincei XIX, Winter, Kretisch-mykenische
Kunst (Kunstgesch. in Bildern, neue Bearb. I 3),
Taf. 91, 12 mit Beilage; Detailskizze: Mosso, The
Palaces of Crete, London 1907, Abb. 157.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 19 15.
Beilage zu S. 67.
# .%.
G. van Hoom, Eine minoische Bronze in Leiden. ' 67
der knosischen Hauskapelle ^). Eine Deutung, die der Dynamik wenig /gerecht
wird, will hier einen Wagenlenker erkennen; jedenfalls wäre es ein sehr ungeschick-
ter Lenker; wenn die Pferde einen Augenbhck nachgäben, würde er sich selbst mit
den Fäusten die Zähne einschlagen. Die wahre Haltung eines Wagenlenkers, eben-
falls eines minoischen, bietet der Sarkophag aus H. Triada.
Wenn wir jedoch wirkhch einen Träger vor uns sehen, so läßt sich zwar nicht
beweisen, aber doch kaum bezweifeln, daß der Gegenstand, den er trägt, ein Gefäß
war. Dieses kann nicht breit gewesen sein, weil der Kopf mit dem Hut nicht viel
Raum übrig läßt, doch genügt es, um aus den vielen Formen der minoischen Vasen
manche Möglichkeit sich zu denken*). Der Opfermut des Trägers, der hier ganz hinter
und unter seiner Vase verschwindet, bietet ein schönes Gegenstück zur Strammheit
des Kriegers auf dem Steatitgefäß aus H. Triada, der auf den Befehl seines Fürsten
hört 3). Unsere Bronzestatuette vermehrt also die Reihe der Gefäßträger (auf Fres-
ken 4), auf einem Steatitgefäß 5) und vielleicht in Relief^)) um ein Exemplar in
Rundplastik. Während die Bedeutung der ägyptischen Gefäßträger als Gesandte
feststeht, dürfte man über die Deutung der kretischen im Zweifel sein. Evans 7)
betrachtet die JüngHnge der Prozessionsfresken aus Knosos ebenfalls als Tributträger.
Es können aber auch Diener und Mundschenken des Fürsten oder Teilnehmer an
einer Opferprozession sein (s. S. 67, Anm, 5), In letzterem Falle wäre unsere Statuette
wahrscheinlich ein Weihgeschenk und hätte (dies gilt auch, wenn es ein Flötenspieler
ist) das sakrale Motiv gemein mit der Bronzestatuette aus Tylisos (Mann in An-
betung) *), der Bleifigur aus Kampos (Flötenspieler 9)) und der längst bekannten
Bronzefigur einer betenden oder klagenden Frau in Berlin (s. die Beilage ^°)).
Stilistisch ist unsere Statuette der letzterwähnten Frauenfigur am nächsten ver-
wandt : beide zeigen dieselbe strotzende Muskelfülle, die Geschmeidigkeit der Haltung,
die wenig ausgeprägte Gesichtsbildung, die breiten Backen; auch die rauhe und un-
') B. S. A. VIII S. 100 Abb. 56 (rechts) = Lagrange aus Knosos liegt nur eine vorläufige Skizze vor,
Abb. 45, I. Lagrange Abb. 91.
*) Man kann die Tragweise durch Vergleichung mit 5) Winter 91, 2; B. S.A. IX S. 129; H. R. Hall,
den tributbringenden Fremdvölkern auf ägypti- Aegean Archaeology, London 1915, Abb. 7.
sehen Grabmalereien illustrieren. Da werden *) Wenn Evans recht hat, auch in Relief (Gesso
die Vasen öfters, zwar nicht auf beiden Händen duro oder, nach Mosso S. 221 Stuckrelief), B. S.A.
zusammen, sondern auf einer sich gegen den VII S. 89 Abb. 29= Mosso Abb. 101; indessen
Körper stützenden Hand getragen ; vgl. W. Max macht dieKrümmung des umklammerten Gegens-
MüUer, Egyptological Researches I Taf. VI (vgl. tandes diese Deutung nicht sehr wahrscheinlich.
B. S. A. XVI Taf. 14); II Taf. 11, 12, 28. 7) B. S. A. VII S. 15.
Auch beim längst berühmten Cup-bearer ^) 'EcpT)[x. dp/. 1912 Taf. 17 = Hall Abb. 14 = Dus-
von einem Fresko aus Knosos ist der steif senk- saud, Civilisations pr^hell^niques * Abb. 37.
rechte Arm gegen den Körper gestemmt; H. BuUe, 9) Tsountas-Manatt, Mycen. Age Taf. 17; Perrot-
Der schöne Mensch im Altertum Taf. 34; Winter Chipiez VI Abb. 355; Drerup, Omero Abb. 52.
Taf. 91, 3; Lagrange, Frontispiz (farbig); und ") Archäol. Anzeig. 1889 S. 94; Perrot-Chipiez VI
passim. Abb. 349 f. = Winter Taf. 92, i ;. Hall Taf. 19
3) Mosso, Abb. 33 u. 34, Winter Taf. 89, 8 u. 9. (nach dem Abguß). Unsere Abbildungen nach
4) S. S. 67 Anm. 2; von den übrigen Gefäßträgern neuer Photographie des Berliner Originals.
5*
58 G. van Hoorn, Eine minoische Bronze in Leiden.
gefeilte Oberfläche, die nach dem Guß nicht bearbeitet worden ist ^). Große Ähnlich-
keit zeigen auch die Frauenstatuetten aus H. Triada *), das Bronzefragment aus
Smyrna 3) und die Bleifigur aus Kampos 4): die letztere mutet schon etwas anders an,
der verschiedenen Herkunft entsprechend. Entfernter ist die Verwandtschaft mit
zwei bronzenen Männerfiguren aus Gournia 5) und Tylisos ^) ; soweit man aus
den (nicht-photographischen) Abbildungen schheßen kann, ist bei diesen die Model-
lierung flacher, nachlässiger und weniger lebendig. Einer ganz andern Empfin-
dungswelt gehört die Bronze aus Phylakopi an 7) ; die zwei Bronzen, die Evans
(1901) mykenisch genannt hat, stehen, auch in der Tracht, den wahrscheinlich syri-
schen oder hettitischen aus Tiryns und Mykene schon näher, ohne jedoch ganz damit
übereinzustimmen ^). Die ägäischen Fayencen und Terrakotten stehen in künst-
lerischer Hinsicht hinter der Bronzeplastik zurück. Wenn man sich nicht auf das
Gebiet der Rundplastik beschränkt, findet man für unsere Statuette stiHstische
Analogien unter den Männerfiguren der Goldbecher ausVaphio9) und der Steatitgef äße
(und -fragmente) aus H. Triada und Knosos, namentlich »Fürst und Offizier« ''o).
Auf diesem Wege gelangt man auch zu einer annähernden Datierung: I. Spät-
minoische Periode.
Ein genaueres Studium verdient die Tracht der Figur, wäre es auch nur wegen
der Deutlichkeit der Formen. Für den Hut bei Männern finde ich in der ägäischen
Kunst keine Analogie; wohl aber gibt es ziemlich ähnliche flache Damenhütchen
aus Petsofa "). Aber die Form ist so natürlich, daß es kaum einen Zweck hat, auf
die parallelen Erscheinungen in der griechischen und der etruskischen Kunst hin-
zuweisen ^2). ]3as Haar ist so schlecht erhalten, daß man über seine Anordnung
höchstens eine Vermutung aufstellen kann. Während bei der Statuette in
Berlin ^3), dem Fragment aus Smyrna ^4) und auf vielen Fresken das Haar in zum
Teil künsthch verwickelten, zum Teil losen Windungen (nicht in geflochtenen Zöpfen)
herabfällt, steht unsere Statuette, dem Anschein nach, einer Fayencefigur aus
Knosos ^5) näher, bei der das Haar in geraden Strähnen herabhängt, ebenso wie
') Über die Technik vgl. Hall, der sie »Rodinesque« 9) 'Ecprjfii. «äpy. 1889 = Winter Taf. 88, i — 4.
nennt, S. 67. 10) S. S. C7 Anm. 3; S. 69 Anm. 2; Steatitrhyton,
*) Maraghiannis, Antiquites cretoises I Taf. 26, 3, Mosso Abb. 93 f. = Hall Taf. 16 = Drerup,
Mosso Abb. 26. Omero Abb. 164 f. = Winter Taf. 89, 4; Ernte-
3) A. Furtwängler, Sitz.ber. Ak. Münch. phil. Kl. prozessionsgefäß, Mon. d. Lincei XHI = H. Bulle,
1899 S. 559 ff. Abb. I = Kl. Schriften H S. 453 ff. Der schöne Mensch Taf. 36 = Hall Taf. 17 =
4) S. S. 67 Anm. 9. Winter Taf. 89, 5—7; Fragment J. H. S. 1901
5) H. Boyd-Hawes, Gournia Taf. 11, 21. S. 103 Abb. 2 = Hall Taf. 15, 3 = Winter
^) S. S. 67 Anm. 8; vgl. indessen die Würdigung Taf. 91, i.
derselben von Karo, Archäol. Anz. 1910 S. 150. ") B. S.A. IX S. 373: »plate-hat« fashion.
7) Excavations at Phylakopi in Melos Taf. 37. ") Daremberg-Saglio s. v. Petasus.
8) J. H. S. 1901 S. 125 f. Abb. 15 u. 16; aus Tiryns '3) S. S. 67 Anm. 10 und die Beilage.
Perrot-Chipiez VI Abb. 353, aus Mykene '<) S. S. 68 Anm. 3; dazu die Erläuterung Furt-
Abb. 354 = Winter Taf. 90, 11 u. 12, vgl. Furt- wänglers S. 560 f.
wängler, Ant. Gemmen S. 18 Anm. 7 und Sitz.ber. '5) Schlangengöttin, -priesterin oder -tänzerin, B. S.
a. a. 0. S. 565. A. IX S. 75 Abb. 54 u. 55 (= Winter Taf. 85, 12);
vgl. Abb. 57; dieselbe mit dem Kopf: Hall Taf. I.
G. van Hoorn, Eine minoische Bronze in Leiden.
69
beim Führer auf der Ernteprozessionsvase, wo die (kürzeren) Strähnen etwas freier
um den Kopf wallen, bei dem oben erwähnten Fürsten und bei der Bleifigur aus
Kampos, wo es aussieht, als ob es frisiert wäre ^).
Die Schurztracht (s. Abb. 3) läßt uns zweifeln, ob wir es hier mit einem
einzigen, einheitlichen Kleidungsstück zu tun
haben oder mit zwei gesonderten: dem wulstigen ..*h#^,,-
Schurz vorn und dem frackschoßartigen Teil
hinten. Die kretisch-mykenische Schurztracht
bietet drei oder vier Haupttypen mit ihren
Varianten:
A. Ein Schurz, der von einem Gürtel aus-
geht, wird zwischen den Beinen hindurchge-
zogen, so daß die Schenkel bis zu den Hüften
hinauf unbedeckt bleiben: Subligaculum 2).
B. Ein Schurz, der rings um die Hüften
herumgeht, wird entweder zusammengenäht
(einem Röckchen ähnlich) oder jedesmal beim
Umlegen zusammengebunden; auch dieser Typus
ist meistens mit einem Gürtel verbunden (vgl.
die Tracht der Bergschottens)). Dieser Typus
ist zuweilen so gestaltet, daß die Seiten der
Oberschenkel zum Teil unbedeckt sind 4), zu-
weilen beinahe bis zu dem Gürtel hinauf, so
daß man ihn kaum vom Zweilappenschurz
(Typus D) unterscheiden kann 5). Daß diese
Variante nicht durch Ausschneiden, sondern
durch Verwendung eines ovalen Gewandstückes
entstanden ist, hat Lady Evans in einer Unter-
suchung über die Tracht der Fayencefiguren
nachgewiesen ^).
Abb. 3. Rückansicht zu Abb.
') S. S. 68 Anm. 10, S. 67 Anm. 3, S. 67 Anm. 9;
S. 67 Anm. 5 und im allgemeinen Hall S. 63
u. 237 fE.
*) B. S. A. VII S. 95 Abb. 31. Über den Namen
vgL Daremberg-Saglio s. v. Sublicagulum. Am
deutlichsten: die Bronze aus Gournia , S. 68
Anm. 5, und die schon mehrmals erwähnten
Steatitgefäße, S. 68 Anm. 10. Tonstatuetten
aus Petsofa: B. S. A. IX S. 363 Taf. 10, 9, Winter
Taf. 90, I, Lagrange Abb. 52. Tonfigur: Mon. d.
Lincei XIII S. 108 Abb. 8. Goldring: J. H. S.
1901 S. 177 Abb. 53 = Winter Taf. 91, 11.
Bronzen: in Wien, Archäol. Anz. 1892 S. 48
Nr. 63, und aus H. Triada, Maraghiannis, Antiq.
cretoises I Taf. 26, i. Die Bronzen aus der Grotte
von Psychro (B. S. A. VI Taf. 10) sind wahr-
scheinlich aus der geometrischen Epoche, also
hier nicht zugehörig.
3) Vgl. Daremberg-Saglio s. v. Cinctus. Auf P'resken
aus Knosos, s. S. 67 Anm. 4. Porzellanplättchen
B. S. A. VIII S. 21 Abb. 10. »Fischervase« aus
Phylakopi, Excavations Taf. 22 = Winter Taf.
83, 18; Arch. Jahrb. 1910 S. 9 Abb. i. Siegel-
abdrücke, s. S. 72 Anm. 6 und S. 72 Anm. 7.
4) Beim »Fürsten« auf dem Steatitgefäß, s. S. 67
Anm. 3.
5) Gauklerin auf dem Stierfresko aus Knosos,
Winter Taf. 88, 5.
6) B. S. A. IX S. 80: der moderne Name ist
»poncho« oder »polonaise«.
70 Gr. van Hoorn, Eine minoische Bronze in Leiden.
Mitunter werden die Typen A und B zusammen getragen: an Tonfiguren aus
Petsofa erscheint das Subligaculum (A) in deutlicher, plastischer Wiedergabe unter
dem Schurz B J), umgekehrt haben die Bleifigur aus Kampos und »Fürst und Of-
fizier« des Steatitgefäßes sich erst den Schurz B umgelegt und dann darüber das
Subligaculum '^), das als ein ziemlich schmaler Streifen erscheint. Beide zusammen
entsprechen einer kurzen Badehose 3); diese hat man auch nachgewiesen 4).
C. Eine Zwischenform zwischen Schurz und orientahschen Hosen, sackartige
Beinkleider mit schweif artigem Anhang, sieht man auf dem Sarkophag aus H. Triada
in einer Kultszene 5) und auf Siegelabdrücken 6). Es soll der Saccus sein, eine
uralte Kulttracht aus Tierfell 7). Man könnte einen Zusammenhang annehmen
zwischen dem Anhang bei ihnen und dem ausgeprägt spitzen Ende unserer (Kult-)
Statuette ^), das dann ein rudimentärer Überrest der alten Kulttracht in verfeinerter
Gestalt wäre 9).
D. Vielleicht gibt es noch einen vierten Typus: vorn und hinten je ein Lappen,
der frei vom Gürtel herabhängt ^°). Doch dürfte dieser Typus in den meisten Fällen
eine Erweiterung des ersten (A, Subligaculum) sein und ebenfalls nur aus einem
einzigen Stück Zeug gebildet. Wenn man das Subligaculum, statt daß man es hinten
an den Gürtel befestigt, mit seinem freien Ende unter dem Gürtel hindurch herüber-
zieht und nach hinten herabhängen läßt, entsteht der Eindruck eines besonderen
Lappens. Dasselbe kann sich an der Vorderseite wiederholen, so daß die Zipfel vorn
und hinten frei herabhängen, leicht aufwehen und mit den Bewegungen mittanzen ").
') B. S. A. IX Taf. 9 = Mosso Abb. io8. entscheiden. Daß solche rudimentären Überreste
^) S. S. 67 Anm. 9 und S. 67 Anm. 3. manchmal von religiösen Rücksichten beeinflußt
3) B. S.A. X S. 156: »This band passing between worden sind, läßt sich in der Kindertracht des
the legs would turn the kilt into something resem- klassischen Zeitalters beweisen, vgl. meine Dis-
bling a pair of boating »shorts«.« sertation. De vita atque cultu puerorum, Amster-
4) Mykenisch: auf den eingelegten Dolchen aus dam 1909, S. 51.
Mykene, Winter, Beilage zu Taf. 84. Minoisch *°) So zu deuten an der Bronze aus Tylisos (s. S. 67
(?): auf einem Steatitfragment, s. S. 65 Anm. 3, Anm. 8), die unter den zwei getrennten Lappen
es sei denn, daß hier ein Fremdling dargestellt ist. einen sehr kurzen Schurz (Typ. B) zeigt; immer-
5) S. S. 66 Anm. 2. hin ist die Figur, solange kein Abguß vorliegt,
^) B. S. A. XII S. 240 Anm. 3 und Hall S. 233 ver- schwer zu studieren.
gleichen die ßpotxan der heutigen Kreter. Mon. ") Hinterlappen: Steatitrhyton und Erntepro-
d. Lincei XIII S. 39 Abb. 33, S. 41 Abb. 35; zessionsvase, s. S. 68 Anm. 10. Bronze in Wien,
Winter Taf. 89, 3 = B. S. A. XII S. 241 Abb. 2 = Archäol. Anz. 1892 S. 48 Nr. 63. Stierfresko,
Mosso Abb. 31 a; Abb. 32 a; Lagrange Abb. 40; Schhemann, Tiryns Taf. XIII = Winter Taf . 89, 2
Hall Abb. 94. Dieselbe Tracht soll auch eine und Vasenscherbe aus Tirjms, s. S. 70 Anm. 8.
Bronze im Ashmolean-Museum zeigen. Goldring s. S. 69 Anm. 2. Bronze aus der Grotte
7) Mon. d. Lincei XIX S. 23. von Psychro, wenn hier zugehörig, B. S. A. VI
^) Was die Form betrifft, vgl. die spitzen Enden der Taf. 10 Nr. 7, s. S. 69 Anm. 2.
Schurzgewänder auf einer Vasenscherbe, Schlie- Vorder- und Hinterlappen: Fresken und
mann, Tiryns Taf. 14 = Furtwängler-Loeschcke, Bronze aus Tylisos 'EcpTjf*. dp)(. 1912 Taf. 19 u. 17
Myk. Vasen Text S. 45 = Winter Taf. 90, 14. (s. S. 67 Anm. 8). Bronze in Wien: Archäol. Anz.
9) Ob die ägyptische Festtracht, ein um die Schul- a. a. 0. Nr. 62. Fresko aus Knosos (zweifelhaft),
tern geworfenes Pantherfell (Ad. Erman, Ägypten s. S. 69 Anm. 5. Vaphiobecher, s. S. 68 Anm. 9,
S. 287), hier nachgewirkt hat, wage ich nicht zu S. 72 Anm. i; S. 73 Anm. i.
G. van Hoorn, Eine minoische Bronze in Leiden. 7J
Dieser einheitliche Lappenschurz erfüllt seine Verhüllungspflicht, auf welche dieMinoer
großen Wert legten ^), besser als die zwei besonderen Lappen ohne Verbindung;
namentlich bei den stark bewegten Stierspielen und athletischen Übungen. Es ist
nicht unmögHch, daß man diesen auch hier in Anwendung gebracht habe; nur daß
vorn das Schurzende zusammengefaltet ist, so daß die rund zugeschnittenen
Ecken sich beide zur rechten Seite befinden und zwei Schichten übereinander ge-
bildet werden (Abb. i) 2); während hinten schon der Zuschneider gearbeitet hat, um
den eleganten Schnitt herzustellen. Doch scheint man mit solchem Einheithchkeits-
bestreben nicht immer auszukommen, und vielleicht empfiehlt es sich auch hier,
den Hinterlappen als ein besonderes Gewandstück zu betrachten. Überhaupt ist ja
die Schneiderkunst für die kretischen Damen und Herren schon ziemlich raffiniert.
Im Anschluß an die Vermutung von Professor Six 3), daß Leder in der kretisch-
mykenischen Tracht eine große Rolle spiele, beachte man die Mittelrippe und die
plastisch erhöhten Ränder des Hinterschurzes (Abb. 3), die sich sehr gut als in Leder
gepreßte Ornamente deuten lassen; auch der Vorderlappen dürfte rund zugeschnitte-
nes Leder sein, dessen Ränder etwas umgestülpt sind (s. Abb. I und Tafel i).
Der hervorragende Teil des Schurzes an der Vorderseite gerade unter der Mitte
des Gürtels wird vielleicht von einem Vertreter der Gliedfutteraltheorie mit besonde-
rer Aufmerksamkeit betrachtet werden, weil er hier eine neue Stütze für seine Theorie
wittert. Meiner Ansicht nach ist dieser Wulst durch das Falten des Schurzes ent-
standen, nicht durch ein darunter befindliches Gliedfutteral; um so weniger, weil
das Vorkommen des Futterals in der ägäischen Kulturwelt recht fraglich ist. Man be-
hauptet, schon mehrere Exemplare nachweisen zu können, und stützt damit die Hypo-
these, daß die Ägäer von derselben Rasse seien wie die Libyer und die prädynasti-
schen Ägypter, derjenigen Mittelmeerrasse 4), bei der man tatsächlich das Futteral
nachgewiesen hat 5). Solche unzweideutigen Fälle gibt es in der ägäischen Welt
nicht. In den meisten Fällen, die angeführt werden, handelt es sich augenscheinlich
um ein Subligaculum 6), Auch der Treiber des gezähmten Stieres auf dem Vaphio-
') Karo, Archiv f. Religionswiss. VIII S. 517 Anm. 1, üblich war, vgl. H. Weiß, Kostümkunde V, Re-
Walter A. Müller, Nacktheit und Entblößung, gister s. v. Ein minoisches Gegenstück würde
Diss., Leipzig 1906 S. 72. die Tonfigur Mon. d. Lincei XIII S. 108 Abb. 8
*) Ob der Künstler des Goldrings (s. S. 69 Anm. 2) bieten, wenn es nicht einzig dastünde, s. S. (9
auch einen Vorderschurz mit mehreren Schichten Anm. 2.
hat darstellen wollen, läßt sich nicht entscheiden. 6) Das von W. A. Müller a. a. O. S. 64 ff. beige-
3) Jahresh. d. österr. archäol. Inst. 1912 S. 104 ff. brachte Material ist schon S. 69 Anm. 2 als
4) Vgl. B. S. A. XII S. 233 ff.; Mosso S. 3240.; Subligaculum erwähnt: Zweifel ist ausgeschlossen
Lagrange S. ii3ff. ; R. v. Lichtenberg, Ägäische bei der Bronze aus Gournia, der Bleifigur aus
Kultur S. 137 ff. ; Beloch, Gr. Gesch. I i*, S. 74; Kampos und dem Steatitfragment B. S.A. VII
Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. I 23 § 167. S. 95 Abb. 31. Im Anschluß an jene Steatit-
5) »Bantu sheath«, B. S. A. IX S. 387 Anm.; vasen erklärt sich auch die Tracht auf dem
XII S. 234 Anm. 3. Die von Lagrange Abb. 95 Ernteprozessionsgefäß als Subligaculum, vgl.
angeführten libyschen Exemplare (nach Naville, auch Karo a. a. 0. und unten S. 72 Anm. 2.
Rec. de trav. XXII 1900 S. 69) sind den angeb- Die von Lagrange S. 147 erwähnte Reliefdar-
lichen ägäischen kaum vergleichbar. Stellung eines Fürsten aus Knosos, auf dem
Eine Analogie aus neuerer Zeit ist die Scham- ein Gliedfutteral vorkommen soll, ist leider noch
kapsei (Braguette), die vom 15. — 17. Jahrhundert nicht veröffentlicht.
72
G. van Hoorn, Eine minoische Bronze in Leiden.
becher scheidet aus, seitdem eine deutliche Detailskizze (s. S. 73 Anm. i) beweist, daß
die Vorderpartie des Schurzes ein herabhängender Zipfel ist, dessen Rand oder Saum
angedeutet ist ^). Und wenn die Tonfiguren aus Petsofa eine andere Sprache zu
reden scheinen, erklärt sich das aus der Technik, die nachträglich einen kleinen Ton-
klumpen angefügt hat. Den einzigen Fall, wo man einen besonderen Gegenstand
sieht, der ein richtiges Futteral sein kann, bietet das ebenso berühmte wie umstrittene
Ernteprozessionsgefäß aus H. Triada, wo es vom Subligaculum getrennt erscheint;
aber einmal scheidet es, selbst wenn »ithyphallisch « die richtige Deutung wäre, hier
aus, wo es gilt, die Alltagstracht zu ermitteln (wie denn auch selbstverständlich die
libyschen und ägyptischen Exemplare des Futterals herunterhängen), ferner
ist schon die Abneigung der ägäischen Kultur gegen Ithyphallisches hervorge-
hoben worden*); »Schleifstein« scheint hier also eine bessere Deutung 3). Ohne
den Wert der kraniologischen und sonstigen Argumente für die Rassengleichheit
schmälern zu wollen, ist hervorzuheben, daß man die Theorie nicht auf Tracht-
analogien aufbauen soll, so lange nicht neue Grabungen Sicheres gebracht haben,
und auch dann nur mit größter Vorsicht.
Berechtigter ist die Vergleichung der kretischen Tracht mit der ge-
wisser Fremdvölker auf ägyptischen Grabmalereien. Es wäre voreihg, hier die
ganze Keftiufrage aufzurollen. Nur eine vorläufige Bemerkung sei gestattet.
Wenn wir lesen 4): »Der vorn spitz zugeschnittene Schurz der Männer des Pro-
zessionsfreskos 5), eine der Hauptstützen der Keftiutheorie, scheint ganz singulär
zu sein und auf kretisch -mykenischen Monumenten bisher keine Parallele zu haben«, so
fragen wir, ob es also ein Mißverständnis ist, wenn wir auf Siegelabdrücken aus Kreta
den spitzen Schurz 6) (einmal in verdoppelter Form?)) zu erblicken wähnen. Viel-
leicht ist er sogar in seinem Wesen gleichbedeutend mit dem Frauenrock der Berliner
Statuette, deren Spitzen vorn zusammenkommen, ohne ineinander überzugehen 8).
Auch den Streifen, der sich auf Keftiubildern an der Verschlußseite des Schurzes
entlang erstreckt 9), findet man auf dem obersten Rock der Berliner Bronze wieder.
Außerdem erinnert der schräge Schnitt des Petsofa-Schurzes ^°) an die schrägen
Linien des Keftiu- Schurzes. Im allgemeinen aber empfiehlt es sich zu warten, bis
die neue Materialsammlung von Burchardt und Eduard Meyer zu einer Veröffent-
lichung über die Fremdvölker in ägyptischen Gräbern geführt hat. Wir geben also
auch noch kein Urteil ab über die Hypothese Wainwrights "), der scharf trennt
zwischen Keftiuvölkern einerseits und Inselvölkern mit Inbegriff der Völker im
') Vgl. die Erläuterung B. S. A. IX S. 364 (Myres). S. 252 Abb. 52 = Mosso Abb. 98 == Winter
*) Karo a. a. O. Die Erörterungen von Fougeres Taf. 88, 7.
(Comptes rendus du Congres international d'Ar- 7) Mon. d. Lincei XIII S. 44 Abb. 40 = Mosso
cheologie class., 2e Session, le Caire 1909 S. 232) Abb. 30 a.
sind mir nicht zugänglich. ^) S. die Beilage zu S. C7, vgl. den Abguß.
3) W. A. Müller a. a. 0. S. 67 nach Studniczka. 9) W. Max Müller, Egyptolog. Researches II Taf.
4) Tiryns II (1912) S. 120 Anm. i. 12, 1; Wainwright (s. S. 72 Anm. 11) Taf. 15, 14.
5) Vorläufige Skizze Lagrange Abb. 91. '") B. S. A. IX Taf. 10, 6; Fimmen, Zeit und Dauer
6) Mon. d. Lincei XIII S. 43 Abb. 38; B. S. A. VIII der kret.-myk. Kultur S. 73 ff.
") Annais of Archaeology and Anthropology (University of Liverpool) VI i — 2 S. 24 ff.
G. van Hoorn, Eine minoische Bronze in Leiden. 7 9
Senmutgrab anderseits, indem er letztere auf Kreta, die Keftiuvölker in Kilikien
ansässig macht. Für unsere Statuette ist die (auch nach Wainwright) unbe-
dingt minoische Tracht im Senmutgrab am wichtigsten: der frei herabhängende
Frackschurz ^) ist derselbe wie bei unserer Statuette, Diese Übereinstimmung
wird durch die Hervorhebung des Schurzrandes an Statuette und Grabge-
mälde bestätigt: plastisch bei jener, farbig bei diesem. Die Vorderpartie des
Senmutschurzes ist weniger deutlich. Man hat vermutet, daß der Maler des Senmut-
grabes oder seine Vorlage die kretische Tracht falsch interpretiert habe und daß die
zwei Bänder, die von der Mitte des Gürtels herabhängen, als eine mißlungene
Wiedergabe unseres Schurzes zu betrachten seien. Offenbar hat man dabei die alte
Zeichnung, aus der Zeit, als die Malerei noch besser erhalten war, übersehen 2), Da
stellt sich heraus, daß die Bänder sich weiter nach unten fortsetzten und also als wirk-
liche Bänder aufgefaßt waren. Es ist nicht schwer, in der kretisch-mykenischen
Kunst zahlreiche Beispiele von Bändern zu finden, die den Hinterlappenschurz oder
den Rockschurz (Typ. B) am Vorderleib zusammenbinden und frei herabfallen 3).
Sie dienen auch als Verschluß für Frauenkleider 4), Daß im Senmutgrab der Teil
des Schurzes, der noch hinter den Bändern sichtbar sein sollte als Subligaculum,
vom Maler nicht berücksichtigt worden ist, entspricht der schematischen Dar-
stellungsweise.
Über die Konstruktion des konkaven kretischen Gürtels gibt unsere Statuette
keine Aufklärung; zu der sinnreichen Deutung, er solle aus drei konzentrischen
Teilen zusammengesetzt sein (einem inneren wulstigen Teil, einem darumgelegten
Metallreifen, der von einer Schnur umschlossen und festgezogen werde) 5), äußert
sich die Statuette weder pro noch contra.
Delft. G. van Hoorn.
») Detailskizze Athen. Mitt. 1913 S. 191, vgl. W.Max (= Mosso Abb. 108); Taf. 10, i u. 7 (= Winter
Müller a. a. 0. I (1906) Taf. 7, B. S. A. XVI Taf. 90, i); Lagrange Abb. 52. Gemmen: Mon.
Frontispiz; X S. 156 mit Abb. 2. Wenig ein- d. Lincei XIV S. 626 Abb. 97 b; Tsountas-Manatt,
leuchtend ist die Deutung Wainwrights a. a. 0. Mycen. Age Abb. 54. Goldring: Rev. archeol.
S. 44, der hier anstatt eines freien Endes den un- 1874 Taf. 4, 44. »Fischervase« aus Phylakopi,
unterbrochen durchlaufenden Rockschurz (Typus Excavations S. 124 Abb. 95 = Arch. Jahrb. 1910
B), der vorn von einem Subligaculum gerafft und S. 9 Abb. i (Schurztypus B).
aufgebunden sein soll, annimmt. Wenn das rieh- 4) Tonfiguren aus Petsofa B. S. A. IX Taf. 8 =
tig wäre, würde er nicht so glatt und faltenlos den H. Bulle, Der schöne Mensch Taf. 35 = Winter
Körper umschließen, wie es auch auf dem Vaphio- Taf. 85, 11; und aus Sitia im Museo Kircheriano
becher der Fall ist. Mon. d. Lincei VI S. 171 Abb. 3 u. 4 = Winter,
0 B. S. A. XVI Taf. 14. Typen I S. 10, 8, Heibig, Führer II 3 Nr. 1620.
3) Tonfiguren aus Petsofa: B. S. A. IX S. 364 Taf. 9 5) B. S. A. IX S. 365 (Myres).
n * J. Six, Kaiamis.
KALAMIS.
In seiner vor kurzem im Jahrbuch ^) erschienenen Behandlung der Inschrift
des delphischen Wagenlenkers hat A. Frickenhaus der alten Deutung auf Aristobulos
neue Stützen verhehen, damit die Urheberschaft des Amphion von Knossos abgelehnt
und die Bahn für die Suche nach dem Meister der wunderbaren Bronze wieder frei
gemacht. Er selbst neigt der Meinung zu, daß man diesen inAegina zu vermuten habe,
und verweist dafür auf Studniczka 2) und B. Curtius 3). Studniczkas Zusammen-
stellung des Kopfes des Wagenlenkers (Abb. 2) mit dem des Harmodios, der ägineti-
schen Athena und des Capranesischen Anadumenos hat mir nie so recht einleuchten
wollen. Es sind gewiß Beziehungen da, aber nicht stärker, als sie sich z. B. bei der
Zusammenstellung eines Madonnenkopfes von Perugino mit solchen der Verrocchio
und Lionardo ergeben würden. Jene antiken Köpfe haben allerdings den Charakter
ihrer Epoche gemeinsam, innerhalb welcher der eine die obere, der andere die untere
Grenze bezeichnet; aber als Richtung sind sie sehr verschieden. Der herbe scharfe
Geist, die feste eckige Formgebung, die man selbst in der Kopie des Tyrannenmörders
noch zu erkennen meint, die knappe Konstruktion des Athenakopfes, so schlicht
und regungslos, der feine, fast zarte und dennoch überlegte Bau des Capranesischen
Kopfes stehen dem glatten Ovalrund des Wagenlenkers sehr fern, der das Knochen-
gerüst, wenn es auch nicht fehlt, nur eben erkennen läßt; hingegen spricht hier das
Äußere eines nicht besonders intelligenten Menschen von innerer Erregung, als wäre
er von einem höheren Geiste ergriffen. Lieber als abermals an Peruginos ekstatische
Figuren erinnere ich hier an Memlings vanNieuwenhoven, um zu veranschaulichen, was
mir an diesem Kopfe so ganz unäginetisch scheint: der Künstler drückt das seelische
Leben in seinem Siegerbilde aus. Will man bei greifbareren Dingen bleiben, so ver-
weise ich vor allem auf die Hauptformen. Der Schädel des Wagenlenkers ist rund im
Umriß von der Stirn bis zum Hinterkopf, selbst dem Tyrannenmörder gegenüber, ob-
gleich auch dieser keine Schädeltiefe hat, wie sie der Capranesische Kopf zeigt
und die Athena unter ihrem Helm vermuten läßt. Und wenn auf Studniczkas Tafel
die Vorderansichten der Köpfe nicht allzu abweichende Umrißlinien zeigen, so wäre
diese Übereinstimmung rasch zerstört, wenn man sie bei der Aufnahme mehr nach
vorn geneigt oder eine Dreiviertelansicht hinzugefügt hätte. Das Kinn der beiden
oberen Köpfe (Harmodios und Wagenlenker) ist nämlich breit, die Backen sind voll;
bei den unteren ist das alles zu einem schmaleren Oval verfeinert durch Abflachung
der Wangen und schärfere Begrenzung des Kinnes.
Die nächsten Verwandten des Wagenlenkers sehen anders aus. Homolle hat
die »boudeuse«, das Weihgeschenk des Euthydikos 4), genannt, ich füge den ludo-
visischen Kolossalkopf 5) (Abb. I ) hinzu. Die erstere ist wohl sicher älter, und da
0 XXVIII 1913 S. 52. 3) Zu Brunn-Bruckmann Taf. 601 S. 28.
*) Jahrbuch XXII 1907 S. 137. 4) Akropolis -Museum Nr. 686 und 699.
5) Heibig, Führer II Nr. 1288.
J. Six, Kaiamis.
75
sie, unter den vorpersischen Werken der athenischen Akropolis, so ziemlich vereinzelt
dasteht, gibt sie uns kaum einen brauchbaren Hinweis auf die Herkunft ihres Stiles,
selbst wenn ihr sogenannter Bruder ^) ihr so nahe stehen sollte, wie man anzunehmen
pflegt.
Auch der ludovisische Kopf, der dem Wagenlenker schon nähersteht, gibt uns
vorläufig kaum einen Anhalt zu weiteren Schlüssen. Seine Herkunft ist unbekannt;
Petersen ^) mag wohl mit Recht vermutet haben, daß er in demselben Gebiet gefunden
wurde wie der ludovisische »Thron«; daß es aber der Kopf der Göttin wäre, die darauf
Abb. I. Ludo visischer Kopf (nach Gips).
Abb. 2. Kopf des Wagenlenkers zu Delphi (nach Gips).
gesessen hätte, ist unwahrscheinlich geworden, seitdem der »Thron« von Studniczka 3)
als die eine Seite eines Altars erwiesen ist. Trotzdem meine ich, daß Benndorf 4) gut
gesehen hat und daß Kopf und Altar zusammen gehören. Dieses kolossale Antlitz,
noch ein wenig hart im Gesamtbau und im jetzigen Zustande etwas abschreckend
durch die Größe und die häßliche Beschädigung des einen Auges, hat gewiß als Teil
eines akroHthen Kultbildes 5) ganz anders gewirkt; der lange Hals war durch die
Höhe des ganzen Bildes bedingt, das man in der kurzen Cella nur aus geringer Ent-
fernung sah, und die steifen Haarsträhnen hingen im tiefen Schatten eines Schleiers
herab. Der ludovisische Kopf hat mit dem Wagenlenker nicht nur die großen Formen
gemein, sondern auch das Vorwiegen der Oberfläche gegenüber dem Gerüst. Die
') Akropolis-Museum Nr. 689.
*) Rom. Mitt. VII 1892 S. 62.
3) Jahrbuch XXVI 191 1 92.
4) Bei Petersen a. a. 0.
5) Heibig, Führer II S. 83.
1^
J. Six, Kaiamis.
Hoheit ihres eben merkbaren Lächelns gibt der Göttin eine Anmut, die nicht minder
wie die Arbeit zu dem Altar der Aphrodite paßt.
Wegen seiner Beschädigungen leider schwer im Profil vergleichbar, gesellt sich
in der Vorderansicht zu dem ludovisischen Kopf noch die vergröberte Kopie eines
Hermes Kriophoros in der Sammlung Barracco ^), dessen Original ich seit der
Herausgabe mit Studniczka gern dem Kaiamis zugewiesen habe.
Wenn der Kopf des Wagenlenkers also, schwerlich zu den Ägineten gehört, so
tut es das übrige Werk noch weniger. Der Arm und die Füße sind von ganz anderer
Richtung, Ein strenges Stilgefühl be-
herrscht in Ägina den Bau dieser Teile
so gut wie den der Köpfe und Körper.
Ein äginetischer Fuß ist fast wie ein
Ornament, so klar durchdacht, so scharf
gefaßt in der fächerartigen Spreizung
der langen Zehen, wie die Natur sie nur
ausnahmsweise beiErwachsenen kennt 2) .
Einen äginetischen Arm könnte man
für das ein wenig knappe Vorbild einer
Idealform halten. Der Arm, die Füße
des Wagenlenkers hingegen sehen fast
aus wie über einer unschönen Natur
geformt, mit zu schweren Gelenken
und nicht durch tägliche Übung ver-
edelten Muskeln.
Ganz besonders charakteristisch
aber ist der Stand der Figur, so einfach,
schlicht und wahr. Es ist nicht mehr
das Voreinanderstellen der beiden Füße,
wie es von undenklichen Zeiten her bei
nackten Männerfiguren übhch war, bei
den bekleideten Frauen aber, zu einem
ganz kleinen Schritt umgedeutet, sich noch an der Athena des Aphaiatempels
findet. Es ist auch noch keine Scheidung von Stand- und Spielbein, wobei das
letztere wie in Attika seitwärts oder wie bei Polyklet rückwärts gestellt
wäre. Vielmehr ruht die Last des Körpers auf beiden Füßen zugleich. Unge-
zwungen und daher frei und natürlich, ganz ohne Pose, steht der eine Fuß um ein
geringes mehr nach vorn und ein weniges mehr nach außen gekehrt. Es mag auch
sonst Figuren geben, die diesen Stand haben; ich kenne in der Rundplastik nur die
Bronze der Sammlung Sciarra 3), wenn die Füße, wie es scheint, richtig restauriert
I) Taf. XXXI, XXXI a.
*) Brücke, Schönheit und Fehler der menschlichen
Gestalt S. 142.
3) Rom. Mitt. II 1887 Taf. IV, IV a, V. Die
Abb. 3. Basis, von Kallias geweiht.
Schädelform läßt sich nicht mehr vergleichen, da
sie restauriert ist. Das Gesicht, besonders das
Ohr und das Haar, zeigen ohne weiteres, daß
dieses Werk, obschon verwandt, von einer ande-
ren, viel geringeren Hand ist.
J. Six, Kalamis. y^
sind, und die Fußspuren i) der Basis des Kallias, des Sohnes des Hipponikos, auf der
Akropolis*) (Abb. 3), womit die der »Hestia« vom Kolosseum, wie ich Studniczka3)
entnehme, nahe verwandt sind; ferner im Rehef die des Eros vom Altar zu Boston.
Die genannten Figuren belehren uns, daß dieser Stand eine geringe Differenzierung
von Stand- und Spielbein zuläßt, aber darin nicht so weit geht wie an der Stephanos-
figur. Bei der Wendung des Körpers des Wagenlenkers ist dies auch selbstver-
ständlich. Die Kalliasbasis weist schon etwas bestimmter als der Hermes Kriophoros
auf Kalamis.
Am fernsten steht den Ägineten das Gewand. Diese haben noch auf das strengste
durchgeführt die archaische Formgebung ohne irgendwelche Modernisierung. Der
Rock des Wagenlenkers fällt ganz anders. Aus kleinen Fältchen, die meist paarweise
verbunden sind, bilden sich immer größere und endlich die kanelurenartigen Steil-
falten. Dies neue Schema, das bei der Hestia noch sehr einfach auftritt, ist vorbild-
lich geworden sowohl für die herkulanensischen Tänzerinnen und verwandte Werke,
wie für Phidias und seine Schule, hat also eine weite Verbreitung. Mehr geeignet, in
eine bestimmte Richtung zu weisen, ist der Faltenwurf oberhalb des Gürtels (Abb. 4).
Der beginnende Naturalismus, der dort in den abwechselnd sich trennenden und sich
nähernden Faltenzügen fühlbar wird, ist demjenigen der Olympiagiebel zu vergleichen,
nur weniger eingreifend durchgeführt und durch mehr Stilgefühl geläutert. Eine
schlagende Übereinstimmung bietet, so viel ich sehe, hier nur die sogenannte Pene-
lope (Abb. 5). In der besten Replik, die aber immerhin an Güte der Marmorarbeit
weit hinter dem Bronzeoriginal zurücksteht, kann man fast Zug für Zug die Falten
des Bausches mit denen am Wagenlenker vergleichen, nur daß sie bei dem dünneren
Frauengewande etwas schmaler und etwas dichter gehäuft sind. Und diese Wesens-
gleichheit ist um so schlagender, als der Stoff nicht gleichartig liegt; bei dem Manne
ist er am Arm fortlaufend zusammengenäht, bei der Frau stellenweise geheftet und
bildet etwas verschieden verlaufende Rieselfalten, die bei ihm dann beiderseits durch
eine Schnur niedergedrückt, bei ihr durch die Brüste gehoben werden. Eine solche
Übereinstimmung genügt, denke ich, wo sonst nichts im Wege steht, um auch den
Wagenlenker dem Meister zuzuschreiben, der das Original dieses altberühmten
Werkes schuf. Altberühmt war es wie kein anderes, davon zeugen nicht an erster
Stelle die römischen Kopien 4), sondern die Verwendung als Penelope 5) und
Elektra^) auf den sogenannten Inselrehefs, als Penelope auf dem attischen Skyphos
von Chiusi 7). Auch in dem Rehef von Gjölbaschi mit dem Polygnotischen Leukip-
pidenraub kommt sie nur wenig anders vor, unter den heftig gestikuherenden Frauen;
*) Es können diese Fußspuren allerdings auch ein 5) Franz Müller, Die antiken Odyssee-Illustrationen
Schema wie dasjenige der Stephanosfigur zu- S. 83.
lassen. «) Studniczka, Arch. Jahrb. XXVI 191 1 S. 124
*) Hier wiederholt nach Studniczka, Kalamis 54 Note 2 verzeichnet drei Exemplare, ein viertes
Abb. II. ist abgebildet von Sittl, II. Jahresbericht des
3) Kalamis S. 59. Kunstgeschichtlichen Museums der Kgl. Uni-
4) Heibig, Führer Nr. 89, 189 und 979. versität Würzburg Taf. II.
7) Monum. d. Inst. IX Taf. 42.
78
J. Six, Kaiamis.
Abb. 4. Büste des delphischen Wagenlenkers (nach Gips).
68upofASvai? loixaaiv, wie es bei Pausanias ^) in der Beschreibung von Polygnots
Iliupersis heißt. Ich schweige von der Persephone im ReHef zu Boston, da es nicht
ausgeschlossen ist, daß dort der Meister selbst sich wiederholt hat; s. u. Ein so be-
rühmtes Stück muß unsere Überlieferung kennen.
Kein Werk entspricht nach meinem Gefühle — und ich werde darin wohl nicht
alleinstehen — besser dem Bilde, welches man sich nach den Zeugnissen von Ka-
iamis zu machen berechtigt ist — wenn man daran festhält, daß Plinius ') dem
Caelator mit so vielen Worten nur ein Marmorwerk zuschreibt und wir ruhig den
Bronzearbeiter als den berühmteren dort voraussetzen dürfen, wo keine triftigen
Gründe an seinen jüngeren Namensvetter denken lassen, dessen Existenz mir von
Reisch erwiesen zu sein scheint 3). Besonders die Stelle, wo Dionysios von Halikar-
0 X 25. 9.
«) Nat. Hist. XXXVI 36.
3) Jahreshefte IX 1906. Diesem späteren Kaiamis
lasse ich auch gern mit Reisch S. 251 fE. den
Sohn des Hippasos. Nur muß ich, da risXoTrovvT^aio?
doch auch in mythischer Zeit ein unmögliches
Ethnikon bleibt, dabei verbleiben, seinem
Iphiitos ein Porträt eines Heer- oder Flotten-
J. Six, Kaiamis.
79
Abb. 5. sog. Penelope (nach Studniczkas Rekonstruktion).
naß^) des Lysias Xstttoty)? und X'^P^'^ ^^ jener des Kaiamis vergleicht, scheint mir durch
dieses Werk erst recht lebendig zu werden. Es sind vierzig Jahre her, seit ich Lysias
de caede Eratosthenis in der Schule las, und doch stand mir das freudlose Bild der atti-
schen Hausfrau, das dort geschildert wird, noch so lebhaft vor Augen, daß mir die
betrübt dasitzende Statue wie eine Illustration dazu vorkam. Freilich nicht mit
bewußter Absicht erzählt Euphiletos in seiner Selbstzufriedenheit von der Vernach-
lässigung seiner Frau, die er als Vertrauen gelten lassen will, aber Lysias zeichnet
mit so leichten und doch so sicheren Strichen, daß das schhchte Bild von der Verein-
samung einer lebenslustigen Natur unwillkürlich in versöhnender Anmut vor uns
steht. Kann nicht, mindestens unbewußt, auch der Autor des Vergleiches zwischen
Lysias und Kaiamis die Statue als jener attischen Hausfrau verwandt empfunden
haben? Ich finde auch bei Lysias weder das Pathos noch das eindringliche Suchen
führers der verbündeten Peloponnesier vorzu- Gesellschaft, worin sich die Inschrift befindet,
ziehen (Rom. Mitt. XXVII 1912 S. 75). Zu der paßt auch der Mensch besser als der Heros.
') De Isocrate c. 3 p. 522.
gO J- Six, Kaiamis.
des 4. Jahrhunderts. Es sind die einfachen Linien des »Primitiven«, die ein tieferes
Gefühl kaum zu verdecken vermögen.
Man kann sich aber schwerlich mit einem subjektiven Eindruck zufrieden geben,
solange von einem so berühmten Werk wie der Betrübten nicht auch eine Erwähnung
in der Überlieferung gefunden wird. Es werden drei oder vier Frauengestalten von
Kaiamis erwähnt. Die Hermione zu Delphi, gelegentlich bei Pausanias ^) genannt,
war in Kopie kaum zu erwarten und ist, obschon Pomtow die Basis nicht wieder-
fand ^), ausgeschlossen. Der Basis wegen kommt die Aphrodite des Kallias nicht in
Betracht. Von der Sosandra wissen wir, daß sie den Kopf bedeckt hatte, und nehmen
wir an, daß sie bis zu den Füßen bekleidet war. Das würde stimmen, denn es folgt
aus Lukian mit nichten, daß sie getanzt hätte. Ihr fehlt aber das [i-siSiafxa ssfivöv
xal XsXr^i^o?, worum es dem Schriftsteller nicht minder wie um die aiSw? zu tun ist 3),
So ist auch sie ausgeschlossen. Das kann nicht etwa an unseren Kopien liegen, denn
zu der Figur paßt kein Lächeln, sei es auch noch so heimlich 4). Es bleibt also nur
das berühmteste Werk des Kaiamis, die Alkmene. In ihrem Leben kommen Gründe
zur Betrübnis genügend vor. Sie aber über ihrem Arbeitskorb grübelnd vorzustellen,
heißt doch, sie sehr ungenügend bezeichnen, solange sie keinen Becher oder irgendein
anderes Kennzeichen hat. Gänzlich ausgeschlossen ist aber Alkmene durch die über-
einandergeschlagenen Beine. Diese Gebärde hat für sie bei der Eileithyia so ver-
hängnisvolle hemmende Bedeutung, daß kein Künstler sie selber in dieser Haltung
geben könnte.
Hat aber Kaiamis überhaupt eine Alkmene gemacht? Bei einem böotischen
Künstler, wofür ich ihn mit StudniczkaS) halte, wäre es allerdings nicht auffallend.
Wunderlich aber khngt die Mitteilung des Phnius ^), niemandes Alkmene sei be-
rühmter: Alcumena nullius est nobilior. Würde jemand von Rembrandt sagen:
niemandes Lukretia sei berühmter } Doch kaum, dazu haben zu wenige eine Lukretia
gemalt. Vortrefflich hieße es hingegen, da es eine ganze Gruppe solcher Bilder gibt:
niemandes Anatomiebild ist berühmter.
Steht denn aber wirklich der Name der thebanischen Heroine sicher in den
Handschriften.? Keinesfalls. Schon Blümner 7) hat darauf hingewiesen, daß der
Name Alkmenes bei Plinius wiederholt vorkommt und richtig Alcmena geschrieben
wird, der Bambergensis aber Alcamenet hat, andere Alchimena, und zwar
folgen diese Formen der Schreibung des Namens Alkamenes, womit der folgende
Satz anfängt 8), Kodex B hat: Alcamenet nullius est nobilior. Alcamenes
etc. V Ra haben: Alchimena nullius est nobilior. Alchimenes etc. Es
wird etwas anderes dagestanden haben, als das nur von Dalecampius überheferte
^) X 16. 4. ein XeXT|t}dc, ein aefxvov scheint mit dem Tanz
*) Berl. phil. Wochenschr. 1909 (Delphica II) in vollem Widerspruch.
Sp. 222; Berl. phil. W. 1912 (Delphica III) 5) Kaiamis S. 38 ff.
Sp. 573. 6) N. H. XXXIV 71.
3) Imagg. 6. Dial. meretr. III 2. 7) Archäologische Studien zu Lukian S. 11 ff.
4) Ähnliches gilt von Studniczkas tanzender So- ^) Benndorf, Festschrift zur 50 jährigen Gründungs-
sandra. Ein (Aei5ia[Aa würde ihr passen, sogar feier des Archäologischen Instituts S. 47.
J. Six, Kaiamis. 3l
altertümliche ALCVMENA, das man früher allgemein angenommen hat. Plinius
erwähnt häufig, besonders in diesem alphabetischen Künstlerverzeichnis, worin er
fast nur den Pasiteles ausgeschrieben zu haben scheint, die Werke der Künstler mit
einem generellen Namen, einem Spitznamen, einer kurzen Beschreibung mit zwei
Worten, wie der digitis computans des Eubulides, am häufigsten aber nur mit einem
Participium praesentis activi oder passivi, lateinisch oder griechisch. Auch hier
haben wir in dem -mene einen Partizipialausgang, und es fiel mir auf, daß an ALCV'
MENA nur ein Haken hinzuzufügen war, um ALGUMENA zu erhalten, die Schmerz-
liche, die Betrübte, die wir suchen. Allerdings schien zunächst dk^ooiiivri eine nicht
vorkommende Form, da im klassischen Griechisch dX^eiv nur aktivisch vorkommt,
in der späteren Gräzität aber kann ich wenigstens zwei Stellen mit dem Parti-
cipium passivum beibringen ^), von denen man die eine schon hat hinwegkorri-
gieren wollen, was aber angesichts des in dieser Zeit zunehmenden Gebrauches des
Passivums mit reflexiver Bedeutung gewiß verkehrt ist. Nicht unmöglich, daß an
andern Stellen unsere Ausgaben schon dieselbe Schlimmbesserung der Handschriften
stillschweigend aufgenommen haben. Was weiß man denn eigentlich von dem Griechisch,
das im Atelier des Pasiteles gesprochen wurde } Die Korrektur ist nicht erhebHcher
als die, wodurch die Pseliumene des Praxiteles oder der Perixyomenos des Daippos
wiedergewonnen sind, wo man früher psilumene und paralyomenos zu lesen ver-
sucht hatte. Und wenn man entgegnen sollte, daßAlcmene eine geringere Änderung
der handschriftlichen Überlieferung wäre, was ich bestreiten möchte, so berufe ich
mich auf Kleinst) einleuchtende Verbesserung im nächsten Satz: encrinomenos
zu encriomenos, wo durch Korrektur einer scheinbar nicht anstößigen Lesung dem
Alkamenes sein Salber zurückgegeben wurde. Die griechischen Worte haben dem
Abschreiber offenbar Schwierigkeiten bereitet und zu Schlimmbesserungen geführt.
So zeigt nicht viel weiter unten auch die Mehrzahl der Codices musica, wo der
Bambergensis gewiß in myetica den Rest des ursprünghchen mycetica auf-
bewahrt hat 3).
'AXY0üp.£V7j drückt treffend den Charakter des Werkes aus, und mit Recht
konnte gesagt werden, daß niemandes Betrübte berühmter war. Hier handelt es
sich um eine ganze Gattung, wobei ich noch nicht so sehr an die flentes matronas des
Sthennis oder die matrona flens des Praxiteles denke, als an die vielen Grabfiguren,
die nicht die trauernden Zurückbleibenden sind, sondern den Schmerz des Scheidens
in der Verstorbenen selber verkörpern 4),
') Diosc. Eupor. 1 69 StaxpaTEiv Iv Ttjj aT(5fjiaTi xaxi es nicht einmal gewesen, bei Plinius algu[no]-
Tov dXyojfjiEvov öodvxa. Angeführt von E. A. mena zu lesen. Daß der Sinn ganz derselbe
Sophokles, Greek Lexicon of the Roman and bliebe, dafür verweist mich mein Kollege Kuiper
Byzantine periods from B.C. 146 — A. D. iioo, auf Soph. Ant. 468 xet'voi; av^Xyouv xotaSe o'oux
und (Pseudo-) Hippocr. Coacae praenotiones 279 <i)q'j-jo[LOii. Auch macht er mich aufmerksam auf
' T7:o)(ov8piov 8e ypi) [xaX&axov elvai xal azovov die analoge Verwendung von Trovela&ai.
xai o[i.ctXe;* cpXeY[j.ottvov hi tj dvcufxctXu)? ex°''' ^ *) ^^^ Enkrinomenos des Alkamenes, Arch. epigr.
äXyoüiJiEvov, STjfAelov öpptuSTtT); iaxi obx tbT]%zoi. Mitt. 1891 S. 6.
Passow-Crönert. In klassischem Griechisch müßte 3) Rom. Mitt. XXVII 1912 S. 81.
es dXyuvopi^vT) heißen, und allzu verwegen wäre 4) Z. B. Att. ^Orabreliefs T. CXIV — CXVII.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. 6
g2 J- Six, Kaiamis.
Während des Druckes bin ich noch auf eine schlagende Bestätigung dieser
Ansicht gestoßen. Macrobius, Saturn. I c. XXI, erzählt von Venus und Adonis u. a.:
Et cum est in inferioribus et ideo dies breviores fecit, lugere creditur dea usw., und
dann: Simulacrum huius deae in monte Libano fingitur capite obnupto, specie
trlsti, faciem suam laevo intra amictum sustinens, lacrimae visione
conspicientium manere creduntur: quae imago praeter quod lugentis est ut divinus
deae usw. . . . Das wieder aufgefundene Werk, Jeremias AT A. O. * 390, Greßmann,
Altorientalische Texte und Bilder II Abb. 133, ist offenbar aus später Zeit und für
die ursprüngliche Bedeutung der Figur wertlos.
Haben wir so das zu Plinius' Zeiten berühmte Werk in den von Studniczka ^)
rekonstruierten Kopien wiedergewonnen und zu gleicher Zeit ein Bronzeoriginal, so
fragt sich, was daraus weiter zu folgern ist. Daß sich der Hermes Kriophoros der
Sammlung Barracco anschließt, sahen wir schon. Auch was die Münzen über das
Standmotiv lehren, paßt vortrefflich. Ferner verträgt sich unsere Auffassung
des Meisters mit dem, wasReisch 2) über den Eindruck ermittelt hat, den in Rom der
ungeheure Apollokoloß von Apollonia machte, wenn wir nämlich an die Vereinfachung
der Formen denken, die im Altertum bei so übergroßen Werken üblich war. Das
Standmotiv, wie es die Münzen geben, scheint mit dem von uns gefundenen identisch.
Nach dem, was Studniczka 3) von den Füßen der »Hestia« sagt, dünkt es mich nicht
unwahrscheinlich, daß eine andere Replik zu den Standspuren der Aphrodite des
Kallias stimmen könnte. Ich wies schon darauf hin, daß wir in der Draperie eine
jüngere Stufe der Entwicklung anzunehmen hätten; fällt der Wagenlenker 474,
so muß die Aphrodite später sein; ob so spät wie der Kalliasfrieden 450, wage ich
nicht zu entscheiden.
Eng schHeßt sich an diese Figur die inschriftlich bezeugte ungeflügelte
Nike 3) der Münzen von Terina an, mit dem festen Stand auf beiden Füßen, in dem
Faltenwurf der Diplois, in dem auf die Hüfte gestützten Arme; nur der gesenkte
rechte Arm der Nike und der unbedeckte Kopf weichen ab. Auch ist es kein Zufall,
daß der Kopf 4) der Vorderseite dieser Münze so gut wie identisch ist mit dem des
Dekadrachmons von Syrakus, den Heibig 5) zum Vergleich mit dem ludovisischen
Kolossalkopf herangezogen hat.
Ist etwa die Nike der Münzen von Terina eine Nachahmung der ungeflügelten
Nike von Mantinea, von der Pausanias spricht, oder ist sie eine ältere Schöpfung des
Kaiamis, von der uns die Kunde verloren ging.? Ich möchte das letztere vermuten,
auf Grund dessen, was ich noch über das Weihgeschenk der Mantineer vorzubringen
habe.
Die Quadrigen und Bigen, die Plinius erwähnt, können gewiß nur dem älteren
Kaiamis gehört haben, so gut wie Hierons Rennpferde und der Wagenlenker, den wir
erkannten. Auch das Geschichtchen bei Plinius von der Benignitas des Praxiteles
I) Studniczka, Kaiamis Taf. 6 b, i. 2. 3. 3) Regling, Terina Taf. II a.
^) Jahreshefte IX 1906 S. 220 ff. 4) Regling a. a. O. Taf. I A.
5) Führer II S. 85 Fig. 33.
J. Six, Kaiamis.
83
weist auf den älteren Kaiamis hin. Ich will gern annehmen, daß es nicht wahr ist,
aber Plinius oder seine Quelle hat sicher den alten Kaiamis und den berühmten
Praxiteles gemeint, sonst hätte das Gerede von der Benignitas keinen Sinn.
(Es wird z. B. niemandem einfallen, es der Güte der Mlle. Callot zuzuscheiben, daß
sie den Kopf zu dem Reiterkoloß Peters des Großen von Falconet modelliert hat,
damit er im Porträt nicht geringer wie im Pferde scheinen sollte, oder Wouwermans
Wohlwollen gegen Hobbema, daß er Figuren in seine Landschaften malte — dafür
ist solches Zusammenarbeiten zweier Künstler nicht selten genug. Plinius nennt
selber Beispiele die Menge. Man könnte aber von der Benignitas des Velasquez
Abb. 6. Relief zu Boston.
reden, der, damit ein vortrefflicher Bildnismaler aus früherer Zeit in Kleidung und
Pferden nicht geringer schiene wie in den Gesichtern, die großen Reiterbildnisse
Philipps III. und seiner Gemahlin mit Ausnahme der Köpfe übermalte.) Unsere
Quelle kann sich übrigens leicht durch den Namen des Praxiteles zu dieser etwas un-
wahrscheinlichen Behauptung haben verleiten lassen. — Der Wagenlenker des Kon-
servatorenpalastes i) hat nun merkwürdig gute Empfehlungen als Werk des Kaiamis
oder seiner Schule, besonders wenn Benndorf und Studniczka^) recht haben, daß es
sich bei diesem um eine Erneuerung des Kleisthenischen Weihgeschenkes nach 446 ge-
handelt hätte. Dann würde der Meister Kaiamis über der Arbeit gestorben sein, der
Schüler Praxiteles sie vollendet haben. Gerade bei diesen Wagen paßt ein Wagen-
lenker in heroischer Nacktheit, nicht in dem Gewände, das bei den Rennen wirklich ge-
*) Heibig, Führer I u. 973, Bulletino comunale XVI *) Kaiamis S. 60.
1888 Taf. XV.
34 J' Six, Kaiamis.
tragen wurde. Auch ist der Kopf, obgleich kaum von derselben Hand, doch verwandt
mit der Gruppe, die uns beschäftigt. Am nächsten steht er in dem allgemeinen Bau und
besonders in der Umrahmung der Stirn durch die Locken dem Eros mit der Wage
auf dem Bostoner Relief. Dürfte man trotz alledem, was immer wieder dagegen
angeführt wird, doch einen älteren Praxiteles anerkennen, dessen Werke sich unter
denen seines berühmten Namensgenossen versteckt hätten, so gäbe es eine unge-
suchte Erklärung für seine wunderHchen »duo signa diversas adspectus exprimentia,
flentis matronae et meretricis gaudentis« ^), wenngleich der Zusatz »hanc putant
Phrynen fuisse deprehenduntque in ea amorem artificis et mercedem in voltu mere-
tricis« einen starken, aber nicht unerklärlichen chronologischen Schnitzer enthalten
müßte. Das Relief zu Boston (Abb. 6) zeigt nämlich gerade diesen Gegensatz und
könnte das Werk Praxiteles' d. Ä. sein, während nach römischen Anschauungen die
orientalischen Kultbräuche leicht dazu veranlassen könnten, die große Göttin Asiens
eine Meretrix zu schelten. Einen Altar mit Werken eines Praxiteles erwähnt
übrigens auch Strabon hinter dem Artemistempel zu Ephesos.
Das alles ist aber noch unsicher, und vorläufig mag der marmorne Altar einfach
dem Kreise des Erzbildners Kaiamis zugewiesen bleiben oder sogar seine eigene
Arbeit sein. — In Rom scheint wenig von dem Werke zu verlauten. Man hat, soviel
ich weiß, nicht wieder versucht, den römischen Namen des heiligen Bezirks zu er-
mitteln, seitdem die Venus Erycina kaum mehr in Betracht kommt; und doch scheint
die Erkenntnis nahezuliegen. Cavedoni 2) hat in der Venus einer Münze des M. Cor-
dius Rufus mit der Wage die Venus verticordia erkennen wollen, und obgleich er
kaum in jeder Beziehung richtig gesehen hat 3), meine ich doch, daß er in bezug
auf die Wage recht behält. Hat seine Venus verticordia doch auch Reinach 4)
vor kurzem die Schlüssel zur Erklärung der Mainzer Säule geliefert.
An der Via Salaria soll diese Göttin ihren Tempel gehabt haben, und auch dies
paßt vortrefflich. Nach Lanciani 5) ist der Teil der Sammlung Buoncompagni
Ludovisi gefunden worden »nell' area limitata vie Buoncompagni, Abbruzzi, Pie-
monte e Sicilia«, das heißt in der äußersten südöstlichen Ecke der ehemaligen Villa
Ludovisi, also vor der Servianischen Mauer, in den Horti Sallustiani, in gleicher Ent-
fernung von der Porta Salaria wie der Pinciana, möglicherweise von der Via Salaria
aus am ehesten zu erreichen. Liest man Ovids Fasti IV 133 — 162, so glaubt man fast
in jeder Zeile an den Bostoner Altar erinnert zu werden. Die Matronae und Mere-
trices (133/4), das nasse Haar (141), der Weihrauchbaum (145, 150), die Nacktheit
(147 — 150) scheinen ebensoviele Anspielungen. In dem Heiligtum der Venus verti-
cordia mit der Wage, das im Jahre 114, unter dem Konsulat des M. AciHus Baibus
und C. Porcius Cato gegründet war, wird man später vielleicht den für diesen Platz
so geeigneten Altar aufgestellt haben.
Von der Algumene mußten in dem Vorrat römischer Statuen Kopien auf zu -
I) Plinius, N. H. XXXIV 70. 3) Wissowa de Veneris simulacris romanis S. 39.
*) In Borghesi, Oeuvres II 269. 3. 4) Revue archeol. 1913 S. 30.
5) Bull. Communale XXXIV 1906 S. 176.
J. Six, Kaiamis. g c
finden sein. Von der Sosandra können wir das nicht verlangen, und doch wird es
vielleicht gelingen, von dem verlorenen Werke, das Lukian feinsinnig pries, eine
Vorstellung zu gewinnen. Wie die betrübte Persephone zu Boston zur Algumene
steht, so muß die beglückte Aphrodite fisiStaaaa dbavdxt^ TrpoawTro), wie sie Stud-
niczka ^) schön mit Sapphos Worten bezeichnet, zur Sosandra gestanden haben,
ist sie, die sich ihren Gemahl rettet, doch auch gewissermaßen eine Sosandra. Sie
entspricht genau deren Beschreibung, in der Bekleidung bis zu dem Fußgelenk, in
dem Vst8iaa[i.a cfejxvov xal XeXtj&o?, in xö ebazakk^ 8s xal v.6a\iiov xrj? dvaßoXr^?, mit dem
nicht leicht ein Faltenwurf von so keuscher Schönheit zu vergleichen sein wird.
Vergeblich hat man bis jetzt gefragt, welche Göttin die Sosandra war. Aischylos'
Anspielung auf Helenas Namen zeigt uns den Weg. Der Chor im Agamemnon fragt,
V. 68 1 : TIS TCOT tuvofiaCsv «SS' e? xö irav sxyjxutxto; — xav Sopi^aji-ßpov djicpivstx^ {>' 'EXsvav^) •
STTSi TrpeTTovx«)? sXiVotu? sXavSpoc sXsttcoXi; x. x. X. Der Sosandra parallel steht danach
Abb. 7. Tetradrachmen von Gela, 466 v. Chr.
die Sosipolis, die wir von den Münzen von Gela (Abb. 7) 3) kennen, als
eine Göttin im Stil der olympischen Giebel, die den Gelas bekrönt. Nur daß die
eine den Staat rettet, die andere die Männer. Man denkt bei der Sosipolis leicht
an Tyche, aber der Kranz weist eher auf Nike, und mit der Nike der Münzen
von Terina ist die Ähnlichkeit ^roß. Vor dem Streite ruft man mit Pindar 4)
das rettende Glück an, die Tochter des freien Himmels: Xiaaoiiai irai Zyjvo?
'EXsu^spt'ou — Swxstpa Tu)(a, um den Staat zu beschützen. Die Siegesgöttin
aber ist die rechte Retterin der Stadt, und nach dem bisherigen spricht nichts da-
gegen, in der inschrifthch bezeugten Sosipolis die Nike oder, wenn man will, die
Gela-Nike zu erkennen. Ist nicht der Staat, sondern sind nur die Männer in Gefahr,
so muß der Name der Retterin Sosandra lauten.
Das Bild der Sosandra sah man nach Lukian 5) i? ttjv dxpoTtoXiv dveXOtov.
*) Arch. Jahrb. XXVI 191 1 S. 141. das nach Afos gebildete Ata ersetzt worden sind.
*) Näv ist der sprachgesetzlich zu erwartende Ak- Andererseits hat Ziiv Zr^vd; erzeugt.
kusativ zu vaü?, wie ßöiv (Dorisch und IL 7. 237) 3) Num. Chron. 1883 PI. IX 4.
zu ßoü?, Zip zu Zeus, die durch vaüv, ßoüv und 4) Olymp. XII i.
S) Imag. 4.
g5 J. Six, Kaiamis.
Am Aufgang der Akropolis aber gibt es außer der Aphrodite des Kallias, die für uns
nicht in Betracht kommt, kein Bild, das von Kaiamis sein könnte, als dieAthena-
Nike, die ungeflügelte Nike, die Kaiamis für Mantinea wiederholte, die mit vollem
Recht den Namen Sosandra tragen kann und mögHcherweise in einem Epigramm
getragen hat. So bestätigt sich die glänzende Kombination Benndorfs ^), der man
nur chronologische Bedenken ohne Gewicht entgegengestellt hat. Auf ganz anderem
Wege zur selben Erkenntnis gekommen — mir war seine Ansicht nur aus Kekules
Widerlegungsversuch bekannt und fast entgangen — kann ich hier nur auf seine aus-
führliche Begründung verweisen, Kimon habe nach der Schlacht amEurymedon, 465,
die Stadtgöttin von Side, der Stadt der Granaten, eine helmtragende asiatische Göttin,
die man offenbar mit Athena gleichsetzt ^), als Athena Nike auf die Akropolis über-
tragen. Und selbst wenn Benndorf unrecht haben sollte und die Granate neben dem
abgelegten Helm der Athena Nike keine andere Bedeutung hätte als in späterer
Zeit ein Füllhorn, so bliebe meine Vermutung doch bestehen; ich zweifle aber nicht,
daß er recht hat. Wie es kam, daß das Werk des Kaiamis in Athen Holzmodell
blieb, obwohl es für Gold und Elfenbein gedacht war, während für die Mantineer
ein Bronzeguß hergestellt wurde, entzieht sich unserem Wissen. Die Inschrift 2)
aber, die uns lehrt, daß das Tempelchen erst um die Mitte des Jahrhunderts nach
den Plänen des Kallikrates gebaut ist, bestätigt, richtig verstanden, Benndorfs Ansicht
in der Hauptsache, statt, wie man gesagt hat, sie endgültig zu widerlegen. Ist es
doch vollkommen in der Ordnung, daß man nach Kimons Tode (449) seinen Nachlaß
ordnete und den Verpflichtungen, die er dem Staate den Göttern gegenüber auferlegt
hatte, nachkam, sei es auch in bescheidener Weise. So erklärt sich der Gegensatz
zwischen dem Xoanon und dem Tempelchen, das ebenfalls noch in jüngeren Kunst -
formen auf seinen Friesen von dem Kampf zwischen Asien und Europa erzählt.
Der Name Sosandra wird einem Epigramm entlehnt sein, das von dem mannen-
rettenden Sieg am Eurymedon berichtete.
Der Maler der weißgrundigen Lekythos (Abb. 8) 3), der nicht mehr als eine
Hand mit Attribut, der Granate, darstellen konnte und daher den Helm wieder auf
den Kopf setzte, während das Xoanon ihn in der Hand hielt, kann nicht lange
nach der Schlacht am Eurymedon gearbeitet haben. Auch die Nachahmung oder
Wiederholung des Typus am Altar zu Boston kann man wohl kaum viel später an-
setzen. Dieses Werk aus dem Kreise des Kaiamis kann übrigens ebensogut für
Side wie für Amathus gearbeitet sein, da auch in Pamphylien Adonis unter dem
Namen Abobas verehrt wurde 4). Ich wage nicht, auf die Mythologie von Side
einzugehen und zu fragen, ob die Göttin, die man dort als Athena darstellte,
') Festschrift zur 50jährigen Gründungsfeier des Plutarch das unbekannte "Yopo) durch 'lo'jpiiJ zu
Archäologischen Institutes zu Rom S. 17 ff. Wo ersetzen als den Ort, wo die phönikischen Schiffe
ich in untergeordneten Dingen von Benndorf ab- genommen wurden,
weiche, ergibt sich das von selbst. Ich möchte *) Michaelis, Arx S. 44, 23.
nur verweisen auf eine Notiz meines Vaters, 3) White Ath. Vases XIV.
Dr. J. P. Six, der aus Steph. Byz., s.v., "loupo; 4) J. F. Six, Num. Chron., verweist dafür auf Hesych
TtoXi; xai 7:oTa|j.6s nafAcpuXtas anführte, um bei s. v. 'Aßwßas.
J. Six, Kaiamis.
87
trotzdem Aphrodite nahe verwandt war oder ob ihre auf dem Altar durch die
Granate bezeichnete Rivalin vielleicht sogar Side statt Persephone zu benennen
sein könnte ^). — Kehren wir zur Athena Nike zurück. Daß sie den Helm ab-
genommen' hat, erklärt sich ganz einfach als Zeichen des Sieges, der Entwaffnung
zuläßt, und wenn wir für das Lächeln noch einen Beleg verlangen, so gibt ihn uns
das Epigramm*) auf die Niken der Balustrade, das sie Nixai . . . -(oXStaai T.ap^ivoi nennt,
wie es den siegesfrohen Göttinnen paßt. — Das Material — Holz — hat Lukian
nicht gehindert, sie zum Vorbild der atSw? zu wählen, kann aber der Grund
sein, warum Plinius des berühmten Werkes keine Erwähnung tut.
\it/zssssi3rzmsnjizßmsmi
Abb. 8. Weißgrundige Lekythos des British Museum.
Dagegen kann man die Forderung stellen, daß in den attischen Urkundenrehefs
sich irgendeine Spur auch von dieser Athena finden müsse, und trügt nicht alles, so ist
das in der Tat der Fall. Nehmen wir die siegreiche Aphrodite zu Boston als Aus-
gangspunkt, so finden sich verschiedene, leider sehr unvollständig erhaltene Figuren,
selbstverständHch in eine jüngere Formensprache umgesetzt, aber doch genügend
verwandt, um mit jener zusammen eine Rekonstruktion des Vorbildes zuzulassen.
Es ist eine seitwärts auf einem quadratischen Block sitzende Athena, das eine Mal
nach rechts, das andere nach hnks gewandt, die zugekehrte Hand wie die der
Persephone gehalten oder mehr herabhängend, das letztere in den Fällen, wo der
*) Der Skorpion bei Ovid a. a. O. würde dafür Orion einige Züge gemein haben, scheint Identi-
sprechen können, aber wenn auch Adonis und fizierung doch ausgeschlossen.
*) Palladas, Anth. Planud. 282, Michaelis, Arx a. a. O.
38 J* Six, Kalatnis.
Helm am Boden steht, und besonders da, wo er von der Hand getragen wird ^). Das
letztere Beispiel (Abb. 9), wo ganz in derselben Weise wie an dem Bostoner Altar der
Mantel die Beine bedeckt, gibt in richtiger Verkürzung den Fuß der Statue wieder.
Leider fehlt immer der Oberkörper und erscheint der andere Arm, wo er erhalten ist,
in anderer Weise beschäftigt, z. B. indem die Hand einer anderen Figur gefaßt wird.
Hier aber tritt die weißgrundige Lekythos (Abb. 8) ergänzend ein, um uns zu über-
zeugen, daß die Gebärde der erhobenen Hand am Bostoner Relief nicht weit vom Vor-
bild entfernt sein kann. Nur war das Xoanon nach hnks gewendet, wissen wir doch durch
Heliodoros den Periegeten, daß es den Granatapfel in der Rechten, den Helm in der
Abb. 9. Attisches Uikundenrelief.
Linken hatte. Ob an den »Thakos«, auf dem sie saß, noch ein Schild gelehnt war,
wie es einige der erwähnten Rehefs zeigen, können wir nicht entscheiden. Daß der
Sitz ornamentale Formen gehabt hätte wie auf einem der Rehefs, möchte ich vor-
läufig kaum glauben. Als später die Nikebalustrade um den Pyrgos errichtet
wurde, gab der Bildhauer auch der Athena inmitten der Niken eine ähnliche Hal-
tung ^), und wenn die Athena des Parthenonfrieses stärker abweicht — die Um-
wicklung der Beine durch den Mantel zeigt doch auch hier wieder den Einfluß des
älteren Bildes, und dieser läßt sich selbst bei den Giebelfiguren nicht verkennen.
Auch die Münzen von Terina zeigen die Nike häufig in ganz ähnlicher Stellung,
') Svoronos, Das Athener Nationalmuseum Taf. Boden), CCV = Benndorf VIII 50, CCVII 2. I. 65
CLII 2434, (CCXXVI6) 2793 (CCXXVII 2), 2792, = Benndorf IX, 52 (Helm in der Hand) und
CLXXXXVI 2982, 2984 und 2983 = Benndorf, Benndorf XXI 91 (Helm im Schöße).
Griechische Reliefs Taf. XXI 92 (Helm am *) Kekule Fig. E.
J. Six, Kalamis.
89
die Rechte gehoben, die Linke herunterhängend, und nicht viel anders drapiert.
Nicht ohne Grund hat Lukian den Wurf des Kleides gerühmt.
Würde man nicht Lysias vortreffHch illustrieren können, wenn man die Buhle
des Eratosthenes nach dem Vorbilde der Sosandra zeichnete, ihm gegenübersitzend,
wie sie mit siegreichem Lächeln die Schlüssel emporhält, mit denen sie den Ehe-
gatten eingesperrt hat! Sie würde allerdings der Aphrodite des Thrones ähnhcher
werden als der Athena Nike; dieser geziemt das lionardische Lächeln des ludovisi-
schen Kopfes.
Der »Hestia« reiht sich zunächst die »Aspasia « an, wie man nach Amelungs ^)
glücklicher Wiederherstellung jetzt allgemein annimmt. Aber es ist eine jüngere Ent-
wicklung in demselben Geiste, die wir vor uns
haben. Der Kopfj ist noch sehr ähnlich, mit einem
ernsten, traurigen, doch nicht unfreundlichen
Ausdruck, der den Gedanken an ein Lächeln (und
an Sosandra) durchaus verbietet. Der Stand
aber, mit dem seitwärts gestreckten Spielbein, ist
schon der attische des Phidias und seiner Um-
gebung. Der Faltenwurf, an der »Hestia« auf
den Überschlag beschränkt, hat hier an Breite
gewonnen und sich prachtvoll entwickelt; nur
unten sehen die alten Steilfalten noch schüchtern
hervor *). Trotzdem ist es nicht allein die Ver-
hüllung des Kopfes, die an den Altar erinnert.
Bei Aphrodite (und also wohl auch bei der So-
sandra) legt sich der Mantel ähnlich um den vor-
gestreckten Arm, und nicht minder lehrreich ist
ein Vergleich der linken Seitenansicht 3) — an
der besten Rephk — mit der alten Frau zu Bostoir
(Abb. 10), mit ihren breiten sicheren Zügen.
Haben wir in der Aspasia noch ein eigenes Werk des Kalamis, wie man gern
annehmen möchte, oder nur eine Weiterbildung in seinem Stile ? Amelung erwähnt
ganz richtig den Einfluß solcher Figuren auf die Stützen korinthischer Spiegel. Leider
aber lehrt uns das nichts über die Herkunft der Vorbilder. Die epochemachenden
Werke des Kalamis standen zu Olympia, Delphi, Athen an leicht zugänglichen
Orten, und Kallimachos, der von den Alten mit Kalamis zusammen genannt wird,
war, da er als der Erfinder des korinthischen Kapitells gilt, wahrscheinlich selber
Korinther.
Unter den bezeugten Werken des Kalamis sehe ich nur eins, das für die Aspasia
in Betracht zu kommen scheint, besonders wenn man mit Recht der Figur eine Blume
in die Linke gegeben hat. Aber auch ohnehin spricht für die Semne am Areopag
Abb. 10. Detail vom Relief zu Boston.
') Rom. Mitt. XV 1900 S. 181 ff.
») Bulle, Der Stil. I. 2. Aufl. Taf. 117.
3) A. a. 0. Spalte 240 Abb. 52.
90
J. Six, Kaiamis.
ZU Athen, die nichts SchreckHches, ouSsv cpoßepov, hatte ^), die vollständige Ver-
hüllung und der tief wehmütige Ernst.
In einiger Entfernung schließt sich dem Altar auch die sogenannte esquilinische
Venus an, deren Bedeutung noch unsicher bleibt. Am meisten Zustimmung hat wohl
V. Duhn mit dem Namen Atalanta gefunden, daneben aber scheint mir Kleins 2)
Vermutung beachtenswert, daß wir eine Kopie
der Hydna hätten, von den Amphiktyonen zu
Delphi aufgestellt und von Nero nach Rom ge-
bracht 3), obgleich mir die Begründung nicht in
jeder Beziehung glückhch vorkommt. Nicht nur
die Sandalen, auch das Zusammenbinden des
Haares paßt nur halb zu einer Taucherin, die
tauchen will, Sandalen sind hinderlich beim
Schwimmen und Tauchen. Das Haar müßte sie
vielmehr lösen. Die japanischen Taucherinnen,
die Awabifischerinnen, tun ihre Arbeit auch mit
nicht oder wenig aufgebundenem Haar 4). Die
Nachrichten von Skyllos und Hydna sind aber
wohl kaum geschichtlich aufzufassen und eher von
den delphischen Statuen abgeleitet. Die Amphi-
ktyonen hatten offenbar Bildsäulen des Strudels 5)
und seiner Tochter, der Woge, geweiht, weil diese
die persischen Schiffe bei Skione von ihren Ariker-
tauen geschlagen und durch Treibholz die Kunde
bis Euboea getragen hatten. Die göttliche Hydna
aber, als Taucherin dargestellt, kann nach der
Arbeit ihr Haar sofort aufbinden und hat nicht
abzuwarten, bis es getrocknet ist, wie ein Men-
schenkind. Wie die Darstellung aber auch heißen
mag, jedenfalls ist die eigenartige Mischung von
altertümlicher Strenge mit unerwartetem Natura-
lismus ganz dieselbe, die wir am Wagenlenker be-
merkten und am Altar wiederfanden. Auch die
Beinstellung ist verwandt, nur scheint die Seit-
wärtsschiebung des Körpers über das hinauszugehen, was wir bis jetzt bei Kaiamis
gefunden haben. Unter seinen Werken wird die Statue nicht genannt, aber auch nicht
*) Pausanias I 28. 6, Schol. Aeschin. c. Tim. 5) Skyllos, Skyllis, Skyllios ist anerkanntermaßen
Abb. II. »Wettläuferin« des Vatikan.
(p. 747, Zeiske), Clem. Alexandr. Protrept. 47
(p. 41, ed. Pott.), Schol. Soph. Oed. Col. 39
(Polemon).
*) Österr. Jahresh. X 1907 S. 141.
3) Pausanias X 19. i.
4) Stratz, Die Körperformen der Japaner S. 192,
193, Taf. IV.
das Maskulinum zu Skylla, allein die Etymologie
ist unsicher. Ich möchte an den Stamm xuX von
xuXiv6(ü denken mit verstärkendem a. Umge-
kehrt sagten die Eleer xuXXot; statt oxöXa^ und
Skylla hat man immer mit jungen Hunden in
Verbindung gebracht.
J. Six, Kaiamis.
91
unter denen anderer. Sie erinnert an Ingres Source, obgleich der Maler sie nicht gekannt
hat. Und auch hier scheint mir ein Greis jungfräuliche Reize mit keuschem Empfinden
nachgebildet zu haben. Jedenfalls wäre das Werk nahe an das Ende seines Lebens
zu stellen, und so erscheint es nicht einmal ausgeschlossen, daß Polyklets Diadumenos
schon dieses Werk beeinflußt hätte. Kein Beispiel wäre gewiß geeigneter, um den
Gegensatz fühlbar zu machen zwischen der XeTrco-nfj? und x^P^^ ^^^s einen mit dem
asfivöv xal ixsyaXöxsj^vov ^) des andern. Auch Fronto 2) spielt auf diesen Gegensatz
an, nur hat er die Personen verwechselt, indem er für Kaiamis die Lepturga unmöglich
nennt und für Polyklet eirorga. Megalurga scheint nicht dazustehen,
Dionys ist aber auch mit [Xiya? noch nicht zufrieden und verstärkt es weiter zu ev xois
[Aei'Coai. Sollte man nicht vielleicht bei Fronto
meizorga lesen müssen, so ungewöhnlich das
Wort auch gebildet sein mag.? Freilich ist
auch dann die Stelle noch nicht heil. Es ist
doch nichts Unwahrscheinliches, von Kana-
chos Götterbilder zu verlangen. Fronto
hätte schreiben müssen: quid si quis postu-
laret ut Phidias ludicra, autPolycletus deum
simulacra fingeret, aut Calamis meizorga
aut Canachus lepturga. Der Gegensatz von
Phidias und Polyklet untereinander, zu-
sammen mit Kaiamis, wäre dann zum Aus-
druck gekommen, so gut wie der zwischen
letzterem und dem älteren Meister.
An diese Werke schließt sich aner-
kanntermaßen auch die »Wettläuferin«
(Abb. 11) 3) an, die im Begriff, ihren Lauf
anzutreten, mit dem rechten Fuß noch auf
der Schwelle zu stehen scheint. Dieser erhöhte Stand des zurückgesetzten Fußes ist
ein Schema, das sich auch am ludovisischen Relief findet bei den Geburtshelferinnen
der Aphrodite. Auch hier also schon vor Polyklet ein Standmotiv, das diesem Meister
besonders eigen scheint. Es freut mich deshalb, das Motiv nicht nur auf einer attischen
rotfigurigen Schale (Abb. 12)4) nachweisen zu können, an einem nackten Mädchen,
das mit Polykletischem Stil nichts gemein hat und Kaiamis nicht fernsteht, sondern auch
an einem mit der Kunst, die wir behandeln, nahe verknüpften Denkmal, der sogenannten
trauernden Athena der Akropolis 5). Die Stoffbehandlung der letzteren erinnert an den
Wagenlenker, die Hand auf der Hüfte an die »Hestia «, und auch das Profil scheint zu unse-
rer Gruppe zu gehören, nur fehlen noch die feineren Errungenschaften in der Draperie.
Abb. 12. Rotfigurige Schale; früher in der
^ Sammlung van Branteghem.
0 Dionys Halic. a. a. O. (S. 79, i).
2) Hauler, Arch. f. latein. Lexikographie XV S. 106 f.
3) Heibig, Führer 364, II S. 81. [Die Abbildung
wiederholt nach Rom. Mitt. XXIV 1909, 109 ff.,
wo B. Schröder die Figur der Tänzerin deutet.
Anm. der Red.]
4) Collection van Branteghem, Catalogue par W.
Fröhner PI. 77.
5) Dickens, Catalogue no. 695, Bulle, Der Stil I 273.
92
J. Six, Kaiamis.
0 I A I /< p A A r
Doch genügen diese Belege des Schemas in unserem Kreise, um Studniczkas ^)
treffendem Nachweis einer Bronze, die den Dionysos des Kaiamis zu Tanagra als
Werk des alten Kaiamis zu bestätigen scheint, eine neue Stütze zu verleihen.
Weiter kann ich nicht gehen. Der Eros Soranzo ^), allerdings im Kopf jener
eben erwähnten Bronze sehr ähnlich,
ist doch im Standmotiv und den Formen
von Körper und Gesicht deutlich von
unserer Gruppe verschieden. Näher
schon steht der prachtvolle Knabenkopf
des Herzogs von Devonshire 3), den
Studniczka auch heranzieht; aber unse-
rem Typus kommt der auch mit dieser
Bronze zu vergleichende Kopf des Dorn-
ausziehers 4) doch sehr viel näher, so-
wohl in der allgemeinen Form wie in
den einzelnen Zügen. Er ist allerdings
jünger als der Wagenlenker, nicht allein
an Jahren, sondern auch der Zeit nach,
aber der Körper steht im Bau und Auf-
fassung den Nacktfiguren des Altars
nicht fern. Schon 1874 hat Brizio 5) mit
scharfer Einsicht die Formen mit jenen
der Algumene verglichen und den Knaben
dem Kreise des Kaiamis zugeschrieben.
Ja, so nahe stehen sich die Körperbildung
des Wagenlenkers und des Spinario, daß
ich nicht anstehen würde, eine spätere
Arbeit desselben Meisters in letzterem
zu erkennen. Wenn das kleine Bronze-
mädchen aus Herkulanum, wie Flasch
gesagt hat, seine leibliche Schwester
scheint, so gilt das höchstens für die
Vorderansicht des Kopfes, denn das
Profil zeigt nicht die charakteristischen
So stört es uns nicht, daß ihre Gewan-
\
/
V=^:
Abb. 13.
Rotfigurige attische Amphora mit Euphorbos
und Oidipodes,
Formen, besonders nicht im Untergesicht,
düng mit dem Wagenlenker nichts gemein hat und der »Aspasia« nur halb zu ver-
gleichen ist. — Unter den uns überlieferten Werken des Kaiamis ist der Dornaus-
zieher allerdings nicht unterzubringen. Zu den betenden Knaben der Akragantiner
kann er nicht gehören, da er nicht betet. Der Name, den ich nennen zu können meine,
scheint auch jede Erwähnung dieses Werkes in unserer Überlieferung auszuschließen.
0 A. a. O. S. 74 Taf. 7.
») A. a. 0. s. S. 79 Taf. 8.
3) Furtwängler, Intermezzi Taf. I — IV.
4) Monuraenti X tav. II. Arch. Zeit. 1883 Taf. 14. i.
S) Annali 1874 p. 63 fE.
J. Six, Kaiamis.
93
^xöiXo? Ittsi |xiv £xu(|^s TToSo? Osvap heißt es in dem neuen Aitienfragment; wie von
Wilamowitz-Moellendorff ^) treffend erkannt hat, vonHyllos, und wirkhch hatsich
unser Knabe gerade das Hohle des Fußes verletzt. So wurde dieser Name der Forderung
gerecht, die Kekule 2) vor Jahren aufstellte, als er »einen bestimmten mythischen
Anlaß« verlangte. Man führe nicht dagegen an, daß der Knabe zu alt sei, um noch,
wie Hyllos bei Kallimachos, von Herakles getragen, an den Zotteln der väterlichen
Brust zu zerren. Der kleine Ödipodes auf einer schönen attischen Amphora, der von
Euphorbos in derselben Weise getragen wird
(Abb. 13)3), hat ganz dieselben Proportionen, und
der Stil dieser Vase steht Kaiamis merkwürdig
nahe. Die Falten des Bausches sind identisch mit
jenen des Wagenlenkers und der Algumene, und
wenn daneben noch sonst im Chiton ein älteres
System vorherrscht, so sind die langen geraden
Linien an der Mantelfigur des Königs an der Rück-
seite wie ein schwacher Abglanz der »Aspasia«. —
Hyllos war keine so kräftige Gestalt wie sein Vater,
und doch haben die späteren Umbildungen des
Dornausziehers in Bronze wie in Marmor 4) uns
in dem derben, urwüchsigen Burschen ein anschau-
liches Bild des Heraklessohnes hinterlassen, das
über die Richtigkeit des Namens keinen Zweifel
läßt. Die Bronze Baron Edmond de Rothschild,
die hier mit seiner gütigen Genehmigung abgebildet Abb. 14. Bronze der Sammlung Baron
wird (Abb. 14), die durch ihre angebhche Her- "^°^
kunft aus Sparta vortrefflich zum vorgeschlage.-
nen Namen paßt, scheint noch dem 4. Jahrhundert anzugehören.
Schade nur, daß das Kallimachos -Fragment uns nichts weiteres über die Ver-
wundung lehrt, woraus man ermitteln könnte, weshalb dieser Vorfall in einer Statue
verewigt worden ist. Aus der schwarzfigurigen Vase, Arch. Zeitung 1867 Taf. 218. i. 2,
und der schönen rotfigurigen, Gerhard, Auserlesene Vasenbilder II CXVI, möchte
man schließen, daß die Verletzung schon vor dem Abschied von Oineus, dem Groß-
vater, und dem Auszug aus Kalydon erfolgte.
Kann der Knabe mit dem verwundeten Fuß in Atollen etwa eine Parallele bilden
zu dem böotischen Heros Ödipus, den man im Altertum sich mit verwundeten Füßen
gedacht hat? Bei sonst großer Verschiedenheit scheinen doch beide Unterwelts-
dämonen unter ihren nächsten Vorfahren zu haben. Für die Frage, die uns hier be-
schäftigt, ist das aber vorläufig belanglos. — Interessant erscheint mir, darauf zu ver-
') Sitzungsber. d. K. Pr. Akad. d. Wiss. IX 1914
S. 228.
>) Arch. Ztg. 1883 Sp. 246.
3) Mon. d. Inst. 1835 PI- XIV, vorzüglicher Stich
von Pedretti. Röscher s. v. Oidipus Sp. 709/10.
Siehe auch die Tafel von Dittmar Heubach, Das
Kind in der griechischen Kunst.
4) Br. Mus. Kat. III S. 108 f. Nr. 1755, Arch. Ztg.
1879 Taf. 2 und 3. Bruckmann Nr. 322.
QA J. Six, Kaiamis.
weisen, daß auch eine Erosfigur wie die der rotfigurigen Vasen oder der Eros Soranzo
nicht viel älter an Jahren zu denken sind wie die mehr kindlichen Figuren der
späteren Kunst.
Wir haben schon einige Male attische Vasen herangezogen, und ebenso hat
Studniczka damit die attische Herkunft des Altars zu beweisen gesucht. Besonders
nahe steht die hier besprochene Gruppe den weißgrundigen Schalen aus der Spätzeit
des Euphronios, wie der Berliner ^) oder der Londoner mit der Anesidora 2). Der
bartlose Hephaistos der letzteren gibt mir den Mut, auch den bartlosen Asklepios
mit der Pinie zu Sikyon 3) dem älteren Kaiamis zuzuweisen, für den auch die Gold-
Elfenbeintechnik besser geeignet ist wie für seinen späteren Namensgenossen, in
dessen Zeit sie kaum mehr vorzukommen scheint.
Aus einem solchen Vergleich mit der Kleinkunst geht m. E. nichts weiter hervor,
als daß die Werke unseres Meisters auf die attischen Töpfer stark eingewirkt haben,
keineswegs, daß sie attischen Ursprungs waren. Ihr Stil erscheint bei Euphronios
ebenso unvorbereitet und unerwartet, wie unsere Gruppe von Skulpturen fremd
neben den Frauenfiguren der athenischen Akropolis und den Ägineten des Aphaia-
tempels steht. Die attische Vasenmalerei spiegelt eben auch diese Kunst ab so gut
wie die des Mikon 4), die Hauser wiederfand, oder die der Ägineten, die zu belegen,
soviel ich weiß, niemand sich die Mühe gab, wahrscheinlich weil die Beispiele leicht
zu sammeln und häufig sind. Kaiamis selber mag übrigens bei seinem längeren Auf-
enthalt in Athen auch etwas attischen Einfluß empfangen haben. Im Grunde aber
steht er auf anderem Standpunkt. Er durchgeistigt seine Gestalten in höherem Maße,
sei es, daß sie freudig erregt sind wie sein Wagenlenker oder siegesfroh wie seine
Sosandra, sei es, daß sie in tiefem Ernst schweigen wie seine Semne oder in welt-
vergessener Betrübnis dasitzen wie seine Algumene. Dem inneren Leben gegenüber
vereinfacht er die äußeren Formen und erreicht dadurch eine Anmut, die in zierlicher
Feinheit, nicht in großartigem Schwung zum Ausdruck kam, wie in jeder primitiven
selbstbeschränkten Kunst.
Kaiamis ist ein bahnbrechender Meister. Von der Perserzeit an bis zur Mitte
des Jahrhunderts liegt seine Tätigkeit, aber er bleibt ein Vorläufer. Neben ihm gelangt
Mikon durch eindringlichere Naturbeobachtung zu einem krassen. Naturalismus,
nach ihm verarbeiten Polygnot und Phidias mit seiner Schule ihrer beider Streben
zu einer unübertroffenen Verquickung von Natur und Stil, aber länger währte es, bis
das Gemütsleben seiner Gestalten eine Weiterentwicklung fand. Als es geschah,
stand die Kunst dem Leben nicht mehr so unbefangen, so naiv gegenüber. So konnte
seine Schmerzensreiche größeren Ruhm erlangen als die jedes anderen, auch für
diejenigen, die sonst seine Pferde seinen Menschen vorzogen und denen seine Kunst
') Hartwig, Meisterschalen LI. den Nachdruck darauf zu legen, daß Bildhauer-
*) White Athenian Vases PI. XIX. arbeit Mikons für Olympia sicher steht, plötzlich
3) Pausanias II 10. 3. einer geistreichen, aber verkehrten Vermutung
4) Es ist mir vollkommen unverständlich, wie zuliebe Pausanias den Panaenos, den er sehr gut
Hauser nach dem glänzenden Nachweis, statt kennt, mit Paionios verwechseln läßt.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. qc
noch ZU altertümlich war. Wer heute die Kunst des 17., 18. oder 19. Jahrhunderts
als seine Norm annimmt, wird dennoch anerkennen, daß einer Madonna der Re-
naissance als Auffassung der Vorrang zukommt vor denen des Rubens oder Murillo
oder wen man sonst nennen will. Von Rafaels Sixtina konnte es heißen: nullius
est nobilior.
Amsterdam. J. Six.
DIE POLYGNOTISCHE MALEREI UND DIE PARTHENON-
GIEBEL.
Mit Tafel 2 — 5 und einer Beilage.
I.
Die Frage nach dem Urheber der Parthenonskulpturen hat vor kurzem wieder
eine entschiedene Beantwortung gefunden. A. Frickenhaus hat (Arch. Jahrb. XXVIIl
191 3, 341 ff.) auf Grund einer scharfsinnigen Untersuchung von neuem Phidias als
den Meister der Giebelfiguren und zugleich auch des Frieses erklärt und sich da-
bei auf folgende Hauptargumente gestützt: Phidias ist zu der Zeit der Arbeit an
den Parthenongiebeln in Athen gewesen, kann also die Arbeit gemacht haben. Die
Athena Medici und ihre Repliken sind nach der goldelfenbeinernen Athena
des Phidiasschülers Kolotes kopiert und den Parthenongiebelfiguren im Stil
verwandt. Die elische goldelfenbeinerne Aphrodite Urania des Phidias ist das
Vorbild zu der Berliner »Gewandfigur aus der Werkstatt der Parthenon-
giebel« gewesen, denn diese ist nur eine Kopie und hat wahrscheinlich eine
Schildkröte unter dem linken Fuß gehabt, wie die Aphrodite des Phidias. Auch
sie ist den Parthenongiebelfiguren nächst verwandt. Kolotes ist erst in Elis Schüler
des Phidias geworden; nicht er, sondern Phidias selbst ist der Schöpfer des im Torso
Medici und der Berliner Aphrodite vertretenen Stils, mithin auch der Giebelfiguren
oder doch wenigstens ihrer Modelle.
Ich gedenke nicht, den philologisch -historischen Aufbau und die neue Bestimmung
der Lebenszeit des Phidias anzutasten, möchte aber die Bedenken nicht zurück-
halten, die sich gegen Frickenhaus erheben, wenn man die Denkmäler auf ihre
rein künstlerischen und technischen Eigenschaften hin betrachtet.
Der Torso Medici soll ein Goldelfenbeinbild wiedergeben; wir hätten uns danach
das Original als einen Holzkern mit einem Belag von Metall und Beinplatten
zu denken. Nun hat Amelung (Österr. Jahrh. XI 1908, 183) bereits zweifellos
richtig dargetan, daß die technische Behandlung der Repliken in Rom, Wien
und der einen in Sevilla auf den Stoff des Originals hinweist. Hierfür wurde
entweder Stuck mit Marmorextremitäten oder Gold mit Efenbein angenommen,
96
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel,
aber auch der Gedanke an Bronze nicht ganz von der Hand gewiesen
(S. 183, 185). Die breiten Falten des Peplos und Mantels sind in einem typi-
schen Stil der Zeit gehalten, der für Bronze, Marmor und goldelfenbeinerne Statuen
iangewaödt wird. Diese Falten weisen auf kein bestimmtes Material, können aber
in Holz mit Goldbeschlag gedacht werden. Der Chiton jedoch (Abb. i auf der Beilage),
der am rechten Bein der Göttin sicht-
bar wird, zeigt bestimmte technische
Merkmale. Die hier geübte Chiton-
behandlung ist weit entfernt von der
älteren, gleichmäßig für verschiede-
nes Material verwandten Gewohn-
heit, das Linnengewebe durch viele,
mit der Zeit immer enger gezogene,
gewellte Linien anzudeuten ^). Noch
weniger ist der Chiton »durchmo-
delliert mit allen den Kunstgriffen,
die wir bei den Xanthischen Nereiden
zum ersten Male antrafen und die
hier nur verfeinerter und natürlicher
zur Geltung kamen« (Bulle, Schöne
Mensch 2 267). Kaum ist ein stärke-
rer Gegensatz denkbar als die aus
linearer Zeichnung abgeleitete 'Xan-
thische Gewandbehandlung (Arch.
Jahrb. XXIX 1914, 123 ff.). Mit
Recht haben vielmehr Furtwängler
und andere Forscher den Chiton des
Torso Medici mit dem der Amazonen-
statuen verglichen, denn dies ist
deuthch der Stil, der sich aus
der Technik des Modellierens
in weichem Stoff, Wachs, Ton
oder Stuck ergibt.
Solche breiten, welligen Linien wie am Unterschenkel der Athena
entstehen bei einer originalen Schöpfung nur durch den Strich mit der breiten
Schneide des spachteiförmigen Modellierholzes oder -eisens. Wir sehen dieselben
Formen an der kapitoHriischen (Abb. 2) und Berliner Amazonenstatue, die ja sicher
Abb. 2. Amazone in Berlin (Teilaufnahme).
*) In Malerei massenhaft, z. B. Gerhard, A. V.
224/5. In Bronze: z. B. Kanephore in Berlin.
A. Ztg. 1880, 27, Taf. VI. In Marmor z. B.
Knidierfries, Harpyienrelief, Artemis aus Pom-
peji, Wiener Amazone, Leukothearelief, Chariten-
reliefs, Olympia-Westgiebel, Ludovisischer Thron,
Vatikanische Tänzerin. Weiterentwicklung in
Verbindung mit stärkerer Stofflichkeit: Relief,
Schöne, Griech. Reliefs XIX, 83. Berliner Grab-
figur Inv. 1464; Arch. Anz. 1903, 32. Kurz-
gewandete Amazone, Atalante oder Tänzerin,
E. V. 2074.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 191 5.
Beilage zu S. 96.
Abb. I. Torso Medici (Abguß in Dresden).
Abb. 4. Aphrodite in Berlin.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
97
Kopien nach Bronzewerken sind. Trotz der Ziselierung, die dem Bronzeguß die
Schärfen und Zufälligkeiten der Modellierarbeit genommen hat und trotz der Ver-
flachung der Formen durch den Marmorkopisten ist dieser von Material und
Technik gebotene Formencharakter ganz unverkennbar ^). In ähnlicher Weise ist
auch an dem Matteischen Typus die ModelHertechnik noch zu bemerken, nur sind
hier die Fältchen durch den Druck von Daumen
und Fingerspitzen entstanden; der Charakter der
Oberfläche ist daher anders als an den beiden
zuerst genannten Typen, aber gerade diese Art
ist der des Torso Medici nicht verwandt, wie
Furtwängler an anderer Stelle (Meisterwerke 49)
behauptete. Der Kopist kann in Marmor mit
seinen Werkzeugen diese Wachs- oder Tonfalten
^nachahmen, aber kein originaler Künstler konnte
jemals darauf verfallen, sie mit Hammer und
Meißel zu erfinden.
Die langen tiefen Rillen am Chiton des
Torso Medici, die am Oberschenkel, zu Seiten des
Unterschenkels und am Fuß eingeschnitten sind,
entstehen am leichtesten, wenn man mit der
engen Schlinge oder dem spitzen Modellierholz
durch die weiche Masse fährt und dabei infolge
der ungleichen Festigkeit des Materials bisweilen
zur Seite ausweicht, so daß geschlängelte Linien
entstehen. Das ganze Gewand der Berliner Tän-
zerin (Verz. d. Sk. Nr. 229, hier Abb. 3) ist auf
diese Weise ausgeführt 2). Der Kopist bedient
sich natürlich des laufenden Bohrers, wenn er
solche Falten wiedergeben soll; dies Instrument
ist aber im 5. Jahrh. überhaupt selten angewandt
worden (Arch. Anz. 1890, iio; 1894, 47), und wo
es der Fall ist, w^e an dem Berliner Fries vom
Ilissostempel, haben die Falten ein anderes Aus-
sehen (s. u. S. 119). Die Berhner Tänzerin ist sicher eine Kopie nach Bronze. Danach
könnte auch der Chiton am Original der Athena Medici aus Bronze gewesen sein. Die
für sich gearbeiteten Extremitäten der Kopien in Wien, Rom und Sevilla lassen nun
darauf schließen, daß sie auch im Original gesondert ausgeführt und an einen Rumpf
aus anderem Stoff angesetzt waren. Man könnte also annehmen, daß der bekleidete
Körper der Athena Medici aus Bronze und die Ghedmaßen aus Elfenbein oder Stein
Abb. 3. Tänzerin in Berlin.
') In raffinierter Weise, vielleicht zur Wiedergabe
einer besonderen Art von Stoff, ist diese Modellier-
technik bei der barberinischen »Schutzflehenden«
(Hauser Ö. J. XVI 1913, 42 u. 68) weitergebildet.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX.
2) Andere Beispiele für Bronzechiton: Pallas Albani,
Kora in Wien, Wiener Jahrb. XII, Taf. VI.
Sappho Albani, Athena Giustiniani, Athena in
Madrid, E. V. 1508/9.
q8 B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
gewesen seien. Doch wäre das eine gewagte Annahme, denn es fehlt uns an Nach-
richten, daß man vor der römischen Zeit Bildwerke aus gegossenem Metall und
Marmor oder Elfenbein zusammengesetzt habe (Blümner, Technologie III 211). Der
Gedanke an Bronze muß also aufgegeben werden. Es wurde ferner angenommen,
die Gliedmaßen hätten aus Elfenbein und der Rumpf aus Holzunterlage mit Gold
bestanden. Solche Chitonfalten aber in Holz zu schneiden, wäre überaus mühselig
und der Natur des Materials nicht angemessen gewesen. Der Chiton der Athena
Medici kann unmöglich Goldblech wiedergeben, das auf einen Holzkern mit solchen
geschnitzten Falten' aufgehämmert und genagelt war; und etwa anzunehmen, daß
am Original der Peplos aus Holz mit Gold, der Chiton aus Bronze oder Stuck be-
standen habe, verbietet uns die hinreichend genaue Überlieferung über die antike Gold-
elfenbeintechnik. So bleibt nur die Möglichkeit, daß das Original ein Akrolith war.
An der Gewandung hätte dann der Peplos aus Holz und der Chiton aus Stuck oder
auch, was mir bei der derben Ausführung des Ganzen am wahrscheinlichsten dünkt,
das Ganze aus Stuck bestanden, auf dem die fragliche Goldfärbung nicht mittels
Goldblech (dessen Auftrag den Kern gefährdet hätte), sondern durch flüssigen Auftrag
oder durch aufgeklebtes Blattgold hergestellt war. Also mit der Vorstellung von
einem Goldelfenbeinbild ist die aus den Kopien erschließbare Technik des Originals
nicht zu vereinigen.
Und selbst, gesetzt den Fall, es wäre statthaft, nach Frickenhaus den Torso
Medici mit der goldelfenbeinernen Athena des Kolotes gleichzusetzen, so könnte
zwar die so gewonnene Einsicht in die Fortentwicklung des Phidiasischen Stils bei
einem freistehenden Kultbilde wertvoll sein; für die Parthenonfrage bliebe sie
ohne Folgen, denn die behauptete Übereinstimmung des Torsos mit dem
Stil der Parthenongiebel läßt sich nicht erweisen. Nur die hohe Art der poeti-
schen Auffassung von dem göttlichen Wesen der dargestellten Personen läßt sich
vergleichen. Die Steilfalten des Peplos fehlen dort natürlich ganz, die Hängefalten
des Mantels können ebensogut mit denen der Demeter von .Cherchel oder der Karya-
tiden verglichen werden. Diese Faltengebung ist Gemeingut der Phidiasischen Zeit;
und was die Chitonfalten anlangt, so gibt Frickenhaus (S. 354) selbst zu, der gleich-
mäßig gewellte Stoff um das rechte Bein der mediceischen Statue finde bei den Giebeln
keine genaue Parallele: ja, die Chitone am Torso und an den Giebeln
lassen sich überhaupt nicht vergleichen; die von Furtwängler (Meisterw.
48/49) und Frickenhaus (S. 354) herangezogenen Teile an den Giebelfiguren zeigen
keine Spur von der Modelliertechnik des Torsos. Vergleichbar ist an den Chitonen
nur, daß über die Hängefalten feine Wellen herlaufen, aber wie diese Wellen gegeben
sind, ist durchaus von anderer Art. An den Parthenongiebeln sind sie rein oberfläch-
lich mit der Ecke des Meißels oder mit spitzen Werkzeugen eingeritzt und nicht
mit der Breitseite des Spachtels gestrichen. Also selbst, wenn wir annehmen, daß
die Identifizierung der Athena Medici mit der des Kolotes stimmt und der Stil des
Phidias in ihr erkennbar ist, so haben wir damit im Chiton den Modellierstil des
Phidias, nicht seinen Marmorstil und durchaus keinen Gegenstand des Vergleichs
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. qq
mit dem Stil der Parthenongiebel gewonnen, so daß sich also aus dem Torso Medici
kein Kennzeichen für Phidias als Urheber der Giebel ergibt.
Zweitens soll die Berliner Aphrodite das Phidiasische Goldelfenbeinbild der
Aphrodite in Elis wiedergeben. Frickenhaus folgert: Weil die Berliner Aphro-
dite am wahrscheinlichsten mit einer Schildkröte ergänzt wird, so muß ihr Original
identisch sein mit dem einzigen und ersten Kultbilde jener Zeit, für das eine Schild-
kröte bezeugt ist, mit der elischen Aphrodite des Phidias. Die Möglichkeit jener
Ergänzung ist nicht zu bestreiten; aber es ist nicht erwiesen, daß hier eine Schild-
kröte vorhanden war und daß die elische Aphrodite das erste und einzige Werk
mit diesem Motiv war. Die Folgerung, die Berliner Statue müsse identisch sein
mit der Urania, scheint mir etwas gewaltsam.
Zudem soll die Berliner Aphrodite eine Kopie nach einem Goldelfenbeinbild sein.
Dem muß entschieden widersprochen werden. Kekule hat mit vollem Recht be-
hauptet, die Statue sei Original; daran läßt die Technik, z. B. die stehengebliebenen
Bohrlöcher, keinen Zweifel. »Die Ungleichmäßigkeit der Durchführung, das Vor-
handensein leerer Partien scheint mir zu beweisen, daß die Venezianerin nicht von
dem Meister ausgeführt wurde, der sie entworfen hatte«, meint Frickenhaus S. 365.
Aber gerade die Ungleichmäßigkeit der Arbeit und das Vorhandensein leerer Partien
zeigt die originale Arbeit, denn Kopien pflegen gleichmäßig ausgeführt und durch
und durch leer zu sein. Die Statue ist nur von Kekule in begreiflicher Weise etwas
überschätzt worden. Sie ist, wie andere richtig erklärt habein, das Werk eines
Künstlers von zweitem Range. Selbst, wenn wir die Mängel in der Ausführung und
Erhaltung der Venezianerin mit den Vorzügen der Giebelfiguren ergänzten, würde
ein nicht ganz vollkommenes Werk entstehen. Die elische Aphrodite war aber eine
Arbeit aus den späteren Jahren des Phidias. Wäre die vorgeschlagene Benennung
richtig, so hätten wir in der Berliner Statue ein Zcjjgnis für das Altern der Phidiasi-
schen Kunst. Die Venezianerin ist ein Schulwerk von der Hand eines technisch noch
nicht reifen Künstlers, sie steht aber immer noch turmhoch über der von Frickenhaus
abgebildeten Petersburger »Melpomene«. Diese späte und überaus schwache
Variante, deren Abbildung den Wert der Berliner Statue und ihren hohen Stil in
grelles Licht setzt, beweist nur, daß diese mit Recht bei den antiken Kunstkennern
nicht unbeachtet geblieben ist. Selbst wenn die BerHner Statue nur eine unzuverlässige
Kopie wäre, würde die Petersburger Melpomene für das gemeinsame Original nicht das
Mindeste ergeben. Und der Beziehung auf die elische Aphrodite widerstreitet die
Technik. Es ist, wie Amelung Bonn. Jahrb. lOi, 157 und R. M. XV 1901, 26
Anm. I richtig andeutete, ganz undenkbar, die Berliner Marmoraphrodite in Gold
und Elfenbein zurückzuübersetzen. Wie will man diese unregelmäßigen Falten,
die tiefen Faltentäler und scharfen Grate in Holz schnitzen und mit Goldblech
beschlagen.? Die Parthenos und alle anderen Bildwerke derselben Technik haben
sicher nur lauter große Flächen, flaches ReHef (Schuppen an der Aegis) oder
frei plastische, gegossene Ansatzteile (Verzierungen am Helm) aufgewiesen. Die
Aphrodite und der Torso Medici müßten auch als Werk eines Meisters und
einer Technik mehr ÄhnHchkeit miteinander haben; sie sind aber voneinander
7*
lOO B- Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
SO verschieden, daß ohne philologische Zeugnisse niemand sie auf einen Ur-
heber zurückführen würde. Beim Torso bewundern wir die monumentale Ruhe,
die sich in der hoch aufgerichteten Haltung, den breiten Falten des Peplos und bei
den anderen Kopien in den großen Formen des Hauptes ausprägt, bei der
Aphrodite die bei aller Hoheit gefällige Anmut der aufgelehnten Haltung. Das
Einzige, was sich stilistisch vergleichen lassen müßte, der Chiton, ist an beiden Werken
ganz verschieden aufgefaßt: Am Torso flache Modellierarbeit mit groben Kanälen, an
der Aphrodite scharfe, gemeißelte Falten des feinen, durchsichtigen Stoffes (Abb. 4
auf der Beilage). Wenn über Stil und Technik am Original des Torso Medici bis-
her verschiedene, einander widersprechende Meinungen geäußert worden sind
(Frickenhaus S. 366), so ist das nicht »scherzhaft«, sondern bedauerlich und kein
Anlaß, dasselbe Verfahren auf die Aphrodite anzuwenden, über die von Anfang
an das Richtige gesagt worden ist.
Die Gründe fallen also weg, die in der Berliner Statue eine Kopie nach der Urania
des Phidias erkennen ließen. Bestehen bleibt in diesem Falle die von Kekule hin-
reichend erwiesene Übereinstimmung mit dem Stil der Parthenongiebelfiguren. So-
lange aber die Aphrodite nicht einwandfrei mit einem überlieferten Namen zu belegen
ist, gewinnen wir auch von ihr aus keine Antwort auf die Frage nach dem Urheber
der Parthenongiebel.
Endlich, wenn Frickenhaus darin recht hat, daß der berühmteste Bildhauer
Athens während der ganzen Bauzeit des Parthenon in der Stadt weilte, daß er also
aus äußeren Gründen sehr wohl auch der Schöpfer der Giebel, die chronologisch
gleich auf das Goldelfenbeinbild folgten, gewesen sein kann, so fehlt nach wie vor der
Beweis, daß er der Schöpfer war. Kekule (Weibliche Gewandstatue, 24) meint, es sei
undenkbar, daß Phidias den großen Auftrag des Giebels ganz aus der Hand gegeben
habe, überträgt aber damit unsere Wertschätzung der Giebel in das Altertum, dessen
Auffassung von dem Wert einer solchen Aufgabe noch zu erforschen ist. Die von
Frickenhaus geforderte stilistische Untersuchung mußte die behauptete Beziehung
des Torso Medici zu einer Goldelfcnbcinstatue und zu den Giebeln und die Beziehung
der Aphrodite zur Urania des Phidias leugnen. Die Frage nach den Schöpfern der
Parthenongiebelfiguren oder dem Urheber der Modelle dazu steht auch jetzt noch
auf demselben Fleck.
In der ModeHiertechnik des Chitons und den bei dieser Technik notwendig ge-
brauchten Instrumenten stimmen, wie gesagt, der Torso Medici und die kapitolinische
Amazone überein, ohne daß wir darum die beiden sonst so verschiedenen Werke auf
einen Meister zurückführen müßten. So kann man weiter sagen: selbst wenn die
Berliner Aphrodite mit einem bestimmten antiken Werk zu identifizieren wäre, würde
die Übereinstimmung in der Technik der Chitonbildung noch nichts für den Meister
der Giebel beweisen. Denn diese Technik ist nicht ausschließlich Eigentum eines
Meisters gewesen, sondern sie beruht auf einer stilistischen Gewöhnung, die mit der
Plastik und im besonderen mit attischer Kunst von Hause aus nichts zu tun hat.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. joi
TT ^^^^VV
Für die Schönheit und Größe der Parthenongiebel fehlt es in der attisehen Plastik . ' ^,
<,
an den unmittelbaren Vorgängern. Gewohnt, in der griechischen Kunst ein ßo/
. . i y V \ <
sprunghaftes Auftreten völlig neuer und vom ersten Anbeginn so meisterhafter Er-'-/
scheinungen für minder glaubhaft zu halten als eine, wenn auch rasche, so doch folge«c''J' ,
richtige Entwicklung, haben wir für die Eigentümlichkeit dieses Stils anderswo nach *(/)"'(
den Vorbildern zu suchen. """
Eine fortlaufende Entwicklung von den Metopen zu Fries und Giebeln zu kon-
struieren (Amelung, Bonn. Jahrb. lOi, i6off.), geht nicht an; es sind im Prinzip
verschiedene Schulen, die sich in die große Aufgabe geteilt haben (s. u.). Amelung
hat auch mit Rectit später (Ilbergs Jahrb. 1907, 455) das »Neue und Selbständige«
betont, das in Fries und Giebeln auftritt, dabei freilich gemeint, daß man dem
»durch Nachrechnen allgemeiner Strömungen nicht nachkommen könne«. Gewiß,
allgemeine Richtungen wie Dorische und Ionische Kunst oder die »Intuition, das
geniale innere Schauen, das hier der Materie seinen Willen aufprägt« (Bulle, Schöne
Mensch zu Taf. 127) reichen für die Erklärung der Parthenonskulpturen nicht aus;
aber den Mitteln, deren der Meister sich bediente, können wir nachforschen und
versuchen, dem Dunkel einiges über seine Art zu entlocken, auch wenn wir damit
nur an die »Peripherie der Persönlichkeit« gelangen, womit Koepp einmal das Ziel
der Phidiasforschung gesteckt hat (Ilbergs Jahrb. 1909, 476).
Bei einer Giebelkomposition, wie die Parthenonskulpturen sind, suchte man
das Verwandte zunächst auf demselben Gebiete, und da stehen die Olympiaskulp-
turen am nächsten. »Noch bevor ein Splitter der olympischen Gruppe wieder auf-
gedeckt war, konnte man mit Hilfe von Pausanias' Beschreibung die Verwandtschaft
derselben mit der westlichen Giebelgruppe des Parthenon konstatieren«. (Petersen,
Kunst des Phidias 342. Loeschcke, Die östliche Giebelgruppe 7, 15.) Furt-
wängler sah in dem »weichlichen ionischen Faltenstil« der Olympiaskulpturen »die
Basis der Phidiasischen Faltenbehandlung am Parthenon« (Studien f. Brunn 85).
Von Einzelheiten, die bei den Giebelgruppen hier und dort übereinstimmen, wurde
z. B. die Art verglichen, wie das Gewand am Ilissos des Westgiebels neben dem Körper
herabfällt, die an eine in den Olympiagiebeln beliebte Anordnung erinnerte (Ke-
kule, Gewandstatue 24). Auch Werke wie die Nereiden vonXanthos und die Nike des
Paionios sind als Voraussetzungen für die Giebelkunst in Anspruch genommen worden
(Kekule, Gewandstatue 26, Gr. Skulptur 2 84) ; selbst die vorpersische Marmorkunst
der »chiotischen« und »chiotisch-attischen« Frauenstatuen wurde als vorbildlich oder
nahverwandt betrachtet (Winter, Arch. Jahrb. H 1887, 223, Schrader, Archaische
Marmorskulpturen 26, Kalkmann, nachgelassenes Werk 26). Indessen führen diese
unbewiesenen Annahmen nicht weiter.
Alle Versuche, die Vorstufen in dem Bereich der Plastik aufzuweisen, gehen von
der Überzeugung von dem marmormäßigen Charakter der Skulpturen aus, der
am stärksten Kekule von Stradonitz Ausdruck gegeben hat (Gr. Skulptur 2 91).
»So unmittelbar ist die Naturanschauung in den Stein umgesetzt, daß diese
102 B« Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
<r,, Körper wie vom Ursprung an für die Schöpfung in Marmor bestimmt erscheinen,
,,^' 'Vie die Gewänder nur in Marmor möghch und von Anfang an für die Darstellung
""■\ in Marmor erdacht sind«.
Es ist aber unmöglich, in den Gewändern der Parthenonfiguren unmittelbare Um-
setzung des Natureindrucks zu erkennen. »Niemals ist die Natur selbst so reich und
y's^o klar, niemals von so wunderbarem Rhythmus, von so fließender Fülle« (Bulle,
iy,-' Schöne Mensch zu Taf. 127 [Iris]). An anderen etwa gleichzeitigen Werken, z. B.
der kleinen Berliner Aphrodite Verz; Nr. 586 und Tonfiguren wie Winter,
Typenkatalog I 80, 7 mag Annäherung an die natürliche Erscheinung angestrebt
sein. Hier sind die Falten dicker und legen sich in natürlicherweise um und über die
Körperformen, die sie wirklich bedecken. Bei der kleinen Aphrodite ist auch die
körperliche Natur des Marmors besser gewahrt, einer festen, ungefügigen Masse,
aus der man die Form von außen her entstehen läßt. An den Parthenongiebcln
aber ist, wie P. Johansen in der Zeitschr. f. bildende Kunst XX 1909, 166 ausführt,
der Marmorblock und sein Stoffcharakter gerade überwunden und ein Illusions-
effekt erzielt, der der Natur des Steines eigentlich widerstrebt. P. Johansen scheint
mir indessen zu irren, wenn er den Stil der Parthenongiebel auf die Vorarbeit am
originalgroßen Tonmodell zurückführte, an dem man hätte versuchsweise vorgehen,
zuerst den Akt modellieren und die Falten auftragen können. Daß solch Herstellen,
Abgießen und genaues Nachbilden eines Tonmodells für die klassische Zeit bekannt-
lich nicht bezeugt ist, würde noch nichts gegen Johansen beweisen, da wir über die
technischen Verfahren in den antiken Werkstätten ja leider so wenig wissen,
und die Deutung Johansens würde, da sie von einem Künstler herrührt, größte
Beachtung verdienen, wenn sich mehr sichere Hinweise auf die modellierenden In-
strumente und den dadurch gebotenen Stil vorfänden. Zugegeben, daß die langen,
geraden Schnitte und scharfen Furchen der Falten mit dem Messer sich aus der
Tonmasse herausschneiden lassen — ich fand die glatte Drahtschlinge noch ge-
eigneter — , so weist doch an dem dünnen Chiton nichts auf die Technik des Auf -
tragens auf den Akt oder Wegnehmens mit den üblichen Modelherinstrumenten.
Daß auch ein Marmorinstrument, wie der laufende Bohrer, den Stil nicht erklärt,
hat Bulle, Schöne Mensch zu Taf. 127, erwiesen. Hammer und Meißel aber lassen
sich auch auf mancherlei andere Art führen, und auch sie allein reichen nicht zur
Erklärung des Parthenongiebel-Stils aus.
Die oft betonte Idealität der Parthenongewänder verlangt förmlich, nach
einer Vorstufe zu suchen, deren Kunstmittel eine stärkere Abstraktion und einen
geringeren Realismus zulassen, als die plastischen Verfahren ihrer Natur nach inne-
halten. So wird man nach einer künstlerischen Technik suchen, die, in idealem Sinne
arbeitend, der Plastik schon die Mühe der Umsetzung von Natureindrücken in
bildnerisches Material vorweggenommen oder doch verkürzt hatte.
Benndorf (Untersuchungen auf Samothrake II 72) deutete an, wie sich im
»fruchtbaren gegenseitigen Austausch von Fertigkeiten mit der Malerei eine treibende
Fülle von Versuchen bewegt und ausgebreitet haben möge, denen Phidias im Grunde
nur den Spiegel ihres eigentlichen Wollens vorhielt, indem er ordnend, festigend,
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. 10^
steigernd sie zu dem Stile hinbildete, der für immer mit seinem Namen verknüpft ist«.
Auch ist immer wieder auf den Zusammenhang hingewiesen worden, der die »phi-
diasisch« genannte Kunst der Parthenongiebel mit der großen Malerei verbindet.
Daß Phidias selbst in seiner Jugend Maler und Schüler des Polygnotischen Ateliers
gewesen, daß sein Bruder Panainos Maler geblieben und des Phidias suvcpyoXaßo;
gewesen sei, ist oft betont worden (Michaelis, Von griechischer Malerei, Deutsche
Revue 28 II 217; Lechat, Sculpt. attique 503; Hauser, Furtw.-Reichh. Gr. Vm.
II, 323 f.). Man denkt sich Polygnot als »etwas älteren Maler« (Michaelis, Ein
Jahrhundert archäolog. Entdeckungen ^ 319) oder als »nahezu gleichaltrigen Zeit-
genossen« (Klein, Kunstgeschichte I 421). Einfluß dieser Malerei auf die Bildhauerei
der Zeit (Furtwängler und Reichhold a. a. O. zu Taf. 26) und die Tätigkeit des Phidias
wurde im allgemeinsten Sinne angenommen, so von Welcker (s. Michaelis, Gr. Malerei
210), von Michaelis (Jahrhundert arch. Entd. 319), von Studniczka (Arch. Jahrb.
IV 1889, 168), der auf Anleihen bei der Polygnotischen Malerei riet, »mehr als wir
nachzuweisen vermögen«, von Lechat (La sculpture attique 434), der aber ausdrück-
lich seine Vermutung als »hypothese exprimee seulement d'une fagon tres generale«
hinstellt. Michaelis (Malerei 217) meinte, es wäre unbegreiflich, wenn Phid'ias nicht
unter dem Einfluß jenes gewaltigen Genius gestanden hätte; er findet in diesem
Einzelfalle die Annahme von der führenden Rolle der Malerei in der griechischen
Kunst bestätigt, und er verweist darauf, wie sich dieser Eindruck in den Gestalten
des Phidias verfolgen läßt, in der feinen Charakterisierung der einzelnen Gestalten
in den Giebelfeldern, in ihrer sinnvollen Verknüpfung, in dem Adel ihrer Stellungen
und der Vollendung ihrer Gewänder, in der Vorliebe für ruhige Motive und maßvolle
Bewegungen, vor allem in dem gehaltenen Ethos, das beispielsweise den Festzug des
Frieses durchzieht und ihn zu jenem Adel der Stimnjiing erhebt, wie er für eine Fest-
feier desPerikleischen Athen sich gebührt. Schon Dümmler (Arch. Jahrb. II 1887, 177)
hatte dies Verhältnis als Tatsache angenommen und des Phidias Verdienst nicht in
neuen Erfindungen gesehen, sondern in der taktvollen Zurückhaltung dem Vor-
handenen gegenüber und darin, »daß er die Früchte der thasischen Malerei auf atti-
schen Boden verpflanzte, ohne im geringsten gegen die Forderungen der Marmor-
plastik zu verstoßen«. Auch Brunn (Kleine Schriften II 212, 217) fand in
Phidias ein malerisches Element, das der älteren attischen Plastik so fremd sei
wie der peloponnesischen, und auf die Frage, woher es bei ihm stamme, glaubte
er mit Zuversicht antworten zu können, daß es durch Vermittlung der nord-
griechischen Kunst des Polygnot nach Athen gelangt sei. Auf die »durch Dis-
position und Beleuchtung hervorgebrachte und noch weiter durch Farben ge-
höhte malerische Wirkung« hatte Michaelis schon "früher hingewiesen (Der Par-
thenon 156). Malerisches und im besonderen Polygnotisches wurde festgestellt in
der Komposition von Giebeln und Fries^) und in den Motiven von Grup-
pierungen und Einzelfiguren (MichaeHs, Parthenon 162, Robert, Nekyia 55).
') Benndorf, Jahrb. d. Sammlungen d. ah. Kaiser- Behn, Ficoronische Ciste 52. Klein, Kunstge-
hauses XI 19, XII 66. Robert, Nekyia 55, 71. schichte II 97.
104 ^' Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
Für die stilistische Verwandtschaft im einzelnen wurde auch schon öfter
auf die Gewandbehandlung hingewiesen, die wir bei Polygnot aus den Beschreibun-
gen kennen. Danach sollte Polygnot die Frauengewänder zuerst durchsichtig
gebildet haben (Plin. Nat. Hist. 35, 58), indem die Gewandung st; xö XsTrioxatov
£c£tpYaa[X£V73 erschien, (u? 8ty]V£[i.«)(ji>ai xa TioXXa (Lukian, Imagg. 7).
Wie weit das primus hier Geltung hat, steht außer Frage (Fcihl, Polygnot und die
Ficoronische eiste, 10). Es war lange vorPlygnot üblich, den ganzen gezeichneten Akt
durch die Falten des Gewandes hindurch zu zeigen (Arch. Jahrb. XXIX 1914, 131 ff.);
das »primus« bedeutet hier, wie in anderen Fällen, mehr ein besonders meisterliches
Ausbilden schon länger bekannter Kunstmittel. »Es ist offenbar hier an einen Stoff
zu denken, welcher sich in viele kleine und zarte Falten zerlegt, für dessen Darstellung
in der Malerei also nicht weniger eine große Feinheit und Zartheit in der Zeichnung
erfordert wird (Brunn, Geschichte der gr. Künstler, die Maler 20). Und eine solche
meisterhaft geübte Durchsichtigkeit der Gewänder fand man in den Parthenon-
skulpturen wieder, deren Stil man daher auf Polygnot zurückführte ^). Es ist an der
Zeit, diese bisher unbewiesenen Rückschlüsse durch genauere Betrachtung der
Denkmäler zu stützen und den Zusammenhang zwischen Polygnot und »Phidias«
und die Einwirkung des malerischen Stils auf die Plastik durch Nebeneinanderstellen
von »Phidiasischen« Skulpturen und »Polygnotischen« Malereien darzulegen und dabei
das Augenmerk auf den Chiton zu richten, bei dessen Darstellung die Plastik am
wenigsten Hilfe von der Natur und am meisten Anlaß zu willkürlicher Stilisierung
hatte. Zu bemerken ist, daß Polygnot natürlich nicht alle Gewänder durchscheinend
gemalt hat. Die Technik hat sich nach dem Gegenstande gerichtet. Peplos und Mantel
mußten als dicke Stoffe charakterisiert werden, konnten aber gleichwohl den An-
schein leichter Beweglichkeit (XeTrxoxyj?) haben (Aelian, Varia historia IV 3).
Es gilt also, die mit Chitonen bekleideten Gestalten aus den Giebeln zu be-
trachten, den Torso der laufenden Iris (I) ^), die Tauschwestern und die kniende
Frau (C) in der hnken Seitengruppe des Westgiebels. Ganz besonders tritt die Durch-
sichtigkeit des Gewandes bei der Iris hervor, da bei ihr die Schwerkraft und der Luft-
widerstandzugleich mitwirken, um den Stoff an den Körper zu pressen (Abb. 5). »Das
mächtige Ausschreiten, fast übermäßig für ein Weib, läßt das Gewand über dem rechten
Schenkel sich ein paarmal etwas in die Höhe schieben, von der Gewalt desselben
Luftzuges hinaufgedrängt, der auch am linken Schenkel die schönen Falten hervor-
ruft« (Michaelis, Der Parthenon 176). Am Oberkörper ziehen die Falten sich von
den Schultern her über und um die Brüste nach der Mitte des Gürtels zusammen,
um unter dem Gürtel wieder nach außen und unten auszustrahlen. Die Falten
liegen ganz schmal und flach und zumal am linken Bein dicht aneinandergereiht auf
dem Körper auf. Die Spuren des Meißels sind überall sichtbar, an jeder Falte läßt
') Studniczka, Arch. Jahrb. II 1887, 167; Robert, La peinture antique 178. Waldstein, Essays on
Iliupersis 48. Loeschcke oft im Kolleg; Girard, the Art of Pheidias 65. Klein, Praxiteles 58.
2) zur Benennung Sauer, A. J. 1908 XXIII loi.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
105
sich die kühne und doch sorgsame Arbeit verfolgen; doch schon aus geringer Ent-
fernung verschwindet diese, und es bleibt der Anschein von dünnen Strichen, die sich
in d(?r Fernsicht zu der Illusion dünnen Stoffes zusammenschließen. Dasselbe gilt
von den Tauschwestern. Die Auffassung und Ausführung ist im Grunde ganz die-
selbe, mag auch die Verschiedenheit der Gegenstände Unterschiede im einzelnen
bewirken. Eine jugendliche eilende Gestalt im kurzen Chiton hat naturgemäß ein
anderes Aussehen als ruhig
sitzende oder gelagerte Frauen-
gestalten von reifen Formen,
und von diesen ist auch nur der
Chiton zu vergleichen, nicht der
in schwereren Falten brechende
Mantel. Das Gemeinsame ist
die Bedeutsamkeit des Aktes,
die auch unter den Stofifmassen
gewahrt bleibt. Denn diese
wirken nicht als deckende
Schicht, sondern der Stoff ist
aufgelöst in viele einzelne
Falten, zwischen denen die
Oberfläche schier verschwindet.
Auch die hockende Frau im
Westgiebel hat Teil an dieser
Stilisierung; hier verbot die
Stellung ein enges Ankleben des
Stoffes am Körper, aber die
Oberfläche des Stoffes ist auch
hier mit feinen Strichen geritzt,
für die der Künstler in der
Natur der Kleidung kein Vor-
bild hatte.
An die Parthenongiebel
schließt sich eine eng begrenzte
Zahl von Werken, an denen der Chiton auf dieselbe Weise gestaltet ist.
Eine nahe stehende Skulptur, die Berliner Aphrodite, ist oben behandelt und für
ihre Beziehungen zu den Giebeln auf Kekule verwiesen worden. Bei der Zer-
störung gerade der Brust gibt sie für unsere Frage nicht viel aus. Aber die am
besten erhaltene Partie unter der linken Achsel und die schöne Rückseite (Abb. 4)
zeigen deutlich das Bestreben des Künstlers, den Akt unter den feinen Hängefalten
nach Möglichkeit zu zeigen.
An Erhaltungszustand ihr leider ähnhch, aber an Kunstwert überlegen, ist der
Berliner Torso (Beschr. Nr. 526), den wir mit der Abbildung auf Taf. 2 und der
Besprechung im Abschnitt III ungebührlicher Mißachtung zu entreißen hoffen. Der
Abb. 5. Iris aus dem Westgiebel des Parthenon.
io6
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel,
Torso ist der Iris des Parthenonwestgiebels geschwisterlich verwandt. Natürlich ist
die Gestalt der Iris, als Teil einer monumentalen Komposition, kräftiger ausgeführt und
auf stärkere Wirkung von Licht und Schatten berechnet. Auch ist die Bewegung des
Körpers noch heftiger, und auch die Verschiedenheit im Bau des männlichen und
weiblichen Körpers bewirkt einige Abweichungen. Und doch stimmt die Iris mit
dem Berliner Torso in dem Verhältnis des Körpers zu den nur darüber hinge-
hauchten Chitonfalten überein.
Auch muß die Zeichnung der
Falten und ihr S-förmiger
Schwung verglichen werden.
Selbst das Wenige, was vom
Körper sichtbar ist, das nackte
Knie und die Art, wie es aus dem
kurzen Chiton heraustritt, ist in
beiden Fällen auf dieselbe Weise
gegeben.
Auch bei dem Reiter auf
(1cm albanischen Relief (Conze,
Attische Grabreliefs 1153 Taf.
CCXLVII; Fr.-W. 1004; Br.-Br.
437; Heibig II 27 Nr. 802; Rei-
nach, Rep. des Reliefs III 154, i ;
F. Winter, Kunstgeschichte in
Bild. II Taf. 285, 5; Seb. Würz,
Studien zu den attischen Krieger-
gräbern ']'j\ hier Abb. 6) ist der
Chiton als dünner StofT gezeich-
net, der den Körper weder im
Umriß noch in den Einzelformen
beeinträchtigt. Auch hier ist die
Körperfiäche das Bestimmende,
und darüber fließen die eng zu-
sammengedrängten, schmalen
und in sich wieder aufgelösten
Faltenzüge, die sich auch an der Brust und an den Beinen, wo sie, von der Luft und
der Bewegung getrieben, freier spielen könnten, doch eng an den Leib des Kriegers
anschmiegen. Und gerade die Parteien an Brust und Schenkeln ähneln ganz der
Stelle am linken Oberschenkel des Berliner Torsos, wo ein Luftzug die Falten
zurückzuwehen scheint. Das Rehef ist immer ins 5. Jahrhundert datiert, schon von
Zoega, Bassi rilievi LI 247, »intorno ai tempi di Fidia o poco dopo« und von
Friederichs (Arch. Zeitung 1863, 12) und Wolters (Bausteine 1004) als Werk eines
großen Künstlers gepriesen worden, mit Recht, wenn wir den Abstand von der
Qualität der Parthenon-Giebel nicht übersehen.
Abb. 6. Das Albanische Reiterrelief (Teilaufnahme).
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
107
Diese Denkmäler, die Parthenongiebel, Aphrodite und Torso in Berlin und das alba-
nische ReHef bilden eine Gruppe gleichzeitiger Werke und sind nach ihren stilistischen
Eigentümlichkeiten in den geschichtlichen Werdegang einzufügen. Alle im einzelnen
schon beobachteten und verglichenen Züge,
wie das Gewand so dünn und bewegt über '^ |
dem deuthch sichtbaren Akt hegt und flat-
tert, sind ebenso verschieden von jeder Nach-
ahmung eines Naturvorbildes wie von den
andern im 5. Jahrhundert gebräuchlichen
Stilisierungen. Es möchte auch schwer fallen,
vor den statuarischen Werken sich nach-
empfindend Rechenschaft zu geben, wie der
Künstler wohl zu dieser Formengebung ge-
langt sei. Denn hier empfinden wir doch zu-
nächst die Masse des Steines und bewundern
die Gewandtheit der Meißelführung und die
Leichtigkeit der Hand, die diese Fältchen
teils leicht erhaben stehen ließ, teils in den
als Form gefühlten Rumpf eingeritzt hat.
Aber das Relief Albani führt weiter, wenn
wir uns vorstellen, wie der plastischen Aus-
führung die Zeichnung auf der Marmorplatte
vorhergehen mußte. Dann können wir uns
das Werden des Kunstwerkes so denken, daß
der Künstler den Akt des Jünglings umriß
und darauf mit leichter Hand die kurzen,
dünnen, einander zum Teil überschneidenden
Striche warf, die nicht wirkliche Falten nach-
ahmen, sondern den Anschein von dünnem
StofT vortäuschen sollen. Zumal an Stellen,
wo der Lufthauch das Zeug vom Körper weg-
zublasen oder es an den Leib anzupressen
scheint, glauben wir, noch die Bewegung der
Hand zu spüren, die im Gelenk leichtbeweg-
lich mit dem langgefaßten Stift oder Pinsel
diese schwungvollen Linien zog. Praktische
Versuche haben erwiesen, daß solch ein Ver-
fahren nicht nur möglich ist, sondern auch die
erwartete Wirkung hat. Ein im Umriß gezeichneter Akt wurde mit feinen, dichten
Strichen nach der Art der Gewandung an den betrachteten Werken bedeckt und so
der Anschein von Stoff erreicht, der an den Falten sich dichter zusammenschiebt
und hier mehr Farbe zeigt als an den nicht bedeckten Partien, wo vielmehr die Haut-
farbe durchzuschimmern scheint. Dies ist aber eben das Aussehen, das nach den an-
--"'"- \^1
Abb. 7. Knöchelspielerinnen aus dem Gemälde
des Alexandros (Teilaufnahme).
io8
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
tiken Zeugnissen die gemalten Gewänder des Polygnot gehabt haben müssen: die
Kleidung erschien durchsichtig, aufs feinste ausgeführt und vom Winde leicht bewegt.
Wie sich solche Art von der Malerei auf das Relief übertragen hatte, ist leicht
einzusehen, ebenso, daß eine erprobte Technik vom Relief auf die statuarische Plastik
übergehen konnte, zumal wenn es sich um Giebelfiguren handelte. Ist doch in den
Giebeln immer der Zusammenhang mit Malerei und ReHef gewahrt geblieben.
So wie nun aus mehreren, unter sich
verschiedenen Skulpturen eine im Prinzip
gleiche Auffassung oder Technik heraus-
gelesen wurde, so ist auch die zugrunde
liegende Art der malerischen Wiedergabe
aus verschiedenen Exemplaren zu sam-
meln. Den Giebelfiguren und der Berliner
Aphrodite stehen die Knöchelspielerinneri
auf dem Gemälde des Alexandros am
nächsten (Robert, 21. Hallisches Winckel-
mannsprogramm 1897; hier Abb. 7).
Robert setzte das Original zu dieser
Kopie in die Zeit zwischen Polygnot und
Zeuxis, etwa in die Jahre 425 bis 420;
das Bild hat aber nichts von der starken
Bewegung oder der zierlichen Ausführung,
noch auch die stärkere Farbigkeit der
Vasenbilder dieser Zeit. Auch die groß-
artigen Formen namentlich der Leto und
die Verwandtschaft mit Polygnotischen
Motiven (Robert S. 2) scheinen eine
Datierung höher hinauf zu verlangen.
Ob Kopie oder Original — das Gemälde
wird von manchem Vasenbild an künst-
lerischer Kraft übertroffen. Wir haben
davor, was die Qualität anlangt, unge-
fähr dasselbe Gefühl wie vor der Berliner
Aphrodite, und diesem Werk gleicht auch der Gewandstil in auffälliger Weise.
Die breitschultrige Gestalt der Leto erinnert an die mächtigen Formen jener
Göttin; der Rücken der knienden Aglaie zeigt dieselben leicht gewellten dünnen
Striche wie die Statue, zumal, wenn man sie etwas von der Seite betrachtet; auch die
Ärmel und Brustpartien aller Mädchen haben dieselben leichtbewegten Falten über
dem durchschimmernden Akt wie der Chiton an der Statue. Auch das Himation zeigt
denselben Stil, mit den zu je zweien parallel laufenden Faltenstrichen und den breiten,
»leeren Partien« dazwischen. Dieser Stil ins Plastische übersetzt ergibt den Chiton der
Venezianerin mit den flachen Strichlagen im Rücken und den schmalen Stegen und
tiefen Rillen an den frei hängenden Teilen, sowie das Himation gemeißelt dem Mantel
mrm\^\^MiMim
Abb. 8. Amazone von einer Nolanischen Amphora.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
109
der Göttin mit seinen Wülsten und flachen Ebenen dazwischen vollkommen gleichen
würde. Von der Hand eines größeren Künstlers ausgeführt würden aber diese Ge-
wänder das Aussehen der Malereien haben, deren Vorbild wir in den Parthenon-
giebelfiguren ahnten.
Daß eine Technik dieser Art in der griechischen Malkunst jener Zeit viel geübt
worden ist, läßt sich noch an der Einwirkung auf das malerische Kunstgewerbe er-
kennen. Ich zähle eine Auswahl von Vasenbildern auf:
jg^i^aaftiiaag^gsgsaj^MüsmJgas^
Abb. 9. Amazonenkampf von einem Aryballos aus Cumae (Teilaufnahme).
I.
C. R. 1873 Taf. V und Furtw.-Reichh., Gr. Vm. Taf. 35 (Kriegers Abschied).
Museo Gregoriano II Taf. XXV (Kampf).
Atti e memorie per le provincie di Romagna XXI 1903, Taf. III (Abb. 10).
AnnaH 1867 Taf. F. Gerhard, A. V. Taf. 165. Mon. Inst. VIII, Taf. 44 = C. R.
1866, Taf, 6. Nolanische Amphora, Zeichnung in Gerhards Sammlung von Vasen -
bildern, Mappe XXIII, 22, hier Abb. 8. ^) (Amazonenkämpfc).
Museo Borbonico X Taf. LXIII (Amazonen, sich rüstend).
Gerhard, A. V. Taf. 58 (Dionysos und Hephaistos).
') Irrtümlich unter den älteren Amazonenvasen erwähnt A. J. XXIX 1914, 127.
j lO B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
Milani, II mito di Filottete (Titelbild).
Pellegrini, Catalogo dei Vasi dipinti delle Necropoli Felsinee Nr. 288b (Aphro-
dite, den Kahn des Phaon besteigend).
Annah 1866 Taf. U; I. de Witte, Description des collections d'Antiquites, con-
servees ä l'hotel Lambert (1886) Taf. 25. (Morra spielende Mädchen.)
J. H. St. 1905, PI. I (Thamyras, wehklagend mit Frauen).
II.
Fiorelh, Notizie di vasi Cumani Taf. VIII (hier Abb. 9). Handbook of the
Museum of fine Arts, Boston 191 1, S. 88; Photographie CooHdge 9671. Salzmann,
Camiros Taf. 59. Pharmakowski, Attische Vasen 419/20, Vase in Florenz, Museo
archeologico I B, 51 (Amazonenkämpfe).
III.
Panofka, Musee Blacas XVII; Furtw.-Reichh. Gr. Vm. Taf. 126 (Sonnenaufgang).
Furtw.-Reichh. Gr. Vm. Taf. 67 (Pelops und Hippodameia).
Furtwängler, Beschr. d. Vasen in Berlin 2705, Arch. Zeitung 1879, Taf. 10
(Mädchen).
Fröhner, Coli. Tyskiewicz Taf. XXXV (Nike).
Collignon-Couve, Vases d'Athenes Nr. 1353 PI. XLVI, Fig. 9, S. 20 (Mänaden).
C. R. 1861, PI. III, IV (Parisurteil, Apollo und Dionysos).
Furtwängler, Beschr. d. Vasen in Berlin 2475 (Amazone).
Mon. d. Inst. X, Taf. XXXIIII = Wiener Vorlegeblätter 1888, Taf. VIII 2
(Hochzeitsvase) und andere.
Die beiden Vasen mit dem Abschied des jungen Kriegers sind wichtig wegen
des hohen Ethos der Figuren, das Furtwängler im Text zu Taf. 35 schön würdigt.
»Es hat auch im Altertum nur die eine Perikleische Zeit gegeben, wo man fähig war,
mit so wenigen Mitteln, so wenigen raschen Linien ein solches Bild von edler Schön-
heit und Größe zu entwerfen. « Der Chiton des Kriegers ist in dünnen, leicht fließenden
Linien angegeben. Kein Lob erscheint zu hoch für die Bologneser Vase mit Phaon
und Aphrodite. Pellegrinis Worte »Disegno rapido e grandiose, stile hello tendente
al florido« treffen das Rechte. Es bleibt dem Gefühl überlassen, in dem Gemälde
eine freie Erfindung oder die Nachbildung eines Werks von Meisterhand zu sehen.
Aber die zart angedeutete Durchsichtigkeit des Chitons an der Brust der Göttin, ihr
Kopftuch, der Ausdruck in Köpfen und Gesten, auch Einzelheiten wie die Kiesel am
Strande bringen einem unwillkürlich den Namen Polygnots auf die Lippen.
Die Amazonenvasen gehören einer Gruppe von Vasen mit Amazonenbildern an,
die sich von den älteren »Mikonischen« Schlachtenbildern unterscheiden (Arch.
Jahrb. XXIX 1914, 129). Ist auch der Zusammenhang mit der älteren »Mikonischen«
Gruppe unverkennbar und die Trennung von deren letzten Stücken, den New
Yorker Krateren, schwer durchzuführen, so fühlt man doch, wie die Zeichnung
freier und die Bewegung der Körper runder und lebendiger geworden ist. Auch die
Zeichnung des Chitons hat sich weiter entwickelt. Während in der ersten Gruppe
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
II I
der Stoff durch langgezogene, mehr oder weniger parallele Striche angedeutet war,
ist hier eine noch größere Leichtigkeit des Stoffes angestrebt. Diese ist sogar an
der flüchtigen Zeichnung der Amphora Abb. 8 zu verspüren; in wirklich künstle-
rischer Weise ist sie auf dem sorgfältigsten Stück, der Vase in Bologna wieder-
gegeben (s. Abb. lo). Hier sind die dünnen, flackerigen Striche ganz lose und will-
kürlich hingeworfen, wie es auch auf den New Yorker Krateren nicht vorkommt.
Der große Stil dieser Amazonenvasen läßt auch in ihnen Nachbildungen von Werken
der monumentalen Malerei vermuten, und es darf hier daran erinnert werden, daß
man durch eine erwägenswerte, w.enn auch nicht bindende Konjektur und durch
Abb. lo. Amazonen von einem Krater in Bologna.
Zusammenziehung verschiedener Nachrichten Polygnot als Urheber des Amazonen-
bildes im Theseion zu Athen hat erweisen wollen (Robert, Marathonschlacht 46;
Hauser, F.-R., Gr. Vm. H 323). Der Wandmalerei steht eine Lekythos mit Amazone
(Benndorf, Gr. u. Sic. Vb. Taf. 46, 3) noch näher, sie ist aber leider schlecht erhalten.
Den »mikonischen« Amazonenvasen konnten Skulpturen wie der Fries des Nereiden-
monuments an die Seite gestellt werden; ebenso steht neben der hier genannten
Gruppe von Amazonenvasen das Albanische Rciterrelief mit seinen großen, fast ganz
gelösten Körperbewegungen und den edlen Gesichtszügen. Auch ist im Hintergrunde
des Reliefs die Felsenkulissc zu beachten, die sich in der Skulptur etwas unglücklich
ausnimmt, als Entlehnung aus der Malerei jedoch gut zu verstehen ist.
Weiter ins Zierliche entwickelt und verbunden mit noch jüngeren Formen in
der Bewegung der Körper erscheint dieselbe Chitonstilisierung auf den unter H ge-
nannten Vasen, besonders schön und deutlich auf dem Aryballos Fiorelli, Vasi Cu-
112 B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
mani Taf. VIII. Hier ist der Chiton in der Weise wiedergegeben, daß über
den sichtbar gemalten Akt kurze, feine, gestrichelte Linien leicht hingestreut
sind, mit Rücksicht auf die Formen des Körpers und seine Bewegung. Die Striche
treffen und schneiden einander, es sind nicht Falten aus bewußter Nachahmung des
von der Natur empfangenen Eindrucks, sondern ein willkürliches, rein idealistisches
Mittel, ein Quidproquo. Man hat längst die Ähnlichkeit erkannt, die diese Vase mit
dem Amazonenkampf auf dem Schilde der Parthenos des Phidias verbindet, soweit
die kleinen Nachbildungen dieses Werkes einen Vergleich zuließen. Ein unmittelbarer
Zusammenhang ließ sich natürlich nicht nachweisen; daß die Vase etwa das Relief des
Phidias nachbilde, ist von vornherein unwahrscheinlich. Das Verhältnis beider Werke
wird so sein, daß das Relief auf dem Schilde der Parthenos eine bestimmte Ent-
wicklungsstufe der Malerei voraussetzt und daß diese auch in dem Bilde des Fiorelli-
schen Aryballos nachgeahmt wird. Ein griechisches Relief in Kopenhagen stellt die
Verbindung zwischen der Vase Fiorelli und dem Schilde der Parthenos her (C. Jacob-
sen, Katalog der Glyptothek Ny Carlsberg 57 a; Brunn-Bruckmann, Denkmäler
Taf. 646 unten). Die beiden Kämpfenden, eine Amazone und ein Grieche, zeigen
so viel Übereinstimmung mit den Nachbildungen des Phidiasischen Schildes, daß wir
auf dem Relief denselben Stil und eine Art von Ersatz für den verlorenen Schild zu be-
sitzen glauben. Nun sind hier die Falten des Chitons, die an der Amazone unterhalb
der Jacke sichtbar werden, auch mit so leicht hingeworfenen dünnen Strichen ge-
bildet wie auf dem Aryballos Fiorelli bei den Amazonen, die den Chiton unter der
dickeren Ärmeljacke tragen. Die Wahrscheinlichkeit ist hierdurch erwiesen, daß die
Chitonbildung, von der wir sprechen, an einem Werke des Phidias vorhanden ge-
wesen ist. Zugleich aber muß auch betont werden, wie sehr die Falten sich ver-
feinert haben und wie weit die starke Bewegung der Figuren von dem edlen Gleich-
maß der bewegten Figuren sowohl an Fries und Giebeln des Parthenon wie an
den unter I genannten Vasen entfernt ist!
Wir beobachten also an Vasengemälden und Bildwerken einen im wesentlichen
einheitlichen, in den einzelnen Werken je nach den Händen der Künstler leicht vari-
ierten Gewandstil, der zu den bis dahin geübten Stilisierungen des feinen Chitons
etwas Neues bringt. Da die Bildhauerei den Stil nicht erfunden, ihn auch nicht
von der Vasenmalerei entlehnt haben kann, so geht der Schluß auf ein gemeinsames
Drittes, die große Malerei. Daß auch Polygnot an dieser vorausgesetzten Malerei
Anteil hatte, wird wahrscheinlich gemacht durch die Amazonenbilder und das Bild
mit Phaon und Aphrodite, es wird entschieden durch das letzte der oben unter I
aufgezählten Werke, die Vase mit dem Bilde des blinden Thamyras.
Es sind immer wieder Versuche gemacht worden, nicht nur den Stil des Polygnot
zu erkennen (Literatur bei E. Feihl, Die Ficoronische Ciste und Polygnot S. i f.),
sondern auch die unmittelbare Nachahmung seiner bezeugten Gemälde auf Vasen
und anderen Werken des Kunstgewerbes festzustellen, die dieselben Gegenstände
wie jene großen Gemälde aufwiesen:
Häuser, Österr. Jahrh. VIII 1905, 18 ff., F.-R., Gr. Vm. III 99 ff. (Nausikaa).
Robert, Marathonschlacht 53 (Leukippidenraub). Robert, Nekyia 3; Arch. Anz.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
113
1889, 151 (Achill und die Töchter des Lykomedes). Benndorf, Jahresh. d. Ah.
Kaiserhauses IX, S. 105. Hauser, F.-R., Gr. Vm. III 102, Taf. 138 (Freiermord).
Hauser, F.-R., Gr. Vm. III 113, Taf. 140 (Kalydonische Jagd).
Alle diese Zuweisungen sind entweder unsicher oder sie geben für unsere Frage
nach dem Gewandstil nichts aus. Anders steht es mit der Bostoner Hydria, Journ. of
hell, studies 1905, PI. I., die Hauser, Österr. Jahreshefte VIII 1905, S. 37 eingehend
besprochen hat (Abb. 11). Es handelt sich für die Deutung des Bildes um folgende
Tatsachen: Sophokles hat ein Drama Thamyras geschrieben. Folygnot hat den Tha-
myras in dem Nekyiabilde in der Lesche der Knidier zu Delphi gemalt, wie Paus. X
30, 8 beschreibt. Er sitzt geblendet da, mit niedergeschlagenem Aussehen, reiche
Abb. II. Thamyras von einer Hydria in Boston.
Haarfülle umgibt Haupt und Wangen. Zu seinen Füßen liegt die zerbrochene Leier
mit zerrissenen Saiten. Aus derselben Zeit sind vier Darstellungen des Thamyras
auf Vasen erhalten:
1. Vase aus Nola. Compte Rendu 1875, S. 75. Hauser S. 39, Abb. 8. Th. in
trauriger Haltung spielt die Leier auf einem Felsen sitzend;
2. und 3. zwei Hydrien in Leiden und im Vatikan (Hauser S. 38 und 39, Abb. 6
und 7). Der Sänger ist sitzend dargestellt, in nordischer Tracht, und mit ihm jedes-
mal eine Gruppe von ruhig stehenden Frauen, Musen und eine alte Frau, die dem
Sänger einen Zweig oder Kranz reicht;
4. die Hydria in Boston. Journ. of hell, studies XXV 1905 PI. I (Hauser S. 37,
Abb. 5). Thamyras sitzt auf einem Felsen und wehklagt, die geblendeten Augen
sind geschlossen. Dazu eine ruhig stehende Frau mit einer Leier und eine alte
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. 8
IIA, B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
wehklagende Frau, Argiope, seine Mutter, die die Blendung des Sohnes bejammert
und sich die Haare rauft.
P. Gardner (J. H. St. XXV 1905, 68) zweifelte an der Beziehung des Hydrien-
bildes zu Polygnot. Hauser hat dagegen das Verdienst, nach R. Zahn (Arch. Anz.
XVH 1902, 86) auf die Wichtigkeit dieser Denkmäler für die Polygnotfrage nach-
drücklich hingewiesen zu haben; er sieht in den Bildern der Leidener und vatikanischen
Hydria Nachbildungen des Votivpinax, den (vermutlich) Sophokles für sein Drama
Thamyras gestiftet und (vermutlich) von Polygnot hat malen lassen. Aus der später
entstandenen Nekyia des Polygnot solle dann der Thamyras auf der Bostoner Hydria
entlehnt und mit zwei nicht dazu gehörigen Frauen zusammengestellt sein. Den
sitzenden Thamyras auf der Nolaner Vase scheidet Hauser ganz aus, da er ihm älteren
Stils zu sein scheint. Vielleicht ist eine etwas andere Auffassung der Bilder zu
erwägen. Der Thamyras der Nolaner Vase ist dem auf den beiden Hydrien so ähnlich,
bis auf das Barthaar, in der Haltung aber so gleich, daß wir ihn mit den Hydrien
auf dasselbe Original zurückführen müssen. Die siegreiche Bekränzung des Tha-
myras auf den beiden Hydrien ist aber unmöglich in dem Sophokleischen Drama be-
gründet und, wie mir scheint, aus der Unfähigkeit des Vasenmalers zu erT^lären, der
seine Vorlage nicht verstand, den Thamyras als sehenden Sänger malte und nun den
ihm unklaren Gestus der ihre Haare raufenden Argiope umdeutete, indem er ihr nach
Analogie anderer Bilder die Absicht der Bekränzung unterlegte. Als Analogien für
solche Bekränzung führt Hauser S. 40 Abb. 9 die Sapphovase in Athen, Collignon-
Couve Nr. 1241, an. Es konnte auch die schöne Vase der Sammlung Czartoryski
(Ann. 1866 PI. V) und das eleusinische Relief beigebracht werden. Auf diese Be-
kränzung als einen geläufigen Typus darf also für die Interpretation kein Gewicht
gelegt werden. Sinnvoll ist dagegen allein die Hydria in Boston, mit dem
blinden Sänger und der trauernden Mutter. Die Muse auf dieser Vase ist
aber untrennbar von den Musen auf den beiden Hydrien in Leiden und Rom.
Ich meine, der Thamyras der Vasen i — 3 scheidet für uns aus; er ist willkür-
lich nach Analogie von Orpheusbildern gestaltet. Die Alte mit dem Kranz ist
zurückzuübersetzen in die Wehklagende der Bostoner Hydria. Die Musen sind zu
verbinden als einige herausgewählte aus dem ehemals vollzählig dargestellten
Musenchor. Sie und der Thamyras der Bostoner Vase sind allein authentisch, und
das verlorene, diesen Bildern zugrunde liegende Original mag in der Tat der Votiv-
pinax des Sophokles für sein Drama gewesen sein. Daß dieser von Polygnot gemalt ge-
wesen sei, ist wohl glaublich. Es wird wahrscheinlich gemacht durch die Überein-
stimmung der Bostoner Vase mit der Beschreibung des Thamyras in dem Unterwelts-
bilde des Polygnot in Delphi. Es ist zwar wegen der rein praktischen und technischen
Schwierigkeiten schwer glaublich, daß dies Bild die Vorlage für die attischen Vasen-
bilder abgegeben habe, wie Hauser meint. Wohl aber ist anzunehmen, daß Polygnot
eine einmal gefundene glückliche Lösung eines bestimmten Themas bei späterer Ge-
legenheit wiederholt habe. Wem dies eines großen Künstlers unwürdig scheint,
der erinnere sich, wie unsere großen Komponisten des 18. Jahrhunderts ganze Musik-
stücke in neuem Zusammenhange wieder verwandt haben. Die Übereinstimmung
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. 1 1 r
der Bostoner Vase mit der Beschreibung des delphischen Thamyras ist aber so
schlagend, daß wir bei aller Vorsicht, die die Natur des Materials gebietet, mit
dem Polygnotischen Charakter dieser Vase rechnen dürfen, nicht anders, als wenn
wir, wiederum nach Hausers Vorgang (Vm. II, Text zu Taf. lo8), in dem Berliner
Fragment mit dem Kentaurenkampf (Arch. Zeitung 1883 Taf. 17) die gute Nach-
bildung eines bestimmten Mikonischen Gemäldes erkennen. Stimmt doch auch
dazu, was wir sonst von der Kunst des Polygnot wissen: die Fähigkeit, Seelen -
Stimmungen zu malen, die Vorliebe für verschlungene Gruppen und der Stil des Ge-
wandes. Man erkennt deutlich, wie der Vasenmaler sich bemüht hat, trotz dem
kleinen Maßstabe eine stilistische Eigentümlichkeit seines Vorbildes nachzuahmen,
aber wegen des engen Raumes in abgekürzter Form. Wir sehen frei hingesetzte Striche
von verschiedener Länge, die ein weich fallendes, dünnes Gewebe über dem erkenn-
baren Körper andeuten, abweichend von den im Zusammenhang mit Mikon erörterten
Stilisierungen des Chitons (A. J. XXIX 1914, 127 ff.) und sehr geeignet, von der
durchsichtigen Frauenkleidung und dem gleichsam durchwehten Aussehen der Poly-
gnotischen Gewandung einen Begriff zu geben. Es ist eben die Art, die wir ähnlich
auf den unter I. aufgezählten Vasen finden, und weiterentwickelt auf den Vasen
unter II, und III., also auch auf der Vase Fiorelli, Vasi Cumani Taf. VIII, mit der
wir in den nächsten Bereich des Phidias gelangen; es ist aber auch die Art, die wir aus
den plastischen Werken, dem Rehef Albani, dem Berhner Torso und den Parthenon -
Skulpturen herausgefühlt hatten. Im einzelnen lassen sich nun Parallelen zwischen den
Skulpturen und diesen Vasen ziehen; die langen tütenförmigen Falten an den
Rockschößen der Iris und des Albanischen Reiters gleichen denen auf den Amazonen-
vasen in London (E. 272) und in Bologna (Abb. 10), die ruhig hängenden der Ber-
liner Aphrodite denen des Thamyras. Besonders für die Art, wie am linken Ober-
schenkel des Berliner Dionysos die Falten zur Seite geweht werden, läßt sich die
entsprechende Partie an der Kreusa des Aryballos Fiorelli und an dem Dionysos auf
dem Kertscher Krater, C. R. 1861 PI. IV, sowie die Falten an der Brust des Bostoner
Thamyras vergleichen. Den durcheinander fahrenden Falten am Bausch des Jüng-
lings auf dem Albanischen Reiterrelief ist noch das Gewand der Nike Fröhner, Coli.
Tysk. Taf. XXXV nächst verwandt. Das Durchscheinen der Brustmuskulatur am
Berliner Torso und Albanischen Relief kehrt in Malerei wieder auf dem Stamnos
Gerhard, A. V. 58 und auf der Philoktet-Vase, Milani, II mito di Filottcte, (Titel-
bild). Das Lockere der Gewandung stimmt bei den Skulpturen und Vasenbildern
überein und hat in Malerei und Plastik vorher keine genaue Analogie. Für die
Falten am rechten Oberschenkel der Iris aus dem Westgiebel ist noch eine jüngere
Scherbe (Schöne, Museo Bocchi Taf. III 3) zu vergleichen. Die bei der Bewegung
des Stoffes entstehenden Faltenaugen sind hier wie dort auf gleiche Weise beobachtet.
Hat man sich einmal gewöhnt, in den Falten nicht die Stoffoberfläche, sondern den
gezogenen Strich zu sehen, so hat man es leicht, auch in etwas entfernten Werken
die Vorarbeit der zeichnenden Malerei zu sehen, namenthch in Reliefs wie dem
rhodischen Relief in Berhn (Kekule von Stradonitz, 65. Berliner Winckelmanns-
programm) und dem elcusinischen Weihrelief. Die für das letztere beigebrachten
I l6 B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
Parallelen, wie die Wiener Bronzestatuette und die Sappho Albani (v. Schneider,
Jahrb. d. Ah. Kunstsammlungen XII, i 1891, 72 ff.) treffen nur für Äußerlichkeiten
der modischen Tracht zu. In ihrem Stil wird man das ganz anders geartete Bronze-
vorbild zu erkennen haben und lieber auf eine malerische Darstellung wie die Morra
spielenden Mädchen auf der Vase Ann. 1866 Taf. U verweisen, i)
Auch die bewunderte Gewandbehandlung' an den Himatien der Parthenon-
giebelfiguren findet nun ihre Erklärung, wenn wir der Polygnotischen Xsttiox-/;? ifiaittov,
von der Aelian berichtet, Einwirkung auf die Skulptur zuerkennen. Neben Bildern
sitzender Frauen, wie z. B. Stackeiberg, Gräber Taf. XXXIII, und Panofka, Cab.
Pourtales PI. XXXIV, scheint mir die Kopenhagener kleine Hydria, die wir auf
Taf. 3 mit gütiger Erlaubnis von Dr. Blinkenberg abbilden, ein besonders wert-
volles Zeugnis für die malerische Darstellung eines feinen Himations von der
Art zu sein, die den Meistern der Parthenongiebel als Muster vorgeschwebt
haben kann. Namentlich die flott über die Knie hingezogenen Faltenstrichc ent-
sprechen so vollkommen der dort in Stein umgesetzten Auffassung, daß die
Annahme von genau nachgeahmten Tonmode-llen angesichts dieser Vase wohl
fallen kann. Auch die flüchtig hingeworfenen Himationfalten am Orpheus auf dem
Berliner Orpheuskrater wären so nicht gezeichnet, wenn nicht ähnliches in dem
Vorbild gegeben gewesen wäre. So bestätigen sich Benndorfs Bemerkungen
(Untersuchungen auf Samothrake II 73) über das »nachdrückliche Betonen der
Zuglinie der Falten im Gegensatze zu dem individuellen Ausbau in Breite und
Tiefe, den sie in Wirklichkeit durch unendlich wechselnde Störungen erfahren.
Die charakteristischen Gewandaugen spielen eine untergeordnete Rolle, die' sekun-
dären Flächenbildungen des Stoffes zwischen den Faltenhöhen sind unterdrückt,
die textile Bewegung des Gewandes geht ohne Rest auf in die energische Grund-
form .... Ausschnittweise, in der Nähe betrachtet, haben die weiten Falten der Mäntel
etwas Ödes ...... Die Zeichnung gab eben nur die Faltenstriche; die Fläche wurde
durch den Malgrund oder die deckende Untermalung gegeben. Eine Fortentwick-
lung im Sinne zunehmender Verfeinerung zeigt sich dann bei der Selene auf dem
Neapler Gigantomachiefragment (Mon. Inst. IX, 6; Furtwängler-Reichhold II S. 195),
mit dem wir vielleicht wieder in den Bannkreis des Parthenonschildes gelangen.
Sogar das Himation der Westgiebelfigur in London (Q), reich bewegt, wie es das
ruhige Sitzen der Gestalt nicht verlangt, läßt sich mit Erscheinungen in der Malerei
vergleichen. Die Scherbe ColHgnon-Couve, Catalogue 1239, F.-R. Vm. II S. 310/311,
im Stil freilich den Parthenon-Nordmetopen näherstehend, zeigt ähnlich stark
betonte Faltenaugen; auch diese Formulierung ist bald ins Zierliche und Natur-
fremde weiter entwickelt (Lekythos in Palermo, F.-R. Vm. Taf. 66) und entartet
(El. cer. II, XLIX2), Daß auch der schmale, rutschende Mantel des Ilissos
') Der Stil lebt noch weiter in der Dresdener Ama- die Furtwängler, Originalstatuen in Venedig
Zone (Fr.-VV. 518), die an die Amazonen auf der S. 293 hinwies, und die sich in Malerei auf der
Schale Museo Borbonico X Taf. LXIII, und die Lekythos, J. H. St. XXV 1905, 70, im Relief auf
Berliner Lekythos Furtw. Beschr., 2475 erinnert. der Stele von Ikaria (Am. Journ. of Arch. V
^) Anderer Art sind die »gewundenen Falten«, auf pl. 13) und weiterentwickelt am Parthenonfries
und sonst finden.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. I j 7
im Westgiebel nicht der Natur entspricht, bedarf kaum der Worte. Die Vase
Fiorelli, Notizie dei Vasi Cumani Taf. XIV mit dem Mäntelchen an den Beinen des
Telephos vermag eine Vorstellung zu geben, wie solche leichten, teils anliegenden,
teils frei hängenden Gewandstücke sich in der Malerei ausnehmen. Selbst der Peplos
der laufenden Figur G im Ostgiebel ist gegen die Natur gebildet, und zwar verein-
facht, und der große Schwung der Linien weist, wie bei den Xanthischen Nereiden,
auf die Malerei. Aber während dort die Falten sich als plastische Darstellung dünner
Striche erweisen, haben wir hier den breiten Pinsel zu erkennen, wie er'auf Lekythen
bei Peplos und Himation angewandt wird, im Gegensatz zu dem feineren Instrument,
das den Aktumriß zeichnet (z. B. Pellegrini, Catalogo dei Vasi dipinti di Bologna 1901
Taf. III Nr. 363). Dadurch erhält der Peplos eine gewisse Stofflichkeit, im Gegen-
satz zu der ziemlich strengen und abstrakten Weise, wie in der Paioniosschule
auch weiterhin der Peplos wiedergegeben wird (Artemis Colonna, Nikebalustrade).
Also geschichtlich dargestellt muß es heißen: Polygnot und andere Maler seiner
Zeit haben einen Gewandstil gehabt, in dem der dünne Chiton durch feine, zum Teil
fast wahllos über den Akt hingeworfene Striche angedeutet wurde. Dieser Stil
ist von der Plastik übernommen und in Steinhauerei nachgeahmt worden, nicht
bloß beim Relief, wo die genaue Nachahmung eines auf die Fläche gemalten Bildes
leicht verständlich wäre, sondern auch in statuarischen Werken, wie in den dekora-
tiven Giebelfiguren und in den beiden freistehenden Berliner Standbildern. So er-
klärt sich auch noch besser als aus der ästhetischen Wirkung beim Beschauer (Bulle,
Schöne Mensch zu Taf. 127) die Vorstellung von der »gewissen Wildheit des Aus-
sehens« und »atemlos raschen« Arbeit an den Parthenonfiguren, die doch dem müh-
seligen Vorgang der Arbeit im Stein nicht entspricht. Der Pinsel ist ein leicht beweg-
liches Werkzeug; der rasche Strich ist es, den man aus den leichten Marmorfalten
herausfühlt. Damit gewinnen wir eine genaue Analogie zu dem Vorgang, den der
Vergleich des Nereidendenkmals mit den Mikonischen Vasen enthüllt hatte (A. J.
XXIX 1914, S. 123 ff.), und zugleich eine neue Einsicht in das Wesen und die
Geschichte der Malerei, die um die Mitte des 5. Jahrhunderts in dem Kreise um
Polygnot geübt wurde. Die vorhergegangene Stufe ist uns durch den Namen
des Aglaophon von Thasos, Vaters und Lehrers des Polygnot, und durch die Er-
wähnung seiner Nike bekannt. Sein Stil mag etwa auf derselben Entwicklungsstufe
wie der des Mikon gestanden haben i). In der Gesamtheit der »Polygnotischen« Vasen
aber sind die Bewegungen des Körpers aus der strengen Gebundenheit zur Freiheit ent-
wickelt, die Gemütsbewegungen vertieft und veredelt, der Stil des Gewandes verfeinert
und alles einem einheitlich wirkenden Idealtypus untergeordnet. Schon im Bereich
des Phidias, in den Denkmälern, die uns den Stil des Parthenosschildes zu vergegen-
') Beide mögen auch gleichzeitig sein mit der ioni- Der New Yorker Volutenkrater (F.-R., Vm.
sehen Malerschule, der die Olympiaskulpturen Taf. 116), mit dem »mikonischen« Amazonenbild
ihren Stil und ihre Vorbilder verdanken. Ein und dem Kentaurenbild von der Art des Olympia-
organischer Zusammenhang kann zwischen der westgiebels, verbindet beide Stile auf rein zu-
Schule des Mikon und der des Aglaophon und fällige und äußerliche Art (vgl. Berliner philo-
Polygnot bestehen; die Olympiaskulpturen schei- logische Wochenschrift 1915 Nr. 25, Anzeige von
nen mir im innersten Wesen anderer Art zu sein. Rösch, Altertümliche Marmorwerke von Faros).
II!
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
wärtigen scheinen, sehen wir eine weitere Fortbildung zu heftigeren Bewegungen,
zu übertriebener Aufteilung des Gewandes in lockere Strichelung und einem Nach-
lassen der hohen ethischen Kraft und harmonischen Schönheit. In den oben unter
III als Beispiele aufgeführten Vasen sehen wir dann den Stil in eine Manier aus-
arten, die in der Skulptur keine
Nachfolge gefunden hat.
Die Berliner Dionysosstatue
(Taf, 2) lehrt, wenn die Fund-
angabe Kleinasien richtig ist, daß
dieser Stil nicht an Attika gebun-
den zu sein braucht. Nach Nord-
griechenland, nach der Insel Thasos,
weist die Nachricht über Aglaophon,
den Vater des Polygnot. Von eben-
daher stammt nun ein Werk, das
wie eine ältere Vorstufe der Par-
thenonfiguren und der verwandten
Werke anmutet und zugleich den
Zusammenhang mit der Malerei
deutlich zur Schau trägt: das Grab-
rehef der Fhilis (Fr.-W. 36, Ahnari
Photographie 22 604, hier Abb. 12).
Fr, Hauser (F,-R. Vm. II S.' 309)
hat die Gewandaugen des Himation
mit denen auf einer athenischen
Scherbe (Athen. Mitt. 1907 Taf. 6)
und auf der noch älteren nord-
griechischen Mädchenstele Heibig,
Führer 2 I Nr. 607; Bull. comm.
XI, 13) verglichen, insofern mit
Recht, als die Beispiele zeigen, wie
leicht es die Malerei hat, mit dem
Strich den zusammengeschobenen
Stoff anzudeuten, dessen Darstellung
der Skulptur schwerfällt. Mir schei-
nen die Himationfalten des Philis-
reliefs dem breiten Pinsel auf zugestrichener Fläche ihre Entstehung zu verdanken,
und ebenso deuthch sind die Chitonfalten dünnen Pinsel- oder Stiftstrichen nach-
gezogen, denen auf der Oberfläche des Ärmels gar die ganze Ausführung überlassen
blieb. Diese Chitonfalten aber brauchten nur ins Freiplastische übertragen zu werden
und etwas leichter stihsiert zu werden, um denen an den Tauschwestern zu gleichen ^).
Abb. 12. Grabrelief der Fhilis.
I) Fredrich (A. M. 1908 XXXIII 220) setzt das
Werk nach der »Weichheit und Natürlichkeit der
Arbeit« und den Formen der nicht mehr epi-
chorischen Buchstaben ins letzte Viertel des
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
119
Die Übereinstimmung in der Darstellung des dünnen Gewandes in Malerei
und Plastik ist oben zunächst als »stilistische Gewöhnung« bezeichnet worden, die
keinen Schluß auf einen bestimmten Meister zulasse. Die Beispiele zeigen, daß
eine Anzahl von Künstlern verschiedener Begabung, und zwar, nach der geringen
Menge der Beispiele zu schließen, nur ein kleiner Kreis von Künstlern sich des Stils
bediente. Die angeführten Kunstwerke haben aber außer dem Gewandstil viel innere
Verwandtschaft in dem Streben nach großer Auffassung und harmonisch edler
Form. Durch diese Eigenschaften unterscheiden sie sich fühlbar von allem Zeit-
genössischen, z. B. den Werken, die sich an das Nereidenmonument anschließen und
dem zwar machtvoll wirkenden, aber in der Form recht groben Torso Medici. Für
die Zeit, wo die neue Gewandbehandlung zuerst auftritt und noch nicht als Mode nach-
geahmt und verallgemeinert ist, glauben wir uns daher berechtigt, auf einen schulmäßigen
Zusammenhang zu schließen. Diese Schule aber benutzt ihre Kunstmittel in freiem
Künstlerwillen, sie ist nicht von der Pinseltechnik oder den plastischen Werkzeugen
allein abhängig, die auch anderen Auffassungen dienstbar gemacht werden können. So
sind am Parthenon selbst mehrere andere Arten der Chitondarstellung vertreten.
An den Südmetopen sind Mäntel und Peplos voll stofflich gegeben. Chiton
kommt auf den Metopen Süd XIX (Festschrift für Overbeck S. 73) und XXIX
vor, wonach man sich die Zeichnungen der Metopen XVII, XVIII und XXI in Stein
vorstellen kann. Der Stoff ist hier mehr wie eine selbständige, deckende Masse
gefaßt, an der die natürliche Bewegung namentlich in der zurückgeschlagenen Falte
am rechten Unterschenkel der Frau auf MetopeXXIX beobachtet ist. Das ist dieselbe
Art, wie bei den laufenden Kriegern am Theseionfries; die Kleidung der Frauen auf den
verlorenen Südmetopen XIII, XIV, XVII, XIX — XXI würde wohl der der sitzenden
Gottheiten am Theseionfries entsprechen. Auch der kleine Berliner Tempelfries
(Arch. Jahrb. XVIII 1903, 91 Taf. 6, 7) zeigt dieselbe Art und Technik, namentlich
die Anwendung des laufenden Bohrers, wie am Theseionfries. Doch beachte man
die, wenn auch nicht starke, so doch sichtbare Andeutung des Aktes, zumal bei den
laufenden Kriegern des Theseionfrieses, die wiederum auf das Vorbild der Malerei
zurückweist. Eine solche Andeutung des Chitons durch dickere, gemalte, mehr oder
minder tremolierende Striche, ist an dem Gewände des Hermes auf dem Krater,
Mus. Greg. II Taf. XXVI in polychromer Technik bezeugt, mit Deckweiß am
Chiton der fliehenden Amazone auf dem r.-f. Lebes Stoddart (F.-R. Gr. Vm.
Taf. 58). Auch einige Vasen mit reiner r.-f. Technik z. B. Noel des Vergers, L'Etrurie
Taf. XXXIX (Iliupersis), Pellegrini, Vasi delle Necropoli Felsinee Abb. 47 Nr. 199
5. Jahrhunderts. • Die Haartracht ist nach Fred-
rich eine »archaische, beibehaltene Festtracht«.
Wie solche archaischen Festlocken an einem
Werk des 5. Jahrhunderts aussehen, zeigt das
Relief der Polyxena in Berlin (Kekule von
Stradonitz, Griechische Skulptur S. i8o). Über
die Buchstabenformen erlaube ich mir kein Urteil.
Der Stil jedoch scheint mir viel mehr streng und
ideal als weich und natürlich; diese Ausdrücke
passen eher auf das Bild einer r.-f. Kanne
im Berliner Antiquarium (Inv. Nr. 3393, H. 0.22 ;
aus Griechenland, hier Taf. 4), auf der eine
sitzende Frau in ähnlicher Tracht und Haltung
erscheint, doch in einem jüngeren Stil, der den
Parthenongiebeln entspricht. Dies Gefäß ent-
stammt etwa dem dritten Viertel des 5. Jahr-
hunderts und hilft, die Brücke zwischen den Par-
thenongiebeln und dem Philisrelief schlagen.
j 20 B- Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
(Kcntaurenkampf) und Mon. I 38 (Peleus und Thetis) scheinen mir eine Chiton-
bildung von dieser Art wiederzugeben. Die Parthenon - Südmetopen und der
Theseionfries samt dem IHssostempelfries in Berhn gehören zusammen, wenn
auch nicht nach Werkstatt und Meistern, so doch in dem Naturalismus, der
diesen Werken gemeinsam eigen ist und sich von dem idealen Stil der Mikonischen
und Polygnotischen Kunst fühlbar unterscheidet. Die Beziehungen der Südmetopen
zu den Olympiaskulpturen sind geringer, »als man früher annahm (Graef, Athen.
Mitt. XV 1890, 34; vgl. Studniczka, A. J. IV 1889, 168). Auch die Beziehungen
zu den Tyrannenmördern (Sauer, Das Theseion S. 220 ff. ; Furtwängler, Meister-
werke S. 71 f) treffen keine wesentlichen Dinge. Der Athlet Boboli, der hier die Ver-
bindung herstellen sollte, hat bei seinen gedrungenen Proportionen mit den
Tyrannenmördern nichts zu tun; vielmehr steht er unmittelbar neben derParthenon-
Südmetope XVII, deren Lapithenkopf (Collignon, Le Parthenon PI. 34) ebenso wie
die andern Jünglingsköpfe der Südmetopen dem Kopf der ludovisischen Diskobol-
herme zu vergleichen ist (E. V. 245/6). Dem Kreis naturalistischer Kunst, dem
diese Herme (und in weiterem Sinne auch Myron) angehört, sind die Südmetopen
zuzuschreiben.
Auch die Nordmetopen zeigen ihre besondere Eigenart in der Chitondar-
stellung. Die meisten sind zu sehr zerstört, aber Nord XXXII gut erhalten. Der
Peplos der stehenden Frau ist in breiten Flächen, doch in der kunstvollen An-
ordnung zu schön und zu sehr auf farbigen Effekt berechnet, um nach Natur
gebildet zu sein ^). Die sitzende Frau hat eigentümlich teigartige Falten, die
an Chiton und Mantel im wesentlichen übereinstimmen. Daß auch sie 'der
Natur nicht nachgebildet sind, liegt auf der Hand. Das herauszufühlende Vor-
bild ist eine breitpinselige Malerei großen Stils. Kein Vasenbild scheint dieser Art
von Malerei näher zu stehen als die schon erwähnte Athener Scherbe Collignon-Couve
1239, A. M. XXXII 1907 Taf. 6 (Brückner), F.-R., Gr. Vm. II S. 310. Auch
hier die verquollenen Falten, der schlaffe Chiton, der ausführlich behandelte
Himationzipfel über der linken Schulter und das Motiv, wie Teile des Mantels über-
quellen, andere eingeklemmt sind und aus der Enge herausfiießen. Die von Michaelis
(Parthenon Text S. 139) zu den Metopen Nord XXIVund XXV herangezogene Vase
Mus. Greg. II Taf. 5, 2 a hat in der Gestalt der Aphrodite manche Beziehung zu der
stehenden Frau auf der Metope Nord XXXII. Auch der Krater A. Ztg. 1852
Taf. XLII geht, wie mir scheint, auf ein Vorbild aus diesem Kreise zurück.
Die Ost- und Westmetopen gehören dem Kreise des Xanthischen Nereiden-
denkmals, also wohl der Mikonischen Schule, an (A. J. XXIX 1914. S. 136 Anm. i).
Chiton ist auf ihnen nicht erhalten; aber die Stellungen und Bewegungen gleichen
durchaus denen am großen Fries des Nereidendenkmals, besonders die Amazonen-
köpfe der Westseite den schon von Michaelis (Parthenon S. 149) verglichenen Ama-
zonenvasen, die für uns zwischen der großen Wandmalerei und dem Nereiden-
monument den Zusammenhang vermitteln.
') In Malerei vgl. Pharmakowski, Attische Vasen S. 363 Fig. 19. A. Denkm. I Taf. 59, 2 (Eulimene).
El. cer. IV 84. Berlin. Vasen Inv. 3244.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. I2i
Der Parthenonfries zeigt in der Gewandbehandlung deuthches Streben nach
stoffhcher Fülle, auch im Chiton, sowohl in der Bewegung an Reitern und Wagen-
fahrern wie in Ruhe an der sogenannten Peitho des Ostfrieses, wo der Stoff in weicher
Masse vor dem wenig sichtbaren Akt hängt. Doch ist auch dies Gewand zu schön
für unmittelbare Naturnachbildung, ebenso wie das an den Statuen in Berlin (Verz.
586), in Neapel (E. V. 497), in Gortyn (Mon. ant. XVIII, 266) sowie der Sitzstatue
Torlonia ^), die alle dem Friese ganz nahe stehen. Diesen Statuen sind Denk-
mäler an die Seite zu setzen, wie das überaus malerische Relief in Berlin,
Verz. 941, hier Taf. 5 ^), oder Malereien, auf denen naturalistisches Bestreben
zu ähnlichen Ergebnissen geführt hat, z. B. die Lekythos Riezler, Attische Lekythen
Taf. 38. Der Skulptur am Fries kommen Vasen wie F.-R., Gr. Vm. Taf. 139, 140
und das Epinetron aus Eretria, 'E'^. dpy^. 1892 Taf. 13, nahe; hier haben die
Falten auch das weiche, fast stoffliche Aussehen und doch die unwirkliche,
strichmäßige StiHsierung, wie an der feitho. Eine ältere Vorstufe wird durch
die Penelopestatue vertreten, die in ihrer reliefartigen Anordnung der Gestalt
und in den Falten des Himation noch deutlich den Zusammenhang mit der
Malerei verrät. Das Epinetron von Eretria trägt an der Stirnseite das Bild des
Bellerophon, das mit anderen Reiterbildern 3) zusammen lehrt, wie die malerische
Vorlage für die Jünglingsgestalten des Frieses etwa ausgesehen hat.
Die Parthenonskulpturen lassen sich also nach ihrem Stil folgendermaßen auf-
teilen:
Die Metopen zerfallen in drei voneinander deuthch getrennte, in sich ein-
heitliche Gruppen: Süd, Nord und Ost mit West, deren jede mit verschiedenen
malerischen Vorbildern in Beziehung gesetzt werden konnte. Dazu tritt als vierte
einheitliche Masse der Fries mit seiner stofflich festen Chitonbildung und, vom Fries
grundsätzlich verschieden, als fünfte Gruppe die beiden Giebel, auch diese beiden,
wie es scheint, in sich einheitlich im Entwurf, aber ebenso wie Friese und Metopen
von verschiedenen Händen ausgeführt. Die ungeheure Aufgabe der Parthenon-
skulpturen ist anscheinend auf die besten Werkstätten der Stadt verteilt worden,
und der leistungsfähigsten sind die Giebel zugefallen. Diese Werkstatt hatte teil an
') Mon. Inst. XI Taf. XI; Museo Torlonia Taf. XX, auf die Mitwirkung farbiger Effekte gerechnet
77; Amelung, Führer 60; Hekler, Römische weib- und die strengen Reliefgesetze nicht für bindend
liehe Gewandstatuen Typus XIII (Münchener erachtet hat. Die Erfindung scheint mir un-
Archäolog. Studien 226). mittelbar auf Malerei zurückzugehen.
*) Die Taf. ,5 gibt die erste gute Abbildung des 3) Gardner, Vases in the Ashmolean Museum Fl. 13.
anziehenden Werks, dessen Erklärung durch den Sambon, Verkaufskatalog 1914 Nr. 98. Zannoni,
Bruch leider vereitelt wird, das aber in der lässi- Scavi della Certosa Taf. LVI, i. 2. Der früher
gen Haltung und der reichen Gewandung der Frau herangezogene Lebes Stoddart, F.-R. Taf. 58,
und der spürenden Bewegung des Hundes großes gehört nicht hierher: Riezler, Parthenon und
Können verrät. Die ausführliche Angabe des Vasenmalerei S. 14. Zum Chiton der fallenden
Felsensitzes und die Art, wie der Hund vor diesem Amazone vgl. oben im Abschnitt über die Süd-
Felsen und die Frau vor dem Tier im Hinter- metopen. Nachbildung des Frieses in Malerei
gründe angeordnet sind, zeigt, daß der Künstler auf der Berliner Kanne A. Z. 1878 Taf. XXII.
Darüber zuletzt Riezler a. a. 0. S. 17.
122
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
dem Stil, den die oben unter I. aufgezählten Vasen zeigten, den also auch Polygnot
besessen hat und der sich unter den Händen des Schülers schneller fortentwickelte,
so daß er zu gleicher Zeit mit dem Schilde der Parthenos, also schon vor der An-
fertigung der Giebelfiguren in freierer Form auftritt (s. o. S. II2). Es erscheint uns
schon als Gewinn, wenn wir mit so viel Wahrscheinlichkeit wenigstens in einer
Hinsicht, der Gewandbehandlung, die Giebel in so engen stilistischen Zusammen-
hang mit Polygnot und seiner Malerei bringen können. Da wir aus seinem Kreise
nur ihn mit Namen kennen, mögen wir auch alles sonst in Malerei und Plastik Ver-
gleichbare als »polygnotisch« zusammen-
fassen und ihn als Schulhaupt ansehen.
Aber in welchem Verhältnis Polygnot
selbst zu dem Entwurf der Parthenon -
giebel gestanden hat, dürfen wir erst fragen,
wenn wir mehr Sicheres über seine Kunst
und seine Schule wissen. Vielleicht war er
nur einer, wenn auch der bedeutendste aus
einer Anzahl von Malern und Bildhauern,
deren gemeinsame Schule wir im Norden,
auf Thasos, heimisch zu denken haben. Mehr
zu sagen, verbietet der Zustand unserer
Zeugnisse. Doch ist es niemand zu ver-
argen, wenn er in den Parthenongiebeln
auch über den Gewandstil hinaus Überein-
stimmung mit dem findet, was wir aus der
Literatur über Polygnots Kunst wissen.
Solange wir also den Namen des Meisters
nicht kennen, der die Parthenongiebel er-
dacht hat, mögen wir uns des Namens
Polygnot zuerst erinnern, wenn es uns
treibt, das »Wunderwerk« als Werk von Menschenhänden zu begreifen, und ebenso
mag sich die aufbauende Phantasie an die Parthenongiebel halten, wenn sie
sich bemüht, die schemenhafte Überlieferung über Polygnot mit der Anschauung
nicht von handwerklichen Vasenbildern, sondern von wirklichen Meisterwerken
lebendig zu machen.
Man hat immer die hohe technische Meisterschaft der Parthenongiebel mit
Recht gepriesen. Wenn es verwunderlich scheinen konnte, wie sie so plötzlich da
.war, so mag hier nicht an die längst vergangene »Chiotische« Schule, deren Existenz
mit Recht bezweifelt wird ^), sondern an das Philisrelief und, wie in einem anderen
Falle an die prokonnesischen Brüche (A. J. XXIX 1914, 160), so hier an die
Marmorlager auf Thasos erinnert werden, die mehr Plastik geliefert haben mögen,
als uns heute bekannt ist^). Schon H. Brunn (Kleine Schriften H 191) hat den
Abb. 13. Weiblicher Kopf in Berlin.
^) G. Rösch, Altertümliche Marmorwerke von Faros
S. 18.
^) Über neuere Grabungen auf Thasos G. Karo,
Arch. Anz. 1914, 163.
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. 12^
thasischen Marmorreichtum im Zusammenhang mit der bildhauerischen Tätigkeit
Polygnots genannt. Vielleicht dürfen wir uns in diesem Zusammenhang eines Berliner
weiblichen Kopfes erinnern (Beschr. d. Bildw. Nr. 607; Schröder, Das Museum XL
Taf. ,25 S. 13; Kekule von Stradonitz, Griech. Skulptur 107 f., hier Abb. 13). Er
soll aus Athen stammen, aber das Material, >;thasischer« Marmor, zeigt, daß er nicht
dort gearbeitet ist. Zugleich aber steht er den sicher oder vermutlich zu den Par-
thenongiebelfiguren gehörigen Köpfen ^) so nahe, daß er uns über die verlorenen
Köpfe der Iris, Nike, der Tauschwestern usw. in etwas zu trösten vermag. Sollte
die Herkunft des Marmors in diesem Falle mit der Heimat des Stils zusammenfallen,
so ist der Kopf, dessen »großartigen Stil« schon der Berliner Katalog rühmt,
auch für die Frage nach der künstlerischen Heimat der ihm verwandten attischen
Bildhauerwerke von hohem Wert.
III.
Der Torso in Berlin, Beschr. d. Sk. 526, den wir hier auf Taf. 2 zum ersten
Mal in gebührender Weise abbilden, ist 1,13 m hoch, aus feinkörnigem Marmor ge-
arbeitet und in Rom mit der Angabe, er stamme aus Kleinasien, erworben. Die
Photographie zeigt den Rest eines männlichen Körpers von mächtigen Formen, der
hochaufgerichtet auf dem linken Beine ruhte und das rechte Bein leicht vor und
zur Seite gesetzt hatte. Der rechte Arm ist ganz abgebrochen, von dem linken läßt
ein kleiner Rest erkennen, daß der Oberarm abwärts und ein wenig nach hinten
gerichtet war. Das Haupt war, wie es scheint, zur linken Schulter gewendet.
Die Beine sind in der Mitte gebrochen, vom linken ist gerade noch das kraftvolle
Knie erhalten. Der Rumpf ist mit einem kurzen Chiton bekleidet, der untergürtet
und im Bausch herausgezogen ist und mit einem breiteren Gürtel von Kettengliedern
über den Hüften umfaßt wird. Über den Schultern werden die Flügel des Chitons
von Spangen gehalten. Am rechten Schenkel schieben sich die Falten zusammen,
als ob hier die Hand oder ein von der Hand gehaltener Gegenstand angelegen hätte.
Die Rückseite ist wenig ausgeführt, auch hat die ganze Oberfläche stark durch Ver-
letzungen gehtten. Die Löcher auf der Brust sind mir als Spuren von Flintenkugeln
gedeutet worden. Die Arbeit, namenthch des Gewandes mit den feinen, durch-
scheinenden Falten, ist äußerst geschickt und der echt griechische Ursprung den
Verfassern des Katalogs nicht zweifelhaft gewiesen. In der Forschung hat das Werk
bisher keinen Platz gefunden. Nur Kekule von Stradonitz (Griech. Skulptur 2 159)
führt es an; er sieht in Stellung und Behandlung Abweichungen von der gewöhn-
lichen attischen Art und nimmt es als »Beispiel für die besondere, aus kleinasiatischen
Skulpturen bekannte Weise«. In der »Kurzen Beschreibung der Skulpturensammlung
der Königlichen Museen, Berlin 1910« S. 39 Nr. 526 ist das Werk kurz mit den
Parthenonskulpturen verglichen worden. Eine genauere Betrachtung der künst-
lerischen Arbeit an dem ganzen Werk, zumal seiner Gewandung, befähigt uns, über die
bisher gegebenen Beurteilungen hinauszugehen und dem Werke einen Eigennamen
zu geben.
0 J. Six, J. H. St. XXXI 191 1, 65 ff. Zum Stockholmer Kopf Kjellberg, Rh. M. XXVII 1912, 94.
124
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
Die Art des Gewandes ist eine der vielen Formen, in deren Erfindung sich die
Abkehr von den archaisch steifen, wohlgeordneten Trachten kundgibt. Der Chiton
und die Art, ihn anzulegen, wird im 5. Jahrhundert mit großer Freude variiert. Neben
dem langen Chiton, dem man öfter den langen Überschlag, mit und ohne Gürtung,
gibt, kommt der kurze Chiton, der nur bis zu den Knien reicht, immer mehr in Mode.
Man gibt ihm je nach den Umständen Überschlag, Ärmel, Bausch und Gürtung.
Uns betrifft hier die Art, wie der Chiton mit einem schmalen Bande gegürtet ist und
dann der Bausch darüber herausgezogen ist, der wiederum mit einem breiten Gurt
zusammengehalten wird. Die Regel ist freilich sonst, daß der Bausch nicht sehr lang
herabreicht und daß der Gürtel dicht über dem unteren Abschluß des Bausches ein-
,schneidet ^). Ein zweiter Bausch über dem Gürtel findet sich auf der Lekythos Furt-
wängler-Reichhold, Vasenmalerei Taf. 66.
Der obere Gürtel besteht aus einem breiten Bande, auf dem elliptische Buckel
und Streifen befestigt scheinen, wie eine Kette aus einzelnen rechteckigen Gliedern,
die mit Scharnieren zusammenhängen. Es wird ein Ledergurt mit Metallbeschlag
gemeint sein, wie er schon archaisch und auf Vasenbildern des 5. Jahrhunderts öfter
vorkommt 2) und auch später beliebt ist. Ergibt sich aus der Form des Chitons und
Gürtels keine genaue Datierung, so sind doch für die Art, die Flügel des Chitons mit
Spangen über den Schultern zusammenzuheften, die Beispiele auf eine bestimmte
Zeit beschränkt. Schon bei Werken wie dem Hermes vom Fries des alten Athena-
tempels auf der Burg in Athen (Friederichs-Wolters 96; Schrader, Athen. Mitt. XXX
1905 Taf. XII) und auf den Vasen mit den Bildern der Thcseustaten wird der Chiton
um den Hals herum und unter den Achseln sehr tief ausgeschnitten, offenbar, um dein
Körper möglichste Freiheit zu geben. Dann wird das schmale Stoffband, das über
die Schultern führte, durch eine Spange aus Leder, Metall oder festerem Gewebe
ersetzt 3), In der Plastik ist diese Mode auf das Nereidenmonument, den Parthenon-
fries, ditn Theseionfries und das Albanische Rciterrelief beschränkt, alles Werke, die
sich um die Mitte des 5. Jahrhunderts gruppieren.
Bei der Frage nach der Ergänzung des Torsos ist von dem Chiton auszugehen.
Ihn tragen menschliche Krieger, von Göttern nur Zeus (Arch. Zeitung 1870 Taf. 31),
') Beispiele: Skulptur: Amazonen auf dem Kapitel
(F.-W. 514) und in Berlin (Verz. 7). Hermes
und Orpheus des Orpheusreliefs. Krieger auf
dem Relief in Berlin, Beschr. 943. Oft am
Parthenonfries. Auch später ist die Tracht be-
liebt. — Vasen: Mon. 1856 Taf. X. A. J. I
1886 Taf. 10. A. Ztg. 1868 Taf. 3. A. Ztg. 1878
Taf. 23. Mon. X 54 a. Millingen, Peintures de
vases PI. IX. Mon. II 14.
*) Furtwängler, Arch. Zeitung 1882 S. 329. Olympia
III, Die Bronzen, Taf. XIX, XX. Gerhard, Aus-
erlesene Vasenb. 144. Furtw.-Reichh., Gr. Vm.
Taf. 36 u. a.
3) Das älteste Beispiel ist die Vase mit dem The-
seusabenteuer, Millingen, Peintures de vases
PI. IX = Arch. Jahrb. XXIX 1914, 130. Es
folgen die Euphroniosschale Gerhard A. V. 224,
226, der Bologneser Krater Mon. X 54 a, der
Amazonenkrater von Ruvo, der Argonautenkrater
im Louvre, die Amazonenkratere in New York
(Furtw.-Reichh., Gr. Vm. Taf. 26/27, 108, 116).
Ferner die Amphora C. R. 1874 Taf. VII, die
r.-f. Schale Mus. Borb. X Taf. LXIII (Amazonen),
die Amphora mit Euphorbos und Oidipodas
(Mon. II 14), und der Lebes Stoddart, Furtw.-
Reichh. Taf. 58. Beim Peplos erscheint die
Spange auf der Lekythos Fairbanks, Athenian
white Lekythoi PI. XV in Athen,
B. Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel. X25
Apollon (Mon. 1856 Taf. X, XI), Artemis als Jägerin (Arch. Jahrb. XXIX 191 4
Taf. 9 A; Winter, Typenkatalog 163, 2, 3) und ebenso, zusammen mit hohen Jagd-
stiefeln: Boreas (Mon. grecs 1874 PI. 2) und Dionysos. Schon früh tritt dies Kleid bei
Dionysos neben die feierliche Tracht des langgewandten würdigen Gottes, wohl zuerst
auf dem streng rotfigurigen Stamnos im Britischen Museum (Catalogue Bd. III PI. XV,
E. 439) und wird bald seine gewöhnliche Tracht. Eine Zeitlang hält sich noch der
bis über die Knie hinabreichende Chiton (Vase aus Kertsch, C. R. 1861 Taf. 3.
Brunn, Kleine Schriften III 131). Sonst ist der kurze, bis zu den Knien oder nicht
einmal so weit reichende Chiton sehr beliebt (Vase im Louvre. Coghill 6/7, C. R.
1867 Taf. 4. C. R. 1872 Taf. I u. a. vgl. Thraemer, Roschers Lexikon der Mytho-
logie, Dionysos Sp. 1132). Plastisch, unserem Torso etwa gleichzeitig, ist die Tracht
in der Terrakotte Berlin 8342; Winter, Typenkatalog I 181, i vertreten. Dieser
kurze Chiton, meist mit einem Fell und hohen Stiefeln verbunden, ist später für
Dionysos die übliche Tracht und wird dann ebenso von einer Reihe anderer
jugendlicher, meist nordischer oder doch ausländischer Gottheiten getragen. Die
hohen Stiefel auch bei unserem Torso als zugehörig anzunehmen, liegt nahe. In
der freien Plastik des 5. Jahrhunderts erscheinen Zeus und Apollon entweder nackt
oder lang bekleidet. So bleibt als natürliche Folgerung, Dionysos in unserem
Torso zu erkennen.
