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Ja HR BUCH
DES
Deutschen
Archäologischen Instituts
Band xxxvi
1921
MIT DEM BEIBLA IT ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER
BERLIN UND LEIPZIG 1923
WALTER DE GRUYTER & CO.
^^uttenta
— Veii
vormals G. J. Güschen'sohc Verlag^shandlung^ — J. Guttentag-, Verlag-sbuchhandtung — Georg Reimer
Karl J. Trübner — Veit & Comp.
iVV^« '
^tx^
Druck von Walter de Gruyter i'^ Co.. Berlin W. lo
Inhalt
Seite
Delbrueck R., Der Südostbau am Forum Romaniim. Mit Tafel 2 — 9
und 8 Abbildungen 8
Delbrueck R., Nachtrag zu Seite 8ff. »Der Südostbau am Forum
Romanum« 186
Delbrueck R. , Bemerkung 186
Gütschow M. , Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. Mit
7 Abbildungen und 2 Beilagen 44
Lippold G., Doppelseitiges Relief in Barcelona. Mit Tafel 10
und 2 Abbildungen 33
Oelmann F., Zur Baugeschichte von Sendschirli. Mit 7 Abbildungen. 85
Rodenwaldt G. , Fragment eines Votivreliefs in Eleusis. Mit Tafel i
und 2 Abbildungen i
v^Schwendemann K. , Der Dreifuß. Mit 1 Beilage 98
f
IV
Inhalt.
ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER
Spalte
Jahresbericht des Archäologischen
Instituts für das Jahr 1920 I
Institutsnachrichten 272, 358
Eduard Gerh ard- S t ift unp 358
Zographos-Stiftung 357
Baumgart G. , Aus der Heidelberger
Sammlung. II. Mit 4
Abbildungen 288
V. Duhn F., Funde und Forschun-
gen. Italien 19 14 — 1920.
Mit 55 Abbildungen ... 34
Eichler F., Ein neues Pa,rthenon-
fragment 272
HeklerA. , Museum für bildende
Kunst in Budapest.
Ausstellung thasi-
scher Funde. Mit 10
Abbildungen 297
IjjpelA. , Ein Sarapisrelief in
Hildesheira. Mit 1
Abbildung i
KazarowG. 1., Ein Mithrasrelieiaus
Bulgarien. Mit i Ab-
bildung 344
— — ZurArchäoIogie Thra-
kiens (Ein Nachtrag).
Mit 2 Abbildungen .... 346
Matz F. , Zur Wiener Busiris-
vase. Mit 2 Abb II
Noack F. , DieSammlungderGips-
abgUsse nach Wer-
ken griechisch er und
römisch er Skulptur
an der Universität
Berlin. Mit 11 Abb. 15
Oelmann F., Persische Tempel. Mit
5 Abbildungen 273
Spalte
Preuner E. . H. N. Ulrich's Nachlaß 357
SievekingJ. , Zu den Cardelli-Re-
liefs in Rom 347
— — ZurSima von Palai-
kastro. Mit 2 Abbil-
dungen 549
— — Eine Darstellung des
Seneca? Mit i Abb... 351
Studniczka F., Archäologisches aus
Griechenland. Mit 15
Abbildungen 308
— — Zu der ältesten atti-
schen Inschrift.... 340
Are häo logische Gesell Schaft zu Berlin
1921:
Januar-Sitzung (Val. Müller, Delbrueck).
Mit 4 Abbildungen 231
Februar-Sitzung (Neugebauer, Delbrueck).. 237
Außerordentliche Februar-Sitzung (Noack,
Wiegand, Dragendorff, Brückner, Val.
Muller) 238
März-Sitzung (Borrmann, Pernice). Mit 4
Abbildungen 249
April-Sitzung (Schuchhardt, Amelung) 259
Mai-Sitzung (Schäfer) 262
Juni-Sitzung (Ippel, Rubensohn) 262
Juli-Sitzungen (Sundwall, Schede, Bosch-
Gimpera) 354
November-Sitzung (Slrzygowski) 355
Dezember-Sitzung (Studniczka) 357
Archäologische Doktordissertationen
(Wrede, Möbius, Frankenstein) 264
Register 35^
FRAGMENT EINES VOTIVRELIEFS IN ELEUSlS.
Mit Tafel i.
Im Museum von Eleusis liegt ein kleines Relieffragment, das uns einen Blick
in eine verlorene Welt, die Polychromie des attischen Reliefs, tun läßt. Taf I
zeigt es nach einem Aquarell, das Emile Gillieron im Sommer J914 angefertigt hat').
Abb. I. Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.