Die Stellung ist dann so zu ergänzen, daß der Gott mit zur Seite gestelltem
rechtem Bein fest aufsteht und in den Händen Attribute führt, Thyrsos und Becher,
seine gewöhnlichen Beigaben, wie sie der langgekleidete (Tischbein, Vases d'Hamilton
I PI. ^6, II PI. 22. Laborde, Vases I PI. 49) und der kurzgeschürzte Gott führt
(Coghill, Vases 6/7; Winter, Typenkatalog I i8i, i). Aus dem Stumpfe des linken
Arms ist nicht mehr viel zu schließen. Die linke Hand der Statue kann in der be-
kannten Art in Schulterhöhe den Thyrsosstab gehalten haben, wie sonst Zeus das
Scepter, Apollo den Lorbeerstamm, Athena die Lanze faßt. Vielleicht aber faßte die
gesenkte Hand den Thyrsos unten, so wie die Artemis des Berliner Antiquariums,
Arch. Jahrb. XXIX 1914 Taf. 9 A, ihre Lanzen. Mit der Faltenanhäufung am rechten
Oberschenkel des Gottes möchte man dann die rechte Hand und ihr Attribut in
Verbindung setzen. Der Kantharos würde gerade diese Stelle treffen, wenn der
Gott den Becher in der rechten Hand einfach herabhängen ließ oder mit dem Boden
des Gefäßfußes gegen den Schenkel stemmte. Den Kopf mögen wir uns bärtig oder
jugendlich denken. Es sind keine Spuren von dem Bart zu sehen, der bei der
Wendung des Kopfes, wenn er einigermaßen lang gehalten war, die Schulter am
Schlüsselbein berühren würde. Auch von Locken ist an Schultern oder Nacken
nichts zu sehen. Aber der Bart konnte so gestutzt sein, daß er den Rumpf
nicht berührte, und das Kopfhaar konnte in der Zopftracht aufgebunden sein.
Wir dürfen den Kopf des Gottes auch jugendHch denken, wo doch die Jugendlich-
keit der anderen Olympier so früh aufgekommen ist und Dionysos selbst unbärtig
schon für den Parthenon, am Fries in der Göttersammlung und ebenso im West-
giebel so gut wie sicher ist (Petersen, Die Kunst des Phidias S. 121).
Es fragt sich noch, ob die neugewonnene Dionysosstatue ein statuarisches Einzel-
126 ß- Schröder, Die Polygnotische Malerei und die Parthenongiebel.
werk oder Teil eines größeren Ganzen war. Die geringe Ausarbeitung des Rückens
möchte darauf schließen lassen, daß die Rückseite nicht sichtbar und etwa einer
Giebelwand zugekehrt war. Die Stellung ist ganz ruhig; man könnte sich daher die
Figur als die Mittelfigur einer Giebelkomposition denken. Nicht darf die
geringe Bewegung des Beines in Verbindung mit den wehenden Falten am linken
Oberschenkel zu der Vorstellung verleiten, als sei die Statue Teil einer größeren be-
wegten Gruppe, in der sie schreitend oder laufend mitagierte. Dafür sind die Beine
nicht genug gespreizt, und solch Flattern des Gewandes bei unbewegt stehendem
Körper kommt als Nachahmung eines eleganten Pinselstriches öfter vor ^). Können
wir so Zeit und Benennung des Torsos bestimmen, so sind wir auch, wenn wir ihn
als Kunstwerk bewerten wollen, vor allem auf den Chiton angewiesen.
Der Chiton sieht aus wie dünner, durchscheinender Stoff, der sich in feinen
Falten den Körperformen eng anschmiegt. Der Körper ist erkennbar am unteren
Rande der breiten Brustmuskel und an der linken Hüfte, wo die Furche zwischen
Bauch und Oberschenkel sich einzeichnet. Eine reichere Masse von Stoff schiebt sich
vorn am Unterleib zusammen, wo, ähnlich wie an den drei Amazonenstatuen, das
Gewand über den unteren Gurt hochgezogen ist, so daß geschwungene Falten
nach den Schenkeln zu ausstrahlen und der obere Bausch hier etwas tiefer als rings
um den Körper hinabreicht. Wie nun die feinen Falten von den Schulterspangen
an über die Brust wegführen, sich am Gürtel zusammenschieben und sich am
Bauche stauen, ineinanderfließen, umbiegen, um dann wieder über die Schenkel
zu rieseln, das ist mit meisterhaftem Können und wunderbarer Leichtigkeit aus-
geführt. Solch ein vollkommen schönes Gewand tut der Schönheit des Körpers
keinen Eintrag. Vielmehr bleibt dessen Umriß ungestört, die Hauptformen sind voll-
kommen sichtbar, und selbst, wo die Falten eigentlich frei herabhängen und ein eigenes
Leben über dem Körper führen müßten, am linken Oberschenkel, werden sie, wie
durch einen Luftzug, in leicht fließenden Wellen an den Schenkel geweht, so daß auch
hier die Form erkennbar bleibt. Zudem ist das Gewand durch Bausch und Gürtel in
einem so schönen Verhältnis gevierteilt, daß dadurch die machtvolle Anlage des
Körpers noch gesteigert wird und die erhabene Schönheit ihre unmittelbare Wirkung
übt. Wir haben diese Art, Gewand zu stilisieren, als Erfindung der Malerei erschlossen
und sind durch die herangezogenen malerischen Bildwerke in die nächste Nähe des
Polygnot gelangt; durch die Skulpturen, die sich durch ihren Stil mit dem Torso
zu einer Gruppe zusammenschließen, wurden wir immer wieder an den thasischen
Meister erinnert; so dürfen wir es getrost eingestehen, wenn wir meinen, auch vor
diesem Torso Polygnots großen Geist zu verspüren.
Berlin. B. Schröder.
') Amelung, Rom. Mitt. XVI 1901, 29. Dazu auf feinen und gegürteten Chiton. Furtw.-Reichh.,
einer Vase im Louvre Artemis in einem ähnlich Gr. Vm. Taf. 120, 4. Vgl. A. J. XXIX 1914, 153.
A. Frickenhaus, Der Eros von Myndos. 127
DER EROS VON MYNDOS.
Unter den vielen berühmten Kunstwerken, die 476 im Lauseion von Kon-
stantinopel abbrannten, werden uns drei namhaft gemacht^); aber außer ihnen
kennt Kedrenos an einer früheren Stelle noch drei weitere 2). Es besteht gar kein
Grund zu zweifeln, daß diese Statuen im 5. Jahrhundert sich in Konstantinopel
befanden, auch bei dem olympischen Zeus nicht; doch davon wird später noch
mehr zu reden sein. Was allerdings über die Geschichte der Werke gesagt wird, ist mit
sicher Falschem vermengt, denn der Zeus soll von Perikles geweiht sein, Praxiteles
heißt Knidier statt Athener, die hndische Athena wird ohne jeden Anhalt dem Dipoinos
und Skyllis zugeschrieben und nach Analogie eines längst zerstörten herodoteischen
Weihgeschenks mit Amasis (Sesostris) in Verbindung gebracht 3). Aber über ein
gewisses Wissen verfügt auch der Verfasser der vorliegenden Notiz zweifellos, denn
was er über den Zeus, die Aphrodite und den Kairos sagt, ist im wesentlichen richtig.
Besonderer Prüfung bedürfen nur die Bemerkungen über die Hera von Samos und
den Eros von Myndos. In der überlieferten Fassung stehen bei der Hera zwei ganz
unvereinbare Namen: Lysipp aus dem IV. und Bupalos aus dem VI. Jahrhundert
vor Chr.; dagegen fehlt der Meister des Eros, obwohl der Katalog sonst stets einen
Meisternamen, wenn auch zum Teil einen erfundenen, angibt. Ich zweifele nicht,
daß die Stelle folgendermaßen zu emendieren ist: xat r^ 2a}xta "Hpa ep-^ov [Aütjnr-
TTOO xat] BouTtaXou xotJ Xtou, xat "Epco? xo$ov iyjav TrxspwTo? MuvSoOev dcpixofisvo? (Ip^ov
AoavKTzoo) xat etc.; d. h. die Worte Ip^ov AuaiTiTTOt) waren mit dem Stichwort xat
(vgl. A. Brinkmann, Rhein. Mus. LVII 1902, 481) am Rande nachgetragen
und sollten vor dem letzten xat eingefügt werden; Kedrenos oder der Autor
unserer Ausgabe hielt aber sp-j-ov für das Stichwort und fügte Audt'Trrcou xat an
einer früheren Stelle ein. Die samische Hera wurde also dem Bupalos zugewiesen,
') TTj? 'A',ppoo i'xrj { vrfi i\ Kvioo) t6 TTspißciTj-ov Ze'JC, öv llepixXTi; dv^9rjX£v ef; veüjv 'OX'jfATtiojv,
xal TÖ xrfi Safii'a; "Hpa; xal xo zffi AtvSt'a; 'aolX x6 xov yp6yo\ fjitfji.&'j(ji£vov öfyaXfxa, epyov
'A & Tj V ä c i^ öfXXr); uXyj;, rjv 'j\[jiaaic 6 x(öv AuofititO'J) ojrW&ev [xiv cpaXaxpcJv, e'fx-poa&sv es
A^Yunxt'wv ßaaiXey; tiö ao'foj KXsoßo'jÄto dTzi- xoaÄv.
axstXe, xal öfXXa (i-upta (Kedrenos p. 351 ed. 3) Die Ausführungen von Zucker in Fleckeisens
Paris. := Migne, Patrol. gr. 121 p. 619. Ähnlich, Jahrbüchern 135 (1887) S. 785 ff. werden durch
aber kürzer Zonaras 14, 2 = IH 44 Wolflf). die sog. Chronik von Lindos modifiziert, vgl.
*) Kedrenos p. 322 Paris. = 613 Migne : xai x6 Blinkenberg, La chronique du temple Lindien
ötyaX(ji.a xf^; Aivoiaj Ai^r^vä; T£Tpct7r7)}('J Ix S. 445 f. und in der kleinen Ausgabe (Lietzmanns
X(i}oij afActpaySou, epyov Sx'iXXioo; xoti AiTiotvou Kleine Texte Nr. 131) S. 25. Entweder war es
x(öv äyaXfxaxoupyüiv, OTrep ttoxI oÄpov e7:e[X'i^£ noch das alte Agalma, das in dem Tempel des
S^atuaxptj Ab('jr.-zoM xüpavvoj KXEoßouXo,) xojl Aiv- Kleobulos gestanden hatte, oder eine Erneuerung
5tu)v Tupaw(p, xal T^ KviSt'a 'AcppoSi'xTj i-A nach dem Brande des IV. Jahrhunderts. Blin-
Xt'&O'j Xeuxtjj yufxv^ [jiovtjV ttjv alow x"^ X^'P^ kenbergs Zweifel teile ich durchaus nicht, Größe
ZEpidT^XXouoct, epyov toü Kvioiou Ilpa^txIXo'JC, und Material werden richtig angegeben sein,
xal ij 2 a fx i a " H p a , Epyov Auatrcuo-J xal Bou- Erfunden ist nur, was man dem Bilde nicht
T.ötko'j TOÜ Xi'o'j, xai'Epa); xd;ov £y(uv rxEpoito; ansehen konnte, Künstler und Herkunft, letztere
M'jvooOev äcer/oasvo;, xai ö «PeiSi'o'j IXecpavtivo; wurde vielleicht aus dem Material erschlossen.
128 ■^' Fri6kenhaus, Der Eros von Myndos.
d. h. ebenso wie bei der lindischen Athena wurde auf einen beliebigen archa-
ischen Künstler geraten; daß die Hera von Smilis aus Ägina herrührte, wußte
man nicht mehr. Dagegen gehört der Name des Lysipp offenbar zu dem Eros von
Myndos. Hier aber stehen wir nun vor einem Rätsel, und es ist ein Hauptzweck
dieser Zeilen, die Kenner der Literatur zu fragen, ob sie nicht irgendeine weitere Spur
dieser Statue aufzeigen können. Die Stadt Myndos ^) muß im IV. Jahrhundert
ziemlich bedeutend gewesen sein, da Maussolos sie nicht in Halikarnaß aufgehen ließ
(Strabon XHI 6ii) und Alexander sie nicht durch einen Handstreich nehmen konnte
(Arrian I 20,5). Auf den Münzen erscheinen Zeus, Apoll, Artemis und anscheinend
Dionysos; allerdings kann der Eros ja auch etwa in einem Gymnasion gestanden
haben. Wie steht es aber nun mit der allgemeinen Glaubwürdigkeit der gesamten
Kedrenosstelle .f* Blinkenberg urteilt in der Ausgabe der lindischen Chronik: il n'y a
point de vraie tradition dans ces fantaisies (Academie de Danemark, Bulletin 1912,
446). Das ist durchaus unberechtigt, wenn auch Echtes und Falsches vermengt ist.
Angesichts der Tatsache, daß man noch an anderen Stellen von Byzanz die Athena
von Lindos zeigte (Blinkenberg 447), kann man ja zweifeln, ob die Statuen im Lauseion
richtig identifiziert waren. Aber die Aphrodite des Praxiteles und der Kairos des
Lysipp sind sicher richtig beschrieben, und ferner ist doch sehr zu beachten, daß
der Katalog des Lauseion nur solche Werke umfaßt, die sich im V. Jahrhundert
wirklich dort befinden konnten. Wo wir überhaupt die Möglichkeit der Kontrolle
besitzen, sind jene Statuen niemals nach Italien gekommen, sondern nahmen während
der römischen Kaiserzeit noch ihren ursprünglichen Standort im griechisch-klein-
asiatischen Gebiet ein. Ernstere Bedenken kann man höchstens bei dem Zeus von
Olympia haben, aber nachdem die dortigen Spiele aufgehört hatten, lag die Entfernung
des kostbaren Bildes nach der Hauptstadt nahe genug, ergab auch keine technische
Unmöglichkeit, wie Caligulas früherer Plan beweist (Overbeck, Schriftquellen 747 ff.).
Wer trotzdem die Anwesenheit der genannten Werke im Lauseion leugnet, muß
wenigstens zugeben, daß der Autor der Notiz über jene nobilia opera literarisch
noch mehr feststellen konnte als wir. Schon die Nennung der obskuren Stadt bürgt
uns dafür, daß der Eros von Myndos nicht einfach erfunden ist. Und wenn Blinken-
berg zum Schluß die Glaubwürdigkeit der Gesamtstelle scherzend dadurch wider-
legen will, daß er die Definition eines dem Lysipp und Bupalos gemeinsamen Stiles
erwartet, so parieren wir dieses Argument mit der oben vorgeschlagenen Emcndation.
Eine Bestätigung der Nachricht des Kedrenos wäre gewiß sehr erwünscht,
aber an sich erweckt diese durchaus keinen Verdacht. Ja, es scheint uns, als ob
hier die kunstgeschichtliche Überlieferung unerwartet zu Hilfe komme. Denn wenn wir
überlegen, wie der beflügelte Eros mit dem Bogen wohl aussah, so denken wir un-
willkürlich an die in über 30 Wiederholungen erhaltene Statue des »bogenspannenden
Eros«. Ist es nun Zufall, daß dieser berühmteste und schönste aller antiken Eroten
') über Myndos vgl. die Zeugnisse bei Forbiger, die Ruinen Paton-Myres, Journ. of Hell. Stud.
Handbuch der alten Geographie H 218 und XVI 1896, 204 = The Geogr. Journal IX 1897,
Smith, Dictionnary ai Geography II 386; über 46; die Münzen Brit. Mus. Coins Caria pl. 22 und
Head HN* 622.
A. Frickenhaus, Der Eros von Myndos. I2Q
sicher aus der Zeit des Lysipp stammt, ja von den meisten Gelehrten direkt dem
Lysipp zugeschrieben wird? =') Allerdings vermutet man zumeist, daß er mit dem
Lysippischen Eros zu identifizieren sei, den Pausanias IX 27, 3 inThespiaisah. Während
wir aber über diesen nichts weiteres wissen, wird bei dem Werk aus Myndos ausdrück-
lich das Attribut des Bogens erwähnt, das bekanntlich bei einem Kunstwerk des
IV. Jahrhunderts noch recht auffällig ist. Wer also der vorstehenden philologischen
Beweisführung zustimmt, wird die so oft kopierte Statue lieber mit dem Eros von
Myndos zusammenbringen, der in Byzanz zu den bekanntesten Werken der Ver-
gangenheitgezählt wurde. Dann wird man aber auch nicht mehr zweifeln, daß dieser
Eros im Verein mit dem vatikanischen Apoxyomenos uns die feste Basis für die
Kenntnis des späteren Lysipp gibt.
Straßburg i. E. A. Frickenhaus.
«) Zuletzt von Bulle, Der schöne Mensch, 2. Aufl. S. 671, der mit Recht andere Ansichten von Furt-
wängler und Amelung bekämpft.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX.
AMAZONENSTUDIEN.
Mit Tafel 6 — 8 und 2 Beilagen.
I. Amazonenrelief aus Ephesos.
Man wird es begrüßen, daß das ephesische Amazonenrelief mit der noch von
R. V. Schneider gewährten Erlaubnis hier auf Taf. 6 nach einer trefflichen Photo-
graphie abgebildet werden kann, die ich H. Schraders freundlicher Hilfsbereitschaft
zu danken habe. Es ist bisher nur ungenügend bekannt gemacht worden : zuerst im
Jahre 1902 in den Jahresheften des Österreichischen Instituts V, Beiblatt 63, Fig. 17
(hiernach wiederholt bei Dehio -Winter, Kunstgeschichte in Bildern l^, S. 257, 8) und
in dem kleinen Führer durch die »Ausstellung von Fundstücken aus Ephesos im
griechischen Tempel im Volksgarten« S, 21, Fig. 28, dort mit kurzer Angabe der Fund-
umstände, hier mit knapper Würdigung des Kunstwerkes selbst. Einen Abguß besitzt
die Kunstsammlung des Tübinger archäologischen Instituts.
Im Beiblatt der Jahreshefte heißt es S. 65: »Aus dem Pflaster der in nordsüd-
licher Richtung am Theater vorbeiführenden Straße wurden eine Reihe ionischer
Architekturglieder von feinster hellenistischer Arbeit ausgehoben .... genauere
Untersuchung ergab, .... daß sie wohl .... einem großen Altarbaue angehören,
über dessen ursprünglichen Platz allerdings vorläufig nichts vermutet werden kann.
In der Arbeit völlig gleichartig und zusammen mit diesen Stücken verlegt, fand sich
der in Fig. 17 abgebildete Oberteil einer Reliefkopie der polykletischen Amazone.
Sie wird von dem figürlichen Schmucke des Altarsockels herrühren. « Diese Vermutung
wiederholt der Führer: »Relief der sterbenden Amazone nach Polyklet auf einem
wahrscheinlich zu einem Altar gehörigen Bausteine.« Ich füge dessen weitere Be-
schreibung gleich hinzu : »Die junge Kriegerin, an der rechten Seite verwundet, lehnt
sich erschöpft mit dem linken Arme auf einen Pfeiler und erhebt die rechte Hand
über den niedersinkenden Kopf. Erhalten ist ihr oberer Teil bis unter den Gürtel und
den Bausch des Chitons, der beide Brüste unbedeckt läßt. Die Figur, die an der
Stirn bestoßen ist, und der nur der rechte Arm von der Schulter bis nahe zur Hand-
wurzel fehlt, ist eine Kopie der Erzstatue des Polyklet, deren Original neben den
Amazonenbildern des Phidias, Kresilas und Phradmon im Artemision von Ephesos
aufgestellt war, und sie steht unter den vielen antiken Wiederholungen dieses be-
rühmten Werkes ihrem Vorbilde wie örtlich so auch zeitlich am nächsten, da sie in
ihrer ungemein feinen Ausführung sich als Arbeit der früheren hellenistischen Zeit
erweist. Am Steine links von der Amazone der Rest eines breiten Pilasters. Marmor,
0,65 hoch, 0,92 breit, die Figur selbst 0,625 hoch.«
Jahrbuch des archäologfischen Instituts XXX. lO
132
F. Noack, Amazonenstudien.
Die Bezeichnung des Vorsprunges als Pilaster könnte zu einer falschen Vor-
stellung führen. Dieser Vorsprung (Abb. I die Oberansicht des Steines nach dem Ab-
guß) tritt zwar gleichmäßig 0,12 m vor die Relief fläche vor, hat aber nach links eine
nur derb zugehauene Begrenzung, die nicht einmal senkrecht verläuft (Vorsprung -
breite oben 0,35, unten ca. 0,32 cm). Auch die ebene Vorderseite zeigt nur rechts
einen 0,065 bis 0,07 m breiten, vollständig geglätteten Streifen (a), der, weil un-
mittelbar daneben auf der Oberseite die Bettung einer flachen U -Klammer (b) zu
erkennen ist, wohl nur als Anschlußfläche eines zweiten Blockes verstanden werden
kann, dessen Fassade rechtwinklig zur Relieffläche unseres Steines zu denken ist.
Da die Amazone selbst bis an die rechte Kante herangerückt ist, so daß zwischen
ihr und dem Vorsprung eine verhältnismäßig breite Fläche leer bleibt, wird man
rechts von ihr doch wenigstens den gleichen Abstand auf einem anschließenden Steine
anzunehmen haben. Man gewinnt so das Bild einer nischenartigen Anlage, deren
Abb. I. Relief von Ephesos. Oberansicht.
Wandflächen oder Felder natürlich mit gleichen oder ähnlichen Relief figuren ge-
schmückt waren. Daß diese gleichfalls Amazonen darstellten, liegt nahe — wir sind
ja in Ephesos, dessen Artemisheiligtum den fliehenden Amazonen als Asyl gedient
haben, ja von ihnen gegründet sein sollte — , und da das erhaltene Relief den einen
der bekannten statuarischen Amazonentypen zeigt, so wird man nicht irre gehen,
wenn man sich daneben die Wiederholungen der anderen im Artemision vereinigten
Statuen vorstellt. Wird man doch in dem glücklichen Funde die endgültige Be-
stätigung für den Kern der plinianischen Überlieferung sehen müssen, daß diese
Statuen tatsächlich in dem Artemision zu Ephesos vorhanden gewesen sind (Michaelis,
Jahrbuch I, 47). Dagegen wird auch das geistreichste Drehen und W^enden nicht an-
kommen können ^).
') So sollte z. B. nur eine Amazonenstatue in Ephe-
sos gestanden haben können, die eben darum als
die siegreiche erschienen sei, denn die anderen
wären, weil unterlegen, der Ehre der Aufstellung
im Artemision nie gewürdigt worden (Klein, G. d.
gr. K. II, 63, u. schon Scholl, Philol. 1863,
426). Und da die ephesische Statue (d. h.
in diesem Falle die kapitolinische Amazone)
eben zufällig die polykletische gewesen, so habe
der Schluß auf Polyklet als den Sieger in einer
Künstlerkonkurrenz auf der Hand gelegen! —
Aber auch, wer so argumentiert, kann einem
Schlüsse nicht entgehen: wenn der ephesische
Reliefkünstler schon zu einem auswärtigen Ama-
F. Noack, Amazonenstudien.
133
Für die Meisterfrage und die von Plinius an die Originale angeknüpfte Künstler-
geschichte kann aber das Relief gar nichts besagen, und doch, was hätte auch nur
eine Relief figur mehr uns zur Lösung des Amazonenproblems nützen können! Gleich-
viel, auch dieses eine Bild, das wir als letzten Rest eines inhaltreichen Ganzen der
dfadT] T6y(ri zu danken haben, wird, wenn wir es genau prüfen, zu dieser Lösung ein
wenig beizutragen berufen sein.
Nach Schraders freundlicher Mitteilung gehen die erwähnten Architekturstücke
»in der Ghederung des Gebälkes wie in den Einzelformen völlig zusammen mit dem
Athenatempel von Priene«. Wenn sie zu einem Aufbau führen, wo »wie am dortigen
Athena -Altar, auf Balustraden zwischen ionischen Halbsäulen einzelne Figuren in
Hochrelief« gestanden haben, so kann ich im Hinblick auf die obenerwähnten Indizien
allerdings die Einfügung unseres Amazonensteines in eine solche, ringsum laufende
Architektur einstweilen noch nicht verstehen. Hoffentlich wird die sachkundige Her-
stellung, die wir von W. Wilbergs erprobter Hand zu erwarten haben, bald die er-
wünschte Entscheidung bringen.
Der Stil des Reliefs weist, nach Schrader, »auf die hohe Kunst des 4. Jahr-
hunderts; der ungemein eindrucksvolle Kopf der Amazone, mit den tief eingesenkten
Augenhöhlen, dem schmerzlich bewegten Munde, bei einfacher und flüchtiger Be-
handlung von Stirn und Wangen, ist aufs nächste verwandt mit dem Kopf des
»Thanatos« auf dem ephesischen Säulenrelief. Nach diesen Indizien möchte man den
Bau der Zeit um 340 zuweisen, und es ist schwer, die Vermutung zu unterdrücken,
die ich vor Jahren Benndorf ausgesprochen habe, daß diese Reste dem von ihm mit
Schmerzen gesuchten Altar der Artemis in deren ephesischem Heiligtum angehören,
das nach der Überlieferung voll war von den Werken des Praxiteles (Strab. 641).
Entgegensteht der Fundort aller Stücke des Gebäudes innerhalb des erst von König
Lysimachos begründeten Neu-Ephesos. Diese mir von R. Heberdey und W. Wil-
berg betonte Schwierigkeit vermag ich einstweilen nicht zu überwinden. Stammt
der Bau tatsächlich erst aus der Zeit der Neugründung der Stadt, so müßte man ein
zähes Festhalten an den um die Mitte des 4. Jahrhunderts ausgebildeten Formen bis
in den Beginn des 3. hinein annehmen — wogegen schwerlich viel einzuwenden wäre« ^).
Auch wenn diese Auffassung zu Recht bestehen bleiben sollte, so ändert
das nichts an dem ungewöhnlichen Werte dieses Überrestes als der ältesten, un-
mittelbar nach der Originalstatue geschaffenen Nachbildung. Nach Schraders
zweifellos richtiger Beobachtung kommt der Typus des Kopfes dabei nicht
Zonentyp griff, so kann er den Typus, den ihm
als den berühmtesten das heimische Heiligtum
bot, an seinem Reliefwerk nicht übergangen
haben; er hätte also nur deshalb auch den Ber-
liner Typus darstellen können, weil er eben eine
Mehrzahl von Amazonen zu bilden hatte. Da
sollte es doch näher liegen, daß er in Ephesos
selbst diese Mehrzahl vor sich hatte.
*) Jedenfalls wird man über Schraders ersten Ansatz
noch höher hinauf nicht gehen können. Auch die
Klammerform spräche dagegen. Daraus folgt für
die Geschichte des Originals, daß sein Standort,
da es den Herostratischen Brand glücklich über-
standen haben muß, wenigstens damals wohl
noch nicht in templo Dianae (Plin. 34, 53), son-
dern eben nur im Temenos außerhalb des Tempels
gewesen sein wird. Erst im Neubau des Paionios
kann es zusammen mit den anderen Statuen von
den Späteren gesehen worden sein.
I -JA F. Noack, Amazonenstudien.
in Frage. Er scheidet sich schon im ganzen Bau des kürzeren und breiteren Gesichtes
auf den ersten Blick von der sehr einheitlichen Überlieferung des Kopfes des Berlin -
Landsdowneschen Typus (Michaelis I A B, Graef, Jahrbuch XII, S. 85). Man wird
Schrader gern zugeben, daß diese Abänderung des Kopftypus durch einen Einfluß
der in Ephesos vorhandenen großen Kunst des 4. Jahrhunderts erklärlich sei. Dem
Bildhauer mochte überdies für den Marmorstil diese für den Marmor geschaffene
Form entsprechender erscheinen. Es wird auch weiter nicht zu vergessen sein, daß
wir von einem lediglich dekorativen (Heibig -Amelung, Führer 3 I, 20) und das Ori-
ginal stark verkleinernden Abbild nicht alle Qualitäten einer genauen und getreuen
Kopie, ja eine solche in dieser Zeit überhaupt noch kaum erwarten dürfen. Dennoch
bleibt des Wichtigen genug. Um aber dessen Vergleich mit den statuarischen Kopien,
wie ich hoffe, fruchtbarer zu gestalten, füge ich auf Taf. 7 und 8 mehrere Ansichten
der bisher nur in dem Atlas Antike Kunstvaerker I, Ny Carlsberg -Glyptothek 1907,
IV, 54 ungenügend abgebildeten Amazone Sciarra in Kopenhagen hinzu. Die
Photographien hat mir die Direktion vor mehreren Jahren zu diesem Zweck in
dankenswertem Entgegenkommen zur Verfügung gestellt.
II. Die Amazone Sciarra-Kopenhagen.
Die 1,94 m hohe Statue bietet, obwohl aus zahlreichen Bruchstücken zusammen-
gesetzt, eine vorzügliche Tradition, wenn wir auch hier von den Ergänzungen ab-
sehen, deren ältere (Heibig, Zeitschrift f. bild. Kunst V, 75; Michaelis S. 15 B) zum
Teil durch moderne ersetzt worden sind ^). In der neuen, durch den Bildhauer C. Nielsen
ausgeführten Herstellung ist sowohl »der angeklebte Köcher an der linken Hüfte«
wie »die Stütze mit Pelta und Axt neben dem rechten Bein« (Michaelis S. 15 B,
Arch. Anz. 1863, 120), — Ergänzungen, welche die Statue mit dem vatikanischen
Exemplar im Braccio nuovo Nr. 71 teilte (Amelung Taf. XI und S. 90, Clarac 813,
2034 = Reinach, Rep. d. la Stat. I, 487) — glücklich verschwunden und dafür, nach
dem Muster Landsdowne-Berhn, der Pfeiler auf der linken Seite eingestellt worden.
Ebenso hat der linke Arm, der einschließlich der linken Schulter ergänzt und gesenkt
war, nunmehr das richtige Auflager auf dem Pfeiler bekommen; von der ganz ver-
fehlten Hand, die eine Lanze hält, dürfen wir absehen. Hier wird uns gleich das
Relief seinen ersten Dienst leisten. Denn war die Pfeilerstütze schon vorher gut über-
liefert (Ztschr. f. bild. Kunst V, 76 und Michaelis S. 31 f.), so wird sie nun durch die
Armhaltung des Reliefs über jeden Zweifel erhoben, und die linke Hand kann, wie
sie schon in dem Berliner Exemplar ergänzt worden war, nur leer und offen, also ganz
untätig vor dem Pfeiler herabgehangen haben. Freilich fehlt der Pfeiler auf dem Relief,
und als Unterstützung des Armes ist nur eine schmale Marmorbank stehen gelassen.
Aber der (stark verkürzte) Unterarm ist — was am besten ein Vergleich mit der sehr
') Ich füge hier noch einige andere Maße der Kopen- dreieckigen Plinthe sind es bis zur Kniescheibe
hagener Statue hinzu, die ich Herrn Dr. Poulsen 53i7i Chitonsaum 64,2, Oberschenkelvorsprung
verdanke. Von der Oberfläche der antiken 107, Gürtel 122,2, Brustwarze (Standbeinseite)
142,5, Spielbeinseite 136,7 cm.
F. Noack, Atnazonenstudien. j ^ c
glücklichen Berliner Ergänzung in genau der gleichen Ansicht lehrt — in seiner Lage,
die mit derjenigen des zu dreiviertel erhaltenen Armes der Statue Landsdowne über-
einstimmt (Michaelis 32), nur dann zu verstehen, wenn er wirklich aufgestützt ruht.
Und die ganze Stellung der Hand schließt es aus, daß sie (wie Wolters, Fr. -W. 513
S. 232 einst für das Bronzeoriginal vermutet hatte) etwa eine Streitaxt so gehalten
haben könnte, daß allein darauf die zweifellos unterstützte Körperhaltung beruht
habe. Das Widerlager für diese kann, wie der Arm des Reliefs beweist, sich nur
unter der Unterfläche des linken Unterarms befunden haben. Wäre es lediglich der
Stil einer Axt gewesen, so hätte bei solcher Armhaltung nur das Handgelenk darauf
geruht haben können. In diesem Falle aber hätte die Hand diesen Stil gewiß von vorn
her umfassen müssen, dazu aber will wiederum die den vollen Rücken zeigende Hand
und der Ansatz der Finger im Relief nicht passen. Die Hand würde mehr nach rechts
ausgebogen, die Fingerknöchel würden nach außen hin nicht gesenkt, sondern schräg
angestiegen sein. Diese Frage erscheint durch den neuen Fund also tatsächlich er-
ledigt, und es kann auch der ästhetische Einwand nicht mehr gelten, daß man sich
für den Eindruck des Originals »die für die Bronze sinnlose, den schönen Rhythmus
störende Stütze« der Berliner Statue wegdenken müsse (Kekule, Gr. Skulptur,
Handb. d. kgl. Mus., Berlin 1907, 130). Die früheren allgemeinen Bedenken gegen
eine solche Stütze im 5. Jahrhundert sind außerdem ja längst beseitigt (B. phil. Woch.
1902, 276).
Ob die rechte Hand im Original so fest auf dem Kopfe auflag wie im Relief,
wird nach Michaelis' Bemerkung S. 33 fraglich bleiben müssen. Denn auch die rechte
Hand der Kopenhagener Statue ist, obwohl sie besser zu dem Relief stimmt, ergänzt
(wie Jakobsens Führer durch die Antikensammlung 1907 S. 28 ausdrücklich bemerkt),
und ihr Ergänzer scheint die auf dem Schädel erhaltene Ansatzspur (»nur von dem
Daumen«, Michaelis) nicht beachtet zu haben. Die abweichende Lage im Relief
wird sich deshalb so erklären, daß sein Künstler die schwierigere Handhaltung des
Originals, die eine starke Unterschneidung gefordert hätte, umgangen habe.
Mit ihrer »sicher alten Wunde neben der rechten Brust« (Arch. Anz. 1863, 120*)
steht die Statue Sciarra -Kopenhagen in Übereinstimmung zur übrigen Tradition
(Jahrb. I, 32). Das ephesische Relief dagegen zeigt nicht die geringste Spur einer
Verwundung! Könnte es nun auch nicht ganz ausgeschlossen sein, daß sein Ver-
fertiger diese am Origmal übersehen habe (Heibig -Amelung, Führer 3 I, 20), so wird
man doch zugeben müssen, daß die immer wieder beteuerte Zuverlässigkeit der bis-
herigen Tradition (vgl. Furtwängler, M.-W. 293 Anm. 4, auch Mahler S. 90, Klein H,
163) durch dieses neue, älteste Zeugnis erschüttert ist. Denn es ist doch immer ein
etwas gequälter Ausweg gewesen, wie man diese, durch den gehobenen Arm noch
obendrein gezerrte und damit die Pein steigernde Wunde (Fr. -Wolters S. 235,
Michaelis 40, Furtwängler 294, Heibig, Führer 3 I, 21) zu erklären sich bemühte.
Entweder wäre es die Unbekümmertheit des Künstlers gewesen, welcher des dadurch
hervorgerufenen Widerspruches mit seiner Komposition nicht geachtet habe, oder
es sollte eine bewußte Absicht gewesen sein, um dadurch den Heroismus des Helden -
mädchens erst recht zu betonen (Furtwängler 294). Spricht aber die ganze Kom-
136
F. Noack, Amazonenstudien.
Position der Statue gegen die Einführung der Wunde an dieser Stelle und in der
Form des horizontal gerichteten Wundspaltes durch ihren Schöpfer selbst, so wird
das Relief doch wohl denen recht geben, denen sie nur als »ein unverständiger, aus
dem andern Typus herübergenommener, willkürlicher Zusatz des Marmorkopisten«
(Kekule a. a. O. ; vgl. auch Graef, Jahrb. XII, 86, Mahler 89) erschienen ist. Ein
solches 'Verfahren wird sich aber naturgemäß nicht mehrfach selbständig wiederholt
haben : also ergibt sich daraus für die Überlieferungsgeschichte dieses Typus, daß alle
Marmorkopien mittel- oder unmittelbar auf diese eine Kopie zurückgehen, die zum
ersten Mal die Wunde eingeführt hatte.
Ich gehe über zum Gewand, das den Kernpunkt dieser Untersuchung bilden soll.
26 /Str.
An.ßERUN
Abb. 2. Gürtel und Binden.
III. Vorbemerkungen zur Gewandanalyse.
Die Überlieferung stimmt hier im allgemeinen überein, zumal wenn, wie Furt-
wängler, M.-W. S. 283 mit Recht tat, die Statue Pamphili (H Michaelis S. 16; abg.
Furtwängler, Masterpieces S. 129, s. u. S. 177 Anm. 3) ausgeschieden wird. Ver-
gleichen wir die Exemplare A Landsdowne (Furtwängler, Masterpieces, Tafel zu
S. 134), B Sciarra -Kopenhagen (unsere Taf, 7), C Berlin (Br. Br. 348), D Braccio
nuovo 71 (Museo Chiar. II, 18 und Amelung, Vat. I, Taf. 11) und, soweit möglich,
E Oxford, so ergeben sich, abgesehen von den Besonderheiten am Gürtel, nur geringe
Differenzen. Der obere, sichtbare Gürtel, um diesen vorwegzunehmen, ist nämlich
bei B und D als glattes Band gebildet, das vorn einfach geknotet ist, und ebenso
gibt ihn das ephesische Relief. Dagegen besteht die Übergürtung bei A und C
(und E Oxford = Clarac 808, 2038 A stimmt nach Michaelis, Anc. Marbles S. 547
dazu) »aus einer zweifachen Schnur, deren Verschluß vorn durch den Überfall des
Chiton unter der linken Brust teilweise verdeckt ist. Soviel ist deutlich, daß er von
einem Riemen gebildet wird, welcher durch einen an jener Schnur befestigten Metall -
ring gezogen und dann zusammengeschnürt ist« (Beschr. d. ant. Skulpturen Berlin
S- 9; vgl. unsere Abb. 2). Genauer: zwischen der Doppelschnur, die weiter hinten
F. Noack, Ämazonenstudien.
^^7
noch einen Ring zeigt, und dem verschnürenden Riemen vorn ist ein breiteres, flaches
Glied (Leder?) eingeschaltet, das in jenen Metallring endet. Vergleichbares kenne
ich von den »polygnotischen« Vasen (Abb. 2). Ein breiteres Band, das wie jenes Leder-
stück in einen Ring endet (dem natürlich ein zweiter entsprechen mußte), durch
welchen die den Verschluß herstellenden, zusammengeknoteten Schnüre gezogen sind,
zeigt die Kopf binde der Penthesilea der Münchener Schale (Furtwängler -Reichhold 6) ^).
Ebenso zu verstehen ist die flüchtiger gezeichnete Kopfbinde der Mänade auf der
Pariser Amphora (ebenda Taf. yj, auch sie polygnotischen Stils, s. E. Feihl, Die
a
b
^ Abb. 3. Faltenmotive unter Gürtelmitte.
ficor. Cista und Polygnot, Diss. Tübingen 1912, S. 35), und nicht anders auch die
Gürtel einzelner Amazonen und Griechen auf dem eleganten Krater aus Ruvo, Furtw.-
Reichh. 26 — 28. Da es sich also um einen richtigen, man möchte sagen antiquari-
schen Einzelzug handelt, auf den ein späterer Kopist wohl kaum von selbst gekommen
sein kann, wird man sich den Gürtel der Originalstatue nach dem Muster von
Landsdowne- Berlin -Oxford vorzustellen haben, während die übrigen Kopisten sich
diese Arbeit etwas leichter gemacht haben, ebenso wie der ephesische Bildhauer des
Reliefs, der allerdings durch den kleinen Maßstab seiner Figur viel eher zu entschuldi-
gen wäre als jene.
Auch ob man den folgenden kleinen Zug am Gewand selbst ähnlich beurteilen
solle, wird man zu fragen haben. Die reiche Faltenanordnung des xoXiro?, in dessen
Einzelheiten die großen Kopien auch nicht völlig, wenn schon im wesentlichen, über-
') Ich darf hier bemerken, daß ich diesen herrlichen Marmorwerks auf einem Lichtbild für die Krüß-
Kopf vor Jahren schon mit dem aufs engste ver- sehe Sammlung (1904 Nr. 6717) zusammengestellt
wandten Kopf der Aphrodite des Ludovisischen habe, wie später, ohne Kenntnis hiervon, auch
Studniczka Arch. Jahrb. 191 1 S. 188.
138
F. Noack. Amazonenstudien.
einstimmen, ist am Relief begreiflicherweise stark vereinfacht. Immerhin geht es in
der Wiedergabe der kürzeren Mittelfalten unterhalb des Gürtelknotens (Abb. 3 a)
unverkennbar mit B Kopenhagen zusammen, und auch D Braccio nuovo scheint
nach den beiden genannten Abbildungen in diesem Punkte mitzugehen. Das Motiv,
das an dieser Stelle Landsdowne und Berlin, auch darin übereinstimmend, bieten
(Abb. 3 b), ist flacher und flauer, aber immerhin derart, daß es gerade wegen seiner
Geringfügigkeit die engere Zusammengehörigkeit dieser beiden Exemplare bestätigen
könnte, die sich ja bereits hinsichtlich des Gürtels ergeben hat und für die wir später
noch eine weitere Einzelheit am Gewände finden werden. Daß Oxford (E), wie bei
dem Gürtel, so auch in diesem Faltenmotiv zu Berlin -Landsdowne stimmt, ist nach
einer mir durch Br. Schröders Freundlichkeit vermittelten Skizze des Stiches bei
Chandler, Marm. Oxon. Taf. 17 als sicher anzunehmen. Das erwähnte Faltenmotiv
ist weder selbstverständlich noch trivial, so daß schwerlich zwei oder drei Kopisten
unabhängig voneinander darauf verfallen sind. Will man die klarere Anordnung an
Kopenhagen -Braccio nuovo, auch auf Grund des Zeugnisses des Reliefs, dem Originale
zuschreiben, so könnte man eine Bestärkung dafür in dem Umstände erblicken, daß
an diesen Statuen auch die entsprechenden Stellen rechts und hinten gleichartige
Falten zeigen.
Nach diesen Indizien darf man schon einmal die Frage stellen, ob diese beiden
Gruppen, zu denen unsere fünf Exemplare zusammenrücken, sich nicht durch die Ab-
hängigkeit von je einer vorbildlichen Kopie erklären. Auch diese beiden Exemplare
wären noch nicht voneinander unabhängige, unmittelbare Wiedergaben des Originals,
sondern, wie wir aus der allen gemeinsamen Wunde schließen mußten, selbst wieder
abhängig von einer gemeinsamen Urkopie ^). Erst diese leitete uns, gleich dem Relief,
direkt zu dem Original, das ohne Wunde war, zurück. So ergäbe sich der folgende
Stammbaum :
Das Original in Ephesos
Das ephesische Relief Statuarische Urkopie
II
Landsdowne A, Berlin C, Oxford E Kopenhagen B, Braccio nuovo D
Unter solcher Voraussetzung schiene es dann z. B. verständlich, wie je ein
Vertreter der beiden Gruppen, nämlich A (Landsdowne) und B (Kopenhagen), den
schmalen Umschlag des Chitons neben und unterhalb der rechten Brust so außer-
ordentlich ähnlich gliedern : im oberen Teil durch mehrere kleine, abwärts gerichtete
Faltenwellen und weiterhin nach links, unterhalb der Brust, durch ein paar leicht
gesenkte Faltenbogen. Dieses Detail mit Sicherheit über die Urkopie hinaus auf das
') Diese als einmal zum Zwecke der Herstellung von plare entsprächen etwa den Zwischengliedern,
Kopien vor dem Original angefertigte Nachbil- wie sie Kekule z. B. für einen Teil der Perikles-
dung, vgl. Kekul^, 57. Berl. Winck. -Progr. S. 34 köpfe annahm (61. Berl. Winck. -Progr. 21
Anm. 34. Jene beiden davon abgeleiteten Exem- Anm. 38).
F. Noack, Amazonenstudien.
139
Original zurückzuführen, könnte uns zunächst nur wieder das Relief helfen. Dieses
aber bietet hier einen ganz anderen, viel breiteren Umschlag des Chitonsaumes, der,
seine Innenseite herauskehrend, in langgeschwungenen Falten die Seite nach hinten
zu umzieht, während mehrere kurze Faltenzüge darunter herauskommen und schräg
abfallend sich am Gürtel knicken. Sämtliche statuarischen Kopien zeigen hier eine
andere Anordnung: längere Faltenzüge, die etwa in der Höhe rechts von der rechten
Brust den gemeinsamen Ausgangspunkt haben — man könnte an ähnliches bei der
Paioniosnike und der »Genetrix« denken • — senken sich in ähnlicher Kurve wie der
schmale Umschlag darüber, nur leicht fächerförmig sich zerteilend, nach der rechten
Seite bis hinab zum Gürtel, der unter der untersten Falte dann verschwindet. Der
obere Rand des Stoffes steht seitlich gegen die nackte Körperfläche in ziemlicher Fülle
ab, nur an der Berliner Statue ist gerade hier das Faltenrelief durch Überarbeitung
sehr stark abgeflacht. Ob diese ganze Partie, die jedenfalls der Urkopie angehört,
schon vom Original stammt — ■ das Relief geht hier ganz seinen eigenen Weg — ,
können wir jedoch erst fragen, wenn wir die Gewandanlage im ganzen verstanden haben.
Was im folgenden mit Worten darüber ausgeführt werden soll, kann durch
graphische Darstellung zwar nicht ersetzt, aber doch unterstützt werden. Die Ab-
bildungen in Beilage I und II, auf die zu verschiedenen Zwecken zu verweisen sein
wird, mögen darum gleich hier kurz eingeführt werden. Beilage I stellt je zwei
Horizontalschnitte durch Unter- und Oberkörper der drei Amazonen Berlin, Kapitol
(Sosikles) und Mattei (Vatikan) sowie des Madrider Diadumenos zusammen, Beilage II
je einen Konturaufriß derselben Statuen sowie des Neapler Doryphoros und des
Dresdener Epheben. Die Horizontalschnitte habe ich durch eiii möglichst genaues
Punktiersystem vermittelst eines auf Millimeter eingeteilten Rahmens hergestellt,
der erst — stets in gleicher Höhe — um die Oberschenkel und dann um die Brust
(Höhe der Brustwarze der Standbeinseite) herumgespannt wurde, so daß beide
Schnitte genau ebenso übereinander liegen wie die entsprechenden Körperteile selbst.
Die Drehung und Verschiebung des Rumpfes und die Lagerung seiner Teile über den
Beinen — Verhältnisse, die auch bei der Kritik der Gewandanlage nicht unbeachtet
bleiben können — lassen sich auf diese Weise unmittelbar ablesen. Der untere Schnitt
(AA) ist in schwarzer Linie, der obere (BB) in roter dargestellt. Da dieser, wie gesagt,
stets durch die Brustwarze auf der Standbeinseite (a) gelegt ist, so daß der Vorsprung
der anderen Brust (a^) in ihm nicht zum Ausdruck kommen konnte, ist je ein ergänzen-
der Schnitt durch diese in roter unterbrochener Linie (CC) hinzugefügt. Ebenso ist
die Sohle des Standbeinfußes sowie die Projektion des andern schwarz punktiert.
In Zahlen ist die Höhe der einzelnen Schnitte über dem Boden der Plinthe an der
Vorderseite eingeschrieben.
Ebenso schien es mir nützlich, einmal den Aufriß des Frontkonturs dieser
Statuen genauer, als es durch photographische Seitenansichten möglich ist, (in Bei-
lage II) anzugeben. Die Maße habe ich mit Hilfe einer Lotstange gewonnen, an der
eine horizontale Schiene quer vor der Breitseite der I'igur in fest einstellbarer Führung
läuft. Im rechten Winkel zu dieser Schiene läuft in beweglichem Schieber der Maß-
stab, mit welchem die Konturen abpunktiert werden.
j^O ^' Noack, Amazonenstudien.
Die Schnitte sind in den Maßen natürlicher Größe aufgezeichnet worden, die
Aufrisse im Maßstab i : 5; jene erscheinen hier auf ein Viertel (25 cm = i m), diese
auf die Hälfte (10 cm = i m) verkleinert. Die Konturen der abgewendeten rechten
Seite sind, soweit sie nicht sichtbar sein können, in unterbrochenen Linien, die Mittel -
Hnie des Körpers da, wo sie wichtig schien, durch Strich -Punkt angegeben; die Höhen -
maße in Metern, die wagerechten Abstände in Zentimetern.
IV. Die Amazone Berlin -Landsdowne.
Art und Anlage des Gewandes ist, nach der ersten etwas eingehenderen Be-
handlung durch O. Jahn (Ber. d. Sachs. Ges. d. W. 1850, 47 ff.) bisher, soweit ich
sehe, meist mit wenigen Worten, die man nicht alle mit ungeteiltem Behagen liest,
erledigt worden. Man hat die »überaus eleganten Falten« betont, in die »der- Rock
gelegt sei« und »den Teil von den Hüften ab ganz im Geschmack eines Dekorateurs
in gefälligster Weise angeordnet« gesehen (Furtwängler 294). Richtig sprach Michaelis
(S. 40) von der »regelmäßigen Symmetrie des Faltenwurfs, Steilfalten in der Mitte,
beiderseits gleichmäßig geschwungene Falten nach Art eines Vorhanges und an den
Hüften wiederum senkrechte Partien«. Auch Klügmann hatte bereits im Rhein.
Mus. 1866, 324 die »höchst zierliche Symmetrie« kurz, wenn auch in teilweiser Ver-
kennung, wie sie zustande gekommen war, geschildert. Daß dieselbe gerade bei
Polyklet weniger auffallend erscheinen könne, auch aus dem Grunde, weil er der Zeit
noch nahe stehe, »in welcher eine steife Zierlichkeit in der Anlage des Gewandes stil-
gemäß war (S. 328)«, war eine Bemerkung, die, wenn auch in dieser Form nicht richtig,
doch einen Kern feiner Beobachtung enthielt. Fand doch auch Wolters (Fr.-W. 233),
»daß in der symmetrischen Anordnung des Gewandes noch etwas von archaischer
Gebundenheit und Strenge« anklinge. Eine ähnliche Empfindung hat schon Konrad
Lange Ath. Mitt. VI (1881) 91, also ebenfalls noch vor den großen Ausgrabungs-
funden auf der Akropolis, in jener ersten, trefflichen Würdigung des Parthenostypus
angedeutet. Er erblickte in dem Umstände, daß »die eigentliche Körperform der
Athena Parthenos gewissermaßen von senkrecht aufeinanderstoßenden Falten um-
rissen« werde, »das Kennzeichen eines noch nicht ganz freigewordenen Kunstgefühls«
und glaubte nun »ein sehr verwandtes Gefühl z. B. in der Gewandung der
Berliner Amazone« wiederzufinden, »an der die vier senkrechten Faltengruppen in
der Höhe der Oberschenkel wie ein Überbleibsel des Marmorwürfels aussehen, in den
mar die runden Formen eingeschrieben hat«. Wenn bei diesem Urteil auch übersehen
worden ist, daß das Original aus Bronze war, so verdient es doch Erwähnung, daß in
Langes Charakterisierung zum ersten Male klar und deutlich auf einen bestimmten
Sinn der vierfachen Faltengruppe an diesem Amazonenchiton hingewiesen ist. Ihrer
eigentlichen künstlerischen Absicht freilich konnte man damals noch nicht gerecht
werden. Diese steht aber im Zusammenhang mit der ganzen übrigen Gruppierung
und Verteilung des Stoffes, die wir uns jetzt klar zu machen haben.
Jahn hatte (S. 47) von dem dorischen Chiton gesprochen, bei dem die Spange
auf der linken Schulter — wie am Matteischen Typus (S. 45) — gelöst sei, so daß das
F. Noack, Amazonenstudien.
141
Gewand hier herabfallend die linke Brust
entblöße. Diese Vorstellung war bei ihm
begründet durch das Motiv an der vorher
S. 41 beschriebenen verwundeten, kapito-
linischen Amazone (Sosiklestypus), die das
Gewand tatsächlich in dieser Weise von
der rechten Schulter gelöst hatte : sie hält
den vorderen Teil in der linken Hand, der
beim geschlossenen Chiton am Rücken her-
aufgehende hintere Teil [Tzxipoz) ist ge-
sunken und liegt verkürzt, weil »zum Teil
in den Gürtel gesteckt«, an der rechten
Hüfte an. Die entsprechende Gewandpartie
links ist mit dem auf der Schulter ge-
nestelten Teil unter dem Reitermantel ver-
borgen. Gerade diesen Teil ihres Chitons
aber zeigen die andern Typen unverhüllt,
und man würde da vergeblich nach einer
Brust- und Rückenflügel zusammenhalten-
den Spange suchen. Zugegeben auch, daß
deren Angabe nicht unbedingt notwendig
gewesen wäre, so dürfte man doch gerade
bei dem Künstler, der mit aller Sorgfalt die
EinzelgHeder des Gürtels überliefert hat,
auch das Detail an der andern Stelle er-
warten. Ist es also nicht methodisch richtiger,
zu schließen, daß es eben an dieser Stelle
keine Spange zu lösen gab, sondern daß
diese Chitone offensichtlich geschlossene
Schulterstücke hatten ? Denn auch die
matteische Amazone zeigt auf der rechten
Schulter (über das herabgesunkene Stück
links wird unten zu handeln sein) keine Spur
von Knopf oder Spange oder auch nur ein
abgesetztes, von hinten her übergreifendes
Stück, wie so manche Peplosfigur. An
ihrer rechten Hüfte ist allerdings der von
Saumfalten begleitete Schlitz, wie er zu
einer Peplostracht gehört, deutlich ange-
geben (Abb. 4 u. Schnitt Beil. I bei e). Allein diese Spaltung setzt sich oberhalb des
Gürtels nicht for-t, und somit fällt auch der einzige zwingende Anlaß hinweg, auf der
Schulter eine erst künstliche Verbindung anzunehmen. Am Gewände des Sosikles-
typus war es dagegen nur folgerichtig, diese seitliche Öffnung rechts auch unterhalb
Abb. 4. Amazone Mattei ; r. Seite.
142 P- Noack, Amazonenstudien.
der Gürtung bis zum Saume durchzuführen, was übrigens m. W. nirgends
vermerkt ist. Sie ist freilich an sehr verdeckter Stelle mehr angedeutet als ausge-
bildet, immerhin ist sie unverkennbar: als eingravierte Wellenlinie an der Innenseite
der vorletzten Steilfalte vor dem Mantel ^) und unter Verzicht auf jene typische
Stilisierung der absteigenden Saumfalten, wie sie z. B. die Amazone Mattei hat;
letzteres nicht nur, weil der schmale Faltenrücken keinen Platz für solche Saum-
falten bot, sondern weil jede derartige zierliche Stilisierung der Kunst dieses
Meisters offenbar ganz fern lag.
Wie sich am Berliner Typus das Gewand von der linken Schulter gesenkt hat,
läßt sich schon aus Jahns Beschreibung begreifen, die ich gleich in ganzem Umfang
anführe. Er sagt : »Die Öffnung im Chiton, um den Arm durchzustecken, ist sehr weit
und durch das straffe Emporhalten des rechten Armes wie durch das Herabsinken
des Chitons von der linken Schulter wird es bewirkt, daß der auf der rechten Schulter
noch zusammengehaltene Teil des Gewandes durch einen schmalen Streifen zusammen-
gefaßt zwischen den Brüsten liegt, so daß nun auch ein großer Teil der rechten Seite
entblößt wird.« Es darf an ähnlich weite Armöffnungen z. B. an der »Genetrix«
(Br, Br. 473) und bei der Artemis von Versailles (Br. Br. 420) erinnert werden. So
kann man sich nun auch erklären, daß die Amazone durch diese weite Armöffnung
des Chitons den linken Arm, indem sie zugleich den Stoff von der Schulter herab-
streifte, ganz herausgezogen hatte, bevor sie ihn auf den Pfeiler stützte. Daß sie
vorher zu diesem Zweck noch eine Spange gelöst hätte, war demnach gar nicht von-
nöten — ganz abgesehen davon, daß sie durch den Zustand auf der rechten Schulter
nicht nur nicht bezeugt, sondern im Gegenteil widerlegt und abgelehnt wird.
Ebenso muß man aber auch Bedenken haben, ob das enge Zusammenschieben
des Stoffes, das die Entblößung auch der rechten Brust herbeigeführt hat, bei Jahn
eine genügende Erklärung gefunden habe ^). Man vergleiche nur die Amazone Mattei.
Auch da ist das Gewand tief herabgesunken, auch da ist die rechte Armöffnung weit
genug, und der rechte Arm ist sogar noch straffer emporgerichtet, und dennoch ist
die ganze rechte Brust verhüllt geblieben. Mit solchen Gründen ist der andersartige
Zustand am Berliner Typus also nicht erklärt, ist mit derartigen natürlichen Grün-
den auch nicht zu erklären. Man kann sich vielmehr dem Eindruck nicht entziehen,
daß der Künstler hier mehr getan habe, als sich nur folgerichtig aus Art und Anlage
seines Chitons ergeben haben würde, daß vielmehr dem Gewand an dieser Stelle
doch wohl Gewalt angetan ist in dem Bestreben, »die mächtige Brust möglichst frei«
zu lassen (Furtwängler 294). Dieser Eindruck wird dadurch bestärkt, daß der Künstler
da, wo er diesem Streben, den prangenden Körper selbst zu zeigen, nicht entsprechen
kann, wenigstens das Gewand mit allen Mitteln einer nicht mehr natürlichen Dra-
pierung dafür geeignet macht. Denn wir dürfen auch eine Drapierung noch natürlich
nennen, bei der sich Wurf, Fall und Gruppierung der Falten aus der von Tracht,
*) In Abb. 5 S. 148 mit a bezeichnet. Inder oben S. 96 Schlitzes ist aber etwas weiter eingerückt und
von Schröder gegebenen Abbildung ist diese Falte deshalb nicht zu sehen.
ganz links gerade noch sichtbar, die Linie des ^) Auch Klügmann sagte a. a. 0. 324 nur: ,, durch
die Erhebung des Armes und das Hervortreten des Busens stark zusammengeschoben".
F. Noack, Amazonenstudien. 145
Schnitt und Gürtungsweise bestimmten Anordnung ergibt. Als Beispiel sei nur der
Gewandstil der Peplosfrauen von Olympia bis zur Lemnia und Parthenos genannt.
Wir wissen aber auch längst, wie stark künstlerische Absicht in solche natürliche Er-
scheinungsform abändernd einzugreifen wagte (Literatur bei Bulle, Der schöne
Mensch 2 680, 681). Es ist auch bei den Amazonen die Frage zu stellen, wie sich
ihre Künstler zu diesem Mittel verhalten haben.
V. Gewandanlage und Körperstellung.
Für das Gewand des Berliner Typus sind unterhalb von Gürtel und Bausch
maßgebend die erwähnten 4 Gruppen von Steilfalten, von denen je 2 einander genau
entsprechen: l. je eine breitere vorn in der Mitte und hinten zwischen den Glutäen,
und 2. die beiden schmaleren links und rechts, die längs der Hüften eine fast gerad-
linige Begrenzung der Silhouette herbeiführen (im Schnitt Beil. I: l. bb, cc, 2. dd, ee).
Nach dem Maße, wie sie tief hinabreichen, lassen sich die oben geschiedenen beiden
Kopiengruppen wiederum darin erkennen, daß an Landsdowne -Berlin diese Steil -
falten rechts in einer Höhe mit dem Chitonsaum auf dem Oberschenkel abschneiden,
an Kopenhagen -Braccio nuovo dagegen schon etwas höher aufhören, was trotz der
Flickung ^) gerade an dieser Stelle durch den vom Schenkel her nach außen auf-
steigenden Gewandsaum, der antik ist, gesichert scheint. Da hierin auch Oxford E
mit Gruppe H geht, wird man ihn bis zur Urkopie zurückführen müssen.
Wie ist der Künstler zu dieser Anlage gekommen, und dürfen wir dabei über-
haupt und inwieweit an ein absichtliches Zurechtlegen denken.'' Die Antwort liefert
am besten ein praktischer Versuch, der, am lebenden Körper sowie an der hiesigen
Modellfigur ausgeführt, dem Folgenden zugrunde liegt. Er bestätigt vor allen Dingen,
daß die beiden soeben unterschiedenen Faltengruppen auch tatsächhch auf ver-
schiedene Weise entstanden sind. Es war nicht richtig, wenn Klügmann,
Rhein. Mus. 1866, 324 diese »in gerader Linie abwärts laufenden, eng zusammen-
liegenden Falten« sämtlich, auch die »an den Seiten der Schenkel und an der Rück-
seite«, durch die gleiche Art von Aufschürzung entstanden wissen wollte.
Wenn man nämlich einen derartigen, zweifellos ziemlich weiten Amazonen -
chiton in der Taille schnürt, stellen sich die beiden vertikalen Faltengruppen an den
Seiten regelmäßig schon ganz von selbst ein. Sie ergeben sich aus der Stoffmenge,
die, bevor der Chiton gegürtet wird, an den Seiten unter den Armen und nur hier
ganz frei vom Körper herabhängt. Die vordere und hintere Mittelgruppe dagegen
bilden sich, wie das für die Vorderseite ja auch von andern ausgesprochen ist (z. B.
von Bulle a. a. O. 307), erst, nachdem hier je ein Teil der Gewandmasse
über den verdeckten, unteren Gürtel in die Höhe gezogen ist; dem entspricht auch
ganz folgerichtig die in der Mitte jedesmal gehobene, vorn nur sorgfältiger als
hinten abgestufte untere Saumlinie. Die Statuen Landsdowne und Oxford bieten
nur insofern einen geradlinigeren Abschluß, als sie auf die letzte, oberste Hebung der
mittelsten Falte verzichten. Erst infolge dieser beiden gehobenen Mittelgruppen stellen
*) Diese, wie mir Br. Schröder freundlichst angegeben hat, ziemhch geringfügig; alles Wichtige antik.
IAA F. Noack, Amazonenstudien.
sich dann auch die »schön geschwungenen Bogenfalten über den Oberschenkeln«
(Bulle) ein. < Doch ist auch das nur mit der Einschränkung richtig, daß die nach
außen wieder aufsteigenden Bogen der Faltenrücken sich in der Praxis höchstens
ganz oben, dicht unterhalb des Gürtels, und auf der Rückseite, vielleicht etwas deut-
hcher als vorn, bilden, während die Mehrzahl, ausstrahlend von der mittleren Steil -
faltengruppe, in immer weiteren Kurven nach außen lediglich absteigen und
mit ihrem Tiefpunkt hinter den seitlichen Steilfalten verschwinden. Nur hat
dieses Zusammenschieben und Heraufziehen nach der Mitte dann meist die Begleit-
erscheinung, daß sich dabei die seitlichen Steilfalten (dd, ee) teilweise wieder auflösen.
Man muß sie schon künstlich zusammenhalten, wenn sie in ihrer ersten Gestalt
intakt bleiben sollen.
Hier wäre demnach ein Punkt, wo »die natürliche« Drapierung im Kunstwerk
überschritten ist und deutlich eine bewußte Regulierung verrät. Jene vollständigeren
Bogenfalten, die nach oben offen, eine über der anderen auf dem Oberschenkel auf-
liegen und ebenso die Glutäen umschließen, sind im eigentlichen Sinne nicht mehr
natürlich. Sie können nur verstanden werden als eine Steigerung des natürlichen
Motivs, vom Künstler in der Absicht ausgeführt, die plastische Form stärker und
deutlicher im Gewände hervorzuheben. Auf der Rückseite ist diese Absicht am
wirksamsten erreicht, indem der Stoff übertrieben eng die Glutäen auch von unten
her umspannt und sich mit der Körperfläche teilweise, wie auch der Schnitt erkennen
läßt, fast identifiziert.
Auch der Bausch ist weder in der Verteilung seiner Fülle noch in dem sym-
metrischen Auf und Ab seiner Begrenzung allein aus natürlicher Drapierung zu er-
klären. Man darf sich überhaupt nicht vorstellen, wie es sonst etwa beim xoXtto;
des Peplos der Fall ist, daß der gesamte Bausch an dieser Amazonentracht durch ein
nachträgliches Emporziehen über die Gürtung entstanden wäre. Auch da
belehrt ein praktischer Versuch uns eines andern. In diesem Falle würden nämlich
jene charakteristischen, vom Künstler zu den Bogen fortentwickelten Kurvenfalten
auf Schenkel und Glutäen alsbald gestört, ja sie verschwänden teilweise gänzlich.
Außerdem wäre es unmöglich, durch das Emporziehen des Stoffes in der Mitte (wo-
durch jene Steilfalten (bb) entstehen) gar einen größeren Bausch, wie er zu beiden
Seiten von der Mitte hängt, zu gewinnen ^). Denn man muß sich doch einmal klar-
machen, daß gerade in der Mitte, wo der untere Teil des Gewandes hochgezogen ist,
der überfallende Bausch am kürzesten erscheint, während er links und rechts nach
den Hüften zu immer länger und massiger überhängt, obwohl doch gerade hier das
Gewand über die Schenkel noch am weitesten hinabreicht. Praktisch und logisch
müßte es gerade umgekehrt sein 2). Der Sachverhalt an unserer Amazone ist also
vielmehr so, daß der Bausch, der beim Heraufziehen der Mittelpartie über die erste
') Unverständlich bleibt, wie durch solches Empor- ») Wie jetzt B. Schröder an dem oben Taf. 2 ver-
ziehen der Bausch auf der rechten Hüfte »fülliger« öffentlichten Berliner Torso zeigt, wo »der obere
geworden sei (Bulle a. a. O. 307). Er ist es auch Bausch hier (in der Mitte) etwas tiefer als rings
an und für sich nicht, der andere, tiefer hängende um den Körper hinabreicht«,
ist mindestens ebenso stoffreich.
F. Noack, Ämazonenstudien. jaz
(unsichtbare) Gürtung notwendig, aber eben nur hier in der Mitte, hätte entstehen
müssen, vom Künstler einfach unterdrückt worden ist. Der jetzt vorhandene
überfallende Bausch beruht auf einer ganz andern Grundlage. Um diese zu gewinnen,
muß das Anlegen des Gewandes einen andern, uns aus den Denkmälern bekannten
Verlauf genommen haben. Der ganze Bausch mußte schon vor der ersten, ver-
deckten Gürtung vorgesehen sein, d. h. der Chiton mußte, solange er noch lose hing,
so weit in die Höhe genommen sein, daß nach erfolgter Gürtung sich eine ausgiebige,
überschüssige Stoffmenge als Bausch über den Gürtel hinabsenken konnte. Wie man
sich dabei half, können wir nach bekannten Vasenbildern, wie Klein, V. m. Liebl.-
Inschr, Fig. 38 S. 152, Baumeister, Denkm. Fig. 686 = Dar.-SagHo, s. v. tunica
S. 536 Fig. 7100, Hartwig, Meisterschalen S. 219 = Jahrb. XI 1896, 26 sowie einer
Scherbe der Tübinger Sammlung Nr. 1750, schließen und nachprüfen: indem man
den Chiton bis über Kopfhöhe emporzog, brachte man ihn in die für die erste Gürtung
nötige Höhe und führte nun, indem man ihn auch mit dem Munde hochhielt, diese
Gürtung ohne Schwierigkeit aus. Das erste Emporziehen der Mittelfalten vorn und
hinten wird noch erfolgt sein, ehe man den oberen Teil sich nun auf die Schulter
senken und die Masse des Bausches überfallen ließ. Alsdann wurde der obere, sicht-
bare Gürtel angelegt.
Die Faltenbäusche außen links und rechts über den Hüften bilden sich beim
praktischen Versuch etwa so, wie sie diese Amazonen zeigen, und stimmen auch darin
mit diesen überein, daß sie etwas kürzer bleiben als der Bausch an Front und Rücken.
Dagegen stellt sich dessen Hebung und Kürzung in der Mitte auch jetzt nicht ein.
Hier tritt ebenso wie bei den »schön geschwungenen Bogenf alten« die bewußt ord-
nende Hand des Künstlers ein, der mit dieser nach der Mitte aufsteigenden Be-
grenzung des Bausches den Rhythmus der unteren Saumlinie des Chitons dort oben
nur etwas gemäßigter wiederholt. Aber dies ist doch nur erst eine äußerliche Folge-
erscheinung. Der eigentliche Anlaß zu dieser Abänderung der »natürhchen« Dra-
pierung liegt, wie bei allen Einzelzügen, tiefer. Der bei normalem Fall in voller Breite
und Länge niederhängende Bausch würde die leichte Schwellung des Leibes, der sich
bei dieser Ponderation sowieso etwas vordrängt, und seine leise Senkung nach den
Seiten zu verhüllt und unkenntlich gemacht haben. Durch die Verkürzung des
Bausches nach der Mitte zu kommt dagegen diese Körperform zu zwar diskretem,
aber dennoch deuthchem Ausdruck. Wieder erkennen wir den Künstler, der seine
Drapierung, wenn auch mit großer Mäßigung, forciert — aber immerhin forciert! —
um sie in den Dienst des Körpers zu stellen. Nun verstehen wir auch, daß er den
schon vorher infolge der hochgezogenen Mittelfalten entstandenen Bausch erst recht
hatte unterdrücken müssen. Wir haben ihm also gewiß auch nicht unrecht getan,
als wir jenes übertriebene Zusammenschieben des Stoffes vor der rechten Brust in
gleichem Sinne deuteten. Und die starke Entblößung der linken Seite steht damit
in vollem Einklang.
Machen wir hier einen kurzen Halt, um wieder einen Blick auf das Relief zu
werfen. Es ist auch für die eben verhandelte Frage nicht ohne Wert. Denn trotz
seines rein dekorativen Zweckes und obwohl die größte Partie des Unterkörpers fehlt,
Ia6 F- Noack, Amazonenstudien.
sind die entscheidenden Grundzüge der Drapierung des Originals nicht zu verkennen :
die beiden Gruppen der Steilfalten in der Mitte und an der rechten Hüfte und die
dazwischen ausgespannten Bogenfalten sowie der von der kurzen Mittelfalte nach
beiden Seiten, und zwar nach links steiler als nach rechts, abfallende Bausch, — das
ist trotz aller derberen und abkürzenden Ausdrucksweise gerade noch klar genug
angegeben, daß wir die ganze Drapierung unserer statuarischen Kopien in ihrem
überlegten und eleganten Reichtume dem Original zueignen dürfen.
Fassen wir das Ergebnis dieser Gewandstudie bis hierher zusammen, so ist es
dieses: von welcher Seite wir die Berliner Amazone auch betrachten, überall verrät
sich in der Art und Weise, wie die Motive der natürlichen Drapierung nicht einfach
hingenommen, sondern preziös und geistreich geformt und fortentwickelt scheinen,
ein ganz bestimmtes künstlerisches Ziel. Andererseits werden zu eben diesem Zwecke
doch nur solche Elemente verwendet, die sich aus dem natürlichen Gebrauch der
Tracht ergaben. Tatsächlich im Widerspruch hierzu, wenn man will, also gekünstelt,
fanden wir nur die auf- und absteigende Begrenzung des Bausches vorn und hinten,
und doch diktierte hier dieselbe künstlerische Absicht, welche die sonstigen natur-
gemäßen Elemente zu feinerer Auswirkung steigerte und erhöhte.
Um diese Absicht ganz zu erfüllen, bedurfte der Künstler aber noch einer Grund-
lage, die er sich in der besonderen Haltung des Körpers schuf. Die Amazone
biegt den Oberkörper, im Kreuz stark aufgesetzt, zurück, und indem sie ihn gleich-
zeitig nach links zu der Stütze senkt, drängt sie außerdem den Leib etwas, schräg
nach rechts vor i). Im Vergleich zu Statuen mit ebenfalls stark eingezogenem Kreuz,
wie Doryphoros und Diadumenos, läßt sich das Ergebnis dieser Haltung so bezeichnen :
wenn wir eine Senkrechte vom vorderen Brustkontur (an der Amazone vor der
Brust der Standbeinseite) fällen, so liegt der Nabel am Diadumenos noch ein klein
wenig dahinter, am Doryphoros nur 7 mm davor, die Schwellung des Bauches tritt
an beiden Statuen etwas vor (9 bzw. 25 mm), an der Amazone aber schiebt sich schon
der Körper oben hinter dem Gürtel fast so stark vor wie am Doryphoros der Bauch,
ihr Leib wiederum doppelt so weit, wie dort der Bauch. Es ist nur eine Folge dieser
Haltung, daß auch die äußerste Ausladung des Oberschenkels ihres Spielbeines
weiter nach vorn liegt als beim Doryphoros (4,25 cm vor jenem Lot gegen 2 cm an
diesem) und noch weiter im Vergleich zum Diadumenos (4,25 cm gegen 0,75 dort,
dazu vergleiche die Schnitte). Und verfolgen wir die absteigende Schenkellinie bis
zum Knie, so fällt sie steil, fast senkrecht nieder, das Knie selbst steht entsprechend
vor jener Lotlinie fast ebensoviel vor wie der Bauch, während es am Doryphoros
um 2, am Diadumenos gar um 5 cm hinter diese zurückweicht. Am Dresdener Epheben
ist, wie der Aufriß lehrt, dies alles noch gegenüber dem Diadumenos gesteigert. Das
heißt aber: bei diesen polykletischen Statuen ist das Bein tatsächlich wie zum
Schreiten zurückgesetzt, der linke Unterschenkel der Amazone ist durch die vom
Rumpf bedingte Haltung des Oberschenkels eher etwas vorgezogen, er schleift
') An dem Exemplar in Braccio nuovo ist vom Stamm, ergänzt (s. Amelung Vat. I, 90), so daß
Unterkörper das allermeiste, dazu Basis und seine etwas steilere Aufstellung für eine Vor-
stellung vom Original nicht maßgeblich sein kann.
JAHRBUCH DES D
Beilage II zu S. 146.
Amazoiebe Dresden
F. Noack, Amazonenstudien.
147
höchstens nach. Das Stellungsmotiv ist wirklich ein anderes, weil die ganze Haltung
des Rumpfes eine andere ist.
Mit Hilfe der starken Rückwärtslagerung von Brust und Schultern baute sich
das Körperrelief gleichsam von diesen bis zum Leib schräg nach unten vor. Damit
war aber die Grundlage dafür geschaffen, daß die Massen des feinen Chitonstoffes,
statt vom Körper abzuhängen, in engem Anschluß an ihm aufliegen konnten. Aber
auch da, wo das Gewand freier hing, also in der Mitte unten vor dem Leibe, gab diese
Körperhaltung den Steilfalten, die nach dem rechten Schenkel zu liegen, eine leise
Schwingung und die Richtung von links oben nach rechts unten, während der sich
vorschiebende Schenkel des Spielbeines die übrigen Steilfalten schon dank der
leichten Reibung des Stoffes mit sich zog und in senkrechtem Falle hielt. Ich glaube
auch das bemerken zu sollen, da die einen dem Künstler daraus einen Vorwurf
machten, andere die Figur deshalb steiler aufrichten wollten. Vielmehr sind Gewand
und Haltung in sorgfältigster Berechnung aufeinander eingestellt, und von »schweren
Fehlern des Berliner Werkes« (Mahler 90) kann nicht die Rede sein.
VL Die kapitolinische Amazone.
Auf dieser Grundlage dürfen wir nun die anderen Amazonen vergleichen. Be-
kanntlich gehen die Urteile, wieweit Beziehungen und Abhängigkeitsverhältnisse
zwischen ihnen und dem Berliner Typus beständen, sehr weit auseinander. Am
radikalsten, auch in den Schlußfolgerungen, sind wohl Mahler S. 87 und Klein H 163
gewesen, als sie den kapitolinischen Typus der Verwundeten zur conditio sine qua non
des Berliner machten und letzteren ins 4. Jahrhundert wiesen. Aber auch die Amazone
Mattei ist einmal von Kekule (Comment. phil. in hon. Mommseni 1877, 485) als
nachlysippische Umbildung des Berliner Typus erklärt worden.
Bezüglich der kapitolinischen Amazone (Sosikles) hat man sich dafür auch auf
das Gewand berufen. Aber zwischen ihr und der Berliner Amazone besteht nicht
einmal eine volle Gleichheit in der Tracht an sich, geschweige denn in der Rolle, die
das Gewand im Inhalt des Kunstwerkes spielt. Bei der Berliner Amazone ist es,
wie wir sahen, der einfache, über den Schultern und seitlich geschlossene Chiton,
bei der kapitolinischen war es auf den Schultern geknüpft und längs der ganzen
rechten Seite geschlitzt, also peplosartig und dem Chiton sich annähernd nur
in der doppelten Gürtung. Dort soll es nur immer die Formen des Leibes unter-
streichen oder enthüllen, seine Aufgabe und Mitwirkung ist eine rein künstlerische,
hier ist es unentbehrlich für den Gedanken und die sachliche Einheit der Komposition.
Auch hier verlohnt es sich, dieser Aufgabe des Gewandes im Kunstwerk noch einmal
nachzugehen.
Dem durch die Verwundung veranlaßten Herabnehmen des vorderen Gewand -
flügels ist das Niedersinken des Rückenteiles gefolgt. Das Bedenken, daß dies nicht
ganz wirklichkeitsgemäß gewesen wäre, da er unter dem schwer aufliegenden Reiter -
mantel (Furtwängler 295) strenggenommen hätte oben hängen bleiben müssen, hat
den Künstler jedenfalls nicht gehemmt. Wenn der Rückenflügel also nun gleichwohl
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. I i
148
F. Noack, Amazonenstudien.
herabglitt, so müßte man sich ihn
doch mehr nach hinten und näher dem
Mantelrande niederhängend denken.
In der Praxis würde der Zustand,
wie wiederholte, stets gleichartig aus-
fallende Versuche lehren, sich etwa so
darstellen, wie an der Kriegerstatu-
ette von Bavai (s. u. S. 153). Aber
an unserer Amazone liegt die Sache
ja gar nicht so einfach. Der Rücken-
flügel ist da nicht nur herabgesunken,
er ist, was Jahn, wenn ich ihn recht
verstehe, vom vorderen Flügel meinte
(S. 41), »an der rechten Seite zum
Teil in den Gürtel gesteckt und fällt
dann herab«. Das gilt tatsächlich
vom hinteren Flügel. Nur bedeckt
dieser jetzt, herabgesunken, die Hüfte
in fast flächenhafter Breite derart,
daß sein Saum bis ganz nach vorn
zur Front der Statue reicht (b-7-c in
Abb. 5, vgl. den Schnitt in Beilage I).
Die Überlieferung ist darin ganz ein-
heitlich. Diese Anordnung ist darum
um so auffallender, als die untere Fort-
setzung des Seitenschlitzes, wie wir
S. 142 sahen, soviel weiter hinten liegt.
Dieser scheinbare Widerspruch ist denn
auch erst, wie wiederum ein prak-
tischer Versuch lehren kann, durch
einen besonderen Eingriff in die
Drapierung erreicht, dadurch nämlich,
daß das herabgesunkene Stück wieder
emporgenommen und von oben her
in den (ja sowieso überdeckten) Gürtel
gesteckt wird (bei d Abb. 5). Erst
dadurch erhält der Saum bc die
senkrechte und vorgeschobene Lage.
Der Künstler kann das also kaum
ohne einen vorhergehenden prak-
tischen Versuch modelliert haben. Wer
das bestreiten wollte, ließe ihn durch Zufall etwas bilden, was in Wirklichkeit nur
durch eine bewußte Handlung zustande kommen konnte. So oder so, der Erfolg
Abb. 5. Kapitolinische Amazone; r. Seite.
F. Noack, Amazonenstudien,
149
ist derselbe, und es läßt sich nicht
leugnen, daß damit die Einheitlichkeit
im Motiv von Geste und Gewand eine
Störung erfahren hat. Denn man muß
sich doch fragen: wann hat die Ama-
zone das Gewandstück in diese Lage
gebracht, da sie bei hochaufgestütztem
rechten Arm nur die linke Hand zur
Verfügung hatte? Diese aber hält jetzt
das Ende des vorderen Flügels. Sie hat
natürhch erst diesen gelöst und herab-
genommen. Sodann aber muß sie zu-
nächst den hinteren ergriffen, auf der
Seite vorgezogen und, wie soeben be-
schrieben, in den Gürtel eingesteckt
haben. Dazu war aber nötig, daß sie
den vorderen Flügel, den sie jetzt hält,
auf kurze Zeit fallen ließ und erst
nach jenem zweiten Handgriff nach der
Seite wieder aufnahm. Dies letztere
wäre aber, — wenn der Sinn der vor
uns dargestellten Handlung nur der
war, daß die Amazone das lästige Ge-
wand von der leidenden Wundseite hin-
wegnahm — gar nicht mehr nötig ge-
wesen, denn dieses hing ja dann schon
herab! Sollte man aber ihre Bewegung
darum in ganz anderem Sinn, etwa so
verstehen, daß sie den Zipfel wirklich
zum zweiten Male aufgegriffen habe und
ihn zur Wunde zurückführen wolle, um
diese nun zu trocknen und zu stillen?
Gewiß nicht! Denn die Absicht und Auf-
gabe des linken Ellenbogens ist doch,
den Mantel fest an die Seite zu pressen,
also in dieser Lage zu verharren und sich
nicht etwa nun gleich wieder vom Körper
zu lösen und nach der Wunde hinüber-
zugreifen, wobei der Mantel doch eben
wieder frei geworden wäre. Lehnt man
dies also, wie bilHg, ab, so ist dem Urteil
nicht zu entgehen, daß die Handlung, welche die uns dargestellte Erscheinung begründet
hat, in der Tat nicht so einheitlich ist, wie man wohl meint. Der leitende Grund -
Abb. 6. Kapitolinische Amazone ; 1. Seite.
I CQ F. Noack, Amazonenstudien.
gedanke, den wir dem Kunstwerk unterlegen, beruht lediglich auf der ersten, ein-
fachen Aktion, das Gewand von der Wundseite wegzunehmen. Ist dies dargestellt,
so hätte die außerdem in dem Kunstwerk jetzt enthaltene Drapierung des hinteren
Gewandflügels eigentlich nicht aufgenommen werden dürfen. Denn dieser wäre ent-
weder von der Mantelmasse oben festgehalten worden oder nur einfach hinabgesunken.
Und wir müssen uns doch die Entstehung des wundervollen Werkes so denken:
sein Bild entsprang dem künstlerischen Geist ganz gewiß so, wie es heute vor uns
steht, in der die Wirkung allein bestimmenden Vorderansicht (Michaelis 28), und seine
Handbewegung galt in dieser ersten Konzeption gewiß auch dem ersten, ganz un-
willkürlichen Bedürfnis: nur die Wunde so rasch wie möglich befreien von dem Ge-
wand! Erst als es zur Ausarbeitung an der Seite kam, fügte der Künstler ein Gewand -
motiv hinzu, das scheinbar unwesentlich, doch, sobald man über sein Zustandekommen
nachdenkt, die Einheitlichkeit der Darstellung zerreißen muß. Da zweifellos der
Künstler dieses nicht gewollt hat, so muß ihn dabei ein andersartiger, künstlerischer
Zweck geleitet haben. Man wird damit die Tatsache in Verbindung bringen
müssen, daß durch dieses Zurechtlegen des Gewandes eine absolute, reine Profil -
ansieht gewonnen wird, deren vorderer Kontur dem an der Seite stehenden Beschauer
jeglichen Blick auf die Anordnung der Front abschneidet. Und dann wird aus Ab-
bildung 5 auch erst recht klar, wie sehr das überhaupt von dieser gesamten Seiten-
ansicht gilt. Nicht nur schneidet der Mantel eine zur Rückseite überleitende Ansicht
völlig ab — auch Schulter und rechte Brust erscheinen so gut wie im reinen Profil,
die Frontpartie des Leibes unmittelbar darunter bleibt unsichtbar, und der vor ihm
umgeschlagene Gewandrand bildet mit dem Saum bc darunter und dem übrigen
Gewandkontur am Oberschenkel eine senkrecht abfallende Begrenzungslinie, die
gerade so streng die Aussicht nach vorn abschließt, wie der Mantel die nach hinten.
Dies alles fällt noch stärker auf, wenn man auch die Berliner Amazone daraufhin von
der Seite her prüft: da kann das Auge von beiden Seiten her der Rundung von Ober-
schenkel und Leib bis zur Höhe der Mittelfaltengruppe folgen; in der Ansicht von
links tritt auch noch die rechte Brust hervor, und der Saum des gefallenen Chitons
geleitet, schräg ansteigend, den Blick gleichsam quer über die Brust bis zur Gegend
der uns abgekehrten Schulter hinauf. Eine hohe Kunst, ein sich seiner Absichten klar
bewußter künstlerischer Wille, spricht sich in diesen Dingen aus. Und sehr selbständig
muß man diesen Willen nennen, vor allem aber grundverschieden von dem des
Meisters der kapitolinischen Amazone.
Kehren wir zu dieser zurück, und zwar nun zu ihrer linken Seite (Abbildung 6).
Da zeigt sich am Oberkörper bis zur Gürtelhöhe dieselbe Ausschließhchkeit der
Seitenansicht. Und auch die Mantelpartie unter dem linken Arm bildet, obwohl sie
vorn den Blick auf die Front etwas freigibt, doch im wesentlichen Seitenfläche, gegen
welche die Mantelrückwand wieder in stark betonten Vertikalen absetzt, — sehr
hart und unwirklich, denn das Piervorziehen des Mantels hätte diese schwere Vertikal -
falte, wie mir wieder ein Versuch bewiesen hat, wenigstens im unteren Teile stören
und auflösen müssen.
Furtwängler hat S. 295 für diesen unter dem Ellenbogen gefaßten Mantelzipfel
F. Noack, Amazonenstudien. i c j
eine inhaltliche Erklärung versucht: >>wie von einem Frösteln befallen« presse ihn
die Amazone an den Körper. Was aber auch der Sinn gewesen sein mag, — der Künst-
ler hat sich auch hier über das Bedenkliche hinweggesetzt, daß in der einfachen
Handlung kein Augenblick frei gewesen wäre, diesen Zustand an der linken
Seite herzustellen. Denn als sie vorher nach der rechten Schulter hinübergegriffen
hatte, um dort das Gewand zu lösen, hätte auch der linke Oberarm, vom Körper los-
gelöst, dieser Bewegung folgen müssen, und dervN'eilen hing der Mantel schwer und
gerade am Rücken nieder, links genau ebenso wie rechts. Von da ab aber bleiben
beide Hände voll beschäftigt, — wann kam, so müssen wir hier noch einmal fragen,
der Mantelzipfel in die Lage, in der wir ihn jetzt sehen.'' Man sieht: der Vorwurf,
den wir diesem Motiv zu machen haben, geht ungewollt in derselben Richtung wie
der bei der andern Seite erhobene, und wir werden ihn auch ebenso auszugleichen
haben wie den andern. Der Künstler hat sich auch hier eine möglichst einheitliche,
flächige Begrenzung schaffen wollen, indem er selbst die einfachen Steilfalten des
Chitons und den Bausch darüber zudeckte.
Bleiben doch auch an der Hauptansichtseite, vorn, die Motive von größter
Einfachheit und Ruhe. Man hat sie längst gewürdigt. Der Künstler hat es ängstlich
vermieden, an dem natürlichen Fall der Falten etwas abzuändern. Wenn der einfach
hängende Stoff in der Mitte etwas tiefere Falten schlägt, so geschieht das lediglich,
weil er hier etwas freier hängt, nicht weil hier irgendein Eingriff, ein stärkeres Zu-
sammen- oder Emporziehen erfolgt wäre. Das zeigt unwiderleglich die schlichte
Führung der flacheren Faltenlinien an der leicht angedeuteten Rundung des Unter-
leibes. Das »zierliche Faltenmotiv«, das hier an dem zweiten kapitolinischen Exemplar
aus Villa d'Este (Michaelis c) erscheint, kann darum unmöglich, wie Furtwängler 295
vermutete, dem Originale angehört haben; in seiner etwas leeren, schematischen
Anordnung kontrastiert es verräterisch mit der sonstigen Natürlichkeit der Gewand -
behandlung, insbesondere auch mit jener schon beobachteten Abneigung des Künst-
lers (s. o. S. 142), dem Saume des Seitenschlitzes die gewiß auch ihm wohlbekannte
typische Form zu geben. Wenn Furtwängler sich darauf berufen hat, daß an den
Repliken Kapitol, Colonna, Torlonia (Michaelis bf h und auch an Vatikan e: Ame-
lung Vat. I, 63) diese vordere Gewandpartie ergänzt sei, so haben entweder sämtliche
Ergänzer aus der Schlichtheit der oberen erhaltenen Faltenzüge richtig den gleichen
Schluß gezogen, was diesen gewiß nicht diskreditieren würde, oder ihre Ergänzung
war doch durch irgendeine Überlieferung (etwa die nicht mehr erhaltenen, bei dem
für sie maßgebenden Exemplare gefundenen Splitter) bestimmt. Ich möchte hier
auch auf Bulles Beurteilung (a.a.O. S. 308) verweisen, dem diese »untere Hälfte des
Chitons beinahe noch mit der vatikanischen Wettläuferin« vergleichbar schien.
Könnte man doch versucht sein, in der Art seiner Stoffalten eine Fortbildung der-
jenigen der Wettläuferin zu sehen. Und mit diesem einfachen Charakter stehen denn
auch wieder die ganz wenigen, weichen Faltenbogen im schönsten Einklang, die der
Oberschenkel des Spielbeins in dem von ihm leicht vorgedrängten Stoffe hervor-
gerufen hat. Das alles aber ist in Ursache und Wirkung so grundverschieden von der
Drapierung des Berliner Typus, und dieser muß aus Gesetzen und Folgen einer so
I c 2 F. Noack, Amazonenstudien.
vollkommen andern Drapierung erklärt werden, daß man es nur mit unbegrenztem
Staunen lesen kann, der Künstler der Berliner Amazone habe »bei dem ^vorderen
Gewandteil« den kapitolinischen Typus einfach mit entsprechenden Varianten kopiert
(Mahler 87). Ist doch auch bei diesem Typus der starke Eindruck von Einfachheit
und Selbstverständlichkeit im Gewandstil nicht ganz ohne die Mitwirkung der
Haltung der Figur erzielt. Entgegen der sehr berechneten Rückwärtsbiegung der
Berliner Amazone neigt die kapitolinische Statue den Oberkörper, was in den Front-
abbildungen nirgends wirklich zu klarem Ausdruck kommt, am wenigsten in der Auf-
nahme der Straßburger Ergänzung ( Springer -M.-W. ^^ 293), leicht nach vorn.
Wie groß jedoch die Abweichung in der Haltung der beiden Typen ist, wird deutlich,
wenn wir auch an der kapitolinischen Amazone den Abstand einiger Punkte von den
von Brustwarze (über dem Standbein) und Halsgrube gefällten Lotlinien messen.
Während an der Berliner Statue Gürtelmitte, Leib, Oberschenkelschwellung, Fuß-
spitze vor die Lotlinie von der Brust hervortreten und nur die Kniescheibe des Stand-
beins um 3,75 cm dahinter liegt, wird diese Linie an der kapitolinischen Statue von
der Schwellung des Leibes nicht einmal tangiert, alle andern Punkte treten weit
hinter sie zurück ^). Dementsprechend ist der Abstand dieser Punkte von dem von
der Halsgrube gefällten Lot bei der kapitolinischen geringer; er beträgt für die Brust
10,6 (Berlin 11,5), Gürtel 7,8 (Berlin 13,3), Leib 9,5 (BerHn 15,8), Knie hinter dem
Lot 1,5 (BerHn 7,5 cm davor), und Fußspitze 6,8 (Berlin 13,6) cm. Bei dieser Haltung
sind die Grundlagen für Fall und Drapierung des Gewandes derartig andere, daß
auch die größte mißverständliche Korrektur daraus nicht ein Werk wie die Berliner
Amazone hätte zustande bringen können. Das Mißverständnis scheint nicht bei
deren Meister, sondern bei ihrem Kritiker zu liegen, der ohne ein Abhängigkeitsver-
hältnis nicht auszukommen vermag. Aber die hier vorgelegte Prüfung und Ver-
gleichung der beiden Typen verpflichtet uns im Gegenteil, sie von jeglicher derartigen
Beziehung zueinander zunächst einmal zu befreien. Voraussetzung dafür ist freilich,
daß wir auch uns selbst befreien von jeglicher Suggestion, wie sie der allzu schnelle
Wunsch nach einem Künstlernamen so leicht herbeiführt. Und unter dieser Voraus-
setzung wollen wir auch an die Kritik der dritten Amazone herangehen.
VH. Die Amazone Mattei.
An dieser wird manches schon auf den ersten Blick natürlicher erscheinen.
Dahin gehört vor allem die Bedeckung der ganzen rechten Brust (s. o. S. 142). Der
übergürtete Bausch — in der oben beschriebenen Weise nicht erst durch Herauf-
ziehen über den unteren Gürtel entstanden • — zeigt ringsherum einen gleichmäßigeren
Überfall, es fehlt die absichtliche Kürzung und Hebung vorn über dem Leib. Es ist
ferner richtig, daß er unterhalb des Köchers nach vorn hin sichtbar bleibt, wie es
die römischen Exemplare (ß und 7) deutlich zeigen, während diese Stelle an dem
') Der Vorsprung vor diese Lotlinie beträgt bei der 3,25 cm. Bei der Amazone Kapitel liegen hinter
Amazone Berlin für die Gürtelmitte 2,5, den Leib ihr der Gürtel um 2,8, Oberschenkel ca. 4,5, Knie-
4,75, Oberschenkel (Standbein) 2,85, Fußspitze scheibe 12,1 und Fußspitze 3,8 cm.
F, Noack, Amazonenstudien. jc^
Torso in Trier (C) stark verwischt ist. Das herabgesunkene Schulterstück ist nur
vorn zwischen Hüfte und Köcher hereingerutscht, fällt im übrigen über dessen Rücken
nach außen. Die das Gewand im allgemeinen wohl besser treffende Trierer Kopie
(Fr.-W. S. 238) läßt diesen Übertall, wie auch die Skizze Jahrb. I, 36 zeigt, den
Köcher stärker bedecken und gibt vor allem seinen Zusammenhang mit der vorderen
Partie in einem zuverlässigeren Rest. Wie aber seine Faltenzüge über dem hinteren
Köcherrücken aufliegen (Abb. 7), so zeigen sie, daß auch dieser Künstler nicht zwei
voneinander gelöste Gewandflügel darstellen wollte : der Zusammenhang des Stoffes ist
da unverkennbar gewahrt. Bei einer wirklichen Lösung des Gewandes auf der Schulter
wäre der Zipfel des hinteren Flügels nicht so weit nach außen auf den Köcher hinüber,
sondern unmittelbarer am Rücken herabgesunken. Seine nach außen umgeklappte
Partie würde steil nach unten hängen. Wir brauchten dies nicht einmal durch einen
praktischen Versuch zu beweisen : die Bronzestatuette von Bavai, die sich im übrigen
mit unserer Statue vielfach zu berühren scheint (s. u.), kann uns diese gelösten Ge-
wandzipfel, wie wir es uns nicht besser wünschen können, zeigen ^). Statt einer
solchen Trennung ist an der Amazone vielmehr die schräge Gewandlinie hier gerade
so ungestört durchgeführt wie am Berliner Typus, und das kam eben nur zustande,
wenn der Zusammenhang mit der Vorderseite erhalten geblieben war. Wir haben
somit auch hier die Tradition von der gelösten Schulterspange (Jahn S. 45, Michaelis
S. 39) aufzugeben.
Fragen wir nach der bisher befolgten Methode auch diesmal nach dem Anlasse
der Entblößung, so bleibt uns die Figur, wenn man ihr Motiv gleichfalls in der Er-
mattung (s. Michaelis 43) oder in der Verwundung sucht (Wolters, Fr.-W. 237 und —
gegen Michaelis und Furtwängler, M.-W. 298, 2 — auch Handb.^0265, Sybel, Weltg.
d. K. S. 196, sowie neuerdings auch Bulle a. a. 0. 308), eine einleuchtende Antwort
doch wohl schuldig. Wie wenig notwendig die Entblößung in einem solchen Falle
gewesen wäre, kann ein Blick auf den, in der Bronzestatuette von Bavai dargestellten,
verwundeten Krieger lehren (Gazette d. b. arts 1905, S. 196 f., Springer-M.-W.
Handb. ^o 293). Eher ließe sich noch bei der zu irgendeiner Kraftäußerung sich vor-
bereitenden Amazone verstehen, daß der Chiton herabgestreift sei, um »dem Arm
völlig freie Bewegung zu verstatten« (Michaelis 45). Doch wird man damit die Deu-
tung auf eine »SjDringerin« gewiß nicht stützen wollen. Denn wirklich zur Ent-
blößung kann auch dieser Anlaß wohl nicht zwingen. Andrerseits fehlt der Figur
auch wieder völlig jene auf den Körper gerichtete Drapierung und Stilisierung des
Gewandes, die für die Berliner Amazone bezeichnend ist. So läßt sich also der Frage
nicht ausweichen; ob hier bereits ein für die Erscheinung der Amazonen typisches,
von einer vorangehenden Kunst ausgebildetes Motiv vorliege. Eine Entscheidung
darüber werden wir erst später versuchen können. Wir sind mit dem Gewand noch
nicht zu Ende.
»Eigentümlich ist dieser Statue, daß der über den linken Schenkel fallende Teil
des Chiton in die Höhe genommen ist, um das Bein freizumachen, und der Zipfel
*) Sie sind hier sogar mit kleinen (aus Kupfer eingesetzten) Gewichtsquästchen beschwert.
154
F. Noack, Amazonenstudien.
in den Gürtel gesteckt, wodurch auch am rechten Bein das Gewand in die Höhe ge-
zogen wird, was einen sehr schönen
Faltenwurf hervorbringt« (Jahn 45).
Klügmann, der darin zuerst den
Zweck erblickte, »beide Beine zu
freierer Bewegung, zu stärkerem
Auseinandertreten (für den Sprung)
geschickter zu machen« (326),
hat »diese eigentümliche Auf-
schürzung« auch zuerst »nicht
wenig kompliziert« genannt; wes-
halb, hat er uns jedoch verschwiegen.
Deutlicher spricht sich Bulle darüber
aus. Auch er hat mit dem gleichen
Urteil diese Anordnung belegt. Der
Bausch sei künstlich vom linken
Oberschenkel fortgezogen und als
breite Masse nach der rechten Hälfte
verdrängt, damit so »die andere
schmerzende Körperhälfte für das
Auge gewissermaßen noch mehr (als
es nämlich durch die dort hochge-
zogene Stoffmenge schon geschehen)
entlastet und erleichtert« werde.
Natürlich kann auch Bulle nicht
meinen, daß der Bausch über dem
linken Oberschenkel vollständig
fortgezogen, d. h. unterbrochen sei;
seine erste sichtbare Mittelfalte am
Exemplar Mattei (7) zeigt ja deut-
lich, daß er sich unter dem herauf-
gesteckten Stoffe fortsetzte. Aber
wir kommen überhaupt mit der
Vorstellung aus, daß diese hochge-
zogene Stoffmenge allein genügte,
um den von ihr überdeckten Teil
des Bausches flachzudrücken. Auch
am Modell ergibt sich das; auch da
drückt der hochgenommene Stoff
den Bausch nieder, und dieser quillt
unmittelbar daneben in stärkerem
Relief hervor. Die Wirkung, die sich Bulle vermittelst eines besonderen Eingriffs
in die natürliche Drapierung bewirkt denkt, war tatsächlich erreicht, auch wenn die
Abb. 7. Amazone Mattei; Rückansicht.
F. Noack, Amazonenstudien.
155
ganze jetzt sichtbare Partie des Bausches in dieser Menge und in dieser Verteilung
von vornherein existierte. Auch wäre
die von ihm vermutete komplizierte
Verschiebung schwerlich ganz ohne
eine Wirkung auf die Falten rechts
oberhalb des Gürtels zustande ge-
kommen. Davon ist aber nichts zu
spüren.
Auch die Faltenzüge an dem vom
Schenkel heraufgeschlagenen Stück er-
geben sich beim praktischen Versuch
in allen Hauptsachen wie an der
Statue: auch da überschneidet der
starke Zug von hinten her (Abb. 8u.
Beil. I:b) die von der Schenkelfront
nach der Seite führende Stoffmenge;
auch da spannt sich der große Falten-
zug vorn schräg hinunter zum Stand-
bein (Schnitt, Beil. I: c) und beschreibt
den starken Bogen kurz über dem
Saum (Aufriß, Beil. 11: Strichpunkt-
linie). Dies alles stellt sich bei der
Gewandanlage ganz natürlich ein. Nicht
mit derselben Sicherheit trifft es zu
auf die kleineren und schwächeren
Bogenfalten darüber auf der Schwellung
des rechten Oberschenkels; hier wird
durch Stilisierung etwas nachgeholfen
sein. Überraschend ist aber eine
andere Beobachtung. Trotz des stärke-
ren Zuges vom Standbein schräg hinauf
nach der Gegenseite, der hinten noch
stärker erscheint als vorn (s. Abb. 7),
halten die Steilfaltengruppen an der
rechten Seite (Schnitt Beil. I: dd)
auch am Modell stand und verharren
in ihrer ursprünglichen, wie wir sahen,
durch die erste Gürtung gewonnenen
Geschlossenheit, obgleich sich hier der
peplosartige Schlitz (e; vgl. Abb. 4) be-
findet. Die hohe Raffung an der linken
Seite reicht eben in ihrer Wirkung doch nicht so weit hinüber. Ganz anders störend
war da der Einfluß der gerafften Mittelfaltengruppen am Berliner Typus gewesen
Abb. 8. Amazone Mattei; 1. Seite.
I c5 F. Noack, Amazonenstudien.
(s. S. 144) den darum der Künstler erst für seinen besonderen Zweck, der natürlichen
Erfahrung entgegen, zu berichtigen gezwungen war.
Demnach wäre festzustellen, daß die Gewandung dieser Amazone in Falten-
wurf und Drapierung der Wirklichkeit am nächsten steht, daß sie an keiner Stelle
in der absichtlichen Weise zur Betonung der Formen des Leibes verwendet ist, wie
etwa bei der Berliner Amazone. An und für sich ist das Gewand durchaus nicht
besonders »künstlich geordnet« (Fr.-W. 237, vgl. Michaelis 46), und »berechneter und
raffinierter« (Bulle) ist es höchstens im Vergleich zu dem der kapitolinischen Ama-
zone. Und auch das könnte, wie wir erkennen mußten, nur für den Vergleich mit
deren Vorderseite gelten. Die Raffung über dem linken Oberschenkel ist aber zweifel-
los aus dem Gedanken des Kunstwerks heraus gegeben und darum auch nicht in der
Weise einheitsstörend wie die Abänderungen der natürlichen Drapierung an der
kapitolinischen Amazone. Denn die Amazone Mattei stellt nicht wie diese einen Zeit-
punkt der Handlung dar, in dem jener Eingriff in die Drapierung logischerweise
noch nicht hätte erfolgt sein können. Sie konnte sehr wohl, ehe sie die dargestellte
Haltung einnahm, die Lanze für einen Augenblick nur mit der einen Hand gehalten
und mit der andern den Gewandsaum heraufgesteckt haben. So umschließt das
Gewand den Körper in voller Natürlichkeit, indem es seine Formen begleitet und
deren organischen Aufbau wohl erkennen läßt, ohne dabei dem eigenen Charakter
als bekleidenden Stoff irgendwie etwas zu vergeben. In kräftigem Relief hängen und
fließen die Faltengrate herab, zum Teil in schärferem Knicke brechend und über
dem Gürtel lockerer aufgebauscht. Dazwischen senkt sich der Stoff, dem Körper
entgegen, bald flacher, bald tiefer ein. Verglichen damit betont die kapitolinische
Amazone mehr nur das umhüllende Gewand, und gibt der Berliner Typus zu sehr
den Charakter des Stoffes preis. So wirkt bezüglich des Gewandes gerade die Ama-
zone am harmonischsten, die in der Haltung des Körpers und der Bewegung seiner
Glieder voller Kontraste ist.
Prüfen wir auch an dieser Amazone die Körperhaltung, so gibt es zunächst
keinerlei Besonderheiten der Gewandung, die erst durch sie verständlich würden.
Denn das geraffte Saumstück ist ja mechanisch nicht durch sie bestimmt. An sich
betrachtet ist die Haltung das Ergebnis eines sehr festen Aufstützens auf die Lanze.
Dieses Motiv ist für die Gesamtkomposition unvergleichlich notwendiger als bei der
kapitolinischen Figur. Das wird noch zwingender erscheinen, wenn man die Er-
gänzungen, Kopf und Arme, beseitigt (s. Springer-M. -W. 264 und unsere Abb. 7).
Dann fordern die Einbiegung zur linken Seite und die Drehung im Rumpfe eine
solche Stützung gebieterisch, sie würden ohne diese kaum innerlich begründet
erscheinen.
Diese Einbiegung bringt aber den straffen, steilen und, verglichen mit der Berliner
Amazone, fast senkrechten Anstieg des rechten Körperkonturs mit sich. Denn damit
der Arm über den Kopf hinüber zu genügend festem Griff des Speeres auf der linken
Seite gelangen kann, wie ihn die Nattersche Gemme (Springer-M. -W. " 264, Furt-
wängler 298) sichert, muß die rechte Seite sich möglichst strecken, muß die ganze
rechte Achsel und Schulterpartie nicht nur steil aufgereckt, sondern auch näher an
F. Noack, Amazonenstudien. 157
den Hals, an die Mittelachse des Körpers herangedrängt werden. Die Achselhöhle
kommt so fast senkrecht über die rechte Brust zu stehen.
Diese Bewegung hat zweierlei zur Folge, was aus Beilage I besonders deutlich
wird : einmal das Herausdrängen der rechten Hüfte und des rechten Oberschenkels,
der nun stärker nach vorn ausladet als selbst der Leib — wobei sich für das Gewand
die durch die Bogenfalten ausgedrückte Stauung ganz natürlich ergibt — , sodann
aber die Drehung des Rumpfes, die sich in dem Zurückweichen von Leib, linker
Hüfte und linker Brust- und Schulterpartie aus der Frontebene äußert. Ja, sie
kündigt sich schon in dem geradeaus gerichteten Fuße und in dem entsprechend nach
vorn, man möchte im Hinblick auf die andern Amazonen sagen : einwärts gekehrten
Knie des Standbeines an. Der kapitolinischen Amazone ist diese Drehung fremd,
beide Brüste liegen in gleicher Front, und bei der Berliner Amazone ist zwar auch
ein Zurückweichen der linken Rumpfpartie als Folge des Aufstützens vorhanden,
aber es ist merklich geringer als an der matteischen Figur und wird obendrein noch
dadurch etwas kompensiert, daß sich auch die rechte Hälfte ihres Oberkörpers
stärker nach hinten biegt. Drücken wir wieder diese Eigentümlichkeiten der Haltung
durch einige Abstände von dem von der Halsgrube gefällten Lote aus, so tritt vor
diese Senkrechte hervor:
die Fußspitze des Standbeines Berl. A. 14,3 Matt. 6,15 cm
die Kniescheibe des Standbeines ,, ,, 7>5 n 2,3
der Leib „ ,, 15,8 „ 10,9
die Gürtelmitte ,, ,, 13,3 ,, 7,4
die rechte Brust ,, ,, 11,05 ,, 10,9,
Maße, die deutlich zeigen: ein stärkeres Zurücklehnen im ganzen Oberkörper und
ein größeres Ausladen des Leibes beim Berliner, einen steileren Aufbau beim mattei-
schen Typus. Der Vorsprung der beiden Brüste vor derselben Lotebene beträgt
bei A. Berlin: r. Brust 11,05 cm, 1. Brust 10,5 cm, dagegen bei A. Mattei: r. Brust
10)9 cm, 1. Brust 6,6 cm, bei dieser also ein merklich größeres Zurückdrehen der linken
Seite des Oberkörpers als bei jener.
In scharfem Gegensatz hierzu (und auch zur Ponderation der andern Ama-
zonen) drängen sich nun auf derselben Seite unten Oberschenkel und Knie beträcht -
hch vor, um so beträchtlicher, als das Spielbein nicht nur einfach bis zur Fluchtlinie
des Standbeinfußes vorgeschoben, sondern die Sohle auch noch gelüftet ist (Abb. 8). Bei
ganz aufgesetzter Sohle würde das Bein nicht unwesentlich zurücksinken. Durch die
jetzige Standweise ist eine bewußt chiastische Anordnung der Glieder geschaffen,
vergleichbar derjenigen, die Bulle a.a.O. 176 f. am Tübinger Hoplitodromen fein
hervorgehoben hat: r. Bein und 1. Schulter treten zurück, 1. Bein und r. Schulter
treten vor. Auch das kann ein Vergleich von unterem und oberem Schnitt in Beilage I
erläutern. Deutlich zeigt sich, wie sehr der linke Oberschenkel (mit der gerafften
Stoffmenge f g h) sowie das linke Knie gegenüber dem von seinem Stoffe (A k 1) dicht
umschlossenen Standbein heraustreten, wie die rechte Brust (a) sich vorschiebt vor
der linken (a^). Beide Schnitte stehen trotzdem mehr übereinander als bei der Ber-
ic8 F. Noack, Amazonenstudien.
liner Amazone. Die Figur ist eben im ganzen Aufbau steiler und gerader, weil ihr
Oberkörper sich nicht, wie dort, in ganzer Breite gegen den Unterkörper zurücksetzt.
Noch viel einfacher erscheint im Bilde ihrer beiden Schnitte die kapitolinische Ama-
zone, die fast senkrecht, nur mit einer leisen seitlichen Verschiebung, übereinander-
lagern. So ist der Rhythmus der matteischen Figur in der Tat komplizierter als der
der anderen Amazonentypen. Mehr aber noch als bei der Tübinger Bronze scheint
er mir hier gewonnen aus dem sachlichen Inhalt der Figur.
»Gelockert« hat Michaelis diese Stellung des Beines genannt, und Bulle hat
betont, in wie »merkwürdiger und eigenartiger Weise es locker nach vorn gesetzt ist,
so daß sich das Knie nach innen einbiegt. Die Zehen berühren nur eben den Boden,
alle Muskeln des Beines sind völlig entspannt«. Auf dem in der Tat sehr auffälligen
Gegensatz zwischen diesem bewegteren Gliede links und den gestrafften, ruhigeren
Partien rechts muß der Sinn des Kunstwerks beruhen.
Nun ist es aber für den, der bildliche Tradition und Typenentwicklung in der
griechischen Kunst bedenkt und immer wieder auf das zähe Festhalten des einmal
gefundenen und für gut befundenen Motives stößt, doch eigentlich unmöglich, sich
über das hinwegzusetzen, worauf Wolters und Bulle hingewiesen haben : daß nämlich
mehrere antike Bildwerke eine unserer Amazone nahe verwandte, in wichtigen
Einzelzügen gleichartige Haltung zeigen, die stets durch eine Verwundung am Bein
bzw. Oberschenkel begründet ist. Wir können dieser Frage nicht aus dem Wege gehen.
VIII. Das Standproblem der Amazone Mattei.
Zwei Kunstwerke von sehr verschiedener Qualität sind es, auf die Bulle seine
Deutung der Amazone gestützt hat. Aus der Bronzestatuette in St. Germain tönt
uns noch eine volle Harmonie griechischer schaffender Kunst entgegen. Aber das
bescheidene Kunstgebilde des pompejanischen Zimmermalers, der verwundete, vom
Chirurgen behandelte Äneas (Heibig, Camp. Wandmal. Nr. 1385, Untersuchungen
S. 6 und 89, Phot. Sommer 6329), möchte wohl mancher als eine allzu trübe Quelle
aus dieser Betrachtung großer Kunstwerke am liebsten ausgeschaltet sehen. Denn
könnte, was das Bild an Ähnlichkeiten bietet, sein Maler 0 nicht aus irgendeinem
beliebigen Kunstwerk seiner Tage übernommen haben? Indessen über ein solches
Zufallswalten wird das Bild doch hinausgerückt nicht nur durch das, was im allge-
meinen über mögliche Beziehungen pompejanischer Gemälde zu griechischen Vor-
bildern heute feststeht, sondern weil einzelne Besonderheiten seiner Hauptgruppe,
wie ich glaube, erst in nachweisbaren Kompositionen griechischer Kunst ihre Er-
klärung finden und die Beziehung zu diesen auch für die Lösung des Problems, das
unsere Amazone stellt, nicht gleichgültig ist. Die beistehende Abbildung 9 erübrigt
eine Beschreibung.
Mit Helbigs Hinweis auf den verwundeten Adonis des Reliefs Spada (Braun,
Zwölf Basreliefs Taf. II = Schreiber, Hellenist. Relief bilder Taf. IV) ist der Äneas
des Bildes nicht erklärt. Ganz abgesehen davon, daß jener bis auf den im Rücken
') Als er das Bild »aus verschieden anderswo vorkommenden Motiven zusammengearbeitet« hat (Heibig 6).
F. Noack, Amazonenstudien.
159
hängenden Mantel völlig nackt ist, so steht er auch allein, der rechte Arm greift, aus
der Schulter heraus hochgereckt, am Speer hinauf, der linke faßt quer vor der Brust
nach dem Speer hinüber, und es ist der rechte Unterschenkel, der, bei stärker geboge-
nem Knie zurückgesetzt, die Wunde trägt. So ist nicht nur der Gesamtrhythmus
der Figur, sondern auch die Stelle der Verwundung verschieden. Hätte der Maler
aber aus eigener Willkür die Wunde auf den Oberschenkel verlegen sollen.? Denn
aus der Schilderung bei Vergil ergab sich diese nicht i). Und doch
ist beim Gewand des Äneas ausdrücklich auf diese Lage der Wunde Rücksicht
genommen. Überhaupt ist dieses Gewand sehr auffallend. Heibig sah darin nur
eines der Mittel des Malers zur »realistischen Charakteristik«, aber gerade in dem Ge-
wand berührt sich die Figur noch mehr
als in der Haltung und eigenartigen
Stellung des vorgesetzten Beines mit
der Amazone.
Von der Schulter herabgestreift,
aber zusammenhängend, nicht in zwei
Flügel gelöst, fällt diese »tunica«, die
in Wahrheit ein echt griechischer, ärmel-
loser Chiton ist, die Brust schräg über-
schneidend, auf die Hüfte des ver-
wundeten Beines, genau wie bei der
Amazone. Der übergürtete Bausch hängt
ebenso breit und gleichmäßig vor dem
Leib herab, über dem vorgedrängten
rechten Oberschenkel ist der Stoff zu
gleicher Höhe und im gleichen Bogen
aufgenommen, während er an der Gegen-
seite in einigen Steilfalten lose vom
Körper abhängt! Es fehlt lediglich der
in den Gürtel hinaufgesteckte Zipfel
Abb. 9. Der verwundete Äneas, Pompeji.
und fehlen die gestauten Bogenf alten über
dem Oberschenkel des Standbeines. Wir brauchen uns nur noch den goldenen Panzer
unter der »tunica« hinwegzudenken, um dasunrömische, griechische Vorbild derÄneas-
figurvor uns zu sehen — wozu uns schon Helbigs glücklicher Hinweis auf Plinius' Worte
34, 18: »Graecares nilvelare, at contra Romana acmilitaresthoracesaddere« die Freiheit
gegeben hat. Diese Übereinstimmung mit der Eigenart des Amazonengewandes ist
aber groß genug, um uns an irgendwelche nähere Beziehung zwischen beiden Werken
denken zu lassen. Sie geht über die rein äußerliche Gleichheit hinaus. Nicht nur trägt
Äneas ohne ersichtlichen Grund, wir dürfen sagen, den Chiton einer Amazone, die
Amazone zeigt auch ihrerseits diesen Chiton in einer Weise gerafft, die, bei ihr uner-
klärt, nur am Äneas durch die Verwundung am Oberschenkel deutlich begründet ist.
') Vgl. Aen. XII 319 f., 387 f., 398 f. V. 746/7 weisen auf eine Verwundung am Fuß (Ladewig -Schaper zu V. 386).
j 50 F. Noack, Amazonenstudien.
Wegen der gleichartigen Entblößung des Oberschenkels hatte schon Wolters (Fr.-W.
S. 237) einen unzweifelhaft ebenso Verwundeten vom Friese von Gjölbaschi zur
Deutung der matteischen Statue herangezogen. Aber erst die eindeutige Klarheit,
mit der das pompejanische Bild zu uns spricht, kann außer Zweifel stellen, daß in
der Amazone Mattei wirklich die am Oberschenkel verwundete Kriegerin dargestellt
sein sollte. Durch BuUes Vorschlag, sich an den Kopien die Wunde durch Malerei
angedeutet zu denken, wird auch das letzte Hemmnis einleuchtend weggeräumt.
Nur bei einer solchen Deutung scheint sich der Eindruck des Suchenden und Tasten-
den des linken Beines, den auch diejenigen anerkannten, die in der Amazone die
>>Springerin« gesehen haben (Michaelis 44, Furtwängler, Klein II, 62 u. a.), mit dem
starken Kraftaufwand auf der andern Seite wirklich ohne Rest zu vertragen. Wird
doch erfahrungsgemäß durch das Bewußtsein einer solchen Schwäche auf der einen
Seite die Kraftanstrengung der andern übertrieben gesteigert.
Trotzdem bleibt die Grundlage dieser Deutung, die man sich möglichst trag-
fähig wünschen muß, immer etwas unsicher, solange wir uns keinerlei Rechen-
schaft darüber geben können, wie in aller Welt die Besonderheiten der Tracht, die an
der Amazone allein am Platze scheinen, sich zu dem pompejanischen Äneas verirrt
haben sollten. Ein Versuch wenigstens muß gewagt werden, diesen Weg noch auf-
zuklären.
Die Vergilische Szene gibt eine ganz andere Vorstellung : da stützte sich Äneas
lediglich auf seine Lanze, Ascanius stand weinend mit vielen andern dabei, v. 398:
stabat acerba fremens ingentem nixus in hastam^ / Aeneas, magno iuvenum et
maerentis luli / concursu : also nicht der geringste Anhaltspunkt für eine Gruppe,
wie sie das Bild enthält. Wird man aber eine doch so überlegte Komposition von
der eigenen Kunst eines Malers erwarten, der man im übrigen so wenig zutrauen
kann } Zumal wenn sich eine Quelle zeigen läßt, in der auch d i e Motive standen,
die in der Dichtung nicht zu finden waren. Denn die Hauptgruppe des Bildes weist
ganz deutlich auf die berühmte Szene des von einem Genossen aus Jagd oder Kampf
weggeführten Verwundeten, die in der kalydonischen Jagd und im Amazonenkampf
Gjölbaschi (Benndorf, Gjölb. Taf. VII B. I, XV A, 15) sowie in Phigalia (ebenda
Textband 1889 S. 144, Abb. 117, Overbeck, Gr. PI. 4 I, Fig. 131, Ost 18) in drei ver-
schiedenen Abwandlungen eines gemeinsamen Urbildes vor uns steht. Man hat sich
gewöhnt, Übereinstimmungen dieser Friese in Motiven und Typen unter-
einander sowie mit bestimmten, wohlbekannten Vasenbildern aus einer Abhängig-
keit aller von der gemeinsamen Vorlage monumentaler Wandmalereien zu erklären.
Die Berechtigung, so zu schließen, ist an sich nicht abzuweisen, auch wenn man gut
tun wird, das in jedem Fall erneut zu prüfen. Die Vermittlung mag man sich denken,
wie man will, und so verschiedenartig, wie es die Bearbeitungen im einzelnen oft sind.
Denn trotz solcher Verschiedenheiten wird man doch z. B. nicht daran zweifeln können,
daß der Freiermord von Gjölbaschi und der Wiener Skyphos auf ein und dasselbe
Wandbild Polygnots in Platää zurückgehen. Den Wert des Äneasbildes für jene drei
Reliefgruppen möchte ich nun darin sehen, daß jenes, weil bei aller Verwandtschaft
doch natürlich von ihnen unabhängig, nur über sie hinweg zu einem allen
F. Noack, Amazonenstudien. jgj
gemeinsamen Originale führen kann. Diese Originalgruppe aber kann auch ohne-
dies nicht gut anderswo gesucht werden als in der vorperikleischen Kunst, und hier
wieder am ehesten in der großen Malerei. Wie ihre Überlieferung bis zu dem
pompejanischen Wandmaler gelangt w'äre, ist natürlich nicht auszumachen und
für uns auch nebensächlich.
Daß die Maler des polygnotischen Kreises das Sichstützen des einen auf Schulter
und Hals des andern in Stand wie in Bewegung verschiedentlich versucht haben,
lehren uns Prachtstücke »polygnotischer« Vasenbilder, wie die Pariser Mänaden-
Amphora (Furtw. -Reichhold Taf. 'j'j) und der Orpheuskrater von Gela (50. Berl.
Winck.-Progr. Taf. II, Bulle, D. schöne M. 305) ^). In ihren großen Schlachtenbildern
mußte die Darstellung, wie der verwundete, an Fuß oder Bein verletzte Krieger sich
auf den Gefährten stützt und von ihm unterstützt wird, zu einem noch engeren Zu-
sammenschluß der beiden Gestalten führen — ebenso wie ihn unsere Gruppen, nur
in verschiedenen Brechungen, überliefert haben. Als das Besondere aber, das sie alle,
auch das Äneasbild, übereinstimmend, also gewiß nach dem Originale, geben, muß
jener Rhythmus in der Gestalt des Verwundeten gelten, um dessentwillen ja auch
Bulle die Amazone mit dem Künstler der Statuette von Bavai verband: überall
der Chiasmus der vor- und zurückgedrängten Partien und die gleiche vorsichtige,
fast ängstliche Art des Auftretens des vorgesetzten, verletzten
Beines.
Es ist nun von vornherein nicht wahrscheinlich, daß dieses Motiv der Körper-
haltung etwa nur hier und überhaupt zuerst in der Flächenkunst behandelt worden
sei. Denn seine rhythmischen Probleme weisen auf die absolute Plastik und werden
darum in erster Linie für die Rundfigur gestellt gewesen sein. Einzelne Anzeichen
lassen sich noch finden, daß die Plastik sich in der Tat in eben jener Zeit lebhaft
mit ihnen beschäftigt hat. Wenn man als ihr treibendes Motiv den Wunsch bezeichnen
darf, eine von der normalen abweichende Ponderation der Standfigur zu gewinnen,
die eine reichere Bewegtheit und stärkere Kontraste in den Rumpfpartien ergeben
und dabei doch, im Gegensatz zu myronischen Gestalten, in den Grenzen ruhiger
Haltung verbleiben sollte, so kann man wohl in dem zur Perserzeit neugefundenen
Rhythmus der Tübinger Statuette (o. S. 157) einen Ausgangspunkt dafür erkennen,
dem andere Versuche folgen, die sich schrittweise einer Lösung nähern. Das am unver-
wundetenPankratiasten versuchte »tastende Vorstrecken« des Fußes ( Springer -M.-W. '^
248) und sodann die damit verwandte, aber durch die Einführung der Verwundung
am Bein und der Stütze neu motivierte Stellung des Philoktet — wenn man sich
auf das Zeugnis etruskischer Gemmen stützen kann 2) — mögen uns Etappen dieser
Entwicklung verraten. Die durch die besondere Art der Verwundung gelieferte
Stütze wurde alsbald in den Dienst des künstlerischen Aufbaus hineinbezogen. Durch
sie wurden Arm und Schulter gewissermaßen am Boden fest- und also etwas zurück -
") Vgl. auch die Gruppe von Ankaios und Astypale Figuren wie Memnon-Sarpedon Paus. X 31, 5
(Plinius 35, 138) nach Benndorfs einleuchtender kommen dagegen hier nicht in Betracht.
Erklärung a. a. O. 114. Solche Gruppen sitzender ») Furtwängler, Antike Gemmen XXXI, 10 =
I^chat, Pythagoras S. 88, Springer -M.-W. "> Fig. 461.
l62
F. Noack, Amazonenstudien.
gehalten, während gleichzeitig das Bein derselben Seite sich vorschob ^). Für die
Vertikaldrehung im Rumpf und den sich daraus ergebenden Chiasmus war dadurch
die erwünschte Begründung aus der Situation heraus gewonnen : die komplizierte
Haltung, aus rein künstlerischer Absicht erstrebt, war in vollen Einklang zum Sinn
und Inhalt der Figur gebracht.
Auch diese Stütze, jetzt ein Speer, erscheint, und zwar ebenfalls in Verbin-
dung mit dem gehobenen Unterarm, in den Reliefgruppen und im Äneasbild. Die
hierdurch noch erhöhte Ähnlichkeit zwischen dem Verwundetentypus ihres gemein-
samen Urbildes und jenem gleichzeitigen statuarischen Motiv drängt die Frage nach
einer engeren Beziehung auf. Es wird freilich dem einzelnen überlassen bleiben
müssen, in welchem Umfange er sich die Beziehungen zwischen der großen Malerei
jener Tage und der gleichzeitigen Skulptur vorstellen will. Wo Beweise fehlen, wird
man die Rolle des Erfindenden und Gebenden nicht zu ausschließlich nur auf einer
Seite suchen dürfen. In Zeiten starker künstlerischer Produktivität Hegen bestimmte
Probleme sozusagen in der Luft, und es wird nicht häufig zu ergründen sein, ob der
zündende Funke hier oder da zuerst oder nicht etwa unabhängig an beiden Stellen
zugleich entsprang. Was in unserem besonderen Falle für eine Abhängigkeit auf der
Seite des Schöpfers der Amazonengruppe, also des Malers, sprechen kann, ist die
schon angedeutete Überlegung, welche eine Priorität der Plastik in der Behandlung
der rhythmischen Probleme dieses Verwundetenmotivs wahrscheinhch macht. Daß
in ein Werk der Flächenkunst ein rasch berühmt gewordenes Statuenmotiv- hinein-
gearbeitet wird, ist zu allen Zeiten geschehen und würde auch der schöpferischen
Leistung des polygnotischen Künstlers keinen Abbruch tun. Die besonderen Züge
dagegen, die aus dem allgemeineren Verwundetenmotiv die am Oberschenkel ver-
wundete Amazone in dem ausgesprochenen Amazonengewande machten, können
füglich nur im Rahmen einer Amazonenschlacht hinzugekommen sein. Da auch
wenigstens zwei von den Relief gruppen in Amazonomachien stehen ^), wird das
allen diesen Bildern zugrunde liegende Original nur eine Amazonengruppe gewesen
sein können 3). Auch die auffällige Amazonentracht des Aneas würde nur, wenn sie
dieses selben Ursprunges ist, ausreichend erklärt.
Diesem Schlüsse kommt die Geschichte der Tracht entgegen. Die Denkmäler
lassen kaum eine andere Wahl, als daß es die Amazonomachien des polygnotischen
*) Eine ganz ähnliche Aufgabe hat noch das Gewand
der knidischen Aphrodite zu erfüllen.
*) Daß es sich dabei einmal, inPhigalia, um männ-
liche Krieger handelt und auch die Amazonen in
Gjölbaschi (Benndorf XV, A 15) nicht genau
die Tracht des Äneas und unserer Amazone
zeigen, braucht uns nicht zu beirren; es beweist
nur wieder, daß in den Friesen sehr verschieden-
artige Abwandlungen möglich waren.
3) Man wird diesen Schluß auch heute noch damit
unterstützen können, daß vor der Entstehungszeit
unserer Amazonenstatue die Amazonen überhaupt
nur im Zusammenhang mit andern Gestalten und
»als Glieder einer größeren Komposition« in der
Kunst aufgetreten waren (Loewy, West. Monats-
hefte 1903, 832 £E., »Amazonen in der griechischen
Kunst«). Auch die Wiener Amazone ist nur in
Beziehung zu einer zweiten Figur zu verstehen.
Ob die Statue aus den Gärten des Sallust (C.-R.
de l'ac. d. inscr. et b.-l. 1908 S. 277 f. = Reinach,
Rep. IV 193, jetzt auch in Kopenhagen) wirklich
ein Original aus der Mitte des 5. Jahrhunderts
vertritt, ist mir noch fraglich.
F. Noack, Ämazonenstudien.
163
Kreises waren, die die klassischen Kennzeichen der Amazonen, den doppeltgegürteten
Chiton und die Entblößung der rechten Schulter und Brust, zum ersten Mal in das
Bild dieser Kriegerinnen fügte ^). Die Erklärung dieser neuen Erscheinung ist in
dem feinen Wort gegeben, daß die Kunst dieser Übergangszeit in der Amazone das
Weib entdeckt habe ^).
Diese abschweifende Betrachtung scheint mir, trotz alles Problematischen,
das ihr anhaften muß, doch soviel zu ergeben, daß man die matteische Amazone
aus der Nachwirkung dieses Kreises nicht mehr lösen und nicht in allem und jedem
nur als eigene freie Erfindung ihres Meisters verstehen können wird. Bei der
Fülle von Motiven, welche die vielbewegten Bilder attischer Amazonenschlachten
boten, und bei der starken Wirkung, die diese weithin übten, müßte es fast ein Wunder
scheinen, wenn nicht auch der Meister der Amazone, bewußt oder unbewußt, bei dieser
Aufgabe in dem Zusammenhang der typischen Tradition gestanden hätte. Darum
war ihm doch ein neues und höheres Ziel gesteckt: das Wesen der besiegten Amazone,
außerhalb eines jeden, das Verständnis erleichternden Zusammenhangs, in der Ge-
schlossenheit einer Einzelstatue zusammenzufassen.
In dem Stellungsmotiv, das er dazu wählte, muß ihn gerade das Problem des
') Es würde nicht genügen, an den Schild der Par-
thenos oder den Chiton des Apobaten und ähn-
liches am Parthenonfries (Mich. Parth. Taf. XII,
45 = Collignon, Le Parth. 114, Westfries VIII =
ebenda Taf. 82; Frauen mit entblößter Brust:
MetopeX, XII, XXIX: ebenda Taf. 32, 35) sowie
an einzelne Krieger am Nereidenmonument zu
erinnern. Das Motiv ist hier überall schon kon-
ventionell. — Die archaische Entwicklung ist
bekannt, vgl. B. Graef bei Pauly-Wissowa, R.-E. I
1771. Für die jüngerarchaische skythische Tracht
ist neuerdings in dem Giebelrelief in Theben Ath.
Mitt. 1905 Taf. XIII S. 375 f. auch ein plastisches
Zeugnis gekommen. In der Giebelgruppe aus
Eretria (Furtwängler Aegina I, 323) trägt die
Amazone ein enganliegendes Koller. Am Ausgang
der archaischen Zeit bietet die Wiener sterbende
Amazone uns das erste plastische Beispiel für
eine ausgesprochen weibliche Gewandung (Furt-
wängler M.-W. 287 Anm. 2); aber diese ist noch
durchaus die der vorhergehenden Periode. Erst
die große Flächenkunst der nächsten Zeit bringt
die Änderung. Hier, wo die Figurenfülle auch die
Forderung nach Mannigfaltigkeit der äußeren
Erscheinung mit sich bringen mußte, wurde neben
neuen Trachtmotiven, wie dem reichverzierten
Chiton aus schwerem, ungelenkem Stoff, unein-
geschränkter Gebrauch gemacht von den ver-
schiedenen früheren Formen. Im selben Bilde
sehen wir neben der jüngerarchaischen Skythen -
Jahrbuch de$ archäolog'ischen Instituts XXX.
tracht die ältere Hoplitenwehr und daneben
wieder nur den kurzen, bald einfach, bald doppelt
gegürteten Linnenchiton; zuweilen trägt dieselbe
Figur sogar Teile von ursprünglich ganz ver-
schiedenen Trachten. Und in diesem Kreise treffen
wir auch die erste Amazone mit entblößter rechter
Brust (Furtwängler -Hauser -Reichholdt, Gr.
Vasenmalerei Taf. Ii6). Der wie am Peplos auf
der Schulter geheftete Chitonflügel hat sich los-
gerissen und flattert vom Körper weg, der rechte
Arm mit der Waffe ist hoch über den Kopf gereckt,
und in diese so ganz unverhüllt sich darbietende
Seite, dicht neben der Brust, zielt der feindliche
Speer — ebendahin, wo die kapitolinische Ama-
zone ihre Wunde trägt. Ebenso das Bild der
nolanischen Amphora, oben S. 108 Abb. 8. Im
Phigaliafries ist diese Tracht bereits typisch.
Dagegen gehen die kleinasiatischen Friese aus
Xanthos und Gjölbaschi bezeichnenderweise darin
zusammen, daß sie an ihren Amazonen weder
die entblößte Brust noch den übergürteten Chiton-
bausch aufgenommen haben. Begreiflich genug :
diese jonische Körper kunst hat die schlanken
Leiber ihrer Kriegerinnen mit der so gehäuften
Gewandfülle nicht belasten wollen. Sie ließ sich
wohl in den Bewegungsmotiven beeinflussen von
der großen Malerei, behielt sich aber das Recht,
diese nach ihrer eigenen Weise künstlerisch zu
gestalten.
*) Loewy a. a. 0. (S. 162 Anm. 3) 836.
1^4 F. Noack, Amazonenstudien.
bewegten, kontrastreichen Rhythmus angezogen haben. Was dann seine Kunst
daraus macht, ist ein ganz großes, starkes Werk. Er gewinnt die Geschlossenheit
seiner Figur, indem er die beiden Arme zu einer Funktion vereinigt. Sein ist der
kühne Griff des erhobenen Armes über den Kopf hinüber zum oberen Ende des
Speeres. Die I^ösung, die er da wählte, wäre nicht die einzige gewesen. Der freie Arm
der Standbeinseite hätte ebenso gut vor der Brust nach dem Speer hinübergreifen
können. Allerdings ist es ein verhältnismäßig frühes Beispiel, an dem wir das Be-
mühen, die beiden Hände auf einer Seite zusammenzubringen, am Werke sehen,
und wir wissen, daß die Rundplastik es im allgemeinen noch auf lange Zeit möglichst
vermieden hat, die Brust in dieser Weise zu überschneiden. Dennoch war man zur
Zeit der Amazonenstatuen, um jenes Ziel zu erreichen, nicht mehr nur auf den Weg
über den Kopf hinüber beschränkt. Auch der Arm der kapitolinischen Amazone
greift vor der Brust vorüber, ebenso der Öleingießer von Petworth, und am Orpheus -
krater von Gela (s. o. S. i6i) sehen wir, daß lange vorher jedenfalls die große Malerei
sich vor solcher Bewegung nicht mehr gescheut hatte ^). Sie wäre demnach in
dieser, immerhin stets reliefartigen Form auch für den Künstler der Amazone nicht
unmöglich gewesen. Mit der neuen Bewegung aber hat er eine für die damalige Zeit
kühne und ungewöhnlich gewaltsame Tat gewagt. Nicht nur, indem er den Arm,
den Kopf umrahmend, frei durch den Raum führte — die Spannung und Dehnung
auf der Seite des Standbeines ist davon nicht zu trennen. Damit war aber ein noch
lange über seine Zeit geltendes Gesetz durchbrochen, das auf der Standbeinseite die
Kontraktion verlangte (s. u. S. 173). Wir wollen lediglich notieren, daß wir dieser
abnormen Ponderation vor der Amazone Mattei nur wieder in jener älteren Flächen-
komposition begegnen und daß sie dort begründet ist durch die Gruppierung der
Figuren : denn die Verwundete mußte dort, weil sich ihr Arm hoch um Schultern
und Hals der Gefährtin schlang, auch die Seite über dem Standbein notwendig
dehnen. Tn der Statue greift der Arm in gesteigerter Aufwärtsbewegung ■ — fast
möchte man sagen, wie um Ersatz für die Schulter der stützenden Gefährtin zu
suchen — über den Kopf hinweg zur Stütze, welche die verwundete Seite bot. Der
Arm auf dieser Seite faßt nun aber nicht mqhr an dem Schaft empor, er gleitet an ihm
hinab, die Senkung der Schulter fortsetzend, die durch die hochgereckte Gegenseite
schon eingeleitet war. W^ährend sonst auf dieser Seite (des Spielbeins) Hüfte und
Schulter voneinander wegstreben, folgen hier Schulter und Arm der Senkung der
Hüfte nach. Alles wirkt wie nachgebend nach unten und wie erschlafft und leitet
den Blick auf das einknickende, verletzte Bein, während auf der Gegenseite die ganze
aufrechthaltende Kraft, aufschießend vom Fuß bis zum hochgereckten Arm, den
Körper strafft und spannt. Das ergibt hier eine fast ungebrochene, ruhige, gestreckte
Vertikale, während der Kontur der andern Seite bewegt und unruhig erscheint. Auf
dieser Seite vollzieht sich die Handlung von Bein und Händen, und hierher war auch
(wieFurtwängler, M.-W. 299 bemerkt) der Kopf gerichtet. So ergibt sich ein weiterer
Kontrast daraus, daß sich mit der ruhigen Linie zur Rechten der Eindruck tätiger,
') In der Plastik hatte bis kurz vorher wohl das Motiv des Bogenschusses allein den Anlaß und Zwang
zu einer solchen Überschneidung gegeben.
F. Noack, Amazonenstudien. j^c
zusammengefaßter Kraft, mit der lebendigeren Linie links dagegen der des untätigen,
sich auflösenden Ermattens verbindet.
Nun sind wir auch imstande, das Verhältnis der Amazone zum Krieger von
Bavaii) zu prüfen. Unleugbar ist die Übereinstimmung im straffen Aufstieg seiner
rechten Seite, vom Bein und von den Steilfalten an der Hüfte bis hinauf zum hoch-
gereckten Arm. Sie besteht ebenso in dessen gleichartigem Hinübergreifen über den
Kopf, und gleich ist auch die Vereinigung beider Arme am Speer auf der linken Seite
zur Stützung der hier einknickenden Gestalt. Schließlich besteht auch der ent-
sprechende Kontrapost der Glieder, obwohl die Stellung der linken Schulter leicht
verändert ist.
Trotzdem wird man damit der Statuette nicht ganz gerecht. Man empfindet
einen gewissen Gegensatz zur Amazone. So können schon Unterschiede im Ge-
wand nicht übersehen werden. Am Gewand des Kriegers fehlen jene kurzen,
»enggestellten«, welligen Stoff alten gänzlich, auf die Furtwängler, M.-W. 49
im Zusammenhang mit der Athena Medici hingewiesen hat. Das könnte
man aber immerhin so verstehen, daß der Künstler sich den Stoff des
Kriegergewandes, das überdies auch, anders als bei der Amazone, auf den Schultern
geknüpft war, dichter und spröder gedacht habe, nicht als den nachgiebigen, feinen
Chitonstoff, wie auch jeglicher Bausch und jede Übergürtung fehlt und die Gewand -
falten auf wenigere, kräftig durchgeführte Hauptzüge beschränkt sind. Und diese
ließen sich, ebenso wie die Faltengruppe mitten über dem Gürtel, vielleicht auch im
Stil der Amazone, wiederfinden ^). Aber im ganzen wirkt das Gewand weniger reich
und kunstvoll, scheint realistischer empfunden; dazu mutet das eingerollte Stück
zwischen den hängenden Flügeln an der rechten Seite an, wie wenn da etwas Un-
verstandenes wiedergegeben wäre. Vor allem aber kann ich mich einem mir geäußerten
Bedenken gegen die Gleichheit der Haltung bei wiederholter Betrachtung der Sta-
tuette immer weniger entziehen.
Diese biegt den Oberkörpfer etwas mehr vor, biegt auch das rechte Bein etwas
mehr im Knie — vgl. die Abbildung a. a. 0. 199 und unsere Abbildung 8 — und
kann den deshalb weiter vorgestellten Fuß mit ganzer Sohle aufstellen. Im Gegensatz
zu der mehr reliefartigen Anlage der Amazone muß die des. Kriegers räumlicher er-
scheinen, mehr dreidimensional und in dieser größeren Natürlichkeit »lysippischer«
(im Sinne des Stils, nicht der Datierung), dagegen die Amazone mehr zweidimensio-
nal, für die Vorderansicht berechnet. Ist dieser Eindruck richtig, so rückt er die
beiden Werke in einen größeren Abstand voneinander und muß das Urteil über
das Verhältnis zu demselben Künstler entscheidend beeinflussen. Es wird dann kaum
noch möglich sein, beide Werke ihm, ja auch nur derselben Periode, zuzuweisen.
Andrerseits bestehen die oben hervorgehobenen Züge von Übereinstimmung mit der
Amazone unvermindert fort, so daß es zu verstehen wäre, wenn man sich das eine
*) [Dazu vgl. unt. S. 179,3. Korrekturnote]. Werkes zu Kresilas gegründet hat (Furtwängler,
*) Auf einen Vergleich mit dem Gewandstil der M.-W. 303, Bulle a.a.O. 310, Springer - M. -W.
Athena von Velletri wird besser verzichtet, weil 292), einer wiederholten Prüfung kaum standzu-
die Merkmale, auf die man die Beziehungen dieses halten vermögen.
l56 ^- Noack, Amazonenstudien.
Werk nicht ohne Kenntnis des andern entstanden zu denken vermöchte. Die Ama-
zone aber zeigt in allem und jedem, auch in ihrer mehr reliefartigen Anlage, den Stil
ihrer Zeit. So bliebe für die Statuette höchstens die Lösung, daß sie diejenigen Eigen-
schaften, die diesem Zeitstil widersprechen, empfing, als ein Künstler ein strengeres
Original dem Geschmack und der veränderten Körperanschauung einer späteren
Zeit anzupassen suchte.
Schließlich würde der auf den ersten Blick gewiß bestechenden Deutung der
Statuette auf den vulneratus deficiens des Kresilas (s. Reinach a. a. O.)^) neben den
stilistischen Bedenken doch auch immer das plinianische : in qua possit intelligi quan-
tum restet animae entgegenstehen, an dessen Erklärung, wie sie Gercke Arch. Jahrb.
VIII (1893) 113 f. gegeben hat, man wird festhalten müssen. Für die Amazone
bliebe darum die Frage noch immer offen, sofern wir uns nicht dem fast einstimmigen
Urteil anzuschließen hätten, das bis in die letzte Zeit über die Autorschaft des Kresilas
und auch über die matteische Amazone in ganz anderem Sinne verfügt hat. Mit
welchem Recht, das wäre die nächste Frage.
IX, Die Amazone Polyklets.
Die meisten Gelehrten haben im kapitolinischen Typus das Werk des Kresilas
sehen wollen, nur Botho Graef (Jahrb. 12 [1897] S. 81 f.) hat es in der Berliner
Amazone gesucht, nachdem er, gestützt auf Besonderheiten der Haarbehandlung, den
Anspruch Polyklets an dem kapitolinischen Typus begründet hatte, worin ihm
Mahler und Klein mit weiteren Gründen gefolgt sind. Wir werden, wenn wir die voran-
gehenden Untersuchungen nunmehr zusammenfassen, diese beiden Zuweisungen an
Kresilas ablehnen müssen und damit den Weg zur matteischen Amazone freibekommen.
Dafür ist es nötig, zunächst die kapitolinische Amazone aus dem Streite auszu-
scheiden. Wenn wir sie für Polyklet in Anspruch nehmen und damit den bis heute
von fast allen — gegen Graef besonders von Amelung (Berl. phil. Woch. 1902, 275 f.,
Vat. I S. T'j) — verteidigten Anspruch des Berliner Typus preisgeben, so geschieht es,
weil auch ganz unabhängig von Graefs Beobachtungen alle Aussagen, die Gewand -
Stil, Körperhaltung und Körperform liefern, das Urteil in die gleiche Richtung
zwingen 2).
Zunächst das Gewand. Von polykletischem Gewandstil wissen wir so gut wie
nichts. Denn »die sehr ärmliche Anschauung«, die uns die argivischen Münzbilder
vom Kultbild der Hera vermitteln, können uns hier nicht helfen. Der Gewandstil
der Berliner Amazone weist aber einen ganz bestimmten Weg. Mit feinster Über-
legung waren hier, wie wir sahen, die von der natürlichen Drapierung gebotenen
') Ihm beistimmend Michaelis und Wolters, Handb. 9 Arbeiten wohl um so mehr, als deren Eintreten
271, i"29i. für die kapitolinische Amazone, soweit ich sehe,
') Vgl. Ath. Mitt. 31 (1906) 240. Der ganz andere nur zum Widerspruch gereizt hat, hauptsächlich
Weg, auf dem die hier vorgelegten Ergebnisse wohl infolge der seltsamen Beurteilung des Ber-
gewonnen sind, rechtfertigt die Ausführlichkeit liner Typus. — Auch P. Arndt hat die Zu-
der Darlegung auch nach Mahlers und Kleins Weisung der Berl. A. an Polyklet bezweifelt:
Glyptoth. Ny Carlsberg Text S. 78.
F. Noack, Amazonenstudien. 167
Mittel umgebildet und gruppiert, durch künstliche Anordnung ergänzt und zu größerer
Wirksamkeit gesteigert, um hier den Stoff so dicht wie möglich über die Körperform
zu spannen, dort Steilfalten und Faltenbäusche so zu verteilen, daß gewissermaßen
alles Verhüllende klar auseinandertrete und der organische Aufbau und Zusammen-
hang der Glieder fast unverhüllt zur Erscheinung käme; am Oberkörper aber waren
ganze Gewandteile so fallengelassen und raffiniert verschoben, daß übertrieben und
unbegründet viel vom Körper selbst aufgedeckt werden konnte. Ein Künstler, der
so verfuhr, hat sich damit unverkennbar zu der gleichen künstlerischen Absicht
bekannt, die im 6. Jahrhundert in jonischer Kunst aus oft erörterten Gründen ent-
wickelt und gepflegt und damals schon von attischen Künstlern übernommen worden
war (Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. 23, 1909, 233 f., Bulle a.a.O. 225 f., 251 f.).
Und diese Kunstweise hatte sich im IpYaaxT^ptov "Arcixov auch gegen eine ganz
andere Anschauung von der Aufgabe plastischer Gewanddarstellung, die zur Perser -
zeit auch die attische Kunst ergrift" und über ein Menschenalter bestimmte, gleichwohl
erhalten und wird aus einer jüngeren, gereif teren jonischen Kunst immer neue
Nahrung gezogen haben. Wenn Winter, der m. W. dies zuerst (50. Berl. W'inck.-
Progr. 120) in kurzen Sätzen ausgeführt hat, bereits an der Aphrodite von Frejus
(Er. Er. 473, Bulle a. a. O. Taf. 124 S. 264) »die Anordnung des Gewandes, das von
der rechten Schulter nach der linken Hüfte herunterfällt und die linke Brust freiläßt«,
den deutlichen Anklang an den Gewandstil der attisch -jonischen Frauenstatuen der
Pisistratidenzeit verspürte, so muß für die Berliner Amazone das Gleiche gelten.
Nicht für das Motiv an sich, das hier eine schon festgelegte Tracht wiedergab, aber
für seine künstlerische Gestaltung. Noch viel strenger als an der Aphrodite ist die
Linie der schrägen Überschneidung geführt, und der nach außen umgeschlagene
Saum an der rechten Brust gemahnt mit seiner eigenen, ornamentalen Fältelung
auffallend an die entsprechende Partie der archaischen Tracht. Wenn wir oben die
Frage nach dem Ursprung dieses Zuges noch offen lassen mußten (S. 139), so dürfen
wir nun auch sie gewiß zugunsten des ephesischen Originals beantworten. Man hat
ferner an der Aphrodite mehr als einmal auf die senkrecht niederfallenden Falten -
Züge, insbesondere auf den Einschluß der Beine durch diese hingewiesen und auf ihren
fast schroffen Gegensatz zu den weichen Faltenbogen, die sich bald nach oben, bald nach
unten sich öffnend um die Schenkel legen und so klar »das Bedürfnis, diese Körper-
teile rund modelliert erscheinen zu lassen« (Bulle 264), zum Ausdruck bringen. Ebenso
löst sich aber an der Nike des Paionios der geschwungene Kontur der Hüften aus der
Begrenzung senkrechter Faltengruppen heraus, umschreibt das »Faltensystem« am
rechten Bein dessen Form in noch strengerer Gleichförmigkeit, zeigt sich, ohne
innere Begründung, die linke Brust unverhüllt über dem schräg abfallenden Peplos-
saum. Es sind die gleichen, man darf sagen, fest formulierten Mittel, die sich bei
aller Verschiedenheit in Begründung und Anwendung an der starkbewegten Gestalt
dem Auge ebenso aufdrängen wie an der ruhigen, feierlichen Standfigur. Denn auf
die Kontrastwirkung gleichartiger Mittel gründet sich auch die ganze Anlage der
stolzen Aphrodite aus der Werkstatt der Parthenonfiguren (Kekule, Eine weibliche
Gewandstatue aus der Werkstatt der Parthenonfiguren 1894), wo wir die Vertikalen
l58 P- Noack, Amazonenstudien.
ZU beiden Seiten der vom Chiton lediglich nachmodellierten Brust sowie als Rahmen
des von seinen Faltenbögen dicht umschlossenen Spielbeines finden. Es sind aber
im wesentlichen dieselben Formen, die an den archaischen Koren nur steifer und in
noch unvermittelter Härte nebeneinander stehen.
Es ist zuletzt und am eindringlichsten von Bulle dargelegt worden, wie auf
der Grundlage solcher archaischer Überlieferung die attischen Meister des 5. Jahr-
hunderts zu dem abgeklärten und ausgeglichenen Gewandstil ihrer großen Frauen -
bilder fortgeschritten sind. Was für diese gilt, ließe sich fast wörtlich auch von dem
Gewandstil der Berliner Amazone sagen. Nur daß, verglichen mit den genannten und
ihnen verwandten Werken, sich an der Amazone eine Verwertung der gegebenen Aus-
drucksmittel fühlbar macht, die sich von unmittelbarer Frische und Ursprünglichkeit
schon weit entfernt. Wohl hat ihr Meister sich das überlieferte Gewand für seine
künstlerischen Zwecke vollkommen selbständig und neu geordnet. Aber die fabel-
hafte Sicherheit und Eleganz des Ergebnisses verrät an jedem Teile den vielgewandten
Vertreter einer völlig ausgereiften Kunst, und es mag nur die Scheu vor dem bedeu-
tenden Kunstwerk sein, die uns verhindert, schon von einer, wenn auch virtuos ge-
handhabten Manier zu sprechen. Aber daß es nicht in einsamer Originalität vor uns
steht, sondern dem hier bestimmten Kreise untrennbar zugehört, läßt sich wohl nicht
mehr übersehen. Das kann mit wenigen unscheinbaren Zeichen schon das eine
Orpheusrelief verraten. Da begrenzt am Orpheus die Steilfalte des übergürteten
Chitons ganz ebenso das rechte Bein, und neben ihr, nur zu nahe, schon auf der Höhe
des Oberschenkels selbst, liegt der abgestufte Saum, auch hier entstanden aus dem
hochgezogenen Stoff, nur unter gänzlicher Nichtachtung aller sich für den Falten-
wurf daraus ergebenden Folgen. Und die oft genannte Verlegenheitsbewegung der
rechten Hand des Hermes i), was ist sie anders als ein Mittel, das hängende Gewand so
anzuziehen, daß die unentbehrlichen Bogenf alten um Gesäß und Schenkellinie be-
gründet erscheinen!
Hat damit das Gewand der Amazone den ihm gebührenden Platz in der stilisti-
schen Entwicklung wirklich erhalten, so ergibt sich ganz zwingend eine Revision
ihres Verhältnisses zu Polyklet. Man ist sich, so scheint es doch, darüber einig,
daß der Stil der schlichten, großen Gewandfiguren der Übergangszeit, der so sehr nur
die natürliche Erscheinung erstrebte und darum notgedrungen und folgerichtig die
Körperform in dem immer wahrer gebildeten Gewand zurücktreten und fast ver-
schwinden ließ, auch in Attika .auf peloponnesisch-argivischem Einfluß beruhte;
man glaubt, daß noch die Frauenbilder des Phidias diesem selben Einfluß unterstehen
und diesen Stil nur fortsetzen und vollenden. Ja man hat doch auch eben darum die
Deutung der herrlichen Peplosstatue der helmlosen Athena auf die Lemnia des
Phidias erst kürzlich wieder bestritten und in ihr ein argivisches Werk erblicken
') Nach der letzten mir bekannten Erklärung eine physische Ablenkung zu geben«. — Auch
von Bulle (Humanist. Gymnasium 25 [1914], auf die Stele des Sosias und Kephisodoros-
14) schiebe Hermes »verlegen, mit rührender Berlin (Amtl. Ber. der kgl. Kunstsammlungen
Jünglingshaftigkeit die Falten seines Chitons 1911/12 S. 59, Neue Jahrbb. f. d. kl. Altert,
zusammen, wie um seiner inneren Erregung 1915 (XXXV) Taf. 15) darf verwiesen werden.
F. Noack, Amazonenstudien. j gg
wollen. Und da will man mit einer solchen Lehre, die, von dieser Lemniatheorie ab-
gesehen, gewiß unanfechtbar scheint, den Glauben in Einklang bringen, daß das
Haupt eben dieser argivischen Schule einen aber auch in allem gegensätzlichen und
obendrein spezifisch attisch -jonischen Gewandstil für seine Amazone gewählt habe?
Und besitzt doch in der verwundeten Amazone vom Kapitol ein Werk, das mit der
Einfachheit und Natürlichkeit, in der das Gewand sich bietet, durchaus zu jener
peloponnesischen Tradition paßt? An dem das »sorgfältige Streben, die Natur des
Stoffes nachzubilden«, »die reinen Stoff alten« die Hauptrolle spielen zu lassen (Furt-
wängler 294), als besonderes Merkmal hervorgehoben wird, während vor allem jene
spezifisch jonisch -attischen, auf eine Hervorhebung des Körpers zielenden, reizvollen
Gewandmotive gänzlich fehlen? Und man könnte jetzt auch den von Bulle ange-
gebenen Vergleich der unteren Hälfte des Chitons und seiner »fast hart« wirkenden
wagerechten Abschlußlinie mit dem der vatikanischen Wettläuferin, die doch gewiß
in den peloponnesischen Kreis gehört (Bulle, 305; Springer-M.-W.^o 244, oben S. 151),
mit erneutem Nachdruck wiederholen.
Das Gewand lehrt uns aber noch mehr.
Seine Betrachtung hatte uns auch auf den großen Unterschied geführt, der sich im
Querschnitt der beiden Statuentypen verrät. Wir finden den Körper der kapitolinischen
Amazone auf den Seiten und dem Rücken begrenzt und wie undurchdringlich einge-
schlossen durch Flächen, die der Künstler durch jeweils besondere Gewandanordnung
herzustellen sich bemüht hatte, während der Körper der Berliner Statue sich dagegen
im Gewände vor unserem Auge rundet, indem überall Randlinien und Faltenzüge
seine den Raum füllende Körperlichkeit umschreiben und betonen. Damit weisen
beide Statuen auf ein Problem, das griechische Plastik seit den Anfängen durch Jahr-
hunderte beherrschte und ihre Entwicklung mitbestimmte, wie nämlich die Dar-
stellung des Körperlichen einmal aus der Vereinigung mehrerer Ansichten zu ge-
winnen, dann aber auch, wie diese allmählich erreichte und lange festgehaltene Vier-
seitigkeit zu überwinden war. Und es ist nicht Zufall, daß gerade die auf die realisti-
sche, äußere Erscheinung hinstrebende Gewandfigur, die Peplosstatue, in dieser
Entwicklung eine mehr hemmende als fördernde Rolle spielte, indem sie sich gegen
eine natürliche Abrundung der Gestalt am längsten sträubte. Denn gerade solche
Werke, von älteren Beispielen über den delphischen Wagenlenker und »die beiden
Athenen des Phidias (zu denen heute die myronische Athena hinzutritt) bis hinab
zur Eirene des Kephisodot«, hatte Loewy (Die Naturwiedergabe 35 f.) für diese
»naturwidrig vierseitige« Anlage der Figur anzuführen ^). Dieser Gewandstil, der den
Körper nicht suchte, sondern im Gegenteil aus dem Bilde der äußeren Erscheinung
möglichst ausschied, kann geradezu ein Träger dieser plastischen Vierseitigkeit
genannt werden. Man stelle sich nur die immer straffere Stilisierung einzelner be-
zeichnender Teile dieser Tracht vor, wie z. B. die Seite mit den Zickzacksäumen um
den Peplosschlitz, die sich immer breiter entfalten, an der Hesperide der Atlas -
') Es ist nur Zufall, daß in dieser Reihe die älteren, olympischen Gewandfiguren, die herkulanischen
»Tänzerinnen« u. a. nicht aufgeführt sind.
1 70 F' Noack, Amazonenstudien.
metope, den Bronzestatuetten von der Burg, der Athena Myrons und der Lemnia:
das wirkt unmittelbar als Flächenansicht, reliefmäßig, so gut wie an dem Mädchen
der venezianischen Grabstele (Ant. Denkm. I, 33,2), und man kann gut verstehen,
wie dieser Stil die alte Vierseitigkeit der Gestalt mit den fast in scharfem Grat
aufeinander stoßenden Flächenansichten konservieren mußte.
Umgekehrt mußte der Widerspruch gegen eine solche Anlage der plastischen
Gestalt dort zuerst einsetzen, wo man das Gewand in immer innigere, fast dienende
Beziehung zum Körper zu setzen strebte. Je besser dies gelang, desto mehr Boden
mußte auch er gewinnen. Zu der einen Aufgabe des Gewandes, die Einzelformen und
Glieder allmählich immer klarer heraus- und voneinander abzuheben, trat mit steigen-
dem Kunstvermögen bald ganz von selbst die andere, auch die Zusammenhänge,
also die Übergänge des einen Teiles zum andern aufzuklären. Das hieße aber nichts
anderes als die Flächen und Faltengruppen des Stoffes immer sorgsamer um das
Körperrelief zu gruppieren, ihm folgen, sich ihm anschmiegen zu lassen. Nur von
einer solchen Tendenz des plastischen Bildens hat ein erfolgreicher Angriff auf die
traditionelle vierseitige Anlage der Gestalt ausgehen können, und es ist darum nicht
überraschend, daß wir eben an Werken dieses Stiles auch die ersten Zeichen seines
Gelingens finden. So ist, um von den Versuchen archaischer Künstler abzusehen,
an einem Hauptbeispiel, dem Rumpf der Nike des Paionios, zwar der vierseitige
Aufbau nicht zu verkennen: aber gleichwohl führen starke, vielgeschwungene Linien
von den beiden Seiten nach der Front hinüber, in der klaren Absicht, in uns die Vor-
stellung körperlich gerundeter Form zu erwecken, auch wo wir sie von der reinen
Seitenansicht her mit dem Auge noch nicht erfassen können. Es ist von höchstem
Interesse, zu sehen, wie auf diesem Wege die Parthenonfrauen erfolgreich weiter-
gehen und wie andererseits an den Koren vom Erechtheion, die als Peplosfiguren
noch richtig vierseitig angelegt sind, die beiden entgegengesetzten Systeme mitein-
ander ringen. An der Berliner Amazone ist dieses selbe Stilprinzip weit über das
Bemühen des Paionios hinaus zum Siege geführt und verknüpft sie noch einmal
fester mit dem Kreise, dem sie schon aus andern Erwägungen zugewiesen werden
mußte. Die Vierseitigkeit ist hier, wie deutlich auch die Querschnitte zeigen, tat-
sächlich überwunden.
An der kapitolinischen Amazone ist sie umgekehrt künstlich hergestellt, zum
Teil sogar, wie die Gewandanalyse lehrte, mit Mitteln, die dem Sinn des Kunstwerkes
widersprechen. Für ihren Künstler wird demnach, so müssen wir wohl schließen,
diese Vieransichtigkeit als eine notwendige Voraussetzung des körperlichen Bildes
gegolten haben. Nun hat man aber gerade die polykletischen signa quadrata (Plin.
n. h. 34, 56) »im Sinne des QuerschnittSv< verstanden. Denn auch am Doryphoros
sträubt sich noch« jede der vier Ansichten des Rumpfes und Oberschenkels gegen das
ihre Selbständigkeit aufhebende Zusammenfließen mit den Nachbarseiten« (Loewy
a. O. 36). Und dieses Urteil findet seine willkommene Ergänzung in Balles Worten
(a. a. O. 120), daß »bei Polyklet alle aufbauenden Teile des Rumpfes in eine scharf
umschriebene Vorderansicht gedrängt waren, an deren Rändern keine Fläche, keine
Linie nach rückwärts leitet«. Das gilt in der Tat ebenso vom Diadumenos, dem
F. Noack, Ämazonenstudien. 171
Dresdener Knaben, dem Westmacottschen Athleten, dem Öleingießer von Petworth
und anderen »polykletischen« Figuren i). Es gilt nicht zuletzt aber auch von unserer
Amazone und knüpft sie mit einem zweiten, schon festeren Bande an die Kunst des
Polyklet ^).
Betrachten wir weiter die Übereinstimmung in Aufbau und Haltung der Gestalt,
wie sie in der Zusammenstellung auf Beilage II erscheint. Bestätigen diese Vertikal-
projektionen von Doryphoros, Diadumenos imd Dresdener Epheben, daß man das
varronische »paene ad exemplum« der polykletischen Statuen 3) richtig so erklärte,
daß sie »fast alle nach demselben Muster«, in »typischer Gleichförmigkeit« gebildet
waren, einem Muster, dem sich ebenso jene andern Jünglings- und Athletenstatuen
fügen, so sollte man schließen, daß diejenige Amazone die polykletische sein müsse, die
zu diesem exemplum am besten stimmt. Das tut aber einzig und allein und am voll-
ständigsten der kapitolinische Typus. Er steht in der Haltung dem Diadumenos und
dem Dresdener Knaben noch um ein geringeres näher als dem Doryphoros, wie schon
der viel geringere Vorsprung des Standbeinfußes vor das Lot aus der Halsgrube
zeigt 4). Und es sind lediglich die weiblichen Brüste, die weiter über Bauch- und
Oberschenkelschwellung ausladen; die Mitte der Brust tritt gegen diese, obwohl die
Situation ein leises Vorneigen bedingt, sogar etwas zurück, wie bei den männlichen
Figuren. Auch das polykletische »Schreitmotiv« ist da und läßt sich nicht zu einem
»matten Nachschleifen des rechten Beines« (Bulle 307) um- und wegdeuten. Das
Knie auf dieser Seite ist lediglich um das Maß tiefer hinabgesenkt, um das die weib-
») überall doch sehr im Gegensatz zu einer Formen- Künstler, also gewiß einem Kenner auch poly-
gebung, die das Tonmodell der Bronzefigur zum kletischer Kunst, stammt (Robert, Archäol.
allermindesten zugelassen hätte, — so sehr also Märchen 33, 36).
handelte es sich um ein Prinzip. 4) Schon Kekule betonte 49. Berl. Winck. -Progr. 14
2) Wie denn auch die Jüngeren gerade in diesem die auffällige Übereinstimmung in der Haltung
Sinne quadratas veterum staturas permutaverunt mit dem Westmacottschen Athleten, und Klein
(Robert, Arch. Märchen 37). Wenn ich mich stellt ihn ihr a. a. O. 11, 161 >>näher noch als den
nicht auf die köstliche Bronzestatuette des Mün- Petworther Salber«. Zu jenem Vergleich s. jetzt die
ebener Antiquariums (Münch. Jahrb. 1910 I, ifE.) Zusammenstellung bei Loewy, Die griech. Plastik
berufe, die Sievekings Kennerschaft der Schule 191 1, Taf. 92, 93, wo man um so erstaunter dann
Polyklets zugewiesen hat, so geschieht es, weil die Zuweisung des kap. Typus an Kresilas liest,
nach meinem Empfinden darin ein Rhythmus Nach den Hauptmaßen, die mir Herr Dr. Reisin-
enthalten ist, der nicht vom Meister kommt und ger vom Abguß in München freundlichst besorgte,
für den vorläufig Sievekings eigene Aussage zur steht dieser Ephebe etwas steiler als der Dresdener
Erklärung genügen möge, daß nämlich »gerade und auch als der Diadumenos. Wie bei den andern
in den jüngeren polykletischen Werken sich die männlichen Figuren ist auch an ihm der zurück-
peloponnesische Kunstrichtung vielfach mit gesetzte Unterschenkel auffallend länger als der
andern Strömungen »kreuze«, und ein solcher des Standbeins (s. die Aufrisse und vgl. Kalk-
Vorgang liegt nach meiner Ansicht auch in unserer mann, Nachgelass. Werk S. 20), im Gegensatz
Bronze vor (S. 9)«. Auch dem polykletischen zu beiden Amazonentypen. Was bei der nackten
Eindruck der Statuette LeClerq (ebenda S. 7 Gestalt der künstlerischen Wirkung wegen er-
Abb. 4) möchte ich mit derselben Einschränkung forderlich schien, wird unter dem (beschatten -
begegnen. den?) Chiton unzweckmäßig gewesen sein. Von
3) Ein Urteil, das doch von einem argivischen dem Salber in Petworth liegen mir die nötigen
Maße nicht vor.
172 ^' Noack, Amazonenstudien.
liehe Gestalt den männlichen überhaupt anGröiBe nachsteht; denn nach den Fußmaßen
kann man nicht von geringeren Gesamtverhältnissen der Amazone sprechen (Fuß-
länge der A. 30,5, des Diadumenos 29 ^), des Doryphoros 32,5 cm bei 1,525 bzw.
1,567 und 1,63 m Halsgrubenhöhe).
Wie ganz anders und grundsätzlich verschieden vollzieht sich dagegen der
Aufbau der Berliner Amazone. Man vergleiche nur in Schnitt und Aufriß die hinter
die Schwellung des Leibes zurücktretende Brustlinie. Der aufsteigende Gesamt -
kontur gleicht dem senkrecht gestellten, gespannten Bogen. Das Aufstützen auf den
Pfeiler allein bestimmt seine Kurve und gibt, wie Graef (S. 84) schon hervorgehoben
hat, auch den alleinigen Grund für die Entlastung des linken Beines. Und dieses
setzt auch den Fuß nicht so polykletisch auf, wie man uns immer wieder versichert.
Dieser ist (in B -Kopenhagen antik, in C- Berlin wenigstens durch den erhaltenen
Knöchel bestimmbar) mehr nach vorn gerichtet und steht steiler, die Ferse höher
gelüftet als beim polykletischen exemplum. Überhaupt sind die Füße des Berliner
Typus im Verhältnis zur Höhe der Gestalt ^) schmal und entsprechen damit der
eleganten Schlankheit der Beine, die knapp und sehnig in den Muskelpartien, elastisch
fein in den Gelenken wirken. Auch da weicht, wie die Schnitte zeigen, die kapitolini-
sche Amazone ab, sowohl in der auffallenden Breite des wuchtig auftretenden Stand -
beinfußes (an Mich, b bis auf »ein paar Zehen« antik), wie in der stärkeren Außen-
drehung des zurückgesetzten (gleichfalls antiken) rechten Fußes, Zu den kräftigen
Füßen paßt die Form der muskulösen Unterschenkel und der stark betonte Muskel -
wulst, der sich schräg über die kräftige Kniescheibe legt. Die ganze Bildung dieser
Glieder hat bei allem Ausdruck der Kraft »etwas Schweres, Wuchtiges«, sie stimmt
auch darin, wie in jeder Einzelform, vollkommen zu den polykletischen Figuren 3).
Und für den Oberkörper gilt dasselbe. Wenn man (seit Klügmann 328) an der
Berliner Amazone die auf einem mächtigen Bau des Knochengerüstes ruhende Breite
der Formen unermüdlich als polykletisches Familienzeichen betont (Furtwängler 296
u. V. a.), so hat man doch wohl die Mächtigkeit der Form der andern Statue zu gering
geachtet. Ist doch die Brust, obwohl nicht so gedehnt, wie es die Haltung der Ber-
liner Amazone njit sich brachte, breiter als bei dieser (Brustwarzenabstand ca. 32
gegen 28,5 — Kopenhagen 29,2 — cm), die Rumpfstärke von Brust- bis Rücken -
mitte größer (ca. 27,5 gegen 24,5 cm), und wenn der Durchmesser von Seite zu Seite
beide Male ungefähr gleich ist, so darf man nicht übersehen, daß der Thorax der
Berliner Amazone erst durch die Armstellüng ausdrücklich geweitet war, während er
sich bei der kapitolinischen nach dem ganzen «Sinn des Werkes eher in einem nach-
gebenden, einsinkenden Zustand befinden mußte. Und dennoch sind hier wichtige
Maße größer! Schließlich wird hier der Eindruck der Breite über den Schultern
durch den gesenkten linken Arm und die die Schulterlinie unterbrechende Mantel -
') Diadumenos von Delos 29, von Vaisson 28 (aber ^) Höhe Halsgrube Berlin 1,546, Kopenhagen 1,532,
offenbar verletzt), die Füße am Madrider Exem- Standbeinfuß (antik in Kopenhagen) 30,7 cm
plar sind moderne, etwas zu plumpe Ergänzung lang, 11 cm breit (gegen 13 cm bei der kap. A.).
(Monuments Piot HI, 143, IV, 55). 3) Bulle, 121 spricht von der »massiven Kraft poly-
klctischer Schenkel«.
F. Noack, Amazonenstudien. lyo
partie gehemmt, während er an der Berliner Statue durch die nach oben gestemmte
Wölbung der unverhüllten Schulter umgekehrt verstärkt wird. Ich meine aber, daß
diese Eigenschaften sich beide Male so selbstverständlich als Folgen der gewählten
Haltung und Handlung ergeben mußten, daß sie keinen bindenden Schluß auf ein Für
oder Gegen polykletische Herkunft gestatten sollten.
Ebenso muß sich die Kritik gegenüber der allgemeinen Fonderation verhalten.
Denn es galt doch nun einmal seit der neuen, die Frontalität durchbrechenden Fon-
deration der Standfigur etwas wie ein Gesetz, wonach die Standbeinseite zwischen
gehobener Hüfte und meist auch gesenkter Schulter zusammengedrückt, die Gegen-
seite zwischen hängender Hüfte und gehobenem Arm gestreckt erscheine ^), und es
besteht ferner die nicht abzuleugnende Tatsache, daß dieses Gesetz auch von Folyklet
als bindend erachtet und in allen ihm mit Sicherheit zugeteilten Werken nachweislich
befolgt war. Es erscheint um so mehr als eine feste, anerkannte Norm, weil der
Körper sich gelegentlich auch da fügte und ihr folgte, wo die natürliche, unwillkür-
liche Bewegung — wie etwa am Diadumenos selbst — wohl anders verlaufen wäre,
und die wenigen Ausnahmen, die sich aus dem 5. Jahrhundert sammeln lassen, unter-
streichen die polykletische, normale Art noch mehr. Und wiederum fügt sich
diesem Gesetz nur die kapitolinische Amazone, die Berliner Statue schafft dagegen
durch den auf der Standbeinseite hochgereckten Arm auch da eine Dehnung und
einen derartigen Ausgleich, daß sich, wie Graef ganz richtig sagt, durch Brüste und
Hüften ein Rechteck legen lasse, ihre Verbindungslinien also parallel zueinander
liegen, anstatt wie an der normal ponderierten Figur (und allen polykletischen
Männern) auf der Standbeinseite zu konvergieren. Nur vermag ich darin nicht mit
Graef das Zeichen eines »viel primitiveren Standpunktes« zu sehen, sondern eher
eine Auflösung der allgemein befolgten Norm, einen individuellen und, wenn man
die Zähigkeit bedenkt, mit der sich einmal gewonnene Leitformen in der Kunst er-
hielten, den gewiß kühnen Frotest eines seine eigenen Wege gehenden Künstlers,
als der sich der Meister dieser Amazone uns nun schon in so vielen Zügen seines Werkes
erschlossen hat.
Man hat nicht umhin können, die Ähnlichkeit und zum Teil Gleichheit einzelner
Formelemente und Motive der Fonderation bei der kapitolinischen Amazone mit
denen polykletischer Typen ohne weiteres zuzugeben, und hat dafür die Erklärung
gefunden, daß diese Dinge, »einmal von Folyklet in vollendeter Weise durchgeführt,
Allgemeingut der griechischen Künstler geworden« seien (Heibig -Amelung, Führer 3 I,
475). Ist es nicht merkwürdig: ein Künstler und zweifellos auch Zeitgenosse Polyklets
habe polykletische Kunstweise so vollkommen in sich aufgenommen, daß wir auf
Schritt und Tritt, weit mehr noch als jener Vermittlungsversuch voraussetzt, deren
Merkmale an seiner Amazone feststellen müssen (und dabei haben wir den Kopf
noch nicht einmal berücksichtigt) — Folyklet selbst dagegen habe in der Berliner
Amazone ein Werk geschaffen, das zu dem gesicherten »Familiengepräge« seiner
Kunst in grundlegenden Zügen in so schroffem Gegensatz steht, daß kein Geringerer
') Vgl. u. a. Loewy, Lysipp S. 23, Kalkmann, Nachgelass. Werk 31, Amelung, Führer d. d. Ant. in Florenz 5.
J74 ^' Noack, Amazonenstudien.
als Julius Lange bereits bekennen mußte (Darst. d. Menschen S. 222, i), daß in
seinen Augen »weit eher die verwundete (kapitolinische) Amazone den polykletischen
Jünglingen in Bezug auf körperlichen Charakter, Proportionen, Kopftypus und
Stellung gleichen würde". Hatte derselbe feine Kenner doch auch bei Polyklet die
Vorliebe für den »breiten, vierschrötigen, zu schwer gebauten« Körper gefunden,
dessen »verhältnismäßig kurze Beine viel dazu beitrugen, den Körper und die Be-
wegung schwerfällig zu machen« (S. 205), ein "Urteil, das durch einen Fund wie den
des delischen Diadumenos und die daran geknüpften Erörterungen (Monuments Piot
III, 143 f., IV, 72) lediglich hat bestätigt werden können. Die Berliner Amazone
aber wirkt, mag man über ihren kraftvollen Brustbau sagen, was man will ^),
dennoch schlanker, »langbeiniger« und höher und alles andere als »untersetzt«
(Amelung a. a. O. 21). Die elegante Eigenart dieses Kunstwerks tritt vielleicht
nirgends stärker zutage als in der Aufnahme der Landsdownestatue in Furtwänglers
»Masterpieces«. Und in ihr hätte sich Polyklet zu einem Stil bekannt, der alles andere
als polykletisch ist, der Eigenschaften und künstlerische Absichten kundgibt, die man
niemals in der peloponnesisch-argivischen Schule suchen würde! Der andere Meister
aber, der in der kapitolinischen Amazone sich uns polykletischer gibt als Polyklet
in seiner Amazone, sollte gar Phidias selbst gewesen sein! Glaubt man diesen mehr als
merkwürdigen Schluß wirklich mit den immer wiederholten Hinweisen auf die for-
male Schönheitskunst des einen und die seelische Tiefe des andern Meisters genügend
aufrechthalten zu können ? Sollte »die klare Konsequenz, mit der das Grundmotiv
entwickelt« ist, an der kapitolinischen Amazone allein auf den Attiker weisen können
und gerade gegen den Künstler zeugen, dem bei dem Aufbau seiner Figuren streng
folgerechte Berechnung alles galt? Sollten wir also nicht lieber den Indizien, die
doch sonst für die Methode solcher Zuweisungen als entscheidend gelten, auch diesmal
folgen, indem wir Polyklet geben, was eingestandenermaßen polykletisch ist nach
»körperlichem Charakter, Proportionen, Kopftypus und Stellung«.?
Denn auch der Kopftypus, der allein auch J. Lange noch Bedenken schuf,
steht dem nicht mehr im Wege. Nachdem diese Untersuchung den Kopf bisher ganz
außer Rechnung gestellt hat, um aus Gewand und Körper möglichst selbständige
und vorurteilslose Aussagen zu gewinnen, darf diesen nun zum Schlüsse der Kopf als
willkommene Bestätigung dienen. Die geschwisterliche Verwandtschaft, die nach
Graefs Beweisen den Kopf der Amazone vom Kapitol mit dem Diadumenos verbindet,
hat zwar scharfen Widerspruch gefunden. Gestützt auf den zweifellos nicht poly-
kletischen, sogenannten Nelsonschen Kopf (J. Hell. St. 1898 Taf. XI, Br. Br. 544
mit Bulles Text), der die nach Furtwängler für Kresilas charakteristischen Einzel-
formen zeige und gerade sie mit diesem Amazonenkopfe teile, hat Amelung (Berl.
phil. Woch. 1902, 278; vgl. Vat. I, 64) die Frage ein für allemal zugunsten des Kresilas
entscheiden wollen. Ich habe diese Ähnlichkeit nie sehen können. Wie zweifelhaft
sie andern erscheinen konnte, beweist wenigstens die seitdem nicht aufgegebene
I) Loewy hat West. Monatshefte a.a.O. 836 dieses Bildung des Frauenkörpers in damaliger Kunst
Argument durch den Hinweis auf die »männliche« richtig abgeschwächt.
F. Noack, Amazonenstudien. 17 c
Neigung, gerade in dieser Amazone die phidiasische zu suchen. Aber seitdem dieser
Kronzeuge sich überhaupt als trügerisch erwiesen hat (s. über seine Herleitung vom
Kopf des Ares Ludovisi Dehn Arch. Jahrb. XXVII 191 2 S. 203 und dazu Sieveking-
Buschor, Münchener Jahrb. 1912 S. 133), ist Amelungs wichtigste Stütze gefallen,
und ich sehe kein Hindernis mehr zu dem Ziele, zu dem uns diese Untersuchung
notwendig hinzudrängen scheint i). Alle formalen Eigenschaften verweisen die
kapitolinische Amazone an Polyklet, und was sie gegenüber seinen andern Werken
an Ethos hinzubringt, hat — das haben wir zu lernen — eben um diesen neuen Wert
unsere Vorstellung von polykletischem Können zu bereichern. Sollten wir wirklich
versichert sein, daß Polyklet nur darum, weil er einem späteren Kennertum wesentlich
als der Meister rein formaler Schönheit und physischer Kraft gegolten habe, einer
tieferen Auffassung nicht fähig gewesen wärc^* Dürfen wir selbst so urteilen, nur
weil wir bisher als gesicherte Werke ausschließlich jene jugendlichen Männerbilder
von ihm kannten ? Können wir denn von diesen mehr erwarten, als sie geben } Sie
hatten ja keinen körperlichen Schmerz zu leiden und kein tiefes Leid zu tragen.
Die todwunde Kriegerin stellte den Künstler vor eine andere Aufgabe, und die ernste,
schwermütige Schönheit seines Amazonenkopfes muß uns bekennen lassen, daß er
auch für sie die ausdrucksvollen Formen fand.
X. Die Meister der anderen Amazonen.
Wir wollen indessen nicht im Sinne der antiken Kunstrichter den Preis zuer-
teilen. Bs ist lediglich noch der Frage nachzugehen, ob die Zuweisung der kapitolini-
schen Amazone an Polyklet auch für die Meister der andern Statuen irgendeinen
Gewinn ergebe. Die polykletische Wesenheit in der Berliner Amazone, die zu betonen
kaum ein Ausdruck stark genug erschienen ist, muß uns freilich künftighin als eine
Täuschung gelten. Aber das kann ihren künstlerischen Wert nicht mindern. Noch
weniger dürfen wir sie als ein formal fehlerhaftes, »aus widernatürlicher Vereinigung«
diametraler Stimmungen erwachsenes Werk in die Werkstatt eines unoriginellen
»Nachbildners« (Mahler 90, 91) bannen. Man braucht sie wahrlich nicht schlecht
zu machen, um den ihr gebührenden Platz zu finden. Die Persönhchkeit ihres Meisters
hat sich uns in einem andern Licht gezeigt als der von Mahler offenbar richtig
datierte Phradmon. Was die Prüfung des Gewandstiles seiner Amazone ergab, läßt
keine Wahl: dieser Mann ist unter den attischen, nachphidiasischen Künstlern zu
suchen, das letzte Viertel oder noch eher das Ende des Jahrhunderts war seine Zeit.
Das wäre aber für jenen Phradmon viel zu früh, für die andern, für Phidias, auch wenn
er nicht aus andern Gründen ausschiede, und doch vielleicht auch für Kresilas bereits
zu spät. Man kann eine so feine Beobachtung Graefs, wie die einer Verwandtschaft
in der Anlage der Wangen mit dem Londoner Perikleskopfe (a.a.O. 85) wohl nach-
*) Eine so starke Asymmetrie, wie sie der Kopf des sehen Grabreliefs zahlreiche Beispiele dafür. Die
Berliner Typus zeigt, scheint nicht nur den poly- Kopisten sollen sie möglichst gemindert haben —
kletischen Köpfen, auch den stärker geneigten, um so bezeichnender ist ihr Vorhandensein am
sondern dieser ganzen Zeit noch nicht so geläufig Berliner Typus, wohl auch eine Warnung vor zu
zu sein. So liefern auch erst die jüngeren atti- hoher Datierung.
176 F- Noack, Amazonenstudien.
empfinden, daß sie jedoch an sich stark genug wäre, eine Zuweisung an den Künstler
der Periklesstatue entscheidend zu stützen, ist mir nicht überzeugend. Dazu kommen
die Bemerkungen Kekules, 61. Berl. Winck.-Progr. 10 f., die bedenklich machen.
Und eine Vergleichung des Gewandstiles mit dem der Athena von Velletri, sofern man
diese noch mit Furtwängler für Kresilas in Anspruch nähme, würde nur negativ ver-
laufen. Das Anrecht des Kresilas an die Amazone bleibt also verschwindend klein.
Aber es gab doch eine Amazone, quam ab excellentia crurum eucnemon ap-
pellant: die Amazone des Strongylioh in Neros Besitz und von ihm selbst auf seinen
Reisen mitgeführt (Plin. 34, 82). Wir wissen von Strongylions Kunst nicht viel. Daß
er Musenstatuen nach Böotien und eine Artemis, deren Wiederholung auf bescheide-
nen Münzbildern von Pagae erscheint, nach Megara geliefert hat, hindert nicht, daß
er sie ebenso wie sein berühmtes ehernes troianisches Pferd als Attiker in Athen
gefertigt habe. Es ist schwer denkbar, daß mit einem so großen Anathem für die
Burg ein Nichtaftiker beauftragt worden wäre. Ihn freilich, weil Pausanias auch
ßou? xal vKTzooq (IX, 30, i) von ihm rühmt, gleich zu einem Nachfolger des Myron
zu stempeln (Brunn, G. d. gr. Künstler I, 268) oder auf Grund unbeweisbarer quattro-
centistischer Züge an Kaiamis anzuknüpfen (Klein II, 138), hat keinen großen Wert ').
Dagegen gebietet sowohl literarische wie epigraphische Überlieferung, ihn in die
letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts zu setzen (Brunn a. a. O., Loewy, Inschr.
S. 44). Und da wir nun gerade aus dieser Zeit eine Amazone besitzen, die nach dem
Gewandstil attisch und tatsächlich, durch die auffallend elegante und durch ^ie Ge-
wandanordnung absichtlich betonte Schönheit ihrer Beine ausgezeichnet, als richtige
suxvTjfjio? erscheinen muß, so wird man sie mit dem eben um dieser Eigenschaft ge-
priesenen Werke des Strongylion doch vielleicht verbinden dürfen ^). Ein ernstlicher
Grund gegen eine solche Annahme liegt nicht vor. Die Bemerkung, daß diese Ama-
zone, weil sie Nero auf seinen Reisen begleitet habe, nur eine Statuette gewesen sein
könne 3), ließ mich auch zuerst an jener Möglichkeit zweifeln. Doch kann man ihr
in verschiedener Weise begegnen. Entweder wie S. Reinach, der (Rev. arch. 1904,
I, 38) diese ebenso wie andere Statuetten im Besitze römischer Liebhaber für ver-
kleinerte Kopien berühmter Statuen hielt, an denen der Künstlername vom Original
her haften geblieben sei. Oder wie L. Pallat, der auf die Mitteilung dieser meiner Be-
obachtungen seinerseits ebenfalls auf Strongylion kam. Ihm erscheint umgekehrt
des Plinius etwas auffällige Hervorhebung: in comitatu Neronis principis circumlatam
geradezu auf eine größere Statue hinzudeuten. Eine solche als Begleiterin mitzu-
führen, war ungewöhnlich und wurde deshalb besonders bemerkt. So bliebe wohl nur
das eine ernstlichere Bedenken, daß gerade der Meister dieser am sichersten für
Ephesus erwiesenen Amazone nicht unter den ephesischen Amazonenkünstlern stand,
') So wenig wie der »Doryphoros« des Kresilas Be- Phidias vergeben schienen, an Kresilas, Scholl,
rührungspunkte des Künstlers mit Polyklet a. a. 0. 427 an Strongylion für die matteische
(Scholl, Philol. 1863, 425, Collignon, Gr. PI. II, gedacht.
143) wahrscheinlich machen könnte. 3) Daher verwiesen einige auf die Bronzestatuette
*) Klügmann hatte a. a. O. 329 aus diesem Grunde, der reitenden Amazone in Neapel, Fr.-W. 1781,
da ihm die anderen Amazonen an Polyklet und abg. bei Loewy, West. Monatsh. a. a. 0.
F. Noack, Amazonenstudien.
177
Plinius hat zwar (34, 53) fünf Amazonen angeführt, aber bekanntlich ist die fünfte
längst der Konjektur zum Opfer gefallen, daß die quarta Cydonis nur dem mißver-
standenen Ethnikon des vorausgehenden Cresilas ihre Existenz zu danken habe^);
aus der tertia Cresilae Cydonis sei aus Unverstand eine quarta Cydonis geworden,
der dann die quarta Phradmonis als eine neue quinta habe Platz machen müssen.
Dagegen läßt sich doch einwenden, weshalb denn in dieser knappen Liste Kresilas
einer besonderen Kennzeichnung bedurft haben sollte. Dieser Zusatz fällt dazu aus
der Manier des Plinius heraus, der auch bei den andern Erwähnungen des Kresilas
und auch bei geringeren Künstlern (Phradmon liegt bei der Hand!) sich auf den
Namen beschränkte. Auch die Gefahr einer Verwechslung mit einem Namensvetter
anderer Herkunft lag nicht vor. Die Vermutung ist mir deshalb höchst wahrschein-
lich, daß man bei Plinius ursprünglich Strongylion gelesen habe. Die sachliche Er-
wägung, zu der wir geführt wurden, dürfte in diesem Falle schwerer wiegen 2) als
das Bedenken gegen eine Änderung des Textes. Bei den Ouellenverhältnissen des
Plinius kann sich die Genesis einer solchen Verderbnis unseren Blicken wohl ent-
ziehen. Infolge eines von einem Leser, der etwas von Kresilas von Kydonia wußte,
beigeschriebenen »Cydonis« könnte sich eine irgendwie geartete Verderbnis auch
schon in die von Plinius benutzte Vorlage eingeschlichen haben.
Auf Beziehungen des Berliner Typus zur Kunst des Praxiteles ist mehrfach hin-
gewiesen worden, bis man sie schließlich gar in ein Abhängigkeitsverhältnis des
Typus von Praxiteles verkehren zu sollen glaubte und der Amazone Pamfili die Ehre
gab, den dadurch in die Berliner Statue hineingetragenen Widerspruch in besserer
Einsicht wieder ausgemerzt zu haben (Mahler 90 f.. Klein H, 339 f.) 3). Dem gesunden
») Jahn a. a. O. 37; Brunn, G. d. gr. K. I, 261.
*) Ich darf mich hier auf eine freundliche Auskunft
E. Nordens beziehen, nach der gegen eine solche
Formulierung von philologischer Seite kaum ein
Bedenken geltend zu machen wäre.
3) Michaelis H. (S. i6). Abg., Reinach, Rep. d.
1. stat. I, S. 304, 1208 B und nach Photographie
in Furtwänglers Masterpieces S. 129. Die un-
zweifelhaften Beziehungen zum Berliner Typus
(Furtwängler Anm. i und S. 130) hat man sehr
mißverstanden, als man darum in der Pamfili -
sehen Statue eine ältere Vorstufe sehen wollte
(Amelung, Berl. phil. Woch. 1902, 276). Bei der
»altertümlich« anmutenden Zickzackfalte zwi-
schen den Brüsten muß man übersehen haben,
wie unorganisch sie, im Vergleich zu den echten
Parallelen, an den umgeschlagenen Saum am
Halse anstößt. Bei dem fast geradlinig abge-
grenzten Bausch dachte man wohl an »olympi-
sche« Gewandstatuen, übersah aber, wieviel un-
ruhiger, in jüngerer Manier, er gegliedert ist,
übersah, wie schlecht er, wenn von echter Strenge,
zu dem unter den Brüsten angeklebten Stoffe
paßte. Man übersah vor allem, wie die einzelnen
Motive der unteren Gewandpartie auseinander -
fallen. Die Steilfaltengruppe in der Mitte, mit
ihren abgestuften Säumen, wirkt übermäßig
groß, weil ihr Stoff unverkürzt, in ganzer Länge
des übrigen Chitons, hängen geblieben ist. Dieses
sogenannte Merkmal größerer Altertümlichkeit
verrät aber nur, daß dieser Künstler sich über
Zweck und Folgen dieses Drapierungsmotives
völlig unklar war. Infolgedessen fehlt auch den
»kurvenartigen Stoff alten« auf den Schenkeln
ganz die Begründung, ihr Verfertiger hätte uns
kaum Rechenschaft geben können, wie er dazu
gekommen sei. Und als er den durch das Herauf-
ziehen der Mittelpartie entstehenden Überfall
ebenso unterdrückte wie der Meister des Ber-
liner Typus, dachte er nicht im geringsten an den
Zweck, den dieser damit verbunden hat und der
allein diese Unterdrückung erklärlich machte
(s. S. 145). Hier hat wirklich einmal ein »Dekora-
teur«, nur nichts weniger als »geschmackvoll«,
seines Amts gewaltet, der aber seine bösartige
Faltengruppe nicht einmal aus der überschüssigen
178 P* Noack, Ämazonenstudien.
Kern, der in jener früheren Beobachtung liegt, werden wir eher gerecht, wenn wir
der Überlieferung gedenken, die einen Zusammenhang von Kephisodot und Praxiteles
mit Strongylion unmittelbar bezeugt. An der einen helikonischen Musengruppe soll
neben Kephisodot und Olympiosthenes auch Strongylion gearbeitet haben (Paus,
IX, 30, i), und Praxiteles hat in der Jägerin Artemis einen Typus aufgenommen,
den Strongylion schon in seiner fackeltragenden Artemis Soteira für Megara, wo
Paus. I, 40, 2 diese neben der praxitelischen Zwölfgöttergruppe sah, vorgebildet hatte :
nämlich die Göttin nicht nur in lebhaft eilender Bewegung, sondern auch in dem
kurzen, doppelt gegürteten Chiton der Amazonen ^). Wenn S. Reinach (a. a. O.
32 f.) hierin eine Neuschöpfung des Strongylion vermutete, der das Gewand seiner
Amazone auf Artemis übertragen habe, so dürfen wir das mit um so größerer Zuver-
sicht aufnehmen, sobald wir uns diesen zwar gewiß nicht als den Verfertiger des Ori-
ginals der Artemis von Metelin (a. a. 0. Taf. III) ^), wohl aber als den überlegenen
Schöpfer des Berliner Amazonentypus denken können.
So stünden für die matteische Amazone immer noch die beiden Namen Phidias
und Kresilas zur Wahl. Ehe Bulle des letzteren Namen nannte, hatte Furtwängler
der Vermutung C. 0. Müllers, daß diese Amazone die von Lukian gepriesene des
Phidias, h^ iTrepsiSojxsvyj xoS 8opaTt(|) sei, zu .neuer, ziemlich allgemeiner Anerkennung
verholfen (M.-W. 297, 303, Klein a. a. O. II, 53, 63, 160 u. a.). Allein nur weil jene
Behandlung des Linnenstoffes am rechten, aus dem Peplos herausgestellten Bein
eine — übrigens soeben (o. S. 97 f) wieder etwas gestörte — Beziehung zum- Torso
Medici herstelle, läßt sich von einem sicheren stilistischen Anhaltspunkt für diese
Zuweisung doch noch nicht reden, selbst wenn man in dem Torso die Nachbildung
der Promachos zu erkennen hätte, was ich auch heute noch nicht vermag. Schon allein
die kontrastreiche Bewegtheit gerade dieser Amazonenstatue dürfte im Widerspruch
StofEmenge seiner Vorhangsdraperie entwickelt, Artemis Laphria diesen Typus gehabt habe
sondern aus einem eigenen Päckchen Zeug leblos (P. Gardner, Corolla Numismatica f. Head 1906
darüber aufgesteckt hätte. Das Vorbild zu diesem 104 ff.), hat Wolters (Springer -M.-W. ^^ 225 f.)
Werk war freilich — darin hat Mahler recht — mit Recht abgelehnt.
die Berliner Amazone. Aber was daran »siegreich ^) Es scheint ganz unmöglich, ein derart von
zum Durchbruch kam« , war nicht eine Korrektur, Stellungs - und Gewandmotiven des praxitelischen
die jener bösen »Zwittergestaltung« erst die nötige Kunstkreises abhängiges Werk auf Strongylion
Einheit gab, sondern ein recht reichliches Maß zurückzuführen. Auch der Typus des anmutigen
künstlerischer Ohnmacht und Gedankenlosigkeit, Kopfes weist ins 4. Jahrhundert, die Hochgürtung
die uns nicht locken kann, auch noch seines Meisters des Chitons und vor allem dessen unangenehm
Namen zu erfahren. Oder sollte es wirklich — übertriebener, schleierartig anklebender unterer
man hat daran gedacht — diesem Meister den eben Teil eher in noch spätere Zeit. Auch den »Si-
gerade noch möglichen vierten Preis in jener syphos« des delphischen Daochos-Anathems
Konkurrenz eingetragen haben? Armer Phrad- BCH. 1899 pl. XXIV in eine engere Beziehung
mon ! Wir kennen dich zwar nicht, aber so zur Berliner Amazone zu bringen (Klein a. a. O.
gering wollen wir doch nicht von dir denken. II, 340) und ihn gar als Stütze von Mahlers
') Imhoof-Blumer und Percy Gardner, Numism. Phradmon -Hypothese zu verwerten, sehe ich
Comment. on Pausanias (Journ. of hell, studies keinerlei Veranlassung. Die Stellung bietet nur
1885) pl. X, XVII = Collignon, Gr. PI. II, 304, in den Beinen eine äußerliche Ähnlichkeit, ist im
Fig. 145 (Artemis v. Antikyra). Ebenda pl. L, übrigen ebenso wie der Gewandstil in seinem
Springer-M. -W. 9, S. 283. Daß schon die Wesen verschieden.
H. Thiersch, Eros von Motye. 1 70
ZU allem stehen, was wir von dem einfacheren Rhythmus phidiasischer Standfiguren
zuverlässig wissen. Und wenn ihr Gewandstil in manchen der oben geschilderten Züge
die Verwandtschaft mit Parthenongewändern nicht verleugnet, so könnte ich daraus
trotz der verschiedenen Untersuchungen der letzten Jahre ^) auch keinen Anspruch
für Phidias herleiten. Es ist eine ernste, kraftvolle Art, die hier attische Gewand -
kunst etwa auf der Stufe zwischen 440 und 430 (vielleicht auch noch ein wenig weiter)
meistert. Zeitlich würde dazu das Wenige passen, was wir von der Tätigkeit des
Kresilas in Athen wissen (vgl. Furtwängler, M.-W. 268), und auch seiner künstlerischen
Art würde gerade diese Amazone stehen. Die Hermolykosbasis auf der Burg lehrt
uns ebenso wie der vulneratus deficiens, den wir nicht gezwungen sind, mit dem
Hermolykosvotiv zu verbinden 2), daß sich der Künstler mit dem Standproblem des
schwerverwundeten Kriegers mehr als einmal beschäftigt hat. Wenn er in seiner —
der matteischen — Amazone diese rhythmischen Probleme aufs neue anfaßte und,
wie wir sahen, zu kühner Lösung brachte, so wäre es nichts anderes, als wie wenn
Myron immer wieder mit den Problemen raschest vorübergehender Bewegungen
rang, Polyklet sich mit seinen im Verhältnis viel gleichförmigeren Standmotiven
dauernd beschäftigt hat.
Aber die Verbindung dieses Meisters mit der matteischen Amazone wird einst-
weilen ebenso eine Vermutung bleiben müssen wie auch die andere, die das Vorbild
des ephesischen Reliefs an Strongylions Namen zu knüpfen sucht. Zu größerer
Sicherheit können wir heute nicht kommen. Aber lösen müssen wir ebenso den
Berliner Typus von dem Namen Polyklets wie den matteischen von dem des
Phidias. Ein sicherer Ersatz läßt sich, in der kapitolinischen Amazone, nur für
Polyklet gewinnen. Die Amazone des Phidias bleibt verschollen 3).
Tübingen. Ferdinand Noack.
EROS VON MOTYE.
Mit einer Beilage.
Das hier zum erstenmal abgebildete Terrakottaköpfchen (Beilage und Abb. 4),
jetzt im Besitze Seiner Exzellenz des Herrn Geh. Rat Professor Dr. Richard Krauel
zu Freiburg i. Br., stammt aus dem Nachlasse Adolf Holms, in dessen Antiken-
schrank es das wertvollste Stück gewesen zu sein scheint. Gefunden wurde es
1871 bei einem gemeinsamen Besuch der beiden Herren auf der kleinen Insel
S. Panteleo an der äußersten Westküste Siziliens. Das Köpfchen hatte an der
Oberfläche des Bodens gelegen; durch die in der Sonne bhnkenden Reste der Ver-
I) S. zuletzt B. Schröder oben S. 98 f. 3) [Die S. 165 gegen die Statuette von Bavai ge-
') Loewy, Inschr. 46, Furtwängler, M.-W. 280, äußerten Bedenken sind, wie ich eben erst nach
Reinach Gaz. d.h. arts a.a.O. Der zurückgesetzte beendetem Druck sehe, durch Sauers Angriff gegen
Fuß stand auf der Basis nur mit dem Ballen auf. ihre Echtheit N. Jahrbb. f. d. kl. Alt. 19 15 bereits
überboten. Korrekturnote.]
Jahrbuch des archäolog'Ischen Instituts XXIX. 1 3
i8o
H. Thiersch, Eros von Motye.
goldung im Haar war der die Herren damals führende Bauer, der es aufhob,
darauf aufmerksam geworden.
Ein Fund also aus dem alten Motye. Denn dies ist die antike Stadt, die wichtigste
Seefestung der Karthager auf Sizilien in der älteren Zeit, welche einst mit hohen,
dichtgedrängten Häusern, von mächtigen Mauern umzogen auf dem flachen Inselchen
in der äußerst geschützt gelegenen Lagunenbucht gestanden hat^). Im Jahre 397
V. Chr. von den Griechen zerstört, erstand ihr bekanntlich in Lilybäum nur wenig
weiter südlich an der Stelle des heutigen Marsala eine noch stärkere, weder von
Pyrrhus noch den Römern bezwungene Nachfolgerin.
Bedeutsamere Kleinfunde sind aus Motye bisher nicht bekannt geworden; von
phönikisch-karthagischen Erzeugnissen fast nichts 2). Dagegen immer wieder Terra-
Abb. I . Fragment einer tönernen Kuchen-
form, aus Motye (Universitätssammlung
Heidelberg),
Abb. 2. Rückseite von Abb. i.
kotten rein griechischer Art, und zwar strengen, fast noch altertümlichen Stils 3).
Im 18. Jahrhundert war schon Houel auf eine weibliche Tonmaske zum Aufhängen
von dort aufmerksam geworden, später Cavallari auf die anscheinend häufiger eben-
') Zur älteren Literatur über Motye, seine Benen-
nung und seine Topographie vgl. Schubring,
Philologus XXIV 1866, 49 ff., Holm, Gesch.
Siziliens I, 83 u. 371 f. Beste Detailkarte bei
Holm n, Taf. X und bei Freemann-Lupus,
Gesch. Siziliens I. zu S. 233. Eine Abbildung
der Mauerreste: Aus dem klass. Süden (1896)
Taf. 131 u. S. 58 f. (0. Meltzer).
^) Außer dem von R. Zahn im Prienewerk S. 467
erwähnten Fragment einer tönernen Kuchenform
(jetzt in dei Universitätssammlung zu Heidelberg),
das mit gütiger Erlaubnis F. von Duhns hier Abb.
I und 2 abgebildet wird, ist mir nichts bekannt
geworden: Grober, sehr hart gebrannter hell-
rötlicher Ton. Größte Länge 9 cm, Dicke 2 cm.
Die Ornamente auf beiden Seiten tief eingepreßt;
die schräge Strichelung der Ränder gerade so
auf den wohl ebenso aufzufassenden und ähnlich
ornamentierten Tonscheiben aus der punisch-
sardinischen Nekropole von Nora, Mon. antichi
d' Accad. dei Lincei 1907 (XIV) S. 195 Fig. 27
u. 28. — • Über Ausgrabungen des Jahres 1907,
welche unter Leitung von Salinas ein englischer
Captain Whitaker, der die ganze Insel gekauft
haben soll, ausführen ließ, sind mir nur durch
Dr. D. Bender bei Karl Baedeker kurze Notizen
bekannt geworden. Darnach wurden Mauerreste
von bedeutendem Umfang und zwei bisher un-
bekannte Tore freigelegt. U. Kahrstedt notierte
damals für Baedeker: »Motye jetzt sehr lohnend,
die Festungswerke, die Cascio gefunden, rivali-
sieren fast mit denen von Selinus; sehenswertes
Museum mit den Ergebnissen der Ausgrabung.«
Vgl. Baedekers Unteritalien 15. Aufl. S. 338.
3) Zusammengestellt bei Kekule, Terrakotten Sizi-
liens S. 41. Dasselbe trifft für Lilybäum zu.
Ebenda und Meltzer a. a. 0. S. 58.
H. Thiersch, Eros von Motye.
löl
dort auftretenden sog. Kastenreliefs, d. h. Votivaltärchen, die zweifellos aus Heilig-
tümern herrühren '). Bei seiner Zusammenfassung nach Fundstellen nennt Kekule
auch einen Stirnziegel mit Gorgoneien als aus Motye stammend.