A. Brückner hatte die Freundlichkeit, es nachträglich nochmals mit dem Original
zu vergleichen und die Richtigkeit aller wesentlichen Angaben zu bestätigen.
Zur Ergänzung dient die in Abb. I wiedergegebene Photographie, die genau von
vorne aufgenommen ist, während Gillieron, um alle Einzelheiten der Bemalung
') Die ursprünglich beabsichtigte Wiedergabe in
Vierfarbendruck war der hohen Kosten wegen
unmöglich. Das gewählte Verfahren, Lichtdruck
mit Handkolorierung, zeigt die Verteilung der
Jahrbuch de» Rrchäologrischen Instituts XXXVI.
Farben, gewährleistet jedoch nicht die Richtig-
keit der Farbnuance und kann den künstlerischen
Eindruck der Vorlage nicht hinlänglich wieder-
geben.
I
Gerhart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.
wiedergeben zu können, einen mehr nach rechts verschobenen Standpunkt gewählt
hat. Das Fragment iiat eine Höhe von 20 und eine Breite von 27,5 cm. Die
Fundnotiz des Inventars besagt: Eöps&rj 1895 sJ? to pcuXEO-r^piov ei? |xr/a ßäöo?. In
der Literatur ist es bisher m. W. nicht erwähnt. Herrn Kuruniotis bin ich für die
freundlich gewährte Erlaubnis der Veröffentlichung zu aufrichtigem Dank ver-
pflichtet.
Erhalten ist die linke obere Ecke eines Reliefs. Die Seitenfläche ist glatt,
nicht als Anschlußfläche gearbeitet. Den oberen Abschluß bildet ein aus einem
lesbischen Kymation und ejner glatten Leiste bestehendes Glied. Auf der Photo-
graphie sind die Spuren der gemalten Herzblätter des Kymations noch deutlich
sichtbar, während Gillieron sie nicht erkannt und daher auch nicht genau wieder-
gegeben hat. Aus dieser Form des Abschlusses und dem Format der Figuren-
reste ergibt sich ohne weiteres die Denkmälergattung, zu der unser Fragment ge-
hört; es ist der Rest eines Weih- oder Urkundenreliefs der älteren, am Ende des
fünften und dem Beginn des vierten Jahrhunderts herrschenden Form, die einen
seitlichen Abschluß des Reliefs durch Anten noch nicht kennt und oben von
einem lesbischen Kymation mit Leiste bekrönt wird ^).
Von den Figuren ist, wenn wir an der linken Seite beginnen, zunächst der
nach rechts gewandte Kopf eines Jünglings erhalten. Es folgt der ebenfalls nach
rechts gewandte Kopf einer Frau. Das Profil hebt sich von dem Schleier ab, der
hinten auf dem Kopfe aufliegt und sich beiderseits schräg symmetrisch nach den
Schultern herunterzieht. Der Schleier ließ die Masse des Haares, die jetzt ab-
gesprungen ist, frei. Der Oberkörper war, wie schon aus der Anlage des Schleiers
hervorgeht, nach vorne gedreht. Er ist ebenfalls abgebrochen ; nur an der linken
Seite der Figur sind die Schulter und die linke Hand, die sich anscheinend an den
Schleier legt, erhalten. Rechts von dieser Figur ist der Schaft einer etwas schräg
nach links in die Höhe gehaltenen Fackel sichtbar.
U^
') Vgl. Milchhöfer, A. M. V 1880, 220t.; Loewy,
Text zu Amdt-Amelung, Einzelaufnahmen Nr.
1220 und 1242. Zu dem Eindringen der An
tenumrahmung aus der ionischen Kunst vgl
' Rodenwaldt, Arch. Jahrb. XXVIII 1913, 323f.
Das älteste Beispiel auf einem Urkundenrelief,
wo wie bei den entsprechenden Grabstelen das
unorganisch über den Anten stehen gebliebene
Kymation deutlich die Zusammengesetztheit zeigt
ist wohl die Urkunde von 405/4 Kern, Inscrip
tiones Graecae Nr. 19, Brunn-Bruckmann 475 a
Dagegen fehlen die Anten auf dem von der-
selben Hand gearbeiteten Relief der Übergabe
Urkunde vom Jahre 400, Svoronos, Athener Na
tionalmusenm Taf. CCIII. Ebenso fehlen sie
auf der Übergabeurkunde von 398/7, Svoronos
a. a. O. Taf. CVII, sowie auf einigen nach der
Form der Inschriften an das Ende des fünften
bzw. an den Beginn des vierten Jahrhunderts zu
datierenden Werken, dem Relief der Xenokra-
teia in Athen, 'E<f. 'Apjr. 1909, Taf. 8; Svoronos
a. a. O. Taf. CLXXXI (vgl. Lippold, Text zu
Brunn-Bruckmann Taf. 679), dem diesem gleich-
zeitigen Relief mit Echelos und Basile, Svoronos
Taf. XXXVIII, und dem Relief mit Herakles
Alexikakos in Boston, A. M. XXXVI 1911, Taf.
II S. 121 (Frickenhaus). Die alte Form hält
sich noch lange neben der jüngeren ; die Anten
fehlen noch auf der Übergabeurkunde von 376,
Svoronos Taf. CCX, während auf dem Relief
der Urkunde des Vertrages zwischen Athen und
Kerkyra vom Jahre 375/4, Svoronos Taf. CHI
die entwickelte Form mit Anten und richtigem
Architrav erscheint. Eine Geschichte der attischen
Votivreliefs an der Hand der datierten Urkunden
wäre dringend erforderlich.
Gerhart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.
Daraus läßt sich mit Sicherheit die Gestalt einer in Vorderansicht stehenden
Köre ergänzen, die in jeder Hand eine Fackel hält. Da von der Hand, die die
Fackel hält, nichts mehr erhalten ist, können wir noch einen weiteren Schluß auf
die Haltung der Arme ziehen. Würde Köre die Fackeln mit erhobenen Unter-
armen halten, wie wir es von zahlreichen Darstellungen gewohnt sind '), so müßte
die Hand an dem erhaltenen Teil des Schaftes sichtbar sein, mag ihre Gestalt bis
zum oberen Bildrande gereicht oder nur die Höhe der beiden anderen Figuren ge-
habt haben. Da dies nicht der Fall ist, muß zumindest der rechte Unterarm
schräg abwärts gesenkt gewesen sein, und damit kommen wir zu dem Motiv, das
im Flachrelief auf der Seite des Naiskos des Reliefs aus dem Asklepieion Svöronos,
Athener Nationalmuseum Taf. XLVIII Nr. 1377 dargestellt ist.
Schwieriger wird der Weg, wenn wir versuchen, die beiden anderen Figuren
zu rekonstruieren. Der nächstliegende Gedanke ist der, daß die stehende Köre,
wie es auf den Reliefs dieser Form und Zeit das Häufigere ist, mit ihrem Kopfe
bis an das ^lymation reichte, daß- links neben ihr Demeter saß, als die wir die
Frau mit dem Schleier zu erkennen haben, und daß hinter ihr eine jugendliche
Gottheit des eleusinischen Kreises stand. Das Schleiermotiv kommt gerade bei
sitzenden Figuren häufig vor^), und in der Zusammengruppierung mit der stehen-
den Köre würden wir die Abhängigkeit von dem Kultbilde von Eleusis 3) er-
kennen. Aber diese Deutung stößt auf eine, wie mir scheint, unüberwindliche
Schwierigkeit. Gehörte der linke Kopf zu einer stehenden Figur, so müßte der
Kopf wesentlich kleiner sein, wie z. B. auf dem Totenmahlrelief Svöronos Taf.
LXXXIII Nr. 1501. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr ist der kräftige Kopf in
den gleichen Proportionen gehalten wie der zierlicher scheinende Kopf der
Göttin. Daß der Meister unseres Reliefs aber einer Figur einen so unverhältnis-
mäßig großen Kopf gegeben haben sollte, ist ausgeschlossen. Es bleibt die Mög-
lichkeit, auch diese Figur sitzend zu rekonstruieren. Dabei kommen wir aber wieder
mit der Deutung in Konflikt. Triptolemos sitzt auf seinem Drachenwagen, wenn
die Szene seiner Aussendung dargestellt wird ; daß er aber nahe hinter der Gruppe
die Göttinnen, die ihm keine Beachtung schenken, sitzend erscheinen sollte, ist
kaum denkbar, und eine andere sitzende jugendliche Figur kommt nicht in Betracht.
So bleibt noch die Möglichkeit, daß alle drei Figuren stehen. Dann könnte
allerdings auch die Köre die beiden anderen Figuren nicht überragt haben. Nun
reichen zwar an den meisten gleichartigen Reliefs die Köpfe der Figuren bis an
den oberen Rand, aber es ist dies durchaus kein Zwang". Es sei nur auf das
eleusinische Rehef der Brückenbauurkunde (A. M. XIX 1894, Taf. VII) und das
Totenmahlrelief bei Svöronos Taf. LXXXIII Nr. 1501 verwiesen. Es scheint, als
ob ein weiteres Detail dagegen spräche, den Kopf der Köre bis zum Rande
reichen zu lassen. Es müßte dann auch die Fackel bis zum Rande reichen. Nun
<) Z.B. Arndt-Amelung Nr. 1241 ; A.M. XVn 1892, Besonders häufig anscheinend in der Malerei ;
130, Fig. 6; XX 1895, Taf. VI. vgl. M. d. I. XII tav. VI, tav. XXVI 5 u. 6.