So spärlich und unscheinbar die erwähnten Funde sind, so weisen sie doch im
Verein mit den wichtigen Münzen von Motye mit Bestimmtheit darauf hin, daß
in diesem starken punischen Emporium ein ganz bedeutender hellenischer Einfluß
vorhanden, wenn nicht ein beträchtlicher griechischer Volksteil selbst dort
ansässig gewesen sein muß. Weder die genannten Terrakotten noch die Münzen
unterscheiden sich technisch oder stilistisch von den analogen Funden aus Selinus,
Akragas, Gela usw. Ja, der Umstand, daß die Münzen von Motye die Prägetypen
von Segesta, Akragas und Himera verwenden 2), läßt vielleicht erkennen, ausweichen Ge-
bieten sich jene griechischen Elemente in der punischen Festung zusammengefunden
hatten. In der älteren Zeit scheint diese hellenische Enklave am stärksten gewesen
zu sein -r— die Münzen Motyes tragen damals griechische, noch nicht punische Auf-
schrift — , dann verschwindet offenbar das Griechische mehr hinter dem Orienta-
lischen, ohne indes jemals ganz darin unterzugehen. Noch aus der Stunde des
Unterganges von Motye, seiner Zerstörung durch Dionysius I., berichtet Diodor
(XIV, 53) von einem Trupp Griechen 3), welche unter ihrem Führer Daimenes Schulter
an Schulter mit den belagerten Puniern in Motye fochten, und die von den sieg-
reichen Eroberern dann als Verräter an der griechischen Sache ans Kreuz geschlagen
wurden.
Daß es im Inneren der punischen Inselfestung auch Heiligtümer gab, die seitens
der Griechen, nicht nur der Punier, Verehrung genossen, also zweifellos Heiligtümer
griechischer Gottheiten, geht aus derselben Erzählung Diodors über den grau-
sigen Endkampf in den Straßen Motyes hervor: die aufs äußerste bedrohten
Motyener werden angewiesen sich zu flüchten s,k la irapa xoT? "EXXrjaiv lepa xi-
ji.(ü{jieva. Wieder sind es die Münzen der Stadt, welche diese Tatsache illustrieren,
— ahnen ließen es schon die eben erwähnten Tonaltärchen und Tonmasken — und
') Sie sind sehr häufig in Sizilien, finden sich aber
auch in Unter italien (Tarent, Kreton), ja sogar
im fernen Osten, worauf mich R. Zahn aufmerk-
sam macht. Ein schönes Stück von der Insel
Naxos ist jetzt von G. Loeschcke für Berlin er-
worben. Zwei Stücke aus Samsun abgeb. im Auk-
tionskatalog von Hirsch-Sambon (Coli. Lambros
Dattari 1912) pl. 13. Der Text nennt offenbar
mit Unrecht Lokri als Herkunft. — Vgl. v. Duhn,
Not. d. Scavi 1897, 347 ff. Über den sakralen
Charakter vgl. Orsi, Not. d. Scavi 1891, 64 und
Mon. Accad. Lincei XIX (1908/9) p. 134 ff.
») Vgl. Head, Hist. Num. 2. Aufl. 158; Imhoof-
Blumer, Wien. Num. Zeitschr. 1886, 253 f. u.
Taf. VII; Holm, a.a.O. III, S. 600 f. u. 640.
Die griechische Aufschrift lautet MOTYAION.
3) Meltzer, Gesch. d. Karthager I, 286 meint von
ihnen, daß sie »möglicherweise als Besatzung von
früherher in Motye gelegen haben könnten«. Für
ein dauernd in Motye ansässiges griechisches Ele-
ment sprechen ganz analoge, durch neuere Grab-
funde beleuchtete Verhältnisse in Lilybäum (Aus
d. klass. Süden S. 58), vielleicht auch die Ver-
bindung Motyes selbst mit der Heraklessage, die
Berichte von den unter Pentathlos und Dorieus
im 6. Jahrh. v. Chr. in jener Gegend gemachten
griechischen Niederlassungsversuchen und noch um
die Mitte des 5. Jahrh. der Kampf Motyes gegen
Akragas, das gerade die frühe motyenische Münz-
prägung so stark beeinflußt hat. Vgl. Meltzer, Aus
d. klass. Süden 59 und Holm III, 601. — F. v. Duhn
verweist mich dagegen auf das häufige Vorkommen
griechischer Scherben und Terrakotten mitten
in punischer Sphäre auch in Karthago.
»3*
j32 * H. Thiersch, Eros von Motye.
die ein solches Heiligtum aufzeigen mit griechischen Formen, und zwar schon ein volles
Jahrhundert vor den von Diodor geschilderten Ereignissen. Die von Imhoof- Blumer,
Wiener Num. Zeitschr. 1886 Taf. VII, 5,hier Abb. 3, abgebildete Münze von Motye (mit
phönikischer Namensbeischrif t) zeigt eine in langem, ionischem Chiton ^) gekleidete Frau
anbetend und mit einem Zweig in der L. vor einem Altar. Dieser, auf zwei Stufen
stehend, hat die gut griechische Form eines giebelförmigen Abschlusses oben an den
Seiten, ganz so wie z. B. auf den Münzen von Selinus oder Himera. Es handelt
sich, konkret gefaßt, um ein für die ganze Stadt wichtiges, wenn auch nicht aus-
schließlich von Griechen, doch jedenfalls auch ihnen verehrtes Heiligtum. Diese Opfer-
szene ist älter und altertümlicher als die sonst ganz entsprechenden auf den Münzen
von Himera, Selinus und Segesta, wo es immer die als Nymphe oder Heros dar-
gestellte Personifikation des Ortes selber ist, welche das Opfer
zum Heile der ihrem Schutze unterstellten Stätte darbringt.
Vgl. Lederer, Tetradrachmenprägung von Segesta 51. Dieser
sich aus solch weiterem Zusammenhang ergebenden Auffassung
des motyenischen Münzbildes steht nicht unbedingt entgegen
der sonst sich wie von selbst anbietende Schluß, daß hier ein
Heiligtum gemeint ist, dessen Pflege sich vor allem die Frauen
Abb. 3. Münze von angelegen sein ließen.
Motye mit Frau vor Kehren wir zunächst zu unserem Köpfchen zurück. Die
Altar (vergrößert). Gesamthöhe (Kopf und Hals) beträgt 6,4 cm, für den Kopf
allein 4,4 cm, die Gesichtslänge (vom Kinn bis zur Scheitelung
der Stirnhaare) 3,4 cm, die Entfernung vom Kinn bis zur Nasenspitze gerade die
Hälfte: 1,7 cm. Die größte Breite mißt 3,8 cm, die Breite des Gesichts allein (an
den Brauen) 3 cm. Die Tiefe des Kopfes (von der Nasenspitze bis zur Nacken -
schleife hinten gemessen) 4,5 cm.
' Das Köpfchen ist in seiner Form vollständig erhalten, auch die Nase völlig
intakt. Nur die besonders aufgelegte Haarbinde fehlt jetzt, bis auf einen anscheinend
geknoteten Rest ganz hinten im Nacken (vgl. Abb. 4). Der lange gerade Hals hat
nur vorne eine leichte Modelherung, sonst einen fast viereckigen Querschnitt und
zeigt unten herum überall Bruchrand, der hinten höher hinaufsteigt und auffallender-
weise etwas nach außen schwingt, weiter hinausragt, als hätte einst hier noch
etwas angesessen.
Der rötlichbraune lederfarbene Ton ist so dicht, fein und homogen wie bei
den besten attischen Vasen. Schwarzer Vasenfirnis hat, wie es scheint, einst auch
die ganze Oberfläche überzogen. Nur oben auf dem runden Schädel deckte er nicht
ganz die Fläche. Dies war auch nicht nötig, da die ganze Haarmasse mit Gold über-
zogen war, von dem jetzt noch Reste in den Windungen und Enden der Locken
') Man ist versucht, dabei an die speziell heißt »Spinnerei«. Die Textilindustrie des schafe-
sizilischen Leinenchitone zu denken, welche reichen Siziliens verarbeitete sonst Wolle. Noch
Bliinmer, Gewerbl. Tätigkeit d. kl. Altert. S. 124 in der Todesstunde Motyes erscheinen seine
anführt, und die mit punischer Buntwirkerei zu- laOrj«; 7:oXuTeXet; xai t^« aXKrfi e68«ifJiov(ac
sammenhängen könnten (vgl. ebenda). Motye idf^öoc (Diod. XIV, 53).
H. Thiersch, Eros von Motye.
183
der rechten Seite deutlich erhalten sind. Während die Wölbung des Schädels, der
ganze Oberkopf, eine glatte, ungeghederte Oberfläche hat, ist der dichte Locken-
kränz, dessen einzelne Locken unmittelbar unterhalb der jetzt fehlenden Tänie
plastisch aufgesetzt sind, aufs sorgfältigste mit dem Modellierholz durchgearbeitet.
Die Oberfläche war über und über mit Erdsinter bedeckt gewesen, der leider
so ungeschickt mit hartem Instrument entfernt worden ist, daß diese »Reinigung«
dem Ganzen sehr geschadet hat. Das unruhige, fleckige, ungleichmäßige Aussehen
jetzt wirkt auch in der Photographie noch störend. Auch durch Aufblasen trockenen
Puderstaubes, wie es Herr Lektor M. Ferrars,
dessen Güte ich die Aufnahmen verdanke,
vorsichtig versuchte, hat sich das nicht
wieder gut machen lassen. Erst ein Gips-
abguß würde dem ursprünglichen, reinen
Eindruck der Form wieder näherkommen.
Schon technische Merkmale also heben
das feine Werkchen aus der Masse des
Gewöhnhchen heraus ^). Die Qualität des
Tones, der dunkelglänzende Firnisüberzug,
die Vergoldung des metallisch scharf zise-
lierten Haares, die etwas größeren Ab-
messungen lassen auf ein wertvolleres
Weihgeschenk, wenn nicht auf die Nach-
bildung eines größeren Bronzewerkes, so
doch auf die Ersatzleistung für ein solches
in bescheidenen Verhältnissen schließen.
Solch tönerne Surrogate mit eben diesem
bei Terrakotten so seltenen schwarzen
Vasenfirnisüberzug, der zweifellos die dunkle
Bronzepatina imitieren will, sind als rein
griechische Arbeiten bisher keineswegs
häufig und wohl sicher als Kult- oder
Weihebilder kleinerer HeiHgtümer aufzufassen 2). Das bedeutendste Beispiel
Abb. 4. Erosköpfchen aus Motye, von hinten.
1) R. Zahn schreibt mir dazu: »Zu dem sizilischen
Köpfchen kenne ich keine Parallele. Die Technik
ist ja ganz sonderbar; sie erinnert an die schwarz-
gefirnißten Gefäße mit aufgelegtem Goldschmuck.
Aber figürliche Produkte dieser Art habe ich nach
meiner Erinnerung nie gesehen. Wir haben wohl
kleinasiatische Statuetten, die Motive der großen
Plastik wiedergeben und ganz vergoldet waren;
aber Firnisüberzug haben sie nicht.«
2) Richtig erkannt von Furtwängler, Bronzefunde
von Olympia S. 90 an dem Zeusköpfchen aus
Olympia III, Taf. VII, 4 u. Abb. 37. Der Einwand
Treu's dagegen (ebenda S. 36) ist nicht stichhaltig,
in der Neuausgabe von Furtwänglers kleinen
Schriften (I, 408) darum auch nicht berücksichtigt.
Ein weiteres Beispiel ist der schwarzgefirnißte,
viel jüngere Terrakottakopf des S. Chigi in Siena
bei Milani, Studi e Materiali I, 148 nr. 38. Noch
wichtiger der athletische Statuettentorso lysippi-
schen Stils im Münchner Antiquarium, Christ,
Dyroff, Thiersch, Curtius: Führer (1901), S. 20
Nr. 505. Vgl. auch Deonna, Statues de Terre-
cuite 25 £E. Bei solchen keineswegs häufigen
Terrakotten ist zunächst nur das Haar vergoldet,
jgA H. Thiersch, Eros von Motye.
dieser seltenen Gruppe ist der erst vor kurzem gefundene Torso aus dem
Heiligtum der Pasikrata in Demetrias - Pagasai, welcher die Göttin fast
lebensgroß darstellte und noch aus dem 5. Jahrh. stammt '). Gerade
im Westen aber stand im 7., 6. und 5. Jahrh. die Terrakottaplastik in hoher Blüte.
Sizihen, das gar keinen eigenen Marmor und nur stellenweise brauchbaren Kalk-
stein besitzt, dagegen fast überall gute und reiche Tonlager, ist daran ganz wesentlich
beteiligt 2). In Etrurien ist der Ton das kanonische Material für die großen Kult-
bilder der Staatstempel, und in der entscheidungsreichen Zeit vom Anfang des
5. Jahrhs. werden die griechischen Künstler Damophilos und Gorgasos nach Rom
zu ebensolchem Auftrag gerufen 3). So führt alles darauf hin, in unserm Köpfchen
den Rest eines Weihgeschenkes aus einem bescheidenen Heiligtum, vielleicht der
kleinen Griechenkolonie, zu Motye zu erkennen, wenn nicht geradezu einer Kult-
statuette aus einer der dortigen Kapellen. Gegen eine Grabbeigabe spricht auch
der Umstand, daß auf der kleinen, nur 2 km Umfang messenden Insel Bestattungen
kaum zugelassen gewesen sein werden, wie denn Gräber bisher auch nur auf dem
sizilischen Ufer nö. gegenüber beobachtet worden sind. Vgl. die entsprechenden
Eintragungen auf den oben erwähnten Kärtchen.
Dem anmutigen Reiz, der von dem ausgezeichneten und für das frühe 5. Jahrh.
so charakteristschen Köpfchen ausgeht, besonders im Profil, wird sich niemand
entziehen können. Die Vorderansicht, welche durch Verletzung der Oberfläche,
namentlich an den Augen und auf den steil abfallenden Wangenfiächen, sehr ge-
litten hat, wirkt im Original weit besser und anziehender als auf der Photographie,
welche durch jene Beschädigungen merklich beeinträchtigt wird. Über die kunst-
geschichtliche Stellung kann kein Zweifel sein: die niedere Stirn, das sehr hohe
Untergesicht mit dem kräftigen Kinn und dem kleinen, aber lebendigen und tief
genau wie bei ihrem Bronzevorbild. Als später Haare nur vereinzelt vor, wie bei der Frau enstatu-
in hellenistischer Üppigkeit ganze Bronze- ctte aus EretriaimBrit. Mus. C 201 oder den Gorgo-
statuetten mit Vergoldung überzogen wurden, neien aus Naukratis, ebenda C 565. — Über archa-
wird auch dies in den Terrakotten imitiert. Bei- ische tönerne tixi-^n "kaxptlaz aus Sizilien (Gram-
spiele : Zeuskopf aus Smyrna mit Resten von Gold michele), bemalt und aufs sorgfältigste modelliert,
im Haar und Gesicht, Walters, Cat. of the Terra- vgl. Orsi, Mon. Acc. Lincei XVH (1906), 573.
cottas in the Br. M. C 445; der neu erworbene ') Vgl. Karo im Arch. Anz. 1914, 127 nach npoxxixdt
Herakleskopf in Boston, welcher ebenfalls aus 191 2, 196.
Smyrna stammend dem myronischen Herakles -) Vgl. Deonna a. a. O. 44 und Orsi, Mon. Lincei
nachgebildet ist, mit Goldresten im Gesicht: XVH (1906) 571 fF. u. 688 ff. »In tutti i monu-
Museum of fine Arts, Report for 1914, S. 95 menti della civiltä greca la coroplastica ebbe la
Nr. 14732. (Bei diesen kleinasiatischen Statuet- preferenza suUa plastica.« »Gela e la cittä della
ten, die ganz vergoldet Motive der großen Plastik creta per escellenza.« Vgl. die Reste tönerner
wiedergeben, scheint aber der schwarze Vasen- Reliefmetopen ebenda Tav. 48.
firnisüberzug zu fehlen. Vgl. oben 183 Anm. i. 3) Vgl. zuletzt Roßbach bei Pauly-Wissowa IV, 2077
Für die polykletische Diadumenosstatuette aus und Amelung bei Thieme-Becker, Allg. Lexikon
Smyrna JHS 1885 pl. 61 gibt Murray nur Ver- d. bild. Künstler VIII, 331, wo betont wird, daß
goldung an der Tänie, aber keinerlei Firnis an. D. u. G. dorischen Kreisen entstammten und mit
An bunt bemalten Terrakotten kommen vergoldete dem ionischen Damophilos von Himera nichts zu
tun haben können.
H. Thiersch, Eros von Motye.
185
eingesenkten Mund — wie voll und atmend sind die Lippen und wie schelmisch
ist der rechte Mundwinkel etwas in die Höhe gezogen! — , die gerade, etwas
vorspringende Nase, die scharf gezogenen Brauenbogen, die hochgehenden Ober-
lidränder, die streng horizontalen Augenachsen, die schmalen Wangen, die weichen
Lockensträhnen, auch hinten im Nacken nicht länger als über
den Ohren, die sie vollständig bedecken: alles bester strenger Stil
der ersten Hälfte des 5. Jahrh. v. Chr.
Der Ausdruck und die Formen des Gesichts, dazu die Haar-
tracht, kennzeichnen deutlich einen kindlichen Knaben, jedenfalls
eine so große Jugendlichkeit, daß die Deutung nur auf Eros
lauten darf. Auch Eros ist ypodoyaCxai;, )(puaox6}j,Yj? ^), nicht nur
Apollon, für den man mehr jünglingshafte, männliche Kraft er-
warten müßte. Nun liegt, wie ein Blick auf die Karte lehrt,
das berühmteste Aphrodite-Heiligtum vSiziliens auf dem Monte
San Giuliano dem Fundort unseres Köpfchens ganz nahe, so daß die Vermutung,
der Kult dieser großen Göttin und ihres jugendlichen Sohnes sei von da
auch nach Motye gedrungen, sich von selbst anbietet und es überflüssig
erscheint, einen antiken Kunstraub, eine Verschleppung unserer Terrakotta vom
Abb. 5. Münze vom
Erj'x mit Aphrodite
und Eros.
Abb. 6. Kopf des Dornausziehers.
Eryx nach Motye anzunehmen. WahrscheinHcher ist es, daß die berühmte Erycina
schon früh auch in dem punischen Seekastell, d. h. bei seiner Griechenkolonie ein
Heiligtum besaß, vielleicht eben jenes, das die obengenannte Münze mit der an-
betenden Frau im griechischen Gewände meint (vgl. oben S. 182 Abb. 3) . In der Kapelle
dieser motyenischen Kultfihale des Eryx könnte unser Eros sehr wohl gestanden
haben. Jedenfalls ist es i;i diesem Zusammenhange bedeutsam, daß es gerade die
Münzen vom Eryx (vgl. Abb. 5) — und ihnen nachgebildet die seiner damaligen
*) Vgl. Anacr. frg. 14 Bergk, Anacreontea 41 (6), 12 Bergk, Euripides, Iph. Aul. 548.
i86
H. Thiersch, Eros von Motye.
Schutzpatronin Segesta'') — sind, welche die frühesten Darstellungen des Eros
auf Münzen überhaupt darbieten ^) : vor der sitzenden Mutter mit einer Taube
auf der Hand steht zu ihr aufblickend der Flügelknabe, einen Zweig haltend,
dasselbe Attribut also, wie es jene Frau von Motye vor ihrem Altar auf der
Münze anbetend darbringt.
Will man für unser Köpfchen bestimmte Stilphasen oder -richtungen mit
bestimmten Namen nennen, so darf man sagen, daß es noch mehr mit der Weise
Abb. 7.
Abb. 8.
Marmorkopf in Neapel.
des Kritios und Nesiotes als der des Kaiamis zusammengeht, welcher in allen ent-
scheidenden Punkten jünger, weicher und entwickelter angemutet haben muß, als
es hier der Fall ist. Die Art, wie die Stirnhaare dicht an die Brauen herankommend
fast die ganze Stirn bedecken und mit dem unteren Ende ihrer gewellten Strähne
') Über das Verhältnis von Eryx und Segesta vgl,
zuletzt Lederer, Tetradrachmenprägung von Se-
gesta S. II und Hülsen bei Pauly-Wissowa VI,
603. Im Anfang des 6. Jahrhs. scheint po-
litisch wie künstlerisch noch Akragas maßgebend
für Eryx gewesen zu sein. Vgl. Head, Hist. Num.*
138. Die genaue Lage von Stadt und Heilig-
tum festgestellt von Kromayer: Klio IX 1909,
Gardner, Types
461 — 477, mit Karte und richtiger Einschätzung
des reichen, durch eine Grabung hier zu er-
hoffenden Ertrages.
2) Vgl. Riggauer, Eros auf Münzen, Inder Zeitschr. f.
Num. VIII, S. 72 Taf. I, i — 3. Auf den jüngeren
kleineren Prägungen schwebt Eros liebkosend auf
die sitzende Mutter zu. Die schöne Tetradrach-
monprägung auch bei Holm III, Taf. IV, 13 und
pl. VI, 3.
H. Thiersch, Eros von Motye.
187
sich spiralig einrollen, erinnert mehr oder weniger an den »blonden« Jünglings-
kopi von der Akropolis, die Hestia Giustiniani, die vatikanische Wettläuferin, die
esquihnische Venus, die Penelope und den Wagenlenker im Konservatorenpalast.
Auch die Olympiaskulpturen (Apollon, Sterope, Greis) folgen noch demselben
Prinzip, doch sind die Einrollungen der Lockenenden dort bis zu drei Reihen ge-
häuft, mehr noch also als dies bei den obengenannten Analogien und dem Apoll von
Piombino z. T. schon der Fall war. Ebenso beim »Splanchnoptes«'). Das Haar des Dorn-
ausziehers (Abb. 6) ist im ganzen ebenso ge-
schnitten wie bei unserem Eros, die Locken
aber sind freier bewegt und über der Stirn
in den bekannten Schopf zusammengebunden.
Bei der graziösen Wiegandschen Spinnerin
ist der Schnitt der Haare wieder überaus
ähnlich, die einzelnen Strähnen aber ver-
laufen schlichter und natürlicher 2). Im
selben Sinne einer jüngeren Weiterentwick-
lung sind die Stirnlocken des Omphalos-
apollo natürlicher gehalten, anders gruppiert
und lassen von der hohen Stirne schon viel
mehr durchblicken 3). Inder zierlichen Regel-
mäßigkeit der Locken, die bei unserem Eros
vollständiger noch als bei dem Jünglings-
kopf der Stele von Abdera Stirn, Schläfen, Abb. 9. Kopfansicht eines Jünglings von einer
Ohren bedecken, ist, besonders was die symme- selinumischen Metopenplatte.
trische Scheitelung über der Stirnmitte an-
langt, zweifellos die Weiterführung einer archaischen Haartracht zu sehen,
wie sie z. B. der noch archaische Jünglingskopf der Akropolis, Lechat,
Au musee d'Athenes p. 2>n Fig- 40, der Kopf Rampin und auch einige
der »Tanten« zeigen 4). Dieselbe gescheitelte Stirnfrisur, aber schon etwas
freier gelegter Wellensträhnen, die im Nacken ebenso weit herabfallen wie bei
unserem Eros, weist dann der strenge Jünglingskopf in Neapel, Ruesch, Guida
Nr. 102 (hier Abb. 7 und 8)5) auf, mit einer Häufung der Lockenspiralen aller-
dings und einer beginnenden Freilegung der Stirnmitte, die auch darin eine schon
etwas jüngere Stilstufe als unser Eros verrät. Überaus verwandt dagegen ist seiner
Frisur die wieder archaische Ringelung der Nackenhaare an dem Fragment der
Marmorsima vom alten Artemision zu Ephesos, Hogarth, Excavations pl. XVH, 15.
Unter allen Skulpturen steht dem Eros stilistisch, zeitlich und örtlich sicher am
*) ^S^- ^'^ Detailaufnahmen Arndt, Einzelverkauf
627—628.
') Vgl. 73. Berliner Winckelmannsprogramm 1913
Taf. I— IV.
3) Vgl. z. B. die Detailaufnahmen des Kopfes bei
Arndt, Einzelverk. 625 und 626.
4) z. B. bei Schrader, Archaische Marmorskulp-
turen S. 20 Fig. 17 (chiotisch), S. 26 Fig. 22
(attisch).
5) Phot. d. röm. Inst. Nr. 905/6 und Arndt, Einzel-
verk. 505/6, darnach bei Studniczka im Jahrb.
191 1, S. 186 u. 187, Abb. 86 u. 89.
l38 H. Thiersch, Eros von Motye.
nächsten die selinuntische Metopenplatte Mon. Accad. Lincei I, p. 248 (hier Abb. 9), welche
noch etwas altertümhcher als.die Heraionmetopen von Sehnus gehalten ist ^), Auf
diesem leider vereinzelten Metopenfragment hat der Jüngling mit. dem Petasos
genau denselben Schnitt genau so gewellter Ringelhaare, dieselbe Zeichnung der
Augen und des Mundes, dieselbe Schmalheit der Wangen, dieselbe Kräftigkeit des
Kinnes. Weiter sind in der Profilführung vielfach verwandt die strengen Köpfe
der sizihschen und unteritalischen Münzen, vgl. besonders die archaischen .Nymphen -
köpfe von Segesta (Holm III, Taf. 2, 14 und 15; hier Abb. 10). Verwandt ist im
Schnitt der Haare — nicht so auch in deren schon freierer Stilisierung — be-
sonders der Apollokopf von Leontinoi (Abb. Ii)^) und der Kopf des Flußgottes von
Gela3): die Ohren verschwinden ganz unter
den Locken, welche wie beim Eros auch
im Nacken noch halblang herabreichen,
dagegen die Stirne schon etwas freier
lassen. So führt eine genauere Betrach-
tung der Einzelheiten aus dem weiteren
Kreis allgemeinerer Ähnlichkeiten wieder
Abb. 10. Münze von Abb. ii. Münze von . ^. ...
c ^ -.TVT u T *• • * A 11-. nach Sizilien zurück.
Segesta mit Nymphen- Leontmoi mit Apollo-
kopf, köpf. Zu diesen allgemeinen Zügen der Zeit
wäre noch zu zählen die eigentümliche
Ungleichheit in der Haarbehandlung oben auf dem Schädel und dann unterhalb
der Kopfbinde im plastisch aufgesetzten Lockenkranz, eine Differenzierung, die
dazu führen konnte, irrtümlicherweise zuweilen eine Stoffkappe oben auf dem Schädel
anzunehmen. Bei unserem Eros ist diese technische Ungleichheit aus der Ver-
schiedenheit der Herstellungsweise der beiden Partien leicht erklärlich (siehe oben),
aber dieselbe Differenzierung in der Haarbehandlung findet sich in der Zeit des
archaischen und strengen Stils auch sonst, bei Terrakotten sowohl wie bei Bronzen,
Marmorskuplturen und -reliefs. Es mag sein, daß sie gerade in der Tontechnik
ihren natürlichen Ursprung hat und von da dann auch in die Arbeiten aus anderem
Stoff übernommen wurde, wo sie jedenfalls nicht ohne weiteres aus diesem her-
aus verständlich ist, auch wenn sich Vereinfachung der Arbeit an dieser weniger
sichtbaren Stelle als Entschuldigung anführen läßt oder sicher ein Ausgleich durch
Bemalung gegeben war 4). Als Parallelen für den Kontrast einer entweder ganz
glatten oder nur flach ziselierten Schädelkappe und einer unterhalb des Haar-
bandes erst vollplastisch behandelten Haarmasse seien hauptsächlich genannt der
unserm Eros in seiner Strenge verwandte Bronzekopf aus Herculaneum, Compa-
retti e Petra T. VII, i; von älteren Werken: der Kleobis und Biton des Polymedes
von Argos in Delphi, der Kalbträger der athenischen Akropolis, die Sphinx von
der Akropolis Nr. 632 (vgl. Dickins p. 177), der altattische Poroskopf im
') Vgl. Katterfeld, Metopenbilder S. 50. sonders die Hinterseite des Gigantenkopfes vom
-) Vgl. Holm ni, Taf. IV, 2. Hekatompedongiebel, Wiegand, Arch. Poros-
3) Vgl. Head, Coins pl. 16, 24. skulptur S. 138 Abb. 129. Eine wirkliche Kappe
"*) Vgl. Lechat, Au musee d'Acropole p, 200 und bc- glaubtOrsizusehenMon. Accad. Line. 1907, p. 139.
H. Thiersch, Eros von Motye.
189
Abb. 12. Tonrelief im k. Antiquarium zu München.
Louvre, Gaz. arch. 1887 pl. 11, die Köre Akropolis Nr. 669 und die des Euthydikos;
der Hermes Propylaios des Alkamenes; der Bronze-Poseidon aus Kreusis, der
Bronzekopf in Boston, Perrot VIII 173 Fig. 92; die Alxenorstele von Orcho-
menos, die Mädchenstele in Berlin (Winter, Kunstgesch. in Bildern 213, i),
die Köpfe der 'olympischen Löwen-, Vögel- und Atlasmetope; endlich von
sizilischen Werken der vereinzelte Marmorkopf aus Selinunt, (Festschrift
für Benndorf Taf. 6), die eingesetzten Marmorköpfe der selinuntischen Köpfe
(ebenda S. 124, Profilansicht) und der Kolossalkopf der ludovisischen Aphro-
dite I), der in manchem unserm Eros wieder besonders nahesteht, nicht
nur in der geraden Steifheit des kräftigen Halses. Bei aller Verwandtschaft
in den Proportionen des Gesichts kommt da aber auch der charakteristische Unterschied
der Geschlechter deutlich zum Ausdruck: beim Eros liegt die größte Breite des Ge-
sichts in der Brauen- und Schläfenhöhe, bei der Hera in Backenknochenhöhe. Der
Mund des Eros ist wesentlich schmaler, aber voller gebaut. Die Mundwinkel sind
in beiden Fällen nur ganz unmerklich, nicht mehr archaisch in die Höhe gezogen,
natürlich und tief eingesenkt. Die Oberlippe mit kräftiger Mittelfurche springt
etwas über die Unterhppe vor, welche wieder durch ein Grübchen unterhalb lebhaft
I) Vgl. Mon. d. Insl. X, Taf. i und Amelung in
Helbigs Führers. Aufl. II, S. 84, welcher darlegt,
daß Ober- und Hinterkopf mit einem Mantel
von Metallblech verdeckt war. — Die Seiten-
ansicht der Monument! gibt das Profil leider
nicht in voller Drehung wieder.
ipo
H. Thiersch, Eros von Motye.
hervorgehoben wird. In diesen Zügen, die besonders in der Profilansicht
lebendig wirken, sind auch die Köpfe des Bostoner Gegenstücks vom ludovisischen
Thron ^) — vom Eros selbst dort mit seinem sehr voll und weich gerundeten Enface-
gesicht abgesehen — recht verwandt.
Wer sich den Eros von Motye in voller Gestalt vorstellen, seine ganze Körper-
lichkeit im Geiste wieder aufbauen will, darf sich zunächst halten an die kleineren,
gleichzeitig entstandenen Erosdarstellungen strengen Stils der schönen korinthischen
Standspiegel, deren Trägerin Flügelknaben kosend umflattern -), wie Aphrodite im
Abb. 13. Abb. 14.
Erosfiguren von der Erichthoniosvase in München.
») Vgl. Ant. Denkm. d. Inst. III, Taf. 7 u. 8 und
besonders die Einzelabbildungen bei Studniczka,
Jahrb. 1911, S. 126, 127 u. 187. Auch jetzt
noch scheint mir der köstliche Marmoraltar zur
west-, nicht zur ostgriechischen Gruppe der
ionischen Kunst zu gehören und die Zugehörigkeit
zu Sizilien und dem Eryx immer noch das Wahr-
scheinlichste. Mit Recht hebt Amelung (bei Hei-
big, Führers II, S. 76) die große stilistische Ähn-
lichkeit mit den Tonreliefs aus Locri Epizephyrii
stärker hervor. Leider aber neigt er immer noch
zu der »Thron« -Auffassung hin. Nach den male-
risch empfundenen Prägungen von Segesta (Hund,
Jäger, Nymphe am Altar), dem wenn auch vor-
wiegend nur im Mythos erhaltenen Hinweis auf
einen alten Zusammenhang mit Kleinasien (vgl.
S. 10 u. II,
besonders Holm 1, 86 ff. u. 374 (ff.), der bewußten
Gegensätzlichkeit Segestas zu dem dorischen
Selinus und endlich seinem Hinneigen zu Athen
und den punischen Orientalen, schiene mir das
feine Marmorwerk als ein Werk ionisch orientierter
Künstler aus der »Elymerstadt« Segesta keine
Unmöglichkeit. — Hoffentlich erfahren die neue-
sten Verdächtigungen des Bostoner Gegenstücks
(E. A. Gardner, JHS 1913, 73 ff-) bald die gebüh-
rende Zurückweisung. Der Deutung auf Adonis,
Persephone und Myrrha kann ich mich freilich
auch nicht anschließen. — Vgl. übrigens jetzt
R.Norton, JHS 1914, 66 ff., der ebenfalls sizi-
lische und unteritalische Anklänge armierkt.
2) Vgl. zuletzt ihre Zusammenstellung bei Th. Wie-
gand, Bronzefigur einer Spinnerin, Anm. 8 u. bes.
Abb. 5 u. 6.
H. Thiersch, Eros von Motye.
191
Parisurteil des Hieron (WVBl. Ser. A, Taf. V); ferner an den Eros mit der Leier
auf dem bekannten schönen Relieffragment aus Locri Epizephyrii in München (Abb.
12)1) oder den Eros auf dem obengenannten schönen Tetradrachmon vom Eryx.
Dann aber auch an die vier anmutigen Erosknaben im Geranke der Erichthonios-
vase zu München (Abb. 13 und 14)^). Besonders das dort 1. unten zu sehende
Bürschchen mit sehr ähnlicher Haartracht — sein Gegenüber hat noch längere
Locken im Nacken — kommt unserem Eros überaus nahe. Mit so hochansetzen-
den großen Flügeln, die sicher auch vergoldet waren, wird auch der Eros von Motye
Abb. 15.
Erosköpfchen von Brauron.
beschwingt gewesen sein. Der eingangs erwähnte, eigentümlich scharf vorstehende
Bruchrand im Nacken findet so seine rechte Erklärung.
Die drei Eroten des Londoner Sirenenstamnos (Furtw.-Reichh. Taf. ,124) sind
nicht nur in einem vorgeschrittenen Altersstadium, sondern auch im Stil merkhch
herber, strenger und früher (um 480 v. Chr.) gehalten. Der Eros vom Bostoner
Altarstück ist wie im Gesicht, so auch im ganzen Körper ihr Gegenstück im ent-
gegengesetzten Sinne: alles ist kindlicher, weicher, gerundeter.
Wenn ich recht sehe, ist das Erosköpfchen von Motye die früheste bis jetzt
bekannte nennenswerte plastische Darstellung des griechischen Liebesgottes, der vor
500 V. Chr. in den Denkmälern überhaupt nicht nachzuweisen ist 3). Die einzige
großstatuarische, etwa gleichzeitige Darstellung, die wir aus jener Frühzeit bis jetzt
kennen, der Petersburger Eros, hat schon wesentlich anderen Charakter, voll wacher
Energie und rascher Bewegung 4). Seine ganze Haltung ist bedeutend freier; bei
I) Alte Abbildung bei Röscher, Myth. Lexikon I;
1351; besser nach Gipsabguß bei Pagenstecher,
Eros und Psyche Taf. I, Fig. a (Sitzber. Heid.
Akad. 1911). Unsere Abb. 12 nach neuer Origi-
nalaufnahme, die ich, wie die Erlaubnis, sie
abzubilden, der Freundschaft J. Sievekings ver-
danke, wofür ich ihm auch hier noch bestens
danken möchte.
*) Die Abbildungen mit Erlaubnis des Bruck-
mannschen Verlages aus Furtwängler-Reich-
hold Taf. 137.
3) Nach Furtwängler bei Koscher, I 1350; darauf
fußend Waser bei Pauly-Wissowa VI, 497.
4) Vgl. Arch. Zeitg. 1878, Taf. 16 und besonders
die Detailaufnahmen des Kopfes (nach dem Gips)
bei Studniczka, Kaiamis Taf. 8, b.
JQ2 F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
unserem Eros muß sie noch ganz frontal gewesen sein. Auch die Frisur ist
künsthcher, kompHzierter als hier. Doch scheint nicht viel mehr als ein Jahr-
zehnt zwischen den beiden Erscheinungen zu liegen. Furtwängler setzte den
Petersburger Eros um 460 an ^), der von Motye gehört eher in die Zeit noch etwas
vor als nach 470 v. Chr. Die in ihm verkörperte anmutige Knospe, von phidiasischer
Sonne dann zu voller Blüte entfaltet, stellt etwa das ein halbes Jahrhundert
jüngere Erosköpfchen von Brauron dar (Abb. 15)^)-
Auch in dem gesamten Terrakottenbestand Siziliens nimmt das Erosköpfchen
von Motye eine hervorragende Stellung ein. In Kekules Sammelband findet sich
kein einziges ihm gleichwertiges Stück der reizvollen strengen Übergangsperiode.
Auch was seitdem aus Sizilien an größeren Terrakotten bekannt geworden ist, kommt
ihm an stilistischer Feinheit nicht gleich, weder die z. T. noch altertümlichen Büsten
und Figuren Orsis aus Catania-Grammichele 3), noch seine Funde aus der Nekropole
von Gela 4) — abgesehen etwa von dem trefflich modellierten Fuß einer großen
Tonstatue 5) — , noch Rizzos statua fittile di Inessa ^), noch dessen jüngere Frauen-
büsten aus Akragas 7).
Freiburg i. Br. H, Thiersch,
ÜBER EINEN SPÄTANTIKEN SILBERTELLER MIT
MYTHOLOGISCHER DARSTELLUNG.
Einer im vorigen Jahre als Sonderabdruck aus dem zehnten Bande der
NorthumberlandCountyHistory erschienenen Abhandlung »An Account of the Roman
Remains in the Parish of Corbridge-on-Tyne« (Newcastle-upon-Tyne 1914) hat der
Verfasser, F. Haverfield, in dankenswerter Weise eine vortreffliche Abbildung der
»Corbridge Lanx« beigegeben, die endlich ein Urteil über das merkwürdige, der
Allgemeinheit bisher nur aus ungenügenden alten, auf den Holzschnitt im Lapi-
darium septentrionale nr. 652 zurückgehenden Wiedergaben bekannte Stück er-
möglicht. Der Text dazu (S. 517 — 519) ist knapp und nur vorläufig; ob Haverfield
seine Absicht einer ausführlicheren Veröffentlichung, die er mir brieflich mitteilte,
inzwischen wahrgemacht hat, kann ich nicht feststellen. Die folgenden Bemer-
kungen sollen ihr jedenfalls nicht vorgreifen, sondern beabsichtigen im wesentlichen
nur auf ein paar verwandte Stücke hinzuweisen und daraus gewisse Schlüsse zu
ziehen. Mit Vorgängern haben wir uns dabei nicht auseinanderzusetzen, da sich
') Meisterwerke der griech. Plastik 685. 4) Ebenda XVII (1906) tav. 48 — 53.
2) Festschrift für H. Brunn Taf. III u. S. 88 ff. 5) Ebenda S. 690, Fig. 514.
3) Mon. d. Lincei XVIII (1907), tav. IV— V. 6) Atti d. Accad. di Napoli 1904 (XXIII).
7) Österr. Jahreshefte XIII (1910), 63 fl., Taf. i u. 2.
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
193
Abb. I. Silberteller aus Corbridge-on-Tyne.
niemals jemand ernsthaft des Gegenstandes angenommen hat; ältere Literatur findet
man bei Haverfield, aus den letzten Jahrzehnten wüßte ich kaum mehr als einige
Zeilen von Mrs. Strong im Journal of Roman Studies I 191 2 S. 43 anzuführen.
Unsere nach Haverfields Lichtdrucktafel hergestellte Abbildung i gibt das Stück
etwa in einem Viertel der natürlichen Größe wieder. Die Maße, IQV2" xi5"> also
ungefähr 49,5 x 38 cm, entnehme ich, da Haverfield keine angibt, dem CIL VII
1286, wo die auf der Unterseite des Tellers eingeritzte Gewichtsangabe wiedergegeben
ist (dazu Eph. epigr. IX S. 659). Es scheint von 14 Pfund und vielleicht weiteren
Bruchteilen die Rede zu sein, was mit dem jetzigen Gewicht, nach der gleichen Quelle
.149 Unzen, also annähernd 4V3 kg, stimmen würde. Nach einem von Haverfield
angeführten Bericht brach der erste Besitzer »a rim or foot of the said plate« im
Gewicht von 8 Unzen (249 g) ab, vermutlich einen am Boden angelöteten Fuß, wie
ihn auch der unten zu nennende Teller von Risley gehabt hat, denn die Platte ist
intakt. Sein Gewicht kann im obigen einbegriffen, aber auch im Rest der Inschrift
besonders genannt gewesen sein. Das stattliche Gerät befindet sich im Besitz der
Herzöge von Northumberland, unter deren Tafelsilber es, wieder nach Angabe des
Corpus, aufbewahrt wird.
IQ4 F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
Haverfields Text hat sich fast ausschheßhch der Fundumstände angenommen.
Der Teller wurde im Jahre 1735 bei Corbridge hart am Ufer des Tyne von einem
Mädchen, das dort Reisig sammelte, gefunden, und zwar zwischen Kies und Schlamm
im Boden steckend, also an dieser Stelle vermutlich bloß angeschwemmt. Haver-
field bringt den Fund mit Recht in Zusammenhang mit einigen anderen Funden,
die, fast alle um die gleiche Zeit, unter denselben Umständen dort am Tyne ge-
macht worden sind. Schon um 1731 war nahe der Fundstelle unseres Tellers ein
»silver bassing« zutage gekommen, aber alsbald eingeschmolzen worden (Haver-
field S. 517, i). Ihm folgte in derselben Gegend 1733 »a small cup with two small
handles that a finger might have gone in each, with the figures of men and beas upon
the same«, das ein Spielmann beim Baden fand; das Stück ist verschollen (a. a. O.
S, 517, 2). Im Sommer 1736 kam gegenüber der Fundstelle des Tellers eine wenig-
stens in Zeichnung noch vorliegende runde Schüssel von 8V4" (21 cm) Dchm., 4"
(10 cm) Höhe und 20 Unzen (622 g) Gewicht heraus, deren flacher Rand mit sechs
Christusmonogrammen zwischen Rankenwerk verziert und außen von einer Reihe
von 57 Knöpfen eingefaßt war, alles auch sonst bekannte Dekorationsmotive (a. a. O.
S. 519, 4). Schließlich ist ein fünftes Silbergefäß zu nennen, das erst 1760 4 Meilen
unterhalb Corbridge bei Bywell im Tyne gefunden wurde und wiederum verschollen
ist. Zeichnungen lassen es nach Haverfield (S. 520, 5) erkennen als »a small ovoid
vase, shaped somewhat like a modern pepper-caster, four inches (10 cm) high«;
eine umlaufende Leiste trug in erhabenen Buchstaben die Inschrift DESIDfLRl
VIVAS. Damit ist die Reihe der bekannt gewordenen Funde zu Ende.
Es bedarf keiner langen Überlegung, um Haverfields Vermutung, es handle
sich hier um Teile eines und desselben Schatzes, beizutreten, mag er nun im Ufer-
rand vergraben und durch ein Hochwasser losgespült worden oder von Anfang an
im Flusse versenkt gewesen sein. Über seinen ehemahgen Umfang etwas behaupten
zu wollen ist natürlich unmöglich. Ebensowenig wissen wir von seinem einstigen
Eigentümer; mit Wahrscheinlichkeit ergibt sich einzig aus der Schüssel Nr. 4, daß
er Christ war und sich im 4. Jahrh. seines Besitzes erfreute. Da auch das an letzter
Stelle genannte Gefäß nach dem Namen des Beschenkten und überhaupt der Formel
mit ziemlicher Sicherheit ins 4. Jahrh. zu setzen ist, darf man wohl überhaupt von
einem Schatz des 4. Jahrh. reden. Der erhaltene Teller mag etwas älter sein, wenn
man auch kaum geneigt sein dürfte, ihn mit Haverfield ins i. oder 2. Jahrh. unserer
Zeitrechnung zu setzen; auch Nr. 2 der Liste, nach der Beschreibung ein zweihenk-
liger Becher mit Jagdszenen, macht einen älteren Eindruck; aber in solchen Schätzen
pflegen sich ja stets Stücke recht verschiedener Entstehungszeit zusammenzufinden.
Ebensowenig Bedenken gegen eine Zusammengehörigkeit braucht die Götterver-
sammlung unseres Tellers neben den christHchen Symbolen der Schüssel Nr. 4 zu
erregen. Wie wenig eifernd das 4. Jahrh. in dieser Richtung verfuhr, zeigt etwa
der Silberschrein des Secundus und der Proiecta aus dem Schatz vom Esquihn, auf
dessen Deckel über der Inschrift SECVNDE ET PROIECTA VIVATIS IN CHRISTO
Venus in der Muschel zwischen Tritonen, Eroten und Nereiden erscheint (Catalogue
of the early Christian Antiquities in the British Museum Taf. XIII ff., darnach bei
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. ige
Reinach, Rep. de reliefs II S. 491; auch bei Kraus, Gesch. der christl. Kunst I S. 216
und sonst). Die Kirche selbst hat keinerlei Anstoß am Besitz derartigen Silbergeräts
genommen. Harmlos sind noch die rein antiken Jagd- und Weideszenen eines Silber-
tellers übrigens der Form des unseren, den nach einer auf dem Boden angebrachten
Inschrift der wahrscheinlich um 400 lebende Bischof Exsuperius der Kirche von
Bayeux geschenkt hatte (Gaz. archeol. XII 1887 S. 80, Morin, Melanges d'archeol.
et d'histoire XVIII 1898 S. 363 ff. m. Taf. X, vgl. Bonner Jahrb. 118 S. 183, 5);
das 1729 in Risley Park, Derbyshire gefundene Stück ist jetzt verschollen. Mannig-
fache »Antiquitatis fabulamenta« wiesen die Gefäße des großen, um 1630 in Trier
gefundenen und alsbald eingeschmolzenen Silberschatzes auf, der nach zwei Patenen
mit Heiligenköpfen, die er enthielt, in christlichem, wenn nicht geradezu in kirch-
lichem Besitz gewesen sein muß (Wiltheim-Neyen, Luciliburgensia S. 120 f.; Holzer,
Der Hildesheimer Silberfund I S. 4f. ; Kraus, Die christl. Inschriften der Rhein -
lande I S. loi f. Nr. 195). Ein Teller mit der »fabula Andromedae« und der Inschrift
AVDENTIA NICETIO könnte das Geschenk einer frommen Matrone an den be-
kannten Trierer Bischof des 6. Jahrh. gewesen sein. Wieder etwas später als dieses
Datum fallen die beiden reichen Legate des Bischofs Desiderius (t um 621) an die
beiden Basiliken S. Stephan und S. Germanus seines Bischofssitzes Auxerre, denen
zusammen er nach Angabe seiner Vita die außerordentliche Menge von 540 röm.
Pfund, etwa 3V2 Ztr. Silbergeräts hinterlassen hat (Acta Sanctorum Octobr. XII
S. 3621., 364 f., vgl. Plath, Arch. Anz. VIII 1893 S. 147 f. und Morin a.a.O.).
Die dort gegebene genaue Aufzählung und relativ eingehende Beschreibung dieses
größtenteils, wenn nicht in seinem vollen Umfang antiken Schatzes, zeigt wieder
dasselbe Nebeneinander heidnischer und christlicher Bilder. Neben einem Missorium
— das ist in dieser Literatur der Name für die besonders häufigen, meist großen
und schweren Silberteller oder -platten ■ — , auf dem ein Kreuz zwischen zwei mensch-
lichen Figuren dargestellt war, ein Bild, zu dem man die Stroganoffsche Silber-
schale bei Diehl, Manuel d'art byzantin S. 297 Abb. 156 vergleichen mag, erscheinen
in Menge gleichartige Stücke mit rein heidnischen, oft naiv beschriebenen Szenen,
namentlich solche mit Jagd- und anderen Tierbildern, die man sich in der Art der
Bonner Jahrb. 118 S. 182 ff. zusammengestellten Gefäße vorstellen wird, dann z. B.
ein Missorium mit der »historia solis cum arbore et serpentibus«, eines mit der »historia
Eneae cum litteris grecis«, eines mit »Septem personae hominum cum tauro et litteris
grecis«, weiter ein Bacchovica genanntes Gefäß mit einem »homo cornutus et arbor
et duo homuntiones infantes in manibus tenentes«, eine andere Bacchovica mit
einem »piscator cum fuscina et centaurus cum opere maritimo« u. a. mehr. Das
Christentum hatte ernstlichere Gegner als diese Fabelgestalten zu bekämpfen; es
gilt ja immer zu bedenken, daß schon die Kaiserzeit die griechische Sagenwelt kaum
noch religiös gewertet hat.
Wenn wir oben mit Haverfield den Silberfund von Corbridge als Eigentum
eines Christen des 4. Jahrh. betrachteten, so könnte das eben Vorgetragene die
andere Möglichkeit an die Hand geben, daß wir es mit dem Rest eines frühmittel-
alterlichen Kirchenschatzes zu tun haben. Indessen hätte eine solche Deutung nicht
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. I^
ig6 F. Drexel, Über einen spätantiken Silbertelier mit mythologischer Darstellung.
eben viel Wahrscheinlichkeit für sich. Einmal schließt für uns der Schatz mit dem
4. Jahrh. ab. Dann aber liegen die Verhältnisse in Britannien doch recht anders
als in Gallien, es fehlt ihnen die Kontinuität der Kultur, die dort die Bewahrung
sowohl wie die Würdigung derartigen Silbergeräts ermöglicht und veranlaßt hat.
Um die dunklen Zeiten des keltischen Christentums zu übergehen, mag ja die angel-
sächsische Kirche des 7. Jahrh., von deren Besitz an »vasa pretiosa«, »aurea et argentea
vasa« allerhand bei Giemen, Bonner Jahrb. 92 S. 68 f. einzusehende Zeugnisse be-
richten, auch mancherlei gerettetes Gut aus dem ausgehenden Altertum ihr eigen
genannt haben; es darf auch daran erinnert werden, daß Corbridge in diesen Zeiten
eine wichtige Siedelung und im 8. Jahrh. zeitweilig selbst Hauptstadt von Northumber-
land ist, und mehr noch, daß wenige Meilen oberhalb am Tyne um das Jahr 673
Erzbischof Wilfried von York die reiche Abtei Hexham gründet; aber der Bruch
zwischen der römischen Periode des Landes und der Herrschaft der Angelsachsen
ist doch zu groß, um jene andere Auffassung des Fundes von Corbridge irgendwie
glaubhaft erscheinen zu lassen. Wir werden also gut tun, bei der ersten Deutung
zu bleiben; eine kleine Parallele zu dem Schatzfund bildet die Auffindung von 48
Goldmünzen von Valentinian I. bis zu Magnus Maximus, welche zusammen mit
einem goldenen Ring im Jahre 1907 zwischen den Ruinen von Corbridge gefunden
worden sind (Haverfield S. 493 f.); zur gleichen Zeit, gegen d. J. 400, mag der Besitzer
unseres Schatzes ihn im Ufer des Tyne geborgen haben.
Der von dem Schatzfund anscheinend als einziges Stück noch erhaltene Silber-
teller oder die Lanx, wenn wir ihm mit Haverfield den antiken Namen geben wollen
— das Mittelalter würde ihn, wie wir sahen, als Missorium bezeichnen — , zeigt die
nicht eben häufige und nach den mir bekannten Beispielen erst in der mittleren
Kaiserzeit aufkommende viereckige Form. Einen weiteren Vertreter habe ich oben
in dem Teller des Bischofs Exsuperius schon genannt; hier schmücken den Rand
Jagd- und Weideszenen, vom Boden wird nur die Mitte durch das kleine, ebenfalls
rechteckige Bild einer Eberjagd beansprucht. Weiter gehören hierher zwei »lances«
des Trierer Fundes: »Nona (lanx) quadrata et oblonga, omnigenam in ora venationem
et in medio simulachra fabulosa exhibebat, libras XHI. Decima item quadra rubi-
gine adesa, libras X«. Die Form der zahlreichen Missorien des Desiderius wird leider
nie angegeben. Ulpian (Digg. XXXIV 2, 20 § 4) redet von lances quadratae, Paulus
(ebda VI i, 6) unterscheidet die lanx quadrata und rotunda. Schon dem 5. Jahrh.
gehört die mit Granateneinlage verzierte und in der Mitte des Bodens ein großes
Kreuz tragende rechteckige Patene des Schatzes von Gourdon an (Clemen, Bonner
Jahrb. 92 S. 33 Anm. 68; Hampel, Der Goldfund von Nagy-Szent-Miklos S. 121
Abb. 63).
Zahlreich und in vielen Museen zerstreut sind Teller unserer Form aus röt-
lichem Ton, billige Nachbildungen von Edelmetallgeschirr. Ihre Zeit ist die gleiche
wie die ihrer Vorbilder, ihre Heimat jedenfalls der griechische Osten: wenn ein ge-
meinsames Zentrum anzunehmen ist, am ehesten Ägypten; eine zusammenhängende
Behandlung der Gattung fehlt noch vollständig. Den flachen Rand schmücken
mit Vorhebe Tier- und Jagdbilder, darunter gern Fische, ferner heidnische Götter-
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. igy
gestalten und Attribute, christliche Symbole. Umfänglichere Darstellungen sind
nicht so häufig; die drei mir bekannten sind sämtlich mythologischer Natur und zwar
dem weiteren troischen Sagenkreis entnommen. Einer von ihnen zeigt das Leben
Achills (Doublet et Gauckler, Musee de Constantine Taf. XII), der zweite, in Car-
nuntum gefunden und von Zingerle, Ost. Jahresh. X 1907 S. 330.ff sehr verfehlt
kommentiert, Odysseus' Kirkeabenteuer und der dritte, aus Thysdrus (El Djem)
stammende Priamos vor Achill (Arch. Anz. XXIX 1914S. 305/6, wonach hier in Abb. 2
wiederholt). Während die beiden ersten Szenen den Rand schmücken, ist die letzte auf
Abb. 2. Tonteller aus Thysdrus.
denBoden verwiesen; der Rand trägt hier Tierbilder. Der Teller von Thysdrus ordnet
sich also zusammen mit dem des Exsuperius und dem von Corbridge, und zwar
stellt er sich zwischen sie. Entwicklungsgeschichtlich am ältesten ist der des Exsu-
perius: hier liegt nach guter Sitte der Nachdruck noch auf der Dekoration des Randes,
das Mittelbild ist klein und schließt sich in der Darstellung den Randfriesen an.
Zugleich sieht man aus der formalen und inhaltlichen Übereinstimmung des Tellers
mit einer Reihe runder Silberteller (so Bonner Jahrb. 118 S. 182 IT. Nr. i, 2, 19),
daß es sich bei der viereckigen Form nur um eine vielleicht gegen 200 aufkommende
Variante der lances rotundae handelt. Die damit gewonnene rechteckige Mittelfläche
war erheblich bequemer als runde Flächen mit großen Reliefs zu dekorieren. Auf
dem Teller von Thysdrus hat das Mittelbild schon die Oberhand gewonnen, die
Tierbilder des Randfrieses sind verkümmerte Reste der alten Jagdszenen. Am
Ende der Entwicklung steht dann der Teller von Corbridge mit dem den ganzen
Boden füllenden Relief und dem schmalen, mit einer dünnen Weinranke dekorierten
14*
Iq8 f. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
Rand. Das Ganze wirkt wie ein gerahmtes Bild; der Gebrauchswert ist verloren
gegangen, da ja jede praktische Verwendung das Relief der Betrachtung entzogen
hätte; der Teller ist nur noch ein Prunkstück für den Kredenztisch.
Das große Bild ist nach einem bekannten Prinzip der spätantiken Kunst in
zwei Friesen übereinander angeordnet, die aber zusammengehören. Über die Technik
des Reliefs, ob getrieben, gegossen, auch ob wie bei den verwandten Stücken Ver-
goldung vorhanden, fehlen mir Angaben; die Abbildung macht Guß wahrscheinlich.
Der obere Fries zeigt eine Versammlung von fünf Gottheiten, von denen sich drei
ohne weiteres als Apollo, Artemis und Athena benennen lassen, und zwar sind die
drei Göttinnen in der Mitte bei den beiden sie einschließenden Geschwistern Apollo
und Artemis zu Besuch. Apollo steht in sehr statuarischer Haltung, die bis auf
die Kopfwendung genau dem Apoll vom Belvedere in der meist angenommenen
Ergänzung entspricht, nackt bis auf ein kleines Mäntelchen über der linken Schulter,
Lorbeer im Haar, einen Lorbeerzweig in der Rechten, den Bogen in der erhobenen
Linken, die Kithara neben sich, vor einem eleganten, wenn auch nicht eben von
einem Architekten gezeichneten Zweisäulenbäu, der seinen Tempel bezeichnet.
Neben dem Tempel steht eine Säule mit einer Kugel darauf, mit deren Deutung
wir uns nicht aufhalten. Unter der r. Hand des Gottes erscheint, die eine Säule
des Tempels teilweise verdeckend, ein merkwürdiger quergestreifter Aufbau in Form
etwa eines Kegelstumpfes, der doch wohl die mißverstandene Nachbildung irgend-
eines-sinnvollen Gegenstandes ist, ohne daß sich sicher erkennen ließe, welches Gegen-
standes; von einem Omphalos, an den man gedacht hat, ist er etwas weit entfernt.
Der zu dem Tempel gehörige Altar ist im unteren Friese angebracht, neben ihm
liegt das heilige Tier des Gottes, der Greif. Auch Artemis ist in ihrem — ländlichen —
Zuhause dargestellt. Unter einem von Singvögeln belebten Baum steht ihr Altar,
unten kommt eine Quelle in der bekannten spielerischen Urnenfassung zwischen
Felsen hervor, davor steht, zu seiner Herrin aufblickend, der Jagdhund der Göttin.
In der Mitte des unteren Frieses liegt in eigentümlicher Haltung das beiden Gott-
heiten gemeinsame heilige Tier, ein stattlicher Hirsch. Artemis trägt über dem
hochgeschürzten Jagdkleid ein Mäntelchen, in den Händen hält sie Bogen und Pfeil.
Der göttliche Besuch ist in der Mitte etwas zusammengedrängt. Athena hat
ihren Schild an den Baum gelehnt und macht, zu Artemis gewendet, mit der rechten
Hand eine sei es begrüßende, sei es ihre Worte unterstützende Bewegung. Rechts
hat eine Matrone mit über den Kopf gezogenem Mantel auf dem einzigen Stuhle
Platz genommen und wendet sich redend und gestikulierend zu Apollo. Die mittlere
Göttin steht, das Szepter in der Linken, den rechten Arm im Gewände, noch ruhig
Artemis zugewendet da.
Man hat die beiden noch namenlosen Gestalten verschieden gedeutet, so als
Pythia und Themis, als Vesta und Latona, als Demeter und Köre (Mrs. Strong
Journal of Roman Studies I 1912 S. 43, 3; Reinach, Rep. de reliefs H S. 436);
doch können wir diese Vermutungen übergehen, da sie lediglich aus dem Bilde selbst
herausgesponnen sind. Es scheint tatsächlich kein Mythus überliefert zu sein, der
eine solche Szene — Besuch dreier Göttinnen, darunter Athena, bei Apoll und Artemis
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. | gg
— beschriebe oder voraussetzte. Doch fällt es schwer, sich mit dem Gedanken an
eine bloße sacra conversazione zu begnügen; griechische Götter pflegen keine Höf-
lichkeitsbesuche auszutauschen; es muß irgendein Anliegen sein, das die drei her-
geführt hat.
Glücklicherweise tappen wir nicht ganz im Dunkeln. Auf einem Wiener Vasen-
Abb. 3. Rotfiguriger Krater aus Orvieto.
bild im Meidiasstil, das hier (Abb. 3) nach Arch. Jahrbuch IX 1894 S. 252, wo Klein es
behandelt hat, wiederholt wird, spielt sich aller Wahrscheinlichkeit nach der gleiche
Vorgang ab wie auf unserem Bilde. Links sitzt Artemis und steht Apollo, beide nach
ihrer ganzen Haltung und Umgebung hier zuhause und den aus drei Göttinnen be-
stehenden Besuch empfangend. Von diesen ist die mittlere an den Eroten als Aphro-
dite kenntlich, die ähnlich wie auf der »Corbridge Lanx« links sitzende und mit den
Geschwistern sprechende mit breitem Diadem, Schleiertuch und Szepter wird Hera
sein, nur für die Göttin rechts ist nicht ohne weiteres ein Name zu finden. Das Bild
schmückt die Rückseite eines Kraters, dessen Vorderseite das Parisurteil trägt;
zu diesem, nicht zu unserem Bilde gehören, wie Furtwängler-Reichhold I S. 143, 3
200 F- Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
bemerkt ist, Helios und Selene in der bekannten Funktion. Diese Verbindung mit
dem Parisurteil hat Klein a. a. O. zu einer Erklärung für das bis dahin ungedeutete
Bild benutzt; er sieht darin eine sonst unbekannte Szene der Kyprien, das Erscheinen
der drei Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite vor Apoll, der sie erst an Paris
als Richter verwiesen habe. In diesem Zusammenhang sind noch zwei weitere Vasen
zu nennen, die uns allerdings nicht viel helfen, eine Petersburger Pelike (jetzt bei
Furtwängler-Reichhold H Taf. 69), auf der Strube wohl richtig die aus dem Eingang
der Kyprien bekannte Beratschlagung des Zeus mit der Themis zur Entfachung
des Trojanischen Kriegs erkannt hat, und ein weiterer Wiener Krater, auf dem Benn-
dorf, Griech. und sizil. Vasenbilder S. 78 f. eine allerdings einigermaßen abweichende
Darstellung desselben Vorwurfs nachzuweisen versucht hat; mehr Literatur findet
man bei Klein. Furtwängler hat die Beziehung auf die Kyprien nur für die Peters-
burger Vase anerkannt, für die beiden anderen abgelehnt, für den zweiten Wiener
Krater selbst eine ganz verschiedene, aber keineswegs befriedigende Deutung ge-
geben (Sammlung Sabouroff I, Einleitung zu den Vasen S. 14 f.). Als positiven
Grund gegen Kleins Deutung des abgebildeten Wiener Bildes oder eine sich in derselben
Richtung bewegende hat er indes eigentlich nur die Waffenlosigkeit der Athena
angeführt. An sich hätte dieser Umstand nicht viel auf sich, denn auch im Paris -
urteil erscheint Athena auf Vasen mehrfach waffenlos (Welcker, Annali 1845 S. 143;
Alte Denkm. V S. 377) ; aber gerade im Parisurteil unserer Vase tritt sie bewaffnet
auf. Trotzdem wird man sich ungern entschließen, diese Diskrepanz zum Angel-
punkt der ganzen Frage zu machen, zumal da wir um die Annahme eines inneren
Zusammenhangs zwischen Parisurteil und unserer Szene doch nicht gut herum-
kommen. Wer in aller Welt soll dann die dritte, Hera und Aphrodite gleichgeordnete
Göttin sein.? Wie man sich also auch die zugrunde liegende Tradition im einzelnen
vorstellen mag, die Wahrscheinlichkeit spricht, glaube ich, doch für eine Erklärung
in Kleins Sinne: Hera, Athena und Aphrodite erscheinen mit irgendeinem im Zu-
sammenhang mit dem Parisurteil stehenden Anliegen vor Apollo und Artemis. Ob
die Szene auf die Kyprien zurückgeht, ist wieder eine andere Frage; die Tragödie
braucht als Quelle nicht ausgeschlossen zu werden.
Ich habe das Silberrelief von Corbridge bisher mit Bedacht beiseite gelassen.
Hätten wir Sicherheit, daß es die gleiche Szene darstellt wie die Wiener Vase, so
würde es die Frage nach der Benennung der dritten Göttin dort entscheiden; denn
hier enthält der Dreiverein eine unzweifelhafte Athena. An sich spricht ja alles
für die Identität des Vorgangs, es müßte denn ein merkwürdiger Zufall uns statt
zweier Darstellungen eines sonst unbekannten Mythus je eine zweier sonst unbe-
kannten, aber fast genau übereinstimmenden Sagenszenen aufbewahrt haben. Denn
abgesehen von der bewußten dritten Göttin decken sich die Figuren; ja, die matro-
nale sitzende Gestalt wiederholt sogar in der Haltung die Hera des Vasenbildes.
Aber wie kommt es, daß auf einem Relief der späteren Kaiserzeit, deren Typenschatz
sich doch sonst auf eine nicht allzugroße Reihe abgegriffener Sagenstoffe beschränkt,
plötzlich ein literarisch völlig unbekannter und uns nur durch ein attisches Vasen-
bild überlieferter Mythus wieder auftaucht.-^
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. 20 1
Es geht schon aus der Übereinstimmung der beiden sitzenden Gestalten her-
vor, daß hier keine hterarische, sondern eine bildliche Tradition zugrunde liegt.
Und versuchen wir einmal Komposition und Stil des Reliefs zu würdigen: sind denn
das Gestalten der Kaiserzeit? Gewiß, das Beiwerk ist in allem Wesentlichen nicht
vorher denkbar, aber die fünf Figuren un4 wie sie zusammengeordnet sind, das ist
viel ältere Kunst. Man macht sich das am besten klar, wenn man die Reihe der
Parisurteile zeitlich durchgeht, die ja im Durchschnitt aus fünf ganz ähnlich be-
schäftigten Gestalten bestehen; mit den römischen Darstellungen dieser Szene hat
unser Relief nichts zu tun, dagegen bedarf es nur geringer Phantasie, um sich seine
Gestalten in ein Vasenbild etwa zurückzuübersetzen, das sich zeitlich nicht so sehr
weit von der Wiener Vase entfernen würde. Unmittelbar vergleichbar sind hier,
wie schon bemerkt, die sitzende Göttin und Apollo mit dem Ölzweig, auch die Über-
einstimmung der Frisuren beachte man; manche Einzelheiten, namentlich des Falten -
Stils, scheinen in etwas jüngere Zeit zu weisen; ein genaues Datum für das Urbild
wird man nicht aussprechen wollen. Genau genommen besitzen wir also von unserer
Szene zwei rund um 400 v. Chr. entstandene Darstellungen, die eine im Original,
die andere in einer spätantiken Kopie. Die Kopie verrät sich auch in den mannig-
fachen Mißverständnissen, die namentlich die Gewandung der Figuren betroffen
haben; ihr Wurf ist dem Kopisten sichtlich ebenso unklar geblieben, wie er uns
aus der Kenntnis dem Urbild gleichzeitiger Werke heraus verständlich ist. Miß-
verstanden ist sicherlich, wie wir schon sahen, der Aufbau unter der rechten Hand
Apolls, mißverstanden und nicht mehr zu enträtseln der Gegenstand, den Hera
in der rechten Hand hält; denn Hera dürfen wir jetzt wohl die sitzende Matrone
benennen, ebenso wie Aphrodite die jugendhche stehende Frauengestalt, die übrigens
auf der Vorlage in der Rechten das sie vortrefflich bezeichnende Attribut einer Blüte
gehalten zu haben scheint, die dem Kopisten ebenfalls unverständlich geblieben
ist. Natürlich wird als Träger des angenommenen Urbilds unserer Szene kein zer-
brechliches und bescheidenes Tongefäß anzusetzen sein, sondern eine Arbeit in dauer-
hafterem Material, am ehesten in Edelmetall; man darf an die stilistisch etwas
älteren gravierten Silberschalen Compte-rendu de la Comm. archeol. 1887 Taf. I
I — 5 erinnern; sichtlich ist ja das Relief aus einer Zeichnung übersetzt.
Räumt die gewonnene Erkenntnis den anstößigen Zeitabstand zwischen den
beiden Werken aus dem Wege, so taucht nun die Frage auf, wie die Darstellung
die wohl sieben Jahrhunderte hat überdauern können, die Urbild und Kopie trennen.
Man könnte im Plinblick auf die bekannte Pliniusstelle von der Wertschätzung,
die die Meisterwerke eines Mentor, Mys und anderer zu seiner Zeit genossen (N. H.
XXXni 154 ff.), erwägen, ob hier nicht ein derartiges berühmtes Original zugrunde
hege. Aber abgesehen davon, daß von diesen Künstlern keiner vor dem 4. Jahrh.
gelebt zu haben scheint, widerstreitet einer solchen Annahme der Umstand, daß
wir es nicht mit einer bloßen Kopie, sondern mit einer Umbildung der ursprüng-
lichen Vorlage zu tun haben.
Diese Tatsache ergibt sich aus dem mannigfachen Beiwerk, das die Szene
belebt. Halten wir uns zur Rekonstruktion des Urbildes wieder an die Vasenbilder,
202
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mj'thologischer Darstellung,
SO mag es allerdings schon gewisse landschaftliche Elemente wie Baum und Altar,
auch heilige Tiere enthalten haben; selbst den Tempel Apolls erlaubt eine Schale
mit dem Parisurteil, auf der Paris unter einem ganz ähnlichen Bau sitzt (Röscher
III I Sp. 1615/16 Abb. 6) ihm zuzuschreiben — auf der Wiener Vase lehnt Apollo
Abb. 4. Silberne Amphora aus dem Schatzfund von Contzesti in Rumänien.
an einem Lorbeerstamm, sein Heiligtum wird außerdem noch durch einen Dreifuß
bezeichnet. Sonst aber gehört die ganze reiche Szenerie des Bildes in die Kaiser-
zeit, und zwar in einen ganz bestimmten Kreis hinein, von dem eine Reihe Denk-
mäler, ganz überwiegend Arbeiten aus Edelmetall, Bonner Jahrb. 118 S. 176 ff.
teils zusammengestellt, teils sonst genannt sind. Am festesten wird die Gruppe
zusammengehalten durch Einzelheiten eben des landschaftlichen Beiwerks, vor allem
durch zwei bestimmte Baumformen, die beide auf dem Teller von Corbridge in
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. 203
charakteristischen Beispielen vorkommen (a.a.O. S. 216 ff.). Man denkt an Alex-
andria als ihren Ausgangsort; nach der Verbreitung der Denkmäler ist er jedenfalls
im griechischen Osten zu suchen. Die Zeit dürfte im wesentlichen das 2. und 3. Jahrh.
n. Chr. sein. In diesem Kreise also ist das alte Bild in seinen reicheren landschaft-
lichen Rahmen eingefügt worden. Wir können aber aus der Masse von Monumenten,
die sich loser zu unserem Teller stellen, einige herauslesen, mit denen ihn engere
Beziehungen verknüpfen, und zwar sind es ein paar recht unscheinbare Einzel-
heiten, welche diese Verknüpfung herbeiführen.
Abb. 5. Silberschale aus dem Permschen Gouvernement.
Das Bild besitzt eine sehr reiche und feine eingravierte Innenzeichnung, die
leider auf unserer kleinen Abbildung nicht voll zur Geltung kommt. Zunächst wird
durch meist bogen- und halbkreisförmig verlaufende Schraffierung das Terrain an-
gegeben; in der linken unteren Ecke häuft sie sich und bedeutet im Verein mit etwas
Relief Felslandschaft. Überall sprießen Blumen und Kräuter aus der Erde; auf
punktierten Stengeln sitzt ein dickerer Punkt, ein Komplex von drei oder mehr
Punkten oder feinen Halbbögen. Das Blattwerk der Bäume ist mit punktierten
oder gestrichelten Linien oder einer Verbindung beider umzogen; überall an Stamm
und Ästen des großen Baumes wachsen punktierte Halbbögen heraus. Alle Gewänder
werden von feinen, einfach oder mehrfach punktierten Streifen eingesäumt und
durchzogen, ebenso der Schild der Athena, dessen Fläche wieder wie ihr Helm mit
204
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung,
Punktgruppen bedeckt ist, die Bögen von Artemis und Apollo, die Altäre, der Sitz
der Hera usw. Fein gravierte Innenzeichnung trägt der Tempel, die Quellurne,
der Greif und der große Vogel auf dem Baum, während die neun anderen Vögel
überhaupt lediglich durch Gravierung, nicht auch in Relief angegeben sind. Trotz
der Fülle kann man indessen nirgends von Überladung sprechen, aller Schmuck
ordnet sich bescheiden dem Ganzen unter.
Wir treffen alle diese Motive wieder auf den Bildern der großen Silberamphore
des Fundes von Contzesti bei .Dorohoiu im nördlichsten Teile Rumäniens (Anti-
quites du Bosphore cimmerien Taf. 40 — 42; Kondakof, Tolstoi et Reinach, Anti-
quites de la Russie meridionale S. 89 Fig. 117, wonach hier Abb. 4). Leider muß
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Abb. 6. Fragment eines Silbertellers aus Hammersdorf (Ostpreußen).
dieses ungeschlachte Prunkstück einer barbarischen Tafel der späteren Kaiserzeit
immer noch nach den akademisch glatten Stichen der Antiquites du Bosphore be-
urteilt werden; immerhin geben sie die Einzelheiten, auf die es hier in erster Linie
ankommt, sorgfältig wieder, Sie finden sich hauptsächlich auf dem mittleren Streifen
mit der Amazonenschlacht und dem Jagdfries auf der Schulter (dieser auch bei
Willers, Bronzeeimer von Hemmoor S. 158) und bestehen aus Gravierungen genau
der beschriebenen Art. Wie auf dem Teller von Corbridgc wird das Terrain durch
schraffierte Halbbögen angegeben, darauf wachsen aus Stengeln mit Dreipunkt-
endigung bestehende Blumen, die sich fächerförmig auseinanderfalten, gestrichelte
Linien umziehen die Konturen der Bäume, die ihrerseits den gleichen Typus wieder-
geben wie der Baum links im unteren Friese unseres Tellers, die Helme sind mit
Dreipunktgruppen verziert, Gürtel, Säume, Pferdeschmuck tragen die gleichen
Punktmuster wie die entsprechenden Teile unseres Bildes, mit besonderer Vorliebe
eine kräftigere Punktreihe zwischen zwei feinen. Soweit die Abbildung das zuläßt,
darf man auch im großen die völlige Übereinstimmung des Stiles konstatieren;
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. 205
von Einzelheiten vergleiche man die Gewandbehandlung mit den charakteristischen
mäanderartig verlaufenden Säumen, die Helme, die hohen Stiefel. Photographien
würden vermutlich überhaupt erkennen lassen, daß Amphore und Teller sich so
nahe stehen wie zwei Stücke, die nicht gerade von derselben Hand herrühren, nur
immer können.
Trotz der schlechten Abbildung, die mir allein zu Gebote steht (bei Kondakof
a.a.O. S.4i2Fig. 37i,nachCompte-rendudelaComm. archeol. i867Taf, n4,hierAbb.5),
wird es erlaubt sein, als weiteres Stück dieser Reihe eine Silberschale aus dem Perm-
schen Gouvernement, dessen Reichtum an derartigem Gerät bekannt ist, aufzu-
führen. Sie stellt einen Heros und eine Heroine, nach der geläufigen Deutung Meleager
und Atalante, mit Gefolge auf der Jagd dar. Das Terrain ist wieder in der bekannten
Weise angegeben, die Gräser und Blumen zeigen die beschriebene Ausführung, Ge-
wandsäume, Claven, Stiefel, Pferdeschmuck sind sichtlich ganz identisch charakte-
risiert wie auf den vorhergehenden Denkmälern. Im besonderen erscheinen die auf
dem Teller von Corbridge an Ästen und Stamm des großen Baumes hängenden
Halbbögen hier wieder. Am Original werden alle diese parallelen Züge noch viel
schlagender zutage treten als auf der dürftigen Abbildung.
In den gleichen Kreis gehören weiter zwei Fragmente vom Randfries eines
riesigen runden Silbertellers mit Vergoldung und Einlagen aus Niello oder Email
(der StofT ist nicht mehr festzustellen), die bei Hammersdorf im Kreis Braunsberg
(Ostpreußen) gefunden worden sind. Das größere Stück hat G, Hirschfeld in den
Sitzungsberichten der Altertumsgesellschaft Prussia zu Königsberg i. Pr. XLI 1884/85
S. ']'] ff. mit Taf. VI (darnach hier Abb. 6) veröffentlicht, zusammen mit Resten
eines zweiten Silbertellers desselben Fundes, den wir hier übergehen; das kleinere
ist erst später von A. Brinkmann in Privatbesitz entdeckt und für das Prussia-
Museum erworben worden; Photographien beider liegen mir vor. Die erhaltenen
Bilderreste gehören zu Jagdszenen. Auf dem größeren Fragment sieht man in leben-
diger Ausführung zwei Leoparden zwischen Felsen über einer erlegten Antilope;
ein Jäger mit Fackel und Hund dringt auf sie ein. Das kleinere Bruchstück zeigt
einen nach rechts eilenden Jäger mit Jagdspeer; vor ihm liegt ein kleiner Schild, weiter
rechts ist der Schwanz eines Hundes erhalten. Schon Hirschfeld hat die Verwandt-
schaft mit dem Jagdfries der besprochenen Amphore von Contzesti bemerkt. Es
kehren die bekannten Baumformen wieder, deren Laubwerk in der beschriebenen
Weise umrahmt ist; die Terrainangabe durch gestrichelte Bögen, die auf dem Jagd-
fries schon sehr gehäuft war, überwuchert hier fast den ganzen Raum; Punktreihen
begleiten die Claven der Gewänder und den Rand des Schildes, dessen Fläche wieder
Punktgruppen trägt. Daneben finden sich mancherlei Abweichungen von den vor-
genannten Vertretern der Gruppe. Genannt ist schon die gehäufte Schraffierung;
es fehlt das Gras- und Blumenwerk; namentlich aber sind die Bilder hier nicht in
Relief ausgeführt, sondern nur graviert; und zwar sind sämtliche Konturen zu-
nächst in Punkten angelegt gewesen, die dann erst zu Strichen verbunden wurden.
Die Hammersdorfer Fragmente vertreten also innerhalb des gleichen Kreises eine
etwas andersgeartete Richtung und Entwicklung.
2o6
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
Ein Denkmal der gleichen Richtung ist der von Strzygowski und Pokrowsky,
Etüde sur un monument byzantin trouve en 1891 ä Kertch (Materiaux pour servir
ä l'archeologic de la Russie 8, wonach hier Abb. 7) veröffenthchte »Silberschild von
Kertsch«. Er gehört zu der bekannten spätantiken Gattung als Geschenke verwendeter
Abb. 7. Der »Silberschild von Kertsch«.
Silberschalen mit den Bildnissen von Kaisern oder Feldherrn in verschiedener Aktion
(Graeven, Rom. Mitt. XXVIII 1913 S. 203 f.). Auf der vorliegenden Schale sieht man
einen Kaiser, nach Strzygowski Justinian, zu Pferde, von einer Viktoria geleitet und
von einem Leibwächter gefolgt. Das Bild ist gleichfalls nur graviert, und zwar in
genau der gleichen eigentümlichen Weise wie die Bilder des Hammersdorfer Tellers,
einer Weise, für die damals weder Hirschfeld noch der von ihm befragte Furtwängler
ein weiteres Beispiel aufzeigen konnten. Die Art der Vergoldung verrät hier wie
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. 207
dort die gleiche rein koloristische Tendenz, indem sie sich keineswegs streng an die
Konturen der auszuzeichnenden Gegenstände bindet. Daneben treffen wir dann
wieder die bekannten Einzelheiten, die gestrichelten Bögen als Terrainangabe, und
zwar wieder in der breiten Manier des Hammersdorfer Frieses im Gegensatz zu den
schmalen Streifen der ersten Gruppe, die charakteristische Verzierung der Säume,
Gürtel, Claven usw. mit einer dickeren Punktreihe zwischen zwei feineren; die Palme
der Viktoria ist behandelt wie die zypressenartigen Bäume der vorher beschriebenen
Stücke.
Die Kertscher Schale darf man wohl unbedenklich als das Erzeugnis einer
Konstantinopeler Werkstatt ansprechen. Der Hammersdorfer Teller ist ihr so eng
verwandt, daß man ihn, wenn nicht ebenfalls in Konstantinopel, so doch nicht weit
davon, also etwa im Gebiet des Schwarzen Meeres entstanden denken wird. Daß
die Meleagerschale und die Amphore von Contzesti aus dem gleichen Gebiete stammen,
ist von jeher angenommen worden. Wir hätten also Veranlassung, die geschilderten
Motive als Eigentümlichkeiten der Toreutik im Umkreise des Pontus anzusehen.
Nun wird man sich ja nicht ohne weiteres entschließen wollen, den Teller von Cor-
bridge dort im Osten entstanden zu denken, obgleich die Hammersdorfer Bruch-
stücke immerhin den Weg zeigen, auf dem er schließlich nach England gelangt sein
könnte. Aber mir scheint, daß, wer ihn aufmerksam vor allem mit der Amphore
von Contzesti vergleicht, doch nicht um die Annahme sehr enger Beziehungen her-
umkommt. Mit der »römischen Reichskunst« ist hier nicht geholfen; gerade der-
artige Einzelheiten, wie wir sie besprachen, pflegen, zuweilen in der hartnäckigsten
Weise, bodenständig zu sein. Bevor also nicht ein oder mehr Vertreter unserer Gruppe
aus dem Westen bekannt sind, möchte ich den Teller von Corbridge als Erzeugnis
einer pontischen oder auch, wenn er ins 4. Jahrh. gehören sollte ■ — ich will in dieser
Richtung keine Entscheidung treffen — , einer Konstantinopeler Goldschmiedewerk-
statt betrachten. Ich selbst habe mich nur immer wieder überzeugen können, daß
im Westen der ganzQ Motivenschatz unseres Kreises mit einer Ausnahme, auf die
ich noch zu sprechen komme, völlig unbekannt ist, und daß, was dort an Land-
schaftsangabe auf ähnlichen Arbeiten erscheint, einen wesentlich anderen Charakter
trägt; die Schale des Theodosius aus dem Jahre 388 (Strzygowski a. a. 0. Taf. V),
auf der Blüten u. ä. der gedachten Art vorkommt, ist zwar in Spanien, bei Merida,
gefunden worden, aber natürlich in Theodosius' Herrschaftsbezirk, also wohl wieder
in Konstantinopel entstanden. Vermutlich wird, wem mehr östliches Fundmaterial
und namentlich Smirnows großes Werk über das orientalische Silber zugänglich
ist, auch noch mehr Beispiele für unsere Richtung nachweisen können. Auf der
spätantiken Silberschale Arch. Anz. XX HI 1908 Sp. 155/6 Abb. 3, die wieder aus
dem Permschen Gouvernement stammt, wachsen z. B. zwischen den Blättern des
ßaumes, der die Hirtenszene beschattet, die bekannten Stengel mit Dreipunktende
heraus; namentlich aber scheint mir, daß der reiche, aus Punktreihen und -gruppen
zusammengesetzte Schmuck auf den Gewändern und dem sonstigen Apparat der
Könige der sassanidischen Silberschalen sich im Anschluß an die Gewandschmuck-
motive unserer Denkmäler entwickelt hat.
208 F« Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
Es gilt nun, die Probe auf das Exempel zu machen und zu sehen, ob der Teller,
auch abgesehen von den geschilderten stilistischen Merkmalen, seinen Platz im pon-
tischen Kreise findet. Man wird das bejahen dürfen. Wenn das Kopieren einer über
ein halbes Jahrtausend älteren Vorlage in Ländern, deren Kultur und Kunst unter
einem beständigen Wechsel steht, des Auffälligen genug hätte und wohl einer persön-
lichen Laune zugeschrieben werden müßte, ist ein solcher Vorgang in dem abge-
schlossenen Pontusgebiet, dessen Kunsthandwerk bis ins frühe Mittelalter hinein
von dem Typenschatze zehrt, den ihm seine Blütezeit hinterlassen hat, sehr erklär-
lich. Neben die Denkmäler tritt hier die anschauliche Schilderung Dios, der in seinem
Borystheniticus nicht ohne Teilnahme, aber doch mit dem Selbstgefühl des modernen
Menschen das altfränkische Wesen der vom kulturellen Leben des Mittelmeers so
gut wie abgeschlossenen Pontusbewohner beschreibt. Zurückgeblieben wie ihre
Kunst, die ja auch nur im Dienste der reichen Herren der Steppe steht, ist ihre
Bildung. In Homer und überhaupt im troischen Sagenkreise wurzelt sie, ganz als
ob wir noch im alten Griechenland wären; wenn, wie doch wohl angenommen werden
muß, dem Verfertiger oder Besteller des Tellers die Sage vom Besuch der drei Göt-
tinnen bei Apollo und Artemis bekannt war, so paßt eine solche Kenntnis sicher
besser in diesen Kreis als nach dem späten Rom. Wenn Dio weiter die Freude der
Leute dort an der Jagd hervorhebt, so denke man an die Hammersdorfer Fragmente,
an den Schulterfries der Silberamphore, an die Meleagerschale.
Mir scheint nun aber auch, daß wir noch mehr Beispiele eines solchen Kopierens
aus dem gleichen Kreise besitzen, und zwar wüßte ich ihrer zwei sicher namhaft
zu machen. Das eine ist die schon besprochene Silberamphore. Die überladene
Dekoration mit drei recht heterogenen Figurenstreifen mag ja in erster Linie dem
barbarischen Besteller zuliebe angebracht worden sein; aber sie sieht gar nicht neu-
erfunden aus, wenn man sich der griechischen Vasen mit ihrer Streifendekoration
und unter ihnen namentlich der unteritalischen Prachtgefäße oder, um bei den
Metallarbeiten zu bleiben, der pränestinischen Cisten erinnert. Versucht man, sich
die Amphore in ein solches Monument zurückzuübersetzen, so wird einem vor allem
klar, wie der Künstler zur Wahl der Vorwürfe für die verschiedenen Friese kam.
Die Amazonenschlacht, die so gar nichts mit den römischen Darstellungen dieses
Kampfes zu tun hat, ist vielmehr ein unmittelbarer oder mittelbarer Abkömmling
der großen Amazonomachien jener Vasen und Cisten, deren untergeordnete Friese
mit ihren Zügen von Tieren, Seewesen oder anderen in die zweite Linie des Interesses
gerückten Bilderstoffen das Material für die beiden anderen Friese hergaben, um
allerdings hier ohne Feingefühl als annähernd gleichwertig behandelt zu werden.
Gerade die Cisten mit ihrer speziellen Vorliebe für Tierkämpfe und Seewesen sind
hier besonders verwandt; auf dem Deckel der Ficoronischen Ciste erscheint eine
Jagd auf zwei Eber und ein Hirschpaar ganz im Typus des Jagdbilds der Amphore.
Es ist wohl nicht zu unvorsichtig, hier eine gemeinsame Wurzel vorauszusetzen,
griechische Metallgefäße etwa des 4. Jahrb., von denen einerseits die Cistenindustrie
und die Keramik abhängt, die andererseits der Amphore von Contzesti das, Vorbild
geliefert haben.
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. 2OQ
Das zweite Beispiel stammt aus demselben Funde. Es ist ein silberner Eimer
in der Form unserer modernen Eimer mit einem Bügelhenkel, dessen Außenseite
zwischen zwei Rankenfriesen unten und oben die Bilder von Leda mit dem Schwan,
Apollo und Daphne, Hylas und den Nymphen trägt (Antiquites du Bosphore cim-
merien Taf. 39; Reinach, Rep. de reliefs III S. 483). Inhaltlich verwandt ist etwa
eine Silberkasserole aus Spanien mit den Liebesabenteuern des Zeus (Daremberg-
Saglio III I S. 707 Fig. 4230; Reinach a.a.O. II S. 242, i); was aber auf dem
Eimer auffällt, ist die ungeheure Verschwendung mit Wasser, die hier ganz ohne
Not getrieben wird. Daphne füllt ihren Krug an der Quelle, die wieder aus einer
Urne fließt; eine Nymphe gießt zweckloserweise Wasser über eine andere, sitzende,
die doch mit Hylas zu tun hat; Hylas stützt sich seinerseits auf einen Wasserkrug;
rechts von ihm wird wieder Wasser in ein Becken gegossen, die nackte Nymphe
scheint zugleich mit ihrem Haar beschäftigt zu sein; Leda scheint sich viel eher
mit einem Badetuch abtrocknen als den Schwan empfangen zu wollen. Der Künstler
hat eben in einem Frauenbad ganz oberflächlich ein paar Figuren verändert und
andere eingesetzt, um mythologische Szenen daraus zu machen. Solche Friese mit
badenden und bei der Toilette beschäftigten Frauen, und zwar recht mit den gleichen
Typen wie hier, erscheinen aber in Fülle auf den Kertscher Vasen einer-, den prä-
nestinischen Cisten andererseits. Man sieht, wir geraten für die vorauszusetzende
Vorlage wieder in die gleiche Sphäre wie bei der Amphore.
Ich habe Bonner Jahrb. 118 S. 176 ff. zu zeigen versucht, daß die oben S. 202
genannte Kunstweise sich in zwei getrennten Strömen einerseits nach dem Westen
mit Gallien als Zentrum, andererseits nach dem Pontus hin verbreitet habe, und
auch bemerkt (a. a. O. S. 224), daß sich besonders die östliche Fundgruppe durch
Belebung des Terrains in der besprochenen Weise auszeichne. Von den dort dafür
angeführten Beispielen nenne ich hier noch als für uns wesentlich drei Silberschüsseln,
zwei aus Kostolac, dem antiken Viminacium, die dritte aus Ungarn stammend (a. a. O.
S. 186 Nr. 16 — 18), auf deren Tierfriesen wieder die schraffierten Bögen und die Blumen
und Kräuter auftreten; sie hängen also von dem pontischen Zweig der Gruppe ab.
Von dem reichen westlichen Fundmaterial, das sonst auch keine Spur solcher Land-
schaftsangabe zeigt, ist auf Grund unserer Untersuchung eine Gattung loszulösen,
die nunmehr auch als unter pontischem Einfluß stehend zu gelten hat, nämlich
die Friese der von Willers in seinen beiden Büchern »Die römischen Bronzeeimer
von Hemmoor« und »Neue Untersuchungen über die römische Bronzeindustrie«
eingehend behandelten »Hemmoorer« Eimer. Namentlich ihre Jagd- und Tier-
friese zeigen, z. T, noch in leidlich guter Ausführung, z. T. schon recht rudimentär
und unverstanden, die uns jetzt hinlänglich bekannten Motive, die gestrichelten
Bögen, einzelne Blumen und Kräuter, die die Bäume — wieder die bekannten Typen
— einfassenden gepunkteten oder gestrichelten Linien, verstreute Punktgruppen
(Willers, Bronzeeimer Taf. V 2; VI — VIII; X i). Einlagen aus Silber- und Kupfer-
blech und Email erinnern an die malerische Wirkung, die der Wechsel von Gold,
Silber und anderem Stoff auf dem Friese des Hammersdorfer Tellers erstrebte.
Die Fabrikation dieser Eimer gehört etwa in die zweite Half te des 2. und in das 3. Jahrh.
210
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung.
Als Ort der Herstellung hat Willers die Gegend von Gressenich bei Aachen nach-
zuweisen gesucht.
Den Hemmoorer Friesen ist der Tierfries vom Boden eines Bronzebeckens
aus dem ersten Grabfund von Sackrau in Schlesien (etwa Ende des 3. Jahrh.) in Stil
und Technik so eng verwandt, daß er aus einer ihrer Manufakturen stammen könnte.
Ich bilde ihn hier (Abb. 8) nach Grempler, Der Fund von Sackrau Taf. IV 6, wieder ab.
Zwischen seinen vier Tieren begegnen wir Silbereinlagen der gleichen Art wie dort,
daneben den diesmal ganz verrohten gestrichelten Bögen. Rheinischen Ursprungs
Abb. 8. Boden eines Bronzegefäßes aus Sackrau (Schlesien).
ist nun das Sackrauer Stück nach dem Zusammenhang der dortigen Funde, den
man z. B. bei Seger, Schlesiens Vorzeit VII 1899 S. 430 ff. und Beltz, Die vorgesch.
Altertümer des Großherz. Mecklenburg- Schwerin S. 360 ff. behandelt findet, sicher
nicht; Hubert Schmidt in Hoops' Reallexikon I S. 327 hält es sogar für pontisch;
jedenfalls ist es ein erwünschtes Zwischenglied auf der Wanderstraße, die die Motive
der »Hemmoorer« Eimerfriese zurückgelegt haben. Ich will übrigens nicht ver-
hehlen, daß ich mit der vorgetragenen Beurteilung dieser Denkmäler, wie ich sehe,
an Meinungen anknüpfe, die vor dem Erscheinen von Willers' Buche galten, aber
jetzt ganz zurückgedrängt sind; man vergleiche, was Beltz in seiner Vorgeschichte
von Mecklenburg (1899) S. 133 sagt, mit dem, was derselbe in den Vorgeschichtlichen
Altertümern des Großherzogtums Mecklenburg- Schwerin (1910) S. 351 über den-
selben Gegenstand bemerkt. Für seine These, daß die Eimer im Westen entstanden
sind, hat Willers allerdings erhebliche Gründe angeführt.
F. Drexel, Über einen spätantiken Silberteller mit mythologischer Darstellung. 21 I
Nun wir die in Rede stehenden Motive bis in ihre verwaschensten Ausläufer
verfolgt haben, gilt es, den Blick noch einmal rückwärts zu richten und zu fragen,
wo sie herkommen. Die Antwort ergibt sich aus dem Vorangegangenen fast von
selbst. Durchmustern wir den Kreis der Vasen und Cisten, der die Vorbilder für die
figürlichen Szenen unserer Denkmäler geliefert hat, so treffen wir dort auch alle
jene minutiösen Elemente wieder, die gestrichelten oder (auf Vasen) gepunkteten
Bögen und Wellenlinien als Bezeichnung des Terrains, die Kräuter und Blumen,
z. T. in haargenau derselben Ausführung, den reichen Schmuck der Gewänder mit
Punktlinien und Punktgruppen. Von Cisten vergleicht man am besten die Ficoroni-
sche eiste, die oben schon wegen der Analogie ihres Jagdbildes angeführt wurde;
wegen der Vasen verweise ich etwa auf die drei unteritalischen Prachtgefäße bei
Furtwängler-Reichhold II Taf. 88- — 90. Der Kreis, dem der Teller von Corbridge
angehört, ist also in allen seinen wesentlichen Elementen ein später Ausläufer der
vorhellenistischen griechischen Toreutik. Das Nachleben noch älterer Motive wie
namentlich der ionischen Tierdekoration in der späten Kunst des Pontus ist eine
längst gewürdigte Erscheinung; ihr reiht sich jetzt als Ergebnis unserer Untersuchung
der Nachweis an, daß auch, wenn auch in minderem Umfang, die griechische Toreutik
der Blütezeit im pontischen Kunsthandwerk des ausgehenden Altertums ihre un-
mittelbaren Spuren hinterlassen hat.
Frankfurt a. M. F. Drexel.
Jahrbuch des archäolog-ischen Instituts XXX. 15
GRIECHISCHE LEUCHTFEUER.
I. Moderne Zweifel.
Die Techniker haben sich von jeher für die antiken Leuchttürme stärker inter-
essiert als die Altertumsforscher selbst. Das liegt in der Natur der Sache und hat
sich auch nach dem Erscheinen meines Buches über den Pharos von Alexandria (1909)
nicht geändert. Das postume Werk L. A. Veitmeyers (f 1899), eines der besten
Kenner des gesamten modernen Leuchtfeuerwesens, der ein halbes Jahrhundert lang
als kgl. preußischer Baurat an hervorragender Stelle bei dem Ausbau der
deutschen Seefeuer selbst tätig gewesen ist, habe ich damals schon berücksichtigen
können^). Seither hat ein in nautischen Problemen und Wasserbaufragen jeder
Art besonders erfahrener Ingenieur, Max Buchwald in Hamburg, einige Aufsätze
veröffentlicht, welche seine 1905 und 1907 im »Prometheus« erschienenen Artikel
»Die Leuchtfeuer des Altertums« und »Die Leuchtfeuer des Mittelalters und der
Neuzeit« ergänzen; nämlich: »Geschichtliches über die Leuchtapparate der Küsten-
*) Leuchtfeuer und Leuchtapparate. München-
Leipzig 1900. Es ersetzt bei uns teilweise das
in jeder technischen Beziehung mustergültige
französische Werk von Allard, Les Phares.
Histoire, construction, 6clairage. Paris 1889.
540 pp. 226 Figg. 36 pl. Großoktav.
Das Werk ist in Deutschland sehr selten ; ich
konnte nur aus der Bibliothek des kais. Patent-
amtes in Berlin ein Exemplar einsehen. Es ent-
hält die abschließende Zusammenfassung dessen,
was Allard, der offizielle Spezialist im französi-
schen Leuchtturmwesen (Inspecteur general des
Ponts et Chaussees en retraite, ancien Directeur
du Service central des Phares), in verschiedenen
Einzelschriften über diesen Gegenstand vorher
schon veröffentlicht hatte. Der weitaus größte
Teil des Werkes ist natürlich dem modernen und
französischen Leuchtturmwesen gewidmet, wie
denn tatsächlich Frankreich auf diesem Gebiete
imi9. Jahrh. ganz besondereVerdienste zukommen.
Doch werden im ersten Teil der Einleitung
(Histoire des Phares) auch Altertum und Mittel-
alter besprochen und illustriert, und zwar mit
sehr besonnener Kritik und selbständigem Urteil
(p. 3 — 50 mit Fig. I — 39). Nach einer ausführ-
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX.
liehen Besprechung des alexandrinischen Leucht-
turms ordnet Allard die übrigen ihm bekannten
Leuchttürme der Antike (26 im ganzen) zu geo-
graphischen Gruppen in sorgfältigen Unter-
suchungen zusammen (Bosporus und Hellespont
— Italien — Südfrankreich — Spanien — Ärmel-
kanal). Auch eine Übersichtskarte p. 35 Fig. 33
faßt das Ergebnis zusammen.
Das ältere Werk des französischen Ingenieurs
Alfred Leger, Les travaux publics, les mines
et la metallurgie aux temps des Romains (Paris
1875), eine übersichtliche Zusammenstellung der
antiken Ingenieurarbeiten, läßt wie der Unter-
titel (La Tradition Romaine jusqu'ä nos jours)
schon hervorhebt, das Griechische ganz gegen
Rom zurücktreten. Für das Kapitel »Phares«
(p. 499 — 518) ist die archäologische Grundlage
noch durchaus Montfaucon (Supplement au livre
de l'Antiquite expliquee, tome IV, p. 119 — 143
mit pl. 49 — 52 [Paris 1724]), auf dem überhaupt
alle neueren Bearbeitungen des Themas mehr oder
weniger fußen. Die Abbildungen im »Atlas« bei
Leger (pl. 8) «ind fast nur kümmerhche Ver-
kleinerungen der Figuren bei Montfaucon und
somit gänzlich veraltet.
16
214 ^' Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
befeuerung« (Prometheus XXI, 1910, 177 ff.) und »Leuchtfeuer im Akertum« (in
der Zeitschrift »Weltverkehr und Weltwirtschaft« 191 2, 78 — 84). Der verdiente
Herausgeber dieser eben genannten neuen Zeitschrift, Dr. Richard Hennig in
Berlin-Friedenau, von Haus aus Ingenieur, jetzt mit weiten nationalökonomischen
Interessen ein energischer Vorkämpfer der noch jungen, international so wichtigen
Verkehrswissenschaft, hat dann ebenfalls in verschiedenen Artikeln und in ähnlichem
Sinne das Problem der antiken Leuchtfeuer und Leuchttürme behandelt. So in
seinem Aufsatze »Das Signalwesen im Altertum« (Prometheus XIX, 1908, 183 fT.),
in seinem Buche »Die älteste Entwicklung der Telegraphie und Telephonie« (Leipzig
1908) und in den Aufsätzen: »Zur Geschichte der Leuchttürme im frühen Mittelalter«
(Prometheus Nr. 1130 und XXVI, 1915, 241 ff.) und »Beiträge zur älteren Ge-
schichte der Leuchttürme« (Jahrbuch des Vereins deutscher Ingenieure 1914/15,
35—54).
Für uns vom Altertum ist von den Ergebnissen der Buchwaldschen Arbeiten
wichtig: eine neue, die Veitmeyersche Liste ergänzende, chronologisch geordnete
Aufzählung der sämtlichen (31) antiken Leuchttürme, deren die antike Literatur
Erwähnung tut, oder von denen Reste sich noch nachweisen lassen (Weltv. u. Weltw.
1912, 78 ff.); eine nützliche Übersichtskarte der alten Welt mit Eintragung dieser
sämtlichen antiken Leuchtfeuer (ebenda S. 80); eine kritische Darstellung des Herd-
schachtes, wie er auf der Plattform der antiken Leuchtfeuer angenommen werden
darf für das darauf zu unterhaltende offene Holzfeuer (Prometheus 1910, 178, Abb.
144/5); endlich ein Vergleich der Leuchtweiten im Altertum, Mittelalter und in der
Jetztzeit (ebenda S. 196).
Der positive Ertrag bei Hennig, der resoluter, aber auch unvorsichtiger zu
Werke geht, besteht in dem wertvollen Nachweis, daß die antiken Leuchtfeuer in
einem lückenloseren Übergang aus der spätrömischen Kaiserzeit ins Mittelalter
hinein weiter bestanden haben, als man bisher nach den allerdings schon bekannten
Hauptbeispielen von Alexandria, Corufia, Panium im allgemeinen anzunehmen geneigt
war. Dieser dankenswerten Erweiterung unserer Kenntnis — auch eine neue Ab-
bildung eines zylindrischen, zinnengekrönten Leuchtturmes aus Hrabanus Maurus'
»De Universo« bringt Hennig (S. 51 Abb. 4) bei ^) — steht indes gegenüber eine ein-
schneidende Negation, durch welche Hennig dem gesamten griechischen Altertum
die Leuchttürme gänzlich abzusprechen und sie erst als eine Erfindung der Römer
(von Tiberius ab) hinzustellen versucht. Selbst der alexandrinische Pharos sei wie
alle andern Leuchttürme des Ostens in vorrömischer Zeit nur eine Tagesmarke,
der erste wirkliche antike Leuchtturm der ca. 42 n. Chr. erbaute von Ostia
gewesen.
Diese Skepsis ist keineswegs neu. Schon Fr. Adler (Der Pharos v. Alex. S. Il)
hatte ganz beiläufig den Verdacht ausgesprochen, die Laterne mit der Feuerstelle,
die Tritonen und die Spiegel, kurz der ganze optische und akustische Signali-
sierungsapparat auf der Spitze des Pharos sei möglicherweise erst eine spätere Zutat
') Durch Vermittlung von F. Feldhaus aus dem Codex von Monte Cassino (Hs. von 1023 n. Chr.)
Vgl. unsere Abb. 3.
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
215
gewesen; ohne indessen irgendwelche Gründe für diese Vermutung anzugeben oder
bestimmt zu sagen, wann er sich dies »später« dachte. Viel bestimmter war dann
Veitmeyer [S. 10 ff.) aufgetreten mit der Behauptung, der Pharos sei nur als Kastell
und Landmarke erbaut und erst von den Römern in der ersten Hälfte des i. Jahrhun-
derts n. Chr. »befeuert« worden. Erst da sei in ihm der erste Leuchtturm entstanden.
Veitmeyers Hauptgrund war das argumentum ex silentio: erst von da ab wird in
der Literatur ein Leuchtfeuer auf dem Turm erwähnt, vorher nicht. Obwohl ich der
aus dieser Schlußfolgerung sich ergebenden irrigen Auffassung in meinem »Pharos«
S. 32 ff, mit dem Hinweis auf das ganz unmißverständliche Epigramm des Poseidipp
entschieden entgegengetreten bin, hat sich R. Hennig nun aufs neue und mit noch
größerer Entschiedenheit für die Veitmeyersche Ablehnung griechischer Leuchtfeuer
auf dem Pharos ausgesprochen, ja er hat versucht, solche Leugnung auf die gesamte
griechische Welt vor ihrer Okkupation durch die Römer auszudehnen.
Dabei macht mir Hennig den Vorwurf (S. 38), ich sei in meiner Beweisführung —
die auf fast selbstverständliche Dinge allerdings nicht eingegangen ist ■ — »nichts
weniger als einwandfrei vorgegangen« und hätte mir »die Sache sehr leicht gemacht«,
mein gegen Veitmeyer vorgebrachter Einwand sei »durchaus verfehlt«. Ich bin zu
einer Rechtfertigung meiner damaligen Ausführungen, die auch meiner heutigen
Ansicht in der F'rage noch vollkommen entsprechen, um so mehr veranlaßt, als
Hennigs Aufsatz im Februar dieses Jahres in einer Sitzung der Archäologischen Ge-
sellschaft zu Berlin durch A. Trendelenburg vorgelegt wurde, worüber im Arch.
Anzeiger 1915, 52 kurz berichtet ist. Da mein Gegner, wie ich höre, aus der Mitte
dieses Kreises Zustimmung für seine Hypothese gefunden, da er ferner auch schon
bei der Ausarbeitung derselben den Beistand und Consens eines Philologen, eben
A. Trendelenburgs, genoß, da endlich der Bericht im Arch. Anzeiger so formuliert
ist, als ob Hennig für die Richtigkeit seiner Auffassung den sicheren Nachweis
erbracht habe, so bin ich genötigt, bei meiner Verteidigung etwas weiter auszuholen
und der Offensive Hennigs auf ihrer ganzen Frontausdehnung zu begegnen, nicht
nur den Angriffen auf den alexandrinischen Pharos. Es erscheint mir dies eine um so
ehrenvollere Pflicht, als wir in Hennig, einem Kenner des gesamten modernen Welt-
verkehrs und Welthandels, auch einen Freund des Altertums begrüßen dürfen, der
mit ausgesprochen historischem Sinn auch die antiken Probleme in seine Arbeiten
mit einbezieht und so in seinem groß angelegte^ Entwurf ^) zur Behandlung der
ihm am Herzen liegenden Studien an den deutschen Hochschulen auch die Anfänge
des Nachrichtendienstes wie des Welthandels bei den Alten ausdrücklich zur Berück-
sichtigung empfiehlt. So darf man erwarten, daß niemand mehr als er bereit sein
wird, den Stand der Dinge, wie er im Leuchtfeuerwesen wirklich im Altertum
gewesen ist, kennen zu lernen, seine sichtlich nur aus Mangel an direkter Fühlung
mit den antiken Quellen bisher abweichende Meinung zu revidieren und für eine
nunmehr richtigere Auffassung auch in seinen Kreisen mit gewohnter Entschlossen-
heit einzutreten.
») Weltverkehr und Weltwirtschaft I, 438 ft.
i6*
2i6 H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
In den folgenden Ausführungen ist es mir eine Genugtuung, mich ganz wesent-
lich auf die neueren Arbeiten stützen zu können, welche von philologischer und histori-
scher Seite her zu dem fraglichen Problem Stellung genommen haben, u'nd zwar in
einem Hennig fast durchweg entgegengesetzten Sinne. Es sind dies das sorgfältige
Schweinfurter Gymnasialprogramm H. Fischls (1904) über »Fernsprech- und Melde-
wesen im Altertum«, die unzweideutigen Bemerkungen von Hermann Diels in seinem
Vortrag »Antike Telegraphie« (Antike Technik 1914, 6g ff.) und die ausführliche
Behandlung der antiken Pyrseutik in dem Buche von W. Riepl »Das Nachrichten-
wesen des Altertums« (1913), wo nur in einigen unwichtigen Nebenpunkten das sonst
klare Urteil getrübt ist. Bei dem Angriff auf das Epigramm des Poseidipp war die
mir seinerzeit leider entgangene Berliner Dissertation von P. Schott, »Posidippi
epigrammata collecta et illustrata« (1905), für mich eine um so wertvollere Stütze,
als in der darin eingenommenen Stellungnahme auch das Urteil dessen gesehen werden
darf, der die Arbeit angeregt und in ihrem Werden überwacht hat: Ulrichs von Wilamo-
witz-Möllendorff.
Meinen beiden Freiburger philologischen Kollegen endlich, Alfred Koerte und
Otto Immisch, für manchen guten Rat und Hinweis herzlichen Dank zu sagen, sei
mir auch hier gestattet.
2. Homer.
Veitmeyers Skepsis folgend und entschlossen, auch die leisesten Anzeichen, für
griechische Leuchtfeuer, die sein Vorgänger etwa noch zu sehr geschont, nun gänzlich
auszurotten, greift Hennig zuerst die ältesten in Betracht kommenden Stellen bei
Homer und die Sage von Nauplios auf Euböa an (S. 35 u. 36).
Ein Signalfeuer, das allerdings mit der Schiffahrt an sich nichts zu tun hat, sondern
ein Fanal, das in höchster Kriegsnot aus der von Feinden bedrohten fernen Insel-
stadt aufsteigt in riesigen Feuergarben, die in schnellen Stößen dicht und angstvoll
aufeinanderfolgen (itupoot xe cpXsYe&ouaiv h:-qxpi\i.oi) , ist ohne Zweifel geschildert:
II. XVIII, 207 — 213. Diese Stelle konnte auch niemals anders aufgefaßt werden.
Eine Berechtigung, sie trotzdem mit den andern, ganz sicher auf Leitfeuer für Schiffe
sich beziehenden Stellen in gewissem Sinne zusammenzubringen, besteht indes darin,
daß es sich gerade um eine Insel und das Herbeikommen der Hilfe auf Schiffen
handelt, das Notfanal also nicht nur äußerhch in die Sphäre der bekannten nautischen
Signale fällt, sondern auch' in seiner Bestimmung, Schiffe herbeizulocken, sich mit
jenen Leitfeuern, äußerlich wenigstens, deckt.
Ob es sich dagegen II. XIX, 373 — 378 wirklich nur um ein zufällig in einer Hürde
entzündetes Feuer handelt, wie nicht nur Hennig und Veitmeyer behaupten, sondern
leider auch Riepl (S. 34, i) einzuräumen bereit ist, muß schon fraglich erscheinen.
Wenn der Vergleich an dieser Stelle einen Sinn haben soll, kann wieder nur ein ganz
ungewöhnlicher, hervorragend starker, großer Lichtglanz gemeint sein. Mit dem
bescheidenen Lichtschein eines einfachen Hürdenfeuers hätte der Dichter den strahlen-
den Glanz, der von Achills göttlichem Schild ausging, kaum verglichen. Auch der
unmittelbar vorausgehende erste Vergleich des Schildes mit der leuchtenden Voll-
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
217
^nöndscheibe setzt das voraus. Daß dies Leuchtfeuer in einem einsamen Gehöft
hoch oben am Berge unterhalten wird, spricht auch nicht dagegen, nur dafür. Gerade
weil eine »ganz freiliegende und in weitem Umkreis sichtbare« Stelle gewählt werden
mußte, war das zu höchst liegende Gehöft der gegebene Punkt. Der Berghirte dort
in sonst menschenleerer Öde mag die Feuerwache im Nebenamt versehen haben ^).
Ferner besteht offenbar eine nicht zufällige Beziehung zwischen diesem Feuer auf
einsamer Felsenhöhe und dem Schiff im Sturmwind draußen. Gegen ihren Willen
werden die Seefahrenden weit hinaus auf die hohe See abgetrieben von dem freund-
lichen Licht am Ufer, das gerade für Notlagen wie die ihrige unterhalten wird, aber
nun in immer schmerzlichere Ferne rückt 2). So erst bekommen die Begriffe
oux i&sXovxas und cpiXtov dizdivzobz ihre ernste, ergreifende Pointe. Wenn Hennig (Pro-
metheus 1908, 187 Anm.) meint, es handle sich um zufällige Feuer, die von ihrer
Seefahrt überdrüssigen Schiffern erblickt wurden, so wird er der Stelle m. E. nicht
gerecht. Und was Veitmeyer S. 6 aus diesen Worten herauslesen wollte, ist mir
schlechthin unverständlich. Dagegen wird meine Auffassung bestätigt durch das
Urteil der Antike selbst. Bei Eustathius steht zur Stelle folgende, natürlich auf
älteres antikes Gut zurückgehende Erklärung: .... «wc Sxav ^x itovxoio osXa? vauxTdOi
cpavsir; xaio{i.svou Ttupd?, 0 iaxi Trupaot5 aaxjxtxou' .... 6 8s xat' opoc Trupobs outo?
xal TÖ T0t5 ^ptuo? Ifi^at'vEi cfuXXo^iaxixois jieysöo?. Kai opa, oti aXXos outoc iropoo? irapa
Tou? irpö (jiixpou pTjdsvTa? vyjaKuxtxou? (an der eben vorhin besprochenen Stelle II. XVIII,
207 ff.), aozhi 7ap iv opeot xaiexai atuCtov vauxaC, o3s oöx l&sXovxa? dikXai acpopi-
Couoiv. 'löxeov 8e, oxi xö :rap' 'OjiT^ptp oeXa? irupo?, yjxoi Trupaöv, cpav?»v ol vswxspoi
elicov 'Axxixoi ov 6e r^fisk «pavov, XajjnrxT^pa ol TcaXaiol eXs^ov.
Daß an der dritten Homerstelle (Od. X, 29 — 30) bei dem nächtlichen Uferfeuer
auf Ithaka an und für sich ein zufällig dort brennendes Feuer gemeint sein könnte 3)
und nicht ein Leuchtfeuer gemeint sein müsse, scheint nur richtig. Denn bei ge-
nauerer Prüfung verbietet der relativ seltene, bei Homer sonst überhaupt nicht mehr
vorkommende Ausdruck TcopTroXstv diese Auffassung. Dasselbe Verbum gebraucht
Xenophon, (Kyrupaid. 3, 3, 25) für Wachtfeuer mit der Bedeutung von Signalen,
und zwar hier falschen, um den Feind damit in die Irre zu führen und in eine Falle
zu locken 4). Es ist wichtig, daß unmittelbar vorher auch vom einfachen Abkochen
und dem Feuermachen zu den gewöhnlichen Lagerzwecken die Rede ist, für diese
Tätigkeit aber das Wort TropTtoXeiv deutlichst vermieden wird und dafür nur Seiitvov
^) Wenn man nicht (jTa8[A(Jc eine prägnantere Be- *) Imrnisch machte mich noch aufmerksam auf die
deutung = Station, Etappe, wie im späteren Bedeutung von cpüic = (j(UT7)p(a, /apa (vgl. The-
persischen Meldedienst, zuerkennen will. Vgl. saurus: pro salute, auxilio). Möglicherweise be-
Herod. 5, 52; 6, 119. — Zu beachten ist auch steht hier ein direkter Zusammenhang,
der homerische Späher, der auf seiner sxoT.i-fi 3) So Veitmeyer S. 5 »zur Bereitung der Abendkost
am Meer weit, weit hinausschaut bis dorthin, und Erwärmung der Schlafenden, etwa wie in
wo Meer und Himmel in nebeligem Dunst inein- Eumaios' Hütte«.
ander zu verschwimmen scheinen: II. V. 770 — 772. 4) Eine häufige List, die bei Fischl S. 13 unter dem
Dazu Eustathius und die Schrift irepl 3t{;oui dafür gebräuchlichen Terminus Trapa^puxTcapeü-
XI 5, wo die ungeheure Sehweite dieses Aus- eaSat ausführlich besprochen wird.
lugs bestätigt wird.
2l8 H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
iroteiv, icopd xateiv gesagt ist. Auch sonst kommt iropTtoXeTv niemals für das An-
zünden gewöhnlicher Haus- oder Hürdenfeuer vor — es enthält offenbar prägnant
den Begriff eines besonders starken, hochlodernden, um seiner selbst willen entzünde-
ten Feuers und kommt darum sonst nur noch für das verzehrende Feuer zerstörender
Brände in buchstäblichem wie in erotisch übertragenem Sinne vor. Außer an einer
einzigen Stelle, wo es von der Komödie im angeführten Sinne mit ausgesuchter
Präzision gewählt ist: Aristoph., Vögel 1580. Der Grimm des immer eßlustigen
Herakles wird abgelenkt durch drastische Herrichtungen in der Küche; die Herd-
kohlen können gar nicht stark genug in Glut und Feuer kommen: irupTcoXsi too?
av&paxas ! Das gastrische Fanal hat denn auch sofort Erfolg bei Herakles.
O. Immisch notierte mir dazu: »Merkwürdig ist, daß das Wort sonst in der
Bedeutung igni vastare häufig ist, auch in erotischer Bedeutung (wie auch 'itopoo;,
wodurch erst das Krinagoras -Epigramm, Anth. graec. Pal. IX, 429, seine Pointe be-
kommt). Gebildet ist das Wort wie OurjiroXof, öur^iroXsiv. Es liegt also von Haus aus
darin, daß man sich sozusagen ex officio, systematisch und kunstgerecht mit dem
Feuer beschäftigt. Dies kommt auch an der Vögelstelle (s. o.) zur Geltung: die
Kohlen kunstgerecht in Glut bringen. Eben deshalb kann sich's in der Odyssee
X, 30 nicht um gewöhnliche, sozusagen okkasionelle und untechnische Hirten-
feuer handeln.«
Dies war auch durchaus die Meinung der Antike selbst, wenn die alten Homer-
erklärer folgendes zur Stelle anmerken:
Hesych: tz. icspi ty)V icopav avadtpecpojxevou?, irup xatovi«;.
Eusthatius: nupTroXsiv 8^ -i) to irupdeueiv, 0 itsv. vuxtö? Trup xaieiv Sia xou?
TreXttYi'CovTac t^ xat to fjisd' "^fispav TSXfJ.Tjpto5(T&ai tottov tü> tou icupof öTjfisi'tp xairva,
ov dno&p(uaxovT(x IxBi&eiv lleXv ItttjuSäto irpo toutcdv 'OSuaasu?. Also sogar die bekannte
Stelle von dem aus Ithaka aufsteigenden Rauch, den Odysseus fern von der Heimat
zu sehen sich sehnt, wurde von den Alten nicht, wie jetzt allgemein üblich, auf
irgendein Herd- oder Hirtenfeuer, sondern auf ein für die Schiffahrt bestimmtes Signal
bezogen.
Schol. ad Od. X, 30: TropTroXsovxac dvTt tou trupseuovTac Ilupasustv ist aber
gerade der terminus technicus für das Anzünden von Signalfeuern (vgl. Fischl
S. i) i). Dies geht am deutlichsten hervor aus Aeneas Tacticus VI, 5 und III, 3,
wo diese Bedeutung für das 4. Jahrh. v. Chr. gesichert ist: ■Kapa.'c^ik'Keabat 8^ Toic
rjfispooxoitot? afpsiv tä a6acsri\ia ivi'oTS, xa&d7:sp ot icopoeuTai tou? irupoou? ....
rpoaotYeadai ßouXofisvot Toioto8e diza-CT^iiaat irupaeuovTsc ti Vgl. dazu den By-
zantiner Anonymus (Köchly u. Rüstow, Gr. Kriegsschriftsteller 2, 2): irspt itüpatov.
Ganz klar ist auch der Vergleich bei Lukian, der Tropoo? sogar == Leuchtturm ge-
braucht, was selbst Veitmeyer S. 166 zugab: Nigrin. 7: xaöduep Iv TrsXotYei xat
■) was Hennig im Prometheus 1908, 185 selbst Herodian IV, 2, 6) die irrige Behauptung Veit-
noch zugegeben hatte. Ebenso weist er (S. 45, 2) meyers (S. 10) zurück, die griechische Sprache
mit cppux-Twpt'a (Dio Cassius LX, 11 und hätte keine Bezeichnung für Leuchtfeuer oder
Leuchttürme gehabt.
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer. 210
Vüxtl izoKk^ (fepojxsvo? eU Tcopoov tiva toutov «xTcoßXsiroo ... t6v dvSpa .... Dazu dann
die ebenfalls sehr deutliche Glosse bei Suidas: Trupasuto öoi tijv atutYjpiav, dvtt to5
Ix^aivo). Wenn es also bei Eurip. Elektra 694 ff. heißt: ... eu ituposuexe xpau^V
aY">voc ToiJSe, so bedeutet diesVerbum nicht ganz allgemein nur »melden«, wie nach
fast allgemeiner Auffassung (auch Hennig im Prometheus 1908, 185 f.) selbst Riepl
47, I noch angibt, sondern viel präziser »frohe Botschaft melden«, was durch das
hinzugesetzte s5 noch verstärkt zu werden scheint i).
Die prägnante Bedeutung von irupzoXeTv = irupostSstv wird endlich bestätigt
durch die Bezeichnung der Leuchtfeuer des Nauplios auf Euböa bei Eurip. Hei. 773:
xa NauTrXioü x' Eußoixa TtüpitoXijfjiaxa. Denn daß es sich hier wirklich um solche
handelt und keineswegs wiederum um irgendwelche zufällige Feuer, hätte nie
geleugnet werden sollen.
In der Auffassung der Odysseestelle behalten also nicht recht Veitmeyer,
Hennig und Riepl (der S. 47, i hier einen Mißgriff tut), sondern Breusing (S. 6) und
Fischl (S. 7). Dieser folgert: »Wie noch heutzutage die Leuchttürme den Schiffern bei
Nacht und Nebel die Einfahrt in den Hafen anzeigen, so war schon in den ältesten
Zeiten der Gebrauch eingebürgert, durch Emporhalten von brennenden Fackeln oder
Anzünden von Feuerbränden eine gute Landungsstelle oder Land überhaupt anzu-
zeigen.« Ganz im selben Sinne hat sich neuerdings noch H. Diels a. a. O. S. 69 ge-
äußert. So behält selbst der von Hennig (S. 35 ff.) darob heftig getadelte »Große
Meyer« recht in diesem Punkte, und wenn etwas »ohne weiteres klar« Ist, so ist es
dies, daß Voß seinen Homer (mit »Feuerschein«) ganz richtig übersetzt hat und nicht
falsch, wie Hennig und Riepl ihm vorwerfen, daß dagegen Hennig selber im Irrtum
ist, wenn er hier nur zufällig brennende Feuer zugeben will.
3. Nauplios itupxaEuc.
Nun die »faces sceleratae« der Naupliossage. Fischl (S. 6) hat sie, d. h. was
dem mythischen Kern zugrunde liegt, richtig von der allgemeinen Feuertelegraphie
der Griechen abgesondert als spezielle Leit- und Hafenfeuer. Nach Hennig dagegen
sind sie unmöglich als Beweis für das Vorkommen alter Leuchtfeuer anzusprechen
und »ungezwungen auf gewöhnliche Feuerbrände zu deuten, deren Schein die
Schiffe an ein gefährliches Ufer lockte« 2). In Wirklichkeit ist das Gegenteil der
Fall, und das ganze Altertum in einer dieser Skepsis gerade entgegengesetzten An-
sicht alle Zeiten hindurch unter sich einig gewesen.
i) Das Programm von Pachtler (k. k. Gymn. Feld- («rupasÜEiv) Sphäre ist ein zu allen Zeiten
kirch 1866 — 67), »Das Telegraphieren der alten übliches Reizmittel dichterischer Sprache. Bei
Völker«, mit seinem 2. Abschnitt »Die Termino- Homer haben die Zikaden orra Xstpio'essav
logie der Feuersignale«, ist mir leider nicht zu- (Lilienstimme). Vgl. oid(S-r]\ia yap dposl (Soph.
gänglich gewesen. — Immisch bemerkt mir noch Philokt,); venni in un luogo d'ogni luce muto
dazu: »Hier liegt ni ch t Verschliffenheit desbild- (Dante); derTöne süßes »Licht« (Goethe).«
liehen Ausdrucks vor, sondern die Vermischung *) Veitmeyer (S. 8) wollte gar alles nur aus dem
der akustischen (xpauyrjv) und der optischen in der Sage unmittelbar vorausgehenden Ge-
wittersturm erklären.
220 ^* Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
Schon die im gesamten Ergebnis ganz eindeutige Zusammenfassung der diese
Sage behandelnden Stellen in einem so bekannten und leicht zugänglichen Nach-
schlagewerk wie Roschers Mythologischem Lexikon (III, 25 ff. unter »Nauplios«)
und noch mehr die ebenso entschiedene Äußerung hierüber einer Autorität wie
H. Diels (S. 69) hätten warnen müssen, davon abzugehen. Da dies trotzdem geschehen
ist, muß ich um der allgemeinen, prinzipiellen Bedeutung der Frage willen, auch auf
die Gefahr hin, bei den engeren Fachgenossen offene Türen einzustoßen oder von ihnen
unnötiger Breite geziehen zu werden, auf die antiken Zeugnisse hier wenigstens
so weit eingehen, als sie sich ganz unmißverständlich zu unserer Frage aussprechen.
Um der weiteren Kreise willen, denen die antiken Autoren nicht so zur Hand sind,
und die durch Hennig irregeführt werden könnten oder irregeführt worden sind,
setze ich die wichtigeren Testimonia im Wortlaut hierher. Daß sie meist späteren
Jahrhunderten angehören, tut nichts zur Sache, da es sich um eine sogenannte »Para-
dosis« handelt, bei der es wenig verschlägt, auf welcher Etappe der Überlieferung
wir zufällig das Einzelne zu greifen vermögen.
Die bekannte Geschichte von Nauplios' Rache war zuerst erzählt in dem nach-
homerischen, heute verlorenen Epos der Nosten. Auch das knappe Exzerpt des
Proklos enthält sie nicht. Dagegen wird sie erwähnt in ausführlicheren Auszügen,
die uns in verschiedenen anderen späteren Bearbeitungen erhalten sind. So ApoUod.
Epit. (in R. Wagners Mythogr. Graeci I) 6, 7: NauTcXio? iiu xou Kacpyjpso)? opooc
Tzopahv dvotTCTSi. ol hk vofiiöavcs? sTvai tiva? täv (aus dem Sturm) asotoafisvtov,
itpoöTrXsouci xai irepl tot? Ka^pYjpi'Sa? Tretpa? öpauetÄi xa oxacprj xat uoXXol xeXeTtotjiv.
6, 11: .... NoüTC^tos dv^t}^£ cppuxxov. evOa TrpooireXdcjavxs? "EXXyjves iv x(p
Soxsiv Xifieva sTvai Stetpddprjcfav.
Servius ad Aen. XI, 260: Nauplius montem Caphareum ascendit et elata
facula Signum dedit vicini portus, qua re decepti sunt Graeci et inter asper-
rimos scopulos naufragium pertulerunt.
Mythogr. Vatic. I, 144 (und II, 201) ^): Nauplius montem Caphareum ascen-
dit et elata facula signum dedit vicini portus. Quare decepti. .. . (Suppl. II,
156 fast genau so, nur im Ausdruck wechselnd.)
Hygin. fab. 116: Nauplius tamquam auxilium eis afferret facem ardentem
eo loco extulit, quo saxa acuta et locus periculosissimus erat. Uli credentes
humanitatis causa id factum naves eo duxerunt; quo facto plurimae
naves earum confractae sunt
Statins, Achilleis I, 93: Cum reduces Danai nocturnaque signa Caphareus
exseret et dirum pariter quaeremus Ulixem.
Dazu der Kommentar des Placidus (p. 492 Jahnke; aus Servius): Nauplius
. , . montem Caphareum ascendit et elata facula signum dedit vicini portus.
Qua re decepti sunt Graeci
Dictys VI, i: .... Nauplius .... per noctem igni elato ad ea loca deflec-
tere tamquam ad portum coegerat.
*) im 3. Bande der von A. Mai herausgegebenen Qass. auct. e codd. Vaticanis (Rom, 1831).
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer. '2^1
Von den großen Dichtern der klassischen Zeit hatte Sophokles die Naupliossage
in einem eigenen Drama dargestellt, das bezeichnenderweise aber nicht den Titel
NauirXioc Ttupcpopoc oder ähnlich (wie etwa Prometheus), sondern die allein präzise
Bezeichnung NauTtXtoi; icupxaeu? führte. Vgl. Nauck, fragm. Trag.^ p. 224 u. da-
selbst fr. 402 sowie Hesych: dTroXorfitov <pav6v xov im 86X(p.
Auch Euripides, Helena 1 126 ff. gebraucht für Nauplios' Tätigkeit den präg-
nanten, nicht mißzuverstehenden Ausdruck des Feuersignals iruposusiv:
.... Trupcsuaas cpXoYspöv oeXot? . . . x IvaXoi? SoXiov axxais döxepa Xdfit];«? ....
Dazu das Scholion ad Euripid. Orest. 432: NauirXio? .... cppuxxa>pia? ri<^z
:rspt xä? dxpa? x^s Eußoi'a?* 0! 8^ eisirt'ßaxov vojxiaavxss xöv xotrov 7:po(Jop|i,i-
Covxai xat iv xatc Trsxpai? dTCoXXuvxai ; und -Jjtj^s (ppuxxtopt'a; . . . oitoo TrpooiteXdoavxec
Iv xq) SoxsTv XtfiEva sTvai Siscpddp/joav.
Die hellenistische Periode ist vertreten durch Lykophron 384 ff. :
oxav xapyjßapeuvxac Ix p-sörjc d^tuv,
XaixTx^pa cpatVT(j xöv TcoÖTjifsxTjv oxoxous
OlVX>)f, d^pUTTVCl) 7rpo(Txa&>]|isvo? xsj^vtq.
Dazu die Paraphrasis (Lycophr. Alexandra ed. Bachmann p. 309): ouoxav «>?
jxeOuovxas Ix x^? [le&rj? dTraytov 6 NauTrXto? cpavöv cpaivif), xöv oStj'^öv xo5 oxoxoü?,
6 ßXaTTTixöc XT(j «YpuTrvtp xe/viQ iropaxadVjiievo?.
und das Scholion bei Tzetzes (Lycophr. Alex. ed. Scheer II p. 145): NauitXios ri'^e
iropäv TTspl xd xotXa x^? Eußoi'a?, evda TzpoaeTzi'kaaav ot 'EXXrjvei; Soxouvxe? Xt(Aeva
sivai xat Ixet StscpOdpYjöav.
Dichtung und Prosa der römischen Kaiserzeit verhalten sich natürlich nicht
anders. So ist in den beiden E'.pigrammen augusteischer Periode Anthol. graeca
Palat. IX 289 und 429 von dem Tuupoo? des Nauplios die Rede, den das zweite, auf
eine Frau, die den oxottöv NauirXiov besungen hat, gedichtet ^), zudem gleich anfangs
xöv öxoTcöv Eüßotrj? nennt, also deutlich: »Feuerwächter«,
Wenn im Automatentheater des Alexandriners Heron die Vorführung gerade
der Naupliossage in fünf Schaustücken einen so großen Raum einnimmt, so ist das
vielleicht nicht von ungefähr. Es ist eine Vermutung von Alfred Körte, daß hier die
Bedeutung der großen alexandrinischen Leuchtfeuer auf dem Pharos mit herein-
spielt. XXII, 5 6' 6^ NauTrXio? xöv irupopöv I^TQpxw? xol yj 'A&>)va xcapeoxtoca,
xat irup UTuep xöv utvaxa dvexauOrj, «u? öitö xoi> Ttupoou cpatvojisvrjs ävta cpXoifo? (ed.
W. Schmidt I, p. 414).
Bei Ouintus Smyrnaeus XIV, 621 ff. heißt es:
6 8' (NauTrXioc) dtj^djxevo? j(Epi ttsuxtqv
af&ojxev>jv dvdsipe* 86X(i) 8' i-Kskacscszv 'Axatouc,
IXicop-evoüs euopjxov I80? Xtfxsvrav d(ptxeadat.
Dio Chrysostomus or. VII, 32 (I p. 249 ed. G. de Bude) wendet ebenfalls den-
') Vgl. den xaxaaxoito? auf der entgegengesetzten erwähnten ^{jiepoaxdiroi, welche die militärischen
Felsenwarte Euböas im Norden, dem Artemision, Bewegungen zur See zu beobachten hatten,
bei Herodot VIII, 21 oder die ebenda VII, 219 Auch den Wächter (xaTctaxono?) von Trachis
(VIII, 21).
222 H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
selben bestimmten, für Signalfeuer allgemein gebrauchten Ausdruck auf Nauplios
an, wie dieser Sinn auch aus dem ganzen Zusammenhang der Stelle deutlich
hervorgeht:
.... xal "jfap oifitti Tropdsueiv autöv (seil. (Soirep tov NauxXiov) auö täv axpwv xoTs
icXeousiv, oiTto? Ixr.iTCToxJtv s?c tot? Trstpas.
Dazu bemerkt Arethas (bei Ath. Sonny ad Dion. Chrys. analecta, Kioviae
1896, p. 103):
NauTrXto? TOV Ka^Tjpea xaxaXaßwv elta vuxxö? Ttupcfsuwv oltzo xaiv ixsTss netpcuStuv
TTOcYtov TfjTraT« Tcpooj^eiv «jaj 8t^ Tivt eu7cpoai68(p dxt^ toT? dTcoxofiOi? xpyjfAVoTc ek
ßdöo? ippiCtüfisvoic
Bei Synesius epist. IV (ed. Migne, Patr. graec. tom. 66, p. 1736) wird erzählt,
wie ein alter Mann die Seefahrenden aus ihrer Notlage befreit, indem er ihnen ■ —
gerade umgekehrt wie Nauplios — einen guten Hafen weist und sie an Land bringt:
.... rqv xs vaGv ivopjjiiCei Xifisvi^xq) x^?^^^"^^ ^°'^ ^f*«? im x^« i^iovo?
aTreßtßaofe, otoxr^p xal 8at{ituv aYaöö? dTroxaXoüjievo? .... xat Tcpiv earepav elvat, tcvxs
YBYovafiEV uTTÖ xoi> decnrEOioo irpeoßuxou iteptacoöeTsai cpopxtSs;, upaYfxa ivavxiwxaxov
x(p Nau7rXi({) TTOioijivxoi;.
Was die Sage und Dichtung an all diesen Stellen von der List des Nauplios be-
richtet, steht in zweifellosem Zusammenhang mit dem Verdienst, das die Sage seinem
erfindungsreichen Sohne, dem edlen und hochbegabten Rivalen des Odysseus,
dem Palamedes, zuschreibt, der mehrfach gerade als Erfinder der Leuchtfeuer
(cppuxxtuptai) genannt wird ^), In tragischer Verknüpfung finden die heimsegelnden,
an seiner Ermordung schuldigen Griechen gerade durch diese seine, vom Vater Nauplios
in Rache trügerisch angewendete Erfindung ihren Untergang. Die Stellen über
Palamedes sind zusammengestellt bei Röscher III, 1270, 37 ff. und Fischl S. 4.
Bei Sophokl. fragm. 399, Nauck^ (vgU fragm, 438) zählt der Vater Nauplios
selbst die vielen Erfindungen seines Sohnes auf, darunter Vers 6: ... 0« oxpaxou
9puxxu)ptav ISsiSe xdvecpTjvev .... uirvou <puXo$i maxa <JY](iavxT^pia.
Schol. ad Eurip. Or. 432 (oXXo)?) : .... (paal 8s aöxov supeiv (ppoxxtopia?.
Gorgias, Palamedes ed. Blaß p, 163, 30: euptbv irupctou? xs xpaxi'axoos xat
xa)(i(Jxoo? drcfikooq.
Alkidamas, Odyss. ed. Blaß 182, 22 ... cpa'axtov ISeopTjxsvat ... rupöou?;
p. 184, 28 .. Ttupaouc aS icfo<pt<jaxo ....
Plin. Nat. hist. VII, 56, 202: signi dationem Palamedes invenit Troiano
bello . . .
Dio Chrys. XIII, 21: iStSaSe . . . xouc 9puxxouc otco? j^p-Q dve/etv ...
Schon Ernst Curtius (Rhein. Mus. 1850, 459) hat die Vermutung ausgesprochen,
daß sich in der Sagengestalt des Palamedes — man darf hinzusetzen, wie des
Nauplios — ein ganzer Knäuel älterer Kulturerrungenschaften verdichtet habe, die
zum Teil auf die Phöniker zurückgehen könnten. So auch die Erfindung der Leucht-
feuer, da gerade auf Palamedes die Leuchtfeuer zurückgeführt werden, die mit den
*) Auch Sinon wurde diese Erfindung zugeschrieben. Vgl. über ihn ausführlich Immiscli bei Röscher,
Myth- Lexikon s. v.
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer. 223
Heiligtümern der Aphrodite verbunden sind. Uschi S. 5 führt dazu noch das
Rauchsignal (xucpsTv xaTcvov) der karthagischen Kaufleute an den afrikanischen Ge-
staden an (Herodot IV, 196). Über Art und Charakter des Naupliosfeuers auf dem
euböischen Vorgebirge kann also kein Zweifel mehr möglich sein.
4. Der Pharos von Alexandria.
Der alexandrinische Pharos als griechischer Leuchtturm, als von Anfang an
für Leuchtfeuer bei Nacht bestimmt und erbaut, steht und fällt in der von Hennig
entfachten Streitfrage mit denf bekannten Epigramm des Poseidippos. ^). Hennig
erkennt selber an: »Stammt dies Epigramm wirklich von Poseidipp her, so ist jeder
Zweifel daran, daß der Pharus von Anfang an ein Leuchtfeuer getragen hat, hin-
fällig.« Dies wichtigste Testimonium gilt es also vor allem für ihn zu beseitigen.
Er tut dies, indem er gegen den Pariser Papyrus, der das Epigramm enthält, folgendes
gewaltsame Verfahren voll willkürlicher Behauptungen einschlägt (S. 39):
1. Die Beschriftung der Vorderseite, Rechnungen aus dem Serapeum zu
Memphis, wird ohne jede Angabe einer Begründung ins 3. vorchristliche Jahrhundert
gesetzt, obwohl Blaß, den Hennig eingesehen hat, das Jahr 161 v. Chr. dafür schon
festgelegt hatte.
2. Die Aufzeichnungen auf der Rückseite des Papyrus werden in spätere Zeit
datiert, für deren genaue Datierung sich aber überhaupt kein Schluß ziehen lasse.
3. Ebensowenig lasse sich ein Schluß ziehen auf die Persönlichkeit des
Schreibers.
4. Die Vermutung, daß Poseidipp der Verfasser des fraglichen Epigrammes
sei, wird als hinfällig und unbewiesen erklärt, da sie sich lediglich auf eine »ziemlich
willkürliche Änderung« der Überschrift stütze.
5. Diese Überschrift wird, wieder ohne Angabe von Gründen, als erst später
mit blasser Tinte hinzugefügt erklärt.
6. Die Zuweisung an Poseidipp werde weder durch die »zweifellos ebenso ele-
gante wie geistvolle« Sprache des Epigramms, noch durch irgend einen anderen
Umstand gestützt.
7. Die Diskrepanz in den Angaben über die Weihung des Pharos (das Gedicht
mache den Zeus Soter zu seinem Herrn, die bekannte Turminschrift aber weihe ihn
den Dioskuren) spreche ebenfalls gegen die Verfasserschaft des Poseidipp.
Also weder der Verfasser des Epigramms noch der Abschreiber, noch das Jahr-
hundert der Entstehung des Gedichts, noch das seiner Niederschrift sei bekannt;
aus solchem Material dürfe man unmöglich kritische Schlüsse ziehen (S. 39).
Mit dieser dunklen Wolke verdächtigender Zweifel hält mir Hennig vor, ich
hätte, trotz Blaß, verschwiegen, daß die Urheberschaft des Poseidipp »eine keines-
') Aus dem Pariser Papyrus Firmin-Diciot zuerst 74 ff-» bes. 90 ff. und Bergk, ebenda 2580.; zu-
publiziert von H. Weil in den Monuments grecs II, letzt ausführlich in der Berliner Dissertation von
1879, 28 ff. und pl. II. Dann kritisch besprochen P. Schott, Posidippi epigrammata collecta et
von Blaß im Rheinischen Museum N. F. 1880, illustrata (1905) 8 ff.
224 ^' Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
wegs bewiesene und sogar recht sehr in der Luft schwebende Annahme« ist. Ich hatte
allerdings, so wenig wie heute, Grund, an der Autorschaft des Poseidipp zu zweifeln,
um so weniger, als gerade Blaß (S. 90), was Hennig in dem blinden Übereifer seiner
Voreingenommenheit ganz übersehen zu haben scheint, dazu bemerkt: »Die beiden
Epigramme werden in der arg entstellten Überschrift doch offenbar, wie Weil gesehen
hat, dem Poseidippos beigelegt, und dies bestätigt sich vollkommen.«
Auch in dem im selben Bande des Rhein. Museums folgenden Artikel von Th. Bergk ^)
wird das Epigramm ohne jedes Bedenken für Poseidipp in Anspruch genommen
und die Richtigstellung des Namens Poseidippos anerkannt. Desgleichen als etwas
ganz Selbstverständliches von Vahlen in den Sitzungsber. d. Berliner Akad. 1889
I» P- 47 — ^49. (Zur Arsinoe Zephyritis).
Da Hennig also weder Blaß noch Bergk noch mir Glauben schenken will, wird
€S ihm gewiß lieb sein, das Urteil eines ganz speziellen P'achmannes zu erfahren,
dessen für die philologisch-literarische wie für die paläographisch-technische Seite der
Frage gleich wichtige Kompetenz von niemandem bestritten werden dürfte. Herr
Professor Dr. Wilhelm Schub art von der Papyrusabteilung der Kgl. Museen Berlin
hatte die Freundlichkeit, mir auf die Vorlegung der Hennigschen Bedenken Folgendes
zu erwidern:
(ad I.) »Zunächst glaube ich nicht, daß die literarischen Texte auf Rekto
älter als l6l v. Chr. sein müssen; nichts zwingt, ins 3. Jahrh. v. Chr.
hinaufzugehen, und der allgemeine Eindruck der Schrift stimmt zu dem, was an
sich wahrscheinlich ist, daß nämlich irgend jemand aus dem Kreise des Serapeums,
aus der Gesellschaft »Ptolemaios und Zwillinge«, sich diese sehr mangelhaften Nieder-
schriften gemacht habe. Vergleiche ich die Abbildungen der Sarapeumspapyri im
I. Tafelband des Britischen Museums, so finde ich zwar nicht dieselben Hände, aber
einen recht nahe verwandten Typus.
(ad 2 und 3.) Der Text auf Verso braucht nicht jünger zu sein; ich
möchte dieselbe Zeit, und Mitte des 2. Jahrh. v. Chr., vermuten; manches
sieht später aus, aber im ganzen ist doch diese Zeit wahrscheinlich. Solche unge-
schickten Hände kann man überhaupt schlecht datieren.
(ad 4.) An der Lesung rioaieiStTntou zu zweifeln, hat m. E. keinen
Sinn. Ich lese
[nocJeiAeiAeinnoY
Das dritte €1 ist in der gewöhnlichen kursiven Form geschrieben, die auch ptole-
mäisch vorkommt. Es war also sicher rioosiStitTrou gemeint,
(ad 5.) Die Überschriften können von derselben Hand sein.«
Dazu darf auf die gute Abbildung der hier Abb. i wiederholten Schriftpartie bei
Weil pl. 2 verwiesen werden. Die Überschriften haben merklich kleinere Buchstaben
als die Gedichte selbst und sehen zweifellos so aus, wie erst nachher eingesetzt, als
die Strophen schon geschrieben waren. Aber der Duktus ist so sehr derselbe, daß
dies auch unmittelbar nach dem Niederschreiben der Verszeilen hat geschehen sein
0 s. 258 ff.
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
225
können. Schott p. 12 sagt ganz richtig: »Nomen auctoris minoribus litteris additum
est, ut mihi quidem videtur, eadem manu.« Auch die »blassere Tönung« der Tinte
kann kein entscheidendes Moment abgeben. Denn einerseits ist eine solche ebenso
stellenweise auch in den Verszeilen der Gedichte selber zu sehen, andrerseits in den
Überschriften nur teilweise zu konstatieren, ihr anderer Teil zeigt dieselbe dunkle
Tönung wie überwiegend die Verszeilen.
Abb. 1. Die beiden Epigramme des Poseidippos auf dem Papyrus Firmin-Didot (nach Weil).
Was Punkt 6 der Hennigschen Kritik angeht, so entspricht die Handhabung der
Sprache durchaus dem Charakter der hellenistischen Literatur des 3. Jahrh. v. Chr.,
wie mir von philologischer Seite nur bestätigt wird. Ihre »Eleganz« hat freilich nicht
hingereicht, ;das ästhetische Werturteil über diesen Punkt bei Poseidipp zu bessern.
Er gilt nach wie vor als erheblich weniger elegant und ausdrucksgewandt als sein darin
glücklicher veranlagter Zeitgenosse Asklepiades. Vgl. besonders Schott p. 115 ^)..
*) »In epigrammatis ingenium non moUe, sed durum;
non tenerum sed severum ; non tarn elegans quam
Asclepiadis lingua ad exprimendum, quid
viderit, non tam facilis quam Asclepiadis
Deest Posidippo lyrica Asclepiadis moUities . .
»Der Masse qualvoll abgerungen . . . «.
226 H- Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
Epigramme ferner auf berühmte Kunstwerke sind etwas, was gerade Poseidipp und sein
alexandrinischer Zeitgenosse und Kollege Asklepiades zuerst eingeführt haben soll (vgl.
Christ- Schmid, Griech. Liter aturgesch,^ II, ii/fT.; auch Friedländer, Joh. v. Gaza
und Paulus Silent. (1912) S. 55 ff. (Die Kunstschilderung im Epigramm). So gibt
es von Poseidipp Epigramme auf berühmte lysippische Statuen (den Alexander, den
Kairos), auf die Statue der Doriche in Naukratis, und eines auf den Grabtempel des
Kallikrates für Arsinoe Zephyritis bei Alexandria. Ja, dieses Epigramm, dessen
poseidippische Autorschaft niemand wird bezweifeln wollen, da es, worauf auch Blaß
hinwies, durch ein analoges Epigramm bei Athenäus VII, 318 D, welches dem gleichen
Gegenstand gewidmet ist, gesichert wird ^) : es folgt in unserem Papyrus un-
mittelbar und von derselben Hand geschrieben auf das Pharosepigramm. Seine
Überschrift AAAO sichert also auch für dieses, das Pharosepigramm, die Verfasser-
schaft des Poseidipp ^). Diese steht demnach so zuverlässig fest, daß unser Epigramm
auch in der neuesten, eben zitierten griechischen Literaturgeschichte als Fixpunkt
für die Ansetzung der Lebenszeit 3) des Dichters angegeben wird. Ein Zweifel an dem
poseidippischen Ursprung und Charakter des Pharosepigramms ist, soviel ich sehe,
in den maßgebenden Fachkreisen überhaupt nicht erhoben worden. Im Gegenteil,
jene neue, unter Wilamowitz entstandene Spezialstudie über Poseidipp, die oben
schon erwähnte Berliner Dissertation von P. Schott (1905), setzt gerade das Pharos-
epigramm bei der Scheidung der echten und zweifelhaften Stücke mit Bedacht nicht
nur an die Spitze der echten Serie (de epigrammatis genuinis p. 8 ff.), sondern- zieht
es auch bei der Beurteilung der Dialektformen als besonders wichtiges und ent-
scheidendes Dokument heran 4). Zudem hat sich, worauf mich L. Malten noch
aufmerksam macht, Wilamowitz selbst ausdrücklich zu dem poseidippischen
Ursprung des Pharosepigramms auf dem Pariser Papyrus bekannt : Sitzungsberichte
der Berliner Akademie 191 2, 534 Anm. i („Neues zu Kallimachos").
Auch der letzte (7.) Einwand Hennigs hat keine durchschlagende Kraft. Denn
daß im Epigramm stünde, der Pharosturm sei dem Zeus Soter geweiht, ist ebenso
unrichtig, wie zu behaupten, die Turminschrift habe sich nur an die Dioskuren
gewandt. Es hieße dies in beiden Fallen zuviel, bzw. zu wenig herauslesen und ist
') Vgl. Bergk a. a. 0. 258 f.: »Wenn uns von Posei- nach Vollendung des Wunderbaues geschrieben —
dipp noch ein anderes Epigramm gleichen Inhalts in frischer Erinnerung daran.) Schott nimmt weiter
erhalten ist, so entspricht das ganz der Weise an, Poseidipp sei ca. 276 v. Chr. vom griechischen
dieser Dichter, ein und dasselbe Thema zu Archipel nach Alexandria gekommen und dort
variieren.« bald berühmt geworden. »Inde accidit, ut So-
*) Über aXXo = toü oütoü 7rot7)ToO und in unserem stratus et Callicrates, viri nobilissimi, ei carmina
Falle nur so zu verstehen, vgl. Bergk, Rh. Mus. facienda mandarent.« Es ist kein Zufall, daß
1880, 258 Anm. I. Zu öiXXo vor einem Epigramm, gerade diese beiden Epigramme auf unserem
vgl. auch Berl. Klassikertexte V I, S. 78 (II. Papyrus beieinanderstehen.
Jahrh. v. Chr.). Nach v. Wilamowitz (ebd.) 4) p. m .... feliciter accidit, ut in Posidippo qui-
»selbst auf Steinen, nur um mehrere Gedichte dem tractando vetustissimo auxilio eoque minime
zu trennen«. spernendo adiuvemur, papyrum dico. p. 112.
3) Schott p. III u. 114 setzt dafür rund 300 — 250 In papyri quidem carminibus Po.sidippus Attico
v.Chr. an. (Vgl. auch Susemihi, Gesch. d. gr. sermone usus est Eiusdem sermonis vestigia
Lit. in alex. Zeit II, 351: Das Epigramm kurz in ceteris carminibus.
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer. 227
gar nicht einmal vonnöten. Darum braucht eine Anspielung auf die beiden Zeus-
söhne, die Dioskuren, von denen als Oeol stox^pss anscheinend die Weihinschrift ^)
redete, in dem Zsu? aotvqp der letzten Zeile unseres Epigrammes, die damit gewandt
zu dem Turm-ocuTi^p der ersten Zeile zurückkehrt, keineswegs ausgeschlossen zu
sein. Im Gegenteil, so ist das dichterische Spiel graziöser. Das Rechte scheint
mir Schott (p, 12) gesehen zu haben: »Sed cum Jupiter, unus ex diis salutaribus,
nominatim appellaretur, ösol owt^pss nomen non proprium sed appellativum esse
videtur Osol ocux^ps? = di salutares xat i$oxijv, unus quisque Oeö? owtTQp, cum alii
(Castores sive Cabiri) tum Jupiter.« Ein solch ganz allgemein gefaßter Sinn der
Weihinschrift auf dem Turm hat viel für sich und steht mit dem Epigramm nicht im
geringsten Widerspruch.
Kurz, der ganze Ansturm Hennigs gegen Poseidipp, den Kronzeugen für den
Pharos als griechischen Leuchtturm von Anfang an, fällt bei kritischer Beleuchtung
ebenso in sich zusammen wie der vergebliche Versuch, die Existenz der älteren griechi-
schen Leuchtfeuer durch Entkräftung der alten Eposstellen zu leugnen. Ich halte
mich darnach mit den philologischen Fachgenossen nach wie vor für berechtigt,
hier von einem wirkhchen Epigramm des Poseidipp und einer authentischen Nachricht
aus der Entstehungszeit des Pharosturmes selbst zu sprechen. Um so mehr, als ein
neugefundenes Lied des Kallimachos auf den Tod der Arsinoe aus dem Jahre 270
V. Chr., von Wilamowitz nach dem Berliner Papyrus nr. 13417 herausgegeben
(Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1912, 524ff.), den Pharos — er heißt dort v. 54:
TOpiaafjLo? — mit einer Reihe von Höhenfanalen 2) in Verbindung zu bringen
scheint, die den Tod der Königin weithin übers Meer verkünden. Vgl. Wilamowitz
S. 533 f. Auch in den Berliner Klassikertexten V (1907) i, yy nennt Wilamowitz
das Pharosepigramm ohne weiteres poseidippisch.
Wenn aber diese allerwichtigste und älteste Stelle über den alexandrinischen
Leuchtturm in ihrer Beweiskraft nicht erschüttert werden kann, so scheitern damit
von selbst auch alle weiteren Bemühungen, in denen Hennig durch andere antike
Erwähnungen des Pharos seinen, wie er wohl selbst fühlte, der Verstärkung sehr
wohl bedürftigen Hauptangriff noch zu stützen suchte. Er übernimmt dabei seine
Argumente von Veitmeyer, der aber seinerseits in diesem Stück entschuldigt ist, da
er das Epigramm des Poseidipp gar nicht kannte.
Zu Lucan, Phars.X, 1004 und Plinius N.H. XXXV, 12, 83 und V, 31 ist weiter
nichts zu sagen. Die ausdrückliche Herv^orhebung der nächtlichen Leuchtfeuer auf
der Pharosspitze an den drei Stellen stimmt eben völlig mit Poseidipp überein. Den
Ausdruck, den Strabo XVII, i, 6 vom Pharos gebraucht, Xa{i,irpöv cjrjfjisTov, wird jetzt
niemand mehr pressen und damit ausschheßhch eine weithin sichtbare Tagesmarke
und nicht auch ein nächtliches Fanal angedeutet sehen wollen. Wenn aber Caesar
(bell. civ. III, 112) kein Leuchtfeuer auf dem Pharosturm, sondern nur seine mili-
tärische Wichtigkeit als festes Sperrkastell erwähnt, so hat das wohl darin seinen
») Vgl. die Literatur in meinem »Pharos« S. 32 und ») So die Annahme von Wilamowitz. Der Text
bei Schott p. 11 ff. ist freilich überaus verstümmelt überliefert.
228 ^' Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
guten Grund, daß die überdies kostspieligen Leuchtfeuer in den Wirren des damals
in und um Alexandria tobenden Krieges bei der Annäherung des Feindes gelöscht
worden waren, wie das heute noch geschieht in jedem analogen Falle. Wenn endlich
andere Autoren, wie Pomponius Mela, den Pharos zwar erwähnen, aber gleichfalls
nicht ausdrücklich auch sein Leuchtfeuer, so ist dieses eben damals als selbstverständ-
lich allen bekannt vorausgesetzt, als von dem Begriff »Pharos« ein für allemal unzer-
trennlich. Diese in pyrseutischem Sinne prägnante Bedeutung des Wortes hat sich
über das Alterturn (Anth. Pal. IX, 671, XI, 117, 6) ^) hinaus bis ins Mittelalter hinein
erhalten, mit einer bekanntlich bis auf heute reichenden Wirkung. Belege dafür sind
in. den klösterlichen Realenzyklopädien des Mittelalters die Stellen bei Isidor von
Sevilla (f 636), Etymol. XV, 3 und, wörtHch ihn abschreibend, Hrabanus Maurus
(c. 842), de rerum natura XIV, 13: »Farus turris est maxima, quam Graeci et Latini,
in commune ex ipsius rei usu farum appellaverunt, eo quod flammarum
indicio longe videatur a navigantibus, qualem Ptolemaeus iuxta Alex-
andriam cönstruxisse octingentis talentis traditur. Usus eins est nocturno
n avium cursu ignes ostendere ad pronuntianda vada portusque introitus,
ne decepti tenebris navigantes in scopulos incidant Hinc igitur
in portubus machinas ad praelucendi ministerium fabricatas pharos
dicunt.« Ganz parallel damit gehen die ebenfalls schon von Hennig (S.48 ff.) heran-
gezogenen Stellen der gleichzeitigen byzantinischen Literatur (Konst. Porphyrog.
bei Theophanes continuatus), die »Pharos« ebenfalls = Turm, mit Licht zur Nacht-
zeit, für die Seefahrenden setzen.
Wer endlich nur ein weniges von der antiken Numismatik weiß, der weiß auch,
daß jenes andere Bedenken liennigs, der Pharos erscheine erst in römischer Zeit
auf den alexandrinischen Münzen als Prägebild, hinfällig ist. Denn die ganze
griechische Prägung kennt solche architektonische Bildtypen soviel wie überhaupt
noch nicht. Vgl. z. B. Hill, Handbook of Greek and Roman Coins p. 174.
Jeden festen Halt hat nun aber auch Hennigs Bestreben verloren, alle andern
Seewarten als Leuchttürme auszuscheiden, die vor oder nach dem alexandrinischen
Pharos erbaut wurden, und bei denen nicht ausdrücklich das nächtliche Signalfeuer
genannt wird. Das vermeintliche gänzliche Fehlen der Leuchttürme bei Strabo,
nur weil er nicht ihre Fanale erwähne, kann unmöglich mehr ins Feld geführt werden.
Aus der einen Stelle über den alexandrinischen Pharos ist es ganz klar, daß aijfjisiov
bei ihm nicht den engen, nur für den Tag geltenden Sinn hat, wie Hennig möchte,
sondern den weiteren, allgemeineren: ein Zeichen zu sein für Tag und Nacht. Dann
geht es aber auch nicht mehr an, der von Caepio 106 v Chr. am Baetisdelta erbauten
Seewarte ohne weiteres das Leuchtfeuer abzusprechen. Strabo spricht III, i, 9
ausdrücklich auch hier von der Notwendigkeit eines aTjjxeiou lirKpavou;. Vgl. dazu
') Im ersten Fall ist von dem »Pharos« von Smyma von dem weithin sichtbaren Feuer auf dem
und seinem Erbauer, dem Prokonsul Ambrosios Leuchtturm einer vermutlich gleichfalls klein-
aus Mylasa, die Rede, im zweiten ganz allgemein asiatischen Hafenstadt. Das Epigramm stammt
von Straten aus Sardes (2. Jahrh. n. Chr.).
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
229
Abb. 2. Leuchtturm in Messina
nach Münze des S. Pompeius
(nach Hennig).
meinen »Pharos« S. 19, l und den ganz gleich-
artigen Gebrauch von sign um = Leuchtturm, in
späterer Zeit.
Bei Sueton (Tib.74) die »turris Phari« des
Tiberius als unbequem zu eliminieren, weil sie
»sprachlich zu Bedenken Anlaß« gebe, weil sie
»vielleicht (!) erst ein Einschiebsel späterer Zeit
sei« und »auch sonst keine Rückschlüsse gestatte«,
ist ebenso unbegründet wie unerlaubt. Der Aus-
druck »Pharus« hat hier evident schon jene generell
gewordene, eine ganze Turmgattung bezeichnende
Bedeutung »Leuchtturm«, von der oben die Rede
war. Ja, gerade das leuchtende brennende Fanal ist
die Pointe bei dieser Ausdrucksweise, ebenso wie
heute noch. Derselbe Sueton beweist das aufs
deutlichste bei den Erwähnungen der Seewarten
von Gessoriacum (Boulogne) und Ostia. Caligula 46: et in indicium victoriae
altissimam turrim excitavit, ex qua ut ex Pharo noctibus ad regendos
navium cursus ignes emicarent. Claudius 20: ... superposuit altissimam
turrim, in exemplum Alexandrini Phari, ut ad nocturnos ignes cursum
navigia dirigerent.
Dem nicht literarisch beschriebenen, aber auf Münzen (vgl. unsere Abb. 2)
seines Erbauers Sextus Pompeius (ca. 40 v. Chr.) abgebildeten Leuchtturm von
Messina tut Hennig ebenfalls Unrecht (S. 43). Die das Turmdach krönende
Poseidonstatue spricht nicht im geringsten ■ — so
wenig wäe die entsprechende Figur auf dem Pharos
von Alexandria — gegen die Anbringung eines Leucht-
feuers, welches offenbar im obersten, deutlich abge-
trennten Turmgeschoß brannte wie in einer Laterne
und so geschützt durch die großen, deutlich erkenn-
baren Rundbogenfenster seinen hellen Schein hinaus-
warf ins Dunkel. Vgl. meinen »Pharos« S. 18 und
deutlicher Hennigs hier wiederholte Abbildung der
Münze. Ebenso ist offenbar auch die mittelalterliche
Zeichnung des Leuchtturmes bei Hrabanus Maurus
(Abb. 3 u. oben S. 214) zu verstehen: das Feuer
brennt nicht oben auf einer von niedrigen Zinnen
umrahmten Plattform, sondern tiefer unten auf dem
Boden des obersten, oben offenen Geschosses, zu dem
die drei großen Rundbogenfenster gehören, durch die
der Feuerschein zur Seite hinausleuchtet. Nur um
das Leuchtfeuer recht deutlich zu machen, hat der
unbeholfene Miniaturist uns in einer gewaltsamen
Jk
IsJÜä^lit-fc'^^ ^^^
J f^
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Abb. 3. Darstellung eines antiken
Leuchtturms bei Hrabanus Maurus
(nach Hennig).
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX.
«7
230
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
Perspektive und schrägen Draufsicht oben in den Turm hineinsehen lassen. Diese
zweifellos richtige Deutung der Miniatur verdanke ich einer Mitteilung meines
Vaters.
Abb. 4. Leuchtsäule auf dem Grottenmosaik von Praeneste (nach Bull, commun. 1904).
Meine Bemerkungen s. Z. über die andern, nicht alexandrinischen Leucht-
feuer scheinen überhaupt nicht beachtet worden zu sein. Sonst hätte es Hennig
kaum versuchen können, auch die beiden noch in klassische Zeit hinaufreichenden,
mindesten 10 m hohen Hafensäulen am Eingang des Piräus nur als Tagesmarken
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer. 2 '^ I
ZU erklären. Durch das Pränestiner Grottenmosaik Bull. comm. 1904, tav. VI — VII
ist der Gebrauch solcher Säulen als Träger von Leuchtfeuern (vgl. unsere Abb. 4.)
am Hafenrand^e gesichert, wie ich im »Pharos« S. 19 ausgeführt habe. An der zuerst
von G. Hirschfeld (Sitzungsber. d, sächs. Ges. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. i87'8, 11) aus-
gesprochenen, dann von Milchhöfer (Karten von Attika I, 55) aufgenommenen
Deutung der Säulen als Leuchtsäulen mit aufziehbaren Pechpfannen zu zweifeln,
liegt also auch jetzt kein begründeter Anlaß vor^). Zu behaupten aber, diese
Anschauung schwebe »völlig in der Luft« (Hennig S. 42), ist unbedacht und
unberechtigt.
5. Nächtliche Seefahrten.
Kurz, in der ganzen Leugnung der griechischen Leuchtfeuer ist Hennig, selbst
Laie auf dem Altertumsgebiet, allzu vertrauensvoll Veitmeyer, dem modernen
Techniker, gefolgt.
Wenn der erstere allen Ernstes meint, die Annahme altgriechischer Leucht-
türme werde nun endgültig aufgegeben werden müssen (S. 42), und glauben machen
möchte, daß »mindestens bis Tiberius nächtliche Leuchtfeuer für die Schiffahrt
nirgends im Gebrauch gewesen seien«, ja »daß bis in das i. nachchristliche Jahrhundert
hinein eine irgendwie regelmäßige nächtliche Schiffahrt nicht bestanden haben kann«
(S. 43 — ^44), und wenn Veitmeyer behauptet, daß gar kein Bedürfnis nach Leucht-
feuern vorhanden gewesen sei, weil nachts die Schiffahrt ganz ruhte, so ist das eben
ein Grundirrtum.
Wie eine unbewußte Ahnung von dieser Tatsache, gegen die. sich Hennig wie mit
Gewalt verschließt, liegt es in seinen eigenen Worten (S.44): ». . . es wäre ganz unbe-
greiflich, daß die zahlreichen vorhandenen, für die Zwecke der Schiffahrt angelegten
Türme erst so spät mit Leuchtfeuern versehen wurden. Deren Zweckmäßigkeit ist
ja so einleuchtend, der Gedanke, ein die Richtung zeigendes Feuer zur Nachtzeit
anzuzünden, so naheliegend, daß eben nur ein völlig mangelndes Bedürfnis die jahr-
hundertelange Unterlassung zu erklären vermag.« In Wirklichkeit ist freilich weder
von einer solchen Unterlassung noch von einem solchen absoluten Bedürfnismangel
die Rede.
Schon daß in homerischer Zeit die Schiffahrt nur wenig entwickelt gewesen sei,
ist falsch. Was die minoische Seeherrschaft bedeutete, und was nachher die phöniki-
sche und archaisch -griechische Zeit nautisch leistete, die Periode der weiten, ganz
auf den Seeverkehr basierten griechischen Kolonisation, sind geschichtliche Fakta,
die vor solch übertriebenen Ablehnungen warnen sollten. Ganz naturgemäß ist man
vor allem bei Tage gesegelt, aber immer muß es auch nächtliche Seefahrten gegeben
haben, nicht nur zufällige und unfreiwillige, wenn durch widrige Winde oder Wind-
') Auch in Baumeisters Denkm. d. kl. Altert, II, Merckel, Ingenieurtechnik im Altert. 349, nur
1198 ist es natürlich Milchhöfer, dem dann nachspricht. Dieser Sachverhalt ungenau bei
Hennig S. 42.
17*
232
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
Stille Verzögerung der Fahrt eintrat oder durch Stürme, wie bei der bekannten des
Paulus mit 14 Sturmnächten, sondern auch systematisch gewollte. Das läßt sich
beweisen. Darum haben sich auch vorsichtige Forscher, wie Breusing und Riepl
(S. 170), wohl gehütet, eine solche absolute Negation auszusprechen, wenn sie auch
die Fahrt bei Tage als die natürliche Regel selbstverständlich anerkannten. Auch
M. Buchwald (in Weltverkehr u. Weltwirtschaft 1912, 78) sagt nur, die antike Schiff-
fahrt habe sich »in der Regel« auf Tagesfahrt beschränkt.
Die Seefahrt bei sternklarer Nacht ist den Alten etwas so Selbstverständliches,
daß sie nirgends besonderes Aufheben davon machen. Schon Homer (Od. V, 269 fT.)
nicht, wenn Odysseus die Kalypsoinsel auf dem Floß verlassend heimwärts segelt,
ohne nachts die Fahrt zu unterbrechen, nach den nächtlichen Gestirnen sich rich-
tend ^), diesen himmlischen Vorbildern der künstlichen Sterne, welche die Menschen
dann in den Fixpunkten der Leuchtfeuer erfanden. Daß diePhöniker stets in dieser
Weise sich behalfen, ist bekannt. Vgl. die Stellen bei Breusing, Nautik der Alten, 13.
Ja, die Nachtfahrten sind auch den Griechen etwas so Geläufiges und Selbstverständ-
liches, daß große Entfernungen zur See ebensowohl in Tages- wie in Nachtfahrten
gemessen angegeben werden. So gibt schon Herodot (IV, 86) als ganz allgemeinen
Maßstab an: i Nachtfahrt zu 60000 Klafter, i Tagfahrt zu 70000 Klafter. Aus
dem Umstände, daß man zur Nacht also fast ebenso schnell wie bei Tage fuhr, ergibt
sich schon, wie wenig Schwierigkeiten die nächtliche Schiffahrt den Griechen gemacht
hat. Derselbe Herodot gibt an derselben Stelle die Gesamtmaße des Schwarzen
Meeres nach Tag und Nacht ununterbrochen fortlaufenden Seefahrten an, und
zwar, wie er ausdrücklich sagt, nach eigenen Messungen, nämlich: die Länge zu
9 Tagfahrten + 8 Nachtfahrten = i HO 000 Orgyien =11 100 Stadien; die Breite
zu 3 Tagfahrten + 2 Nachtfahrten — 330 000 Orgyien — 3300 Stadien.
Die Entfernung von Abdera bis zur Donaumündung gibt Thukydides H, 97
auf 4 Tag- + 4 Nachtfahrten an. Für eine Seefahrt rings um ganz Sizilien herum
rechnet Ephoros 5 Tage + 5 Nächte (vgl. Riepl S. 160 fT.), für eine Fahrt von Kreta
quer übers Mittelmeer nach Ägypten rechnet Strabo 4 Tage + 4 Nächte (10, 4, 5),
von Kreta nach Kyrene 2 Tage + 2 Nächte (ebenda). Phönikische Schiffe fuhren
die Entfernung Tyrus — Rhodos in 3 Tagen + 3 Nächten, und ebenso ununterbrochen
segelten karthagische Schiffe in 7 Tagen + 7 Nächten von Karthago bis zu den
Säulen des Hercules (vgl. Riepl S. 160).
Für das Ankommen kleiner und großer Schiffe im Hafen auch bei Nacht und
ihre in Kriegszeiten unbedingt notwendige sofortige Untersuchung durch die Hafen -
*) Auch an die nächtliche Abfahrt der Griechenflotte
von Troja nachTenedos, mit einem Feuerzeichen
am LeitschifF, und an das von Troja aus durch
Sinon hinübergegebene Feuerzeichen darf hier er-
innert werden. (Vgl. die Stellen bei Röscher, Myth.
Lex. IV, 938 ff.; Kinkel, Ep. fragm., kl. Ilias 11;
Verg. Aen. II, 254 ff.) Dazu der nächtliche Auf-
bruch der Griechenflotte in Euripides' Rhesos. —
Bei der Zeichnung eines Kriegsschiffes, an dessen
auf dem Bug befindlichem Turm an langer Stange
ein eiserner Feuerkorb angebracht ist — Schiff,
Alexandrin. Dipinti T. i u. S. 42 ff., dachte an
die 190 V. Chr. auf Rhodos erfundenen Brander —
hielt Aßmann (Jahrb. 1907, 114) das Feuer-
zeichen eines Wachtschiffes für möglich. Über
ältere, phönikische Branderschifte vgl. ebenda.
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer. 23"^
behörden vgl. Aeneas Tactic. XXIX, 6. Die Schrift dieses Autors (4. Jahrh. v. Chr.)
bricht leider jetzt gerade da ab, wo die Angaben über die Kriegsmarine gekommen
wären: Trepi to5 vaoxixou axpaTcupiaTo?. Wenn man sieht, mit welcher Ausführlich-
keit Aeneas auch das System der Signallaternen der Turmwachen beschreibt, welch
großes Interesse für die Pyrseutik er überhaupt hat, muß man diesen Verlust ganz
besonders bedauern.
Der Umstand endlich, daß die griechische Sprache ein eigenes Wort für Späher
bei Tage hat, ihre nachdrückliche Bezeichnung als 7j|xepooxoKoi, ihre Fosticrung
besonders an Küsten und Vorgebirgen, mit der Aufgabe, die Vorgänge auf der See
zu beobachten (vgl. Herodot VII, 182 und 192 — gerade wieder auf Euböa), läßt
den sicheren Schluß zu, daß man neben diesen Tagwächtern eben auch entsprechende
nächtliche Späher mit Signaldienst, dann natürlich durch Feuer, gekannt hat.
Ferner darf daran erinnert werden, daß auch die altgriechisch c Fischerei, ebenso
wie die heutige dort, zu einem guten Teile und wohlberechneterweise gerade nachts
vor sich ging. Von den an der Spitze der Fischerboote selbst dabei angebrachten
Feuern, welche die Fische anlocken sollen, hat die antike Harpunenfischerei ihren be-
sonderen Namen: itüpeoxixTj. Vgl. die antiken Zeugnisse bei Keller, Tiere des Alter-
tums II, 329 und Darembcrg et Saglio, Dictionnaire des Antiquites IV, 491.
Wenn schließlich erwiesen ist, wie die Feuertelegraphie auf der griechischen
Inselwelt nicht nur in klassischer, sondern schon in ältester Zeit zu Kriegszwecken
durchaus üblich war, so ist kein Grund mehr vorhanden, für die von vornherein
unwahrscheinliche Annahme, daß solche Feuerzeichen nur in den selteneren und
ungewöhnlichen Fällen der Not angewendet worden sein sollten, und nicht vielmehr
für die doch viel häufigeren und normalen Bedürfnisse der regelmäßigen Schiffahrt
in Friedenszeiten. Ich kann dabei auf Riepl verweisen, auf seinen Nachweis (S. 50),
daß die berühmte Schilderung der Feuertelegraphie, die Äschylus im Agamemnon
gibt, zwar angeregt worden ist durch die damalige großzügige Anwendung des Feuer-
zcichenrelais bei den Persern 0, aber doch auf viel ältere Traditionen der Agäis dabei
zurückgreift; auch auf Riepls treffende Bemerkung, daß gerade diese Inselkette des
Ägäischen Meeres durch ihren heiteren Himmel und ihre klare, durchsichtige Luft
der Entwicklung des Feuersignalwesens ganz besonders förderlich gewesen sein muß,
erleichtert zugleich »durch die erwähnten zahlreichen Warten, Beobachtungs- und
Signalstationen für den Alarm- und vermutlich auch Schiffahrtsdienst«
(S. 51). Wenn für die mykenische Zeit einerseits durch Homer selbst (Od. IV, 524)
ein Turmwächter gesichert ist, der von Mykenä aus Agamemnons Rückkehr im
0 Vgl. Diels S. 71 ff. und besonders die von Fischl aeuouaüiv iWrilctn ex Jtspatüiv xtj; dpy^
(S. 9) herangezogene Stelle aus Ps. Aristoteles, f^^ZP' 2o63(uv xoi 'Exßaxctvwv
Ttepl xd3|jiou cap. 6, wo die Vorzüglichkeit und Die von Herodot VII, 182 erwähntenirupaol ix
Schnelligkeit des Bericht- und Meldewesens Sxtctdou sind ein typisches Beispiel dieser ausge-
im persischen Reich gerühmt wird: . . . rjfjiepoSpdpiot bildeten Feuertelegraphie im griechischen Archi-
te -Arn axorroi xai d-^ytkiatföpoi cppuxTwptiüv pel, die mit VIII, 21 und IX, 3 (MapSdvtos . . .
T iTTOTTT^ps; .... xat [xccXtsta täv Tiupaoiot oti vi^owv ISdxse ßaaiXel orjXioSeiv
9puxTU)pt(üv, xaTÄ 8ia8o-/ä« Tiup- ddvxi Iv SapSeai, OTt eyoi 'A&^va«) wie eine Fort-
setzung des auf asiatischem Boden erprobten Systems erscheint.
234
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
Hafen, wie ausgemacht, erspäht und meldet, wenn andrerseits die ältesten Helden-
sagen das Erheben von Fackeln im Sinne abgemachter Signale mehrfach kennen
(Helena in Troja: Verg. Aen. VI 518 und Tryphiodor 5i2ff. [vielleicht schon Ste-
sichoros; vgl. Heinze, Vergils epische Technik S. 78] ; sowie, mit der Nauplios-
fackel zusammen, Hygin 249; Danaiden: Paus. II, 25, 4; Argonauten: Diod. Sic.
IV, 50; vgl. Fischl S. 4 u. 5, Riepl S. 48), so ergibt sich durch die Verschmelzung
dieser beiden Züge ganz von selbst die Tatsache von Leuchtfeuern, wie sie nachge-
wiesenermaßen die drei Homerstellen und die Naupliossage kennen, mit denen
diese Erwiderung begonnen hat.
Die unhaltbare Halbheit der Auffassung, zu der Veitmeyer (S. 10) — doch
nur infolge starker Voreingenommenheit — sich verleiten ließ, wenn er zwar
Rauchfanale als Tageszeichen, aber beileibe keine Feuerzeichen bei Nacht für die
griechische Zeit (bzw. den Pharos) zugeben wollte, wird in unseren Kreisen niemand
teilen. Vielmehr dürfen wir Riepl recht geben, der S. 48 sagt: »Es wäre überflüssig,
alle einschlägigen griechischen Literaturstellen einzeln anzuführen und müßig, über
die Priorität der Erfindung (der Leuchtfeuer) durch Palamedes oder Sinon oder über
ihre Herleitung von den Phöniziern, Ägyptern oder gar den Persern zu streiten. Viel-
mehr werden die Griechen, wie alle intelligent veranlagten Völkerschaften aller Zeiten
und Länder, schon auf den untersten Kulturstufen spontan auf diesen Gebrauch
gekommen sein.«
Die unvorsichtige Behauptung Veitmeyers und Hennigs, erst die Römer hätten
der Welt die Erfindung der Leuchtfeuer und Leuchttürme geschenkt, darf also als
erledigt gelten. Der Pharos von Alexandria bleibt nach wie vor ein wirklicher griechi-
scher Leuchtturm ^) und als solcher der erste in monumentaler Gestalt. Daß dies
weltberühmte pyrseutische Seezeichen gerade in seiner Turmgestalt ältere, bescheide-
nere Vorläufer hatte, darauf hat erst Fischl (S. 36) recht aufmerksam gemacht. Er
vermutet, sicherlich mit Recht, daß noch eine ganze Reihe älterer griechischer Leucht-
türme für uns versteckt sind unter so manchen in der antiken Literatur erwähnten
oxoTcal und axoTciat, die wegen ihrer Lage an der Meeresküste als Leuchttürme ver-
wendet gewesen sein werden, ohne daß dies besonders dazu bemerkt worden ist. So
ist die Herodot H, 15 erwähnte Uepaitoz cxoTcn^ am flachen Ufer des ägyptischen
Deltas offenbar ein ganz direkter Vorläufer des alexandrinischen Pharos gewesen,
vermutlich auch schon mit der ägyptisierenden Böschung der aufgehenden Wände,
wie bei diesem 2). Vielleicht sind auch die von Strabo V, c. 184 genannten Türme,
') M. Buchwald hatte sich 1912 so weit einschüchtern
lassen, daß er einräumte, ob der Pharos von
vornherein auch als Leuchte bei Nacht bestimmt
gewesen sei, sei »noch nicht sichergestellt«
(a.a.O. 79).
*) Über die von jeher zur ägyptischen Landschaft
gehörigen hohen Türme, die auch in den pom-
pejanischen Bildchen eine so große Rolle spielen,
vgl. Wilh. Weber, Die ägyptisch-griechischen
Terrakotten (der Kgl. Museen Berlin) S. 252 ff.
Aus Nilziegeln größtenteils erbaut, waren sie
natürlich geböscht in den Mauern wie ihre
heutigen Nachfolger noch. Auch ihre als Lampen
und Leuchthäuschen in Ton gefertigten Abbilder
der römischen KLaiserzeit zeigen diese Verjüngung
nach oben. Vgl. Weber Taf. 41, Nr. 467 und
Bonner Jahrb. 1910, Taf. 36, Nr. 8. Wenn, wie
S. Loeschcke ebenda S. 401 bezeugt, gerade diese
Lampenform (vgl. Abb. 5) unter dem alexan-
drinischen Material so besonders häufig ist, so
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
235
welche die griechischen Massalioten am flachen Deltarand der Rhonemündung er-
richteten, schon mit Signalfeuern ausgestattet gewesen^). Die Küste sei bei trübem
Wetter selbst aus der Nähe nicht zu erkennen gewesen. Darum habe man solche
OTjjAsTa gebraucht, zweifellos in erster Linie Tagesmarken. Aber nur solche ?
Jedenfalls ist es die Turmform, die auch hier wieder durch die gleichen physikalischen
Bedingungen der niedrigen Flachküste gefordert war wie in Ägypten.
Daß die antiken Leuchtfeuer noch wesentlich einfachere Funktionen als die
heutigen Leuchttürme zu erfüllen hatten, wird kein Ver-
ständiger leugnen, sondern bedingt der vorsichtigen Cha-
rakterisierung M. Buchwalds zustimmen, der a. a. O. S. 78
folgende Vermutung ausspricht: »Es scheint so, als ob die
ersten Hafenfeuer, die sich aus den Tagesmarken entwickelt
haben dürften, und deren Vorgänger wir in der hochausge-
bildeten Feuertelcgraphie und nach Humboldt selbst in
dem rastlos arbeitenden Stromboli zu sehen berechtigt
sind, durchaus nicht dem gleichen Zwecke dienten wie die
heutigen Einseglungsfeuer, nämlich dem Schiffer den Weg
in den Hafen anzuzeigen, sondern daß sie vielmehr die
Ansteuerung der Küste nur soweit ermöglichen sollten,
daß im Schutze derselben geankert werden konnte, um
den Tag abzuwarten und dann erst den Hafen aufzusuchen.
Erst später mit den fortschreitenden Bedürfnissen der sich
allmählich entwickelnden Schiffahrt dürften sich die unseren
jetzigen Küstenfeuern entsprechenden Warnungszeichen zu
W'egweisern gewandelt haben.«
Schon die oben angeführten antiken Erklärungen
zur Naupliossagc setzen freilich nicht mehr das hier postu-
lierte primitivste Verfahren voraus, sie alle sprechen
vom Signalisieren eines nahen Hafens, in den man nun auch gleich einfahren will.
Für die klassische Zeit ist durch das Feuersäulenpaar des Piräus ^) die unmittelbare
Abb. 5. Älexandrinische
Tonlampe
(nach Bonn. Jahrb. 1910).
wird W. Weber (S. 254 ff.) recht haben, mit der
Vermutung, sie sei angeregt worden durch die
turmartig hohen Häuser der eigenen Großstadt,
wie sie gerade bei der Darstellung des
alexandrinischen Hafens, wieder auf römischen
Tonlampen, deutlich hervortreten. (Vgl. Catal. of
lamps in the Brit. Mus. no. 527 (pl. 16) u. 758
= Rom. Mitt. 191 1, 154 Fig. 66.) Waren solche
Türme auch Lichtträger, wie ihr größter Ver-
treter, der Pharos, so erklärt sich die Bevor-
zugung ihrer Gestalt für Tonlampen ohne weiteres.
Als isolierte Leuchttürme,Warten, bezeichnet auch
Weber die Türme der ägyptischen Landschaft,
wenigstens zum Teil (S. 253). Direkte Beein-
flussung der Leuchthäuschen durch den Pharos
selbst gibt auch er (S. 250) wie S. Loeschcke
(S. 402) zu. — Die wie zu einem Auslug an-
gebrachten erkerartigen Ausbauten an den
oberen Ecken von Abb. 467 (bei Weber) scheinen
noch ganz singulär.
') Dies nahm ohne weiteres die ältere Literatur an.
Vgl. Leger, a. a. O. p. 507 (Fosses Mariennes).
Ebenda p. 5 1 1 fif. über die einfachen Wart- und
Signaltürme (specula, vigilaria). Auch Allard,
p. 26 u. 36, sprach sich für Befeuerung der
Türme an der Rhonemündung aus.
2) In ihrer entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung
gegen die unbegründeten Zweifel Veitmeyers mit
Recht in Schutz genommen von M. Buchwald
a. a. O. 80, Anm. 12. Methone wäre ein zweites
236
H. Thiersch, Griechische Leuchtfeuer.
Hafeneinfahrt durch Leuchtfeuer ebenso zweifellos markiert wie nachher für die
hellenistische durch den ganz entsprechend postierten Pharos von Alexandria ^).
6. Schluß.
Es darf also dabei bleiben: die Erfindung der Leuchttürme ist eine Kulturtat
des griechischen Geistes, nicht erst des römischen. Wie in so vielen Dingen der feineren
Kultur sind die Römer auch hier nur die Erben der Hellenen gewesen. Konnte es
überhaupt anders sein? Schon der ganze humanitäre Zweck und Charakter dieser
Erfindung, das Sinnreiche und Zweckmäßige in der Anlage verrät deutlich griechisches
Gut und spricht gegen Rom, das vor allem aus praktischen und militärischen Gründen
das Begonnene weiterführte, selbst aber bis dahin in pyrseutischen Dingen auffallend
wenig aufzuweisen hatte. So trifft es sich für Hennig, der den Römern, nicht den
Griechen, die Ehre der Leuchtturmerfindung zuweisen will, besonders schlecht, wenn
die letzte Spezialuntersuchung dieser Fragen (Riepl S. 74) auf Grund eingehender
Untersuchungen den Römern nur einen ganz merkwürdig niedrigen Stand der Pyr-
seutik zuerkennen kann: »Kehren wir (von den Griechen und Orientalen) zu den
Römern zurück, so ist die auffallende Erscheinung festzustellen, daß hier nicht nur
die Entwicklung im allgemeinen auf der untersten Stufe, beim einfachen Fanal,
stehen geblieben ist, sondern daß sich lange Zeit nicht einmal ein ernstlicher Versuch
feststellen läßt, über diese Stufe hinauszustreben. Es finden sich bei den Römern
bis zum Ende der Republik überhaupt keine Spuren, welche auf den Gebrauch höher
entwickelter pyrseutischer Einrichtungen als der Fanale in ihren einfachsten Formen
zu militärischen, hauptsächlich Alarmzwecken schließen lassen könnten. Es fehlen
auf nationalrömischem und mittelitalischem Boden die bei allen Nachbarn der Römer
verbreiteten, dauernden Einrichtungen für optische Signale, die Warten.« S. 78:
»Auch in der spätrepublikanischen Zeit signalisieren die Römer nie von eigenen
ständigen Signaltürmen, die sich erst am Limes finden.« S. 79: »Fast alle
Nachrichten aus historischer Zeit worin von höher entwickelten Leuchtsignalen
(Wartensignalen, verabredeten Signalen auf weite Entfernung ) die Rede ist,
sind zu eliminieren, weil sich solcher Signale nicht die Römer, sondern
ihre Gegner, Bundesgenossen und Klientelstaaten bedienen.« S. 90: »Andere
Feuersignale als zu Kriegszwecken brauchten die Römer nicht. Was darüber hinaus
ging, damit gaben sie sich nicht ab.«
Und ausgesucht dies Volk soll die Leuchttürme erfunden haben ? ! — Ich
habe diese charakteristischen Stellen in extenso hier hergesetzt, um zu zeigen, wie
Beispiel, wenn der antike Säulenrest auf dem
Molokopf als in ursprünglicher Lage wirklich
nachgewiesen werden könnte (Exped. de Moree
I, pl. 12). Zu Hennigs Anzweiflung siehe oben.
') Während Buchwald (Weltverk. u. Weltw. II, 79,
Anm.) unentschieden die Frage offen läßt, an
welcher Stelle genau der Pharosturm gestanden
habe, entscheidet sich Hennig (S. 37) für die
unwahrscheinlichere, die heute so. von Kaitbey
unter Wasser liegende Örtlichkeit. E. Breccia in
seinem neuen geschmackvollen Führer (Alexan-
drea adAegyptura 1914) erklärt sich offen für die
von M. van Berchem und mir empfohlene An-
setzung auf Fort Kaitbey, wie sie auch der be-
sonnene und vorsichtige Allard (p. 5 u. 6) schon
als richtig erkannt hatte.
C. Robert, Der Kephisos im Parthenongiebel. 23?
auch im Rahmen des großen weit- und kulturhistorischen Zusammenhangs Hennigs
These eine bare Unmöglichkeit ist. Alexandria aber und mit ihm der Genius Griechen-
lands bleibt, darauf vertraue ich, seiner leuchtenden Krone unberaubt.
Freiburg i. Br. H. Thiersch.
DER KEPHISOS IM PARTHENONGIEBEL.
Mit vollem Recht hat Friedrich Matz in seiner fleißigen und tüchtigen Dis-
sertation: Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst S. 117 die Eckfiguren
im Westgiebel des Parthenon wieder als Flußgötter in Anspruch genommen, ohne
sich um das unmethodische Bedenken zu kümmern, daß liegende Flußgötter — an-
geblich oder wirklich — erst in der hellenistischen Kunst vorkommen. Unmethodisch
nenne ich dies Bedenken, weil es nicht mit der wichtigen Erscheinung des kunst-
historischen Anachronismus oder, wie man vielleicht richtiger sagen sollte, der kunst-
historischen Prolepsis rechnet, über die der leider zu früh verstorbene A. Riegl
bahnbrechend gehandelt hat ^), weil es ohne weiteres voraussetzt, daß der Künstler
stets im Banne einer festen Typik arbeite, ohne zu erwägen, daß bestimmte Verhält-
nisse, wie hier der Raumzwang, ihn veranlassen konnten, mit der Tradition zu
brechen und einen ganz neuen Typus zu schaffen, und endlich weil es auf dem Wahne
beruht, jeder auf solche Weise entstandene Typus müsse sofort befruchtend und
weiter zeugend wirken. Also dies Bedenken ist in der Tat null und nichtig; wenn
aber trotzdem Matz mit seiner Rehabilitierung der alten Deutung auf einen seiner
Rezensenten 2) nicht überzeugend gewirkt hat, so liegt das meiner Ansicht nach daran,
daß seine Beweisführung nach der positiven Seite hin nicht ganz bündig ist. Denn
wenn es auch schon vor der hellenistischen Kunst Flußgötter als Zuschauer gegeben
hat, einerlei, ob stehend, wie sie Matz allein belegt, oder liegend, so wird dadurch
nur ein, wie gezeigt, unberechtigtes historisches Bedenken weggeräumt, aber es
folgt daraus noch lange nicht, daß auch die zuschauenden Eckfiguren des West-
giebels Flußgottheiten sind. Nur die Analogie des Ostgiebels von Olympia bildet
für Matz das Fundament seiner Deutung, wie schon früher für alle diejenigen, die
vor ihm dieselbe Erklärung vorgetragen haben. Aber dies Fundament ist keines-
wegs auch heute noch so solide, wie uns Matz glauben machen will. Denn die Deutung
des Pausanias ist zwar nicht aus historischen Gründen, aber deshalb verdächtig,
weil seine Erklärungen der Olympiagiebel überhaupt, sowohl im ganzen als im einzel-
nen, teils handgreiflich falsch, teils wenigstens höchst bedenklich sind. Es erwächst
uns Modernen also die Verpflichtung, die Eckfiguren des^ olympischen Ostgiebels
*) »Zur kunsthistorischen Stellung der Becher von bliebenen Werkes, von dem nach dieser Probe
Vafio« in den Österreich. Jahresheften IX 1906 die Wissenschaft außerordentlich viel zu erwarten
S. I ff., das erste Kapitel eines unvollendet ge- hatte.
*) Amelung, Deutsche Literaturzeitung 1915 S. 39.
238
C. Robert, Der Kephisos im Parthenongiebel.
als Flußgötter zu erweisen. Daß sie einst durch Abzeichen, wie Schale, Skeptron,
Schilfstengel oder Schilfkranz, gekennzeichnet gewesen seien, ist eine dem Thema
probandum zuliebe gemachte Voraussetzung, die in Anbetracht der Armhaltung
der Figuren und des Fehlens von Bohrlöchern am Kopfe des Kladeos äußerst un-
wahrscheinlich ist ^). Dagegen spricht ferner, daß die rechte Eckfigur offenbar mit
dem kauernden Knaben und dem besorgten Greis zu einer Gruppe zusammen-
zufassen sind. Wollte man nun auch zur Deutung des Knaben irgendein Bächlein
in der Nähe von Olympia ausfindig machen — daß der pantoffeltragende Alte nicht
Abb. I. Eckfigur im Westgiebel des Parthenon.
in den Kreis der Lokalgötter gehören kann, liegt auf der Hand, und so wird man
hier eher eine Gruppe lokaler Heroen zu erkennen haben, ähnlich der Kekropsgruppe
im Westgiebel des Parthenon 2).
Aber um die Eckfiguren dieses Giebels als Flußgötter zu erweisen, bedarf es
des Umweges über Tansanias wahrlich nicht. Befragen wir sie doch selbst, vor allem
*) Für die Auffassung als Flußgötter würde es aller-
dings sprechen, wenn die entsprechenden Eck-
figuren des Westgiebels wirklich Ortsnymphen
wären. Aber diese bestechende Deutung Loesch-
ckes (Dorpater Progr. 1887 S. i ff.), der ich früher
selbst zugestimmt hatte (Deutsche Lit.-Ztg. 1888
S. 603 f.), läßt sich, wie ich glaube, heute nicht
mehr aufrechterhalten. Der vereinzelten Er-
scheinung der verhutzelten Kromyo, die man
eher als Lokalpersonifikation denn als Orts-
nymphe (beides ist nicht dasselbe) zu fassen
haben wird, steht die allgemein-griechische An-
schauung gegenüber, daß die Nymphen zwar
nicht unsterblich sind, aber, solange sie leben,
ewig jung bleiben, also gerade umgekehrt wie
Tithonos. Und wie kämen Ortsnymphen in den
Hochzeitssaal, wo sich der Kampf abspielt?
Studniczka und Treu haben also meiner Ansicht
nach recht, wenn sie in diesen verängstigt sich
duckenden Weibern Lapithenmütter und La-
pithenmädchen sehen. Anders Matz a. a. O. S. 90.
2) Über diese s. Hermes XVI 1881 S. 83. Dagegen
scheint mir Furtwänglers Deutung der ent-
sprechenden Gruppe rechts auf die Familie des
Erechtheus, so sehr man wünschen möchte, daß
sie stimtne, durch den Charakter der Figuren
ausgeschlossen.
C Robert, Der Kephisos im Parthenongiebel.
239
die am besten erhaltene in der linken Ecke (Abb. i. 2)1). Am Uferrand liegt dieser
Jüngling mit dem linken Beine ganz im Wasser, und nicht nur in den geschmeidigen
Körperformen, auf die man das für den Eurotas desEutychides geprägte Apophthegma:
ipso amne liquidior anwenden könnte, sondern auch in dem Gewand, das mit seinen
welligen Falten, namentlich in der Rückenansicht, an einen leicht bewegten Wasser-
spiegel erinnert, spricht sich die Natur des Flußgottes aus. Der Gott ist aber an
sein Element ähnlich gefesselt wie Gaia, wenn sie aufsteigt, um der Athena den
Erichthonios zu reichen oder um das Leben der Giganten zu flehen. So
Abb. 2. Eckfigur im Westgiebel des Parthenon.
sehr der Streit in der Mitte des Giebels ihn erregt, er kann sich nur auf
dem linken Arm etwas emporrichten und den Körper in den Hüften ein w-enig
nach rechts drehen. Ganz sich zu erheben ist ihm nicht vergönnt. Kann man einen
Flußgott glücklicher charakterisieren } Damit ist denn auch die längst ausgesprochene
Deutung der entsprechenden rechten Eckfiguren als Ilisos und Kallirrhoe aufs neue be-
wiesen, sowie die der Nachbarfigur des Kephisos, deren Nachweis wir Sauers glänzendem
Scharfblick verdanken 2), als Eridanos, eine Benennung, die zuerst ausgesprochen zu
haben das Verdienst von Matz ist, während Sauer selbst in übertriebener Skepsis
bei dieser wie bei den übrigen Eckfiguren auf jede Namengebung verzichtet hatte.
Wie vortrefflich nun diese Flußgötter zu der Handlung passen, ist so oft ausge-
sprochen worden, daß man nur kurz daran zu erinnern braucht. Denn sind auch
die Flußgötter in Attika nicht wie anderwärts die Ahnherren des Königsgeschlechts,
so sind sie doch auch dort die Pfleger und Ernährer der Landesjugend, und wer von
den Olympiern dem Lande gebieten wird, ist für sie von größter Wichtigkeit. Sie
«) Die Cliches für diese beiden Abbildungen sind liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt
uns von der Weidmannschen Buchhandlung in worden.
*) Athen. Mitt. XXXV 19 10 Taf. VII S. 65 ff.
240
C. Robert, Der Kephisos im Parthenongiebel.
sind also keineswegs bloß als Lokalgötter, sondern als sehr interessierte Zuschauer
gegenwärtig.
Daß man sich aber auch noch im späteren Altertum über die Natur dieser
Eckfiguren klar war, dafür habe ich kürzHch durch Zufall einen merkwürdigen Beleg
gefunden, der mir interessant genug scheint, um ihn hier zu besprechen, wofür das
Vorstehende nur die Einleitung bilden soll. Es ist eine früher in Autun befindliche,
jetzt verschollene Brunnenfigur, die ich beim Durchblättern von Esperandieus
Basreliefs etc. de la Gaule Romaine III p. 122 s. no. 1993 kennen gelernt habe und
danach hier wiedergebe (Abb. 3), Esperandieu hat sie dem Neudruck von Edme
Thomas, Historie de Vantique citS d' Autun 1846 p. 86 entnommen. Die Original-
Abb. 3. Verschollene Brunnenfigur aus Autun.
ausgäbe dieses Werkes von 1660 enthält nach seiner Angabe diese Abbildung
noch nicht, sondern nur eine Beschreibung, wonach der Kopf damals noch
vorhanden war, und zwar mit zwei Hörnern über der Stirn. Da dies bei
Flußgöttern ein bekanntes Attribut ist, hat Esperandieus Vermutung, Thomas
habe einen Schilfkranz für Hörner gehalten, wenig Wahrscheinlichkeit. Dieser
Kopf ist dann später verloren gegangen. Wenn Esperandieu mit Recht ver-
mutet, daß die Abbildung aus den Manuskripten von Thomas stamme, muß dies
sehr früh geschehen sein, zu der Zeit, als die 1640 »entre la riviere d" Arroux et les
anciennes murailles d' Autun« gefundene Figur im Chäteau de Montjeu als Fontaine
aufgestellt war. Aber wie verträgt sich mit dieser Annahme die Tatsache, daß Thomas
W'ährend der Drucklegung seines Werkes gestorben ist? Sei dem, wie ihm wolle,
an der Authentizität der Abbildung zu zweifeln, sind wir nicht berechtigt. Die Über-
einstimmung dieser Statue mit dem Kephisos des Parthenongiebels ist nun so groß,
daß ein Zufall ausgeschlossen scheint. Abgesehen von kleinen Abweichungen in
Armhaltung und Drapierung, wie sie in solchen Fällen gang und gäbe sind, bestehen
die hauptsächlichen Unterschiede darin, daß die Drehung in den Hüften aufgegeben
C. Robert, Ein Vergessener. 24 1
ist, was sich von selbst versteht, und daß, der Bestimmung der Statue entsprechend,
unter dem linken Arm eine Urne hinzugefügt ist.
Meines Wissens ist es das erste Mal, daß sich eine so genaue Kopie einer Par-
thenonfigur aus der Kaiserzeit nachweisen läßt. Nur auf einem bedeutend früheren
Bildwerk, dem Altar oder, wie Sieveking will, dem Postament des Cn. Domitius
Ahenobarbus findet sich etwas Ähnliches i). Hier sieht man nämlich am rechten
Ende der Rückseite einen römischen Ritter im Typus des Epheben am Westfries
des Parthenon, der sein Pferd die Stellung des uTCoßißa'CsoOat einnehmen läßt 2).
Doch das gehört zu den klassizistischen Elementen, an denen dieses Bildwerk über-
haupt reich ist.
Halle (Saale). C. Robert.
EIN VERGESSENER.
Vitruv schreibt imProoemium zu seinem VH. Buch § 14: praeterea minus nohiles
multi praecepta symmetriarum conscripserunt, uti Nexaris Theocydes Demophilos
Pollis Leonidas Süanion Melampus (1. Melanthius) Sarnacus Euphranor. Der hier
erwähnte Pollis ist, wie schon Brunn vermerkt hat, zweifellos derselbe, den Plinius
34, 91 unter den Bildhauern nennt, die athletas et armatos et venatores sacrificantesque,
also Votivstatuen, verfertigt habens). Über die Zeit des Künstlers erfahren wir aus
diesen beiden literarischen Zeugnissen nichts;- hier treten aber • ergänzend die In-
schriften ein.
IGT. Suppl. p. 180 no. 37315 (Lolling, KaTotX. 68):
nox ....
dv£i)[sxev
ojsxaxev
H]o XetjAepTco
rioXXia? iTTOtsösv
IG a.a.O. p. 180 s. no. 373^^. p. 83 no. 37348 (Lolling, KaxaX. 67):
KptTOV (!) 'Adcvatai : Ho 2x60o : avIOexs [is.
noX[Xtas] lTCote[a]£v
Beide Künstlerinschriften stammen aus dem Perserschutt. Den in der zweiten
genannten Dedikanten Kriton hat Studniczka (Arch. Jahrb. II 1887 S. 143) mit dem
Töpfer dieses Namens und seinen Vater Skythes mit dem gleichnamigen Vasenmaler
identifiziert. Beide arbeiten in schwarzfigurigem Stil. Auch der Dedikant der ersten
Künstlerinschrift FIoX .... könnte, da er eine Dekate weiht, ein Töpfer gewesen sein.
Wenn aber Pollias zur Zeit des schwarzfigurigen Stils lebt, so liegt es sehr nahe,
ihn für identisch mit dem Vater eines Meisters des strengen rotfigurigen Stiles, des
*) Furtwängler, Intermezzi S. 35 ff.; Sieveking, 3) Warum E. Seilers in ihrer Plinius -Ausgabe den
österr. Jahresh. XIII 1910 S. 95 ff. Namen durch ein Kreuz als »korrupt« bezeichnet,
») Arch. Zeit. XXXVI 1879 Taf. 22. ist mir unerfindlich.
242 ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
berühmten Amphorenmalers Euthymides, zu halten, der sich in seinen Signaturen
EuOufitSTj? 6 rioXXtou nennt. Diesen Schluß habe ich vor acht Jahren in Pauly-
Wissowas Realenzyklopädie VI Sp. 15 12 unter Euthymides gezogen. Es ist also
das umgekehrte Verhältnis wie bei Antenor, der der Sohn des Malers Eumares ist
und der, wie Pollias für Kriton, für den Töpfer Nearchos arbeitet. Aber bei Ab-
fassung jenes Artikels habe ich an den Pollis desVitruv und desPlinius nicht gedacht
und möchte hier das damals Versäumte nachholen; denn da OoXXi? und üoXXiac
nur verschiedene Kurzformen eines Vollnamens sind, dessen erster Komponent Uoko
ist, kann an der Identität nicht gezweifelt werden. Ein Bildhauer aber, der schon vor
Polyklet eine Schrift irspl cfüji.(iSTptas verfaßt hat, von dernoch Vitruv — wenn auch wohl
nur aus einem Zitat, sei es desPolyklet, sei es eines andern diese Materie behandelnden
Schriftstellers, wie Euphranor oder Melanthios — Kunde hat, und der zugleich einen
Euthymides zum Sohn hat, kann kein unbedeutender Künstler gewesen sein. Gern
möchte man von diesem älteren Zeitgenossen des Antenor ein Bild gewinnen, und
daß unter den gefundenen Koren sich eine zu einer der Basen gehörige oder gar alle
beide befinden, ist wahrscheinlicher als das Gegenteil. Aber seit die Basen hi das
Nationalmuseum hinabgewandert sind, während die Koren ihren Wohnsitz auf der
Akropolis behalten haben, sind Zusammensetzungen, wie sie Studniczka mit der
Köre des Antenor und Winter mit dem Euthydikos-Mädchen^) gelungen sind, sehr
erschwert. Vielleicht kann aber die außerordentlich charakteristische Gewand-
behandlung des Euthymides, die sich ähnlich doch wohl bei seinem Vater finden
wird, ein Fingerzeig werden. Doch eine solche Untersuchung ist nur in Athen selbst
auszuführen.
Halle (Saale). C. Robert.
FRÜHMYKENISCHE RELIEFS
AUS KRETA UND VOM GRIECHISCHEN FESTLAND.
Mit Tafel 9 — 12.
Die Kunde von der 'mykenischen' Kultur, die uns Heinrich Schliemanns Aus-
grabungen zuerst erschlossen haben, ist durch nichts so gefördert worden, wie durch
die Erforschung der älteren Schichten Kretas. Seit hier der Spaten angesetzt wurde,
treten immer und immer wieder neue und überraschende Denkmäler ans Licht. Ihre
Fülle ist so groß, daß die Veröffentlichung mit den Grabungen nicht Schritt halten
kann. So besitzen wir über weitaus das Meiste nur vorläufige Berichte, und wir wissen
ihren Verfassern Dank, wenn sie die Objekte in Zusammenhang zu bringen bemüht
sind. Nur vereinzelt ist die Bearbeitung von Denkmälergruppen unternommen
worden. Davon hat nicht nur das rasche Anwachsen des Materials abgeschreckt,
das jeden Tag neue grundlegende Aufschlüsse bringen kann, sondern auch die große
Menge von noch nicht oder nicht ausreichend publizierten Funden, die nur der einiger-
') Eine vortreflflich ausgefallene Wiederherstellung im Gips hat Studniczka als Festgabe zum Winckel-
mannsfest 19 14 versandt.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 243
maßen zu kennen vermag, der das Glück gehabt hat, von der Liberalität der Museums-
direktoren in Athen und in Candia weitgehenden Gebrauch machen zu können. Doch
hat das Gebiet der Architektur, bei dem die Verhältnisse relativ einfach liegen, zu-
sammenfassende Bearbeitungen erfahren, ebenso die Keramik, wenn auch das über-
reiche und nur an Ort und Stelle zu übersehende Material besondere Schwierigkeiten
bereitet. Unsere Kenntnis der Gemmen und Siegel hat sich seit Furtwänglers Behand-
lung dieses Gebietes so bereichert, daß eine neue Bearbeitung nötig ist, für die wenig-
stens die Grundlinien bereits gezogen sind. Daß die Entwicklung der Wandmalerei
in ihren Hauptzügen bekannt ist, danken wir den neuen Funden von Tiryns und den
daran anknüpfenden umsichtigen Untersuchungen.
Die folgende Abhandlung soll nun den Reliefs gewidmet sein und versuchen,
unter ihnen Gruppen zu scheiden und diese in Beziehung zueinander zu setzen. Bei
dem Stande' unseres Wissens ist freilich eben nur ein Versuch möglich, aber ein solcher
ist wünschenswert, weil uns der Zufall eine Reihe hervorragender W^erke gerade
dieses Kunstzweigs geschenkt hat und diese, wenn auch noch nicht alle in guter
Publikation, so doch in Gipsabgüssen und anderen Nachbildungen verbreitet sind.
Freilich ist auch hier eine Einschränkung nach zwei Richtungen nötig. Erstens
lassen sich die reinornamentalen Rehefs nur im Zusammenhang mit der übrigen
mykenischen Ornamentik behandeln, und zweitens hat eines der wichtigsten Fund-
gebiete, Kreta, uns bisher so wenig Reliefs aus der langen Zeit nach der großen Blüte
geschenkt, daß eine Behandlung des reichen festländischen Materials aus dieser
Periode der späteren Entwicklung auf sich selbst beschränkt bleiben müßte, zumal
von der doch ziemlich isoliert stehenden kyprisch -mykenischen Kunst gerade für sie
vorläufig wenig Aufklärung zu erhoffen ist.
Auch für diese beschränkte Zeit bieten sich Schwierigkeiten, die zum großen
Teile darin begründet sind, daß wir die Blütezeit der mykenischen Kunst in Kreta
fast nur aus Palästen und anderen Wohnschichten kennen, auf dem Festlande aber
dieselbe Periode ganz vorwiegend durch ungewöhnlich reiche Grabfunde vertreten
ist. Daher überwiegt hier bei weitem das Edelmetall, während dort fast ausschließ-
lich Reliefs aus anderem Material gefunden sind, die, einmal beschädigt, der Vernich-
tung preisgegeben wurden. Aus dieser Verschiedenheit ergibt sich zunächst, daß
die kretischen Funde und die festländischen getrennt zu behandeln sind. Indessen
empfiehlt sich dieser Gang der Untersuchung noch aus einem anderen, tieferen Grunde.
Es hat sich bekanntlich gezeigt, daß zwischen der mykenischen Kultur der beiden
Gebiete Unterschiede bestehen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, und nur
auf Grund einer strengen Scheidung nach Fundgebieten kann eine Förderung dieses
Problems erhofft werden ^).
') Die im folgenden behandelten Reliefs kreti- die mir das Studium der unter ihrer Obhut
sehen Fundorts werden im Museum von Candia stehenden Schätze in jeder Weise erleichtert
aufbewahrt, soweit nichts anderes bemerkt ist, haben, auch hier meinen herzlichen Dank aus-
die vom Festlande im Nationalmuseum in Athen. sprechen. — Von den kretischen Funden sind
Ich möchte den Direktoren der beiden Sammlun- einige nur vorläufig, andere noch gar nicht ver-
gen, den Herren J. Hazzidakis und V. Stais, öffentlicht. Da ich mit Evans und Halbherr, ihren
244
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
I. KRETA.
In Kreta tritt uns die Rcliefkunst voll entwickelt mit dem Beginn der großen
Blütezeit entgegen. Aus den älteren Palästen von Knossos und Phaistos sind keine
Reliefs bekannt. Dagegen waren viele Räume des jüngeren knossischen Palastes mit
großen Stuckreliefs geschmückt. Leider sind sie in so trümmerhaftem Zustande auf
uns gekommen, daß wir sie nicht zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung nehmen
können. Unter allen Werken der kretischen Kleinkunst aber stehen an Zahl und
zum Teil auch durch die Erhaltung oben-
an die reliefgeschmückten Gefäße aus
Steatit, einem leicht zu bearbeitenden
Material von schönem weichem Glanz,
das im südöstlichen Kreta ansteht ^) und
dessen dunkelste, fast schwarze Varietät
man für diese kunstvollen Arbeiten be-
vorzugte. Auch von diesen Gefäßen sind
meist nur Bruchstücke auf uns ge-
kommen. Nur drei sind nahezu voll-
ständig oder doch so erhalten, daß sie in
allem Wesentlichen rekonstruiert werden
können. Sie stammen aus dem älteren
Palaste von Hagia Triada, der während der
dritten mittelminoischen Periode angelegt
und allem Anscheine nach schon während
der ersten spätminoischen Zeit wieder zer-
stört worden ist 2). So sind die drei Gefäße
noch überdies in einen relativ kurzen
Abb. I . Becher aus Hagia Triada. Zeitraum datiert, und wir stellen sie daher
Nach Giilierons Reproduktion. an die Spitze unserer Untersuchungen.
I. Der Becher von Hagia Triada.
Von den drei Steatitgefäßen ist am besten erhalten ein Becher, der aus dem
Entdeckern, jetzt nicht in Verbindung treten
kann und andrerseits den im wesentlichen schon
1913 geschriebenen Aufsatz nicht noch länger
zurückstellen möchte, schien es mir das Richtige,
die unveröffentlichten Denkmäler nicht abzu-
bilden, bei den übrigen mich mit Abbildungen
aus zweiter Hand zu begnügen, denn ich will
den Entdeckern natürlich nicht in der Publi-
kation ihrer Funde vorgreifen. Die erwähnten
Gipsabgüsse der Steatitreliefs sind bei Emma-
nuel Salustros, Former des Kretikon Mu-
XXXII
seion in Herakleion (Kreta) käuflich, Nach-
bildungen der Fayencen stellt dei^selbe sowie der
dänische Maler Halvor Bagge her.
0 JHSt. XVII 1897, 328 (Evans).
2) Die jüngere Anlage, deren Zeit nicht genau fest-
steht, läßt zwei getrennte Gebäude erkennen,
die keine Rücksicht auf den älteren Bau nehmen.
Wahrscheinlich hat also die Stätte eine Zeit-
lang öde gelegen. — Über die Daten der Zer-
störung und des Neu- oder Umbaues der
kretischen Paläste vgl. zuletzt Evans JHSt.
1912, 280.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs,
245
älteren Palaste stammt (Abb. i. 2.) ^). Seine einfache konische Gestalt kommt
in mittelminoischer Zeit =) vor, nach der ersten spätminoischen Periode ist sie ver-
loren gegangen. Sie bedurfte keiner Gliederung. Als oberer Abschluß genügt ein
kleiner, senkrecht geriefelter Rundstab. Nur der kleine Fuß ist tektonisch hervorgeho-
ben. Das Profil seiner Platte wiederholt in kräftigerer Form das Motiv des oberen
Randes; über ihr folgen zwei schräge Streifen und zwei kleine Stufen bis zur engsten
Stelle; dann kehrt dasselbe Motiv der Stufen wieder, nur in umgekehrter Ordnung,
wie in den Faszien des ionischen Epistyls.
Die Darstellung, die sich auf dem so ge-
schaffenen Boden abspielt, ist sehr einfach
und doch überaus lebendig. Ein schmales
senkrechtes Band, das man wegen seiner
Querstreifen gewiß irrtümlich für die An-
deutung eines Gebäudes gehalten hat 3),
gibt dem Rund Anfang und Ende. Wir
sehen zwei Jünglinge einander gegen-
überstehen, beide mit geschlossenen
Füßen. Der linke von ihnen ist deut-
lich als der Untergebene des rechten
charakterisiert. Dieser ist nicht nur
größer, sondern auch in seiner Tracht
als Fürst ausgezeichnet. Er trägt reiches,
bis an den Gürtel herabwallendes Locken-
haar, das durch einen doppelten Reif
festgehalten scheint; dieser wird ober-
halb der Ohren durch die hier beson-
ders reiche Fülle kurzer Locken ver-
deckt. Eine dreifache Halskette, Spangen
Abb. 2. Becher aus Hagia Triada.
Nach Gilli^rons Reproduktion.
*) Höhe II, 5, oberer Durchm. 9, 8 cm. Paribeni
Reridic(onti della R. Accademia dei) Linc(ei)
XII 1903, 324. Abgebildet sind die beiden
Hauptfiguren nach Teilabgüssen bei Mosso,
Escursioni nel Mediterraneo 55 u. 56 Abb. 33, 34;
danach umgezeichnet bei Dussaud, Les civili-
sations prehelleniques dans le bassin de la mer
Egee* 69 Abb. 48 (verkleinert bei Winter, Kunst-
gesch. in Bildern * Taf. 89, 8. 9). Aufnahmen
des ganzen Gefäßes nach Gips bei Lamer, Griech.
Kultur im Bilde Abb. 3 a — c, nach Gilli^rons
Reproduktion im Katalog der galvanoplastischen
Nachbildungen mykenischer Altertümer der
Geislinger Metallwarenfabrik Taf. 8, 9 Nr. iio,
die uns diese Klischees für Abb. i, 2, sowie
das für Abb. 28 freundlichst zur Verfügung ge-
stellt hat. Eine kleine Abbildung nach dem
Original und die beiden Hauptgestalten nach
Jahrbuch des archäolog'ischen Instituts XXX.
abgerolltem Gips jetzt bei G. E. Rizzo u. P.
Toesca, Storia dell' Arte Classica e Italiana
(im folgenden als Rizzo angeführt) I 132;
eine größere Wiedergabe bei Hoernes, Urge-
schichte' 379 Nr. 5. — Vgl. R. M. Burrows,
The Discoveries in Crete * (1908) 38.
*) Einige Beispiele: Maraghiannis, Antiquit^s Cr6-
toises II, 24, 2. 10 (Vasiliki), I 35, 4 (Palaika-
stro), II 46, 4 (Phaistos), I, 30, 1.3 (Grotte von
Psychro).
3) So zuletzt H. R. Hall, Aegean Archaeology 63.
Aber eine derartige Abkürzung wäre ohne Ana-
logien und im Gegensatze zu sonstigen Archi-
tekturdarstellungen unverständlich, da die all-
zudichten Querstreifen keine Quaderschichten
bedeuten können. Sie sind vielmehr dasselbe
Ornament wie am Fuß und am Rand des Be-
chers.
18
2a6 ^* Müller, Frühmykenische Reliefs.
an Oberarmen und Handgelenken schmücken ihn. Der andere hat kurzes Haar
und ein einfaches Halsband, sowie nur am Handgelenk einen Reif. Selbst
der Schurz und die halbhohen Stiefel sind bei ihm einfacher als bei dem
Vornehmen. Noch mehr freilich kommt der Standesunterschied zum Ausdruck in
der Haltung. Stolz hebt der Fürst den Kopf, seine Rechte hält gebieterisch einen
Stab, den wir wohl als Abzeichen seiner Würde auffassen dürfen ^). Durch diese
Bewegung wird die Brust von vorn sichtbar. Der andere dagegen hat den Kopf
leicht gesenkt; seine beiden Hände hält er in der Nähe des Gürtels; die rechte faßt
ein langes Schwert, das an der Schulter lehnt, die Linke einen langgestielten Gegen-
stand, der wie ein Wedel aus langen Haaren aussieht 2). Er steht sichtlich stramm
und erstattet offenbar seinem Vorgesetzten eine Meldung. Entsprechend seiner
ganzen geschlossenen Haltung ist der Oberkörper nicht zu breiter Vorderansicht
entfaltet, sondern im Profil dargestellt. Hinter ihm folgen drei Männer, deren Körper
fast ganz von sonderbaren riesigen Gebilden verdeckt sind. Sie reichen vom Boden
bis an den Hals und sind dabei außerordentlich breit. Für die Deutung ist es wichtig,
daß sie an ihrem hinteren Umriß einen Fortsatz zeigen, der kaum etwas anderes
sein kann als der Schwanz eines Tieres, sie bestehen also mindestens außen aus riesi-
gen Fellen. Ich möchte sie als große steife Mäntel auffassen, denen sich etwa die großen
Jürükenmäntel aus hartem Filz vergleichen ließen. Die Deutung auf Schilde, die
natürlich ein Holzgerüst an der Innenseite voraussetzen würde, scheint mir ausge-
schlossen, weil solche* am linken Arme zu erwarten wären und der Schwanz des Tier-
felles kaum an ihrem Rande hinge. Von den Leuten selbst sind nur die Füße und die
Köpfe zu sehen. Freilich ist von diesen nur der des letzten Mannes erhalten; er zeigt
volles langes Haar. Es sind gewiß keine Krieger, die hier dem Fürsten durch einen
Offizier vorgestellt werden — dann hätten sie sicher kurzes Haar wie dieser und die
Waffen wären irgendwie angegeben 3). Eher könnte man an Abgesandte oder Geiseln
eines Hirtenstammes denken. Aber so wenig uns vorläufig eine positive Deutung
möglich ist, so gewiß war der Künstler an diese unschöne Tracht gebunden, um die
Leute für seine Zeitgenossen zu charakterisieren. Er bemüht sich deutlich, durch
verschiedene Größe und durch kleine Abweichungen im Umriß etwas Abwechselung
in die unförmigen Gestalten zu bringen, aber man kann gewiß nicht sagen, daß er
für diese allzuschwere Aufgabe eine befriedigende Lösung gefunden hätte. Um so
klarer und lebendiger hat er den Vorgang selbst wiederzugeben verstanden. Die
Vorführung der drei Leute durch einen Offizier vor den Fürsten war gewiß kein
leichtes Thema, da zweifellos das Zeremoniell die stehenden Figuren und damit eine
sehr sorgfältige Differenzierung derselben erforderte.. Andererseits eignen sich ge-
rade die senkrechten Linien der Hauptfiguren, verstärkt durch den Stab und den
*) Das obere Ende des Stabes ist zwar abgebrochen, Geräts irrtümlich als Teil einer Kopfbedeckung,
aber der Raum reicht kaum hin, ihn als Lanze die er natürlich als Helm deutet,
zu ergänzen, worauf mich Studniczka hinweist. 3) Ich halte deshalb die von Paribeni a. a. 0. ver-
*) Burrows a. a. O. faßt das obere Ende dieses mutete Deutung als Vorbereitung zu einer mili-
tärischen Unternehmung für sehr unwahrscheinlich.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 247
Trennungsstreifen vortrefflich zur Dekoration der Kegelfläche: sie sind tektonisch
gesprochen die Mantellinien des Kegels ^).
2. Der große Trichter.
Von einem zweiten, beträchtlich größeren Gefäße (Abb. 3) wurden die Fragmente
in zwei Grabungen (1903 und 1904) an verschiedenen Stellen des Palastes von Hagia
Triada gefunden, die ersten sicher im älteren Palast, die späteren etwa 40 m davon
entfernt und an einer höher gelegenen Stelle des Hügels, die nur von dünner Schutt-
schicht bedeckt war 2). Der eine Teil muß also verschleppt sein. Trotzdem kann
kein Zweifel bestehen, daß das Gefäß wie die beiden anderen zur älteren Anlage gehört.
Leider ist das Gefäß nicht vollständig, doch ist seine Kegelform, deren erstes
Auftreten in die dritte mittelminoische Periode fällt und die bis in spätmykenische
Zeit vorkommt 3), bis auf den unteren Abschluß sicher. Daß dieser durchbohrt war,
beweisen die zahlreichen anderen kegelförmigen Rhyta.
Schlichte, wiederum nach Art des ionischen Epistyls gegliederte Bänder teilen
den Trichter in vier Horizontalstreifen, deren oberster unmittelbar an dem kräftigen,
durch senkrechte Rillen verzierten Randwulst endet. Leider sind die beiden obersten
Streifen nur zum kleinen Teil erhalten. Der erste führt uns, wie die beiden untersten,
Faustkämpfe vor, der zweite das Stierspiel, das so gut wie der Faustkampf bei reli-
giösen Feiern stattfand und daher trefflich zur Dekoration eines Rhyton paßt, dessen
Verwendung im Kultus Karo ansprechend vermutet hat. Trotz der stofflichen Ver-
wandtschaft weicht der zweite Streifen durch die langgestreckten Körper der Stiere
auffallend von den drei anderen Friesen ab. Auch diese zeigen indessen nicht die
gleiche Art des Faustkampfes, wie schon Halbherr hervorgehoben hat. Die Jüng-
linge des untersten Streifens kämpfen ohne Helm und ohne Schuhe, nur mit dem
nach hinten herabfallenden Schurz mit seinem engen Gürtel und dem Gliedschutz 4)
bekleidet. Zu diesen Kleidungsstücken kommen bei den Männern der Reihe darüber
außer Fausthandschuhen, die die Stelle der sonst üblichen Faustriemen vertreten 5),
') Über das Prinzip der 'Oberflächenlinien' vgl. das ganze Rhyton nach dem Original wiedergibt.
H. Cornelius, Elementargesetze der bildenden Unsere Abbildung, die ich Herrn Prof. P. Herr-
Kunst (1908) 122 fl. mann verdanke, ist nach einem im Albertinum
^) Höhe der Rekonstruktion (ohne Henkel) 47 cm, in Dresden abgerollten Abguß des ganzen Trich-
oberer Durchmesser 17 cm. Paribeni, Rendic ters photographiert ; die Ergänzungen habe ich im
Line. Xn 1903, 331, Halbherr ebda. XIV 1905 wesentlichen nach Rizzo etwas dunkler getönt.
365ff. mit Abb. I, ders. Mem. Ist. LombardoXXl5 Die offizielle Publikation steht leider noch aus.
(1905)240/1 Taf. II3 (die beiden untersten Strei- 3) Karo, Jahrb. XXVI 1911, 265.
fen abgerollt), öfters wiederholt: Burrows, 4) Ich muß trotz van Hoorn (oben S. 71) an dieser
Discov. Taf. 1 A S. 33; Mosao, Escursioni 177; Erklärung festhalten. Das libysche Futteral
Winter, Kunstgesch. in Bildern * 89,4; Hall, bezweckt bei anderer Form das gleiche —
Aegean Archaeology Taf. 16. Lamer, Griech. Schlüsse auf Rassenverwandtschaft sind natür-
Kultur im Bilde Abb. 4 a, b gibt die drei unteren lieh hinfällig.
Zonen abgerollt, alle vier Zonen S. Reinach, 5) Solche tragen die Faustkämpferinnen auf knossi-
Gaz. des beaux-arts XI 1914, 329 und am besten sehen Freskenresten in Oxford, die Evans dem-
Rizzo 131 Abb. 62 b, der auch 130 Abb. 62 a nächst publizieren wird.
i8*
248
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
Abb. 3. Der Trichter aus Hagia Triada.
Nach abgerolltem Gipsabguß. Die Ergänzungen dunkler getönt.
K. Müller, FrUhmykenische Reliefs. 240
Helme mit Backenschutz, die bei den Kämpfern des obersten Streifens überdies
mit einem langwallenden Busch verziert sind. Vielleicht sind diese Helme nur Gla-
diatorenwaffen, da sie in Kriegsszenen nicht vorkommen ^); doch läßt sich der auf
dem Festlande so häufige bekannte Eberzahnhelm in Kreta bisher nur ein einziges
Mal nachweisen '^), so daß ich an eine lokale Verschiedenheit glauben möchte.
Jedenfalls aber ist in den beiden oberen Streifen eine andere, schwerere Art des
Faustkampfes gemeint als im untersten.
Für die künstlerische Gesamtwirkung ist dieser Unterschied unwichtig. Wesent-
licher ist es, daß der oberste und der dritte Fries durch schwere, nach oben sich ver-
jüngende Säulen mit sonderbaren Kastenkapitellen 3) die Architektur des Kampf-
platzes andeutet und damit zugleich sich eine Gliederung schafft. Die vorhandenen
Reste reichen hin, zu erkennen, daß die Säulen im zweiten und vierten Streifen fehlten.
Von den einzelnen Friesen läßt der dritte die Komposition am besten erkennen.
Zwischen drei Säulen waren drei Kämpfergruppen so angeordnet, daß die Sieger in
Ausfallstellung die Interkolumnien füllen, während ihre Gegner vor ihnen zu Boden
gesunken sind und den unteren Teil der Säulen verdecken. Von diesen drei Besiegten
ist der erste vom Rücken sichtbar, er stützt den rechten Unterarm auf den Boden;
der zweite kniet und berührt mit der Stirn fast die Erde; vom dritten lassen die
nebeneinanderstehenden Füße, die allein erhalten sind, eine annähernd sitzende
Stellung erraten. Gegenüber diesem Reichtum an Bewegungen ist es auffallend,
daß die beiden erhaltenen Sieger nicht nur im allgemeinen im gleichen Ausfallschema
dargestellt sind, sondern auch ihre Arme ganz gleich bewegen, indem sie den linken
wie zum Parieren erheben, während die Rechte zum Stoße bereit zur Hüfthöhe ge-
hoben ist. Zweifellos ist damit eine bestimmte Positur gemeint, die schulmäßig ge-
übt wurde 4), aber es ist doch gewiß nicht die charakteristische Stellung des Siegers,
man müßte denn annehmen, der Sieger habe nach Beendigung des Kampfes wieder
die Eröffnungsstellung eingenommen, wie unsere Turner nach jeder Übung wieder
strammstehen.
Noch auffälliger wird diese Wiederholung, wenn wir den untersten Fries betrach-
ten. Von den drei Kämpferpaaren sind zwei in größeren Resten erhalten: beidemal
') Ein genau entsprechender Helm in ausgeschnitte- auf zu ruhen. — Der Rahmen erscheint ähnlich
nem Elfenbeinrelief aus Knossos in Candia. auf einem Tonsiegel von Knossos (BSA. IX 56
*) Evans, Prehistoric tombs of Knossos (auch in Abb. 35, vgl. S. 57) und auf der Steatitscherbe
Archaeologia LIX) S. 67, Grab 556. mit der Prozession (ebd. 129, Abb. 85, unten
3) Die sonderbare Kapitellform kehrt auf einem S. 260 Abb. 8), doch fehlt beidemal der Aba-
unpublizierten Steatitfragment von Knossos kus, und der Schaft geht nach oben weiter. Das
wieder, das vielleicht auch von einem Rhyton gleiche gilt von dem Miniaturfresko mit dem Kult-
stammt (Abguß). Freilich ist nur ein Teil des bau, das mehrfach verglichen ist. Wir haben es
mit Ringen verzierten Rahmens und des aus- hier also mit Mastenhaltern zu tun, aus denen
ladenden Abakus erhalten, auf dem ein Tier die Kapitellform abgeleitet sein mag.
liegt. Sonderbarerweise gehen hinter dem Aba- 4) Sie kehrt mehrfach wieder: schon Burrows ver-
kus und dem oberen Teil des Rahmens zwei gleicht das Tonsiegel BSA. IX 56, Abb. 35 und
Bänder nach rechts, statt wie in H. Triada dar- das Pyxisfragment ebd. VII 95, Abb. 31 (unten
S. 260 Abb. 7).
2 CO ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
stehen die Sieger in der gleichen Positur, und auch der dritte wich, nach dem Rest
seines rechten Beines zu urteilen, nicht von ihnen ab. Die Unterliegenden erscheinen
wiederum in neuen, sehr kühnen Stellungen : der eine ist durch einen Schlag auf den
Kopf, nach dem die Rechte greift, eben niedergesetzt worden; die Wucht des Stoßes
war so groß, daß sein rechtes Bein fast senkrecht in die Höhe geworfen ist. Der an-
dere ist freilich noch wuchtiger getroffen, er überschlägt sich und berührt nur mit
den Schultern den Boden. Sie nehmen so eine viel geringere Breitenausdehnung
ein als die Unterliegenden des Frieses darüber und ermöglichen die Darstellung von
drei Szenen auch auf dem beschränkteren Raum des kleinsten Frieses. Zugleich
ist aber durch sie fast so stark wie durch die Sieger die Senkrechte betont, eine Funk-
tion, die in dem nächsten Streifen die Säulen, freilich schwächer, aufnehmen. Denn
während der unterste Fries durch die dichtgedrängten Kämpfer ganz gefüllt ist,
wird im nächsten das Auge von den hohen Gestalten der Sieger auf ihre am Boden
liegenden Gegner hinabgeleitet, um dann wiederzum nächsten Sieger emporzublicken.
So umzieht die Darstellung den Trichter gleichsam in drei Wellen, über deren Tälern
die anorganischen Gebilde der Säulen mehr als Füllung erscheinen. Nun ist es
wesentlich, daß die Sieger dieser Reihe genau über denen der untersten stehen. Die
Kulminationspunkte der Handlung liegen also übereinander, und durch die gleiche
Stellung dieser Hauptfiguren wird das nur um so deutlicher. So rechtfertigt der
künstlerische Zweck eine Einförmigkeit, die bei einem Künstler von geringerer Phan-
tasie und Darstellungsgabe als Mangel erscheinen könnte.
Von dem Stierfries ist gerade genug erhalten, um uns die Komposition erkennen
zu lassen. Es waren drei Stiere, die nach links dahinstürmten und in deren gestreck-
tem Körper die Wellenbewegung des Kämpferfrieses darunter wieder aufgenommen
und gesteigert w4rd. Die Darstellung gipfelt in dem erhobenen" gewaltigen Haupte
des Stieres, über dem der kühne Springer schwebt. Gewiß war das Thema in den.
beiden anderen Stiergruppen variiert. Aber immer fiel der Höhepunkt der Handlung
in die Achse, die durch die Sieger der beiden unteren Streifen gegeben war.
Von dem obersten Streifen ist leider nur ein kleines Stück, die Beine eines
kauernden Kämpfers, über dem Stierkopfe erhalten. Das größte Stück dieses Frieses,
das etwa ein Drittel zu rekonstruieren gestattet, steht anscheinend nicht in direkter
Verbindung damit ^). Es stellt rechts und links von einer Säule je zwei Faustkämpfer
dar. Bei dem einen Paar ist der Kampf noch unentschieden, aufrecht stehen die
beiden Männer hart aneinander, und der rechte erwidert gerade den Schlag, den er
eben an seine Wange erhalten hat. Das zweite Paar scheint zunächst auf einen größe-
ren Zusammenhang zu weisen: vor einem nach rechts ausschreitenden Manne ein
zweiter in fast gleicher, nur etwas schlafferer Schrittstellung mit leicht vorgebeugtem
Oberkörper. vSo wenig dieser Kunst größere Gruppen fremd sind, möchte ich in dieser
Szene doch eine geschlossene Darstellung sehen, weil der Kampf gewiß, wie in den
anderen Fällen, paarweise ausgefochten wurde. ' Wir hätten dann ein weiteres Stadi-
' ) Hinter dem Kauernden ist nur eine Fußspitze als antik. Ob die Fragmente unter der Ergän-
erhalten ; Rizzo gibt irrtümlich den ganzen Fuß zung aneinanderpassen, weiß ich nicht.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 251
um des Kampfes: der Sieger hat seinem Gegner so hart zugesetzt, das dieser sich
wendet, ohne noch völlig erlegen zu sein ^).
Wenn diese Deutung richtig ist, hätten wir in dem Fries sechs Kämpferpaare
anzunehmen, am ehesten mit drei trennenden Säulen. Für die Komposition läßt
sich wenigstens das sagen, daß die Wellenbewegung der tieferen Friese nicht mehr
herrschte, sie ließ sich gegenüber der Stierszene nicht mehr überbieten. Gegen eine
Durchführung der drei senkrechten Achsen spricht das Fragment, das über dem
Kopfe des Stieres erhalten ist. Aber wahrscheinlich haben die Säulen über denen
der dritten Reihe gestanden und so den Zusammenhang gewahrt. Die starken Senk-
rechten der gedrängt stehenden Männer geben dem Fries den Charakter, der in den
verlorenen Teilen kaum wesentlich anders zu denken ist, und der am ehesten dem
untersten Fries entspricht, wenn auf diesem auch größere Gebundenheit herrscht.
So schließt sich das Bild des Ganzen: von den vier Bändern, die den Trichter
umfassen, ist das unterste, knappste, auch am geschlossensten komponiert, während
sich in den beiden nächsten mit der Kegelform des Trichters auch die Darstellung
weitet, freilich nicht ohne in durchgehenden Senkrechten die Mantellinien des Kegels
als wesentliches Moment zu betonen. Gerade dies hebt die oberste Zone, trotz freierer
Komposition im übrigen, stärker hervor und schließt so, den wulstigen Gefäßrand
vorbereitend, das Ganze kräftig zusammen. Daneben leitet die in den drei unteren
Zonen sich steigernde Wellenbewegung das Auge des Beschauers um die Rundung
des Gefäßes herum, den ganzen Reichtum der Darstellungen zu genießen. * ■
Daß der Henkel des Trichters, der nach den erhaltenen Befestigungsspuren
die linke Kämpfergruppe roh überschnitt, ursprünglich an anderer, von wichtigem
Bildwerk freier Stelle befestigt war, ist bei einem so überlegten Kunstwerk gewiß
anzunehmen. Wahrscheinlich war er an der für ihn bestimmten Stelle ausge-
brochen und mußte nun an einen unverletzten Teil versetzt werden.
3. Die Schnittervase.
Das dritte der Relief gef äße vonHagiaTriada, die Schnitteivase, wurde schon bei
den Versuchsgrabungen des Jahres 1902 in einem der Haupträume des älteren Palastes
gefunden, in den es aus dem oberen Stockwerk herabgestürzt zu sein scheint
(Abb, 4 — 6)2). Leider ist nur der obere Teil des aus mehreren Stücken zusammen-
gesetzten Gefäßes erhalten, aber zahlreiche Analogien, die bis in den Beginn der
mittelminoischen Zeit hinaufreichen 3), lehren ebenso wie Gilliörons Ergänzungsver-
1) Der kniende Besiegte im dritten Streifen muß Mediterraneo 138; Milani, Studi e materiali III
sich auch von seinem Gegner abgewendet haben, 84; Burrows, Discoveries » (1908) 35 ff; Rizzo I
ehe er so stürzen konnte. 128 und 154, 27; Hall, Aeg. Arch. 61 Taf. 16. Auch
2) Publiziert von Savignoni Mon. Line. XIII 1903, sonst oft abgebildet, z. B. Winter, Kunstgesch.
85 fE. mit Taf. i — 3. Vorher kurz besprochen in Bildern * 89, 5 — 7. Unsere Abbildungen
von Bosanquet JHSt. XXII 1902, 389. Vgl. sind in natürlicher Größe nach dem getönten
femer Zahn, Arch. Anz. 1904, 76; R. Weill, Gipsabguß photographiert.
Rev. arch. 1904, I 52; Mosso, Escursioni nel 3) Karo, Arch. Jahrb. XXVI 191 1, 267.
252
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
such ^), daß es als annähernd kugelförmiges Rhyton mit kurzem, schlankem Aus-
guß unten zu rekonstruieren ist. Das Relief bedeckte offenbar gerade den Teil des
Gefäßes, der Kugelform hatte, während sich der Ausguß tektonisch abgesetzt haben
wird, wie der Einguß oben, der sich, aus einem besonderen Stück gearbeitet, er-
halten hat.
Ein fröhlicher Zug zieht an uns vorüber. Voran ein Mann mit langem Haar in
einem offenbar ziemlich steifen, fransenbesetzten Schuppengewande, aus dem der
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Abb. 4. Die Schnittervase aus Hagia Triada. Nach getöntem Abguß.
rechte Arm und die Schulter frei heraustritt. An sie lehnt er einen langen, unten ge-
krümmten Stab. Hinter ihm der lange Zug der Schnitter. Ich nenne diese, abgesehen
von dem üblichen Schurz und einer leichten Kopfbedeckung nackten Männer Schnitter,
obwohl das Gerät, das sie auf der linken Schulter tragen, nicht in allen Einzelheiten
klar ist. Es besteht aus einer langen Stange, in die oben eine kurze, leicht gekrümmte
spitze Klinge hineingesteckt scheint; darüber sind noch drei lange, gerade und ziem-
lich dünne Stäbe gabelartig angebunden. Daß das Gerät leicht ist, zeigt außer seiner
Form auch die Art, wie es auf der flachen Hand getragen wird. Es ist also sicher
^) Katalog der Geislinger Metallwarenfabrik Taf. 2 u. 3, wiederholt bei Karo a. a. 0. 268 f.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
253
keine Waffe, wie Halbherr und Savignoni vermuteten, und damit fällt jeder Grund,
die Darstellung als einen Kriegerzug zu deuten ^). Noch weniger darf man freilich
an einen Bratspieß 2) denken, gegen den schon die Divergenz der offenbar keines-
wegs ganz starren Zinken spricht. Freilich hat auch die Auffassung des Gerätes als
eine Art Heugabel 3) ihre Bedenken; man würde die Zinken weniger dünn und lang,
dafür aber gekrümmt erwarten. Vor allem aber erschwert die Kombination mit dem
kurzen Krummesser die Vorstellung vom Gebrauch des Gerätes. Es hat den Anschein,
als sei dieses nur hineingesteckt 4), aber es ist doch zweifellos ein Teil des Gerätes, da
Abb. 5. Die Schnittervase aus Hagia Triada. Nach getöntem Abguß.
man es als selbständiges Werkzeug auf dem Marsche gewiß praktischer verwahrt
hätte.
Die Leute tragen nun noch einen anderen dünnen Gegenstand mit verdicktem
unterem Ende, der am linken Oberschenkel angebunden ist und etwa dessen Länge
hat. Er gehört weder zur Kleidung — dann würde er am rechten Schenkel nicht
•)• Es fehlt auch sonst auf dem ganzen Relief jedes
Kriegsgerät, und besonders der barhäuptige
Führer macht so wenig den Eindruck eines
Kriegsobersten, daß er sogar für eine Frau ge-
halten worden ist (Zahn a. a. O.).
2) Dechelette, Comptes rendus de l'Ac. 1912, 83 ff.
Dagegen P. Girard, ebd. 97 f.
3) Jane E. Harrison JHSt. XXIV 1904, 249.
4) S. de Ricci bei R. Weill a. a. 0. 54, Anm. i.
254
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
fehlen — , noch ist er ein Brotsack oder gar ein künstlicher Phallus, den man gewiß
nicht ans Bein gebunden hätte; vielmehr scheint er einen Schleifstein ^) vorzustellen,
der am linken Bein seinen Platz hat, damit die rechte Hand das Messer ■ — zweifellos
das oben in der 'Heugabel' steckende, das man zu diesem Zwecke wohl abnehmen
konnte — bequem darüber führen kann. Auch das paßt nur zu ländlicher Tätigkeit.
Alles in allem möchte ich an Bosanquets Erklärung als Erntezug festhalten.
Nur scheint mir die Verbindung einer Heugabel mit einer Sense an sich und dann
besonders die Kürze der Klinge ungeeignet, gerade an Getreideernte zu denken.
Abb. 6. Die Schnittervase aus Hagia Triada. Nach getöntem Abguß.
Eher wäre es möglich, daß die Geräte zum Herabschlagen von Baumfrüchten, etwa
Oliven, dienten; das hakenförmig abstehende Messer wäre dann zum Abschneiden
einzelner Früchte oder eher wilder Zweige verwendet worden.
Der Zug ist gegliedert durch eine Gruppe von drei Sängern mit ihrem gleich-
falls singenden Führer, die nach dem vierten Schnitterpaare marschieren. Von den
Sängern selbst ist außer dem unbedeckten Lockenkopf nur ein Teil der ausschreiten-
den Beine zu sehen, während Oberkörper und Arme von einem unerklärten steifen
') So schon Studniczka bei Walter Müller, Nackt- dem van Hoorn, oben S. 72, folgt. Seiner Deu-
heit und Enblößung (Diss. Leipzig 1906) S. 67, tung der Schnürchen als oberem Rand von
xvin{i.i8ec widersprechen die erhaltenen Reste.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 255
Gewände (?) bedeckt sind^). Der Vorsänger weicht in seiner Tracht von ihnen ab:
er hat kurzes Haar, sein Oberkörper ist nackt, aber um die Hüften hat er ein Tuch
geschlungen, dessen unterer Abschluß fehlt. Ein Gürtel ist nicht sichtbar. In
der Rechten schwingt er ein Sistrum, das seinem Ursprünge nach sicher
ägyptisch ist, uns aber darum noch nicht das Recht gibt, seinen Träger für
einen Ägypter zu halten. Obwohl das Instrument im kretisch-mykenischen Kultur-
kreise bisher nur dies eine Mal vorkommt, läßt sich doch sagen, daß es
ebensowenig spezifisch kriegerisch wie rein ländlich sein kann, und wie es in Ägypten
dem Kult angehört, werden wir auch unserem Festzuge eine gewisse religiöse Bedeu-
tung zuschreiben dürfen, worauf wohl auch der im Kultus verwendete Fransenrock
des Führers hinweist. Auffälliger als das fremde Gerät ist es, daß sein Träger im
Körperbau von den anderen Männern abweicht: statt der unnatürlich schlanken
Taille hat er ziemlich volle Formen. Das könnte ihn ja als Fremden charakterisieren
sollen — aber gerade als Vorsänger ist doch gewiß ein Einheimischer wahrschein-
licher, und so gut es neben den typisch schlanken Männern des heutigen Kreta auch
wohlbeleibte und darum nicht weniger echte Kreter gibt, wird es auch im zweiten
Jahrtausend Ausnahmen von der Regel gegeben haben. Wir hätten dann eine Ab-
weichung von der normalen Stilisierung vor uns, die nur als Anlehnung an ein wirk-
liches Vorbild, an einen besonders geschätzten Sänger, sich erklären ließe, also einen
frühen Versuch der Individualisierung darstellte^).
Auf die Sänger folgt die Hauptmenge der Schnitter, vierzehn an Zahl, gedräng-
ter dahinschreitend als der erste Teil des Zuges. Nur einer marschiert nicht in Ord-
nung mit, der fünfte von hinten. Sein Kopf ist ungefähr in der Höhe der Gürtel der
anderen, er bückt sich also, denn es sieht nicht aus, als ob er etwa gefallen wäre. Da-
gegen spricht vor allem die Bewegung seiner rechten Hand, die sich vorn am Schurz
seines Vordermannes zu schaffen macht. Es handelt sich offenbar um einen recht
derben Scherz; der Betroffene bHckt mit offenem Munde, gewiß scheltend um 3).
Diese Episode bezeichnet drastisch den Übermut der Schnitter, sie spielt sich auch
fern vom Führer des Zuges ab. Dabei ist sie aber keineswegs hervorgehoben, vielmehr
') Die Deutung wird dadurch erschwert, daß der dazu auch Gillierons Rekonstruktion, oben
Künstler die Köpfe der Sänger, auf die es ihm S. 252 A. i. Sind aber wirklich Gewänder
besonders ankam, nebeneinander zeigen, ihre gemeint, so ist wegen der Wölbung an der Brust
Körper aber nicht entsprechend verschieben das schon von Mosso angeführte Siegel Mon. Line,
wollte, wohl um die Gliederung des Zuges nicht XIII 1903, 41 Abb. 35 (Winter, Kunstgesch.
unklar zu machen; die dabei sich ergebenden in Bildern* 89,3) heranzuziehen, aber gewiß
Verstöße gegen die Anatomie sind wohlweislich nicht mit Savignoni an Frauen zu denken,
hinter dem fraglichen Gegenstand versteckt, der ^) Vgl. die Porträtköpfe auf Siegeln, unten S. 275.
nun bei jedem der Sänger eine etwas abweichende — Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß er
Form erhalten hat. Sein Verhältnis zum Halse durch seine Körperfülle als Kastrat charakteri-
ist nirgends klar und in jedem Falle etwas anders; siert werden soll. Die Sänger hinter ihm sind
unter dem linken Arm des ersten Schnitters aber nicht als solche gekennzeichnet, und so
laufen die drei Umrisse parallel, und erst hinter wird man ihm seine Männerstimme lassen,
dem dritten kommen die allein erhaltenen Reste 3) Diese Auffassung der Episode verdanke ich
von zwei ausschreitenden Beinen hervor. Vgl. E. Gillieron, und F. Studniczka hat mich darin
bestärkt.
2c6 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
ist der Ulkende halb versteckt im Gedränge, wird doch sein Oberkörper von den vor-
schreitenden Beinen der Hintermänner überschnitten. Schon deshalb ist Mossos
Deutung verfehlt, der ihn in Erinnerung an gewisse moderne kretische Tänze als
Vortänzer auffaßt i).
In gewisser Beziehung freilich hat Mosso recht: die Leute marschieren nicht
einfach, dazu ist das linke Knie zu hoch gehoben. Aber sie tanzen auch nicht, viel-
mehr stampfen sie im Vorwärtsschreiten den Takt. Dazu paßt es, daß sie alle gleichen
Schritt halten. Diese Einheitlichkeit der Bewegung der großen Masse bedeutet eine
große Schwierigkeit für den Künstler, deren er mit bewunderungswürdiger Meister-
schaft Herr geworden ist, zunächst durch die Gliederung des Zuges in zwei ungleiche
Teile, und dann durch die immer neue Gruppierung im einzelnen. Der erste Teil
des Zuges ist viel lockerer als der zweite — vier Paare nehmen dort elf, hier neun
Zentimeter ein. Und gerade in dem größeren zweiten Teil weiß er durch die kleine
Episode des sich bückenden Schnitters Abwechslung zu bringen; während er sonst
die Leute dem Beschauer die Brust zuwenden läßt, zeigt er hier zwei von der Seite ^).
Fast immer erscheinen die Schnitter paarweise, und es verdient Beachtung,
daß doch die Leute der hinteren Reihe immer ein wenig anders überschnitten werden.
So gibt es keine Eintönigkeit, und der Rhythmus kommt in ungetrübter Frische
zum Ausdruck. Nur zwei Figuren bewegen sich nicht in dem stampfenden Schritt,
wenn die erhaltenen Reste nicht trügen, der vornehme Führer des Zuges und der Vor-
sänger. Diese beiden sind gleichsam die Ruhepunkte, die den Rhythmus nur ver-
stärken. Aber auch sie sind künstlerisch nicht gleichwertig. Es ist charakteristisch,
daß keiner der Erklärer den zweiten Teil des Zuges für den ersten genommen hat,
obgleich keine Trennungslinie Anfang und Ende scheidet 3) : so stark wirkt der Führer
als Hauptruhepunkt. Im Vorsänger dagegen gipfelt der Rhythmus: sein Sistrum
gibt den Takt an für all die stampfenden Gesellen, und nach echter Dirigentenart
muß auch sein linker Arm mittun. Man könnte ihn mit der Caesur eines Verses ver-
gleichen, die ihn gliedert und zugleich zusammenhält.
Dieser starke und dabei so fein abgewogene Rhythmus ist eines der Haupt-
momente, um uns das unaufhaltsame Vorwärtsstreben des Zuges zu verdeutlichen.
Ein zweites liegt in der gleichen Richtung der geschulterten Gabeln. Auch dies war
eine Aufgabe, die nur ein Künstler von großer Gestaltungskraft so lösen konnte,
daß dieser Wald von Zinken nicht ermüdet, sondern sogar den Eindruck verstärkt.
Wie schon Savignoni bemerkt hat, ist die Zahl der Zinken viel größer, als man er-
warten sollte, da jedes klar dargestellte Gerät nur ihrer drei hat. Man könnte meinen,
der Künstler habe damit eine größere Menge von Leuten andeuten wollen, als er
wirklich dargestellt hat. Indessen ist zwischen den Paaren in der ersten Hälfte des
Zuges so viel Platz, daß diese Erklärung sehr unwahrscheinlich wird. Dagegen würden
I) Savignoni sieht in ihm ebenso falsch den ein- um dem Kopf des Lilkenden Platz zu
zigen Gefangenen, den heimkehrende Krieger machen.
im Triumphe führen. 3) Eine solche würde die Wirkung der Bewegung
*) Der linke Arm des hinteren ist vorgenommen, lahmgelegt haben, während sie bei den ruhig
stehenden Figuren des Bechers am Platze ist.
K. Müller, Frühmykenische Reliets. 257
wir, wenn diese Schar wirklich rasch an uns vorüberzöge, höchstens die nächsten
der Gabeln als Einzelobjekte wahrnehmen, die übrigen würden wir als eine Einheit
empfinden, eben als einen Wald von Zinken. So tritt hier in glücklicher Weise die
scheinbare Form an Stelle der wirklichen, um im Beschauer die Illusion zu erwecken,
diese fröhliche Schar in frischer Bewegung an sich vorüberziehen zu sehen.
4. Das Verhältnis der drei Gefäße von H. Triada
zueinander.
Der gleiche Fundort und die gleiche Höhe der künstlerischen Leistung, die wir
zu würdigen versucht haben, legen die Frage nahe, ob wir es etwa mit drei Schöpfun-
gen eines und desselben Meisters zu tun haben. Wirklich vergleichbar ist freilich
nur weniges, vor allem die Darstellung der menschlichen Gestalt.
Sie weist klar und deutlich auf verschiedene Hände, Man vergleiche nur die
die Bildung von Auge und Ohr. Ersteres ist auf dem Becher zwar mandelförmig,
aber ziemlich kurz, so daß es sich dem Kreise nähert. Es sitzt, nur von einem kleinen
vertieften Ring umgeben, an der Oberfläche. Auf der Schnittervase dagegen ist die
Augenhöhle viel tiefer und größer, der Augapfel ist bedeutend länger. Bei den un-
behelmten Köpfen des Trichters fällt die starke Schrägstellung des Auges auf. Auch
die Ohren sind verschieden: während der Becher sehr große, sorgsam modellierte
Ohren zeigt, von denen das einzige sichtbare des großen Trichters nur wenig abweicht,
deutet der Künstler der Schnittervase sie nur durch einen leicht gekrümmten
Wulst an.
Auch im übrigen zeigt die Wiedergabe des menschlichen Körpers die Verschie-
denheit der ausführenden Hände. Am meisten vereinfacht ist sie auf dem Becher.
Am Brustkorb sind der große Brustmuskel, und zwar mit den Brustwarzen, die an
den anderen Gefäßen fehlen, sowie die Rippen angegeben; die Arme dagegen verraten
ihre Muskulatur nur durch den Umriß. Auch an den Beinen ist sie mehr angedeutet
als wirklich ausgeführt, dafür aber die Straffheit der Sehnen besonders an den Unter-
schenkeln durch scharfe Rillen markiert. Der Künstler der Schnittervase dagegen
geht auf Einzelheiten aus. Er gibt nicht nur den Deltoideus an, sondern zerlegt ihn
in einzelne Teile, um ihn recht deutlich zu machen. Auch die Muskulatur der Ober-
schenkel hat er mit Liebe studiert. Besonders kräftig modelliert er das Stück der
Schulterpartie, das er bei der Seitenansicht zum Vorschein kommen läßt. Freilich
ist ihm das nur beim Vorsänger recht geglückt, während er sonst leicht etwas über-
treibt, besonders auch beim Sägemuskel, dessen Ansätzen er eine überlange und
scharfe Form gibt, so daß sie fast wie Rippen aussehen. Die Faustkämpfer des großen
Rhytons boten durch das Thema wie durch ihre Größe besonderen Anlaß, anato-
mische Kenntnisse anzubringen. Die Gestalten sind hier am muskulösesten, ohne
dabei übertrieben zu sein. Ausgezeichnet ist besonders die Bildung der Extremitäten,
am schwächsten der Brustkorb, dessen Knochengerüst hier weniger zum Ausdruck
kommt als bei den beiden anderen Werken; bei den Seitenansichten fällt die starke
Betonung des vorderen Randes des breiten Rückenmuskels auf.
258 ^- Müller, Frühmykenische Reliefs.
Diese Unterschiede reichen zwar aus, die drei Gefäße verschiedenen Künst-
lern zuzuschreiben, aber sie lassen keine chronologischen Schlüsse zu. Es scheint
mir unmöglich, sie in eine Entwicklungsreihe zu bringen.
Alle drei Künstler vermögen, jeder mit seinen Mitteln, klar und überzeugend
auszudrücken, was sie wollen, geschlossene Ruhe und einfache wie ganz komplizierte
Bewegung. Gewiß gelingt ihnen nicht alles gleichmäßig, und manche dieser Fehler
sind ihnen gemeinsam. Da ist zunächst die übermäßig schlanke Taille zu nennen,
die gewiß als Rassenschönheit empfunden und daher so stark übertrieben wurde.
Ähnlich wird man die sehr schwach ausgebildeten Glutäen beurteilen. Der Schwierig-
keit, die bei Seitenansicht stark heraustretende Schulter in die Relieffläche zu bannen,
wird dadurch abgeholfen, daß entweder die Schulter zurückgedrängt wird, so daß
der Oberkörper in Vorderansicht erscheint, oder aber sie wird nach vorn gezogen
und verdeckt so gleichzeitig die schwer zu verkürzende Brustpartie.
Aber diese Regeln werden nicht mit derselben Strenge innegehalten wie sonst
in archaischer Kunst, und gerade die Ausnahmen, die wir beobachten können,
zeigen nicht ein mühsames Tasten, sondern volle Frische. Ich erinnere nur an den
wohlbeleibten Vorsänger der Schnittervase oder an den strammstehenden Offizier
des Bechers, dessen Brust anscheinend in Verkürzung dargestellt ist i). Gerade das
beste scheint nicht auf Schultradition zu beruhen, sondern auf lebendiger Be-
obachtung. Dem nach vorn übergestürzten Faustkämpfer des Trichters schwellen
die Adern am Unterarm; bei den Sängern ist der Hals überraschend gut gesehen und
wiedergegeben : man merkt, daß nicht nur der Mund, sondern auch die Kehle tätig ist.
Was diese Künstler interessiert, beobachten sie genau, und dabei haben sie die er-
staunliche Fähigkeit, es auch klar darzustellen. Das spricht für eine eminente künst-
lerische Begabung, macht es aber andererseits schwierig, die Grenzen ihres Könnens
festzustellen.
Nur äußerlich ist der Unterschied der drei Gefäße in der Reliefbehandlung.
Die Tiefe des Reliefs ist verschieden. Am Becher ist es ganz flach, viel höher an
der Schnittervase; am kräftigsten wirkt es am großen Trichter, um so mehr als
hier der starke Unterschied des glatten Hintergrundes und der bewegten Relief-
fläche noch besonders hervorgehoben ist durch ziemlich kräftige Rillen, die die meisten
Figuren umgeben. Man könnte vermuten, daß diese Rillen bestimmt gewesen seien,
dünnes Goldblech zu halten, mit dem dann der Grund oder eher die Figuren über-
zogen gewesen wären. Ein Steatitfragment aus Palaikastro, dem bei der Auffindung
noch etwas Blattgold anhaftete (s. S. 263), hat gelehrt, daß dergleichen vorkam,
und der prächtige Stierkopf aus Knossos *) hatte gewiß, wie sein silbernes Gegen-
stück aus Mykene, eine goldene Schnauze. Die Rillen umziehen jedoch hier nicht
alle Teile der Figuren, z. B. öfters nicht die flatternden Locken, so daß sie sicher
keinen derartigen Zweck gehabt haben.
^) Wenn mich der Abguß nicht täuscht, so ist *) Arch. Jahrb. XXVI 1911, 251 (Karo), abgeb.
die vordere Mittellinie des Oberkörpers wieder- bisher nur im Katalog der Geislinger Metall-
gegeben, neben der ein schmaler Streifen von der warenfabrik Taf. i.
linken Körperhälfte sichtbar ist.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs, 25Q
Die Unterschiede in der Reliefhöhe erklären sich leicht aus der Größe der Ge-
fäße und der Art der Darstellung. Der eigentliche Reliefstil ist bei allen der gleiche.
Nirgends wird durch die Relieferhebung die tektonische Fläche gestört, wie ein durch-
brochener Schleier legt sich das Bildwerk auf den Grund, sich dessen Form unterord-
nend. Es ist ja klar, daß dieser Stil im technischen Verfahren wurzelt: die Gefäße
wurden gedreht und behielten einen Mantel, eine Art Werkzoll, von der Höhe der
Reliefs, wo solche angebracht werden sollten. In ihn hinein wurde dann der Grund
vertieft, so daß die höchsten Erhebungen der Figuren gleichsam die ursprüngliche
Fläche markieren. Wir haben es also mit einem reinen Steinstil zu tun, wie ihn Adolf
Hildebrand fordert, nichts weist auf Nachbildung nach Metallreliefs. Freilich dürfen
wir dabei nicht außer acht lassen, daß es sich um Gefäßschmuck, nicht um freie
Reliefbilder handelt.
Auch für die Komposition macht sich in allen drei Fällen das gleiche Prinzip
geltend. Beim Becher wie beim Trichter, die ja eine nahe verwandte Grundform
haben, war die Betonung der Mantellinien des Kegels hers^orzuheben, während die
Kugelfiäche der Schnittervase eine freiere Anordnung gestattete. Aber auch hier ist
die Form, besonders durch die sich ihr anschmiegenden Geraden der Gabeln, glück-
lich zum Ausdruck gebracht. Dieser gleichartige Anschluß der Komposition an die
Gefäßform ist um so mehr beachtenswert, als wir ja gesehen haben, daß die drei
Gefäße nicht von derselben Hand stammen können.
5, Kretische Steatitfragmente von anderen Fundplätzen.
Zur Ergänzung dessen, was uns die drei Gefäße von Hagia Triada gelehrt haben,
seien hier die wichtigsten Steatitfragmente mit ReHefschmuck von anderen kreti-
schen Fundplätzen zusammengestellt, Sie stammen fast alle aus Knossos, aber meines
Wissens ist keines in fest datierter Schicht gefunden worden.
1. Springender Mann, vom Rücken gesehen. H. und Br. 3,5 cm. Unpub-
liziert; in Abgüssen verbreitet.
Das kleine Fragment stammt von einem kegelförmigen Gefäß, am ehesten
einem Rhyton. Dargestellt ist ein Mann in voller Rückenansicht, u. zw. parallel
zur Krümmung des Gefäßes. Die Oberschenkel sind unmittelbar unter den Glutäen
abgebrochen; der linke Arm ist gebogen, so daß die Hand hinter der Brust verschwin-
det, der rechte war vorgestreckt, er fehlt jetzt wie der Kopf, Man möchte den Mann
als Stierspringer ergänzen. Die Tracht ist ein einfacher Schurz, der zwischen den
Beinen durchgezogen ist. Interessant ist das kleine Bruchstück als wohlgelungene
Rückenansicht, die einzige mir bekannte, von Gemmen und Siegeln ^) abgesehen.
Die Kurve des Rückgrats und die Schulterblätter sind ebenso gut beobachtet, wie die
Muskulatur des Gesäßes; selbst die untere Spitze des Trapezmuskels ist angegeben.
2. Faustkampf. H. 6,6; Br. 4,5. Evans, BSA. VII, 95 Abb. 31. Unsere
Abb. 7 nach dem getönten Abguß.
*) Das eine der Siegel, BSA. IX 56, Abb. 38, noch ans Ende der mittelminoischen Zeit da-
stammt aus den Temple Repositories, ist also tiert.
26o
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
Abb. 7. Faustkampf.
Aus Knossos. Nach getöntem Abguß
Das Bruchstück stammt gleichfalls von einem kegelförmigen Gefäß. Dargestellt
ist ein Jüngling mit Schurz nach rechts in der Positur der siegreichen Faustkämpfer
des großen Rhyton. Sein linker Fuß wird durch
einen Teil (das Knie?) seines gestürzten Gegners
verdeckt.
3. Prozession von Jünglingen. H. 5,1;
Br. 4,6 cm. Evans, BSA. IX, 129 Abb. 85; wieder-
holt z.B. bei Winter, Kunstgesch. in Bildern ^ 91, 2.
Abb. 8 nach dem getönten Abguß.
Das Relief ist, den kleinen Figuren entsprechend,
sehr flach. Erhalten sind zwei Jünglinge mit dem
Schurz, in gleicher Haltung nach links schreitend.
Sie tragen Schalen, die sie feierlich mit weit vorge-
streckten Händen halten; der Oberkörper ist, ge-
wissermaßen als Gegengewicht, weit zurückgebeugt.
Der Kopf umriß des vorderen zeigt, daß das Haar
über dem Wirbel hochgebunden ist, es hängt in den
Nacken herab. Über den Jünglingen werden Teile
von Architektur sichtbar. Vier Schichten von
Quadermauerwerk tragen auf doppelter Plinthe die
Reste von 'horns of consecration'. Vor diesem
Aufbau sind zwei Masten angebracht, der linke
höher als der rechte. Entsprechend sind links nur
am obersten Rande Reste von zwei Quaderschichten zu erkennen, die etwa in der
Höhe der Plinthen des Mittelstücks liegen; ganz rechts deuten Spuren an^), daß
hier das Mauerwerk etwa anderthalb Schichten tiefer
reichte als in der Mitte. So scheint die ganze Architek-
tur nach links in ungleich hohen Stufen anzusteigen;
wie sie zu verstehen ist, läßt der fragmentierte Zustand
nicht mehr erkennen. Indessen sichern die feierliche
Prozession der Jünglinge wie die Altarhörner ihre reli-
giöse Bedeutung.
4. Kultszene. Teil einer zylindrischen Pyxis
aus der Gegend von Knossos. Oxford. Evans, JHSt.
XXI 1901, lOl ff. Abb. 2 ( = Tree and PillarCult 3 ff.),
danach Abb. 9; Savignoni, Mon. Line. XIV 1904, 589
(Abb. 52) mit weiterer Literatur; Thulin, Klio V 1905,
336; Winter, Kunstgesch. in Bildern* 91, i. Kleine
Abbildung nach Photographie Hall, Aeg. Arch.Taf. 15, 3.
Das Fragment, das mir nur aus den Abbildungen
bekannt ist, läßt, unglücklich gebrochen, für die
beiden Figuren keine sichere Deutung zu. Links ein laufender Jüngling im
') Sie sind auf unserer Abbildung neben der beschatteten Bruchfläche eben noch erkennbar.
Abb. 8. Prozession.
Aus Knossos. Nach getöntem Abguß.
K. Müller, Frühmy kenische Reliefs.
261
Schurz, rechts die Reste eines knienden, dessen gerade Haltung des Ober-
körpers wohl dagegen spricht, ihn für einen im leichten Faustkampfe Besiegten
zu halten. Eher ist Savignonis Deutung auf einen Kulttanz annehmbar. Denn daß
wir es mit einer Kultszene zu tun haben, sichert die Darstellung des Altars aus regel-
Abb. 9. Kultszene. Steatitfragment in Oxford.
mäßigen Quadern mit seinen Hörnern. Hinter ihm verlaufen zwei parallele Mauern
aus unregelmäßigen Steinen i), zwischen denen ein Baum steht. Ob mit dieser Anlage
ein geweihter Bezirk mit einem heiligen Baum gemeint ist oder nur die Örtlichkeit,
neben der der Altar steht, angedeutet werden soll, läßt sich nicht entscheiden. Wich-
') Es werden Mäuerchen aus Feldsteinen gemeint
sein, sicher nicht Polygonalmauern, wie Thulin
Jahrbuch des archäolog-ischen Instituts XXX.
glaubt. Von solchen fehlt auch jetzt noch jede
Spur aus mykenischer Zeit.
»9
202 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
k
tiger ist für uns die Frage, wie alle die dargestellten Gegenstände in Beziehung zu-
einander gesetzt sind. Der Altar schwebt scheinbar über der Hand des Knienden,
und Mauern und Baum sind noch höher hinaufgerückt. Aber die Hörner des Altars
überschneiden die vordere Bruchsteinmauer, in die auch der Kopf des Laufenden
hineinragte. Dadurch ist klar ein Hintereinander ausgedrückt. Durch das Hinauf-
rücken der entfernten Objekte wird der an sich indifferente Reliefgrund, von dem
sich die Figuren abheben, zum Boden, auf dem vorn die Jünglinge agieren, und auf
dem Altar, Mauern und Baum stehen. Der Künstler reiht also nicht die Objekte
auf eine Bodenlinie, wie etwa die ältere griechische Vasenmalerei, welche die hori-
zontale Ebene nie darstellt, sondern als Linie auf die Bildfläche projiziert. Hier ist
ein Versuch gemacht, die Tiefendimension wiederzugeben, und
zwar weniger die Tiefenerstreckung der einzelnen Körper, als
vielmehr die des Raumes. Ähnliche Versuche werden uns
mehrfach begegnen; wir finden sie auch auf Gemälden, am ent-
sprechendsten auf dem Miniaturfresko mit den tanzenden
Frauen^); der Tanzplatz wird 'durch Mäucrchen vom dicht-
gefüllten Zuschauerraum abgetrennt.
Abb. lo. Bogenschütz. 5- Bogenschütz. H. und Br. etwa 3 cm. Evans,
Aus Knossos. Nach BSA. VH, 44, danach M. Heinemann, Landschaf tl. Elemente
getöntem Abguß. in d. griech. Kunst bis Polygnot (Diss. Bonn ,1910) 21, Abb. i.
Nach Abguß Abb. 10.
Das kleine Fragment stammt aus einer umfangreichen Darstellung, deren
Wesen leider nicht mehr zu erraten ist. Nicht einmal die Stellung des Bruchstücks
ist ganz klar, Evans läßt den Bogenschützen in schleichender, fast kniender Stellung
vordringen. Aber das Schuppenmuster, das den Hintergrund bildet, läuft dann schräg,
während es normal gerade steht. Es ist nichts anderes als eine auffallend streng stili-
sierte Terrainangabc, über die Rodenwaldt, Tiryns H, 226 ff. eingehend gehandelt
hat. Nur einmal, auf einem knossischen Tonsiegel mit gelagerter (.? ) Frau 2), steht
es schräg, ist aber da auch weniger streng stilisiert. Hier scheint jedoch die von der
rechten Wade des Schützen ausgehende Relictlinie, die zu den Schuppen normal
steht, den unteren Abschluß der Terrainangabe zu bedeuten, etwa wie auf einem der
noch nicht veröffentlichten Reste des Silberrhytons aus dem IV. Schachtgrab (vgl.
unten Kap. 13), wo die Richtung durch die Bäume gesichert ist. Dann wäre das
Bild zu drehen, wie es unsere Abbildung zeigt, und der Schütze würde auf einer
steilen Fläche, einem Abhang oder einer Leiter, stehen — freilich in einem nicht
gerade glücklichem Motiv, das an Assyrisches erinnert 3).
Auffallend und ohne rechte Analogie ist der Typus des Mannes. Sein Gesicht mit
der gebogenen Nase weicht von den kretischen Typen ab und läßt fast an semitische
I) Erwähnt von Evans, BSA. VI 47 u. IX iio; daß mit dem Schuppenmuster auch weicher
die Publikation steht unmittelbar bevor. Boden gemeint sein kann. Vgl. unten S. 323.
^) Candia, Mus. 392. Rodenwaldt, der mich auf 3) Ein besonders drastisches Beispiel bei Brunn,
diesen Abdruck aufmerksam machte, faßt die Kunstgesch. I 79, Abb. 59 (nach Layärd, Monu-
Frau als tanzend auf. Jedenfalls zeigt das Siegel, ments of Niniveh II Taf. 18).
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 263
Züge denken. Er trägt halblanges offenes Haar und einen spitzen Backenbart. Bei-
des ist so in Kreta nicht üblich; das Haar wird hier, wenn es nicht kurz geschoren
ist, in langen Locken getragen, und der Bart kommt, soviel ich sehe, nur an einem
späten und wohl als Karikatur gemeinten Kopfrhyton aus Phaistos als Kinnbart
vor i). Auf dem Festlande erscheint der Backenbart außer an der bekannten Maske
unzweideutig an dem schönen Jaspisring und auf der eingelegten Silberschale *),
Schließlich ist auch die Kleidung nicht der normale Schurz, sondern deutlich eine
kurze Hose. Ich kenne sie aus Kreta nur noch von zwei geflügelten Dämonen auf
Siegeln von Zakro 3), während sie auf den Darstellungen der Schachtgräber die
häufigste Männertracht bildet 4). Das alles gibt dem Fragment eine Sonderstellung
unter den kretischen Steatitreliefs, die wir vorläufig nicht deuten wollen; das Frag-
ment ist ja selbst zu klein, als daß sich entscheiden ließe, ob es aus einer Kampf-
oder einer Jagddarstellung stammt.
Endlich besitzen wir einige Bruchstücke von Tierbildern.
6. Laufender Eber, aus Palaikastro, unpubliziert. H. 6,5 cm. Candia,
Mus. 993. Currelly bei Bosanquet JHSt. XXIV 1904, 320, auch erwähnt von Roden-
waldt, Tiryns II 126 Anm. 2. Abguß.
Das Fragment stammt von einem engen Gefäß. Erhalten ist der Vorderteil
eines nach links laufenden Ebers; der Kopf ist gegen den gedrungenen Hals in einem
scharfen, recht wenig realistischen Bogen abgesetzt, mit radialen Strichen, die natür-
lich die Behaarung andeuten 5). Vom Auge ab ist er verloren. Die vorgestreckten
Vorderbeine mit ihren kleinen Hufen sind dagegen recht gut modelliert. Am Bauche
ist ein Streifen abgesetzt, der dem charakteristischen Bauchstreif der Fresken ent-
spricht. Unter dem Tier läuft, schräg nach links ansteigend, ein plastischer Streif,
der oben in einfachen Wellen, unten in stärker geschwungenen Kurven mit Zacken
begrenzt ist, zweifellos eine Terraindarstellung, die ich nicht zu deuten weiß. — An
diesem Bruchstück haftete bei der Auffindung ein Stück dünnes Goldblech, das seitdem
verloren scheint. Groß dürfte es nicht gewesen sein, und es ist wohl ratsam, die Publi-
kation abzuwarten. Jedenfalls ist es aber nicht berechtigt, deshalb alle Steatitreliefs
») Rendic. Line. 1907 281 (Pernier); Maraghiannis, angegeben. ■ — Vgl. jetzt auch van Hoorn oben
Antiquites Cretoises II Taf. 50. S. 70, der indessen die Hosentracht von der
') Der Ring Tsountas-Manatt, Myc. Age 160, Abb. Schurztracht nicht genügend trennt. Auch er
54, Furtwängler, Gemmen III S. 44, Abb. 20; hält den Bogenschützen für einen Fremdling in
die Schale 'Ecp. dpy. 1888 Taf. 7, Perrot VI 813 Knossos, S. 65 A. 3 u. 70 A. 4.
Abb. 381. 5) Die Art der Stilisierung erinnert einigermaßen
3) JHSt. XXII 1902 Taf. VII 34 u. 36, S. 80 f. an die beiden Löwenrhyta von Knossos und
4) So auf der ersten der beiden unten zu besprechen- Mykene (Karo, Arch. Jahrb. XXVI 1911,255 und
den Silbervasen Abb. 31, auf dem Jagddolch Taf. 9) und ist, da ja das häufige Vorkommen
Perrot VI Taf. 18, 3, dem Goldring Furtwängler, von Wildschweinen in Kreta wie in Griechenland
Gemmen Taf. 2,3 und dem Schieber ebda. 14 außer Frage steht, eine beachtenswerte Bestä-
sowie auf der Gemme ebda. 2, wo der Sieger tigung für die von Karo a. a. O. 257 vertretene
aber einen nicht ganz regulären Schurz trägt. Bei Ansicht, daß die kretischen Künstler auch den
dem Sieger des anderen Schiebers ist nur der Gurt töwen aus eigener Anschauung kannten.
19*
204 ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
ursprünglich vergoldet zu denken^). Dagegen spricht die sorgfältige Ausführung,
das Fehlen von Befestigungsspuren z. B. am Becher von H. Triada, sowie Steatit-
werke mit Einlagen, wie die Sphinx von H. Triada und das Stierrhyton von Knossos.
Wichtiger ist das Bruchstück einer
7. Seelandschaft. Aus Knossos. H. 9,5, Br. 6 cm. Von einem stark ge-
wölbten Gefäß, dessen Schulter in den Hals überging. Unpubliziert. Abguß.
Erhalten ist ein Oktopus zwischen Korallen schwimmend, also eines der belieb-
testen Motive der Vasenmalerei des ersten spätminoischen Stiles 2). Aber die Art
der Wiedergabe setzt alle übrigen Darstellungen in Schatten 3). In flachem Relief
ist das Tier ausgezeichnet gebildet. Aus dem sackartigen und dabei doch durch eine
leichte Mittelsenkung modellierten Körper wachsen die Fangarme in prachtvollen
Kurven empor. Trefflich charakterisierte Saugnäpfe begleiten sie, mit der .Stärke
der Arme abnehmend, bis sie schließlich an ihrem dünnen Ende nur als leichte Kerbung
der Außenkontur erscheinen. Dabei überschneiden sich die Arme kunstvoll: von dem
einen sind nur die Saugnäpfe sichtbar, während der Arm selbst hinter dem benach-
barten verborgen ist; zwei andere schlingen sich, einander parallel, durch die schöne
Spiralkurve eines dritten. Aber noch kühner ist die Überschneidung durch die reich -
gegliederten Korallen, die nicht nur an der Biegung des Gefäßhalses sitzen und dort
die Fangarme überschneiden, sondern ein Zweig geht mitten über das Tier und ver-
deckt mit seinen Verästelungen einen Teil der Fangarme wie des Tieres selbst, ja so
wichtige Partien wie das eine Auge und die meisten Armansätze. Und die Darstellung
verliert dadurch nicht an Klarheit, sie gewinnt sogar an Kraft. Versteckt zwischen
den Korallen lauert das Tier, seine Fangarme spielen in den Fluten, aber das Auge
lugt unheimlich hervor und wird ein Opfer erspähen.
Der Abstand von den Vasenbildern ist recht groß, auch von den beiden besten,
der Flasche von Palaikastro 4) und der Bügelkanne von Gurnia 5). Freilich legte die
einfachere Technik den Vasenmalern gewisse Beschränkungen auf. Die zahlreichen
Fangarme lockten ja zu Überschneidungen, und auch auf den Vasen kommen solche
vor — aber das komplizierte Bild des Steatitfragments wäre, in den Stil jener Firnis-
malerei übertragen, unverständlich. Die Unterschiede gehen indessen weiter. Die
gemalten Tintenfische sind auch in den Formen, die der Maler mit seinen Mitteln
hätte ausdrücken können, viel weniger lebenswahr; man vergleiche den Körper
') Ein Ringstein aus Steatit mit Goldüberzug, Arch. Jahrb. XXVI 1911,269). Wie Stückungen an
den Evans, JHSt. XXI 1901, lOi heranzieht, der Mündung beweisen, war das Gefäß einmal
läßt gewiß keine Schlüsse auf die Gefäße zu. zerbrochen, die untere Hälfte scheint damals
*) In Tonreliefs kommt das Motiv schon in der durch die einer anderen, gleichgroßen Vase er-
3. mittelminoischen Periode vor. Ich kenne setzt worden zu sein: der Steatit ist hier mehr
das Vorhandensein dieser durch ihren Fundort grau, die Darstellung setzt sich nicht genau fort
(Grube im Westhof von Knossos) datierten und die Felsriffe sind viel härter stilisiert als an
Stücke, die sich in Oxford befinden, durch Mit- der oberen Hälfte. Die Arbeit dürfte kretisch
teilung Karos. sein, ist aber gewiß später als die oben behandel-
3) Von ihnen sei hier nur das merkwürdige Spreng- ten Stücke.
gefäß aus Mykene erwähnt ('Ecp. apy^- 1888 4) Maraghiannis, Ant. Cretoises I 35, io.
Taf. 7, i; Perrot VI 927, Abb. 487; vgl. Karo, 5) Boyd-Hawes, Gournia Taf. H.
K. Müller, Frühmy kenische Reliefs. 265
oder die Saugnäpfe. Von den Korallen haben sich auf den Vasen Stücke gelöst und
schwimmen neben frei beweglichen Tieren zwischen den Fangarmen. Man könnte,
angesichts der allgemeinen Entwicklung der spätminoischen Kunst, die Vasen für
später erklären. Indessen kommen gerade sie, neben sehr wenigen anderen, der hohen
Kunst am nächsten. Wir dürfen nicht außer acht lassen, daß die spätminoische
Keramik das Hauptthema der freien Kunst, den Menschen, nicht kennt und von den
Tieren eben nur die des Meeres verwendet. Sie ist nur Handwerk, wenn auch künst-
lerisch sehr hochstehendes; der frei schaffende Künstler scheint sich nie mit ihr be-
faßt zu haben. Daher können wir nur in ganz seltenen Fällen einen Vergleich ziehen
zwischen hoher Kunst und Vasenmalerei. Beide gehen ihre eigenen Wege, die sich
nie wieder so nahe kommen wie in der ersten Blütezeit. Ich zweifle nicht, daß der
Realismus der Vasenbilder dieser Periode nicht aus selbständiger Beobachtung der
Natur stammt, sondern aus der freien Kunst '). Daher wirken die Seedarstellungcn
der Vasen nicht mit so unmittelbarer Frische wie die des Steatitfragmentes. Dieses
macht allerdings den Eindruck eines Augenblicksbildes, trotz aller Sorgfalt in der
Einzelausführung. Die vielen Überschneidungen tragen nicht wenig dazu bei: sie
regen die Phantasie an, das Verdeckte zu dem wirklich Dargestellten zu ergänzen;
sie geben zugleich ein Vorn und Hinten und damit einen Hinweis auf räumliche Tiefe.
Wir sind bei diesen Bruchstücken nicht in der Lage, sie äußerlich zu datieren
wie die Gefäße von Hagia Triada. Indessen werden die meisten der Blütezeit der
kretischen Kunst angehören, da sie stilistisch jenen nahestehen. Einige Züge konnten
wir dort nicht beobachten. Es ist vor allem das Hereinziehen landschaftlicher Ele-
mente bei der Prozession, bei der Altarszene, auch beim Bogenschützen, der ja ein
wenig abseits steht. Daß darin nicht etwa ein Zeichen späterer Entstehung zu sehen
ist, lehrt die Malerei. Dieselbe Auffassung der nach hinten steigenden Bodenfiäche
findet sich schon an den monumentalen Fresken von Hagia Triada, bei der Frau Mon.
Line. XIII Taf. 10 wie bei unpublizierten Fragmenten derselben Gemälde, die eine
blumige Wiese darstellen. Auch die Miniaturfresken, deren eines wir ja mit dem
Oxforder Fragment verglichen haben, wird man mit Rodenwaldt 2) der ersten Periode
der kretischen Wandmalerei zuweisen. Zudem fügt sich die Landschaft vorzüglich
dem Gesamtbilde ein, das wir uns von dieser Reliefkunst machen können. Freilich
ist sie ein Element, das nicht in der Plastik, sondern in der Malerei zu Hause ist.
Aber das Relief ist ja an sich ein Mittelding zwischen Malerei und Plastik, das bald
nach der einen, bald nach der anderen Seite Anschluß suchen kann. Das kretische
Relief muß als malerisch bezeichnet werden, nicht nur wegen der Landschaftsbilder.
Es begnügt sich auch sonst nicht damit, die körperliche Tiefe der Objekte anzudeuten,
sondern strebt nach einer Vertiefung des Raumes. Zu den malerischen Elementen
gehört die Vorliebe, schnell vorübergehende Stellungen und Bewegungen festzuhalten,
*) So auch Rodenwaldt, Tiryns II 197. *) Tiryns II 194.
266
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
wie wir sie auf den Reliefs immer wieder finden. Der Kunstgriff der Vase von Hagia
Triada, durch die übergroße Zahl der Gabeln das Vorwärtsdrängen des Schnitter-
zuges zu verdeutlichen, ist gleichfalls rein malerisch.
Das innige Verhältnis des kretischen Reliefs zur Malerei tritt noch klarer her-
vor in der nicht unbeträchtlichen Zahl farbiger Reliefs.
6. Fayence- und Stuckreliefs.
Eine Anzahl der besten Fayencewerke stammen aus einem geschlossenen
Funde in Knossos, den 'Temple Repositories', und lassen sich durch die mitge-
Abb. II. Wildziege. Fayencerelief aus Knossos.
fundenen Vasen in die dritte mittelminoische Periode datieren; sie gehören also in
den Beginn der Blütezeit.
Von diesem reichen und wichtigen Funde interessieren uns hier vornehmlich
zwei Tiergruppen in ausgeschnittenem Relief, jede in mehreren Exemplaren aus
derselben Form nachweisbar i). Die eine, ziemlich vollständig erhaltene stellt eine
Wildziege mit zwei Jungen dar (Abb. ii). Das Tier steht nach rechts auf felsigem
Grund, die Hinterbeine sind nach rückwärts gespreizt, um das eine Zicklein bequem
zum Euter kommen zu lassen. Das andere steht etwas vor der Mutter und wendet den
Kopf zurück. Die zweite Gruppe zeigt auf ebenem Boden eine Kuh nach links, die
mit zurückgewandtem Kopf das an ihrem Euter saugende Kälbchen leckt. Beide
Gruppen sind überaus frisch beobachtet; vor allem ist die stoßende Bewegung der
') Beide beschrieben BSA. IX 71 f. und in Nach- z. B. Österr. Jahresh. XI 1908, 251 Abb. iii
bildungen verbreitet. Abgebildet bisher nur die (diesen Zink hat uns die Redaktion für unsere
Wildziege, a. a. 0. Taf. III, öfter wiederholt, Abb. 11 freundlich geliehen); Winter, Kunstgesch.
in Bildern ^ 87, 14; Rizzo a. a. 0. I, 124.
K. Müller, FrUhmykenische Reliefs. 207
saugenden Jungen lebendig wiedergegeben. Der glückliche Gesamteindruck wird
kaum gestört durch, einige kleine Zeichenfehler. So ist der Körper der Kuh unver-
hältnismäßig lang, der Kopf der Ziege zu klein. Auch die übermäßig dünnen Hörner,
besonders der Kuh, sind auffallend. Fast will es scheinen, als sei dem Künstler, der
die Form herstellte, die Gestalt der Tiere nicht recht vertraut gewesen und als hätte
ihn nur die Anschauung des liebenswürdigen Vorgangs gereizt, Ungewohntes zu
wagen. Indessen sind trotz des sehr flachen Reliefs alle wesentlichen Formen her-
ausgearbeitet; wenn uns die beiden Gruppen etwas zu weich und verschwommen
erscheinen, so mag dasz. T, an der Herstellungsart liegen — die Reliefs sind ja aus der
Form gepreßt — , wohl noch mehr aber an der Glasur. Sie ist bei der Ziege grünlich,
bei der Kuh gelb, außerdem ist ein warmes Dunkelbraun verwendet. Damit sind bei
der Kuh und ihrem Jungen die Flecken des Fells angegeben, bei der Ziege einzelne
Streifen besonders am Kopfe. Beachtenswert ist eine technische Einzelheit. Der
Grund ist, den äußeren Umrissen der Gruppen folgend, abgeschnitten, während er
sonst stehen gelassen ist. Indessen sind die emporragenden Hörner nicht mit in den
Gesamtumriß hineingezogen, sondern rundplastisch gebildet und angesetzt. Dies
Verfahren spricht gegen die Vermutung von Evans, die Gruppen seien auf farbigem
Stuckgrunde befestigt gewesen; sie werden als selbständige Weihgeschenke verwendet
worden sein, zum Ersatz für rundplastische Tiergruppen ^).
Die sichere Modellierung dieser Gruppen, die zu den Froportionsfehlern in
einem gewissen Gegensatz steht, entspricht nun dem Stile der übrigen Reliefs des
gleichen Depotfundes. Zu ihnen gehören eine Reihe fein beobachteter Blüten und
Pflanzenteile ^), ferner eine Anzahl Seetiere und Korallenrift'e, die Evans versuchs-
weise zu einem Bilde zusammengestellt hat 3). Da die Nautilusschalen rundplastisch
gebildet sind und vor allem die großen Exemplare eine beträchtliche Tiefe haben,
scheint es mir sehr zweifelhaft, ob man die Stücke alle zu einem Ganzen rechnen
darf. Aber eines ist sicher: ein Teil von ihnen, vor allem die Randstücke mit den
Korallen, kann keine selbständige Bedeutung gehabt haben, sondern muß mit an-
deren vereinigt auf irgendeinem Hintergrunde befestigt gewesen sein. Wir kennen
etwas Analoges aus dem fünften Schachtgrabe, die spielenden Delphine auf dem
goldgefaßten Straußenei 4). Hier war freilich der Hintergrund ein anderer. Da man
die fliegenden Fische gewiß zu diesem Reliefbild rechnen muß, wird das Ganze den
köstlichen Friesen von Fhylakopi ähnlich gewesen sein. Nur gab die plastische Form
dem Bilde noch mehr Leben.
Schwieriger zu beurteilen ist ein zweiter Komplex von Fayencereliefs, den
Evans 1902 in einem der Kellerräume unter der 'Olive Press area' gefunden hat 5).
') Gegen Evans' Versuch, die Gruppen aus der R6p. de reliefs II 314 und Winter, Kunstgesch.
ägyptischen Mythologie zu deuten, vgl. v. Bis- in Bildern = 85,9 erwecken den falschen Anschein,
sing, Anteil der ägypt. Kunst am Kunstleben als handle es sich um ein wirklich erhaltenes
der Völker (Festrede der bayr. Akad. 1912) Relief.
67. Keiner Widerlegung bedarf Milanis Deutung 4) Stais, Guide du Musee National, Collection myce-
der Ziegengruppe, Studi e materiali III 32. nienne ^ 70, Nr. 828.
■) BSA. IX 68, Abb. 45. 5) BSA. VIII 14 ff. Für die Fundumstände vgl.
3) BSA. IX 69. Die Abbildungen bei S. Reinach, auch 23 fl.
268 K« Müller, Frtthmykeniscbe Reliefs.
Diese Unterkellerungen gehören zum jüngeren Palast, der Fußboden des älteren
liegt hier 2,40 m tiefer. Das gibt wenigstens einen terminus post quem; mit den in
den benachbarten Kellerräumen gefundenen Stuckreliefs und dem Spiralfresko brau-
chen die Fayencen nicht notwendig gleichzeitig zu sein, da jene sicher aus den Räu-
men darüber herabgestürzt sind und von einer jüngeren Dekoration stammen können,
die möglicherweise erst angelegt wurde, als die Fayencen schon im Keller geborgen
waren. Immerhin berechtigen uns die Fundumstände, soweit sie bis jetzt bekannt
sind, nicht, den Komplex für älter zu halten als die 'Tempil Repositories'.
Zu ihm gehören eine große Anzahl kleiner Häuser und Türme in ausgeschnitte-
nem Reliefe) sowie zwei Gruppen von Relief platten 2). Die eine stellt auf einem
Grund mit erhabenen Punkten Ziegen und Männer mit Stäben oder Lanzen
dar, die andere Krieger auf glattem Hintergrund. Leider sind von allen diesen
Gegenständen nur kleine Bruchstücke erhalten. Evans nimmt an, daß sie den
Schmuck eines hölzernen Kastens bildeten. Dann müßten die verschiedenen
Typen zu verschiedenen Teilen gehören, denn es ist nicht gut möglich, daß ausge-
schnittene Reliefs und solche mit stehen gelassenem, ja besonders verziertem
Hintergrund zu einem Mosaikgemälde vereinigt waren. Die Häuser scheiden also
zunächst aus.
Sie sind merkwürdig genug, besonders, wenn man versucht, sich das Bild einer
Stadt aus ihnen zusammenzusetzen. Jedenfalls kommt man nicht über ein sehr
primitives Ganzes hinaus, auf etwas ganz anderes als man nach den Siegeln von
Zakro (JHSt. XXH 1902, 88 Abb. 29. 30) oder gar der Silbervase des vierten Schacht-
grabes erwarten möchte. Auch hätte man sich wohl kaum die Mühe genommen,
einzelne der winzigen Fensterchen auszuschneiden, wenn die Häuser auf einem festen
Grund angebracht werden sollten. Ich könnte mir eher denken, daß sie einem könig-
lichen Prinzen als Spielzeug gedient hätten 3). Übrigens ist die Verwendung von
Scharlach (bei einigen Fenstern) mir sonst auf mykenischen Fayencen nicht bekannt.
Auch die beiden anderen Reihen zeigen Besonderheiten. Beiden gemeinsam
ist, daß die Darstellung gegen den Grund scharf absetzt, aber die Figuren selbst
sind flach, fast ohne Modellierung. Dadurch unterscheiden sich diese Reliefs aufs
deutlichste von denen der Temple Repositories; wir werden eine ähnliche Relief -
behandlung an den Stelen der Schachtgräber wiederfinden, sonst ist sie dem kreti-
schen Kreise fremd. Dazu kommt bei der einen Gruppe der punktierte Grund, für
den es in Kreta gleichfalls an Analogien fehlt; selbst die Keramik kennt ihn hier nur
bei Nachahmung von Gestein. Die Zeichnung ist nach den kleinen Fragmenten
schwer zu beurteilen, doch scheint sie mir bei den Ziegen, auch wenn man von der
wenig glücklichen Ergänzung des Hauptstückes absieht, nicht recht geschickt. Weder
in der Bildung der Tiere, noch in der der Männer lassen sich charakteristische Züge
erkennen, die sie mit den besprochenen Reliefs verbänden.
Zur zweiten Gruppe, mit glattem Grund, gehören Krieger mit heller Haut-
') BSA. VIII 15 Abb. 8, vgl. 17 Abb. 9. sind Miniaturvasen aus Gold beigegeben (Schlie-
*) BSA. VIII 21 Abb. 10. mann, Myk. Nr. 320 — 322); mit ähnlichen wer-
3) Den im III. Schachtgrab beigesetzten Kindern den sie im Leben gespielt haben.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 260
färbe und Männer einer dunklen Rasse. Da die ersteren in verschiedener Größe vor-
kommen, sind die Stücke gewiß nicht alle zu einem 'Mosaikbild' zu rechnen. Ein
Teil von ihnen aber dürfte zu einer Kampfszene zusammengehören, in der die dunkel-
farbigen Männer als Besiegte dargestellt waren. Sie erscheinen in mannigfaltigen
Bewegungen, einer mit sonderbar gespreizten Beinen, 'froschartig', wie Evans be-
zeichnend sagt. Man würde dies Fragment kaum für kretisch halten, wenn nicht der
Fundort bekannt wäre. In den Kriegern der hellen Rasse sieht Evans Kreter, aber
mir scheint die Form der Schurzes doch nicht bezeichnend genug. Er vergleicht ihn
mit dem der Jünglinge im Prozessionsfresko, wo er jedoch hinten kürzer ist und vorn
in einer Spitze endet ^).
Der Stil dieser beiden Serien von Fayenceplatten steht unbedingt auf einer
wesentlich primitiveren Stufe als der aller besprochenen Reliefs, und man würde
gewiß in ihnen gern eine Vorstufe des entwickelten Naturalismus sehen. Aber wenn
auch die fehlenden Zwischenglieder nur durch Zufall verloren sein könnten, steht
doch die sichere Zugehörigkeit zum jüngeren Palast einer solchen Annahme im Wege.
Da nun überdies keine spezifischen Merkmale diese Reliefplatten mit der kretischen
Kunst verbinden, muß ich es für wahrscheinlich halten, daß sie eingeführt sind,
allerdings weiß ich nicht, woher.
Alle Fayencen sind sparsam in der Verwendung der Farbe. Freilich mögen
die blaugrünen Töne oft verblaßt sein, wie an ägyptischen Fayencen. Das Fehlen
von Rot gibt ihnen etwas Kühles. Es liegt in der Natur des Materials, daß nur kleine
Gegenstände daraus gefertigt wurden, und die Herstellung mittels Formen läßt die
ursprüngliche Frische der Modellierung nicht ungetrübt.
Ganz anders liegt das Verhältnis bei den Stuckreliefs, Wir besitzen deren
eine ganze Anzahl, mit einer Ausnahme alle aus Knossos, Leider sind es durchweg
nur verhältnismäßig kleine Bruchstücke, die alle von etwa lebensgroßen Dar-
stellungen stammen. Aber auch diese Reste sprechen eine deutliche Sprache.
Unter den menschlichen Darstellungen ist am wichtigsten der Jüngling mit
der Federkrone (BSA. VII, 15 ff.). Erhalten ist ein Stück oberer Rand mit dem
oberen Teile des Kopfes, der von einer prächtigen Krone bedeckt ist. Aus dem Kron-
reifen wachsen fünf stilisierte Lilien empor, mit eingerollten Blütenblättern und zu
einem Bogen zusammengefaßten Staubfäden, also nicht von der freien Form, wie
etwa auf der (älteren) Lilienvase (BSA. X, 7), und zwar stehen sie schräg, vier nach
vorn geneigt, die letzte nach hinten, natürlich nur, weil der Künstler die perspekti-
vische Verkürzung nicht angeben und eine Blüte als seitlichen Abschluß doch nicht
entbehren konnte 2). Darüber ragt in der Mitte eine große Lilie empor, aus der drei
prächtige bunte Federn herauswachsen 3). Vom Gesicht ist nur das Ohr,
') Die Tracht dieser Jünglinge kommt, wie Roden- eher eine Tätowierung als ein Schmuckstück,
waldt, Tiryns II 120, Anm. i richtig hervorhebt, das da schwer anzubringen wäre. Auch das ist
sonst nicht vor, so daß sie vielleicht als tribut- in Kreta ohne Analogie.
bringende Fremde angesehen werden können. *) Schrägstehende Lilien, z. B. BSA. VIII 128,
Der Cup-bearer hat vorm Ohr einen sorgfältig Abb. 83.
gemalten blauen Fleck (BSA. VI, 15), wohl 3) Über die Krone vgl. jetzt auch Valentin K. Müller,
Der Polos (Diss. Berlin 191 5) 16.
270 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
gelblich -braun gefärbt, erhalten. Mit diesem Fragment verbindet jetzt Evans
die BSA. VII, 16 erwähnten Bruchstücke eines Mannes, von denen eines dort
in Abb. 6 wiedergegeben ist i). Der Jüngling ist in einfacher Schrittstellung
nach links zu ergänzen; seine Rechte liegt zur Faust geballt auf der Brust,
während die Linke mit irgendeinem Attribut nach hinten gestreckt war. Am
Bein ist gerade noch der hintere Teil des kretischen Schurzes erhalten,
wie ihn die Schnitter oder die Faustkämpfer der Vasen von H. Triada
tragen. Die Modellierung ist im Verhältnis zu der lebensgroßen Figur recht flach,
etwa 5 cm in ihrer größten Erhebung. Dabei ist sie vortrefflich und zart ausgeführt,
am Bein sowohl, wie an Brust und Arm. Die Formgebung stimmt mit dem überein, was
wir an den Steatitgefäßen beobachten können, nur erscheinen mit dem größeren
Maßstab die Vorzüge und auch die Schwächen des Stiles deutlicher. Die Muskeln
wirken auf den ersten Blick überraschend lebendig, und erst bei näherem Zusehen
merkt man, daß der große Brustmuskel nicht ganz richtig sitzt und die Hand mit dem
überlangen Daumen recht flau gebildet ist. Einige Teile des Bildes sind nur durch
die Farbe angegeben, so die Kette aus roten Lilien und der Schurz. Das Bild ist also
ein Mittelding zwischen Relief und Gemälde, und da die mitgefundenen Fragmente
von gemalten Blüten und Schmetterlingen auf glatter Fläche gewiß zugehören, tritt
das Ganze in noch engere Beziehung zur Monumentalmalerei.
Trefflich beobachtet ist die Muskulatur an anderen Fragmenten, vor allem dem
prächtigen Arm mit dem 'Rhyton' (Abb. 12) ^), das offenbar das Hörn eines Stieres
ist, da wir Gefäße dieser geschwungenen Form nicht kennen. Auch biegt der Arm
im Ellbogen um, und wir werden das Fragment als Rest einer Stierspringer -
gruppe ansehen dürfen, obwohl nach Evans' Bericht keine Stücke von Stieren mit-
gefunden zu sein scheinen. Auch hier ist die Hand das schwächste. Eine andere
Hand freilich zeigt auf ihrem Rücken sorgfältig und lebenswahr modelliert das Netz
der Adern (BSA. VII, 88); sie stammt vom selben Fundplatz und wird also doch
wohl zur gleichen Darstellung gehören — wieder ein Zeichen, wie überraschend
diese Künstler beobachten können, was sie interessiert. Von den übrigen Resten
von Männerbildern sei nur noch das sog. 'Jewel Fresco' erwähnt (BSA. VII, 26 f.).
Erhalten sind nur die rot bemalten Finger, die ein Schmuckstück, eine Kette aus
gelben, also goldenen Negerköpfen halten. Diese Kette ist nur gemalt.
Von Frauen in ReHef fand Seager Reste in PseiraS). Eine von ihnen.war sit-
zend dargestellt. Für die Modellierung ergeben die Fragmente kaum etwas Neues,
aber sie zeigen in ihren reichen Gewandmustern wie in dem zierlichen Halsschmuck
genau dieselbe Art der farbigen Ausführung wie die reinen Fresken der ersten spät-
minoischen Zeit.
') Vgl. BSA. X 2. Diese neue Rekonstruktion in Museum III Taf. V; Maraghiannis Ant. Cret.
kleiner Abbildung bei Hall, Ancient Hist. of II 18; Dussaud^ Taf. 5. Die Fragmente müssen
the near East Taf. IV, l. wegen der verschiedenen Gewandmuster auf
-) BSA. VII, 89 Abb. 29. beiden , Ärmeln wenigstens von. zwei Figuren
3) Anthropol. Publication Univ. of Pennsylvania herrühren. Vgl. Rodenwaldt, Tiryns II, 77,
Anm. 2,
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
271
Auch Tierbilder fehlen nicht. Außer Fabelwesen wie stehenden Greifen und
Sphingen (BSA. VIII, 88) sind in Knossos in verschiedenen Räumen Reste von
Stieren gefunden worden, unter denen ein prachtvoller, überlebensgroßer Kopf
hervorragt ^). Das Maul ist geöffnet, die Zunge und die untere Zahnreihe sind sicht-
bar, die Nüstern blähen sich. Aus den Falten der Wamme ergibt sich, daß das
Tier den Kopf gesenkt hatte ^). Bei aller Lebendigkeit sind doch deutliche Züge
bewußter Stilisierung beachtenswert, in der Bildung des aufgerichteten und daher
von außen sichtbaren Ohres, ebenso in der Art, wie die Wamme gefaltet ist. Die
Abb. 12. Stuckrelief aus Knossos.
Farben sind gut erhalten; das rotbraune Fell hat einen weißlichen Fleck an der
Stirne. Außer zugehörigen Fragmenten sind nun mit diesem Stier die Reste eines
zweiten gefunden worden, der ockerfarbig mit roten Flecken bemalt war, dazu
Stücke wenigstens eines Mannes sowie eines Baumes. Es handelt sich also offenbar
hier um ein ganzes Reliefgemälde mit Landschaft, und wir werden an die Becher von
Vaphio erinnert.
Wie schon hervorgehoben werden mußte, ist die Beziehung dieser Stuckreliefs
zur Malerei außerordentlich eng, so eng, daß der Farbe wichtige Teile allein über-
») BSA. VI 52, Abb. 10; Winter, Kunstgesch. in
Bildern* 87,4. Das auf diesen Bildern als Hern
angesetzte Fragment ist, wie Gillieron bemerkt
bat (bei Evans a. a. 0.), der Unterschenkel eines
Mannes und seither entfernt worden. Es fehlt
daher in den verbreiteten Nachbildungen.
2") Darauf, daß diese Stellung, die auch Gillieron
dem Bruchstück gibt, die richtige ist, hat mich
Studniczka hingewiesen.
272 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
lassen blieben, nicht nur kleine Verzierungen, sondern der Schurz des Jünglings
mit der Federkrone und die Negerkette in der Hand des 'JewelFresco'. Wenn man
bedenkt, daß diese Stuckreliefs in Kreta die einzigen monumentalen Reliefbilder
sind — wären große Steinreliefs üblich gewesen, so müßten Spuren davon da sein i) — -
so kommt man auf den Gedanken, daß sie eben aus der Malerei hervorgegangen sind.
Der kretische Maler versteht es nicht zu schattieren. Vielleicht vermag er gelegentlich
durch stärkeres Auftragen der Farbe gewisse Partien abzuheben, so die Füße der
vorderen Männer im Prozessionsfresko oder den Kopf der Katze auf dem Fresko
von H. Triada gegen ihren Hals — aber selbst diese wenigen Beispiele können auf
Zufall beruhen und zeigen im günstigsten Falle nur einen schwachen Versuch 2).
Auch mögen Striche, die das Fell andeuten, so verwendet sein, daß sie an Schraffie-
rung erinnern, z. B. bei den liegenden Greifen des knossischen Thronsaals — eine
wirkliche Angabe der Schatten kannte die kretische Malerei nicht. Und auch eine
zweite Möglichkeit war ihr fremd, die Kunst, in der die rotfigurige Vasenmalerei
so Großes geleistet hat, die Körper durch Innenzeichnung zu modellieren. Es bedarf
einer großen Abstraktion, um die weichen Übergänge von Muskel zu Muskel in harte
Linien umzusetzen. Gerade bei den frühesten Gemälden ist auch die äußere Kontur
nur durch die Grenze der Farben des Objekts und des Grundes gegeben, nicht durch
eine Umrißlinie, die zunächst dort auftritt, wo es gilt, zwei gleichfarbige Objekte
voneinander zu lösen. Nur ganz vereinzelt ist der Versuch gemacht worden, durch spär-
liche Innenzeichnung etwas zu modellieren, am Körper der bis auf den Schurz nackten
Faustkämpferin aus Knossos in Oxford, und ein andermal scheint der gleiche Zweck
durch eine Art von Oberflächenlinien erstrebt zu sein 3). Solche Bemühungen zeigen
deutlich, daß es kretische Maler gab, welche die Flächenhaftigkeit ihrer Werke zu
überwinden suchten. So lag es gewiß nahe, daß ein Künstler sich die plastischen
Eigenschaften des Kalkstuckes, den er naß bemalte, zu Nutzen machte, um seinen
Figuren die natürlich bewegte Oberfläche zu geben, die sein Pinsel allein nicht her-
vorzaubern konnte. Natürlich war diese mühsame Technik kostbar und gewiß auch
nur von hervorragenden Künstlern geübt: schon die Tatsache, daß hier und nur hier
gelegentlich einmal das konventionelle Dunkelrot der Männerkörper einem natür-
licheren Gelbbraun Platz gemacht hat, lehrt uns ihre Selbständigkeit kennen, denn
die Abweichung von der Regel läßt sich beim Jüngling mit der Federkrone doch
schwerlich als Andeutung einer fremden Rasse fassen 4), noch weniger freilich aus
der Technik des Reliefs erklären.
') Mir sind von großen Steinreliefs außer dem II 192 Anm. 2). Aber der Unterschied der Er-
des Löwentores nur die beiden Fragmente von haltung geht doch wohl mindestens auf eine den
Stieren im Britischen Museum bekannt, beide Formen entsprechende Pinselführung zurück,
gleichfalls vom Festland (Perrot VI 646 Abb. 291; 3) Fresko der Frau mit fliegendem Haar (BSA.
823 Abb. 400, ersteres nach Photographie Hall, VIII 55, wo freilich dies Detail fehlt).
Aeg. Archaeol. Taf. 31,2; vgl. Hauser, Arch. Jahrb. 4) Ein Diener oder besser Sklave fremder Abkunft
IX 1894, 54). ist auf dem Fresko der Eberjagd von Tiryns
*) Die angebliche Schattierung am Kopf der Katze gelb gemalt (Tiryns II Taf. XI 6 S. 118). Roden-
beruht auf Farbabsplitterung (Pfuhl, Neue waldt neigt (a. a. 0. 238) dazu, den Prinzen für
Jahrb. 191 1, 528 u. zuletzt Rodenwaldt, Tiryns stamniesfremd zu halten.
K. Müller, Frühmy kenische Reliefs. 273
Dazu kommt noch, daß die Stuckreliefs auf Knossos beschränkt zu sein schei-
nen. Die Frauen von Pseira beweisen nicht, daß es sich um eine allgemein verbreitete
Technik handelt, vielmehr bezeugen sie die nahe Verbindung des Inselchens mit
Knossos, wie Seager richtig hervorhebt. Denn selbst in Phaistos und H. Triada
scheint diese Art des Wandschmucks nicht vorzukommen; offenbar hat ein knossi-
scher Künstler die Reliefs in Pseira ausgeführt.
Andererseits sind nun aber in Knossos die Fragmente in den verschiedensten
Teilen des Palastes zutage gekommen, beim Nordeingang, wie in einem der Räume
südlich des großen Hofes, besonders aber in verschiedenen Räumen des wichtigen
östlichen Hauptteiles. Sie gehören alle zum jüngeren Palast, und da sie stilistisch
eng zusammenhängen, wird man sie auch zeitlich nicht weit voneinander abrücken.
Wäre die Technik lange üblich gewesen, so würde sie gewiß auch an anderen Orten,
besonders in Phaistos und H. Triada zu finden sein. So liegt es nahe, die Dekoration
mit farbigen Stuckreliefs, die sich über eine ganze Reihe besonders prächtiger Räume
des Palastes erstreckte, einer relativ kurzen Periode der Blütezeit zuzuschreiben.
Rodenwaldt vergleicht diese Reliefs mit Recht den Fresken von H. Triada (Tiryns
n, 195); sie gehören demnach in die letzte mittelminoische Zeit und an den Anfang
der nächsten Periode. Daß gelegentlich Palaststilvasen mitgefunden sind (ESA.
Vni, 42), spricht natürlich nicht gegen den frühen Ansatz: das zerbrechliche Ton-
geschirr wechselt rascher als die sorgfältige Wandverkleidung. So werden wir wieder
in dieselbe Periode der höchsten Kunstblüte geführt, der wir schon die Steatitvasen
zuzuweisen hatten ').
7. Vorstufen.
Die bisher betrachteten Gruppen gehören einer einheitlichen Stilstufe an,
der Blütezeit der kretisch-mykenischen Kunst. Weder aus den Fundumständen,
die, soweit sie überhaupt etwas ergeben, in die letzte mittelminoische und erste spät-
minoische Zeit weisen, noch aus stilistischen Kriterien läßt sich eine Entwicklung
ableiten. Es fragt sich nun, wie der Stil, den wir auf den verschiedenen Arten des
Reliefs beobachtet haben, entstanden ist.
In allen älteren Schichten fehlen eigentliche Reliefs so gut wie vollständig,
und zwar nicht nur figürliche. Mir ist nur ein dünnwandiger Becher der Kamares-
technik aus Phaistos (Candia, Mus. Nr. 5797) bekannt, dessen untere Hälfte plastisch
ausgeführte Muscheln zieren, während nahe dem Rand Ornamente wie auf der Tasse
Rendic. dei Lincei XVI 1907, 294 Abb. 9 b in Rot und Weiß auf den Firnisgrund
gemalt sind. Daß gelegentlich auf einer Vase gleichen Stiles eingepreßte Spiralen
vorkommen, hilft uns nicht, den Ursprung des starken Naturalismus zu erklären,
der die Folgezeit beherrscht. Wir müssen uns also in den Nachbargebieten umsehen.
Dem ReHef am nächsten steht die Glyptik. Auch ihr Stil ist in der
») Rodenwaldt hat, wie er mir freundlich mitteilt, Gewandes darauf erhalten. Nach dem Gesagten
unter den in Nauplia magazinierten Fragmenten wird man es knossischem Einfluß zuschreiben,
aus Mykene ein kleines Bruchstück eines Stuck- wie die Reste aus Pseira, und es in frühmyke-
reliefs gefunden; vielleicht sei der Rest eines nische Zeit datieren dürfen.
274 ^* ^ö^^^''» Frühmykenische Reliefs.
dritten mittelminoischen Periode voll entwickelt und steht auf derselben Stufe wie
der der Reliefs. Zu den Temple Repositories gehören außer den besprochenen Fayen-
cen eine ganze Reihe von Siegeln, von denen Evans die wichtigsten BSA. IX, 54 ff.
kurz behandelt. Wir finden da neben rein mittelminoischen Elementen (a. a, O.
Abb. 28) nicht nur Tierbilder, besonders solche aus dem Leben des Meeres, sondern
auch eine Boxerszene, die im Stil vollkommen den Steatitgefäßen entspricht (a. a. O.
Abb. 35). Nicht minder lebendig ist der Kampf eines Bootsmannes mit einem See-
ungeheuer ^). Ja, einer der Steinschneider hat sogar eine reine Landschaft — drei
entlaubte Bäume — dargestellt (a. a. O. Abb. 31).
Die Vorgeschichte dieses malerischen Naturalismus läßt sich nun an den ziem-
lich zahlreichen Beispielen der Glyptik annähernd verfolgen 2). Unter den Petschaften
der frühminoischen Periode aus Bein und weichem Stein erscheinen neben den häu-
figeren Ornamenten Tierbilder von 'primitiv frischem Realismus' (Karo), oft mit
Blättern daneben 3), ja auf dem schönsten Beispiel, dem Elfenbeinwürfel aus der
Tholos von H. Triada 4), machen die Tiere — Eber, Schaf und Wildziege ■ — einen
ganz bildmäßigen Eindruck, besonders die letztere, die von Zweigen umgeben und
damit gleichsam in eine Landschaft gesetzt ist. Aus der ganzen ersten Hälfte der
mittelminoischen Zeit haben wir kein entsprechendes Beispiel. Das ist schwerlich
Zufall. Wenn man die durch den Charakter der Schriftzeichen in diese Periode ge-
wiesenen Siegelsteine durchsieht 5), so gibt es wohl Tier- und jetzt auch Menschen-
bilder, aber von jener Frische ist nichts mehr zu spüren. Besonders die Menschen
sind z. T. von geradezu überraschender Roheit; oft macht sich ein starres Wappen -
Schema geltend. Es mag sein, daß die Verwendung einzelner Objekte als Schrift-
zeichen das Gefühl für das Lebendige zurückgedrängt hat. Auch in den gelungensten
Fällen geht das Streben des Steinschneiders nicht über möglichste Deutlichkeit
hinaus und das Bild bleibt Symbol, so in dem schönen Karneol mit der sitzenden
Katze, den Evans mit gutem Grund der Blütezeit des Kamaresstils zuweist ^). Erst
ganz am Ende dieser Zeit tauchen wieder Spuren bildmäßiger Auffassung auf. Cha-
rakteristisch scheint mir ein schönes Petschaft, dessen ungeschickte Darstellung —
zwei Wildziegen auf einem Berg — • in merkwürdigem Gegensatze zu der sehr ele-
ganten Form des Gerätes steht 7). Auch auf dem Siegelstein, Scripta Minoa I, Taf. II
P. 41, erscheint das noch recht primitive Bild — eine Wildziege vom Hunde gejagt
— als etwas Fremdartiges, Neues.
I) BSA. IX 58 Abb. 36, vgl. Studniczka, AM. XXXI (•) Scripta Minoa I 153 und Taf. II P. 23, 270 f.
1906, 50. Offenbar später ist der treffliche Kopf eines
^) Zum folgenden vgl. Karo, AM. XXXV 1910, 178 ff. Wolfes, a. a. O. P. 40, der ganz gleich als Schrift-
3) Mem. Ist. Lombardo XXI 1905 Taf. 10 und 11 zeichen vorkommt (a. a. 0. P. 24 a) und auch
(aus der Tholos von H. Triada); auch das noch von Evans S. 140 als solches aufgefaßt wird,
unveröffentlichte Adlersiegel von Kumasa ge- 7) JHSt. XVII 1897, 344 = Scripta Minoa I 141
hört hierher. Über diese Gruppe von Siegeln Abb. 87. Das Petschaft ist seiner Form nach
vgl. zuletzt Seager, Mochlos 108. jünger als das ebda. Abb. 89 wiedergegebene,
4) Mosso, Escursioni 194 Abb. 104 a — d. das in einer Schicht der zweiten mittelmino-
5) Gute Beispiele bei Evans, Scripta Minoa I ischen Periode gefunden ist. - — Ein weiteres
Taf. II und S. 130 ff., andere 'E^p. dcp/. 1907 Beispiel des wiedererwachenden Naturalismus
Taf. 6, 9 ff. (Xanthudidis). ist der Abdruck BSA. IX 20 Abb. 9.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 27S
Besonders deutliche Beispiele bieten die Siegel des 'Hieroglyphic Deposit',
die in die erste Periode des neuen Palastes gehören (Evans, Scripta I, 144), aber
mehrfach etwas altertümlicher scheinen als die Funde aus den Temple Repositories.
Diesen ganz gleichartig ist das schöne Scebild: ein Raubfisch fängt zwischen
Korallenriffen einen Oktopus (a. a. O. 22 Abb. 11 b). Das Nebeneinander von Altem
und Neuem zeigt besonders klar ein großes Tonsiegel mit mehreren Abdrücken,
darunter einem Ornament in der Art des Kamaresstils, aber auch laufendem Wild,
das von einem Hund angefallen wird; die Landschaft ist durch einen Baum angedeutet
(a. a. O. 22 Abb. 11 a). Aber es fehlt in diesem Funde auch nicht an Übergangs-
stücken. Für ein solches halte ich die bekannte Darstellung eines langhornigen Schafes
mit einem Menschen darunter, die mit der Sage von Zeus und der Ziege Amaltheia
in Zusammenhang gebracht worden ist ^). Die Arbeit ist sorgfältig, besonders das
Schaf ist gut gebildet; der kleine hockende Mensch läßt schwerer ein Urteil zu. Da-
gegen ist seine Beziehung zu dem Tier überhaupt nicht ausgedrückt. Wie zwei Schrift-
zeichen stehen die beiden Bilder übereinander. Und wenn man beachtet, daß über
dem Schaf noch ein weiterer Gegenstand dargestellt ist, eine Art Stab, der in einer
schwellenden, gerieften Spitze endet, so will es mir scheinen, als dürfe man über-
haupt nach keinem bildlichen Zusammenhang suchen: es sind wirklich Schriftzei-
chen 2). Dabei ist es aber wichtig, daß die Darstellungen hier nicht, wie sonst in den
kretischen Hieroglyphen, schematisch angedeutet, sondern wirklich wie kleine Bilder
ausgeführt sind, und das ist zweifellos ein Einfluß der neuen naturalistischen Kunst,
Anders zu beurteilen sind einige Siegel mit Köpfen, offenbar Porträts, wie
Evans annimmt. Sie stammen gleichfalls aus dem 'Hieroglyphic Deposit'. Das
Köpfchen eines Knaben im Profil nach rechts ist nicht gut abgedrückt 3). Das Ge-
sicht ist voll, das kurze Haar reicht, wie die photographische Abbildung erkennen
läßt, bis unmittelbar über das runde Auge, vorm Ohr tritt es deutlich herab. Den
gleichen Haaransatz finden wir wieder auf einem zweiten Porträt, dem eines bartlosen
Mannes, gleichfalls nach rechts 4). Indessen ist das Haar hier halblang und eigentümlich
stilisiert. Nach dem Umriß des Kopfes. würde man auf stark gewellte Locken schließen,
aber die Innenzeichnung läuft in parallelen Linien, wie wenn das Haar glatt nach
hinten gestrichen wäre. Im Nacken rollt es sich zu einer kleinen Volute auf. Diese
Stilisierung w eicht von allen anderen Darstellungen ab. Sie erweist sich als wirklicher
Archaismus durch die Sorgfalt, mit der der Stein geschnitten war. Das Gesicht ist mit
größter Liebe, wenn auch ohne rechte Frische und nicht immer mit vollem Verständ-
nis für den Knochenbau durchmodelliert. Gegenüber dem Kinderköpfchen ist alles
*) JH.St. XXI 1901, 129 Abb. 17, oft wiederholt lieh finden sich auch andere Zeichen nur verein-
z. B. BSA. IX 88 Abb. 60; nach Photographie zeit (z. B. Nr. 66, 76, 81, 82 von Evans' Liste).
Evans, Scripta Minoa I Taf. IV B, B. Für den gegitterten Hintergrund ist das Pet-
^) Als solches kommt der Mann ganz ähnlich vor schalt a. a. O. 140 Abb. 85 zu vergleichen.
(Evans a. a. O. I 181 Nr. 2a), das erste Zeichen 3) Evans, Scripta Minoa I Taf. IV B, A; 272
ist wohl nur eine Abart der 'Lanze' (a. a. O. Abb. 125.
186 Nr. 14), vom Schafe ist sonst allerdings nur 4) Scripta I 272 Abb. 124. Beide Siegel wiederholt
der Kopf belegt (a. a. O. 207 Nr. 67), aber frei- bei Rizzo a. a. ö. 143 Abb. 72.
275 ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
klarer und schärfer ^). Wir haben also zweifellos wieder Übergangsstücke vor uns 2).
Nun lassen sich Porträts innerhalb des kretisch -mykenischen Kulturkreises — in
beachtenswertem Gegensatz zu ägyptischer Kunst — nur noch in einem Falle nach-
weisen, in den goldenen Masken der Schachtgräber. Warum sich ihre festländischen
Verfertiger an die Züge der Toten gehalten haben, soweit sie es vermochten, ist ja
ohne weiteres klar. Aber auch für das Siegel hat das Porträt eine besondere Bedeu-
tung: der Kopf des Siegelnden ist in viel höherem Sinne sein Abzeichen als die Emble-
me, die vorher üblich waren. Seine Wahl spricht die naturalistische Strömung der
Zeit deutlich aus, aber die Ausführung, besonders des Haares, zeigt ebenso klar,
daß der keineswegs ungeschickte Gemmenschneider nicht an realistische Wieder-
gabe des Gesehenen gewohnt war.
Diese Betrachtung zeigt also, daß der malerische Naturalismus offenbar erst
mit dem Beginn der großen Blütezeit einsetzt und sich rasch das Feld erobert hat.
Sie steht damit im Gegensatz zu der verbreiteten Meinung, welche diese Richtung,
anknüpfend an jene Ansätze der Frühzeit, sich in gleichmäßig aufsteigender Linie
entwickeln läßt und neben der technisch wie künstlerisch so hochstehenden Kera-
mik der 2. mittelminoischen Periode auch hervorragende Werke der höheren Kunst
annehmen möchte, die nur alle verloren seien. Solche mag es wohl gegeben haben,
nur dürften ihre Vorzüge auf anderem Gebiet gelegen haben. Die Frage ist wichtig
genug, daß es sich lohnt, einen Blick auf Plastik und Malerei zu werfen.
Auch in der Kleinplastik hat die frühminoische Zeit neben ganz rohen Ge-
bilden Arbeiten von überraschender Frische hervorgebracht. Ich erinnere an den
behaglich hingestreckten Hund auf einem Steindeckel aus Mochlos, oder an die Stiere
aus Kumasa und Porti, an denen Menschen herumklettern, offenbar primitive Ver-
suche, die Vorgänge des Stierspiels plastisch festzuhalten. Die Einzelformen sind
freilich recht unvollkommen 3).
Aus dem Anfang der mittelminoischen Zeit stammen die Tonstatuetten von
zwei Männern und einer Frau aus Chamaizi; die meist kleineren Terrakotten aus
Petsofa sind vorgeschrittener und wohl auch etwas später 4). Die Männer stehen mit
geschlossenen Füßen, die Hände meist betend zur Brusthöhe erhoben; bei den Frauen
sind die Füße nicht angegeben, ihr weiter, noch nicht mit Volants verzierter Rock
bietet zugleich eine geeignete Standfläche. Bei den meisten Figuren ist, so primitiv
sie im übrigen sind, auf gewisse Einzelheiten Sorgfalt verwendet; z. B. sind bei den
Männern von Chamaizi die Brustwarzen plastisch angegeben, bei den Statuetten
von Petsofa die Kleidung teilweise in Ton, teilweise in Farben ausgeführt. Es ist
') Den Vergleich mit den Köpfen der Steatit- 3) Seager, Mochlos 21 Abb. 5; Maraghiannis, Anti-
gefäße wage ich nicht zu ziehen, da die auffallende quites Cret. II 4, 8; Dussaud ^ 38 Abb. 20. Kuma-
Härte der Züge wie der abweichende Gesichts- sa: vorläufig nur der Kopf bei Mosso, Escursioni
typus gewiß zum großen Teil auf Rechnung 184 Abb. 95, danach AM. 34, 1909, 92 Abb. 11,
des Porträts zu setzen ist. vgl. S. 93 Nr. 18, 19 (A. Reichel). Porti: unver-
*) Genau denselben Stil zeigt ein dritter, leider öflentlicht, vgl. Karo, Arch. Jahrb. XXVI 191 1, 262.
schlecht gelungener Siegelabdruck desselben 4) Chamaizi: 'E9. rfp^^. 1906, 135 ff. (Xanthudidis);
Depots (Candia, Museum; unpubliziert). Maraghiannis II 34, 5 — 7. Petsofa: BS.A. IX
361 ff. (Myres); Maraghiannis I 33.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 277
klar, daß Deutlichkeit erstrebt ist. Unter den Funden von Petsofa lehren das auch
die Tierfigürchen, vor allem aber das Fragment eines großen Kopfes, den Myres
gewiß mit Recht für gleichzeitig hält ^). Die einzelnen Teile des Gesichts waren in
richtiges Verhältnis zueinander gesetzt, die Nase und die mandelförmigen Augen
mit ihren Lidern sorgfältig modelliert; lebendig wirkt er freilich darum doch nicht.
Die Terrakotten von Petsofa stammen nun sicher aus einem Heiligtum, was
man für die von Chamaizi mit Xanthudidis gleichfalls annehmen darf 2). Die Ver-
mutung liegt auf der Hand, daß sie aus dem Bedürfnis des Kultes geschaffen sind:
man will die dargestellten Objekte im Bilde weihen und gibt sie zu diesem Zwecke
möglichst deutlich wieder. Das läßt sich mit den symbolischen Darstellungen mittel-
minoischer Siegel vergleichen, die ebensowenig rein künstlerischem Drange ihr Dasein
verdanken 3).
Interessant ist es nun, daß wir die Weiterentwicklung in der dritten mittel-
minoischen Periode, zunächst für die stehende Frau, wieder an Funden aus einem
Heiligtum verfolgen können, den Temple Repositones. Man darf nicht vergessen,
daß wir in den Fayencefiguren gewiß viel kostbarere Werke vor uns haben. Das
gilt erst recht von der schönen Schlangengöttin in Boston, die aus Elfenbein geschnitzt
und reichlich mit Goldauflagen verziert war, sich aber dabei im Typus durchaus
den Fayencestatuetten anschließt 4). Die Bildung des Gesichts, wie überhaupt des
Nackten, ist sehr viel weiter fortgeschritten, aber noch immer ist unter dem nun
reich geschmückten Rock nichts von den Beinen zu spüren, ja auch die Füße sind
nicht angedeutet. Das ist ein archaischer Zug, der sich nicht verkennen läßt, zumal
wenn man die meist bronzenen Frauenfiguren 5) vergleicht, die vielleicht z. T. gleich-
') BSA. IX Taf. XII, 34 vgl. S. 375. Von einem von Schalen aus Palaikastro mit Tieren im In-
zugehörigen Körper ist nichts gefunden, vielleicht nern der Höhlung, die in ganz frühmittelminoische
hat gar keiner existiert. Zeit gesetzt werden (BSA. IX 301). Das Haupt-
*) Auf ähnliche Figuren aus Knossos (in Oxford) stück stellt eine ganze Herde winziger Stiere
und vom Juktas (vgl. Karo, Arch. Anz. 1910, mit ihrem Hirten dar (BSA. VIII 294) und ist
150), also wieder aus einem Heiligtum, macht ein vereinzelter Fund. Der Zweck der sonder-
mich Karo aufmerksam. Ein ähnlicher baren Gefäße ist nicht klar; man könnte sie
Komplex ist neuerdings aus Piskokephalo als Ausläufer frühminoischer Tendenz auffassen,
bei Sitia in das Museum von Candia gelangt Doch wage ich sie für allgemeine Schlüsse nicht
(Valentin K. Müller, Der Polos, Diss. Berlin zu verwenden, zumal es sich um eine-ganz lokale
191 5 S. 12, mit Angaben Rodenwaldts). Nur Gruppe des äußersten Ostens der Insel handelt,
scheint er sich über einen größeren Zeitraum 4) Museum of Fine Arts Bulletin XII 1914 Nr. 73
zu erstrecken und führt mindestens in dem bis- (L. D. C[askey]), mit Abbildungen S. 52 f. Die
her allein abgebildeten Köpfchen (a. a. 0. Taf. i, Veröffentlichung im Amer. Journ. of Arch. 1915
1 — 3) schon ans Ende der mittelminoischen Zeit, ist mir noch unzugänglich.
wenn nicht darüber hinaus. Ist auch das Ge- 5) Vgl. Furtwängler, Sitz.-Ber. bayer. Ak. 1899
sieht arg verwaschen, so zeigt doch die ganze 559 fl. (= Kl. Schriften II 453), wo die bis
Anlage und vor allem die weiche, lockere Behand- dahin bekannten Männer- und Frauenfiguren
lung des hochgetürmten Haares einen großen gesammelt sind. Die dort neu publizierte Sta-
Fortschritt gerade auch gegenüber dem nach Stil tuette aus Smyrna stellt einen Jüngling, keine
wie Fundort durchaus mittelminoischen Köpf- Frau dar. Dazu sind gekommen bes. zwei
chen von Tylissos, das V. Müller wegen der gleichen Bronzen aus H. Triada (Maraghiannis I 26,
Frisur heranzieht ('Ecp. äp^- 1912, 229 Abb. 37, 1). 2-3). Vgl. die guten Abbildungen der Berliner
3) Hinweisen möchte ich hier auf eine kleine Gruppe Statuette oben Beilage zu S. 67.
Jahrbuch des archäolognschen Instituts XXX. 20
278 ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
zeitig sind, vorwiegend wohl der unmittelbar folgenden Zeit angehören. Hier ist auf
einmal Leben in die Gestalten gekommen, die Steifheit der Körperhaltung ist ge-
schwunden, die Arme bewegen sich frei, und unter dem weiten Volantrock läßt der
Künstler gern die Beine deutlich werden, obwohl die Füße auch hier nicht ange-
geben sind.
Die Männerstatuetten i) dieser Zeit sind etwas weniger bewegt, dafür ist aber
oft ihre Muskulatur vortrefflich durchgeführt. Beispiele wie die von Hatzidakis in
Tylissos gefundene Bronze, die mit dem Palast in die erste spätminoische Zeit datiert ist,
oder die Bronze in Leiden zeigen deutlich die lebendige Haltung, mit stark durch-
gedrücktem Kreuz, an der ersteren ist die energische Bewegung der Arme charakte-
ristisch, die trotzdem zweifellos ein Gestus des Gebets ist. Später ist die Bleistatuette
aus Kampos *) in Athen, die wegen der viel besseren Erhaltung der Oberfläche hier
genannt sein mag, obwohl ihr kretischer Ursprung keineswegs sicher steht. Die Haltung
ist viel ruhiger, es fehlt ihr der momentane Ruck der Figur von Tylissos; auch die
quergerillten Locken statt des freiwallenden Haares zeigen, daß die höchste Blüte
der Kunst bereits vorüber war. Dafür ist aber die Bildung des Kopfes und der Extre-
mitäten, besonders der Arme, überraschend gut. Die Hände sind in Kinn- und Hals-
grubenhöhe gehalten; ihre Stellung wie das Fehlen einer Ansatzspur am Munde
schließt den Gedanken Furtwänglers an einen Flötenspieler aus 3) ; vielmehr wird
die Gebärde auch hier als Anbetung zu deuten sein.
Alle diese Figuren stehen in mehr oder weniger enger Beziehung zum Kult;
sie gehören daher in eine Reihe mit den besprochenen Terrakotten von Petsofa und
anderen Orten. Die Fayencefiguren der Temple Repositories und die Bostoner Sta-
tuette sind wichtige Übergangsstücke, weil sie wenigstens das alte Grundschema
festhalten, während in der Formgebung bereits der Naturalismus herrscht. Wenn er
noch nicht völlig durchgedrungen ist, so liegt das gewiß wieder daran, daß er eine
neue Strömung ist und die Hindernisse der religiösen Tradition noch nicht über-
wunden hat. Die ganze Reihe ist zugleich wichtig als neuer Beweis für die Konti-
nuität der kretischen Kultur, die seinerzeit Mackenzie aus gewissen Zügen der Kera-
mik erschlossen und zuletzt Evans 4) betont hat. Eine ähnliche Reihe läßt sich auch
unter den Stierbildern nachweisen, die ja zweifellos auch mit dem Kult in Zusammen-
hang stehen 5).
Überall tritt also in der letzten mittelminoischen Zeit ein starker Fortschritt
ein, ein Erfassen des Lebendigen und eine begeisterte Freude, es darzustellen. In
■) S. vorige Anm. Später gefundene Figuren: mitgefundene Frauenstatuette Nr. 3302 publi-
Maraghiannis I 26, i, (aus H. Triada); Boyd- ziert ist.
Hawes, GourniaTaf. XI 21 ; die Bronze ausTylissos 3) Ein kleiner Flötenspieler aus Ton in der Art der
'Ecp. dp](. 1912,223 Taf. 17 (Dussaud» 58 Abb. 37, festländischen Terrakotta-Idole ist inTiryns ge-
Ausonia VIII 1913, 79 Abb. 4) und die Leide- funden worden.
ner Bronze, Taf. i dieses Bandes, die van Hoorn 4) JHSt. XXXII 1912, 277 ff.
oben S. 65 ff. besprochen hat. 5) Vgl. Karo, Arch. Jahrb. XXVI 191 1 bes. 262 ff.
*) Tsountas-Manatt, Myc. age Taf. 17. Vgl. Furt- Die S. 263 erwähnten 'steif stilisierten Stücke'
wängler a. a. 0., mit weiterer Literatur, und scheinen mir nach der Art der Bemalung später
Stais, Coli, myc* S. 157 f. Nr. 3301, wo auch die zu sein als die realistisch modellierten.
K. Müller, FrUhmykenische Reliefs. 270
frischer Beobachtung vermag die kretische Kunst dieser Blütezeit sogar, was der
Kunst vorher und noch fast ein Jahrtausend nachher versagt war, sie vermag das
Gesetz der Frontahtät bis zu einem gewissen Grade zu durchbrechen. Deutlicher
noch als die Statuetten, an denen das schon Furtwängler gesehen hat^), zeigt diesen
Zug ein Elfenbeinfigürchen aus Palaikastro, das zu den besten Werken der kretischen
Kleinkunst gehört 2), Es stellt ein nacktes am Boden hockendes Knäblein dar. Das
rechte Bein ist im Knie gebogen und aufgestemmt, das linke wendet auf der Außen-
seite liegend die Sohle dem rechten Fuß zu. Der Oberkörper mit dem kahlen Kopf 3)
ist stark vorgebeugt; die Arme sind über dem Ellbogen abgebrochen, so daß ihre
Bewegung unklar bleibt, doch war wohl auch sie nicht symmetrisch, da der linke
Arm mehr nach der Körpermitte geführt scheint als der rechte.
Diese Statuette und eine zweite, gleich vorzügliche, die einen stehenden Knaben
wiedergibt und mit ihr in Palaikastro gefunden ist 4), läßt sich nicht mit Sicherheit
in Beziehung zum Kult setzen. Im übrigen scheint es, als seien kultliche Bedürf-
nisse auch in der Blütezeit der Hauptanlaß für die kretischen Künstler gewesen,
sich mit Rundplastik zu befassen. Zweifellos bot sie nicht den adäquaten Ausdruck
ihres künstlerischen WoUens. Das erklärt einerseits die relative Seltenheit rund-
plastischer Werke, besonders sorgfältig ausgeführter, sowie das Fehlen großer Statuen.
Andererseits aber macht es allein eine Erscheinung verständlich, die sonst ein rät-
selhafter Anachronismus bleiben würde, und die mir doch typisch scheint für die
besondere Richtung des kretischen Naturalismus der Blütezeit. Sie tritt uns voll-
kommen klar entgegen in einer Gruppe von Elfenbeinwerken, die Evans in Knossos
gefunden hat 5). Unter den Bruchstücken befinden sich einige Köpfe von Jünglingen,
deren Haar aus vergoldetem Bronzedraht gebildet war. Eine dieser Bronzelocken
ist noch an ihrem Platze, im übrigen sind nur die Einsatzlöcher erhalten. Entsprechend
ist auch bei einem Köpfchen, gleichfalls von Elfenbein, aus Palaikastro ^) das Haar
aus anderem Material angefügt gewesen, hier freilich als Ganzes, und auch die Augen-
sterne waren hier eingesetzt. Auch die mehrfach erwähnte goldgezierte Elfenbein-
statuette in Boston hatte eingesetzte Stirnlocken. Einzelne Bruchstücke lassen sogar
die Vermutung zu, daß es Statuetten gegeben hat, an denen nur die nackten Teile
aus Elfenbein bestanden 7). In alledem liegt nicht nur ein starkes Streben nach
Polychromie, sondern ein Versuch, der Natur so nahe zu kommen wie irgend mög-
lich. Dem Künstler schien ein Material allein selbst mit Hilfe der Farbe nicht zu ge-
nügen, um die Verschiedenheiten der Stoffe zu charakterisieren, die er wiedergeben
wollte. Damit war er bereits an die Grenzen der plastischen Ausdrucksmöglichkeit
gekommen.
') a. a. 0. (oben S. 277 Anm. 5) 564. 4) Elfenbein. H. noch 9 cm. Erwähnt BSA. X 215.
2) Bisher leider nur kurz erwähnt BSA. X 215. 5) BSA. VIII 72 ff.
H. 4,5 cm. Die Statuette ist auch auf der Unter- 6) BSA. IX 279 Abb. i.
Seite ausgeführt; zwei Löcher in den Glutäen 7) Vielleicht gehört hierher der Elfenbeinarm, den
dienten zur Befestigung auf einer Basis. Evans BSA. VIII 74 abbildet und dessen mei-
3) Vermutlich waren anliegende Haare durch Be- sterhafte anatomische Bildung hervorgehoben
malung angedeutet. sei.
20*
28o K- Müller, Frühmykenische Reliefs,
Er geht noch einen Schritt weiter: zu demselben knossischen Funde gehört als
einzige fast ganz erhaltene Figur der bekannte Stierspringer. Der schlanke und doch
kräftige Jüngling schwebt frei in der Luft, den Körper schräg nach unten; die Fuß-
spitzen bilden den höchsten Funkt. Die Arme sind senkrecht herabgestreckt, der
Kopf sehr stark in den Nacken gebogen, so daß das Auge nach vorn blicken kann ^).
Die Figur muß irgendwie mit einem als Gürtel gebildeten Band aufgehängt gewesen
sein. Damit ist das Gebiet der eigentlichen Plastik verlassen. Evans vergleicht die
Eroten griechischer Ohrgehänge, nicht mit Recht, denn Anhänger verschiedenster
Form hat es immer gegeben. Eher könnte man schon an hellenistische Eroten aus
Terrakotta und Niken wie die von Pompeji 2) erinnern. Aber ein solches ruhiges
Schweben ist doch noch etwas anderes als die blitzschnelle Bewegung dieses Sprin-
gers. Selbst unter den kühnsten Leistungen des Barock oder unserer Tage findet
sich kaum etwas Ähnliches.
Das Sonderbarste aber ist, daß die Figur womöglich noch in die letzte mittel-
minoische Zeit zu setzen ist, also nach allem, was wir zu vermuten berechtigt sind,
nicht das Ende einer Entwicklung bedeutet, wie die herangezogenen Parallelen.
Ich denke, dieser Anachronismus läßt sich nur verstehen, wenn der Künstler eben
nicht im Banne einer langen Tradition stand, sondern sich mit naiver Frische eine
Aufgabe stellte, die mit den Mitteln der Plastik überhaupt nicht lösbar ist. Sein
Ziel wird deutlicher, wenn wir den Zusammenhang rekonstruieren, aus dem die Figur
stammt. Sie hat offenbar, wie schon Evans vermutet, über dem Rücken eines Stieres
geschwebt, der aus Holz geschnitzt zu denken ist 3). Allem Anscheine nach gehören
die mitgefundenen Teile anderer Figuren im gleichen Maßstab damit zusammen,
so daß eine Gruppe nach Art des bekannten, wenn auch noch nicht gut publizierten
Toreadorfreskos vorauszusetzen ist 4). Für eine solche Aufgabe ist aber nicht die
Plastik die geeignete Darstellungsweise, sondern die Malerei: die Gruppe war nichts
als ein mit großer Kunst rundplastisch ausgeführtes Gemälde. Da, wie gesagt, die
kretische Plastik nicht schon alle die Stadien durchlaufen hatte, zu denen rein-
plastisch lösbare Aufgaben führen können, so muß diese Übertragung naiv sein;
sie entstammt einem Wirklichkeitssinn von so elementarer Stärke, daß er vor
keiner Grenze zurückschreckt. Nur in voller Rundung ließ sich die dritte Dimen-
^) Diese Stellung, die Evans der Figur BSA. VIII gesprochenen Gedanken, die Figur sei vielleicht
Taf. 2. 3 gibt, ist die richtige; die schwimmende nur bestimmt gewesen, zur Betrachtung von
Lage, .die sie wohl nur versehentlich z. B. Hand zu Hand zu gehen, muß ich ablehnen,
bei Winter, Kunstgesch. in Bildern * 88,6 erhalten weil ihr Bewegungsmotiv den Stier als Ergänzung
hat, ist nicht zu rechtfertigen; der Kopf ist für und Erklärung fordert.
einen Schwimmer zu weit zurückgeworfen. 4) Nach sehr schlechter Zeichnung abgebildet von
*) Studniczka, Siegesgöttin 19, Taf. VII, 36. Durm, Ost. Jahresh. 1907, 66 Abb. 21. Weit
3) Die Figur ist gelegentlich frageweise als 'Taucher' besser bei 2t. Hav8ou8fSTjc, 'EirtTO(jioi laxopta
bezeichnet worden, d. h. doch wohl als Mann, ttj; Kpi^TTj; 16 Abb. 4. Vgl. Evans, BSA.
der den Kopfsprung ins Wasser macht. Ein VII 94. VIII 74; zur Datierung Rodenwaldt,
solcher streckt aber bekanntlich die Arme pa- Tiryns II 189; das Fresko ist jünger als die
rallel der Körperachse, nicht lotrecht dazu. — Gruppe. — Eine leider sehr kleine Abbildung nach
Den von Bulle, Der schöne Mensch * 55, aus- besserer Vorlage gibt H. R. Hall, The ancient
History of the near East Taf. 4,2.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 28 1
sion getreu wiedergeben. Zugleich zeigt aber diese Gruppe, wie der kretische Künst-
ler selbst da, wo er plastisch sich ausdrückt, die Welt mit den Augen eines Malers
ansieht. Auch wenn nicht, wie in diesem drastischen Beispiel, die umgebende Luft
direkt in die Darstellung gezogen wird, offenbart sich dieser Zug an der Vorliebe
für momentane Bewegung, Und er gilt ja nicht allein für die Plastik, wo er nur am
meisten auffällt. Wir haben an den frühesten Siegeln der Blütezeit das Streben nach
bildmäßigem Eindruck erkannt, und wie malerisch die Auffassung der Reliefs ist,
war ja immer und immer wieder zu betonen.
Über die Geschichte der kretischenMalerei hat Rodenwaldt einen vorzüglichen
Überblick gegeben ^). Auch hier ist der naturalistische Stil in der dritten mittel-
minoischen Periode voll entwickelt, wir vermögen sein Werden nicht zu verfolgen.
Nur in einem Fresko, dem Krokospfiücker aus Knossos, vermag ich, im Gegensatz
zu Rodenwaldt, einen gewissen altertümlichen Zug zu erkennen, freilich nicht in
der unerklärten blauschwarzen Hautfarbe, sondern in den auffallend unsicheren
Proportionen des Körpers; das naturalistische Streben ist dasselbe wie in den besten
anderen Bildern ^).
Bei diesem Stand unserer Kenntnis scheint es verwegen, nach der Ent-
stehung der naturalistischen Malerei in Kreta zu fragen. Für die frühminoische
Zeit haben wir überhaupt keinen Anhalt. Wir besitzen aber ein paar Vasen -
Scherben aus der Blütezeit des Kamaresstils mit Menschenbildern 3). Diese sind
so schematisch wie möglich; sie stehen in ihrer Stilisierung den Figuren auf Dipylon-
vasen ganz nahe und sind von den Gestalten der nächsten Periode durch eine weite
Kluft getrennt. Man mag sich den Abstand der Keramik von der großen Kunst so
stark vorstellen, wie man will — wenn Vasenmaler, die ihre Gefäße mit so abwechs-
lungsreichen und so fein empfundenen Ornamenten zu schmücken wußten, für den
Menschen nur derartig primitive Formeln finden konnten, so war ihnen doch gewiß
keine irgendwie naturalistisch entwickelte Malerei geläufig. Diese Beobachtung
bestätigt und ergänzt das Resultat, das sich uns aus der Betrachtung der Plastik
ergeben hat. Der lebendige Natursinn, der die anderen Künste am Ende der mittel-
minoischen Zeit beseelt, hat auch in der Malerei keine langsame Entwicklung erlebt.
Die schwierige Frage, wie diese schnelle Entstehung des neuen Stils zu erklären
sei, kann hier nur kurz gestreift werden. Rodenwaldt nimmt auf Grund der Keramik
an, daß eine Völker- oder eher nur Stammesverschiebung ihn fertig mit in die Sitze
gebracht habe, in denen wir ihn beobachten können. Er verkennt dabei nicht, 'daß
die neue Kunst nicht nur viele Elemente der alten in sich aufgenommen und ent-
wickelt hat, sondern auch viele gemeinsame Charakterzüge trägt und in letzter Linie
') Tiryns II 191 ff. Scherbe aus Palaikastro in Candia, Museum.
») BSA. VI 45. Er bildet sonach eine Parallele Vgl. auch die stilistisch nahe verwandten (ab-
zum Stil der beiden Tiergruppen der Temple hängigen?) Scherben Phylakopi Taf. 13 Nr. 14.
Repositories, vgl. oben S. 267, 17. 18. Die Fischervase ebda. Taf. 22 dankt ihre
3) Mon. Line. VI Taf. 9,10. Eine ganz entsprechende fortgeschrittenere Stilisierung bereits Einflüssen
des kretischen Naturalismus.
282 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
wohl in demselben Boden wurzelt' ^). Obwohl ich früher selbst ähnlicher Meinung
gewesen bin, halte ich jetzt nach dem Dargelegten einen Bevölkerungswechsel für
sehr unwahrscheinlich. Wir haben ja schon aus frühminoischer Zeit in der Glyptik
wie unter den plastischen Werken Äußerungen eines frischen Naturalismus gefunden,
die doch nur als Vorboten der großen Welle aufgefaßt werden können, welche die
kretische Kunst auf ihren Höhepunkt geführt hat. Ein glücklicher Zufall hat uns aus
der Frühzeit in den Stieren von Kumasa und Porti primitive Bilder des Stierspiels
erhalten, die im Grunde doch nichts anderes geben möchten als das, was die knossische
Elfenbeinfigur mit so viel größerer Kunst ausgedrückt hat. Eine künstlerische Begabung
gerade in dieser Richtung war also gewiß von Haus aus vorhanden. Wenn sich, wie es
scheint, ihre ersten Regungen im Sande verlaufen haben, so mag das daran liegen,
daß eben der Boden noch nicht genügend vorbereitet war. Die zweite Welle kam
zu glücklicherer Zeit. Wir dürfen nicht vergessen, daß der Kamaresstil das Ornament
selbständig zu überraschender Höhe entwickelt hatte. Charakteristische Züge sind
die ungebundene Frische und die malerische Feinheit; in der Anordnung lassen sich
Züge erkennen, die auf die Kompositionsprinzipien der Steatitgefäße hinweisen 2).
Das Streben nach organischer Verbindung zwischen Gefäßform und Ornament
wie der einzelnen Elemente des letzteren untereinander ist unleugbar. So war der
neue Stil trefflich vorbereitet; ihn zu erwecken, bedurfte es gewiß nur eines Anstoßes,
der den Künstlern die Augen öffnete. Welcher Art er freilich gewesen sein mag,
läßt sich nicht ermitteln. Dabei können hervorragende Künstlerpersönlichkeiten
eine Rolle gespielt haben, vielleicht unter dem Einfluß einer besonders glücklichen
staatlichen Entwicklung, gewiß aber auch das Bekanntwerden mit fremder Kunst,
von dem sich gerade in dieser Zeit Spuren nachweisen lassen, die nicht nur nach
Ägypten, sondern auch nach dem Osten führen 3). Aber wie sich auch der begeisterte
Natursinn entflammt hat, seinem Wesen nach ist er gewiß kretisch.
') Eben der von Rodenwaldt hervorgehobene ganz anders verziert als die konvexen Gefäß -
Anschluß der Vasen der Blütezeit an die Wand- formen. Wie stark das Ornament von der Form
maierei rechtfertigt das Fehlen von Übergangs- abhängt, zeigt das von Reisinger Taf. 2,10 nach
stücken. BSA. IX 120 Abb. 75 wiederholte Gefäß: der
^) Die Kamareskeramik bedarf dringend einer Ausguß vertritt eine der Rosetten des reichen
ordnenden Bearbeitung. Hier kann nur darauf Ornamentsterns.
hingewiesen werden, wie sich, auf entwickelten ^) Die Beziehungen zu Ägypten (s. zuletzt v. Bis-
Gefäßen, das Ornament zur Form verhält. Rei- sing, Anteil der ägypt. Kunst am Kunstleben
singer(Kret. Vasenmalerei 12) wird dem nicht ge- der Völker 4 fl. 28 ff.) sind allbekannt und oft
recht. Das Herauswachsen des Gefäßes aus seiner überschätzt worden; wahrscheinlich haben Ein-
Grundfläche wird allerdings selten betont. Aber flüsse aus dem Osten gerade zu Beginn der Blüte-
die Gliederung geht mit Vorliebe von den plasti- zeit eine wichtigere Rolle gespielt: Sphinx und
sehen Teilen, den Henkeln und Ausgüssen, aus Greif treten mit der neuen Kunst fertig und in
und liebt es, die Bauchung durch runde Formen auf, die nicht aus Ägypten übernommen
Zierformen, Kreise, Sterne, Rosetten, her- sind (v. Bissing a. a. 0. 74); die gewiß in Kreta
vorzuheben. Man vergleiche dafür die bei Mara- gearbeitete Sphinx von H. Triada hat trotzdem
ghiannis, Ant. Cret. II Taf. 47 zusammenge- . sicher Beziehungen zu den altbabylonischen
stellten Gefäße aus Phaistos (die richtiger der Tiergefäßen, mit denen Della Seta sie verglichen
zweiten mittelminoischen Periode zugewiesen hat (Rend. Line. XVI 1907, 699);' das Schema
werden): die konkaven Wände der Becher sind der antithetischen Gruppe hat L. Curtius aus
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
283
Das Relief nun muß unter denselben Bedingungen erwachsen sein. Nach dem
Besprochenen ist es sehr wenig wahrscheinlich, daß eine lange Reihe von Entwick-
lungsstufen in Kreta existiert hat und uns nur durch die Ungunst des Zufalls verloren
gegangen ist. Natürlich halte ich Werke wie die Steatitgefäße von Hagia Triada
nicht für erste Versuche kretischer Künstler; aber die Spuren von Archaismus, die
wir in den unsicheren Proportionen der beiden Tierreliefs aus Fayence gesehen haben,
beweisen doch so gut wie ähnliche Erscheinungen auf den anderen Kunstgebieten,
daß der neue Naturalismus sich der Künstler bemächtigt hatte, noch ehe Hand und
Auge durch lange Erfahrung geschult war. Freilich gilt das eben nur von Natur-
vorbildern, im Ornament war die lange Entwicklung des Kamaresstils vorausge-
gangen, in der der offenbar angeborene Kunstsinn des hochbegabten Volkes sich
entfaltet hatte.
Dieses Erwachen des Naturgefühls in einem Kreise, der künstlerisch — und
gewiß auch technisch — bereits eine hohe Stufe erlangt hatte, erklärt uns manchen
charakteristischen Zug der kretischen Reliefkunst. In ihr zeigt uns die Blütezeit
ihre vollkommensten Leistungen. Gewiß hätte ihrem Wollen die Malerei am besten
entsprochen, und sie hat ja auch in hoher Blüte gestanden. Aber der neue Sinn für
das Natürliche war zu mächtig, als daß er sich mit flächenhafter Darstellung hätte
begnügen können, und die Begeisterung viel zu stürmisch, um der Malerei in müh-
samer Arbeit die Fähigkeit zu voller Wiedergabe des Wirklichen abzuringen. Darum
spricht sich die malerische Begabung im Relief aus. An den drei Gefäßen von Hagia
Triada überrascht die gleichmäßige Komposition, die sich so schön der Vasenform
anschmiegt. Wir haben darin zweifellos eine Weiterbildung mittelminoischer Tra-
dition zu sehen. Wo diese fehlt, verrät sich wieder der jugendliche Feuereifer, der
sich nicht zu einem gleichmäßigen Können zu erheben vermag: wir haben, oft an
demselben Stück, klar Erfaßtes neben Unverstandenem gefunden und betonen
müssen, daß gerade das Beste auf unmittelbarer Beobachtung beruht. Die kretische
Kunst ist darin über alles hinausgegangen, was der Orient geschaffen hatte: sie hat
die Gesetze des Archaismus mitunter durchbrochen. In jugendfrischem Kraftge-
dem Osten abzuleiten versucht (Sitz.-Ber. bayr.
Ak. 1912, 7. Abb. 65 ff.), der dabei auch die
schon von Furtwängler erschlossene Abhängig-
keit der Radtechnik mykenischer Gemmen vom
Orient wieder zu Ehren bringt. Auch die Dar-
stellung bergigen Terrains durch Schuppen
finden wir seit uralter Zeit im Osten (z. B.
Winter, Kunstgesch. in Bildern* 42, 5; 50,8;
52, 6, 9), vgl. auch A. Reichel, Österr. Jh. XI
1908, 251, ebenso das Benähen der Kleider
mit Volants (z. B. Winter a. a. 0. 44, i; 45, 3;
49, 12; 54, 3). Zudem ist wenigstens ein babylo-
nischer Siegelzylinder, wie ihn Curtius a. a. 0.
postuliert, im Palaste von Knossos gefunden
worden (BSA. VII 68). Freilich können wir
vorläufig nicht feststellen, auf welchem Wege
diese Einflüsse nach Kreta gelangt sind, da wir
die vorderasiatischen Kulturen gerade in der
ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends noch
zu wenig kennen. Wie sehr wir da im Dunkeln
tappen, lehrt schon allein der Diskos von
Phaistos, der ja sicher nicht kretisch ist,
sondern bisher als das einzige Zeugnis einer
Kultur dasteht, die es im Schriftwesen bis zu
beweglichen Typen gebracht hat. Ich zweifle
nicht, daß die archäologische Verarbeitung
der orientalischen Denkmäler, wie auch der
mykenischen Kultur Cyperns manche Auf-
klärung bringen wird; solange sie aussteht,
muß ich mich auf die gegebenen Andeutungen
beschränken.
284 ^* Müller, Frühmykenische Reliefs.
fühl erfaßt sie das Leben, wo und wie sie nur kann — aber ihr fehlt der Segen
des langsamen Werdens. Darin liegt ihr Reiz und ihre Schwäche. So hat sie jene
Gesetze wohl gelegentlich zu überschreiten vermocht, aber sie hat sie nicht auf-
heben können: darauf mußte die Kunst noch ein Jahrtausend warten.
Wir haben bisher nach dem Wesen und Werden der Reliefkunst in Kreta ge-
fragt. Die besprochenen Denkmäler stammen mit verschwindend wenigen Ausnah-
men aus Knossos und der Messarä, also dem mittleren Teil der Insel. Die wenigen
Monumente der Reliefkunst aus dem Osten gestatten nicht, ihm in dieser Beziehung eine
Sonderstellung zuzuweisen, und der Westen der Insel ist noch unerforscht. Wir
wenden uns daher dem zweiten Gebiet frühmykenischer Kunst zu, dem griechischen
Festland. Wenn dabei von Beziehungen zu Kreta die Rede sein wird, so ist natur-
gemäß nur an die bisher erschlossenen Teile der Insel zu denken, also an die Mitte
und den Osten.
II. DAS GRIECHISCHE FESTLAND.
Den frühesten Komplex mykenischer Denkmäler auf dem Festlande haben uns
die Schachtgräber von Mykene bewahrt^). An ihrer frühen Datierung herrscht kein
Zweifel, und ihr großer Reichtum wie die enge Zusammengehörigkeit der sechs Gräber
geben uns das Bild einer Periode, der wir keinen allzugroßen Umfang zuweisen dürfen.
Freilich ist nicht zu vergessen, daß in den meisten Gräbern mehrere Tote — bis zu
fünf — beigesetzt waren, wodurch eine wirkliche Gleichzeitigkeit der Beigaben von
vornherein ausgeschlossen ist. Die Fundnachrichten reichen nicht aus, jedem der Toten
seine Beigaben zuzuweisen, und bei den zahlreichen Kostbarkeiten, die wirklich
für den Gebrauch gemacht waren, läßt es sich nicht erraten, wie lange sie benutzt
worden waren, ehe sie ins Grab kamen. Bei dieser Zeiterstreckung, die wir für den
Inhalt einzelner Gräber annehmen müssen, verliert die Frage nach dem zeitlichen
Verhältnis der Gräber untereinander um so mehr an Bedeutung, als sich wesent-
liche Unterschiede, die sich nur zeitlich deuten ließen, im Inhalt der Gräber nicht
finden 2). Dagegen ist ja ein gewisser Abstand von den Kuppelgräbern, auch den
ältesten, deutlich ausgeprägt.
') Eine ausführliche Veröffentlichung der Schacht- Sammlung des Nationalmuseums beigefügt, wo-
gräber bereitet Karo vor. Er hat mir die dafür mit zugleich auf Stais' nützlichen Guide du
bereits aufgenommenen Photographien der Ori- Musee National II, Collection mycenienne (2.
ginale in der freundschaftlichsten Weise zur Aufl. 191 5) verwiesen sei.
Verfügung gestellt, wofür ich ihm auch hier ^) Vgl. einstweilen Schuchhardt, Schliemanns Aus-
herzlich danke. Sie liegen den Abb. 13 — 26. 29. grabungen * 315; die Gräber I, II, VI sind ärmer
30 zugrunde. Den knappen Literaturangaben als III, IV, V, jünger brauchen sie nicht zu sein,
über die besprochenen Stücke ist nach Möglich- zumal die einzige Tonvase des III. Grabes ganz
keit die Inventar numm er der mykenischen denen des II. entspricht. Karo wird' das in seiner
Publikation der Schachtgräber näher ausführen.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 285
Andererseits ist aber die Kultur dieser Periode nichts weniger als einheitlich.
Die großen Unterschiede in der Keramik sind ja längst bekannt, wenn auch bis jetzt
die Heimat der vertretenen Vasenklassen nicht immer ermittelt ist. Für den übrigen
Inhalt ist ohne eine ähnliche Scheidung ebensowenig auszukommen. Der Versuch
Milchhöfers^), eine solche durchzuführen, muß heute, nach dreißig an Funden über-
reichen Jahren, eine vielleicht noch weitergehende Modifikation erfahren, als Furt-
wänglers und Loeschckes Behandlung der Keramik. Der ausführlichen Veröffentlichung
der Schachtgräber, die Karo vorbereitet, muß es vorbehalten bleiben, diese Fragen
im einzelnen zu untersuchen. Aber wenn wir uns hier auch im wesentlichen auf die
Reliefs beschränken wollen, scheint mir doch ein Blick auf die Keramik unumgäng-
lich, besonders weil gerade für sie die neuen Grabungen in der Argolis wertvolle An-
haltspunkte gegeben haben. Für einheimisch halte ich darnach die häufige helltonige
Ware mit Mattmalerei wie auch die graue, sog. minysche, die freilich in den Schacht-
gräbern selten ist. Auch von gefirnißten Gefäßen mit aufgesetztem Weiß und Rot
haben sich Scherben in Tiryns wie in Lerna gefunden. Diese nicht häufige Gruppe
steht zweifellos unter dem Einfluß kretischer Kamaresvasen, aber ebenso sicher
ist sie von ihnen verschieden. Kamaresscherben, wie sie uns von den kretischen Fund -
platzen, aus Thera und Melos geläufig sind, hat man m. W. überhaupt noch nicht
auf dem Festlande gefunden. Die jüngsten Stufen der einheimischen Urfirniskera-
mik kennen zwar bereits weiße Linienmuster auf Firnisgrund, aber ich möchte diese
Vasen darum doch nicht in der Argolis, sondern an einem dritten, von der Kamares-
keramik abhängigen Ort entstanden denken, worauf später zurückzukommen sein
wird (S. 336). Über die Heimat der besonders im sechsten Grabe reichlich vertretenen
Gruppe rottoniger Gefäße mit Mattmalerei bin ich noch völlig im unklaren. Die recht
zahlreichen Gefäße mit Firnismalerei auf Tongrund bilden keine einheitliche Masse.
Wir werden später auf diese Frage näher einzugehen haben (S. 333). Vorläufig ge-
nügt es, darauf hinzuweisen, daß sich zwar an vielen Orten des Festlandes Parallelen
zu ihnen gefunden haben, daß aber Vorstufen wie für die Technik, so auch für die
Ornamente auf dem Festlande bisher völlig fehlen. Wir kennen die älteren Schichten
gerade in der Argolis genügend, um ein Spiel des Zufalls ausschließen zu können,
und müssen daher den Stil dieser Gefäße für importiert ansehen, wie das ja auch
längst geschieht. Die Frage, ob die Gefäße selbst eingeführt oder etwa wenigstens
teilweise an Ort und Stelle, sei es von fremden Arbeitern oder nur unter fremdem
Einflüsse, hergestellt worden sind, bleibt dabei unberührt.
Schon ein flüchtiger Blick auf den übrigen Inhalt der Gräber lehrt, daß wir
auch hier zwischen Einheimischem und Fremdem scheiden müssen. Nur steht uns
naturgemäß für die Kostbarkeiten, die den Inhalt der Gräber bilden, kein Vergleichs-
material zur Verfügung, wie es die Scherbenmassen von Mykene, Argos, Tiryns oder
Orchomenos für die Keramik bilden. Es gilt daher, mit Denkmälern zu beginnen,
die von vornherein als einheimische Arbeit gelten dürfen. Gerade für das Relief
haben wir solche in den Stelen, die über den Schachtgräbern standen.
*) Anfänge der Kunst S. 5 ö.
286
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
8. Die Grabstelen.
Die Grabsteine der Schachtgräber sind von Schuchhardt ^) eingehend behandelt
und dann von W. Reichel neu untersucht worden 2), Zu seiner Beschreibung ist
nur weniges hinzuzufügen. Die Abbildungen bei Schliemann, die Schuchhardt wieder-
Abb. 13. Stele vom V. Schachtgrab.
holt, sind stilistisch nicht sehr treue Holzschnitte nach Photographien, deren Platten
jetzt das Deutsche Institut in Athen verwahrt; Reicheis Zeichnungen sind in manchen
Einzelheiten ungenau.
Am reichsten ist die Stele vom fünften Grab Abb. 13 3). Das Bildfeld enthält
zwei Darstellungen, unten einen Löwen 4), der ein nicht näher bestimmbares Wild
') Schliemanns Ausgrabungen* 199 ff.
*) Eranos Vindobonensis 24 ff.
3) Nat. Mus. Nr. 1427; Schliemann, Myk. Nr. 24,
Schuchhardt Nr. 154, Reichel a. a. O. 25 Nr. i,
Abb. S. 26. Vgl. V. Mercklin, Rennwagen in
Griechenland I (Diss. Leipzig 1909) S. 7 Nr. 3.
4) Ich kann mich der von Stais, CoUection mycd-
nienne* S. 80 vertretenen Meinung, es sei ein
Hund gemeint, nicht anschließen.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs, 287
jagt, darüber einen anscheinend nackten Mann, mit kurzem Schwert an der Seite
im zweirädrigen Kriegswagen, gleichfalls nach rechts. Von den beiden Pferden ist
nur eines dargestellt, wie auch nur ein Rad sichtbar ist. Unter den Pferden liegt in
der Höhlung seines Schildes ein Gefallener, wohl mit dem Gesicht nach unten, da der
H^lmbusch oben bis an den Hals reicht. Spuren auf dem Schilde scheinen darauf
hinzuweisen, daß die Flecken des Stierfells, das ihn überzog, angegeben waren. Rechts
wie links ragt in das Bildfeld ein Gebilde herein, das von Kreisteilen zackenartig
begrenzt wird, während seine Innenfläche von einzelnen Löchern durchbrochen ist. Auf
ein entsprechendes, von oben herabhängendes Gebilde scheinen Spuren über den
Pferden zu führen, obwohl hier die Oberfläche sehr zerstört ist. Es kann sich nur
um eine Andeutung einer felsigen Landschaft i) handeln, denn die nächsten Analogien
dazu finden sich in den Korallenriffen von Seebildern, z, B. dem Delphinbecher aus
dem in. Schachtgrab 2). Daß man eine ähnliche Stilisierung auch gelegentlich für
Felsen auf dem Lande verwendet hat, beweist das Elfenbeinrelief mit dem herab-
fliegenden Vogel aus Palaikastro 3). Auffallender ist der gleichmäßig gezackte Um-
riß, gegenüber den sonst stets frei bewegten Konturen. Er erklärt sich, wenn wir den
Stil der Bilder betrachten, soweit die geringe Arbeit und die Erhaltung des weichen
Kalksteines das gestatten.
Für beide Szenen liefern die Schachtgräber selbst treffliche Analogien. Der
Wagen kehrt auf dem Jagdbilde des einen großen Goldringes wieder 4). Auch hier
ist zwar nur ein Wagenrad angegeben, dagegen sind beide l^ferde sichtbar. Ihre
Beine sind viel schlanker und lebendiger, und der kühne Schwung, in dem sie dahin -
sausen, kommt auf der Stele nicht im entferntesten zum Ausdruck. Für den Gefalle-
nen mit dem Schilde fehlen Analogien, aber man wird ohne weiteres zugeben, daß er
außerordentlich ungeschickt dargestellt ist. Zur Jagddarstellung läßt sich am besten die
prächtige Dolchklinge desselben IV, Grabes vergleichen 5). Der Abstand der Stele
von diesem Kunstwerk ist sehr groß. Am ehesten ist noch der Löwe gelungen; frei-
lich ist sein Körper gedrungener, als das Schema des laufenden Tieres es in der myke-
nischen Kunst zuläßt ^). Viel lebloser ist das fliehende Wild dargestellt, das den
Vergleich mit den trefflichen Damhirschen des Dolches in keiner Weise aushält.
Während diese trotz des gleichen Grundschemas auf das feinste variiert sind, wieder-
holt sich hier genau das Schema des Pferdes. Diese Stilverschiedenheit zeigt, daß
der Verfertiger der Stele Kunstwerke wie die eben verglichenen zwar gekannt hat,
aber ihre Art nur unvollkommen nachahmen konnte. Zu diesem Ergebnis stimmen
die Ornamentstreifen rechts und hnks, die Abb. 13 deutlich erkennen läßt, Sie be-
stehen im wesentlichen aus einander entgegenlaufenden Voluten, die kleine Spira-
len und Zwickelblättchen entsenden. Entsprechende sind in den Schachtgräbern,
und zwar nur hier, häufig 7). Sie gehören zu einer Gruppe, die sich aus der
0 So richtig M. Heinemann, Landschaft!. Ele- 4) Schliemann Nr. 334, Furtwängler, Gemmen Taf.
mente 21. 118, Rodenwaldt, Tiryns II 105 Abb. 43.
») Vgl. unten S. 311 Abb. 28. 5) Perrot-Chipiez VI Taf. 18.
3) BSA. XI 285 Abb. 14 a. An die Ähnlichkeit 6) Vgl. Rodenwaldt, Tiryns II 126.
dieses Reliefs erinnert mich Studniczka. 7) Besonders nahe steht z. B. Schliemann, Myk.
Nr. 369 oder auch Nr. 305 (besser Perrot VI 972 Abb. 546).
288 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
schon von Milchhöfer (S. i8, 19) richtig mit trojanischen Denkmälern verglichenen
alteinheimischen Dekorationskunst entwickelt hat; denn dieZwickelblättchen wie die
sich loslösenden Spiralen sind naturalistische Elemente, die dieser ursprünglich rein
geometrischen Kunst fremd, wohl unter dem Einflüsse eines so lebensfreudigen
Stiles eingedrungen sind, wie wir ihn in den Dolchklingen und den anderen Meister-
werken der Schachtgräber bewundern. So steht das Ornament auf derselben Stufe
wie das Relief. Zugleich aber bestätigt es uns, was wir von vornherein annehmen
konnten, daß nämlich die Stelen an Ort und Stelle gemacht sind, denn gerade dieses
System der Ornamentik kommt nur auf dem Festlande und in dieser speziellen Form
nur in den Schachtgräbern vor. Auch Reichel setzt die Stele ja richtig den Schacht-
gräbern gleichzeitig.
Die übrigen Grabsteine mit figürlichem Schmuck sind von Reichel ausführlich
besprochen worden. Abgesehen von wenigen Bruchstücken werden sie schon durch
das einheitliche härtere Material zu einer Gruppe zusammengefaßt. Sie bestehen
aus demselben 'porösen muschelreichen Kalksinter', der auch für die unskulpierten
Stelen wie für den ganzen Plattenring verwendet ist. Die Brüche sind keineswegs
unbekannt, wie Reichel und Perrot meinten; das Gestein lagert vielmehr 'in einzel-
nen Schichten mitten zwischen den Kalkkonglomeraten und Sandsteinen der Stadt-
hügel' ^). Wir haben es also ohne Zweifel mit einheimischen Arbeiten zu tun.
Es ist Reichel nicht entgangen, daß die Stelen dieser Gruppe stilistisch bei
weitem nicht auf der Höhe des eben besprochenen Grabsteines stehen, und er möchte
sie daher für einen späteren Ersatz der beschädigten ursprünglichen Stelen halten.
Dem widerspricht schon die sorgfältige Arbeit, die Reichel selbst hervorhebt.
Auf den harten, gut geglätteten Stein ist die Zeichnung aufgetragen und der Grund
auf eine gleichmäßige Fläche vertieft, eigentliche Modellierung fehlt völlig; selbst
mit einfach eingegrabenen Linien ist kaum das allernotwendigste Detail angedeutet.
Zum Teil mag das an der grobkörnigen Struktur des Steines liegen; jedenfalls aber
machen die Steine den Eindruck sorgfältiger und technisch keineswegs ungeschickter
Arbeit 2).
Vergleichen wir die auf zweien der Stelen erhaltenen Gespanne auch nur mit
dem der schon besprochenen, so wird freilich ein großer Abstand fühlbar. Auf der
Stele Schliemann Nr. 141 3) ist der Fahrende über den Wagenkasten emporgehoben,
statt darin zu stehen. Wie dort ist an Stelle von zwei Pferden nur eines gezeichnet,
aber bei diesem einen Tier verschwinden hier noch dazu die linken Beine hinter den
rechten. Fast noch ungeschickter ist die Darstellung auf einer zweiten Stele (Abb. 144),
die vom V. Grab stammt. Hier scheint der für den Wagen viel zu große Mann vorn-
') Lepsius, Marmorstudien (Abh. preuß. Akad. verdeckt die ursprünglichen Ornamente, ist
1890 Anhang) S. 125. also etwas ganz anderes.
') Von einem Stucküberzug ist keine Spur vor- 3) Nat.-Mus. Nr. 1429; Schuchhardt Nr. 152;
banden; es war auch sicher keiner da, da alle Reichel a. a. 0. S. 27 Abb. 2; vgl. v. Mercklin,
Analogien zu einem solchen Verfahren fehlen. Rennwagen in Griechenland I 27 f.
Der Stucküberzug der bekannten Kriegerstele 4) Nat.-Mus. Nr. 1428; Schliemann,' Myk. Nr. 140;
Schuchhardt Nr. 153; Reichel a. a. 0. 28 Abb. 3; v. Mercklin a. a. 0. 8 Nr. 5.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
289
überzufallen, das Pferd hat gleichfalls nur zwei Beine, dafür reckt es aber stolz einen
gewaltigen Katzenschwanz in die Höhe. Der mißratene Mann vor dem Gespanne trägt
ein Schlachtmesser ohne Parierstange, das denen des IV. Schachtgrabes entspricht i).
Abb. 14. Stele vom V. Schachtgrab.
Die Ornamentik dieser Gruppe von Grabsteinen findet ihre Parallelen gleich-
falls in den Schachtgräbern selbst, wie schon Perrot (VI 771) gesehen hat. Die hän-
gende Spiralblüte auf der eben besprochenen Stele entspricht genau den Verzierungen
') Schliemann, Myk. Nr. 442. v. Mercklin hält es, blattförmiges Schwert, das erst unter jüngeren
wie Burrows, Discov. 183, irrtümlich für ein Funden erscheint, und sieht darin eine Stütze
für Reicheis Datierung.
290
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
der Goldbänder Schliemann Nr. 515. 518 aus demselben V. Grabe, neben denen zu-
gleich das schildartige Ornament erscheint, das auf der zuerst erwähnten Stele dieser
Gruppe am unteren Ende eingeritzt ist. Die beiden Spiralrosetten dieses Steines
Abb. 15. Stele von einem Schachtgrab.
kehren entsprechend wieder z. B. unter den Goldplättchen des III. Grabes Schlie-
mann Nr. 239 und 245'), und eine ähnliche vierteilige Rosette ist, von den Ausläufern
zweier großer Spiralen eingeschlossen, am Rande der von Reichel zusammengesetzten
Stele mit drei Pferden (Abb. 15) 2). Auch auf den übrigen Fragmenten erscheinen
') Schuchhardt Nr. 179; Perrot VI 767 Abb. 363.
^) Nat.-Mus. Nr. 1431; Reichel a. a. 0. 28 Nr. 6.
Bisher waren nur die Fragmente vor der Zu-
sammensetzung abgebildet. Schliemann Myk.
Nr. 144 und 149; ersteres auch Schuchhardt
Nr. 157.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
291
Spiralmuster in Formen, die für die Schachtgräber charakteristisch sind. Außer dem
Spiralnetz der Stele Abb. 14, zu dem die später zu besprechenden Goldplatten ver-
glichen seien (S. 295 Abb. i6a), findet sich ein reicher, aus Spiralen gebildeter Mäander,
der die Stele mit den drei Pferden bekrönt (Abb. 15 i). Der bekannte Wellenmäander
auf der einfacheren Stele Schliemann Nr. 142 2) ist nichts anderes als das Motiv, das
die Rosetten der Stele Schliemann Nr. 141 und viele andere füllt.
Diese ganze Gruppe von Ornamenten ist durchaus frühmykenisch. Sie kommt
außerhalb der Schachtgräber nur noch zur Zeit der älteren Kuppelgräber vor. Wäre
nun Reicheis Datierung der Stelen richtig, so müßten sie nach den älteren Stelen
kopiert oder schon sehr bald neu geschaffen sein. Beides ist gleich unwahrscheinlich,
zeigt doch die von Reichel mit Recht für ursprünglich gehaltene Stele Abb. 13
Tiere mit vier Füßen, wie auch in der ganzen späteren mykenischen Kunst, selbst auf
den flüchtigsten Vasenbildern, vierfüßige Tiere nie in der Weise vereinfacht werden 3).
Am allerwenigsten läßt sich eine solche Stilstufe für die Zeit der Anlage des Platten -
ringes annehmen, die jünger istals die Schachtgräber, aber doch wohl noch älter als die
erste spätmykenische Zeit 4). Das ist eine Periode hoher Kunstblüte, und schon die
Ausgestaltung des Gräberrunds an Stelle des ursprünglichen, unregelmäßig am Ab-
hänge liegenden Friedhofes wetteifert als künstlerische Lösung eines schwierigen
Raumproblems mit dem Besten, was die mykenische Architektur geschaffen hat.
Es ist also anzunehmen, daß man die Stelen damals auf das neugeschaffene Niveau
gehoben hat, möglich freilich auch, daß sie mit zugeschüttet worden sind.
Es spricht alles dafür, daß diese Gruppe der Stelen wie die zuerst besprochene
den Schachtgräbern gleichzeitig zu setzen ist. Der stilistische Unterschied, den
') Die Spiralen haben hier ausnahmsweise runde
Scheiben als Augen, was man als kretischen
Einfluß auffassen könnte.
2) Schuchhardt Nr. 155; Perrot VI 586 Abb. 256.
3) Dieser Schluß wird natürlich nicht dadurch ent-
kräftet, daß bekanntlich Tiere schon früher
mit vier Beinen dargestellt worden sind, wenn
auch Zeugnisse aus der Argolis fehlen. Vgl.
S. 292 Anm. 4.
4) Der Plattenring steht bekanntlich nach der Tal-
seite zu über der Aufschüttung, die den Friedhof
zu einer Ebene machte und die dort von einer
runden Stützmauer gehalten wird. Da der
Plattenring zwei der Gräber überschneidet,
muß er jünger sein als diese. Die Stützmauer
ist stark geböscht und hat nach außen Fassade;
die äußere Burgmauer weicht ihr aus, ist also
keinesfalls älter als sie. Die Burgmauer läßt
sich vorläufig nicht nach den südlich der Schacht -
gräber gelegenen Häusern datieren, von denen
ein Teil älter sein kann, während andere sich an
sie anlehnen. Dagegen steht sie in engstem Zu-
sammenhang mit dem Löwentor, in dessen näch-
ster Umgebung nur zum Schmuck Brecciaqua-
dern statt der Kalksteinblöcke verwendet sind.
Mit diesem Tor stimmt das große Burgtor von
Tiryns in Material, Maßen und Einrichtung
überein (Dörpfeld bei Schliemann Tiryns 218),
das mit dem jüngeren Palast in spätmykenische
Zeit gehört. Man wird daher auch das Löwentor
kaum sehr viel früher anzusetzen haben. Eine
direkte Datierung dieses Teiles der Burgmauer
von Mykene ergibt sich hoffentlich, wenn einmal
das Stück zwischen dem von Schliemann frei-
gelegten Gebäudekomplex und dem von Tsundas
(IlpaxTixd 1886, 74) sorgfältig untersuchten
Haus hinter dem in griechischer Zeit errichteten
Teil der Mauer ausgegraben wird. Es ist indessen
aus historischen Gründen ratsam, die architek-
tonische Ausgestaltung des Friedhofes nicht all-
zuweit von der Zeit seiner Benutzung abzu-
rücken, und die im Text angedeutete Höhe der
künstlerischen Leistung führt zu demselben
Resultat. Auch der Fund einer bis in spätmyke-
nische Zeit benutzten Opfergrube ( ?) wider-
spricht dem kaum (Karo, Arch. Anz. 1914, 125).
202 K. Müller, Frühmy kenische Reliefs.
Reichel erkannt hat, muß nur anders gedeutet werden. Die Einflüsse einer natura-
listischen Kunst, die wir an der ersten Stele beobachtet haben, fehlen an den übrigen
so gut wie ganz. Das zeigt vor allem das Ornament. Es ist noch frei von vegetabi-
lischen Formen und Verbindungen, wie sie die erste Stele verwendet, und setzt sich
aus rein geometrischen Elementen zusammen. Im Grunde sind Gerade, Kreis und
Spirale die einzigen Bestandteile auch der komplizierten Gebilde. Bei der Besprechung
der Elfenbeinfunde von Alt -Py los (AM. XXXIV 1909, 282 ff.) i) habe ich schon auf
dieses Ornamentsystem hingewiesen. Übergangsstücke wie die Goldplättchen Schlie-
mann, Myk. Nr. 242, 252 und 246 sichern den Zusammenhang dieser Gruppe mit
jener schon erwähnten alttrojanischen Goldornamentik. Es wird niemand mehr,
wie einst Milchhöfer, dieses System phrygisch nennen wollen. Wir wissen jetzt,
daß die vormykenische Kunst der Kykladen die Spirale gern verwendet hat. Es
genügt hier, auf die Steinbüchsen von Melos und Amorgos, wie auf die Pfannen von
Syros hinzuweisen 2). Dieselbe Kultur hat auch auf Kreta eingewirkt; auf dem
Festlande ist der jüngeren Inselkeramik engverwandt die 'Urfirnisware' von Tiryns,
Orchomenos und anderen Orten, die besonders hoch entwickelt ist und mitunter
auch die Spirale verwendet. Nicht weniger deutlich zeigt ja auch das Verhältnis
der Megarongrundrisse von Troia II zu den festländisch -mykenischen Palästen den
Zusammenhang dieser alten Kultur 3). Nach alledem ist es klar, daß die zweite Gruppe
der Stelen trotz gleichzeitiger Entstehung uns eine ursprünglichere Form der Or-
namentik bewahrt hat.
Neben dieser reichen, aus alter Tradition erwachsenen Ornamentik stehen
die bildlichen Darstellungen an zweiter Stelle. Gerade für sie aber müssen wir doch
schon fremde Einflüsse annehmen, nicht nur weil es jene geometrische Kunst an-
scheinend nicht zu nennenswerten bildlichen Darstellungen 4) gebracht hat, sondern
weil sich einzelne Elemente als direkt entlehnt erweisen. Da ist in erster Linie der
Streitwagen zu nennen, der, um dieselbe Zeit in Ägypten wie in Kreta importiert,
hier natürlich nicht zum alten Besitz gehört. Zweifellos ist das stattliche Schwert,
das der Fahrende auf der Stele Abb. 14 trägt, jenen prächtigen Bronzewaffen nachge-
bildet, die uns die Schachtgräber in so großer Anzahl erhalten haben. Die sonder-
bare Spirallinie unter dem Gespann derselben Stele läßt sich als mißverstandene
Bodenandeutung auffassen, wenn sie nicht nur als Füllornament zu gelten hat.
') Nachgetragen seien hier zwei elfenbeinerne gern konzentrische Kreise, die durch Tangenten
zyhndrische Gerätteile aus Palaikastro (Candia, verbunden werden. Das ist natürlich nur eine
Museum, unveröffentlicht) mit gravierten Oma- Vereinfachung für die weniger bequemen Spi-
menten dieser Art. Als einzige Beispiele aus ralen.
Kreta sind sie als dort eingeführt anzusehen. 3) Diese Kultur, die vor dem Eindringen der 'myke-
*) Die Hauptbeispiele bequem beisammen bei nischen' Formen in der Argolis geherrscht hat,
Winter, Kunstgesch. in Bildern* 83, 9 — 11. Die kann hier nicht eingehender behandelt, noch
mit Ritzlinien und Stempeln verzierte Keramik weniger auf ihre Ursprünge untersucht werden,
von Syros, die zuletzt Kahrstedt, AM. XXXVIII, 4) Vgl. den Hund 'Ecp. dpx- 1899 Taf. 10,1 pus-
1913, 148 ff. behandelt hat, verwendet besonders saud*82 Abb. 59, vgl. Seager, Mochlos 28, H, 4)
sowie die Schiffe auf Pfannen Tsundas a. a. 0. 90.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 20"?
Das sind alles sachliche Entlehnungen, eine stilistische Beeinflussung läßt sich nicht
erkennen.
Genau dasselbe Verhältnis können wir auch in den Schachtgräbern selbst an
einer Gruppe von Denkmälern beobachten. Unleugbar gehören die Goldscheiben des
III. Grabes Schliemann Nr. 239 ff. aufs engste zusammen. Sie enthalten rein geome-
trische Ornamente, die z. T. schon im Vergleich zu den Stelen heranzuziehen waren,
daneben aber auch Blätter sowie Schmetterlinge und Tintenfische (unten S. 305
Abb. 22) i). Das sind naturalistische Motive, deren Zusammenhang mit den Meister-
werken der Schachtgräber nicht zu verkennen ist. Und doch ist von ihrem Stil nicht
die geringste Spur zu finden. Man vergleiche nur den lebendigen Schmetterling und
die Tintenfische Abb. 23 oder gar Abb. 24, die auf S. 305 mit ihnen zusammengestellt
sind. Auf der Goldscheibe stehen die Flügel und der übermäßig große Leib des Schmet-
terlings in gar keinem Verhältnis zueinander, die kurzen, eingerollten Fühler sind am
Körper statt am Kopf angewachsen. Am Tintenfisch ist zu beachten, wie viel zu tief
die Augen an dem sackartigen Körper sitzen, und wie schematisch seine Fangarme,
denen natürlich die Saugwarzen fehlen, zu einfachen Spiralen geworden sind. Das
sind keine Versuche, jene verglichenen Tierbilder nachzuahmen, sondern andere
Stilisierungen derselben Motive, und zwar im Sinne der einheimischen geometrischen
Kunst. Darum sind sie auch, trotz ihrer Abweichung von der Natur, dekorativ
erfreulich. Bei den bildlichen Darstellungen der Stelen konnte naturgemäß keine
entsprechende Wirkung erreicht werden, am ehesten noch bei den drei springenden
Pferden des von Reichel zusammengesetzten Steines, die eben, wie auf einem
Wappen übereinander geordnet, gar kein einheithches Naturbild geben, sondern nur
als Schmuck wirken wollen.
So gehört nicht nur die zuerst besprochene Stele, sondern auch die zweite Gruppe
trotz der Unterschiede unmittelbar zu den Schachtgräbern. Von den einzelnen
kleineren Fragmenten ist zu wenig erhalten, um Schlüsse auf den Stil zu gestatten,
doch gehören auch sie meines Erachtens in die gleiche Periode und sind gewiß auch
einheimische Arbeit.
Die Grabstelen haben uns eine Mischkunst kennen gelehrt, deren Elemente
wir dadurch leichter scheiden können, daß der Grad der Mischung bei der ersten
Stele ein anderer ist als bei den übrigen. Gerade diese zweite Gruppe hat relativ am
reinsten die einheimische Kunstübung bewahrt und ist uns daher besonders wichtig,
weil sie erkennen läßt, was die neue Kunst vorfand, als sie in der Argolis eindrang.
Für beide Grade der Mischung hat der Inhalt der Schachtgräber selbst Analogien
geboten und so ihr gleichzeitiges Bestehen gewährleistet. Die Schlüsse, die sich da-
raus ziehen lassen, sind in verschiedener Hinsicht beachtenswert. Davon sei hier
zunächst nur folgendes hervorgehoben. In dem Mykene der Schachtgräberzeit ist
eine alte Kunst noch lebendig. Sie zeigt, da sie sich den fremden Einflüssen keines-
wegs entzieht, sie vielmehr in verschiedener Stärke auf sich wirken läßt, deutlich,
daß jene fremden Elemente noch neu sind. Ganz gewiß hat man auf die so prächtig
') Die Schmetterlinge Nat.-Mus. Nr. 2 und 18, Schliemann Nr. 243 vgl. 302, die Tintenfische Nat.-
Mus. Nr. 4 und 18, Schhemann Nr. 240.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX. 2 1
2Q4 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
ausgestatteten Fürstengräber keine geringen Stelen zurückgebliebener Handwerker
gesetzt. Hätte man schon in der Art des Löwentor-Reliefs arbeiten können, so sähen
die Steine zweifellos anders aus.
Aber es wäre trotzdem Unrecht, den Stand der künstlerischen Kultur Mykenes
in jener Zeit nach ihnen zu bemessen. Das Fremde, das ins Land kam, waren sicher-
lich keine großen Steinskulpturen, ja auch solche von fremden Arbeitern in Mykene
ausgeführt zu denken, fehlt jeder Anhalt — am wenigsten von Kretern, die ja
anscheinend in ihrer Heimat keine monumentale Steinplastik besaßen. Vielleicht
liegen also auf anderem Gebiete die Verhältnisse anders.
Es bleibt zwar noch zu untersuchen, woher die naturalistischen Elemente
stammen, doch kann kein Zweifel bestehen, daß die Meisterwerke der Schachtgräber,
die eingelegten Dolchklingen, die prächtigen Rhyta, die goldenen Ringe und Schieber,
die Silbervasen und manches andere Vertreter dieser importierten Kunst darstellen.
Diese Werke für einheimische Leistungen zu halten, ist nach dem Einblick, den
uns die Stelen gewährt haben, völlig ausgeschlossen. Von ihnen komnit nur weniges
für die Reliefkunst in Betracht. Aber ehe wir uns dem zuwenden, gilt es, die schlichte-
ren Arbeiten des Kunsthandwerks zu prüfen, die ja besonders leicht importiert werden
konnten, und zu untersuchen, wie sich in ihrem Reliefstil fremde und einheimische
Elemente zueinander verhalten. Es lohnt sich, dabei auch künstlerisch unerfreu-
liche Monumente nicht unbeachtet zu lassen; auch sie können wertvolle Züge zu
dem Bilde einer Übergangsperiode liefern, die für die Kunst und die gesamte Kultur
der Argolis und weit über ihre Grenzen hinaus auf Jahrhunderte maßgebend ge-
worden ist.
9. Goldreliefs von Kästchen.
Wenden wir uns nun den Reliefs aus den Gräbern selbst zu. Einen Teil von
ihnen, besonders die runden Goldscheiben des dritten Grabes, haben wir ja schon im
Vergleich zu den Stelen besprechen müssen und an ihnen das gleiche Verhältnis ein-
heimischer Kunstweise und fremder Elemente zu erkennen gehabt.
Unter den Goldreliefs nehmen eine besondere Stellung ein die zwölf recht-
eckigen Bleche aus dem V. Grabe, deren Zusammengehörigkeit zu zwei sechs-
seitigen Kästchen Schuchhardt richtig erkannt hat (Abb. 16) ^). Die kleineren
Seiten zeigen ein Spiralnetz von sicherer Zeichnung. Wir haben schon darauf
hingewiesen, daß dieses Motiv zu den beliebtesten Formen der einheimischen
Ornamentik gehört. Da in Kreta gleichfalls Spiralnetze vorkommen, am schönsten
auf den Pithoi von Pseira ^), wenn sie dort auch von den Kykladen entlehnt scheinen,
könnte man vielleicht zweifeln, welchem Kulturkreise diese Bleche angehören. Aber
nicht nur die abweichende Zeichnung der Spiralen an den Rändern, die auf der Stele
Abb. 14 genau wiederkehrt, weist sie dem festländischen System zu, sondern ebenso
der Zusammenhang mit den größeren Wänden der Kästchen.
Diese waren mit Jagdszenen in zwei Typen geschmückt. Die vier Exemplare
') Nat.-Mus. Nr. 808 — 810; Schliemann, Myk. Nr. *) Seager, Excav. on the Island of Pseira 28 Fig. 9;
470 — ^472; Schuchhardt 5.298!!., Nr. 274 — 276. Maraghiannis, Ant. Cr6t. II Taf. 20.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
295
jeder Reihe weichen in Kleinigkeiten voneinander ab, so daß sie nicht aus der gleichen
Form gepreßt oder mindestens frei überarbeitet scheinen.
Auf der ersten Serie (Abb, 16 c) setzt ein Löwe in gestrecktem Lauf über zwei
niedrige Palmen einem Hirsch nach, der sich, anscheinend im Zusammenbrechen, nach
ihm umwendet. Das Thema entspricht also der Darstellung auf dem prächtigen Dolch
Abb. 16, Goldwände von zwei Kästeben, V. Schachtgrab.
des IV. Grabes ^), und auch die Motive im einzelnen kehren auf Werken dieser Richtung
wieder. Nur kleine Abweichungen trennen sie. So ist der Löwe in dem typischen
Laufschema dargestellt, nur das übergroße Auge und die Bildung des Maules unter-
scheiden ihn. Der Hirsch, dessen Hinterbeine verdeckt sind, entspricht ziemhch
I) Schuchhardt Nr. 237, 238; Perrot VI Taf. 18.
2q6 K. Müller, Frtihmykenische Reliefs.
genau dem des Jagdringes ^); auffallend ist nur das Geweih, das, der Kurve des
Halses folgend, unnatürlich zurückgebogen ist. Die niederen Palmen kennen wir
von dem einen der Vaphiobecher; aber während sie dort in der freien Unregelmäßig-
keit der Natur aufsprossen, entsprechen sich hier zwei Voluten, zwischen denen ge-
legentlich sogar eine Palmette aufsteigt. Jenen Werken sind auch die den Grund
füllenden Blätter fremd, von denen eines zwischen dem Bildrand und dem ihn be-
führenden Blatt der einen Palme herauswächst, wie eine Zwickelfüllung zwischen
gleichwertigen Teilen eines Ornamentes.
Die zweite Serie (Abb. i6b) zeigt denselben Stil, nur womöglich noch
krasser. Auch hier jagt ein Löwe ein gehörntes Tier, das vielleicht als eine Art
Antilope zu verstehen ist. Das Laufschema des Löwen ist das gleiche, aber sein Kopf
ist viel roher stilisiert, die Nase rüsselartig emporgebogen, und die Krallen endigen
in unsichere Haken. Daß seine Beute im entgegengesetzten Sinne springend und zum
Teil über ihm erscheint, mag auf Raummangel zurückgeführt werden, wie bei dem Jagd-
ring. Ihr Schema entspricht dem des Hirsches der anderen Serie, und wie dort sind die
Hörner der Bewegung entsprechend stilisiert: sie setzen hier die Kurve des Halses fort
und begleiten die Linie des Rückens. Über dem Löwen nun schwebt ein gewaltiger
Ochsenkopf, der, um das Unorganische auf die Spitze zu treiben, auch noch mit den
Hörnern nach rechts gewendet ist. Er ist von vorn gesehen, die Schnauze aber der
Deutlichkeit zuliebe von der Seite dargestellt; die riesigen mandelförmigen Augen
berühren sich fast auf der Stirn. Zwischen den Hörnern und ihnen parallel wachsen
zwei Zweige; da das linke Hörn den Schwanz des Löwen fast berührt, findet der
Toreut wieder eine Gelegenheit, eine höchst unorganische Zwickelpalmette anzu-
bringen. Der übrige Raum ist mit Zweigen gefüllt.
Die Reliefs sind nicht sehr sorgfältig, wenn auch keineswegs flüchtig gearbeitet.
Aber ihr Unterschied von den verglichenen Meisterwerken beruht nicht allein darauf,
auch nicht allein auf Mißverständnissen, sondern sie enthalten etwas Positives, was
dem Charakter jener widerspricht: die von jenen entlehnten Bilder frischen Lebens
sind zu Ornamenten umempfunden, die nun als solche weiterentwickelt sind. Nur
so erklärt sich die Umbildung der Hörner des gejagten Wildes oder die Umstilisierung
der Palmen; nur weil der Umriß des Tieres oder des Palmblattes als ornamentale
Kurve gedeutet ist, kann er zum Träger der Zwickelpalmette werden. Das Verhält-
nis ist also hier ein anderes als bei den Stelen. Während sich ihre Verfertiger teils
mit der Übernahme einiger sachlicher Motive begnügten, teils einiges wenige von dem
lebensvollen neuen Stil mit ihrer altererbten Kunstweise verschmolzen, ist hier ein
wirres Durcheinander von alter Auffassung und neuen Formen. Diese Reliefs sind
weder aus dem einen noch aus dem anderen Stile folgerichtig entwickelt; es hat
vielmehr den Anschein, als hätte ein keineswegs ungeschickter Arbeiter der alten
Schule im Geiste der neuen Richtung schaffen wollen, ohne ihr wahres Wesen zu
verstehen. Gerade solche Stillosigkeiten stellen sich leicht ein, wenn neue Ideen
plötzlich zur Geltung kommen — wir haben ja vor kurzem vergleichbare Erschei-
nungen am 'Jugendstil' erlebt.
') Vgl. oben S. 287 Anm. 4.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
297
Wie für die Stelen, können wir auch für diese Reliefs Parallelen unter den
Ornamenten nachweisen, und zwar unter den goldenen Knöpfen desselben und des
IV. Grabes. Der Hinweis auf Schliemann, Myk. Nr. 486, 488, 491 mag hier genügen.
Abb. 17. Goldrelief aus dem III. Schachtgrab.
Es ist ein gutes Zeichen für das Stilgefühl der mykenischen Herren, daß diese uner-
freuliche Kunst keinen breiteren Raum einnimmt, und auch wir hätten auf diese
vorübergehende Phase nicht einzugehen brauchen, wenn sie nicht als solche besonders
charakteristisch wäre.
Abb. 18. Goldrelief aus dem III. Schachtgrab.
Offenbar gleichfalls von einem Kästchen stammen die beiden Goldbleche des
HI. Grabes Abb. 17 und 18. Auf dem ersteren ») sehen wir zwei Schwalben
nach rechts über bergiges Gelände fliegen. Die Arbeit ist recht gering, dazu das
dünne Blech verbogen. Aber so sehr die Frische eines Meisterwerks fehlt, läßt sich
doch kein grundsätzlicher Stilunterschied gegenüber den Werken erkennen, unter denen
I) Nat.-Mus. Nr. 24. Schliemann, Myk. Nr. 306;
Dussaud 2 104 Abb. 74. — Schliemann stellt
das Goldblech auf die eine Schmalseite und
erklärt es ganz abenteuerlich.
2g8 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
die Vorbilder zu suchen sind. Stofflich steht am nächsten eine Scherbe aus Phyla-
kopi ^), die ihrer Technik nach ein einheimisch melisches Produkt ist, aber in dem-
selben naturalistischen Stil, der in so mannigfacher Weise auf die Werke der Schacht -
gräber eingewirkt hat. Das zweite Goldblech Abb. i8 ^) zeigt an seinem oberen Rande
eine Reihe Perlen, von denen drei hlienartige Blüten herabhängen. Es handelt sich also
um Wiedergabe von Schmuck, nicht um ein Naturbild. Trotzdem ist die Form der
Blüten beachtenswert: zwischen den beiden Voluten der Kronblättcr erscheinen
plastische Halbkreise als Zwickelfüllung, offenbar ein geometrischer Ersatz für die
Staubfäden naturalistischer Vorbilder. Dasselbe III. Grab hat uns vier goldene
Schmuckstücke der gleichen Form erhalten (Schliemann Nr. 278), und aus späteren
Gräbern ist sie allgemein geläufig. Die natürliche Gestalt der Lilienblüte erscheint
auf Griff und Klinge des schönen Dolches aus dem V. Grabe (unten S. 314 Abb. 30),
sie ist noch in der Zeit der älteren Kuppelgräber lebendig, z. B. auf dem
Elfenbeinkamm aus Alt-Pylos (AM. XXXIV, 1909 Taf. 12, i), auf dem auch
die Perlenkette nicht fehlt. In Kreta kommt, soviel ich sehe, die geometrisierende
Umbildung — in etwas abweichender Form — zuerst bei dem Jüngling mit der Feder-
krone vor (vgl. oben S. 269), späterhin auch auf Palaststilvasen 3) und sonst; bis
in die erste spätminoische Zeit herrscht auch in der Keramik die Naturform 4). So
haben wir hier ein besonders frühes Umstilisieren naturalistischer Vorbilder. Der
Vergleich mit jenen sechseckigen Kästchen des V. Grabes lehrt, daß hier aus den
gegebenen Formen etwas Neues geschaffen ist, während sie dort willkürlich und daher
stillos umgedeutet waren. So wenig lebensfähig jener Versuch bleiben mußte, so
bedeutungsvoll sollte der neue Stil werden. Denn die Folgezeit, in der wir in der
Regel nur den Verfall zu sehen gewohnt sind, hat je länger desto mehr die Formen
in diesem Sinne ausgewählt und umgebildet und so eine ganz neue Phase der myke-
nischen Kunst geschaffen. Diese Entwicklung, auf die hier nicht näher eingegangen
werden kann, hat sich im wesentlichen auf dem Festlande abgespielt, aber es fehlt
auch in Kreta nicht an Ansätzen dazu. Zu ihnen darf man die eben besprochene
Einzelform zählen. Jedenfalls lassen sich die beiden Reliefs des III. Grabes nicht
mit irgendwelcher Sicherheit als festländische Erzeugnisse in Anspruch nehmen.
10. Ausgeschnittene Goldreliefs.
Eine ganze Reihe von Schmuckstücken der Schachtgräber sind aus Goldblech
als Reliefs hergestellt und dann ihren Umrissen entsprechend ausgeschnitten. Sie
gehören deshalb hierher.
Das prächtigste Stück der Reihe dient einer großen silbernenNadel als Schmuck
und stammt, wie die überwiegende Mehrzahl dieser Gruppe, aus dem III. Grabe
') Excavations at Phylakopi 120 Abb. 92, auch 3) z. B. Evans, Prehist. Tombs 158 Abb. 143.
bei Dussaud 2 103 Abb. 73. 4) Vase von Knossos BSA. X, 7 Abb. i; von Moch-
^) Nat.-Mus. Nr. 23. Schliemann, Myk. Nr. 303 los Maraghiannis, Ant. Cret. II Taf. XIV. Vgl.
(steht verkehrt I), besser Perrot-Chipiez VI 972 auch das Elfenbeinrelief von Palaikastro BSA.
Nr. 547. XI 285 Abb. 14 b.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
299
(Abb. 19) ^), Dargestellt ist eine Frau, die mit ausgebreiteten Armen an Blütenzweige
faßt, welche einem doppelten Volutenpaar hinter ihrem Kopfe entspringen und zu je
drei nach beiden Seiten symmetrisch herabfallen. Zugleich scheint sie eine zweifache
Girlande zu halten, die vor ihrem Schöße herabhängt, doch sind die Hände geöffnet,
so daß die Aktion nicht klar ist. So reizvoll die Darstellung ist, so viel Auffallendes
bietet sie bei näherer Be-
trachtung. Schon die beiden
sich nach oben einrollenden
Volutenpaare haben in der
älteren kretischen und myke-
nischen Kunst keine rechte
Analogie; später finden wir
dergleichen auf Cypern. Eben-
so sonderbar sind die dünnen
Zweige, die in fächerförmig
sich öffnende Blüten, also
Papyrusdolden, endigen, zu-
gleich aber an ihrer Außen-
seite einfache Blattreihen tra-
gen. Am ähnlichsten sind
ihnen die blühenden Zweige,
die auf dem eingelegten Silber-
becher des vierten Grabes in
Kübeln stecken, aber realis-
tischer an beiden Seiten mit
Blättern versehen sind 2) . Ganz
vereinzelt aber ist die Ver-
bindung mit glatten goldenen
Scheiben, deren eine unter
jeder der herabhängenden
Blüten schwebt. Die Frau
wendet ihren Kopf, von dem
langes offenes Haar herab -
wallt, nach links; der von
vorn gesehene Oberkörper ist
mit einem kurzen Jäckchen bekleidet, das den Busen freiläßt, eine Kette schmückt
den Hals. Dazu trägt sie den weiten, mit gleichmäßigen Volants verzierten Rock.
Diese Tracht ist dieselbe, die wir vom Ende der mittelminoischen Zeit ab bei vorneh-
men Frauen in Kreta finden und die auf dem Festlande zuerst auf einem gleich zu
Abb, 19, Goldrelief an silberner Nadel. III. Schachtgrab.
') Nat.-Mus. Nr. 75. Schliemann, Myk. Nr. 292;
Schuchhardt Nr. 195; Milani, Studi e materiali
I, 166; Tsountas-Manatt, Myc. age 173 Abb. 67.
Das untere Ende der Nadel ist auf allen Abbil-
dungen weggelassen, auf der unseren nur der
umgebogene Teil wiedergegeben, der beim Ge-
brauch allein sichtbar war.
2) AM. VIII 1883 Taf. I. Vgl. unten S. 313.
300
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
besprechenden kleinen Relief desselben Grabes, später dann immer häufiger erscheint.
Dagegen ist es sehr zweifelhaft, ob die Damen, die in den Schachtgräbern bestattet
sind, sich schon ebenso kleideten. Wir sind, da uns außer den beiden genannten
keine deutlichen Darstellungen zu Hilfe kommen, auf die Formen des Schmuckes
angewiesen. Gerade das III. Grab, aus dem ja unsere Nadel stammt, barg bekannt-
lich keine Männerleichen. Jeder der drei Frauen war ein Paar großer goldener Ohr-
ringe beigegeben '), die in Verbindung mit der kretischen Hoftracht, auch nach deren
Eindringen auf dem Festlande, sich nie nachweisen lassen 2). Zwei Paar, für wirk-
lichen Gebrauch massiv gearbeitet, sind im alten einheimischen Stile ausgeführt,
sie gehören also zweifellos zur vormykenischen Tracht. Nun wäre ja in einer Über-
gangszeit die Verbindung althergebrachten Schmuckes mit einer modernen Kleidung
gewiß denkbar, wenn nicht unsere Nadel selbst einen anderen Weg wiese. Die starke
silberne Nadel ist etwa 20 cm lang und an dem einen Ende so umgebogen, daß das
hier befestigte Goldrelief der Nadel parallel steht und mehrere Zentimeter Zwischen-
raum läßt 3). Diese Form, einer riesigen Schlipsnadel vergleichbar, ist äußerst unge-
eignet für Haarschmuck, da die Figur doch senkrecht zu stehen kommen muß. Das
gleiche gilt von den Nadeln mit großen Kristallknäufen desselben Grabes 4) : sie würden
bei dem großen Gewicht ihres einen Endes gewiß aus lockerem Haar herausgefallen
sein 5). So gehören die Nadeln zu den Gewändern, aber sie finden an der genähten
kretischen Hoftracht keinen Platz. Wir haben uns also die bestatteten Frauen wohl
in einer anderen Tracht zu denken, die analog dem späteren Peplos zugesteckt wurde,
nicht aber in der des auf der Nadel dargestellten Mädchens ^).
Da also die Nadel in ihrem Schmuck keinerlei alteinheimische Elemente auf-
weist, andererseits aber in ihrer Form einer noch unbeeinflußten Tracht angehört,
erscheint sie als ein Übergangsstück, das entweder am fremden Ort für den mykenischen
Bedarf, oder aber in Mykene selbst von fremd geschulten Arbeitern, vielleicht auch
mit Hilfe einer importierten Form ausgeführt ist. Die zweite Möglichkeit ist wohl
die wahrscheinlichere. Andererseits stimmt zwar die Tracht der dargestellten Frau mit
der aus kretischen Denkmälern bekannten überein; wir dürfen aber nicht vergessen,
daß eine Anzahl ornamentaler Motive nicht aus derselben Quelle hergeleitet werden
I) Schliemann Nr. 293, 295, 296; Schuchhardt
Nr. 192 — 194.
^) Diese Beobachtung verdanke ich G. Karo.
3) Die Nadel hat eine Längsrille (Staus ^ S. 24),
wohl um sich weniger leicht zu drehen.
4) Schliemann Nr. 308, 309.
5) Eine wirkliche Haarnadel scheint die nur ii'/j
cm lange Goldnadel von Isopata zu sein, Evans,
Prehist. Tombs*!i5i Abb. 129.
(>) Dafür sprechen * auch die zahlreichen Nadeln,
die in wirklicher Ausführung oder in Nach-
bildung für den Grabschmuck den drei Frauen
beigegeben waren und die später (S. 306 ff.) zu
besprechen sind. Wenn unsere Schlüsse richtig
sind, so darf man vermuten, daß die festländi-
sche Frauentracht vor der mykenischen Zeit ähn-
lich gewesen sei, wie nach ihr, allerdings gehörte
neben einer Anzahl kleinerer Nadeln nur eine
große dazu, nicht zwei Ttepo'vat. Analog trugen
die Männer eine Art Chiton, wie durch die Fres-
ken von Tiryns jetzt feststeht (Rodenwaldt,
Tiryns II S. 7). Nichtkretisch ist die Tracht
der Frau auf der Kriegervase (Furtwängler-
Loeschcke, Myk. Vasen Taf. 52), ebenso die
der zahllosen Tonidolc, deren beide Haupttypen
Winter, Typenkatalog I, 2, i — 3 abbildet. Bei
ihnen wird man am ehesten Ärmelchitone an-
nehmen. Vgl. Amelung bei Pauly-Wissowa III
2327 s. V. ^fiT^v mit älterer Literatur, dazu
Rodenwaldt a. a. 0. 7 Anm. 6.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 3OI
können. Es ist also offenbar ein dritter Ort zur Vermittlung, sei es der Form oder
des Reliefs selbst, anzunehmen.