») Z. B. bei der Aphrodite des Parthenonfrieses. 3) Kern, A. M. XVII 1S92, i25ff.
Gerhart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.
sieht man auf der Photographie unseres Fragmentes deutlich, daß am oberen
Ende bereits die Flamme beginnt und nach rechts umbiegt. Zieht man zwei
allerdings erheblich jüngere Darstellungen zum Vergleich heran, die Köre auf dem
Votivrelief Arndt- Amelung Nr. 1241 und auf dem eleusinischen Weihrelief mit
der Aussendung des Triptolemos '), so sieht man, wie auf dem ersten, wo der
Kopf der Köre an das Gebälk stößt, auch die Fackeln bis dicht heranreichen, so
daß die Flamme von dem Architrav niedergedrückt wird, während auf dem anderen
kaum die Spitze der schräg emporzüngelnden Flamme das Gebälk berührt und
der Kopf der Köre von den Fackeln überragt wird. So, wie auf diesem zweiten
Relief, könnten wir uns das Verhältnis bei unserem Fragment denken. Aber wir
müssen uns bewußt bleiben, daß das alles Wahrscheinlichkeitsrechnungen sind
und daß ganz eindeutige Merkmale für eine bestimmte Rekonstruktion nicht vor-
handen sind. Das beruht eben darauf, daß dieses so unvergleichlich hochstehende
Kunsthandwerk sich an feste Normen und Schemata nicht bindet. Bei aller
festen Typentradition ist keines dieser attischen Votivreliefs eine blo15e Kopie des
anderen, sondern jedes neu gedacht und geformt. Ebensowenig läßt es sich mit
Sicherheit entscheiden, ob unser Fragment zu einem Weihrelief oder zu einem
Urkundenrelief gehört hat*).
Gewisser läßt sich der Kreis stil- und zeitverwandter Werke feststellen.
Eine Gruppe von Votiv- und Urkundenreliefs kann teils nach den erhaltenen Daten,
teils nach der Form der Inschriften um die Wende des fünften und vierten Jahr-
hunderts datiert werden 3). Andere lassen sich aus Gründen des Stils daran an-
schließen. Zu dieser Gruppe gehört das Weihrelief der Xenokrateia und das
Totenmahlrelief Svoronos, Taf LXXXIII, mit denen unser Fragment stilistisch auf
das eng.ste zusammengeht. Gegenüber einer gewissen Herbheit einer etwas älteren
Gruppe von Votivreliefs, zu denen das Relief der eleusinischen Brückenbauurkunde
und das Nymphenrelief des Archandros, Svoronos, Taf XLIV Nr. 1329 gehören 4),
hat sich hier ein Stil von duftiger Weichheit gebildet, lockerer in der Linien-
führung und malerischer in der Formengebung, dazu von größerer Relieferhebung.
Unser kleines Bruchstück enthält in sich den ganzen Zauber dieser gesunden und
heiteren attischen Kunst.
^ Aber nicht die Darstellung und nicht die Formen sind es, die dem Bruchstück
einen ganz eigenartigen Reiz geben, sondern die Farbe. Bis auf die dürftigen Farb-
spuren an den Bauwerken des fünften Jahrhunderts, war uns ja bisher aus dem klassi-
schen Lande des Reliefs, aus Attika, von der Polychromie der klassischen Zeit nichts
erhalten, ^um ersten Male begegnen wir hier erhaltener Bemalung. Auch hier
ist nur teilweise die Farbe erhalten, der blaue Grund um den Kopf des Jünglings
und am oberen Rande der Bildfläche, Reste eines Rotbraun an den Haaren des
>) A. M. XX 1895, Taf. VI. 4) Vgl. Loewy, Text zu Arndt-Amelung Nr. 1242.
') Im erstcren Falle wären rechts ein oder mehrere Vgl. das Fragment bei Arndt-Amelung Nr. 12 18,
Adoranten, im »weiten der Vertreter des anderen i; Svoronos, Taf. XXXVIl. Um 420 ist auch
vertragschließenden Teils zu erganzen. das Kopenhagener Relief, Brunn-Bruckmann
3) Vgl. oben S. 2, Anm. i. Taf. 679 (Lippold) anzuseUen.
Geihart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.