Hinter dieser Prachtnadel stehen die übrigen Schmuckstücke der Reihe in
der Sorgfalt der Ausführung meist weit zurück. Für sie kann die Herstellung mittels
Formen als sicher gelten, da sie fast alle in mehreren Exemplaren zusammen-
gefunden sind. Oft ist derselbe Typus in verschiedener Weise verwendet worden.
Die Stücke gehören z. T. paarweise zusammen (in mehreren Fällen haften sie noch
aneinander) oder waren auf der Rückseite mit einem glatten Goldblech gedeckt.
So dienten sie, je nach ihrer Gestalt, als Nadelköpfe oder, durchbohrt, als Anhänger.
Andere Exemplare sind hinten nicht verkleidet; sie zeigen entweder kleine Löcher
zum Aufheften offenbar auf Gewänder, oder haben keinerlei Befestigungsspuren,
so daß sie auf irgendeine Unterlage aufgeklebt gewesen sein müssen.
Inhaltlich von besonderem Interesse sind die Typen, die mit dem Kult zusam-
menhängen. Da ist zunächst die bekleidete Göttin zu nennen (Abb. 20 c. d) i).
Streng symmetrisch von vorn dargestellt, scheint sie in halber Kniebeuge zu stehen,
denn auf einem unsichtbaren Sitz thronend ist sie doch kaum gedacht. Diese kau-
ernde Stellung kehrt, freihch deutlicher, auf Siegeln von Zakro wieder 2). Sie hält
beide Hände vor die Brust. Bekleidet ist sie mit Jäckchen und Volantrock, also nach
kretischer Weise 3).
Wir kennen den Typus der die Brüste fassenden Göttin in einer ganzen Reihe
von Exemplaren sowohl aus Kreta 4) wie vom Festland. Auch die Sitte, das Bild
der Gottheit in kleinem Relief auf das Gewand zu heften, läßt sich in Kreta nach-
weisen, wenn auch m. W. nicht früh 5); auf dem Festlande stehen unsere Reliefs
an der Spitze einer ganzen Reihe von Amuletten, welche dieselbe Göttin im gleichen
Gestus teils bekleidet, teils nackt zeigen 6). Mit Ausnahme des gleich zu besprechenden
Typus der Taubengöttin hält diese Reihe die Vorderansicht auch für den Kopf fest,
die uns in der Reliefkunst hier zum ersten Male begegnet. Es liegt nahe, dies auf den
Einfluß rundplastischer Idole zurückzuführen; ausgeschnittene Reliefs wie diese
können als Ersatz für plastische Figürchen gelten. Die Glyptik, in der gleichfalls
Köpfe von vorn gesehen vorkommen 7), wird niemand als Vorbild ansehen wollen.
0 Nat.-Mus. Nr. 36. Zwei Exemplare zum Auf- 5) Evans, Prehist. Tombs 85 Abb. 95 Nr. 97 a.
nähen. SchliemannNr. 273; Schuchhardt Nr. 190. 6) Athen Nat.-Mus. 2946 (Stais, Guide* 86, aus
^) JHSt. XXII 1902 Taf. Vl20und 21, VII 43 u.a. Mykene, Grab 68),'Ecp. ipy. 1887, t:{v. 13, 23.24;
3) Die doppelte Biegung der Volants und beson- 1888, tt^v. 8, 9 (Mykene, Grab 2). Nat.-Mus.
ders des unteren Rockabschlusses, der natür- 2511 (Stais* iio) und das sehr ähnliche Amu-
lich stets gerade war, soll die Rundung des wei- lett von Alt-Pylos AM. XXXIV 1909 Taf. 12,6
ten Rockes über jedem Bein veranschaulichen zeigen die Göttin nackt wie die Taubengöttin,
und die Füße sichtbar machen. Ähnliche Sti- Unbekannter Herkunft (nicht aus Sardinien)
lisierung ist nicht selten, besonders entsprechend ist das bekleidete Idol des Brit. Mus., Marshall,
auf zwei der eben angeführten Siegel von Zakro. Cat. of Jewelry 803 Taf. 8, Furtwängler-Loeschcke,
4) Zusammengestellt von H. Prinz, AM. XXXV Myk. Vasen Text S. 48 Abb. 27.
1910, 155. Als früheres Beispiel ist ein Siegel 7) Siegelabdrücke aus Zakro JHSt. XXII 1902
von Zakro hinzuzufügen, JHSt. XXII 1902 Nr. 76 u. 78; Karneol aus der Nekropole von
Taf. 6, 24, wo das Motiv einem der willkürlich PhaistosMon.Linc.XIVTaf. IV9 Sp. 622 Abb.96;
gebildeten Fabelwesen gegeben ist. Siegel aus Knossos Candia, Museum Nr. 116.
302
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
Die Arbeit dieser beiden Reliefs ist sehr gering, was weniger von den Abdrücken
als von der Form gilt, aus der sie gepreßt sind. Sehr roh sind die Buckellöckchen,
die die Stirn umrahmen; ungeschickt ist die Andeutung der Volants, vor allem aber
ist das Motiv des Kauerns unklar wiedergegeben.
Nicht weniger roh gearbeitet ist die Gott in mit den Tauben (Abb. 20 a. b) ^).
Sic ist nackt dargestellt, die Füße wie der Kopf nach links, der Oberkörper von vorn; die
Hände fassen wiederum an die
Brust. Auffallend ist, daß neben
den kurzen, plump angedeuteten
Buckellöckchen im Nacken kein
Schopf erscheint: es ist die Haar-
tracht der Frauen auf den
Spiegelgriffen ^), die mir sonst
nicht bekannt ist. Eines der
beiden Exemplare zeigt über
ihrem Kopfe nur eine nach links
fliegende Taube, es war mit sechs
Löchern auf Stoff geheftet. Bei
dem anderen haften an ihren
Oberarmen zwei weitere Tauben,
die von der Göttin wegflattern.
Sie sind recht ungeschickt ange-
fügt, nur die Symmetrie hält das
Ganze zusammen. Dies Stück
war nicht aufgenäht 3), sondern
ist an der Rückseite mit einem
zweiten Goldblech gedeckt, das
auffallenderweise nochmals die
Vorderansicht der Figur zeigt,
natürlich im Gegensinn, und
viel gröber ausgeführt ist, offen-
bar ohne die Hilfe einer Form. Das Ganze hat, wie Stai's mit Recht annimmt, das
stumpfe Ende einer Nadel geziert, an die es mit zwei goldenen Knöpfen geheftet war.
Auch die Göttin mit den Tauben kennen wir aus Kreta; wie Prinz richtig aus-
geführt hat, ist es dieselbe wie die eben besprochene, schon der gleiche Gestus ver-
bürgt das 4). Die völlige Nacktheit ist im kretisch -mykenischen Kreise sehr selten.
Abb. 20. Idole. Goldbleche aus dem III. Schachtgrab.
') Nat.-Mus. Nr. 27 (bei Sta'is ^ S. 17, 18 von beiden
Seiten abgebildet) und 28. Schliemann Nr. 267,
268; Schuchhardt Nr. 189. 188. Vgl. Walter
Müller, Nacktheit und Entblößung 71.
*) Tsountas-Manatt, Myc. age 186 ff. Abb. 82 — 84
(Perrot VI 816 Abb. 386—388).
3) So sagt versehentlich Prinz, AM. XXXV 1910,
156. Schliemann S. 210 erwähnt die Rückseite
nicht.
4) Prinz a. a. 0. 156, 172. Seine übrigen Folgerun-
gen werden sich erst beurteilen lassen, wenn
wir die Religionen dieser dunklen Zeit etwas
näher kennen.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
303
Aus Kreta selbst ist mir nur das späte sitzende Tonidol aus H. Triada bekannt sowie
ein gleichfalls spätes und rohes Rhyton aus Gurnia, das wegen des adorierenden
Gestus gewiß nicht die Göttin selbst darstellt, ja es ist mir zweifelhaft, ob man dies
Rhyton überhaupt mit dem Kult in Zusammenhang bringen und nicht — trotz des
Gestus — für einen Scherz halten darf^). Festländisch ist außer den S. 301 Anm. 6
genannten Amuletten eine Terrakotte in Berlin 2). An unseren Taubengöttinnen
fällt die stark betonte Scham auf, die freilich auf Schliemanns Abbildungen unter-
drückt ist, und der ganze Typus hat etwas Fremdartiges, das Walter Müller an einen
Zusammenhang mit den Inselidolen denken ließ 3), die gewiß zum Teil als Göttinnen
aufzufassen sind. Die Frage scheint mir einstweilen nicht zu entscheiden. Denn
wenn auch der zäh festgehaltene Typus
in Frontansicht, nur durch den Rock
bereichert und im Gestus deutlicher, mit
den alten Idolen vereinbar wäre und die
Göttin mit den Tauben sich als eine
Umgestaltung erklären ließe, so bleibt
doch zu beachten, daß die Zahl der
Inselidole in der jüngeren Periode der
ägeischen Kunst wesentlich abzunehmen
scheint 4). Zudem sind die Beispiele
vom Festland recht selten 5), und keines
läßt sich in unmittelbar vormykenische
Zeit datieren. Um so deutlicher ist
ein anderer Faktor, das kretische Ele-
ment. In einem Falle weist der Volant -
rock den Weg, im anderen sind es die
Tauben, wenn auch diese nicht direkt.
Unleugbar besteht der engste Zu-
sammenhang zwischen der Taubengöttin
und dem Kultbau mit den Tauben
(Abb. 21), von dem zwei Exemplare in
demselben III. Grab, drei weitere im
IV. gefunden sind ^). Die Arbeit ist völlig identisch mit der der eben be-
sprochenen Stücke. Die ganze Form des Baus mit den heiligen Hörnern hat die
nächste, längst als solche erkannte Analogie in dem bekannten Miniaturfresko von
Abb. 21.
Kultbau. Goldblech aus dem
III. Schachtgrab.
0 H. Triada: Mon. Line. XIII 71 Abb. 55 b, Taf.
II, I (ohne Angabe der Scham); Gurnia: Boyd-
Hawes, GourniaTaf. X ii,Maraghiannis, Antiqu.
Cret. II Taf. 29, vgl. Karo, Arch. Jahrb. XXVI
191 1, 265 Anm. i.
») Winter, Typenkatalog I S. 2 Nr. 3 k, W. Müller,
Nacktheit und Entblößung 71 Taf. V 4.
3) W. Müller a. a. 0. 63. 72.
4) Tsundas, 'Ecp. A^y. 1899, 100.
5) Wolters, AM. XVI 1891, 52.
6) Nat. -Mus. Nr. 26, 242 — 244. Alle fünf zum Auf-
nähen. Schliemann Nr. 423, Schuchhardt* Nr.
191, oft wiederholt, z. B. Perrot-Chipiez VI 337
Abb. iii;Evans, JHSt. XXI1901, 191; Dussaud *
336 Abb. 244.
^04 ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
Knossos. Dieses gibt zugleich einen Begriff von der Größe eines solchen Bauwerks,
die über einen einfachen Altar hinausgeht, Evans glaubt, aus freilich schwachen
Spuren einen entsprechenden Kultbau an der Westseite des großen Hofes von Knossos
erschließen zu können i). Beachtenswert ist das 'Metopen' -Ornament, das in der
Überhöhung des Mittelbaus der dreiteiligen Anlage erscheint. Es wird durch doppelte
Halbkreise gebildet, die rechts und links am Rahmen haften, stellt also zwei Halb-
rosetten dar 2). Ohne Zweifel ist das Ornament durch Anlehnung zweier Halbrosetten
an ein senkrechtes GHed entstanden, das die beiden Hälften trennt und zugleich zu-
sammenhält 3). Indessen hat man Reihungen dieses Ornaments offenbar schon früh
entgegen seinem eigentlichen Sinn zerlegt, wie hier, so in Kreta 4), Der Kultbau
ist also durchaus kretisch, und mit ihm werden die Tauben dieses Reliefs wie der
nackten Göttin aus Kreta gekommen sein. Trotzdem möchte ich die ReHefs selbst
am gleichen Orte hergestellt denken wie die Taubengöttinnen. Die beiden Tauben
am Kultbau sind nämlich den von der Göttin Abb. 20 a wegflatternden in allen Einzel-
heiten so ähnlich, daß sie aus der gleichen Form stammen dürften; allem Anschein
nach ist also die Form des Kultbaus benutzt worden, um die Göttin Abb. 20 b um
zwei weitere heilige Vögel zu bereichern.
Die Form des Kultbaureliefs könnte also wohl aus Kreta stammen; die beiden
Göttinnen aber enthalten trotz enger Beziehungen zu Kreta Elemente, die in diesem
Kreis befremden. Auch wenn man die geringe Arbeit in Rechnung zieht, bleibt doch
die Stilisierung besonders des Haares bei beiden so roh, daß ich sie nicht wie die Silber-
nadel beurteilen, sondern auf dem Festlande selbst entstanden denken möchte. Unter
diesem Gesichtspunkte betrachtet, würden die an sich so unerfreulichen Reliefs doch
bezeugen, daß ein Teil der Goldarbeiter dem fremden Stil beträchtlich näher ge-
kommen war als die Verfertiger der Stelen.
Die übrigen ausgeschnittenen Goldreliefs zerfallen deutlich in zwei Gruppen,
deren eine ein Streben nach möglichst geschlossenem Umriß des Schmuckstücks
verrät, während bei der zweiten die Vorbilder in freier malerischer Auffassung wieder-
gegeben sind.
Zur ersten Gruppe gehört zunächst eine Anzahl einzelner Tiere. Unter
ihnen Tintenfische in zwei Typen, beide mit acht symmetrisch geordneten Fang-
') Das Fresko zuerst publiziert von Evans, JHSt. Form erscheint es z. B. auf dem eben Anm. l
XXI 1901 Taf. 5, neuerdings durch das ebda. angeführten knossischen Fresko; 'Ecp. dp/. 1888
136 Abb. 18 abgebildete Fragment vervoll- Taf. 8, ii = Perrot VI 547 Abb. 226 (doppelt);
ständigt, Journ. Roy. Inst. Brit. Arch. XVIII ' Glaspaste aus Menidi (Taf. 3, 24) ebda. 548
191 1 Fig. I zu S. 290. Hier auch der Plan (S. Abb. 228.
293) und die Rekonstruktion des knossischen *) Bulle, Orchomenos I S. 73. Zu den von ihm
Bauwerks. besprochenen Denkmälern ist hinzuzufügen Fyfe,
^) Dadurch wird die Interpretation als Kultbasis Journ. Roy. Inst. Brit. Arch. X 1902, 126 ff.
mit Trochilus zwischen zwei Platten ausge- Taf. 2, 5; auch der Alabasterfries von Tiryns
schlössen, die verdoppelt unter den Füßen der beginnt mit 'Triglyphe' und Halbrosette (Schlie-
Wächter des Löwentores und sonst oft erscheint. mann, Tiryns Taf. 4), ebenso der entsprechende
^) So erklärt das Ornament zuerst Dörpfeld bei knossische Fries aus rotem Stein, wenn mich
Schliemann, Tiryns 326. In der ursprünglichen die Abbildung nicht täuscht (ESA. VH 55
Abb. 16).
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
305
armen, die bei dem einen (Abb. 23 a) ^) in der üblichen Weise ausgebreitet
sind, bei dem zweiten (Abb. 23 b) 2) am Körper anliegen und sich nur an ihren Enden
aufrollen. Diese singulare Form erweckt den Eindruck, als schieße das Tier durch
das Wasser. In der Tat waren diese Reliefs als Anhänger in der Achse des sackför-
Abb. 22. Goldscheiben aus dem III. Schachtgrab (vgl. S. 293).
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Abb. 23. Tintenfische und Schmetterling aus dem III. Schachtgrab.
Abb. 24. Tintenfische aus dem IV. und III. Schachtgrab.
migen Körpers durchbohrt, so daß sie an der Schnur zu schwimmen schienen. Die
Vertreter des ersten Typus waren teils aufgenäht, teils ebenfalls als Anhänger auf-
gereiht, merkwürdigerweise so, daß sie mit dem Kopfe nach unten hingen.
Einen weiteren Typus von Anhängern repräsentieren die Schmetterlinge
') Nat.-Mus. Nr. 39. Schliemann Nr. 270.
*) Nat.-Mus. Nr. 40. Schliemann Nr. 271.
2o6 K. Müller, Frührnykenische Reliefs.
(Abb. 23 c) mit ausgebreiteten gezackten Flügeln, auf denen ein Punktkreis
das Auge des Falters andeutet i). Genau die gleiche Stilisierung haben kretische
Schmetterlingsflügel auf Siegeln und sonst ^), Über den seitwärts gestreckten Füh-
lern liegt ein gedrehter Stab, gleichsam ein Teil der Kette, an die das Schmuckstück
angereiht werden sollte. In Wirklichkeit war aber weder die Rückseite ausgeführt
noch dieser Stab seitlich durchbohrt, sondern mit zwei Löchern von oben auf seine
Unterlage befestigt. Genau so war die sitzende Sphinx (Abb. 25 a) angebracht 3),
die trotz der flüchtigen Ausführung die bereits fertige mykenische Ausgestaltung
dieses Fabelwesens erkennen läßt.
Diese Scheinanhänger lassen vermuten, daß auch die folgenden Schmuck-
stücke in Form von Gehängen aufgenäht waren, obwohl ihnen die stabartige Öse
ebenso fehlt wie den Tintenfischen. Zu ihnen gehört der liegende Greif mit zurück-
gewandtem Kopf (Abb. 25 b) 4) . Auch er zeigt den mykenischen Typus völlig
ausgebildet. Der Flügel ist halb geöffnet, so daß er den Leib überschneidet, ein selte-
nes Motiv, das an dem Spiegelgriff von Enkomi wiederkehrt 5). Sehr viel weniger
geglückt ist das laufende Tier (Hund.'' Abb. 25 c) ^) mit zurückgewandtem
spitzem Kopf und buschigem Schweif; Punkte deuten das Fell an, die Beine sind viel
zu kurz geraten. Das liegende Tier (Abb. 25 d) 7) dagegen erweist sich durch
seinen sonderbar gefurchten Körper als grobe Arbeit eines Mannes, dem der neue
Stil recht ferngeblieben war. Der quergeriefelte Stab, auf dem es liegt, ist vielleicht
nichts anderes als die arg mißverstandene Ose von Anhängern, wie sie die Schmetter-
linge oder Sphingen haben; jedenfalls kommt bei derartigen Schmuckstücken sonst
nie eine Andeutung des Bodens vor.
Neben diesen Einzeltieren finden wir eine ganze Anzahl wappenartiger Ver-
doppelungen. Da sind Wasser vögel (Abb. 25 e) ^), die ihre langschnäbeligen
Köpfe gegeneinanderlegen, ferner Adler in drei Typen, die verschieden verwendet
wurden. Sie wenden alle die Köpfe zurück; beachtenswert ist die Spirale am Hals,
wie beim Greifen. Die einen, die als wirkliche Kettenglieder mit glatter Rückseite
versehen sind und aus dem V. Grabe stammen, haben die Flügel halb geöffnet (Abb.
25 f) 9). Andere, wieder aus dem HL Grabe, sind von geringer Arbeit und waren auf-
geheftet (Abb. 25 1) 1°); sie stellen im wesentlichen eine Vereinfachung des vorher-
gehenden Typus dar. Ein weiteres Adlerpaar sitzt mit geschlossenen punktierten
Flügeln auf einer Art Blütenkelch (Abb. 25 k) "). Das einzige Exemplar ist
') Nat.-Mus. Nr. 51. Schliemann Nr. 275. Blüten (Schliemann Nr. 278) waren entsprechend
*) Siegel von Zakro JHSt. XXII 1902, 83 Abb. 19. aufgenäht.
u. Taf. 8, 74; schöner Abdruck aus Knossos in 4) Nat.-Mus. Nr. 47. Schliemann Nr. 261.
Candia, Mus., unpubliziert. Besonders ähnlich 5) Excavations in Cyprus Taf. 2, 872 A vgl. 883,
und sehr schön ist der Falter auf einem Beil Jahrb. XXVI, 191 1, 223.
aus Phaistos, Memorie dei Lincei 5. ser. XII ^) Nat.-Mus. Nr. 41. Schliemann Nr. 280.
(1906) 502 = Taf . 2, II (Mosso). 7) Nat.-Mus. Nr. 42. Schhemann Nr. 269.
3) Nat.-Mus. Nr. 48. Schliemann Nr. 277. 6Exem- *) Nat.-Mus. Nr. 43. Schliemann Nr. 279.
plare, davon 4 zum Aufnähen, die beiden anderen 9) Nat.-Mus. Nr. 689. Schliemann Nr. 480.
ohne Löcher. Auch die schon S. 298 erwähnten 'o) Nat.-Mus. Nr. 44. Schliemann Nr. 276.
") Nat.-Mus. Nr. 60. Schliemann Nr. 274.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
307
doppelt und bildete den Kopf einer Nadel, die also als Stengel der Blüte aufge-
faßt war.
Klarer ist die Verbindung bei zwei weiteren Arten von Nadelköpfen charakteri-
siert. Hier war die Nadel gleichsam der Stamm einer Palme, deren drei Blätter sich
Abb. 25. Goldene Schmuckstücke aus dem III. (a — e, g — 1) und V. Schachtgrab (f).
symmetrisch entfalten ^). Auf ihnen liegen zwei Hirsche — nach dem gepunkteten
Fell Damhirsche — gegeneinander; die einander berührenden Geweihe der zurück-
gewendeten Köpfe bilden einen trefflichen Abschluß (Abb. 25 g. h) a). Zwei der
') Dasselbe Motiv ist später an den elfenbeinernen *) Nat.-Mus. Nr. 45. 46. Schliemann Nr. 265; seine
SpiegelgiifEen beliebt, z. B. Tsountas-Manatt Abbildung Nr. 264 erweckt den falschen Anschein,
186 ff. Abb. 82 — 84, Evans, Prehist. tombs 64 als kreuzten sich die Hälse der Hirsche. Über
Abb. 69. den Damhirsch vgl. Rodenwaldt, Tiryns II, 151.
208 ^- Müller, Frühmykenische Reliefs.
zwölf Exemplare haften zusammen und hielten bei der Auffin'dung noch ein Stück
der silbernen Nadel, die ursprünglich gewiß länger war als die jetzt eingesetzte;
andere freilich haben kleine Löcher wie zum Annähen. Im anderen Falle sitzen
katzenartige, gleichfalls punktierte Tiere mit buschigen Schweifen auf der Palm-
krone (Abb.25i) I). Es sind dieselben Tiere wie auf der schönen Nildolchklinge, sicher
keine Löwen. Die erhobenen Köpfe berühren sich mit den Schnauzen, so daß auch hier
ein günstiger Abschluß erreicht ist. Man möchte die acht gefundenen Exemplare,
die alle mit kleinen Löchern versehen sind, gewiß gern zu vier Nadelköpfen vereinigen,
wie man auch die anderen symmetrisch komponierten Schmuckbleche paarweise
zu verbinden geneigt sein wird. Schon Schliemann hat vermutet, daß dies durch
kleine in die Löcher gesteckte Nägelchen geschehen sei. Indessen zeigt keines der
doppelseitigen die kleinen Löcher am Rande ^), vielmehr sind stets die beiden Hälften
durch Umbiegen der Ränder aneinander befestigt, gelegentlich hat vielleicht Lötung»
nachgeholfen. Aber selbst wenn man Ausnahmen von dieser Regel konstruieren
will, kommt man wegen der ungleichen Zahl der Löcher nicht aus 3). So muß man
also annehmen, daß wenigstens ein Teil von ihnen auf eine andere Grundlage, am
ehesten das Gewand, aufgeheftet war. Während man sich nun Kettenglieder wenig-
stens bei einem noch halbbarbarischen Volke zur Not auch im Leben auf die Gewan-
dung genäht denken kann, ist das doch bei den Scheinnadeln ausgeschlossen. Sie
sind also sicher Grabschmuck, und auch für die übrigen aufgenähten Zierate wird
man das annehmen. Das ist für die Beurteilung nicht belanglos.
Der ganze Reichtum an Motiven ist klar 'mykenisch' und steht mit der alt-
einheimischen Kunst nicht in Zusammenhang; die Motive sind also importiert. Da-
gegen sind ja die für den Totenschmuck einseitig gearbeiteten Zierate gewissermaßen
unfertige Schmuckstücke; es ist doch weniger wahrscheinlich, daß man sie in dieser
Form von auswärts bezog 4), als daß man sie sei es von fremden Arbeitern im Lande
oder auch in importierten Formen herstellen ließ; ja selbst die Formen könnten
im Lande gefertigt sein, was für das liegende Tier (oben S. 306) gewiß angenommen
werden darf 5). Die Technik des Treibens steht in den sicher einheimischen Reliefs der
sechseckigen Kästchen ja auf derselben Stufe; wenig jüngere Formsteine, von denen
der eine mit dem Adler (Schliemann Nr. 163) besonders nahe steht, sind bekannt-
lich in Mykene gefunden worden.
') Nat.-Mus. Nr. 50. Schliemann Nr. 266. Wissens nirgends vor. Karo hat auf meine Bitte
^) Schliemann S. 213 behauptet dies von den die Freundlichkeit gehabt, bei einer Bereisung
doppelten Adlern irrtümlich: sie haben ein Loch Etruriens auf diese Frage zu achten; er bestätigt
in der Mitte, mit dem die Nadel befestigt war. ihr Fehlen in den dortigen Gräbern.
Es sei hier bemerkt, daß Schliemanns Angaben 5) Hierbei sei auch auf den hegenden Löwen, Nat.-
in diesen Einzelheiten mehrfach ungenau sind; Mus. Nr. 32, Schliemann Nr. 263, hingewiesen,
jedesmal darauf hinzuweisen, schien mir hier der auf gleiche Weise hergestellt, aber nicht als
überflüssig. Relief gemeint ist. Man vergleiche seinen voU-
3) Von den Katzen haben vier je zwei kleine Löcher, kommen zur Spirale gewordenen Schweif mit
drei haben fünf und eine nur drei. dem viel natürlicheren seines, nahen kretischen
4) Sicher importierte Grabware kommt meines Verwandten, Mon. Line. XIV 734 Abb. 30,
Maraghiannis, Ant. Cröt. I Taf. 18.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
309
Abb. 26. Laufender Greif aus dem III. Schachtgrab.
Die Typen entsprechen im ganzen dem, was wir von gleichzeitiger kretischer
Kunst wissen. Sphinx und Greif tauchen etwa um dieselbe Zeit in Kreta auf; Tinten-
fische und Schmetterlinge finden wir dort wieder, auch das wappenartige Schema
ist durch Gemmen und Siegel reichlich belegt. Für anderes freilich fehlen dort ent-
sprechende Beispiele; so die Form der Nadel mit großem, flach verziertem Kopf.
Das kann freilich Zufall sein; da aber dieser Typus nur im III. Grab, das auch
die großen Gewandnadeln enthielt, nachweisbar ist, wird man ihn mit der aus diesen
erschlossenen Frauentracht zusammenbringen, die aus Kreta nicht bekannt ist.
In einem gewissen Gegen -
satze zu den eben besprochenen
ausgeschnittenen Reliefs steht die
zweite Gruppe.
Auch zu ihr gehören zwei
Typen von Tintenfischen, die
beide nur sieben Arme haben. Der,
eine, in Abb. 24 b zum ersten Male
wiedergegeben, läßt sich etwa von
einem Rechteck umschreiben, das
fast dreimal so lang als breit ist.
Rechts wie links von dem kleinen
Körper, doch ohne ihn zu berühren, ging je ein Arm nach abwärts ^), die
übrigen fünf sind völlig unsymmetrisch nach oben gerichtet, so daß sich neben
dem stark eingerollten über der Mitte des Körpers auf der einen Seite drei
befinden, während auf der anderen nur einer ganz gerade ausgestreckt ist. Der
zweite Typus, von dem nicht weniger als 57 Stück im IV. Grabe gefunden wurden
(Abb. 24a) ^), hat wenigstens die Arme in gleicher Anzahl auf beide Körperseiten
verteilt; in der Bewegung ist die Symmetrie sorgsam vermieden. Daher wirkt
das Tier trotz der übertriebenen Saugwarzen frisch und lebendig, ganz anders als die
streng stihsierten Anhänger der ersten Gruppe. Wir werden hier unwillkürlich an
die schönen Seebilder der besten spätminoischen Zeit erinnert.
Gleichfalls hierher möchte ich den nach links laufenden Greif des III. Grabes
rechnen (Abb. 26) 3). Er hat durchaus den Typus des Schmuckstücks Abb. 25 b.
Aber während dort alles daran gewendet war, dem Tier einen möglichst geschlossenen
Umriß zu geben, ist es hier in freier Bewegung dargestellt. Der schöne Schwung des
dahineilenden Fabelwesens wird verstärkt durch den breit geöffneten Flügel und den
langgestreckten Schweif. Das ganze ist durchaus 'mykenisch', als besonders nahe-
stehend ist die Klinge des V. Grabes Perrot VI S. 781 Nr. 368 anzuführen.
Viel weiter noch geht die Darstellung von Löwen auf der Stierjagd (Abb.
27) 4). Hier ist eine ganze Gruppe in ReHef übertragen: ein nach rechts fliehender Stier
') Der eine ist bei beiden Exemplaren abge-
brochen.
*) Nat.-Mus. Nr. 386. Schliemann Nr. 424.
3) Nat.-Mus. Nr. 29. Schliemann Nr. 272.
Jahrbuch des archüolog-ischen Instituts. XXX.
4) Reste von mehreren Exemplaren aus dem III.
Grab. Nat.-Mus. Nr. 119. 120. Rodenwaldt,
Tiryns II 130 Abb. 56. — In Abb. 27 ist mit dem
Hauptstück ein Rest einer Wiederholung ver-
310
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
Abb. 27. Löwen auf der Stierjagd. Aus dem 111. Schachtgrab.
wird von einem Löwen gestellt, der ihn von vorn anspringt und in den gebeugten Nacken
beißt, während gleichzeitig zwei andere dem Stier auf den Rücken und auf die Hinter-
beine springen. Hinter dem letzteren ragen zwei Palmen empor, von denen die eine
genau dem Nadelkopf mit den Katzen entspricht, die andere hat fünf Blätter. Mit
Ausnahme des ersten Löwen sind die Tiere alle im üblichen Laufschema dargestellt.
Dem Relief fehlt jede tektonische Geschlossenheit, es ist vollkommen ein Ausschnitt
aus einem Bilde freier Komposition und nur als Nachbildung eines solchen zu ver-
stehen, schon allein wegen der Landschaft. Ein ganz entsprechendes Gemälde, zu
dem Rodenwaldt dies Relief verglichen hat, besitzen wir in den von Hunden gehetzten
Ebern des jüngeren Palastes von Tiryns ^).
Die zuletzt besprochenen Typen haben eine Äußerlichkeit gemeinsam: es fehlen
ihnen die Löcher zum Anheften. Sie dürften also aufgeklebt gewesen sein, wie schon
Schliemann annimmt. Den Hintergrund möchte man sich dabei lieber starr denken,
nicht als beweglichen Stoff, auf dem die abstehenden Teile sehr leicht abgebrochen
wären. Wichtiger aber ist eine innere Gemeinschaft: während die erste Gruppe
von Schmuckstücken Symmetrie oder doch Geschlossenheit des Umrisses zeigt, fühlen
wir hier klar und deutlich den Einfluß der freien Malerei, den wir ja auch als
wesentliches Element der kretischen Reliefkunst kennen gelernt haben. Damit soll
jene erste Gruppe natürlich nicht als einheimisch festländische Erfindung bezeichnet
werden. Gewiß hängt ihr strengerer Stil wenigstens zum Teil mit der Verwendung
ihrer Vertreter als Kettenglieder oder Nadelköpfe zusammen. Die technische Aus-
führung ist gerade bei der zweiten Gruppe keineswegs sorgfältig, auch nicht bei der
einigt, außerdem ein Bruchstück mit anspringen- wie auf dem Entendolch und den Nadelköpfen
dem 'Panther', demselben gefleckten Katzen tier (vgl. oben S. 308).
') Tiryns II Taf. 13.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
311
anspruchsvollen Stierjagd; daß aber wenigstens die Formen importiert sind, wird
man gewiß annehmen dürfen.
II, Goldbecher und Prunkwaffen.
Aus der Zahl der Goldgefäße, an denen die Schachtgräber so besonders reich
sind, müssen hier zwei wegen ihrer figürlichen Reliefs herangezogen werden.
Das eine ist eine einhenkelige Tasse aus dünnem Goldblech, zweifellos als Grab-
gerät gearbeitet (Abb. 28) ') Ihre Form weicht von der derVaphiobecher darin ab, daß
sie sich oben ziemlich stark erweitert und ein kräftiger, dreiteiliger Wulst die Fläche
in zwei gleichbreite Streifen gliedert. Auf beiden sind in sehr flachem Relief Delphine
dargestellt; von oben hängen Felsen herab. Gruppen von je zwei leichtgekrümmten
Abb. 28. Goldene Tasse aus dem III. Schachtgrab.
Nach Gilliefons Reproduktion.
parallelen Linien mit Punkten dazwischen scheinen das Wasser anzudeuten. Die
Arbeit ist sehr grob; durch die derb eingetieften Umrisse macht das Ganze mehr den
Eindruck einer Zeichnung als eines Reliefs. Natürlich sind auch die Vorbilder in der
Malerei zu suchen, ich brauche nur an das Fischfresko von Knossos 2) zu erinnern
oder an die fliegenden Fische von Phylakopi 3). Als Grabgerät ist der Becher gewiß
an Ort und Stelle entstanden zu denken. Für die Herkunft der Vorbilder haben wir
einen gewissen Anhalt in der Form mit dem wulstigen Ring. Sie kommt in Kreta
bisher nicht vor, während sie nicht nur in der frühmykenischen Keramik des Fest-
landes häufig ist, sondern auch gerade unter den Goldvasen der Schachtgräber mehr-
fach wiederkehrt 4). Eine von ihnen hat das reiche Spiralmuster, das gut zu ein-
^) Winter, Kunstgesch. in Bildern ^ 87, 15; Dussaud*
80 Abb. 57. Hier ist auch das Wasser ähnlich,
freilich weniger grob, bezeichnet.
3) Excav. at Phylakopi Taf. 3; Winter a. a. 0.
85, 10.
') Aus dem III. Grabe. Nat.-Mus. Nr. 73. Schlie-
mann Nr. 317 ; Schuchhardt Nr. 206 ; Katalog
der Geislinger Metallwarenfabrik Nr. 11 auf
Taf. 7, daraus unsere Abb. 28 entlehnt. Vgl.
Arch. Anz. 1903, 158 (Karo).
4) Vgl. AM. XXXIV 1910, 322.
312
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
heimischen Arbeiten paßt ^), andere weisen ein eigentümliches Spitz- oder Rund-
bogensystem auf 2), das recht wenig kretisch anmutet. Nun ist die Tasse mitMittel-
wulst nichts als eine Abart der seit f rühminoischer Zeit in Kreta und auch in den Schacht -
gräbern vertretenen glatten Form, aus der sie sich um so leichter entwickeln konnte,
als die Dekoration öfter einen Mittelstreif verwendet 3). Daß diese Weiterbildung
erst auf dem Festlande eingetreten sei, ist unwahrscheinlich, vielmehr werden beide
Gestaltungen, Urform undVariante,
importiert sein, aber wenigstens
die letztere kaum aus den uns
bekannten Teilen von Kreta.
Viel besser gearbeitet als diese
Tasse ist ein Becher des V. Grabes
mit drei nach links laufenden Löwen
(Abb. 29) 4). Das ganze Gefäß mit
seinem hohen Fuße ist aus einem
Stück getrieben, die drei Löwen sind
sorgfältig ziseliert. Die Tiere zeigen
zwar das gleiche Laufschema wie
etwa auf den Klingen, aber im ein-
zelnen weicht manches ab. Körper
und Hinterbeine sind viel weniger
straff, man möchte sagen, ohne
Knochen. Die Pranken sind wie
greifende Hände gebildet, in ähn-
licher Verkennung der natürlichen
Form, die uns schon an den Gold-
reliefs eines der Kästchen desselben
Grabes begegnet ist (S. 296 und Abb. 16 b). An allen übrigen Löwenbildern der
Schachtgräber sind sie viel schärfer beobachtet. Der Kopf zeigt keine Spur von der
schönen Stilisierung, wie sie das prachtvolle Rhyton des IV. Grabes und die von
Karo damit verglichenen Denkmäler, selbst die winzigen Schieber, aufweisen 5).
Dagegen erinnert die Bildung des Maules an das Kästchen Abb. 16 c, dem
jene flächige Stilisierung gleichfalls fremd ist. Danach ist es sehr wahrscheinlich,
daß der Becher von der Hand eines einheimischen Künstlers stammt, freilich eines
Künstlers, der sich die Eigenart der fremden Vorbilder ganz anders angeeignet hatte
als etwa der Verfertiger der Kästchen. Vielleicht hat er unmittelbar ein importiertes
Abb. 29. Goldener Becher aus dem V. Schachtgrab.
^) Nat.-Mus. Nr. 629. Schliemann Nr. 476, Schuch-
hardt Nr. 279, besser Dussaud* 148 Abb. 110.
*) Nat.-Mus. Nr. 628 (Schliemann Nr. 475, Perrot
VI 962 Abb. 526), vgl. Nr. 220 (Schliemann
Nr. 453, Schuchhardt Nr. 215) und Nr. 627
(erwähnt Schliemann S. 360, abgebildet bisher
nur im Geislinger Katalog Taf. 10, 18 b). Stais
5) Karo, Arch. Jahrb.
hält das Muster ansprechend für eine Nach-
ahmung von Korbgeflecht.
3) Vgl. z. B. die Bronzetasse aus Mochlos, Seager,
Mochlos Abb. 31 XII f (zu S. 62).
4) Nat.-Mus. Nr. 656. Schliemann Nr. 477, Schuch-
hardt Nr. 280, Perrot VI 964 Abb. 530, Dussaud*
3 Abb. 3. Zur Technik Karo, Arch. Anz. 1903, 158.
XXVI 191 1, 253«.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 3I2
Muster nachgebildet. Dafür spricht die Form des Bechers mit dem hohen Fuß. Denn
wenn auch bereits unter der sog. minyschen Ware eine ähnliche Form häufig vor-
kommt i), so kann man den Löwenbecher doch nicht von den Bechern Schliemann
Nr. 343, 344 und 348 trennen 2]. Von ihnen ist aber mindestens der schöne Silber-
becher mit den goldenen Pflanzenkübeln importiert, der ja durch seineTechnik mit den
eingelegten Klingen aufs engste verbunden ist. Das ist beachtenswert. In Kreta kommen
Becher mit hohem Fuß m. W. nicht vor dem zweiten spätminoischen Stile vor 3)
und sind bis auf die letzte Zeit ziemlich selten 4), während sie auf dem Festlande in
derselben Periode weitaus die häufigste Gefäßform bilden. Ihre noch altertümlichen
Vorstufen aus den Schachtgräbern und damit das Vorbild des Löwenbechers sind
also gewiß nicht aus dem östlichen Kreta herübergekommen.
Schließlich sei hier noch ein Wort über die Waffen angefügt, soweit sie mit
figürlichen Reliefs geschmückt sind. Nur Klingen und Knäufe von Schwertern und
Dolchen sind so verziert. Auf drei Klingen erscheinen laufende Tiere in naturgemäß
äußerst flachem Relief: einmal sind es Wildesel 5), das anderemal Greifen^), beide
aus dem V. Grab, dazu kommen die goldenen Löwen der eingelegten Dolchklinge
des IV. Grabes 7). In allen diesen Werken vermag ich nicht den ge-
ringsten Anhalt zu finden, der sie als festländische Erzeugnisse hinstellen
könnte. Andererseits ist die einfache Reihung und das wohlbekannte Lauf-
schema nicht geeignet, das Wesen der importierten Kunst zu erschließen. Das
gilt auch von den beiden runden Knäufen, die, jeder in seiner Art, Prachtstücke
sind. Der eine *), den Gillieron nach den Resten der Beinunterlage des Goldblechs
rekonstruiert hat, stellte vier laufende Löwen dar, deren Köpfe, von oben gesehen,
in der Mitte des Knaufes zusammentreffen, so daß ein ornamentales Gebilde, einer
Rosette vergleichbar, entsteht, gewiß eine vorzügliche Lösung der kunstgewerblichen
Aufgabe. Anders ist der zweite, kleinere Knauf behandelt 9). Ein Löwe und ein
anderes katzenartiges Tier — es ist wieder dasselbe wie auf der einen Nadel und auf
dem Nildolch — haben sich ineinander verbissen. Wiederum sind die Körper der
Tiere auf der äußersten Peripherie des Knaufes in gleicher Richtung dahinstürmend
dargestellt; aber während beim ersten Knauf der dadurch hervorgerufene Gedanke
des Rotierens in dem ornamental gestalteten Zentrum bis zum Ausklingen durch-
geführt ist, lassen hier die Köpfe und Schweife der Tiere in ihrer geschickten, aber
') Schliemann Myk. Nr. 230. Vgl. jetzt Forsdyke, 3) Silbervase von Isopata Evans, Prehistoric Tombs
JHSt. XXXIV I9i4bes. 133 ff.; der aber die im- 155 Fig. 139.
portierten Metallbecher der Schachtgräber nicht 4) Späte Beispiele: Mon. Line. XIV 658. AM.
gebührend beachtet. Auch unter den rottonigen XXXVIII 1913, 48 Nr. 11 u. 17 (Tylissos);
Gefäßen mit Mattmalerei besitzen wir ein Bei- Evans a. a. O. 96 f. (Milatos).
spiel, Furtwängler-Loeschcke, Myk. Tongef. Taf. 5) Nat.-Mus. Nr. 748. Perrot-Chipiez VI S. 781
XI 52. Abb. 367.
*) Die drei Becher (Nat.-Mus. Nr. 427, 351, 390) ^) Nat.-Mus. Nr. 747. Ebda. Abb. 368.
auch abgeb. bei Stais* S. 52, 43, 38, der letzte 7) Nat.-Mus. Nr. 395. Ebda. Taf. 19, 6.
u. a. auch bei Schuchhardt Nr. 252, AM. VIII *) Nat.-Mus. Nr. 259 a. Geishnger Katalog Taf. 19
1883 Taf. I. = Karo, Arch. Jahrb. XXVI 1911, 257 Abb. 9.
9) Nat.-Mus. Nr. 295. Karo a. a. 0. Abb. 8.
314
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
unsymmetrischen Anordnung die Mitte neutral erscheinen. So schmiegt sich hier
auch das freiere Thema der tektonischen Form aufs beste an. — Nur in einem Falle
ist das Relief auf den ganzen Grifif ausgedehnt, bei dem prächtigen Liliendolche des
V. Grabes (Abb. 30) '). Daß die sorgfältig eingelegte Klinge zu den besten Leistungen
gehört, hat niemand bezweifelt. Die silbernen Blüten-
kelche mit ihren weichen Umrissen stehen in glück-
lichem Gegensatz zu den scharfen Linien der feinen
Stiele und Staubgefäße. Wie die Einzelform, hält
auch die anmutige Verteilung der Blüten auf der
Klinge das gleiche Maß zwischen Naturalismus und
Stilisierung. Der Griff, dem leider der Knauf fehlt,
weicht darin merklich ab. Gewiß erforderte das
Goldrelief lebhaftere Bewegung als die flach eingelegte
Arbeit, Daraus mag sich die konkave Fläche der
Lilienblätter erklären, die bis an den Rand umge-
bogen sind; die Blüten stehen den hängenden Lilien
des Goldbleches oben S. 297 Abb. 18 recht nahe,
haben aber, naturalistischer als diese, Staubfäden
statt der Halbkreise. Die Ausführung ist jedoch
auffallend sorglos und nirgends wirklich scharf, was
besonders an Einzelheiten wie den Staubfäden her-
vortritt; ja an dem geschwungenen Band, das
übrigens nur in diesem Beispiel in den Schachtgräbern
vorkommt und erst später typisch wird ^), ist sie
sogar recht grob. Wenn man an die eben besprochenen
schönen Knäufe denkt, wird man schwerlich Klinge
und Griff als ursprünglich — wenn auch vielleicht
von verschiedenen Händen — für einander ge-
arbeitete Teile ansehen; eher könnte man denken,
daß der Besitzer den aus schlichterem Material, etwa
Holz, geschnitzten Griff von einem nicht sehr sorg-
samen Arbeiter mit prunkendem Goldblech habe
überziehen lassen, oder daß der ganze Griff einmal
Abb. 30. Liliendolch aus dem erneuert sei. Aber mag er auch in Mykene ausge-
V. Schachtgrab. führt sein, ein fremdes Vorbild gibt er gewiß wieder.
12. Zusammenfassende Betrachtung der bisher besprochenen Reliefs
aus den Schachtgräbern.
Es ist an der Zeit, kurz zusammenzufassen, was die bisherige Betrachtung
der Reliefs aus den Schachtgräbern ergeben hat. Wie nach den Stelen und den ihnen
I) Nat.-Mus. Nr. 764. Perrot VI Taf. 19, 5. Vgl.
zur Technik Karo, Arch. Anz. 1903, 160.
^) Z. B. 'Ecp. ipj^. 1897 Taf. 8, 5. 6 oder Evans,
Prchist. Tombs 57 Abb. 59.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. o j c
verwandten Goldornamenten zu erwarten war, haben sich noch eine ganze Reihe
einheimischer Erzeugnisse mehr oder weniger sicher nachweisen lassen. In den meisten
Fällen handelt es sich um Herstellung mittelst der Form. Um nun den Stand der fest-
ländischen Relief kunst unter dem fremden Einfluß festzustellen, ist zu unterscheiden,
ob die Reliefs mit ihren Formen auf dem Festlande von einheimischen Arbeitern
geschaffen sind, oder ob nur die mehr mechanische Ausführung der • Reliefs dem
Festlande zufällt, während die Formen importiert sein können. In letzterem Falle
tritt noch eine Möglichkeit hinzu: fremde Arbeiter können in der Argolis in ihrer
Weise gearbeitet haben. Dies hat Rodenwaldt, wie mir scheint, mit Recht für ein
anderes Gebiet angenommen, für die Wandmalerei, die ja an Ort und Stelle ausge-
führt sein muß, aber trotzdem abgesehen von antiquarischen Einzelheiten bei ihrem
Auftreten keinerlei festländische Elemente aufweist. Mit dem gleichen Grade von
Sicherheit können wir das von keinem der Reliefs sagen; es muß aber als das Wahr-
scheinliche gelten von der großen Silbernadel, deren schönes Goldrelief keine Spuren
einheimischen Stiles enthält, obwohl das Gerät selbst einen Bestandteil einer spezi-
fisch festländischen Tracht darzustellen scheint. Aus demselben Grunde denke ich
mir die kleineren Nadelköpfe auf dem Festlande hergestellt, um so mehr, als sie und
die mit ihnen eng verbundenen Anhänger z. T. Grabschmuck sind und daher nicht
wohl von auswärts bezogen sein können. Bei letzteren würde es aber genügen, die
Formen als eingeführt anzusehen, was ebenso von der zweiten Gruppe ausgeschnitte-
ner Reliefs gilt, deren freie malerische Behandlung hervorzuheben war. Auch diese
Formen könnten indessen in der Argolis hergestellt sein, wenn man einmal Werk-
stätten fremder Arbeiter hier annimmt. Dafür spricht ferner der flüchtig und als
Totenbeigabe gearbeitete Delphinbecher, der ja gewiß am Ort entstanden ist. Ob
andere, dem Stil nach gleichfalls durchaus der fremden Kunst angehörende Arbeiten
aus einer solchen Werkstatt stammen, läßt sich nicht ausmachen. Bei den besten
Kunstwerken dieses Kreises, den Prunkwaffen und den beiden Silbergefäßen, die
noch zu besprechen sind, sehe ich keinen Anhalt dafür; bei geringen Arbeiten,
wie den Blechen mit Schwalben und hängenden Blüten, ist die Wahrscheinlichkeit
jedenfalls viel größer.
Andererseits ist es sehr wohl möglich, daß auch heimische Kräfte in einer
solchen Werkstätte mitgewirkt und gelernt haben. Jedenfalls erklären sich so die
Idole am besten, die ja durch kleine stilistische Merkmale als einheimisch gekenn-
zeichnet sind, obwohl sie sich nicht völlig von den anderen ausgeschnitte-
nen Reliefs trennen lassen. Weit höher steht der sorgfältig getriebene Löwenbecher,
unter den Schachtgräberfunden das beste Werk im neuen Stil, das sich mit einiger
Gewißheit einem einheimischen Künstler zuschreiben läßt. Nur wenige kleine Beson-
derheiten brauchten gemieden zu sein, und wir würden keinen Unterschied von den
fremden Vorbildern wahrnehmen können. Es mag sein, daß sich auch unter den
Arbeiten, die wir fremden Händen zuweisen, solche von Einheimischen finden —
groß kann ihre Zahl nicht sein, denn wirklich eingebürgert ist die neue Kunst noch
nicht.
Das beweisen, ganz abgesehen von den zum Teil sehr schönen ornamentalen
2l6 K. Muller, Frühmykenische Reliefs.
Arbeiten der alten Richtung, klar die verschiedenartigen Versuche, auch selbständig
in der neuen Weise zu schaffen. Dabei sind nicht nur stümperhafte Mißgebilde wie
das liegende Tier (Abb. 25 d) zutage gekommen, sondern auch Werke wie die sechs-
eckigen Kästchen des V. Grabes, die technisch vollkommen auf der Höhe der ausge-
schnittenen Reliefs stehen, während ihr Stil einen freilich mißglückten Ausgleichs -
versuch zwischen alter Art und neuen Formen darstellt. Andrerseits lehren die Grab-
stelen und was damit zu vergleichen war, wie selbst in die noch so starke alteinhei-
mische Ornamentik die fremden Elemente hier mehr, dort weniger eindringen.
Alle diese Züge vereinigen sich zu einem Kulturbilde, das freilich erst in einer
vollständigen Verarbeitung der Schachtgräberfunde seine ganze Rundung erhalten
könnte. Aber was sich aus der Betrachtung der Reliefs ergab, genügt, die wesent-
lichen Linien festzulegen. Das Nebeneinander von Altem und Neuem und die ver-
schiedenartigen Brechungen beider Stile beweisen, daß noch kein Ausgleich zwischen
beiden Elementen eingetreten ist, die fremde Kunstweise ist noch ganz neu für die
Argolis. Das ist dasselbe Ergebnis, zu dem die Keramik führt: die Firnisvasen der
Schachtgräber haben keine Vorstufen auf dem Festlande, vielmehr treten nach und
z. T. neben den älteren Vasenklassen auch an anderen Orten unvermittelt Scherben
des Schachtgräbertypus auf, wie inTiryns neuerdings zu beobachten reichlich Gelegen-
heit war ^).
Nun dürfen wir nicht vergessen, daß alle die besprochenen Werke zu den Fürsten -
grüften gehören. Am mykenischen Hofe also gilt noch die alte einheimische Kultur,
hier dringt das neue Element ein, von fremden Arbeitern oder in anderer Form ge-
bracht, aber zugleich die einheimischen Künstler mächtig anregend. Dies ganze
Verhältnis ist nur zu verstehen, wenn es sich um einen friedlichen Prozeß handelt.
Der neue Stil ist keineswegs die Kunst der Herren und der alte die des Volkes. Es
besteht kein derartiger Unterschied (auch nicht außerhalb der Schachtgräber). So
vorsichtig man sein muß, aus kunstgeschichtlichen Tatsachen auf Völkerschiebungen
zu schließen, so kann man doch hier ruhig sagen, es ist nicht ein neues Herrscher-
geschlecht in Mykene siegreich eingezogen und hat seine Kultur den Unterworfe-
nen aufgezwungen — sondern ein Volk mit alter Kultur und mit ihm sein Fürsten-
haus lernt einen ihm ganz neuen, überraschend lebendigen Stil kennen, und wie be-
geistert es ihn aufnimmt, ist daraus zu ersehen, daß selbst die, welche in der alten
Weise weiterarbeiten, wenigstens einzelne Motive von ihm entlehnen.
Dieses Ergebnis ist keineswegs überraschend. Das Festhalten des Megaron-
typus im Gegensatz zum kretischen Palastschema ließ dasselbe erkennen, und die
Verschiedenheit der festländischen Tracht von der kretischen wies auf einen natio-
nalen Unterschied der Bevölkerung hin. Aber es ist doch wichtig, daß wir hier den
friedlichen Übergang der alten Kultur zur neuen greifbar vor uns haben. Erst ganz
kürzlich hat ein so ausgezeichneter Kenner der kretischen Kultur wie Evans die
Behauptung aufgestellt, daß auch das Festland von einem dem kretischen verwandten,
nichtgriechischen Stamme besiedelt worden sei, der die kretische Kultur mitge-
0 AM. XXXVIIl 1913, 85.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. ■siy
bracht habe ^). Der klimatische Unterschied, auf den er sich beruft, ist zwischen
Knossos und der Argolis kaum größer als etwa zwischen dieser und dem kühleren
Attika; eine wesentliche Änderung der Tracht oder gar des Hausbaues hätte er sicher
nicht herbeigeführt. Und selbst dann würden kretische Fürsten ihren heimischen
Palastbau angepaßt, aber nie einen fremdartigen Grundriß mit mitgebrachten Orna-
menten verziert haben. Die These von Evans richtet sich selbst schon durch die Folge-
rungen, die er ziehen muß und die namentlich für die mykenischen Elemente im
Epos zu ganz unhaltbaren Konstruktionen führen.
Wie wichtig es für die Folgezeit gewesen ist, daß nur eine neue Kultur, nicht
aber ein fremdes Volk auf dem Festlande zur Herrschaft kam, kann hier nicht aus-
geführt werden. Aus der importierten Kultur mußte unter fremden Händen etwas
anderes werden als in ihrem Mutterland. Daß es so gekommen ist, zeigt vor allem
die Keramik. In Kreta führt das allmähliche Ermatten des Naturalismus zur Ver-
wilderung, die sich schon an späteren Palaststilvasen, etwa einigen von Isopata,
erkennen läßt. Auf dem Festland verlieren die Formen zwar auch ihr organisches
Leben, aber dafür kristallisieren sie zu neuen Gebilden, deren strenge Stilisierung
und Anordnung sich durch das Weiterleben des alteinheimischen 'geometrischen'
Gestaltungstriebes erklärt. So hat die mykenische Keramik hier noch eine Nach-
blüte im sog. 'vierten Stil' erlebt.
Doch kehren wir zur frühmykenischen Zeit zurück. Es fehlt uns in dem Bilde,
das wir von ihr zu entwerfen suchten, ein wichtiger Zug. Welcher Art ist die neue
Kunst, und wo kommt sie her.? Wir können auf diese Fragen erst eingehen, wenn
wir die letzten Relief bilder der Schachtgräber betrachtet haben.
13. Zwei Silbervasen,
Während die bisher besprochenen Reliefs aus den Schachtgräbern teils geringere
Arbeiten waren, teils als kleine Schmuckstücke oder als untergeordnete Verzierungen
von Gefäßen oder Waffen von besonderen Bedingungen abhingen, barg das vierte
Grab zwei große Silbergefäße, deren nicht unbeträchtliche Fläche dem Künstler
genügend Raum zu freier Darstellung bot. Leider sind von diesen beiden wich-
tigen Kunstwerken nur dürftige Reste auf uns gekommen.
Am meisten gelitten hat das größere, von dem bisher nur wenige Bruchstücke
in Umrißzeichnung abgebildet sind. Mit Karos gütiger Erlaubnis gebe ich die z. T.
neu zusammengesetzten Hauptfragmente nach der für seine Publikation von E. Gil-
lieron gefertigten Zeichnung als Abb. 31 wieder.
Das Gefäß muß nach der geringen Krümmung der Bruchstücke sehr weit ge-
wesen sein; die Größe der Figuren läßt sich auf etwa 36 cm schätzen, danach die
Gesamthöhe auf rund 50 cm 2). Trotz dieser Größe ist das Relief sehr flach getrieben,
dabei aber von zarter Rundung in den Einzelformen. - Soweit die Reste ein
') JHSt. XXXIl 191 2, 282. unterschätzt die Höhe der Figuren; seine Ver-
*) Nat.-Mus. Nr. 607. Reiche], Hom. Waffen ^ mutung, die Fragmente könnten von einem
106 Abb. 43 bildet einige der Helme ab. Er silbernen Helm stammen, ist durch die Größe
der Figuren ausgeschlossen.
318
K. Müller, Frühraykenische Reliefs.
Urteil gestatten, war das Gefäß mit einer großen Kampfdarstellung geschmückt.
Der Boden, auf dem sich die Vorgänge abspielen, ist bewegtes Gelände, das aber nicht
in schroffen Zacken dargestellt ist, wie auf manchen Bildern ^), sondern in weichen
fc'Sj'"'l5«i.,^lHtl ,t,.'l .H ,l«"^.,'l .«: .«I .'I .>: .'. ,■' ■
Abb. 31. Bruchstücke eines Silbergefäßes aus dem IV. Schachtgrab.
Formen und ohne Einzelheiten. Anscheinend wird die Bodenlinie nicht von den Figuren
überschnitten. Diese selbst waren offenbar in den verschiedensten Stellungen wieder-
') Katrenfresko von H. Triada Mon. Line. XIII BSA. VI 45; Vogelrelief von Palaikastro oben
Taf. 8 und 9; Krokospflücker von Knossos S. 287 Anm. 3.
K.Müller, Frühmykenische Reliefs. 'S ig
gegeben. Auf dem größten Fragment sind zwei eine Bodenerhebung nehmende Krieger
dargestellt; rechts kniet ein dritter,, mit dem sich freilich die Armreste, die über seinen
Beinen sichtbar sind, schwer verbinden lassen. Die Kämpfenden tragen kurze Hosen,
die in der Mitte der Oberschenkel mit einem breiten Streifen abschließen. Außerdem
trägt wenigstens der eine noch ein kurzärmeliges Gewand, Ein anderer hat den Ober-
körper nackt. Natürlich fehlt der Gürtel nicht. An Schutzwaffen erscheinen der
große Schild — neben dem üblichen in der Mitte eingezogenen Doppelrundschild
auch der unten rechteckige (Abb. 31 b) — und Helme mit den charakteristischen
Reihen der Eberzähne und verschieden geformten Kämmen oder Büschen, von
Angriffswaffen nur die Lanze, neben der aber gewiß das Schwert nicht gefehlt hat.
Von all diesen Einzelheiten ist nur das Obergewand des einen Kriegers neu. Es kann,
wegen der Verbindung mit den Hosen, nicht gut der gewöhnliche festländische Chiton
sein, und ich möchte darin einen Leinenpanzer sehen, wie ihn Studniczka
(AM. Xn 1887, 22) in den an einem Schwertfragment haftenden Leinenresten ver-
mutet hat. Die Hosentracht ist uns schon auf dem knossischen Steatitfragment
mit dem Bogenschützen begegnet, wo wir auf ihre Seltenheit in Kreta hinweisen
mußten; die Schachtgräber zeigen sie bei Männern in der Regel, und zwar sind alle
Beispiele besonders gute Stücke ^).
Die Körper sind schlank und kräftig gebaut, die Füße auffallend kurz (etwa
1/9 der nach den Schenkeln geschätzten Körperlänge), sie treten äußerst leicht auf.
Trotz der weichen Reliefbehandlung spürt man überall gute anatomische Kennt-
nisse, besonders an den Beinen des Knienden; gelegentlich finden sich die in früh-
mykenischer Zeit so beliebten Furchen im Deltoideus (Abb. 31 d).
Es ist schwer, aus den dürftigen Trümmern des Kunstwerks — - und diesen
Namen verdient das reiche Kampfbild zweifellos — auf seinen Stil zu schließen.
Mir scheint es bezeichnend, daß trotz der Größe der Figuren Einzelheiten nur in be-
schränktem Maße angegeben und auch dann mehr angedeutet als eigentlich ausge-
führt sind. Darin liegt ein deutlicher Unterschied von den kretischen Steatitreliefs.
Die Technik des Treibens in Metall hätte an sich ein Streben nach kräftigem Spiel
von Licht und .Schatten doch ebenso gefordert wie die Arbeit in Steatit. Auch der
Vergleich mit den großen Stuckreliefs führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal
wenn man bedenkt, um wieviel hier die Farbe die plastischen Formen bereicherte.
Das zweite der beiden Silbergefäße ist die Vase mit der belagerten Stadt. Zu
dem bekannten Hauptfragment, das Tsundas 'Ecp. dpy^. 1891 Taf. 2, 2 zuerst publi-
ziert hat, sind allmählich noch mehrere Bruchstücke hinzugekommen, durch Stais
zunächst ein Henkel mit einem zweiten goldenen Schild, durch Reichel und Karo
kleine Brocken des ReHefs. Der wichtigste Fund ist soeben Stais geglückt: er hat
die Zugehörigkeit eines röhrenförmigen, sich nach oben konisch erweiternden Bruch-
stücks erkannt und damit das Gefäß als trichterförmiges Rhyton mit leichter Aus-
bauchung erwiesen. Da auch einige alte und neue Fragmente angepaßt werden
konnten und besonders der goldene Mündungsrand sich zusammensetzen ließ, war
^) Vgl. oben S. 263 Anm. 4.
320
K. Müller, FrUhmykenische Reliefs.
es Sta'is möglich, die ganze Gefäßform mit ziemlicher Sicherheit wiederher-
zustellen ^),
Das Rhyton war aus Silberblech getrieben, die Darstellung zunächst mit gra-
vierten Linien vorgezeichnet, deren Spuren vielfach deutlich sind. Der Rand der
Vase ist über einer Bronzeverstärkung vergoldet, wie auch der bronzene Henkel,
der schön geschwungen über den Rand emporsteigt.
i\ß '.J'^7^'
w- -
r
Abb. 32. Bruchstück des silbernen Rhytons aus dem IV. Schachtgrab.
Die Lückenhaftigkeit des Erhaltenen kommt jetzt, nach der Rekonstruktion
des ganzen, besonders klar zum Bewußtsein. Der Hauptrest der Darstellung ist noch
immer das bekannte Fragment; es ist Abb. 32 nach Gillierons neuer Zeichnung
abgebildet, die mir Karo aus dem Material für seine Veröffentlichung überlassen hat 2).
Dargestellt ist eine hochgetürmte Burg, deren geschlossenes Tor rechts gerade
') Stais, Coli, myc.» Nr. 481 (S. 54 u. 223), ders.
AM. XL 191 5 45 ff. mit Taf. VII, VIII. Von
den älteren Besprechungen ist besonders wichtig
Reichel, Homer. Waffen * 13 u. 164. Vgl. auch
Wolters in der Einleitung des Geislinger Kata-
logs; Bulle, Der schöne Mensch ^ 61.
^) Die Photographie der Zeichnung habe ich mit
dem Original verglichen und dabei einige Linien
nachgetragen.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs, 521
noch erhalten ist. Links, wo sich der Burghügel senkt, ist eine Art Bastion mit Qua-
derniauerwerk vorgelegt ^). Hinter ihrer Brüstung stehen vier Frauen, zu denen
noch zwei andere hinter den Häusern der Burg hervorkommen. Sie sehen erregt
dem Kampfe zu, der sich unten am Burgberg und in der Ebene davor abspielt, und
ihre Gebärden zeigen, daß die Ihrigen in Gefahr sind. Von diesen sind nicht weniger
als zwölf mehr oder weniger vollständig sichtbar, alle nach links gewendet, aber in
der verschiedensten Gruppierung. Zwei kommen mit langen Lanzen herbei, bekleidet
mit steifen kurzen Gewändern, welche die rechte Schulter und die Unterschenkel
freilassen 2). Sie haben, wie die übrigen, kurzes aufrecht stehendes Haar und sind
bartlos 3). Die übrigen sind völlig nackt 4). Von ihnen stehen drei Schleuderer auf-
recht, die anderen sind Bogenschützen und sitzen schußbereit auf der einen Ferse,
in der typischen Stellung, die ja auch der griechischen Zeit geläufig ist. Von dem
Manne ganz links ist nur der Oberkörper erhalten; da die Fläche unterhalb des
ausgebrochenen Stückes glatt ist, lag er offenbar halbaufgerichtet, ist also verwun-
det 5). Weiter links sind sicher die Angreifenden zu ergänzen.
Am unteren Rande des Hauptfragments ist nun gerade noch ein Rest einer
anderen Gruppe erhalten, die mit den besprochenen Verteidigern nicht in direkter
Beziehung steht. Man sieht einen Mann, kleiner gebildet als die Verteidiger, in einem
kurzärmeligen, ungegürteten Gewände, den Eberzahnhelm mit flatterndem Busch
auf dem Kopfe, eine Stange in einer Bewegung halten, als ob er ein Boot nach links
zu abstieße. Die Reste einiger weiteren Helme würden dann zu den Insassen des
Bootes gehören. Diese ansprechende und wahrscheinliche Erklärung ist zuerst von
Reichel gegeben, Wolters und Stai's haben ihr beigestimmt. Es ist ohne weiteres
aus der verschiedenen Tracht und Bewaffnung deutlich, daß hier Angreifende ge-
meint sind, aber nicht die, gegen welche sich die Belagerten desselben Fragments
eben verteidigen. Sie sind also, während der Kampf vor der Stadt tobt, unbemerkt
und, wenn Reicheis Interpretation richtig ist, zu Wasser herangekommen, um den
ahnungslosen Verteidigern in die Flanke zu fallen und so das Schicksal der Stadt
zu besiegeln ^). Das kleine Fragment zeigt uns also einen ganz komplizierten Vorgang.
') Was Reichel a. a. O. als eingezogene Holzbalken gen bisweilen den Schurz abkürzend andeutet,
auffaßt, sind nicht eingehaltene Vorzeichnungs- Hosen habe ich bei keinem gesehen; die Linien
linien. auf dem linken Oberschenkel des hinteren Schleu-
^) Da vom Vordersten beide Arme dargestellt derers sind Vorzeichnung für die Rücken der
sind und man sich den Schild doch nicht vor beiden Bogenschützen dahinter,
die Brust hängt, ist die Deutung auf einen 5) Ich halte das für wahrscheinlicher als Bulles
solchen mit Stai's und Bulle a. a. O. sowie Auffassung, der den Mann halb vom Hange
Rodenwaldt, Tiryns H, 203 A. 2 abzuweisen. des Burghügels verdeckt denkt. Daß dieser
Andrerseits sind die Gewänder aber auch von dem hier wieder angegeben war, ist sehr unsicher,
festländischen Chiton verschieden, der aus und eine so kühne Überschneidung durch eine
weichem Stoß besteht und kurze Ärmel hat. Bodenwelle kommt in der gesamten kretisch-
3) Daß gelegentlich das Kinn etwas lang geraten mykenischen Kunst bisher nicht vor.
ist, darf darüber nicht täuschen; ein Bart wäre 6) Reicheis Deutung auf einen Überfall durch
zweifellos deutlicher angegeben. Piraten übersieht, daß sich die Verteidiger
4) Allen fehlt der Gürtel, der bei kleinen Darstellun- nicht gegen die Ankömmlinge im Boot, sondern
gegen andere Feinde richten.
322
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
Leider hat sich auch bei der neuen Bearbeitung der Bruchstücke durch Sta'is
keines unmittelbar an dies Hauptfragment anfügen lassen. Der konische Unter-
teil des Gefäßes ist ganz mit Schuppenmuster bedeckt, auf dem oben noch zwei nach
rechts emporsteigende Männer erhalten sind, welche die Zugehörigkeit klar beweisen.
Verstehe ich Stais recht, so paßt daran das Fragment Reichel S. 13 Abb. 17 b
an, das Stais oben durch den Oberteil eines nach rechts hin kämpfenden Mannes
vervollständigt hat. Die im Knie gebeugten Beine vor ihm sind offenbar der Rest
seines Gegners. Merkwürdig sind die sich tief bückenden Männer, die Stais als Ver-
wundete auffaßt; vor ihnen Kopf und Arm eines anscheinend sich zurückwendenden
Mannes. Diese Leute sehen alle aus wie die Verteidiger vor der Stadt. Stais hält
die nach rechts gerichteten für die Angreifer und hat daher dies Bruchstück und den
damit zusammenhängenden Unterteil des Rhytons so einsetzen lassen, daß es jetzt
links von dem Fragment mit der Stadt erscheint. Soviel ich sehe, paßt es aber nicht
unmittelbar im Bruch an. Wenn man bedenkt, daß noch nicht ein Viertel der Dar-
stellung erhalten ist, muß man wohl die Möglichkeit offen lassen, daß die Fragmente
nicht in unmittelbarer Beziehung zueinander gestanden haben; man könnte die Män-
ner etwa als Verteidiger auf der anderen Seite der Burg ansehen oder auch zwei ver-
schiedene Vorgänge auf demRhyton dargestellt denken, wofür es gewiß nicht an Raum
fehlen würde. Auch ein weiteres Bruchstück, das mehrere Männer über einer Mauer
darstellt (AM. XL Taf. VIII), läßt einen beträchtlichen Reichtum der Darstellung
wenigstens ahnen — rekonstruieren können wir ihn leider nicht — , denn die Mauer
ist hier jedenfalls anders dargestellt als die Stadtmauer des Hauptfragmentes.
Ich erwähne das alles, obwohl ich die neugefundenen Bruchstücke nicht im
Original untersucht habe, weil zwischen den Verteidigern vor der Stadt und dem
Bootsmann doch ein sehr wesentlicher Unterschied besteht. Es scheint mir klar,
daß die Belagerten nicht der kretisch -mykenischen Kultur angehören. Die völlige
Nacktheit der meisten ^), das struppige Haar ^), auch der sonst nicht belegte Gebrauch
der Schleuder spricht dagegen. Die Tracht des Bootsmannes mit seinem Eberzahn -
heim dagegen reiht sich, obwohl sein Ärmelchiton nicht gegürtet ist, vollkommen
dem Kreise jener Kultur ein 3). Er scheint auch kleiner und geschmeidiger als jene
Barbaren. So gering dieser Rest ist, möchte man danach doch erwarten, daß die
Angreifenden in mykenischer Weise ausgerüstet waren.
Wir haben noch die Landschaft zu betrachten. Der Burghügel mit seinem
ungleichmäßigen, aber natürlichen Abfall ist nur vor den Mauern deutlich, dann
^) Ein bisher alleinstehendes Beispiel von Nackt- 3) Ebendahin würde ein von Reichel a. a. O. Abb.
heit ist die kretische Bronzefigur eines Mannes
in Berlin (W. Müller, Nacktheit und Entblößung
65 Taf. 5, I — 3); die oben S. 279 erwähnten
Knabenfigürchen aus Palaikastro beweisen nichts
für die Sitte der Männer.
') Gegen H. R. Halls Deutung der Haare als Feder-
schmuck (JHSt. XXXI 1911, 121) wendet
sich mit Recht Rodenwaldt, Tiryns II 203
Anm. 2.
17 c gezeichnetes Fragment mit einem Streit-
wagen weisen, wenn sich Reichel nicht, wie
Stais vermutet, in der Deutung schwer erkenn-
barer Relief spuren geirrt hat. Ein der Rei-
cheischen Abbildung genau entsprechendes Stück
hat sich nicht wiederfinden lassen, wohl aber
hat Stais ein ähnliches ermittelt, das indessen
keinen Wagen darzustellen scheint.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. 233
verliert er sich in die Ebene, auf der wir vier Bäume, wohl Ölbäume, wachsen
sehen. Sie stehen hinter den Kämpfenden, haben also mit der Darstellung an sich
nichts zu tun und sind rein landschaftliche Elemente. Dadurch wird ihre Stellung
um so bedeutungsvoller. Während wir eine hochgelegene Burg in den Himmel hin-
aufragend denken, läßt hier der Künstler die Ebene gleichsam von oben gesehen
bis an den Bildrand steigen; ein Horizont ist überhaupt nicht angegeben i). Für ihn
ist also die Fläche, die er schmücken will, der Grund und Boden, auf dem die Szenen
spielen, und auf den er nun die Einzelheiten, Burg, Bäume, Menschen, unter einem
ganz anderen Gesichtswinkel gesehen, gleichsam umgeklappt, einzeichnet. Es mag
hier der Hinweis auf die analoge Wiedergabe der Landschaft auf dem Oxforder Stea-
titfragment S. 261 Abb. 9 genügen; eine Erklärung dieser primitiven Dar-
stellungsweise soll hier nicht versucht werden.
Nach unten zu setzt sich das Gelände nicht gleichmäßig fort, sondern wird
durch eine unregelmäßige Linie etwa zu Füßen der Verteidiger unterbrochen. Der
Reliefgrund darunter liegt tiefer als darüber und ist durch gravierte, ziemlich steil-
stehende, unregelmäßige Linienpaare und kleine Kreise belebt. Die Deutung ist
nicht leicht. Sicher ist es keine Profillinie des Bodens, wie auf der anderen Silber-
vase. Dort stehen die Figuren auf ihr, hier lassen sie sie unberücksichtigt. Ein Teil
steht auf oder über ihr, die Bogenschützen rechts darunter. Das erschwert die von
Stais gebilligte Annahme Reicheis, es sei damit der Ufersaum gemeint und die Fläche
unten stelle Wasser dar. Indessen mögen gerade die gravierten Linien Wasser vor-
stellen, erinnern sie doch an ähnliche Gebilde auf dem Delphinbecher oder dem Fisch-
fresko von Knossos 2).
Damit sind die landschaftlichen Angaben nicht erschöpft. Auf zwei kleinen
Fragmenten, deren Zugehörigkeit schon Karo erkannt hatte, erscheinen unten Berge
der Art wie der Burghügel, der eine mit kleinen Bäumen besetzt. Darüber aber
sehen wir dasselbe Schuppenmuster wie auf dem knossischen Fragment mit dem
Bogenschützen (S. 262 Abb. 10). Und dieses Schuppenmuster bedeckt den ganzen un-
teren Teil des Rhytons. Während es hier, unterhalb der figürlichen Darstellung,
gewiß als reines Ornament empfunden ist, wird es dann zum Träger von Figuren,
also deutlich zur Angabe von Bodenformen, und greift als solche in die ganz anders
geartete Landschaftswiedergabe ein. Seine regelmäßige Stilisierung ist hier, in so
naturalistischer Umgebung, besonders auffällig. Es ist klar, daß die lange Entwicke-
lung, die Rodenwaldt mit Recht für diese schematisch gewordene Form der Boden-
darstellung voraussetzt, sich nicht auf dem Festlande abgespielt hat; sie mit ihm
in Kreta zu suchen, sehe ich allerdings keinen Grund 3).
Das ganze Rhyton war also, oß'enbar ohne jede tektonische Gliederung, mit
*) Die beiden unregelmäßigen Zacken oben gehören angeführte Kamafesscherbe hat zwar Schuppen-
nicht zur Darstellung, sondern sind unter der muster, das aber gewiß kein Terrain andeutet,
Vergoldung des Randes hervorgewuchertes Kup- also kaum in diese Reihe gehört. Ich möchte
feroxyd. diese Terrainstilisierung, zunächst natürlich in
*) Vgl. oben S. 311 A. 2. einfacher Schuppenform, aus dem Orient ent-
3) Rodenwaldt, Tiryns II, 228 m. A. i. Die dor.t lehnt denken (s. oben S. 282 Anm. 3).
5 24 ^' M^ll^''' Frühmykenische Reliefs.
landschaftlichen Elementen und lebhaft bewegten Figuren überzogen. Trotz der
Kleinheit ist die Ausführung vorzüglich. Die gute Bekanntschaft mit dem mensch-
lichen Körper verrät sich in der ganzen Zeichnung wie auch in Einzelheiten, z. B.
der Andeutung des Sägemuskels bei dem einen Bogenschützen. Wenn an einigen.
Stellen die Vorzeichnung nicht ganz eingehalten ist oder sie gelegentlich, wo sie auch
von anderen überschnittene Körperteile in vollem Umriß wiedergab, zu kleinen
Ungenauigkeiten geführt hat^), so zeigt das nur die unbekümmerte Art eines frei-
schaffenden Künstlers, der seiner Wirkung sicher ist. Bei den Angegriffenen ist die
Zahl der Motive im Grunde gering, dafür aber die unregelmäßige Gruppierung äußerst
geschickt, so daß niemand über Einförmigkeit klagen wird. Und wie gut hat der
Künstler die etwas ungeschlachte Art dieser Leute zu charakterisieren gewußt!
Der geringe Rest des 'Bootsmannes' läßt ahnen, daß er auch durch die geschmeidigere
Bewegung die Vertreter einer höheren Kulturstufe auszuzeichnen verstand.
Fragen wir nach der Stellung des Künstlers, so drängt sich zunächst der Ver-
gleich mit der großen Silbervase desselben Grabes auf. Beiden gemeinsam ist der
Grad der anatomischen Kenntnisse wie die Bewegtheit der Figuren, Beide scheinen
die Fläche ziemlich frei auszunutzen. Von den Unterschieden ist am auffallendsten
— natürlich abgesehen von der Größe — der in der Behandlung des Landschaft-
lichen. Aber z. B. die kretischen Steatitfragmente ziehen den Hintergrund gleich-
falls bald mehr, bald weniger in die Darstellung, und soweit uns die Trümmer der
Malerei zu urteilen gestatten, neigen die Miniaturfresken weit mehr zur Wiedergabe
der Landschaft als Gemälde mit größeren Figuren 2); wir haben da also das gleiche
Verhältnis wie hier und somit keinen Grund, die beiden Silbergefäße stilistisch zu
trennen, zumal der weiche, natürliche Schwung der Bodenlinien beiden gemein-
sam ist.
Nach allem, was wir gesehen haben, ist es ohne weiteres klar, daß die beiden
Gefäße keine einheimischen Produkte sein können. Ob sie etwa von fremden Künst-
lern im Lande gemacht sind, läßt sich nicht entscheiden 3), ist auch für die Beurteilung
des Stiles unwesentlich.
Man wird gewiß an Kreta als Heimat denken. Eine nahe Verwandtschaft mit
den kretischen Reliefs ist zweifellos vorhanden. Aber abgesehen von Einzelheiten
der Sitte, die später zu erörtern sind (S. 332), tritt doch im Stil ein beachtens-
werter Unterschied zutage, der nicht leicht zu erklären ist. Die beiden Silbervasen
sind zweifellos viel weicher stilisiert als die Steatitgefäße, Für die größere, bei der
das naturgemäß augenfälliger ist, mußte darauf schon hingewiesen werden. Es han-
delt sich dabei nicht nur um eine weniger scharfe Modellierung der Form, sondern
') Gelegentlich ist die Vorzeichnungslinie ver- ^) Die monumentale Malerei (Fresken von H.
sehentlich nicht getilgt (vgl. S. 321 Anm. 4), Triada) scheint anderen Regeln zu folgen,
oder auch der überschnittene statt des über- 3) Rodenwaldt nimmt dies für die Stadtbelagerung
schneidenden Körperteils ausgeführt, z, B. an, unter Hinweis auf den Ärmelchiton des
wird der Kopf des einen Bogenschützen von 'Bootsmannes'. Dieser ist "indessen ungegürtet,
dem Fuß eines oberhalb laufenden Mannes während zur festländischen Tracht außer bei
überschnitten. Wagenlenkern der Gürtel gehört.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. ^25
ebenso um eine geringere Straffheit der Zeichnung. Deshalb fällt es schwer, den Gegen-
satz auf die verschiedene Technik zurückzuführen. Klar würde das freilich nur zu
fassen sein, wenn wir kretische Metallreliefs vergleichen könnten. Ich glaube, daß
sich solche nachweisen lassen in den Bechern von Vaphio.
14. Die Becher von Vaphio.
Die beiden Becher des Kuppelgrabes von Vaphio ^) sind seit ihrer ersten Ver-
öffentlichung in alle Handbücher übergegangen und als hervorragende Kunstwerke
allgemein bekannt. So sorgfältig einige der veröffentlichten Zeichnungen, vor allem
die Gillierons, sind, so fehlte es doch zu ihrer Ergänzung bisher an einer würdigen
photographischen Wiedergabe nach den Originalen, die auch die Wirkung der leuch-
tenden Goldreliefs zur Geltung kommen läßt. Die Aufnahmen, die den Tafeln 9 — 12
zugrunde liegen, sind mit Stais' freundlicher Erlaubnis hergestellt 2) ; Abb. S3 und
34 sollen nur zum Überblick der Komposition dienen.
Zur Deutung ist nur wenig hinzuzufügen. Den ersten Becher (lA — D) hat
A. Reichel (AM. XXXIV 1909, 93) unter den Stierspielbildern aufgeführt. Bei genauer
Betrachtung erkennt man in der Tat, daß der Stier rechts vom Henkel (vgl.Taf. 9, lA)
den Menschen keineswegs auf seine Hörner gespießt hat, sondern dieser 3) hat das
wütende Tier mit der linken Hand am rechten Ohre gepackt und schwingt sich so auf ihn,
daß er im nächsten Augenblick mit dem rechten Knie am linken Hörn wie an einer Reck-
stange hängen wird, während sein linkes Bein zum Schwünge frei bleibt. Das ist
ganz klar; aber wo bleibt der rechte Arm.? Links neben dem Gürtel erscheint sein
Ellenbogen; der Oberarm geht, vom linken Arm überschnitten, über die Brust hin-
weg und die Schwellung zwischen dem gebeugten linken Arm und dem Kopf ist nichts
^anderes als die rechte Schulter. Der Unterarm dagegen geht hinter dem Körper
durch, und die Rechte scheint das Fell des Stieres hinter dem Hörneransatz gepackt
zu haben. Das ist natürlich eine ganz unmögliche Verrenkung. Indessen ist der
Vorgang, an den sich der Künstler überkühn heranwagte, eine blitzschnelle und
sehr komplizierte Bewegung, über deren einzelne Phasen er sich nicht klar geworden
ist, die er aber trotzdem so darzustellen wußte, daß die unnatürliche Zeichnung bis-
her unbeachtet bleiben konnte. Und wenn man die verwandten Szenen, die Reichel
a. a. O. zusammengestellt hat, vergleicht, so muß man diese dennoch für die beste
erklären, weil keine andere so wie sie den unberechenbaren Angriff und die ungeheuere
Geschwindigkeit der Bewegung zum Bewußtsein bringt.
') Nat.-Mus. Nr. 1758, 1759. 'Ecp. dp^. 1889, 158 ff. ^) Wie mir Stais sagte, waren die Becher bisher
(Tsundas, mit Zeichnungen Gilliierons auf Taf. 9). überhaupt noch nicht nach den Originalen pho-
Neue Zeichnungen von Defrasse BCH. XV 1891 tographiert. Von unseren Aufnahmen, deren
Taf. II — 14 (Perrot-Chipiez VI S. 786, 787 Platten das Athenische Institut aufbewahrt, sind
Abb. 369, 370 u. Taf. 15). Von späteren Be- zwei bereits bei^Rizzo a. a. 0. I 133 Abb. 64
sprechungen sind am wichtigsten Brunn, Kunst- a. b verwendet.
gescIT I, 46 ff. und A. Riegl, österr. Jahresh. 3) Es ist nach dem Zusammenhang ein Mann,
IX 1906, I ff. Die Zinkstöcke der Abb. i u. 2 nicht eine Frau, wie gelegentlich vermutet worden
dieses Aufsatzes sind uns von der Redaktion ist. Da wäre das Geschlecht sicher deutlich ge-
für unsere Abb. 33 u. 34 freundlichst geliehen. macht.
Jahrbuch des archäologischen Instituts. XXX. 23
326
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
Aber so sicher wir hier ein Stierspringerstückchen dargestellt sehen, so deutlich
scheidet sich die Szene von anderen der Art. Es handelt sich hier nicht um Vor-
führungen, sondern um den Fang wilder Stiere, von denen eben der eine auf die beiden
Menschen losgestürmt ist. Diese suchen sich durch ihre Gewandtheit zu retten; daß
sie sportmäßig geschulte Stierspringer seien, läßt sich kaum behaupten. Vielmehr
werden die Stierspiele als Sport aus ähnlichen Versuchen, sich zu retten, entstanden
sein. So ist denn auch dem ersten sein Sprung mißglückt: er fällt recht wenig kunst-
gerecht zu Boden. Aber er ist doch gerettet. Die Art, wie er mitten im Falle darge-
stellt ist, wirkt verblüffend wahr.
Nicht minder überzeugt die Naturwahrheit des Stieres, der sich im Netze ge-
fangen hat, und doch ist sein Körper in einer unmöglichen Drehung wiedergegeben.
Brunn hat dies richtig gesehen; daß ihm ein Mann wie Riegl widersprochen
hat, ist der beste Beweis für die illusionistische Kraft des Künstlers. Nicht weniger
zutreffend hat Brunn die übermäßige Gestrecktheit des nach rechts dahinstürmenden
Stieres beobachtet; wenn Riegl das nicht gelten läßt, so setzt er unbewußt mit dem
Künstler die Erscheinungsform über die Daseinsform.
Mit der Deutung dieses Reliefs auf den Stierfang ist sein Inhalt keineswegs
erschöpft. Die Stiere sind dem Künstler die Hauptsache, ihre wilde Erregung und
dabei doch ihre Machtlosigkeit gegenüber menschlicher List ist sein eigentliches
Thema. Er hat es meisterlich abgewandelt. Der erste Stier greift in heller Wut die beiden
Menschen an, die ihm aber doch noch entkommen; der zweite ist in ihr Netz gefallen
und brüllt nun voll Schrecken und Verzweiflung; der dritte endlich bemerkt die Gefahr
und sucht sein Heil in der Flucht.
Der zweite Becher (HA — D) zeigt uns ein friedliches Weidebild. Hier galt es
nicht, dem menschlichen Auge unfaßbare momentane Bewegungen darzustellen, darum
fehlen auch jene unmöglichen Stellungen und Dehnungen. Es war längst beobachtet,
daß die schöne Mittelgruppe durch eine Art geistiger Beziehung verbunden ist. Eine
Erklärung dafür hat A. Körte gegeben ^), der sie als das Werben der Kuh um die
') österr. Jahreshefte IX 1906, 294.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
327
Abb. 34. Relief des zweiten Bechers von Vaphio.
Gunst des Stieres auffaßt. Seine Deutung der beiden einzelnen Stiere erscheint mir
zweifelhaft, zumal die des gefesselten läßt sich kaum aufrechterhalten, da man sein
Brüllen eben mit der Fesselung zusammenbringt und gewiß auch mit ihr zusammen-
bringen soll. Damit wird die Geschlossenheit des Bildes nur scheinbar gelockert:
nicht Bilder aus dem Geschlechtsleben des Stieres sind das Thema, sondern, wie der
Vergleich mit dem Gegenstück lehrt, sein friedliches Dasein unter dem Schutze des
Menschen; hier findet er schattige Weide ^), hier drängt sich die Kuh an ihn, aber
freilich, er hat seine Freiheit verloren, der Mensch fesselt ihn, und nur ein dumpfes
Brüllen gibt den Unwillen des Bezwungenen kund.
Die außerordentlich kunstvolle Komposition der beiden Reliefs ist von Riegl
meisterhaft dargestellt worden. Sie verfolgt beidemal dieselben Prinzipien der sorg-
fältigen Abwägung der Motive rechts und links von der Mitte (vgl. Abb. 33. 34). Trotz-
dem spiegelt sich der Gegensatz der Idee auch in der Komposition wieder. Zunächst
in den Hauptrichtungen der Bewegung. Beim Stier im Netz kehrt sie gleichsam
in sich selbst zurück; die beiden anderen Stiere streben von ihm fort, nach außen; die
ganze Gruppe ist schon dem Schema nach unruhig, als ob sie eben zerreißen wollte.
Ganz anders auf dem zweiten Becher: da sind alle Tiere in einer Richtung dargestellt;
die Reihung ist gewiß das ruhigste Motiv, das sich finden ließ.
Und noch mehr. Von den drei Stieren des ersten Bechers ist der eine durch den
fallenden Mann überschnitten, der andere durch die dicken Seile des Netzes, der
dritte durch die Palme: so kommt bei keinem die volle Fläche des Körpers zur Wirkung.
Auf dem zweiten Becher sind die drei Stiere ohne jede Überschneidung dargestellt.
So ist die Komposition der beiden Becher nicht nur für jeden einzelnen wohl
erwogen, sondern sie verbindet beide zugleich als Gegenstücke.
Schließlich ist auch die Auffassung der Landschaft, in der die beiden Szenen
spielen, die gleiche, Sie bedarf einer kurzen Besprechung, auch nachdem Riegls
Versuch, die herabhängenden, raumfüllenden Gebilde als Wolken zu deuten, wider-
legt ist 2). Sie sind nichts anderes als Felsen, die gleichsam von dem im oberen Rande
') Wo große Bäume wachsen, wird sich auch Gras *) A. Reichel, Ost. Jh. XI 1908, 249. Die richtige
finden; es ist freilich nicht dargestellt. Deutung hatte schon Tsundas gefunden.
23*
328 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
der Darstellung laufenden Horizonte heruntergeklappt sind. Diese sonderbare Art
der Wiedergabe ist die Konsequenz aus der Auf fassung der Bildfläche als der Agi-
tationsfläche der darzustellenden Figuren. Sie kann, wenn es der Gegenstand fordert,
näher bezeichnet werden, wie auf dem Entendolche oder dem Silberbecher mit der
Stadtbelagerung; sonst kann sie neutral bleiben, und es genügt, wenn an ihren Rän-
dern Terrainformen angegeben werden, sei es nur unten, sei es an mehreren Seiten,
besonders auch oben, wie hier. Der Bildgrund ist also hier so wenig wie bei der 'Stadt-
belagerung' als Luftraum aufzufassen, obwohl er glatt gelassen ist; daher kann auch
der hintere der beiden Bäume, an die das Netz gespannt ist, auf ihm wachsen. Es
ist gewiß kein Zufall, daß die unruhig wirkenden Palmen auf der friedlichen Szene
fehlen; statt ihrer erscheinen hier Laubbäume, offenbar Oliven^), mit breit aus-
ladender Krone.
Alles bisher Besprochene schließt die beiden Becher auf das allerengste zusammen.
Wir dürfen noch hinzufügen, daß auch die Bildung der Stiere wie der Menschen
die gleiche ist. Als Gegenstücke sind die beiden Becher geschaffen, in jeder Feinheit
untereinander wohl abgewogen; derselbe Fürst hat sich ihrer gefreut und sie sich mit
ins Grab legen lassen — da scheint der Schluß unabweisbar, daß wir zwei Werke
desselben Künstlers besitzen.
Um so auffälliger ist nun eine Reihe von Unterschieden, die sich bei näherer
Betrachtung herausstellen. Die beiden Becher sind zwar in ihrer allgemeinen Form
nahezu gleich ^), aber der erste hat einen eingetieften Boden und leicht profiherte
Streifen über und unter dem Relief; beim zweiten füllt letzteres die ganze Höhe
und der Boden ist glatt. Wichtiger ist die verschiedene Stilisierung der landschaft-
lichen Elemente. Schon die Angabe des Bodens ist bei beiden Bechern anders 3) ; die
von oben herabhängenden Zacken laufen beim ersten Becher ohne Unterbrechung
vom Henkel bis wieder zu ihm zurück und schließen sich den Umrissen des Bildes
aufs engste an; beim zweiten sind es nur einzelne Zacken, die zwar mehr freien Raum
über dem ruhigen Vorgang lassen, dafüraber korallenartig zerrissen sind, währendjene
geschlossenere Konturen haben. Diese Verschiedenheit aus dem Inhalt der beiden
Darstellungen zu erklären, scheint mir nicht möglich.
Die Bäume, an denen das Netz hängt, haben nicht das ruhig umrissene und
klar gegliederte Laubwerk wie die des zweiten Bechers. Und noch mehr: selbst die
technische Behandlung der Flächen ist bei genauerem Zusehen verschieden. Sie ist
bei den ruhigen Szenen des zweiten Bechers viel glatter als beim Stierfang; das tritt
besonders deutlich am Grunde hervor, dessen ruhige Flächen leicht konvex sind,
während man beim ersten Becher überall die Spuren des Werkzeugs sieht. Von
den Stieren gilt das gleiche 4). Dieser Unterschied läßt sich nun allerdings mit dem
') Nach der gleichmäßigen Anordnung der Blätter Der erste Becher ist also etwas steilwandiger.
an den Zweigen sind es gewiß keine Kiefern, Das Gewicht (nach Tsundas) ist fast gleich:
wie Stais meint (AM. XL 1915, 51 Anm. i). 276 g und 280,5 g.
2) Die Hauptmaße betragen I II 3) Vgl. Rodenwaldt, AM. XXXVI 191 1, 243.
Boden Dm. 7,7 7,8 4) Schon Tsundas hat diesen Unterschied gesehen
Höhe 8,4 7,8 — 9 und hervorgehoben.
Oberer Dm. 10,2 — 10,3 I0,6 — 10,7.
K. Müller, Frühmykenisclie Reliefs. 2 29
verschiedenen Gegenstand der beiden Reliefs in Zusammenhang bringen : die gebrochenen
Flächen der erregten Szene erhöhen durch ihr Flimmern den Eindruck des Bewegten,
des Momentanen; im ruhigen Glanz des anderen Bildes spiegelt sich seine friedliche
Stimmung.
Und doch würden wir fehlgehen, wollten wir annehmen, die Hand des Künst-
lers habe sich, bewußt oder unbewußt, in der Technik dem verschiedenen Stimmungs-
gehalt angepaßt. Eine so feine Unterscheidung der Flächenbehandlung würde ein
ganz unerhört zartes malerisches Empfinden voraussetzen, das gewiß irgendwie vor-
gebildet wäre oder doch nachgewirkt hätte. Nach allem, was wir besonders auch von
der Malerei wissen, in der wir am ehesten Spuren erwarten müßten, lagen dieser Zeit
derartige Bestrebungen völlig fern. Die technische Verschiedenheit läßt sich dann aber
nur auf einem Wege erklären, und auf diesen weisen auch die vom Inhalt der Dar-
stellungen sicher unabhängigen Unterschiede: die beiden Becher stammen nicht
von einer Hand.
So hätten wir also die beiden Werke nicht mit Recht auf einen Meister zurück-
geführt? Ich denke, doch. Denn die Annahme zweier selbständiger Meister führt
zu unannehmbaren Folgerungen. Die gleiche Auffassung der Landschaft würde
nicht dagegen sprechen, sie ist bis zu einem gewissen Grade Gemeingut der Zeit;
die Gleichheit der Typen würde bei Schülern eines Meisters verständlich sein. Nicht
so die Komposition, die zwei völlig entgegengesetzte Aufgaben nach denselben Prinzi-
pien mit der gleichen Genialität behandelt. Will man annehmen, daß ein Schulver-
hältnis sich in dieser Periode bis auf die von Riegl aufgedeckten Feinheiten erstreckt }
So ist schheßlich nur eine Lösung übrig: die beiden Becher sind von zwei To-
reuten nach den Modellen eines Meisters ausgeführt. Diese Vorbilder haben nur das
Wesentliche enthalten; Einzelheiten wie die Stilisierung des Terrains oder die Bildung
der herabhängenden Zacken blieben den ausführenden Händen überlassen. Die gleich
bewundernswerte Geschicklichkeit der beiden Toreuten ist ein neues Zeichen für die
erstaunliche Kunstblüte der Zeit.
Wenn wir nun den beiden Bechern ihre Stellung innerhalb der kretisch -myke-
nischen Kunst anweisen wollen, können wir sie als eine Einheit betrachten.
Ihre Form ist in Kreta seit langem in Tongefäßen üblich. In Metall hat sie sich
meines Wissens bisher nur einmal gefunden, in Mochlos ^), und zwar kehrt hier die
spezifische Metallform der Henkel wieder.
Nach Kreta weist uns nicht weniger der Inhalt. Das Stierspiel ist sicher kretisch
und tritt auf dem Festlande deuthch als Import auf ^). Der Typus der Stiere ent-
spricht durchaus dem der kretischen. Auf dem Trichter vonH.Triada sind sie ebenso
kurzbeinig wie auch in den meisten anderen Darstellungen, seien sie nun plastisch
oder gemalt. Für die Kopfbildung ist das oben S. 271 besprochene Stuckrelief zu ver-
gleichen, etwa mit dem brüllenden Stier unter dem Henkel des zweiten Bechers
(Taf. 9 IIA). Durchaus kretisch ist die Tracht der Männer: der Schurz dessen, der
') Seager, Explofations in the Island of Mochlos Maraghiannis II 10,3 (frühminoisch), II 36,1;
Abb. 31 XII f. zu S. 62. Vorstufen in Ton: 47,2 u. 4; I, 32, i. 5 — 10.
») Vgl. A. Reichel, AM. XXXIV 1909, 96.
330 K. Müller, Frühmykenisclie Reliefs.
den eben erwähnten Stier führt, entspricht mit dem engen, oben abstehenden Gürtel,
den ich mir aus Metall denken möchte, und dem Gliedfutteral genau den kretischen
Analogien; die beiden Stierspringer tragen eine etwas abweichende Form, die auch
vorn einen herabhängenden Zipfel hat, gleich dem Schurz des Prinzen auf dem Becher
S. 244 Abb. I, und der mit mehrfach um den Leib geschlungenen Riemen gegürtet ist,
wie auch bei den meisten Schnittern von H. Triada. Ihr langes offenes Haar, von
dem bei dem einen Stierspringer einige Strähne am Scheitel zusammengefaßt sind,
während die Stirn von kürzeren Locken umrahmt wird, entspricht aufs genaueste
den Faustkämpfern am untersten Streifen des Rhytons oder dem Prinzen des
Bechers; bei letzterem kehren die Schuhe mit der Riemenumwickelung des halben
Unterschenkels wieder. Aus kretischen Fresken Heßen sich die Beispiele leicht
vermehren.
Auch die Kenntnis des Körperbaus ist ganz die gleiche. Hier wie dort über-
rascht die große Sicherheit in der Wiedergabe der Hauptzüge wie in der Beobachtung
gewisser Einzelheiten, wie etwa des Sägemuskels beim Fallenden oder der Hände, die
besonders auf dem zweiten Becher ausgezeichnet gesehen sind. Die starke Betonung
der Faszie an der Außenseite des Oberschenkels entspricht dem kretischen Brauch.
Nur ist dem Künstler der Vaphiobecher die Anatomie noch vertrauter als den Stein-
arbeitern, er sieht mehr Einzelheiten, z. B. die Schlüsselbeine (bei dem Manne Taf. 10
HB), deren Angabe auf der Schnittervase vermißt wird. Die Verwandtschaft mit
den kretischen Arbeiten geht also keineswegs so weit, daß man etwa den
Schöpfer des Becherpaares mit dem eines der Steingefäße gleichsetzen dürfte, aber
die Abweichungen sind darum doch nicht größer als die jener Gefäße untereinander.
Bei dieser engen Beziehung, die sich auch in der landschaftlichen Auffassung
ausspricht (vergl. S. 327), müssen gewisse Unterschiede um so aufmerksamer beachtet
werden. Wir haben gesehen, daß an den drei kretischen Steatitvasen die Kompositionsich
dem Gefäße in der Weise anschließt, daß ihre Hauptachsen als Oberflächenlinien
erscheinen. Die Becher von Vaphio lassen keine derartige Anordnung erkennen.
Der Grund dazu liegt jedoch, glaube ich, nur in der Form der Becher, die bei weitem
nicht die klare Kegelgestalt erreichen wie Becher und Trichter von H. Triada, aber
doch auch keine Zylinderflächen haben. Die elegante Einziehung in der Mitte, welche
dem einhenkeligen Becher besonders vorteilhaft ist ^), ließ sich mit dem Hochrelief
schwer vereinigen. So blieb eine tektonisch indifferente Form übrig, an der sich die
Darstellung frei entfalten konnte. Im übrigen schließt sich die Komposition der Form
aber doch aufs engste an. Drei Szenen sind auf jedem Becher dargestellt, ebenso
wie auf den unteren Streifen des Trichters von H. Triada. Diese Teilung ist für die
Betrachtung besonders günstig, weil man so jede Szene bequem übersehen kann.
Für die Gruppierung ist das bedingende Element der die Fläche zerschneidende
Henkel. Ihm gegenüber liegt die Mitte des Aufbaus, von der aus sich die Darstellung
nach rechts wie nach links entwickelt. So erklärt sich selbst die sorgsam abgewogene
Entsprechung der beiden Seiten im letzten Grunde aus der Gefäßform.
') Besonders schön an den Keftiubechern im (in Zeichnung u. a. auch bei Winter, Kunst-
Grabe des Senmut BSA. X 154 (H. R. Hall) gesch. in Bildern» 87,2).
K.Müller, Frühmykenische Reliefs. •j^j
Ein zweiter Unterschied, der sich freilich ebenso leicht erklären läßt, besteht
in der Reliefbehandlung. Die höchsten Erhebungen treten nicht nur beträchthch
weiter hervor als an den kretischen Beispielen, sondern die Gestalten sind auch weit
mehr gerundet und dabei in ihren Einzelformen noch schärfer modelliert als dort.
Dieser Gegensatz beruht nicht auf verschiedener Auffassung, sondern er ist durch
das Material und die von ihm bedingte Technik zu erklären. Der Toreut, der ein
Goldrelief von innen heraustreibt, ist natürlich nicht daran gebunden, alle höchsten
Erhebungen in eine dem Grunde parallele Fläche zu legen wie der Steinarbeiter
(vgl. oben S. 259). Die scharfe Ausarbeitung auch der weniger hochgetriebenen Partien
gibt selbst diesen glänzende Lichter, die alle Teile zu einem geschlossenen Bilde ver-
einigen. Das Leuchten des Goldes erhöht noch den malerischen Eindruck, der in der
ganzen Konzeption der beiden Reliefs, vor allem in ihrem lebendigen Erfassen des
Momentanen begründet ist.
Nach alledem können wir nicht zweifeln, daß die Becher von Vaphio demselben
Kreise angehören wie die kretischen Steingefäße.
15. Das Verhältnis der eingeführten Reliefs der Schachtgräber zu den
kretischen.
Nachdem wir in den Bechern von Vaphio Metallwerke desselben kretischen
Kreises kennen gelernt haben, aus dem die Steatitreliefs stammen, müssen wir die
beiden Silbervasen mit ihnen vergleichen. Der stilistische Gegensatz, der schon
jenen gegenüber zu betonen war (S. 324), tritt hier nur noch deutlicher hervor. Die
Gestalten haben bei weitem nicht die Bestimmtheit und Schärfe des Umrisses wie
auf den Bechern. Vor allem die großfigurige Silbervase läßt den Unterschied klar
erkennen. Sie zeigt nicht annähernd den Reichtum der Modellierung wie die doch
viel kleineren Gestalten der Vaphiobecher. Nirgends ist der typische Metallstil mit
seinen starken Gegensätzen von Licht und Schatten zu finden.
Es fragt sich nun, wie dieser Unterschied zu erklären ist. Die Lösung liegt
scheinbar auf der Hand. Es hat noch niemend bezweifelt, daß das Grab von Vaphio
jünger ist als die Schachtgräber. Das geht aus der Form wie aus dem ganzen Inhalte
hervor. Auch sind die beiden Becher nicht etwa als alte Erbstücke in das Grab ge-
langt, wie etwa die Vurvavase in den Tumulus von Marathon. In dem einen der gleich-
zeitigen Gräber von Alt -Py los ist ein Fragment eines Goldreliefs gefunden worden,
das zwar winzig klein ist, aber genügt, die gleiche Behandlung des hoch getriebenen
und sorgfältig ziselierten Reliefs zu zeigen ^). Die beiden Goldbecher sind zweifellos
entwickeltere Kunstwerke als die Silbervasen. Auch das stimmt zu dem allgemeinen
Verhältnis der Gräber. In Vaphio wie in den anderen frühen Kuppelgräbern tritt
nicht nur das einheimische Element weit mehr zurück als in den Schachtgräbern,
sondern es ist, wo es sich erhalten hat, reicher und feiner geworden. Die Stein-
pfeilspitzen von Alt-Pylos sind sorgfältiger und eleganter als die der Schachtgräber,
«) AM. XXXIV 1909 271 Nr. 3. Das Fragment, die Pranke eines Löwen dar, wie Marg. Bieber
das ich damals nicht zu deuten wußte, stellt zuerst gesehen hat.
2 22 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
die Formen des Bernsteinschmuckes sind mannigfaltiger geworden. Die alten Spiral-
muster haben sich zu komplizierteren Systemen entwickelt oder werden in gerun-
detem Relief ausgeführt — beides ist den Schachtgräbern noch fremd ^). Nicht
weniger aber steht der fremde Stil auf einer höheren Stufe. Das zeigt sich in tech-
nischen Dingen, wie in der Granulierung, die den Schachtgräbern noch fehlt, in
Vaphio dagegen reich vertreten ist, oder im Aufblühen der Glastechnik, von der in den
Schachtgräbern nur eben Spuren zu finden sind ^), — aber ebenso auf eigentlich
künstlerischem Gebiet. Man braucht nur die Gemmen des III. Grabes mit dem
reichen Schatze von geschnittenen Steinen aus Vaphio zu vergleichen, und die
so charakteristischen Prachtamphoren stehen 'nicht [nur als Töpferware, sondern
auch in ihrer künstlerischen Ausschmückung höher als die Vasen der Schachtgräber.
Es liegt daher nahe, auch für die Reliefs den Unterschied zeitlich zu erklären.
Aber so sicher das Grab von Vaphio jünger ist als die Schachtgräber, so wenig
folgt daraus eine befriedigende Antwort für die Frage nach der Stellung der Reliefs.
Schon ein kleines Fragment führt darauf, daß in der Schachtgräberzeit auch ein
kräftigeres Relief nicht unbekannt gewesen ist. Wir besitzen in der bekannten Fay-
encescherbe mit dem behelmten Kopfe eines Kriegers, die im III. Schachtgrabe ge-
funden und zweifellos mykenisch, nicht etwa ägyptisch ist 3), ein Stück recht hohen
Reliefs, das, in Metall übersetzt, den Vaphiobechern nahestehen würde. Wie mir
Karo mitteilt, hat sich neuerdings durch einige als zugehörig erkannte Brocken die
Form des Fayencegefäßes ermitteln lassen; es war eine Schnabelkanne mit 'Augen'
am Ausguß. Leider ist vom Relief zu wenig erhalten, um einen sicheren Schluß über
seinen Stil zuzulassen.
Deutlicher wird die Schwierigkeit, wenn wir die beiden Silbervasen als Vor-
stufen zu den Vaphiobechern und den mit ihnen verbundenen kretischen Reliefs
aufzufassen versuchen. Die Schachtgräber gehören in den Anfang der ersten spät-
minoischen Periode, das lehrt die Keramik und die Gleichartigkeit der Funde in den
Gräbern. Danach müßten also die Silbervasen zugleich in den kretischen Werken
der letzten mittelminoischen Zeit ihrerseits Vorstufen haben, also in Funden wie
den Temple Repositories. Stilistisch genau Vergleichbares haben wir hier nicht;
die Fayencereliefs mit den säugenden Tieren (S. 266), die sich zweifellos gut als Vor-
stufen des Stils der Vaphiobecher auffassen lassen, scheinen mir allerdings bei aller
Zartheit straffer modelliert als die großfigurige Silbervase. Gewichtige Bedenken
aber erheben sich wegen des Inhalts der Darstellungen wie wegen der Tracht, Beide
Silbergefäße zeigen Kampfbilder, die neben der Jagd die beliebtesten Motive gerade
der importierten Stücke der Schachtgräber sind. Beide Themata sind in Kreta
äußerst selten, nicht nur auf Reliefs; dafür bevorzugt man dort Kampf spiele und
') Steinpfeilspitzen AM. XXXIV 1909, 292; Bern- net, wie eine erneute Untersuchung der Origi-
steinschmuck ebda. 278; Spiralmuster ebda. nale gezeigt hat.
284 f. 3) Nat.-Mus. Nr. 123. 124. Schuchhardt, Schlie-
2) V. Bissing, Anteil der ägypt. Kunst am Kunst- manns Ausgr.» Nr. 208, Refchel, Hom. Waffen »
leben der Völker, Festrede der Münchener Aka- 44 Abb. 23; vgl. zuletzt Rodenwaldt, Tiryns II
demie 1912 S. 38 hat diese mit Unrecht geleug- 6 Anm. 3 und v. Bissing, Anteil d. ägypt. Kunst 41.
K. Müller, Frühmykenische Reliefs. ■}-}■}
Kultszenen. Diese Vorliebe für ernste Kämpfe und Jagdabenteuer, die, falls die
aufgestellte Reihe richtig wäre, in der einen Periode plötzHch auftauchen würde,
um ebenso schnell wieder zu verschwinden, läßt sich schwerlich allein dadurch er-
klären, daß etwa die Künstler dem Geschmack ihrer festländischen Abnehmer Rech-
nung getragen hätten. Noch seltsamer wäre die Annahme, daß der Schurz, der in
Kreta ja schon in mittelminoischer Zeit getragen wurde, der Hosentracht so sehr
gewichen wäre, daß er in den Schachtgräbern gerade einmal deutlich dargestellt
ist ^), während er dann — in Kreta — zum Alleinherrscher wurde. Hier kann kein
Einfluß festländischer Besteller vorliegen: diese trugen ja eine Art Chiton. Auch die
kurzärmligen Gewänder der beiden Silbervasen wären in Kreta ohne Vorstufen und
ohne Nachleben,
Diese Bedenken lassen sich weder durch die Fayencefragmente aus Knossos
mit Kriegern von heller und dunkler Rasse (oben S. 269) entkräften, noch durch
das Steatitfragment des Bogenschützen (S. 262f.). Die ersteren müßten, wenn sie
überhaupt in Knossos gemacht sind, um ihrer primitiven Formgebung willen älter
als die Temple Repositories angesetzt werden. Das letztere fällt, wie oben dargelegt
ist, in mehr als einer Hinsicht aus der knossischen Reihe heraus; will man es trotz-
dem als knossisch gelten lassen, so bewiese es doch nur, daß Jagd- oder Kampfbilder
dort gelegentlich vorkamen, was ja natürlich nicht bestritten werden soll 2), sowie
daß man auch da gegebenen Falles einen Mann in der Hosentracht darstellte. Wir
werden unten (S. 335) auf das Fragment zurückkommen und einen Erklärungsver-
such für seine Beziehung zu den Silbervasen vorschlagen — bei seiner Sonderstellung
unter den kretischen Denkmälern gestattet es jedenfalls keine Schlüsse auf die all-
gemeine Geschmacksrichtung oder die Nationaltracht.
So wird man zugeben müssen, daß gegen die angenommene Reihe Bedenken
bestehen, die freilich bei der Lückenhaftigkeit der Überlieferung noch nicht zwingend
beweisen, daß die Silbervasen nicht in diesen kretischen Kreis gehören. Zu einem
bestimmteren Resultat können wir gelangen, wenn wir die Silbervasen nicht isoliert
betrachten, sondern in Beziehung setzen zu den übrigen importierten Werken der
Schachtgräber, in erster Linie zu den besprochenen Reliefs. Da waren mehrfach
Besonderheiten zu "beobachten, die sicher nicht als festländisch gelten können, und
für die doch Analogien aus den kretischen Fundstätten fehlen. Ich erinnere vor allem
an die Form der beiden Goldgefäße, den hochfüßigen Becher und die Tasse mit Mittel-
wulst (S. 311 ff.). Beide Formen sind in der frühmykenischen Keramik des
Festlandes häufig, wenn sie auch in den Schachtgräbern selbst nur in Metall, nicht
in Ton vorkommen. Wir müssen also zum Vergleiche einen Blick auf die Keramik
werfen.
Von den Firnisvasen der Schachtgräber nehmen einige eine Sonderstellung
ein. Wie bei den Goldreliefs gibt es auch hier wenigstens pine deutliche Nachahmung,
1) Vgl. oben S. 263 Anm. 4. XXII 1902 Taf. VI, 12. 13 (Siegel aus H. Triada
2) Unter der ganzen Menge kretischer Denkmäler und Zakro). Wild von Hunden gehetzt kommt
sind mir nur folgende Kampfbilder bekannt: gelegentlich vor, vgl. oben S. 274; Darstellungen
Mon. Line. XIII 45 Nr. 38 (Abb. 41) undJHSt. mit Jägern kenne ich überhaupt nicht.
Jahrbuch des archäologischen Instituts. XXX. 24
554 ^' Müller, Frühmykenische Reliefs.
die große Amphora des V. Grabes (Furtwängler-Loeschcke, Myk. Tongef. VII, 42)
mit ihren ängstlich gepinselten und sonderbar unkretisch verbundenen Spiralen;
das Vorbild dürfte am ehesten ostkretisch gewesen sein. Zweifellos importiert, und
zwar aus dem östlichen Kreta, ist das Rhyton des II. Grabes ^). Von den
übrigen Firnisvasen stehen einige überhaupt vereinzelt da, die anderen sind
mit der frühmykenischen Keramik des Festlandes aufs engste verbunden, während
sie in Kreta keine oder höchstens ganz vereinzelte Analogien haben. Zu diesen letz-
teren gehören gerade solche mit besonders verbreiteten Motiven, so die gegitterten
Blätter, die allerdings in ungewöhnlichem Umriß vorkommen (Tongef. III, 9), oder
gar das von Furtwängler und Loeschcke als geöffnete Muschel gedeutete Muster,
das doch eher ein Doppelbeil darstellt. Jedenfalls gibt es keine Analogie dazu in
Kreta. Auch der mit Punkten verzierte Grund mehrerer dieser Vasen ist in dieser
Form unkretisch. Aber auch die Muster, welche nicht wie die genannten in der Periode
der älteren Kuppelgräber auf dem Festlande besonders beliebt sind, fehlen in den
uns bekannten Teilen von Kreta, so das Ornament der kleinen Tasse des III. Grabes
(Tongef. IV, 19) oder das auf der Schulter der großen und prächtigen Kanne des
VI. Grabes (daselbst XI, 56). Abgesehen von den wenigen ausgesonderten Stücken
bilden also die Firnisvasen der Schachtgräber in ihrem Gegensatz zu den kretischen
Funden eine geschlossene Gruppe.
Die Keramik der älteren Kuppelgräber ist wegen der großen Einheitlichkeit,
die durch immer neue Funde bestätigt wird, als festländisch zu bezeichnen 2) ; ihre
Vorstufen in den Schachtgräbern können es unmöghch sein, weil sie technisch wie
stilistisch völlig unvermittelt zu älteren Vasenklassen hinzutreten. Der Unterschied
von der kretischen Keramik läßt sich keineswegs auf zufälliges Fehlen von Analogien
zurückführen: bei der ungeheuren Masse der Scherben ist ein Schluß ex silentiohier
ebenso sicher, wie es eine Zuweisung nach verwandten Stücken sein würde. Eben-
sowenig lassen sich die Besonderheiten des Stiles dadurch erklären, daß kretische
Fabriken Zweigniederlassungen in Griechenland gehabt hätten (Reisinger a. a. 0. 32
Anm. 2): wie könnten diese unmittelbar nach ihrer Gründung Lieblingsmuster aus-
gebildet haben, die in ihrer Heimat ohne Vorstufen sind 3) ? So bleibt nur ein Schluß
') Myk. Tongefäße IV, 14. Schon Reisinger, Kret. mische Keramik; sollte da während der Zwischen-
Vasenmalerei 34, bezeichnet das Rhyton 'geradezu zeit nur importiertes Geschirr benutzt worden
als eine Dublette' des von Boyd-Hawes, Gournia sein.? Dann müßten sich doch wenigstens Nach-
Taf. VII 39 und auf seiner Taf. I, 7 abgebildeten. ahmungen erkennen lassen, wie etwa in Melos
Leider übersieht er die Unterschiede der kretischen oder später in Etrurien. — Übrigens hat H. R. Hall,
Fabrikationszentren. Aegean Archaeology 100 eine abweichende Mei-
^) Vgl. AM. XXXIV 1909, 269 ff. und zuletzt nung geäußert, die den Tatsachen widerspricht.
Rodenwaldt, Tiryns II 201 Anm. 4. Neu ver- 3) Es ist gewiß wahrscheinlich, daß die fremden
öff entlicht sind Scherben aus Eleusis, 'Ecp. dp^. Töpfer, als sie merkten, daß ihre Ware Anklang
1912, 8. 9 (Skias) und schöne Beispiele fand, auch auf dem Festlande selbst gearbeitet
aus dem messenischen Pylos, a. a. 0. 1914, haben. Bei ihnen lernten die einheimischen
112 ff. (Kuruniotis). Je zahlreicher die Bei- Kollegen, die dann den Stil weiterverbreiteten
spiele werden, desto sicherer wird man sagen und weiterbildeten. Ähnlich , denkt sich den
können, daß die Gefäße im Lande selbst gefertigt Vorgang Rizzo I 215 f., der aber Kreta als die
sind. Griechenland hat vor und nach der Zeit Heimat annimmt, obwohl er die Sonderstellung
der älteren Kuppelgräber vorzügliche einhei- der festländischen Keramik anerkennt.
K. MttUer, Frühmykenische Reliefs. •soe
übrig: die Hauptmasse der Firnisware der Schachtgräber, mag sie nun direkt im-
portiert oder in festländischen Zweigfabriken hergestellt sein, stammt aus keinem
der uns bekannten kretischen Fabrikationszentren.
Dürfen wir nun dieses Ergebnis auch auf andere Zweige der Kunst und des
Kunstgewerbes übertragen.? Die fremde Kultur, die uns in den Schachtgräbern
und an gleichzeitigen Funden außerhalb derselben entgegentritt, trägt im ganzen
einen so einheitlichen Charakter, daß es von vornherein falsch wäre, den kostbareren
Werken einen anderen Ursprung zuzuschreiben als der Keramik. Wir haben neben
ihr reiches Vergleichsmaterial noch für ein anderes Gebiet, für die Malerei. Es ist
Rodenwaldt nicht entgangen, daß trotz innigster Verwandtschaft der festländischen
Fresken mit den kretischen gewisse Unterschiede bestehen ^), und wir können seine
vorsichtigen Vermutungen nur bestätigen. Das System der in Felder geteilten und
dekorativ bemalten Fußböden fehlt in den Palästen Kretas; es ist doch nach dem,
was Rodenwaldt darüber gesammelt hat ^), gewiß das Wahrscheinlichste, daß es wie
die Wandmalerei fertig importiert ist, aber eben nicht aus den durchforschten kre-
tischen Kulturstätten. Schwieriger ist die Entscheidung, wenn uns in Kreta sichere
Vergleichspunkte fehlen, aber es soll doch hier wenigstens darauf hingewiesen werden,
daß die glänzenden eingelegten Metallarbeiten der Schachtgräber und anderer früh-
mykenischer Fundstätten dem festländischen Kulturkreise eigentümlich sind, ob-
wohl sie natürlich als importiert gelten müssen: in Kreta gibt es meines Wissens
bisher keine Spur davon. Auf der anderen Seite fehlt der im östlichen Kreta einhei-
mische und dort so gern verwendete Steatit auf dem Festland fast völlig.
Das mag genügen, um zu zeigen, daß die zur Schachtgräberzeit auf dem Fest-
lande importierte Kultur im wesentlichen nicht aus den bisher durchforschten Teilen
von Kreta stammt. Ob wie bei der Keramik vereinzelte Ausnahmen nachweisbar
sind, braucht hier nicht untersucht zu werden, denn die Stücke, mit denen wir uns
beschäftigt haben, gehören nicht zu ihnen. Für die Silberbecher beweisen das die
Schwierigkeiten, auf die wir bei dem Versuch, sie mit den kretischen Reliefs in eine
Reihe zu bringen, gestoßen sind. Dasselbe gilt aber nach dem heutigen Stande unserer
Kenntnis auch von den kleinen Goldzieraten, soweit sie oder ihre Form, ja selbst
die Anregungen dazu importiert sind. Dadurch erklärt sich gewiß manche Eigen-
tümlichkeit, die wir auf Kreta nicht nachweisen konnten, für deren Ursprung sich
aber auch keine festländische Quelle wahrscheinlich machen ließ. Bei dem Fehlen
ähnlichen Schmuckes in den bisherigen kretischen Grabungen ist hier die Entschei-
dung im einzelnen Falle besonders schwer.
Der Sitz der Kultur, die so auf das Festland eingewirkt hat, ist uns noch unbe-
kannt. Wir kennen sie vorläufig nur aus der Argolis, wo sie, wie wir gesehen haben,
nicht einheimisch sein kann. Bei dem regen Verkehr der einzelnen Kulturstätten
jener Zeit untereinander würde es nicht wunderbar sein, ihre Spuren auch anders-
wo zu finden. Das Steatitfragment mit dem Bogenschützen könnte bei seiner
Sonderstellung in Knossos und seinen engen Beziehungen zu den Schachtgräbern
■) Tiryns II 202 f. *) Tiryns II 236 ff.
236 K. Müller, Frühmykenische Reliefs.
recht wohl ihrem Kreise entstammen und in Knossos importiert sein. Eines aber
läßt sich mit aller Sicherheit sagen: diese ganze Kultur ist mit der kretischen auf
das allerengste verwandt. Wir haben immer und immer wieder kretische Werke
zum Vergleich heranziehen müssen. Ja, selbst eines ihrer Charakteristika, die Hosen-
tracht, verrät auf einigen Denkmälern kretischen Einfluß: die kurzen Beinkleider
sind mehrfach mit Volants benäht ^), ein Schmuck, der doch gewiß nicht für sie er-
funden, sondern vom Volantrock der Kreterinnen übertragen ist. Die Kanne des
VI. Grabes (Furtwängler-Loeschcke, Myk. Tongefäße XI, 55) zeigt neben dem Motiv
der 'rippled wäre' Weiß und Rot in der Art der festländischen, nicht der kretischen
Kamaresvasen (vgl. S. 285). Man wird annehmen dürfen, daß dies Gefäß und die mit
ihm verwandte Ware gleichfalls dem besprochenen Kulturkreise angehört, der dann
also in der unmittelbar vorausgehenden Zeit gleichfalls schwarzbunte Keramik
gehabt hätte. Unter diesen Verhältnissen liegt es gewiß nahe, zu vermuten, daß die
Kultur in Kreta selbst ihren Sitz gehabt habe, in einem Teile der Insel, der noch
nicht erforscht ist, also am ehesten im Westen. So gut Knossos, dieMessarä und der
Osten mehr oder weniger große Verschiedenheiten untereinander aufweisen, dürfen
wir von vornherein im Westen einen besonderen stilistischen Charakter erwarten ^) ;
ob er aber dem entspricht, den wir in den Schachtgräbern kennen gelernt haben,
kann nur durch Ausgrabungen ermittelt werden. Inzwischen spricht für unsere Ver-
mutung die geographische Lage, gegenüber der Argolis, und der bequeme Handels-
weg, der von den nach Norden gerichteten Landzungen westlich von Kydonia-.Canea
über die vorgelagerten Inselchen nach Kythera und von dort in den lakonischen
wie in den argivischen Golf führt. Bei dieser Verbindung sind westkretische Ein-
flüsse auf dem Peloponnes doch sicher eher zu erwarten, als solche aus dem Osten
der Insel. Andrerseits bildete dieselbe Inselbrücke auch eine stete Gefahr, da sie
feindlichen Einfällen vom Festlande her als Weg dienen konnte; für die östlichen
Gebiete Kretas war der Westen, als der wildere Teil der Insel, darum ein Bollwerk
und wird im Altertum wie übrigens auch heute eine rauhere Bevölkerung genährt
haben: zu ihr paßt die Vorliebe für Kampf und Jagd, die sich in den importierten
Kunstwerken der Schachtgräber ausspricht.
Göttingen. Kurt Müller.
•) Z. B. auf dem Kampfbilde des einen Goldringes 798) neben sicher eingewanderten Stämmen
und dem Schieber mit dem Löwenkampf (Furt- Eteokreter und Kydonen genannt werden, so
wängler, Gemmen Taf. 2, Nr. 3. 14). läßt sich daraus natürlich für die Mitte des
*) Wenn in der bekannten Odysseestelle (x 175, zweiten Jahrtausends kein Schluß ziehen, zu-
vgl. Ed. Meyer, Gesch. d. Altert. I, 2 3 S. 763 u. mal beide Gruppen isoliert erhaltene Überreste
desselben Stammes seiti könnten.
Archäologischer Anzeiger
B EIBLATT
ZUM Jahrbuch des Archäologischen Instituts
1915- I.
Wieder beklagt das Institut den Tod zweier Männer, die es zu seinen
Ehrenmitgliedern zählen durfte, und die einen Teil ihrer reichen Lebens-
arbeit dem Institut gewidmet haben.
Am 18. Januar starb Herr C. KlÜGMANN, hanseatischer Gesandter a. D.
in Berlin. Schon früh war er, als Bruder des Archäologen Klügmann, zu
unserer Wissenschaft in Beziehung getreten. Enger knüpfte sich das Band,
als er im Jahre 190 1 in die Zentraldirektion des Instituts berufen wurde und
hier an der Leitung der Geschicke des Instituts unmittelbaren, tätigen Anteil
nahm. In dankbarer Anerkennung seines Wirkens hat das Institut ihn zu
seinem Ehrenmitgliede ernannt. Unser Dank folgt ihm übers Grab hinaus.
Am 4. Februar 191 5 entschlief Herr Dr. Franz Adickes, Oberbürger-
meister a. D. der Stadt Frankfurt a. M. Mit ihm ist eine der markantesten
Persönlichkeiten, die im öffentlichen Leben Deutschlands in der jüngsten
Vergangenheit hervorgetreten sind, dahingegangen. Weit über die Grenzen
der alten Reichsstadt hinaus, deren glänzende neueste Entwicklung in ihm
ihren Träger fand, hat er auf den verschiedensten Gebieten des öffentlichen
Lebens gewirkt und geschaffen. Eine besondere Pflege fanden bei ihm
alle wissenschaftlichen Bestrebungen. Sein Wirken auf diesem Gebiet krönte
die Errichtung der Frankfurter Akademie und ihre Entwickelung zur Univer-
sität. Daß an ihr von Anfang an auch die Archäologie eine Stätte fand,
dürfen wir dankbar erwähnen. In unmittelbare Beziehungen zum Institut trat
Adickes, als es sich darum handelte, der neugegründeten Römisch-Germani-
schen Kommission eine Heimstätte zu schaffen. Sein Entgegenkommen veran-
laßte nicht nur die Verlegung der Kommission nach Frankfurt a. M., sondern hat
auch bewirkt, daß die Kommission dort rasch Wurzel faßte und daß fruchtbare
Beziehungen zwischen ihr und der Akademie sich anbahnten. Als Mitglied der
Kommission hat Adickes gerade in der ersten Zeit, als es galt, sie zu orga-
nisieren und auszubauen, an ihren Beratungen regen Anteil genommen, stets
sein klares Urteil und seinen sachlichen Rat, wo wir ihn suchten, spendend.
In die Trauer um den schweren Verlust, den wir mit der Gesamtheit
durch seinen Heimgang erlitten, mischt sich der Stolz, daß wir diesen Mann
zu den Unsrigen zählen durften und daß ein Teil seines reichen Schaffens
auch unserem Institut zugute gekommen ist.
Archäologischer Anzeiger 1915.
Die Dariusstele am Tearos.
Den Tod fürs Vaterland starb aus unserem Kreise:
DR. HERMANN SCHULTZ
Privatdozent für klassische Philologie an der Universität Göttingen, Assistent
am Kaiserlich Deutschen Archäologischen Institut in Rom 1907 — 1908,
korrespondierendes Mitglied des Instituts seit 1908,
gefallen am 17. Februar 19 15 in den Argonnen.
Ehre seinem Andenken.
DIE DARIUSSTELE AM TEAROS.
Der König Darius von Persien, Sohn
des Hystaspes, unternahm etwa im Jahre
514 V. Chr. seinen Feldzug gegen die jen-
seits der Donau wohnenden Skythen. Auf
dem Marsche zur Donau kam er in Thrakien
an den Fluß Tearos, an dessen Quelle er
eine Inschriftstele errichten ließ. Die aus-
führliche Beschreibung dieser Stelensetzung
gibt Herodot im IV. Buche c. 89 — 91 :
Aapeio; 8s o); oii'^y] xöv BoSTropov xaxa
T7]v ayeoir^v, iTcopsusto 6ta tr^? 6p7jtxyj?, dirixo-
fievoi; 6s ettI Tsapoü Troxafxou xa? irrj^a?
saxpaxoTrsSsuaaxo TjfASpa? xpst?. ' 0 8s Tsapo?
Xs^sxat uttö xäv Ttsptotxojv sTvat Troxa[X(uv
apitjxo; xa xs aXXa xa iq axeaiv (pspovxa xat
87] xal av3paat xai itttcoisi tj^tup/jV dxsaasöai.
dal 8a auxou al tttj^oI Suaiv 8Eoucjai xssdepd-
xovxa, dx TTExpyj? xr^c aux^? psoucjotf xat dt
(xsv auxswv Etat '|iu5(pat', a? Ss Ospixoti. 68ös
8' Itc' auxd; soxt icjtj i$ 'Hpaiou xs ttoXio?
•ZT^^ TCGtpd nspivöu) xat d$ 'ÄTcoXXtovtrj? x^s
iv X(5 Eu$£lVtl) TTOVXO), 8t>ÄV rjjXEpstüV ExaxspT],
dxStooi Se 6 Tsapo? ouxos I? xov KovxdSsaSov
TTOxajjLov, 6 Se KovxdosaSos Is xov 'A^ptovr^v,
6 Se ' A"]fpidvr^S iq xov"Eßpov, 6 Se ssOdXaaaav
X7)V Trap' Aivq> TroXt. IttI xoüxov aiv xov iroxa-
[Aov dTTtxofiSvos 6 Aotpsio; (u? iaxpaxoTCsSEusaxo,
"yjoösk xtp 7roxa[x(i) ctxVjXrjv laxrjas xott Iv&auxa,
Ypd[x[j,axa i^TP^'l'^''» Xeyovx« xdSs*
„Tedpou TTOxapiou xscpaXai üStup dptsxov
xe xal xdXXiaxov Trapsj^ovxat irdvxtov Tioxa-
uaiv. xat pkn auxd? dTrixsxo sXauvwv litt
2xu9a;axpaxov dvTjp d'ptcjx6?xe xat xdXXiaxo?,
Trdvxiuv dvöptüTTwv, Äapsio? 6 'Taxdairso?
nspaEwv xs xal TrdofTj? xf^s T^Treipoti ßaai-
Xsu?."
xauxa Stj ivöauxa i^pd^Tj.
Der Tearos wird sonst noch dreimal
in der antiken Literatur erwähnt, doch
ohne daß wir mehr erfahren, als Herodot sagt.
In einem Grabepigramm auf Simonides'
Namen (Anthologia Palatina VII, 514)
erscheint der Name des Flusses in der
Form Theairos:
AiSoj? xal KXsdor^ixov etcI Tzpoy^o^ai Osat'pou
dsvdou axovoEvx' vJYaYsv eh Ödvaxov,
6p7]ixiq) xupaavxa Xoj^q)* iraxpo; Ss xXeevvov
AtcptXou atj^fxr^xrjs uto? löyjx' ovofxa.
Eine dritte Namensform (Tatvapo?) steht in
der alten Morellschen Ausgabe des Rhetors
Libanios aus Antiochia (Orat. Antioch.
S. 346), ist aber in den neueren Ausgaben
(seit Wesseling) durch die herodoteische
Namensform ersetzt. Die Stelle lautet
in der Ausgabe von Foerster Vol. I Fase. II
(Lips. 1903) pp. 460 f. (Orat.^ XI §73):
Aapst'm [XEV ouv im ^xuöa? sXauvovxi Tsapo?
h OpcfXTQ iroxatxo? iSoSsv sTvat xdXXiaxo?, xal
az-tik-^v 0 Aapsio? axvjöa? xouxo lvEYpa<|/£v
aux^ Tsapov sivat Troxap-Äv xdXXtaxov.
Plinius endlich nennt n. h. IV, 45 einen
Tearus, unter anderen Flüssen zwischen
Donau und Bosporus. Darius selbst erwähnt
Die Dariusstele am Tearos.
in seiner großen Grabinschrift am Felsen
von Nak§-i-Rustem unter den ihm unter-
worfenen Völkern auch die Saken (Skythen)
»jenseits des Meeres«, womit hier der Bos-
porus im besonderen gemeint ist; vgl.
Weißbach, Keilinschriften der Achäme-
niden (Vorderasiatische Bibliothek Band 3,
Leipzig 191 1) S. 150. Ferner erwähnt er
seinen Feldzug gegen das Sakenland. Der
Text dieses Berichtes steht in einem nur
altpersisch geschriebenen Nachtrage (Kol. V)
der großen dreisprachigen Inschrift am
Felsen von Bisutün, ist aber so lückenhaft
erhalten, daß man nicht feststellen kann,
ob der Tearos genannt war. Da auch die
Jahresangabe fehlt oder zerstört ist, bleibt
die Zeitbestimmung unsicher . (Weiß b ach
a. a. O. S. 72 — 75, § 74 der Inschrift).
Herodot ist somit die einzige Quelle für die
Errichtung der Dariusstele am Tearos,
aber auch zeitlich ihr sehr nahestehend,
ungefähr 60 Jahre später niedergeschrieben.
Um die Lage der Tearosquelle bestimmen
zu können, macht Herodot einige genaue
Angaben. Der Tearos durchströmt Thrakien.
Er gehört zum Stromgebiete des Agrianes,
des heutigen Ergene (Pauly-Wissowa 1 891 f.),
und bildet den Zufluß zu einem Nebenflusse
des Ergene, des Kontadesdos. Da letzterer
bisher nicht aufgefunden wurde, läßt sich
nur sagen, daß der Tearos aus dem süd-
westlichen Abhänge des Strandschagebirges
entspringt. Einen zweiten Anhaltspunkt
gewinnen wir aus der Tatsache, daß die
Quellen am Marschwege des Darius liegen,
welche Straße, da sie südlich des Strand-
schagebirges verlief, derjenigen entspricht,
die von Seraj, nördlich der Eisenbahn-
station Tscherkessköi, über Vise, Tecke
Tschifthk, Bunar Hissar, Jene, Üsküpdere,
Kisildschik nach Kirk Kilisse am Gebirge
entlang führte; s. R. Kiepert, Karte von
Kleinasien Blatt I A; Viquesnel, Voyage
dans la Turquie d'Europe 1854 Atlas Tafel
i; T. 18 Fig. I und 19; auch bei G. v. Hoch-
wächter, Mit den Türken in der Front,
Berlin 1913, Karte 2 und 3. Eine dritte,
noch genauere Bestimmung gibt Herodot
damit, daß die Quellen des Tearos gleichweit,
nämlich zwei Tagereisen, entfernt seien
von der Stadt Heraion bei Perinthos am
Marmarameer und von der Stadt Apollonia
am Schwarzen Meer. Diese ist das heutige
Sizeboli in Bulgarien am südlichen Gestade
des Meerbusens von Burgas, vgl. Pauly-
Wissowa II 113 und C. Jirecek Arch. epigr.
Mitt. aus Öst.-Ung. X (1886) S. 162. Die
Stadt Heraion ist m. W. noch nicht genau
identifiziert. Bei Pauly-Wissowa fehlt der
Artikel; s. einstweilen W. Pape, Wörterb.
der griech. Eigennamen S. 462. Man muß
also von Perinth ausgehen, das nach He-
rodot in der Nähe Hegen soll. Perinth,
im späteren Altertum in Herakleia um-
getauft (vgl. P.-W. VIII 429 Nr. ?),
ist das jetzige Eregli am Nordufer des
Marmarameeres. Vgl. auch Ravennatis
Anonymi Cosmogr. et Guidonis Geogr.
ed. M. Pinder et G. Parthey, Berlin
1860 pp. 182; 372; 534, und HierocHs
Synecdomus et notitiae Graecae Episco-
pat. ed. Parthey Berhn 1866 S. 312. Die
Angabe Herodots stimmt nun mit den
anderen vortrefflich überein; denn suchen
wir auf der Karte z. B. bei Viquesnel
a. a. 0. Atlas Tafel i nach dem Orte mit
der bezeichneten Lage, so kommen wir,
südlich des Strandschagebirges, auf den
Ort Jene (lena) westlich von Bunar Hissar,
an der von Darius eingeschlagenen Land-
straße.
Von den Tearosquellen selbst gibt Herodot
eine Beschreibung. Der Fluß habe acht-
unddreißig Quellen, die alle aus dem-
selben Felsen kämen; die Quellen seien
teils kalt, teils warm, das Wasser sei heil-
kräftig und überhaupt das schönste und
beste von allen Quellen.
Auf Grund der genauen Ortsbeschrei-
bung Herodots sind nun auch mehrere
Forscher dahin gekommen, die Quellen
des Tearos in die Gegend von Bunar Hissar
zu setzen. Spiegel, Eränische Alters-
tumskunde, 1873 Bd. II S. 343 Anm. 2
hält den »Simir Dere«, der in Bunar Hissar
entspringt, für den Tearos. Diese Ansicht
stützte sich wohl auf den Bericht, den der
englische Generalleutnant A. Jochmus
über seinen 1847 zur Auffindung der Stele
nach Bunar Hissar unternommenen Ausflug
erstattet hat: Journal of the Royal Geo-
graphie. Soc. XXIV (1854) S. 43- Jochmus
hatte von einem Bektaschi-Derwisch er-
fahren, daß ein Stein mit einer »altsyrischen«
Die Dariusstele am Tearos.
nagelartigen Schrift in der Nähe des Bassins
der größten Quelle von Bunar Hissar
gefunden und zum Bau des Klosters
bei der Türbe des Generals Binbir-oklu
Ahmed Baba im Tecke Tschiftlik, eine
halbe Stunde östlich von Bunar Hissar,
verwertet worden sei. Leider konnte der
Stein in dem 1829 von den Russen zer-
störten Gute nicht wiedergefunden werden.
So war nicht festzustellen, ob diese Inschrift
wirklich von Darius herrührte oder etwa
eine alte türkisch-arabische Inschrift war.
Vgl. auch Weißbach, Grundriß der
iranischen Philologie Bd. II S. 63 und
Pra§ek, Dareios I. (Der alte Orient XIV,
Heft 4) S. 29. Forbiger (Handb. d. alt.
Geogr. 2. Aufl. Bd. III S. 735, Anm. 5,
1877) nahm einen gewissen Deara oder
Dere für den Tearos. J. C. Cramer (Geo-
graphical and Historical Descript. of ancient
Greece Vol. I S. 317) setzte 1878 den
Tearos sogar nördlich von Kirk Kilisse als
Teke Dere fest, der Kontadesdos sei der
Saradschala. Tomaschek (Sitz.-Ber. d.
Wiener. Ak. Phil.-Hist. Kl. Bd. CXXVIII
Heft IV S. 97) verlegte 1893 die Quelle des
Tearos nach Kryonero = Soudschak, nord-
östlich von Bunar Hissar. Da m. W. kein
Orts- oder Flußname in der diesbezüglichen
Landschaft dem Namen Tearos entspricht,
mag nicht unerwähnt bleiben, daß Toma-
schek a. a. O. S. 97 vermutet, dem Worte
Tearos liege skr. cäru »angenehm, lieb«
zugrunde und die Benennung sei vom
Perserkönige selbst ausgegangen, wie er
ja auch die Güte des Quellwassers in seiner
Inschrift stark betont.
Zur Ermittelung des Standortes der Stele
unternahm ich mit Hilfe des Kaiserlich
Osmanischen Museums in Konstantinopel
in der Zeit vom 29. Juni bis 6. Juli 1914
einen kleinen Ausflug von Kirk Kilisse auf
dem oben apgegebenen Wege über Jene,
Bunar Hissar, Vise nach Tscherkessköi.
Auf dieser Reise erfreute ich mich der
Begleitung und Unterstützung der Herren
Pastor Theodor Heinemann und Schul-
direktor Georg Kleibömer. Die Straße,
auf der Darius vom Bosporus aus heranzog,
trifft beim Orte Seraj auf die Vorberge des
Strandschagebirges, an denen sie weiterhin
entlang läuft. Von Seraj bis Vise (s. die Sp. 5 f.
angeführten Karten) führt der Weg in einem
breiten, fruchtbaren Tale, in dem zahlreiche
Quellen hie und da dem Boden entspringen.
Die östlichen Berge nähern sich immer
mehr der Straße, bis sich der langgestreckte
Stadt- und Burgfelsen von Vise, schon
von weitem sichtbar, quer ins Tal vorschiebt.
Dieser Berg, den der Weg auf seinem
äußersten Ende überschreitet und der einst
die alte Königsstadt der Thraker, Bizye,
auf seinem Rücken trug, scheint der Be-
schreibung des Tearos bei Herodot zu ent-
sprechen. Dem Felsen entspringen eine
Menge von Quellen und Brunnen, so daß
er dem Felsen mit den 38 Quellen recht
ähnlich sieht. Von warmen Quellen ist
allerdings in der ganzen Gegend nichts zu
entdecken, doch erzählt man, daß warme
Quellen existiert hätten, die aber versiegt
wären. Von den Quellen in Vise scheint
keine bedeutend genug zu sein, daß sie
besonders zur Errichtung einer Stele heraus-
gefordert hätte. Erst in der Fortsetzung
des Tales, das der Annefluß durchströmt,
etwa eine Stunde von Vise, findet sich,
ungefähr 30 Meter links abseits der modernen
Kunststraße, aber, wie aus Spuren erkennbar
scheint, an der alten Straße, eine mächtige
Quelle, genannt Karpus Kaldiran »die die
Wassermelone hebende«, mit einem drei-
viertelrunden, künstlich geschnittenen Bassin
von 1,65 m Durchmesser, das antik ist und
jetzt 0, 17 m unter Wasser und 0,57m unter
dem modernen Rande liegt, weil die Quelle
durch Auswurf von Sand ihren Boden
erhöht hat. In der Nähe dieser Quelle soll
ein Reliefdenkmal eines Reiters, wahr-
scheinlich in der Art des »thrakischen
Reiters«, im Felde liegen. Kurz bevor die
Straße das Annetal verläßt, um auf einen
zweiten großen Ausläufer der Vorberge
hinaufzugehen, liegt in dem nordöstlich
gelegenen Seitentale von Ewrendschik,
V2 Stunde aufwärts, auf der Talseite links,
das »Mega Ajasma«, das große Quellheilig-
tum, von Strauchwerk fast ganz verdeckt.
Zwei nicht sehr starke Quellen sind von
einem fast oblongen Bau eingehegt, der an
der Talwand aus einer Böschungsmauer
von Quadersteinen (0,75 m lang, 0,48 m
hoch) besteht, die noch 7 Steine hoch er-
halten ist, und deren Länge etwa 16,50 m,
Die Dariusstele am Tearos.
lO
deren Höhe etwa 3,50 m beträgt. Die Tiefe
des Baus ist rund 9,20 m. Die Sockelsteine
der Rückwand waren fast alle noch in situ,
sie sind mit einer einfachen Abschrägung
versehen. Vom Gesims konnte ein Block
am Boden liegend gemessen werden, eben-
falls mit einfachem Profil, nämlich mit
einem breiten, wagerechten, unten abgerun-
deten und zurücktretend einem schmäleren
Wulst. Die Steine sind mit Mörtel verkittet;
der Bau scheint erst aus byzantinischer
Zeit zu stammen. Hier findet sich kein
Anhaltspunkt für eine Stelensetzung; eben-
sowenig im Tale von Kryonero = Soud-
schak, welches Dorf eine halbe Stunde von
der Landstraße entfernt liegt und dessen
FlulJquellen mindestens zwei Stunden, also
zu weit, vom Hauptwege entfernt entsprin-
gen. In der Nähe des Ortes selbst waren
keine hervorragenden Quellen zu entdecken.
Die Straße führt weiter über die Vorberge,
quert das Tal des Kara Agatsch und steigt
hinauf zum Tecke Tschiftlik, das an einer
von einem kleinen Bassin eingefaßten Quelle
gelegen ist und heutzutage bis auf die
Türbe des türkischen Generals völlig wüste
ist. Gegenüber dem Kloster, nördlich der
Landstraße, liegen die Trümmer des Tschift-
liks (Gutes), alles von dichtem Gestrüpp
überwuchert, so daß eine eingehende Unter-
suchung nur bei längerem Aufenthalt möglich
sein wird. Hier sollte ja der von Jochmus
angezeigte Stein mit der nagelartigen Schrift
sein. Eine Beschreibung dieser Stelle gibt
auch Ami Boue, La Turquie d'Europe,
1840, n S. 325.
Etwa dreiviertel Stunden westlich dieses
zerstörten Klosters liegt Bunar Hissar mit
einer byzantinischen Burg, von der noch
der runde Bergfried, ein kleiner halbrunder
Turm und ein viereckiges Haus erhalten
sind (vgl. Boue a. a. O. H, S. 363). Hier
war an dem größten Bassin angeblich der
Stelenstein gefunden worden. Das Quell-
bassin ist im Frühjahre 1914 aus gesund-
heitlichen Gründen überbaut worden, so
daß man die Einfassung nicht untersuchen
konnte. Das Bassin hat etwa 4 : 8 m im
Geviert, aber der Bach fließt nur in einem
1,13 m breiten Bette fort. Sonst sind dort
noch zwei erwähnenswerte, aber kleinere
Quellen vorhanden.
Auch die größte Quelle von Bunar Hissar
aber verschwindet völlig hinter den drei
Quellen von Jene oder Jenno, eine Stunde
nordwestlich von Bunar Hissar, die einen
bedeutenden Ruf in der ganzen Umgegend
genießen und in vollstem Maße verdienen.
Sie liegen nahe beieinander und direkt an
der Heeresstraße des Perserkönigs. Die
größte Quelle, Böjük Kamera genannt,
ist eine Doppelquelle. Die moderne tür-
Abb, I. Die Böjük Kamera-(^uelle in Jene bei
Bunar Hissar, die Tearosquelle des Darius.
kische Einfassung der Quelle (Abb. i — 3)
bildet ein unregelmäßiges Sechseck von
ungleich langen Seiten, nach Süden zu orien-
tiert; die größte Breite ist 10,60 m, die
größte Länge 11,20 m. Von der nördlichen
Abschlußmauer führt eine Freitreppe 0,97 m
tief hinunter, auch ist die nordwestliche
schräge Mauer von Norden her als Treppe
gestaltet. Das heutige Ufer der Quelle
liegt 0,25 m oberhalb einer noch wohl
erhaltenen antiken Einfassung, die jetzt
bis zu 0,15 m unter Wasser liegt (s. Abb. 2),
weil das Quellwasser im Laufe der Zeiten
Sand und Steine angespült und den Quell-
II
Die Dariusstele am Tearos.
12
Abb. 2. Ansicht der Quelle von Jene, von der Südwestecke des Beckens aus.
Abb. 3. Ansicht der Ostquelle der Böjük Kamera von Jene von der Südostecke aus.
boden erhöht hat. Die vom Wasser be-
deckten Teile des Beckens sind in Abb. i
schraffiert. Die antike Einfassung schon
teilte das Wasserbecken nach den Quellen
in zwei Teile. Die Westquelle, heute die
wasserreichste, ist 1,54 m breit und von
einem großen Granitblock von 1,75 : 1)05
Größe überdeckt. Das, Westufer begleitet
in welliger Linie eine antike Bordmauer
von langen, 0,30 m breiten Steinen und
verengt das Flußbett allmählich. Die Tren-
nung der beiden Quellen bewirkt ein Stein
13
Die Dariusstele am TearoS.
14
von 1,20 m Länge und 0,47 m Breite mit
einer losen Auflage von unbehauenen Steinen.
Die Ostquelle, gleichfalls von behauenen
Steinen eingefaßt und 4,18 m breit, ist
östlich von einer ziemlich geradlinigen
Ufermauer abgeschlossen, die den Fluß im
Verein mit der Westmauer, kurz vor der
modernen Abschlußmauer mit Durchlaß,
bis auf 4,50 m Breite einengt. Das moderne
Flußbett aber hat hinter dem Durchlaß die
ansehnliche Breite von 7,50 m. Schon die
Flußbreite spricht für die Stärke der Quellen,
deren Strömung auf Abb. 2 veranschaulicht
ist. Das Wasser ist außerordentlich rein
und wohlschmeckend. Eine derartige Natur-
erscheinung war wohl würdig, durch ein
Denkmal ausgezeichnet zu werden. Das
ist nun auch tatsächlich geschehen. Die
Ostquelle, welche im Altertum als die
bedeutendere gelten mochte, hat noch jetzt
in der Mitte der Nordeinfassung den Sockel
einer Stele in ursprünglicher Lage. Die
Bordmauer besteht hier aus neun behauenen
Steinen, von denen der mittelste schmäler
als die übrigen ist, aber um 0,04 m nach
QUtLLE
[ 13t«w-
Abb. 4. Stelensockel der Ostquelle der Böjük
Kamera von Jene.
dem Wasserbecken zu vorspringt und ein
0,07 m bis 0,08 m tiefes Zapfenloch von
0,11 : 0,14 m Weite hat; der Zapfen der
abgebrochenen Stele steckt noch darin
(in Abb. 2 und 3 durch einen spitzen weißen
Stein gekennzeichnet). Der Sockel ist
0,69 m lang, 0,40 m breit und 0,20 m
dick (vgl. Abb. 4); das Material ist, wie
das der anderen Steine, mit Ausnahme des
Decksteins der Westquelle, der im Orte
anstehende Muschelkalk, durch den das
Entstehen solcher kolossaler Quellen bedingt
ist. Am bekanntesten sind wohl ähnliche
Quellen im Karst in Istrien. Die Steine
der Nordkante senken sich übrigens nach
Osten zu von — 0,02 m auf — 0,15 m, wohl
infolge des Druckes der Quelle, die unter
den vier östlichsten Steinen hervorsprudelt.
Der Sockelstein steht mit der Schmalseite
parallel zur Bordkante, ebenso auch das
Zapfenloch. Die Stele, die man sich nach
Art der Darius-Denkmäler auf der Land-
enge von Suez als eine hohe, oben abge-
rundete Platte vorstellen darf, muß also
im rechten Winkel zum Uferrande gestanden
haben, so daß man von beiden Seiten
bequem herantreten und die Inschriften
lesen konnte. Obgleich Herodot es nicht
ausdrücklich sagt, darf man nach dem Bei-
spiel der Bosporosstelen des Darius (Her.
IV 87) wohl annehmen, daß dem griechischen
Text der Tearos- Inschrift eine keilschriftliche
Fassung gegenüberstand. Nach Herodot
hätte die eine der beiden Stelen, die Darius
am Bosporus errichten ließ, eine Inschrift
in assyrischen, die andere eine solche in
griechischen Zeichen enthalten.
Den mächtigen Wasserreichtum der Quelle
von Jene erklären die Einwohner merk-
würdigerweise damit, daß das Wasser von der
Donau komme, was schon der türkische
Reisende Ewlijja Tschelebi in seiner Reise-
beschreibung Band V S. 79 (gedruckt in
Konstantinopel i. J. 131 5 d. H.) erzählt.
(Ich verdanke die Mitteilung dieser Stelle
der Liebenswürdigkeit S. E. Halil Edhem
Bejs.) Ewlijja Tschelebi besuchte im Monat
Schawwel 1066 (August 1656) »Jene Hissar«
(.Laos- ».Li). Dieser Name sieht wie eine
Verschmelzung von Jene und Bunar Hissar
aus, was aus xler Beschreibung ^) hervor-
I) Ewlijja Tschelebi sagt: »Die Festung Jene
Hissar ist von Konstantin erbaut. Sie liegt auf
einem hohen Felsen. Sie ist klein und von penta-
gonaler Form. Sultan Murad hat sie erobert, und
seitdem ist sie eine Ruine geblieben. Aus dem
15
Die Dariusstele am Tearos.
i6
zugehen scheint, die nur auf Bunar Hissar
paßt, da in Jene keine Burg existiert.
Auch Viquesnel (a. a. O. S. 286 und S. 303)
spricht von der mutmaßlichen Verbindung
der Quelle von Jene mit der Donau und
sagt, daß man dies auch von den andern
Quellen dort behaupte. S. 303 gibt er eine
Erzählung wieder, die ein Beweis der Ver-
bindung sein soll. Möglicherweise aber
liegt in diesem Gedanken eine blasse Er-
innerung an den Zug des Darius zur Donau.
Das wird der König auf der Stele vermerkt
haben, zumal er schon früher die Griechen
zum Brückenbau dahin ausgesandt hatte,
und, nach Herodots Mitteilung, wenigstens
ein Hinw^eis auf den Skythenzug in der
Tearosinschrift enthalten war. Wie schon
vermutet, wird diese Inschrift des Darius
keilschriftlich und griechisch abgefaßt ge-
wesen sein, so daß sie den Griechen, die noch
heute in Jene wohnen und stets lebhaftes
historisches Interesse bekunden, verständlich
geblieben sein muß. Auf der Fortsetzung
der Landstraße bis Kirk Kilisse bietet sich
für die Frage nach den Quellen des Tearos
nichts Interessantes. Auf dieser Strecke
sind die Quellen vom Wege sehr entfernt ').
Das Ergebnis ist demnach folgendes:
Nach der Beschreibung, die Herodot von
den Quellen des Tearos gibt, käme der Ort
Vise oder wohl besser die Gesamtheit der
quellenreichen Vorberge des Strandschage-
birges in Betracht. Der Ortslage nach
Herodot entspricht die von Jene genau.
Damit trifft zusammen, daß sich in Jene
eine großartige, in der ganzen Landschaft
einzig dastehende Doppelquelle findet,
Felsen entspringt eine gute Quelle. Es ist sicher,
daß dieses Wasser von der Donau kommt. Zur Zeit
des Sultans Mohammed I. hat man Stroh und
Kohlen in die Donau geworfen, die mit jenem
Wasser wieder zum Vorschein gekommen sein
sollen. Dieser Ort besitzt eine Hauptmoschee,
ein kleines Bad, kleine Moscheen, mehrere wichtige
Häuser und Läden, Weinberge und Gärten. Dieser
Ort gehört zum Sandschak Kirk Kilisse.«
') Die zweite Quelle von Jene ist etwa ein Drittel
so groß, als die Böjük Kamera, heißt Alexopulo-
quelle und ist von einem rechteckigen Bassin ein-
gefaßt, das, nach Osten hin orientiert, 9,85 m lang
und 2,80 m breit ist. An der Nordwestecke sind
Reste der ungefähr nach Norden orientierten antiken
Einfassung noch unter dem Wasserspiegel erkennbar.
Die dritte Quelle, die von Kosmooglu, ist nicht von
großer Bedeutung.
die im Altertum mit einer Stele geschmückt
war. So bleibt es immerhin sehr wahrschein-
lich, daß die Tearosquelle, die Darius durch
seine Stelensetzung auszeichnete, eben die
Quelle von Jene gewesen ist. Dieser Befund
darf zugleich als ein neuer Beweis für die
Zuverlässigkeit der Geschichtsschreibung He-
rodots gelten, die so oft angezweifelt wird,
die aber, wo persische Verhältnisse in Frage
kommen, sich meistens glänzend bewährt.
Konstantinopel. Eckhard Unger.
Nachschrift,
Die Reise, die Herr Dr. Unger zur Auf-
suchung der Tearos- Quellen und der Darius-
Stele unternommen hat, ist topographisch
erfolgreich gewesen. Seine Ausführungen
haben mich überzeugt, daß die große Doppel-
quelle Böjük Kamera und keine andere
die gesuchte Tearos- Quelle ist, und es
besteht für mich kein Zweifel mehr, daß
der von ihm entdeckte Sockelstein der
nämliche ist, über dem sich einst die von
Herodot erwähnte Darius-Stele erhob. Ist
auch die Hoffnung, die Inschrift selbst
wiederzufinden, bis jetzt unerfüllt geblieben,
so darf sie deshalb noch nicht aufgegeben
werden. Wenn sich künftig einmal die
Möglichkeit bietet, die Trümmer des seit
1829 verwüsteten Landgutes TeckeTschiftlik
aufzuräumen und jeden Stein sorgfältig zu
untersuchen, kann es leicht geschehen, daß
die Inschrift oder ein größerer Teil von ihr
wieder zum Vorschein kommt.
Über die Beschaffenheit der Inschrift
läßt sich jetzt natürlich noch kein ab-
schließendes Urteil gewinnen. Indessen
möchte ich zu dem, was Unger oben Sp. 14
über diesen Punkt gesagt hat, noch einige
Bemerkungen hinzufügen. Herodot sagt
nicht ausdrücklich, in welcher Sprache die
Inschrift abgefaßt war, und da er ihren
Wortlaut auf griechisch gibt, könnte man
schließen, sie sei nur griechisch gewesen.
Wenn aber an der Erzählung des Gewährs-
mannes des Generalleutnant Jochmus etwas
Wahres ist, so haben wir in den letters
resembling nails (Jochmus p. 44) sicherlich
Keilschrift zu erkennen. Unger hat bereits
auf die beiden Inschrift-Stelen hingewiesen,
17
Bericht vom Jahre 19 13 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
18
die Darius nach Herodots Angaben am
Bosporus hatte errichten lassen. Noch
vollkommener scheint mir die Analogie
jener Darius- Inschriften, deren Fragmente
an verschiedenen Stellen der Landenge
von Suez entdeckt worden sind. Sie sind
viersprachig: auf der einen Seite altpersisch,
elamisch und babylonisch, auf der gegen-
überliegenden Seite ägyptisch. Statt der
letzteren enthielt die Tearos- Stele eine
griechische Inschrift. Die drei Keilschrift-
Arten Altpersisch, Elamisch und Babylonisch
unterscheiden sich zwar sehr voneinander,
aber dem Laien erscheinen sie einheitlich;
ihre Unterschiede kommen ihm nicht zum
Bewußtsein.
Hoffen wir, daß in nicht zu ferner Zeit
ein glücklicher Fund dieses einzigartige
Denkmal noch zutage fördern möge.
Leipzig-Gautzsch. F. H. We.ißbach.
BERICHT VOM JAHRE 191 3 ÜBER
DIE ERWERBUNGEN DES UNGARI-
SCHEN NATIONALMUSEUMS (AR-
CHÄOLOGISCHE ABTEILUNG).
Die prähistorische Wissenschaft in
Ungarn darf im Laufe der letzten Jahre als
auf das wichtigste Ergebnis wohl auf die For-
schungen Otto Hermans über das Paläolithi-
kum der Miskolczer Gegend hinweisen. Seit
1 893 sammelte Herman mit minutiöserPünkt-
lichkeit die Daten, durch die er zu erweisen
trachtete, daß am nördlichen Rande der un-
garischen Tiefebene — des einstigen Meeres-
grundes — zur Zeit der sogenannten Solu-
tre-Epoche, oder, wie man diese früher zu
benennen liebte: im Zeitalter des Renntieres,
den geologischen Bestimmungen folgend,
also etwa vor 50 000 Jahren, das Menschen-
geschlecht schon lebte, den Kampf ums Da-
sein schon focht; die Zeugen dieses Kampfes
erkannte Otto Herman in einigen Stein-
splittern, von denen er zwischen den Jahren
1891 bis 1907, also im Zeiträume von 16
Jahren, im ganzen nur sechs Stücke er-
weisen konnte ^). Auf sein Betreiben unter-
nahm dann das k. u. k. Geologische Institut
unter Leitung der Herren Ottokar Kadic
und Eugen Hillebrand systematische For-
schungen, denen sich recht bald auch die
Altertumsabteilung des Ungarischen Natio-
nalmuseums anschloß. Die Ergebnisse dieser
Ausgrabungen übertrafen jede Erwartung:
sie führten uns nicht nur die kulturelle Ent-
wicklung des Vormenschen von Szeleta vor
Augen, sondern ergaben auch manche Bei-
träge für das Naturmilieu, in dem dieser
Mensch lebte. Die Höhlenfunde ergaben die
gleichzeitige Anwesenheit des Höhlenlöwen,
des Höhlenwolfes und der Höhlenhyäne
sowie des Pferdes und des Rindes mit dem
Menschen. Wenn es auch bis jetzt nicht
gelang, der Knochenreste des Vormenschen
selber habhaft zu werden, so ist sein cha-
rakteristischestes Artefakt, das Steinwerk-
zeug, zu Hunderten ermittelt worden (Abb.i).
Das Material dieser Werkzeuge ist im allge-
meinen ein bläulichgrauer, dichter Chalcedon,
dann Limnoquarzit; daneben findet sich
aber auch Quarz und Opal sowie deren kal-
zedonartige Unterarten, die durch Spaltung
und an den Rändern manchmal mit feiner
Retouche für den Gebrauch des Urmenschen
geeignet gemacht wurden.
Die reiche Formenwelt der Bronzezeit
vertritt ein größerer Depotfund von Futtak,
aus dem wir einige der interessanteren Ob-
jekte hier abbilden (Abb. 2). Als typisch
darin gelten die Sichel und die Hohlaxt sowie
die zweierlei Arten von Lanzenspitzen, die
in dem Funde vertreten sind. Charakte-
ristisch ist aber für den Fund die Ver-
zierung des Armbandes (vgl. Hampel, Denkm.
d. Bronzezeit in Ungarn, I, Taf. L, 6), noch
mehr das Bronzescheibchen mit der Ose in
I) Herman, Otto, Zum Solutreen von Miskolcz.
Mitt. d. Wiener Anthrop. Ges., 1906, S. 4. —
Ders., Das Paläolithikum des Bükkgebirges in
Ungarn, ebenda, 1908. — Kadic, Ottokar, Bei-
"träge zur Frage des diluvialen Menschen im
Szinvatale (ung.), Földtani Közlemenyek (Geolog.
Mitt.) 1907, S. 333 (hier auch die Aufzählung der
älteren ungarischen Literatur über die Frage). —
Ders., Paläolithische Steinwerkzeuge aus der Szeleta-
Höhle bei Hamor, ebenda, 1909, S. 524. — Hille-
brand, Eugen, Über die neueren paläolithischen
Höhlenfunde Ungarns, Zeitschr. f. Ethnologie, 1913,
S. 935-
19
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
20
Abb. I. Palaeolithische Steinwerkzeuge aus der Höhle Szeleta bei Miskolcz.
der Mitte (vgl. z. B. ebenda Bd. II, Taf.
CLX, 5), ein Typus, dessen ostasiatische Her-
kunft Reinecke schon seit längerem vertritt
und worin er durch Hirth und Münsterberg
unterstützt wird, ein Typus, der weiter in
grundsätzUchem Gegensatze zum mediterra-
nen Typus der Bronzespiegel, zu jenen mit
einem Griffe, steht. Wir wollen nicht ent-
scheiden, in welcher Verbindung zu dem hier
Erwähnten jene beiden zackigen Bronze-
objekte des Fundes stehen, deren nächste
Analogien wir in den ostasiatischen Urnen-
ständern finden. — Als Teil des Fundes
kaufte unser Institut auch das in der Mitte
der unteren Reihe abgebildete Bronzeobjekt
an, das, wie sich nachher erwies, ursprüng-
lich einem andern Schatzfunde, dem von
Karolyfalva, angehörte. Felix Milleker be-
sprach das Objekt zum ersten Male (Alter-
tumsfunde Südungarns, I, Temesvar, 1897,
S. 57 — ung.), indem er darin den Feder-
buschhalter eines Helmes erkennen wollte.
Aus Ungarn ist kein Analogiefund bekannt
geworden, höchstens ließen sich die ge-
schlitzten Kugeln des Fundes von Nagysag
beistellen (Hampel, 1. c. Bd. III, Taf.
CCXXVIII); doch findet sich in der Samm-
lung Uwaroff ein vollständiger Dolch aus
dem Kaukasus, dessen Griff — im tektoni-
schen Sinne — unserem Stücke engverwandt
ist, das daher wahrscheinlich ebenfalls als
Stück eines Dolchgriffes anzusprechen ist.
Einer späteren Epoche der Bronzezeit in
Ungarn entstammt ein Dolch (Abb. 3), den
unsere Sammlung aus Mateszalka erwarb.
Die ganz verkümmerten Formen desselben
lassen kaum hie und da jene Prämissen ahnen,
die die ähnlichen Objekte der Bronzezeit zu
künstlerischen Erscheinungen stempelten.
Der frühere Kelch des Griffes ist hier zu
einer flachen Scheibe verkümmert, und der
Staubfaden des Kelches zu einem dicken
Stachel erstarrt; die Gliederung mit dem
dreifachen Bande am Griffe früherer Exem-
plare dieser Dolche und Schwerter läßt sich
hier in der kaum vviahrnehmbaren Entasis
21
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
22
Abb. 2. Bronze-Depotfund von Futtak. In der Mitte der unteren Reihe ein Dolchgriff von Karolyfalva.
erkennen. Ein weiteres Zeichen der Ver-
derbnis ist, daß der halbmondartige Rahmen,
der einst die Klinge mit dem Griffe durch
Nieten verband, hier einfach aus dem glei-
chen Stücke mit der Klinge gegossen wurde.
Auch ist die für ungarische Bronzeklingen
charakteristische Lilienblattform verwildert.
Diese Tatsachen geben interessante Beiträge
zum Niedergange eines hierzulande einst
blühenden Kunstgewerbes.
Der schier unerschöpfliche Goldreichtum
des Nordwestens von Siebenbürgen berei-
cherte auch in diesem Jahre unsere Samm-
lung um einen 339 g schweren Goldfund
(Abb. 4). Neben zwei, in flache Voluten
auslaufenden massiven Armbändern fanden
sich auch drei Ohrgehänge in dem Funde.
Diese bestehen — der Einteilung Hubert
Schmidts i) folgend — aus der Kombinierung
der Varianten ß und S der Grundform B.
Bei Besprechung dieser Ohrgehänge ver-
») Zeitschr. f. Ethnol. 1904, S. 618.
weist H. Schmidt auf den Umstand, daß
diese — für Ungarn charakteristischen —
Typen in engem Zusammenhange mit der
mykenischen Kunst stehen. Auch meint er,
daß — da diese Formen ihre Entwicklung
alif ungarischem Boden durchlebten — zu-
gleich auch ihre Herkunft hier zu suchen sei.
Er hält Siebenbürgen für das Fabrikations-
zentrum dieser Zierstücke. Die Gebrauchs-
weise dieser Ohrgehänge ergibt sich aus
kaukasischen Funden, wo sie stets an der
Stelle der Ohrmuschel gefunden werden und
wahrscheinlich mit Hilfe eines Bandes am
Ohre angebracht wurden.
Schon vor etwa zwei Jahrzehnten stellte
Franz v. Pulszky fest ^), daß die Reihe von
Bronzeketten der Latene-Zeit im Besitz
unseres Museums eine selten vollständige
Auswahl derselben biete; sie ist durch Otto
Tischlers Arbeiten auch weiteren Kreisen
') Magyarorszäg Archaeologiaja
Ungarns), I, S. 223.
(Archäologie
23
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums,
24
bekannt geworden. Sicher ist, daß das aus-
gesprochene Trachten der Latene-Epoche
nach der flächenverzierenden Dekoration, die
selbst die tektonischen Formen in leicht-
geschwungene Bogen auflöst, vielleicht am
prägnantesten an diesen Ketten auftritt.
Leider hat das im letztvergangenen Jahre
Abb. 3. Dolch aus der Bronzezeit, von Mateszalka.
erworbene Exemplar, das aus einem Grab-
funde von Tapiöfarmos stammt (Abb. 5),
sehr gelitten. Aber auch so ist der für die
Epoche charakteristische entenköpfige Haken
unversehrt geblieben, und auch die Zellen,
die einst das Korallen nachahmende Blut-
email in sich faßten, sind noch hie und da
gut zu erkennen ^). Zum Funde gehörte
0 Vg^- Tischler, Otto, im Archaeologiai ßrtesitö
(Arch. Anz. — ung.) X, S. 222 f., der diese Ketten
ins 4. vorchristliche Jahrhundert datiert.
auch das kleine Bronzeamulett mit der Tor-
ques am Halse. Diese Amulette, bei denen
die männliche oder weibliche Fruchtbarkeit^)
stark hervorgehoben ist, finden sich seit der
Hallstattepoche stets in den Funden.
Das Antikenkabinett wies im Berichts-
jahre besonders an Kleinplastiken eine an-
sehnliche Bereicherung auf.
An erster Stelle ist eine große Bronzc-
lampe von dem Fundort Mor zu erwähnen.
Über einem feingegossenen und ziselierten,
mit kleinen Blumen verzierten Ölbehältnis
erhebt sich die reich ausgebildete Daumen-
stütze (Abb. 6). Ein dem Akanthuskelche
entwachsender Halbmond gibt den Rahmen
für die Darstellung; in der Mitte des Bogens
erhebt sich eine Zeus- Büste, hierunter ist an
den Halbmond selbst das Enkolpium eines
Jünglings mit Hörnern angebracht. Die
Spuren zweier ähnlicher Enkolpien lassen
sich noch rechts und links davon erkennen;
dem Fundbericht gemäß saß das jetzt in der
Mitte aufsitzende Emblem ursprünglich auf
der rechten Seite des Halbmondes, und nur
der Symmetrie halber versetzte der vor-
malige Besitzer dasselbe in die Mitte. Am
Halbmonde hat sich der Rest einer Kette
(zum Aufhängen) erhalten.
Der Zeuskopf gehört zum Feinsten, was
die antike Kleinplastik auf diesem Gebiete
hervorgebracht hat. Die Augen und Lippen
der auf ein offensichtlich dem 4. bis 3. Jahr-
hundert angehörendes griechisches Original
zurückzuführenden Kopie waren inkrustiert.
Der pathetische Kopf ist von einem in dicke
Strähnen geteilten Haarkranz umgeben;
dieser wie auch der scharf über den Mund-
winkeln herniederfallende Schnurrbart er-
innern an den Otrikolitypus. Eine ähnliche,
ebenfalls zwischen die Arme eines Halb-
mondes gestellte Zeus-Büste besitzt die
Biblioth^que Nationale 2). In der Büste des
Jünglings ist jedenfalls ein Helios-Emblem
zu erkennen. Nach den Fundangaben ist
auf dem andern Arm des Halbmondes, als
Pendant zu Helios, jedenfalls das Brustbild
der lo, der Personifikation des Mondes,
hinzuzudenken, 'die die antike Kunst eben-
') Ähnliche in Mater, po Arch. Kavkaza, VIII,
Taf. XXIX/6., CXXII/i.
-) Babelon-Blanchet, Catal. des Bronzes Anti-
qucs, Nr. 20.
25 Bericht vom Jahre 1913 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums. 26
Abb. 4. Prähistorischer Goldfund von Derecske (Komitat Bihar).
Abb. 5. Latene-Fund von Täpiöfarmos.
27
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
28
Abb. 6. Antike Rronzelanipe aus dem i. bis 2. Jahrhundert n. Chr,
falls mit Hörnern darzustellen liebte '). Eine
im Typus unserem Helios-Emblem ähnliche
lo- Büste besitzt ebenfalls die Pariser Samm-
lung 2). Als Verfertigungszeit unserer Lampe
sind jedenfalls die ersten Dezennien der
römischen Kaiserzeit anzunehmen.
Aus dem Dorfe Watsch in Karinthien
stammt eine kleine Athena- Bronze, die wir
durch Kauf erwarben (Abb. 7). Ihre Be-
schreibung lieferte Anton Hekler in der Zeit-
') Furtwängler, Jahrb. d. Kais. D. Arch. Inst.
I, 1888, S. 224.
2) Babelon-Blanchct, 1. c. Nr. 34.
Schrift Archaeologiai firtesitö ^). Dieser ent-
nehmen wir folgendes: »Die Statuette ist
unversehrt; es fehlen nur die Attribute, und
der Zeigefinger der rechten Hand ist abge-
brochen. Die erhobene Rechte stützte sich
einst auf einen Speer, die vorgestreckte
Linke mag vielleicht den heiligen Vogel, die
Eule, gehalten haben. Linkes Standbein,
das rechte ruht daneben. Die Bekleidung
unserer Atheria ist der Chiton mit darüber
geworfenem Mantel. Auf der Brust finden
wir die Aegis mit dem Gorgonenhaupte in
') Archaeologiai firtesitö 1913 S. 232 f.
29
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
30
der Mitte. Ein korinthischer Helm mit
mächtigem Kamme bedeckt das Haupt,
darunter quillt hinten ein reicher Haar-
schmuck auf die Schultern hernieder. Die
Statuette folgt typologisch den Vorbildern
des 5. Jahrhunderts. Der Typus ist ur-
sprünglich für Köre und Demeter bestimmt
gewesen. Auch in einer, unserem Stücke
ähnlichen Statuette der Wiener kaiserlichen
Sammlung ist Köre zu erkennen. Der
Künstler unserer Bronze änderte die Be-
deutung des herkömmlichen Typus durch
die Beigabe der Aegis und des Helmes in
Athene. Im Stile beharrte er nicht skla-
visch bei dem Vorbilde des 5. Jahrhunderts.
Auf späten Geschmack deutet die Behand-
lung der Aegis mit dem aufgebogenen, zer-
knüllten Rande. Dieses realistische Motiv
wäre im 5. Jahrhundert undenkbar. Unsere
Statuette ist noch ein Werk des i. nach-
christlichen Jahrhunderts und gehört unter
die sorgfältiger ausgeführten Exemplare der
Kleinbronzen. Ein Zeichen hierfür ist, daß
der Künstler das Material des Helmkammes
durch die auf den zwei Seiten angebrachte
Abb. 7. Athenastatuette des i. nachchristl. Jahr-
hunderts aus dem Dorfe Watsch (Karinthien).
dichte, kurze Strichelung andeuten
wollte.«
Angeblich der Gegend von Wesprim ent-
Abb. 9. Abb. 8.
Abb. 8. Bronzestatuette der Aphrodite; i. bis 2. Jahrhundert n. Chr.
Abb. 9. Bronzestatuette einer Tänzerin. Werk des i. bis 2. nachchristl, Jahrb.; nach hellenistischem Original.
31
Bericht vom Jahre 1913 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
32
stammt eine Statuette der Aphrodite (Ab-
bildung 8). Es ist ein nach einem feineren
Original hergestellter roher Guß, an dem
selbst die Gußnähte nicht wegziseliert wur-
den. Über der Stirn der nackten Gestalt er-
hebt sich ein Diadem. Dieses Diadem ist
bei einer unserem Stück nahestehenden
Statuette der Bibliotheque Nationale (aus
Syrien!) mit einem silbereingelegten Bande
verziert*); an diesem syrischen Exemplar
sind auch die Augen mit Silber inkrustiert.
Abb. IG. Lar Augustus. Römische Bronzestatuette
aus dem i. Jahrhundert n. Chr.
Unser Stück besitzt keine Spuren einer In-
krustierung in edlem Metalle, doch ist es
wahrscheinlich, daß die durchbohrten Ohr-
lappen einst Ohrgehänge aus solchem trugen.
Das Haar fällt in dünnen, leicht gewellten
Strähnen zur Achsel herab. Die rechte Hand
ist, wie bei der knidischen Aphrodite, vorge-
streckt. Die Linke ist an der Wurzel abge-
brochen, was sich leicht ereignen konnte,
wenn sie im Gelenk ebenfalls so jäh gebogen
war wie bei der obenerwähnten syrischen
Analogie, die übrigens in der Linken einen
I) Babelon-Blanchet, 1. c. Nr. 248.
Apfel hält. In bezug auf die Haltung der
Hände befand sich ein nahes Gegenstück zu
dem unseren (selbst betreffs der Ohrgehänge)
in der Sammlung Medici *); analog dabei ist
noch das rechte Stand- und linke Spielbein 2).
Werk des i. bis 2. nachchristlichen Jahr-
hunderts.
Die Bronzestatuette einer Tänzerin aus
Dunapentele (Intercisa) kam durch Kauf
in unsere Sammlung (Abb. 9). Im wind-
gepeitschten, gegürteten Chiton, der den
Oberkörper bis an den Hals verdeckt, steht
in leichtem Tanzschritt ein junges Mädchen
vor uns; in der Linken hält sie einen Schleier,
den sie in mächtigem Bogen zur andern Seite
hinüberschwingt, wo dessen anderes Ende
über den rechten Arm herniederfällt. Die
Figur ist fälschlich für eine Nike erklärt
worden; deren unausbleibliches Attribut
sind seit dem 4. Jahrhundert die Flügel 3),
von denen eine Spur an unserem Stück
nicht zu entdecken ist. Irgendein anderes, für
Nike charakteristisches Attribut, z. B. Palme
oder Kreuz, besitzt unsere Statuette ebenfalls
nicht; wir haben darin offenbar eine Tänzerin
zu erkennen. Der Erhaltungszustand ist sehr
schlecht; besonders der Kopf, die rechte
Hand und die Fußspitzen haben stark ge-
litten. Kopie des i. bis 2. Jahrhunderts,
Die Reihe seiner Larenfiguren konnte
unser Antikenkabinett im Berichtsjahre
durch ein auch typologisch interessantes
Stück bereichern (Abb. lo). In eine ge-
gürtete Tunika gehüllt, balanciert im
Tanzschritt die jugendliche Gestalt; die
Haarkrone umgibt ein Lorbeerkranz, von
dessen unterem Ende zwei Bänder auf die
Schultern fallen. Über diese sind zwei
breite Bänder, der clavus angustus, ge-
worfen; an der Trennungslinie zwischen die-
sem und der Tunika zieht ein vertieftes Band
hernieder: es diente einst als Unterlage für
einen Emailstreifen. Die einst erhobene
(jetzt fehlende) Rechte hielt das Rhyton,
die vorgestreckte Linke aber eine (heute
ebenfalls fehlende) Opferschale. Den Fuß
bedeckt ein niedriger, offener Bänderschuh.
•) Publiziert bei Gori, Mus. Etr. I, Taf. 43.
*) Die Exemplare mit dem Apfel in der Hand
vgl. Bernouilli, Aphrodite, Kap. XXIII.
3) Studniczka, Die Siegesgöttin S. 4, und Zoega,
Rhein. Mus. VI, S. 589.
33
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
34
Der rechte Oberfuß ist oberhalb der Knöchel
scharf abgebrochen. Diese Lar-Statuetten
waren — dem Zeugnis antiker Schriftsteller
zufolge — durch Wachs glänzend gemacht i),
dessen Folge es ist, wenn die Patinierung
in vielen Fällen zu wünschen übrig läßt.
Das besprochene Exemplar wurde außer-
dem in neuerer Zeit auch auf mechanischem
(chemischem) Wege seiner Patina beraubt,
was — nebst einigen andern Indizien —
Veranlassung dazu gab, an der Echtheit
des Stückes Bedenken erwachen zu lassen.
Infolge des häufigen Vorkommens der
Lar-Statuetten (besonders seit dem i. Jahr-
hundert) gelangen einzelne Typen auch in
Gegenstücken in Verkehr. So befindet sich
das Gegenstück unserer Statuette in der
Bibliotheque Nationale *) ; der Fundort
desselben ist unbekannt. Dafür kennen
wir aber den Fundort eines andern ähn-
lichen Exemplars, das im Museum von
Montbeliard aufbewahrt wird 3). Wenn
schon die allgemeine typologische Ähn-
lichkeit unseres Stückes mit dem Pariser
Exemplar in die Augen springt, so ist
noch besonders zu erwähnen, daß der
champ-leve-Emailstreifen beiden gemeinsam
ist. Am Pariser Exemplar ist — der uns vor-
liegenden Zeichnung zufolge — das Neigen
des Hauptes nach links etwas schärfer be-
tont; auch fällt dort das Band des Lorbeer-
kranzes in dichteren Wellen nieder.
Das Ungarische Nationalmuseum besaß
bereits vier Parfümbehältnisse 4) und 01-
lämpchen in Form von Negerköpfen; im
letzten Jahre gelang es, die Reihe um zwei
weitere Stücke zu vermehren (Abb. ii).
Das in Schnecken gelockte Haar, die breite
Nase, der hohe Augenbogen, der über den
Mundwinkeln hervorquirlende Schnurrbart,
der spärliche, in zwei Schneckenwindungen
herabfallende Bart und die fleischigen, vor-
fallenden Lippen verraten auf den ersten
1) Wissowa, Annali dell' Istit., 1883, S. 156 ff.
2) Babelon-Blanchet, 1. c. Nr. 740.
3) Fundort: Mandeure, im Jahre 1866. (Vgl.
Duvernoy, Note sur un groupe antique trouve ä
Mandeure, Mem. lus ä la Sorbonne en 1867,
Taf. II.)
4) Kurze Aufzählung derselben: Eber, L., Bronze-
statuette eines Negersklaven im Museum von
Aquincum (ung.), Budapest Regisegei (Altertümer
Budapests) VI/1899, S. 8.
Archäologischer Anzeiger igis-
Blick den Halbsemiten ^). Die schon dem
ethnischen Typus selbst inneliegenden ar-
tistischen Werte wollte der Künstler noch
vervielfältigen, als er den Augenstern durch
Inkrustierung ausdrucksvoller, blitzender ge-
staltete. Die an den Brustwarzen abge-
schnittene Büste steht auf einem in den
Konturen rhythmisch gegliederten Posta-
Abb. ir. Äthiope. Parfümbehältnis; alexandrini-
sche Arbeit vom Ende des 2. Jahrh. n. Chr.
ment; am Kopf des Gefäßes waren Ringe
befestigt, in die der Henkel gehängt war.
Unser Baisamarium weist eine ansehnliche
Reihe von Gegenstücken auf; ein gutes
Exemplar besitzt wiederum die Bibliotheque
Nationale 2) ; nur ist das Stück diesmal keine
') Der Typus zum ersten Male reihenweise ge-
sammelt durch: Löwenherz, Die Äthiopen der alt-
klassischen Kunst, Göttingen, 1861.
*) Babelon, Cab. des Antiques, S. 51, Taf. XVI.
— Hiermit verwandt ein Kopf in Lyon: Reinach,
Repertoire, IV, S. 354, 2, sowie der in Straßburg:
Forrer, Reallexikon, Taf. 228.
35
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
36
Büste, es reicht nur bis etwas unterhalb des
Halses herab, hat auch kein Postament auf-
zuweisen.
Abb. 12, Äthiope. Kleineres Parfümbehältnis;
Werk vom Ende des 2. Jahrh. n. Chr.
Um ein Beträchtliches kleiner als das eben
genannte ist ein anderer Balsamarkopf,
ebenfalls eine Erwerbung des letzten Jahres
(Abb. 12). Das Gesicht ist jugendHcher, die
ethnischen Kennzeichen verschwommener;
es besitzt kein Postament.
Die weitere kunstgewerbliche Form, bei
der ebenfalls die alexandrinischen Ethno-
graphika in Anwendung kamen, ist die Öl-
lampe. Ein trotz seiner schon der technischen
Ausführung (Bronzeguß) halber gröberen
Arbeit den Vorhergehenden an Charakte-
ristik gar nicht nachstehender Nubierkopf
(Abb. 13) wurde als Öllampe komponiert.
Aus dem Munde kommt die Dochtröhre, die
Daumenstütze hat die Form einer Isiskrone,
um auch dadurch das Ethnische des Kopfes
zu betonen. An der Stirn strebt eine Öse
hinan; sie diente zum Einhängen einer Kette.
Die offene Kalotte besaß einst einen Henkel-
deckel, der jetzt fehlt ^).
Als Geschenk gelangte in unsere Samm-
lung eine Kopfurne, deren Vorkommen für
Ungarn recht vereinzelt genannt werden
muß 2) und als deren Fundort das Pester
Komitat angegeben wurde. Ein auf der
Drehscheibe geformtes Tongefäß erhielt
') Eine ähnliche Lampe in der Bibliotheque Na-
tionale, Babelon-Blanchet, 1. c. Nr. 1020; weiteres
vgl. Bull, deir Inst, di corris^. arcHk, J874, S. 84.
^) Vgl. Undset, Über italische Gesichtsurnen
(1890), Berendt, Die pommefeüifec]jen Gesichts-
urnen (Phys. -Ökonom. Abhandl.,'^önrgsberg, 1872
u. 1878).
Abb. 13. Nubier. Bronzeleuchter aus dem i. bis 2. Jahrh. n. Chr.
37
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums,
38
Abb. 14. Römisch-barbarische Kopfurne, Angeblich im Pester Komitat gefunden.
durch Auflegen und Anbrennen von Ton-
stückchen die Form eines menschlichen
Antlitzes (Abb. 14). Die Vorläufer dieses
kunstgewerblichen Typus lassen sich weit
zurück verfolgen. Koenen weist ihnen eine
symbolische Bedeutung zu ^), was aber bei
unserem Exemplar kaum zutreffen dürfte.
Für das Alter des Gefäßes ist es bestimmend,
daß seine Form nicht mehr jenen streng
architektonischen Aufbau aufweist, der für
die Keramik der frühen Kaiserzeit so cha-
rakteristisch ist. Auch die Qualität des
Fabrikates ist verroht, und für die spätere
Kaiserzeit sprechen die vertieft herum-
laufenden Bandreihen. So mag unser Gefäß
annähernd gleichalterig mit jenem sein,
das — laut Koenen — mit Beigaben aus der
Zeit Konstantins gefunden wurde 2).
Die Kulturmonumente jener Völker, die seit
dem Ende des 2. Jahrhunderts an der Linie
des Donaulimes, besonders an der unteren
Donau, hin- und herwogten, sind dem ver-
worrensten Synkretismus entwachsen. Die
sprechendsten ZeugnUse dieser synkretisti-
schen Ideenwelt sin» die Denkmäler des
jn^s
') Koenen, Konst., Gefäßkunde dervorröm., röm.
u. fränk. Zeit in d. Rheinlanden, Bonn, 1894, S. 84.
») Ebenda S. 106 f., Taf. XVII, 3. Entschieden
später als jene Kopfurnen aus der Zeit des Au-
gustus, die Reinach, Sal., La Sculpture en Europe
avant les influences greco-romaines, L' Anthropo-
logie, 1894, S, 181, aufzählt.
Glaubenslebens. Als solche wurden z. B.
seitens der Fachwissenschaft jene kleinen
Bleitäfelchen beurteilt, die, von Pannonien
abwärts, überall an der Donaulinie vorge-
funden werden und die durch J. Hampel,
den gewiegtesten Kenner dieser Art von
Monumenten, mit dem Kulte des thraki-
schen Reiters in Verbindung gebracht wur-
den I).
Das im vergangenen Jahre erworbene
Bleitäf eichen (Abb. 15) ist beinahe vier-
eckig und wird oben zwischen zwei akro-
terienartig emporstehenden Schlußstücken
durch einen halbkreisförmigen Giebel be-
*) Die einschlägige Literatur: Hampel, Jos., im
Archaeol. fotesitö, XXIII, S. 305—365; XXV,
S. I— 16, 116— 124; XXXI, S. 409—425; XXXII,
330 — 352. — Derselbe in Budapest Regisegei
(Altertümer B.s) VIII/1904, S. i — 47. — Vgl. noch:
Brunsmid, J., im Vjesnik Hrvatskoga arheolos.
Drustva. VI/1902, S. 148 ff. — Dobrusky, in den
Berichten des Bulg. Nationalmuseums in Sofia,
1907, Heft I, S. 140 ff. — Hoffilier, Viktor, im
Archaeol. ßrtesitö, XXVI, S. 39 — ^44. — Kazarow,
G., im Archiv f. Religionswissensch., XV (1902),
S. 153— 161. — Nowotny, Ed., Wiss. Mitt. aus
Bosn. und d. Herzeg. IV/1896, S. 296 ff. — Schnei-
der, R. V., in d. Arch.-epigr. Mitt. a. Östr.-Ung.,
XI/1887, S. 16. — Teglas, Gabor, in d. Bäny. es
Koh. Lapok (Blätter für Hüttenkunde, ung.), 1909.
— Ziehen, L., Arch. Anz. 1904 S. 11 ff. — Ähn-
liche Stücke noch: Monum. dell' Inst. IV, S. 38, i
und Archäol. Ztg. 1854, Taf. LXV 3, S. 211 ff.
Dazu die Arch. Jahrb. XXIX 1914, 198, 10 zitierte
Literatur.
39
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
40
schlössen. Fisch und Sterne bilden die Zier
dieser Bekrönung. Im Hauptfelde finden
wir die Darstellungen in drei Reihen geord-
net. In der Mitte der obersten Reihe steht
eine Amphore, zu beiden Seiten Schlangen,
in den Ecken die Büsten von Sol und Luna.
Die Hauptgestalt der mittleren Reihe ist die
Magna Mater, auf die jederseits ein Reiter
zusprengt; unter den Hufen der Pferde liegt
je eine Menschengestalt, und hinter den
Reitern ist je ein Fratzenbild sichtbar. Die
unterste Reihe enthält von links nach rechts
Abb. 15. Bleitäfelchen mit Reliefs, auf den Kultus
des thrakischen Reiters bezüglich.
folgende Darstellungen: Tripus, Lampen-
ständer, Baum mit drei Ästen, von dem
ein geköpftes Tier herniederhängt; auf den
Baum zu eilt in schnellem Schritt ein Jüng-
ling; Amphora, darüber drei Kugeln; Hahn
oberhalb eines Widderkopfes. ■ — Ähnliche
Denkmäler besitzen wir schon mehrere. So
erwarb das Ungarische Nationalmuseum im
Jahre 1886 von unbekanntem Fundort
eines; im Jahre 1901 eines aus Calma (Kom.
Szerem). Ein Exemplar befindet sich im
Museum zu Agram (aus Vinkovcze) ; hierüber
sprachen sich Brun§mid, Kubitschek und
Löwy des öfteren aus ^).
Auch ein anderes Volk thrakischen Schla-
ges von jenseits der Donau ist unter den im
letzten Jahre erworbenen Objekten ver-
treten. Es sind das zwei Silberfibeln (Ab-
bildung 16). Der typische Fundort dieser
I) Arch.-epigr. Mitt. a. Östr.-Ung. III 1879,
S. 123 u. 172.
Art von Kleiderspangen, wie solche unser
Museum schon fünf ganze und acht in
Bruchstücken, das Siebenbürger National-
museum sechs, das Wiener Hofmuseum
zwei besitzt i), ist Siebenbürgen. Und da
der Fibelchronologie des Westens gemäß die
Abb. 16. Dakische Silberfibeln. Aus der Gegend
von Besztercze.
Fibeln mit dem perlverzierten Rücken in
die mittlere Latene-Epoche (etwa 150 v.Chr.)
zu setzen sind, zu dieser Zeit aber im heuti-
gen Siebenbürgen die Daker das herrschende
Volk waren, so ist dieser Fibeltypus, dessen
Charakteristikum es ist, daß er stets aus
schwerem Silber verfertigt wird, dakische
Fibel zu nennen. Mit voller Sicherheit läßt
sich dies besonders für das erste der beiden
Stücke behaupten, über, dessen Rücken sich
eine breite, scheibenartige Entasis erhebt
(ähnlich jener der norisch-pannonischen
Fibeln) ; oberhalb dieser Scheibe verbreitert
sich der Hals der Spange und weist hier die-
selbe Verzierung auf, die wir auch auf den
bekannten dakischen Armspangen beob-
achten können 2). Das Gewicht der Spangen
beträgt I22',9 und 120,6 g.
•) Pulszky, Magyarorszag Archaeologiaja, I, S.
213. Seither dürfte sich die Reihe vermehrt haben.
^) Vgl. z.B. den Fund vonTablasim Jahresber. d.
Ungar.NationaImuseums(ung.)v.J. 191 1, S.43, Abb.9.
41
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
42
Mitten in die Völkerwanderung führen
uns die nun zu besprechenden Denkmäler-
gruppen. Zunächst der Fund von Högyesz
(Kom. Toina), nahe dem Territorium von
Zavod, dem wir schon so manche inter-
essante Aufklärungen für die Völkerwande-
rungskunst verdanken (Abb. 17). Typo-
logisch bietet uns der Fund keine neuen
Formen: er besteht aus vier zweiteiligen
Hängestücken, zwei Riemenenden und zwei
Riemenzierden in Form von Hufeisen. Die
Stücke sind mit Durchbrucharbeit verziert;
der durchlöchernde Bohrer betonte stets eine
spiralartige Rankenendung. Ähnliche Tech-
uns kurz mit dem »hufeisenförmigen« Motive
befassen. Charakteristisch für dieses Motiv
ist der Hufeisenbogen, die postamentartige
Verbreiterung der beiden Enden des Bogens,
endlich das Akroterion am höchsten Punkte
desselben. Eine vollständigere und ur-
sprünglichere Form besitzt dieses Motiv an
ähnlichen Objekten des Fundes von Nemes-
völgy ^) ; hier bildet die Mitte des Bogens ein
vollständiger Torbau, mit einer regelrechten
Torverkleidung; das am Firste sitzende
Akroterion hat hier die Form eines umge-
kehrten Trapezoides, in dessen Mitte sich
eine Vertiefung befindet. Dieses künstlerische
Abb. 17, Fund aus dem frühen Mittelalter, von Högyesz (Komitat Tolna).
nik und die gleichen künstlerischen Motive
sind aus vielen Teilen der großen ungarischen
Tiefebene und Transdanubiens bekannt. So
sind ihnen z. B. die Funde von Mezötur und
aus der Szegediner Gegend ^) sowie jene von
Nemesvölgy (Mosoner Kom.) eng ver-
wandt 2). Hampel reihte diese Funde in
seine erste Gruppe ein und datierte sie auf
Grund der im gleichen Funde vorkommen-
den Fibeln in die ersten drei nachchrist-
lichen Jahrhunderte. Wir wollen bei dieser
Gelegenheit den ornamentalen Motiven nicht
ins einzelne nachgehen; nur im Hinblick auf
die hier gegebene Datierung möchten wir
I) Hampel, Altert, d. frühen MA., H, 102 ff., Hl,
Taf. 81.
^) Ebenda HI, Taf. 112.
Motiv läßt sich nun im mediterranen Kunst-
kreise nirgends wiederfinden. Dafür besitzen
wir aber die nächste — und zwar monu-
mentale — Analogie desselben in dem älte-
sten und häufigsten Ornamente der indischen
Kunst, in dem »Küdu« 2) (anders dem
»buddhistischen Hufeisen«), das seit dem
2. vorchristlichen Jahrhundert, seit den
Tagen des Königs Asoka, an den verschieden-
sten Gebäuden stets als Zonenornament Ver-
wendung fand. Seit dem 7. christlichen
Jahrhundert wurde in der Mittelnische stets
ein menschliches Antlitz angebracht 3). In-
0 Ebenda HI, Taf. 112, 14.
*) Aus dem Sanskrit, »Hütte«,
3) Vgl. Jouveau-Dubreuil, Archeologic du Hud
de rinde I (1914), S. 19, 52, 61, außerdem die Tafeln
passim.
43
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
44
folge der indischen Bestattungsgebräuche
besitzen wir keine Kleinfunde aus Indien,
aber die architektonische Rolle dieses Küdu-
Motives (eng aneinandergereiht an zonen-
artigen Fassadenbändern) entspricht ganz
jener dekorativen Aufgabe, die dieses huf-
eisenförmige Riemenzierstück in den Völker-
wanderungsfunden zu leisten hat. Es ist
dabei auch stets vor Augen zu halten, daß
das Motiv weder vor- noch nachher im
ganzen eurasischen Kunstkreise irgendwo
anders als in diesen beiden Fällen nachzu-
weisen ist. Da wir es nicht mit einem pri-
. mären Motiv, sondern mit einer recht kom-
plizierten künstlerischen Hervorbringung zu
tun haben, so müssen wir die Beeinflussung
In einen andern Kulturkreis führt uns ein
Paar Ohrgehänge aus Gold von Kötelek
(Kom. Jasznagykunszolnok) (Abb. 18). In
Silber und Bronze ist diese Art von Ohr-
gehängen recht häufig (Keszthely '), Cziko^),
Zavod 3) u. a. m.). Von Gold sind sie aber
selten. Wir besitzen bisher nur eines, von
unbekanntem Fundorte. Das Filigranwerk,
das die Kugel des Gehänges bedeckt, hat
die Form von Lyren. Es ist wahrscheinlich
das unverstandene Überbleibsel eines an-
tiken (lesbischen.?) Kyma, wie auch der
Typus des Gehänges selbst aus der griechisch -
römischen Antike ins Mittelalter herüber-
kam. Die sarmatischen Gräberfelder haben
es oft aufzuweisen, es liegt daher die An-
Abb. 18. Goldene Ohrringe aus dem frühen Mittelalter, von Kötelek (Komitat Jasznagykunszolnok).
des einen von seiten des andern notwendiger-
weise voraussetzen; es ist nur natürlich,
wenn wir das indische Motiv für primär er-
achten. Hierzu kommt noch, daß eben der
Fund von Nemesvölgy charakteristisch zen-
tralasiatische Objekte umfaßt: die sibiri-
sche Gruppe von Schnallen mit Greifen-
ornamentik, die Riemenenden mit dem
Drachenkampfe und endlich die zum Mo-
tivschatze des späten türkischen Skythen-
tumes gehörenden Roßköpfe. Es ist nun
klar, daß wir es in dieser ganzen Denkmäler-
gruppe mit dem Nachlaß eines Volkes zu
tun haben, das seine künstlerische Nahrung
dem Mischstile Zentralasiens entnahm. Wird
nun die Gruppe andererseits auf die frühesten
christlichen Jahrhunderte datiert, so können
wir nicht umhin, sie mit dem Namen der
Hunnen (wenn auch nicht derjenigen, die
mit Attila in unserem Erdteil erscheinen)
zu bezeichnen.
nähme nahe, daß es in den griechischen
Kolonien des Schwarzen Meeres beliebt war.
Aber noch in einem Gräberfelde des 1 1. Jahr-
hunderts in Knin (Kroatien) finden wir es
wieder.
Wenn es uns nicht gelang, dieses Ohr-
gehänge ethnisch und zeitlich genau zu da-
tieren, so sind wir in einer glücklicheren Lage
einem Funde gegenüber, den wir aus Kö-
vesd (Kom. Zemplen) erwarben. Die fünf
Silberobjekte des Fundes (Abb. 19) sind:
ein Ring, ein Ohrgehänge, die Kugel eines
solchen, ein Armband und ein Knopf. Das
Armband ist ein glatter Draht; die andern
Stücke sind alle reich verziert, und das
Hauptmerkzeichen dieser Verzierung ist die
häufige Anwendung von Kügelchen, also von
0 Hampel, 1. c. I, S. 368, Abb. 980.
2) Ebenda, Abb. 981.
3) Ebenda, Abb. 983.
45
Bericht vom Jahre 1913 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
46
Abb. 19. Funde aus der späteren Völkerwanderungszeit von Kövesd (Komitat Zemplen).
granum. Der Ring hat eine charakteristisch
byzantinische Form, mit einer hohen, runden
Kassette und Flechtwerk am Bande; dieser
Typus bHeb bis zum heutigen Tage auf dem
Balkan heimisch. Der Knopf ahmt ein an-
tikes Motiv, das eines Muschelgefäßes, nach.
Eine in unseren Funden des 9. bis 10. Jahr-
hunderts recht häufige Form besitzt das
Ohrgehänge. Besonders die Gegend von
Tokaj ist reich an solchen Stücken ^), und
hier finden sie sich in Begleitung von Münzen
vor, deren späteste aus der Zeit Nikephoros
II. und Basilios IL stammen (964). Etwa
in die gleiche Zeit ist auch unser Fund zu
verweisen.
Allgemein bekannt dürften die nahen Be-
ziehungen sein, die unser Land zu Zeiten
der Ärpaden mit dem byzantinischen Kultur-
kreise verbanden. Sie hörten aber auch
später nicht auf zu wirken, und das Kultur-
bild Ungarns trägt häufig die Spuren der
durch die byzantino-slavische Welt hindurch-
sickernden mediterranen Kultur. Eines der
») Ebenda, S. 356, Abb. 939.
häufigsten, weil allgemeinsten Zeugnisse der
gemeinsamen mediterranen Koine ist das
Motiv des »Reiterheiligen«. Heute ist
schon mit einer gewissen Sicherheit anzu-
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Abb. 20. Byzantino-slavische Silbertasche mit der
Darstellung des Heiligen Georg.
47
Bericht vom Jahre 191 3 über die Erwerbungen des ungarischen Nationalmuseums.
48
nehmen, daß dieser Heilige im südöstlichen
Winkel des Mittelländischen Meeres ent-
stand. Zu seiner vollen Ausbildung trugen
ebenso der den Typhon niederstechende
Horus'), wie der kleinasiatische Typus des
Bellerophon-Perseus^), wie schließlich der
durch die Gestalt des Bahram-Gur ver-
mittelte Typus des iranischen Reiterheros 3)
bei. In der ägyptischen (koptischen) Gruppe
tritt zu Anfang des Mittelalters der syn-
»Verteidiger der Kirche«, Konstantinos, ja,
als diese Gestalt am Balkan mit jener des
thrakischen Reiters kontaminiert wurde,
bildet er sich einfach in einen berittenen
Soldatenheiligen, in den hl. Georg und
Theodor im byzantino-slavischen Kreise,
um. Die orientalische Gestalt des Helden-
heiligen Georg löst auch im Westen ihr
Gegenbild, das des hl. Martin, aus. Der
Typus wurde dann im Orient so sehr zum
Abb. 21. Armenisches Silberschüsselchen mit der Darstellung des Heiligen Georg.
kretistische Typus Salomos und der Erzengel
Michael und Gabriel auf, doch selbst so
an die Scholle gebundene Heilige, wie
es der hl. Menas war, kommen beritten
vor. In Byzanz übernimmt den Typus der
") Strzygowski, Der koptische Reiterheilige,
Ztschr. f. Agypt. Spr., XL, S. 51.
^) Supka, Motivenwanderung im frühen MA.,
Archaeol. Ertesitö, 1914, S. 12.
3) Justi, Zeitschr. f. christl. Kunst XI/1898,
S. 228 u. 362 ff., sowie V. Gutschmid, Über die
Sage vom hl. Georg, als Beitrag zur iranischen My-
thengeschichte, Ber. u. Vhdl., Leipzig, 1861, S.
175 — 202.
Gemeingute, daß seiner sich auch die is-
lamische Kunst bemächtigt und, absehend
von jedweder religiösen Beziehung, die sie
sowohl zum Parsismus als zum Christentum
in Verbindung bringen könnte, den Typus
des Reiterheiligen ganz unabhängigerweise
mit der Gestalt des Kaffedschi bereichert ').
Aus der byzantino-slavischen Gruppe dieser
Darstellung konnten wir im letzten Jahre
zwei Silberobjekte mit der Darstellung des
hl. Georg erwerben. Das eine (Abb. 20) ist
I) Die weitere Literatur vgl. bei Aufhauser, Das
Drachenwunder usf. Leipzig, 191 1, S. X — XL
49
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Januar- Sitzung 1915.
50
eine Brusttasche mit der Darstellung des
Reiterheiligen, der seine Lanze in den
Körper eines Drachen sticht; im Hinter-
grunde rechts ein Baum, links das Chryseion.
Die Aufschrift ist scheinbar die fehlerhafte
Wiedergabe der östlichen Namensform »Geo-
rios-Gorias« ^).
Das andere Objekt ist — aus der Technik
unter die Straußenvögel lassen annehmen,
daß die Schüssel im Bereiche des westlichen
Islam, im Mogrebh, entstanden sei. Eine
eingehendere Untersuchung verdient die
Frage, ob die im Mittelpunkte dieser Schüs-
seln — von denen unsere Sammlung eine
beträchtliche Reihe besitzt — hingelagerten
Widder oder Hirsche in einen inhaltlichen
Abb. 22. Silberschüsselchen im Stile des Moghrebh.
seiner Verzierung zu schließen — offenbar
eine armenische Eulogien- Schüssel 2), wie
solche bei Gelegenheit des Osterfestes die
Anhänger der orientalischen Kirche sich
gegenseitig zuzuschicken pflegten (Abb. 21);
es steckt hierin die Erinnerung an jene alte
Gepflogenheit, wonach das Osterbrot aus
der Kirche auf solchen Schüsseln in die
Privathäuser getragen wurde. Die primitive
Darstellung der lebenden Formen, wie auch
die schematisch übereinandergestellten Zy-
pressenbäume scheinen darauf hinzuweisen,
daß zur Ornamentik des Schüsselchens auch
anatolische (?) islamische Einflüsse bei-
trugen.
In den Kreis der muhammedanischen
Kunstübung ist jedenfalls ein anderes Schüs-
selchen zu verweisen (Abb. 22) ; die Bogen-
architektur mit mehreren Nasen und dar-
') 1. c. S. 206 und Anm. zu 202, i.
*) Für den Begriff vgl. Supka, im Archaeol.
ßrtesitö, 1909, S. 312.
oder kunstgeschichtlichen Bezug zu den
Schüsseln selbst zu bringen sind.
Budapest.
G. Supka.
ARCHÄOLOGISCHE GESELLSCHAFT
ZU BERLIN.
Sitzung vom 5. Januar 1915.
Der Vorsitzende, Herr G. Loeschcke,
eröffnete die stark besuchte Sitzung mit
begrüßenden Worten, die in den Wunsch
ausklangen, daß das neue Jahr einen sieg-
reichen Frieden bringen und alle Mitglie-
der zu friedlicher wissenschaftlicher Arbeit
vereinen möge.
Wieder hat die Gesellschaft durch den
Heldentod eines ihrer Mitglieder, nunmehr
schon des dritten, einen herben, allseitig
51
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Februar-Sitzung 191 5.
52
tief empfundenen Verlust erlitten. Dr.
Walter Reimpell, wissenschaftlicherHilfs-
arbeiter an der Vorderasiatischen Abteilung
der Kgl. Museen, ist als Leutnant der Reserve
im 8. Pommerschen Infanterie -Regiment
Nr. 61 am ii. Dezember 1914 bei einem
Sturmangriff an der Spitze seiner Kompagnie
auf dem östlichen Kriegsschauplatz gefallen,
nachdem er sich vorher in Frankreich bei
einem anderen Regiment das Eiserne Kreuz
erkämpft hatte. Herr Loeschcke widmete
dem der Wissenschaft und seinen zahlreichen
Freunden zu früh Entrissenen herzliche
Erinnerungsworte. Er gedachte weiter des
schmerzlichen Verlustes, den die Gesell-
schaft durch den Tod ihres langjährigen,
treuen Mitgliedes Oberbibliothekar a. D.
Prof. Dr. Rudolf Weil betroffen hat, der
am 7. November im 67. Lebensjahre nach
langem Leiden gestorben ist.
Ihren Austritt aus der Gesellschaft haben
zum Jahresschluß angezeigt: Privatdozent
Dr. Rothstein und Oberlehrer Prof. Freye.
Als neues Mitglied wurde Oberlehrer Prof.
Dr. Anspach angemeldet.
Sodann erstattete Herr A. Schiff als
Schriftführer und Schatzmeister den Ge-
schäfts- und Kassenbericht für das
Jahr 19 14. Die Zahl der Mitglieder ist
wie in den beiden Vorjahren auf 163 stehen
geblieben, da Abgang und Zugang (je 13)
sich ausglichen. Dem ersten weiblichen
Mitglied (Frl. Dr. Bieber) ist rasch ein
zweites (Frl. Dr. Heinemann) gefolgt. Das
74. Winckelmannsfest wurde am 9. Dezember
V. J. in gewohnter Weise, allerdings mit
erheblich schwächerer Beteiligung, gefeiert.
Die Kassenverhältnisse sind geordnet; doch
ist der ansehnliche Überschuß, mit dem
das Jahr -1913 abschloß (über 1400 Mk.),
durch außerordentliche Aufwendungen des
Berichtsjahres, z. B. die öffentliche Sitzung
in der Singakademie, stark herabgemindert
worden. Zu Kassenrevisoren für 1914
wurden die Herren Winnefeld und Bruno
Schröder bestellt.
Bei der Vorstandswahl wurde auf Vor-
schlag des Herrn Eduard Meyer der vor-
jährige Vorstand durch Zuruf wiedergewählt.
Er besteht somit für das Jahr 191 5 aus
den Herren Loeschcke (Vorsitzender),
Dragendorff, Wiegand, Brucckner
und Schiff (Schriftführer und Schatz-
meister).
Der wissenschaftliche Inhalt der fast drei-
stündigen Sitzung gehörte ganz dem antiken
Theater. Herr E. Fiechter aus Stuttgart
behandelte (als Gast) in einem i V4 stündigen,
durch zahlreiche Lichtbilder illustrierten
Vortrage die baugeschichtliche Ent-
wicklung des antiken Theaterge-
bäudes. Er knüpfte dabei an sein kürzlich
unter demselben Titel erschienenes Buch
(München, C. G. Beck) an, ging aber in der
Behandlung herausgegriffener Einzelfragen
darüber hinaus. Die Einwendungen, die
Herr W. Dörpfeld in der Diskussion gegen
die Fiechterschen Theorien geltend machte,
gestalteten sich zu einem zweiten, ebenso
eingehenden Vortrage. Des weiteren sprachen
in der Diskussion Herr E. Bethe, der zu
der Sitzung aus Leipzig gekommen war,
und zum Schluß noch einmal Herr Fiechter.
Sitzung vom 2. Februar 1915.
Den Vorsitz führte Herr G. Loeschcke.
Als neue Mitglieder wurden Oberlehrer
Josef Kaibel und Oberlehrer Prof. Wil-
helm Pfeifer angemeldet.
Herr Loeschcke legte einige bedeutsame
Neuerscheinungen vor: die von Paul Wolters
bearbeitete 10. Auflage des I. Bandes
(Altertum)desSpringer-MichaelisschenHand-
buches der Kunstgeschichte; Carl Robert,
»Oidipus, Geschichte eines poetischen Stoffs
im griechischen Altertum« (Berlin, Weid-
mannsche Buchhandlung, 2 Bde.); Maxi-
milian Mayer, Apulien vor und während der
Hellenisierung (Leipzig 1915). Herr Tren-
delenburg berichtete über einen im Jahr-
buch der Ingenieure erschienenen Aufsatz
von Richard Hennig, »Beiträge zur älteren
Geschichte der Leuchttürme«, der im Gegen-
satz zu H. Thiersch u. a. den Nachweis
führt, daß Leuchtfeuer erst zu Tiberius'
Zeiten nachweisbar sind.
Den einzigen Vortrag des Abends hielt
(als Gast) Herr Maximilian Mayer über
Apuliens Kultur bis zum Früh-
klassischen. Im Anschluß an seine Pu-
blikation gab er einige darüber hinaus-
gehende Mitteilungen, die er durch Pho-
tographien und Lichtbilder erläuterte.
53
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-Sitzung 191 5.
54
Zunächst über die dort nicht behandelte
prähistorische Epoche, also die großen
neolithischen Ansiedlungen von Matera und
Molfetta, wo ein lebhafter Verkehr über
See kommender Fremden auffällt. Dann
über die Dolmen, deren einige jetzt, z. T.
mit den unteren Schichten des umgebenden
Hügels, auch in der Mittellandschaft ent-
deckt werden, sowie über einige reifbronze-
zeitliche Stationen. Unbestimmt bleiben vor-
läufig die zahlreichen sogenannten Specchie,,
hohe Steinhügel, auch einige alte, gewiß aber
nicht megalithisch zu nennende Bauwerke
bei Patu und Vitigliano. Fast Von Anfang
an mischen sich Strömungen aus zweierlei
Richtung ein, aus dem ägäischen Bereich,
andererseits von den Balkanländern her.
Beiden sind mit der Zeit immer erkenn-
barer Überwanderungen aus jenen Be-
reichen gefolgt. Diejenigen aus Illyrien
führten zur Verdrängung der Proto-Sikuler
und Sikuler und zur Überschichtung der
spärlichen »Italiker«. Für das Problem
der Messapier und ihres Verhältnisses zu den
Japygern wurde auf das Buch verwiesen;
ebenso für die Gräber und vieles andere.
Die sehr eigenartigen Trachten lassen sich
aus Malereien und Terrakotten illustrieren.
Das Erfreulichste ist die sehr reiche Keramik,
überwiegend geometrischen Stils. Größten-
teils übersehen werden in historischen Zeiten
die nicht wenigen Spuren kleinerer griechi-
scher Kolonien, die, von Kretern, Rhodiern,
Koern, Milesiern angelegt, es nur nicht zu
politischer Selbständigkeit brachten und
vielleicht früh verkümmerten; sie erscheinen
aber nicht unwichtig als Keimstätten und
Befruchtungsmomente in der vorklassischen
Periode. Ihren Spuren kann man an der Hand
schwarzfiguriger einheimischer Gefäße und
anderer Gerätschaften, die sich von den nicht-
griechischen Nachahmungen scheiden, schon
heute nachgehen, obwohl dies nicht mehr
als ein Anfang ist. Aber auch die Beteiligung
der Apulier und ihre dem Klassischen zu-
gewandten Bestrebungen verdienen um so
mehr Beachtung, als sie großenteils noch
vor das Aufkommen der rotfigurigen Vasen-
malerei fallen. Den Schluß machte die
Betrachtung der gräzisierenden Terrakotten.
In der anschließenden Diskussion nahmen
die Herren Loeschcke und Schuchhardt
das Wort. Herr Loeschcke zeigte einige der
Sammlung des Archäologischen Lehrapparats
der Universität gehörende alt-apulische Ge-
fäße und betonte die Ähnlichkeit mit
Cyprischem der gräko-phoinikischen Periode,
sowohl was den Gebrauch matter Farben
wie die Ornamentik betrifft. M. Mayer
erkannte, von der Technik ganz absehend,
die Tatsache an, daß im Laufe der Zeit
vieles aus der cyprischen Formenwelt ein-
gedrungen sei, ließ aber für die älteren
Klassen und den Ursprung der ganzen
Kunstweise die Hauptfrage offen. Herr
Schuchhardt findet speziell die Trichter-
gefäße mit Alt -Spanischem, mit Troja II
und der i. Sikuler-Periode verwandt und
möchte auch in der Dekoration Zusammen-
hang mit letzterer vermuten.
Sitzung vom 2. März 1915.
Den Vorsitz führte Herr G. Loeschcke.
Den Hauptvortrag des Abends hielt Herr
Paul Schubring (als Gast) über den
antiken Mythus in der Truhen-
malerei des italienischen Quattro-
cento. Die bemalte Hochzeitstruhe bietet
im Gegensatz zu all den Madonnen -
und Heiligenbildern der Renaissance,
mit denen die öffentlichen Galerien an-
gefüllt sind, die Stelle, an der sich die
leidenschaftliche Huldigung, die die Re-
naissance der Antike entgegengebracht hat,
umfassend und in immer neuer Variation
ausspricht. Das Sagengold des antiken
Mythus, in vielen Kompendien der spät-
lateinischen und mittelalterlichen Zeit ge-
borgen und gefaßt, wurde von Boccaccio,
Petrarca und vor allem von Dante wieder
als Kursmünze ausgeprägt und von diesen
Trecentisten ihrer Zeit als kostbare Ahnen-
sage aufgenötigt. Dante erzählt die alten
Geschichten selten ausführlich, er erwähnt
sie oft nur durch Nennung eines alten, teu-
ren Namens; aber als Auftrieb saß er denen,
die ihn lasen, dauernd in der Seele. An
198 Stellen der Comedia finden sich Namen
und Geschichten, die in dem gemalten
Truhenbild wiederkehren. Der Vortragende
sprach dann über die originalen Quellen,
die das Quattrocento sich wieder erschloß
(Homer, Vergil, Ovid, Livius, Plutarch,
55
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-Sitzung 19 15.
56
Gellius, Hygin, wahrscheinlich auch Florus,
Statius, Apuleius), ferner über Valerius
Maximus und die Gesta Romanorum. Von
den 894 Nummern des Katalogs der Truhen-
bilder in dem Cassoni-Werk, das der Vor-
tragende im FrühHng erscheinen lassen wird,
behandeln 375 Bilder die antike Sage, und
zwar 232 Nummern die griechische, 143 die
römische. Die auf Petrarca aufgebauten
sogenannten Trionfi sind dabei nicht mit-
gerechnet.
Der griechische Kreis umfaßt die
homerische Welt der Ilias und Odyssee vom
Parisurteil an, Trojas Schicksale und dann
die des Odysseus ausführlich schildernd.
(Die noch breiter dargestellte Aeneis führt
dann zum römischen Kreis.) Griechisch
sind ferner die Erzählungen von den Göttern
(besonders Zeus, Aphrodite und Apollo) und
den Heroen (Theseus, Jason, Herakles);
endlich in fast unübersehbarer Fülle die
Metamorphosen: Phaeton, Myrrha, Narciß,
Pyramus und Thisbe, Orpheus, Leda, lo
usw. Die römische Ahnensage beginnt
mit Aeneas, dessen Schicksale in Libyen
und Latium nach Vergil breit geschildert
werden; der Cyklus schließt mit dem
Schweinewunder und der Gründung Alba
Longas. Daran schließen sich die Helden-
taten der altrömischen Vätertugenden: der
Raub der Sabinerinnen, Lucrecia, Virginia,
Cloelia, M. Scaevola, Horatius Codes, M.
Curtius, Coriolan usw. Es folgen die halb-
mythologischen Gallierkämpfe, Scipios Edel-
mut, die Triumphzüge des Aemilius Paulus,
Caesar, Titus und Vespasian. Das untere
Ende der römischen Geschichte wird durch
Traians Urteil bezeichnet, während die
griechische Geschichte bis zu Antiochus
und Stratonike reicht, ein Thema, das
nicht nur in der französischen Barock-
malerei (und beim jungen Goethe; vgl.
Wilhelm Meister I, Kap. 17), sondern auch
in der Renaissance bereits eine Rolle ge-
spielt hat.
Die Umformung der alten Sagen in den
toskanischen und oberitalienischen Dialekt
geschah keineswegs aus Naivetät, sondern
aus dem Selbstbewußtsein, das schon
Dante betätigt hatte, indem er Entferntes
nah erscheinen ließ und Abgestorbenes in
neue Symbolfrische umbog. Die Italiener
sahen und sehen in Caesar, Aeneas und
selbst in Helena ihre Ahnen und machten
damals den ernsthaften Versuch, den Segen
dieser großen unbeschreiblichen Erinne-
rungen mit unmittelbarer Gegenwart zu
füllen. Der junge Gatte und seine Verlobte
stellen sich mit Bewußtsein in den Schutz
Aphrodites, und Apollo lenkt die musischen
Wettkämpfe am Arno und Po. Hier offen-
bart sich, völlig überzeugend, die tiefe Ver-
bundenheit jener Zeit mit der Antike, die
wir mit dem Namen Renaissance aus-
sprechen.
Beteiligt an der Produktion dieser Bilder
ist vor allem Toskana; aus den Jahren
1350 — 1500 konnten noch 488 Cassoni
nachgewiesen werden. Florenz führt und
bietet in wechselfreudiger Folge den leb-
haftesten Rhythmus. Es wurden etwa
10 Bottegen für bemalte Truhen in Florenz
nachgewiesen; von einer solchen Bottega
hat A. Warburg-Hamburg ein von 1445
— 1463 reichendes Truhenverzeichnis auf-
gefunden, dessen Publikation er freundlichst
gestattete. Aber neben diesen Bottegen
stehen auch bekannte Meisternamen; die
Großen verschmähen es keineswegs, auch
an diesen Dingen sich zu beteiligen (Paolo
Uccello, Masaccio, Dom. Veneziano, Benozzo
Gozzoli, Pesellino, Botticelli und sein Kreis,
Pollaiuolo, Filippino, Ghirlandaio, Jacopo
Sellaio, Bartolommeo di Giovanni (der
fruchtbarste von allen), Piero di Cosimo). —
Ähnlich liegt es in Siena, wo Sano di Pietro,
Giovanni di Paolo, Vecchietta, Neroccio,
Francesco di Giorgio, Matteo di Giovanni,
Guid. Cozzarelli, Bern. Fungai u. a. be-
teiligt sind.
Außerhalb Toskanas ist die Produktion
in Umbrien und den Marken (Urbino!)
erfreulich, in Ferrara und Mailand be-
scheiden, in Verona sehr stark gewesen.
Venedig hat im Quattrocento keine bemalten
Truhen gehabt, und auch Giorgiones be-
kannte Längsbilder sind nicht Truhenbilder,
sondern Einsatzstücke in das Wandpaneel.
In Rom und Unteritahen tritt die Truhe
sehr zurück; von den Truhen des angio-
vinischen und aragonesischen Hofes hat sich
leider keine erhalten.
Diese Truhenbilder sind heut in der
ganzen Welt verstreut; sie sind hauptsäch-
57
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. — Gymnasialunterricht und Archäologie.
58
lieh im Privatbesitz zu finden. England
bot an mehr an 40 Stellen, Frankreich an
48 Plätzen seine Kostbarkeiten an. Über-
raschend reich war die Ausbeute in Wien,
wo ja der glücklichste Cassoni-Sammler,
Graf Lanckoronski, sitzt. Trotz der Hitze
des Kunstmarktes hat aber doch Italien
noch immer das Meiste; an 132 Stellen
wurden Cassoni gefunden. Aus dem ameri-
kanischen Besitz wurden dem Vortragenden
etwa 40 Nummern bekannt. Er verdankt
es der Orlopstiftung in Berlin, wenn er
einen großen Teil des noch unveröffent-
lichten Materials (etwa 550 Stücke auf
186 Tafeln) veröffentlichen kann. Das Werk
erscheint bei K. W. Hiersemann in Leipzig.
Zum Schluß der Sitzung legte Herr
Loeschcke den ersten Band des neuen
Annuario della Scuola Archeologica di
Atene e delle Mission! Italiane in Oriente
(Bergamo 1914) vor und besprach im An-
schluß an Pernier^ Ausführungen die Funde
von Priniä, deren kunstgeschichtliche Stel-
lung er erläuterte.
GYMNASIALUNTERRICHT
UND ARCHÄOLOGIE.
Auf Veranlassung und mit weitgehender
Unterstützung der badischen Regierung
fand im Jahre 1914 eine Studienreise
badischer Philologen statt, fast sämtlich
Lehrer an Gymnasien und Realgymnasien,
vom 29. März bis zum 5. Juni. Es waren
im ganzen 29 Herren, unter ihnen auf Antrag
ihrer Regierungen zwei Württemberger und
ein Hesse (Anthes). Die Führung hatten
die beiden badischen Universitätslehrer
V. Duhn und Thiersch übernommen; letz-
terer sah sich leider durch ernste Erkrankung
gezwungen, schon am zweiten Reisetage
zurückzubleiben. An seiner Stelle beteiligte
sich in Rom, Sizilien, Nordafrika und
Cagliari Herr Hülsen (Florenz) an der
Führung; dasselbe tat auf Korfu und Leukas
Herr Dörpfeld.
Ein Tag in Florenz galt möglichst aus-
giebigem Studium des archäologischen Mu-
seums; in Rom wurden sieben Tage der
topographischen Orientierung und dem Be-
such der wichtigsten Sammlungen gewidmet;
14 Tage Pompeji, Neapel und Umgegend,
ein Tag Tarent, drei Tage Korfu, wo die
Gesellschaft sich weitgehender Freundlich-
keiten S. M. des Kaisers, sogar eines längeren
Vortrages an der Hand selbstgefertigter
farbiger Vorlagen über die Terrakotta-
verkleidungen des ältesten Tempels erfreuen
durfte. Zwei Tage galten dem Besuch von
Leukas mit seinen für die Ithakafrage
wichtigen Ausgrabungen und Örtlichkeiten
sowie des heutigen Ithaka. Alsdann wurden
auf Delphi zweieinhalb, auf Olympia zwei
Tage verwendet. Von Patras ging die
Fahrt direkt hinüber nach Palermo. Die
nächsten drei Wochen waren dem Studium
Siziliens bestimmt, wobei auf Palermo
fünf, auf Reggio und Taormina je ein Tag,
sechs auf Syrakus, je einer auf Catania
(mit den Monti rossi) und Castrogiovanni,
eineinhalb auf Girgenti, je einer auf Segesta,
Selinus und den Eryx kamen. Daran
schlössen sich sechs Tage in Nordafrika,
wo außer eingehender Besichtigung Kar-
thagos und des Bardomuseums in Tunis
ein Tag für Thugga, zwei für Hadrumetum
(Susa) und Kairuan verwendet werden
konnten. Die Rückfahrt, bis Genua zur See,
ermöglichte einen Tag in Cagliari.
Dem Bericht über den archäologischen
Ferienkursus in Trier (Arch. Anz. 1914,
520) ist berichtigend nachzutragen, daß
nicht Prof. G. Loeschcke, sondern Dr. S.
Loeschcke die erwähnten Vorträge hielt.
Archäologischer Anzeiger
Beiblatt
ZUM Jahrbuch des Archäologischen Instituts
1915- n.
Den Tod fürs Vaterland starben aus unserem Kreise:
DR. SEBASTIAN WENZ
Hilfsarbeiter am Provinzialmuseum in Trier,
verwundet am 7. September 1914 bei Vitry, gestorben am 21. März 191 5
im Hospital zu Nevers.
DR. E. BRENNER
Direktor des Museums in Wiesbaden,
gefallen in den Karpathen am 3. April 1915.
DR. RICHARD WÜNSCH
ordentlicher Professor für klassische Philologie an der Universität
Münster i. W.,
gefallen bei Ilzha (Polen) am 17. Mai 191 5, bestattet in Ossiny bei Kielce.
Ehre ihrem Andenken.
HYGINUS UND DIE ANLAGE DER
KASTELLE.
In seiner Schrift über »die Anlage der
Limeskastelle« hat v. Domaszewski die Mei-
nung ausgesprochen, es bestehe »eine volle
Übereinstimmung zwischen der Lagerbe-
schreibung des Hyginus und den Pedatura-
Archäologischer Anzeiger igis-
steinen vom Zugmantel, wenn man nur in
Betracht zieht, daß im Standlager Cen-
turionen und Dekurionen nicht bei ihren
Abteilungen gelagert hätten«. »Der Ver-
fasser bringt es dann in der Tat fertig,
auf den Fuß genau anzugeben, wie die ein-
zelnen Centurien und Türmen dieser Trup-
pen in den genannten Kastellen angeordnet
6i
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
62
waren.« Fabricius (R.-G. Korr.-BI. 1908),
dem die soeben angeführten Worte entnom-
men sind, hat hiergegen viele Einwendungen
gemacht, er hat die Richtigkeit der Domas-
zewskischen Deutung dieser Inschriften an-
gezweifelt, mit Recht hat er die ziemlich
unklaren — und, wie sich' herausstellen
wird, unnötigen — Berechnungen des im
Marschlager der Auxilien fortfallenden In-
crementum tensurae auf Grund von Hyg.
K. 27 zurückgewiesen, und die Sicherheit,
mit der v. Domaszewski in seiner Weise fast
von jedem beliebigen Kastell die Besatzung
berecTinen zu können meint, weckt auch bei
ihm ein begreifliches Erstaunen. Aber wenn
er dann mit den Worten schließt, v. Domas-
zewski verfalle in denselben Irrtum, auf den
er selbst vor 20 Jahren hingewiesen, »die
Angaben der Lagerbeschreibung bei der Er-
läuterung der Überreste römischer Stand-
lager heranzuziehen«, so scheint er mir das
Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn in
diesen Erörterungen v. Domaszewskis scheint
mir wirklich ein wahrer Kern zu stecken.
Die Zahlen des Hyginus haben tatsächlich
auch bei der Anlage dieser Standlager An-
wendung gefunden, die Lagerung der Trup-
pen entspricht wirklich denen im Lager des
Hyginus genau, wenn wir nur die Bemerkung
über die Lagerung der Centurionen in Be-
tracht ziehen.
Fabricius meint vollkommen richtig,
es lasse sich die Anlage dieser Kastelle nur
auf empirischem Wege durch umfassende
Ausgrabungen feststellen, er weist auf die
Kastelle von Gellygaer und Housesteads hin;
ein anderer Hyginusfeind, Nissen, meint in
seiner Arbeit über Novaesium (Bonn. Jahrb.
111/112), einen Widerspruch feststellen zu
können zwischen Novaesium und Polybius
einerseits und unserem Lagerbeschreiber
anderseits. Meine folgenden Ausführungen
sind nun gerade von unseren eigenen Aus-
grabungenaufArentsburg ausgegangen,
und sowohl Gellygaer als Novaesium scheinen
sie zu bestätigen. Wir müssen hier erst einige
bekannte Tatsachen voranschicken. Eine
Legionskohorte hatte bekanntlich drei Ma-
nipel, von denen je zwei Centurien zusammen
lagerten. Hyginus (C. l) beschreibt uns
diese Lagerung folgenderweise: Die zwei
Centurien des Manipels liegen einander
gegenüber in einer Striga, welche eine Breite
von 60 Fuß hat. In jeder Centuria bilden
acht Mann ein Kontubernium, dessen Pa-
pilio eine Länge von 12 Fuß (10 und 2 »in-
crementum tensurae«) einnimmt. Eine
Centuria berechnet er auf 80 Mann, die
ganze Kohors also auf 480 Mann. Die Cen-
turia hat also lO Kontubernien, und daher
hat die Striga eine Länge von 10 x 12 = 120
Fuß. Im Marschlager lagern die Centurio-
nen innerhalb der Lagerlinie der Centuria,
die Mannschaft muß sich also ein wenig be-
helfen, um eine Länge von 24 Fuß frei zu
machen (2 Papiliones). Hierbei ist zu be-
merken, daß die Stärke der Legionskohorte
nicht immer dieselbe gewesen ist. Meistens
sogar hatte eine Legion 6000, also die Ko-
horte 600 und die Centuria 100 Mann (vgl.
Marquardt, Rom. Staatsverw. II 437).
Von den Auxilien hatte die Coh. equ.
mill. 10 Centurien, jede von ^6, d. h. wohl
rund 80, Mann (Hyg. 25, vgl. v. Domasz,
S. 6) und daneben 240 Reiter, auf 8 Turmae
verteilt (vgl. v. Domasz. S. 6). Die Cohors
equitata quingenaria hatte sechs Centurien;
wie die Legionskohorte, welche ebenfalls
»quingenaria« war, wird dieselbe 480 Mann
stark gewesen sein; von diesen waren aber
120 Reiter, welche auf 4 Turmae verteilt
waren. Es sind also 3 Manipel (3x2 Cen-
turien) zu 2 X 60 Mann und 4 Turmae zu
30 Mann gewesen. (Vgl. Marquardt, Rom.
Staatsverw. II 470 und dazu v. Domasz.
S. 6.) Für die Lagerung dieser Kohorten gilt
der Satz: »Omnis miles provincialis accipit
pedaturam pedem adjecta quinta per totam
latitudinem hemistrigii, eques autem duo
semis adjecta quinta«, jeder Fußsoldat erhält
also über die Breite eines Hemistrigiums 1,2,
jeder Reiter 3 Fuß. Daß im Marschlager die
Centurionen auch innerhalb dieses für die
Centuria bestimmten Raumes ihr Zelt be-
kamen und wie der Platz dazu ausgespart
wurde, kann hier dahingestellt bleiben. Für
uns ist Hauptsache, daß eine Striga für ein
Manipel einer Cohors equ, milliaria 80 x 1,2
= 96, die einer Cohors equ. quingenaria
60 X 1,2 = 72 Fuß lang gewesen sein muß.
Daß diese Zahlen, welche v. Domaszewski
mit Recht der Literatur entnimmt, mit
denen der Pedaturasteine übereinstimmen,
ist gewiß sehr merkwürdig und kann kaum
63
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
64
zufällig sein. Wie aber, wenn wir auch diese
selben Zahlen bei den Kasernen unserer
Kastelle wiederfinden }
Unsere Abbildung i gibt uns den vor-
deren Teil des Römerkastells Arentsburg
bürg eine Flottenstation gewesen , und
es läßt sich mit Sicherheit feststellen,
daß es in dem hinter dem Praetorium
liegenden Teil der Retentura kein ein-
ziges Kasernengebäude mehr gegeben hat;
Abb. I. Teil des Kastells Arentsburg bei Voorburg (in der Nähe vom Haag).
bei Voorburg in der Nähe vom Haag,
wie es teilweise um 1830 von Reuvens,
teilweise von mir in den letzten Jahren
ausgegraben wurde. Der hintere Teil kann
hier außer Betracht bleiben, denn, wie
ich schon öfters dargelegt habe, ist Arents-
der ganze Raum wird dort von andern Ge-
bäuden eingenommen.
Auf unserer Abbildung sehen wir unten
die Prätorialfront, deren linker Teil von
Reuvens und deren rechter von mir ausge-
graben wurde. Die Porta praetoria selbst
• 3*
65
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
66
hat R. nicht ausgegraben, wohl aber scheint
er ihre Stelle aufgefunden, obwohl nicht als
solche erkannt zu haben. Rechts sehen
wir die Stelle, wo die Mauer umbiegt, und
auch die Porta principalis sinistra habe ich
ausgegraben; über ihren merkwürdigen
Grundplan können wir hier schweigen, die
Erdbrücke vor derselben sichert uns die
Deutung als Tor vollkommen. Auf der
andern Seite hat weder Reuvens die Um-
biegung und Fortsetzung der Mauer ge-
funden, noch war es mir möglich, dieselben
dort zu finden. Wohl aber fand ich an
hier aber ausschließlich die Bodenspuren der
Holzbauten, welche wir in dem der Porta
principalis naheliegenden Teil auf beiden
Seiten der Via principalis — die schräg ver-
laufenden Spuren, welche innerhalb dieser
Via selbst gezeichnet sind, gehören alle
einer früheren Periode an — aufgedeckt
haben.
Betrachten wir erst den südlich von der
Via principalis neben dem Praetorium liegen-
den Komplex, so ist es deutlich, daß er in
zwei Teile zerfällt: mit der Front der Via
zugewandt, sehen wir eine Reihe von vier-
Arentshizrgr.
CoTztubemia^.
CoTzz^ersoTitibizs .
CoTitiLbernzw.
1
b
d
0123^5 JO J5 20 25 M,
Abb. 2. Kaserne von Arentsburg.
mehreren Stellen den Spitzgraben und konnte
feststellen, daß östlich von ihm keine Fort-
setzung der römischen Überreste mehr vor-
handen waren: es konnte also wenigstens
die Begrenzung des Kastells auch auf dieser
Seite festgestellt werden. Die Anlage des
Kastells war nicht ganz regelmäßig; das
Praetorium, von dem freilich nur der öst-
liche Flügel von Reuvens ausgegraben wurde
und dessen Breite uns also nicht genau be-
kannt ist, liegt schief; so auch die andern
Gebäude. In der Nordostecke hat Reuvens
die Überreste eines ganz späten Gebäudes
ausgegraben, zu dessen Bau Bruchstücke
der andern Gebäude benutzt worden sind,
und ganz links oben sieht man auf unserer
Karte noch den Anfang eines großen, von
R. aufgedeckten Gebäudes, offenbar des
Kommandantenhauses. Uns interessieren
eckigen Bauten, von Querwänden in mehrere
Zimmer geteilt, die Längsseite der Kastell-
mauer und der Seitenmauer des Praetoriums
ungefähr parallel; daß in der Nähe der
Kastellmauer diese Bauten mehrere Bau-
perioden aufzuweisen scheinen, kann hier
dahingestellt bleiben. Hinten gerade an
diese Holzbauten anschließend bis zu der
Querwand, die ungefähr in der Verlängerung
der Hinterwand des Praetoriums läuft, ist
der ganze Raum von sieben nordsüdlich ver-
laufenden Wänden in sechs ungefähr gleich -
breite] Linien verteilt. Die Bedeutung
dieser ganzen Anlage, deren Hälfte die
schematische Zeichnung Abb. 2 wiedergibt,
kann, besonders verglichen mit den steinernen
Kasernenbauten von Novaesium, nicht
fraglich sein.
Eine Manipelkaserne (zwei Centurien
^1
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
68
einander gegenüber gelagert) von Novaesium
ist Abb. 3 nach Bonn. Jahrb. Iii/il2 Taf. V
wiederholt. Nach Nissens und Koenens Be-
schreibung (besonders S. 141 und 142) sind
auch hier zwei Teile deutlich zu unter-
scheiden. Vorn liegen die viereckigen Bau-
ten, bei denen man »auf den ersten Blick
sieht, daß wir es hier mit dem üblichen
Grundriß des römischen Wohnhauses zu tun
haben«. Auch für unsere Vorderbauten auf
Arentsburg trifft zweifellos diese Erklärung
zu: »Der Centurio wird den den Grundriß
des römischen Hauses zeigenden vorderen
trennte nur eine Holzwand die Räume, wäh-
rend in Novaesium dicke Steinwände vor-
handen waren. Auch Nissen hat das schon
getan, indem er (S. 25) bei der Berechnung
des von den Kontubernien eingenommenen
Raumes über die ganze Länge derselben un-
gefähr 20 Fuß für die Dicke der Steinwände
in Abzug bringt. Hinter unseren Arents-
burger Kasernen läuft über ihre ganze Breite,
wie es der Plan Abb. 2 zeigt, eine Reihe von
Abfall- und Düngergruben hin. Es gab
Anzeichen dafür, daß sie wahrscheinlich mit
Brettern gedeckt gewesen sind. Offenbar
Abb. 3. Manipelkaserne von Novaesium.
Teil der Kaserne eingenommen haben.
Hinter diesem Teile liegt die eigentliche
Mannschaftskaserne: drei in der Länge ver-
laufende Wände teilen den Raum in drei
Streifen, von welchen zwei die Kontubernien
enthielten, die mittlere aber zum Verkehr
offen war. Es ist also klar, daß die Anlage
auf Arentsburg mit ihren Wohnungsgrund-
rissen an der Vorderseite und den in sechs
Linien geteilten Raum dahinter den Grund-
riß von zwei solchen Manipelkasernen neben-
einander zeigt. Sowohl auf Arentsburg als
in Novaesium nimmt eine solche Manipel-
kaserne nach der Beschreibung des Hyginus
eine Striga ein; es ist deutlich, daß wir
nachher bei der Berechnung des innerhalb
einer Striga zur Verfügung stehenden Rau-
mes dem großen Unterschied zwischen beiden
Rechnung zu tragen haben: auf Arentsburg
lag hier gerade außerhalb der Kasernen die
Abfallstelle und Bedürfnisanstalt der Cen-
turien.
In der Frontbreite unserer Arentsburger
Manipelkasernen (etwa 18 m) finden wir nun
ohne weiteres die vonHyginus vorgeschriebene
Strigabreite von 60 Fuß wieder. Im Marsch-
lager wurde dem Centurio innerhalb des für
die Mannschaft bestimmten Raumes Platz
eingeräumt; im Standlager ist das natürlich
nicht der Fall. Wenn hier, wie wir gesehen,
dieser Offizier das wohnhausartige Gebäude
vor der Mannschaftskaserne bewohnte, so
versteht es sich, daß wir beim Vergleich der
von Hyginus gegebenen Maße mit dem Tat-
bestande unserer Funde nicht die Länge
dieses Wohnhauses mitzurechnen, sondern
nur die der eigentlichen Kaserne zu beachten
haben. Diese Kasernen nun hinter den
69
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
70
Offizierswohnungen haben auf Arentsburg
eine Länge von etwa 22 m. Es fällt leicht,
hierin die 72 Fuß zu erkennen, welche nach
Vorschrift des Hyginus für eine Centurie
von 60 Mann nötig sind (60 x 1,2 Fuß).
Eine 60 Mann starke Centuria ist die einer
Cohors equitata quingenaria. Der ganze Ge-
reproduzieren und das -schon von Fa-
bricius an den sechs Centurienkasernen als
Hibernacula cohortis quingenariae equitatae
erkannt wurde. Von der Breite dieser stei-
nernen Kasernen, welche allerdings 80 — 90
Fuß beträgt, wird nachher noch die Rede
sein. Die Länge derselben stimmt aber voll-
S.W. Gate.
S.E.
Gate.
^^^l^j^^/X'-^lS^E^^Si
■^^^ y ■ . ■'.°
100
200
Abb. 4. Kastell Gellygaer.
bäudckomplex hier in Arentsburg enthält
also zwei Manipel, d. h. vier der sechs Cen-
turien einer Cohors equitata quingenaria.
Von den zwei andern Centurien und der
hierzu gehörigen Reiterei wird nachher die
Rede sein. Vorläufig sei nur auf die voll-
kommene Übereinstimmung unserer Anlage
mit den Maßen des Hyginus hingewiesen.
Dieselbe Übereinstimmung findet sich nun
auch im Kastell von Gellygaer, dessen von
Ward gezeichneten Grundplan wir Abb. 4
kommen. Auch hier ist das Haus der Cen-
turionen deutlich von der eigenthchen Ka-
serne zu unterscheiden und natürlich nicht
miteinzurechnen. Weiter sind wiederum nach
Analogie mit Novaesium für die Dicke der
Steinmauer etwa lO Fuß abzuziehen. Es
bleiben dann noch als Raum für die Cen-
turie 72 Fuß, genau wie auf Arentsburg
(60 Mann ä 1,2 Fuß). Auch Gellygaer wird
uns als Kastell einer Cohors equitata quin-
genaria noch später beschäftigen.
71
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
72
Wir werden aber sehen, daß auch in der
Lagerung anderer Truppenkörper in den
uns bekannten römischen Standlagern sich
die Zahlen des Hyginus wiederfinden lassen,
wenn wir nur die oben gefundenen Grund-
sätze in Anwendung bringen.
Schon öfters war die Rede von Novaesi-
um, dem Legionslager, in dem wir also die
Kasernen von Legionskohorten wiederfinden
müssen. Wie gesagt, lassen sich Offiziers-
wohnungen und eigentliche Kasernen auch
hier deutlich voneinander unterscheiden, und
nach dem Obenstehenden braucht es kaum
mehr gesagt zu werden, daß bei der Be-
rechnung der Kasernengröße und dem Ver-
gleich derselben mit Hyginus' Marschlager-
kasernen diese Offizierswohnung auch hier
außer acht gelassen werden muß. Dasselbe gilt
aber noch für mehrere andere Räume. Erstens
liegt nach Nissens und Koenens Beschreibung
zwischen dem Wohnhause und der eigent-
lichen Kaserne hier ein größerer Raum, der
offenbar einem andern, obwohl nicht sicher
bekannten Zweck diente; daß, wo im Marsch-
lager die Wohnung selbst fehlte, auch dieser
Raum nicht dagewesen ist, scheint selbst-
redend; auch wird er nicht von Hyginus
genannt. Zweitens zeigen nach Koenen die
hintersten Räume vieler eigentlichen Ka-
sernen eine Abweichung von dem Gesamt-
charakter des Grundrisses der Räume dieser
Kasernen. In diesen hintersten Räumen
wurden wiederholt Abfallgruben festgestellt.
»Vielleicht war dort die Bedürfnisanstalt der
Centurie« (Bonn. Jahrb. 111/112 S. 142).
Sehr merkwürdig in dieser Hinsicht ist der
schon erwähnte Fund in Arentsburg, wo
doch gerade hinter den Kasernen selbst, also
genau an derselben Stelle wie in Novaesium,
eine Reihe solcher Abfall- oder Dünger-
gruben hinläuft. Nur sind diese Gruben bei
den einfachen Holzbaracken außerhalb der
Bauten im Freien angelegt, während sie in
den Steinbauten Novaesiums mit eingebaut
sind. Daß also auch ein solcher Raum im
Marschlager nicht erwähnt wird und bei der
Berechnung des Hyginus nicht mitzählt,
braucht kaum gesagt zu werden. Es scheint
mir aber, daß auch in Novaesium ein solcher
Raum, der nach Koenens Worten »in der
Regel« da war, nicht bei allen Kasernen vor-
handen gewesen ist, daß man sich also bei
mehreren Kasernen in derselben Weise wie
in Arentsburg oder im Marschlager durch
einfache Gruben hinter den Kasernenreihen
geholfen haben wird. Ist doch bei mehre-
ren der Kasernen in Novaesium nichts
von einem solchen besonderen Hinter-
raum zu spüren, vielmehr scheinen die Kon-
tubernien bis zum Ende des ganzen Baues
durchzulaufen. Zu einer richtigen Beur-
teilung der Kasernenbauten Novaesiums
scheint mir folgende Zusammenstellung der
den Beschreibungen von Nissen und Koenen
und den beigegebenen Plänen (B. J. Taf. III,
IV, V, XV) entnommenen Angaben nützlich,
wobei noch zu beachten ist, daß die Länge
der verschiedenen Kasernenbauten verschie-
den ist, daß es größere und kleinere Wohnun-
gen für Centurionen gibt und schließlich, daß
nach dem Vorgang Nissens bei der Berech-
nung eine beträchtliche Zahl für Mauerdicke
abgezogen werden muß.
abzuziehen für :
bleiben
e
II 2 =,
Kaserne
Nr.
gjinze
Länge
3
rt
B
a
c
1
s
3
U
■5
u
3
3
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ubernia
iones zu
r 8 M.
Hyg.)
^
'S
s
rt
c 0."*-
P, rt •
84—87
\
93—98
P50
80
12
12
20
126
10
110 — III
1
99—104
259
80
12
27
20
120
10
I48-I5i(?)
272
84
12
27
20
129
IG
7—12
263
80
12
kein
24
147
12
26—31
259
80
12
kein
24
143
12
142—143
264
84
12
kein
24
144
12
144—147
272
84
12
kein
24
152
12
Nissen (S. 25) berechnet die Stärke der
Centuria auf lOO Mann und Koenen (im
selben Buch S! 142) auf 80. Die Wahrheit
scheint sich aus obenstehender Tabelle zu
ergeben. Wie schon gesagt, schwanken in
der Angabe der Stärke einer Legionscenturie
auch die klassischen Autoren zwischen 80 — 100
Mann. Die Zahl scheint nicht nur in ver-
schiedenen Zeiten verschieden groß zu sein,
sondern in der einen Kaserne Novaesi-
ums war offenbar eine Centurie zu 80, in der
andern eine zu lOO Mann gelagert; die
kleinere Centurie hat den freibleibenden
Raum zu anderen Zwecken gebraucht, und
jedenfalls ist auch hier in Novaesium überall
das von Hyginus vorgeschriebene Einheits-
11
H)'ginus und die x\nlage der Kastelle.
74
maß: Papiliones von 12 Fuß für 8 Mann, in
Anwendung gebracht.
Einen wirklichen Unterschied mit den
bisher betrachteten Bauten scheinen uns
nun freihch die zwei halben Kasernen von
Haltern (Westf. Mitt. VI III) und die Ka-
sernen von Lambaesis (Mem. de l'Acad. d.
inscr. XXXVIII 229) darzubieten. Bei den
ersteren lassen sich Offizierswohnung und
eigentliche Kaserne deutlich voneinander
unterscheiden, und bei den letzteren erkennt
man nach Analogie von Novaesium überdies
noch Zwischenraum und Bedürfnisstelle.
Es bleiben dann in Haltern 10, in Lambaesis
12 Kontubernien übrig, welche eine Länge
von etwa 150, respektive 186 Fuß ein-
nehmen. Leider lassen in Haltern die wenig
vollständige Aufdeckung, in Lambaesis der
gewiß zu schematisch gezeichnete Grund -
plan und das Fehlen von Angaben über
Mauerdicke usw. nicht mit Sicherheit sagen,
was von diesen Zahlen noch abgezogen wer-
den soll. Jedenfalls aber scheinen in beiden
Fällen die Kontubernien für die 8 Mann
einer Legionscenturie um ein Paar Fuß
breiter gewesen zu sein, als es Hyginus und
die bis jetzt erwähnten Funde angeben.
Dieses Ergebnis scheint uns nur davor zu
warnen, bei der Rehabilitierung unseres Be-
richterstatters nicht wieder nach der andern
Seite zu übertreiben.
Was nun die Strigabreite betrifft, so
finden wir sowohl in Novaesium als in Gelly-
gaer 80 Fuß statt der von Hyginus geforder-
ten 60 Fuß. Bei näherer Betrachtung er-
scheint aber dieser Unterschied nicht so
wichtig, wie man beim ersten Anblick denken
möchte (vgl. Nissen 1. 1. und Fabricius 1.1.).
Die Breite der Arentsburger Manipelstriga
(60 Fuß wie bei Hyginus) zerfällt in drei
Teile, jeder von etwa 20 Fuß. Diese drei
Teile lassen sich auch in den Kasernen von
Novaesium unterscheiden. Der mittlere ist
offenbar ein freier Raum gewesen; an beiden
Seiten desselben liegen die eigentlichen Kon-
tubernienreihen. Jedes Kontubernium in
Novaesium zerfällt wieder in einen kleinen
vorderen und einen größeren hinteren
Teil. Die Tiefe dieser beiden Räume nach
Abzug der Mauerbreiten, Nissens Angaben
gemäß, beträgt zusammen etwa 28 — 6 =22
Fuß. Auch in Gellygaer ist die Breite der
Kontubernienreihen ungefähr 20 Fuß, so daß
wir auch in dieser Hinsicht auf eine fast voll-
kommene Übereinstimmung unserer ver-
schiedenen Kasernenanlagen schließen kön-
nen. Nun berechnet Hyginus die Striga-
breite folgenderweise: »Quod ad latitudinem
hemistrigii pedum XXX attinet, papilioni
dantur pedes X, armis pedes V, jumentis
pedes IX; fiunt pedes XXIV, hoc bis (das
heißt auch auf der andern Seite für die zweite
Centurie) XLVIII . . . Efficitur striga pedum
LX; reliqui pedes XII qui conversantibus
spatio sufficient.« Im Gegensatz zu Arents-
burg und Gellygaer lassen sich in den beiden
Teilen der Kontubernien Novaesiums leicht
die Räume »Armis« und »Papilioni« des
Hyginus zurückfinden. Die Breite von
20 Fuß, welche wir hier überall für die Kon-
tubernien finden, ist größer, als Hyginus
für diese beiden Räume (»Papilioni« + »Ar-
mis«) rechnet. Die Erklärung hierfür findet
sich m. E. in den »Jumentis«. Auch für
diese hat man in Novaesium Platz gesucht.
Der mittlere offene Teil der Striga zeigt dort
an seinen beiden Seiten Reihen von Sockel-
steinen, welche die Pfosten eines Vordaches
getragen haben, und unter diesen »nach der
Gasse offenen Schuppen« wollen Koenen und
Nissen den Jumenta ihren Platz anweisen.
Es ist aber vollkommen unglaublich,
daß man Pferden und Tragtieren innerhalb
eines Standlagers in der freien Luft ihre
dauernde Stallung gegeben hätte, nur von
einem Traufdach geschützt; so etwas ver-
bietet sich besonders in unserem Klima von
selbst. Wo haben dann diese Jumenta ge-
standen.? Bei der Beantwortung dieser
Frage scheint mir besonders der Nachdruck
gelegt werden zu müssen auf den Unterschied
zwischen dem von Hyginus beschriebenen
Lager und den Standlagern wie Arentsburg
oder Novaesium. Hyginus beschreibt uns
doch das bewegHche Marschlager, das sozu-
sagen jeden neuen Tag wieder abgebrochen
wurde, für den Weitermarsch; in Arentsburg,
Novaesium usw. finden wir die Kasernen
einer ständigen Garnison, welche in erster
Linie zur Verteidigung des Ortes selbst und
zum Garnisondienst bestimmt war. Sollten
also im Marschlager die Tragtiere sozusagen
an der Stelle fertig stehen, um sofort Weiter-
reisen zu können, so hatte es überhaupt
75
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
1^
keinen Zweck, den Garnisonsoldatcn gerade
vor den Türen ihrer Kontubernien die Trag-
tiere bereitzustellen. Es hat also in den
Kasernen des Standlagers, wie z. B. Novaesi-
um, wo wir für die Jumenta eigentlich keinen
geeigneten Raum finden konnten, solche
Jumenta nicht gegeben. Die für die Garnison
benötigten Tragtiere werden selbstverständ-
lich wohl anderswo ihre Stallung gefunden
haben als gerade in den Mannschaftskaser-
nen. Nur im Marschlager, wo sie jeden
Augenblick zum Aufbruch fertig stehen soll-
ten und wo überdies der Raum so knapp wie
möglich zugemessen wurde, konnte man sie
dort erwarten. Es scheint hier mit diesem
Räume für die Jumenta derselbe Fall wie
mit der Lagerung der Offiziere. Im Stand-
lager haben die letzteren ihre eigenen Häuser,
im Marschlager aber muß für sie der gebote-
nen Knappheit wegen Platz gemacht werden
innerhalb des für die Mannschaft bestimm-
ten Raumes.
Die Kaserne von Arentsburg, welche uns
die einfachste Form eines solchen Gebäudes
in einem Standlager bietet und deren Brei-
tenmaße vollkommen mit den 6o Fuß des
Hyginus übereinstimmen, zeigt uns, wie im
Standlager dieser Raum »Jumentis« hier
zum Teil zu der eigentlichen Kontubernien-
breite gezogen wurde — zum Teil zur Erweite-
rung des »Conversantibus spatium« diente;
die Kaserne besteht also aus drei gleich -
breiten Linien, von denen die mittlere das Con-
versantibus spatium gewesen ist, die beiden
anderen die eigentlichen Kontubernien der
Centurien enthielten. Die Breite derKontu-
bernienreihen war in Arentsburg ungefähr
dieselbe wie inGellygaer und Novaesium; der
erwähnte Unterschied der Strigabreite bei
diesen letzteren war also fast ausschließlich
dadurch entstanden, daß man die zwei
Reihen der Kontubernien etwas weiter
auseinander gebaut und so das Con-
versantibus spatium etwas erweitert hatte.
Die eigentlichen, für die Lagerung der Mann-
schaft bestimmten Räume sind aber überall
fast dieselben gewesen (etwa 12 x 20 Fuß).
In den Kontubernien dieser Größe lagen,
wie sich aus Hyginus ergibt, entweder 8 Le-
gionare oder 10 Milites provinciales. Im
Marschlager hatten sie genau denselben
Raum; nur hatte dort die Mannschaft nicht
nur ein oder zwei Papiliones den Offizieren
zu überlassen, sondern auch innerhalb des
für sie bestimmten Raumes ihre für ihre
Märsche benötigten eigenen Jumenta zu
stellen. Zu diesem letzteren Zwecke konnte
zwar ein Teil des Conversantibus spatium
genommen werden (im Marschlager ist dieses
12 statt 20 Fuß breit), es mußte aber jeden-
falls ein schmaler, offener Raum übrig bleiben,
und so mußte auch vom Kontuberniumraum
etwas abgenommen werden; statt 20 Fuß
im Standlager wurde er: papilioni X +
armis V == 15 Fuß.
Wir kommen jetzt zu der Reiterei. Daß
die Ala milliaria 24 Turmae zu 42 Mann, die
Ala quingenaria 16 zu 30 gehabt hat, läßt
sich nach v. Domaszewski (Hyg. S. 52) den
Mitteilungen des Hyginus entnehmen. So
zählte die Reiterei der Kohorten, die der
quingenaria, 4 Turmae zu 30 Mann und die
der Cohors milliaria 8 Turmae zu 30 Mann.
Bekanntlich rechnet Hyginus in dem Hemi-
strigium für jeden Reiter 3 Fuß (Hyg. 25).
Auch von Kasernen der Reiterei hat uns
Novaesium viele Grundrisse bewahrt, und
auch hier meint man einen großen Unter-
schied zwischen diesen Grundrissen und den
Angaben des Hyginus konstatieren zu können
(Nissen, Bonn. Jahrb. 111/112, S. 31). Mit
Unrecht, wie auch hier wieder aus unseren
Arentsburger Funden hervorgehen wird.
Auf der andern Seite der Via principalis,
also in der Praetentura des Castellums, sehen
wir eine Reihe von Spuren viereckiger Ge-
bäude. Nur an der Seite der Kastellmauer
zeigen diese Spuren uns den klaren Grund-
riß eines Gebäudes. Weiter nach Osten
laufen mehrere Spuren durcheinander; es
liegen hier auch zwei Bauperioden vor. Ob-
wohl also diese mehr östlichen Gebäude ein-
mal abgebrochen und wieder aufgebaut
worden sind und auch die Spuren der einzel-
nen Perioden nicht mehr so gut erhalten
sind, weisen dennoch die Formen der Grund-
risse und die Übereinstimmung mehrerer
Längen- und Breitenmaße darauf hin, daß
hier noch drei ähnliche solche Gebäude vor-
handen gewesen sind wie westlich bei der
Mauer.
Die Reiterkasernen von Novaesium, wie
sie jedesmal an beiden Seiten eines schmalen,
n
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
78
offenen Weges gebaut sind, haben eine Breite
(nach Abzug der Mauerdicke) von etwa
30 Fuß; ein ganzes Hemistrigium nach Hy-
ginus ist hier voll gebaut. Charakteristisch
für die Reiterkaserne ist die Mauer, die die
ganze Kaserne über ihre ganze Länge in zwei
Schiffe teilt. An einer solchen Mauer hat
selbst gezogen. Der Steinbau ist hier also
30 Fuß breit. Wie steht es nun mit der
Länge.? In Arentsburg ist dieselbe etwa
45 Fuß: jeder Reiter bekommt nach Hyginus
3 Fuß, 3x15= 45, es haben hier also
15 Mann, d. h. eine halbe Turma einer Cohors
equitata quingenaria, gelagert. Gehörten
Abb. 5. Reiterkaserne von Novaesium.
auch Fabricius (1. 1. S. 34) einige Gebäude
von Gellygaer als Reiterkaserne erkannt;
Abb. 5 und 6 sind die Reiterkasernen von No-
vaesium und Gellygaer und das Arentsburger
Gebäude dargestellt. Vergleicht man nun
diese Reiterkasernen mit dem Arentsburger
Grundriß, so scheint es klar, daß wir es auch
in Arentsburg die Centurienkasernen einer
solchen Cohors an, so war also in den vier
ähnlichen Gebäuden, welche wir auf dieser
Seite des Arentsburger Castellum fanden,
gerade Platz für die Hälfte der ganzen
Reiterei dieser Kohorte. Und bei der
Reiterkaserne von Gellygaer finden wir nach
Jirerztsbura, GeZb/^aer.
0/23^5 W /5 W
Abb. 6. Reiterkasernen.
25M.
hier mit einer solchen Kaserne zu tun haben.
Auch hier ist das Gebäude in zwei gleiche
Schiffe geteilt, nur sind hier noch etwas mehr
Spuren der inneren Einteilung erhalten. Das
ganze Gebäude hat eine Breite von etwa
25 Fuß; es blieb hier also in der Striga noch
ein schmaler Streifen offen, wie es Hyginus
vorschreibt, dort, wo auch Tiere ihren Platz
in der Striga bekommen sollten. In Novaesi-
um, wo, wie gesagt, die steinernen Kasernen-
bauten etwas weiter auseinander liegen,
wurde auch dieser Streifen noch zum Bau
Abzug von 10 Fuß für die Dicke der Stein-
mauer genau dieselbe Länge. Die Maße des
Hyginus kommen hier also vollkommen zur
Geltung. Aber auch für Novaesium treffen
sie zu. Hier ist die Länge der Kasernen
durchschnittlich verteilt in 8 Kontubernien
zu 12 Fuß. Nach Hyginus war also in jedem
Kontubernium Platz für 4 Mann (3 Fuß
jeder) und 4 x 8 = 32. Die Hemistrigien
der Reiterkasernen von Novaesium bargen
also jedes eine Turma von 30 Mann.
SCALE 1- »»O
-TTr-r^iPY—r
M«tr«siv o kb
Abb. 7. Kastell Newstead (nach Curie).
8i
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
82
Wir dürfen also behaupten, daß
Hyginus uns auch für die Stand-
lager und Castella die richtigen Vor-
schriften für die Lagerung der Be-
satzung überliefert hat, wenn wir
nur die oben im Laufe unserer Un-
tersuchung gefundenen Beschrän-
kungen im Auge behalten.
Ein Beispiel soll uns schließlich noch
dieses Ergebnis bestätigen.
Nach Curie (S. 75) bestand die Besatzung
von Newstead, von welchem Kastell der
Grundriß Abb. 7 reproduziert wird, aus
Mannschaften der Ala Vocontiorum ^) und
Legionarii. Die Kasernen der Legionssol-
daten meint Curie in den von ihm ausge-
grabenen Baracken der Praetentura zu er-
kennen, während nach seiner Meinung die
Reiter der Ala wohl in den sehr kümmerlich
erhaltenen und dürftig ausgegrabenen Ge-
bäuden der Retentura (vgl. den Grundriß
XXI — XXV) gelagert gewesen sein müssen.
Was lehren uns nun aber Hyginus und unsere
obenstehenden Ausführungen ?
Die Baracken der Praetentura, deren
Breite 30 Fuß, d. i. die ganze Breite eines
Hemistrigiums, einnimmt, sind, wie sich bei
Vergleich mit den Steinbauten Novaesiums
und Gellygaers herausstellt, keine Infanterie-,
sondern Reiterkasernen gewesen. Die
Länge jedes Hemistrigiums ist in 1 1 unge-
fähr gleiche Kontubernien von (nach Abzug
der Mauerdicke) etwa 12 Fuß verteilt. Diese
II X 12 Fuß sind m. E. nur zu verstehen
für eine Reiterkaserne: ii x 12/3 (jeder
Reiter bekommt drei Fuß nach Hyginus) =
44; jedes Hemistrigium barg also eine Turma
zu 42 Mann, die Zahl der Reiter einer Turma
einer Ala milliaria; die 12 Baracken der
Praetentura haben also genau die Hälfte
einer Ala milliaria, der Ala Vocontiorum,
aufgenommen. Dagegen erweisen die ge-
nannten Gebäude der Retentura, wie unvoll-
ständig ihr Grundriß auch sein möge, sich
als Kasernen von Legionsmanipeln. Die
Bauten XXIV und XXV sowohl wie XXII
und XXIII nehmen jedesmal zusammen mit
dem zwischen ihnen liegenden Raum gerade
die Breite von 60 Fuß, d. i. genau von einer
') Hemmen, wo eine Inschrift dieser Ala gefun-
den, liegt nicht, wie Curie meint, »in Germany«,
sondern in Holland.
Striga, nach Hyginus, ein: wir haben hier
also zwei Centurien innerhalb einer Striga
einander gegenüber gelagert. Nur ein Teil
derselben ist ausgegraben, weder von einem
Centurionenhausevorder eigentlichen Mann-
schaftskaserne noch von der Kontubernien-
einteilung sind die Spuren aufgedeckt; den-
noch scheint uns auch das Längenmaß den
Bau als Legionskaserne zu erweisen. Wurde
doch eine Mauer in ihrer ganzen Länge
ausgegraben; diese Länge betrug 270 Fuß,
das ist genau das Maß einer solchen Legions-
kaserne von 12 Kontubernien, jedes für
8 Mann, zusammen mit vorgebautem Wohn-
haus und Zwischenraum, wie wir es in
Novaesium kennen gelernt haben und wie es
dem von Hyginus angegebenen Längenmaß
entspricht (vgl. die Tabelle S. 72). Obwohl
die dürftige Ausgrabung hier keine weiteren
Schlüsse zuläßt, scheint dennoch in der Re-
tentura von Newstead für 6 Centurien, d. i.
also gerade für eine Legionskohorte, Raum
gewesen zu sein. Hyginus lehrt uns hier, daß
die Lagerung der Legionssoldaten und der
Alareiter in Newstead gerade umgekehrt ge-
wesen ist, als Curie es sich denkt.
Wir kommen also zu den folgenden
Schlüssen :
Bei der Lagerung der Truppenkörper in
den Kastellen gilt im allgemeinen für die
Breite der verschiedenen Kasernen das von
Hyginus genannte Strigamaß von 60 Fuß.
Weil aber im Standlager natürlicherweise
für Jumenta kein Platz innerhalb der Mann-
schaftskaserne ausgespart zu werden brauch-
te, wurden die 60 Fuß in drei gleich breite
Streifen geteilt, der mittlere Conversantibus
spatium, die beiden seitlichen, die eigent-
lichen Centurienkasernen. Im Steinbau
fand bisweilen eine Erweiterung des Con-
versantibus spatium statt, auf die eigent-
liche Lagerung der Mannschaft blieb das
aber ohne Einfluß. Bei den Reiterkasernen
war der bebaute Teil breiter; hier, wo auch
die Pferde untergebracht werden sollten, ist
die Breite den »Papilioni + Armis -f Jumen-
tis« des Hyginus gleich. Im Steinbau wird
hier die ganze Breite eines Hemistrigiums,
30 Fuß, von Kaserne mit Stallung einge-
nommen.
Für die Länge der verschiedenen Kaser-
nen gelten die Angaben des Hyginus voll-
83
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
84
kommen. Die Offiziere aber, welche nach
Hyginus' ausdrücklicher Mitteilung im
Marschlager innerhalb der Mannschafts-
strigen lagern, haben im Standlager ihre
eigenen Häuser, welche, vor den Kasernen
der von ihnen kommandierten Truppenteile
gebaut, natürlich nicht in der Pedatura der
Mannschaft mitzurechnen sind.
In dem Barackenbau, wie wir ihn auf
Arentsburg fanden und wie sie auch wohl in
weitaus den meisten Limeskastellen usw.
vorhanden gewesen sind, nehmen also die
folgenden Truppenkörper folgende Längen-
maße ein :
Die Legionscenturie brauchte lO oder
12 X 12 Fuß, je nachdem die Centurie 80
oder 100 Mann stark war.
Die Centuria cohortis quingenariae
brauchte 60 x 1,2 = 72 Fuß.
Die Centuria cohortis milliariae also
80 X 1,2 = 96 Fuß.
Will man hier die Länge der Offiziers-
wohnung miteinrechnen, so müssen nach
Vorbild von Arentsburg noch etwa 50 Fuß
hinzugezählt werden; zur Pedatura der
Centuria gehören diese 50 Fuß aber selbst-
verständlich nicht.
Die Länge der Pedatura einer Turma
der Reiterei einer Kohorte betrug 30 x 3 =
90 Fuß; oft scheint dieselbe aber in halben
Türmen über eine Länge von etwa 45 Fuß
gelagert gewesen zu sein.
V. Domaszewski hat also vollkommen
richtig gesehen, daß die Pedaturainschriften
von Zugmantel genau die Maße der Pedatura
Centuriae Cohortis quingenariae und der
einer Cohors milliariae enthalten, und man
wird m. E. schwer umhin können, mit ihm
anzunehmen, daß sie sich wirklich auf die
Barackenbauten solcher Centurien beziehen.
Leider bieten uns die noch nicht zu
Ende geführten Ausgrabungen vom Zug-
mantel mit seinen drei Kastellbauten über-
einander und seinen merkwürdigen Keller-
bauten nicht die Möglichkeit, diese Angaben
an einem detaillierteren Grundplan zu kon-
trollieren.
Müssen wir es also v. Domaszewski
glauben, daß es jetzt möglich ist, ohne weite-
res die Innenanlage aller Limeskastelle mit
allen Einzelheiten zu begreifen.?' Sicher hat
er mit großem Scharfsinn seine gefundenen
Maße bei einigen Grundplänen von Kastellen
in Anwendung gebracht. Aber auch hier
können uns unsere Arentsburger Ausgrabun-
gen anderes lehren. Wie gesagt, lagerten in
der von uns ausgegrabenen linken Hälfte des
Kastells zwei der drei Manipeln einer Cohors
equitata quingenaria und in der Praetentura,
an der Gegenseite der Via principalis, die
Hälfte der dazugehörigen Reiterei. Reuvens
hatte schon, wie jetzt aus dem Plan ersicht-
lich ist, den rechten Flügel des Praetoriums
ausgegraben; wie groß die Breite dieses Ge-
bäudes gewesen, wie weit es sich also in der
Richtung unserer Centurienkasernen aus-
gedehnt hat, ist nicht genau zu sagen und
leider auch nicht mehr zu untersuchen. Eins
ist aber sicher, daß das Praetorium sich nicht
weiter ausgebreitet haben kann als die lange
Spur, welche wir in einer gewissen Entfer-
nung unserer Baracken parallel mit den
Längswänden derselben am Rande des von
uns untersuchten Terrains aufgedeckt haben.
Diese Spur ist jetzt wohl sicher als ein Ab-
zugsgraben oder Terrainbegrenzung, nicht
als Spur eines Gebäudes zu betrachten.
Zwischen diesem Gräbchen, d. h. also jeden-
falls zwischen dem Praetorium und unseren
Baracken, erstreckt sich noch ein freier
Raum, der gerade eine Striga breit ist (etwa
60 Fuß), und wo also gerade noch für den
dritten Manipel unserer Kohorte Platz ge-
wesen wäre. Es scheint aber sicher, daß hier
nicht noch eine dritte solche Kaserne gelegen
hat. Daß von einem derartigen Gebäude keine
Spuren auf dem Plan gezeichnet stehen, ist
dafür kein Beweis. Denn, wie schon öfters
in meinen Ausgrabungsberichten verzeichnet
wurde, ist in diesem Teile des Terrains der
Boden dermaßen abgetragen, daß solche
Gebäudespuren wohl mit fortgegraben sein
müßten. Der Beweis wird aber dadurch
geliefert, daß die Abfall- und Düngergruben,
welche wir hinter unseren Kasernen antrafen,
sich nicht nach Osten fortsetzen, obwohl hier
der Boden nicht so tief abgegraben ist, daß
derartige Gruben dadurch ebenfalls ver-
schwunden sein könnten. Es wäre doch auch
zu merkwürdig, daß eine spätere Abtragung
des Terrains gerade noch die zweite Kaserne
vollkommen gespart hätte, aber eine dritte
vollständig fortgenommen hätte. Vielmehr
muß die Sache gerade umgekehrt gewesen
85
Hyginus und die Anlage der Kastelle.
86
sein, und ist der Boden hier so tief umge-
wühlt, weil er hier außerhalb der früheren
Bauten viel härter gewesen, ja wahrschein-
lich selbst absichtlich verhärtet war, was die
spätere Bestellung des Feldes hindern
mußte. Auf jeden Fall aber blieb hier
zwischen unseren zwei Baracken und dem
Praetorium noch ein Grundstück offen, das
gerade noch dem dritten Manipel Platz ge-
boten hätte, aber nicht dazu benutzt, son-
dern freigelassen wurde. Für diesen dritten
Manipel haben wir m. E. die Kaserne zweifellos
auf der andern Seite des Praetoriums anzu-
setzen. Die Anlage des ganzen Kastells ist
eine unregelmäßige; nicht nur liegen alle
Bauten schief zu der Mauer, sondern das
Praetorium liegt auch nicht genau in der
Mitte. War der genaue Verlauf der östlichen
Mauer allerdings nicht mehr festzustellen,
so steht doch. fest, daß die östliche Hälfte
des Kastells bedeutend schmaler war als
die westliche. Überdies hat Reuvens neben
dem Praetorium an der östlichen Längsseite
desselben zwei Brunnen gefunden, welche
wohl im Freien gelegen haben müssen. Es
bleibt also hier nur noch für eine Manipel-
kaserne Platz übrig.
In der Praetentura fanden wir vier
Reiterkasernen in der linken von uns aus-
gegrabenen Hälfte. Auch hier brechen die
Spuren östlich gerade mit der Ecke eines
Gebäudes ab. Es scheint also, daß hier neben
den gefundenen nicht noch mehrere der-
artige Gebäude gelegen haben, und daß wir
also die andern vier Kasernen für die zwei
übrigen Turmae in der östlichen Hälfte der
Praetentura anzusetzen haben. Reuvens
hat sie selbstverständlich nicht gefunden,
weil er seinerzeit nur auf Steinbauten acht
geben konnte; nicht unmöglich ist es aber,
daß das sehr späte Gebäude, zu dessen
Fundamenten nach Reuvens' Angaben Bau-
steine anderer Gebäude benutzt worden sind
und das er im Nordostwinkel der Praeten-
tura zeichnet, eine spätere Ersetzung einer
solchen Reiterkaserne in Stein gewesen ist;
die Zeichnung scheint dazu gut zu passen.
Jedenfalls scheint es mir aber erwiesen,
daß die Besatzung unseres Kastells, dessen
hinterer Teil, wie gesagt, sicher keine Ka-
sernenanlagen mehr enthält, eine Cohors
equitata quingenaria gewesen ist. Neben
dem Praetorium blieb ein großer Raum,
eine ganze Striga, von Kasernenbauten frei,
und überdies gab es außer der sehr
breiten Via principalis auch vor dem
Praetorium allem Anschein nach einen
weiten Platz, denn auch die Reiterkasernen
nehmen fast nur die Hälfte der Praeten-
turabreite ein. Auch blieb zwischen ihnen
und der nördlichen Frontmauer noch ein
breiter Streifen, welcher nur von Abzugs-
kanälen durchschnitten wurde.
Was also Fabricius schon für die größeren
Kastelle vermutete, sehen wir hier vor uns.
Auch das Kastell Arentsburg war »allerdings
nicht voll belegt«, sondern es war ebenfalls
dazu bestimmt, wenn nötig, zeitweilig andere
Truppen als die eigentliche Besatzung auf-
zunehmen, und ein sehr beträchtlicher Teil
blieb dazu frei. Es ist also vollkommen ver-
fehlt, wenn v. Domaszewski den ganzen,
nicht von andern Gebäuden eingenommenen
Teil seiner Kastelle mit Kasernen ausfüllt.
Obwohl uns jetzt die Pedaturae der ver-
schiedenen Truppenkörper bekannt sind,
ist es dennoch unmöglich, ohne weitere An-
gaben die Besatzung eines Kastells einfach
nach seinen Grundmaßen zu bestimmen.
Immer wird für jeden einzelnen Fall der
Spaten eingreifen müssen. Aber die jetzt
bekannten Maße werden sich gewiß leicht
jedesmal durch wenig umfangreiche Ver-
suchsgrabungen wiederfinden lassen. Wie oft
lesen wir in der Limespublikation von Ba-
rackenschutt.? Ein paar Schnitte durch diese
Schuttmassen müssen zweifellos auch die
Fundamentgruben der Baracken zutage
bringen und damit die Berechnung des von
ihnen eingenommenen Raumes, wodurch sich
die Art des in ihnen gelagerten Truppen-
körpers leicht berechnen läßt, ermöglichen.
Denn es ist kein »Irrtum, die Angaben der
Lagerbeschreibungen bei der Erläuterung
der Überreste römischer Standlager heran-
zuziehen«.
Leiden (Holland). J. H. Holwerda.
8;
Eine neue Inschrift zum griechischen Vereinswesen.
EINE NEUE INSCHRIFT ZUM
GRIECHISCHEN VEREINSWESEN.
Die Inschrift, die wir hier veröfifenthchen,
befindet sich jetzt im Hofe der Gemeinde-
lesehalle der Stadt Malko-Tirnovo (Kreis
von Burgas), in dem neugewonnenen bul-
garischen Gebiet. Wie mir der Direktor
des Progymnasiums dieser Stadt mitteilt,
ist die Inschrift bei den Erdarbeiten für den
Der erhaltene Teil der* Inschrift lautet:
(Abb. I):
. . tevou ispsu? üaxyioo [xov ßtu-]
[lov dv£i)"/)xa ^zSi All Ato[v6-]
(3(1) uTtsp haoTOo xal xoiv t£[xv]-
tUV [XOU (3üV[XUaT(OV TiSpl
5 (3«>Tirjpta?
Z. I : ispsu? Botx/iou : Hax/ßXov ist wohl
der Name der Vereinigung, die dem mysti-
schen Dienst des Dionysos gewidmet war ^).
Z. 2: eine inschriftliche Widmung Ait
Abb. I. Inschrift aus Malko-Tirnovo,
Bau der katholischen Mädchenschule ge-
funden worden ^).
Viereckige Basis aus Marmor, die oben
und auf der rechten Seite abgearbeitet ist,
so daß die Anfangszeilen und rechts einige
Buchstaben der ersten drei Zeilen verloren
gegangen sind; auch links sind die Anfangs-
buchstaben derselben Zeilen beschädigt.
Der Stein ist jetzt 0,55 m hoch, 0,65 m breit,
0,50 m dick; Buchstabenhöhe 0,04 m.
') Ich habe das Denkmal selbst nicht gesehen;
die Photographie hat mir der Photograph des
Nationalmuseums in Sofia, Herr G. Traitschev, zur
Verfügung gestellt.
Alovus«) ist uns unbekannt; aber wie es
einen Zsu? Batc/o? ^) und Zsu? SaßctCio? 3)
gegeben hat, so hat man auch Zsu? Ai6vucJ0?4)
angerufen; die Inschrift stammt ja aus
0 Vgl. Kern bei Pauly-Wissowa RE. II 2784;
Ziebarth, Vereinsw. 35, 40, 44, 56; Poland, Gesch.
des griech. Vereinsw. 197; dazu jetzt G. Klaffenbach,
Symbol, ad histor. collegior. artific. Bacchior. Diss.
Berlin 19 14.
*) Vgl. Preller-Robert, Griech. Mythol. I 2, 701
Anm. 2, Rohde, Psyche3 II 7.
3) Ibid. I 2, 701, Anm. 2; 702, Anm. 3; Seure,
Rev. arch. 1908 II, 43 Nr. 43 und 45.
4) Aristid. I p. 49: fjOrj 8^ tivwv mi.o^j'S'x xai
etepov X6-(o\ Ouep toütcov oti «'jtö; 6 Zeus eiTj 6
Aiövucfos; Preller-Robert a. a. O.I 2, 664.
89
Abguß eines römischen Hochzeitsreliefs.
90
spätrömischer Zeit, wo solche Angleichun-
gen ganz gewöhnlich sind, ©sc« AtovtSoiw
begegnet z. B. in einer Inschrift aus Magnesia
am M. : Mitt. des D. arch. Inst. Athen
XV 332; Michel, Recueil 856 B.
Z. 3: Die Kinder waren Synmysten
ihres Vaters; über die auv[xu(3Tai vgl. Poland,
Griech. Vereinswesen S. 39.
Unser Denkmal bietet einen neuen Beleg
für die weite Verbreitung der Mysterien-
vereine in der alten Heimat des Dionysos-
dienstes ^); südlich von Malko-Tirnovo liegt
bekanntlich Viza ^), das antike BiCur^,
Hauptstadt der thrakischen Asten, die zum
Odrysenstamm gehörten 3). Es ist beach-
tenswert, daß in diesen Gebieten die alte
Dionysosreligion bis auf den heutigen Tag
in gewissen Festbräuchen fortzuleben
scheint 4).
Sofia.
Gawril Kazarow.
ABGUSS EINES RÖMISCHEN
HOCHZEITSRELIEFS.
Bei den im Archäologischen Seminar der
Universität Innsbruck unter Leitung Hein-
rich Sittes durchgeführten Arbeiten ^) wurde
im letzten Wintersemester der Gipsabguß
eines Hochzeitsreliefs besprochen (Abb. i).
Handschriftlich trägt der Abguß auf einem
wohl aus dem Jahre der Anschaffung (1876)
stammenden Zettel die Notiz: »Hochzeits-
relief. (Römisch.) Marmor. Vatikan.« In
dem 1894 erschienenen Verzeichnis der Ab-
güsse antiker Bildwerke im Gipsmuseum der
k. k. Universität Innsbruck ist der Abguß
auf S. 24 unter Nr. 248 als »Relief. Römische
Hochzeitsszene. Antik.? Rom. Museo Pio
Clementino?« bezeichnet.
1) Vgl. Poland, a. a. 0.^37, 198.
2) Neuerdings hat K. Skorpil das Gebiet von
Strandscha-Planina (Midia, Iniada, Viza) archäolo-
gisch erforscht: Bull. soc. archeol. Bulgare III 235f.
3) Tomaschek, Die alten Thraker I 84; II 2, 60.
4) Vgl. Wace, Ann. of the Brit. School Athen.
XVI 232; XIX 248 f. und die daselbst zitierte
Literatur. Speziell für Malko-Tirnovo vgl. G. Kazarow,
Arch. Rel.wiss. XI 407.
') s. Aus der Werkstatt des Hörsaals. Papyrus-
Studien u, andere Beiträge. Wagner, Innsbruck
1914. S. 77ft.
Bei der Besprechung des Abgusses wurde
die Bezeichnung Marmor bald als für das Ma-
terial des Originals irrig erkannt; es wurde
erkannt, daß es der Abguß einer Terra-
kottaplatte sein müsse. Im IV. Bande des
Terrakottenwerkes fand sich dann auch so-
fort unter den architektonischen römischen
Tonreliefs der Kaiserzeit auf Taf. XI die
Abbildung eines im Louvre befindlichen
Caeretanerreliefs, das den gleichen Gegen-
stand zur Darstellung bringt, und auf
Taf. XLVII eine Platte römischer Erzeu-
gung, welche die gleichen Randornamente
wie unser Abguß hat. Im Text ist nun auf
S. 92 von einem verschollenen ganzen Hoch-
zeitsrelief des römischen Typus die Rede:
»Die einzige vollständig erhaltene Platte, die
bekannt wurde, ist heute verschollen, sie ist
gezeichnet für "Dal Rozzo, Windsorband V
Fol. 23 u. 27, und ist wohl identisch mit dem
Exemplar, das bei Bartoli, Admiranda Ro-
manarum antiquitatumTaf. 57, als in aedibus
Farnesianis befindlich wiedergegeben und
danach bei Montfaucon, L'Antiquite ex-
pliquee III Taf. CXXXII, 2, wiederholt ist.
Wahrscheinlich wird auch die Abbildung bei
Barbault, Les plus beaux monuments de
Rome ancienne (i 761) Taf. 67, auf dasselbe
Original zurückgehen und nur um der male-
rischen Wirkung willen das Relief hier zer-
brochen erscheinen. Fragmente sind be-
kannt usw. . . .«
Unser Abguß eines vollständigen römischen
Hochzeitsreliefs scheint also den Heraus-
gebern Hermann v. Rohden und Hermann
Winnefeld unbekannt gewesen zu sein;
darum mag es nicht zwecklos erscheinen, im
»Archäologischen Anzeiger« auf diesen an-
scheinend seltenen Abguß aufmerksam zu
machen.
Die Maße unseres Abgusses (60 x 52 cm)
stimmen genau mit den Maßen der auf Taf.
XLVII abgebildeten römischen Platte über-
ein. Unser Abguß zeigt auch in der Model-
lierung die größere Weichheit der römischen
Platten, die schon auf S. 92 des Terrakotten-
werkes hervorgehoben ist. Es heißt dort:
»Die Platten römischen Ursprungs haben
dieselben Randornamente wie die römische
Platte mit Winterhore und Stierträger, zu
denen sie als Gegenstück gehören, und zeigen
auch dieselbe größere Weichheit der Model-
91
Abguß eines römischen Hochzeitsreliefs.
92
lierung.« Neben dieser größeren Weichheit
der Formen, die sogar manchmal bis zur
UndeutHchkeit führt, (so erkennt man z. B.
deutlicher zu erkennen als auf der Louvre-
platte, die aus der Caeretanerfabrik stammt.
Unser Abguß wurde aus Dresden erworben.
Abb. I. Abguß eines römischen Hochzeitsreliefs in Innsbruck.
den Granatapfel, den die Braut unter dem
Mantel in der linken Hand trägt, fast gar
nicht), zeigen sich aber auch kleine Ab-
weichungen in den Falten der Gewänder, in
der Art, wie die Mantelzipfel fallen usw.; da-
gegen sind die Sandalen des Bräutigams
Archäologischer Anzeiger 1915.
Auf unsere Anfrage erhielten wir von Pro-
fessor Dr. Paul Herrmann in liebenswürdig-
ster Weise die Auskunft, daß sich in Dresden
nicht das Original befindet, sondern auch
wieder nur ein Abguß, der aus der Sammlung
des Malers Raphael Mengs stammt. Da sich
93
Zur baugeschichtlichen Entwickelung des antiken Theatergebäudes.
94
Mengs viele Jahre in Rom aufhielt, so weist
nun außer den charakteristischen Merk-
malen der römischen Erzeugnisse und außer
der Notiz bei Bartoli »in aedibus Farnesianis«
noch die Herkunft des Abgusses auf Rom
als Aufbewahrungsort dieser Terrakotta-
platte. Vielleicht gelingt es doch noch ein-
mal, das verschollene Original in Rom auf-
zufinden; bis dahin mag uns sein Abguß
vollkommeneren Ersatz als die bisher allein
bekannte Zeichnung bieten.
Innsbruck. L. Duregger.
ZUR BAUGESCHICHTLICHEN
ENTWICKELUNG DES ANTIKEN
THEATERGEBÄUDES.
In der diesjährigen Januarsitzung der Ar-
chäologischen Gesellschaft zu Berlin sprach
Herr E. Fiechter im Anschluß an die Vorlage
seines kürzlich erschienenen Buches über die
Entwickelung des antiken Theatergebäudes ').
Der Vortragende versuchte nach einer kurzen
Einleitung über den Stand der Theater-
frage zunächst zu zeigen, daß die Beschrei-
bung des »theatrum Graecorum« nach
Vitruv V 7 besser zu den Resten hellenisti-
scher Theater in Kleinasien passe als zu
jenen Bauten, die Herr Dörpfeld zu einem
griechisch-römischen Typus zusammen-
faßte, dessen Beispiele er in den Theatern
von Termessos, Patara u. a. erkannte.
Gerade bei diesen Bauten stimmen die An-
lageverhältnisse zu Vitruvs Regeln nicht gut.
Vitruvs Regeln scheinen also auf helle-
nistische Anlagen zurückzugehen. Dann
sind sie aber keine rein praktischen Bau-
vorschriften, sondern Mitteilungen von ver-
schiedenen gelehrten und praktischen No-
tizen, die ohne systematische und historische
Bedenken nebeneinandergestellt sind, so
daß auch die Beschreibung der beiden
Theaterarten mehr den Charakter einer
') Durch besondere Umstände konnte das vor-
liegende Referat über den Vortrag des Herrn Fiechter
und über die Entgegnung des Herrn Dörpfeld nicht
mehr in den Bericht über die betreffende Sitzung der
Archäologischen Gesellschaft in Arch. Anzeiger oben
Sp. 52 aufgenommen werden. Bei dem allgemeinen
Interesse der hier behandelten Fragen wollen wir
beides den Lesern des Anzeigers nicht vorenthalten
und holen die Wiedergabe hiermit nach.
gelehrten Gegenüberstellung als von wört-
lich zu nehmenden Bauvorschriften trägt.
Besteht diese Auffassung des Vitruvschen
Werkes zu Recht, so haben seine Überliefe-
rungen nicht den Wert eines praktischen
Bauhandbuches, also auch keine unbedingte
Beweiskraft für Bauzustände zu Vitruvs Zeit.
Die Ruinen der hellenistischen Theater
zeigen durchweg ein zweigeschossiges Ske-
nengebäude: Vor dem Untergeschoß stand
ein Proskenion, ein Vorbau vor der Skene,
der mit einer stützenden Säulenreihe aus
Stein in Griechenland im zweiten, in Klein-
asien wahrscheinlich schon im dritten Jahr-
hundert V. Chr. ausgestattet worden ist.
Ihrer Gestalt nach kann diese Säulenreihe
nicht als Ergebnis der Entwickelung aus
einer früher beweglichen Hintergrunddeko-
ration angesehen werden, sondern nur als
eine architektonisch einmal gewählte Form.
Sie kann auch, da sie jede rhythmische
Gliederung vermissen läßt, nicht der Aus-
gangspunkt für die Entwickelung der römi-
schen scaenae frons gewesen sein. Die
Möglichkeit, die Vorderwand des Proskenions
mit Pinakes zu dekorieren, besteht noch
in hellenistischer Zeit, vielleicht noch als
Überrest aus dem Theater des 4. Jahr-
hunderts, aber sie ist außerordentlich be-
schränkt in der Wirkung, da die Felder durch-
weg sehr schmal — etwa 0,90 bis 0,80 m —
und abgesehen von Athen durchschnittlich
auch sehr niedrig sind — etwa 2,00 m.
In einigen hellenistischen Theatern liegt
hinter dem Proskenion kein oder nur ein
geringer verfügbarer Raum im Unterge-
schoß der Skene. Das Hauptgeschoß lag
also oben. Das wird bewiesen durch die
Tatsache, daß bei den Theatern von Oropos,
Priene und Ephesos die Skenenwand nach
dem Koilon zu große Hallenöffnungen besaß,
durch die man in das Innere der Skene
hineinsehen konnte. Diese Frontbildung
darf als typische Skenenfront des
hellenistischen Theaters gelten; eine Er-
gänzung nach diesem Typus ist bei allen
bekannten Theaterruinen für die helle-
nistische Zeit möglich und wahrscheinlich.
Nach der Inschrift von Oropos konnten
diese Hallenöffnungen mit Oup(o[xaTa ver-
schlossen werden. Angeordnet aber waren
diese Öffnungen zur Erweiterung des Platzes
95
Zur baugeschichtlichen Entwickelung des antiken Theatergebäudes.
96
auf dem Proskenion, sie verbinden ihn mit
dem Innern der Skene, womit bewiesen
wird, daß hier der Spielplatz, die Bühne,
gewesen ist. In Ephesos befindet sich hinter
dem durch die Hallentüren zugänglichen
sichtbaren Innenraum noch eine Anzahl von
Einzelräumen, in andern Theatern teilten
Pfeilerstellungen das Innere. So erhielt
man einen zweiteiligen Spielplatz, einen
äußern offenen und einen gedeckten innern,
eine Einrichtung, wie sie bei Plautus aus den
Stücken interpretiert worden ist. Man
spielte also im hellenistischen Theater über
den Proskenionsäulen. Einwände gegen diese
Behauptung sind mit dem Hinweis auf die
Gliederung der Bühnenpodien des i., ja
sogar in afrikanischen Theatern des 2. Jahr-
hunderts leicht zu widerlegen.
Zeugnisse für das Proskenion als Spiel-
platz sind ferner antike Abbildungen: außer
den Phlyakenvasen mit Säulenfront unter
dem Podium besonders die Prospektbilder
2. Stils aus Boscoreale, die nach Vitruv VII
5 als Reminiszenzen an Theaterdekorationen
aufzufassen sind. Solche können nirgends
anders als in den Hallenöffnungen der
hellenistischen Skenenwand Aufstellung ge-
funden haben, nur dort hinein passen sie,
aber nicht zwischen die Säulen des Pro-
skenions. Weiterhin scheint dann der Archi-
tekturhintergrund mit den zwei Säulen
und Schranken — das Prostasmotiv — ,
das besonders auf Bildern 3. Stils vorkommt,
eine Entwicklung der hellenistischen Ske-
nenfront anzudeuten in dem Sinn, daß statt
gemalter Prospekte in die Öffnungen
Säulen und Schranken eingestellt worden
sind. Zwischen den Säulen war eine Tür,
über den Schranken ein Durchblick in den
seichten Innenraum der Skene. Ein Beweis
für diese Annahme ergibt sich indirekt aus
der Genesis der römischen scaenae frons.
Die Sehverhältnisse von den untersten
Sitzen in einem solchen Theater mit hoher
Bühne sind nirgends so ungünstig, wie oft
angenommen wird. Sie können nichts
gegen die genannte Einrichtung beweisen.
Vielmehr muß das hellenistische Theater
als ein Kompromißbau angesehen werden,
der Einrichtungen besaß für szenische und
für thymelische Spiele. Zu letztern kommen
dann noch im i. Jahrhundert v. Chr. in
Kleinasien die venationes, und erst diese
veranlassen eine Veränderung der Orchestra
und der untersten Sitzreihen.
Über den Grund zur Errichtung einer
hohen Bühne ist ganz Sicheres noch nicht
zu sagen: Rückgang und Wegfall des Chores,
Aufkommen des Rhetorentums bei den
Schauspielern; aber das würde allein nicht
genügen. Vielleicht ist die hohe Bühne im
Westen entstanden und von dort nach
Griechenland übertragen worden, wobei sie
dann zwischen die »Paraskenien« des
IV. Jahrhundert-Theaters hineingestellt und
architektonisch ihnen angeglichen worden
wäre. So lassen sich wenigstens die Para-
skenien an den Proskenien in Griechenland
erklären, während sie in Kleinasien überall
fehlen.
Im Osten waren die Urbestandteile des
Theaterbaues die Orchestra und das Koilon.
Im Westen ist es die Bühne, vor der man
stehend zusah. Rom hat erst im 2. Jahr-
hundert V. Chr. angefangen, ständige höl-
zerne Theater zu bauen, und dann den römi-
schen Nationaltypus, das theatrum tectum,
geschaffen, dessen ältestes Beispiel für uns
in dem kleinen Theater in Pompei erhalten
ist. Das erste Steintheater in Rom wurde
im Jahr 55 v. Chr. von Pompeius nach dem
Vorbild von Mytilene erbaut, war also
jedenfalls ein Theater mit Koilon und Or-
chestra, im Gegensatz zum orchestralosen
Rechtecksbau der älteren Zeit. Aus der
Vereinigung der beiden Typen erwuchs das
eigentliche römische Theatergebäude. Aus
dieser Vereinigung entstand auch die römische
scaenae frons mit ihren Säulen. Die helle-
nistische Bühnenwand gab das Motiv dazu.
Das läßt sich aus architektonischen Wand-
bildern 2. Stils ableiten, auf denen das
Prostasmotiv, entweder' verdoppelt oder
durch wuchernde Zutaten bereichert, wieder
erscheint; stets sieht man über die Schran-
ken in einen Innenraum mit Balkendecke,
und Theatermasken weisen wieder auf den
Zusammenhang der Bilder mit scaenarum
frontes. In den schon von Puchstein und
Cube bekannt gemachten Bildern 4. Stils
läßt sich dann das Motiv mit den Schranken
weiterverfolgen; dort kommt noch die
Nischenbildung als neue Bereicherung hinzu.
Die Verbindungslinie von der hellenisti-
97
Zur baugeschichtlichen Entwickclung des antiken Theatergebäudes.
98
sehen Skenenwand bis zur römischen scaenae
frons ist damit aufgedeckt. Es ist bewiesen,
daß nicht nur die römische Säulendekoration
in der hellenistischen Bühnenwandausbil-
dung ihren Ursprung hat, deren Motive:
Säulen und Schranken, durch die ganze Ent-
wicklung durchgehen, sondern daß der Platz
vor dieser Wand, genau wie im römischen
Theater, auch im hellenistischen der Spiel-
platz gewesen sein muß. Diese logische Ent-
wicklungslinie ist nur vorhanden, wenn das
Proskenion in hellenistischer Zeit Bühne war.
Darauf entgegnete W. Dörpfeld in län-
gerer Ausführung:
Ich habe zuerst Bedenken getragen, hier
zu dem Vortrage Fiechters zu erscheinen
und auf seine Darlegungen zu antworten,
weil eine seit 30 Jahren von zahllosen Ge-
lehrten aller Nationen erörterte Frage, wie
die nach der Gestalt des griechischen Thea-
ters, hier unmöglich mit Erfolg diskutiert
werden kann. Ich hatte vorgeschlagen, die
von Fiechter in seinem Buche und heute
hier behandelten Fragen vor einem kleineren
Kreise von Sachverständigen eingehend zu
besprechen, und freue mich sehr, daß eine
solche Diskussion morgen im Hause unseres
Vorsitzenden stattfinden soll. Auf Wunsch
meines Freundes Fiechter bin ich aber doch
hier erschienen und will Ihnen meine Be-
urteilung seiner Theorie vorlegen, soweit
es in einem kurzen Vortrage möglich ist.
Die Ansicht Fiechters, daß die Schau-
spieler des griechischen Theaters um 300
vor Chr. plötzlich aus der Orchestra, wo sie
bis dahin aufgetreten waren, auf eine 3 bis
4 Meter hohe Bühne gestellt worden seien,
halte ich für ebenso falsch, wie die Theorie
Puchsteins, daß die Schauspieler schon vom
5. Jahrhundert ab auf einer hohen Bühne
gespielt hätten, eine Theorie, die auch von
Fiechter wie von fast allen Archäologen
verworfen wird. Mein Urteil über die neue
Theorie Fiechters hoffe ich hinreichend
begründen zu können.
Über die Gestalt des Theaters des 3. Jahr-
hunderts, soweit es aus Stein bestand,
haben Fiechter und ich fast dieselbe Ansicht;.
Zahlreiche Theaterruinen sind in den letzten
30 Jahren ausgegraben worden, die überein-
stimmend lehren, daß die Skene des helle-
nistischen Theaters zwei Geschosse hatte:
ein Untergeschoß (Hyposkenion), vor dem
sich stets ein mit Säulen ausgestatteter
Vorbau (Proskenion) befand, und ein Oberge-
schoß (Episkenion), dessen Vorderwand von
breiten Pfeilern ohne Säulen und von großen
Öffnungen gebildet war. Nur darin teile ich
Fiechters Ansicht über die Gestalt der Skene
nicht, daß ich an die von ihm im Oberge-
schosse in geringem Abstände hinter der
Vorderwand angenommene Zwischenwand
nicht glaube; in keiner Ruine ist sie vorhan-
den und kann auch in Oropos, wo Fiechter
sie als gesichert ergänzt, aus technischen
Gründen nicht bestanden haben.
Unsere Ansichten gehen aber weit aus-
einander über die Bedeutung der einzelnen
Teile dieses Gebäudes und über ihre Aus-
stattung und Benutzung. Fiechter erklärt
das Untergeschoß für eine Bühne und er-
gänzt zwischen seinen Säulen lauter Türen;
das Obergeschoß hält er für den Spielhinter-
grund und ergänzt zwischen den glatten
Pfeilern gemalte Dekorationen mit oder
ohne Säulen. Auf dem schmalen Podium
über den Säulen des Proskenion und auch
noch im Innern des Obergeschosses sollen
die Schauspieler ihren gewöhnlichen Platz
gehabt haben. Ich erkläre dagegen das
Untergeschoß mit seinen Säulen für den
Spielhintergrund und ergänze zwischen den
Säulen gemalte Dekorationen (Trivaxs;), wie
die Inschrift von Oropos lehrt; im Ober-
geschoß ergänze ich nach derselben Inschrift
zwischen den glatten Steinpfeilern große
Türflügel aus Holz (öuptt)[i.aTa) und halte
das schmale Podium vor dieser Wand für
das Theologeion im Schauspiel und für das
Logeion der Redner in der Volksversamm-
lung. Für die zuweilen auf einem Flügel-
wagen erscheinenden Götter und aus akusti-
schen Gründen waren große, mit Holz-
türen verschlossene Öffnungen notwendig.
Die Schauspieler blieben meines Erachtens
stets an demselben Platze, den sie im 4. und
5. Jahrhundert gehabt hatten, nämlich in
der Orchestra vor dem den Hintergrund
bildenden Proskenion. Dieses wurde in der
älteren Zeit je nach den Erfordernissen
der aufgeführten Dramen verschieden ge-
staltet und daher aus Holz hergestellt;
erst in hellenistischer Zeit, als die Stücke
gewöhnlich vor einem Wohnhause spielten,
99
Zur baugeschichtlichen Entwickelung des antiken Theatergebäudes.
lOO
wurde es als steinerne Säulenhalle mit
hölzernen Pinakes gebildet.
Auf die merkwürdige Ergänzung des
athenischen Theaters des 4. Jahrhunderts,
die Fiechter in seinem Buche veröffentlicht
hat, brauche ich hier nicht einzugehen, weil
er sie selbst schon als unhaltbar erkannt und
zurückgezogen hat. Ich beschäftige mich
daher hauptsächlich mit dem hellenisti-
schen Theater und werde in erster Linie die
Beweise zu widerlegen suchen, die Fiechter
für seine Ergänzung dieses Theaters heute
und in seinem Buche beigebracht hat.
Fiechter beruft sich erstens auf die Nach-
richten der antiken Schriftsteller und
namentlich auf die Angaben Vitruvs über
das theatrum Graecorum. Ich habe die drei
wichtigen Stellen des Vitruv, Pollux und
Plutarch schon in den Athen. Mitt. 1903,
S. 412 eingehend besprochen und dabei
gezeigt, daß keine von ihnen für das helle-
nistische Theater das Spiel auf einer hohen
Bühne lehrt. Hier mögen nur einige meiner
Gedanken wiederholt werden.
Was zunächst Vitruv betrifft, so haben
die beiden Theaterarten, die er beschreibt,
tatsächlich zu seiner Zeit in Rom bestanden,
nämlich ein theatrum latinum mit nie-
driger und breiter Bühne und einer kleinen,
nur für Sitzplätze benutzten Orchestra,
das Theater am Tiber; und daneben ein
theatrum Graecorum mit hoher und schma-
ler Bühne und einer großen, für thyme-
lische Spiele und Pompenzüge benutzten
Orchestra, das Theater des Pompejus. Beide
besaßen also gerade die Eigenschaften, die
Vitruv seinen beiden Theaterarten zuschreibt,
und dabei durfte der Bau des Pompejus
theatrum Graecorum genannt werden, weil
er von Pompejus, wie Plutarch überliefert,
nach dem Typus des Theaters von Mytilenc
gebaut worden war. Gleichwohl wich er
von dem hellenistischen Theater darin ab,
daß seine Sitzreihen wegen der Gladia-
torenkämpfe und ähnlicher Schaustellungen
nicht bis zum Boden der Orchestra hinab -
reichten, daß ferner die Skenenfront über
seiner hohen Bühne nicht wie das Oberge-
schoß des hellenistischen Theaters, sondern
wie die Front des theatrum latinum ge-
bildet war (so müssen wir nach Vitruv an-
nehmen), und daß wahrscheinhch auch
seine hohe Bühne an ihrer Vorderwand
nicht mehr mit Säulen und Pinakes aus-
gestattet war, sondern schon diejenige
Gestalt zeigte, die wir bei den meisten
späteren Theatern dieser Art in Kleinasien
finden (vgl. Athen. Mitt. 1903, S. 424).
Vitruv gibt also nicht, wie Fiechter be-
hauptet, Angaben über eine veraltete grie-
chische Theaterart, sondern über ein grie-
chisches Theater, das zu seiner Zeit in Rom
bestand und in der Folgezeit allein noch
gebaut wurde. Im Pompejus-Theater und
in den ihm nachgebildeten »kleinasiatischen«
Bauten traten in der Tat, wie Vitruv weiter
berichtet, die skenischen Künstler auf einer
hohen Bühne auf, die thymelischen in der
Orchestra. Nichts berechtigt uns aber,
diese Angabe Vitruvs auf das ältere helle-
nistische Theater zu beziehen. Es sei noch
bemerkt, daß Fiechter nicht den späten
Stadtplan von Rom heranziehen durfte,
um den ursprünglichen Grundriß des Pom-
pejus-Theaters zu ermitteln, weil jener etwa
250 Jahre nach Pompejus angefertigt ist
und tatsächlich auch einen späten Theater-
grundriß zeigt. Die Angaben Plutarchs
über den Bau und die Einweihung dieses
Theaters und die Nachrichten über die
darin aufgeführten Spiele müssen allein
für die Ergänzung seines Grundrisses maß-
gebend sein. Seine enge Verwandtschaft
mit dem Theater von Mytilene^erklärt es
auch genügend, daß einige Maßangaben des
Vitruv über das theatrum Graecorum zu
d£m hellenistischen Theater und dem ihm
nachgebildeten Pompejus-Theater etwas
besser passen als zu den viel jüngeren
Theatern Kleinasiens. Daß dagegen alle
anderen Angaben viel besser zu dem »klein-
asiatischen« Typus passen, habe ich und
haben auch schon andere oft gezeigt.
Um eine hohe Bühne im hellenistischen
Theater nachzuweisen, beruft man sich
weiter auf Pollux und Plutarch. Ersterer
spricht (IV, 123) allerdings vom griechischen
oder hellenistischen Theater, doch sagt er
keineswegs, daß die Schauspieler in ihm
oben auf dem Logeion, der Chor aber in der
Orchestra aufträte, sondern erklärt die Skene
für das Eigene (to lOiov) der Schauspieler
und die Orchestra für das des Chores. In
der Tat war die Skene nur für die Schau-
lor
.Zur baugeschichtlichen Entwickelung des antiken Theatergebäudes.
I02
Spieler geschaffen und die Orchestra hatte
nur von dem Tanze des Chores Gestalt und
Namen erhalten. Daß ferner der Bericht
des Plutarch (Demetr. 34) über das Auf-
treten des Demetrios im Dionysos-Theater
in Athen sogar positiv das Auftreten der
Schauspieler in der Orchestra und nicht auf
dem Podium über dem Proskenion beweist,
wird auch von Fiechter und Bethe nicht
mehr geleugnet. Der von Pollux gebrauchte
Ausdruck xaiaßa^vEiv ist mit dem Auftreten
auf einer Bühne unvereinbar, während er das
Hinabgehen von der höheren Parodos zur
Orchestra bezeichnet (vgl. Andok. I, 38).
Zweitens soll nach Fiechter die architek-
tonische Form des Proskenion (Säulen mit
Pinakes dazwischen) dafür sprechen, daß
es eine Bühne und keinen Spielhintergrund
darstelle. Gerade das Gegenteil ist der Fall,
wie F. Noack im Philologus (N. F. XII, i)
unwiderleglich bewiesen hat. Ich will nur
daran erinnern, daß im Theater von Delos
das Proskenion sicher eine Halle und keine
Bühne ist, weil es auf allen vier Seiten um
die Skene herumgeht. Andrerseits ist in
fast allen neugebauten Bühnentheatern die
aus Stein bestehende Vorderwand dieser
Bühne nicht mit Säulen geschmückt. Aber
auch das Wort Proskenion erweist diesen
Bauteil als Dekoration, als Skenenfront.
Denn Fiechter irrt, wenn er (S. 50 A 3)
leugnet, daß Proskenion eine »Vorskene«
bedeute, und behauptet, es bezeichne irgend
einen Vorbau vor der Skene. Wie der
Pronaos einen »Vortempel« vor dem Naos
(Cella) und zugleich die Front des ganzen
Naos (Tempels) bildet, so liegt auch das
Proskenion als »Vorskene« vor der Skene
im engeren Sinne und bildet zugleich einen
Teil und zwar die Front der ganzen Skene.
Im griechischen Theater bedeutet das Wort
Proskenion stets die Dekoration vor der
Skene, den Hintergrund des Spiels und hat
diese Bedeutung sogar im römischen Thea-
ter meist noch beibehalten. Nur miß-
bräuchlich hat zuweilen auch das zur Bühne
umgebaute Proskenion noch seinen alten
Namen geführt, wie dieselbe Bühne zuweilen
auch Orchestra genannt worden ist. Daß
auch die Entwicklung des einfachen helle-
nistischen Proskenion zur reicheren Skenen-
front der römischen Theater nicht zur
Fiechterschen Erklärung als Bühne paßt,
wird später noch gezeigt werden.
Drittens soll die Vorderwand des Ober-
geschosses der Skene nach Fiechter der
Spielhintergrund gewesen sein. Zu diesem
Zwecke ergänzt er in den großen Öffnungen
zwischen den einfachen Pfeilern dieser
Vorderwand bemalte Holztafeln oder Säu-
len mit Schranken. Aber diese Ergänzung
ist nicht nur willkürlich, sondern auch ganz
unhaltbar. Denn einmal lehrt uns die schon
erwähnte Inschrift von Oropos, daß das
Untergeschoß der Skene bemalte Holz-
tafeln (mvaxEc), das Obergeschoß dagegen
große hölzerne Türflügel (Oüpwjxaia) hatte;
Fiechter zeichnet umgekehrt die Türflügel
unten und die Dekorationen oben! Ferner
ist es architektonisch unzulässig, in die
verschieden breiten Öffnungen der Ober-
wand der Skene von Ephesos dieselbe
Säulenstellung hineinzuzeichnen, wie Fiech-
ter es tut; hätte der Erbauer des Theaters
an eine solche Dekoration gedacht, so hätte
er den Öffnungen eine gleiche Breite geben
müssen. Unzutreffend ist auch die Behaup-
tung Fiechters, daß Prospektbilder, wie
wir sie in römischen Wandmalereien oft
sehen, nur in diesen Öffnungen des Oberge-
schosses untergebracht werden könnten;
hat es doch zu allen Zeiten außer den kleinen
Pinakes auch größere gemalte Skenen aus
Holz oder Zeug gegeben, die vor die steinerne
oder hölzerne Skene gestellt oder gezogen
werden konnten und aus mehreren solchen
Prospektbildern bestanden haben mögen.
Sodann wissen wir aus Pollux, und alle
Ruinen bestätigen es, daß im hellenisti-
schen Theater nur das Untergeschoß mit
Säulen geschmückt war; Fiechter zeichnet
trotzdem auch im Obergeschosse Säulen
und würde vermutlich die Säulen des Unter-
geschosses, wenn es möglich wäre, gerne
entfernen, denn auf keiner einzigen grie-
chischen Theaterdarstellung (die Phlyakcn-
bilder mit niedrigen italischen Bühnen
kommen hier nicht in Betracht) sind unter
den Skenenfronten und unter den Füßen
der Schauspieler Säulen gezeichnet oder
auch nur angedeutet. Sodann fehlen in
allen antiken Darstellungen von Skenen-
fronten, deren Fiechter selbst manche bei-
gebracht hat, gerade die breiten säulenlosen
103
Zur baugeschichtlichen Entwickelung des antiken Theatergebäudes.
104
Pfeiler, die das charakteristische Merkmal
der Obergeschosse aller hellenistischen Ske-
nen und die Stützen von Fiechters Theorie
sind. Wie dieser trotzdem behaupten kann,
daß alle diese antiken Darstellungen in
Relief und Malerei die Oberwände helle-
nistischer Skenen wiedergeben, ist mir ein
Rätsel. Ich kann in ihnen nur Wiedergaben
oder Weiterentwicklungen der einzigen Säu-
lenwand erkennen, die es im hellenistischen
Theater gibt, nämlich des Proskenion. Im
Theater von Delos ist ferner die rhythmische
Gliederung, die Fiechter seltsamerweise
leugnet, tatsächlich vorhanden und schon
mehrmals von mir in Wort und Bild ge-
schildert: man erkennt ein mittleres Haus
von fünf Säulenjochen mit der Mitteltür
und daneben zwei kleinere Seitenhäuser
von je drei Jochen mit einer Nebentür und
bemerkt auch zwischen den drei Häusern
noch je ein Joch mit einem anders
gestalteten Pinax, der zur Trennung der
Häuser dient. Gerade diese selben Elemente
finden wir auch bei fast allen gebauten oder
gemalten römischen Skenenfronten wieder.
Wie wir uns die Bemalung der Pinakes
zwischen den Säulen der Proskenien zudenken
haben, lehren uns die zahlreichen auf das
Theater zurückgehenden oder wenigstens
von ihm beeinflußten Wandmalereien. Er-
forderte es das Drama, so konnte leicht
durch Entfernung von einem oder von
mehreren Pinakes eine kleinere oder größere
offene und wenig tiefe Vorhalle hergestellt
werden, wie Fiechter sie im Obergeschoß
vergeblich herzustellen sucht, weil dort die
dazu erforderliche Rückwand fehlt. Aus
der einfachen, aber rhythmisch gestalteten
Säulenreihe des Proskenion mit seinen vor-
springenden Paraskenien sind dann in
»logischer Entwicklungslinie« durch Hinzu-
fügung der Säulensockel und durch Aus-
gestaltung der Architektur allmählich die
reichen Skenenfronten der römischen Thea-
ter geworden. Das habe ich schon oft dar-
gelegt und brauche es daher hier nicht
weiter auszuführen.
Im Fiechterschen Theater sind ferner die
Sehverhältnisse für die untersten Sitzreihen
und besonders für die Ehrensitze sehr un-
günstig, was auch Fiechter wenigstens in
seinem Buche nicht leugnet. Früher pflegten
diejenigen, die das Podium über dem Pro-
skenion für den gewöhnlichen Standplatz
der Schauspieler erklärten, die bedenkliche
Schmalheit dieser Bühne mit den schlechten
Sehverhältnissen zu entschuldigen und zu
erklären. Durch die Fiechtersche Ver-
breiterung der Bühne nach hinten werden die
Sehverhältnisse aber noch schlechter und
sogar für die ersten Ehrensitze ganz uner-
träglich. In den Theatern von Athen und
Ephesos würde der Schauspieler von den
ersten Plätzen der Proedrie überhaupt nicht
gesehen werden, wenn er aus der Tür der
Fiechterschen Rückwand hervortrat. Und
trotzdem sollen die Griechen des 3. Jahr-
hunderts ihre Schauspieler, die bis dahin
in der Orchestra auftraten und dort von
allen Zuschauern gut gesehen werden konn-
ten, plötzlich auf das Proskenion hinaufge-
hoben und dadurch für die Ehrenplätze
schlechte Sehverhältnisse geschaffen haben.
Das kann ich nicht glauben.
Fiechter gibt sodann zu, über den Grund
der Errichtung der hohen Bühne ganz
Sicheres nicht sagen zu können, glaubt
aber wenigstens eine Vermutung darüber
äußern zu sollen. Zunächst weist er darauf
hin, daß der Rückgang und der Fortfall des
Chores die Abtrennung der Schauspieler
auf eine hohe Bühne wenigstens gestattet
habe, und vermutet dann, daß die hohe
Bühne im Westen entstanden und von dort
im 3. Jahrhundert nach Griechenland über-
tragen worden sei. Dagegen ist zu sagen,
daß der Chor im 3. Jahrhundert noch keines-
wegs ganz fortgefallen war, denn damals
sind sicher noch alte Dramen mit Chor auf-
geführt worden. Außerdem war die Mög-
lichkeit, die Schauspieler aus der Orchestra
zu entfernen, noch kein Grund, dies wirklich
zu tun. Mit der Vermutung über den Einfluß
Italiens auf Griechenland nähert Fiechter
sich meiner Ansicht, doch scheint mir
eine solche Einwirkung um 300 vor Chr.
kaum denkbar. Meines Erachtens ist das
hellenistische Theater vom italischen
Bühnenspiel erst dann beeinflußt worden,
als es von Pompejus nach Rom übertragen
wurde. Damals wurde das Proskenion in
Rom nach italischer Art zur Bühne um-
gebaut und der so geschaffene neue Typus
ist bald üblich geworden und hat dann
105
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. — Institutsnachrichten.
io6
unter den Kaisern seinen Siegeszug durch
Griechenland und Kleinasien angetreten.
Der Versuch Fiechters, das Säulenpro -
skenion der hellenistischen Theater als hohe
Bühne nachzuweisen, ist somit gänzlich
gescheitert. Mir selbst ist die Vorstellung,
daß die Griechen ihre Schauspieler jemals
von dem Platze vor dem Proskenion ent-
fernt und oben auf das Dach der Säulenhalle
oder des Hauses gehoben hätten, ganz un-
faßbar. Daß andere sie gefaßt und ver-
teidigt haben, erklärt sich nur aus dem
Umstände, daß die oben erwähnten drei
Nachrichten des Vitruv, Pollux und Plutarch
als sichere Zeugen für das Spielen auf einer
hohen Bühne im hellenistischen Theater
galten. Das sprach schon C. Robert offen
aus, wenn er im Hermes (1897, S. 447)
erklärte, daß nur diese drei Schriftsteller
ihn hinderten, das bühnenlose Spiel auch im
hellenistischen Theater anzunehmen, so gerne
er es auch aus allgemeinen Gründen wolle.
Nachdem aber jetzt bewiesen ist, daß keiner
dieser Schriftsteller einen hohen Standplatz
der Schauspieler im hellenistischen Theater
bezeugt, muß das bühnenlose Spiel im Thea-
ter der hellenistischen Zeit als ebenso
gesichert gelten, wie es für das Theater des
4. und 5. Jahrhunderts bereits der Fall ist.
ARCHÄOLOGISCHE GESFXLSCHAFT
ZU BERLIN.
Die Aprilsitzung fiel der Osterferien
halber aus.
Sitzung vom 4. Mai 1915.
Den Vorsitz führte Herr Loeschcke.
Herr Wiegan d trug vor über den Po-
seidonaltar von Kap Monodendri, der im
Zusammenhange mit den Forschungen des
Berliner Museums in Milet ausgegraben ist.
Die Veröffentlichung des Monumentes durch
A. von Gerkan ist mittlerweile in dem von
Wiegand herausgegebenen Werke »Milet«
Bd. I Heft IV erfolgt.
Herr Ippel machte, ausgehend von atti-
schen Grabreliefs, den Versuch, den Anteil
einzelner Künstler an den Tempelskulpturen
von Epidauros und den Mausoleumskulp-
turen zu bestimmen ^). In der Diskussion
^) Ein Autorreferat war zurzeit von Herrn Ippel
nicht zu eilangen, da er mittlerweile zum Militär-
dienst einberufen ist.
ergriff Herr Neugebauer das Wort zu ein-
gehenderen Darlegungen, die an besonderem
Ort erscheinen werden.
Sitzung vom i. Juni 1915.
Den Vorsitz führte Herr Dragendorff.
Er legte die neueste Lieferung der Brunn-
Bruckmannschen Denkmäler und das Dop-
pelheft 1/2 der Römischen Mitteilungen 191 5
vor, das wenige Tage vor Ausbruch des ita-
lienischen Krieges fertiggestellt und nur noch
in diesem einen Exemplare nach Deutsch-
land gelangt war.
Herr Brueckner berichtete über die
Ausgrabungen der athenischen Abteilung des
Institutes im Kerameikos April 19 14 — März
191 5. Die Ergebnisse siehe »Anzeiger« 19 14,
91 ff. und in einem demnächst erscheinenden
zusammenfassenden Berichte.
Anschließend sprach Herr Herbert Koch
aus Bonn (als Gast) über Forschungen im
südlichen Etrurien. Er setzte Zweck und
Plan der von ihm und den Herren E. von
Mercklin und C. Weickert begonnenen
Arbeiten in den Felsennekropolen von Bieda,
San Giuliano, Castel d'Asso, Norclia, Sovana
auseinander und schilderte dann näher die
Ergebnisse der Aufnahme von Bieda bei
Vetralla (Viterbo), deren im Druck befind-
liche Publikation (Rom. Mitt. 191 5, 3/4)
durch den Ausbruch des italienischen Krieges
vorläufig verhindert ist.
INSTITUTSNACHRICHTEN.
Die ordentliche Plenarversammlung der
Zentraldirektion fand am 20. und 21. April
in Berlin statt.
Auf Vorschlag der Zentraldirektion wurden
den Herren Dr. Hermann Fränkel und
Dr. Valentin Kurt Müller von dem
Herrn Reichskanzler archäologische Reise-
stipendien verliehen.
Die Zentraldirektion ernannte zum Ehren-
mitgliede des Instituts Herrn Friedrich
V. Gans in Frankfurt a. M.; zum ordent-
lichen Mitgliede wurde Herr Paul Herr-
mann in Dresden, zu korrespondierenden
Mitgliedern die Herren Ludolf Malten in
Berlin und Oskar Reuther, zurzeit im
Felde, ernannt.
Archäologischer Anzeiger
B EIBLATT
ZUM Jahrbuch DES Archäologischen Instituts
1915- 3.
Am 16. Juli ist bei Ban de Sapt als Leutnant der Reserve WALTER BarTHEL
den Heldentod für sein Vaterland gestorben. Noch nicht 3 5 jährig ist er dahin-
gegangen, und mit ihm hat das Institut reiche Hoffnungen zu Grabe getragen.
Seit BARTHEL als junger Doktor Assistent der Reichslimeskommission
geworden, hat er sich mehr und mehr der römisch-germanischen Forschung
zugewandt. Als Stipendiat des Instituts suchte er auf Reisen in Italien, Süd-
frankreich, Nordafrika planmäßig seine Kenntnis des römischen Altertums zu
erweitern und zu vertiefen. In die Heimat zurückgekehrt, stellte er sich bald
der Römisch-Germanischen Kommission als Assistent zur Verfügung, und mit
unermüdlichem Eifer und Arbeitsfreudigkeit hat er deren Bestrebungen zu den
seinigen gemacht. So mußte er als der gegebene Mann erscheinen, als es sich
im Sommer 19 14 darum handelte, der Kommission einen neuen Leiter zu
geben. Mit tiefen, auf breiter historischer Grundlage ruhenden Kenntnissen des
römisch-germanischen Sondergebietes vereinigte er die genaue Vertrautheit mit
dem römischen Westdeutschland, mit praktischen Erfahrungen im Terrain
die Beziehungen zu den zahlreichen Mitforschern, bei denen er sich bereits
einen geachteten Namen erworben hatte. Von seiner frischen Tatkraft durften
wir hoffen, daß sie unserer römisch-germanischen Forschung neuen Antrieb
geben, von seiner Erfahrung, daß sie der mancherlei Schwierigkeiten seiner
künftigen Stellung Herr werde. Und mit freudiger Begeisterung nahm er die
Berufung an, gewillt sein Bestes für die Sache, die ihm am Herzen lag, zu geben.
Es ist anders gekommen, als wir gehofft. BARTHELS Ernennung zum
Direktor der Kommission war bereits aus dem Großen Hauptquartier datiert,
und sie erreichte ihn in Belgien. Voll Begeisterung war auch er für
sein Vaterland ins Feld gezogen. Nur schwer ertrug er es, daß der Dienst
ihn monatelang im Innern des Landes festhielt, und mit allen Mitteln strebte
er an die Front — auch hier gewillt, sich voll in den Dienst der großen Sache
zu stellen. Endlich ward sein sehnlicher Wunsch erfüllt. Freudig erregt schrieb
er mir's, und frische Grüße kamen noch von der Front. Aber auch den Krieger
beschäftigten noch in ruhigen Augenblicken die archäologischen Probleme, und
wie er in Belgien an Sonntagen Römerstraßen aufspürte, so schilderte sein letzter
Brief den keltischen Ringwall, in dem er dem Feinde gegenüberlag. —
Wir haben ihn verloren, wie so viele der Besten. Sein Leben, das er
der ältesten Geschichte seines Vaterlandes geweiht, hat er hingegeben, um die
Zukunft seines Vaterlandes schmieden zu helfen. Wir wissen, daß er's freudig
tat, und klagen nicht. Sein Andenken aber halten wir in Ehren. Als For-
scher sollte er uns sein Bestes erst geben. Als deutscher Mann hat er das
Höchste geleistet.
Archäologischer Anzeiger 1915.
III
Bericht über die Kerameikosgrabung 1914 — 191 5.
112
BERICHT ÜBER DIE KERAMEIKOS-
GRABUNG 1914— 1915.
Auf Grund der Ermächtigung des Kgl.
Griechischen Kultusministeriums vom Juli
191 3, die Ausgrabung des xA-thenischen Kera-
meikos zu vollenden, hat die Athenische Ab-
teilung des Institutes die Arbeit dort im
April 1914 begonnen und mit einer Pause
von drei Monaten im Hochsommer da? ganze
Eleusinischen Tore über die Gräber- und die
Eleusinische Straße, vor dem Dipylon über
die Anlagen des Kerameikos. Für diese
Untersuchungen steht zunächst das aus-
gedehnte Gebiet zur Verfügung, welches von
der griechischen Regierung seit einem Men-
schenalter enteignet ist. Aber die Anteil-
nahme, welche unsere Aufdeckungen bei den
griechischen Staats- und städtischen Be-
hörden erweckt haben, läßt die völlige
Abb. 2. Die Grabbezirke 9 des Planes (Messenier) und 8 (Demetria und Pamphile) nach Ausflickung
ihrer Randmauern.
verflossene Etatsjahr durchgeführt. Die
Leitung hatten dabei der zweite Sekretär
des Institutes Baurat Knackfuß und der
Unterzeichnete, den dazu das Kgl. Preußi-
sche Kultusministerium von seinem Amte
als Oberlehrer beurlaubte. Gegraben wurde
mit durchschnittlich 40 Arbeitern.
Nächste Aufgabe des Unternehmens ist,
durch ausgedehntere und systematischere
Arbeit, als bisher der Stelle gewidmet wor-
den ist, Klarheit über die Tor- und Stadt-
maueranlagen des nordwestlichen Athen und
über den Anbau der von den Toren aus-
gehenden Straßen zu gewinnen, vor dem
Freilegung der antiken Anlagen um das
Haupttor der Stadt auch über die gegen-
wärtigen Grenzen des Arbeitsgebietes hinaus
für die Zukunft erhoflfen.
Der wissenschaftliche Gewinn aus den
Arbeiten an dieser Stelle verspricht viel-
seitig zu werden. Die topographische Auf-
klärung ergänzt die Stadtgeschichte; das
Studium der Grabanlagen erweitert in dem
Zeitpunkte, wo Conzes Materialsammlung der
>>Attischen Grabreliefs« vollständig wird, die
Anschauungen von den athenischen Grä-
bern; und der Kerameikos im ursprünglichen
Sinne erschließt sich als der Sitz der atheni-
5*
113
Bericht über die Kerameikosgrabung 1914 — 1915.
114
sehen Töpferei durch die Aufdeckung von
Werkstätten und die Auffindung von Werk-
zeugen, Formen und Tonwaren in jedem
Zustande der Herstellung. Die Geschichte
seiner Produktion dehnt sich aus bis über
das Ende des Altertums.
Der Gang der Grabungsarbeiten ist dadurch
bedingt, daß die Schuttabfuhr aus dem
expropriierten Gebiete nach NW, nach der
Piräusstraße, zu geschehen hat. Wir haben
daher an der Piräusstraße begonnen. Dabei
östlich der Hagia Trias abschließend und die
Terrassen südlich der Gräberstraße in ihren
Umgrenzungen im großen und ganzen klar-
gestellt worden. In diesen Gebieten konnte
sich unsere Arbeit auf die Zuschüttung von
Gräben und die Auffüllung von Flächen, die
tiefer als der Fußboden des 4. vorchristlichen
Jahrhunderts ausgehoben waren, sowie auf
die sichernde Ausflickung von Mauerzügen
der einzelnen Grabbezirke beschränken (vgl.
Abb. 2). Damit ist an diesem Teile bereits
Abb. 3. Ausgehobener Graben von der Stadtmauer westlich des Dipylon auf die Piräusstraße zu.
scheiden sich entsprechend den beiden alten
Stadttoren, dem Eleusinischen und dem
Dipylon, die Arbeiten in zwei Hälften; die
Grenzlinie dazwischen, zugleich die tiefste
in der ursprünghchen Geländeform, ist der
Eridanosbach, an der Piräusstraße noch ver-
deckt durch das Bestehen der Kapelle der
Hagia Trias.
Links des Eridanos, vor dem Eleusinischen
Tore, hatten die früheren Ausgrabungen die
Erdmasse bereits abgeräumt, welche die
Anlagen des 5. und 4. vorchristlichen Jahr-
hunderts bedeckt hat; 1910 war im Auftrage
der 'E-catpta 'Ap;^atoXoYtxT^ der Hohlweg der
Gräberstraße bis auf den Boden des 4. vor-
christlichen Jahrhunderts nachträglich aus-
gehoben, der Abschnitt der Wegegabelung
das Endziel der Arbeiten am Platze, seine
klare und gesicherte Herstellung, angebahnt ;
die Grundlinien dieser einzig erhaltenen
Nekropole der athenischen Blütezeit treten
wieder scharf heraus; sie durch geeignete
Anpflanzungen zu beleben, machen die
griechischen Behörden sich zur Aufgabe und
haben damit auf der Höhe über der letzten
Terrassenmauer, unsern Wünschen entgegen-
kommend, schon begonnen, so daß die hier
gebotene Gelegenheit, ein wirkungsvolles
Freilichtmuseum der athenischen Grabmal-
kunst zu schaffen, mit Glück ergriffen wird.
Südlich der Gräberstraße stehen Aufdek-
kungsarbeiten nur mehr in einigen eng-
begrenzten Grabbezirken und am Hügel-
abhang gegenüber der Stadtmauer aus. Das
115
Bericht über die Kerameikosgrabung 1914 — 1915.
116
Gebiet nördlich der Gräberstraße, südlich
des Eridanos, wird erst nach der Verlegung
der H. Trias, die durch Gesetz beschlossen
ist und vorbereitet wird, weiter untersucht
werden können.
Anders lagen die Verhältnisse nördlich des
Eridanos. Hier stand in dem Viereck vor der
Stadtmauer, dessen Schmalseiten von der
alle Einzelheiten erschöpfend untersuchen.
Ausgehoben und durchgeführt ist in 1 10 m
Länge ein 20 m breiter Graben längs der
Nordostgrenze des freien Gebiets von der
Piräusstraße an bis zur Stadtmauer westlich
des Dipylon (Abb. 3). Außerdem sind,
nachdem der Gemeinderat der H. Trias im
Interesse der Verlegung der Kirche den frü-
Abb. 4 und 5. Zweiter und dritter Grenzstein des Kerameikos. Höhe des Marmors 1,18.
Stadtmauer und der Piräusstraße, dessen
Langseiten von iiom Länge durch die vor
dem Dipylon noch nicht expropriierten
Grundstücke und dem Eridanos gebildet
werden, die ganze 5 m hohe Verschüttung
seit den Zeiten des Altertums unberührt an,
z. T. noch beträchtlich überdeckt durch den
hierhin abgetragenen Ausgrabungsschutt vom
anderen Ufer des Eridanos und der Stadt-
mai:y5rgegend her. Unsere erste Grabung
hier konnte daher die wichtigen Reste, wel-
che der Grund birgt, bislang erst mehr im
allgemeinen aufschließen, noch nicht bis in
heren Ausgrabungsschutt von dem ganzen
Gelände an der Piräusstraße auf seine Kosten
hatte abfahren lassen, vom Institut in diesem
Teil zwischen unserem großen Graben und
dem jetzigen Grundstück der H. Trias
mehrere schmale Parallelgräben geführt wor-
den, mit dem Ergebnis für die Kirchen -
gemeinde, daß ihrer Absicht, an dieser Stelle
ihre Kirche neu aufzubauen, von archäo-
logischer Seite nichts im Wege steht. . Denn
die fragliche Stelle hat sich für die Zeiten
des Altertums als ein denkmäler loses Sumpf -
gebiet am rechten Ufer des Eridanos her-
117
Bericht über die Kerameikosgrabung 19 14 — 191 5.
118
ausgestellt. Diese Arbeiten zusammen-
genommen haben zwei Drittel der im ex-
propriierten Viereck nördlich des Eridanos
zu leistenden Erdarbeiten bewältigt.
Der topographische Gewinn daraus be-
trifft die Vorstellung von der ursprünglichen
Geländeform, insofern sich ergibt, daß der
an der Stadtmauer in Abständen bis zu einer
Entfernung von 115 m zwei gleichartige
Grenzsteine, ihren Schriftformen nach aus der
zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, welche
die linke Seite der Straßenanlage festlegen
(Abb. 4 und 5). Die Breite der Straße läßt
sich danach auf gegen 40 m bestimmen. Wir
Abb. 6. Front der Grabbezirke beim mittleren Horos.
Eridanos von dem Endpunkte seiner frühe-
ren Aufdeckung an nach Norden ausbog und
hier an seinem rechten Ufer die eben er-
wähnte Sumpfstrecke in etwa 30 m Breite
sich ausdehnte.
Für den Ausbau vom 5. Jahrhundert an
ist die Aufdeckung des Kerameikos, d. i. der
Straße, welche das Dipylon mit der Akademie
verband, von grundlegender Bedeutung. In
unserm großen Graben fanden sich zu dem
seit 1872 bekannten OPOI] KEPAMEIKOT
beginnen damit die Untersuchung der Ehren-
gräber des Athenischen Staates. Von ihren
Fronten sind bisher zwischen späten Über-
bauten zwei Strecken festgelegt, die eine
beim mittleren Horos 25 m lang, die andere
bei dem dritten, von der .Stadtmauer aus
gerechnet, bis zu 9 m freigelegt. Im ersten
Falle sind die glatten Frontmauern in statt-
licher Höhe über dem alten Straßenboden
erhalten (Abb. 6). Bis in ihre Grabtiefe
ist bisher nur an einer beschränkten Stelle
119
Bericht über die Kerameikosgrabung 1914 — 1915.
120
probeweise untersucht worden: 1,30 m unter
dem Straßenboden, 6 — 7 m unter der heu-
tigen Oberfläche, hegt hier eine dichte Reihe
von beerdigten Leichen; die im Erdreich
darüber gefundenen Vasenscherben datieren
das Grab auf die Zeit des peloponnesischen
Krieges und zeugen in ihrer Eigenart von
dem besonderen Kulte, welcher den hier
Bestatteten dargebracht worden ist. An der
anderen Stelle, wo es glückte, die alte
Kerameikosfront freizulegen, beim dritten
mutmaßlichen rechten Straßenfront; es
fanden sich in ihr stattliche Marmorsärge des
4. vorchr. Jahrhunderts in paralleler An-
lage zu der vorauszusetzenden Straßenfront.
So sind zunächst Anhaltspunkte für die
weitere Verfolgung der großen Straßen- und
Ehrengräberanlage der Blütezeit gewonnen
und damit der Wissenschaft und der moder-
nen Stadt Athen der Beweis geliefert worden,
daß die Grabmalreste und Gebeine derer,
die in Perikles' und Demosthenes' Zeit
Abb. 7. Die Stadtmauer rechts, d. i. westlich des Dipylon.
Horos, liegen die Fundamente eines reich
ausgestatteten Grabbezirks des 4. vorchrist-
lichen Jahrhunderts, zur Hälfte noch über-
deckt von der modernen Piräusstraße. Die
Reste sind bereits in meinem Berichte vom
Juni vergangenen Jahres (Arch. Anz. 1914,
94) beschrieben, und darüber die Vermutung
ausgesprochen, daß es sich dabei um das
von Pausanias erwähnte Grab des Stra-
tegen Chabrias handeln könne. Auf sein
Gegenüber im antiken Straßenbilde konnte
unsere Untersuchung gelegentlich einer
Grundgrabung für ein Gebäude des Roten
Kreuzes an der Südostecke der Kreuzung
der Piräus- und Salamisstraße sich erstrecken
und damit zum ersten Male auch auf die
rechte Seite des Kerameikos übergreifen.
Die Baustelle lag einige Meter hinter der
für die Stadt gelebt und gestritten haben,
noch in ihrem Grunde ruhen, freihch bisher
unbeachtet und ungeehrt. Die weitere Ver-
folgung dieser Untersuchung wird unter alte
und z. T. moderne Überbauten hinabzu-
dringen haben.
Die erste Überbauung von Kerameikos -
anlagen hat schon gegen Ende des 4. Jahr-
hunderts unmittelbar vor dem Stadttore
begonnen. Darüber wurden wir aufgeklärt,
als unser langer Graben die Stadtmauer er-
reichte, nicht die Kononische, vor welcher
der I. Horos des Kerameikos steht und in
deren Flucht das Dipylon eingebaut ist,
sondern die parallel vor ihr im Abstände
von lü m aus großen Brecciaquadern ge-
baute. Diese, vordem bis auf zwei über-
ragende Quaderreihen zugeschüttet, zeigt
121
Bericht über die Kerameikosgrabung 1914 — 1915.
122
sich jetzt bis in Grundwassertiefe und noch
mindestens zwei Quaderlagen darunter, d. i.
im ganzen mindestens acht Quaderlagen
hoch auf Sicht gearbeitet, hinabreichend bis
mindestens in die Tiefe des nahen Eridanos-
bettes (Abb. 7). Somit ergibt sich, daß vor
dieser Stadtmauer ein tiefer Graben angelegt
war, geradeso wie unmittelbar jenseits des
Eridanos. Diese große Verstärkung und
Neuanlage der Stadtmauer, eine Folge der
Entwicklung der Belagerungskunst unter
PhiHpp von Makedonien, wird auf Demosthe-
Mauer die Bresche. Nach der Aufräumung
und in dem tiefen Schutte, der danach das
Gelände unmittelbar vor der Stadtmauer
bedeckte, breitete sich ein neues Gräberfeld
aus, durchschnitten von einer Seitenstraße,
die vom Dipylon aus im Bogen geführt vor
dem 2. Horos auf den Eridanos zu einbiegt.
In dem Gräberfelde zu ihrer linken Seite
werden sich drei Epochen der Benutzung
scheiden lassen: die älteste, nachsuUanische,
bisher erst spärlich erreicht, die mittlere,
von welcher an der Straßenfront eine fort-
Abb. 8. Form, Abdruck und Fehlbrand derselben Lampe.
nes' Antrag vom Jahre 337 zurückgehen, der
die Notwendigkeit der Gräben betonte; ihre
künftige Verfolgung über den Raum unseres
bisherigen Grabens hinaus erscheint an und
für sich als ein aufschlußreiches Unterneh-
men. Durch diese Neuanlagen, die in die
Bebauung des Vorgeländes eingriffen, ist
vor dem Dipylon ein verwickelter Befund
entstanden, der erst nach weiterer Expro-
priation völHg geklärt werden kann. Bisher
heben sich unter den baulichen Anlagen der
hellenistischen Zeit nahe vor dem Graben
der Stadtmauer eine aus mehreren Bassins
bestehende Anlage, vielleicht ein Bad, und
ein davon überbauter Töpferofen heraus.
Dicht neben und unter ihm fand sich ver-
einzelt ein »Dipylon ^'grab.
Sullas Belagerung 86 v. Chr. zerstörte die
Gebäude vor der Stadt und legte in ihre
laufende Reihe von Substruktionen größerer
Grabdenkmäler vermutlich aus hadrianischer
und anschließender Zeit geblieben ist, die
jüngste, die nach Zerstörung und Verschüt-
tung dieser Monumente im 4. Jahrhundert
n. Chr. ansetzt. Aus dieser Spätzeit rührt
a->ich weiter draußen eine weiträumige An-
lage her, die zwischen dem 2. und 3. Horos
über die Front des alten Kerameikos ein-
geschoben, mit ihren umgrenzenden Mauern
in den alten Straßenraum auf eine noch
nicht in ganzer Ausdehnung zu bestimmende
Länge vorgreift und dadurch das völlige
Aufgeben der alten breiten Straßenanlage
beweist. Die zahlreichen, Wand an Wand
darin angelegten Familiengräber werden
einer bereits christlichen Vereinigung ange-
hört haben.
Das Ganze unserer Funde stellt sich als ein
123
Liste athenischer Marinebesatzungen.
124
vielschichtiger Niederschlag aus allen Epo-
chen der Stadtgeschichte dar, wie es vor dem
Haupttore der Stadt und bei der Tiefe des
angehäuften Kulturschuttes nicht anders
sein kann. Die Verfolgung der einzelnen
Schichten über die Grenzen unserer bis-
herigen Gräben hinaus und die Bearbeitung
der Einzelfunde aus ihnen verspricht für die
einzelnen Epochen von den Zeiten der Blüte
an durch alle spätere Geschichte der Stadt
wertvolle Belehrung,
Die Einzelfunde, vorwiegend keramischer
Art, überfüllen bereits den uns zur Ver-
fügung stehenden Sammlungsraum hinter
dem Dipylon. Vor ihm sind neben den
Resten von marmorner Architektur und
Grabmälern die Erzeugnisse der schweren
Tonindustrie, Wasserleitungs- und Brunnen-
ziegel, Bauziegel aller Formate bis zu den
Dachziegeln und Akroteren zu einer Art Bau-
hof vereinigt. Im Sammlungsraum drängen
sich die geschlossenen Fundgruppen wie
Gräberfunde und andere örtlich zusammen-
gefundene Massen, welche synchronistische
Bestimmung erlauben. Diese und vielerlei
dazu, was der Schutt versprengt hergibt,
bilden schon jetzt eine lehrreiche Studien-
sammlung, deren besonderer Wert darin
liegt, daß sie aus dem Vollen und aus dem
Grunde des athenischen Töpferzentrums ge-
schöpft ist; sie umfaßt, wenn auch oft nur
in Scherben, doch alle Sorten des Geschirrs,
das grobe wie das feine, das fertige wie das
unfertige, das der Blütezeit, als der Kera-
meikos den Welthandel beherrschte, und das
der Spätzeit, als er von anderen Mustern,
z. B. den arretinischen, abhängig war. Eine
Probe daraus bietet Abb. 8, welche von einer
und derselben Lampe der Kaiserzeit links
die Stempelform, in der Mitte den ehedem
verkaufsfertigen Abdruck danach und rechts
die verzogene Scherbe eines Fehlbrandes
vereinigt zeigt. Es entsteht der Plan, aus
den Funden des Platzes ein gesondertes
Kerameikosmuseum zu schaffen, welches
neben den Erzeugnissen der Werkstätten des
Kerameikos auch alles dasjenige umfassen
sollte, was hier unter freiem Himmel nicht
bleiben kann, aber zur Veranschaulichung
des Ortes wünschenswert wäre, wie nament-
lich eine historisch geordnete Reihe von
Gräbertypen.
An besonderen Einzelfunden sind noch
hervorzuheben: ein überlebensgroßer Mar-
morkopf eines Schauspielers in der Rolle des
7jYS[i«)V bspaiziiiV (vgl. Robert, Die Masken
der neueren attischen Komödie, Halle 191 1),
die erste große Darstellung einer Charakter-
maske der jüngeren attischen Komödie, fer-
ner ein feines Terrakottarehef, Porträt eines
Mannes aus hellenistischer Zeit, der lebens-
große Porträtkopf eines Jünglings aus pari-
schem Marmor frührömischer Zeit, wohl von
einer Grabstatue, eine gut erhaltene Grab-
stele römischer Zeit mit der Darstellung eines
Ehepaares, schließlich eine stattliche Anzahl
von Terrakotten des 4. Jahrhunderts n. Chr.,
die zum erstenmal das Ende dieses Kunst -
Zweiges veranschaulichen.
Berlin-Friedenau.
A. Brueckner.
LISTE ATHENISCHER MARINE-
BESATZUNGEN.
Bei einem kurzen Besuche in Athen im
April 19 14 durfte ich dank der liebens-
würdigen Erlaubnis des Ephoros des Epi-
graphischen Museums Herrn Leonardos die
folgenden, mir von Herrn Prof. J. Kirchner
gütigst zum Publizieren überwiesenen Frag-
mente abklatschen und abschreiben.
Diese Fragmente (Nsov Eupsx. Nr. 438 und
438 a) sind von Herrn Prof. Skias in
Athen seinerzeit Prof. Kirchner mit-
geteilt worden; ich bediene mich
hier seiner Beschreibung derselben: (das
erste Stück) [xotpfiapov kzuxov Tcavra/oilsv
aTTOXcxpouafxevov supef^sv £vtoxooo|x-/){iivov iv
[i-saaicuvr/oj xoi)(apt«) £v xto 'Epej^ös''«) £v
i~zi 1908; u'}o? auToS 0,56; Tzkdxoc 0,33;
Tzdyo^ 0,21; [X3Y8Ö0C tmv \ie~((axw^ Ypatxfi.a-
xüjv 0,009; '^^^ ^ [xovov 0,005; «"t'sxaai?
xmv axt/djv diz dWr^kuiV Trspt'TTOU 0,005 > ^spsi
xsxpot'axr^Xov e7riYpacpr)v ; (das zweite Stück)
x£(ia/tov XT(? auxTjc: eTrqpacpr^? xsflpauajisvov
etc 8uo, sXXiTCS? Travxa/oOsv; u'}o?o,3i; TiXa-
xo? fis'j'iaxov 0,14; 0£v TipoaapfjLoCsxat Tcpo?
xö TrpÄxov x£[i.aj(iov.
125
Liste athenischer Marinebesatzungen,
126
N. Eup. Nr. 438
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Liste athenischer Marine besatzungen.
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Liste athenischer Marinebesatzungen.
130
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Liste athenischer Marinebesatzungen.
132
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[. . .]vx>)? [
25 [. . .]0X£X[7J?
[Ai>v ifi [n-
['A]vxtOOT[o? —
['Ajv&ta?
[...]vifi[n
Die oben mitgeteilten Bruchstücke gehören
zusammen mit den Fragmenten IG. II 959
(inklusive einem neuen unedierten e ')) und
zwei von den Amerikanern auf der Akro-
polis gefundenen Steinen zu einer und der-
selben Urkunde. Meine Absicht, sie zu-
sammen mit dem Bearbeiter der amerika-
nischen Fragmente in einem Aufsatz
vorzulegen, ist an den Zeitumständen ge-
scheitert, und so muß ich mich an dieser
Stelle natürlich auf die mir zur Veröffent-
lichung überlassenen Fragmente beschrän-
ken, obwohl ich die amerikanischen Frag-
mente auch kenne und gelegentlich kurz
erwähnen werde. Die gesamten Bruchstücke
lassen sich, soviel ich feststellen konnte,
nicht direkt irgendwie aneinander reihen,
gehören aber nichtsdestoweniger demselben
Inschriftenmonument an, entweder als Teile
eines großen Steinblockes oder mehrerer
') Das Fragment enthält folgende Zeilen:
]« <I>7)Yai(e6;)
xXJet'orj? T£iö(paaio;)
— T( )
Blöcke, die die verzeichneten Kategorien,
in lange Kolumnen gegliedert, enthielten.
Das eine der amerikanischen Stücke scheint
von dem obersten Teil des Monumentes zu
stammen, und zwar von der rechten Ecke
oben, weil oben und rechts von der letzten
Kolumne ein breiter freier Raum ist, und
von derselben Seite scheint auch das kleine
neue Fragment e von II 959 zu stammen;
dagegen ist das erste der von mir
herausgegebenen Stücke wohl unten links
anzusetzen, da die erste Kolumne einen
freien Raum unten läßt.
Die Verzeichnisse, die in den Kolumnen
der Urkunde enthalten sind, lernen wir
durch die neuen Fragmente jetzt besser
kennen. Es empfiehlt sich, zunächst einen
Überblick über die in allen Bruchstücken
enthaltenen Kategorien zu gewinnen.
N. E6p.
Kol. I
[KußEpVTjXr^;]
I Athener
JK£X£uax7j;]
I Athener
[n£vxrjx6vx]ap)(o;
I Athener
[AuXtjxt^c]
I Fremder?
[NauTcrjo?]
1 Fremder
[To;6xat]
2 Athener
[Nauxai aaxojt
1 6 Athener (aus
verschied. Phylen)
vacat
Kol. II
? 4- 16 Namen u.
Patronymika (Skla-
ven- u. Herren-
namen)
Tpir^papx">
2 Athener
'ETTißaxai
10 Athener (aus
verschied, Phylen)
KußfipvT^xr^?
I Athener
Nr. 438
KsXEUCfXVJ?
I Athener
riEvxr^xovxap^o?
I Athener
AuXr^Tr^q
I Fremder
I Metöke
np(i)paxr^?
I Metöke
To$6xc(t
3 (2 Athener, i
Fremder)
[Naöxat djsxot
Kol. III
} -{- 6 Namen
(Metöken)
0£paTrovx£?
30 -j- ? Namen u.
Patronymika (Skla-
ven- u. Herren-
namen)
Kol. IV
32 + ? Namen u.
Patronymika (Skla-
ven- u. Herren-
namen)
133
Liste athenischer Marinebesatzungen.
134
N. Eup. Nr. 438 ö
Kol. I
Kol. II
? + 29 + ? Metok en-
namen.
II 959 a-^
Kol. I
? + 10 Namen und
Patronymika (Skla-
ven- u. Herren-
namen)
Tptr^papX«^
2 Athener
f EjutßaTai
10 Athener (aus
Erechtheis)
[Kußspvr^TT^?]
I Athener
I Fremder
I Athener
[riptppaxjrys
I Athener
I Athener
[ n £ vxr^xö] VTap-/(o ?)
1 Athener
[To^oxai]
2 (i wenigstens
Athener
[Natixott aajxoi
2 + ? Athener
Kol. II
? + 30 + ? Namen
u. Patronymika
(Sklaven- u .Herren-
namen)
II 959^
Kol. I.
? -}- 6 Namen?
[Tptyjpapjx«)
2 Athener
[' ETTißotxai]
5 + ? Athener (nur
aus Erechtheis be-
kannt)
Kol. II
? -j- 1 7 -f- ? Namen und
Patronymika (Skla-
ven- und Herren-
namen)
II 959^
[To^oxat]
2 Athener
[Nauxaji aoxoi
9 + ? Athener (aus
verschied. Phylen)
II 959^
? -f 4 + ? Athener 2
>
Das amerik. Frg. A
Kol. I
-f 13 -f ? Athe-
ner (aus verschied.
Phylen)
Kol. II
vacat
27 Namen u. Patro-
nymika (Sklaven- u.
Herrennamen)
Tpt7]papx«>
2 Athener
[' ETTtßaJxat
I + ? Athener
Kol. III
vacat
34 -f ? Namen u.
Patronymika "S
(Sklaven- und ^
Herrennamen)
Das amerik. Frg. B
Kol. I
? +30 + ? Fremde
Kol. II
? + 33 + ? Athener
Die Besatzung einer athenischen Triere
setzte sich nach unserer Urkunde aus fol-
genden Kategorien zusammen : zuerst die
Schiffskommandanten, die zwei xpiyjpap)(a>,
dann die 10 Iraßocxai (entweder aus ver-
schiedenen Phylen oder aus derselben),
dann folgen als der Marineunterbefehl (die
uTrrjpsfJia) i xußspv7)xrjc, i xsXeusxv]?, i itöv-
XYjxovxap)(o? ^), I auXr^xr^c, i vxor^rj^öc, i Trpm-
pa'xr^?^); und schließlich als die Bemannung
3 (oder 2) xo^oxatS), weiter die vaöxai da-
xot, vaöxat $evot und i>spaTCovxi?4). Die Zahl
der drei letzten Hauptkategorien der Schiffs-
mannschaft sowie überhaupt das Bestehen
der Kategorie vauxat ^svot ist zwar nicht
direkt in unserer Urkunde überliefert.
Unter der Rubrik vaöxat ocaxoi sind in der Ur-
kunde mindestens 16, alle Athener, überliefert;
unter die Rubrik x^spotirovxsc, die Sklaven,
kommen den Namen nach zu urteilen in
einer Kolumne wenigstens 34. Nun haben
wir aber auch Kolumnen mit Fremden und
Metöken, wenigstens 29 an einer Stelle,
') Köhlers Ergänzung in IG. II S. 538 zu Nr.
959« Kol. I Z. 38 s. ist also unrichtig.
^) Die Chargen des auXr^xT^?, vauTrTjytJ?, -ptupatrjC
sind auch Nichtathenern überlassen, sie scheinen
außerdem nicht auf allen Schiffen besetzt gewesen
zu sein (vgl. auch Köhler, Ath. Mitt. VIII 179).
3) Es können auch Fremde unter ihnen sein (vgl.
Plassart, Les arch. d'Athenes, Rev. Et. Gr. 191 3
201).
4) Richtig hat Kolbe, De Ath. re nav. 44, die
Bedeutung dieses Wortes gefaßt.
135
Liste athenischer Marinebesatzungen.
136
und diese können doch nur im Gegen-
satz zu den vaüxai daxot unter einer Rubrik
als vaijixai $£voi eingeordnet gewesen
sein^). Aus diesen drei Kategorien setzte
sich also die Bemannung einer Triere, die
etwa 170 Ruderer und Matrosen umfaßte
(vgl. Cartault, La tridre athen. S. 235 f. und
dazu Brillant, Daremberg-Saglio, Dict.
unter Trierarchia S. 453; Köhler, Ath. Mitt.
VIII 178 f.), zusammen, unter denen die
Metöken und Sklaven natürlich eine be-
vermutet, daß sie durch Verleihung der Frei-
heit an die bei der Schlacht bei den Ar-
ginusen 406 beteiligten Sklaven veranlaßt
sein könnte, aber er weist gleichzeitig auf
den befremdenden Umstand hin, daß auch
die freie Bemannung hier vollzählig auf-
geführt sei, was ja gänzlich überflüssig er-
scheine. Dies wäre in der Tat nicht zu
verstehen, wenn nur eine Freilassung der
Anlaß gewesen wäre. In unserer Urkunde
können nur wenige Trierenbesatzungen auf-
1...
r^^
^
Abb. I. Kol. 111, Zeile 19 — 25 aus der Liste athenischer Marinebesatzungen.
trächtliche Zahl einnahmen (vgl. Kolbe,
De Ath. re nav. S. 41). Es scheint, als
ob die Bürger für die Flotte nach Demen
ausgehoben worden waren , wie Köhler
(a. a. O. S. 179; vgl. dazu Wilamowitz,
Hermes 22, 217, 2) annimmt; dagegen sehen
wir, wie die Epibaten auf einem Schiffe zu
derselben Phyle gehören, auf einem andern
nicht. Da sie als Soldaten aus dem Heere
der Marine überwiesen waren, wurde die
Phylenordnung natürlich soweit möglich
gewahrt.
Über den Zweck der Aufstellung der
Urkunde hat Köhler (Ath. Mitt. VIII 179 f.)
') VgL dazu noch Kolbe a. a. O. S. 44 f.
geführt gewesen sein (wir können aus den
vorhandenen Stücken auf wenigstens 5
schließen), wenn auch der Stein oder die
Steine einen großen Umfang gehabt haben
mögen. Aber die Flotte bei der Arginu-
senschlacht war iio Trieren stark, die
Zahl der Ruderer 18700 (vgl. Busolt,
Gr. Gesch. III 1590 u. Anm.).
So kann das Urteil über diese Frage
vorläufig nur ein ungewisses bleiben; die
Schrift, für die Abb. i aus Kol. III, Zeile
19 — 25 als Probe gegeben sei, und die
prosopographischen Indizien deuten auf die
Wende 5. — 4. Jahrh.
Prosopographisch wäre zu unseren Bruch-
stücken folgendes zu bemerken. Der Trier-
137
Das Hohlmaß von Pergamon.
138
arch riu&la? Krjcpiatsu? ist schon von früher
bekannt (vgl. P. A. 12350), bestimmt ist sein
Alter nicht anzusetzen, sein Sohn wird vor
325 gestorben sein. Ein anderer Trier-
arch Xapi'Svjixo? EuTrsxaKuy ist der Sohn des
Hellenotamias von 437/6 — H-^'X^'' -^' ^*
(vgl. P. A 15389). Von den 10 Epibaten,
die in der obigen Liste vorkommen, scheint
nur 'EirixpaV/j? AajjiTrxpsu? vorher schon aus
einer "Weiheinschrift aus der Mitte des 4.
Jahrh. bekannt zu sein (vgl. P. A 4900).
Ein Nachkomme des Keleustes Xapia?
'A;(apv£uc: ist der XapiaSif]? Xapiou 'Ajjxp-
vsu? im 3. Jahrh. (vgl. Sundwall, Nachträge
z. Pros. Att.). Am besten bekannt ist der
Pentekontarch 'Avxicpaxry? Ku&>^ppto?, dessen
Akme von Kirchner um 367 angesetzt wird
(über seine Familie vgl. P. A. 1196) und
desser Sohn um 334 Trierarch war. Daß
seine Akme früher fiel, wird jetzt deutlich ^).
Er ist vielleicht auch der 'Avxicpaxrj? in
unserem Bruchstücke Kol. III, der als Herr
dreier Sklaven erscheint.
Von I>emden finden wir einen Siphnier,
Oropier, Thasier, Chersonesiten, viele Keier,
mehrere Peparether, Naxier, Rhodier,
Chier, ohne daß wir daraus auf die
Zeitumstände etwas schließen können, da
ja auch Fremde zum Flottendienst ge-
zwungen oder geworben wurden. Die
Metökennamen und die Sklaven- und Be-
sitzernamen liefern uns keine sicheren zeit-
lichen Anhaltspunkte, so interessant sie auch
sonst sein können, die Herren sind natür-
lich meistens Athener, aber beim Fehlen
des Demotikons ist die Identität recht
unsicher. Zu den Metökenbezeichnungen
ist zu bemerken, daß die gewöhnliche
Formel otxaiv Iv noch nicht ganz feststeht
(vgl. Clerc, Les met^ques Ath. 238!.).
Johannes Sundwall.
*) Eine prosopographische Zeitbestimmung gibt
wohl auch der in IG. II ()^gad Z, 20 zu ergän-
zende [C)p]o6pap^o; i\Ypu(ÄTj!}£v), dessen Großvater
bei der Seltenheit dieses Namens der Opo'jpapyoj
'EpsySetSo; in mon. sep. 459/8 sein muß. Zu meiner
Ergänzung bemerke ich, daß auf dem Stein
sichere Spuren von O vorhanden sind und daß
davor gerade Platz für 2 Buchstaben ist, während
der Majuskeltext im Corpus nicht ganz korrekt ist.
DAS HOHLMASS VON PERGAMON.
C. Schuchhardt beschreibt Inschr. v. Perg.
II 1323 — 27 fünf ein Maßvermerk tragende
Tri{}oi aus Ton. Ihrer drei konnten auf
ihr Volumen hin geprüft werden '). Sie
reichen aus, um im Verein mit einer Notiz
in der metrologischen Literatur das perga-
menische Hohlmaßsystem wenigstens in
seinen Grundeinheiten zu rekonstruieren.
Hier ihre kurze Beschreibung:
1. (1324). In Berlin. Inschrift: KCA = 26
d[pxdßai] s. d[[xcpopsr?]
Volumen nach Messung mit trockenem
Sand 1005,25 1
abzüglich schätzungsweise 5,25 1 für
schadhafte Stellen 1000,00 1
2. (1325). In Pergamon. Inschrift: KTA
für KIA = 27 d[pxdßat] s. «[[xcpoper?]
Volumen nach Messung mit trockenem
Sand 1044,6 1
3. (1326). In Berlin. Inschrift: KHA = 28
d[pxdßai] s. «[[xcpopsi?] ; vgl. Abb. i.
Volumen nach Messung mit trockenem
Sand 1061,00 1
Die Maßeinheit, nach der das Volumen
dieser Pithoi bestimmt wird, ist auf allen
Geläßen gleicherweise durch das Zeichen f-
wiedergegeben. Dieses erklärt Hiller von
Gaertringen (Inschr. v. Perg. II S. 500) unter
Berufung auf einen analogen Fall in Rhodos,
wo sich einmal A, 8(pa)([xd) zu L abgekürzt
findet, als die Verkürzung eines A, und
dieses ergänzt er zu d(pxdßrj. Möglich
ist auch «([x'^opsu?) bzw. hier pluralis
d([icpoper?), wie das (in Athen und anderwärts
meist den Namen [xsxprjxi^? tragende) Groß-
maß für Flüssiges oft genug benannt war ^).
— Dieser Amphoreus bezw. die Artabe
berechnet sich nun an Hand des Pithos i
zu (1005,25 bzw. 1000 : 26 =) 38,66 bzw.
38,46 1, nach Pithos 2 zu (1044,6 : 27 =)
') Sie waren zerschlagen ; doch sind sie so sorg-
fältig zusammengesetzt, daß ihr Hohlraum nicht
irgendwie nennenswert alteriert sein kann.
*) Vgl. Africanus Tiepi axa&fjidiv ■x.oa fA^Tpwv (de
Lagarde, Symmikta I p. 168, 52 = Hultsch, Metrol.
Script. I p. 257,23): 6 TOÜ otvou äfxcpopeüs, ov xal
(X£TpTjT7]v ol 7:o)vXol Xeyo'JOtv ; auch Suidas (= Metrol.
Script. 1 p. 333,25): äfx'fopeu; oüv äyftXoy, [XETpov,
x£pd|jiiov. — Welche Benennung in Pergamon vor-
geherrscht hat, ist nicht zu sagen. Inschr; v. Perg. I
13, 4 erscheint der [xETpTjTi^?.
139
Das Hohlmaß von Pergamon.
140
38,7 1, nach Pithos 3 zu (1061 : 28 =) 37,9 1.
Alle diese Zahlen stellen füglich nicht voll
erreichte Höchstwerte dar, da an eine
Füllung der Pithoi bis zum äußersten Gefäß-
rande aus praktischen Gründen natürlich
nicht gedacht werden kann. —
Über die Handeinheit der pergamenischen
Hohlmaße berichtet folgende Notiz in einem
von Duchesne (Arch. miss. scient, IIP serie
t. 3^ 1876 S. 385) aus cod. Patm. 17
(s. X) publizierten metrologischen Text:
73 üep'YafATjvT] xoTuXrj xou sXatou ayei Xixpav
ä . 7J 8e 'Attixtj xotuXt] tou sXai'ou a'(zt Spa/"
}xa? VC * Yivovxai (ÖYXiai)C Die Litra hat
12 Unzen; mithin verhält sich die perga-
Abb. I. Schnitt durch den Pithos 3.
menische Kotyle zur attischen wie 12:7.
Letztere mißt 0,2265 1 (Rechnungswert)^);
erstere also f^il?— 5 — ^ =^ j 0,3883 1. Und
wieviele solcher Kotylen kommen auf den
Amphoreus oder die Artabe ? Eine Hundert-
teilung dieses Großmaßes, an die man zunächst
denken könnte, kommt nicht in Betracht,
da 100 Kotylen mit 38,83 1 einen Wert
ergeben, der über die aus den Pithoi ge-
wonnenen Höchstzahlen noch hinausgeht.
Alle Wahrscheinlichkeit hat dagegen die
Teilung des Maßes in 96 Kotylen für
sich, die durch die gleiche Gliederung des
*) Der Nachweis, daß das attische Hohlmaß bis-
her falsch bestimmt worden ist (Kotyle = 0,273 1),
bleibt einer baldigst zu publizierenden Schrift
»Forsch, z. antiken Metrologie« vorbehalten. Doch
wird eine vorläufige Erörterung der Frage in einem
der nächsten Hermeshefte (Aufsatz über den athen.
Volksbeschluß IG. II* 1013) gegeben werden.
Archäologischer Anzeiger 1915.
(8 y6z<; zu 6 ^sötat oder 12 xotuXat messen-
den) ptolemäischen (Wein-) Metretes jeden-
falls sofort unterstrichen wird. Demnach
hatte das pergamenische Maß (0,3883:96)
= 37,277 1, ein Wert, der den aus den
Pithoi erschlossenen Beträgen in jeder Be-
ziehung Genüge tut und der beispielsweise
für das brauchbarste Gefäß 3 ein Füllungs-
quantum (von 28 • 37,277 = 1043,75 0 ^^~
gibt, das den Geiäßhals in einer ange-
messenen Tiefe freiläßt^).
Die pergamenische Kotyle mit ihren
0,3883 1 hatte bei Füllung mit Wasser
(von der Temperatur + 40 C)*) ein (Netto-)
Gewicht von 388,3 g. Das Ölgewicht gibt
der Patmostext zu I Litra d. i. 12 Unzen
oder 96 Drachmen an. Die Gewichtsdiffe-
renz zwischen Wasser (Wein) und Öl be-
stimmen die alten Metrologen auf 10 : 98), so
') Eine Füllung bis 12 cm unterhalb des Gefäß-
randes benötigte nach Schuchhardt ein Sandquantum
von 1031 1. — Daß in den Gefäßen ein Eichstrich
fehlt, kann nicht weiter wundernehmen. Auch
unsere Fässer tragen ja meist auf der Außenseite
eine Marke über das in ihnen enthaltene Füllungs-
quantum, ohne daß das tatsächliche Faßvolumen
durch dieses Quantum immer absolut und effektiv
ausgefüllt würde. Solche Vorratsgefäße sind eben
an sich noch keine Maße; vielmehr wird ihnen die
Füllungsmenge mit Hilfe eines Maßes zugemessen.
Im übrigen spielt natürlich bei einem 1000 Liter-
gefäß ein kleines Zuviel oder Zuwenig überhaupt
keine Rolle, Im allgemeinen wird man gewußt
haben, wieweit die Füllung oben zu gehen hatte,
oder die Flüssigkeit mag daselbst einen Rand ab-
gesetzt haben, sodaß man bei späterer Füllung,
auch wo der Eichstrich fehlte, ruhig eingießen
konnte, ohne daß die Eingußmenge jedesmal wieder
hät*.e abgemessen werden müssen.
*) Ob, inwieweit und seit wann die Alten über
das Gesetz bzw. die Erscheinung der thermischen
Ausdehnung unterrichtet gewesen sind, ist, soweit
ich sehe, noch nicht untersucht. Ein paar recht
junge metrologische Texte enthalten die allerdings
interpolierte Notiz: cpaat xoü (jf^ßpiou uoaxo? TrXTjpu»-
ÖTJvai ddie'jSecJTaxov slvat tov aTott}[j.dv (Metrol. Script. I
p. 241,6; cf. 233,7). War das Gesetz unbekannt,
so hat es im Altertum eine absolute Maßnorm füg-
lich überhaupt noch nicht gegeben, was durch
andere Erwägungen bestätigt wird (vgl. Ed. Meyer
G. d. A. P S. 580 f.). Daraus ergibt sich, daß auch
die modernen Fixierungen antiker Maßnormen nur
die Bedeutung approximativer Rechnungswerte be-
anspruchen können. Näheres (demnächst) Forsch,
z. ant. Metrologie I.
') Vgl. Metrol. script. I p. 223, 15: 6 olvo; xoü
IXafou Ivvaxit) fA^pei UTiep^yei. oXov yctp iysi xal x6
IvvOtXOV Ct'JXOü.
141
Zu den Dornausziehermädchen.
142
daß sich die Litra ZU [- — ^—^ = 1 349,471),
die Unze zu 29,12 und die Drachme zu
3,64 g stellt. Dies kann nur die phönizisch-
ptolemäische Drachme gewesen sein, die wir
in der Römerzeit zu ^/y,^ römischer Unze
(27,2 g) oder 3,626 g normiert finden.
Woher stammt die höhere gewichtliche
Tarifierung dieser Drachme?
Die attische Kotyle (Öl) wog 60 soge-
nannte Denardrachmen von ^/g römischer
Unze oder 3,4 g. Der Patmostext setzt
das Maß zu 56 (phönizischen) Drachmen.
Demnach ist in ihm das Verhältnis zwischen
phönizischen und Denardrachmen auf 60 : 56
oder 15 : 14 angenommen. In Wahrheit
betrug das Verhältnis aber (8 [römische
Unzen]: 7^3 [römische Unzen] = ) 60 : 56^/4,
und so erkennen wir, daß bei der Schätzung
im Patmostext der Bruch abgeworfen ist.
Dazu dürfte allerdings die Drachme selbst
nicht so sehr die Veranlassung gegeben
•) Die Verbreitung dieses Gewichts — die Me-
trologie bedauert das Fehlen des Corpus ponderum
— muß systematisch untersucht werden. Bisher
habe ich mich nur wenig danach umsehen können.
Daß das Stück in Priene vorhanden war, scheinen
die beiden Inschr. v. Pr. 360 verzeichneten Gewichte
Nr. I mit 349,5 g (Blei; Inschr. Xetxpa Tupdvvou
ifopay6[iQ\j) und Nr. 6 mit 118 g (d. i. '/j Litra
von 354 g bzw. 4 Unzen von 29,5 g) zu bekunden.
— Interessant wäre das Auftreten des Gewichts in
Unteritalien. Von mehreren Kerykeia aus Bronze,
die auch ich (mit Kubitschek, Jahresh. österr. arch.
Inst. X 1907 S. 128) für Gewichte halten möchte,
wiegt ein als 'Ifxa-^^apaicov SajAoaiov bezeichnetes
Stück aus Palermo 348,8 g, ein anderes 346 g
(ein drittes repräsentiert mit 273,78 g das sog.
oskische Pfund von ca. 272 g). Zwei etwa dem
I. Jahrh. n. Chr. angehörende Bronzeastragale im
Museo Gregoriano wiegen 10,50 (inschr. yyy)
und 16,70 kg /Inschr. . ). Das erstere ergibt also
eine Einheit von 350, das andere, das um etwa
100 — 150 g vermindert sein soll, von etwa 334 bis
ca. 337 g- Das ist allerdings ein Wert, der (wie
auch ein Bronzeastragal des Brit. Mus. von 330 g)
dem römischen Pfund von ca. 327 bzw. der
jüngeren attischen Mine (der Mine der Denar-
drachme von 3,4 g) von ca. 340 g nahesteht. Über-
haupt müssen sich natürlich bei nahe beieinander-
liegenden Normen angesichts antiker Verhältnisse
die Grenzen vielfach verwischen. Darum kann eine
Entscheidung auch dieser Krage nur durch ein-
gehende Untersuchung an umfangreichem Material
getroffen werden. Mir genügt es hier, auf eine
Möglichkeit hingewiesen zu haben.
haben (sintemalen ^/^ eigentlich kein unprak-
tischer Bruch ist) als vielmehr das größere
Gewicht, die Unze. Wie nämlich die Denar-
drachme auf i/s römische Unze ausgebracht
war, so wog (nach dem Patmostext) die
phönizische Drachme ^/g einer andern Unze.
Die attische Kotyle (Öl) wog demnach einer-
seits (60 : 8 =) 7^/3 römische Unzen, anderer-
seits genau (56^/4 : 8 =) 7^/32 jener anderen
Unzen. Daß man eben hierfür lieber ge-
rechnet hat (56:8 =) 7, ist plausibel.
iVus dieser Beobachtung ergibt sich nun,
wie mir scheint, auch für die Bestimmung
des pergamenischen Hohlmaßes noch eine
bescheidene Konsequenz. Wog nämlich
die attische Kotyle (Öl) nach phönizisch-
ptolemäischem Gewicht in der Römerzeit
(rechnungsmäßig) genau nicht 56, sondern
56^^/4 Drachmen bzw. nicht 7, sondern 7^/32
zugehörige Unzen, so betrug ihr genaues Rech-
nungsverhältnis zur pergamenischen Kotyle
auch wohl nicht 7 : 12, sondern 7^/32:12.
Dieses Verhältnis aber läßt für das Volumen
der pergamenischen Kotyle einen Rech-
/o,226'; -12 \ „, , r-
nungswert von {— f^ = 0,3865 1, für
\ 7732 /
den Amphoreus bzw. die Artabe von
(96 • 0,3865 =) 37,104 1 erschließen, und
für die Pithoi ergeben sich demnach Fül-
lungsquanten (von 37,104 • 26 bzw. 27 bzw.
28 =) 964,7 bzw. 1001,8 bzw. 1038,9 1.
Potsdam.
O. Viedebantt.
ZU DEN DORNAUSZIEHER-
MÄDCHEN.
Karl Woelcke hatte in seiner Abhand-
lung »Dornauszieher-Mädchen. Eine Terra-
kotta aus Nida-Heddernheim« (Arch. Jahr-
buch 19 14, S. i7flr.) ein Plattenmosaik aus
Pompeji angeführt, welches dasselbe künst-
lerische Motiv eines Mädchens, das sich
den Dorn aus dem Fuße zieht, wiedergeben
sollte. Woelcke zitierte es nach einer Notiz
in dem »Reallexikon der prähistorischen,
klassischen und frühchristlichen Altertümer«
(Berlin-Stuttgart 1907/08) von Robert Forrer
S. 191 und 630, ohne von Forrer persön-
lich nähere Angaben erhalten zu können,
143
Knust-Stiftung.
144
da dieser das betreffende Manuskript mit
den Quellenangaben vernichtet hatte.
Es scheint mir wahrscheinlich, daß Forrer
seine Kenntnis dieses Mosaiks Hugo Blümners
Werk über »Terminologie und Technologie
der Gewerbe und Künste bei Griechen und
Römern« III, 341, verdankt i): ». . . die-
jenige Art Mosaik, welche man heute
florentinisch nennt und die bei den Ita-
lienern den Namen commesso führt, die
ja sonst ganz selten ist; eine bestimmte
antike Benennung dafür kennen wir auch
nicht; man nimmt in der Regel an, daß
man dieses Mosaik ebenfalls zum opus
sectile rechnete. Proben davon haben sich
nur wenige erhalten. Aus Pompeji eine
Dornauszieherin, nur aus zwei Farben her-
gestellt, die Figur in weißem Marmor auf
grauem Grunde.« Blümner gibt als Beleg
für seine Ausführungen A. Migliozzi, Nuova
guida generale del Museo nazionale di
Napoli, 2. Auflage, Neapel 1876. S. 54,
als Quelle an. Hier findet sich folgende
Beschreibung: »Donna poggiata al una
colonna, che siestrae una spina dal piede.
Musaico a due colori ed a pezzi interi.
Fondo marmo grigio, figura marmo bianco.«
Weitere Literaturangaben vermochte ich
trotz angestrengten Forschens nicht zu er-
mitteln.
Durch die Feststellung dieser Litera-
turnotizen war jetzt die Möglichkeit
gegeben, mit mehr Aussicht auf Erfolg
noch einmal im Museum zu Neapel nach-
zuforschen. Den Herren Prof. Delbrueck
und Prof. Macchioro sei für gütige Ver-
mittlung und Aufklärung gedankt. Prof
Macchioro stellte fest, daß sich das Mosaik
nicht im Museum zu befinden scheint und
') Vgl. auch Blumners »Kunstgewerbe im Alter-
tum« I, 120.
niemandem dort bekannt ist. Auch Herr
Spano, ispettore in Pompeji, der sich
speziell mit Mosaiken beschäftigt, kennt es
nicht. Die Herren vermuten, daß es ein
modernes Stück war und deshalb aus-
geschieden ist. Mehr läßt sich zurzeit
leider nicht feststellen. Diese Angaben
genügen aber, um in Zukunft bei einer
Betrachtung der Dornauszieher- Mädchen
das Pompejaner Mosaik auszuschalten.
Wernigerode.
Hugo Mötefindt.
KNUST-STIFTUNG.
Die von der unterzeichneten Fakultät am
24. Juni 191 2 (vgl. Arch. Anzeiger 191 2,
578 f) gestellte Preisaufgabe der Knust-
Stiftung :
Die archaische Kunst der Italiker, be-
sonders der Etrusker, Architektur, Orna-
mentik urid Bildnerei, ist mit ihren
Hauptquellen, der orientalischen und
griechischen Kunst, durchzuvergleichen,
die Einflüsse der verschiedenen griechi-
schen Kunstgebiete nach Möglichkeit zu
sondern und ihre zeitliche Abfolge fest-
zustellen, dabei auch auf etwaige An-
sätze italischer Eigenart zu achten. Ge-
fordert wird möglichst vollständige Be-
nutzung der Vorarbeiten, auch der in
Aufsätzen, Dissertationen und sonst zer-
streuten
hat leider keinen Bearbeiter gefunden.
Leipzig, im September 1915.
Die Philosophische Fakultät der Universität
Leipzig.
Fischer, d. Z. Dekan.
Archäologischer Anzeiger
B EIBLATT
ZUM Jahrbuch des Archäologischen Instituts
1915- 4.
Am 6. Oktober ist in Rom WOLFGANG Helbig entschlafen, und mit
ihm ist wieder einer von denen dahingegangen, die den großen Auf-
schwung unserer archäologischen Wissenschaft im letzten Drittel des
XIX. Jahrhunderts, ihren immer bewußteren Ausbau zu einer historischen
Wissenschaft nicht nur miterlebt haben, sondern an ihm mitgearbeitet
haben. Früh ward Helbig auf italischem Boden heimisch, den Denkmälern
Italiens hat seine Forschung in erster Linie sich zugewandt. Hier aber
arbeitete er von den Terramaren Oberitaliens, der Hinterlassenschaft der
Urzeit, in der italisches Wesen sich erst allmählich formte, bis hinab zu den
Schätzen der Kaiserzeit. Klare Stellung der Probleme, klare Sichtung
reicher Materialmassen, die er dadurch unserer Arbeit erschloß, zeichnen
sein Schaffen aus. Seine Italiker in der Poebene, sein homerisches Epos,
seine Sammlung und Bearbeitung der Wandgemälde Kampaniens, um nur
einiges Wenige herauszugreifen, sind Leistungen gewesen, die auch heute
noch lebendigen Wert haben. Und Tausenden ist sein Führer durch die
Sammlungen Roms, mit dem er weit über den engen Kreis der Fachleute
hinaus gewirkt hat, eine dankbar benutzte Hilfe gewesen und wird es noch
lange bleiben.
Unserm Institut war er Jahre hindurch eng verbunden. 1865 über-
nahm er nach Brunns Fortgang die Stelle des II. Sekretars am römischen
Institut, als der erste Beamte des Instituts, der aus der Zahl der Stipen-
diaten hervorging. Er hat die Umwandlung des Instituts in eine preußische
Staats- und in eine Reichsanstalt mitgemacht, neben Henzen erfolgreich
an der Entwicklung arbeitend, zu der diese Umwandlung erweiterte Mittel
und neue Möghchkeiten bot. Bis zum Jahre 1887 war er am Institut
tätig. Dankbar gedenken wir heute seines Wirkens, dankbar alles dessen,
was er in einem langen Leben unserer Wissenschaft geleistet hat.
Archäologischer Anzeiger 19x5.
147 Nachruf. I48
Den schwersten Schlag aber hat uns dieses an Verlusten so reiche
Jahr kurz vor seinem Scheiden versetzt. Am 26. November wurde uns
Georg Loeschcke genommen. Erst nach und nach werden wir die volle
Größe dieses Verlustes erfassen können, erst allmählich, wenn alles wieder
in geordnete Bahnen zurückgekehrt ist, ganz ermessen, wie groß die Lücke
ist, die hier der Tod gerissen hat. Das aber wissen wir schon heute,
daß eine treibende Kraft unserer Wissenschaft in ihm genommen ist,
einer der Führer, der bestimmend wie wenige in ihre Entwickelung einge-
griffen hat. Umfassend in seinem Wissen, rastlos bestrebt, neue Gebiete
unserer Wissenschaft zu erschließen, gedankenreich den Wissensstoff durch-
dringend, großzügig in der Auffassung seiner Arbeit, so hat er seit dem
Beginn seiner Dorpater Lehrtätigkeit gewirkt. Ein Lehrer, wie es wohl
kaum einen zweiten so gut, so gern, so selbstlos lehrend gab; der seinen
Schülern nicht nur sein Wissen, sondern auch seine hohe Auffassung zu
geben wußte; der sie das Kleinste achten, aber stets vom Kleinen den
Weg zum Großen suchen lehrte; der weit über den engen Kreis seiner
Fachschüler hinaus weiteste Kreise für seine Wissenschaft zu erwärmen
wußte. So war's in Dorpat, so in Bonn, das ihn auf der Höhe seiner
Kraft sah, so in Berlin, wohin er vor vier Jahren zog, um noch einmal
seine Kraft in den Dienst einer neuen großen Aufgabe zu stellen.
Loeschckes wissenschaftliche Tätigkeit zu schildern, kann nicht
Sache dieses kurzen Gedenkwortes sein. Dankbar hat hier das Institut
dessen zu gedenken, was er ihm gewesen. Seit der junge Doktor als
Stipendiat in den Süden zog, blieb er dem Institut eng verbunden. Eine
schöne Frucht seiner Stipendiatenzeit übergab er ihm gemeinsam mit
seinem Freunde Furtwängler zu seinem 50 jährigen Jubiläum in der wert-
vollen Veröffentlichung der mykenischen Tongefäße. Immer und immer
wieder hat er in der Folgezeit an der zeitgemäßen Weiterentwickelung des
Instituts gearbeitet. Als eines der tätigsten Mitglieder der Zentraldirektion
hat er immer wieder ihm seine Erfahrungen als Gelehrter wie als Lehrer
zugute kommen lassen. Bei der Schöpfung der Römisch-Germanischen
Kommission war er neben Conze die treibende Kraft.
Allzufrüh ist er uns jäh entrissen. Unvollendet hat er das großgedachte
Rüstzeug hinterlassen, das er der Universität Berlin für den archäologischen
Unterricht schaffen sollte. An der Universität, am Institut, in unserem
gesamten wissenschaftlichen Betriebe klafft die Lücke und wird nur schwer
und langsam sich schließen. In die Trauer um den großen Forscher,
Lehrer und Organisator aber mischt sich die Klage um den Menschen,
an dem Hunderte in Liebe und Verehrung hingen und dem sie Dankbar-
keit über das Grab hinaus bewahren werden.
149
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
150
DIE MÄSSIGE ELLE UND DIE
KÖNIGLICHE ELLE HERODOTS.
I. Den Umfang der Stadt Babylon be-
schreibt Herodot I 178; danach bildete die
Stadt ein Viereck, dessen Seiten je 120 Sta-
dien maßen, so daß der Umfang des Ganzen
auf 480 Stadien kam. Nachdem Herodot
über ihre Pracht einiges hinzugefügt hat,
fährt er fort: xacppo? fisv irptüta [iiv ßaOsa
xe xal eupsa xal uXetj uSaxo? uspiöeei, fisid
8^ zeiyoi; TrevxT^xovxa fisv Tci^/etuv ßaciX/jitov
löv to supo?, 5t{>o; 8^ 8ir|xoaio>v izriyeuiv. 6 8s
ßaCflXl^lOS TT^/U? ToS fJl£TpiOU lOTt TTT^^SO? jXsCtUV
tpiot SaxxuXotcji. Die äußere Stadtmauer war
also 50 königUche Ellen breit und 200 Ellen
hoch. Da aber Herodot den Begriff »könig-
liche Elle« offenbar nicht als allgemein be-
kannt voraussetzt, sucht er ihn seinen Lesern
zu erläutern durch den Zusatz: Die königliche
Elle ist 3 Zoll länger als die mäßige Elle.
Obwohl der jistpios Tzriy^og den altgriechi-
schen Lesern jedenfalls ganz geläufig war,
hat er doch in ihrer Literatur nur geringe
Spuren hinterlassen. Zu Lukians Worten
(xotxaTrXou? 16) oX(p TC7];(st ßaortXixtu gibt ein
Scholion folgende Erklärung: 6 ^ap ßacfiXi-
xö? T^^iyo^ eX^^ ^^^P "^^^ ?8i(utixöv xal
xoivov xpsT? 8otxxtjXous. Es wäre über-
triebene Skepsis, bezweifeln zu wollen, daß
diese Stelle das gleiche besagt wie die An-
gabe Herodots. Man hat deshalb von jeher
und mit Recht die »mäßige Elle« Herodots
mit der »privaten und allgemeinen Elle« des
Lukian-Scholiasten gleichgesetzt.
. 2. Die effektiven Beträge der »mäßigen«
und der »königlichen Elle« sind uns aus dem
Altertum nicht überliefert. Es ist deshalb
nicht zu verwundern, daß die zahlreichen
Versuche, sie zu bestimmen, zu den ver-
schiedensten Ergebnissen geführt haben.
Über die älteren Arbeiten ist Böckh (Metrol.
Untersuchungen 210 ff., Berlin 1838) zu ver-
gleichen. Hultsch (Griech. u. röm. Metro-
logie 2 S. 46 u. 475 f., Berlin 1882) bestimmte
beide Größen auf 466,7 — ^473 mm bzw. 525
bis 530 mm, Lepsius (Längenmaße der Alten
S. 108, Berlini884) auf 0,4752 m bzw. 0,5328 m,
Dörpfeld 1883 (Ath. Mitt. VIII 346) auf
0,444 Ti bzw. 0,499 n^ oder rund 0,500 m,
dagegen 1890 (daselbst XV 176) auf
0,492 m bezw. 0,554 m, Nissen (im
Handb. d. klass. Altertumswissenschaft 2
I 857) die »Königselle« auf 0,555 rn, Leh-
mann (-Haupt) (in den Verhdl. d. Berl.
Ges. f. Anthropologie 1889, 314 f.) die
»mäßige Elle« auf 0,49 bis 50,498 m, die dazu
gehörige »königliche Elle« auf mindestens
0)555 rn- Ganz neuerdings (Klio. Beiträge
z. alten Gesch. XIV 356 Anm. 2) schrieb der-
selbe Gelehrte: »Daran, daß der persische
fASxpio? T^tX'^Z gleich der babylonischen Elle
von rund 495 mm ist, muß ich mit Nach-
druck festhalten.« Und weiter im gleichen
Hefte derselben Zeitschrift S. 464 f. : »Und
ferner haben die Ausgrabungen in Baby-
lonien wenigstens soviel ergeben, daß Ne-
bukadnezars Königselle nicht, wie Viede-
bantt will, mit der ägyptischen identisch,
sondern wesentlich größer ist. Nach Kolde-
weys jüngsten Mitteilungen beträgt sie ent-
weder 533 oder 544 mm. Ergibt sich wirklich
eine von der älteren babylonischen Königs -
eile 550 — 555 mm abweichende Einheit, so
würde das dafür sprechen, daß Nebukad-
nezar kein geschlossenes System eingeführt
hat. Bis auf weiteres halte ich eine Ab-
weichung von der ursprünghchen babyloni-
schen Längeneinheit durch Nebukadnezar
für sehr unwahrscheinlich und die Beibehal-
tung der Einheiten des babylonischen Sy-
stems für das Nächstliegende. [Auch Dieu-
lafoy gründet sein Studium des die Maße
des babylonischen Haupttempels Essaggil
gebenden, jüngst wiedergewonnenen Doku-
ments aus dem Kislev des Jahres 83 S. A.
(229 V. Chr.) auf eine Länge des babyloni-
schen Fußes von (0,32 bis) 0,33 m und eine
entsprechende Königselle von (0,548 bis)
0,55 m und findet den Ansatz durch seine
Berechnung aus dem Dokument bestätigt;
s. Essagü ou le temple de BSl-Marduk. ^tude
documentaire par le P. Scheil. ^tude arith-
metique et architectonique par Marcel Dieu-
lafoy. Paris 1913. Korr. -Zusatz.] « So-
weit Lehmann-Haupt.
Die verschiedenen Werte, die sich aus den
bisherigen Lösungsversuchen ergeben haben,
beweisen wenigstens so viel, daß die Frage
noch mitten im Fluß, daß ihre endgültige
Beantwortung noch nicht erfolgt ist. Welche
Gründe die Gelehrten, die sich mit dem Pro-
blem beschäftigten, zu ihren Ansetzungen
geführt haben, ersieht man am besten aus
151
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
152
ihren eigenen Arbeiten. Ein neuer Versuch,
die Frage zu beantworten, scheint nur dann
Aussicht auf Erfolg zu eröffnen, wenn er
sich auf bisher unverwertetes Material stützt.
3. Die griechische Elle war bekanntlich
in 24 Zoll eingeteilt; für die »königliche Elle«
setzen wir die gleiche Einteilung voraus und
hoffen, die Richtigkeit dieser Annahme dar-
tun zu können (s. unten § ii f.). Der leichte-
ren Übersicht halber sei die »mäßige Elle«
mit ji, die »königliche« mit ß bezeichnet.
Herodot gibt also an, ß sei 3 Zoll größer als fi,
sagt aber nicht, was für Zoll er meint, ob
»mäßige« oder »königliche«. Da 3 Zoll =
^ Elle ist, so würden sich für ß zwei Formeln
ergeben :
(I) fx+if^^ß oder ß=|}i.
(II) fi.+ iß=ß oder ß = f{x.
Umgekehrt (I) fi=|ß
(II) f.= |.ß.
In einem anderen, aber ganz ähnlich liegen-
den Falle hat sich Herodot genauer ausge-
drückt. I 192 heißt es tj 8e dpxaßrj fistpov
iov rieptJixöv yuipisi [xeoifAVOu 'Attixou irXeov
yoinzi tpial 'AxTix-^jOi. Hier ist kein Zweifel
gelassen: das persische Hohlmaß Artabe faßt
I attischen Medimnos und 3 attische Choini-
ken. Wir werden schwerlich fehlgehen, wenn
wir auch an unserer Stelle annehmen, daß
Herodot die unbekannte Größe durch zwei
bekannte Größen habe erklären wollen.
Hätte er sich aber doch wider Vermuten der
Ungeschicklichkeit schuldig gemacht, zur
Erklärung der Unbekannten einen Teil der-
selben mit einem bekannten Begriff zu ver-
binden, ohne dies ausdrücklich zu sagen,
so würde der Fehler auch nicht sehr groß
sein. Er würde betragen, da
(I) ß=l(^=f|P-
(II) ß=f[i=|i}x
oder da
deren Differenz -^ {ji,
(I).f.= fß = nß
(II) tx=iß=f|ß
deren Differenz -j^ ß,
wie sich nachher zeigen wird, im ganzen nur
wenige Millimeter. Ich lasse jedoch Fall (II)
als von vornherein unwahrscheinlich nun-
mehr beiseite und ziehe nur die Gleichungen
(I) ß = I [X und n - f ß in Betracht.
4. Die königliche Elle kommt bei Herodot
noch einmal vor: VII 117 bestimmt er die
Körperlänge des persischen Riesen Arta-
chaies zu 5 königlichen Ellen weniger 4 Zoll.
Die »königliche Elle« war also ein in persi-
scher Zeit übliches Längenmaß. Sein Ur-
sprung ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach
in Babylonien und Assyrien zu suchen.
Darauf deutet schon die Analogie der Ge-
wichte. Die altpersische Mine des Dareios I.
im Betrage von 500,2 g unterscheidet sich
nur ganz unwesentlich von der Mine Gimil-
Sins von Ur (24. Jahrh. v. Chr.) im Betrage
von 502,2 g, der Mine Erba-Marduks von
Babylon (8. Jahrh.) im Betrage von 502 g
und der Mine des assyrischen Königs Sargon
(721 — 705), die aller Wahrscheinlichkeil, nach
auf 501 g anzusetzen ist. Sie ist mit einem
Wort die babylonische Mine; die geringenDif-
ferenzen dürfen auf mangelhafte Justierung
der Gewichtstücke zurückgeführt werden und
sind offenbar unbeabsichtigt. Außerdem
aber war die äußere Stadtmauer Babylons,
deren Maße uns Herodot überliefert, ein Werk
des babylonischen Königs Nebukadnezar IL
(605 — 562). In seinen Inschriften ^) ver-
sichert dieser ausdrücklich, daß kein König
vor ihm es getan habe. Man sollte daraus
schließen, daß auch das Längenmaß, mit dem
diese Stadtmauer vermessen worden ist, ein
zu Nebukadnezars Zeit übliches babyloni-
sches war.
5. In den Keilinschriften werden Längen-
maße überaus häufi'g. erwähnt, insbesondere
die Elle (bab.-ass. ammatum = hebr. 'am-
mäh) und der Zoll (bab.-ass. ubanu, eigent-
lich »Finger«, SaxTuXo?). In alter Zeit wurde
die Elle in 30 Zoll eingeteilt, später (sicher
unter Sargon von Assyrien und Nebukad-
nezar von Babylon) in 24 Zoll. Eine scharfe
zeitliche Grenze zu ziehen ist noch nicht
möglich, für unseren Zweck auch unerheblich.
Ebensowenig läßt sich mit Sicherheit sagen,
ob die alte Elle neben der neuen noch fakulta-
tiv gebraucht wurde. Für einen bestimmten
Fall, bei dem allerdings besondere Gründe
vorliegen, hoffen wir es nachher (s. u. § 10)
nachweisen zu können. Sehr selten kommt
in den Keilschrifttexten die »Elle des Königs«
') Langdon, Die neubabylonischen Königs-
inschriften S. 133 Kol. VI 22 ff. S. 167 Z. 46 ff.
Leipzig 1912.
153
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
154
vor. Aus der Zeit des Königs Aäurbanapli
(669 bis mindestens 642) ist ein assyrischer
Text bekannt (veröffentlicht von Craig
Assyriol. Bibliothek XIII i p. 'jd — 79), der
leider vielfach beschädigt und auch sonst
schwer verständlich ist. Er enthält die Be-
schreibung verschiedener heihger Gegen-
stände aus dem Tempel des Bei. Hier findet
sich die »Elle des Königs« im bunten Wechsel
mit der »Elle« ohne Zusatz. So heißt es
Kol. HZ. i6f. : »6f Ellen nach der Elle Länge
der Bettstelle, 3|- Ellen nach der Elle des
Königs die Breite«. Z. 28: »if Ellen nach
der Elle des Königs «. Z. 29 ff. : »3 \
Ellen nach der Elle des Königs Länge des
Thrones, if Ellen seine Breite«. Ein zweiter
Text, auf den mich Zimmern aufmerksam
gemacht hat, ist der neuassyrische Brief
K. 624, veröffentlicht von R. F. Harper,
Assyrian and Babylonian Letters No, 130,
umschrieben übersetzt und erklärt von
W i n c k 1 e r , Altorientalische Forschungen
II. Reihe S. 306 ff. Ein gewisser Nabu-pa§ir
meldet dem König die Maße einer Anzahl
von Balken (Gt/. Su. A) aus einem be-
stimmten Holz, dessen Name abgebrochen
ist. Leider sind auch von den Maßangaben
selbst nur die wenigsten Zahlen erhalten.
Merkwürdig ist der Text besonders auch des-
halb, weil er ein anderweitig nicht bekanntes
Längenmaß enthält, dessen Ideogramm {Gir.
Sab. Du) Win ekler mit Recht als »Fuß«
deutet. Die ersten 8 Zeilen enthalten nur
die Einleitung, dann fährt der Text fort:
»I Balken 26 [so Harper] nach der Elle
des Königs lang, i nach der Elle breit, soviel
wie ein Fuß dick, i Balken . . + i nach
der Elle des Königs lang Balken
(Plur.) . , nach der Elle lang, . . Elle(n)
breit, .. Elle(n) dick. .. Balken (Plur.)
. . Ellen nach der Elle lang, . . Elle(n) breit,
I Elle dick. . . Balken (Plur.) .... nach der
Elle lang, . . Fuß breit, . . Fuß dick. Balken
(Plur.) lang , i Elle dick. . . Bal-
ken (Plur.), . . nach der Elle lang, . . Elle(n)
breit, 4 Zoll dick.«
Auch hier beobachten wir zweimal einen
Wechsel der Bezeichnungen »Elle des Kö-
nigs« und »Elle« bei den Angaben der Maße
eines und desselben Gegenstandes. Wie lang
das assyrische Fußmaß gewesen ist, ergibt
sich aus diesem Texte, der die einzigen Be-
lege dafür enthält, nicht. Da es aber wahr-
scheinlich in einfachem Verhältnis zur Elle
gestanden hat, wird man es wohl wie bei
den Griechen zu | (nicht -f) der Elle an-
nehmen dürfen, also 16 Zoll nach neuassyri-
scher und neubabylonischer Einteilung. An
dritter Stelle endlich ist eine babylonische
Privaturkunde aus dem 14. Jahre des Königs
Darius I. zu nennen (veröffentlicht von
Straß maier, Babyl. Texte H. ii S. 276
Nr. 391), die mit den Worten beginnt: »150
mus-sal-lu-ü (»Spiegel?, Bilder?«) von i Elle
2 Zoll nach der Elle des Königs«. Weitere
Belege für die »Elle des Königs« sind mir
nicht zur Hand. Doch genügt einstweilen die
Tatsache, daß in Assyrien und in Babylonien,
im 7. Jahrh. und in persischer Zeit, eine
»Elle des Königs« bezeugt ist. Es ist sehr
verführerisch, in der »Elle« ohne Zusatz eine
Art von babylonisch -assyrischem (jistpio?
■KT^ypi^ zu finden und sie zu der »Elle des
Königs« in ähnlichen Gegensatz zu bringen
wie Herodot seinen {i. ir. zu seinem ß. ir.
Aber wer soll auf den Gedanken kommen,
bei der Ausmessung einer Bettstelle, eines
Thrones oder eines Balkens zwei verschie-
dene Maße anzuwenden, und zwar, wie beim
ersten Beispiel, in anmutigem Wechsel: ein-
mal Länge nach p,, Breite nach ß, das andere
Mal umgekehrt! Andererseits ist es aber
ebensowenig zu begreifen, weshalb der
Schreiber sprachlich differenzierte, wenn
sachlich kein Unterschied bestand. Die
Analogie eines Bronzegewichtes (Ztschr. d.
Deutschen morgenl. Ges. 61, 401 Leo 8), das
in Keilschrift und in aramäischer Schrift
als »Mine des Königs«, dann noch einmal
aramäisch als »Mine« ohne weiteren Zusatz
signiert ist, würde freilich für die sachliche
Gleichsetzung der Begriffe »Elle« und »Elle
des Königs« sprechen. Indessen möchte ich
doch einige Erwägungen nicht unterdrücken,
die möglicherweise zu einer anderen Lösung
des Problemes führen.
Betrachtet man die Zahlen, die der oben
an erster Stelle behandelte assyrische Text
für Länge und Breite der Bettstelle und des
Thrones bietet, ohne Rücksicht auf ihre Be-
nennung, so findet man, daß beide Male
Länge und Breite im Verhältnis 2 : i stehen.
Denn
6| :3^-2 : I und 3^ : if=2 : i.
155
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
156
Wir kennen aus dem orientalischen Alter-
tum die Maße zweier Bettstellen, allerdings
außergewöhnlicher Art, nämlich des gött-
lichen Ruhebetts in dem Tempel des Bel-
Marduk inBabylon i) und der eisernen Bett-
stelle des Königs 'ög von Bä§än (5. Mos.
3, 11). Beide waren 9 Ellen lang und 4 Ellen
breit. Faßt man hier »Ellen« als }jl. it., und
rechnet man die 9 p,. tt. nach dem von Herodot
gegebenen Verhältnis in ß. ir. um, so erhält
man als Länge dieser Bettstellen 8 »könig-
liche Ellen«, und Länge zu Breite steht
wieder im Zahlenverhältnis 2 : i. Dürften
wir nun in dem obigen assyrischen Text einen
Irrtum des Schreibers annehmen und die
ersten beiden Zeilen lesen »6§ Ellen nach der
Elle des Königs Länge der Bettstelle, 3^
Ellen (nach der Elle) *) die Breite«, so wäre
eine vollkommene Übereinstimmung er-
reicht, und diese Deutung würde an Wahr-
scheinlichkeit gewinnen.
6. Zur Bestimmung der effektiven Größen
antiker Längenmaße stehen uns zwei Mittel
zu Gebote:
1. alte Maßstäbe, die der Zerstörung
widerstanden haben, und
2. Bauwerke oder Reste solcher, deren
Maße aus schriftlicher oder inschrift-
licher Überlieferung bekannt sind und
die noch heute eine Nachmessung ge-
statten.
Es versteht sich von selbst, daß an der
Überlieferung selbst die überall notwendige
philologische und historische Kritik geübt
werden muß. Auch darf man nicht, wenn
z. B. die Länge einer bestimmten Mauer
überliefert ist, eine andere Mauer oder eine
solche, über deren Identität mit der in der
Überlieferung gemeinten Zweifel bestehen
müssen, zur Grundlage der Maßbestimmung
wählen. Was die erhaltenen Maßstäbe an-
langt, so muß man die Gewißheit haben,
daß das, was man für Maßstäbe hält, wirklich
solche sind, und wenn ja, daß sie dem
System, dem man sie zuweisen will, auch
in der Tat angehören. So selbstverständlich
diese 'Forderungen auch scheinen: wir werden
^) Vgl. darüber Orient. Lit.-Ztg. Jg. 17 (1914)
S. 196. Es ist vielleicht die von Herodot I 181 er-
wähnte xXi'vT) [itydXri eu ^aTpcujA^vT), die sich aber nach
seiner Angabe an einer andern Stelle befunden hätte.
*) Dieser Zusatz ist natürlich auch zu entbehren.
unten nachweisen, daß man öfters und noch
in allerjüngster Zeit dagegen verstoßen hat
und so zu imaginären Ergebnissen gelangt ist.
Die früher von Metrologen vielfach ange-
wendete Methode, aus den Maßen alter Bau-
werke allein die vom Baumeister zugrunde
gelegte Längeneinheit zu berechnen, sollte
jetzt endgültig verlassen werden. D ö r p f e 1 d ,
der ihr früher selbst gehuldigt und sie ver-
feinert hatte, hat sich später das Verdienst
erworben, sie als irreführend zu erweisen ^),
und Pernice (Ztschr. f. Numism. XX 236,
1896) hat ihm mit Recht zugestimmt 2). Eine
andere Methode, die ebenfalls noch vielfach
angewendet wird, besteht darin, aus den
Hohlmaßen und Gewichten die Längenein-
heiten zu berechnen. Sie kann nur in beson-
ders günstigen Fällen zu sicheren Ergeb-
nissen führen, nämHch dann, wenn es durch
alte ÜberHeferung feststeht, daß bestimmte
Beziehungen zwischen den verschiedenen
Maßkategorien beabsichtigt waren oder tat-
sächhch bestanden. Da für Babylonien,
Assyrien und das alte Persien derartige
Nachrichten bis jetzt vollständig fehlen, fällt
auch dieses Mittel für uns weg.
7. Die von Herodot beschriebene äußere
Stadtmauer von Babylon ist noch jetzt teil-
weise erhalten und von der Deutschen Ex-
pedition untersucht worden (vgl. Koldewey,
Das wieder erstehende Babylon, S. i ff.,
Leipzig 1913). Da scheint die Aufgabe, die
Längenmaßeinheiten zu berechnen, äußerst
einfach. Nach Herodot maß eine Seite des
Mauervierecks 1 20 Stadien, nach Koldewey
die Nordostfront 4400 m, folglich wäre i Sta-
dion 36I m lang gewesen. Daß dieses Er-
gebnis unmöglich richtig sein kann, Hegt auf
der Hand. Wie Herodot auf seine falsche
Angabe gekommen sein mag, läßt sich jetzt
nicht ermitteln; genug, daß sie falsch ist. Auf
die abweichenden, aber nicht minder falschen
Angaben andererGriechen (vgl. Baumstarks
Artikel Babylon in Pauly-Wissowas
Realenzyklopädie II 2689 ff.) braucht nicht
') Vgl- ^'^ oben in § 2 angeführten Arbeiten
Dörpfelds.
*) Daß man bei solchen Bauwerken, deren Maß-
verhältnisse sehr einfach und durchsichtig sind,
die zugrunde liegende Längeneinheit wenigstens
bis zu einem gewissen Wahrscheinlichkeits-
grade ermitteln kann, soll nicht bestritten werden.
157
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
158
weiter eingegangen zu werden. Bleiben nun
noch Herodots Angaben über Höhe und
Breite der Stadtmauer (200 bzw. 50 könig-
Hche Ellen). Die Bauinschriften Nebukad-
nezars lassen uns hier im Stich, da sie die
Mauer nur ganz im allgemeinen als »stark«
und, mit einer sehr behebten Übertreibung,
»bergehoch« bezeichnen. Natürlich läßt sich
auch aus dem heutigen Zustand der Ruinen
über die einstige Höhe nichts Gewisses fol-
gern. Um so genauer sind wir, dank der
Beschreibung Koldeweys, über die Breite
unterrichtet, erleben aber auch sofort wieder
eine neue Enttäuschung, sobald wir Herodots
Angaben zum Vergleich heranziehen. Müß-
ten wir aus diesen folgern, daß die Stadt-
mauer ein einheitliches Massiv aus Back-
steinen bildete, mit Türmen an beiden Rän-
dern, daß ein Viergespann zwischen ihnen
umlenken konnte, so bietet die Wirklichkeit
ein recht verschiedenes Bild. Hiernach folgte
hinter dem (noch nicht untersuchten) Wall-
graben zunächst eine Grabenmauer, 3,25 m
breit, aus Backsteinen, in der wir Herodots
(I 179) T^c TOt^pou ta -/zikea wiedererken-
nen dürfen. Ihr parallel zieht sich, durch
einen geringen Abstand (ca. | m?) von ihr
getrennt, eine 7,81 m starke Backstein-
mauer, und, von deren Innenseite durch
einen Zwischenraum von 1 1,21 m geschieden,
eine 7,12 m dicke Mauer aus lufttrockenen
Lehmziegeln. Nur diese letztere ist mit
Kavaliertürmen besetzt, die beiderseits
einige Meter vortreten. Ob auch die äußere,
aus Backsteinen erbaute Mauer Türme trug,
läßt sich noch nicht entscheiden. Der Raum
zwischen beiden Mauern war einst mit Erd-
reich aufgefüllt. Als Gesamtstärke dieser
Befestigungsanlage, ohne Grabenmauer, er-
gibt sich (7,81 + 11,21 + 7,12 =) 26,14 m,
die den 50 königlichen Ellen Herodots gleich-
gesetzt die königliche Elle zu 0,523 m be-
stimmen würden. Und diese Mauer soll 200
königliche Ellen oder 104,56 m hoch gewesen
sein! Kenner der statischen Gesetze mögen
beurteilen, ob ein solcher Mauerkoloß in fast
unmittelbarer Nähe eines Wassergrabens, der
nur durch eine verhältnismäßig schwache
Ufermauer geschützt war, auch nur errichtet
werden konnte, ohne noch während des
Baues infolge des ungeheuren seitlichen
Druckes in den Graben zu stürzen. Ich ver-
mag mir das nicht vorzustellen, halte viel-
mehr auch diese Angabe Herodots für stark
übertrieben. Obwohl der oben aus der
Breite der Mauer berechnete Betrag von
0,523 m den von Hultsch und von Lep-
sius für die königliche Elle angenommenen
Werten ziemlich nahe kommt, glaube ich
doch nicht, daß Herodots Angabe der Breite
der Stadtmauer Babylons absolut genau und
zuverlässig ist, um eine Berechnung auf
Zentimeter und Millimeter zu gestatten.