Jünglings, Gelb auf dem Schleier der Demeter"), Rot an den Augen, Augenbrauen
und Konturen der Köpfe, an den Umrissen des Arms und zwischen den Fingern
der Göttin und zur Angabe der Rillen der Fackel ^). Aber das Vorhandene sitzt
so günstig, daß es ohne jede Ergänzung genügt, uns einen vollen Eindruck von
der Farbigkeit zu geben. Erst die Farbe beseelte die antike Plastik. Hier werden
wir einmal unmittelbar der Wärme und Freudigkeit inne, die die Farbe der
Form verleiht.
Das kleine ■/stji.i^Xtov gewährt im Original einen seltenen ästhetischen Genuß.
Aber auch auf die Geschichte der Polychromie des antiken Reliefs wirft es ein ganz
unerhofftes Licht. Einiges ist ganz so, wie wir es erwarten, die blaue Farbe des
Grundes, die rotbraune Färbung des
Haares, die rote Angabe der Lippen,
Augen und Augenbrauen. Es sei da-
für auf Winters ausgezeichnete Dar-
legungen in dem Text zu seiner Aus-
gabe des Alexandermosaiks S. lO und 17
verwiesen. Aber höchst überraschend
ist die Verwendung des Rot für die
Konturierung von Gesicht, Hals und
Gliedmaßen.
Wir kennen diese Konturierung
bisher nur auf Reliefs römischer Zeit.
Am besten ist sie erhalten auf den
Neumagener Reliefs, von denen ein
Beispiel hier Abb. 2 nach Hettners
Illustriertem Führer durch das Trierer
Provinzialmuseum (1903) S. 18 Nr. 16
wiederholt wird. Die Aufnahme ist
nach einem Gipsabguß gemacht, auf
dem die Farben nach dem Original hergestellt sind. Mit braunroter Farbe [sind
hier die Umrisse des Körpers und der Gliedmaßen angegeben, die Vertiefungen
zwischen den Fingern sind in gleicher Weise getönt, auch die Grenze zwischen Haar
und Gesicht ist wie an unserem Fragment durch einen roten Strich bezeichnet. Dar-
über hinausgehend ist auch die Angabe der Gewandfalten durch rote Streifen verstärkt.
Verstärkt ist die Wirkung an diesem Beispiele noch dadurch, daß die Konturen,
in denen das Rot sitzt, auch noch plastisch vertieft sind.
Diese Einritzung ist auf den Neumagener Reliefs nicht obligatorisch ; häufig
und, wie es scheint, gerade auf den älteren Monumenten, sind die Konturen nur
gemalt. Die lang erwartete Verötfentlichung der Neumagener Reliefs wird hoffent-
lich über die Polychromie dieser Werke und ihre kunstgeschichtlichen Zusammen-
Abb. 2. Relief aus^Neumagen.
') Das Gelb des Schleiers ist nur ein dünner Farb-
ton im Gegensatz zu der dicken Schicht des Blau
auf dem Reliefgrundc.
^) Der Ansatz eines Querstriches am oberen Teile
rührt wohl von einem Bande der Fackel her.
Gethart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Kleusis.
hänge abschließende Aufklärung bringen. Vorläufig kann nur auf die sorgfältige
Untersuchung von A. Grenier, La Polychromie des reliefs de Neumagen, Rev. arch.
1904, 245 ff. verwiesen werden. Grenier hat die bisweilen geäußerte Vermutung,
daß diese Konturierung eine Eigentümlichkeit gallischer Kunst sei, mit Recht zu-
rückgewiesen und die stadtrömischen Beispiele gesammelt, auf denen sich teils
gemalte, teils eingeritzte Konturen finden. Es kann kein Zweifel sein, daß die
geritzten Konturen, deren nachweislich ältestes Beispiel wohl die Reliefs vom
Grabmal der Julier in Saint- Remy sind, in allen Fällen ebenfalls mit roter Farbe
ausgezeichnet waren. Als weiteres Beispiel erhaltener roter Konturierung wären
zwei Nebenseiten eines Sarkophages in Budapest (Robert, Sarkophagreliefs III 3, S.
403) zu nennen. Vermutet ist eine solche Konturierung in Alexandrien von
Schreiber, Die Nekropole von Köm-esch-schukäfa 291 und 297 Anm. 18.
Es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß dieser Gebrauch als eine Neue-
rung der römischen Kunst der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts
entstanden ist, sondern es muß eine griechische Tradition vorliegen. Das hat denn
auch Grenier vermutet, ohne daß er wirkHche Analogien hätte anführen können.