Wie sehr dieses Mißtrauen gerechtfertigt ist,
zeigen eine vierte und eine fünfte Maßangabe
Herodots, die jetzt erörtert werden sollen.
8. Herodot beschreibt I 181 das Heiligtum
des Zeus Belos in Babylon 8uo otaSi'tov
iravxTQ, lov TexpaYtovov. Iv [i=am 8e tou ipou
TTupYO? öTspso? oixooofiTrjToi, OTaSiou xal t6
}iT,xo? xal t6 supo? xxX. Auch diese beiden
Bauwerke sind jetzt von der Deutschen Ex-
pedition untersucht oder wenigstens »vor-
untersucht«. Allerdings meint Herodot mit
dem Atö? ßr^Xou tpov nicht den eigentlichen
Haupttempel der Stadt (bab. Esagila), der
weiter südhch lag, sondern den Komplex, in-
nerhalb dessen der Stufenturm Etemenanki
stand, der aber ebenfalls ein dem Bei (Marduk)
geweihtes Heiligtum trug. Der Peribolos von
Etemenanki bildet nicht eigentlich ein Vier-
eck, sondern ein Fünfeck, da die Westfront
in einem, freilich sehr stumpfen, Winkel ge-
brochen ist (vgl. den Grundriß bei Kolde-
wey a. a. 0. S. 181). Auch will es nicht viel
besagen, daß die Fronten durchaus nicht
alle gleich lang sind, da die Unrichtigkeit von
Herodots Längenangaben ohnedies auf der
Hand liegt. »Die Ostseite des Peribolos«, sagt
Koldewey a. a. 0. S. 192, »die der Nord-
j Seite fast gleich ist, mißt rund 409 m. Hero-
dot gibt als Maß für das ganze Heiligtum
zwei Stadien im Quadrat an, für das Quadrat
der Zikkurrat« [d. i. des Stufenturms] »ein
Stadium Seitenlänge ^), die Ruine zeigt
90 m.« Hier hätten wir also ein Stadion von
rund 204,5 r", eii^ zweites von 90 m; mit dem
vorhin aus der Länge der Stadtmauer be-
rechneten Stadion von 36I m bilden sie eine
I) So ist Herodots aTootou xott xo [a^xo; xai t6
EÜpos wohl auch zu deuten. Hätte er etwa damit
sagen wollen, daß Länge + Breite i Stadion betrug, so
wäre er zwar der Wahrheit nahe gekommen, aber
deutlich ausgedrückt hätte er sich nicht. W.
159
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
i6o
Trias, die die Unzuverlässigkeit von Hero-
dots Maßangaben im hellsten Lichte zeigt.
9, Wir wenden uns nun zur Betrachtung
der einheimischen, babylonischen Quellen-
angaben. Seit einigen Jahrzehnten sind zwei
Sitzbilder des Priesterfürsten Gudea von
Laga§ in Südbabylonien (um 2600 v. Chr.)
bekannt, deren jedes einen Maßstab einge-
meißelt auf seinem steinernen Schöße trägt.
Der eine ist gut erhalten und zeigt 16 abge-
teilte Zoll, von denen einige durch Quer-
striche noch in kleinere Teile zerlegt sind;
der zweite war ursprünglich wohl ebensolang,
aber nur 10 Zoll sind noch erhalten. Die
Übereinstimmung zwischen beiden ist so
groß, daß der Gedanke, es könnten vielleicht
nur Modelle von Maßstäben sein, die die
tatsächliche Größe des Maßes nicht genau
wiederzugeben brauchten, nicht aufkommen
kann. Da wir zudem wissen, daß die Elle
damals allgemein in 30 Zoll eingeteilt war,
läßt sich der effektive Längenbetrag der
Gudea-Elle leicht berechnen. Nach den
sorgfältigen Messungen Thureau-Dan-
gins (Journal asiatique X. Serie t. 13 p. 79,
1909) kommt die Gudea-Elle auf 495,75 mm
bis 495,94 mm. Wie lange sie sich im Ge-
brauch erhalten hat, läßt sich gegenwärtig
nicht bestimmen.
10. Eine zweite Elle ergibt sich aus den
Maßen des Stufenturmes von Babylon
(Etemenanki), jenes Bauwerkes, an das aller
Wahrscheinlichkeit nach die biblische Sage
vom Turmbau zu Babel anknüpft, und das
wir oben (§ 8) bereits nach der Beschreibung
Herodots betrachtet hatten. Über das Alter
dieses Baues läßt sich zurzeit nichts Be-
stimmtes sagen; wahrscheinlich ist er nicht
viel jünger als der Tempel Esagila, der zum
erstenmal unter Dungi König von Ur (um
2400) erwähnt wird »). Von der Verwüstung
der Stadt Babylon durch König Sanherib
von Assyrien im Jahre 689 war auch der
Stufenturm betroffen worden. Doch war
seine Zerstörung nicht so vollkommen ge-
wesen, daß sie auch die Fundamente völlig
unkenntlich gemacht hätte. Denn als San-
heribs Sohn Assarhaddon sich anschickte,
*) Scheil & Dieulafoy, Esagil ou le temple
de Bel-Marduk ä Babylone p- 5 (= M^moires de
TAcad^mie des inscriptions et belles-lettres t. 39
p. 293). Paris 1913.
den Stufenturm wiederherzustellen, baute er
ihn, wie er selbst versichert (Meißner u.
Rost Beiträge zur Assyriologie HI 251
Z. 28 fif.), wieder an seiner früheren Stelle.
Diese Worte sind wichtig. Assarhaddon gibt
uns nämlich zugleich ein Maß der Länge und
der Breite des Turmes an, und zwar aslu
suban. Wir wissen, daß das aslu 10 Doppel -
ruten, das suban 5 Doppelruten umfaßte.
Der Turm war also 15 Doppelruten lang und
ebenso breit. Nun wurde die babylonische
Doppelrute in alter Zeit in 12, später (aber
schon vor Assarhaddon) in 14 Ellen einge-
teilt. Ob die Änderung der Einteilung zu-
gleich eine Änderung der Größe der Längen-
einheiten mit sich brachte oder nicht, kann
noch nicht entschieden werden; wahrschein-
lich ist das erstere. Wenn wir aber nachher
aus einer andern Quelle erfahren, daß Länge
und Breite des Stufenturmes auf 180 suklum-
Ellen bemessen wurden, so ist es gewiß, daß
Assarhaddon sich in diesem Falle der alten
Maße bedient hat; denn 15 • 12 = 180.
Sein Beweggrund, diese zu seiner Zeit ob-
solet gewordenen Maße hier ausnahmsweise
anzuwenden, ist unschwer zu erraten: er-
neuerte er den Bau genau an seiner alten
Stelle, so lag es auch nahe, seine altüber-
lieferten Maße beizubehalten. Daß Assar-
haddon noch selbst die Vollendung seines
Werkes erlebt habe, ist nicht wahrscheinlich,
sicher aber, daß auch sein Sohn Asur-ban-
apli (669 bis mindestens 642) an Etemenanki
gebaut hat. Annehmen dürfen wir weiter,
daß der Stufenturm bei der Erstürmung
Babylons im Jahre 648 stark gelitten hat.
Gewiß ist, daß Nabopolassar (626 — 605), der
Gründer des neubabylonischen Reichs, das
alte Wahrzeichen der Stadt wieder von
Grund auf zu erneuern begonnen hat. Seine
Bauurkunde enthält ebenfalls eine Maß-
angabe (Langdon a.a.O. S. 62 f. Kol. H
Z. 26 f.): »a-ba as-lam maß ich mit dem
Meßrohr die Dimensionen«. Wir glauben
nicht fehl zu gehen, wenn wir das noch un-
erklärte Wort a-ba als »anderthalb« deuten.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß auch Nabo-
polassar sich an die alte Überlieferung hielt;
nach dieser waren aber die Dimensionen des
Stufenturmes in der Tat i^ aslu = 15 Dop-
pelruten = 180 Ellen. Als Nabopalassar •
starb, war der Bau nur bis zur Höhe von
i6i
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
162
30 Ellen gediehen; seinem großen Sohne
Nebukadnezar II. (605 — 562) blieb es vor-
behalten, ihn in ganzer Pracht zu voll-
enden.
II. Im Laufe der folgenden Jahrtausende
verschwand das stolze Bauwerk vom Erd-
boden, seine Stelle war völlig in Vergessen-
heit geraten. Die europäischen Reisenden
des 16. und 17. Jahrh. glaubten, in der
Ruine 'Agargüf westlich von Bagdad den
Turm von Babylon wiederzuerkennen. Car-
sten Niebuhr (1765) lenkte die Aufmerk-
samkeit auf das hohe Schuttmassiv Birs,
südwestlich von Hille, das dann lange für
den Turm von Babel gehalten worden ist.
Und doch konnte der Turm von Babel nur
innerhalb der Stadtruinen, die schon 1616
Pietro della Valle richtig bestimmt
hatte, gestanden haben. Wie viele Reisende
mögen achtlos über den Platz geschritten
sein, ohne zu ahnen, daß die Fundamente des
berühmten Bauwerks fast unmittelbar unter
ihren Füßen lagen! Etwa 30 Jahre ma| es
her sein, daß Araber der umhegenden Dörfer
auf das im Erdboden steckende Ziegelwerk
aufmerksam wurden und dieses von ihnen
sehr geschätzte Material auszugraben be-
gannen. Sie verfuhren dabei mit solcher
Emsigkeit, daß sie nicht eher ruhten, bis der
letzte Backstein geborgen war oder das ein-
dringende Grundwasser ihrem Fleiße ein
Ziel setzte. So entstand die seltsamste
Ruine, die der Boden Babyloniens und As-
syriens aufweist: in der Mitte ein starker,
mehrere Meter hoher Klotz aus lufttrockenen
Ziegeln, die für niemanden Wert besitzen,
rahmenartig umgeben von einem breiten,
tiefen Graben, dessen Boden 1899, als die
Deutsche Expedition ihre Erforschung des
alten Stadtgebietes von Babylon begann,
zum großen Teil mit Wasser von wechselnder
Tiefe bedeckt war. An der Südseite befindet
sich, ungefähr in der Mitte, eine Ausbuchtung
in Gestalt eines Rechtecks. Es ist das Ver-
dienst Meißners, zuerst (1901) daraufhin-
gewiesen zu haben, daß in dieser Ruine, die
ihrer Gestalt wegen von den Arabern Sähan
(»Pfanne«) genannt wird, vermutlich die
letzten Reste des Turmes von Babylon zu
erkennen seien. Im Laufe der Jahre hat
sich die Richtigkeit dieser Anschauung
allmählich durchgesetzt und ist jetzt sogar
von der Leitung der Ausgrabungen aner-
kannt i).
Aus den Keilinschriften, besonders Ne-
bukadnezars IL, kannte man schon seit
Jahrzehnten den Namen des Stufenturmes
von Babylon: Etemenanki (»Haus des
Grundsteins von Himmel und Erde«). Im
Frühjahr 1876 gab der englische Assyriolog
George Smith Mitteilungen aus einer
Keilschrifttafel, die nichts Geringeres ent-
hielt als eine Beschreibung und Vermessung
des Tempels Esagila in Babylon und des
Stufenturmes Etemenanki. Leider starb
Smith, ehe er Gelegenheit genommen hatte,
die Tafel im Original zu veröffentlichen, oder
auch nur ihren Aufbewahrungsort zu nennen.
Sie schien verschollen zu sein. Indessen ge-
nügten doch Smiths Angaben soweit, daß
man versuchen konnte, den Aufriß von Ete-
menanki schematisch in den Verhältnissen
des Bauwerks darzustellen. Nach 36 Jahren
ist Smiths Tontafel wieder zum Vorschein
gekommen; sie befand sich in Paris im
Privatbesitz und ist von ihrer letzten Eigen-
tümerin den nationalen Sammlungen des
Louvre-Museums überwiesen worden. Der
französische Assyriolog Seh eil hat sie seit-
dem der gelehrten Welt zugänghch gemacht;
dessen philologischem und historischem Kom-
mentar hat Dieulafoy, der berühmte Er-
forscher der altpersischen Kunst, eine aus-
führliche Erörterung der mathematischen
und metrologischen Fragen beigefügt *).
Dieses hochwichtige Dokument ist eine erst
in seleukidischer Zeit (229 v. Chr.) genom-
mene Abschrift; das Alter des Originals
können wir gegenwärtig nicht bestimmen.
Auf jeden Fall bietet die Tafel die Dimen-
sionen der beiden Bauwerke in alt babyloni-
schen Längen- und Flächeneinheiten; sie
bestimmt Länge, Breite und Höhe des
Stufenturmes auf 15 Doppelruten, außerdem
die Länge und Breite der Grundgrube, auf
deren Sohle die unterste Stufe des Turmes
lagerte, auf 180 suklum-'EWQn, womit wahr-
scheinlich altbabylonische Ellen gemeint
') Vgl. meine Feststellungen Deutsche Lit.-Ztg.
1914 S. 1192.
*) Vgl. meine Besprechung der Schrift von
Scheil & Dieulafoy Deutsche Lit.-Ztg. 1914
S. 1191 f. und meinen Artikel Zu den Maßen des
Tempels Esagila und des babylonischen Turmes
Orient. Lit.-Ztg. 1914 S. 193 ff.
i63
Die mäßige Elle und die königliche Elle Herodots.
164
sind. Auch hieraus ergibt sich die Überein-
stimmung mit den oben (§ lO) besprochenen
Maßangaben Assarhaddons und Nabopolas-
sars. Das Fundament Nabopolassars ist noch
gegenwärtig erhalten und an der Ruine meß-
bar. Koldeweys Angabe (90 m) ist an-
nähernd richtig; aber die im Jahre 1913
vorgenommene Nachmessung hat für die
Länge der Nordfront 91 m, für die der Ost-
front etwa 92 m ergeben. Danach stand die
altbabylonische Doppelrute zwischen 6,067 m
und 6,133 m, die dazu gehörige Elle zwischen
0,506 m und 0,511 m. Beide Grenzwerte, die
bei noch genauerer Nachmessung voraus-
sichtlich einander näherrücken werden, wei-
chen von der Gudea-Elle (knapp 0,496 m)
merklich ab, stellen also wohl eine von dieser
verschiedene Norm dar. Sind wir nun be-
rechtigt, diese Elle von mindestens 0,506 m
und höchstens 0,511 m für die »königliche
Elle« Herodots zu halten } Ich glaube, auch
diese Frage verneinen zu müssen. Wie
wiederholt hervorgehoben, gehörte diese Elle
einer Skala an, die zu Nebukadnezars Zeit
nicht mehr im allgemeinen Gebrauch war.
Die Einteilung der Doppelrute in 12 Ellen,
der Elle in 30 Zoll hatte längst einer andern
Einteilung (i Doppelrute = 14 Ellen, i Elle
= 24 Zoll) Platz gemacht, und daß bei dieser
Umgestaltung der Skala die effektive Länge
der Elleneinheit ungeändert geblieben sein
soll, ist, wie schon betont, nicht von vorn-
herein anzunehmen.
12. In den zahlreichen bis jetzt bekannten
Inschriften Nebukadnezars wird die »Elle
des Königs« nie erwähnt. Das erklärt sich
wohl am einfachsten dadurch, daß die Elle,
deren sich der König Nebukadnezar be-
diente, eben die »Elle des Königs«, der ßaoi-
Xt^io? 'Kri'/iii; war. Überhaupt sind genaue
Maßangaben in seinen Inschriften verhältnis-
mäßig spärhch enthalten und noch weniger
metrologisch verwertbare. Aber eine dieser
Angaben scheint mir schon jetzt besondere
Beachtung zu verdienen. In seiner Bau-
urkunde des Tempels Eljarsagila in Babylon
erwähnt der König Backsteine von 16 Zoll
(Länge und Breite; vgl. Langdon a. a. O.
S. 76 f. Z 23 f. und 31 f.), die er beim Funda-
ment dieses Tempels verwendete. 16 Zoll
sind nach der neuen Einteilung der Elle =
|- Elle. Wäre nun die Stätte dieses Tempels
bereits wieder gefunden, was leider nicht der
Fall ist, so könnte man die Elle Nebukad-
nezars durch Nachmessung der Fundament -
ziegel unmittelbar bestimmen. Nun ist
jedoch die Angabe Nebukadnezars keines-
wegs so zu verstehen, als hätte er i6zöllige
Ziegel nur an jener Stelle und nirgends anders
verwendet. Überblickt man die vielen Tau-
sende von wohlerhaltenen Ziegeln und größe-
ren Pflasterplatten Nebukadnezars, so findet
man, daß sie meist sehr regelmäßig gear-
beitet sind. Ihre großen Flächen bilden
gewöhnlich Quadrate. Weder die Ziegel noch
die Platten sind nach je einer und derselben
Form gemacht; vielmehr finden sich kleine
Unterschiede in den Maßen der Seiten. Aber
fast immer sind neben den Ziegeln noch
Platten nachweisbar, deren große Seiten zu
denen der Ziegel im Verhältnis 3 : 2 stehen.
So liegt der Gedanke in der Tat nahe, daß
die großen Seiten der Platten nach der Elle,
die der entsprechenden Ziegel nach ^ Elle
normiert sind. Die meisten Backsteine Ne-
bukadnezars sind ungefähr 33 cm lang und
breit; ihnen entsprechen Backsteinplatten,
die fast genau ^ m im Geviert messen ^).
Danach ist es wenigstens wahrscheinlich
— mehr darf man vorsichtigerweise nicht
behaupten — , daß die »Elle des Königs Ne-
bukadnezar« ungefähr 0,5 m lang und daß
diese zugleich die »königliche Elle« Herodots
war. Seine »mäßige Elle« aber würde sich,
wenn der für die »königliche Elle« ange-
nommene Wert sich als richtig erweist, auf
0,444 m stellen.
13. So sind wir mit unseren Betrachtun-
gen zu dem Ergebnis gelangt, das 1883
Dörpfeld erreicht und einige Jahre später
wieder verworfen hatte. Ein seltsames Spiel
des Zufalls, aber auch nicht mehr als dieses!
Denn der Weg, den einst Dörpfeld gegan-
gen war, ist dem meinigen genau entgegen-
gesetzt. Dörpfeld glaubte, einen griechi-
schen Fuß von 0,296 m erwiesen zu haben,
hielt diesen für ^ der »mäßigen Elle« und
berechnete sie danach auf (0,296-^=)
0,444 m, woraus sich dann seine »königliche
I) Vgl. Thureau -Dangin a. a. O. p. 80 note 2;
p. 82 note 2. — Koldewey a. a. O. S. 3: »die in
Babylon so außerordentlich häufigen Ziegel, welche
33 cm im Quadrat messen, und den üblichen Stempel
Nebukadnezars tragen«.
165
Ein neues Denkmal aus Thrakien.
166
Elle« nach der Formel ß = -| ja als 0,499 ^n
oder rund 0,500 m ergab. Später berechnete
er den attischen Fuß auf 0,328 m, betrachtete
die »mäßige Elle« als das Anderthalbfache
dieses Fußes, wodurch er den Wert {i =
0,492 m und daraus wieder ß = 0,554 m
gewann. Zugleich gab Dörpfeld ^) aber
auch einen besonderen Grund an, der gegen
seinen bisherigen Ansatz der »mäßigen Elle«
sprechen sollte. Er ging von der Anschauung
aus, daß der fjLSTpio? it^j^us offenbar diejenige
Elle sei, nach der Herodot gewöhnlich zu
messen pflegte. Weiter wies er darauf hin,
daß die von Herodot I 60 erwähnte Phye,
die bei der Rückkehr des Peisistratos die
Rolle der athenischen Stadtgöttin gespielt
haben soll, eine durch ihre Größe auffallende
Erscheinung gewesen sein muß. Herodot
gibt als ihre Größe 4 Ellen weniger 3 Zoll an.
Rechnet man die Elle zu 0,444 rn, so wäre
Phye nur 1,72 m groß gewesen und nicht
besonders aufgefallen. Nimmt man aber die
Elle zu 0,492 m, so ergebe sich als Länge der
Phye 1,91 m. Ich glaube zwar auch, daß
dieses hochgewachsene Mädchen ungefähr
so groß (genauer 1,897 ^) gewesen ist, halte
aber den Schluß, daß Herodot die Angabe
ihrer Länge in »mäßigen Ellen« gemeint
habe, nicht für zwingend. Die schöne Phye
war zwar eine falsche Athene, aber eine echte
Atthis, die beanspruchen durfte, nach atti-
scher Elle gemessen zu werden. Diese atti-
sche Elle war jedoch keine andere als die,
welche Dörpfeld richtig aus seinem neuen
attisch -äginäischen Fuß berechnet hat, aber
irrtümlich für die »mäßige Elle« Herodots
hält. Schließhch sei noch erwähnt, daß der
persische Riese Artachaies, der nach Herodot
Vnii7 5 königliche Ellen weniger 4 Zoll
hoch war, nach unserem Ansatz der »könig-
lichen Elle« eine Länge von 2,42 m erreicht
hätte.
14. Ich betone nochmals, daß ich selbst
meine Beweisführung nicht für abschließend
halte. Ein wichtiges Glied fehlt noch; seine
Beschaffung ist, soweit man die Lage gegen-
wärtig überbHcken kann, nur von der Wieder-
auffindung des Tempels Eljarsagila in Baby-
lon zu erhoffen. Solange diese noch nicht
') Ath. Mitt. XV 176, i{
geglückt ist, darf es nur als wahrschein-
lich gelten, daß die Elle des Königs Ne-
bukadnezar, die wir mit Herodots »könig-
licher Elle« gleichsetzen müssen, ungefähr
^ m nach unserem Maße lang waj.
Im Hinblick auf die letzten Ausführungen
Lehmann-Haupts (s. oben § 2) sehe ich
mich aber veranlaßt, schon jetzt folgende
Sätze aufzustellen:
1. Eine »mäßige Elle« von rund 495 mm
und eine »königliche« babylonische Elle von
555 mm sind durch nichts erwiesen.
2. Die von Koldewey (a. a. O. S. 171)
gewonnenen Werte für die Nebukadnezar-
Elle (0,533 ni und 0,544 m) beruhen auf An-
gaben in den Inschriften Nebukadnezars, die
noch nicht völlig verständlich und aller
Wahrscheinlichkeit nach mißverstanden sind.
3. Dieulafoys Ansätze der babyloni-
schen und altpersischen Längenmaße grün-
den sich teils auf Ziegeln, deren keilschrift-
liche Maße unbekannt sind, teils auf einen
vermeintlichen steinernen Maßstab, der nie
ein Maßstab gewesen ist. Seine Berechnun-
gen der Maße des Tempels Esagila und des
Stufenturmes Etemenanki werden durch den
Befund der Ruinen nicht bestätigt, sondern
im Gegenteil widerlegt.
Leipzig-Gautzsch. F. H. Weißbach.
EIN NEUES DENKMAL AUS
THRAKIEN.
Im Nationalmuseum zu Sofia wird ein in
religionsgeschichtlicher Beziehung interes-
santes Denkmal aufbewahrt, das, obwohl
seit längerer Zeit aufgetaucht, bis jetzt der
Wissenschaft unzugänglich geblieben ist.
Wir wollen es hier veröffentlichen und, so-
weit die uns zur Verfügung stehenden Hilfs-
mittel erlauben, zu erklären versuchen.
Obere Hälfte einer vierseitigen Ära aus
Kalkstein, mit einfachem Ablauf, dessen
rechte Seite abgebrochen ist, jetzt hoch
0,64 m; der Ablauf breit 0,39 m, dick 0,60 m;
Breite und Dicke des Schaftes 0,415 m.
Auf der oberen Leiste links einfaches Akroter
und in der Mitte eine dreizeilige Inschrift;
gefunden im Jahre 1906 in Kara-Orman
(Bezirk von Tschirpan, Südbulgarien).
i6y
Ein neues Denkmal aus Thrakien.
i68
Alle vier Seiten des Schaftes sind mit
Reliefs versehen, die ziemlich verwittert und
nur teilweise erhalten sind. Wir beginnen
der Oberkörper einer weiblichen Figur, in
Vorderansicht, stehend, bekleidet mit ge-
gürtetem Ärmelchiton und Chlamys, die von
Abb. I. Das Vorderrelief des Altars von Kara-Orman.
Abb. 2. Das Relief der rechten Seite des Altars von Kara-Orman.
ihre Beschreibung mit dem Relief der
vorderen, die Inschrift tragenden Seite.
A. Auf diesem Relief ist dargestellt: links
der Hnken Schulter herabfällt, mit dichtem
Lockenhaar und hohem Kalathos auf dem
Kopf; ihr rechter Arm ist nach unten aus-
i6g
Ein neues Denkmal aus Thrakien.
170
gestreckt, als ob er einen Gegenstand hält;
mit dem linken Arm hält sie ein an ihren
stämmigen Baum, auf dem ein Knabe mit
übergeschlagenem rechten Bein, mit der
-jsu^^^mif^iiL
Abb. 3. Das Relief der linken Seite des Altars von Kara-Orman.
Abb. 4. Das Relief der hinteren Seite des Altars von Kara-Orman.
Körper angelehntes Füllhorn. Rechts von
dieser Figur sieht man einen großen, dick-
rechten Hand sich an einem Ast stützend,
aufrecht steht. Rechts vom Baum eine, wie
171
Ein neues Denkmal aus Thrakien.
172
es scheint, bekleidete Figur, von der nur
der ganz verwitterte Kopf, der nach unten
ausgestreckte rechte Arm und ein Teil der
Brust erhalten sind (Abb. i).
Fragen wir nach der Bedeutung der be-
schriebenen Figuren, so erinnert uns die
Figur zur Linken an die Göttin mit Füllhorn
und Kalathos, die sehr oft auf den Münzen
der thrakischen Städte aus römischer Zeit
erscheint. Dieser Typus begegnet in Dio-
nysopolis, Markianopolis, Nikopolis, Tomi,
Anchialos, Deultum, Hadrianopolis,Maroneia,
Es ist wohl dieselbe Göttin, die auch auf
einem kleinen, aus Nikopolis ad Istrum
stammenden Relief erscheint'): die Göttin
ist in derselben Bekleidung und Stellung
wie im Relief von Kara-Orman dargestellt;
in dem ausgestreckten rechten Arm hält sie
eine Schale über einem Altar, der schwach
sichtbar ist, im linken ein Füllhorn; links
und rechts ist das ReHeffeld von zwei un-
deutlichen Gegenständen (vielleicht Bäu-
men.?) flankiert, über denen eine Reihe von
10 kleinen Kreisen läuft. Ob unter dem
Abb. 5. Die Inschrift des Ahars von Kara-Orman.
Mesembria, Odessos, Pautalia, Perinthos,
Philippopolis, Serdica, Augusta Traiana,
Coela ^) und wird gewöhnlich als Concordia
oder Fortuna beschrieben; aber Rostow-
zew »), der die weite Verbreitung des Typus
und den Umstand, daß der Kalathos haupt-
sächlich die chthonischen Gottheiten charak-
terisiert, in Betracht zieht, deutet mit Recht
diese Göttin als das weibliche Korrelat des
großen chthonischen Gottes, der unter ver-
schiedenen Namen verehrt worden ist und
gerade in Thrakien sehr populär gewesen ist.
') Vgl. Rostowzew, Die Malerei des im Jahre 1891
in Kertsch entdeckten Grabes, Sbornik, zu Ehren
Bobrinskys (russ.) S. 17 des Sonderabdruckes.
*) a. a. O. S. 17; die ant. dekorative Malerei in
Sudrußland I 192 (russ.).
Piedestal der Göttin noch etwas dargestellt
ist, läßt sich nicht sagen (Abb. 6).
Nach dieser Analogie dürfen wir an-
nehmen, daß die Göttin auch im Relief von
Kara-Orman eine Schale über einem Altar
mit dem rechten Arm gehalten hat.
Der Baum rechts von der Göttin ist so
schematisch ausgeführt, daß keine Bestim-
mung möglich ist. Auch das Bild rechts vom
Baum ist so wenig erhalten und so beschä-
digt, daß eine sichere Erklärung desselben
nicht zu erwarten ist. Aus der Inschrift des
Altars ist ersichtlich, daß in Kara-Orman
ein mystischer, wahrscheinlich dem Dionysos
') Das Relief aus Mergel, von unregelmäßiger
Form, sehr verwischt, ist 60 mm hoch, 50 mm breit,
IG mm dick; vgl. Seure, Rev. arch. 1908, II, 74 Nr. 3.
173
Ein neues Denkmal aus Thrakien.
174
gewidmeter Verein existiert hat; dieser Gott
dürfte also auf den Reliefs unseres Denk-
mals nicht fehlen: und tatsächlich erinnert
das in Frage kommende Bild an den mit
Chiton bekleideten Dionysostypus, der aus
mehreren in Bulgarien gefundenen Reliefs
bekannt ist ^). Wenn diese Erklärung das
Richtige trifft, werden wir vielleicht auch
den Baum als einen Weinstock und den
Knaben darauf als einen kleinen Satyr
deuten dürfen, wie auf dem bekannten
dionysischen Relief aus Melnik^).
B. Auf dem Relief der rechten Seite des
Altars sehen wir links eine aufrecht stehende
weibliche Figur. Der Unterkörper ist abge-
brochen, der dicht behaarte Kopf ein wenig
nach links gewendet; bekleidet ist sie mit
gegürtetem Chiton und Chlamys, die von
der linken Schulter herabfällt; der rechte
Arm ist nach unten ausgestreckt. Wie
diese Figur zu erklären ist, bleibt unklar.
Rechts von ihr ist die dreileibige Hekate
dargestellt, die drei Köpfe nach vorn ge-
wendet, auf jedem Kopf ein hoher Kalathos;
der vordere Leib ist mit gegürtetem Chiton
bekleidet und hält mit beiden Armen einen
länglichen Gegenstand (eine Lanze oder
Elle.?); der Hnke Leib hält mit den ausge-
streckten Armen eine Fackel ( ? ) ; der rechte
Leib ist beschädigt, auch ist der Stein an
dieser Seite abgebrochen (Abb. 2).
C. Auf dem Relief der linken Seite sind
dargestellt drei weibliche, in Vorderansicht
stehende Figuren. Die Figur rechts ist mit
Chlamys bekleidet, die nur die Hnke Schulter
und die Hälfte der Brust bedeckt. Der Kopf
hat dicht gewelltes Haar, das auf dem
Scheitel in einen Knoten zusammengebun-
den ist; mit dem rechten Arm hält sie über
ihrem Kopf ein Hörn. Die Figur in der Mitte
hat dieselbe Haartracht und Bekleidung:
mit dem nach unten ausgestreckten Arm
hat sie einen Gegenstand gehalten (jetzt ab-
I) S. dieselben bei Rostowzew, Das Heiligtum
der thrak. Götter in Ai-todor, Izwestija der Kaiserl.
arch. Kommiss. Heft 40, S. 24 des Sonderabdr.,
Nr. 3, 4, 6 (russ.).
») Perdrizet, Rev. arch. 1904 I 19 ff.; Cultes et
mythes du Pangee 21; Rostowzew, Das Heiligtum
der thrak. Götter in Ai-todor, a. a. O. 26; vgl. auch
den Baum auf dem Dionysosrelief bei Tocilesco,
Fouilles en Roumanie 221, zitiert bei S. Reinach,
Rupert, des reliefs H 158, Nr. 9.
gebrochen) ; der linke Arm scheint hinter den
Falten des herabfallenden Mantels versteckt
zu sein. Die dritte Figur links gleicht in
Gewandung und Haartracht den andern;
vielleicht ist ihre linke, vom Kleide ver-
deckte Hand auf die Schulter der mittleren
Figur angelehnt (Abb. 3).
Hier haben wir zweifelsohne die drei
Nymphen vor uns, deren lebhafte Verehrung
in Thrakien durch zahlreiche Denkmäler be-
zeugt ist '). Dieselbe Haartracht zeigen z. B.
die Nymphen in einigen Reliefs aus dem
Abb. 6. Relief von Nikopolis ad Istrum.
Heiligtum bei Saladinovo 2) ; in dem hier
abgebildeten (Abb. 7) Rehef 3) von dem-
selben Ort hält die Nymphe rechts mit dem
linken Arm einen undeutHchen Gegenstand
über ihrem Kopf, wie die Nymphe auf dem
Relief von Kara-Orman.
D. Das Relief der hinteren Seite des Altars
stellt den thrakischen Reiterheros dar: auf
einem nach rechts sprengenden Pferde sitzt,
den Oberkörper dem Beschauer zugewendet.
') Vgl. Dobrusky, Bull. corr. hell. 1897, 119;
Röscher, Lex. der Mythol. III 565; Reinach, Repert.
des reliefs Gr. et Rom. II i54ff-
2) Dobrusky a. a. 0.
3) Marmorplatte 0,22 m hoch, 0,23 m breit,
0,04 m dick.
175
Ein neues Denkmal aus Thrakien.
176
ein mit gegürtetem Rock bekleideter Mann
mit dichtem Haar, dessen Chlamys nach
hinten flattert; in dem erhobenen rechten
Arm schwingt er den kurzen Jagdspeer,
mit dem nicht sichtbaren linken hält er
einen großen runden Schild (Abb. 4).
Unter den sehr zahlreichen Reliefs des
thrakischen Reiters begegnet dieser Typus
seltener; Seure ^) vermutet, daß diese Va-
riante des thrakischen Heros durch die Dar-
stellungen der equites singulares, unter denen
kult in den Mystenvereinen Thrakiens von
großer Bedeutung gewesen ist ^), werden wir
annehmen, daß auch die religiöse Vereini-
gung in Kara-Orman den Dionysos als
Hauptgott verehrt hat; neben ihm scheinen
auch die andern auf unserem Denkmal dar-
gestellten Gottheiten im Vereinskultus eine
Rolle gespielt zu haben. Es ist beachtens-
wert, daß diese Gottheiten auch in andern
Vereinen Thrakiens nicht unbekannt sind;
so die Nymphen, so der Reiterheros*), der
Abb. 7. Nymphenrelief von Saladinovo.
viele Thraker gedient haben, beeinflußt
worden sei.
Die Inschrift auf der oberen Seite des Ab-
laufs lautet (Abb. 5):
Aup(75XlOS) 'Apt(3TeV£T0[ü]
Ix t5)V E5ta)v xr^? Tr[6Xs«)?].
Buchstabenhöhe 0,025 m; in der ersten
Zeile hinter AYP Efeublatt 2); der Buch-
stabe TT in der dritten Zeile ist auf dem Stein
noch sichtbar.
Wenn wir uns erinnern, daß der Dionysos-
') Etüde sur quelques types du cavalier thrace,
Rev. des et. anc. XIV (1912), S. 25 des Sonderabdr. ;
zu den von Seure angeführten Beispielen vgl. noch
Kazarow, Bull. soc. arch. Bulg. III 341.
*) Der Efeu ist dem Dionysos heilig: Perdrizet,
Cultes du Pangee 65; Olck bei Pauly-Wissowa RE
V 2830.
ausschließlich in seiner Heimat Thrakien als
Vereinsgott erscheint. Hekate ist zwar als
Vereinsgöttin in Thrakien nicht belegt; aber
ihr Kultus scheint in diesem Lande sehr
lebhaft gewesen zu sein 3) ; man hat sogar
angenommen, daß Hekate ursprünglich eine
thrakische Gottheit ist 4). Es ist in diesem
Zusammenhang von Interesse hervorzu-
heben, daß in späterer Zeit Hekate in enge
Verbindung zu Dionysos getreten ist 5) ; in
einer römischen Spira erscheint sie neben
Liber und Diana *), So wird auch die Rolle
verständlich, die Hekate im dionysischen
') Poland, Gesch. des griech. Vereinswes. 198.
*) Poland a. a. O. 207, 223.
3) Vgl. z. B. Filow, Bull. soc. arch. Bulg. III 45;
Kazarow, Bull. IV 103.
4) Farneil, Cultes of the gr. States II 507 f.
5) Vgl. Heckenbach bei Pauly-Kroll RE. VII2781.
6) Poland a. a. 0. 208.
177
Griechenland.
178
Verein von Kara-Orman gespielt hat. Aber
auch die Verbindung der chthonischen Göttin,
von der wir oben gesprochen haben, mit
Dionysos, der in Thrakien hauptsächlich als
chthonischer Gott verehrt worden ist, ist ganz
natürlich und bedarf keiner Erklärung.
Sofia. Gawril Kazarow.
ARCHÄOLOGISCHE FUNDE IM
JAHRE 1914.
Griechenland.
In meinem letzten Bericht habe ich hervor-
gehoben, wie sehr es der griechischen Ver-
waltung der Altertümer, den Ephoren und
der Archäologischen Gesellschaft zum Ruhme
gereicht, daß sie, unbeirrt durch die Balkan -
kriege, im alten wie im neuen Hellas für die
Erhaltung der Monumente und die Aus-
grabung bisher unerforschter Stätten Sorge
getragen haben. An dieser fruchtbaren
Friedensarbeit hat auch der Weltkrieg nichts
geändert, trotz der schweren Lasten und
Schwierigkeiten, die er auch den neutralen
Ländern auferlegt. Außer den längst rühm-
lich bekannten lIpaxTtxa der Archäologischen
Gesellschaft faßt nun auch eine neue Zeit-
schrift, das 'Apj^aioXo^ixov AsXtiov, als of-
fizielles Organ der Altertumsverwaltung, die
Resultate der letzten einheimischen und
fremden Forschungen zusammen ^). Aus
dem bescheidenen kleinen AeXtiov des vori-
gen Jahrhunderts ist nun ein stattlicher,
reich illustrierter Quartband geworden, ein
schönes Zeugnis dafür, wie sich Griechenland
immer mehr zum Mittelpunkt der inter-
nationalen Archäologie entwickelt.
Die Ruinen von Athen sind um eine
liCue, besonders ehrwürdige bereichert wor-
den, von der freilich nur ganz geringe Reste
der Zerstörung entgangen sind: das Odeion,
welches Perikles im Jahre 456/5 erbaute,
Ariston bei Sullas Einnahme von Athen
86 V. Chr. in Brand steckte, König Ario-
barzanes IL von Kappadokien 52 v. Chr.
') Durch die große Güte der Redakteure habe
ich die Druckbogen und zum Teil die Manuskrijite
beider Zeitschriften benutzen dürfen. Leider haben
die Oavadi^vaia ihre archäologischen Berichte auf-
gegeben.
Archäolo^scher Anzeigfer 1915.
neu erbaute. Es lag neben dem Bezirk des
Dionysos -Theaters, vor dem SO. -Abhang der
Akropolis. Kastriotis hat in achtmonatlicher
Arbeit den größten Teil des Gebietes er-
forscht und seine Ergebnisse in der
'ApxatoXoYtxYj 'EcpYjjiepi? 1914, 143 ff. und in
den ripaxiixa 19 14, 81 ff. veröffentlicht ').
Wir wußten schon aus der literarischen
Überlieferung (s. die Stellen bei Kastriotis),
daß Perikles in seinem Odeion das Zelt des
Perserkönigs nachbilden ließ, wie denn auch
Abb. I. Attische Scheidemünze mit Darstellung
des Odeion.
das Holzwerk darin aus Masten und Raaen
der Perserbeute bestand. So erhielt dieses
Denkmal der Siege über die Barbaren eine
von den Theatern völlig abweichende Form:
es war ein Rundbau mit »vielen Sitzen und
Säulen, das Dach rings geneigt und steil von
einer Spitze aus abwärts geführt« (Plutarch
Perikl. 13, vgl. Vitruv V 21), also eine
Tholos, wie sie, nach dem Zeugnis des alten
delphischen Baues, seit dem Anfang des
6. Jahrh. in Griechenland bekannt war.
Das athenische Odeion muß an Größe auch
die prächtigsten Tholoi des 4. Jahrh., in
Delphi und Epidauros, weit übertroffen
haben, während es an Pracht ihnen kaum
vergleichbar war.
Nach dem Brande hat dann Ariobarzanes
den zerstörten perikleischen Bau wohl in
denselben Maßen und Formen wieder auf-
geführt. Schon seit Jahrzehnten hatte man
diesen Neubau auf einer attischen Scheide-
münze mit Wahrscheinlichkeit erkannt (Ab-
bildung I nach Kastriotis, AE. 1914, 147).
Ein ebenfalls längst bekanntes Ehrendekret
») Vgl. auch 'Apx. 'Ecp. 1914, 136 und Mistriotis,
ebenda 23.
179
Archäologische Funde im Jahre 191 4.
180
nennt die Architekten des Ariobarzanes,
Gaios und Markos Stallioi und Menalippos
(IG. III 541) ; und ein Dekret für den
Kappadokerkönig selbst (IG. III 542,
Photographie bei Kastriotis, AE. 1914, 159)
steht auf einer unkannelierten Säulentrom-
mel, die, im Dionysosbezirk ausgegraben,
aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso zum
Odeion gehört wie ein paar runde Geisa
gleichen Fundorts (Kastriotis, AE. 1914,
152). Leider sind aber die Fundamente des
Baues gänzlich zerstört, bis auf ein Stück,
Abb. 2. Odeionbank mit Eule.
das Kastriotis der Skene zuschreibt. Eine
starke, mit großen, verkohlten Holzstücken
durchsetzte Brandschicht bestätigt die Über-
lieferung, daß das Odeion zum großen Teil
aus Holz erbaut war. Von den steinernen
Sitzen hat Kastriotis zahlreiche Bruchstücke
gefunden; unter ihnen ist eines besonders
wichtig, weil es an einem Ende eine Eule in
hohem Relief trägt (Abb. 2, nach Kastriotis,
AE. 1914, 160), den Vogel der Athena,
welcher das Odeion geweiht war. Durch
dieses Fragment wird nun auch die Herkunft
zweier ähnlicher, längst bekannter bestimmt
(Sybel S. 188, Kastriotis, AE. 1914, 161 f.).
Zwei überlebensgroße Marmormasken, von
denen nur die obere Hälfte erhalten ist,
weist Kastriotis dem Schmuck des Pro-
skenions zu. Auch marmorne .A.krotere mit
Palmette und zahlreiche verbrannte Dach-
ziegel werden zum Odeion gehören.
Eine sehr interessante Stele mit doppel-
Abb. 3. Stele mit Stamnos und Kerykeion.
tem, durch eine Ritzlinie getrenntem Her-
menrelief bezeichnete wohl die Grenze zwi-
schen einem Bezirk des Hermes und dem des
Dionysos: zwar fehlt die obere Hälfte, über
den Gliedern, aber in flachem Relief sind
unten die Attribute beider Götter ange-
bracht, links der Stamnos, rechts ein ge-
flügeltes Kerykeion (Abb. 3 nach AE. 1914,
156). Die übrigen Einzelfunde umfassen
zwei marmorne Porträtköpfe (AE. 1914, 155
und 163, in letzterem vermutet Kastriotis
Ariobarzanes), ein Relieffragment aus dem
Asklepieion — Asklepios neben einer Kline,
vor ihm eine kniende Frau (AE. 1914, 136) —
i8i
Griechenland.
182
einige Inschriftenbrocken und Kleinfunde,
die von einem geglätteten Steinbeil bis zu
spätrömischen Vasen und Terrakotten füh-
ren, für die Geschichte des Odeion aber be-
langlos sind. Wenige Ruinen sind so gründ-
lich verwüstet worden: aber auch die gering-
sten Reste eines so ehrwürdigen Baues sind
uns wertvoll genug. Hoffentlich werden
uns die diesjährigen Ausgrabungen mehr
davon bescheren.
Beim Turm der Winde ist die alte
türkische Medresse (Hochschule) nieder-
gelegt worden. Es fanden sich keine nennens-
werten Mauern darunter, wohl aber viele
verbaute antike Bauglieder, Relieffragmente
und Inschriften, unter denen ein Kaiserbrief
an die Athener und Fragmente einer großen
agonistischen Urkunde hervorragen. Vgl.
den kurzen Vorbericht von KeramopuUos,
npoxTtxd 125 f.
Dem Niketempel auf der Burg hat
A. Orlandos eine erneute Untersuchung
gewidmet und dabei wichtige Ergebnisse
für den Aufbau, das Gebälk und die Ver-
teilung der Friesreliefs gewonnen (Athen.
Mitt. 1915, 27, Taf. 5, 6).
Auf Salamis ist bei dem von Pausanias
I 36, I genannten Heiligtum der Artemis
(Milchhöfer, Text zu den Karten von Attika,
Heft VII/VIII S. 17) ein wohl erhaltenes
Dekret des xoivov der Thiasoten der Bendis
gefunden worden, das St. Dragumis, 'Ap/.
'Ecp. 191 5, I ff. veröffentlicht. Es fällt ins
Archontat des Hieron, 276/5 v. Chr. und
bestätigt den schon von Fourmont abge-
schriebenen, ganz ähnhchen Text IG. II 620,
aus dem Jahre des Lysitheides (249/8.?),
der von derselben Stelle stammt. Somit ist
für Salamis wie für Munichia der Kult der
Bendis im Heiligtum der Artemis gesichert.
Merkwürdig und neu ist der Name des An-
tragstellers, 'PuOfxof, der in einem Thiasos
nicht zufällig sein mag.
Um unsere Kenntnis des Poseidontem-
pels von Sunion hat sich A. Orlandos
verdient gemacht. Im AeXxi'ov I i ff. legt
er zunächst seine Studien über Giebel und
Dach vor, die wir nun erst kennen lernen.
Die Rekonstruktionen (S. 4, 19) beruhen auf
genauester Untersuchung der wenigen er-
haltenen Bauglieder und sind fast in allen
Einzelheiten gesichert. Von verwandten
Bauten des 5. Jahrh. sind die Analogien
sorgsam herangezogen und dadurch das
Alter des Tempels von Sunion fest bestimmt
(bald nach 450).
Wie dankenswert und_j£lohnend ; es ist,
längst bekannte Bauwerke von neuem zu
untersuchen, hat Orlandos besonders klar an
einem dritten Beispiel gezeigt: dem Apol-
lontempel vom Ptoion (AsXtiov I 94 —
IIO). Wir verdanken ihm den ersten Plan
und Aufriß dieses wichtigen Heihgtums
(Abb. 4 und 5 nach S. 104/5 ^) ) 1 "^d wer die bis
zu den Fundamenten zerstörte Ruine und
die wenigen, arg verstümmelten Bauglieder
im Museum von Theben kennt, staunt über
diese Wiederherstellung, um so mehr, als
der schlechte, stark verwitterte Porös vom
Ptoion genaue Messungen sehr erschwert.
Trotzdem ist es Orlandos gelungen, eine fast
in allen Einzelheiten gesicherte Rekonstruk-
tion zu geben imd durch eingehendes Stu-
dium aller Profile und Schmuckformen auch
die Geschichte des Heiligtums in ihren
Hauptlinien zu bestimmen.
Zur Zeit, als die altertümlichen Apollines
im Ptoion aufgestellt wurden, stand hier
wohl ein hölzerner Tempel. In der zweiten
Hälfte des 6. Jahrh. ist er durch einen stei-
nernen ersetzt worden, vielleicht durch die
Peisistratiden (Basis des Hipparchos, Compt.
rendus de l'Acad. 1892, 91). Erhalten sind
von diesem Bau nur ein paar Fragmente
der tönernen Sima und Stirnziegel. Aber
wir können seine Gestalt erschließen, weil
der jüngere Tempel sie beibehalten hat:
denn die langgestreckte schmale Cella des
im Fundament erhaltenen Baues, mit tiefem
Pronaos und ohne Opisthodom, mutet durch-
aus altertümlich an, während andererseits die
Formen der Kapitelle und Triglyphen, die
feinen Kymatien am Epistyl und Geison in
die zweite Hälfte des 4. Jahrh. weisen.
Dieser Ansatz wird durch historische Er-
wägungen dahin präzisiert, daß der alte
Tempel wohl zugleich mit der Stadt Theben
(zu der ja das Heiligtum von jeher gehörte)
im Jahre 335 durch die Soldaten Alexanders
des Großen zerstört und 316 durch Kassander
auf den alten Fundamenten neu erbaut
') Leider haben in beiden Aufsätzen Orlandos'
feine Zeichnungen durch die Verkleinerung gelitten.
183
Archäologische Funde im Jahre 191 4.
184
wurde. So hat uns Orlandos tatsächlich den
ersten Tempel dieser Zeit auf dem griechi-
schen Festlande wiedergeschenkt.
Aus Theben stammt ein schöner und
wichtiger Fund, den
Papadakis im *
Jahre 191 2 gemacht
und nun publiziert
hat CApx. 'Ecp. 1914,
117 ff. Taf. 3): in
einem Frauengrab,
das durch helle-
nistischen Schmuck
(einen Grabkranz
aus Bronze und
Tonperlen , ein Paar
Ohrringe mit klei-
nen Eroten) und
zwei tönerne Büch-
sen etwa ins 3. Jahrh.
V. Chr. datiert wird,
lag ein trefflicher
bronzener Klapp -
Spiegel, mit hohem
Relief innerhalb
eines Flechtband -
rahmens: ein jugend-
licher Satyr mit
Keule und ein Mäd-
chen sitzen einan-
der gegenüber auf
Felsen; zwischen
ihnen wächst im
Hintergrunde ein
Baumstamm. Über
dem Grabe lagen
in der Erde ein paar
bunt bemalte helle-
nistische Vasen, ein
gefirnißter Glocken -
krater und einige
tönerne »Tränen-
fläschchen«, offen-
bar Reste von den
Totenopfern an der
Gruft.
InEretria war zufällig, etwa 500 m süd-
östlich vom großen Apollotempel, eine Basis
mit der Weihinschrift Ai^uirtioi "IcjiSi ge-
funden worden. Diesem Anzeichen folgend
hat Papadakis hier im Sommer 1914 ge-
graben und seine Ergebnisse im AeXtiov
Abb. 4. Apollontempel vom Ptoion; Plan.
1 1 5 fif. veröfifentlicht. Innerhalb einer Insula
von Häusern römischer Zeit, die bisher nur
teilweise freigelegt sind (Plan auf S. 118),
erhob sich der kleine Tempel der ägyptischen
Götter,ein schlichtes
templum in antis,
von dem noch der
steinerne Unterbau
und die untersten
Trommeln der bei-
den Säulen des
Pronaos erhalten
sind; der Oberbau
bestand aus Lehm-
ziegeln. Nahe der
Rückwand der Cella
ist ein breites Ba-
thron aus Ziegel-
brocken erbaut, da-
hinter, an der Rück-
wand selbst, ein
kleines Bathron und
eine Umfriedung aus
aufrechten Platten,
vielleicht für heilige
Gewächse bestimmt ;
auf dem großen Ba-
thron lagen noch
mehrere Weihe -
gaben.
In der Mitte der
Cella steht eine un-
kanellierte kleine
Säule, die einst
den Opfertisch, die
TpairsC«, trug. Im
Pronaos ist links
vom Eingang eine
rechteckigeMarmor-
basis erhalten. Pa-
padakis vermutet,
daß darauf eine
Sphinx lag, wie auf
dem Wandgemälde
eines Isis-Heiligtums
bei Mau,Pompejii62.
Ursprünglich stand das Tempelchen frei
in einem rechteckigen Hofe, dessen breiter,
mit zwei marmornen Pfeilern geschmückter
Eingang in der Achse des Tempels liegt.
Später hat man vor dem Pronaos noch eine
Art inneren Vorhof erbaut, dessen Mauern,
185
Griechenland.
i86
Abb. 5. Apollontempel vom Ptoion ; Aufriß.
aus Ziegelbrocken und Lehm geschichtet,
niemals ein Dach getragen haben. In der
SW.-Ecke dieses Vorbaus, beim Eingang in
den Tempel, steht die oben erwähnte Basis
mit der Weihinschrift der Ägypter, offenbar
der in Eretria ansässigen ägyptischen Kauf-
leute; daneben liegt eine quadratische Opfer-
grube, aus vier Marmorplatten schön gefügt,
die leider nur mehr Kohlenbrocken und
einige architektonische Fragmente enthielt.
Den Hof, in dem der Tempel stand, umgab
auf drei Seiten noch eine breite Halle mit
hölzernen Stützen und langen gemauerten
Bänken, den Kreuzgängen neugriechischer
Klöster vergleichbar. Von hier aus konnte
man über die niedrige Hofmauer hinweg-
sehen, was im Heiligtum geschah; aber nur
die Eingeweihten hatten Zutritt zum Kulte,
und vielleicht hat man den späteren Vorbau
vor dem Tempel errichtet, um die Opfer an
der heiligen Bothros neugierigen Blicken
Unbefugter zu entziehen. Damit könnte
auch die ebenfalls jüngere Anlage einer
zweiten, sorglos erbauten Opfergrube, nahe
dem Eingang des Hofes, zusammenhängen.
In den äußeren »Kreuzgang« führte, an
seiner NO. -Ecke, ein von Basen eingefaßtes
bescheidenes Tor. Vor einem ziemlich kunst-
losen Mosaik, das einen Teil des Innenhofes
schmückte, sind nur drei Felder erhalten:
sie zeigen ein Krokodil, einen Vogel (Ibis.'')
und folgende Inschrift: 'AXe^ittito? "A^vwvo?
xal K>.£apsT7] 'Afxcptvuou la xovtafiaxa täv
xoiymv xal xmv iSacpciv toT? Osor[?.
Wer diese Götter sind, lehren mehrere
andere Weihungen an Isis und ihre auvvaoi
xal a6}iß«)[jioi Osot. Von den xovta'fiCtTa der
Wände sind viele Bruchstücke erhalten: sie
ahmten in bemaltem Stuck bunte Marmor-
platten nach.
Ob die dem Heiligtum benachbarten
Häuser, wie es wahrscheinlich ist, zu diesem
187
Archäologische Funde im Jahre 1914.
188
gehören, wird sich erst nach ihrer völligen
Freilegung ermitteln lassen. Bisher sind nur
einige nördlich vom Iseion liegende Zimmer
ausgegraben. Leider ist die Zerstörung
überall eine recht gründliche gewesen. Außer
einigen Inschriften (Stelen, Altären und
Basen) und vielen architektonischen Frag-
menten hat Papadakis nur zwei der üblichen
Marmorstatuetten der thronenden Isis-Ky-
bele mit ihrem Löwen gefunden, ferner eine
hübsche kleine Marmorgruppe (Jüngling und
Frau, nach Papadakis Aphrodite und Ado-
nis), den Oberkörper einer ungewöhnlich
großen tönernen Frauenstatue (H. 0,35 bis
zu den Hüften), einige hellenistisch -römische
Vasen und Lampen, Dachziegel, zum Teil
mit dem Stempel 'EpsiptEtov, und endlich
einen kleinen Schatz von 352 Kupfermünzen,
die auf dem »Bathron« des Tempels unter
einem Gefäß lagen.
Über das HeiHgtum der Pasikrata in
Demetrias habe ich nach Arvanitopu-
los' freundlichen Mitteilungen schon früher
berichtet (A. Anz. 1913, 97; 1914, 127), Ln
AsXtiov, Beiblatt S. 56, publiziert er nun
mehrere der Weihinschriften von dieser
Stätte, die es außer Zweifel stellen, daß sie
wirklich der Pasikrata geweiht war. Nur
ein Stein trägt den Namen der Artemis
Enodia, die auch sonst in Thessalien häufig
begegnet. Unter den zahlreichen hier ge-
fundenen Statuetten aus Ton und (selten)
aus Marmor überwiegen bei weitem praxiteli-
sche Aphroditetypen; vereinzelt nur er-
scheint Artemis, als Jägerin gebildet. Dem-
nach wird man Pasikrata eher Aphrodite
angleichen als Artemis , trotz der "Apie}!!?
naatxpaxa der ambrakischen Inschrift bei
Dragumis, 'Ap/. 'Kcp. 1910, 397. FreiHch
könnte die unmittelbare Nachbarschaft einer
ausgedehnten Nekropole auch den Gedanken
nahelegen, daß es sich um (Persephone)
Pasikrata handle (vgl. Dragumis a.a.O.);
doch bestätigen die Funde diese Annahme
nicht. Leider ist der Tempel der Göttin
selbst noch nicht entdeckt. Ihr Kult reicht
nach den Funden ins 5. Jahrh. hinauf, ist
also der Anlage von Pagasai gleichzeitig und
dann mit dessen^Einwohnern in das neu er-
baute Demetriasjjübergesiedelt ;(vgl.^A. Anz.
1914, 126).
In der Nekropole hat Arvanitopulos eine
schöne Stützmauer aufgedeckt, die längs
einer von Demetrias südwärts laufenden
Straße errichtet ist und wahrscheinlich einst
eine Reihe von Naiskoi mit den bekannten
bemalten Grabstelen trug. Denn hinter
dieser Fassadenmauer sind durch kleine
Mäuerchen rechteckige und quadratische
Grabbezirke abgeteilt. In diesen liegen zu
oberst ärmliche Ziegelgräber römischer Zeit,
die meist nur eine Aschenurne, ein oder
mehrere einfache Väschen und eine Lampe
enthalten. Unter diesen, vielfach durch die
späten Eindringlinge beschädigt, sind in
geräumigen Gruben die Plattengräber der
ursprünglichen Herren dieser Grabbezirke
gefunden worden. Doch sind auch sie be-
trächtlich jünger als die Mitte des 3. Jahrh.
V. Chr. Denn als Grabplatten sind ein paar-
mal Stelen mit Inschriften aus dieser Zeit
verwandt worden. Die älteste Nekropole von
Demetrias bleibt demnach noch zu finden.
Aus seiner reichen epigraphischen Ernte
in Gonnoi gibt uns Arvanitopulos wei-
tere Früchte in drei Aufsätzen dGr^ApyoLio-
XoTfixrj E'fTjfxepis (1914, 4, 167; ipiS, 3)-
Ich erwähne das Grabepigramm eines Aristo -
genes in ganz netten Distichen, sowie ein
sehr verstümmeltes Paar von Distichen von
dem Grabmonument eines Damokrates, der
seine Vaterstadt vor Suöjxevstov av[8p«)v
gerettet hatte; Weihungen, vor allem an
Athena Polias; ein langes Dekret aus dem
Athenaheiligtum, über die Wahl eines Oecopo-
86x0?, zum Empfang der Theoren aus Athen,
mit der Abschrift eines attischen Proxenie-
beschlusses für den Ernannten; dann eine
Reihe von Proxeniedekreten für Richter aus
anderen thessalischen Städten, und ein paar
Freilassungen. Einige südthessalische In-
schriften gibt Giannopulos, 'Apx- 'Ecp. 1914,
88; 191 5, 75-
Arvanitopulos hat auch die beiden my-
kenischen Kuppelgräber von Di mini, wie
im Vorjahre das von Kapakli bei Volo, ge-
reinigt und, wo sie baufällig waren, re-
pariert. In der Nähe der ganz erhaltenen
Tholos fand er dabei ein aus kleinen Steinen
erbautes, rechteckiges Grab, das zwei Ske-
lette, gewöhnliche thessalisch -geometrische
Vasen und zwei Bronzemesser enthielt.
Wichtiger ist eine Gruft der gleichen Zeit,
in der Nekropole des alten Jolkos (Volo),
i89
Griechenland.
190
welche den alten mykenischen Kuppelbau
in sehr schlechter Technik nachahmt. Sie
enthielt 70 verbrannte Leichen, gegen 30
geometrische Vasen und zwei schwarz-
figurige Lekythen, Eisenschwerter, einiges
bronzenes Gerät und Goldschmuck (2 ein-
fache Diademe, Ringe, Nägel, ein gedrehtes
Armband), einen kleinen Skarabäus und ein
altertümliches Siegel aus Steatit. Hoffent-
lich wird Arvanitopulos diesen wichtigen
Fund bald publizieren. S. vorläufig 'Ap)(.
'E<p. 1914, 141.
In der Hauptstadt von Makedonien,
P e 1 1 a , der Heimat Alexanders des Großen, hat
Oikonomos viel versprechende Ausgrabun-
gen begonnen (IlpaxTixa 1 914, 127). Die
Ruinenstätte liegt eine Stunde südwestlich
von Jenitza, beim Dörfchen "A^. 'Attooto-
Xoi. Pel oder Pella heißt noch heute eine
alte Zisterne, 20 Minuten vom Dorfe,
Zunächst hat Oikonomos eine unterirdi-
sche Felskammer erforscht, zu der eine
Treppe von 30 Stufen hinabführt. In ihre
Wände sind fünf Nischen eingearbeitet, der
fünften gegenüber führt eine Tür in eine
Seitenkammer. Der Zweck der Anlage bleibt
dunkel. Ein früher geöffnetes Grab aus
dieser Gegend (Chrysochoos , flapvaoo? I
1896, 13) sieht anders aus. Unter den sehr
spärlichen Funden befinden sich Nägel einer
Tür. Wichtiger ist ein geräumiges Haus,
dessen vom Brand stark angegriffene Reste
erst teilweise freigelegt sind. Nach der Bau-
art ist es ein hellenistischer, nach den Funden
ein reicher Bau: unter diesen ragt die pracht-
volle Bronzelehne eines Ruhebettes hervor,
mit den Köpfen eines jugendlichen Satyrs
und eines weinbekränzten Maultiers an den
Enden. Bemerkenswert sind ferner ein
bronzenes Feuerbecken, ein sonderbarer
Herd aus Ton und Eisen, hellenistische ge-
firnißte Vasen und Lampen und Münzen,
die von Philipp IL und Alexander bis in den
Anfang der Römerherrschaft (168 v. Chr.)
reichen. Um diese Zeit scheint das Haus
verbrannt zu sein, das Oikonomos' Arbeit
hoffentlich noch reich belohnen wird.
Aus Salonik sind bisher nur äußerst
spärliche Altertumsfunde bekannt geworden.
Deshalb sind einige spätrömische Ziegel-
gräber willkommen, die Oikonomos im
Jahre 191 3 ausgegraben hat (AeXxiov, Bei-
blatt 59); sie enthielten bunt bemalte Terra-
kottafiguren, Münzen und zwei goldene
Charongroschen: der eine trägt das Bild der
Stadt -Tyche, mit der Mauerkrone und der
Inschrift ösöCJaXovtxTj?, der andere eine Nike.
Einige verstreute Bildwerke hat Oikonomos
im Museum von Salonik vereinigt (meist
späte Grabreliefs der Kaiserzeit), andere in
der neu entstehenden Sammlung von Karitsa
(Dion) bei Katerini. Bemerkenswert sind
darunter eine Marmorstatuette des Hermes
mit dem Widder (gute Arbeit des 2. Jahrh.
V. Chr.) und ein archaistisches Relief eines
Mädchens (AeXriov, Beiblatt 44).
Seine epigraphische Ausbeute publiziert
Oikonomos in einem besonderen Werke,
'Euqpacpal xtj? MaxeSovia?, von dem das
erste Heft vorliegt. Es umfaßt die In-
schriften von Dion, darunter einen leider ver-
stümmelten Vertrag König Philipps V. mit
der Stadt Lysimacheia auf der thrakischen
Chersones, einen Paian auf Asklepios und
seine Familie, die Grabinschrift eines Bi-
thyniers in Distichen, den Grabstein eines
Marianos, der als Jäger in Relief dargestellt
ist, vor ihm seine trauernde Gattin, auf den
Seiten je ein Löwe und ein Stier; ferner
einige römische Inschriften; ich erwähne den
Grabstein des Picenus, sig(nifer) coh(ortis) V,
mit der Reliefdarstellung seiner Waffen und
Phalerae, seines Pferdes und Knappen;
unter den Phalerae eine Schlange. Von dem
interessanten Grabrelief aus Dranista, mit
einem figurenreichen »Totenmahl« (S. 36),
wird uns hoffentlich Oikonomos bald eine
ausführliche Publikation geben.
Kuruniotis behandelt in der 'Ap/. 'Ecp.
1914, 99 eingehend das von ihm 191 2 aus-
gegrabene Kuppelgrab von P y 1 o s. Die hohe
Bedeutung dieser Gruft wird nun erst klar.
Sie war eingestürzt, aber unberaubt und
enthielt, etwa i m über dem Boden, eine
Reihe von Leichen, die als liegende Hocker
bestattet und nach den Beigaben in die
Wende der mykenischen und der »geometri-
schen« Zeit zu setzen sind: ein sehr wichtiges
chronologisches Merkzeichen. Auf dem
Boden des Grabes und in einem runden Loche
lagen die Gebeine von weit über 30 Toten,
die unverbrannt beigesetzt waren. Doch
enthielt die Gruft Asche und Tierknochen
von zahlreichen Totenopfern. Von den einst
ipr
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
192
gewiß reichen Beigaben ist nur wenig er-
halten: ein Fingerring aus Golddraht, ein
paar gläserne Schieber, ein konischer Stea-
titknopf, vier Eberhauer von einem Helm
und Scherben dreier großer »Amphoren«,
die denen von Kakovatos gleichen. Gegen
Ende der mykenischen Periode ist das alte
Grab offenbar gründlich ausgeraubt worden.
Dann hat man in seinen Boden zwei Gruben
gegraben, die Skelette und jungmykenische
Vasen enthielten. Unter diesen ist beson-
ders eine Büchse bemerkenswert, auf der
ein Segelschiff gemalt ist (Abb. 6). Über
seinem Vorderteil schwimmt ein Fisch, wie
auf den vormykenischen gravierten Pfannen
aus Syra, 'Apx- 'Ecprjjx. 1899, 90 (Abb. 7).
So lange können Typen leben!
Auf Kephallonia hatte schon vor zwei
Jahren Kyparissis ein mykenisches Felsen-
untersucht und dabei Blöcke, Säulentrom-
meln .und ein Kapitell eines großen dori-
schen Porostempels gefunden, dessen Funda-
mente uns hoffentlich die nächste Kampagne
bescheren wird. Von diesem Heihgtum
stammen auch zahlreiche Weihgeschenke:
den tanagräischen verwandte Terrakotten,
Miniaturgefäße und -lampen, wie sie in eli-
schen Heiligtümern häufig sind, elische ge-
firnißte Vasen, bronzene Ohr- und Finger-
ringe. Man sieht, daß die Insel im 4. Jahrh.
wenigstens in Kunst und Handwerk von
Elis abhängig war. Einen schönen »homeri-
schen Becher« aus seiner vorletzten Kam-
pagne publiziert Kyparissis in der 'Ap/. 'E^.
1914, 210, Taf. 6.
Rhomaios' Tätigkeit in Thermon ist
ganz besonders fruchtbar gewesen (AsXtiov
Heft 2). Schon vor ein paar Jahren (1911/12)
Abb. 6. Segelschiff auf Vase aus Pylos.
grab beim Orte Diakata entdeckt. Nun hat
er in der Nähe ein ähnliches kleineres ge-
öffnet, das zwei Grüfte mit reichen Beigaben
enthält (AeXtiov, Beibl. 59): zwei bronzene
Schwerter und Fragmente von ein paar
Dolchen, Perlen aus Gold, Glas und Halb-
edelsteinen, eine große Bronzefibel und zahl-
reiche Vasen der auf der Insel üblichen spät-
mykenischen Gattung.
Auf demselben Hügel lag auch eine Menge
von Gräbern des 5. und der folgenden Jahr-
hunderte, die leider alle zerstört waren. Doch
bargen sie noch einigen Schmuck (zwei
goldene Ringe, ein silbernes und ein bronze-
nes Paar Ohrringe, 7 Münzen (von Korinth,
Sikyon, Atollen u. a.) und mehrere gefirnißte
Vasen, unter denen besonders die elische
Gattung bemerkenswert ist. Außerdem hat
Kyparissis auf dem benachbarten Palaio-
kastron die alten polygonalen Ringmauern
hatte er die drei Tempelruinen an dieser
Stätte genau erforscht und unter den massen-
haften Resten architektonischer Terrakotten
fünf Serien geschieden, die sich auf die ver-
schiedenen Stadien jener drei Bauten ver-
teilen. Dann hat er auch die tieferen Schich-
ten, besonders im und um den Apollotempel,
näher untersucht. Seit Sotiriadis' erster
Grabung galten die Mauern unter dem jetzi-
gen Tempelfundament für Altarreste »geo-
metrischer« Zeit, so schwierig es auch war,
die elliptischen und rechtwinkhgen Mauer-
züge so unterzubringen. Nun hat uns Rho-
maios schon 191 2/1 3 belehrt, daß unter dem
klassischen Heiligtum ein prähistorisches
Dorf lag. Es waren meist »Kurvenbauten«,
runde und elliptische Häuser, wie sie all-
mähhch fast allerorten in Griechenland und
speziell unter Tempeln späterer Jahrhunderte
(z. B. in Ägina, Eretria, Olympia) erscheinen.
193
Griechenland.
194
Im ganzen hat Rhomaios bisher 10 Kurven-
bauten, 3 rechteckige und ein ganz singu-
läres dreieckiges Haus aufgedeckt. Vor
allem aber können wir jetzt die Schichten
klar unterscheiden: unter dem Tempel -
niveau des 7. Jahrh. liegt zunächst eine mit
Asche stark durchsetzte Opferschicht, die
geometrische Scherben und Bronzen (dar-
unter Doppelbeile) und ein halbes Dutzend
Eisenlanzen enthält. Unter dieser Opfer-
schicht liegen jene Häuserfundamente, die
demnach allesamt älter sind. Sie enthalten
weder Eisen noch geometrische Scherben,
wohl aber einheimisch monochrome Gattun-
gen, besonders eine der »minyschen« ver-
wandte grünlichgraue Ware mit interessanten
eigenartigen Typen, ferner eine der obersten
Schicht von Lianokladhi in Thessalien ähn-
liche Keramik (Wace -Thompson, Prehistoric
Thessaly 181 ff.) und echtmykenische Vasen
sowie lokale Nachahmungen von solchen.
Diese beiden klar geschiedenen Haupt -
Perioden von Thermon bilden einen neuen
Beweis — zu vielen andern — , daß die geo-
metrische Kunst der ersten Eisenzeit jünger
ist als die mykenische Bronzezeit. Unter den
geometrischen Bronzen von Thermon ragt
eine mit Lanze und Schild bewehrte Göttin
hervor, das älteste Bild der Athena, wenn
wir nicht mit Rhomaios darin die Be-
schützerin von Atollen, Artemis, erkennen
wollen. Sonst gleichen jene Bronzen den
olympischen. Überhaupt drängt sich der
Vergleich mit Olympia auf: hier wie dort
unter einem alten Tempel aus der zweiten
Hälfte des 7. Jahrh. zunächst eine »geo-
metrische« Schicht, darunter ein Dorf des
2. Jahrtausends. Aber während dieses in
Olympia durch eine Schwemmschicht des
Flusses völlig begraben und vergessen war,
als der Kult in der Altis begann, scheint in
Thermon die Kontinuität nicht unter-
brochen zu sein. Das größte eUiptische Haus
{A bei Rhomaios) ist 22 m lang, 6 m breit,
durch Quermauern in drei ungleiche Zimmer
geteilt (2,50; 17; 2,50m lang). Wichtiger
noch ist das zweitgrößte, das unter dem
Tempel liegt: es ist 21,40m lang, 7,30 m breit,
die drei Zimmer messen 2,20; 9,13; 8,15 m
lang. Die Mauerkurven an den Enden sind
sehr flach. Von Innensäulen ist keine Spur zu
sehen, dagegen gehören zu diesem Hause die
schon bekannten 18 Steinbasen von hölzernen
Säulen. Es ist also der älteste bisher ent-
deckte Bau mit einer äußeren Ringhalle, die,
wie es scheint, einen späteren Zusatz zu dem
längst bestehenden Bau bedeutet. Im Innern
lassen sich vier Brandschichten mit Tier-
knochen scheiden, während außerhalb der
Mauern keine Asche erscheint. Nur die
V%
Abb. 7. Schiffe auf gravierten Pfannen aus Syra.
oberste (stärkste) Schicht enthielt geometri-
sche Bronzen, während ein paar Eisenlanzen
auch noch etwas tiefer vorkommen. Die
ursprüngliche Bauzeit dieses Hauses ist un-
bekannt. Besonders wichtig ist es aber, daß
der älteste Apollotempel in den Maßen seiner
Cella jenem alten Bau entspricht; er stand
also im 7. Jahrh. noch und wurde durch den
Tempel kurz vor 600 v. Chr. ersetzt. Zu
diesem gehören die ältesten Terrakotten,
nicht zum alten eUiptischen Bau B (wie
195
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
196
Koch, AM. 1914, 254; RM. 1915, 61 an-
nimmt). So gelangt Rhomaios zu dem
Schlüsse, daß A das Herrenhaus im 2., B im
Anfang des i. Jahrtausends v. Chr. war; in
diesem hätten auch bis zum Ende des
7. Jahrh. die Opfer stattgefunden. Ich
möchte lieber annehmen, daß mit den Um-
wälzungen, die gegen Ende des 2. Jahr-
tausends überall die alten Fürstenburgen
brachen, ein Herrenhaus auch in Thermon
überflüssig wurde, daß also B von Anfang
an ein Tempel, der älteste von Griechenland,
war. Auf alle Fälle ist es das erste gut er-
haltene Haus »geometrischer« Zeit.
Über diesen überaus wichtigen neuen
Funden wollen wir die Fürsorge nicht ver-
gessen, die Rhomaios seit Jahren dem Lokal-
museum von Thermon widmet. Er hat es
erweitert, ausgebaut, geordnet, die unge-
heuren Haufen architektonischer Terrakotten
in mühsamer Arbeit in Gruppen geschieden,
ihre Fragmente zusammengesetzt. Auch
bisher unbekannte Stücke bemalter tönerner
Metopen der kleineren Serie (Ant.' Denkm.
n 52 a, S. 6) hat er entdeckt: sie tragen
Teile von Löwen, Pferden, Kentauren, doch
ließ sich keine neue Metope ganz zusammen-
fügen. Besonders wichtige Überraschungen
sind dann noch Stirnziegel mit Hundeköpfen
des 6. Jahrh., die man nach der Analogie von
Epidauros vielleicht einem Artemistempel
zuschreiben darf, sowie ein überlebensgroßer
tönerner Löwe, ein Weihgeschenk, das den
Marmorlöwen von Delos vergleichbar ist.
Kleinere votive Löwen aus Ton kennen wir
schon von Olympia und Praisos her.
Einige Ausflüge in der Umgegend haben
Rhomaios ebenfalls gute Erfolge eingebracht:
außer ein paar noch auszugrabenden Stätten
die späte Bronzestatuette eines Hopliten,
der mit der Rechten die Augen beschattend
ausspäht (ditoaxo7ceua>v, vgl. Furtwängler,
Satyr von Pergamon 16 f.), und die prä-
historische Tonstatuette einer schwangeren,
knienden, also wohl gebärenden Frau, ein
ein ganz einzigartiges Stück (AeXtiov,
Beibl. 48).
Übrigens setzt in demselben Hefte des
AeXtiov S. 45 ff. Sotiriadis die lange
unterbrochene Publikation der von ihm ge-
fundenen Inschriften von Thermon fort. Die
meisten sind Proxeniendekrete des Koinon
der Ätolier, aus dem letzten Drittel des
3. Jahrh. Bisweilen sind mehrere Dekrete
auf einem Steine vereinigt. Unter den Sta-
tuenbasen sind zwei beachtenswert: eine trug
den Hipparchen Paidias und war ein Werk
eines Lysippos, jüngeren Namensvetters des
großen Meisters, auf der andern steht in vier
gelehrten Distichen das Lob eines im Kampf
gefallenen Jünglings, dem sein Vater Drakon
dies Denkmal setzte.
Die Arbeit in dem neu befreiten Epirus
ist erst begonnen. Über die epigraphischen
Früchte einer Reise im nordwestlichen Teile
dieser Provinz berichtet Evangelidis, *Ap/.
*Ecp. 1914, 232. Interessant ist vor allem die
Weihung eines xoivöv taiv ou^YO^*"^ ^^ ^^'
seidon aus Tepeleni. — In Nikopolis hat
Philadelpheus die christlichen Ruinen
untersucht und von zwei freigelegten wichti-
gen Kirchen, der dreischiffigen Basilika 'Ava-
XTfjtJits und dem frühchristlichen Saalbau der
H. Apostel, Pläne und Ansichten publiziert
{'Apx. 'Ecp. 19 14, 249).
Aus Kytherahat Stais den Inhalt zweier
von ihm geöffneter mykenischer Gräber ins
Athener Nationalmuseum gebracht. Er um-
faßt interessante, eigenartige Vasen der IL —
III. spätminoischen Periode und ein merk-
würdiges Steatitgefäß mit graviertem Spiral-
netz. Stais wird sie in den Athenischen Mit-
teilungen nächstens publizieren und hoffent-
lich bald auf Kythera weiter graben. Denn
dort darf man hoffen, Verbindungsglieder
zwischen der minoischen und der festlän-
disch mykenischen Kultur zu finden.
Die große Bedeutung der frühminoischen
Kuppelgräber, die Xanthudides in der
Ebene der Messarä auf Kreta entdeckt
hat, habe ich schon mehrfach betont (A. Anz.
1907, 107. 1909, 99). Die größte und
reichste von diesen Stammesgrüften hat er
nun bei Platanos, eine Stunde südlich von
Gortyn, ausgegraben (AeXtiov, Beibl. 60).
Leider ist sie, wie fast alle andern, arg zer-
stört, doch steht die südliche Hälfte des
Mauerringes noch 0,70 m hoch; der äußere
Durchmesser betrug gegen 18 m, der innere
13,10 m. Auf dem Boden der Gruft lassen
sich zwei Schichten scheiden. Die untere ent-
hielt viele Knochenreste, ein wenig Gold-
schmuck und ein Dutzend altertümlich drei-
eckiger bronzener (oder wohl eher kupferner)
197
Griechenland.
198
Dolche. Diese Schicht und der gestampfte
Lehmboden des Grabes unter ihr wiesenzahl-
reiche Brandspuren auf, die wohl von Opfer-
feuern stammen, während sich Leichenver-
brennung nirgends nachweisen läßt. In der
oberen, jüngeren Schicht lagen viele unver-
brannte Skelette und eine erstaunliche Menge
kostbarer Beigaben: über 50 goldene Perlen,
Schieber, Plättchen und Ringe, zwei Diademe
und viele Bänder und Drähte von Gold; aus
Kupfer oder Bronze 50 Dolche der jüngeren
länglichen Form, ein paar Pinzetten, Meißel,
Äxte und zwei kleine votive Doppelbeile
(mit die ältesten Exemplare der typischen
minoischen Labrys); gegen 15 elfenbeinerne
Petschafte und Amulette, darunter zwei
gegenständig sitzende Affen und ein ägypti-
sierendes Figürchen; ein Alabasteridol mit
keilförmigem Bart, das an frühdynastische
ägyptische Figuren erinnert; 380 Stein -
gefäße verschiedener Form und Größe, aus
Alabaster, Steatit, Schiefer, bunten Marmor-
und Brecciasorten aufs sorgsamste herge-
stellt. Sie wetteifern in ihrer Schönheit mit
den gleichzeitigen Schätzen von Mochlos im
östlichen Kreta, denen sich nun zum ersten
Male der Inhalt eines Grabes der Messarä
ebenbürtig zur Seite stellt. Die Steingefäße
lagen nicht im Kuppelraum, sondern in
kleinen Gruben außen an seiner Ostseite. An
Tongeschirr hat dagegen diese Tholos viel
weniger geliefert als die übrigen der Messarä.
Wenige Meter westlich hat Xanthudidis noch
ein zweites großes Kuppelgrab konstatiert.
Wir dürfen an seine Ausgrabung die besten
Hoffnungen knüpfen.
Hazzidakis hat bei Gürnes, südöstlich
von Knossos, eine kleine, frühminoische
Nekropole ausgegraben (AsXxiov 59) . Die
Toten lagen zu Haufen zwischen Mäuerchen
gebettet, genau wie es bei armen Leuten noch
in mittelminoischer Zeit üblich war (BSA.
VIII 290, XI 269, Palaikastro). Die Bei-
gaben umfassen die üblichen bemalten Vasen,
ein Steatitgefäß, Tritonmuscheln, 5 elfen-
beinerne Siegel und vor allem einige
Glasperlen und eine weibliche Tonstatuette,
die denen von Petsofä gleicht. Demnach
wird man diese Gräber in die Wende von
früh- und mittelminoischer Zeit setzen. Eine
benachbarte Opfergrube (?) enthielt viele
Hunderte roher, handgemachter, unbemalter
Kännchen: wieder etwas Neues im Kreise
minoischer Kultanlagen. Ein benachbar-
tes spätminoisches Felsgrab mit tönernen
Larnakes fand Hazzidakis ausgeraubt, einige
andere harren noch der Erforschung.
Von der Stätte des minoischen Palastes
von Tylissos beschert uns Hazzidakis dies-
mal eine Gabe klassischer Zeit, einen langen
Vertrag zwischen Knossos und Tylissos, aus
der Mitte des 5. Jahrh. ('Ap/. 'Ecp. 1914, 94).
Sehr erfreulich ist es, daß auch im Westen
von Kreta sich archäologisches Leben zu
rühren beginnt. E. N. Petroulakis hat
sich des jungen Museums von Rhethymnos
angenommen und dort auch die Funde
zweier kleiner Ausgrabungen vereinigt ("Ap/.
'E9. 1915, 43 — 52). Bei Atsipas in der
Provinz H. Vasilios ergab eine kurze Kam-
pagne in einer jungminoischen Nekropole
21 Gräber von Kindern, die in großen und
kleineren Töpfen beigesetzt waren. Die Bei-
gaben bestehen aus bescheidenen Väschen
(Kannen, Bügelkannen, Askoi), alle aus der
dritten spätminoischen Periode. Wichtiger
ist eine Reihe von Terrakotten (gegen 200),
die aus einem Heiligtum bei Axos stammen.
Ein an derselben Stelle gefundenes Demeter-
relief geringer römischer Arbeit belehrt uns
wohl über die Göttin, der diese Tonfiguren
gehörten. Es sind größere und kleinere
stehende, langgewandete Frauen, eine ältere
Gruppe aus dem 5., eine jüngere aus dem 4.
und späteren Jahrhunderten. Von einer
lebensgroßen Tonstatue ist nur der beschuhte
linke Fuß und ein Gewandrest erhalten.
Außerdem sind noch ein paar Schweinchen
zu nennen. Hoffentlich werden die Aus-
grabungen hier fortgesetzt und führen zur
Entdeckung des Heiligtums.
Endlich hat Petroulakis ('Apx- 'Ecp. ipH,
222 — 235) auch neue Inschriften von Genna
und Eleutherna gesammelt und eine längst
bekannte antike Brücke, in der Nähe von
Eleutherna, zum ersten Male eingehender
besprochen und abgebildet'. Sie ist aus
Quadern sorgsam geschichtet, die in der
Mitte überragend ein rechtwinkliges Dreieck
bilden. Trotz dieser wenig praktischen Bau-
art dient sie noch heute dem Verkehr.
Ausgrabungen auf Chios sind seit Jahr-
zehnten ein frommer Wunsch der Archäologie
gewesen. Darum begrüßen wir es freudig.
199
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
200
daß Kuruniotis seine nun mit Griechen-
land wieder vereinigte Heimat zu erforschen
unternommen hat. Die Ergebnisse seiner
ersten Kampagne gibt er im As^ttov S. 64
— 93 (vgl. auch A. Anz. 1914, 128). Zu-
nächst hat er 3/4 Stunden von der Haupt-
stadt der Insel, bei einem heute noch Latomi
genannten Hügel, eine ausgedehnte Nekro-
pole des 6. — 5. Jahrh. untersucht. 30 Gräber
wurden geöffnet. Sie bestanden allesamt aus
tönernen Sarkophagen, welche den bekann-
ten klazomenischen in der Form und Größe
durchaus gleichen, aber unbemalt sind ^).
Als Deckel dienten ihnen mächtige, mit
Rippen verstärkte Ziegel, die offenbar eigens
zu diesem Zweck gefertigt wurden. Fast alle
diese Särge entbehrten der Beigaben; nur
zwei enthielten ein paar geringe attische
Väschen. Auch fanden sich nirgends Spuren
von äußeren Wahrzeichen der Gräber. Rei-
chere Ausbeute schienen drei Grabhügel in
dieser Gegend zu versprechen, deren einen
Kuruniotis geöffnet hat. Aber auch er ent-
hielt in seiner Mitte nur eine Grube, die einen
ebenso schmucklosen Tonsarg barg wie die
einfacheren Gräber. Immerhin fanden sich
in diesem Sarge eine Tonstatuette (thronende
Göttin mit hohem Polos, ionischen Stiles,
wie Winter, Typenkat. I Taf. 43, 5), ein
einfacher goldener Ring, zwei kleine Schieber
aus Bergkristall und eine bunte Glasperle.
Es war also ein Frauengrab, nach dem Maß-
stab dieser Nekropole reich ausgestattet.
Da wir leider bisher von keinem klazomeni-
schen Sarkophag Fundumstände oder Inhalt
kennen, sind uns diese Gräber von Chios
sehr wertvoll. Und ihre Armut erklärt es,
daß die schönen bemalten Tonsärge von
Klazomenai allesamt leer in den Handel
gelangt sind. Offenbar war es damals in
diesem Teile loniens Sitte, den Toten keine
oder nur ganz bescheidene Beigaben ins
Grab zu legen. Daß es übrigens auch auf
Chios verzierte Tonsarkophage gegeben hat,
lehrt ein S. 71 abgebildetes Fragment mit
einem Figurenfries in flachem Relief (Fund-
umstände sind nicht bekannt). So dürfen
') Solche einfache, unverzierte Tonsärge gab es
natürlich auch in Klazomenai. Man kann dort auf
den Äckern zahlreiche zerbrochene Stücke auf-
lesen. Denn Bauern und Händler haben nur bemalte
Sarkophage gesammelt.
wir von Kuruniotis' weiteren Forschungen
in chiischen Nekropolen vielfache Belehrung
erhoffen.
Viel wichtiger noch sind seine Grabungen
an der Südspitze der Insel, im Heiligtum des
Apollon beim alten Phanai (heute Phanä).
Von den Mauern seines Peribolos hatte schon
Conze 1858 ein paar Stücke verzeichnet
(Philologus XIV 155 ff.). Kuruniotis hat
sie nun zum größeren Teil freigelegt: sie
bilden ein Viereck von weit über 2500 qm
und sind aus zwei Quadern schön gefugt, im
Stile des 5. Jahrh. Dazu stimmt auch ein
Schatz von 59 chiischen Silbermünzen, aus
der Mitte des 5. Jahrh., der in einer kleinen
Tonkanne hart an der Mauer vergraben war.
Indessen ist der Kult in diesem Heiligtum
viel älter. Das beweisen ionisch -geometrische
Scherben des 8./7. Jahrh., die Kuruniotis auf
der Tempelstätte ausgegraben hat, eine
Fibel und ein Ohrring aus Bronze, die Sta-
tuette einer nackten Frau und zwei Skara-
bäen aus Fayence, die in ionischen, z. B.
rhodischen Gräbern des 7. Jahrh. ihre Paral-
lelen finden. Vor allem aber ist hier eine
prachtvolle bronzene Greifenprotome, von
einem Kessel derselben Zeit, zu erwähnen,
die schon vor den Ausgrabungen hier ge-
funden wurde; meines Wissens das erste be-
kannt gewordene Beispiel solcher Greifen-
köpfe von den Sporaden, besonders will-
kommen, da wir ja aus Herodot (IV 152) den
riesigen Bronzekessel kennen, den die Samier
nach ihrer Fahrt nach Tartessos im Heraion
aufstellten: TcepiS 8s auiou YpuTtoiv xscpcxXai
TTpoxpocfaoi sfsi.
Wir können uns noch keine Vorstellung
von dem ältesten Apollontempel machen, der
in Phanai im 7. Jahrh. gestanden haben
wird. Dagegen hat Kuruniotis schon einige
Reste eines schönen ionischen Marmorbaus
aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrh. gefun-
den: eine Säulenbasis, mehrere unkannelierte
Trommeln (der Tempel ist also ebensowenig
vollendet worden wie das Heraion von
Samos), und vor allem zwei Zierleisten mit
reichem Reliefschmuck (gegenständige Pal-
metten-Lotoskette, wohl vom Epistyl, und
ein kolossaler Perlstab von der Basis der
Cellawand). Auch ein Stück des Tempel-
fundaments ist bereits freigelegt. Obwohl
der Bau schon seit dem frühen Mittelalter
301
Griechenland.
202
gänzlich zerstört worden ist — die Ruinen
einer byzantinischen Kirche stehen auf seinen
Trümmern — , versprechen diese Ergebnisse
der ersten kleinen Ausgrabung schon schöne
Früchte für die Zukunft. Und die eben
(August 191 5) begonnene zweite Kampagne
scheint sich recht erfolgreich zu gestalten.
eigenartiger Weise wie Pinienzapfen mit
Schuppen besetzt sind (Abb. 8 nach AsXxtov
86) . Dazu kommt noch eine besonders schöne
ionische Säulenbasis (Abb. 9 nach AeXti'ov
S. 88), deren Astragalen mit Flechtbändern
verziert sind: ein Vorläufer der Basen an
der Nordhalle des Erechtheion. Hoffentlich
Abb. 8. Kyma aus Chios.
Noch ungeduldiger aber erwarten wir
Kuruniotis' weitere Forschungen bei dem
Phanai benachbarten Dorfe Pyrgi : hier muß
einer jener kleinen, überreich verzierten ioni-
schen Marmortempel gesucht werden, die
wir von den delphischen Schatzhäusern
kennen. Denn in den Mauern einiger alter
wird es Kuruniotis gelingen, von diesem
kösthchen Bauwerk noch viel mehr zu ent-
decken.
Auf dem Felseneiland K a s t e 1 1 o r i z o (dem
alten Megiste) an der lykischen Küste war
bei einer privaten Versuchsgrabung ein golde-
ner Efeukranz ans Licht gekommen und
O 87
Abb, 9. Säulenbasis aus Chios.
Kirchlein stecken mehrere Marmorplatten
mit Zierleisten, deren Reichtum die delphi-
schen noch übertrifft: große Eierstäbe und
Blattkränze, zum Teil mit reichen und
originellen Palmetten gefüllt, vor allem aber
ein Eckstück der inneren Wandbekrönung
der Cella, mit einem prachtvollen, zu zwei
Dritteln erhaltenen Gorgoneion an der Ecke
und einem Kyma, dessen Blätter in ganz
ins Athener Nationalmuseum gelangt. In-
folgedessen hat Kyparissis die Insel ar-
chäologisch erforscht (AsXxtov , Beibl. 62),
freiUch ohne große Erfolge, da einheimische
und fremde Raubgräber hier schon seit
Jahren ihr Wesen getrieben haben. Jener
Kranz stammt aus einem einfachen Stein-
sarg; dieser enthielt noch viele tönerne
Beeren, von einem der seit dem 4. vorchrist-
203
Archäologische Funde im Jahre 191 4.
204
liehen Jahrhundert häufigen biUigen Grab-
kränze, die in Holz, Bronze und Ton mit viel
Vergoldung die echt goldenen Exemplare
nachahmen; ferner einen bronzenen Ring mit
Gravierung (Hermes?), eine Silbermünze
von Rhodos aus den Jahren 333 — 304 und
eine bronzene von Amphipolis, nach 146
V. Chr. Letztere gibt uns das Datum des
Grabes. Eine Reihe von ähnlichen benach-
barten Sarkophagen war schon längst ge-
plündert worden, ihre Ausgrabung ergeb-
nislos.
Wichtiger ist eine alte polygonale Ring-
mauer auf der Spitze des Viglaberges, die
Kyparissis jungmykenischer Zeit zuschreibt.
Einzelfunde, welche ihr Alter näher bestim-
men könnten, hat er leider nicht gemacht.
Der Hauptort der Insel scheint indessen
schon im Altertum auf dem Hügel der Pan-
agia gelegen zu haben, der heute nochPalio-
kastron heißt und den besten Ausblick aufs
Meer nach allen Seiten bietet. Sehr schöne
Quadermauern des 5. — 4. Jahrh. umgaben
diese Akropolis; zum größten Teil sind sie
durch ein Kastell der Rhodiser zerstört
worden. Die zahlreichen Felsgräber an
dieser Stätte fand Kyparissis allesamt aus-
geraubt; ebenso einige sehr große Gräber an
andern Orten der Insel. Doch hat er wenig-
stens alle noch auf Kastellorizo vorhandenen
Inschriften und Reliefs gesammelt und ge-
borgen.
Ganz besonders muß hervorgehoben wer-
den, mit welch umsichtiger Sorgfalt unter
der bewährten Oberleitung von N. Balanos
die Erhaltung der antiken Monu-
mente betrieben wird. Der Arbeiten auf
der Akropolis habe ich an dieser Stelle schon
mehrfach gedacht (A. Anz. 1909, 105; 191 1,
119; 1912, 235). Balanos berichtet nun im
AsXtiov Beibl. 49 über den weiteren Aufbau
der Osthalle der Propyläen. Die Deck-
balken tragen auf ihrer Oberfläche der Länge
nach eine bis zu 0,30 m tiefe Einarbeitung
für Eisenträger, welche die einzelnen Stücke
jedes Balkens verbanden und trugen. Die
drei nördlichen Balken und die auf ihnen
ruhenden Deckplatten liegen nun wieder an
ihrer Stelle, ebenso die Kassetten, so daß
dieser Teil der Decke in seiner ursprünglichen
Gestalt erscheint. Auch die Geisonblöcke
der Osthalle sind zum Versetzen bereit. —
Im Parthenon sind die byzantinischen
Freskenreste auf den Cellawänden nach
Möglichkeit konserviert und viele der häß-
lichen Ziegellagen an der Nordwand ent-
fernt und, wo es not tat, durch Marmorblöcke
ersetzt worden. Das Agrippa -Monument
wurde gereinigt, seine vielen; Risse und
Sprünge mit Zement geschlossen, die Reste
der Statuenbasis auf seiner Oberfläche ge-
festigt. In der Unterstadt hat Orlandos
die baufällige alte Moschee neben der
Hadrians- Bibliothek vollständig gereinigt,
von modernen Einbauten befreit und re-
pariert, so daß sie jetzt als byzantinisches
Museum dienen kann.
Derselbe hat auch in zweimonatlicher Arbeit
die Seitenkammer des großen Kuppelgrabes
von Orchomenos (des »Schatzhauses des
Minyas«) wiederhergestellt (AeXtiov 51 ff.).
Die Wände aus kleinen Steinen mit Lehm-
verband tragen wieder ihre Oberschicht aus
Quadern, auf denen die bekannten Deck-
platten mit dem Spiralnetz in flachem Relief
ruhen. Auch die Wände waren mit ähn-
lichen Reliefplatten getäfelt, doch ist ihr
gipsartiger Stein zu stark verwittert, um
eine Rekonstruktion zu erlauben. Eine
2 cm tiefe Rinne im Felsboden nahm einst
die 8 cm dicken Platten auf, die durchaus an
die glatte Täfelung so vieler Zimmer in
kretischen Palästen erinnert. Das Ornament
beginnt erst ein wenig über dem unteren
Rande, setzt sich aber merkwürdigerweise
in den Ecken über die Anschlußfugen der
rechtwinklig anstoßenden Platten hinaus
fort. Aus dem neuen Plane von Orlandos
(Abb. 10 nach AeXtiov 53) ersehen wir, daß
die Seitenkammer schräg zur Achse der
Tholos steht. Diese letztere ist genau kreis-
rund; im Mittelpunkt hat Orlandos das Loch
gefunden, in dem beim Bau des Grabes ein
Richtpfahl steckte (vgl. die entsprechende
Anlage in Kakovatos, Dörpfeld, AM.
XXXIII 1908, 299). Auch über den merk-
würdigen altarartigen Bau im großen Kup-
pelraum gibt Orlandos neuen Aufschluß.
Im Schutt der bayrischen Ausgrabungen
(Bulle, Orchomenos I 17) hat er außer zahl-
reichen »minyschen« und matt bemalten
Scherben ein Marmorbruchstück mit den
Buchstaben ^ E B [aot] gefunden, das wohl
zur Weihinschrift jenes Monuments gehört,
205
Griechenland.
206
ebenso wie die längst bekannten Skulptur-
fragmente (Dörpfeld, Zeitschr. f. Ethnol.
XVIII, 376 ff. ; Beiger, Beiträge zu griech.
Kuppelgräbern 36) zu seinem bildnerischen
Schmuck. So vermehrt diese Arbeit in viel-
die Decke der unterirdischen Quellenanlage
an der NO. -Seite der Burg; es ist zu hoffen,
daß nun dieses viel zu wenig bekannte
Hauptwerk mykenischer Befestigungskunst
bald würdig publiziert werden möge.
Abb. IG. Plan des Kuppelgrabes von Orchomenos.
facher Weise unsere Kenntnis des prächtigen,
zu lange vernachlässigten Bauwerkes.
Auch den Monumenten von Mykenai ist
die Sorgfalt des Konservators zugute ge-
kommen (Ktenas, AsXxiov , Beibl. 53 f.).
Der Dromos des sogenannten »Grabes der
Klytaimestra« ist nun ausgeräumt und die
Grundwässer abgeleitet, die einsturzdrohende
Tür endgültig repariert und gesichert, ebenso
Mit der Konservierung der Monumente
hält die Organisation und Ausgestal-
tung der zahlreichen Museen Grie-
chenlands guten Schritt. Vor allem ist hier
die mustergültige Arbeit zu nennen, die
Keramopulos und Pelekides auf der
Akropolis leisten. Ein Erweiterungsbau
wird hier binnen kurzem die beiden Museen
verbinden und Raum für ihre Schätze
207
Archäologische Funde im Jahre 1914.
208
schaffen, ohne irgendwie den bescheidenen
Charakter des halbversteckten Gebäudes zu
stören, der ja an dieser heihgen Stätte ge-
boten war. Unterdessen ist aus dem so lange
stiefmütterlich behandelten kleinen Magazin
ein helles, gut geordnetes und ansprechendes
Museum geworden, dessen Inhalt man jetzt
erst überschauen kann. Aus dem reich illu-
strierten Bericht von Keramopulos (AsXxiov,
Beibl. 19 ff.) ersehen wir mit Staunen, welch
ein Schatz an bronzenen Geräten im Keller
des großen Museums seit einem Vierteljahr-
hundert unbeachtet lagerte. Mit ganz
wenigen Ausnahmen gehören sie in die Zeit
vor dem Persereinfall und sind daher auch
chronologisch wichtig. Da sind an tausend
gegossene Henkel von Gefäßen, deren Wan-
dungen aus Bronzeblech verschwunden sind,
darunter besonders zahlreich (über 400)
wagerechte geknickte Henkel von Schalen
und Näpfen, meist mit einem Knopf auf
dem Knick, eine Form, die wir in Ton z. B.
von den wundervollen Schalen des Sotades
kennen (White Athenian Vases in the Brit.
Mus. Taf. 16 — 18); mehr als 300 runde
Henkel ähnUcher kleiner Gefäße; über lOO
Henkel von Krateren, Hydrien und Kannen;
gegen 200 bewegliche Ringhenkel von Kes-
seln und Becken, von denen einige wenige
als Attachen Kopf und Vorderpranken
eines Löwenfells oder nur eine Löwenmaske
in schöner Arbeit zeigen. Zahlreich, wenn
auch viel weniger massenhaft, sind gegossene
Gefäßfüße erhalten; besondere Beachtung
verdienen die ringförmigen Untersätze von
Schalen und Becken, die auf drei Rollen
oder Garnwickeln ähnlichen Stützen zu
ruhen pflegen (40 ganz erhaltene und viele
Fragmente) : sie erinnern uns an die ßaXa-
vtütrj <ptaX>j, r^^ TqJ TCu&fievt y^puaoX uitsxsivto
doxpaYaXot (Athenaeus XI 502 b). Auch an
Einzelfüßen mit Löwenklauen, die je zu dritt
ein Becken trugen, fehlt es nicht (über 80
Stück) ; daneben erscheinen vereinzelt kleine
Väschen, Zymbeln, Wagschalen, Räder,
Pfriemen und anderes Gerät. Selten sind
Waffen (Schwerter, Lanzen- und Pfeil-
spitzen), was im Heiligtum der kriegerischen
Göttin überraschen könnte. Nadeln, Fibeln
und sonstiger Schmuck fehlen fast ganz, sehr
im Gegensatz zu den Schätzen der argivi-
schen Hera oder der ephesischen und spar-
tanischen Artemis. Daß diese Bronzen Ge-
schenke an Athena sind, beweisen mehrere
eingeritzte Weihinschriften (S. 33). Die
Vorliebe der Göttin für Vasen, aus Metall
wie aus Ton, hat uns ja die Überfülle der
Keramik von der Burg schon längst gelehrt.
Eine gute Übersicht der im Akropolis-
Museum aufbewahrten Tongefäße, von vor-
mykenischer bis zu römischer Zeit, gibt Pele-
kidis S. 34 ff. Dazu kommt noch eine ganz
vorzügliche Sammlung griechischer Lampen,
besonders Ringlampen mit mehreren Schnau-
zen, die er bald publizieren wird.
Keramopulos und Papadakis haben
in den Museen von Theben und Chalkis,
sowie in den kleineren Sammlungen von
Tanagra und Eretria repariert, erwei-
tert, geordnet, Fragmente zusammengesetzt
und verstreute Bildwerke und Inschriften aus
privatem Besitz in den Museen geborgen
(AsXtiov, Beibl. 42). Unter diesen ragt eine
marmorne Herakles - Herme aus Thespiai
hervor, zwar ein recht mäßiges Werk des
3. vorchristl. Jahrh. , aber durch seine In-
schrift bedeutsam:
rujJivocoXos axspvu) ßXstrexai Osoc djxcpt 8^ xpaxt
}(da(xa XeovTOS s/^' Sepfxa x' lTr«>|ii8tov.
Odpea 8' oux l&eXtuv xov s^v ttovov äjjLCpt8s8uxev
xocjfAOv eyrnv iSiov xotl cpoßov Iv xpoxdcpot?.
In dem Museum von Volo hat Arvani-
topulos seine bemalten Stelen zum Teil neu
aufgestellt und durch neugefundene Frag-
mente vervollständigt, ferner eine solche
Stele in ihrem Naiskos und auf ihrem Unter-
bau rekonstruiert. Dabei ergab sich, daß
die Rückwand des Naiskos leicht vorgeneigt
war, um von unten gesehen gerade aufrecht
zu erscheinen.
Rhomaios fährt fort, im Museum von
Korf u nicht nur die Funde aus den Grabun-
gen von Garitsa und Monrepos zu vereini-
gen, sondern auch verstreute Monumente
aus der Umgegend (AeXxiov, Beibl. 45).
Wichtig sind besonders drei archaische dori-
sche Epistyle und ein Ecktriglyph von der
Innenhalle eines Hofes, die ersten Reste
eines solchen Peristyls aus dem 6. Jahrh.;
bemerkenswert ist auch ein großer, leider
arg verstümmelter Poroskopf der Athena
aus dem 4. Jahrh. Ehe der Erweiterungsbau
des Museums begann, hat Rhomaios das
Terrain nach Gräbern durchforscht, da ja
209
Griechenland.
2J0
in dieser Gegend das berühmte Denkmal
des Menekrates und andere Gräber lagen.
Doch hatte die ständige Besiedelung hier
alles bis auf den Grund zerstört. — Über
Rhomaios' Arbeiten im Museum von Ther-
men s. Sp. 195.
Langwierig, kostspielig und entsagungsvoll
ist die Arbeit im Museum von Olympia
gewesen. Der Bau war von Anfang an
fehlerhaft und zum Teil geradezu unvor-
sichtig aufgeführt worden, die Regengüsse
vieler Jahre hatten Dächer und Decken der
Seitenflügel morsch gemacht, Erdbeben ihre
schwachen Fundamente erschüttert. Es ist
ein Glück, daß hier eine Katastrophe ver-
mieden wurde. Nun sind überall feste Eisen-
träger und Betondecken angelegt und die
Gefahren abgewendet, die Säle gereinigt und
mit einer neutralen graugrünen Farbe, an
Stelle des aufdringlichen pompejanischen
Rot, gestrichen, die Kleinfunde und ein Teil
der Skulpturen neu geordnet und aufgestellt
(vgl. unten Sp. 211). Zugleich sorgen auch
Kyparissis und Karachalios, der Leiter
des Museums, dafür, daß der Lauf des
Kladeos reguliert wird. Er hatte das Gym-
nasion schon bedenklich angefressen, dabei
übrigens einen wundervollen, vorzüglich er-
haltenen, mächtigen, archaischen Greifenkopf
von einem Bronzekessel aus dem Abhang
hervorgespült, wo ihn Karachalios fand.
Dieser und frühere Funde aus dem Kladeos -
bett beweisen, daß man von einer vollständi-
gen Freilegung des Gymnasions, welche
Kyparissis plant, noch viel erhoffen darf.
Die Ausgrabungstätigkeit des Deutschen
Instituts ist seit anderthalb Jahren trotz
des Krieges und des durch ihn verursachten
Ausbleibens allerjungenHilfskräfte eine regere
gewesen als in manchem Friedensjahr. In
meinem letztenBericht (A. Anz. 1914, 133 und
130 ff.) habe ich schon eine kleine Kam-
pagne in Tiryns (März 1914) erwähnt,
ebenso die auf Befehl Seiner Majestät des
Kaisers von Dörpfeld geleiteten Ausgrabun-
gen auf Korfu , von Ende März bis Anfang
Mai 1914 (vgl. Dörpfeld, AM. 1914, 161).
Über die größte Aufgabe des verflossenen
und des laufenden Jahres, die Erforschung
des Kerameikos vor dem Dipylon in
Athen, berichtet Brückner in diesem An-
zeiger 1914, 91 ff.; 191 5, III ff. Die von ihm
Archäologischer Anzeiger 1915.
und Knackfuß geleiteten Arbeiten währten
von Anfang April bis Ende Juni, dann
wieder vom Oktober bis zum März 191 5. Sie
sollen in diesem Herbste wieder aufgenom-
men werden und den Winter hindurch fort-
dauern. Im April 1915 hat Philadel-
pheus die gesamten Funde unserer Aus-
grabungen in Tiryns nach Nauplia über-
führt; dort habe ich sie im Museum (der
alten Hauptmoschee) vorläufig aufgestellt,
um sie später endgültig zu ordnen, wenn
sich unter der tatkräftigen Leitung des
neuen Ephoren dieses Museum weiter ent-
wickelt hat.
Von Anfang Juni bis Ende September
191 5 haben wir endlich eine neue Aufgabe
begonnen, die schon seit Jahren unser
Wunsch und eine Ehrenpflicht des Instituts
war, die Aufräumung der Altis von
Olympia. Die großen deutschen Aus-
grabungen, die ersten ihrer Art auf dem
griechischen Festlande, sind zwar ein leuch-
tendes Vorbild sorgfältiger und eindringender
wissenschaftlicher Forschung geblieben; aber
die Ruinenstätte selbst war ohne jede Ord-
nung verlassen worden, die Bauglieder wirr
durcheinander gehäuft, wie sie gerade wäh-
rend der Arbeit herumlagen. Viele wichtige
Stücke sind unauffindbar vergraben, mehr-
fach hat man Monumente tief unterhöhlt
stehen lassen, so daß ihr Einsturz droht oder
schon erfolgt ist. Es gilt nun, die Ruinen
von neu angesammeltem Schutt und schäd-
lichem Gestrüpp zu befreien, — natürlich
ohne die schöne Vegetation und den jungen
Baumschlag unnötig zu vernichten, die ja
heute der Altis einen besonderen Reiz ver-
leihen, baufällige Teile zu stützen, die weit
verstreuten Glieder der einzelnen Bauten
nach Möglichkeit bei ihren' Fundamenten zu
vereinigen und so ein übersichtliches Bild
des Heiligtums zu schaffen: eine Arbeit von
mehreren Jahren, für die Knackfuß durch
seine reiche Erfahrung in Milet und Didyma
ganz besonders geeignet ist. Er hat denn
auch schon in dieser ersten von ihm geleite-
ten Kampagne die ganze Schatzhäuser-Ter-
rasse, das Metroon und das Gebiet bis zum
Stadion, dieses selbst (soweit es ausgegraben
ist), die Echohalle und die Monumente vor
ihrer Front vollkommen in Ordnung ge-
bracht, ferner einen Teil des Chaos von
211
Archäologische Funde im Jahre 191 4.
212
Blöcken aller Art, welche die Ostfront des
Zeustempels fast unzugänglich machen, auf-
gelöst und aufgeräumt, das Postament des
Stiers der Eretrier und ein paar andere vor
dem Einsturz bewahrt. Endlich hat er west-
lich vom Metroon und beim Pelopion die
Tiefgrabungen von 1908/09 zum größten
Teil wieder zugeschüttet, da in diesem
feuchten Terrain die prähistorischen Haus-
fundamente zusehends zerfallen. Nur das
besterhaltene dieser Fundamente, zugleich
eines der größten und wichtigsten, soll durch
Ausmauern seiner Grube geschützt sichtbar
bleiben.
Es traf sich gut, daß gerade in diesem
Sommer die Reparaturarbeiten im Museum
von Olympia (oben Sp. 209) vollendet wurden.
Wir durften dabei unseren griechischen Kol-
legen helfen (denen ich auch hier für ihr
freundliches Entgegenkommen herzlich dan-
ken möchte) und taten es um so lieber, als
es sich ja auch hier um eine deutsche Ehren-
pflicht handelte. Dabei fiel wiederum Knack-
fuß die schwierigste und größte Arbeit zu.
Wir haben besonders an der Ordnung der
magazinierten Skulpturfragmente und Klein-
funde teilgenommen. Auch sind die im Hofe
verwahrlost in Haufen geschichteten Stein-
fragmente und architektonischen Terra-
kotten, darunter manche wichtige Stücke,
sowie die Inschriften nun fast alle im Mu-
seum geborgen. Besonders erfreulich wirkt
die Neuordnung der Skulpturen (abgesehen
natürlich von den großen zusammenhängen-
den Komplexen vom Tempel und derExedra
des Herodes Atticus), deren beste Stücke,
im nordwestlichen Ecksaal weiträumig und
gut beleuchtet aufgestellt, zum Teil jetzt
erst recht zur Geltung kommen. Auch
die Architekturglieder haben durch die
Neuordnung gewonnen.
Für die Erforschung von Dodona hat
Seine Majestät der Kaiser uns auch in
diesem Kriegsjahre eine große Summe aus
dem Allerhöchsten Dispositionsfonds huldvoll
gespendet. Die Arbeiten sollen beginnen,
sobald es die politische Lage gestattet.
Höchst erfolgreich sind die nach längerer
Unterbrechung im Vorjahre wieder aufge-
nommenen Arbeiten der Amerikanischen
Schule in Korinth gewesen. Sie galten
zunächst dem Peribolos des Apollon, den
Pausanias (H 3, 3) unmittelbar nach der
Peirene erwähnt und den Hill denn auch
schon 1910 nahe bei dieser entdeckt hatte
(A. Anz. 191 1, 137). Nun sind auch die
N- und 0-Seite freigelegt worden, die besser
erhalten sind als die andern, aber freilich
auch arg zerstört; nur Teile des Stylobats
sind in situ erhalten. Die Stätte ist seit dem
Altertum ununterbrochen bewohnt gewesen:
byzantinische , fränkische , venezianische,
türkische und neugriechische Mauern liegen
hier über- und durcheinander, und für alle
ist das ApoUonheiligtum ein bequemer Stein-
bruch gewesen. Der Peribolos bestand aus
einem von vier Säulenhallen umgebenen Hof.
Die marmornen Säulen sind unkannelliert,
ihre Basen und Kapitelle ionisch; zehn
standen in der 0- und W-Halle, vierzehn
in den beiden anderen. Epistyl und Fries
bestehen aus einem Block. Auf ersterem
stand eine lateinische Weihinschrift, deren
Bruchstücke leider noch keine befriedigende
Ergänzung erlauben.
Nördlich von diesem Peribolos ist die Er-
forschung eines umfangreichen Gebäudes be-
gonnen worden, in dem vielleicht die Bäder
des Eurykles (Paus. H 3, 5) zu erkennen
sind. Bisher ist nur ein großes Gemach auf-
gedeckt, das einst eine Ziegelkuppel trug, bis
zur Höhe von 1,33 m wie eine Zisterne zemen-
tiert, darüber einst mit Marmorplatten ge-
täfelt war. Die Arbeiten werden hier fort-
gesetzt.
Auch östlich der Peirene ist ein neuer
Raum freigelegt worden, ein geräumiges
Gelaß (11 : 4,75 m), das eine ionische Säulen-
stellung mit drei Porosbögen in zwei Hälften
teilt. Die gewölbte Decke ist eingestürzt.
Die Südwand steht auf einer schönen griechi-
schen Mauer aus Porosblöcken; auch sonst
weist die sorgsame Bauart in gute Zeit. Vom
Marmorbelag der Wände sind zahlreiche
Stücke erhalten.
Ferner haben Hill und seine Mitarbeiter
die Ostseite der Agora ausgegraben; es er-
geben sich nun als Maße des Marktplatzes
255 : 127 m, er war also einer der größten in
Griechenland. Den östlichen Abschluß der
Agora bildet, etwa 28 m lang, eine gute
Stützmauer aus Porosblöcken, der in einem
Abstand von fast 6 m eine zweite parallel
läuft (von zwei weiteren Mauern sind nur
213
Griechenland.
214
die Einarbeitungen im Felsen und wenige
Blöcke erhalten); über der Euthynteria
stehen beide noch 6 Schichten hoch, die
Blöcke der obersten zeigen Leeren für die
Holzbalken der Decke. Vier hölzerne Säulen
auf kleinen Steinbasen halfen diese tragen.
Das Gemach war innen mit Marmor getäfelt;
von den Wänden sprangen in regelmäßigen
Abständen Parastaden mit buntem Marmor -
belag vor. In der Oberschicht der Ostmauer
sind auch noch Fensteröffnungen zu sehen.
Besonders reich und schön ist die Aus-
beute an Marmorskulpturen gewesen. Aus
der Peireneleitung stammt ein reizendes
weibliches Köpfchen (0,14 m hoch) mit
reichem Lockenschmuck, von einem Hoch-
relief abgebrochen, hellenistisch - römische
Arbeit, aber von klassischem Typus. Am
Ostende der Agora sind vorzügliche römische
Porträtstatuen des julisch-klaudischen Kai-
serhauses gefunden worden. Eine ist bis auf
die Nasenspitze und den linken Unterarm
ganz erhalten (H. 1,98). Das Gesicht ist
kurz und breit, mit abstehenden Ohren, das
Haar hinten ziemlich lang, auf den Seiten
leicht gelockt. Von der linken Schulter fällt
die Chlamys auf Rücken, linken Arm und
stützenden Baumstamm herab. Eine zweite
Statue bildet zu dieser das Gegenstück, doch
fehlen Nase und linker Arm sowie Unterleib
und Beine. Beide Köpfe ähneln dem
Augustus so sehr, daß man vielleicht seine
Adoptivsöhne Caius und Lucius in ihnen
erkennen darf. Dagegen trägt ein dritter,
ganz vorzüglich gearbeiteter und erhaltener
Kopf, ein Jüngling mit kleinem Bart und
über den Kopf gelegtem Mantel, dem Ti-
berius sehr ähnliche Züge. Dazu kommen
noch zwei männliche, langgewandete Torsen
und eine vom Hals bis zu den Knien er-
haltene Panzerstatue; ihr linker Arm fehlt,
die angelegte rechte Hand hielt das faltige
Gewand. Der Panzer trägt ein Gorgoneion;
darunter errichten zwei Niken in sehr hohem
Relief ein Tropaion, eine dritte Nike
schmückt die rechte Schulterklappe.
Endlich hat Miss Walker nördlich und süd-
lich vom Apollotempel durch eine Reihe
von Versuchsschachten die prähistorischen
Schichten von Altkorinth zu erforschen be-
gonnen und dabei, zum ersten Mal im Pelo-
ponnes, eine der neolithischen Keramik
Mittel- und Nordgriechenlands verwandte
Ware entdeckt. Wie in den englischen Gra-
bungen von Lianokladhi erweist sich auch
in Korinth die sogenannte Urfirnis-Gattung
als jünger denn jene neolithischen. Die Er-
gebnisse versprechen hier besonders inter-
essant zu werden. Da in diesem Sommer
ausgedehntere Grabungen vorgenommen und
dabei auch weiter nördlich die erste mykeni-
sche Niederlassung in Korinth entdeckt
wurde, bleibt eine ausführlichere Erörterung
besser dem nächsten Bericht vorbehalten.
Über die Arbeiten des Österreichischen
Instituts in Elis ist schon im Vorjahre
(A. Anz. 1914, 137 ff.) berichtet worden.
Die Französische Schule hat wieder-
um eine reiche und vielseitige Tätigkeit ent-
faltet. In Delphi haben Courby und
Replat ihre Forschungen im Tempel des
ApoUon fortgesetzt (vgl. A. Anz. 19 14, 161).
Über eine Rekonstruktion des Ostgiebels
berichtet Courby im Bulletin de Cor-
respondance Hellenique 1914. Außerdem
hat er aus dem Pflaster der heiligen Straße
noch einige neue Inschriften hervorgezogen.
Unterdessen widmete sich Blum den bis-
her zu wenig beachteten Ruinen außerhalb
des Temenos, vor allem der römischen
Agora. Hier fand er ein Proxeniendekret
für den epischen Dichter Theopompos von
Megalopolis und die Statuenbasis des kaiser-
lichen TOfAia? Au. Lentulus.
Auf Delos hat Plassart die Unter-
suchung des Kynthos fortgeführt (vgl. A. Anz.
1914, 158). Sie galt dem Heiligtum des
Zeus und der Athena auf dem Gipfel des
heiligen Berges, dessen Lage schon Lebögue
1873 bestimmt hatte, vor allem aber den
kleinen Heiligtümern, durch welche die
Prozessionswege zum Haupttempel hinauf-
führen. Neugefundene Inschriften belehren
uns nun in überraschender Weise über die
Kulte des Kynthos. Jene kleinen Heihg-
tümer waren dem Poseidon Askalonites
und einer Dreiheit aramäischer Gott-
heiten geweiht, sie bildeten also die Ver-
bindungsgheder zwischen dem großen
Heiligtum der orientalischen Götter (A. Anz.
1910, 169) am Fuße des Berges und dem des
Zeus -Baal auf dem Gipfel. Hoffentlich helfen
diese Texte auch die Zeit bestimmen, zu der
die semitischen Kulte einen so breiten Raum
9*
215
Archäologische Funde im Jahre 1914.
216
auf dem heiligen Berge einnahmen. Alten
hellenischen Kult auf seinem Gipfel beweist
schon der Zeusaltar, das Ziel der Epheben
bei ihrem vom Apollontempel ausgehenden
Fackellauf.
Auf Thasos haben Picard, Avezou,
Blum und Lejeune mit gutem Erfolge
weiter gegraben. Aus der Akropolismauer
haben sie einen kolossalen, gegen 3 m hohen
archaischen »Apollon« hervorgezogen, der in
ganz singulärer Weise auf dem einen, vor
die Brust gelegten Arm einen Widder trägt.
Der nur roh zubehauene Koloß war offenbar
für den benachbarten Apollontempel be-
stimmt, ist dann aber unfertig verworfen
und verbaut worden. In der Unterstadt,
ganz nahe dem Prytaneion [A. Anz. 1914,
164), kam ein Rechteck, von großen dori-
schen Hallen umgrenzt, zum Vorschein,
vielleicht die griechische Agora. In einer
nahen römischen Ruine, wohl einem Tempel,
standen einige Basen antoninischer Zeit.
Eine große neue Unternehmung haben
Picard und Avezou in Philippi begon-
nen. Zunächst wurde das Haupttor frei-
gelegt, durch welches die Via Egnatia nach
Neapolis (Kavalla) führt. Eine benachbarte
Nekropole lieferte interessante Inschriften,
u. a. die Weihung eines medicus ex imperio
pro salute coloniae luliae Philippensis an
Isis und eine christliche Wundererzählung.
In der Stadt wurde das Theater erforscht,
dessen ältere Teile aus der Zeit Philipps IL
stammen. An Größe übertrifft es die Theater
von Athen, Epidauros und Delos (Durchm.
derOrchestra 24,70 m. Abstand derParodoi
70 m). Wie in Mantinea liegt die unterste
Sitzreihe höher als die Orchestra. Die Sitze
tragen zahlreiche Inschriften. Von dem arg
zerstörten Skenengebäude sind wenigstens
zwei Fragmente der Weihinschrift erhalten.
Am Abhang der Akropolis von Philippi hatte
schon Heuzey eine Reihe von kleinen Heilig-
tümern verzeichnet (Heuzey Danmet, Mis-
sion en Mac6doine 69 ff. Plan A.). Diese
sind nun eingehender untersucht, auch einige
neue dazugefunden worden. Die Ausbeute
umfaßt Reliefs und Inschriften, darunter
einen Brief der Kolophonier an die Philipper,
eine Liste römischer cultores und wichtige
religiöse Texte, von denen sich vier auf den
Kult des Sylvanus beziehen.
Eine zweite makedonische Grabung, in
Dion (bei Malathriä-Karitsa), ist von
Piassar t und Blum erst begonnen worden.
Immerhin haben sie schon die Ausdehnung
der antiken Stadt bestimmt und einen Plan
aufgenommen, ferner die Reste einer Straße,
eines Theaters, eines hellenistischen dorischen
Tempels und einer gepflasterten, von Säulen-
hallen umgebenen Agora entdeckt. Die zahl-
reichen dabei gefundenen Inschriften gehören
meist in römische Zeit, doch reichen einige
bis in die Regierung Philipps V. von Make-
donien hinauf.
Außer all diesen Arbeiten haben die Mit-
glieder der Französischen Schule noch mehrere
archäologische Reisen unternommen, nach
Akarnanien und Epirus, Pierien, Mittel-
makedonien und in die Chalkidike, bis der
Ausbruch des Krieges ihrer Tätigkeit vor-
läufig ein Ziel setzte.
Die Englische Schule hat unter Daw-
kins' Leitung ihre Arbeit auf Kreta fort-
gesetzt, diesmal im Tale von Psychro, hoch
oben im Lasithigebirge. Dort liegt auf einem
niedrigen Hügel, beim Dorfe Platy, eine
kleine minoische Stadt, zu der wahrschein-
lich die benachbarte heilige Höhle von
Psychro (die irrig sogenannte diktäische
Zeusgrotte) gehört. Leider sind die Ruinen
sehr zerstört. Sie reichen von der ersten bis
zur dritten spätminoischen Periode und
bieten uns den besten bisher bekannten
minoischen Stadtplan: drei große Häuser-
gruppen sind auf drei Seiten eines quadrati-
schen Platzes gruppiert. Besonders inter-
essant ist ein Haus mit doppelter Vorhalle
und Innenhof. Die Einzelfunde sind leider
sehr spärlich. Genau wie in der Grotte von
Fsychrö, liegen auch in Platy archaisch
griechische Reste über den minoischen; doch
nehmen die jüngeren Mauern auf jene älteren
keinerlei Rücksicht. Eine Periode der Ver-
lassenheit muß an dieser Stätte zwischen
beiden liegen. Die minoische Nekropole
dieses Städtchens lag hinter dem modernen
Dorfe, am Ausläufer des Berges. Ein Kuppel-
grab mit Tonsarg und zwei späten Väschen
(LM. III) ist hier geöffnet worden.
Die Italienische Schule hat unter
Perniers Leitung ihre Arbeiten in Gortyn
fortgeführt. Das Odeion an der Agora
(A. Anz. 19 14, 146) ist bis aufs letzte er-
217
Bulgarien.
2l8
forscht und seine Beziehungen zu dem
älteren Bau, über und in dem es errichtet
ist, geklärt worden. Bei der Vorbereitung
einer neuen Ausgabe des »Rechtes von Gor-
tyn« hat Halbherr ermittelt, daß die erste
Kolumne der Inschrift auf einer Ante mit
ionischem Kapitell aus dem Anfang des
5. Jahrh. steht. Von den Ranken des Kapi-
tells sind noch Reste zwischen den Buch-
staben des Textes erkennbar. Hinter der
Skene des Odeion wurde ein Teil der byzan-
tinischen Nekropole weggeräumt und eine
lange Halle aufgedeckt, von der nur die
Fundamente der Säulen und der Rückwand
übrig sind. Diese Halle scheint dem Odeion
gleichzeitig zu sein. Unter den zum Bau
der christlichen Gräber verwandten älteren
Steinen fand sich ein schönes attisches Grab-
relief des 4. Jahrh. (Frau auf Lehnstuhl)
sowie weitere Fragmente einer schon 1912
gefundenen Beamtenliste des 2. vorchrist-
lichen Jahrhunderts.
Im Gebiet des Pythion wurde die Ausgra-
bung des Heiligtums der ägyptischen Götter
(A. Anz. 1914, 148) ihrem Ende nahegebracht :
das wichtigste Ergebnis war die Aufdeckung
einer vonN. nachS. verlaufenden Halle. Unter
ihr fand Oliverio viele Fragmente von Sta-
tuen und Inschriften, die sich auf ein viel
älteres Heiligtum der ägyptischen Götter
beziehen; es liegt offenbar unter dem im
Vorjahr entdeckten. Die wichtigste Inschrift
meldet in Versen die Weihung eines nicht
näher bezeichneten Geschenks an Isis und
Sarapis; eine andere stammt von den in
Gortyn ansässigen römischen Kaufleuten.
Unterdessen hat Face seine Arbeiten am
Prätorium östhch vom Pythion fortgesetzt
(A. Anz. 1914, 147) und an der Westseite
des Gebäudes eine große Halle, im Innern
ein besonderes Tempelchen der ägyptischen
Götter, im Süden eine schöne halbrunde
Exedra freigelegt. Hier lohnten die Arbeit
auch einige Statuen, Kopien römischer Zeit
nach klassischen Originalen, wie deren ja
Gortyn schon viele geliefert hat.
Endlich hat Halbherr die Ausgrabung
des Palastes von H. Triada und der ihn
umgebenden Gebäude vollendet und beson-
ders die älteren Schichten durch Versuchs-
gräben erforscht.
Athen. G. Karo.
BULGARIEN.
Auf dem Gebiete der Prähistorie sind auch
im vorigen Jahre sehr wichtige Entdeckun-
gen gemacht worden. Das Nationalmuseum
ließ unter Führung des Herrn R. Popow den
Hügel Kodjadermen bei Schumen im
nordöstlichen Bulgarien ausgraben. Es
hat sich herausgestellt, daß der Hügel eine
bedeutende, rein neolithische Ansiedlung
enthielt, die außerordentlich reiches Mate-
rial geliefert hat. Es ist im großen und
Abb. I. Tonmodell eines Hauses aus Kodjadermen.
ganzen dieselbe Kultur, die wir schon durch
die Ausgrabungen des Hügels Denew bei
Salmanovo in derselben Gegend kennen ^).
Unter den Funden aus Kodjadermen ver-
dient ganz besondere Beachtung das Ton-
modell eines Hauses von bedeutenden Di-
mensionen (Abb. i; Höhe 0,29, Länge 0,425,
Breite 0,16 m). Es unterscheidet sich von
■ den ähnhchen Hausmodellen aus Salmanovo
(Anz. 1914, 344 und Abb. i) außer durch
seine Größe besonders dadurch, daß es mit
inkrustierten Doppelvoluten verziert und an
allen vier Wänden mit runden Öffnungen
versehen ist, welche die Haustür und die
Fenster andeuten. Weiter ist zu erwähnen
ein Tongefäß in der Form eines Vierfüßlers
mit Vogelkopf (.?), 0,265 m hoch (Abb. 2).
Die obere langgestreckte Lippe der schnabel-
artigen Mundöffnung ist abgebrochen. Auch
') Anzeiger 1913, 343 ^m vgl. jetzt den aus-
führlichen Bericht über das Material von Salma-
novo von R. Popow in ,,Izvestia" der Bulgar,
Archäol. Gesellschaft IV 1914, 148—225.
219
Archäologische Funde im Jahre 1914.
220
dieses Gefäß ist mit inkrustierten Ornamen-
ten verziert (konzentrische Kreise an der
Brust, parallele Linien am Leib). Auf dem
höhung aus gebranntem Ton umschlossenen
Raumes standen (Abb. 3). Diese Hand-
mühle wurde vollständig in ihrer ursprüng-
Abb. 2. Tongefäß aus Kodjadermen.
Abb. 3. Feuerherd und Handmühle in einer prähistorischen Hütte aus Kodjadermen.
Boden einer eingestürzten Hütte in der
tiefsten »Schicht des Hügels fand sich noch
der Hausherd und daneben eine kleine Hand-
mühle mit zwei Reibsteinen, die in der Mitte
eines halbrunden, von einer kleinen Er-
lichen Anordnung in das Nationalmuseum
überführt (Abb. 4). Auf das übrige sehr
reichhaltige Material aus Kodjadermen, wel-
ches sich jetzt ebenfalls im Nationalmuseum
befindet, kann ich hier nicht näher ein-
221
Bulgarien.
222
gehen und verweise auf den demnächst er-
scheinenden Bericht R. Popows in den
Izvestia V.
Die Ausgrabungen des kleinen Zeus- und
HeraheiHgtums bei Kopilovtzi in der Nähe
von Pautalia (Anzeiger 1912, 564 ff. ^ 1913,
358 f.) sind zu Ende geführt worden (Kaza-
row, Izvestia IV, 1914, 80 — 112). Wie sich
herausgestellt hat, bestand das Heiligtum
aus drei nebeneinanderliegenden kleinen
Tempeln, die sämtHch vom S nach N orien-
tiert sind. Leider sind von den Architektur-
gheder;! nur so unbedeutende Bruchstücke
erhalten, daß über den Aufbau der Tempel-
Darstellungen des Thrakischen Reiters und
der Hera zum Vorschein gekommen (Izvestia
IV 281 f.). Besondere Beachtung verdient
ein Bruchstück mit der Weihinschrift ....
dYpt(o Osu) i'K[-qyi.6(o{}) A]up(V]Xios) Mouxo)-
[paXi?] Das Bruchstück stammt offen-
bar von einem Relief des Thrakischen Reiters,
der hier zum erstenmal mit dem Beinamen
«Ypto? erscheint. Der thrakische Name
MouxtupaXic (nicht zu verwechseln mit Mou-
xaxpaXi?) kommt auch in einer Inschrift
aus Stara-Zagora vor (Dumont-HomoUe,
M61anges 352 Nr. 61 g).
Im Berichtsjahre ist der erste Versuch
Abb. 4. Handmühle aus Kodjadermen (restauriert).
chen nichts Bestimmtes gesagt werden kann
(über den Grundriß vgl. Anz. 1912, 565).
Auf den Trümmern des westlichen Gebäudes
war in späterer Zeit ein Kalkofen errichtet,
in den wohl die meisten Marmorstücke ge-
wandert sind. Trotzdem wurden noch zahl-
reiche Weihreliefs, die meisten freilich nur
in Bruchstücken erhalten, gefunden, die für
die Bedeutung des Heiligtums Zeugnis ab-
legen. Mehr über diese Weihreliefs und die
übrigen Einzelfunde findet man in meinen
früheren, oben angeführten Berichten.
Ein anderes ähnliches Heiligtum befand sich
wahrscheinlich bei dem Dorfe Kamenitza,
in derselben Gegend (Regierungsbez. Dup-
nitza, östlich von Pautalia). Hier sind zufällig
mehrere Bruchstücke von Weihreliefs mit
gemacht worden, die neuentdeckte thra-
kische Inschrift (Anzeiger 1914, 420 f.) zu
entziffern (D. Detschew, Izvestia IV 70 — ■
78). Nach einer eingehenden Untersuchung
der einzelnen Worte vom sprachwissen-
schaftlichen Standpunkte aus schlägt Det-
schew folgende Übersetzung vor: »Rohste-
neas, Sohn des Nereneas, Tilataeer^ aus der
Gegend des Flusses Iscos, wohnhaft in Tile-
zipta, hat mich für sich gemacht«. Die
Vermutung, daß in TIATEAN die TiXaTaiot
des Thukydides stecken, ist zuerst von Prof.
C. Cichorius in einem Privatbrief ausge-
sprochen und von Detschew gebilligt worden.
Der römische Schatz von Nicolaevo
(Anzeiger 1910, 399!; 191 1, 366 f.) ist von
mir in Zusammenhang mit anderen ahn-
223
Archäologische Funde im Jahre 1914.
224
liehen Erzeugnissen der römischen Gold-
schmiedekunst, hauptsächHch bulgarischen
Fundortes, behandelt worden (Izvestia IV
dersarkophag aus Stein bei Artschar (Ra-
tiaria) gefunden wurden (Abb. 5). Der
Fund besteht aus folgenden Stücken: i. Zier-
Abb. 5. Römischer Goldfund aus Ratiaria.
I — ^.48 mit 5 Taf. und 13 Abb.). Aus dem
Vergleichsmatenal sind namentlich die gol-
denen Schmuckgegenstände hervorzuheben,
welche erst im vorigen Jahre in einem Kin-
stück in der Form einer breiten Kette, deren
einzelne Glieder mit farbigen Halbedel-
steinen verziert sind (0,165 ^ ^^^Sj ^7,^7 g)-
Unten schHeßt die Kette mit einem ovalen,
225
Bulgarien.
226
Abb. 6. Marmornes Reliquiarium aus Tschoban-dere.
H-
k
Abb. 7. Kömisches Marmorrelief aus Stara-Zagora,
ebenfalls mit farbigen Steinen verzierten | logue of the Jewelery nr. 2866). Wie eine
Schild. Ein ähnliches Stück aus Tunis be-
sitzt das British Museum (Marshall, Cata-
Statue aus Palmyra zeigt (a. a. 0. S. 339),
sind diese Zierstücke von Frauen im Haar
227
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
228
über der Stirn getragen worden. — 2. Hals-
kette, bestehend aus 71 hohlen Gliedern in
der Form von lunulae (0,37 m lang, 18,10 g).
Die Kette trägt in der Mitte einen ovalen
Amethyst. — 3. Halskette, bestehend aus
22 Gliedern, die je eine runde Granatperle
tragen (0,324 m lang, il,20g). — 4. Hals-
Abb. 8.
Teil eines römischen Bronzedreifußes
aus Tvarditza.
kette aus 8 -förmigen Gliedern aus goldenem
Draht (0,40 m lang, 25,25 g). — 5. Dünner
Halsring, dessen Durchmesser 0,103 "^ rnißt;
10,82 g. — 6 — 9. Zwei verschiedene Paare
Armbänder, ein Fingerring mit Granatperle
und ein kleines rundes Anhängsel. Die
nächsten Analogien zu diesen Schmuck -
gegenständen findet man unter den syrischen
Goldschmiedearbeiten. Die Halskette mit
dem Amethyst, die sich durch eine sehr
sorgfältige und feine Arbeit auszeichnet, ist
sicher als importiert zu betrachten.
Die Erforschung der altchristlichen Bau-
denkmäler in Bulgarien (Anzeiger 1914, 420)
ist auch im vorigen Jahre fortgesetzt worden.
Obwohl die entsprechenden Berichte noch
nicht erschienen sind, kann ich schon jetzt
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Abb. 9. Teil eines römischen Bronzedreifußes
aus Tvarditza.
auf die gewonnenen Resultate kurz hin-
weisen. Das Nationalmuseum ließ die inter-
essante Kirche von Klisse-keui, in der
Nähe von Pirdop, ausgraben. Erhalten sind
nur die Grundmauern bis zur Höhe des aus
großen Quadern bestehenden Sockels. Die
Kirche hat im Grundriß die Form eines
lateinischen Kreuzes, ist 24,40 m lang und
15,20 m breit. An der Westseite, neben dem
Narthex, befanden sich zwei viereckige
229
Bulgarien.
230
Räume, von denen der südliche als Baptiste-
rium gedient zu haben scheint. Vor der
Kirche befand sich ein ausgedehntes Atrium.
Die Kirche von Klisse-keui, die leider ge-
nauer nicht datiert werden kann, gehört zu
einer in Kleinasien sehr verbreiteten Gruppe
(Ramsay and Bell, The thousand and one
Churches S. 340 ff. ; Rott, Kleinasiatische
Denkmäler Abb. 60, 66 und loi). Sie
unterscheidet sich aber dadurch, daß sie
eine hufeisenförmige Apsis hat — eine Form,
die wieder in Kleinasien sehr verbreitet ist.
An der Nord- und Westseite hat sie einen
korridorartigen Umgang gehabt. In seinem
östlichen Teil, neben der Apsis, befand sich
das kreuzförmige Baptisterium. Bei den
Ausgrabungen wurde in der Mitte der Apsis,
dicht an der Ostmauer, eine kleine Aschen-
kiste (ReHquiarium) aus Marmor in der
Form eines antiken Sarkophags gefunden
Abb. IG. Römische Bronzebüste aus Kalugerovo.
vor der eigentlichen Apsis einen vorgelegten
viereckigen Raum hat, infolgedessen der
Grundriß nicht die T-, sondern die -j--Form
ergibt. Gerade in diesem Umstand liegt
hauptsächlich die architekturgeschichtliche
Bedeutung dieses Heiligtums.
Eine andere altchristliche Kirche hat die
Bulgarische Archäologische Gesellschaft bei
dem Dorfe Tschoban-dere, Regierungs-
bezirk Eski-Djumaia, ausgegraben. Diese
Kirche, die einmal gründHch umgebaut wor-
den ist, ist eine kleine dreischiffige Basilika,
18,30 m lang und 9,80 m breit. Sie gewinnt
ein besonderes Interesse dadurch, daß sie
(Abb. 6; 0,15 m hoch, 0,141 m lang und
0,094 m breit). Die Kiste war plombiert und
enthielt einige verbrannte Knochen, wahr-
scheinlich als Reliquien geltend, und zwei
kleine Fläschchen aus Glas. Schließlich hat
die Archäologische Gesellschaft auch die
Ausgrabung der bekannten »Roten Kirche«
bei Peruschtitza, von der noch beträcht-
liche Ruinen erhalten sind, unternommen.
Die Ausgrabung konnte wegen der Tiefe des
Schuttes nicht beendigt werden und soll in
diesem Sommer weitergeführt werden. Es
hat sich jedenfalls schon herausgestellt, daß
an dieser Stelle zwei verschiedene Kirchen
231
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
232
übereinander liegen. Auch sonst haben die
Ausgrabungen für den Grundriß der »Roten
Kirche« interessante Aufschlüsse ergeben,
deren Bedeutung in diesem Augenblick noch
nicht genügend gewürdigt werden kann.
Von den Einzelfunden, die im Laufe des
Berichtsjahres gemacht wurden, hebe ich
wieder nur die wichtigsten hervor (vgl. mei-
nen ausführlichen Bericht in Izvestia IV
über den Torbogen sind zwei Nikefiguren
angebracht, die je einen Kranz in der Hand
halten.
Weiter erwähne ich einen römischen Drei-
fuß aus Bronze, gefunden bei dem Dorfe
Tvarditza, Regierungsbezirk Nova-Zagora.
Leider war der Dreifuß in mehrere Stücke
zerbrochen, von denen einige verloren ge-
gangen sind. Den Abschluß der Füße bilde -
Abb. II. Bronzestatuette der Venus aus Ratiaria.
278 — 293). Zunächst ist das Marmorrelief
eines römischen Tores aus Stara-Zagora
zu erwähnen (Abb. 7; jetzt in der Sammlung
des kleinen Lokalmuseums in Stara-Zagora;
Höhe der Platte 0,45 m. Breite 0,37 m, Dicke
ca. 0, 10 m). Das Tor hat zwei vorspringende
Säulen, die auf hohen profiherten, auf der
Vorderseite mit Kränzen verzierten Posta-
menten ruhen. Auf den Säulen liegt ein
dreiteiliger Architrav mit Zahnschnitt und
darüber der Giebel, dessen Feld mit einer
Rosette und Ranken ausgefüllt ist. Die
Spitze wird von einem Akroter in der Form
einer Palmette gekrönt. Rechts und links
ten 0,115 m hohe Statuetten von bärtigen
Satyrn, von denen nur zwei Exemplare er-
halten sind (Abb. 8). Sie unterscheiden sich
nur darin, daß der eine auf dem linken, der
andere auf dem rechten Bein kniet. Oben
endeten die Stangen mit Dionysosbüsten,
von denen nur eine erhalten ist (Abb. 9).
Sämtliche Stücke, die eine vollständige
Wiederherstellung des Dreifußes gestatten,
befinden sich jetzt im Nationalmuseum.
In einem Steinbruch bei dem Dorfe Kalu -
gerovo, Regierungsbezirk Tatar -Pazardjik,
wurde die 0,11 m hohe Bronzebüste eines
Silen gefunden (Abb. 10, jetzt ebenfalls im
233
Bulgarien.
234
Nationalmuseum). Die Büste war einst ver-
silbert. Die ganze Rückseite ist offen und
mit einem Eisenstift versehen, der zur Be-
festigung der Büste an einem anderen Gegen-
stand diente (vgl. die ähnlich gebildete Büste
eines Satyr aus Issitlii, Anzeiger 1910, 401).
zu anderen Statuetten dieser im römischen
Bulgarien sehr behebten Göttin (vgl. z. B.
Anzeiger 1910, 402 und 1914, 427) zeichnet
sich das neugefundene Exemplar durch voll-
endetere Formgebung und sorgfältigere Ar-
beit aus. Beachtung verdient wegen seiner
^^^1«^..
Abb. 12. Römisches Grabmal aus Ratiaria.
Aus Artschar (Ratiaria) wurden für die
Sammlungen des Nationalmuseums ver-
schiedene römische Funde erworben. Her-
vorzuheben ist eine 0,19 m hohe Bronze-
statuette der Venus, die sich mit beiden
Händen das Haar trocknet; hohes Diadem
auf dem Kopfe (Abb. ii). Im Vergleich
ungewöhnlichen Form auch ein ebenfalls aus
Ratiaria stammendes Grabmal aus porösem
Kalkstein (Abb. 12). Das Grabmal hat eine
viereckige, nach oben sich verjüngende Form
und ist von einem Pinienzapfen gekrönt (im
ganzen 1,02 m hoch, unten 0,54 m breit und
0,30 m dick). Die Vorderseite ist mit zwei
235
Archäologische Funde im Jahre 1914.
236
Delphinen, die heraldisch um einen Dreizack
gruppiert sind, verziert. Die beiden Schmal-
seiten zeigen schuppenartig angeordnete
Blätter. Der Pinienzapfen kommt auch sonst
als Bekrönung von Grabdenkmälern in der-
selben Gegend vor (Anz. 1914, 423; vgl.
auch Hettner, Die röm. Steindenkmäler des
Museums zu Trier 99 f. ; Athen. Mitteil.
XXXVI, 191 1, 292 Abb. 2).
Eine Dachterrakotte^ welche mit Relief -
darstellungen in strengem Stil verziert ist,
wurde in Mesembria gefunden (Abb. 13;
0,29 m lang, 0,17 m hoch und ca. 0,05 m
Regierungsbezirk Varna. — 2. 22 silberne
Münzen, gefunden bei dem Dorfe Garbino,
Regierungsbez. Küstendil, vom • National-
museum erworben; es sind 18 Drachmen mit
dem sitzenden Zeus Aetophoros von Alex-
ander dem Großen, zwei Drachmen von
Philippus III., eine von Antiochos I. und
eine Halbdrachme von Histiaea. — 3. 27 rö-
mische Denare aus dem I. und 2. Jahrh.,
gefunden bei dem Dorfe Medovitza, Re-
gierungsbezirk Belogradcik.
Sofia.
B. Filow.
Abb. 13. Dachterrakotte aus Mesembria.
dick). Das Nationalmuseum besitzt ein
zweites, ganz ähnliches Stück, das ebenfalls
aus Mesembria stammt. Beide Stücke ge-
hören wahrscheinlich zu einem bedeutenden
Bau aus dem 5. Jahrh. v. Chr., über den zur
Zeit nichts Genaueres bekannt ist.
Schließlich ist eine größere griechische,
sehr fragmentierte Inschrift zu erwähnen,
welche vor mehreren Jahren in Nikopolis ad
Istrum gefunden wurde, aber erst jetzt ver-
öffentlicht wird (Kazarow, Mitteil, der Bulg.
Histor. Gesellschaft IV 191 5, 3 fif.). Die In-
schrift ist zu Ehren des Priesters Minicius
und seiner Tochter Firmina gesetzt und ge-
hört der Zeit M. Aureis an. Beachtung ver-
dient auch ein neugefundener Altar der Diana
Germetitha (ibid. I f.).
Von größeren Münzfunden sind folgende
zu erwähnen: i. Goldmünzen (ca. 200 Exem-
plare) von Justinus und Justinianus, ge-
funden bei dem Dorfe Hadji-Sinanlar,
Rumänien.
Die Ausgrabungen in Ulme tum sind ab-
geschlossen. Die letzte Abhandlung, über
die Resultate der Frühjahrskampagne 1914,
ist (in den Denkschriften der Kgl. Rumäni-
schen Akademie) erschienen. Das Innere
des Lagers, kreuz und quer durch Lauf-
gräben untersucht, hat (wie aus dem bei-
gegebenen Plan I ersichtlich ist), außer dem
»Prätorium« keine anderen nennenswerten
Baulichkeiten zutage gefördert. Sehr inter-
essant dagegen waren die Aufschlüsse, die
wir aus den allerorten festgestellten und
als »byzantino-barbarisch« gekennzeichneten
Trümmern und Resten der spätesten Zeit
des Lagers gewonnen haben. Es ist hier
nicht der Ort, näher darauf einzugehen, zu-
mal meine vier Abhandlungen über Ulmetum
sämtlich mit eingehenden Rdsum^s in
französischer Sprache versehen sind, so daß
237
Rumänien.
238
die Althistoriker und Topographen, die sich
speziell mit den römischen Provinzen be-
schäftigen, diese Arbeiten an der Hand der
reichlich beigefügten Pläne, Grundrisse
und Photographien sehr gut werden ver-
folgen und gebrauchen können. Es drängt
sich mir aber als eine Notwendigkeit auf,
auch an dieser Stelle diejenigen Inschriften
natürlich — z. B. für das CIL. — zu den
Denkschriften der Kgl. Rumänischen Aka-
demie greifen müssen.
1. [ ]AeliusL[ ]sbuleu[ta] His-
tria[e se] vivo s[ibi p]osuit e[t Fla]vi(a)e
Vic[tor]in(a)e coniu[gi e]t Aelio Lu[....
filio].— 2. Jahrh.n.Chr.(Ulmetum I, S.53i.)0
2. "EvOa xataxiVTE 8[u]o d'Yafiot 7naTo[i'
CHKTBk
-VLA^FTVM'
Plan I. Das Lager von Ulmetum.
von Ulmetum wiederzugeben, die von allge-
meinerer historischer Bedeutung sind, indem
sie, einige sogar zum erstenmal, wichtige
Fragen der römischen Kriegs-, Religions-
oder Verwaltungsgeschichte beleuchten, und
ebenso diejenigen Denkmäler zu erwähnen,
die unsere Kenntnis von der Ethnographie,
Geographie oder Topographie Kleinskythiens
berichtigen oder bereichern. Was die
anderen, ziemlich zahlreichen gewöhnhchen
Grab- oder Weihschriften betrifft, die hier
bei Seite gelassen werden, so wird man
aavia sttj [. . .], xat 'AXs^avSpia, I^yovtj outou,
CiQaa(j[a] Itt] iC', öuYaTTjp 'AcfxXrjiriaSou xat
*A}ifiia8o?, xaxaXtirt Se apjia 1x6 v. ouxoi oüvt^-
axpr^aav Iv x^ i^ßaut (5pa fjiia. Ivsxctcav xvjv
oxtjXXtjv ot 70VT? auxÄv xoi? deoxijjLT^xoic; xexvoi?
fiVT^fiTj? x«piv- — 5- Jahrh. n. Chr. (I 535.)
3. [Deo, Deae — } — pro salute] L.
Va(leri) Victorini et Ulp(iae) Nicandras et
filiorum eorum: L. V(aleri) Victorini et
') Bei den übrigen Nummern zitiere ich einfach,
z.B., I 531.
239
Archäologische Funde im Jahre 1914.
240
L. Va(leri) Turbonis et L. Va(leri) Soteri,
— Valerius Nilus actor ex votun posuit.
- 3. Jahrh. (I 556.)
4- "Atta? rioaaei Tqi föto) uitu 'louar«) -^ptui
Cr^cjavTt Itt] x', tV axrjXXetöa ex zSiv iSttov
[xvi^}i.7j? X*^P'^ aveoTirjoev j^aTps TtotpoSttot. —
2. Jahrh. (I 561.)
5. D(is) M(anibus). Ithazis Dada titu-
[l]um sibi se vi(vi)vo et Ziftiae uxori suae
defunctae posuit.' — Gegen Ende des 2.
Jahrh. (I 564.)
suo et Bes(s)is''), VI n(o)nas lulias
Orfito et Maximo co(n)s(uUbus). — 2. JuH
172 (II 2, 345.)
9. (Auf einem Tondeckel, im Kreise)
Rupis, ßoTjöt. — Nach der Kulturschicht,
in der aufgefunden,' 6. Jahrh. (II 2, 352.)
10. (Desgleichen) Ute, oTvo? xaX.61;. —
Gleiche Zeitbestimmung. (II 2, 353.)
11. 'A7aOT,(i) xt>/yj(t)' ttjv SeßaatTjv 2oßet-
vt'av TpoivxuXXeivav, ßoüX-}] 8t,|io? tt^? fxTjxpo-
'ir6[X]£a)i; TofiS«)? [dann vielleicht: avsatr^cfav
Abb. I. Das Nordwesttor des Lagers Ulmetum.
6. (Sacrificium Mithriacum. — Darun-
ter:) Deo b[ono Invicto?]. — 3. Jahrh. (II
2, 330.) Marmor.
7. Valeates vos qui superissetis et coe [ . . ] -
etes manes tres qui a vos ad nos venituri
setis. Aur(elius) Sisinus paganus vixit
annis super LXX et superis de s[uo et]
coniug[i...]. — 3. Jahrh. (II 2, 333.)
8. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) (s(acrum))
et lunoni Reginae pro salutem Im[p(erato-
ris)] Aureli An(ton)ini Marti(u)s P(h)ilo
mag(ister) vici Ultinsium ') posuit de
') VLTINSIVM.
euTuj^o)?, uTiaTeuovTos Hpooiou TeptuXXtotvou
irpeaßeuToü dviisxpaTrjou]. — Ca. 242 (II 2,
355.) Obere Hälfte einer Marmorara.
12. (Kläglicher Erhaltungszustand). Con-
sacrani Silvan[i] Sato [r ]i[s] *) OVIC
CAIIA//ACAF///N//II posuerunt[ar]a Sil-
vano nomine suo per Valerio Valeria[n]o
quae[s]tor[e]m, D[o]met(ium) Consu-
lem3), kalandis Iuni[s], Orf(ito) Ru(fo
COS.). — I. Juni 178. (II 2, 359.)
•) BESIS.
») Glücklicherweise steht die Lesung: SATO/I/
OVIC etc., mit Resten von R und S in den zwei
freien Räumen, außer jedem Zweifel.
3) Auf dem Stein: DO|M ET CONSVLEM.
241
Rumänien.
242
13. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) et lunoni
Reg(inae) pro salutem M(arci) Aur(eli)
V[e]ri et L(ucii) Verl Aug(usti) et
sua civis R(omani) et Bessis con-
s(istentes) vico Ulme(to). Fl(avius)
Germanus mag (ister) vici posuit de suo
VII kal(endas) lulias Ponti[o] La[e]li[a]n[o
C]e[sen]ni[o Sospite co(n)s(ulibus)]. — 25.
Juni 163. (II 2, 366.)
14. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) s(acrum)
pr(o) s(alute) Imp(eratori) Lu(cio) Sep-
die nonarum luniaro(m). — 5. Juni 191.
(11 2, 375.)
16. A-PCO. Pedatura militum lan-
ciarium iuniorum. Ist am Eingange
des Turmes, der das kleine SO-Tor be-
schützte, gefunden worden, und zwar im
Turme selbst. — 6. Jahrh. [Vgl. zu dieser
Inschrift Procopius, De aedif., ed. Haury,
IV 7, 17 sq.]. (II 2, 379.)
17. D(is) M(anibus). Val(erius) Victorinus
biarcus, qui militavi[t] in sacro pa-
Abb. 2. Der linke Turm des Nordwesttores von Ulmetum.
tumnio Sever(o) Aelius Aehanus m[a]-
gistratusviciClementianesces^) ara(m)
de su(o) p(o)suit Tertull(o) et Cl(e)menti
co(n)s(ulibus). — A. 195. (II 2, 369.).
15. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) et Sancto
Silvano [pjro salute Inperatoris et salute
consacranorum [vgl. oben Nr. 12], Fla-
(vius) Augustales de suo posuit ara(m)
et tabla(m) [vgl. Arch.-epigr. Mitt. XV
214, 93, Nicopolis ad Istrum: dvsOr^xs
Tov ß(j)[{ji]6v xl TYjv xpaTTsCav . . . .] memoria
sua Aproniano et Bradu(a) co(n)s(ulibus),
I) CLEMENTIANESEES. Man muß also CIL.
111 7565, Clementiano lesen.
Archäologfischer Anzeiger 1915.
latio ann(is) VII[ . . ], vix(it) ann(is)
XL, qui [i]n proe[li]o [RJomanorum
Calced[o]nia contra aversarios de-
cessit, honoris grati[a] sanxit ut perpetuos
honorarique honesta r[e]liquiaru[m] sepul-
tur[a] consecr[ata] videatu[r] HVHIE M[a-
trjona coni[ux] pientissima viva s[e]met bene
meren[ti]conpari suo me[mojriam posuit.
— Die Schlacht, die in der Inschrift erwähnt
wird, kann keine andere sein als die vom
Jahre 324, zwischen Licinius und Constan-
tin; Kalchedon war damals eingenommen
und das Heer des Licinius zersprengt und
vernichtet. Der Schriftcharakter unseres
243
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
244
Abb. 3, Das SUdwesttor des Lagers Ulmetum.
Abb. 4. Eingang des SUdwesttores von Ulmetum ; rechts die Rinne des Fallgatters.
245
Rumänien.
246
Denkmals, das Wort biarcus und die Dar-
stellung des reitenden Heros über dem
Inschriftfeld verbieten die Annahme ande-
rer, geschichtlich an sich möglicher Data,
wie 258 oder 366. Somit fällt die älteste
Erwähnung eines biarcus in das Jahr 324
(bisher 327: CIL. VIII 8491). — (II2, 386.)
18. Imper[an]te Dom(ino) nostro Severo
[A]lex[and]r[o] co[s.] III [et] C[a]ssi[o]
Dione II cos. Ni[pius ?] Vitale[s] (centurio)
leg(ionis) ex pr(a)ecepto v(iri) c(larissimi) M.
20. I(ovi) O(ptimo) M(aximo) pro salute
Im(im)p(eratorum duorum) I^. Septumi
Severi et M. Aureli Antonini [et P. Sep-
tumi Getae nob(ilissimi) Caes(aris)]
— A. 198 — 209. (III 279.)
Zur Erläuterung des Erhaltungszustandes
und der wichtigsten architektonischen Eigen-
tümlichkeiten des Lagers von Ulmetum gebe
ich sieben Ansichten wieder, die folgender-
maßen zu deuten sind. Abb. i : Das NW-Tor;
der Eingang selbst, erst enger gemacht
Abb, 5. Der linke Turm des Südwesttores von Ulmetum.
Antenni ^) Sabin[i] 2) co(n)s(ularis) n(os-
tri) t[erm(inos)] 3) ficxi[t]. — A. 229. —
(II 2, 390.)
19. lovi et lunoni lulius Ter es 4) ma-
gistra(n)s vico Ulmeto .aram posuit de
suo pro salute suam et filiorum sui et vica-
norum; an(n)o suo f(ecit). — 2. Jahrh.
(in 277-)
') Vollkommen sichere Lesung: ANTENNI.
') Bisher unbekannter Statthalter von Unter-
mösien.
3) Wohl zwischen dem territorium Capida-
vense und dem territorium Histriae. Vgl.
meine Karte zu Ulmetum I.
4) Ter es, thrakisch, nicht Terens, römisch.
(auf der linken Seite), dann ganz verbaut;
die Türme, halbrund. Abb. 2: Der linke Turm
des NW-Tores; die großen Quadern von
früheren Denkmälern; der vierte rechts, ein
noch gut erhaltener Grabstein mit der Dar-
stellung eines Totenmahles. Abb. 3: Das
SW-Tor; auf der linken Seite, ebenso wie
das NW-Tor, in späterer Zeit . verengert.
Abb. 4: Eingang desselben Tores; auf der
rechten Seite sieht man im Pfeiler über der
Schwelle die Rinne, durch die das Fall-
gatter auf und nieder gezogen wurde. Abb. 5 :
Ansicht des linken Torturmes; der Stein,
auf dem die mittlere Person sitzt, ist das
247
Archäologische Funde im Jahre 19 14.
248
oben Nr. 3 mitgeteilte Denkmal des Valerius
Nilus, actor. Abb. 6: Innenseite des süd-
östlichen kleinen Tores des Lagers. Abb. 7:
Das freigelegte Innere des 0-Turmes des
Lagers: rund, mit einem mächtigen Pfeiler
in der Mitte, zum Stützen der oberen Stock-
werke; durch den Pfeiler hindurch führt ein
Kanal, dessen Fortsetzung nach außen in
der Ringmauer festgestellt wurde.
3. In Caraorman (vicus von Histria),
ein kleines nichtssagendes griechisches Bruch-
stück und (Abb. 9) ein neues Fragment der
berühmten Aristagoras- Inschrift. Dieses
leider nur sehr dürftige Reste von 12 weiteren
Zeilen enthaltende Denkmal beweist, daß
die Inschrift viel länger war, als bisher an-
genommen werden konnte. Wie bekannt,
endet das längst veröffentHchte Stück (z. B.
bei Dittenberger, Syll.* 325) mit der Er-
Abb. 6. Das kleine Südosttor des Lagers Ulmetum, von innen gesehen.
An zufälligen Einzelfunden sei hier folgen-
des erwähnt:
1. In Silistra (Durostorum) wurde ein
männlicher Marmorkopf, von einer über-
lebensgroßen Statue oder Büste herrührend,
gefunden; 0,32 m hoch, porträthaft einen
bärtigen Römer — wohl des 3. Jahrh. —
darstellend. Jetzt im Nationalmuseum.
(Abb. 8.)
2. In Peletlia (Ruralterritorium von
Histria) kam ein Fragment von einem
WeihreHef ([dveö]7jx£V e5xapia[Tr^piov]), mit
der Darstellung des reitenden Heros zutage.
Noch in Privatbesitz.
wähnung der Gesandtschaften, die Arista-
goras im Auftrage seiner Vaterstadt über-
nommen hatte. Unser neues Fragment
scheint wieder (vgl. den alten Text) von
verschiedenen Liberalitäten des durch das
Dekret Geehrten zu sprechen, so daß noch
viele Zeilen, die die in dem schon bekannten
Teile nicht aufgezählten Gesandtschaften
und die neuen Freigebigkeiten enthielten,
zwischen dem alten und dem neuen Bruch-
stück anzunehmen sind; erst nach all diesem
folgt endHch die stereotype Formel, SsSox^ott
•nj] ßouX-fl xal t(u ^Tj\im Irraivsaai x. t. X.,
durch die, wie gewöhnlich, das Ehrendekret
249
Rumänien.
250
Abb. 7. Inneres des Ostturmes des Lagers Ulmetum.
abgeschlossen wurde. Aristagoras wird hier
als süEp-fSTT^? begrüßt, und, wenn ich in
meiner Ergänzung nicht fehl gehe, so wird
auch beschlossen, die Marmorstele am sicht-
barsten Orte der Stadt aufzustellen.
jetzt das interessante Denkmal für das
Nationalmuseum zu erwerben.
Die Lesung und Ergänzung der Inschrift,
die viel ÄhnHchkeit mit CIG. II (Boeckh)
2053 b hat und mit Arch. -epigr. Mitt.
EIN
SotTrotvAIZIAi'ctt?
TCOir^ZAMENOZEMEO
EKASTnAYTnN
AIAAEAOXOAI r^ ßouX^ xctt Tqi ST^fitp Ircaivsaai
[ikv ird Toutoi? 'ApiCfTOYOPAN ATTATOYptOü
AAONTOZT
Tov OTTO 7:po76vo)NEYEPrETH'^)v ovxa
tö A EY H 4> I Z Ma toSs dva^pa^at ^k xeXafioiva
XsuxoXiOov xat dvaOsivoi dNTß E TTI <t> avsOTato) xotki)
8eAOX0ai
4. Ein dem Schriftcharakter nach, wie
es mir scheint, ins 2. Jahrh. v. Chr. gehören-
des Ehrendekret der Kallatianer (Abb. 10),
leider in noch sehr unsicherem Privatbesitz
und nur durch Zufall von meinen Schülern
photographiert, ist im Keller eines Bürgers
von MangaHa gefunden worden; ich versuche
XVII 99, 41 eng verwandt und im Zu-
sammenhang zu betrachten ist, ist leicht.
'Eirt BaoiXao? Eußou>;i8ct, jxtjvo? 'ApiefiiTtou
TsxpofSi l7r[t] 8exa, AeovTiöxo? 'Aöavaiwvo?
sTtts* iTTStSr) 'Hpa)va$ xai ßd[x])(io? KaXXicpd-
') Nach H die Spuren eines N: nicht eines 2!
251
Archäologische Funde im Jahre 1914.
252
vsoc MuTiXavaro[i] euvoot xai Trp6{>u}i.oi iovtec
[8]ia-eXo(5vxi uspi xafx iroXtv xal xoi[va]t xai
i'Sicti Tot? dcptxvoüfi-svotc t<u|x TToXitav Trap£5(ov-
Tott XP^''^'»» [SjeSo^öai tat ßouXat xal xoii 8a-
[iKDi suajtvsaat [isv ettI toutoi? 'Hpa)[vaxTa
xal Ba'xj^iov KctXXicpavso; Mu[TiXavaiou?, SsSjo-
ct&at 6s auToic [e. g. xal ix^ovot? irpoSevtav,
TToXixeiav, laoxsXeiav 7:a'vx(ov xal TroXsfiou xal
s^pa'va? dcJuXsl xal doTtovSei, xal ecpoSov im
Abb. 8. Männlicher Porträtkopf aus Durostorum.
xav ßouXav xal xöv 8a[A0v Trpdxoi? [xexa xa
hpd .... xxX.].
5. Durch die in Constanja, unserer tasch
emporblühenden Hafenstadt am Schwarzen
Meere, fortwährend in Angriff genommenen
neuen Bauten sind eine ganze Reihe neuer
Denkmäler aufgedeckt worden. Auch eiii
Teil der Stadtmauer mit einem halbrunden
Turme konnte bloßgelegt und durch Ent-
eignen des betreffenden Grundstücks in den
Schutz des Nationalmuseums aufgenommen
werden. Auf einer der Quadern, die nach
außen die Turmmauer bekleiden, findet sich
die früh -byzantinische Inschrift: f Moxe-
Xapt[(uv] TrE8axotj[pa] iTrj(8es) x6'. Aus An-
laß dieses Fundes habe ich in einer Ab-
handlung »Zidul Cetäjii Tomi« = »Die Stadt-
mauer von Tomi« (Denkschr. d. Rum.
Akademie, Bd. XXXVII; mit eingehendem
französischen Resume) , sämtliche Quellen
über die Geschichte der Festung von "Tomi
von neuem gesammelt und interpretiert und
die Inschriften in den Arch.-epigr. Mitt.
VIII 13, 33, VI 24, 49, VIII 8, 22 und VI
35, y6, desgleichen CIL. III 7533, revidiert,
wobei sich neue Lesungen oder neue Deu-
tungen ergaben. — Was die übrigen zahl-
reichen Funde von Tomi betrifft, die jetzt
in der Constanfaer Zweiganstalt des National-
museums aufbewahrt werden, so habe ich
sie meinem treuen Mitarbeiter am Museum,
dem Herrn Direktorialassistenten D. M.
Teodorescu, überwiesen, mit dem Auftrage,
sie im »Buletinul Comisiunii Monumentelor
Istorice« zu veröffentlichen. Der erste Teil
seines Artikels »Monumente inedite din
Tomi«, die Beschreibung von 19 Nummern
enthaltend, ist in der 4. Lieferung, 1914,
erschienen. Ich notiere daraus: Nr. 3:
Neue Kunde vom Isiskultus in Tomi
(iraaxocpopot, [ijspovauxai, usw.), — Nr. 16:
Grabschrift eines dva"^v(u(3xr^? xr^? (£710? xal
xai>oXtxr^s ixxXrjSta?, — Nr. 17: ein oivsfA-
TTOpo? 'AXe$avcpia? [vgl. dazu meine »Na-
tionalität der Kaufleute im Rom. Kaiserr.«,
S. 100], — Nr. 18: Grabstein eines Teren-
tius filius Gaione.... militans inter
sagittar (io)s iuniores [vgl. dazu die in
meiner »Istoria Cre§t. Daco-Rom.«, S. 63,
veröffentlichte, gleichfalls in Tomi gefun-
dene Grabschrift eines Barbaren, 'Axa'Xa uio;
TCstoux .... diro oaYtxxapiov ....], — Nr. 19:
Grabstein eines 'AXX£$av8po? veottixo? (sie).
6. Neue Bleigewichte aus Tomi und Kal-
latis veröffentlicht (rumänisch und franzö-
sisch) M. C. Sutzu im »Buletinul Societäpi
Numismatice Romane« 1914, unter dem Titel
»Contribution ä l'ötude des poids antiques
de nos cites pontiques«; dazu vgl. Monsignore
R. Netzhammer in der »Revista Catolicä«
1914, S. 129 ff. — Seit 1913 berichtet regel-
mäßig C. Moisil im »Bul. Soc. Num. Rom.«
ganz kurz über die neuen numismatischen
Funde, die auf rumänischem Gebiete ge-
macht werden (»Buletinul« 1914, S. 56 u.
76). Hauptfund: Ringgelder aus Gold, ge-
funden in einer unbekannten Ortschaft des
Distriktes Arge?. Privatbesitz des Dr. G.
Severeanu, Bukarest.
253
Rumänien.
254
Hauptereignis des Jahres waren die
Ausgrabungen, die ich dank der Liberalität
der Rumänischen Akademie im Juli 1914
bei Karanasuf, auf der Stätte des alten
Histria (Istr (i)opolis), begonnen habe,
und die gegenwärtig, von demselben hohen
Institut unterstützt, rüstig vorwärts schrei-
I, Die Festung selbst (etwa 8 ha), [mit
der westlich vorgelagerten Zivilstadt] liegt
(wie aus meinen Sondierungen mit Sicher-
heit hervorgeht) auf einer Insel inmitten
eines alten, großen Meerbusens, der jetzt
gegen 0, d. h. gegen das Meer, durch den
Küstengürtel von Kituk, welcher den heu-
Abb. 9. Neues Fragment der Aristagoras-Inschrift von Histria.
ten. Ausführliche Berichte in französischer
Sprache werde ich über die Resultate —
die sich glänzend gestalten — in den Schrif-
ten der Akademie Jahr für Jahr geben. Vor-
läufig kann ich im Anzeiger folgendes mit-
teilen.
Die antike Niederlassung bei Karanasuf
besteht aus folgenden Bestandteilen, die sich
auf einer Fläche von einigen Hundert Hektar
erstrecken (vgl. Plan II: Histria, Lage und
Umgebung):
tigen See Sinoe bildet, abgesperrt ist; ebenso
wie ihre Schwester, das pontische Apollonia
(Strabo VII 319) oder auch wie Mesambria
(Jirecek, Arch.-epigr. Mitt. X, 173 f.), und,
wohl nach demselben Prinzip, nach dem ein
Jahrhundert früher die korinthische Pflanz -
Stadt Syrakusai angelegt worden war, wurde
also die Kolonie Histria auf einer Insel
(etwa 50 ha groß) gegründet, welche einer
Halbinsel (s. den Plan), ebenso wie das
bei Syrakus der Fall ist, vorgelagert war.
255
Archäologische Funde im Jahre 1914.
256
2. Während der östliche, höhere, felsige Teil
der Insel von der Festung (in alter Zeit der
Akropolis) der Histrianer eingenommen war,
war der größere westliche Teil (über 40 ha)
von der Festung durch ein dreifaches System
von Wällen und Gräben getrennt, und zwar
wiederum in zwei Teile gesondert: das der
Akropolis näherliegende Gebiet, -ca. lO ha.,
bildete eine Art Festung zweiten Ranges,
gegen W durch eine feste Mauer mit Wall
ich folgende Teile von Histria endgültig frei-
gelegt.
In der Mitte der Nebenfestung legte ich
die fast völlig von Feuchtigkeit vermorschten
Fundamente eines kleinen Gebäudes frei,
das auf einem Inselchen mitten in einem
großen elliptischen, künstlichen Bassin lag,
dessen Zweck mir bisher nicht klar ist, das
aber jedenfalls nicht in Verbindung mit dem
die Stadtinsel umgebenden Meere stand. Die
Abb. 10. Ehrendekret aus Kaliatis.
und Graben gesichert, die sich von N nach
S, von Meer zu Meer, erstreckten; der Rest,
also noch immer der größere Teil der Insel,
ist ganz von antiken Scherben und Trüm-
mern aller Epochen bedeckt, ganz besonders
aber wird er gekennzeichnet durch die vielen
keramischen Fragmente rotfiguriger Vasen
bester Machart.
3. Die Halbinsel (s. den Plan) ist auf
einer Fläche von Hunderten von Hektar von
der Nekropole der Histrianer eingenommen.
Ungezählte tumuli bedecken, dicht anein-
ander gereiht, die Abhänge des sanft nach
S und O herabsteigenden Terrains.
Außer den Sondierungen, auf deren Grund
diese Feststellungen gemacht wurden, habe
Grabungen waren, wie denn überhaupt bei
Histria, sehr schwierig, da bei größerer Tiefe
das hervorquellende Wasser sofort die Grä-
ben überschwemmt und alles weitere For-
schen gänzlich verhindert.
Ebenfalls in der Nebenfestung, zwischen
dem Bassin und den Wällen der Haupt-
festung, auf einer künstlichen Anhöhe, etwa
130 m von dem Kamm des ersten Walles
entfernt, habeich einebasilica (vom Stand-
punkte der spätesten — byzantinisch-bar-
barischen — Zeit, der sie angehört, extra-
murana) vollständig freigelegt; ihre Mauern
sind nur aus groben, mit Lehm gefügten
Steinen gebaut; dagegen sind für das Pres-
byterium Säulen und cancelli aus gutem
257
Rumänien.
258
Kalkstein oder gar Marmor benutzt, deren
Herkiinft und Charakter älter und heidnisch
ist. Gleichfalls älteren Ursprungs ist das
Bruchstücken vollkommen demoliert. Eines
dieser Fragmente, gegen Osten, bis zu den
Fundamenten von der Witterung bloßgelegt,
bei der Apsis der basilica gefundene korin- zeigt uns, daß hauptsächlich das Meer die
Plan II. Histria; Lage und Umgebung.
thische Kapitell mit offenbar später hinzu -
gemeißeltem byzantinischem Kreuz. Der
Fußboden ist mit Ziegeln belegt.
Die eigentliche Festung hat eine polygo-
nale Form. Ihre Ringmauer ist auf der S-,
N- und NO- Seite arg zerstört. Auf den
NOO-, 0-, OSO- Seiten ist sie außer einigen
Zerstörung dort veranlaßt hat, wo die Be-
festigungen seinem ganzen Anprall — d. h.
im Osten — ausgesetzt waren. Dies beweist
zugleich, daß der Küstengürtel von Kituk
(vgl. den Plan) im Altertum entweder nur
in der Ausbildung begriffen (etwa unter-
seeisch) oder sehr lückenhaft war, so daß
259
Archäologische Funde im Jahre 1914.
260
Abb. II. Ansicht des Nordturmes der Festung von Histria.
Abb. 12. Ansicht des Westtores von Histria.
das Meer mit voller Kraft an die Mauern von
Histria anschlug. — Auf der W- Seite, wo
die Wälle und Gräben liegen, über die der
Weg durch das große Tor in die befestigte
Stadt führte, ist die Mauer ziemlich gut er-
halten (vgl. in der Abb. 11 die Ansicht des
26 1
Rumänien.
262
Abb. 13. Linke Seite des äußeren Einganges des Westtores von Histria.
Abb. 14. Das kleine Tor des Zwingers beim Westtore von Histria.
263
Archäologische Funde im Jahre 191 4.
264
N-Turmes der Festung), und zwar bis zu
einer Höhe von 4 — 6 m über dem Sockel.
Vollständig auf der Außenseite freigelegt ist
der SW- Eckturm. Sein Sockel reicht an das
Niveau der in Verbindung mit den umliegen-
den Seen stehenden unterirdischen Gewässer.
Andererseits sind die Gräben, die gegenWesten
die Festung schützten, bis auf den heutigen
Tag so tief, daß sie fast an den Wasser-
spiegel reichen; nach Norden und Süden
standen sie in direkter Verbindung mit dem
Meere, wie aus der Wiederherstellung ihres
allmählich entstanden ist (der Zwinger ist
spätere Hinzufügung), durch die architek-
tonischen Fragmente und die urkundlichen
Denkmäler, die beim Bau verwendet wurden
(vgl. besonders Abb. 15, wo vier marmorne
kannelierte Säulenschäfte horizontal unter
der Mauer herausragen), verdient dieses Tor
ein Kapitel für sich. Es genügt an dieser
Stelle zu erwähnen, daß im linken, äußeren
Torturme (vgl. Abb. 13) nicht weniger als
sechs beschriebene Kalksteinaren eingemau-
ert liegen, von denen bisher nur eine —
Abb. 15, Marmorne Säulenschäfte als Baumaterial, in situ. Histria.
antiken Laufs und Profils hervorgeht. Alle
diese Tatsachen beweisen übereinstimmend,
daß die Festung vollkommen vom Meere um-
geben war, — Bei der Freilegung dieses SW-
Turmes sind unter den Trümmern, sehr bald
nach Beginn der Arbeit, zwei Denkmäler zu-
tage getreten, die als Baumaterial verwendet
worden waren, und nun sozusagen symbo-
lisch für die Zusammensetzung der hiesigen
Bevölkerung in alter Zeit sind: das eine,
eine griechische Grabstele für einen gewissen
Chrysippos, das andere, eine lateinisch ver-
faßte Grabschrift für den Thraker Mucatrio
Seutonis.
Ich habe vollständig das große westliche
Stadttor ausgegraben (vgl. in der Abb. 12
die Gesamtansicht: Zwei Tore mit Zwinger
dazwischen; Abb. 13 Ansicht der linken
Seite des äußeren Einganges mit der Schwelle
und dem sogar mit Marmorblöcken ge-
pflasterten Fußboden des Zwingers; Abb. 14
das kleine, nördliche Tor des Zwingers).
Durch seine Form, durch die Art. wie es
linksseitlich verletzt — vollständig gelesen
wurde, die einen Archiereus und Pont-
arch, der den histrianischen Hafen restau-
riert zu haben scheint, erwähnt; ferner, daß
zur Pflasterung des Einganges unter anderen
großen Marmorblöcken (zwei davon archi-
tektonische Fragmente) auch eine voll-
kommen erhaltene, 3,80 m hohe Marmor-
stele, mit der beschriebenen Seite zur Erde
hingekehrt , verwendet wurde , welche eine
Liste der Gerusiasten von Histria im Jahre 138
n. Chr. enthält ('"^spouata? cptXotsifxoi ol [xexo
TTjv Seu-uepav xxtsiv') mit insgesamt 157
Namen, dazu auf der oberen rechten Seite ein
Ehrendekret von besonderer Bedeutung für
die Verfassung von Histria in der ersten römi-
schen Zeit; daß endlich beim Eintritt in die
Stadt, fast auf der Schwelle des inneren
Tores, zwei Bruchstücke eines großen Cippus
aus Kalkstein gefunden wurden, der eine
große (leider auf der rechten Seite gebrochene)
Inschrift (72 Zeilen kleiner Schrift) vom
Jahre lOO n. Chr. enthält, wo zuerst die
265
Rumänien.
266
Abb. 16. Die Nordkurtine der Festung von Histria.
Abb. 17. Der Nordnordostturm der Festung von Histria.
26;
Archäologische Funde im Jahre 191 4.
268
fines Histrianorum festgestellt werden
[hier sind sie (die Gelehrten mögen sich
freuen!): [. . . . Pe]|ucem, laccum Hal-
myridem a do[minio ? . . . . ]|Argamen-
sium*), inde iugo summo[ ad
c]|onfluentes rivorum Picusculi et
Ga[brani, inde a riv]|o Gabrano ad
capud eiusdem inde[....ad rivum]j
Sanpaeum, inde ad rivum Turgicu-
l[um ][ a rivo Calabaeo milia
passum circi[ter . . . . ].], und anschlie-
ßend verschiedene (griechisch verfaßte) epi-
die historisch-architektonischen Probleme,
die die Kurtinen, Türme und Eingänge dieser
Seite der Festung (vgl. die Abb. 16 und 17)
hervorrufen, ebenso mannigfaltig wie neu
angesichts der bisher bekannten römischen
Festungen der Scythia minor. Die künstle-
rischen, antiquarischen und historischen Fun-
de sind auch hier sehr zahlreich. Allen voran
sind die in großer Zahl auf der N- Kurtine
gefundenen Ziegel zu erwähnen, die den
lateinischen, schön gravierten Stempel f IMP
ANASTASIVS auf der Kante tragen und
Abb. 18. Marmorrelief aus Histria.
stulae der römischen Statthalter [zwei
Briefe von Flavius Sabinus, einer von Pom-
ponius Pius, einer von Plautius Aelianus,
einer von Tullius Geminus, einer von Labe-
rius Maximus], von denen, besonders unter
Claudius (!), Rechte und Privilegien den
Histrianern verliehen wurden, — um die Be-
deutung der Funde beim großen Tor von
Histria und überhaupt der Funde dieser
ersten Ausgrabungskampagne zu würdigen.
Ganz freigelegt wurde endlich die äußere
NW- Front der Festungsmauer in einer Länge
von 134 m. Wie beim großen W-Tore, sind
') Arg am um ist noch durch Procopius, De
aedif, , ed. Haury, IV, 11, p. 149, 13: 'Apyapwi),
belegt.
somit ein Beweis sind, daß der Kaiser am
Anfang des 6. Jahrhs. es nicht für über-
flüssig gehalten hat, die uralte griechische
Kolonie von neuem zu befestigen. Sehr
wertvoll ist ferner ein kleines (ca. 0,30 xo,30)
Marmorrelief, das, obwohl sehr zerstört, uns
doch eine gute Einsicht in den frischen
künstlerischen Geist gibt, der selbst in den
Steinmetzateliers dieser entlegenen Gestade,
wo wir uns das bescheidene Weihbild ent-
standen denken müssen, geherrscht hat
(Abb. 18).
Im Innern der befestigten Stadt, auf der
S- Seite der Hauptstraße, nicht weit vom
W-Tore, habe ich einen monumentalen Bau
festgestellt (die Bloßlegung ist im Gange),
209
Rumänien. — Archäologische Gesellschaft zu Berlin. November-Sitzung 191 5.
270
der nach den Bruchstücken von »cancelli«
aus Marmor (mit dem flach eingravierten
byzantinischen Kreuze), die unter den Trüm-
mern gefunden wurden, schon jetzt als eine
christliche basilica zu bezeichnen ist.
Unter den zahlreichen architektonischen
und skulpturellen Resten, die so ziemlich
überall gefunden wurden, verdient hier noch
der Standbildsockel aus gelbem Marmor er-
TMt A!OCkoPoi< injHPs:!. Die Be-
ziehungen von Histria zu ApoUonia konn-
ten nicht eindrücklicher belegt werden,
als durch diese knappe, aber wertvolle
historische Kunde, die den Schriftzeichen
nach wohl noch ins 2. Jahrh. v. Chr. gehört.
Bukarest. V. Pärvan.
Abb. 19. Marmorrelief aus Histria.
wähnt zu werden, der eine fragmentierte
Inschrift trägt, die mit Sicherheit als eine
Widmung zu Ehren von Caracalla und Julia
Domna ergänzt werden kann.
Nicht im vergangenen Jahre, sondern erst
vor kurzem, in der diesjährigen Ausgrabungs-
kampagne, ist auch ein Denkmal gefunden
worden, das ich im Interesse der Wissen-
schaft unverzüglich an dieser Stelle mit-
teilen will. Es ist das in der Abb. 19 wieder-
gegebene Weihrelief für die Dioskuren
(0,43 X 0,37 m), mit der vollkommen sicher
wiederherzustellenden Widmung: [ ]-
PATHC KAAAIKPATOY KAIOI s:TPATir2[T0ti Tt]E-
HAEYKOTEC Eni BOHOEIA[v]|[d]noAAnNIA-
ARCHÄOLOGISCHE GESELLSCHAFT
ZU BERLIN.
Sitzung vom i. November 1915.
Den Vorsitz führte Herr Dragendorf f.
Nachdem der Vorsitzende mit einigen Worten
des seit der letzten Sitzung verstorbenen
Mitgliedes Herrn Bar dt gedacht hatte,
sprach als erster Redner Herr Kieke-
busch über hervorragende Bronze-
zeitfunde des Märkischen Museums.
Die einer bestimmten Zeit angehörenden
Funde eines Museums zum Gegenstand einer
Betrachtung zu wählen, könnte sonderbar
erscheinen, weil der Zufall am Zustande-
271
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. November-Sitzung 191 5.
272
kommen jeder Sammlung seinen Anteil hat.
Im vorliegenden Falle liegt die Sache immer-
hin etwas anders. Das Märkische Museum
beschränkt sich — in letzter Zeit ganz be-
sonders streng und grundsätzlich — auf ein
eng begrenztes Forschungsgebiet, die Mark
Brandenburg. Unsere Mark gehörte aber
während der Bronzezeit mindestens zu einem
großen Teile dem nordischen Kulturgebiete
an, dem ja auch Mecklenburg, Schleswig-
Holstein, Dänemark und Schweden zuge-
rechnet werden müssen. Die bronzezeitlichen
Altertümer des Märkischen Museums geben
uns also zugleich ein Bild der nordischen
Bronzekultur. Nun war die nordische
Bronzeperiode ein Zeitalter glänzender Kul-
turhöhe, wie das gleichzeitige mykenische
im europäischen Südosten. Wer je die Mu-
seen in Stockholm und Kopenhagen, aber
auch in Kiel und Schwerin sowie die betreffen-
den Abteilungen des Märkischen und des
KönigHchen Museums in Berlin vorurteils-
los durchmustert hat, wird schwerlich an
diesen herrlichen nordischen Bronzen gleich-
gültig vorübergegangen sein, an den Luren
und Bronzewagen, an den Schwertern und
Ringen und den prunkenden Goldgefäßen,
die uns das Heroenzeitalter der nordischen
Vorgeschichte — denn um ein solches handelt
es sich auch hier — in lebhaften Bildern und
Farben widerzuspiegeln vermögen.
Es soll hier nicht geredet werden von der
Selbständigkeit der nordischen Kultur der
südlichen gegenüber, einer Selbständigkeit,
die heute kaum noch bestritten wird. Es
soll auch nicht geredet werden von dem mit
unglaublicher Bitterkeit ausgefochtenen
Streit über eine in jener Zeit durch die Mark
gehende Kulturgrenze. Es soll auch die
schwierigste Frage, die ethnologische, ganz
außer acht gelassen werden. Nur Tatsachen
sollen zu Worte kommen, und wo sich un-
gezwungen Beziehungen zu südHchen Kul-
turen ergeben, wollen wir natürlich gern
einen Augenblick verweilen.
Da die Bronzezeitfunde in einer bestimm-
ten Reihenfolge vorgeführt werden müssen,
so wählen wir die beste Reihenfolge, die es
gibt, nämlich die Monteliussche Chronologie.
Die von Oskar MonteUus im Jahre 1885 in
dem Werke »Om Tidsbestämning inom
Bronsaldern« der Öffentlichkeit übergebene
relative Chronologie der Bronzezeit hat
sich in glänzender Weise bewährt. Alle
während der letzten dreißig Jahre ans
Tageslicht geförderten Bronzezeitfunde
Europas wurden an der Monteliusschen
Chronologie gemessen und — die Montelius-
sche Chronologie wurde an all diesen Funden
gemessen. Wenn das stolze Gebäude der
relativen Chronologie zu erschüttern gewesen
wäre, so wäre es längst erschüttert worden.
Daß jeder neue Fund sich ohne Schwierig-
keit der aufgestellten Ordnung einfügte, be-
weist nur, wie fest der ganze Bau gegründet
war, wie gewissenhaft der große Forscher
gearbeitet hat.
Im Märkischen Museum ist die chrono-
logische Ordnung der Schausammlung mög-
lichst streng durchgeführt worden. — Aus
der großen Zahl der Funde wurden im Vor-
trage die wichtigsten Vertreter der einzelnen
Perioden im Lichtbilde gezeigt. (Vgl. dazu
A. Kiekebusch, »Die vorgeschichtliche Ab-
teilung des Märkischen Museums«. Mannus
I, 1909.) Besonders sei hier hingewiesen
auf den aus der 3. Periode stammenden
Gießerfund von Spindlersfeld mit
nordischen Fibeln, einer Bronzegußform mit
dazugehöriger Bronzenadel und den herz-
förmigen Anhängern, wie sie ganz ähnlich
bei dem gemalten Halsschmuck des in Kalk-
stuck gearbeiteten männlichen Oberkörpers
im Palaste von Knossos zu beobachten sind
(Abbildung bei Evans und auch in Sophus
Müllers »Urgeschichte Europas« [1907]).
Auch die Funde aus den Hügelgräbern
von Weitgendorf, Kreis Westprignitz,
nehmen besonderes Interesse in Anspruch
(Saal 5 des Märkischen Museums). Sämt-
liche Altertümer aus diesen Gräbern gehören
ebenfalls der 3. Periode an. Die Bestattun-
gen waren reich versehen mit Metallbeigaben,
mit Bronzeschwertern und -dolchen, Hals-
ringen, Armbergen, Messern und goldenen
Spiralringen.
Die schönsten und wohl auch bekannte-
sten Funde entstammen dem »Königsgrabe
von Seddin«. So viel Unfug mit der Be-
zeichnung »Königsgrab« schon getrieben sein
mag, hier ist der Name durchaus berechtigt.
Wir können zwar nicht wissen, ob der in
diesem Grabe Bestattete »König« oder
»Häuptling« gewesen ist. Wohl aber hat die
273
Archäologische Gesellschaft zu Berlin, November-Sitzung 1915.
274
Bezeichnung »Königsgrab« ihre Berechti-
gung, weil bei den Bewohnern der Um-
gegend die Überlieferung lebendig war, daß-
in dem »Hinzerberg« der Riesenkönig
begraben liege in einem dreifachen Sarge.
Diese Sage vom Königsgrabe wurde 1897
gedruckt (E. Krause, Zeitschrift f. Ethno-
logie usw. XXIX S. (117)). Die Grab-
kammer ist erst 1899 entdeckt worden. Der
wiederholt geäußerte Verdacht, daß die Sage
nach der Entdeckung des Grabes für den be-
sonderen Fall zugeschnitten wäre, ist also
von der Hand zu weisen. (Über das Königs-
grab von Seddin vgl. des Vortragenden
»Vorgeschichte der Mark Brandenburg«,
Landeskunde Bd. HI S. 384 — 388, wo auch
die übrige Literatur verzeichnet ist. Eine
naturgetreue Wiedergabe der Funde auf
Wandtafel VH der »Altertümer der heimi-
schen Vorzeit«, Verlag Jul. Bard, 191 5.)
Zu den wichtigen Bronzezeitfunden des
Märkischen Museums müssen auch die durch
die Siedlungsforschung des Museums ans
Tageslicht geförderten Ergebnisse gerechnet
werden. In dieser Beziehung sei auf die
bereits erschienenen Berichte und Abhand-
lungen hingewiesen (Ausgrabungen bei Buch,
Prähistor. Zeitschr. II, 1910; Korrespon-
denzblatt d. Deutsch. Anthrop. Ges. 1912,
1913, 1914 u. 1915).
Über Beziehungen der Häuser des Nordens
zum Süden, namentlich zur griechischen
Kultur, vgl. Prähistor. Ztschr. IV, 191 2,
S. 160 — 165. (Urform des Grundrisses; Me-
garon; Anordnung der Säulen beim peri-
pteralen Tempel; Basensteine und Anten;
Herkunft der Säule; Zahl der Säulen; die
Halbsäule.)
Die in der sich anschließenden Diskussion
von Herrn Diels und Herrn Dörpfeld
geäußerten Bedenken gegen die sich an das
Seddiner Königsgrab knüpfende Überliefe-
rung kann ich nicht teilen. Ähnliche ganz
Überraschendeübereinstimmungen der Fund-
tatsachen mit der alten Überlieferung kom-
men häufiger vor. Ich erinnere nur an den
Peckateler Bronzewagen (Beltz, Vorgesch.
V. Mecklenburg S. 43) und an Niedergörs -
dorf bei Jüterbog, wo ein im 13. Jahrhundert
verschütteter »Burgwall« bei der Unter-
suchung wieder zutage trat. Nur der Flur-
name und einige Sagen hatten die Erinne-
Archäologischer Anzeigfer 1915.
rung an die einstige Befestigung hier leben-
dig und wach erhalten. Kein Archäologe
hätte an äußeren Zeichen auch nur Spuren
eines Burgwalles erkannt. Daß Überliefe-
rungen, Sagen, Spukgeschichten und der-
gleichen besonders häufig an vorgeschicht-
lichen Resten haften, ist eine Tatsache, die
von der Forschung noch bei weitem nicht
genug ausgenutzt worden ist. Derartige
Überlieferungen sind uns heute geradezu
Wegweiser geworden beim Aufsuchen vor-
geschichtlicher Wohnstätten und Gräber.
(Vgl. dazu meine Ausführungen in der Zeit-
schrift f. Ethnologie XLVI, 1914, S. 887;
Prähistor. Zeitschr. VI, S. 307; Korr.-Bl. d.
Deutsch. Anthr. Ges. 1912 S. 65 und 1915
S. 42/43.) Schließlich sind Schliemanns
Erfolge in Troja, Tiryns und Mykenä doch
der glänzendste Beweis für die hohe Be-
deutung jeglicher Überlieferung für die ar-
chäologische Wissenschaft.
Die Ausführungen des Herrn Diels über
die Bedeutung der Zahlen (3, 9 usw.) beim
Königsgrabe von Seddin wie in griechischen
Tholosbauten führen uns auf ein Gebiet, das
in Zukunft ganz gewiß auch in der Prähi-
storie nicht vernachlässigt werden darf. Wir
werden alles daransetzen müssen, um nach
und nach auch in die Gedanken- und Vor-
stellungskreise vorgeschichtlicher Völker ein-
zudringen. Was wir jetzt darüber wissen,
ist leider noch so wenig, daß man bis heute
sich noch kaum daran gewagt hat.
Anschließend sprach Herr Neugebaue r
über den etwas unterlebensgroßen Torso von
Daphni, der, in den Magazinen des Athener
Nationalmuseums aufbewahrt, von Richard-
son im Amer. Journ. of archeol. IX 1894
S. 53 ff. Taf. II unzureichend veröffentlicht
worden ist (Abb. i, nach Institutsphoto -
graphie des Originals). Unbekannt bleibt
der Fundort des Meisterwerkes, wie aus
Richardsons Nachtragsbemerkung in der-
selben Zeitschrift X 1895 S. 51 hervorgeht,
doch stammt es wohl von der heiligen Straße
in der Gegend des Klosters Daphni. Für die
Bestimmung des einstigen Bewegungsmotivs
gibt die Tatsache den Ausschlag, daß sich
an dem erhaltenen rechten Oberschenkel
kein Ansatz des Hodensackes befindet. Viel-
mehr berührte dieser im Herabhängen den
vom rechten nach Ausweis eines schmalen
275
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. November-Sitzung 191 5.
276
erhaltenen Ansatzes um etwa 60° abge-
streckten linken Oberschenkel, wodurch
dieser als der steilere von beiden erwiesen
wird. Der Torso ist also stark nach rechts
geneigt, das rechte Bein nachgezogen ge-
Hintergrundsebene parallel sein mußten,
ergibt die Hauptansicht des Körpers. (Abb. 2,
nach dem Abguß in Leipzig. Die mit Ge-
nehmigung von Herrn Professor Studniczka
hergestellte Aufnahme wird Herrn Assistent
Abb. I.
wesen. Er stellt mithin einen auf das linke
Knie gestürzten Mann dar, der sich zu
seinem Überwinder zurückwendet, er ist der
Rest einer Kampfgruppe. Da das rechte
Bein nicht nach außen gedreht ist, ruhte der
Fuß mit gehobener Ferse auf den Zehen ; das
Knie berührte vermutlich nicht die Plinthe.
Die Auseinanderspreizung der Beine, die der
Stern verdankt.) Der linke Arm war nicht
aufgestützt, wie die erhaltene Schulter
verbietet, sondern der Unterarm wohl
in Übereinstimmung mit der Körper-
drehung nach links hinüber bewegt. Der
rechte Arm war, wie die gestraffte rechte
Körperhälfte lehrt, erhoben, ob in ganzer
Länge dem Sieger entgegen oder ausholend
277
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Dezember-Sitzung 19 15.
278
gebeugt, ist nicht zu entscheiden. Die
nächste Verwandtschaft zu dem so erschlos-
senen Motiv zeigt in rotfigurigen Vasen-
bildern der von ApoUon überwundene
Tityos (vgl. Bulle im Text zu Brunns Denk-
mälern Taf. 649 S. 6 — 7) ; ein ApoUontempel
stand nach Pausanias I, 37,6 an der heiligen
ren griechischen Kunst ist der Torso kunst-
geschichtlich wichtig. Jünger und voll-
kommener als der auf ihn vorausweisende
Gegner Athenas in der Gigantomachie des
Hekatompedon findet er zahlreiche Analogien
in der Blütezeit der strengrotfigurigen Vasen-
malerei und bereitet den Weg, der zu Werken
Abb. 2.
Straße bei dem heutigen Daphni, Diesen
Hinweis auf eine Deutungsmöglichkeit zu
verfolgen, wäre eine Ausgrabung des Heilig-
tums nötig. Der Torso stammt kaum aus
einer Giebelgruppe, denn sein Stil ist nach
Proportionen und Einzelformen nicht at-
tisch, sondern äginetisch, etwas fortge-
schrittener als der der Westgiebelfiguren des
Aphaiatempels, ohne aber bereits die Stufe
des Ostgiebels erreicht zu haben. Nicht nur
hierdurch, sondern auch als Beispiel der
Darstellung von Körperdrehung in der älte-
wie dem Torso Valentini und dem Diskos-
werfer des Myron führt. (Über den Torso
hofft der Vortragende eine eingehende Arbeit
zu veröffentlichen.)
Sitzung vom II. Dezember 1915.
75. Winckelmannsfest.
Das diesjährige 75. Winckelmannspro-
gramm »Skenika« ist von Fräulein M. Bieber
und Herrn A. Brueckner verfaßt.
Die Sitzung fand im großen Festsaale des
279
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Dezember-Sitzung 191 5.
280
Architektenhauses statt; den Vorsitz führte
Herr Dragendorff. Nach einem kurzen
Rückblick auf die archäologische Arbeit des
Jahres gedachte er der schweren Verluste,
die die archäologische Wissenschaft in diesem
Jahre erfahren hat, besonders durch den
Tod von Wolf gang Heibig und Georg
Loeschcke. Dem letzteren, in dem die
Gesellschaft zugleich ihren Vorsitzenden
betrauert, widmete er warme Worte
des Nachrufs. Die eingehende Würdigung,
die er dem Verstorbenen als Mensch
und Gelehrten zuteil werden ließ, soll im
Druck erscheinen und wird den Mitgliedern
zugestellt werden.
Als Festredner des Abends sprach Herr
Amelung über den sogenannten Sar-
dan a p a 1. Der Vortragende ging aus von der
Photographie einer auf Kreta ausgegrabenen
und noch dort befindlichen Marmorstatue,
die sich auf den ersten Blick als Wieder-
holung des sogenannten Sardanapal im
Vatikan zu erkennen gibt ^). Augenschein-
lich handelt es sich um keine besonders ge-
lungene Arbeit; immerhin hat die Figur als
Kopie aus griechischem Bereich und deshalb
einen eigenen Wert, weil ihr Kopf mit Efeu
umkränzt ist und sich von dem Attribut der
Rechten der unterste Teil auf der Plinthe
erhalten hat, der Ansatz des Thyrsos. Die
Bekränzung läßt keinen Zweifel darüber,
daß wir in dem Dargestellten Dionysos zu
erkennen haben, zumal sich auch bei einer
anderen Wiederholung in London Reste
der Bekränzung des Kopfes erhalten haben,
und daß wir die Sardanapal-Inschrift des
römischen Exemplars als bedeutungslos für
die Frage der Deutung des Originals beiseite
lassen dürfen 2). Die verschiedenen, bisher
bekannten Wiederholungen des Typus sind
zuletzt von Arndt im Text zu den Einzel -
aufnahmen Nr. 557 aufgezählt und kurz
miteinander verglichen worden. Es sind:
') Die Photographie stammt aus dem Atelier
Maraghiannis in Kandia. Die Statue soll sich ehedem
in der Villa von A. Evans befunden haben. Über
den sogenannten Sardanapal vgl. zuletzt Heibig,
Führer, 3. Aufl., Nr. 320.
*) Es wäre nicht notwendig gewesen, darauf hin-
zuweisen, wenn nicht Delbrueck im Arch. Jahrbuch
1913 S. 303 sich in entgegengesetztem Sinne ausge-
sprochen hätte. Zu beachten ist auch, daß der in
Athen erhaltene Torso einer Replik dort im Dionysos-
theater gefunden wurde.
die römische Statue, ein Kopf in Neapel '),
einer in Palermo, einer in Florenz, ein Torso
in Athen und endlich eine Statue in London,
die in vielfacher Hinsicht eine eigene Stellung
einnimmt. Die drei Köpfe bilden mit der
römischen Statue eine Gruppe, die eine
einheitliche Überlieferung vertritt, wenn
auch in Einzelheiten sich Abweichun-
gen finden, die aber doch nur auf größerer
oder geringerer Sorgfalt der einzelnen Ko-
pisten oder auf ihrer größeren oder geringe-
ren künstlerischen Feinheit beruhen. Den
ersten Platz in dieser Gruppe nimmt der
Kopf in Neapel ein, der uns immerhin lehren
kann, daß wir uns Haar und Bart an dem
Original keineswegs so schematisch leblos
vorstellen dürfen wie an der römischen
Statue. Diese ist in der Nähe Roms gefun-
den worden; von den drei Köpfen stammt
der Neapler sicher, das andere Paar wahr-
scheinlich auch aus Rom oder seiner Um-
gebung, und so dürfen wir wohl annehmen,
daß wir hier verschiedenwertige Vertreter
einer im kaiserlichen Rom, am ehesten in
augusteischer Zeit, geschaffenen Kopisten -
Überlieferung vor uns haben. Die neue kre-
tensische Wiederholung schließt sich trotz
mancher Abweichungen im einzelnen in der
allgemeinen Auffassung an diese Gruppe an,
nur scheint sie aus späterer Zeit zu stam-
men. Dagegen gibt uns die andere Wieder-
holung aus griechischem Kreise, der Torso
in Athen, ein wesentlich verschiedenes Bild,
bei dem wir allerdings in Rücksicht ziehen
müssen, daß es dem Bildhauer augenschein-
lich hier auf eine ziemlich derb dekorative
Wirkung angekommen ist. Bedeutungsvoll
aber ist, daß die noch erhaltenen Endigungen
von Haar und Bart auf eine viel üppigere,
vollere Bildung des Haares schließen lassen,
als wir sie selbst an dem Kopf in Neapel
mit seinen verhältnismäßig lebhaft gewellten
Strähnen gefunden haben.
Eine ganz eigene Stellung nimmt die
Statue in London ein, so eigen, daß Arndt
zweifelte, ob wir hier überhaupt noch eine
Kopie im wahren Sinne des Wortes an-
zuerkennen hätten. Der Mantel, in dessen
Anordnung sich allerdings auch bei den
anderen Repliken Abweichungen finden, aber
I) Vgl. zuletzt Guida del Museo Nr. 273.
28l
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Dezember-Sitzung 191 5.
282
keine für den Gesamteindruck so bedeutender
Art, ist hier höher über die Brust herauf-
geschoben und horizontaler- abgeschlossen
als sonst; vor allem aber ist er im Gegen -
satze zu der am »Sardanapal« stets mit
Recht bewunderten übersichtlichen Ver-
teilung von Faltenzügen und Flächen, die nur
mit einem leisen Spiel kleiner Motive be-
lebt sind, von oben bis unten durchfurcht
von großen, einheitlich . gezogenen Falten
mitjeinem sehr lebhaften, aber gleichmäßi-
gen Wechsel von Licht und Schatten.