Diese bietet zum ersten Male das eleusinische Relief Die Übereinstimmung ist
schlagend. Nur ein Unterschied ist vorhanden, in dem sämtliche Reliefs römischer
Zeit zusammengehen; während bei ihnen die Konturlinie immer auf dem Relief-
grunde sitzt, ist sie bei dem eleusinischen Fragment an der Rundung des Reliefs
angebracht. Aber die Wirkung ist die gleiche, ebenso die Angabe der Haar-
grenze und die Färbung zwischen den Fingern. Der Unterschied in der Anbringung
der Linie hat Bedeutung gegenüber einem etwaigen Einwände, daß die Bemalung
des eleusinischen Reliefs nicht die originale sei, sondern auf eine Restauration
römischer Zeit zurückgehe. Daß man in römischer Zeit ein Votivrelief vom Ende
des fünften Jahrhunderts neu bemalt habe, ist schon an sich nicht gerade sehr
wahrscheinlich, aber immerhin nicht ausgeschlossen. Bei unserem Bruchstück
spricht jedoch nichts dafür; die Linien sind mit der Feinheit und etwas lässigen
.Sicherheit gezogen, die genau dem Stil des Plastischen entspricht, und ein römischer
Restaurator hätte sich vermutlich der Gewohnheit seiner Zeit, die Konturen auf
dem Grunde zu ziehen, gefügt. Die Erklärung der guten Erhaltung der Farben
finden wir vielmehr in der Fundnotiz, daß das Fragment in großer Tiefe gefunden
ist. Wahrscheinlich ist es früh beschädigt worden und bei Fundamentbauten in
die Tiefe geraten, in der eine glückliche Lagerung die Farben konserviert hat.
So läßt sich die in Neumagen vertretene Tradition bis an die Wende des
vierten und fünften Jahrhunderts hinaufdatieren. Es braucht uns nicht zu schrecken,
daß wir ein zweites Beispiel dafür nicht besitzen. Denn es ist uns ja bitter wenig
von der Polychromie des griechischen Reliefs erhalten»), und das Wenige zeigt, daß
es nicht ein kanonisches Schema gab, sondern eine Vielheit von Methoden. Neben
der seit dem fünften Jahrhundert wohl immer überwiegenden blauen Farbe des
') Für das Theseion vgl. .Sauer, D.is sog. Theseion 125 u. 226f. ; Lethaby, Atbenaeum 1913, Aug. i6.
187; für den Parthenon Michaelis, Der Parthenon Im allgemeinen vgl. Winter, .Mexandermosaik 17.
Gerhart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.
Grundes steht der weiße Grund des Alexandersarkophags, neben dem Marmorton
oder der Ganosis der nackten Teile fand sich am Mausoleumsfriese ihre Bemalung
mit Deckfarben"). So kann es uns nicht wundern, hier einem für uns neuen
Verfahren zu begegnen, und es bleibt nur zu fragen, ob wir den Sinn desselben
zu begreifen vermögen.
In ihrer ästhetischen Funktion ist die Konturlinie ohne weiteres einleuch-
tend und begreiflich. Man denke sich die Umrißlinie an dem Jünglingskopf
fehlend. Die kleine weiße Fläche in der blauen Umgebung würde wie ein
Loch wirken, und bei dem Zusammenstoß von Relief und Grund würde sich,
da in dem kleinen Maßstab die Grenzlinie nicht mit genauester Akkuratesse
durchgeführt wird, eine etwas unscharfe Silhouette des blauen Grundes er-
geben. Durch die Umrißlinie wird der Kopf von dem blauen Grunde abge-
setzt und gelöst, die Formen des Kopfes selbst werden zu einer Einheit zu-
sammengefaßt, die zugleich eine farbige ist. Denn der rote Umriß im Verein
mit der roten Innenzeichnung teilt der ganzen von ihm umzogenen Fläche
einen Farbton mit. Daß diese Umrißlinie nur rot sein konnte, erklärt sich ebenso
wie die rote Farbe der Augen aus dem in der älteren griechischen Kunst herrschen-
den Schema der Polychromie ohne weiteres^). Es ist klar, daß die ästhetischen
Anstöße, die die Konturlinie beseitigt, nicht oder in sehr viel geringerem Maße
vorhanden waren, wenn das Relief ein wesentlich größeres Format oder eine
größere Erhebung hatte. Ein größerer, voller gerundeter Kopf hebt sich selb-
ständig aus dem blauen Grunde heraus, zumal wenn er sich unterschnitten vom
Grunde loslöst. Damit mag es zusammenhängen, daß wir auf den größeren grie-
chischen Reliefs, auf denen Farbspuren erhalten sind, die Umrißlinie nicht finden.
Vielleicht ist sie innerhalb des kleinen Formates des Votivreliefs und innerhalb
des Kunsthandwerkes, dem die Herstellung der großen Mehrzahl der Votivreliefs
zufiel, entstanden, oder hat sich darin erhalten 3). Aber wir können nicht erwarten ^
•) Brit. Mus. Catal of Greek Sculpture II 97.
') Vgl. Winter, Alexandersarkoghag S. lü.
3) Nachträglich kann ich ein weiteres, noch älteres
Beispiel der roten Konturierung von einem
Monumentalrelief beibringen, nämlich das Ber-
liner Bruchstück (Inv.Nr. 1531 ; Kekule, Sitzungs-
ber. d. Berl. Akad. 1902, 387 ff; ders., Die grie-
chische Skulptur' 15) der attischen .Stele, die sich
im Metropolitan-Museum befindet (Gisela M. A.
Richter, Handbook oftheClassical CoUection, New
York 191 7, 203, Fig. 121). Die Karbe des Grun-
des ist ein dickes bläuliches Rubinrot. Am Kopf
des Mädchens zieht sich von der Haargrenze ab auf
der plastischen Rundung entlang dem Rande des
Grundes ein etwa 3 mm breiter Farbstrich von
einem helleren, dünneren Rot. Ebenso sind
die Kinger von einem 2 — 3 mm breiten roten
Farbstrich konturiert, der besonders gut am Dau-
men (auch innen, wo er an die Blume anstößt),
an Innen- und Außenseite des Zeigefingers und an
den Gelenken der übrigen Finger erhalten ist.
Kekule a. a. O. 392/. hat den Konturstrich am
Gesicht übersehen und die Farbreste an den
Fingern für zufällig übergeflossene Farbe erklärt.
Unter dem Vergrößerungsglase aber kennzeichnen
sich die Farbreste als deutlich abgesetzte und
durchgezogene Pinselstriche. Wenn die Kontu-
rierung hier auf rotem Grunde, allerdings in
einer anderen Farbennuance, auftritt, dient sie
weniger der Loslösung vom Grunde als der
Zusammenfassung und Tönung der Formen.
Ästhetisch ist sie von großem Interesse. Ihre
Funktion wächst bei blauem Grunde. Es ist wohl
möglich, daß sich bei näherer Nachprüfung die
rote Konturlinie noch an weiteren Monumenten
mit erhaltenen Farbspuren nachweisen läßt. —
8
Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Romanum.
daß das Relief alle Fragen löst, die es stellt; ungetrübt bleibt uns die Freude, das
farbenfrohe Leben eines attischen Reliefs, wenn auch nur an einem kleinen Bruch-
stück, unmittelbar zu genießen.
Gießen. Gerhart Rodenwaldt.
DER SÜDOSTBAU AM FORUM ROMANUM.
Mit Tafel 2—9.
Das sogenannte Templum Divi Augusti '), hier nach seiner Lage zum Forum
als Südostbau bezeichnet, ist vermutlich ein für Empfänge bestimmter Teil der
domitianischen Palastanlage, der unvollendet blieb, dann in hadrianischer Zeit als
Sklavenkaserne eingerichtet wurde; am Ende des Altertums erhielten einige Räume
reiche Dekoration.
Das Grundstück (Abb. i) ist ein westöstlich gestrecktes unregelmäßiges Fünf-
eck; größte Länge von West nach Ost rund 70 m, von Nord nach Süd rund 65 m,
Fläche knapp 4000 qm. Im Osten und Süden war durch die Grenzen des Grundstückes
die Raumbildung beengt und blieben Zwickel übrig. Die Meereshöhe beträgt rund
12 m. Die Grenzen sind folgende:
im Osten der ziemlich schroffe Abhang des Palatin mit dem »Clivus Victoriae«
und dem vom Juturnabezirk südlich emporsteigenden Treppenweg, die 18 m
über dem Forum, etwas über halber Höhe des Hügels, unter einem westlich geöffneten
stumpfen Winkel zusammentreffen;
im Süden die Horrea Germaniciana, die von der Orientierung des Forums
östlich abweichen (Hülsen, Forum^ 169);
im Westen der Vicus tuscus (noch nicht ausgegraben);
im Norden eine Nebenstraße des Vicus tuscus, nördlich vom Castortempel
überragt; östlich anschließend der kleine Platz südlich des Juturnabezirkes.