Weiter ist der Stoff des Chitons ganz anders
zur Darstellung gebracht als an der vati-
kanischen Statue, und endlich ist an dem
Kopfe, trotzdem Zug um Zug hier wie dort
wiederkehrt, alles üppiger und weicher ge-
bildet als an den Köpfen der römischen
Gruppe und dem Kopfe der Replik auf
Kreta. Dagegen könnte, nach den erhalte-
nen Bart- und Haarenden zu urteilen, auf
dem athenischen Torso ein dem Londoner
ähnlicher Kopf gesessen haben. Wir werden
so vor die Frage gestellt, auf welcher Seite
wir die getreuere Wiedergabe des Originals
anzuerkennen haben. Der Vortragende
schloß sich der Ansicht derer an, die in dem
Original des Typus eine Schöpfung des
Praxiteles erkennen wollen, und zog, um
ein charakteristisches Bild der Gewand -
behandlung, insbesondere der Behandlung
des Mantels im praxitelischen Kreise und
der ihm nahestehenden attischen Kunst zu
gewinnen, die Musenreliefs der praxitelischen
Basis von Mantinea heran ^), die Relieffiguren
einer Dreifußbasis in Athen 2) und die Chla-
mys des Hermes in Olympia. In verschiede-
nen Stadien treffen wir hier einen ganz be-
stimmten Geschmack, den wir an dem vati-
kanischen Sardanapal, nicht an der Londoner
Replik wiederfinden, deren Faltengebung
') Vollgraffs späte Datierung dieser Reliefs (Bull,
corr. hell. 1908 S. 236 ff.), der auch Sieveking und
Buschor im Münch. Jahrbuch 1912 S. 125 gefolgt
sind, beruht auf Schlüssen, deren Grundlage bereits
von Herzog im Philologus LXXI 1912 S. i ff. als
unzuverlässig nachgewiesen ist. Übrigens kann hier
mitgeteilt werden, daß laut einer mündlichen Mit-
teilung Buschors an den Vortragenden Sieveking
und Buschor Vollgraffs Ansicht nicht mehr vertreten.
^) Benndorf, Österr. Jahreshefte II 1899 S. 255 ff.
T. V— VII.
vielmehr einem älteren Geschmack ent-
spricht, wie er sich an Originalfiguren an
der Wende des 5. zum 4. Jahrh. wiederfindet.
Auch das belegte der Vortragende mit Bei-
spielen, an denen die allmähliche Entwick-
lung dieser Motive deutlich wurde: Karyatide
Albani ^), Orans im Pal. Doria ^), weibliche
Gewandstatue im Vatikans). Dem ent-
spricht es nun, daß auch der Chiton in Lon-
don in einem älteren Geschmack, dem des
5. Jahrh., gebildet ist, an dem Sardanapal
in dem Geschmack des 4. Jahrh. 4) Mantel und
Chiton finden wir ganz entsprechend an
einem feinen Original des Berliner Museums,
dem Fragment einer bronzenen weiblichen
Statue aus Kyzikoss). Demnach gibt uns
augenscheinlich der Sardanapal in seiner
Gewandung ein getreueres Abbild des Ori-
ginals als die Londoner Statue, wenn wir
uns den Mantel dem athenischen Torso zu-
folge wohl auch stofflicher behandelt denken
dürfen, als wir ihn an der sehr nüchternen
römischen Statue sehen. Anders glaubte
sich der Vortragende in betreff des Kopfes
entscheiden zu müssen, indem er versuchte,
den Kopf der Londoner Statue in die bei
Praxiteles so deutHch fühlbare Entwicklung
zum immer Reicheren, Weicheren und inner-
lich Belebteren einzuordnen. Jedenfalls
gibt uns nach Ansicht des Vortragenden
erst der Londoner Kopf einen vollen Begriff
von dem innerlich reichen Seelenleben, das
Praxiteles auch in dieser Schöpfung ver-
körpert hatte, während die Köpfe der römi-
schen Gruppe sich mit äußerlich korrekter
Wiedergabe der vornehmen Form begnügen,
dabei aber leer und seelenlos wirken; erst
nach dem Eindruck des Londoner Kopfes
können wir anerkennen, daß Praxiteles auch
in der Entwicklung des bärtigen Götter-
typus eine bedeutende und eigenartige Rolle
gespielt hat.
1) Heibig, Führer, 3. Aufl. Nr. 191 5.
2) Brunn-Bruckmann 638/39 (Text von Hekler).
3) Heibig a.a.O. Nr. 271.
4) Den gleichen Unterschied bemerken wir zwi-
schen dem Chiton der großen Herkulanenserin, der
in der Art seiner Wiedergabe dem des »Sardanapal«
entspricht und demjenigen einer Replik im Casino
Borghese, der vollkommen in die Art des 5. Jahrh.
umstilisiert ist.
5) Beschreibung Nr. 3.
REGISTER.
I. SACHREGISTER.
Die Spaltenzahlen des Archäolog-ischen Anzeig-ers sind kursiv gedruckt.
Abkürzungen: Br(n) = Bronze(n). G(n) = Gemme(n). Gr. = Gruppe. L. = Lampe. M. = Marinor. Mos(en)= Mosaik(en).
Mze(n) = Münze(n). Rel(s)= Relief(s). Sk(e)= Sarkophag(e). Sp.= Spiegel. Sta(n)= Statue(n). Stte(n)= Statuette(n).
T(n) = Terrakotte(n). V(n) = Vase(n). Vb. = Vasenbild. Wgrra. = Wandgemälde.
Aegyptische Götter, Tempel der in Eretria 184
Aeneas, auf pompejanischem Gemälde 158 f., und
bei Vergil 159 f.
Akropolis, Arbeiten auf der 206
Albanisches Reiterrel. 106
(JXyeiv 81
Alexandros, Knöchelspielerinnen des 107 f.
Alkmene, des Kaiamis 80
Altar, Bostoner 75, 84, 190, und Ovids Fasten 84,
von Kara-Orman 166 ff.
Altis, von Olympia, Arbeiten in der 210 f.
Amazonenstudien 131 ff., -rel. aus Ephesos 131 ff.,
-Sciarra in Kopenhagen 134 ff., Berlin-Landsdowne
96 f., 140 ff., verglichen mit Diadumenos und
Doryphoros 146, 173, kapitolinische 96 f., 147 ff.,
173, Mattei 152 ff., des Polyklet 166 ff., des Kresilas
166, 171, 174, 177 f., des Strongyhon 176 f., des
Phidias 178 f., auf Nolaner Amphora 108, auf
Krater in Bologna 11 1, -kämpf auf Aryballos aus
Cumae 109
Anhänger, goldene, in mykenischen Gräbern 301 fl-
Antithetische Gruppe, Herkunft des Schemas
der 282 f., in pontischer Kunst 18
Aphrodite in Ehs, des Phidias, und die Berliner
Aphrodite 99, aus der Werkstatt der Parthenon-
figuren 167, vom Eryx 185, Stte im Ungarischen
Nationalmuseum 30 f., Br. in Ratiaria 231 f.
Apollontempel, in Eretria 1S3 f., in Korinth
211 f., in Phanai 200, vom Ptoion 182 ff., von
Thermen ig2
Apulien, Kultur von 52ff.
Archäologische Gesellschaft, zu Berlin 50 ff.,
105 f., 270 ff., 278 ff.
Arentsburg, Kastell von, Anlage 61 ff.
Aristagorasinschrift aus Histria 248
Aristobulos, und der delphische Wagenlenker 74
Artemistempel, auf der Inschrift eines Pariser
Silbermedaillons 15 f., in Salamis 181
Asklepiades, Epigramme 225 f.
»Aspasia« , des Kaiamis 89
Athen, Funde in 177 ff .
Athena Lemnia 168 f., Medici, und Kolotes 98,
Stte im Ungarischen Nationalmuseum 27 f., von
Thermon ig3, Poroskopf in Korfu 208, -tempel
in Gonnoi, Dekret aus dem 188
Ausgrabungen s. Funde
Au tun, Brunnenfigur in 240
Axos, Funde im Heiligtum bei ig8
Babylon, Umfang der Stadt 149, 156 ff., Stufen-
turm Etemenanki 158 ff., Esagilatempel 162,
Eharsagilatempel 163
Baugeschichte, des antiken Theaters 52, 93ff.
Bavai, Bronzestte von, einen Krieger darstellend
153, 165, 179
Becher, von HagiaTriada 244 ff., von Vafio 237,
325 ff-
Bendis, Dekret der Thiasoten an B. in Salamis 181
Berlin, Amazone Landsdowne 140 ff., M.torso in
123 ff.
Bleitäfelchen, im Ungarischen Nationalmuseum
38 f.
Bogenschütze, auf kretischem Steatitfragment
262
Bojer, Münzen der 21
Boston, Altar von 75, 831., 190
Bronzefunde im Märkischen Museum zu Berlin
270 ff., in Ungarn 19 ff., -gefäß in Sackrau 34 ff-,
210, -eimer 7, -kessel von Rynkeby 31 f., -lampe
im Ungarischen Nationalmuseum 24, -rel. aus
285
Register.
286
Lyaud 33, -stten in Bavai 153, in Gallien 25, in
Leiden 65 ff., minoische 65 ff., 68, -wagen von
Strettweg 30 f.
Bulgarien, Urkunde zum griechischen Vereins-
wesen 8y ff., Altar von Kara-Orman 166 ff., Funde
in 218 ff.
Bupalos, Hera von Samos des 125
Cernunnos, auf Silberkessel von Gundestrup 5,
10, 27
Charongroschen, Funde von zwei goldenen in
Saloniki ipo
Chios, Grabungen auf T98 f.
Christliches, und Heidnisches auf Missorien 195
Chthonische Gottheiten auf Altar in Kara-
Orman lyi f.
eisten, Terraindarstellungen auf 208, 211
Corbridge-on-Tyne, Silberteller aus 192 ff.
Daker, älteste Darstellung auf Silberblech aus
Czora 9, dakische Silberfibeln, im Ungarischen
Nationalmuseum 4^, - Silberfunde 24
Daphni, Torso von s^y^ff.
Dariusstele, am Tearos 3 ff.
Delos, Funde in 214
Delphi, der Wagenlenker von 74 ff., Arbeiten in
214
Delphinbecher, aus my kenischem Schachtgrab
311 f., -reiter auf Silberkessel von Gundestrup 20
Demetria, Heiligtum der Pasikrata in 187, Funde
in der Nekropole von 7^7 /.
Diadumenos, Polyklets 146, 171 f., 184
Diana, Altar der in Germetitha 235
Dimini, Kuppelgräber von 188
Dion, Funde in 216
Dionysosreligion, in Thrakien 8g, M.torso in
Berlin 123 ff., -sta in Kreta 2^9 ff., an Altar in
Kara-Orman J72 /.
Dioskuren, Weihrel. für die aus Histria 26g f.
Dornauszieher 185, i87,undHyllos92 f.,-mädchen
142 ff.
Doryphoros, Polyklets 146, 171 f.
Dreifuß, aus Bronze, in Tvarditza 227, 232
Dresdner Ephebe 171
Eber, auf gallischen Feldzeichen 11, auf kretischem
Steatitfragment 263, -zahnhelm auf mykenischen
Denkmälern 249
Eharsagilatempel , in Babylon 163, 165
Eigennamen, von Personen und Orten auf kretischen
Schriftdenkmälern 59
Eimer, silberne 209
Elefanten, auf dem Silberkessel von Gundestrup
19, in persisch-indischer Kunst 19
Elle, die mäßige bei Herodot und die königliche
14g ff., die babylonische Elle des Königs 163
Entfernungsangaben, bei Herodot und Thuky-
dides 232
Ephesos, Amazonenrel. aus 131 ff.
Epidauros, Tempelskulpturen von 105
Epigramme, des Poseidippos auf den Pharos von
Alexandreia 223 ff., des Asklepiades 225 f.
Epilykos, und Skythes 36 ff.
Eretria, Funde am ApoUontempel 183 ff., Tempel
der ägyptischen Götter in 184
Erichthonios, auf V. in München 190
Erntezug, auf Vase aus Hagia Triada 72, 251 ff.
Eros, von Brauron 191, von Motye 179 ff., von
Myndos 127 ff., -ten auf Vbn 190 f.
Erwerbungen, des Ungarischen Nationalmuseums
Esagila, Tempel in Babylon, Maße des 162
Etemenanki, Maße des babylonischen Stufen-
turmes 158 ff.
Etrurien, Forschungen in 106
Eule, an Odeionbank in Athen lyg
Euthymides, Vasenmaler 242
Faltenmotive, von Amazonenstan 137 f.
Faustkämpfe, auf dem Trichter von Hagia Triada
247, auf kretischem Steatitfragment 259 f.
Fayence-Reliefs, kretische 266 ff.
Federkrone, Jüngling mit, auf kretischem Stuck-
rel. 269 f.
Feuertelegraphie, im Altertum 219, 233
Ficoronische Ciste 208, 211
Fischerei, altgriechische 233
Flußgötter, antike Darstellung der 239, im Par-
thenongiebel 237, 239
Frauenkleidung, Darstellung durch Polygnot 104,
kretische und mykenische 299 f., 336
Funde : in Bulgarien 2^18 ff., in Griechenland 177 ff.,
Athen Tyy ff., am Ptoion 182 ff., in Theben 183,
in Eretria 183 ff., in Demetrias 18^7 f., in Gonnoi
188, in Dimini 18S, in Makedonien i8g, in Pylos
igo, in Kephallonia igi, in Thermen ig2 ff., in
Epirus ig6, in Kythera ig6, in Kreta ig6 ff.,
216 ff., in Chios igS ff., in Orchomenos 204 f., in
Mykenai 205, in Tiryns 209, in Olympia 2IO ff.,
in Korinth 211 ff., in Delphi 2x4, in Delos 2l4f.,
in Thasos 215, in Philippi 215, in Dion 216, in
Rumänien 236 ff., in Ulmetum 236 ff., in Histria
253 ff-, in Ungarn 45. Münzfunde s. unter diesem
Wort.
28;
Register.
288
Galater, Götterkulte der 21
Gallier, Weihgeschenke der 5
Gefäßträger, auf kretischen Denkmälern 67
Gellygaer, Kastell von 6g f.
St. Georg, auf Silbergegenständen im Ungarischen
Nationalmuseum 46 f.
Gewand, und Körper 143 ff., 156, 170, -Studien an
Darstellungen von Amazonen 136 ff., 143 ff., 163,
von Parthenongiebelfiguren und -metopen 102 ff.,
119 ff., von Vasenmalereien 102 ff.
Gjölbaschi, Fries von 160, 162
Gliedfutteral, in kretisch-minoischer Tracht 71,
auf mykenischen Denkmälern 247
Glyptik, kretische 273 ff.
Goldbecher, in mykenischen Schachtgräbern 311 ff.,
-fund, römischer, aus Ratiaria 223, in Siebenbürgen
21 f., von Vettersfelde 17, -elfenbeintechnik 98,
-reis, auf Kästchen in mykenischen Gräbern
294 ff., -Schmiedearbeiten im pontischen Kreise
17, 207, und Einfluß auf das frühmittelalterliche
Kunsthandwerk 35
G o n n o i , Fund eines Dekrets im Athenatempel von 188
Gortyn, Funde in 216 f., Recht von 2x7
Götterbilder, auf dem Silberkessel von Gundestrup
3 ff., -glaube, gallischer 5
Grab, von Vafio 237, 325 ff., mykenische Schacht-
gräber 284 ff., -funde in Chios igg, in Kephallonia
igi f., in Kythera ig6, in Pella i8g, in Pylos igo f.,
in Theben 183, -mal, römisches, in Ratiaria 233 f.,
-maiereien, ägyptische, Trachtdarstellungen auf
72, -rel. der Philis 118, -Stelen der Schachtgräber
von Mykene 286 ff., - in Demetrias 188, -straße
am Kerameikos 118
Greif, auf kretischen Reis 271, als Schmuckstück
in mykenischen Gräbern 306, 309, -protome in
Chios 200
Grenzsteine, des Kerameikos 115 f.
Griechenland, Funde in 177 ff.
Gudea von Lagas, Sitzbild des 15g
Gundestrup, Silberkessel von i ff.
Gürtelmotive, an Amazonenstan 136 f.
Gymnasialunterricht, und Archäologie 57 f.
Hagia Triada, Becher aus dem älteren Palast von
244 ff., Schnittervase von 251 ff., Schrifttäfelchen
von 41 ff., Trichter von 247 ff.
Handmühle, in prähistorischer Hütte in Kodja-
dermen 21g
Haus, Tonmodell eines, aus Kodjadermen 218,
Häuser, elliptische, in Thermon ig3, auf kretischen
Reis 268, Beziehungen der Häuser im Norden zu
denen im Süden 2/3
Hekate, auf Altar in Kara-Orman 173, 176
Helme, keltische, mit Hörnerschmuck 11
Hera, Weihreis mit Darstellung der in Kamenitza
222, - und Zeustempel in Kopilovtzi 221
Herakles, Herme aus Thespiai 208
Hermes Kriophoros, in der Sammlung Barracco
76, mit Widder, M.stte in Karitsa igo
Herodot, Entfernungsangaben bei 232, die mäßige
und die königliche Elle bei 14g ff.
Hildesheim, Humpen von 33 f.
Hirsch, von Männern gepackt, auf Br. wagen
von Strettweg 31, als Goldschmuck in mykenischen
Gräbern 307, -gott, auf dem Silberkessel von
Gundestrup 5, 10
Histria, Grabungen in 253 ß.
Hochzeitsrelief, römisches, in Innsbruck 8gff.
Höhlenfunde, prähistorische, in Ungarn J'5
Hohlmaß, von Pergamon 138
Homer, Leuchtfeuer bei 216 ff.
Hörner, an Altarbau auf Goldblech in mykenischem
Grabe 303, -helme, keltische 11
Horossteine, im Kerameikos 115 ff.
Hut, an einer minoischen Br. 68
Hydna, und Skyllos 90
Hyginus, und die Anlage der Kastelle 5g ff.
Hyllos, und der Dornauszieher 93
Jagdszenen, auf Gold reis in mykenischen Gräbern
294 ff., - und Tierfriese auf Silbergegenständen
204 ff., 209
Jahresbericht des Instituts I ff.
Idole, in mykenischen Gräbern 301 ff.
Ilissos, am Parthenongiebel, Gewandung 116,
-tempelfries 120
Innsbruck, römisches Hochzeitsrel. in 8g ff.
Inschrift, des Aristagoras, aus Histria 248, -en
Makedoniens igo, thrakische 222, von Thermon
^95 f-', von Ulmetum 238 ff.
Institutsnachrichten 106
lolkos, Funde in der Nekropole von 188 f.
Ionische Kunst, in Ausläufern auf dem Silber-
kessel von Gundestrup 14, Zusammenhang mit
der pontischen Kunst 17
Iris, aus dem Westgiebel des Parthenon, Gewandung
104 f.
Isiskult, inTomi 252, -Kybele mit Löwen, Fund
im Tempel der ägyptischen Götter in Eretria 187
Jüngling, mit der Federkrone, auf kretischem
Stuckrel. 269 f.
Kaiamis 74 ff., und Praxiteles 83
Kalchedon, Schlacht bei 242
289
Register.
290
Kamaresstil, Werke des 273 ff., 282
Kastelle, Anlage, und Hyginus 59 ff.
Kastellorizo, Funde in 202
Kara-Orman, Altarfund in 166 ff.
Keftiu, Tracht der 72
Kelten, Götterglaube 10 ff., religiöse Kunst der
26 f., im Verhältnis zur griechisch-römischen Kunst
27
Kephallonia, Funde in igi
Kephisos, im Parthenongiebel 237 ff.
Kerameikos, Erforschung des 106, iii ff., 20g
Keramik, in den Schachtgräbern von Mykene
285, 333 f-
Kerykeion, auf Stele in Athen 180
Kessel, silberner, aus Gundestrup 1 ff.
Klazomenai, Tonsärge von igg
Kleinkunst, kretische 244 ff.
Kleinplastik, kretische 276 ff.
Knöchelspielerinnen, des Alexandros 107 f.
Knossos, Schrifttäfelchen von 41 ff., Reliefschmuck
im jüngeren Palast 244, Stuckreis 269 ff., und
Pseira 273
Kunst-Stiftung 144
Kodjadermen, neolithische Ansiedlung in 218
Kolotes, und Phidias 95, und die Athena Medici
98
Konstanza, Funde in 251 f.
Kopenhagen, Amazone Sciarra in 134 ff.
Kopf urnen, im Ungarischen Nationalmuseum 36 f.
Kopilovtzi, Funde in 221
Korfu, Arbeiten in 208 f.
Korinth, Arbeiten in 2II f.
Körper, und Gewand 143 ff., 156, 170
Kresilas, Amazone des 166, 171, 174, 177 f.
Kreta, Funde in Z16 ff., Kuppelgräber in igö,
Linearschrift in 41 ff., mykenische Reis in 244 ff.,
M.Statue des sog. Sardanapal 27^ ff., Kontinui-
tät der Kultur in 278, 281 f., und Ägypten und
Vorderasien 282, und Mykene 294 ff., 315 f., 331 ff-
Krieger, Bronzestte von Bavai 153, 165, 179,
-Züge auf kretischen Denkmälern 27 f., 29
Kuchenform, tönerne, aus Motye 180
Kultbau, auf Goldblech in my kenischem Grabe
303, -darstellungen, auf kretischem Steatitfrag-
ment 260 f., kretische 261, 277 f., -objekte, in
mykenischen Gräbern 301 ff., -vereine, der Bendis
in Salamis l8l, dionysische, in Thrakien J75 /.
Kuppelgrab, von Dimini 188, in der Messarä auf
Kreta X96, von Orchomenos 204 ff., von Pylos igo,
von Vafio 237, 325 ff.
Kurvenbauten, in Thermon ig2
Kynthos, Untersuchung des 214
Kyprien, als Quelle für rotfig. Krater aus Orvieto
200
Kyprisches Syllabaralphabet, und kretische
Schrift 57 f.
Kythera, Funde in ig6
Lager, von Ulmetum 246 ff.
Lampe, aus dem Kerameikos, in Form, Abdruck
und Hohlbrand I2i'ff., -n, Leuchttürme nach-
bildend 234
Landschaftliche Elemente, auf kretischen
Denkmälern 265
Längenmaße, griechische und orientahsche 14g ff.,
152 ff.
Lanx, aus Corbridge-on-Tyne 192 ff.
Lapithenmädchen, im Westgiebel von Olympia
238
Lar Augustus, Stte im Ungarischen National-
museum 31 f.
Latenefunde, in Ungarn 26, -periode 7
Leder, in der kret'isch-mykenischen Tracht 71
Leuchtfeuer, griechische i2i6 ff., römische 214,
236 f., mittelalterliche 214, 229, -bauschen, tönerne
234 f., -Säule, auf Grottenmos. von Praeneste 230,
-türme, griechische 214 ff., der alexandrinischc
Pharos als 214 f., 223 ff., 234, römische 236 f.,
ägyptische 214 f., in tönernen Nachbildungen 234 f.
Lieblingsinschriften, auf Vn 38 f.
Lilien, auf kretischem Rel. 269, auf Goldrel. in
mykenischem Grabe 297 f., -dolch, aus mykeni-
schem Schachtgrab 314
Linearschrift, kretische 41 ff.
Lysippos, und der Eros von Myndos 128
Löwe, an Stte der Isis-Kybele im Heiligtum der
ägyptischen Götter in Eretria l8y. Vorkommen des
in Kreta 263, auf Becher in mykenischem Schacht-
grab 312, als Goldschmuck in mykenischen Gräbern
295 f-, 309 f., auf Grabstele in Mykene 286, an
Waffen in mykenischen Gräbern 313, -tor in
Mykene, Alter des 291, als Weihgeschenk in
Thermon igs
Ma, Verehrung im pontischen Reiche 17, bei den
Galatern 21
Makedonien, Inschriftensammlung aus igo
Malerei, kretische, Entwicklung der 281, Fehlen
des Schattens in 272, als gemeinsames Vorbild
plastischer Werke und Vasendarstellungen 102 ff.,
112 ff., 160 ff., Polygnots und die Parthenongiebel
95 ff., pompejanische, mit dem verwundeten
Aeneas 158 f., und Vergil 159 f.
291
Register.
292
Märkisches Museum, zu Berlin, Bronzezeitfunde
im 270 77.
Mänadenamphora, in Paris 161
Marinebesatzungen, auf athenischer Liste T24ff.
Mausoleum, Skulpturen vom 105 f.
Melpomene, Petersburger 99
Mensch, Darstellung des in der kretischen Malerei
286, -enopfer, bei den Galatern 21, bei den Kelten
12, auf Silberkessel von Gundestrup 29
Mesembria, Funde in 233
Metopenfunde, in Thermon ig^
»M'ikonische« Schlachtenbilder iio
Missorien, mit christlichen und heidnischen Dar-
stellungen 195
Mitgliederverzeichnis des Instituts V ff .
Mithradates, auf der Inschrift eines Pariser
Silbermedaillons 15 f.
Mosaik, im Tempel der ägyptischen Götter in
Eretria 186
Motye, T. von 179 ff., zur Geschichte von 181 f.
München, Tonrel. im Antiquarium 189
Münzen, bojische 21, vom Eryx 185, von Leontinoi
188, mit dem Leuchtturm von Messina 229, von
Motye 181 f.,. mit dem alexandrinischen Pharos
228, von Segesta 188, von Terina 82, -funde in
Bulgarien 235 f., in Chios 200, in Corbridge 196,
in Eretria 187, in Rumänien 252, in Saloniki igo,
in Ungarn 45
Muscheln, auf Kamaresbecher 273
Mykene, Grabstelen von 286 ff., Reliefs 242 ff.,
Schachtgräber 284, und Kreta 243, 294 ff., 315 f.,
331 ff-
Myndos, Eros von 127 ff.
Mystenvereine, in Thrakien 173 f.
Mythus, der antike, in Truhenmalerei des Quattro-
cento 54 ff.
Nachrufe, für Klügmann i, Adickes i, Schultz 3,
Wenz sg, Brenner 5g, Wünsch S9, Barthel 107 f.,
Heibig 146, Loeschcke 147
Nacktheit, im kretisch-my kenischen Kreise 302
Nadel, in mykenischem Grabe 298 f.
Naturalismus, malerischer, in der kretischen
Kunst 274, 276, 281
Naturpersonifikationen, in der griechischen
Kunst 237
Nauplios 7rup-/cee6s 219 ff.
nautae Parisiaci, Altäre der mit Cernunnos 10
Neapel, M.kopf in 186
Nebukadnezar, Bauinschriften des 157
Negerköpfe, als Parfumbehältnisse und Öllämpchen
im Ungarischen Nationalmuseum 33 f.
Nekropole, von Gürnes in Kreta J97, von lolkos
iS8f.
Nelsonscher Kopf 174
Newstead, Kastell von 7g f.
Nike, des Paionios 170, auf Mzen von Terina 82,
-tempel in Athen 181
Novaesium, Kaserne von 67
Nymphen, auf Altar in Kara-Orman 174, -rel. in
Saladinovo 175 f.
Odeion, in Athen, Reste des 177 f.
Ohrringe, goldene, im Ungarischen National-
museum 43
Oktopus, auf kretischem Steatit 264
Öleingießer, von Petworth 164, 171
Olympiaskulpturen, und Parthenonskulpturen
loi, -ostgiebel und Pausanias 237, -westgiebel 238,
Arbeiten in 20g ff.
Orchomenos, Kuppelgrab von 204 ff.
Ornamentik, im Kamaresstil 282, auf mykenischen
Grabstelen 290 f.
Orpheuskrater, von Gela 161, 164
Orvieto, Krater aus, mit Götterbesuch 199 f.
Paionios, Nike des 170
Parisurteil, in Vasendarstellungen 199 f.
Parthenon, Konservierung des 204, -giebel mit
Kephisos 237 ff., und Polygnots Malerei 95 ff.,
und Olympiaskulpturen loi
Pasikrata, Torso in Pagasai 184, Heihgtum der
187
Pausanias, und Olympiagiebel 237
Pella, Grabungen in i8g
Peloponnesisch-argivische Kunst, undPhidias
168
»Penelope«, Rekonstruktion der 77, 79
Pergamon, Hohlmaß von 138 ff.
Petschafte, kretische 274
Pfeilerstützen, an plastischen Werken 134 f.
Pferde, auf Grabstelen von Mykene 287 ff., auf
Goldring aus Mykene 287
Phanai, Apollontempel in 201
Pharos, in Alexandreia, als Leuchtturm 214 f.,
223 ff., 234, als genereller Ausdruck für Leucht-
türme 229
Phidias, und die Parthenonskulpturen 95 ff.,
Amazone des 178 f., und die peloponnesisch-
argivische Kunst 168, und Polygnot 103
Philippi, Funde in 215
Philis, Grabrel. der 118
Phradmon, Zeit des 175, 177
293
Register.
294
Plastik, und große Malerei 102, 112 ff., 160 ff.,
-en, im Ungarischen Nationalmuseum 24 ff.
Plutarch, über das antike Theater 100 f.
Pollis, Bildhauer, Zeit des 241 f.
Pollux, über das antike Theater 100
Polygnot, Nachahmung seiner Gemälde in der
Vasenmalerei 112 ff., und die Parthenonskulpturen
95 ff., 122, und der Berliner M.torso des Dionysos
126, und Phidias 103, Standmotive im polygnoti-
schen Kreise 161
Polyklet, Amazone des 166 ff'., Gewandstil 166 f.
Pompeji, Gemälde mit dem verwundeten Aeneas
158 f.
Pontische Kunst 207, in ihrem Zusammenhang
mit altionischer Kunst 17, und der Silberkessel von
Gundestrup 2 f.
Porträts, in kretisch-my kenischem Kulturkreis 276,
-stan julisch - klaudischer Kaiser, gefunden in
Korinth 2x3
Poseidippos, Epigramm auf den Pharos von
Alexandreia 223 ff.
Poseidon, Altar am Kap Monodendri J05, -kult des
P. Askalonites auf dem Kynthos 214, -sta auf
dem Leuchtturm von Messina 229, -tempel am
Sunion 181 f.
TOTVta 8rjp(üv, auf Silberkessel von Gundestrup 19
Prähistorische Funde, in Kodjadermen 22^ ^.,
in Ungarn iS
Praxiteles, Jägerin Artemis des 178, und Kaiamis
83, Kunstart des 281 f.
Priamos, vor Achill, auf Tonteller aus Thysdrus
197
Propyläen, Aufbau der Osthalle der 203
Proskenion, Bedeutung von 94 ff., und Skene loi
Provinzialkunst, in römischer Kaiserzeit 33 f.
Prozession, von Jünglingen, auf kretischem Steatit-
fragment 260
Pseira, und Knossos 273
Psychro, heilige Höhle von 216
Ptoion, Apollontempel vom 182 ff.
Pylos, Kuppelgrab in igo
Pyrgi, M.tempel in 201
TtupTToXetv, Bedeutung von 217 ff.
Pyrseutik, im Altertum 233
Pythion, von Gortyn 2iy
Rad, auf keltischen Denkmälern 10, 27, 29
Radgott, keltischer, am Silberkessel von Gundes-
trup 10, Wesen des 27, 29
Ratiaria, Bronzestte der Venus in 231 f., Gold-
fund in 223 f., römisches Grabmal in 233 f.
Reiter, Kult des thrakischen 38, auf Weihrel. in
Kamenitza 221 /., auf Altar in Kara-Orman 174,
auf Weihrel. in Peletlia 247, auf Inschrift in
Ulmetum2^5, - heilige im südöstlichen Winkel des
Mittelländischen Meeres 46
Reliefs, goldene, auf Kästchen in mykenischen
Gräbern 294 ff., marmornes, in Histria 268 f., in
Stara-Zagora 225 /., 23J, Entwicklung des in Kreta
283 f., frühmykenische, in Kreta und dem griechi-
schen Mutterlande 242 ff.
Reliquiarium, in Tschoban-dere :^26
Rhyton, im Kultus verwendet 247
Rumänien, Funde in 2'36ff.
Saloniki, Funde in i8g f.
Sardanapal, sog., Marmorsta in Kreta 2ygff.
Säulen, auf Trichter aus Hagia Triada 249
Schachtgräber, von Mykene 284 ff., Goldbecher
und Prunkwaffen in 311 ff., Grabstelen auf 286 ff.
Schauspielermaske, aus dem Kerameikos 124
Schiffahrt, nächtliche, im Altertum 231 ff.
Schiffe, mit Fisch am Vorderteil, auf Vase aus
Pylos igi, auf Pfannen aus Syra igi, 194
Schlange, in der keltischen Mythologie 10
Schlangengöttin, kretische, in Boston 277
Schmetterlinge, als Ornament, in den mykenischen
Schachtgräbern 293, 305 f.
Schnittervase, aus Hagia Triada 251 ff.
Schriftsysteme, auf Kreta 41 ff., 51 ff., ihr gegen-
seitiges Verhältnis 56 ff., Beziehungen zum kypri-
schen Syllabaralphabet 57 f.
Schurztracht, auf minoischen Brn 69 ff.
Schwalben, auf Goldrel. in mSykenischem Grabe
297
Schwertscheide, von Hallstatt 27 f.
Seddin, Königsgrab von 272 f.
Seefahrten, nächtliche, im Altertum 231 ff.
Segelschiff, auf Büchse in Grab von Pylos igi,
auf Pfannen aus Syra igi, ig4
Selinus, Metopen von 187
Semitische Kulte auf dem Kynthos 214
Siegel, kretische 275
Silber, Vorkommen des bei Germanen und Kelten
10, -funde in Dakien 24, -erwerbungen des Ungari-
schen Nationalmuseums 44 ff., -amphora von
Contzesti 200, 204, -blech, aus Czöra 8 f., -eimer
209, -fibeln, dakische 40, -kessel, von Gundestrup
I ff., -medaillons in Leiden 12, in Paris 13, -münzen,
bojische 2I, -schale aus dem Permschen Gouverne-
ment 203, 205, -Schild von Kertsch 206 f., -schrein
des Secundus 194, -teller aus Corbridge-on-Tyne
192 ff., aus Hammersdorf 204 f., -vn aus myke-
nischen Schachtgräbern 317 ff.
295
Register.
296
Sinnzeichen, in kretischer Schrift 49 fE., 56
Skene, und Proskenion loi
(JxoTttat, als Feuerwarten 234
Skordisker, Sitze und Kultur der 22 ff., Silber-
arbeiten 24 f.
Skyllos, und Hydna 90
Skythes, und Epilykos 36 ff.
Sosandra, Wesen der 85
Sphingen, auf kretischen Reis 271, als Schmuck-
stück in mykenischem Grab 306
Spielzeug, für Kinder, in Kreta 268
Spindlersfeld, Gießerfund von 2J2
Spirale, in der Kykladenkunst 292, in mykenischer
Kunst 290 ff.
Sporen, Aufkommen in der Spätlateneperiode 8
Stadtbelagerung, auf kretischer Silberv. 320 f.
Stadtmauer, athenische i2o f.
Standproblem, der Amazone Mattei 158 ff.
Stara-Zagora, Marmorrel. in 226, 231
Steatitgefäße, von Hagia Triada 244 ff., von
anderen kretischen Fundplätzen 259 ff.
Steinwerkzeuge, paläolithische, in Ungarn ig
Stele, mit Stamnos und Kerykeion, in Athen 180
Stiere, auf kretischen Reis 271, im kretischen Kult
278, -fang auf Becher von Vafio 326, -hetze auf
Silberkessel von Gundestrup 29, -spiel in Kreta
329, auf Becher von Vafio 325, auf Trichter von
Hagia Triada 247, 250, -Springer in Knossos 280
Straßenanlagen, athenische 118 ff.
Strongylion, Amazone des 176 f.
Stuckrel'iefs, kretische 269 ff.
Stufenturm von Babylon, Maße des 158 ff.
Syllabaralphabet, kyprisches, und seine Be-
ziehungen zur kretischen Schrift 57 f.
Syros, Keramik von 292
Taille, Darstellung der in der kretischen Kunst 258
Tänzerin, Stte im Ungarischen Nationalmu-
seum 32
Tätowierung, auf kretischem Rel. 269
Taubengöttin, in mykenischen Gräbern 302 ff.
Tauschwestern, im Parthenongiebel, Gewandung
104 ff.
Tearos, Dariusstele am 3 ff., Namensformen de?
Flusses 4
Ter es, thrakische Namensform 24$
Terraindarstellung, auf Silberwerken 205 ff.,
auf eisten 208, 211
Terrakotten, aus Heiligtum bei Axos 198, Dacht.-
in Mesembria 255, Eros von Motye 179 ff., Kuchen-
form aus Motye 180, von Petsofa 277, -teller aus
Thysdrus 197
Thamyras, auf Hydria in Boston 113, Beziehung
der -vn zu Polygnot 113 f.
Thasos, Funde in 215, M.reichtum in 122 f.
Theater, baugeschichtliche Entwicklung des antiken
S2, 93 ff., in Philippi 215
Theben, Funde in 183
Thermon, Funde in 192 ff.
Theseionfries 120
Tholos, Odeion in Athen als jy8
Thrakische Inschriften 222
Thrakische Reiter, s. Reiter
Thukydides, Entfernungsangaben bei 232
Thysdrus, Tonteller aus 197
Tierbilder auf kretischen Reis 271 ff., in kretischer
Glyptik 274, in altionischer und pontischer Kunst
17, -protomen, am Kessel von Rynkeby 31 f.,
Tiere packender Gott, in altgriechischer und pon-
tischer Kunst 18 ff.
Tintenfisch, auf kretischen Denkmälern 264,
al§ Ornament in mykenischen Schachtgräbern 293,
304 f., 309
Tiry ns, Arbeiten in 209 f., Inschriftenfunde in 63 ff.,
Wandmalerei in 243
Tomi, Geschichte von 232
Torques, getragen von den keltischen Göttern auf
dem Silberkessel von Gundestrup 4
Totenbeigaben, in lonien 199, -mahl, auf Grab-
stein in Ulmetum 246
Trichter, von Hagia Triada 247 ff.
Trojanisches Pferd, des Strongylion 176
Truhenmalerei des italienischen Quattrocento,
und die Antike 54 ff.
Turm der Winde, in Athen, Funde am 181
Tylissos, Vertrag zwischen Knossos und T. 198
Ulmetum, Ausgrabungen in 236 ff.
Ungarn, prähistorisclie Höhlenfunde in 78, Er-
werbungen des Nationalmuseums ly ff.
Vafio, Becher von 237, 325 ff.
Vasen, attische rotfig. Amphora mit Euphorbos
und Oidipodes 92, Wochengötterv. aus Bavay
II, - belgische 25 f., Caeretaner Schale mit Signatur
des Skythes 36, silberne Amphora aus Contzesti
202, silberne Vn aus mykenischen Schachtgräbern
317 ff., V. mit Erich thonios in München 190, rotfig.
Krater mit Götterbesuch aus Orvieto 199 f., -maler
Skythes 36 ff., -maierei, im Verhältnis zur Wand-
malerei 112 ff., 160 f.
Vereinswesen, neue Urkunde aus Bulgarien zum
S7ff-
297
Register.
298
Vergil, Aeneis XII und ein Gemälde aus Pompeji
159 f-
Vergoldung, an plastischen Werken 182 ff.
Vettersfelde, Goldfund von 17
Vitruv, über das antike Theater gg
Vögel, als Goldschmuck in my kenischen Gräbern
306 f.
Votivschilde, kretische 18
Waffen, aus my kenischen Schachtgräbern 313 ff.
Wagen, auf Grabstelen von Mykene 286 ff., 292,
-lenker, der delphische 74
Wandmalerei, in Tiryns 243, 315
Weihgeschenke, gallische 5
»Wettläuferin« des Vatikan 90 f.
Wochengöttervase, von Bavay 11, - belgische
25 f.
Zahl, Bedeutung der 274
Zeusbüste, an einer Bronzelampe im Ungarischen
Nationalmuseum 24, - undHeratempel inKopilovtzi
221, -Baal auf dem Kynthos 214, -Tempel des in
Babylon 158, - und Amaltheia, auf kretischem
Siegel 275
Ziege, auf kretischem Rel. 266
IL INSCHRIFTENREGISTER.
Die Spaltenzahlen des Archäologischen Anzeigers sind kursiv gedruckt.
37; Italien: Schale in Palermo 40; Österreich:
Becher in Wien 40; Rumänien: Histria 24g, 26g /.,
Kallatis 250, Konstanza 251 f., Ulmetum 238 ff.
Griechische Inschriften: Bulgarien: Kamenitza
221 f., Kara-Orman J75, Malko Tirnovo 870.;
Frankreich: Medaillon in Paris 15 f.; Griechenland:
Athen 76, 115, 124 ff. (athenische Marinebesatzun-
gen; aus der Namensreihe sind hier nur die prosopo-
graphisch wichtigeren Namen herausgehoben),
Eretria 2S6, Kreta 41 ff., 58, Salamis 181,
Thespiae 208, Tiryns 63 ff., auf Vn des Skythes
Lateinische Inschriften: Rumänien: Histria 26y f.,
Ulmetum 238 ff.; auf Silbertellern: der Audentia
195, des Exsuperius 195, des Secundus 194, aus
Bywell 194
Ayvojvo? ^86
i-jplio %t(ä l:T[ir]xd(u? 'A]upif)Xio;
Mouxu)[paXt? 222
'A&avat(uvoi 2J0
'A8evatai 241
A^Y^TTTioi "laiot iSj
'AXe;av8ptot, O'jyctTrjp 'AaxXTjirtOtSou
xai ' AfAfxiaSo; 2s8
'AXe^otvSp^a; 2j2
'AX^^avSpoi ulo; 'ATtTtaoo; xat
A^fAVT]; 2s8
'AXXi^avSpo? veoTitTo; 2j2
'AUziTZT.oi "Ayvtuvo; /86
'A|xcpivixou 186
'AvTicpctTT); KuÖT^ppio« fS7
'Azatoupfou 24g
' ATtoXXwviotxat; 26g
'ATITTCtSoC 2j8
'ApiOTayopav ' Aizaxo^iploM 24g f.
'Apt(JTev^To[u 175
'ApiaxoY^vT); 188 .
"ApTspti; IlocJtxpsJTa 187
a) Griechische Inschriften.
(jiYjvoi; 'AptejitiTiou 2^0
dp/tfx'ia'n)? 173
' Axaka uiö? TCeiO'Jx 2J2
"Atta« 2sg
A6p(i^Xio?) 'ApiaT£v^To[u 17 J
AJipi^Xio? Mouxü)[paXtc 222
Baxyioz KaXXicpaveo; 2jo f.
Aa[xoxpaTrjC f88
Aü Ato[v6]sciJ 88
Atoaxdpoi; atux^pai 270
AopLVTjS 2S8
'EirixpaTTj; Aa,aTiTp£iJS fS7
'E7r0.uxoi xaX(5; 38
'EpsTpUtüv 187
EißouXiSa 2JO
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'Hp<üva| 2JO
öeaaaXovt'xT;; igo
^iTTiiovfxo'j 76
'laiSi i8s
KaXXfo; 'iTTJTOvfxou 76
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KaXXicpciveo; 2jo f.
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KXeap^TT] 'Afxcpivi'xou f86
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Küpte, ßoi'i&i 240
AeovTfaxo? 'A&avat'tuvo; 230
MaxeXap(u>v 2ji
Maptavd? igo
Moux(i)[paXi5 222
Nixoad^ve? xaXos 40
naaixpaxa 187
üoXXfac 241
nöaaei 2jg
Ilpoafov) TepxuXXiavoü 240
Ilu&^a? K7j'fi5ie6; /S7
Tu»[j«{« 18/
Saßeiv^av TpctvxuAXetvav 240
2xü&e; lypacpaev 37
2x6&o 241
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TepxuXXiavoü 240
TCeiOUX 2J2
299
Register.
300
TIATEAN = TtXaTatoi 222
T(JfJ.eü>s 240
TpavxuXXetvav 240
[<Dp]o6papxo? 'ApYu(XTi&£v) ijy
$po'jpap5(oc 'Epe)(8ei8oi; 137
XapictSTjs Xapfou 'A^fapveü? 137
Xapfas 'A^fapveüi 137
Xapt'STjfjioc SuTiETattov J37
Xa[5(pu]X[{]ov xaX(J? 40
Xeifi^piTO 241
Xp'JSiTTTro; 263
Aelio Lu[ 238
Aelius Aelianus 241
Imp. Anastasius 268
M. Antenni Sabini 24$
Aproniano et Bradua consulibus
241
Argamensium 26^
Audentia 195
Imperatoris Aureli Antonini 2^9
M. Aureli Antonini 246
Marci Aureli Veri 241
Bessis 240 /.
biarcus 24^
Bradua 241
rivo Calabaeo 26y
Cassio Dione 24$
Cesennio Sospite 241
Clementi 241
Clementianesces 241
Deo bono Invicto 229
Desideri 194
Dis Manibus 239
Dometium 24^
Exsuperius 195
Flaviae Victorinae 238
Flavius Augustales 241
Flavius Germanus 241
b) Lateinische Inschriften.
Firmina 255
Gabrani 267
Gaione 2^2
laccum Halmyridem 26^
Histriae 238
fines Histrianorum 267
lovi Optimo Maximo 2J9, 241
lovi et lunoni 245
colonia Julia Philippensis 215
lunoni Reginae 239
Ithazis Dada 239
Pontio Laeliano Cesennio Sospite
consulibus 241
Martins Philo 239
Maximo 240
Minicius 23s
Sacrificium Mithriacum 239
Mucattio Seutonis 263
Nicetio 195
Ni[pius?] Vitales 245
Orfito Rufo 240
Orfito et Maximo consulibus 240
Peucem 26y
Picenus, sig(nifer) coh(ortis) V J90
rivorum Picusculi et Gabrani 26j
Proiecta 194
rivum Sanpaeum 26^
Secunde 194
L. Septumi Severi 246
Imperatori Lucio Septumio Se-
vero 241
P. Septumi Getae 246
Severe Alexandro 24$
Seutonis 263
consacrani Silvani Satoris 240
Sancto Silvano 241
Aurelius Sisinus 239
Terentius filius Gaione 252
Teres 24$
Tertullo et Clementi consulibus
241
rivum Turgiculum 26']
vico Ulmeto 241
Ulpiae Nicandras 238
Ultinsium 239
Valerius Nilus actor 239
L. Valeri Soteri 239
L. Valeri Turbonis 239
Valerio Valeriano 240
L. Valeri Victorini 238
Valerius Victorinus 242
Lucii Veri Augusti 241
Ziftiae 239
JAHRESBERICHT
DES KAISERLICH DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
FÜR DAS JAHR 1914.
Der Ausbruch des Krieges mußte auch die Tätigkeit unseres Instituts in der zweiten
Hälfte des Berichtsjahres stark beeinflussen. Sämthche jüngeren Angehörigen des Instituts,
die Assistenten, Hilfsarbeiter, Stipendiaten, stellten sich in irgendeiner Form dem Vater -
lande zur Verfügung, und die für das Jahr 1914/15 neugewählten Stipendiaten konnten
ihre Stipendien nicht antreten. Wenn dieser Bericht trotzdem mit Genugtuung aussprechen
darf, daß die Arbeit des Instituts auch in diesem Jahre ihren Fortgang genommen hat, daß
unsere Zeitschriften weiter erschienen, unsere Veröffentlichungen gefördert, wissenschaft-
liche Arbeiten unternommen worden sind, so darf er füglich mit einem Wort des Dankes
an diejenigen beginnen, die den Fortgang der Arbeiten ermöglicht haben, in erster Linie
an die Leiter unserer Zweiganstalten. Die Herren Delbrueck in Rom, dem als freiwilliger
Hilfsarbeiter Herr H. Koch zur Seite trat, Karo und Knackfuß in Athen, denen sich während
des größten Teiles des Berichtsjahres Herr A. Brueckner gesellte, haben es auf sich genom-
men, in dieser Zeit fern der Heimat auf ihrem Posten zu bleiben und die Arbeit fortzusetzen,
zu der das Reich, worauf wir mit Stolz hinweisen dürfen, wie in Friedenszeiten die Mittel
gewährt hat. Herr Ritterling hat auf die ersehnte Ruhe verzichtet und, unterstützt durch
Herrn F. Drexel, für seinen Nachfolger die Leitung der Römisch-Germanischen Kommission
fortgeführt. So hat auch das Iilstitut an seinem bescheidenen Teile dazu beigetragen, den
Grundsatz zu verwirklichen, daß wir auch in so schweren Zeiten nichts stillstehen lassen,
was nicht unbedingt stillstehen muß, und daß wir auch in wilder Kriegszeit unsere Kultur-
aufgaben fördern.
Zu der ordentlichen Plenarversammlung, die vom 21. — 23. April 1914 tagte, trat die
Zentraldirektion zum ersten Mal in ihrer neuen, erweiterten Gestalt zusammen.
In der Reihe seiner Mitglieder hat das Institut im verflossenen Jahre besonders schwere
Verluste erlitten. Allen voran möchten wir auch an dieser Stelle Alexander Conzes gedenken,
den wir am 19. Juli 1914 verloren. Von seinen Ehrenmitghedern verlor das Institut ferner
Fr. Adickes in Frankfurt a. M. (f 4, Februar 1915) und C. Klügmann in Berlin (f 18. Januar
1915). Von seinen ordentlichen Mitgliedern starben: J. Dechelette in Roanne, G. Gatti in
Rom, B. V. Head in London (f 12. Juni 1914), L. A. Milani in Florenz, G. Perrot in Paris
(f 30. Juni 1914), N. Persichetti in Aquila, J. Schubring in Lübeck (f S.Juni 1914); von
seinen korrespondierenden Mitgliedern Th. Burckhardt-Biedermannin Basel (f 26. Mai 1914),
M. Granados in Soria, H. Kohl in BerHn (f 26. September 1914), H. Schultz in Göttingen
(t 17. Februar 1915), G. Sordini in Spoleto, M. L. Strack in Kiel (f 10. November 1914).
— II —
Neu ernannt wurden zu Ehrenmitgliedern die Herren A. Conze- Berlin und E. v. Sieglin
in Stuttgart, zu ordentlichen Mitgliedern die Herren F. Bölte in Frankfurt a. M., Fougeres
in Athen, B. H. Hill in Athen, J. Kromayer in Leipzig, E. Steinmann in Rom, M. Volonakis in
Athen. Zu korrespondierenden Mitgliedern wurden die Herren M. Abramic in Aquileia,
W. B. Dinsmoor in Athen, D. Fimmen in Athen, Frl. E. Fölzer in Frankfurt a. M., M. Ger-
vasio in Bari, A. Hekler in Budapest, P. Jacobsthal in Marburg, M. Jatta in Ruvo, G. Lippold
in München, E. A. Maimaroglu in Smyrna, J. de Mot in Brüssel, R. Pagenstecher in Heidel-
berg, V. Parvan in Bukarest, C. Praschniker in Wien, H. Sitte in Innsbruck, M. M. Vassits
in Belgrad, N. Vulic in Belgrad, K. Wulzinger in München ernannt.
Die Reisestipendien wurden den Herren A. Neugebauer, G. Matthies f , F. Matz, K. Latte
und K. Menadier j verliehen.
Die Sitzungen der Römisch -Germanischen Kommission, des Römisch -Germanischen
Zentralmuseums und der Kommission für die Erforschung des Kaiserpalastes in Trier
fielen infolge des Krieges im Berichtsjahre aus. In den besonderen Verhältnissen dieses
Jahres lag es auch begründet, daß der Generalsekretär Berlin außer zu einer zweitägigen
Dienstreise nach Frankfurt a. M. nicht verlassen hat. Herr Burghardt hat sich mit Kriegs -
beginn sofort wieder der Militärverwaltung zur Verfügung gestellt und als Oberfeuerwerker
Dienste getan.
Vom Jahrbuch und Anzeiger erschien Bd. XXIX. Zum Gebrauch in archäologischen
Vorlesungen wurden geeignete Tafeln und Textabbildungen des Bandes zu Vorlegeblättern
zusammengestellt und den Universitäten abgegeben. Das 3. Heft des III. Bandes der
Antiken Denkmäler wurde zum größten Teile fertiggestellt. Erwähnt sei auch, daß das Werk
M. Mayers, Apulien, zu dessen Fertigstellung und Drucklegung die Zentraldirektiön eine
Summe beigesteuert hatte, vollendet und erschienen ist, ebenso der erste Band von
A. Schultens Numantia, an dem das Institut wie an den Forschungen in Numantia mit
Mitteln des Iwanoff-Fonds beteiligt ist. Ein weiterer Beitrag aus dem Iwanoff-Fonds wurde
dem Sekretariat Athen für die Ausgrabungen am Dipylon in Athen überwiesen, für die
auch noch weitere Mittel aus dem Fonds der Zentraldirektion für wisenschaftliche Zwecke
verwendet werden konnten.
Die Grabungen in Pergamon mußten der örtlichen Verhältnisse halber in diesem
Jahre natürlich unterbleiben. Ebenso war es nicht möglich, die Arbeiten in Pompei fort-
zuführen, besonders infolge der Einberufung der Herren Pernice und v. Schöfer zum
Heeresdienst.
Dem Kreise der Freunde des Instituts, deren Stiftung uns den Fortgang unserer wissen-
schaftlichen Unternehmungen ermöglicht, sind neu beigetreten Frl. M. Harkort, Herr
Krupp von Bohlen-Halbach und Herr Schott in Jena. Wir danken den hochherzigen
Förderern unserer Arbeit auch an dieser Stelle für ihr fortgesetztes Interesse und ihre Hilfe.
In Rom blieb Herr Delbruefk auf Veranlassung der vorgesetzten Behörde als im Zivil-
dienst unabkömmlich auf seinem Posten, während die Hilfsarbeiter Herr Dr. E. Schmidt
und Herr Dr. Kutsch sofort nach Deutschland zurückkehrten. Auf das schmerzlichste
beklagen wir den Tod E. Schmidts, den wir bereits gemeldet haben. Das Andenken des
tüchtigen, liebenswürdigen Mitarbeiters, der sein junges Leben für das Vaterland gegeben
hat, werden wir stets in Ehren halten. Herrn Delbrueck zur Seite blieb außer Fräulein Gor-
nitzka zunächst nur Herr v. Merckhn, der am Realkatalog arbeitete. Um so dankbarer
begrüßte das Institut, daß vom November an Herr Dr. Koch zur Unterstützung des
Sekretariates nach Rom kam. So konnte, da auch Herr v. Stockar als Schweizer uns zur
Verfügung stand, die wissenschaftliche Arbeit wie in normalen Zeiten fortschreiten. Herr
Koch führte, unterstützt von den Herren v. Mercklin und v. Stockar, vor dem Kriege auch
von Herrn Weickert, die Erforschung der Nekropole von Bieda zu Ende; der Druck des
Berichte» in den Römischen Mitteilungen ist vollendet. Herr Nachod bearbeitete Kammer-
gräber in Canosa, worüber der Bericht ebenfalls in den Römischen Mitteilungen erschienen
ist. Herr v. Stockar untersuchte gemeinsam mit Herrn Delbrueck den Bezirk unterhalb
— III —
des Palatin, in dem S. Maria Antiqua liegt. Daß die Wintervorträge in Rom wie
-in Athen ausfielen, war selbstverständlich. Eine Sitzung hat nur im April stattgefunden.
Im Sommer veranstaltete Herr Karo eine Reihe von Führungen in den Museen von Ancona,
Bologna und Florenz, an denen sich in Ancona auch Herr Delbrueck beteiligte.
Herr Delbrueck wohnte im April der Plenarversammlung der Zentraldirektion bei
und bereiste im Juni die Marken.
Von den Römischen Mitteilungen erschien der Band XXIX, vom Realkatalog der
zweite Halbband des ersten Bandes.
Bibliothek und Apparat haben .sich auch in diesem Jahre in erfreulicher Weise vermehrt.
In Athen stand den Sekretaren bis zum Ausbruch des Krieges Herr Fimmen zur
Seite, bis zu welchem Zeitpunkt durch die Zuwendung des ungenannten Gönners, dem wir
schon im vorigen Jahre herzlich danken durften, auch Herr Weigand seine byzantinischen
Studien fortsetzen konnte. Den größten Teil des Berichtsjahres mit Ausnahme der Monate
August bis November weilte, wie bereits erwähnt, Herr A. Brueckner in Athen, um gemein-
sam mit Herrn Knackfuß die Ausgrabungen am Kerameikos zu leiten. Daß das preußische
Kultusministerium trotz der großen Schwierigkeiten, die das Kriegsjahr dem Schul -
betriebe brachte, den Herrn Brückner erteilten Urlaub auch nach Kriegsausbruch aufrecht-
erhielt und uns dadurch die Fortsetzung der begonnenen Ausgrabung ermöglichte, müssen
wir mit ganz besonderem Dank erwähnen. Über die bisherigen Ergebnisse der Grabung,
die sich der lebhaftesten Förderung seitens der griechischen Behörden erfreute, hat Herr
Brückner einen vorläufigen kurzen Bericht im Archäologischen Anzeiger veröffentlicht.
Teilweise in das Berichtsjahr fallen auch noch die schon im vorigen Bericht er-
wähnten Ausgrabungen und Forschungen, die auf Veranlassung Seiner Majestät des
Kaisers in Korfu veranstaltet wurden. Sie wurden von Herrn Dörpfeld, teilweise in
Anwesenheit von Herrn Karo, geleitet und haben wichtige Funde, besonders an archi-
tektonischen Terrakotten, gebracht.
Herr Karo hat vom i. bis i6. Mai in Candia und Knossos eine Führung veranstaltet.
Die einzige Sitzung fand am lo. Dezember als Gedenkfeier für A. Conze statt.
Von den Athenischen Mitteilungen erschien Band XXXIX. Erschienen ist ferner
der kleine, von G. Karo verfaßte »Führer durch die Ruinen von Tiryns«.
Zum I. Oktober des Berichtsjahres hatte Herr Ritterling, einem schon früher geäußerten
Wunsche folgend, seine Entlassung aus dem Amte des Direktors der Römisch-Germani-
schen Kommission erbeten und erhalten. Die Zentraldirektion ist sich mit der Römisch -
Germanischen Kommission einig in dem tiefen Bedauern über diesen Entschluß. Mit
dem Dank und der Anerkennung für alles, was Ritterling geleistet, dürfen wir der
sicheren Hoffnung Ausdruck geben, daß die seit langen Jahren bestehende Arbeits-
gemeinschaft, das Zusammenwirken mit Ritterling im Interesse der römisch -germanischen
Forschung durch sein Ausscheiden aus dem Amt nicht berührt werden wird. Die Zentral-
direktion wählte im JuU 191 4 zu Ritterhngs Nachfolger Walter Barthel. Seine Ernennung
durch den Herrn Reichskanzler traf Barthel bereits im Felde, aus dem er, wie wir, den Er-
eignissen vorgreifend, schmerzbewegt auch hier verzeichnen müssen, nicht zurückkehren
sollte. Sofort mit Kriegsausbruch hatte Herr Ritterling, wie schon oben erwähnt, sich
bereit erklärt, für seinen Nachfolger einstweilen die Geschäfte der Römisch-Germanischen
Kommission weiterzuführen, wofür ihm das Institut zu größtem Dank verpflichtet ist.
Ihm zur Seite stand als Assistent Herr F. Drexel, während die jüngeren Hilfsarbeiter ins
Feld rückten.
Eine Jahressitzung der Kommission fand mit Rücksicht auf die Zeitverhältnisse
nicht statt.
Das VII. Heft der Berichte der Römisch -Germanischen Kommission ist erschienen,
der Druck des VIII. Heftes weit vorgeschritten.
Auf den Fortgang der von der Kommission unterstützten Veröffentlichungen mußte
naturgemäß der Krieg einen stark hemmenden Einfluß ausüben, da die Verfasser teils, wie
— IV —
die Herren Hofmann, Kutsch, Oxe, Steiner, Unverzagt, im Felde stehen, teils durch ander-
weitige Tätigkeit in ihrer wissenschaftlichen Arbeit stark behindert sind. Auch von wissen-
schaftlichen Bodenuntersuchungen mußte fast ganz Abstand genommen werden. Vor
Kriegsausbruch fällt noch eine Untersuchung der Befestigungsanlagen auf dem Firlischberg
bei Kaysersberg im Elsaß durch Herrn Gutmann. Einen guten Fortgang nahmen Gra-
bungen des Herrn WolfT auf dem Salisberg bei Kesselstadt, die die für die Geschichte der
Limesanlagen sehr wichtige Auffindung eines zweifellos zu einem Erdkastell gehörigen
Bades aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. zur Folge hatten.
Die Handbibhothek hat sich erfreulich vermehrt.
Dankbar dürfen wir schließlich die Gewährung des üblichen Zuschusses der Stadt
Frankfurt zu den Mitteln der Kommission erwähnen.
ZENTRAL-DIREKTION
DES KAISERLICH DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
BERLIN W. 50, Ansbacherstr. 46.
berufen von Preußen auf
Vorschlag der Königlichen
Akademie der Wissenschaften.
berufen von Preußen.
H. DragendorfE, Generalsekretär, Prof., Dr., Berlin-Lichterfelde (West), Zehlendorferstr. 55.
C. Weller, Geh. Legationsrat, Vortragender Rat im Auswärtigen Amt, Berlin W. 30, Heilbronnerstraße 19,
vom Reichskanzler berufen.
0. Hirschfeld, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin - Charlottenburg,
Mommsenstr. 6,
E. Meyer, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin - Lichterfelde (West),
Mommsenstr. 7/8,
U. von Wilamowitz-Moellendorff, Wirkl. Geh. Rat, Prof., D. Dr.,
Berlin-Westend, Eichen-Allee 12,
W. Dörpfeld, Prof., Dr., Berlin- Friedenau, Niedstr. 22,
G, Loeschcke, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin NW. 40, Hindersinstr. 6,
C. Robert, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Halle a. S., Angerweg 40,
Th. Wiegand, Geh. Reg. -Rat, Direktor, Dr., Dr. Ing., Berlin- Steglitz,
Peter Lenn^str. 30,
H. Bulle, Prof., Dr., Würzburg, Konradstr. i, 1
P. Wolters, Prof., Dr., München, Tengstr. 20. j
F. Studniczka, Geh. Hofrat, Prof., Dr., Leipzig, Leibnizstr. 11, berufen von Sachsen.
F. Noack, Prof., Dr., Tübingen, Gartenstr. 59, berufen von Württemberg.
E. Fabricius, Geh. Hofrat, Prof., Dr., Freiburg i. Br., Goethestr. 44, berufen von Baden.
C. Watzinger, Prof., Dr., Gießen, Gr. Steinweg 23, berufen von Hessen.
A. von Salis, Prof., Dr., Rostock, Augustenstr. 123, berufen von Mecklenburg-Schwerin.
B. Graef, Prof., Dr., Jena, Erfurterstr. 64, berufen von den Thüringischen Staaten.
A. Frickenhaus, Prof., Dr., Straßburg i. Eis., Taulerring 21, berufen von Elsaß-Lothringen.
G. Körte, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Göttingen, WilhelmWeberstr.il,
H. Graf von und zu Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, Bayerischer
Staatsrat und Gesandter, Dr., Berlin W. 9, Voßstr. 3,
F. Winter, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Bonn, Venusbergweg 25,
berufen von Bayern.
berufen vom Reichs-
kanzler auf Vorschlag
der Zentral-Direktion.
SEKRETARIATE
ROM, MoNTß Tarpeo 28.
R. Delbrueck, Erster Sekretär, Prof., Dr., Rom, Monte Tarpeo 28, z. Zt. Berlin W. 50, Augsburgerstraße 40.
Zweite Sekretarstelle z. Zt. unbesetzt.
ATHEN, Phidiasstr. i.
G. Karo, Erster Sekretär, Prof., Dr., Athen, Phidiasstr, i.
H. Knackfuß, Zweiter Sekretär, Baurat, Athen, Phidiasstr. 1.
— VI —
RÖMISCH-GERMANISCHE KOMMISSION.
FRANKFURT A. M., Eschersheimer Landstr. 107.
H. Dragendorff, als Generalsekretär, siehe Zentral-Direktion.
O. Hirschfeld, 1 . , ^ ,,_
r T >i ir 1 ^°° '^^^ Zentral-Direktion aus ihrer Mitte gewählt, siehe daselbst.
G. Voigt, Oberbürgermeister, Frankfurt a. M., Zeppelin -Allee 21
E. Meyer, siehe Zentral-Direktion, \ vom Reichskanzler berufen
K. Schumacher, Direktor, Prof., Dr., Mainz, Zentral-Museum,
H. Jacobi, Baurat, Homburg v. d. H., Dorotheenstr. 12, berufen von Preußen
J. Ranke, Geh. Hofrat, Prof., Dr., München, Briennerstr. 25, „ „ Bayern.
P. Goessler, Prof., Dr., Stvitgart-Degerloch, Olgastr. 20,
E. Fabricius, siehe Zentral-Direktion,
E. Anthes, Prof., Dr., Darmstadt, Heinrichstr. 96,
R. Henning, Prof., Dr., Straßburg i. Eis., Sternwartstr. 16,
F. Koepp, Prof., Dr., Münster i. Westf., Gertrudenstr. 41,
H. Lehner, Direktor, Prof., Dr., Bonn, Weberstr. 96,
F. Ohlenschlager, Oberstudienrat, Prof., Dr., München, Luisenstr. 54,
C. Schuchhardt, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin-Lichterfelde (West),
Teltowerstr. 139,
G. Wolff, Prof., Dr., Frankfurt a. M., Grüneburgweg 57,
Württemberg.
Baden.
Hessen.
Elsaß -Lothringen.
berufen vom
Reichskanzler auf Vor-
schlag- der Zentral-
Direktion.
VERZEICHNIS DER MITGLIEDER
DES KAISERLICH DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS*)
I. NOVEMRER 1915.
L EHREN-MITGLIEDER.
Seine Hoheit Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen, Meiningen.
Seine Königliche Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern, München.
Seine Hoheit Prinz Friedrich Karl von Hessen, Schloß Friedrichshof (Taunus).
Seine Durchlaucht der reg. Fürst Johann IL von und zu Liechtenstein, Wien.
Seine Durchlaucht Fürst von Radolin, Kaiserlicher, Botschafter a. D., Schloß Jurotschin. (Posen).
C. Freiherr von Bildt, Königlich Schwedischer Minister, Rom, Palazzo Capranica, Via del Teatro Valle 16.
G. F. Gammurini, Comm., Arezzo.
F. von Gans, Frankfurt a. M., Taunusanlage.
H. Lehmann, Geh. Kommerzienrat, Dr., Halle a. S., Gr. Steinstr. 19.
H. Graf von und zu Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, siehe Zentral-Direktion.
Duc de Loubat, Paris, Rue Dumont d'Urville 53.
Donna Ersilia Caetani Contessa Lovatelli, Dottoressa, Rom, Palazzo Lovatelli, Piazza Campelli.
Graf von Plessen-Cronstern, Kaiserlicher Gesandter a. D., Nehmten- Ascheberg (Holstein).
R. Schöne, Wirkl. Geh. Rat, Prof., Dr., Berlin-Grunewald, Wangenheimstr. 13.
E. von Sieglin, Geh. Hofrat, Dr., Stuttgart, Villa Weißenburg.
James Simon, Dr., Berlin W. 10, Tiergartenstr. 15 a.
*) Die Verhältnisse des Krieges haben in vielen Fällen eine Unsicherheit erzeugt, die wir nicht
heben konnten. Bei unseren Mitgliedern, die im Felde stehen, haben wir die letzte dauernde Adresse
stehen lassen, unter der sie, wie wir annehmen, zu erreichen sind, und nur in den wenigen Fällen, wo
eine solche fehlte, durch den Zusatz „im Felde" auf diese Tatsache hingewiesen.
^ VII —
II. ORDENTLICHE MITGLIEDER
W. Amelung, Prof., Dr., Rom, Via Andrea Cesalpino i,
Villino Antonia, z. Zt. Berlin W. 8, Behrenstr.
30 IL
E. Anthes, siehe Römisch-Germanische Kommission.
Conte A. Antonelli, Rom, Via Nazionale 158.
B. von Arnold, Geh. Hof rat, Dr., München,
Tengstr. 30.
Th. Ashby, Direktor der British School, Dr., Rom,
Piazza SS. Apostoh, Palazzo Odescalchi 80.
E. Babelon, Prof., Conservateur du Cabinet des
M^dailles, Paris, Rue de Verneuil 30.
F. Barnabei, Comm., Prof., Dott., Consighere di
Stato, Rom, Piazza S. Luigi de'Francesi 24.
F. W. Freiherr von Bissing, Prof., Dr., München
Georgenstr. 10.
H. Blümner, Prof., Dr., Zürich VI, Öttikerstr. 55.
J. Boehlau, Direktor, Dr., Cassel, Lessingstr. 2.
F. Bölte, Prof., Dr., Frankfurt a. M., Westendstr. i,
G. Boni, Comm., Ing. Arch., Direttore Ufficio scavi
Foro Romano e Palatino, Rom, Palatino.
L. Borchardt, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Kairo,
Gesire-Garten, Deutsches Institut für Ägyptische
Altertumskunde, z. Zt. Berlin'^ 15, Kurfürsten-
damm 42.
E. Bormann, Hof rat, Prof., Dr., Wien-Klosterneu-
burg, Buchberggasse 41.
R. Borrmann, Geh. Baurat, Prof., Berlin W. 50,
Bambergers tr. 7.
R. C. Bosanquet, Prof., Liverpool, Bedford Street 40.
A. Brueckner, Prof., Dr., Berlin-Friedenau, Spon-
holzstr. 19.
F. Buli(5, Monsignore, Reg^Rat, Direktor, Spalato,
Archäologisches Staatsmuseum.
H. BuUe, siehe Zentral-Direktion.
R. Cagnat, Prof., Dr., Paris, Boulevard du Mont-
pamasse 96.
G. Calderini, Comm., Ing., Prof. R. Universitä,
Rom, Via Voltumo 58.
C. Cichorius, Prof., Dr., Breslau, Kastanien -Allee 24.
M. CoUignon, Prof., Dr., Paris, Boulevard St. Ger-
main 88.
Sir S. Colvin, London W., Palace Gardens Ter-
race 35.
D. Comparetti, Comm., Prof., Senatore, Florenz, Via
La Marmora 20.
F. Cumont, Prof., Dr., Rom, Corso d'Italia 19.
A. L. Delattre, Directeur de Mus^e, St. Louis de
Carthage (Tunis).
R. Delbrueck, siehe Sekretariat Rom.
G. De Petra, Comm., Prof., Dott., Neapel, Pallonetto
S. Chiara 8.
E. De Ruggiero, Prof., Dott., Rom, Via Aureli-
ana 53.
H. Dessau, Prof., Dr., Berlin-Charlottenburg, Leib-
nizstr. 57.
H. Diels, Geh. Ober -Reg. -Rat, Prof., D. Dr., Berlin
W. 50, Nürnbergerstr. 65.
A. von Domaszewski, Geh. Hof rat, Prof., Dr.,
Heidelberg, Bergstr. 28.
W. Dörpfeld, siehe Zentral-Direktion.
J. Dragatsis, Gymnasial-Direktor, Athen, 686?
H. Dragendorff, siehe Zentral-Direktion.
St. Dragumis, Minister, Athen, 686? A[i.aX(a; 26.
H. Dressel, Prof., Dr., Berlin W. 8, Kronenstr. 16.
L. Duchesne, Monseigneur, Directeur de l'ficole
Frangaise, Rom, Palazzo Farnese, und Paris,
Passage Stanislas 2.
F. Dürrbach, Prof., Dr., Toulouse, Rue du Japon 40.
F. von Duhn, Geh. Hof rat, Prof., Dr., Heidelberg-
Neu^nheim, Werrgasse 7.
J. Durm, Geheimrat, Prof., Dr., Karlsruhe, Tech-
nische Hochschule.
F. Ehrle, Padre, Prefetto della Bibhoteca Vaticana,
Rom, Palazzo Vaticano.
A. Erman, Geh. Reg.-Rat, Prof., Dr., Berlin-Steglitz,
Peter Lennestr. 22.
Sir A. J. Evans, Prof., Dr., Yotdbury, Berks.
near Oxford.
E. Fabricius, siehe Zentral-Direktion.
J. Ficker, Prof., D. Dr., Straßburg i. Eis., Lessing -
Straße 2.
F. Fita, Dr., Madrid, Isabella Catöhca 12.
R. Foerster, Geh. Reg.-Rat, Prof., Dr., Breslau,
Kastanien-Allee 3a.
P. Foucart, Prof., Dr., Paris, Rue Jacob 19.
G. Fougeres, Directeur de l'ficole Frangaise, Athen.
Sir S. G. Frazer, Prof., Dr., Cambridge, Trinity College.
A. Frickenhaus, siehe Zentral-Direktion.
W- Fröhner, Dr., Paris, Rue Casimir-Perier 11.
E. A. Gardner, Prof., Dr., Tadworth (Surrey), Farm
Corner.
P. Gardner, Prof., Dr., Oxford, Banbury Road 105.
G. Ghirardini, Comm., Prof., Direttore del Museo
Civico, Bologna, Via dell' Indipendenza 54-
F. Graeber, Baurat, Bielefeld, Sparenberg 2 a.
B. Graef, siehe Zentral-Direktion.
Fr. LI. Grifft th, Dr., Oxford, Norham Gardens 11.
— VIII
St. Gsell, Prof., Dr., Paris, Rue de la Tour 92.
E. J. Haeberlin, Justizrat, Dr., Frankfurt a. M.-
Eschersheim, Ginnheimerstr. 46.
G. Hager, Generalkonservator, Dr., München, Koch-
straße 18.
F. Halbherr, Comm., Prof., Dott., Rom, Via Are-
nula 21.
Halil Edhem Bey, General-Direktor, Dr., Konstan-
tinopel. Ottomanisches Museum.
A. von Harnack, General-Direktor, Wirkl. Geh. Rat,
Prof., D. Dr., Berlin-Grunewald, Kunz-Bunt-
schuhstr. 2.
P. Hartwig, Dr., Rom, Via Alessandrina 17.
J. A. Hatzidakis, Direktor, Dr., Candia, Museum.
F. Haug, Geh. Hof rat. Gymnasial -Direktor a. D.,
Dr., Stuttgart, Salzmannweg i.
B. HaussouUier, Prof., Dr., Paris, Rue S'* Cecile 8.
F. Haverfield, Prof., Dr., Oxford, Winshields,
Headington Hill.
R. Heberdey, Prof., Dr., Graz, Mandellstr. 26.
J. L. Heiberg, Prof., Dr., Kopenhagen, Classens-
gade 13.
H. Hepding, Dr., Gießen, Schiflenberger Weg 16.
A. Heron de Villefosse, Conservateur au Mus6e du
Louvre, Paris, Rue Washington 16.
P. Herrmann, Prof., Dr., Dresden-A., Stephanien-
straße 13.
L. Heuzey, Paris, Boulevard Exelmans 90.
F. Freiherr Hiller von Gaertringen, Prof., Dr., Berlin-
Westend, Ebereschen-Allee 11.
0. Hirschfeld, siehe Zentral-Direktion.
H. Hitzig, Prof., Dr., Zürich V, Casinostr. 18.
M. HoUeaux, Prof., Dr., Paris, Quai de la Tour-
nelle 27.
A. E. J. Holwerda, Prof., Dr., Leiden, Zoeter-
woudsche Singel 52.
Th. HomoUe, Administrateur g^n^ral de la Biblio-
theque Nationale, Dr., Paris, Rue de Petits-
Champs 8.
Ch. Hülsen, Prof., Dr., Florenz, Villa Tolomei, Via di
Marignolle 6, Bellosguardo, z. Zt. Schloß Hohen-
eck bei Ludwigsburg i. Württ.
F. Imhoof-Blumer, Dr., Winterthur, BühUiof.
H. Stuart Jones, Saundersfoot ( Pembrokeshire) .
W. Judeich, Prof., Dr., ^ena, Beethovenstr. 30.
C. Julian, Prof., Dr., Paris, Rue de Luxem-
bourg 30.
E. Kaiinka, Prof., Dr., Innsbruck, Adolf Pichlerstr. 5.
G. M. Kam, Nijmegen, Berg und Dalsche Weg 76.
G. Karo, siehe Sekretariat Athen.
P. Kastriotis, Ephoros der Altertümer, Athen, 686;
'Aß^ptocp 9.
P. Kavvadias, Prof., Dr., General-Sekretär der
Archäologischen Gesellschaft, Athen, Hotel de
France.
B. Keil, Prof., Dr., Leipzig, Universität.
J. Keil, Sekretär des K. K. Österr. Archäolog. In-
stituts, Dr., Smyrna, Österreichische Post.
F. von Kenner, Hof rat, Direktor a. D., Wien III,
Traungasse i.
W. Klein, Prof., Dr., Prag, Deutsche Universität.
H. Knackfuß, siehe Sekretariat Athen.
F. Koepp, siehe Römisch-Germanische Kommission.
R. Koldewey, Prof., Dr., Bagdad, Deutsches Kon-
sulat und Berlin-Friedenau, Rubensstr. 8.
A. Körte, Prof., Dr., Freiburg i. Br., Fuchsstr. 16,
G. Körte, siehe Zentral-Direktion.
M. K. Krispis, Prof., Karditza (Thessalien).
J. Kromayer, Prof., Dr., Leipzig-Gohlis, Berggarten-
straße 10.
E. Krüger, Direktor, Prof., Dr., Trier, Bergstr. 51.
W. Kubitschek, Reg. -Rat, Direktor, Prof., Dr.,
Wien IX, Pichlergasse 1.
Sp. Lambros, Prof., Dr., Athen, 68ös Maupo-
xopodxou 10.
R. A. Lanciani, Comm., Prof., Senatore, Rom,
Piazza Sallustio 24.
K. Graf Lanckoronski-Brzezie, K. K. Wirkl. Geh.
Rat, Oberstkämmerer, Wien III, Jacquingasse 18.
B. Latyschew, Prof., Dr., St. Petersburg, Kaiser-
hche Archäologische Kommission, Winterpalais.
H. Lechat, Prof., Dr., Lyon, Quai Gailleton 22.
H. Lehner, siehe Römisch -Germanische Kommission.
B. Leonardos, Dr., Athen, öSo? npoaUTefou 59.
F. Löhr, Sekretär des K. K. österr. Archäolog. In-
stituts, Dr., Wien IX, Grünetorgasse 14.
G. Loeschcke, siehe Zentral-Direktion.
E. Löwy, Prof., Dr., Rom, Via del Progresso 23, z. Zt.
Wien, Untere Donaustr. 29.
H. Luckenbach, Gymnasial-Direktor, Dr., Heidel-
berg, Sophienstr. 3.
Barone G. Lumbroso, Comm., Prof., Dott., Rom,
Via Sommacaijipagna 3.
H. Lyons, Captain, Dr., London, Heathview Gar-
dens 5, Roehampton.
L. Mariani, Prof., Dott., Rom, Via Pierluigi da
Palestrina 55.
0. Marucchi, Comm., Prof., Dott., Direttore del
Museo Egizio nel Vaticano, Rom, Via S. Maria
in Via 7 A.
G. Maspero, Prof., Directeur du Service des An-
tiquit^s, Kairo und Paris, Avenue de l'Observa-
toire 24.
M. Mayer, Dr., Berlin W. 30, Hohenstaufenstr. 4.
— IX —
A. Meletopulos, Piräus, öoö? KoXoxotpwvr; 69.
A. Merlin, Directeur des Antiquites et des Arts, Tunis,
Rue de Tlfiglise 73.
M. Meurer, Prof., Rom, Via Margutta 53 B.
E. Meyer, siehe Zentral-Direktion.
E. Michon, Prof., Conservateur au Musee du Louvre,
Paris, Rue Barbet-de-Jouy 26.
O. Montelius, Prof., Dr., Stockholm, Museum für
Altertümer.
J. H. Mordtmann, Kaiserlich Deutscher General-
Konsul a. D., Dr., Konstantinopel-Pera, Rue Sira
Selvi.
F. Noack, siehe Zentral-Direktion.
B. Nogara, Comm., Dott., Direttore del Museo Gre-
goriano Etrusco Vaticano, Rom, Via Vittoria
Colonna 40.
R. Norton, c/o Shipley and Co., London, Pall
Mall 123.
F. Ohlenschlager, siehe Römisch-Germanische Kom-
mission.
P. Orsi, Comm., Prof., Dott., Direttore del R. Museo
Archeologico, Syrakus.
E. Pais, Comm., Prof., Dott., Rom, Via di Ripetta 102.
R. Paribeni, Dott., Direttore del Museo Nazionale,
Terme di Diocleziano, Rom, Via dei Prefetti 22.
A. Pasqui, Cav., Direttore dell' Ufficio degli Scavi di
Roma e Provincia, Rom, Via Nomentana 27.
C. Patsch, Reg. -Rat, Dr., Sarajevo, Bosn.-Herzegow.
Landes -Museum.
P. Perdrizet, Prof., Dr., Nancy, Avenue de la Ga-
renne 2.
E. Pemice, Prof., Dr., Greifswald, Karlstr. 4.
L. Pemier, Dott., Direttore della Scuola Archeologica
Italiana, Athen, 656; Aiovustou 'Aptior.7.fizo'j i.
E. Petersen, Prof., Dr., Berlin-Halensee, Friedrichs-
ruherstr. 13.
W. M. Flinders Petrie, Prof., Dr., London, Well
Road 8, Hampstead.
E. Pfuhl, Prof., Dr., Basel, Schönbeinstr. 42.
B. Pharmakowsky, Prof., Dr., St. Petersburg, Kaiser-
liche Archäologische Kommission, Winterpalais.
A. Phihppson, Prof., Dr., Bonn, Königstr. i.
L. Pigorini, Comm., Prof., Senatore, Dott., Direttore
del Museo preistorico, Rom, Via del CoUegio Ro-
mano 26.
L. PoUak, Österreichischer Kaiserlicher Rat, Dr.,
Rom, Via del Tritone 183, z. Zt. Prag VII, Bel-
skygasse 21.
J. Poppelreuter, Direktor, Prof., Dr., Cöln, Eifel-
straße 14.
E. Pottier, Prof., Dr., Conservateur au Mus^e du
Louvre, Paris, Rue de la Tour 72.
A. Prachow, Wirkl. Staatsrat, Prof., Dr., St. Peters-
burg, Universität.
A. von Premerstein, Prof., Dr., Prag-Smichow, Preßl-
gasse 13.
E. Pridik, Prof., Dr., St. Petersburg, Woskressensky
Quai 22.
Sir W. M. Ramsay, Dr., Edinburgh, Braid Avenue 41.
S. Reinach, Conservateur du Musee de St. Germain,
Boulogne-sur-Seine, Avenue Victor Hugo 16.
E. Reisch, Hofrat, Direktor des K. K. Österr. Ar-
chäolog. Instituts, Prof., Dr., Wien XVIII, Karl
Ludwigstr. 28.
C. Ricci, Comm., Dott., Direttore Generale per le
Antichitä e Belle Arti, Ministero Pubblica Istru-
zione, Rom, Piazza Venezia 11.
R. B. Richardson, Prof., Dr., Woodstock, Connecticut.
0. Richter, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin-
Friedenau, Niedstr. 16.
A. Riese, Prof., Dr., Frankfurt a. M., Klettenberg-
straße 7.
E. Ritterling, Prof., Dr., Frankfurt a. M., Eschers-
heimer Landstr. 107.
R. G. Rizzo, Prof., Dr., Turin, Universität und Rom,
Via Po 18.
C. Robert, siehe Zentral-Direktion.
E. Robinson, Direktor, Metropolitan Museum of Art,
New York.
H. von Rohden, Prof., Dr., H agenau i. Eis., Gym-
nasium.
M. Rostowzew, Prof., Dr., St. Petersburg, Morskaja
34. 10.
0. Rubensohn, Direktor, Prof., Dr., Berlin- Lankwitz,
Scharzhofbergerstr. 2.
G. McN. Rushforth, Mähern Wells, Riddlesden.
A. von Salis, siehe Zentral-Direktion.
B. Sauer, Prof., Dr., Kiel, Lornsenstr. 30.
L. Savignoni, Prof., Dott., Rom, Via dell' Anima 50.
P. Schazmann, Architekt, Genf, Grande Boissiere.
H. Schrader, Prof., Dr., Frankfurt a. M., Schumann-
straße 49.
C. Schuchhardt, siehe Römisch-Germanische Kom-
mission.
A. Schulten, Prof., Dr., Erlangen, Ratsbergerstr. 22.
Victor Schultze, Prof., Dr., Greifswald, Universität.
Wilhehn Schulze, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin
W. 10, Kaiserin Augustastr. 72.
K. Schumacher, siehe Römisch -Germanische Kom-
mission.
Jonkheer J. Six van Hillegom, Prof., Dr., Amster-
dam, Heerengracht 511.
A. N. Skias, Prof., Athen, 656; BaXTexafou 7-
A. H. Smith, London W. C., British Museum.
X —
Sir Cecil H. Smith, Dr., London S.W., Victoria and
Albert Museum.
A. Sogliano, Prof., Dott., Neapel, Via Avvocata a
Piazza Dante 25.
G. Sotiriadis, Prof., Dr., Athen, 680; Aouiiiavoü 21.
V. Spinazzola, Comm., Prof., Dott., Direttore degli
scavi di Pompei, Neapel, Museo Nazionale.
V. Stais, Direktor, Dr., Athen, National-Museum.
E. Steinmann, Prof., Dr., Rom, Via Aracoeli 3,
z. Zt. Berlin, Viktoriastr. 30.
E. von Stern, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Halle a. S.,
Lindenstr. 63.
J. Strzygowski, Hofrat, Prof., Dr., Wien, Universität.
F. Studniczka, siehe Zentral-Direktion.
J. N, Svoronos, Direktor des Numismatischen Mu-
seums, Athen, 666; FeüjpYfou Fewaotou 3 B.
L. von Sybel, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Marburg i. H.
Sybelstr. i.
A. Taramelli, Prof., Dr., Direttore del Museo di
Antichitä, Cagliari, Via Corte d'Appello 12.
H. Thiersch, Prof., Dr., Freiburg i. Br., Zascherstr. 67.
A. Trendelenburg, Gymnasial-Direktor, Geh. Reg.-
Rat, Prof., Dr., Berlin NW. 6, Albrechtstr. 26.
G. Treu, Geh. Hofrat, Prof., Dr., Dresden-Weißer
Hirsch, Heinrichstr. 21.
Ch. Tsuntas, Prof., Athen, 666c AXxißictSou 36.
Th. Uspenski, Geheimrat, Direktor, Dr., Konstan-
tinopel-Pera, Rue Sekis Agatsch, Russ. Archäolog.
Institut.
G. Vitelli, Prof., Dott., Florenz, Via Masaccio 55.
Marquis de Vogüe, Paris, Rue Fabert 2.
M. Volonakis, Sektionschef, Athen, Kultusmini-
sterium.
E. Wagner, Direktor, Geheimrat, Prof., Dr., Karls-
ruhe, Hirschstr. 53.
H. Graf von WalderdorfE, Regensburg.
Sir Ch. Waldstein, Dr., Cambridge, Newton, Newton
Hall.
0. Walter, Sekretär des K. K. Österr. Archäolog.
Instituts, Dr., Athen, Boulevard Alexandra 18.
C. Watzinger, siehe Zentral-Direktion.
C. Weller, siehe Zentral-Direktion.
J. W. White, Prof., Dr., Cambridge, Massachusetts,
Concord Avenue 18.
S. Wide, Prof., Dr., Upsala, Linnegatan 18.
Th. Wiegand, siehe Zentral-Direktion.
U. von Wilamowitz-Moellendorff, siehe Zentral-
Direktion.
W. Wilberg, Sekretär des K. K. Österr. Archäolog.
Instituts, Dr., Athen, Boulevard Alexandra 18.
U. Wilcken, Prof., Dr., München, Universität.
A. Wilhelm, Prof., Dr., Wien IX, Schlickgasse 5.
A. Wilmanns, Wirkl. Geh. Ober-Reg.-Rat, Prof.,
Dr., Berlin W. 10, Königin Augustastr. 48.
|. Wilpert, Monsignore, Protonotario apostolico,
Rom, Via Giovanni Lanza 63.
H. Winnefeld, Direktor, Prof., Dr., Berlin-Halensee,
Paulsbomerstr. 8.
F. Winter, siehe Zentral-Direktion.
G. Wissowa, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Halle a. S.,
Mühlweg 20.
G. Wolff, siehe Römisch-Germanische Kommission.
P. Wolters, siebe Zentral-Direktion.
R. Zahn, Prof., Dr., Berlin-Friedenau, Cranach-
straße 20.
J. Ziehen, Stadtrat, Prof., Dr., Frankfurt a. M.,
Blumenstraße 16.
J. Zingerle, Reg.-Rat, Vize-Direktor des K. K. Österr.
Archäolog. Instituts, Dr., Wien IX, Türken -
Straße 4.
III. KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER.
M. Abrami^) Dr., Aquileia, Archäologisches Museum.
Marchese G. Antimi-Clari, Macerata FeÜria, Via Gari-
baldi 105.
P. Arndt, Dr., München, Himmelreichstr. 3.
A.S.Arvanitopullos,Ephoros der Altertümer ,Dr.,F'oZo.
0. N. Askitis, Chalki bei Rhodos.
E. Assmann, Geh. San. -Rat, Dr. med., Berlin W.50,
Passauerstr. 5.
A. Audollent, Prof., Dr., Clermont-Ferrand (Puy-de
DSme), Chemin de l'Oradou i.
M. Bang, Dr., Berlin W. 15, Pariserstr. 10.
F. Baraibar, Vitoria, Cercas altas 7 principal.
A. Barmann, K. u. K. Österreichisch-Ungarischer und
K. Dänischer Vize-Konsul, Rhodos.
G. Bellucci, Comm., Prof., Perugia, Corso Cavour 9.
O. Beriet, Oberstleutnant, Minden, Heidestr, 19.
XI
E. Bethe, Geh. Hofrat, Prof., Dr., Leipzig, Davidstr. i.
Fräulein M. Bieber, Dr., z. Zt. Berlin-CharloUenburg
Marchstr. 4.
Sir A. Biliotti, Rhodos.
R. Blair, South Shields, Harton Lodge.
Ch. Blinkenberg, Konservator, Dr., Kopenhagen,
National-Museuni.
E. Bodensteiner, Prof., Dr., München, Häberlstr. 20.
R. Bodewig, Prof., Dr., Oberlahnstein, Gymnasium.
0. Bohn, Prof., Dr., Berlin-Steglitz, Kurfürsten str. 3.
U. Pli. Boissevain, Prof., Dr., Amsterdam, Heeren-
gracht 264.
E. Bourguet, Prof., Paris, Passage Stanislas 2.
C. G. Brandis, Direktor, Dr., jfena, Lutherstr. 117.
E. Breccia, Prof., Dott., Direttore del Museo Greco-
Romano, Alexandria.
A. Brinkmann, Prof., Dr., Bonn, Schumannstr. 58.
G. Canna, Prof., Dott., Pama, Piazza Petrarca i.
L. Cantarelli, Prof., Dott., Rom, Piazza Manfredo
Fanti 132.
J. Carcopino, Directeur du Musee des Antiquit^s
Alg6riennes, Algier, Rue Sahandy 40, Saint-
Eugene.
W. Cart, Prof., Dr., Lausanne, St. Pierre 13.
J. B. Carter, Direttore dell' Accademia Americana.
Prof., Dr., Rom, Villa Aurelia presso Porta
S. Sebastiane.
A. Casilli, K. u. K. Österreichisch -Ungarischer Kon-
sul, Rhodos.
L. D. Caskey, Curator, Museum of Fine Arts, Boston,
Massachusetts.
Barone F. B. Castiglioni, Spongano.
M. Cazurro y Ruiz, Catedratico, Dr., Gerona, Pro-
greso I.
J. Centerwall, Gymnasial-Direktor, Dr., Stockholm.
Marques de Cerralbo, Senator, Madrid, Galle Ventura
Rodriguez 2.
A. van Ceuleneer, Prof., Dr., Gent, Universität.
G. Cimorelli, Cav., Venafro.
F. A. Coelho, Prof., Dr., Lissabon, Curso Superior de
Lettras.
G. A. CoUini, Prof., Dott., Direttore del Museo Na-
zionale di Villa Giulia, Rom, Via Farini 17 int. 7.
G. F. Comfort, Direktor, Prof., Dr., Meadville,
Pennsylvania.
A. Conrads, Dr. med., Haltern i. Westf.
R. S. Conway, Prof., Dr., Didsbury, Draethen (Man-
chester).
F. Corazzini, Comm., Prof., Dott., Bologna.
F. Cordenons, Padua, Via S. Croce 45.
L. Correra, Comm., Priv. Doc, Dott., Neapel, Via
Saverio Correra 241,
J. Curie, Melrose, Priorwood.
C. Curtius, Prof., Dr., Lübeck, Stadtbibliothek.
L. Curtius, Prof., Dr., Erlangen, Burgbergstr. 45.
P. Da Ponte, Comm., Dott., Brescia, Via A. Taglia-
ferri 43.
G. Daressy, Conservateur-adjoint du Mus^e ßg)rptien,
Kairo.
G. Darier, Genf, Avenue de Champel 31.
R. M. Dawkins, Direktor der British School, Athen.
S. N. Deane, Boston, Massachusetts, Museum of Fine
Arts.
M. Defifner, Dr., Oberbibliothekar, Athen, öSo;
IIpoaaTefou 108.
J. Dell, Prof., Dr., Brunn, Deutsche Technische Hoch-
schule.
M. Della Corte, Dott., Pompei.
L. Deubner, Prof., Dr., Königsberg i. Pr.-Maraunen-
hof, Gottschedstr. i.
G. Dickins, Oxford, St. Johns College.
W. B.Dinsmoor, Architekt der American School, .(4<Äen.
P. Dissard, Conservateur du Musee, Lyon, Palais
des Arts.
W. Dobrusky, Prof., Dr., Prag. Böhmische Uni-
versität.
F. Donati, Bibliothecario Comunale, Siena, Via Para-
diso 16/18.
P. Ducati, Prof., Dr., Catania, Universität.
C. C. Edgar, Inspecteur du Service des Antiquites
ßgyptiennes, Kairo.
Edhem Bey, Vize-Direktor, Konstantinopel, Otto-
manisches Museum.
H. Egger, Prof., Dr., Graz, Universität.
0. Egger, Dr., Wien I, WoUzeile 13.
H. Eidam, Medizinalrat, Dr. med., Gunzenhausen
(Mittelfranken) .
S. Eitrem, Priv.-Doz., Dr., Kristiania, Munthes-
gate 25.
E. Esperandieu, Commandant, Clamart (Seine),
Avenue Victor Hugo 208.
Conte E. Faina, Senatore del Regno, Orvieto.
A. Fairbanks, Direktor, Dr., Boston, Massachusetts,
Museum of Fine Arts.
G. Faraone, Avvocato, Caiazzo, Via Portavetere 8.
L. R. Famell, Dr., Oxford, Exeter College.
E. R. Fiechter, Prof., Dr., Stuttgart, Birkenstr. 15.
B. D. Filow, Direktor, Dr., Sofia, Kl. Strumitza 2.
D. Fimmen, Dr., z. Zt. im Felde.
G. von Finaly, Direktor, Dr., Budapest VI, Mun-
kacsy-U. 26.
Fräulein E. Fölzer, Dr., Frankfurt a. M., Jahnstr. 28.
H. N. Fowler, Prof., Dr., Cleveland, Ohio, Com eil
Road 2033.
— XII
S. Frankfurter, Reg. -Rat, Dr., Wien IX, Wasa-
gasse 28.
C. Fredrich, Gymnasial-Direktor, Prof., Dr., Stettin,
Königsplatz 8.
H. von Fritze, Prof., Dr., Berlin W. 62, Courbiere-
straße 14.
L. Frölich, Direktor, Dr. med., Brugg i. Aargau-
Königsfelden.
A. L. Frothingham, Prof., Dr., Princeton, New
Jersey, Universität.
E. Gäbrici, Prof., Dr., Ispettore del Museo Nazionale
di Villa Giulia, Rom, Via Boncompagni 79.
A. Galli, Comm., Prof., Direttore Generale dei Musei
e Gallerie Pontificie, Rom, Via Maria Adelaide 14.
P. Gaudin, Paris, Rue de la Grande Chaumiere 8.
M. J. Gedeon, Sekretär des Oekumenischen Patri-
archats, Konstantinopel.
G. Gelcich, Prof., Ragusa.
Conte A. Gentiloni-Silveri, Tolentino, Via Niccolo
Vaccai 5.
N. Georgiakis, prakt. Arzt, Volo.
A. Gercke, Prof., Dr., Breslau, Scharnhorststr. 21.
A. von Gerkan, Dipl. Ing., z. Zt. im Felde.
M. Gervasio, Dott., Direttore del Museo Provinciale,
Bari.
N. J. Giannopulos, Halmyros.
H. Gies, Legationsrat, Dr., Frankfurt a. M. -Bocken-
heim, Königstr. 42.
E. Gillieron, Maler, Athen, 686« Sxou^a 43.
G. Giovannoni, Prof., Ing., Arch. Rom, Via Torre
Argentina 34.
G. B. Giovenale, Ing. Arch., Rom, Via Bocca di
Leone 43.
A. Gnirs, Prof., Dr., Pola, Via Carducci i.
P. Goessler, siehe Römisch -Germanische Kommission.
J. Gottwald, Mersina, Direction du Chemin-de-fer
d'Anatolie.
K. Graefinghoff, Hauptmann, Metz, Elisenstr. 53.
D. Hadjidimu, Mytilene.
W. G. Haie, Prof., Dr., Chicago, Illinois, Universität.
Miss J. E. Harrison, Dr., Cambridge, Newnham
College.
A. Haseloff, Prof., Dr. Rom, Viale della Regina 195,
z. Zt. Halle a. S.
F. W. Hasluck, Bibliothekar der British School,
Athen.
R. Hausmann, Prof., Dr., Dorpat, Universität.
A. Hekler, Dr. Budapest IX, Erkel utca 9, I 4.
R. Herzog, Prof., Dr., Gießen, Universität.
S. Heuberger, Rektor, Dr., Brugg i. Aargau.
E. L. Hicks, Bishop of Lincoln.
B. H. Hill, Direktor der American School, Athen.
G. F. Hill, Dr., London W. C, British Museum.
G. Hock, Konservator, Dr., Würzburg, Lessing-
straße I.
M. Hömes, Prof., Dr., Wien III, Ungargasse 27.
Th. Hofmann, Prof., Elberfeld, Straßburgerstr. 23.
F. von Holbach, Direktor der Tabakregie, Mytilene.
J. H. Holwerda, Dr., Leiden, Zoeterwoudsche
Singel 53.
H. Hubert, Conservateur-adjoint du Musee des
Antiquites Nationales, Saint-Germain en Laye
(Seine -et- Oise) .
P. Ibarra y Ruiz, Archivero-Bibliotecario yArcheo-
logo, Elche, Alicante.
G. loannides, Beamter der ottom. Tabakregie,
Pergamon.
H. Jacobi, siehe Römisch-Germanische Kommission.
P. Jacobsthal, Prof., Dr., Marburg i. H., Schwan-
allee 46.
M. Jatta, Ruvo.
L. Jelid, Prof., Dr., Zara, Erzbischöfl. Seminar.
A. Kandakidis, Larissa.
A. D. Keramopullos, Ephoros der Altertümer, Athen,
666; Zat|i.7] 24 A.
O. Kern, Prof., Dr., Halle a.S. , Gartenstr. 8.
J. B. Keune, Direktor, Prof., Dr., Metz, Städtisches
Museum.
K. F. Kinch, Dr., Kopenhagen K., Töjhusgade 3.
J. Kirchner, Prof., Dr., Berlin-Wilmersdorf, Kaiser-
Allee 159.
L. Kjellberg, Prof., Dr., Upsala, Joharmesgatan 24.
R. Knorr, Prof., SttUtgart, Römerstr. 69.
H. Koch, Dr., Bonn, Venusbergweg 43.
C. L. Kohl, Sanitätsrat, Dr. med., Worms, Paulus-
Museum.
C. Konen, Godesberg a. Rh., Annabergerstr. 86.
K. Körber, Prof., Dr., Mainz, Albinistr. 14.
J. Kokidis, Generalmajor a. D., Athen, 606; BouXtj; 45.
W. Kolbe, Prof., Dr., Rostock, Orleansstr. 2.
A. Kondoleon, Delphi, Museum.
C. Kramer, Hauptmann a. D., Gießen, Ludwigs -
platz 10.
D. Krencker, Reg.-Baumstr., Trier, Kaiserstr. 8 a.
P. Kretschmer, Prof., Dr., Wien VIII, Floriani-
gasse 23.
F. Krischen, Reg.-Baumstr., Dr., Berlin- Schöneberg,
Hauptstr. 27.
E. Kroker, Oberbibliothekar, Prof., Dr., Leipzig,
Stadtbibliothek.
K. Kuruniotis, Dr., Sektionschef für Archäologie,
Athen, Kultusministerium.
V. Kuzsinszky, Direktor, Prof., Dr., Budapest, Natio-
nal-Museum,
— xm —
A. Lammerer, Major, München, Hiltensbergerstr. 28.
K. von Lange, Prof., Dr., Tübingen, Waldhäuser-
straße 29.
F. Leonhard, Prof., Dr., Freiburg i. Br., Loretto-
straße 45.
H. Lietzmann, Prof., D. Dr., Jena, Kaiser Wilhelm-
Straße 12.
N. Limnios, prakt. Arzt, Artake.
G. Lippold, Dr., München, Tengstr. 16.
I. A. Lontos, Athen, 656? E6pni(5ou 80.
R. Löper, Direktor, Dr., Chersones bei Sevastopol.
G. Lucciola, Prof., Dr., Padua, Universität.
W. Ludowici, Geh. Kommerzienrat, Jockgrim
(Pfalz).
H. Lugon, Kanonikus, Gr. St. Bernhard, Hospice du
Grand St. Bernhard.
C. W. Lunsingh Scheurleer, Haag, Prinse Vinken-
park 16.
A. Lupatelli, Prof., Perugia.
F. von Luschan, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Berlin-
Südende, Öhlertstr. 26.
K. Lyncker, Hauptmann, Kroioschin.
E. Maass, Geh, Reg. -Rat, Prof., Dr., Marburg i. H.,
Reuthofstr. 19.
Th. Macridy Bey, Conservateur, Konstantinopel,
Ottomanisches Museum.
L. MaggiuUi, Comm., Muro Leccese.
H. Maionica, Prof., Triest, Via D. Rossetti 8.
W. Malmberg, Prof., Dr., Moskau, Universität.
L. Malten, Dr., Berlin W. 15, Württembergische
Straße 33.
R. Mancini, Cav., Ingegnere, Orvieto, Corso Cavour
138.
G. Mantovani, Cav., Prof., Bergamo, Via Porta di-
pinta 7.
G. Mariotti, Comm., Prof., Dott., Senatore, Direttore
del Museo di AntichitJi, Parma.
J. Marshall, Rom, Via Gregoriana 25.
L. Martens, Gymnasial-Direktor, Prof., Dr., Berlin
C. 2, Klosterstr. 73.
F. Marx, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Bonn, Lenne-
straße 43.
K. Masner, Prof., Dr., Breslau, Schlesisches Museum.
A. Matsas, Lehrer, Chalkis.
L. Mauceri, R. Ispettore degli scavi, Syrakus.
P. J. Meier, Direktor, Prof., Dr., Braunschweig,
Husarenstr. 43.
J. R. M^lida, Direktor, Madrid, Valverde 16, 3° izgda.
G. Mendel, Paris, Rue de l'observatoire 8.
A. Meomartini, Comm., R. Ispettore onorario dei
Monumenti e scavi di Antichitä, Benevento.
J. von Merz, Prälat, D. Dr., Stuttgart, Königstr. 44.
Wilhelm Meyer, Prof., Dr., Göttingen, Geismar-
Chaussee 31.
A. Elias de Möllns, Direktor, Barcelona, Museum.
Marques de Monsalud, Madrid, Jacometrezo 41.
M. G. Moreno, Granada, Placata de San Jose i.
F. Morlicchio, Scafati.
J. de Mot, Brüssel, Rue Gerard 214.
Kurt Müller, Dr., Göttingen, Planckstr. 18.
Sophus Müller, Direktor, Dr., Kopenhagen, National-
Museum.
F. Münzer, Prof., Dr., Königsberg i. Pn, Albrech tstr. 13.
J. L. Myres, Prof., Oxford, New College.
E. Nachmanson, Priv.-Doz., Dr., Upsala, Universität.
J. Navpliotis, Naxos.
F. M. Nichols, Lawford near Mannington, Essex.
A. Nikitsky, Prof., Dr., St. Petersburg, Sjezskin-
skaja 19.
M. P. Nilsson, Prof., Dr., Lund, Bredgatan 23.
F. Nissardi, Ispettore del Museo di Antichitä, Ca-
gliari. Via Genovesi 24.
N. Novosadsky, Prof., Dr., Moskau, Universität.
G. Oberziner, Prof., Dott., Mailand, Via Manin 3.
R. Gehler, Prof., Dr., Berlin-Lichterfelde (West),
Zehlendorferstr. 52.
M. Ohnefalsch-Richter, Dr., Berlin NW. 22,, Händel-
straße 21.
G. Oikonomos, Ephoros der Altertümer, Dr., Saloniki.
L; Otto, Prof., Dresden, Eliasplatz i.
A. Oxe, Prof., Dr., Crefeld, Blumentalstr. 33.
G. Paci, Cav., Ascoli Piceno, Via della Torre.
R. Pagenstecher, Dr., Heidelberg, Moltkestr. 14.
L. Pallat. Geh. Ober-Reg.-Rat, Prof., Dr., Berlin-
Wannsee, Otto Erichstr. 9.
B. A. Pantschenko, Sekretär des Russ. Archäolog.
Instituts, Konstantinopel, Russische Botschaft.
N. Pappadakis, Ephoros der Altertümer, Theben.
M. Papakons tantinu, Atdin.
M. Pardo de Figueroa, Medina-Sidonia.
V. Parvan, Direktor, Prof., Dr., Bukarest, Bulevardul
Academiei 7.
Sir W. R. Paton, Vathy (Samos).
G. Patroni, Prof., Dott., Pavia, Universität.
G. Pellegrini, Prof., Dott., Padua, Via Massimo 9.
J. C. Peristianes, Nicosia (Cypern).
A. Philadelpheus, Prof., Athen, 606s Kavi^yo; 18.
B. Pick, Prof., Dr., Gotha, Goethestr. i.
J. Pijoan y Soteras, Prof., Barcelona, Ronda de San
Pedro, 68, pral und Rom, Via Giulia, Pal. Mon-
serrato.
G. Pinto, Cav., Avv,, Venosa.
G. Pinza, Prof., Rom, Via Monserrato 25.
V. Poggi, Comm., Savona, Via Paleocapa 14.
— XIV —
L. Poinssot, Inspecteur des Antiquites et Arts de la
Tunisie, Tunis, Rue de l'ßglise 73.
N. G. Politis, Prof., Athen, 680; MTjtpoTrdXewc 38.
F. Poulsen, Dr., Kopenhagen, Madvigs Alle lO.
C. Praschniker, Sekretär des K. K. Österr. Archäo-
logischen Listituts, Dr., Wien XVIII, Ferro -
gasse 42.
E. Preuner, Prof., Dr., Berlin W. 62, Lützowplatz i.
K. Purgold, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Gotha, Rein-
hardtsbrunnerstr. 43.
A. Puschi, Direktor, Dr., Triesf, Museo civico di
Antichitä.
Q. Quagliati, Dott., Direttore del Museo Nazionale,
Tarent.
J. E. Quibell, Inspecteur du Musee des Antiquites
idigyptiennes, Kairo.
G. Rallis, Arzt, Pergamon.
Miss C. L. Ransom, New York, Metropolitan Museum.
F. von Reber, Geh. Rat, Prof., Dr., München, Kaul-
bachstr. 31.
K. Regling, Prof., Dr., Berlin-Charlottenburg, Suarez-
straße 22.
P. Reinecke, Konservator, Dr., München, Königin-
straße 6i a.
L. Reinisch, Hof rat, Prof., Dr., Wien VI II [2, Feld-
gasse 3.
von Rekowski, Geh. Legationsrat a. D., Wiesbaden.
Lanzstr. 16.
L. Renard -Grenson, Secretaire de 1' Institut arch6o-
logique liegeois, Lüttich, Rue Fabry 14.
O. Renzos, Dr., Vathy (Samos).
0. Reuther, Dr.-Ing. Berlin-Südende, Denkstr. 5.
K. Rhomaios, Ephoros der Altertümer, Dr., Korfu.
S. Ricci, Prof., Dott., Direttore del R. Museo Numis-
matico e Medaghere Nazionale di Brera, Mailand,
Via Statute 25.
G. T. Rivoira, Comm., Rom, Via Cavour 44.
P. Rizzini, Dott., Direttore del Museo Civico, Brescia,
Via Museo Romano.
H. Röhl, Gymnasial -Direktor, Dr., Haiher stadt.
J. Roman, Entbrun (Hauies- Alpes) und Paris, Rue
Bonaparte 18.
0. Rossbach, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Königsberg
i. Pr., Prinzenstraße.
Conte G. B. Rossi-Scotti, Direttore onorario del
Museo deir Universita, Perugia.
A. Rubini, Notaro, Formia.
C. Ruga, Direttore del Museo Archeologico nel
Palazzo Durale, Venedig.
N. Sakkelion, Tinos.
F. Salvatore-Dino, Prof., Dott., Archivista R.
Archivio di Stato, Neapel.
A. Santarelli, Aw., Comm., Direttore del Museo
Civico, Forli, Corso, V. E. 44.
D. Santoro, Sindaco, S. Giovanni Incarico.
F. Sarre, Prof., Dr., Potsdam-Neubabelsberg, Kaiser-
straße 39.
R. von Scala, Prof., Dr., Innsbruck, Universität.
H. Schäfer, Prof., Dr., Berlin- Steglitz, Breitestr. 24.
A. Schiff, Prof., Dr., Berlin W. 62, Kurfürsten-
damm 260.
A. Schindler, Oberstleutnant, Wien-Mödling, Tech-
nische Militär-Akademie.
Walter Schmid, Dr., Graz, Landesmuseum.
Hubert Schmidt, Prof., Dr., Berlin- Steglitz, Belfort-
straße 31.
Theodor Schmidt, Prof., Charkow, Universität,
Museum der schönen Künste.
A. Schöne, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Kiel, Nie-
mannsweg 36.
H. Schöne, Prof., Dr., Greifswald, Karlstr. 9.
E. Schramm, Generalmajor, Dr., Bauizen.
B. Schröder, Dr., Berlin-Charlottenburg, Mommsen-
straße 62.
0. Schultheß, Prof., Dr., Bern, Steinauweg i6.
Rudolf Schnitze, Stadtbaurat, Kgl. Baurat, Bonn,
Beethovenstr. 10.
B. Schulz, Prof., Berlin-Ckarlottenburg, Technische
Hochschule.
E. Schwartz, Geh. Hof rat, Prof., Dr., Straßburg i. Eis.,
Universität.
P. Serlendis, Syra.
M. Siebourg, Gymnasial-Direktor, Prof., Dr., Essen
(Ruhr), DcUbrügge 2.
J. Sieveking, Prof., Dr., München, Steinsdorf str. 4.
H. Sitte, Prof., Dr., Innsbruck, Claudieplatz 3.
H. äkorpil, Prof., Dr., Ru^tschuk, Gymnasium.
K. äkorpil, Prof., Dr., Varna, Gymnasium.
V. äkorpil, Direktor, Kertsch, Archäologisches Mu-
seum.
E. Solaini, Dott., Direttore Museo e Biblioteca,
Volterra.
A. G. Sophianos, Bankier, Piräus.
Th. Sophulis, General-Gouverneur von Makedonien,
Dr., Saloniki.
G. Sotiriu, Dr., Smyrna, Eiayy^XixT) S^^oXi^.
A. Spagnolo, Monsignore, Dott., Bibliotecario,
Verona, Biblioteca Capitolare.
G. Spano, Dott., Pompei.
F. Sprater, Konservator, Dr., Speyer, Gartenstraße.
D. Stavropulos, Ephoros der Altertümer, Mykonos.
K. Stehlin, Priv.-Doz., Dr., Basel, St. Alban-
vor Stadt 66.
H. Stein, Prof., Dr., Oldenburg.
XV —
P. Steiner, Dr., Trier, Provinzial -Museum.
N. Stephanopulos, Rechtsanwalt, Tripolitza.
J. R. S. Sterrett, Prof., Dr., Ithaca, New York, Uni-
versität.
P. Stettiner, Comm., Capo divisione Ministero Poste
e Telegrafi, Rom, Via del Boschetto 68.
C. Stornaiolo, Monsignore, Prof., Rom, Via della
Sagrestia, Canonica Vaticano.
Mrs. E. Strong-Sellers, Vize-Direktor der British
School, Dr., Rom, Piazza SS. Apostoli, Palazzo
Odescalchi 80.
F. Sundwall, Priv.-Doz., Dr., Helsingfors, Uni-
versität, z. Z. Berlin, Kurfürstenstr. 81 a.
H. Swoboda, Prof., Dr., Prag III, Malteserplatz 6.
Conte E. Tambroni-Armaroli, Appignano presso
Macerata.
J. Thacher-Clarke, Harrow, College Road 3.
F. von Thiersch, Geh.-Rat, Prof., Dr., München,
Georgenstr. 16.
E. Thrämer, Prof., Dr., Straßburg i. Eis., Sleidan-
straße 8 a.
C. Thulin, Dr., Malmö, Fredriksbergsg. i a.
M. N. Tod, Oxford, Oriel College.
G. Tria, Konia, Anatolische Eisenbahn.
M. Tsakyroglu, Dr.^ Smyrna, Rue des Roses 89.
D. Tsopotos, Konsul a. D., Volo.
H. L. Urlichs, Prof., Dr., München, Thierschplatz 3.
M. Valtrovits, Direktor, Dr., Belgrad, National-
Museum.
A. Varnarecci, Monsignore, Fossombrone.
J. Leite de Vasconcellos, Direktor, Dr., Lissabon
(Belem), Museu Ethnologico Portugu^s.
J. de Vasconcellos, Prof., Dr., Porto, Cedofeita 159.
E. Vassiliu, Scholarch, Thera.
M. M. Vassits, Direktor, Dr., Belgrad, Pop Lukina
ulica I.
L. Viola, Prof., Dott., TarerU.
D. Viollier, Konservator, Zürich, Landes-Museum.
J. C. VoUgraff, Prof., Dr., Utrecht, Universität.
W. Vollgraff, Prof., Dr., Groningen, Radesingel 11 a.
N. Vulid, Prof., Dr., Belgrad, Ing-Bogdana ul. 15.
A. J. B. Wace, Cambridge, Pembroke College.
J. Wackemagel, Prof., Dr., Basel, Universität.
E. P. Warren, Lewes, Lewes House (Szissex).
A. Weckerling, Prof., Dr., Worms, Paulus-Museum.
G. Weicker, Oberlehrer, Dr., Plauen i. V.
W. Weißbrodt, Geh. Reg. -Rat, Prof., Dr., Brauns-
berg, Akademie.
P. Weizsäcker, Rektor a. D., Dr., Ludwigsburg,
Schillerstr. 14.
B. L Wheeler, Präsident, Prof., Dr., Berkeley, Cali-
fornia, Universität.
A. Wiedemann, Prof., Dr., Bonn, Königstr. 32.
P. Wilski, Prof., Dr., Freiberg i. S., Forstweg 17.
F. Winkelmann, Dr., Eichstätt (Mittelfranken).
K. Woermann, Geh. Hofrat, Prof., Dr., Dresden-A.,
Hübners tr. 5.
G. Wolfram, Geh. Reg. -Rat, Direktor, Prof., Dr.,
Straßburg i. Eis., Spachallee i.
K. Wulzinger, Dipl. Ing., Dr. Ing., München, Rott-
mannstr. 10.
St. A. Xanthudidis, Ephoros der Altertümer, Candia.
L. Zdekauer, Prof., Dott., Macerata, Universität.
M. von Zglinicki, Generalmajor, Berlin W. 30, Motz-
straße 73.
Th. Zielinski, Prof., Dr., St. Petersburg, Universität.
E. Ziller, Prof., Architekt, Athen, öhbi Maupcfii/eiXT] 3.
IV. ÜBERSICHT SÄMTLICHER MITGLIEDER NACH ÖRTLICHKEITEN GEORDNET
1. Ägypten.
Kairo: 0. M.: G. Maspero, C. M.: G. Daressy,
C. C. Edgar, J. E. Quibell.
Alexandria: C. M.: E. Breccia.
2. Belgien.
Brüssel: C. M.: J. de Mot.
Gent: C. M.: A. van Ceuleneer.
LiUtich: C. M.: L. Renard-Grenson.
3. Bulgarien.
Sofia: C. M.: B. D. Filow.
Rustschuk: C. M.: H. Ökorpil.
Varna: C. M.: K. §korpil.
4. Cypem.
Nicosia: C. M.: J. C. Peristianes.
5. Dänemark.
Kopenhagen: 0. M.: J. L. Heiberg, C. M.: Ch.
Blinkenberg, K. F. Kinch, S. Müller, F. Poulsen.
6. Deutschland.
Berlin und Vororte: E. M.: H. Graf von und zu
— XVI —
Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg, R.
Schöne, J. Simon, 0. M.: W. Amelung, L. Bor-
chardt, R. Borrmann, A. Brueckner, R. Del-
brueck, H. Dessau, H. Diels, W. Dörpfeld,
H. Dragendorff , H. Dressel, A. Erraan, A. v. Har-
nack, F. Freiherr Hiller von Gaertringen, 0.
Hirschfeld, R. Koldewey, G. Loeschcke, M. Mayer,
E. Meyer, E. Petersen, 0. Richter, O. Ruben-
sohn, C. Schuchhardt, W. Schulze, E. Stein-
mann, A. Trendelenburg, C. Weller, Th. Wiegand,
U. von Wilamowitz-Moellendorff, A. Wilmanns,
H. Winnefeld, R. Zahn, C. M.: E. Assmann,
M. Bang, M. Bieber, 0. Bohn, H. von Fritze,
J. Kirchner, F. Krischen, F. von Luschan, L.
Malten, L. Martens, R. Oehler, M. Ohnefalsch-
Richter, L. Pallat, E. Preuner, K. Regling, O.
Reuther, H. Schäfer, A. Schiff, H. Schmidt,
B. Schröder, F. Sundwall, B. Schulz, M. von
Zglinicki.
Bautzen: C. M.: E. Schramm.
Bielefeld: 0. M.: F. Graeber.
Bonn: 0. M.: H. Lehner, A. Philippson, F. Winter,
C. M.: A. Brinkmann, H. Koch, F. Marx,
R. Schultze, A. Wiedemann.
Braunsberg: C. M.: W. Weißbrodt.
Braunschweig: C. M.: P. J. Meier.
Breslau: 0. M.: C. Cichorius, R. Foerster, C. M.:
A. Gercke, K. Masner.
Cassel: 0. M.: J. Boehlau.
Cöln: 0. M.: J. Poppelreuter.
Crefeld: C. M.: A. 0x6.
Darmstadt: 0. M.: E. Anthes.
Dresden: 0. M.: P. Herrmann, G. Treu, C. M.:
L. Otto, K. Woermann.
Eichstätt: C. M.: F. Winkelmann.
Elherfeld: C. M.: Th. Hofmann.
Erlangen: 0. M.: A. Schulten, C. M.: L.
Curtius.
Essen (Ruhr): C. M.: M. Siebourg.
Frankfurt a. M.: E. M.: F. v. Gans, 0. M.: F. Bölte,
E. J. Haeberlin, A. Riese, E. Ritterling, H.
Schrader, G. Wolfl, J. Ziehen, C. M.: E. Fölzer,
H. Gies.
Freiberg i. S.: C. M.: P. Wilski.
Freiburg i. Br.: 0. M.: E. Fabricius, A. Körte,
H. Thiersch, C. M.: F. Leonhard.
Friedrichshof (Schloß): E. M.: Prinz Friedrich Karl
von Hessen.
Gießen: 0. M.: H. Hepding, C. Watzinger, C. M.:
R. Herzog, C. Kramer.
Godesberg a. Rh.: C. M.: C. Konen.
Gotha: C. M.: B. Pick, K. Purgold.
Göüingen: 0. M.: G. Körte, G. M.: W. Meyer,
K. Müller.
Greif simld: 0. M.: E. Pernice, V. Schultze, C. M.:
H. Schöne.
Gunzenkausen: C. M.: H. Eidam.
Hagenau i. E., 0. M. : H. von Rohden.
Halberstadt: C. M.: H. Röhl.
Halle a. S.: E. M.: H. Lehmann, 0. M.: C. Robert,
E. von Stern, G. Wissowa, C. M.: A. Hase-
lofE, O. Kern.
Haltern i. Westf.: C. M.: A. Conrads.
Heidelberg: 0. M.: A. von Domaszewski, F. von Duhn,
H. Luckenbach, C. M.: R. Pagenstecher.
Hoheneck, Württ.: Chr. Hülsen.
Homburg v. d. H.: C. M.: H. Jacobi.
Jarotschin (Schloß): E. M.: Fürst von Radolin.
Jena: 0. M : B. Graef, W. Judeich, C. M.: C. G.
Brandis, H. Lietzmann.
Jochgrim (Pfalz): C. M.: W. Ludowici.
Karlsruhe: 0. M.: J. Durm, E. Wagner.
Kiel: 0. M.: B. Sauer, C. M.: A. Schöne.
Königsberg i. Pr.: C. M.: L. Deubner, F. Münzer,
0. Rossbach.
Krotoschin: C. M.: K. L\Ticker.
Leipzig: 0. M.: B. Keil, J. Kromayer, F. Studniczka,
C. M.: E. Bethe, E. Kroker.
Ludwigsburg: C. M.: P. Weizsäcker.
Lübeck: C. M.: C. Curtius.
Mainz: 0. M.: K. Schumacher, C. M.: K. Körber.
Marburg i. H.: 0. M.: L. von Sybel, C. M.: P. Jacobs-
thal, E. Maasä.
Meiningen: E. M.: Herzog Bernhard von Sachsen-
Meiningen.
Metz: C. M.: GraefinghofT, J. B. Kenne.
Minden: C. M.: 0. Beriet.
München: E. M.: Kronprinz Rupprecht von Bayern.
0. M.: B. von Arnold, F. W. Freiherr von Bissing,
G. Hager, F. Ohienschlager, U. Wilcken, P.
Wolters, C. M.: P. Arndt, E. Bodensteiner, A.
Lammerer, G. Lippold, F. von Reber, P. Rei-
necke, J. Sieveking, F. von Thiersch, H. L.
Urhchs, K. Wulzinger.
Münster i. Westf.: 0. M.: F. Koepp.
Nehmten- Ascheberg (Holstein): E. M.: Graf von
Plessen -Cr onstern.
Oberlahnstein: C. M.: R. Bodewig.
Oldenburg: C. M.: H. Stein.
Plauen i. V.: C. M.: G. Weicker.
Potsdam: C. M.: F. Sarre.
Regensburg: 0. M.: H. Graf von Walderdorfl.
Rostock: 0. M.: A. von Salis, C. M.: W. Kolbe.
Speyer: C. M.: F. Sprater.
— XVII
Stettin: C. M.: C. Fredrich.
Straßbmg i. Eis.: 0. M.: J. Ficker, A. Frickenhaus,
C. M.: E. Schwartz, E. Thrämer, G. Wolfram.
Stuttgart: E. M.: E. von Sieglin, 0. M.: F. Haug,
C. M.: E. R. Fiechter, P. Goessler, K. Knorr,
J. von Merz.
Trier: 0. M.: E. Krüger, C. M.: 0. Krencker,
P. Steiner.
Tübingen: 0. M.: F. Noack, C. M.: K. von Lange.
Wiesbaden: C. M.: von Rekowski.
Worms: C. M.: C. L. Kohl, A. Weckerling. •
Würzburg: 0. M.: H. Bulle, C. M.: G. Hock.
7. Frankreich.
Paris: E. M.: Duo de Loubat, 0. M.: E. Babelon,
R. Cagnat, M. CoUignon, L. Duchesne, P. Fou-
cart, W. Fröhner, St. Gsell, B. Haussoullier, A.
Hdron de Villefosse, L. Heuzey, M. Holleaux,
Th. HomoUe, C. JuUian, G. Maspero, E. Michon,
E. Pottier, Marquis de Vogüe, C. M.: E. Bourguet,
P. Gaudin, G. Mendel, J. Roman.
Algier: C. M.: J. Carcopino.
Boulogne-sur-Seine: 0. M.: S. Reinach.
Clamart (Seine): C. M.: E. Esp^randieu.
Clermont-Ferrand (Puy-de-Ddme): C. M.: A. Au-
doUent.
Embrun (HaiUes- Alpes): C. M.: J. Roman.
Lyon: 0. M.: H. Lechat, C. M.: P. Dissard.
Nancy: 0. M.: P. Perdrizet.
Saint-Germain en Laye ( Seine-et-Oise) : C. M.: H.
Hubert.
Totdause: 0. M.: F. Dürrbach.
8. Griechenland.
Athen: 0. M.: J. Dragatsis, St. Dragumis, G. Fou-
geres, G. Karo, P. Kastriotis, P. Kawadias,
H. Knackfuß, Sp. Lambros, B. Leonardos, L.
Pernier, A. N. Skias, G. Sotiriadis, V. Staifs, J. N.
Svoronos, Ch. Tsuntas, M. Volonakis, 0. Walter,
W. Wilberg, C. M.: R. M. Dawkins, M. Definer,
W. B. Dinsmoor, E. Gillieron, F. W. Hasluck,
B. H. Hill, A. D. KeramopuUos, J. Kokidis, K.
Kuruniotis, I. A. Lontos, A. Philadelpheus, N.
G. Politis, E. Ziller.
Candia: 0. M.: J. A. Hatzidakis, C. M.: St. A.
Xanthudidis.
Chalkis: C. M.: A. Matsas.
Delphi: C. M.: A. Kondoleon.
Halmyros: C. M.: N. J. Giannopulos.
Karditza (Thessalien): 0. M.: M. K. Krispis.
Korfu: C. M.: K. Rhomaios.
Larissa: C. M.: A. Kandakidis.
Mykonos: C. M.: D. Stavropulos.
Mytilene: C. M.: D. Hadjidimu, F. von Holbach.
Naxos: C. M.: J. Navpliotis.
Piräus: 0. M.: A. Meletopulos, A. G. Sophianos.
Saloniki: C. M.: G. Oikonomos, Th. Sophulis.
Syra: C. M.: P. Serlendis.
Theben: C. M.: N. Pappadakis.
Thera: C. M.: E. Vassiliu.
Tinos: C. M.: N. Sakkelion.
Tripolitza: C. M.: N. Stephanopulus.
Vathy (Samos): C. M.: W. R. Paton, 0. Renzos.
Volo: C. M.: A. S. ArvanitopuUos, N. Georgiadis,
D. Tsopotos.
9. Grofibritannien.
London: 0. M.: Sir C. Colvin, H. Lyons, R. Norton,
W. M. Flinders Petrie, A. H. Smith, Sir Cecil
H. Smith, C. M.: G. F. Hill.
Cambridge: 0. M.: Sir J. G. Frazer, Sir Ch. Waldstein,
C. M.: Miss J. E. Harrison, A. J. B. Wace.
Edinburgh: 0. M.: Sir W. M. Ramsay.
Harrcw: C. M.: J. Thacher-Clarke.
Lawjord near Mannington (Essex): C. M.: F. M.
Nichols.
Lewes: C. M.: E. P. Warren.
Lincoln: C. M.: E. L. Hicks.
Liverpool: 0. M.: R. C. Bosanquet.
Malvern Wells: 0. M.: G. McN. Rushforth.
Manchester (Didsbury): C. M.: R. S. Conway.
Mclrose: C. M.: J. Curie.
Oxford: 0. M.: Sir A. J. Evans, P. Gardner, Fr. Li.
Griffith, F. Haverfield, C. M.: G. Dickins, L. R.
Famell, J. L. Myres, M. M. Tod.
Saundersfoot (Petnbrokeshtre): 0. M.: H. St. Jones.
South-Shields: C. M.: R. Blair.
Tadworth (Surrey): 0. M.: E. A. Gardner.
10. Italien.
Rom: E. M.: C. Freiherr von Bildt, Contessa E.
Caetani-Lovatelli, O. M.: ' Conto A. Antonelli,
Th. Ashby, F. Bamabei, G. Boni, G. Calderini,
F. Cumont, E. De Ruggiero, L. Duchesne, F.
Ehrle, F. Halbherr, P. Hartwig, R. A. Lanciani,
Barone G. Lumbroso, L. Mariani, O. Marucchi,
M. Meurer, B. Nogara, E. Pais, R. Paribeni,
A. Pasqui, L. Pigorini, C Ricci, G. E. Rizzo,
L. Savignoni, J. Wilpert, CM.: L. Cantarelli,
J. B. Carter, G. A. Colini, E. Gäbnci, A. Galli,
G. Giovannoni, G. B. Giovenale, J. Marshall,
J. Pijoan y Soteras, G. Pinza, G. T. Rivoira,
P. Stettiner, C. Stornaiolo, Mrs. E. Strong-
Sellers.
— xvni —
Appignano presso Macerata: C. M.: Conte E. Tam-
broni-Armaroli.
Arezzo: E. M.: G. F. Gamurrini.
Ascoli Piceno: C. M.: G. Paci.
Bari: C. M.: M. Gervasio.
Benevento: C. M.: A. Meomartini.
Bergamo: 0- M.: G. Mantovani.
Bologna: 0. M.: G. Ghirardini, C. M.: F. Corazzini.
Brescia: C. M.: P. Da Ponte, P. Rizzini.
Cagliari: 0. M.: A. Taramelli, C. M.: F. Nissardi.
Caiazzo: C. M.: G. Faraone.
Catania: C. M.: P. Ducati.
Florenz: 0. M.: D, Comparetti, G. Vitelli.
Forli: C M.: A. Santarelli.
Formia: C. M.: A. Rubini.
Fossombrone: C. M.: A. Varnarecci.
S. Giovanni Incarico: C. M.: D. Santoro.
Macerata: C. M.: L. Zdekauer.
Macer ata- Feltria: C. M.: Marchese G. Antimi-Clari.
Mailand: C. M.: G. Oberziner, S. Ricci.
Muro Leccese: C. M.: L. Maggiulli.
Neapel: 0. M.: G. De Petra, A. Sogliano, V. Spi-
nazzola, C. M.: L. Correra, F. Salvatore-Dino.
Orvieto: C. M.: Conte E. Faina, R. Mancini.
Padtia: C. M.: F. Cordenons, G. Lucciola, G. Pellegrini.
Parma: C. M.: G. Mariotti.
Pavia: C. M,: G. Canna, G. Patroni.
Perugia: C. M.: G. Bellucci, A, Lupatelli, Conte G.
B- Rossi-Scotti.
Pompei: C. M.: M. Della Corte, G. Spane.
Ruvo: C. M.: M. Jatta.
Savona: C. M.: V. Poggi.
Scafati: C. M.: F. Morlicchio.
Siena: C. M.: F. Donati.
Spongano: C. M.: Barone F. B. Castiglioni.
Syrakus: 0. M.: P. Orsi, C. M.: L. Mauceri.
Tarent: C. M.: Q. Quagliati, L. Viola.
Tolentino: C. M.: Conte A. Gentiloni-Silveri.
Turin: 0. M.: G. E. Rizzo.
Venafro: C. M.: G. Cimorelli.
Venedig: C. M.: C. Ruga.
Venosa: C. M.: G. Pinto.
Verona: C. M.: A. Spagnolo.
Volterra: C. M.: E. Solaini.
11. Niederlande.
Amsterdam: 0. M.: Jonkheer J. Six van Hillegom,
C. M.: U. Ph. Boissevain.
Groningen: C. M.: W. Vollgraff.
Haag: C. M.: C. W. Lunsingh Scheurleer.
Leiden: 0. M.: A. E. J. Holwerda, C. M.: J. H.
Holwerda.
Nijmegen: 0. M.: G. M. Kam.
Utrecht: C. M.: J. C. Vollgraff.
12. Norwegen.
Kristiania: C. M.: S. Eitrem.
13. Österreich-Ungarn.
Wien: E. M.: Fürst Johann von und zu Liechten-
stein, 0. M.: E. Bormann, F. von Kenner, W. Ku-
bitschek, K. Graf Lanckoronski-Brzezie, F. Löhr,
E. Löwy, E. Reisch, J. Strzygowski, A. Wilhelm,
J. Zingerle, C. M.: 0. Egger, S. Frankfurter, M.
Hörnes, P. Kretschmer, C. Praschniker, L. Rei-
nisch, A. Schindler.
Aquileia: C. M.: M. Abramic.
Budapest: C. M.: G. von Finaly, A. Heckler, V. Ku-
zsinsky.
Brunn: C. M.: J. Dell.
Graz: 0. M.: R. Heberdey, C. M.: H. Egger, W.
Schmid.
Innsbruck: 0. M.: E. Kaiinka, C. M.: R. von Scala.
H. Sitte.
Pola: C. M.: A. Gnirs.
Prag: 0. M.: W. Klein, L. Pollack, A. von Premer-
stein, C. M.: W. Dobrusky, H. Swoboda.
Ragusa: C. M.: G. Gelcich.
Sarajevo: 0. M.: C. Patsch.
Spalato: 0. M.: F. Buli<5.
Triest: C. M.: H. Maionica, A. Puschi.
Zara: C. M.: L. Jelic.
14. Portugal.
Lissabon: C. M.: F. A. Coelho, J. L. de Vasconcellos.
Porto: C. M.: J. de Vasconcellos.
15. Rumänien.
Bukarest: C. M.: V. Pärvan.
16. Rufiland.
St. Petersburg: 0. M.: B. Latyschew, B. Pharma-
kowsky, A. Prachow, E. Pridik, M. Rostowzew,
C. M.: A. Nikitsky, Th. Zielinski
Charkoie: C. M.: Th. Schmidt.
Chersones bei Sevastopol: C. M.: R. Löper.
Dorpat: C. M.: R. Hausmann.
Kertsch: C. M.: V. Skorpil.
Moskau: C. M.: W. Malmberg, N. Novosadsky.
17. Schweden.
Stockholm: 0. M.: 0. Montelius, C. M.: J. Centerwall.
Lund: C. M.: M. P. Nilsson.
Malmö: C. M.: C. Thulin.
— XIX -
Upsala: 0. M.: S. Wide, C. M.: L. Kjellberg, E.
Nachmanson.
18. Schweiz.
Basel: O.M.: E.Pfuhl, C.M.: K.Stehlin J.Wackemagel.
Bern: C. M.: 0. Schultheß.
Brugg i. Aargau: C. M.: L. Frölich, S. Heuberger.
Genf: 0. M.: P. Schazmann, C. M.: G. Darier.
Gr. St. Bernhard: C. M.: M. Lugon.
Lausanne: C. M.: W. Cart.
Winierthur: 0. M.: F. Inihoof-Blumer.
Zürich: 0. M.: H. Blümner, H. Hitzig, C. M.:
D. VioUier.
19. Serbien.
Belgrad: C. M.: M. Valtrovits, M. M. Vassits, N. Vuli(5.
20. Spanien.
Madrid: 0. M.: F. Fita, C. M.: Marques de Cerralbo,
J. R. Mölida, Marques de Monsalud.
Barcelona: C. M.: A. Elias de Molins, J. Pijoan y
Soteras.
Elche: C. M.: P. Ibarra y Ruiz.
Gerona: C. M.: M. Cazurro y Ruiz.
Granada: C. M.: M. G. Moreno.
Medina Sidonia: C. M.: M. Pardo de Figueroa.
Vitoria: C. M.: F. Baraibar.
21. Tunis.
St. Louis de Carthage: 0. M.: A. L. Delattre.
Tunis: 0. M.: A. Merlin, C. M.: L. Poinssot.
22. Türkei.
Konstantinopel: 0. M.: Halil Edhem Bey, J. H.
Mordtmann, Th. Uspenski, C. M.: Edhem Bey,
M. J. Gedeon, Th. Macridy Bey, B. A. Pan-
tschenko.
Aidin: C. M.: M. Papakonstantinu.
Artake: C. M.: N. Limnios.
Bagdad: 0. M.: R. Koldewey.
Chalki bei Rhodos: C. M.: O. N. Askitis.
Konia: C. M.: G. Tria.
Mersina: C. M.: J. Gottwald.
Pergamon: C. M.: G. loannides, G. Rallis.
Rhodos: C. M.: A. Barmann, Sir A. Biliotti, A. Casilli.
Smyrna: 0. M.: J. Keil, C. M.: G. Sotiriu, M. Tsaky-
roglu.
22. Vereinigte Staaten von Amerika.
New York: 0. M.: E. Robinson, C. M.: Miss C. L.
Ransom.
Berkeley, California: C. M.: B. I. Wheeler.
Boston, Massachusetts: C. M.: L. D. Caskey, S. N.
Deane, A. Fairbanks.
Cambridge, Massachusetts: 0. M.: J. W. White.
Chicago, Illinois: C. M.: W. G. Haie.
Cleveland, Ohio: C. M.: H. N. Fowler.
Ithaca, New York: C. M.: J. R. S. Sterrett.
Meadville, Pennsylvania: C. M.: G. F. Comfort.
Princeton, New Jersey: C. M.: A. L. Frothingham.
Woodstock, Connecticut: 0. M.: R. B. Richardson.
BIBLIOGRAPHIE
ZUM
JAHRBUCH DES KAISERLICH
DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
1914
BERLIN W. 10
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1915
BIBLIOGRAPHIE FÜR DAS JAHR 1914.
INHALT
Spalte
I. Allgemeines , . . . i
A. Bibliographien i
B. Geschichte der Archäologie ; Biographien ;
Nekrologe 3
C. Archäologische Festschriften ; gesammelte
Aufsätze ; literarischer Nachlaß 3
D. Jahresberichte; Berichte über Versamm-
lungen und Kurse ; Archäologie und
Schule 4
E. Auktionen 5
II. Örtliche Übersicht 5
A. Archäolog. Ortskunde 5
1 . Allgemeines 5
2. Orient und Ägypten 6
3. Griechenland und Kleinasien 14
4. Italien 26
5. Nordafrika 38
6. Iberische Halbinsel 40
7. Rußland 41
B. Museen, Sammlungen, Ausstellungen... 42
III. Sachliche Übersicht 47
A. Allgemeines 47
B. Architektur 53
I. Allgemeines 53
Spalte
2. Orient und Ägypten 53
3. Griechische und Römische 53
C. Plastik 56
1 . Allgemeines 56
2. Orient und Ägypten 56
3. Griechische und Römische 56
D. Malerei, Vasenmalerei, Mosaiken 62
1. Allgemeines 62
2. Orient und Ägypten 63
3. Prähistorische und mykenische 63
4. Griechisch-römische 63
E. Kleinkunst 66
1. Allgemeines 66
2. Metall 67
3. Glas und Email 68
4. Ton 68
5. Glyptik 69
F. Numismatik und Metrologie 69
G. Epigraphik 72
1 . Allgemeines 72
2. Orientalische und außergriechische . . 72
3. Griechische 72
4. Römische und Italische 75
H. Religion und Kultus 77
I. Öffentliches und privates Leben 84
I. ALLGEMEINES.
A. BIBLIOGRAPHIEN.
Altertumsberichte. Orient. Litztg. 1914,
Nr. I — 12.
Annuario bibliografico di archeologia
e di storia dell' arte per l'Italia compilato
da F. Gatti e F. Pellati. Anno 2 (1912)
Roma, Loescher & Co., 1914. XX, 296 S
8".
Barthel (Walt.), Bibliographie zur römisch
germanischen Forschung f. d. J. 1912
(S.-A, a. d. 7. Berichte d. röm.-germ
Komm.) Bonn 1915. S. 351 — 438.
Bates (W. N.), Bibliography of archaeolo
gical books. Am. Journ. arch. 18 S
259—283.
— , Archaeological discussions, summaries
of original articles chiefly in current
') Rezensionen sind kursiv gedruckt; die jedesmal vor der Rezension angeführte Schrift ist, wenn
sie in der Bibliographie zum ersten Male erscheint, gerade gedruckt, wenn sie (in abgekürztem Zitat)
aus einer Bibliographie der Vorjahre wiederholt ist, kursiv.
Archäolog'. Bibliographie. I
publications. Am. Journ. arch. 18 S.
199—258; 499—550.
Bates (W. N.), Archaeological news. Notes
on recent excavations and discoveries;
other news. Am. Journ. arch. 18, S. 85
—127 (8 Abb.); S. 381—423 (8 Abb).
Bibliographie für das Jahr 1913. Biblio-
graphie z. Jahrb. Arch. Inst. 191 3.
Katalog der Bibliothek des Kais. Deut-
schen Archäolog. Instituts in Rom von
Aug. Mau. Neu bearbeitet von Eug. v.
Mercklin. Bd. i, Hälfte 2. Rom, Löscher
& Co., 1914. VI, S. 759—1451, 8°.
Kirsch (J. P.), Anzeiger für christl. Archäo-
logie. Rom, Quartschr. 28. S. 35 — ^47;
197 — 206.
Marguillier (A.), Bibliographie des ouvra-
ges publies en France et ä l'Etranger sur
les beaux arts et la curiosite pendant le
Bibliographie 19 14 (I A, B, C, D).
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b. arts 1914, I S. 502 — 528.
Reinach (S.), Courrier de l'art antique.
Gaz. b. arts. 1914, I S. 327 — 345 (i Tai,
15 Abb.).
B. GESCHICHTE DER ARCHÄOLOGIE; BIO-
GRAPHIEN; NEKROLOGE.
Karo (Gg.), Alexander Conze. 10. 12. 1831
—19. 7. 1914. Ath. Mitt. 39 S. I— XV.
Alexander Conze f. Arch. Anz. 1914
Sp. 117— 120.
Muratore (D.), Federico Eusebio. Alba
Pompeia. V, 5/6.
Josi (E.), Commendatore Giuseppe Gatti.
Rom. Quartschr. 28, S. 226.
Marucchi (0.), Giuseppe Gatti. N. Bull.
arch. crist. 20 S. lOi — 103.
Ortvay (Th.), Gedenkrede auf Josef Ham-
pel (ungar.). Budapest, Akademie d.
Wiss., 1913. 51 S. 8" (i Abb.).
Head, Barclay Vincent. Num. Chron. 1914,
S. 249—255.
Dr. Barclay Head. Athenaeumi 914, IS. 861.
Oppermann, Dr. Carl Jacobsen. 2. März
1842 — II. Januar 1914. Museumskunde
10, S. 112 — 116.
Koepp, Zum Gedächtnis Otto Jahns. Verh.
d. Phil. 52, S. 69.
Pohlenz (M.), Friedrich Leo. N. Jahrbb.
kl. Alt. 17, S. 297—316 (i Portr.).
Schöne (Herrn.), Barthold Georg Niebuhr.
Rede. Greifswald 1914. 20 S. 8». Rez.:
Berl. ph. Woch. 191 5, 14 (B. A. Müller).
Chaumeix (A.), Georges Per rot. Rev.
hebdom. 1914, juillet, S. 258 — 270.
Seiffert (Otto), Heinrich Schliemann, der
Schatzgräber. Berlin, Paetel, 1914. XI,
194 S. 8° (2 M.). Rez.: Sokrates 1914,
S. 65g — 660 (Fr. Heussner ).
Töwe (Carl), Winckelmann. Sokrates 3,
s. 97—103.
C. ARCHÄOLOGISCHE FESTSCHRIFTEN; GE-
SAMMELTE AUFSÄTZE; LITERARISCHER
NACHLASS.
Festgabe Hugo Blümner überreicht zum
9. Aug. 1914 von Freunden u. Schülern.
Zürich 1914. X, 541 S. 8" (13 Taf.,
24 Abb.). (10 M.) [Darin: H. Hitzig, Die
griechischen Städtebilder des Herakleides;
L. Weniger, Zum Schilde des Achilles;
C. Robert, Cacus auf etruskischen Bild-
werken; O. Roßbach, Die Färse und die
Säger des Myron; H. Bulle, Der Bau der
Akropolismauer auf einem Vasenbilde;
W. Deonna, L'influence egyptienne sur
l'attitude du type statuaire debout dans
rarchaisme grec; Br. Sauer, Der Knabe
von Subiaco; P. Weizsäcker, Dannecker
über Laokoon; Th. Eckinger, Der Pan von
Vindonissa; 0. Schultheß, Zu den römi-
schen Augenarztstempeln aus der Schweiz;
E. Pfuhl, Vorgriechische u. griechische
Haustypen; E. R. Fiechter, Das italische
Atriumhaus; E. A. Stückelberg, Der
ikonische Wert des römischen Münzpor-
träts; 0. Waser, Drei Jahrtausende Kunst-
entwickelung; G. Nicole, Une nouvelle
representation de la colonne d'acanthe de
Delphes; B. Pick, Athenische Statuen auf
Münzen; R. Münsterberg, Abkürzungen
auf griechischen Münzen.] Rez.: Woch.
kl. Phil. 191 5. 16 (E. Drerup).
Hülsen (Chr.), Dei lavori archeologici di
Giovannantonio Dosio. Ausonia 7, S. I
—78 (24 Abb.).
Furtwänglcr (Ad.), Kleine Schriften Bd.
2. Rez. : Ztschr. ö. Gymn. 65, S. 499 — 500
(R. Weißhäupl); D. Ltztg. 191 4, 32
(E. Reisinger ).
Melanges Holleaux. Rez.: Jour sav. 1914,
S. 2^9 — 281 (A. Jarde); Berl. ph. Woch.
191 5, 12 (0. Roßbach).
Mommsen (Th.), Gesammelte Schriften.
Bd. 8 Epigraphische u. numism. Schriften.
Bd. I. Rez.: Woch. kl. Ph. 191 4, 26 (A.
Rosenberg).
Heinevetter (Fr.), Aus Eduard Schauberts
Nachlaß. Jahresb. Schles. Ges. vaterl.
Kultur 90, IV, S. 1—8.
Skutsch (Frz.), Kleine Schriften. Hrsg. v.
W. Kroll. Leipzig u. Berlin, B. G. Teubner,
1914. XXVI, 531 S. 8° (I Port.). (20 M.)
Baltische Studien zur Archäologie u. Ge-
schichte. Hrsg. V. d. Ges. f. Gesch. u.
Altertumskunde der Ostseeprovinzen Ruß-
lands. Berlin, G. Reimer, 1914. 415 S. 4°
(23 Taf., 30 Abb.).
D, JAHRESBERICHTE; BERICHTE ÜBER VER-
SAMMLUNGEN UND KURSE; ARCHÄOLOGIE
UND SCHULE.
Königl. Akademie der Wissenschaften
in Berlin. Jahresberichte über die
akademischen Unternehmungen u. Jahres-
berichte der Stiftungen. Sitzber. preuß.
Ak. 1915, S. 79 — 129.
Stipendium der Eduard Gerhard-Stif-
tung. Sitzber. preuß. Ak. 1914, S. 763.
Rand (E. K.), The School of classical studies
of the American Academy in Rome.
Art a. Archaeology I, i.
Archäologische Gesellschaft zu Berlin.
Sitzung vom 9. Dez. 1913. 7Z- Winckel-
mannsfest. Sitzung vom 6. Jan., 3. Febr.,
Bibliographie 1914 (I D, E ; II A i, 2).
3. März, 7. April, 5. Mai, 9. Juni, 3. Nov.,
9. Dez. 1914. Arch. Anz. 1914, Sp. 39 —
57; 55— 107.(1 Abb.); 506—517 (i Abb.).
Deutsche Orientgesellschaft. Berlin
II. Jan. Ed. Meyer, Kleinasien u. die
Chetiter i. 2. Jahrtausend. D. Litztg.
1914, 8.
General Meeting of the archaeological
Institute of America. Am. Journ.
arch. 18, S. 75 — 84.
Kaiserlich Deutsches Archäologi-
sches Institut. Jahresbericht. Jahrb.
Arch. Inst. 29, S. I— XIX.
Institutsnachrichten. Arch. Anz. 1914,
Sp. 113— 116; 521.
Deutsch-evangelisches Institut. Jah-
resbericht des Instituts f. d. Arbeitsjahr
1913/14 (Dalman) s. II A 2.
III. Congresso archeologico internazionale
3 — 16 oct. 1912. Ausonia 7, Sp. J- — 21.
(Romanelh.)
Petrie (Hilda FHnders), The British
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lienne d'archeologie d'Athenes en 191 3.
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Archäologischen Seminar. ( = Aus
der Werkstatt des Hörsaals.) Innsbruck,
Wagnersche Un.-Buchh., 1914. S. 71 — 86
(i Buch).
Marucchi (0.), Resoconto delle adunanze,
tenutedalla Societä per le conferenze
d'archeologia cristiana. Anno
1912 — 13 u. 1913 — 14. N. Bull. arch. er.
20, S. 17—36 u. 79—97-
Morgenstern (0.), Sitzungsberichte des Phi-
lologischen Vereins zu Berlin 1914-
Sokrates 1914, S. 628 — 634.
Gymnasialunterricht und Archäologie.
1914. Arch. Anz. 1914, Sp. 518—521.
E. AUKTIONEN.
Auktion Galerie Helbing, München 22-/23.
Juni 1914. Sammlung von antiken Gläsern,
Terrakotten, Marmor-Skulpturen u. Bron-
zen aus dem Besitze von Kirchner-
Schwarz, Beirut u. a. 30 S. und 12 Taf.
IL ÖRTLICHE ÜBERSICHT. .
A. ARCHÄOLOG. ORTSKUNDE.
I. Allgemeines.
Besnier (M.), Lexique de geographie an-
cienne. Paris, C. Klincksieck, 1914. XX,
893 S. 8°. (10 fr.)
Brandenburg (Er.), Über Felsarchitektur
im Mittelmeergebiet. Mitt. Vorderas. Ges.
1914, 2, S. I — 96 (40 Abb.).
Bruun (L.), Vom Bosporus bis nach Zantes
Insel. Berlin, S. Fischer, 1914. 365 S. 8°.
(4 M.)
Friedländer (P.), Die Anfänge der Erd-
kugelgeographie. Jahrb. Arch. Inst. 29,
S. 98—120 (5 Abb.).
Joulin (L.), Les äges protohistoriques dans
l'Europe barbare. Rev. arch. T. 23, S. 59
-98,
Oberziner (G.), Le regioni occidentali del
Mediterraneo nellefontiEbreofenicie. Stud.
stör, per l'ant. cl. 6, S. 199 — 227.
Philippi (F.), Zur Peutingerschen Tafel.
Rh. Mus. 69, S. 40 — 55.
Witkowski (Stan.), Wraienia potudnia
(Eindrücke des Südens). Warschau, Wende
& Cie., 1914. 132 S. 40 (56 Abb.).
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Hall (H. R.), The ancient history of the
Near East from the earliest times to the
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Co., 1913. XXIII, 602 S. 8° (33 Tai,
14 Krten.) (15 sh.) Rez.: Journ. Egypt.
arch. I, S. 225—228 (F. W. Frh. v. Bis-
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Mosul nach Aleppo vom 9. März bis
25. April 1911. Peterm. Mit. Jg. 60, S. 189
—193 (3 Krten.); 257—259 (3 Krtn.).
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Notes and news. Journ. Egypt. arch. i,
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Bericht. Sitzber. k. b. Ak. 1914, 9, 18 S.
Abukir — Wiedemann (A.), Das Heiligtum
des Cyrus u. Johannes bei Abukir. Sphinx
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Abusir — Ausgrabungen der Deutschen
Orientges. auf dem vorgeschichtl. Gräber-
feld von Abusir El-Meleq. 2: Fr. W. Mül-
Bibliographie 1914 (II A 2).
8
1er, Die anthropolog. Ergebnisse des vor-
geschichtl. Gräberfeldes von Abusir El-
Meleq. (= Wiss. Veröffentlichung d. D.
Orientges. 27.) Leipzig, F. C. Hinrichs,
1915. VII, 312 S. 4° (13 Taf., 197 Abb.).
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Jour. Egypt. arch. i, S. 159 — 167 (pl.
XVIII— XXI, 2 Abb.).
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REGISTER.
= Autor einer Rezension. "**
L AUTOREN.
Autor einer rezensierten Schrift. Die eing'eklammerten Zahlen deuten an, wie oft
der Name auf derselben Seite erscheint.
Abel (F. M.) 10, ii**, 55
Abt (A.) 56
Achelis (H.) 47
Adinolfi (A.) 28, 53
Ahrem (M.) 47
Albini (G.) 75
Albizatti (C.) 68
Alessandri (G. de) 29
Alexanderson (A. M.) 84**
Alföldi (A.) 75*
Allard (P.) 54
Alt (A.) 12 (2)
Aly (W.) 83*
Amelung (W.) 42, 51*, 56, 57*, 58
Anderson (J. G. C.) 17, 77
Anson (L.) 69
Anthes (E.) 41*, 68 (2), 68*
Antonielli (U.) 84
'ApßaviTOTio'jXXo; ('A.) 20, 26 (4),
72 (2)
Armini (H.) 75
Arndt (P.) 58
Artner (F.) 25
Asboeck (A.) 25
Ashby (Th.) 33 (2), 40
Aßmann (E.) 67
Aurigemma (S.) 39
Avezou (Ch.) 26, 74
Babbitt (F. C.) 77
Babelon (E.) 70**
Baedeker (K.) 14
Baege (W.) 78**
Baggini (C.) 84
Baldes 84
Bang (M.) 33, 75
Bannier (W.) 20*, 72 (2)
Barnes (A. S.) 47
Barocelli (F.) 36, 67
Barrera (P.) 28, 56, 57 (2), 78, 84
Barthel (W.) i, 42*
Bartoccini (R.) 33, 57
Bartoli (A.) 33
Bates (0.) 39
Bates (W. N.) i (2), 2
Baumstark (A.) 57
Beazley (J. D.) 46, 63 (2)
Beckers (W. J.) 41
Beer (H.) 72
Bees (N. A.) 21*, 72
Behn (F.) 27*, 63*, 64*, 85
Behr (v.) 33*
Behrens (G.) 68
Bell (C.) 47
Bell (G. L.) 14**, 53
Bell (H. I.) 7
Beloch (J.) 38
Bendinelli (G.) 29, 37 (2), 63,
65
Berchem (M. van) 13**
Berlage (J.) 48
Berndt (R.) 16*, 24*
Bernicoli (S.) 32
BepaaxT); (<I).) 19, 57
Berzeviczy (A. v.) 15
Besnier (M.) 5, 38*, 40
Bezold (C.) 10
Bianchi (E.) 15
Bianchi (L.) 78
Biasiotti (G.) 33, 63
Bicknell (C.) 26
Bieber (M.) 44 (2), 54, 57 (3)
Bienkowski (P. de) 28, 57, 63
Birnbaum (A.) 54
Bissing (F. W. Freiherr v.) 6*, 6,
7**, II, 22*, 45*, 48, 56**, 56
(2)
Blackman (A. M.) 7, 12, 53
Blinkenberg (Chr.) 23** (2), 72 (2)
Blümner (H.) 17* (2), 24*, 45*, 47,
• 51*, 64*, 84
Blum (G.) 19, 24, 72
Blumenthal (F.) 78
Bobrinskoy (C. de) 41 (2), 42
Börner (W.) 48
Boetzkes (R.) 78
Boll (F.) 78
Bombe (W.) 31
Bongioannini (E.) 48
Boni (G.) 33 (2), 48
Borchardt (L.) 7, 63**
Borinski (K.) 48
Bormann (E.) 33, 75
Bosch-Gimpera (P.) 15
Bouchier (E. S.) 38, 40**
Boulanger (A.) 17
Bourguet (E.) 19, 19**, 72
Bradley (R. N.) 39
Brandenburg (E.), 6, 36, 53, 56*,
79*
Brause (J.) 21, 84
Breccia (E.) 9
Brehier (L.) 48
Brinkmann (A.) 24, 78
Brueckner (A.) 17, 57
Brunsmid (J.) 47, 67, 70
Brunswick (F.) 35, 78
Bruun (L.) 6
Buckler (W. H.) 25, 72, 78
Buday (A.) 75**
Budge(E. A. W.)7(3),9, 45(2),
45**, 58 (2), 63
Büchner (V. F.) 11
Bulanda (E.) 84**
Bulle (H.) 3**, 17, 47, 48, 48** (2),
63
Burckhardt- Biedermann (Th.) 70
Buren (A. W. van) 57**
Burgers (F. W.) 70I
Buschor (E.) 43*, 63, 63**
Butler (H. C.) 13, 25, 53
Byvanck (A. W.) 29
Cagiati (M.) 32
Cagnat (R.) 38**, 75 (2), 85*
Campbell (Th. R.) 15, 72
Cancogni (D.) 57
Cantarelli (L.) 31
Capart (J.) 7 (2), 48 (2)
Capelle (W.) 7
Carbone (C) 30
Carcopino (J.) 39 (2), 75 '
Cardinali (G.) 24
Cardini (M.) 30, 63
Carl (L.) 13
Carolidis (P.) 78
Cart (W.) 54
89
Register.
90
Carton (L.) 38, 40, 68
AiajuavTofpa« (A. 2.) 24, 73
Fox (W. S.) 46
Casagrandi (V.) 29**, 70
Dickins (G.) 58 (2)
Fränkel (Ch.) 79**
Caskey (L. D.) 26, 43, 63
Diels (H.) 49**
Frank- Kamenetzky (J.) 79
Caspari (M. 0. B.) 17
Diest (W. V.) 24**
Frazer (J. G.) 79**
Casson (S.) 23 (2), 57
Dietze (J.) 79
Fregni (G.) 31
Caton (R.) 21, 84
Dieulafoy (M.) 11* 53, 54
Frey (D.) 31
Cauer (P.) 26*, 80*
Dodd (C. H.) 70
Friedländer (P.) 6, 79
Cavaignac (E.) 7
Dörpfeld (W.) 21, 24
Frimmel (F. v.) 10
Caylus (A. Cl. Ph. C. de) 26, 27
Domaszewski (A. v.) 17**, 27, 58
Frothingham (A. L.) 34 (2), 38, 54,
Cazurro (M.) 40
Dostal (J.) 67
58(3)
Cervellini (G. B.) 42
Douglas (N.) 29
Frucht (H.) 64
Chapot (V.) 48 (2)
Dragendorff (H.) 17
Fuchs (J.) 38
Chatelein (L.) 39 (2), 57
Drerup (E.) 4*, 49
Furtwängler (A.) 4**, 58**
Chaumeix (A.) 3
Ducati (P.) 30 (2), 31, 49, 64
Gabnay (F. v.) 84
Cheesman (G. L.) 17, 75, 84
Duhn (F. V.) 28, 44, 49, 58
Gabriel (E.) 29
Chipiez (Ch.) 51, 65, 69
Dussaud (R.) 49**, 79, 79**
Galahad 22**
Ci|ceri (E.) 37
Ebert (M.) 67
Galassi (G.) 32, 58
Cicerone (G.) 39
Eckinger (Th.) 4**, 58
GaUi (E.) 28, 30 (2), 76
Cirilli (R.) 78**
Edgar (C. C.) 7
Gardiner (H. A.) 14
Clark (F. E.) 16
Eichler (F.) 73
Gardner (P.) 50**
Cledat (J.) II, 68
Eisler (R.) 79
Gardner (R.) 27
Clemen (C.) 78
Elter (A.) 17, 73
Gardthausen (V.) 72
Clemen (P.) 50*
Engel (F. J.) 68
Gatti (F.) I
Colburn (G. B.) 30
Engelhardt (0.) 65** 66*, 80*
Gatti (G.) 34
Collignon (M.) 19**
Erbacher (K.) 84
Gauckler (P.) 34**
Colvin (S.) 57
'HpetwTTjc (Fl.) 17, 73
Geffcken (J.) 79*
Comparetti (D.) 30, 63, 73
Esdaile (K. A.) 45, 58
Gehrich (G.) 79**
Constans (L. A.) 33, 36
Esperandieu (E.) 47, 58**, 67
Geiger (F.) 78*
Contenau (C.) 10**, 78
Esquirol (J.) 40
Gercke (A.) 34, 80
Cook (A. B.) 78**
EüaYyeXfor]; (A.) 20, 69, 73
Gerin (P.) 70
Cooke (P. B. H.) 32, 64
Evans (A. J.) 6*
Gerloff (0.) 51**, 60
Corradi (G.) 37*
Fabia (Ph.) 54*, 60* (2), 75
Gerstfeldt (0. v.) 27
Correra (L.) 37, 70
Falchi (J.) 38, 67
Gervasio (M.) 28**
Corssen (P.) 78
Farneil (L. R.) 79
riafJiaXtSr,; (X.) 20, 73
Costa (E.) 75
Farrugio (L.) 39
Gianelli (G.) 80
Costa (G.) 31
Fatio (E.) 13**
Giannopoulos (N. J.) 20, 21, 24,
Costanzi (V.) 26, 28, 48
Fechheimer (H.) 8, 14, 56 (2)
26 (3), 58 (2), 67, 73 (2)
Courcelle-Seneuil (J. L.) 78
Feihl (E.) 64**
Giglioli (G. Q.) 28, 29 (3), 30, 38,
Coutil (L.) 67
Feist (S.) 49
76 (2)
Cramer (F.) 54
Feldhaus (F. M.) 49
Giovannoni (G.) 28, 34, 54**
Cros (G.) 14
Ferguson (W. S.) 17**
Glotz (G.) 19
Cumont (F.) 29, 54, 78, 78**
Ferrabino (A.) 79
Götze (A.) 67
Currelly (M. Ch. T.) 44, 48 (2)
Festa (V.) 64
Goeßler (P.) 28*, 49*
Curtis (C. D.) 32, 53
Ficker (J.) 49
Goodyear (W. H.) 8, 43
Curtis (J.) 85
Fiechter (E. R.) 4**, 27, 54**(2),
Gothein (M. L.) 50**
Curtius (L.) 48, 56*
55*. 86
Gotto (B.) 56
Cybulski (S.) 70**
Fiedler (K.) 49
Gow (A. S. F.) 84 (2)
Dalman (G.) 5, 12 (2), 73
Filier (E.) 27
Gradara (C.) 46, 59
Daniel (W. Br. Mc.) 29
Fimmen (D.) 18, 73, 79, 84
Graef (B.) 18, 64
Darier (G.) 33, 67
Finaly (G.) 75*
Graf (R.) 86
Dattari 70
Finke (H.) 75 (3)
Graffunder (P.) 31*, 32*, 35*
Dawkins (R. M.) 22, 57
Finsler (G.) 50
Graindor (P.) 16, 59
Dechelette (J.) 48
Fischer (A.) 39
Gregoire (H.) 20, 73, 80
Decourdemanche (J. A.) 7, 70
Fischer (E.) 15
Greif (F.) 85
Deherain (H.) 14
Fischer (W.) 85, 85**
Grenier (A.) 28, 28**
Dehn (G.) 45. 57
Fisher (C. F.) 43
Griffith (W. L.) 7
Delatte (A.) 79
Fölzer (E.) 68**
Grimme (H.) 9, 56
Delbrueck (R.) 27, 34**, 57 (2),
Förster (R.) 58 (2)
Gröseling (J.) 34
58**
Förtsch (W.) 79
Groh (F.) 18**
Della Corte (M.) 32 (2), 32**
Folnesics (H.) 34 ;
Groot (J. de) 12
Della Seta (A.) 29, 30, 48**, 64
Formige (J.) 54**. 86
Grosse (R.) 85* (2)
Deonna (W.) 3**. 44. 49 (S). 58,
Fornari (F.) 58, 64, 79
Grote (K.) 85
64, 68, 79
Forsdyke (E. J.) 63, 68
Gruaz (J. R.) 43, 68
Dessau (H.) 33, 39, 75 (3)
Foucart (P.) 79**
Gruppe (0.) 79* (2)
Dessoir (M.) 49
Fowler (W. W.) 79
Guebhard (A.) 68
91
Register.
92
Guimet (E.) 9, 64
Hoorn (G. van) 80
Koldewey (R.) 10, 10**
Guimet (R.) 45
Hopfner (Th.) 80
Kompter (H. 0.) 19
Guldencrone (D. de) 27
Hourticq (L.) 50
Konerth (H.) 49
Gummerus (H.) 27, 67, 84**
Hrozny (F.) 10
Kornemann (E.) 34, 54
Gunning (Ph. G.) 21**
Hübner (F.) 80
KoupouvHOTTjS (K.) 18, 19, 25
Gurlitt (L.) 76
Hübner (P. G.) 59**
Kranz (W.) 81
Gutkind (E.) 53
Hülsen (Chr.) 4, 34, 43,
59*
Krause (A.) 19, 73
Gutmann (K.) 59
Huybrigts (F.) 70
Kristensen (W. B.) 22, 81
Habich (G.) 46
Hyde (W. W.) 25, 59 (2)
Kroll (W.) 4, 51, 76
Hagemann (A.) 85
Immisch (0.) 80
Kubitschek (W.) 29*, 37*, 45*, 70,
Hall (E. H.) 22 (2)
Jackson (M. T.) 44
70* (2)
Hall (H. R.) 6**, 6*, 15**, 45**,
Jacobi (H.) 69
Kubier (B.) 9**
50 (2)
Jacobsen (J. P.) 80
Kühn (E.) 9
Härder (Ch.) 84*
Jacobsthal (P.) 23, 58,
65*, 69
Kühtmann (C.) 44, 56, 59, 70*
Harris (J. R.) 80
Jacono (L.) 50
Kühtreiber (Th.) 12
Harrison (J. E.) 80
Jäckel (F.) 15
Küster (E.) 80**
Hartmann (R.) 13*, 59]
Jaksch (A. v.) 76
Küsthardt (H.) 56
Hartwig (P.) 64
Jarde (A.) 4*, I5
KuTrapfaSTjC (N.) 21 (2), 23, 59
Hasluck (M.) 25, 80
Jatta (M.) 29. 43
Lacroix (M.) 19
Haug (F.) 76, 82*
Jeremias (A.) 6
Laguier (C.) 8
Haury (J.) 80
Jerphanion (G. de) 26,
73
Laistner (M. L. W.) 20, 22, 64
Hauser (F.) 64
Johns (A. S.) 8, 10
Lamer (H.) 15**, 17*, 19*, 24* (2),
Hausmann (R.) 41
Johns (C. H. W.) 9
25*, 49*, 52*, 54*, 57*, 59*
HaussouUier (B.) 19*
Johnson (A. Ch.) 18 (2]
, 19, 73
Lanciani (R.) 34
Havell (H. L.) 34
(3)
Landi (C.) 81*
Hazzidakis (J.) 22, 73
Johnson (J. de M.) 9
Lang (F.) 43*, 48*, 51*
Head 3
Josi (E.) 3
Läng (M.) 44, 48*, 67*, 69
Heath (R. M.) 23, 73
Joulin (L.) 6
Langdon (S.) 10, 8i
Heberdev (R.) 43*
JuUian (C.) 80
Lanzani (C.) 20
Heddn (E.) 80**
KaßßaStas (fl.) 21, 50
Larfeld (W.) 23*, 73* (2), 74**,
Heidemann (L.) 15
Kahrstedt (U.) 40
86*
Heikel (E.) 25, 59
Kaiinka (E.) 50
Latte (K.) 20, 81
Heinemann (K.) 80**
Kamal (Ahmed Bey) 10
1 II
Lattes (E.) 38, 76
Heinevetter (F.) 4
Kanzler (R.) 34
Laum (B.) 85**
Heinze (R.) 15
Karman (J.) 50**
Lazar (B.) 56
Hekler (A.) 41*, 45*, 59, 59**, S9*.
Karo (G.) 3, 15, 16, 23
Leaf (W.) 26**
61*, 62*
KaaxpKoTT^C (n.) 18 (2),
54, 59
Ledl (A.) 18
Heibig (W.) 46**
Kaufmann (C. M.) 8*, 50**
Lee (H.) 85
Henning (R.) 47**
Kawerau (G.) 23**
Lefebvre 8
Herbig (G.) 16**, 27*
Kaye (W. I.) 69
Lefevre (L. E.) 59
Herford (M. A. B.) 46, 64
Kees (H.) 11
Legge (F.) 81
Hermanin (F.) 34
Keil (J.) 23**
Legrain (G.) 11 (2), 44, 56
Hermann (K. F.) 84**
Keller (L.) 64, 80
Lehmann (K.) 38
Herold (E.) 41
KepafjLdTOuXXo? (A.) 18, 22, 25, 73
Lehmann-Haupt (C. F.) 11, 70, 81
Höron de Villefosse 13, 46, 67, 72,
Kergorlay (J. de) 6
Lehmann-Haupt (Th.) 15
76
Kern (0.) 23, 73, 73**,
80
Lehner (H.) 43, 59, 76
Herrmann (A.) 12
Kiepert (R.) 16
Lenchantin (de Gubernatis, M.)
Herrmann (P.) 48*, 59*, 62
Kinch (K. F.) 26
76(3)
Herzfeld (E.) 11, 12, 13, 53
King (L. W.) II
Lentz-Spitta (J. F.) 21
Herzog zu Sachsen (Johann Georg)
Kirsch (J. P.) 2, 12, 54
Leonhard (R.) 24
8**
Kjellberg (L.) 80
Leonhard (W.) 32, 37, 64 (3)
Hetcou (G.) 59
Klaatsch (H.) 50
Leroux (G.) 54**, 64**
Heussner (F.) 3*
Klaffenbach (G.) 86**
Lethaby (W. R.) 20, 59
Heuzey (L.) 14
Kluge (Th.) 41
Levi (D. W.) 38
Hildenbrand (F. J.) 76
Klym (P.) 41
Lichtenberg (R. v.) 50**
Hill (G. F.) 12, 17, 45 (2), 70 (3),
Knapp (Ch.) 54, 86
Lieblein (J.) 8
73
Koch (H.) 26, 54, 64
Lieres und Wilkau (V. v.) 64
Hiller von Gaertringen (F. Freiherr)
Köchhng (J.) 80 (2)
Lihe 27
II, 17*, 23*, 25, 74, 80
Koepp (F.) 3, 47*, 50*,
58*, 64,
Lippold (G.) 59**, 59, 61*, 62* (2)
Hinrichs (W.) 6
65*
Löhr (M.) II*
Hirsch (V.) 83*
Körber (K.) 59, 76 (2)
Loeschcke (S.) 47, 55, 69
Hitzig (H.) 3**, 15
Körte (A.) 81
Löwy (E.) 64
Hofimann (E.) 44, 59, 80
Köster (A.) 43, 54*, 68,
72
Loisy (A.) 79*
HoUeaux (M.) 17, 19, 73 (2)
Kohte (J.) 53
Luckenbach (H.) 50**
Homo (L.) 38
Kolberg 68
Luckhard (F.) 8**, 53
93
Register.
94
Lüdtke (W.) 50*
Mortillet (P. de) 81
Pavlu (J.) 18*
Lugari (B.) 70
Moulton (W. J.) 12, 63
Pect (T. E.) 28*, 39
Lugli (G.) 28
Mühling (K.) 32
Pellati (F.) i
Lundström (V.) 34
Müller (A.) 85
Perdrizet (P.) 81
Luquet (G. H.) 40
Müller (B. A.) 3*
Peristianes (J. C.) 22, 72
Maas (P.) 22*
Müller (E.) 60**
Pernier (L.) 5, 21, 38, 67
Maaß (E.) 81
Müller (F.) 65**
Perrot (G.) 18, 51** (2), 55, 65 (2),
Macchioro (V.) 27, 27**, 37, 51 (3),
Müller (F. W.) 6
69 (2)
64, 65
Müller (L.) 67
Persichetti (N.) 31, 36, 77
Macchioro-Parra (R.) 27, 81
MüUer-Graupa (E.) 53
Pesarini (S.) 33
Mackay (E.) 14
Münsterberg (R.) 4**, 71
Petri (H. Fl.) 5, 8, 81
Mackenzie (D.) 36
Munoz (A.) 35, 55
Petri (W. M. Fl.) 14, 45
Maggiulli (P.) 31
Muratore (D.) 3
Pettazzoni (R.) 20, 81
Mahler (E.) 43**
Murray (G.) 81**
Pfeiffer (L.) 51
Maiuri (A.) 28, 29, 30 (2), 31 (3),
Nachod (H.) 29
Pfister (F.) 9, 15*, 23, 74
32, 36, 37 (2), 38, 74, 76 (5)
Naville (E.) 7
Pfuhl (E.) 4**, 15, 21, 55, 65
Malten (L.) 81**
Nawrath (A.) 86
Pharmakowsky (B.) 41
MaXx^Co; (K.) 18 (3)
Negelein (J. v.) 81*
Phihpp (H.) 22*, 31*, 37*, 41* (2)
Mancini (G.) 32, 34
Nestle (W.) 81*
Philippi (F.) 6
Mangold (K.) 51
Neuhöfer (R.) 36
Philippson (A.) 16
Marchetti (M.) 32
Newell (E. T.) 21, 71
Picard (Ch.) 21, 26, 65, 74
Marchi (A. de) 72
Niccöhni (G.) 20, 74
Pick (B.) 4**, 17, 18, 60, 71
Marguillier (A.) 2
Nicodemi (G.) 37, 76
Pick (H.) 12
Margwelaschwili (T- v.) 41
Nicole (G.) 4**, 20, 43**
, 65 (2)
Pierleoni (G.) 28, 71
Mariani (L.) 39, 40, 59, 65
Niebuhr (C.) 8
Pillet (M. L.) 13, 53
Martens (L.) 15*
Nießen (C. A.) 42**
Pinza (G.) 35> 37, 46*, 46, 55, 84
Martin (V.) 9
Nilsson (M. P.) 22*, 25,
82*
86
Pistorius (H.) 22**
Marucchi (0.) 3, 5, 31, 32, 35 (2)
Nöldeke (Th.) 11
Plassart (A.) 20, 24, 25, 74
Maspero (G.) 8 (2)
Nogara (B.) 46, 60
Platner (S. B.) 35
Massano (F.) 30
Norton (R.) 43, 60
Plaumann (G.) 9, 81
Matthies (G.) 43, 67
Oberziner (G.) 6
Poebel (A.) 10, 71
Mattingly (H.) 70 (2)
Oehler (J.) 51*
Poerner (J.) 83**
Matz (F.) 30, 51**, 65
Oehler (R.) 40*
Poggi (G.) 30
Mau (A.) 2
Oelmann (F.) 69
Pohl (R.) 68*
Mauceri (E.) 37
Ohnefalsch- Richter (M.) $1
Pohlenz (M.) 3
Maull (0.) 24
öaovdfAO« (F.) 21, 26
Poland (F.) 80*, 85*, 86*
Maurice (J.) 60
Olivieri (A.) 27
Pollak (L.) 46*
Maybaum (J.) 65
D'Ooge (M. L.) 22
Polovtsoff (S.) 41
Mayer (M.) 28**, 65
Oppenheim (M. Freiherr v
.)ii
,74
Pomtow (H.) 20, 72, 74
Mayr (A.) 40
Oppermann 3
Pons (A. A.) 27
Meier (A.) 76
Ormerod (H. A.) 16, 23,
74
Ponten (J.) 15**
Meier (P. J.) 60
Orsi (P.) 29, 30, 36, 37
(2),
69,
Ponten van Broich (J.) 15**
Meißner (B.) 10**, 56
76, 77
Pösta (B.) 67
Meomartini (A.) 28, 76
Ortvay (Th.) 3
Pottier (E.) 65
Mercklin (E. v.) 2
Osborne (D.) 69
Poulsen (F.) 45**. 45, 5i** (2),
Merlin (A.) 39, 40**, 65
Ostern (H.) 58*, 64*, 65*
(2),
68*
53*, 60 (3), 62
Mesk (J.) 35, 76
Otto (W.) 17*
Prasek (J. V.) 16
Meurer (M.) 55, 60
0x6 (A.) 69 (2)
Preisigke (F.) 12, 74
Meyer (Ed.) 5, 16 (2), 81
Pace (B.) 16
Premerstein (A. v.) 23**
Mezger (F.) 23, 74
Pachtere (F. G. de) 38
Prentice (W. K.) 14, 72
Michaelis (A.) 52
Pagenstecher (R.) 28, 42
**
55*,
Preyß (A.) 18, 60
Michon (E.) 41, 46, 60, 68
81**
Prinz 10
Milne (J. G.) 7, 10, 21, 25 (2), 65
Pais (E.) 28, 35, 35**
Pritzel 15
69. 71 (3)
Pancritius (M.) 10, 56
Procacci (G.) 77
Minto (A.) 30, 31, 32, 38, 60
Panfil (D. G.) 11, 55
Procksch (0.) 12
MiaTpitoTTj; (F.) 18, 21, 23, 81
naTraßaatXet'ou (F.) 19, 20,
21,74(2)
Prosoroff (G.) 41
Mommsen (Th.) 4**
riaTcayewpY^ou (D.) 22 (2)
74
Putorti (N.) 29, 33 (3), 37, 46, 69
Monaci (A.) 60
IlaTTTraSaxii (N.) 26, 67
(2), 77 (2)
Monceaux (P.) 39 (2), 69, 71
Pareti (L.) 33, 37**
Quibell (J. E.) 13
Montauzan (G. de) 75
Paribeni (R.) 16, 29, 31, 46 (2), 60
Radermacher (L.) 81
Montelius (0.) 27**, 53
Paris (P.) 40 (3), 41
Raehlmann (E.) 62, 65
Mooney (W. W.) 86**
Pascal (C.) 77, 8i (2)
Rand (E. K.) 4
Morgan (J. de) 13, 71
Pasetti (M. Freiherr v.)
51
Ranke (H.) 14
Morgenstern (0.) 5
Paton (L. B.) 9
Rapisarda (N.) 37**
Morin (J.) 46, 65
Patroni (G.) 30, 51, 65,
67
Rasi (P.) 77
95
Register.
96
Reber (B.) 86
Sartiaux (F.) 17, 24, 55, 61
Spano (G.) 55
Reese (W.) ii
Sauciuc (Th.) 17**, 18, 74
Spiegelberg (W.) 12, 74, 83*
Regling (K.) 71
Sauer (B.) 4**, 44, 60*, 61 (2)
Spinazzola (0.) 46, 61
Rehm (A.) 23*, 23**, 74
Savini (G.) 33, 55
Sprater (F.) 55, 86
Reid (S. J.) 86
Scaglia (S.) 36, 66
Springer (A.) 52
Reil (J.) 12
Scarzello (G.) 42
Stähhn (F.) 23, 24
Reil (Th.) 8*
Schaal (H.) 52
Stefani (E.) 38
Reimpell (W.) 10* (2)
Schaefer (J.) 82**
Steindorff (G.) 12
Reinach (A.) 35, 37, 55, 72
**, 78*,
Scharold (H.) 82
Steiner (P.) 41, 66
82, 82* (3)
Scheel (W.) 35*
Steinmann (E.) 27, 36
Reinach (A. J.) 19**, 60 (4), 60**
Scheftelowitz (J.) 82 (2)
Steinmann (F.) 66
(2)
Scheuer (W.) 82
Steinwender (Th.) 85 (2)
Reinach (S.) 3, 21, 31, 51*
, 69, 82
Schiff (F.) 22, 24
Stengel (P.) 83
Reinhardt (G.) 50*
Schjott (P. 0.) 85
Stern (E. v.) 41, 66, 83
Reinhardt (L.) 51
Schmidt (H.) 50*, 63*
Sterrett (J. R. S.) 16
Reisinger (E.) 4*, 63**
Schneider-Graziosi (G.) 36, 38, 46,
Steuding (H.) 21*, 81*, 82* (2)
Reitzenstein (R.) 66**
47
Steuernagel (C.) 13
Riba (M.) 35, 77
Schnell (J.) 20, 82
Stoedtner (F.) 52
Ribezzo (F.) 27 (2), 30,
35, 76,
Schöne (H.) 3**
Stolle (F.) 85**
77 (3)
Schrader (H.) 43**
Strong (S. A.) 61
Ricci (C.) 32, 35, 38, 55,
65
Schredelseker (P.) 82
Strzygowski (J.) 52
Richter (0.) 35**
Schröder (B.) 26, 43, 52*, 61 (2),
Studniczka (F.) 55**
Ridder (A. de) 17*, 19*,
24*
66, 67
Stückelberg (E. A.) 4**, 61, 71 (2)
Ridgeway (W.) 16
Schroeder (L. v.) 82 (2)
Styger (P.) 36, 61, 66
Ried (H. A.) 46
Schubart (W.) 69*
Sundwall (J.) 22, 86
Riezler (W.) 65**
Schubring (W.) 12
Supka (G.) 50*
Ritterling (E.) 42, 71
Schuchhardt (C.) 40, 53, 67
Swindler (M. H.) 22**, 83**
Rizzo (G. E.) 51*
Schulten (A.) 39, 40* (3), 4i**, 85
Swoboda (H.) 22*, 84**
Robert (C.) 3**, 18, 61 (4), 65, 66,
Schultheß (0.) 4**, 77 (2)
Sybel (L. V.) 52, 66
82 (2)
Schultz (H.) 71
Tafrali (0.) 61
Roberto (G.) 47
Schnitze (V.) 21**
Tagliaferro (N.) 39
Robinson (D. M.) 25, 72
Schulz (B.) 33**, 55**
Tambroni (F.) 31, 36
Robinson (E. S. G.) 23 (2),
71 (2),
Schumacher (G.) 13
Taramelli (A.) 36, 44
74
Schwantes (G.) 68
Taylor (H.) 58**
Robinson Ir. (W. H.) 14,
66, 74
Schwartz (E.) 83
Teglas (G.) 61, 83
Rodenwaldt (G.) 66 (3), 66**
Schwarzlose (K.) 15
Thiele (G.) 56
Reeder (G.) 8, 52, 63*
Schwarzlose (W.) 77
Thieme (U.) 50
Rönneke (K.) 35
Schweisthal (P. J.) 77 (2)
Thienemann (Th.) 77
Rösch (G.) 24, 61
Scott-Moncrieff (Ph. D.) 8
Thiersch (H.) 13 (2), 20*, 54*, 69
Rohrbach (P.) 10*
Seiffert (0.) 3**
Thompson (R. C.) 14 (2), 56
Roltsch (0.) 23
Sergi (G.) 30
Thomsen (P.) 13
'PwfAalos (K.) 19, 22, 25,
55. 61
Sethe (K.) 83*, 83**
Thumb (A.) 22
Roman (C.) 40
Seunig (V.) 16, 20, 24
Thureau-Dangin (F.) 14
Romanelli (P.) 5, 16
Shear (Th. L.) 23, 61
Tillyard (H. J. W.) 85
Romanelli (R.) 40
Shewan (A.) 22
Tittel (K.) 84* (2)
Romstedt (M.) 18
Siebourg (M.) 77
Tod (M. N.) 7, 74 (3)
Rose (H. J.) 82
Siecke (E.) 78 (2), 83
Töwe (C.) 3
Rosenberg (A.) 4*, 29, 82
Sieveking (J.) 41**, 46, 61**
Toscanelli (N.) 27
Roßbach (0.) 3**, 4*, 41
61
Simon (J.) 37
Toutain (J.) 55, 72, 77, 81*
Rostowzew (M. J.) 41, 66
Siren (0.) 52
Treidler (H.) 41
Roth (E.) 86
Sitte (H.) 5, 43*
Trendelenburg (A.) 16**, 24**, 43*
Roussel (P.) 73**
Sittig (E.) 17, 74, 83
Tresp (A.) 83
Rubensohn (0.) 44, 67**
Sixt 76
Troß (E.) 52
Rüsch (E.) 20, 74
Sxiäj CA. N.) 74
Tudeer (L. 0. Th.) 37**, 71
Ruggiero (E. de) 77
Skutsch (F.) 4
Ure (P. N.) 25**, 66
Ruppersberg 41
Smagt (H. van der) 42
UrHchs (H. L.) 58**
Ruzicka (L.) 71
Smith (A. H.) 45 (2), 61
Vaglieri (D.) 31, 31**
Sabatini (F.) 36
Smith (C. H.) 41, 68
Varga (S.) 52
Salac (A.) 82
Smith (E. B.) 52
Vasters (P.) 62
Salinas 28, 71
Smith (G. E.) 8
Vaudouer 62
Salis (A. V.) 28, ^i**
Soghano (A.) 32 (2), 66 (2)
Venuti (B. T.) 44, 62
Samter (E.) 24, 82**, 83*
, 86
Soltau (W.) 35*
Verworn (M.) 52
Sann (G.) 39
Sommer (L.) 83**
Viedebantt (0.) 13, 22, 71 (3), 74
Sarauw (G. F. L.) 86
Sordini (G.) 37
Vimer (R.) 40 (2)
Sardemann (W.) 20**, 74
, 82
Sorrentino (A.) 66
Vincent (H.) 10, 11**, 55
97
Register.
98
Vollbehr (Th.) 52
Weil (R.) 19*, 45*, 73*
Winslow (W. C.) 9, 68
VollgrafE (G.) 17, 74
Weinreich (0.) 83
Winter (F.) 32, 50, 62
Vollmer (F.) 77
Weisbach (W.) 36
Wissowa (G.) 34*, 78*, 83, 83**,
Vürtheim (J. J. G.) 25, 83**, 83
Weißbach (F. H.) 53
86
Vulic (N.) 26
Weißhäupl (R.) 4*
Witkowski (St.) 6
Waal (A. de) 62
Weizsäcker (P.) 4**, 62
Woelcke (K.) 62
Wagner (E.) 44, 62
Weller (Ch. H.) 62
Wolters (P.) 45, 52, 83
Wahrmann (P.) 79*
Weniger (L.) 3**, 68**,
68, 83
Woodward (A. M.) 19, 72
Wainwright (G. A.) 6
Wessely (K.) 71
Wreszinski (W.) 9
Waldmann (E.) 62**
Westberg (F.) 72
Wünsch (R.) 83
Waldstein (Ch.) 62, 62**
Wide (S.) 56, 78*, 81*,
82*
Wüst (E.) 86*
Walters (H. B.) 45, 69
Wiedemann (A.) 6, 7*,
9(2), 9*,
Wunderer (C.) 52**
Warnecke (B.) 86
83
Würz (R.) 53, 53**, 56**
Waser (0.) 4**, 42*, 52, 63*, 66 (2),
Wiegand (Th.) 22**
Wyß (K.) 84
66*, 81* (2)
Wigand (K.) 13, 69
S'jYYOTTOuXo; (A.) 19, 56, 62
Watts (D.) 62
Wilamowitz-MoellendorfE
(U. V.)
Yeames (A. H. S.) 36
Weber (H. H.) 85
51*
Zenker (J.) 42
Weber (L.) 19
Wilberg (W.) 25, 56
Ziebarth (E.) 84*, 86*
Weber (W.) 69**, 83
Wilcken (U.) 9, 19, 68,
83**, 83
Ziehen 17
Wegeleben (Th.) 85
Wilhelm (A.) 18, 21, 24
25, 74*,
Zimmermann (M. G.) 52
Weigall (A. E. P. B.) 9, 14
75 (4)
Zucchini (G.) 29
Weigand (E.) 10 (2), 13, 21, 55 (3),
Willers (H.) 52
Zuretti (C. 0.) 74*
56
Winnefeld (H.) 10, 56
IL ZEITSCHRIFTEN.
Die eingeklammerten Zahlen deuten an, wie oft die Zeitschrift auf derselben Seite erscheint.
Abhandlungen der Königlich Preußischen Aka-
demie der Wissenschaften 12
Abhandlungen der Königlich Sächsischen Ge-
sellschaft der Wissenschaften 55
Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen 12
Alba Pompeia 3, 42
Annales serv. ant. de l'figypte 7, 8, 10, 11 (3), 14
Annales de la Societe d'archeologie de Bruxelles 7
Annual, The, of the British School at Athens 16,
20, 22 (2), 23 (3), 25, 57, 63, 86
Annuario bibliografico di archeologia e di storia
deir arte per 1' Italia i
Antologia, Nuova 34, 35, 36, 42
Anzeigen, Göttingische gelehrte 16, 17, 20, 50, 54,
59, 61, 65, 69, 83
Anzeiger, Archäologischer, des Kaiserlich Deut-
schen Archäologischen Instituts 3, 5 (3), 7, 15,
16, 18, 23, 27, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46 (2), 66 (3),
67, 69, 71, 81
Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde 43,
54, 67, 77, 79, 86
Archiv für Anthropologie 30, 42
Archiv für Papyrusforschung und verwandte Ge-
biete 9 (3), 19, 83 (2)
Archiv für Religionswissenschaft 9, 20, 66, 78, 79 (2),
82, 83
Archivio storico per la Sicilia Orientale 37
Archivio Trentino 47
Art a. Arch. 4, 7, 9 (2), 12, 22 (2), 29, 48, 50, 62
L'Arte 32
Atene e Roma 20, 21, 30, 32, 48, 49, 51, 63, 76
Athenaeum, The 3, 7, 8, 14, 15, 16, 40, 45, 49,
51, 58, 62, 63, 72, 73, 77, 78, 79, 81 (2), 84
Archäolog. Bibliographie.
Atti della r. Accademia di archeologia Napoli
32, 65, 66
Atti e memorie Ist. Ital. 28, 70
Atti r. Ist. Veneto. 77
Ausonia 4, 5, 28, 37, 38, 39, 43, 56, 64
Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte
Bayerns 46
Bericht der Römisch-Germanischen Kommission
I, 42, 69
Berichte der Akademie der Wissenschaften zu
Budapest 61
Bibliothek, Mythologische 78, 83
Blätter für das Gymnasial-Schulwesen 41, 82
Blätter für Münzfreunde 24, 44
Blätter, Hessische, für Volkskunde 78
Bollettino d'Arte 33, 36, 39, 46 (3), 65
Bollettino dell' Associazione Archeologica Romana
30, 31 (2), 32, 33, 34, 36, 57 (2), 64, 77, 79, 84
Bollettino della r. soc. Geogr. 38, 84
Bollettino di filologia classica 37, 74, 76, 81
British School of arch. in Egypt a Egyptian
Research Account 14
Bulletin Mus. bist. Mulhouse 82
Bulletin Soc. Neuchateloise g^ogr. 13
Bulletin annual d'epigraphie grecque 72
Bulletin de correspondance hellenique 7, 17, 19,
20, 24, 26, 81
Bulletin de la Societe Nationale des Antiquaires
de France 13, 39 (2), 41 (2), 46, 60, 67, 72, 76
Bulletin de la Societe Scientifique et Litteraire du
Limbourg 70
Bulletin Hispanique 40 (2)
Bullettino della Commissione archeologica comu-
nale di Roma 28, 31, 32, 33, 34, 35, 38, 46
99
Register.
100
Bullettino di archeologia e storia Dalmata 40
Bullettino di paletnologia italiana 30
Bullettino, Nuovo, di archeologia cristiana 3, 5,
II, 16, 28, 31, 32, 34, 35 (2), 36 (2), 37, 40, 46,
47 (2)
Carinthia 76
Chronicle, The numismatic 3, 17, 21 (2), 25 (2),
45, 60, 70 (2), 71 (2)
Comptes-rendus des seances. Academie des In-
scriptions et Belles-Lettres 11, 17, 24, 29, 33 (2),
39 (4), 41, 54, 75 . . ■
Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften in Wien 23, 54, 80, 82
Dolgozatok az Erdelyi Müzeumbol 67
'E7T:£TT|pic 74
'Ecprj[A£pis dpyaioXoyixT^. 14, 17 (2), 18 (7), 19 (5),
20 (4), 21 (4), 22 (2), 23 (2), 24 (2), 25 (3), 26 (8),
57, 59, 62, 69, 73, 75
Eranos 34, 75, 80
ßrtesitö, Archaeologiai 44 (2), 50, 52, 75, 83
Forhandlinger, ChristianiaVidenskabs-SelskabsSs
Gazette des beaux-arts 3 (2), 65
Geisteswissenschaften, Die 12
Glotta 80
Grenzboten, Die 42
Gymnasium, Das humanistische 16, 24, 48, 51
Hermes 11, 18, 19, 21, 22, 39, 61, 66, 73, 74, 77,
78, 80, 81 (2), 82 (2), 83 (4) 86
Himmel und Erde 67
Imago 79
Institut d'estudis Catalans; Anuari 40
Islam, Der 13
Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archäologi-
schen Instituts 2, 5, 6, 10, 21, 45, 55 (2), 59,
61, 62, 64, 65 (2), 81
Jahrbücher, Bonner 32
Jahrbücher der Akademie Erfurt 23
Jahrbücher, Neue, für das klassische Altertum,
Geschichte und deutsche Literatur und für Päd-
agogik 3, 7, 15 (2), 24 (2), 31, 43, 58, 60, 64, 72,
81, 86
Jahrbücher, Preußische 10, 36
Jahresbericht Frankfurter Verein Geogr. 12, 15,
17
Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Kultur 4
Journal, American, of Archaeology i, 2 (2), 5, 14,
18, 23, 25 (3), 26, 30, 34 (2), 38, 52, 54, 58, 59,
69, 73
Journal, American, of Philology 18, 46
Journal des Savants 4, 5, 14, 18, 36, 38, 40,
48
Journal Egypt. arch. 5, 6 (2), 7 (4), 8 (2), 9, 10,
II, 14, 50. 65
Journal international d'archeologie numismatique
19
Journal of Roman studies 17 (2), 27, 28, 32, 33,
53. 75. 82
Journal, The, of hellenic studies 17, 19, 20, 21,
22 (2), 23 (2), 43 (2), 45, 46 (2), 58 (3), 62 (2),
63, 65, 74 (2), 84, 85
Journal, The, of philology 84
Klio 6, 7, II, 20, 25, 27, 34, 35, 41, 70, 71 (2), 72,
81, 85
Közlöny, Egyetemes philologiai 43, 48, 51, 67, 75
Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der
deutschen Geschichts- und Altertumsvereine
67, 68
Korrespondenzblatt, Römisch-Germanisches 26,
33, 42, 43, 47, 55, 58, 62, 66, 68 (4), 69, 75 (3),
76 (2), 77 (3), 84
Kunst und Altertum 16
Kunst und Künstler 14
Kunstblatt, Christliches, für Kirche, Schule und
Haus 66
Kunstchronik 8 (2), 11 (2), 46, 47, 49, 61
Kunststätten, Berühmte 28, 31
Letterkunde 22, 25
Limes, Der römische, in Österreich 75
Literaturzeitung, Deutsche 4, 5, 8, 10, 22 (2),
23, 25, 28, 40 (2), 46, 49 (2), 51, 59, 62 (2), 63,
78, 79. 81 (2), 83 (2), 85 (2), 86
Literaturzeitung, Orientalistische i, 9, 10 (4),
/i (2), 13. 53. 56 (2), 79 (2)
Melanges de la faculte Orientale Beyrouth 26
Memoires de l'Academie des Inscriptions et Belles-
lettres 19, 70
Memoires de 1' Institut frangais d'archeologie Orien-
tale du Caire 13
Memoires de la Societe Nationale des Antiquaires
de France 40, 41
M e m o r i e della r. Accademia de archeologia Napoli 66
Mitteilungen der geographischen Gesellschaft in
München 24
Mitteilungen der K. K. Zentral-Kommission 31, 34
Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft
6, 79
Mitteilungen, Dr. A. Petermanns, aus Justus
Perthes' geographischer Anstalt 6, 16
Mitteilungen des Kaiserhch Deutschen Archäo-
logischen Instituts
Athenische Abteilung 3, 18 (2), 19, 20, 21
(2), 23 (2), 24, 25 (2), 26, 30, 43, 64, 75
Römische Abteilung 18, 29 (2), 31, 32, 33, 43,
45. 46, 57, 58, 60, 65, 66, 68, 73
Mnemosyne 17, 48, 80
Monatshefte der Comenius-Gesellschaft für Kultur
und Geistesleben 63
Monatsschrift, Internationale 17
Monumenti antichi 16, 29 (2), 36, 51
Musee beige, Le 16, 79
Museum- Journal 60, 63
Museum Journal, The, University of Pennsylvania 22
Museum, Pfälzer 76, 86
Museum, Rheinisches, für Philologie 6, 10, 13, 29,
56 (2), 64, 72, 78, 79, 80, 85
Museumsblätter, Lüneburger 68
Museumskunde 3, 42, 44 (2), 63
Nord und Süd 15
Notizie degli scavi di antichitä 28 (5), 29 (7), 30
(9). 31 (6), 32 (4), 33. 34. 36 (3), 37 (4), 38 (3)
Öf versigt af Finska Vetenskaps-Societetens For-
handlinger 22
Orient. Arch. 51
Orient, Der Alte 10
Palästinajahrbuch des Deutschen evangelischen
Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen
Landes zu Jerusalem I2 (2)
Papers of the British School at Rome 33 (3), 36 (2),
39, 57, 61
lOI
Register,
102
Philologus 53, 76 (2), 85
Philology", Classical 19
ripaxTixa. 18, 21 (3), 22, 26 (2)
Proceedings of the Society of biblical archaeology
9, 14, 81
Quartalschrift, Römische, für christliche Alter-
tumskunde und für Kirchengeschichte 2, 3, 12,
36, 50, 57, 60, 61, 62, 67, 68
Quarterly, Brooklyn Museum 43
Rendiconti della r. Accademia dei Lincei 27,
32, 40
Rendiconti delle sessioni Accademia di Bologna
24, 75 (2)
Rendiconti. R. Istituto Lombardo di scienze e
lettere 37, 38
R_epertorium für Kunstwissenschaft 50
Review, The Classical 38, 80
Revue archeologique 6, 17, 19, 21 (2), 28, 31, 39,
42 (2), 47, 48, 57, 59, 61, 62
Revue bleue 80
Revue celtique 60
Revue critique d'histoire et de litterature 17, 19,
24, 38, 51, 79, 85 . ^
Revue d'histoire et de litterature religieuses 49, 55,
78 (2), 79, 81, 82
Revue de l'instruction publique en Belgique 20, 80
Revue de philologie, de litterature et d'histoire an-
ciennes 17, 19, 78
Revue de synthese histoire 48 (2), 50
Revue des deux mondes 38
Revue des etudes anciennes 75, 77
Revue des etudes grecques 19, 44, 46, 85
Revue des questions historiques 54
Revue, Deutsche 49
Revue hebdom. 3
Revue numismatique 13
Revue Tunisienne 38
Rivista di filologia e d' istruzione classica 20, 26,
28, 33, 51, 76
Rundschau, Deutsche 22, 34 (2)
Rundschau für historische und soziale Wissen-
schaften, Ungarische 15
Saalburg, Die 20, 43, 67, 72
Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in
Straßburg 12
Schriften, Epigraphische und numismatische 4
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften 9, 17, 66
Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften in Wien 10
Sitzungsberichte der Königlich Bayerischen
Akademie der Wissenschaften 6, 11, 16, 40, 48
Sitzungsberichte der Königlich Preußischen
Akademie der Wissenschaften 4 (2), 11, 53, 61, 83
Soc. stör, di Como 29
Sokrates 3 (2), 5, 35, 38, 47, 50, 68, 71, 78, 83,
85 (2)
Studi Romani 26, 28, 29, 30, 33, 57 (2)
Studi storici per 1' antichitä classica 6, 20, 28
Studien, Baltische 41, 67
Studien, Wiener 35, 81
Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia 25
Szemle, Budapesti 59
Tidskrift, Antikvarisk 53
Tidsskrift, Nordisk, for filologi 53, 60, 82
Umschau, Die 14, 51
Verhandlungen der Philologischen Versammlung
zu Marburg a. L. 3, 10, 15, 17, 24, 33, 44 (2),
54, 78, 81, 83, 84
Veröffentlichungen, Wissenschaftliche, der Deut-
schen Orient-Gesellschaft 7
Versuche, Rehgionsgeschichtliche, und Vorarbeiten
80, 82, 83, 84
Vjesnik Hrvatskoga arheoloskoga drustva 47, 70
Wissenschaft und Bildung 15
Woche, Die 32
Wochenschrift, Berliner philologische 3, 4, 15,
17 (3), 19, 20, 21, 22, 23, 24, 26, 27, 28, 31, 32,
34. 35 (3)> 37. 40 (2), 41 (2), 42 (2), 43. 45 (4),
48, 50 (2), 51, 52, 54, 56 (2), 59, 60, 61, 62,
63 (2), 64 (2), 65 (2), 68, 70, 72 (2), 73 (2), 76,
77, 78 (2), 79 (2), 80 (2), 81, 82 (3), 83 (4), 84 (2),
85 (2), 86 (2)
Wochenschrift für klassische Philologie 4 (2), 7,
8, 9, 15 (2), 16, 19, 21 (2), 23 (2), 24, 25, 27,
41, 43. 49. 52, 54 (2), 55 (2). 57 (2), 59, 60 (2),
65, 66, 72, 80, 81 (2), 82 (2), 84, 86
Zeitschrift, Äst. 48, 56
Zeitschrift, Basler, für Geschichte und Altertums-
kunde 70
Zeitschrift, Byzantinische 13, 52
Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 54
Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins 10, 12
.(3), 13 (5) . .
Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben
und >Neuburg 71
Zeitschrift für bildende Kunst 52
Zeitschrift für die Morgenländische Gesellschaft
II, 12
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 4,
16, 18, 22, 38, 43, 50 (2), 51, 70, 79, 83
Zeitschrift für Ethnologie 15, 22, 24, 36, 40
Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaften
47, 52, 80
Zeitschrift, Geographische 41
Zeitschrift, Historische 38
Zeitschrift, Mainzer 76, 85
Zeitschrift, Numismatische 29, 37, 45, 70 (3),
71 (2)
Zeitschrift, Prähistorische 28
Zeitung, Illustrierte 84
Zentralblatt, Literarisches 8, 22, 23, 37, 41, 42,
43, 49, 51. 58, 63, 64, 65 (2), 66, 68, 79, 81 (2), 84
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFEL 1
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFEL 2
TORSO
N DEN KÖNI6L. MUSEEN ZU BERLIN
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFEL 3
ATTISCHE HYDRIA IN KOPENHAGEN
(ZU S. 116).
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFEL 5
BRUCHSTÜCK EINES RELIEFS IN BERLIN
(ZU S. 121).
JAHRBUCH DES
lAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFEJ. 9
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I A
MASSTAB 1 : 1
HA
DIE GOLDBECHER VON VAPHIO
TAHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFED 10
I B
II B
DIK GOLDBECHER. VON VAPHIO
lAHRBUCH DES INSTITUTS XXK 1915
TAFET 11
I C
I C
DIE GOLDBECHER VON VAPHIO
I
AHRBUCH DES INSTITUTS XXX 1915
TAFKL 12
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II D
DIE GOLDBECHER VON VAPHIO
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