Der Südostbau muß zur VHI. Region Forum Romanum gehört haben; denn
die konstantinische Regionsbeschreibung zählt die nördlich und südlich benachbarten
Bauten Castortempel, Jutumaheiligtum, Horrea Germaniciana in dieser Region
Obrigens bestätigt der männliche Kopf der Stele
in New York (G. M. A. Richter a. a. O. 205,
Fig. 122) Kekules Zusammenstellung mit der
Aristionstele gegenüber Kleins (Kunstgcsch. I 263)
Vergleichung mit der Grabstele des Diskophoros.
') Ausgrabung 1900/1 durch Giacomo Boni, — Eine
eingehende Bearbeitung begann ich 19 14 gemein-
sam mit dem Architekten Erik von Stockar ; Herr
Julius Darnistätter stellte die Mittel zur Verfügung,
wofür ich ihm auch an dieser Stelle danken
möchte. Auf den unvollendeten Aufnahmen und
Notizen beruht der folgende Bericht, der nicht
den Anspruch erhebt, eine abschließende Ver-
öffentlichung zu sein ; besonders war eine Schluß-
kontrolle an der Ruine nicht möglich.
Literatur zuletzt bei Jordan-Hülsen I 3, Soff. —
Grueneisen, St. Marie Antique 61 ff. (Hülsen); dort
die — unwichtigen — Renaissancezeichnungen. —
Wilpert, Römische Mosaiken 652 S. — Über die
nähere Umgebung des Baues Hülsen, Forum'.
Richard Delbrueck, Der Sttdostbau am Forum Romanum.
auf (Jordan II 553). Lancianis Vermutung (Bull. com. 1890, 115 ff.), daß südlich
vom Forum die zehnte Region (Palatium) bis zum Vicus tuscus gereicht habe, ist
durch die Entdeckung der
\ Viiihxliriri«nViqu5
Wov, Via
Horrea Germaniciana überholt ;
vermutlich war die Grenze der
»Clivus Victoriae«.
Der Südostbau besteht
aus folgenden Teilen:
1. im Osten ein Treppen-
haus;
2. eine mittlere Raum-
flucht von Norden nach Süden
folgen sich: a) ein kleiner Saal,
b) ein Atrium, c) eine Exedra
mit zwei Nebenräumen; in der
mittleren Raumflucht liegt S.
Maria Antiqua;
3. im Westen ein großer
Saal, der die Hälfte des Grund-
stückes einnimmt; infolge des
schrägen Verlaufes der südli-
chen Grenze bleibt zwischen
seiner Südwand und den Hor-
rea Germaniciana ein keilförmiger Zwickel übrig, in dessen breiterem östlichen
Teile ein aus der mittleren Raumflucht und dem Westsaale zugängliches Zwischen-
zimmer liegt (2 d) ;
4. an der nördlichen Straße eine Porticus; an ihrem östlichen Ende ein älterer »
Einzelraum, hier Nordostraum genannt, das spätere Oratorium der 4oMärtyrer (4a);
5. am Vicus tuscus ein Vorbau.
Tibariu»
Palast- ^
LaöEPL&N /v\=-i. -1500
Abb. 1.
I. DER DOMITIANISCHE BAU.
A. Technik M.
I. Baustoffe.
Der Bau besteht aus Mörtelwerk, Ziegeln und Haustein.
Mörtel. — Der Puzzolansand ist rein, scharf, staubreich, bis erbsengroß im
Korn. Er wurde gesiebt, da er sonst größere Brocken enthalten würde, aber nicht
gewaschen, da der Staub geblieben ist. Man unterscheidet drei Sorten : grobkörnig
und braunrot, feinkörnig und schwarzgrau, staubreich und grau; die dritte Sorte
ist schlechter. — Der Kalk ist rein, anscheinend aus Travertin gebrannt. — Der
Mörtel ist ziemlich fett, die Härte schwankt.
') Choisy, L'art de bätir chcz les Romains. — F. Töbelmann, Bogen von Malborghetto. — Am. J. 1912.
230 ff., 307 ff. van Deman.
IQ Richard Delbrueck, Der SUdostbau am Forum Romanum.
Hausteinbrocken (Ziegelbrocken s. "u.). — Selten mehr' als faustgroß.
Neu beschafft Basaltlava für Fundamente, leichter gelber Tuff für Gewölbe; die
übrigen Brocken Abfall oder Trümmer älterer Bauten: Travertin (z. T. aus bearbei-
teten Werkstücken zugeschlagen); Peperin (meist ältere Caementa und Reticulat-
steine); Inkrustationsreste aus weißem Marmor, Giallo und Rosso antico, Affricano,
Pavonazzetto, Porphyr (auch grünem), Granit; Schieferplatten von Inkrustations-
bettungen; Trümmer feiner Marmorskulpturen usw.
Ziegel. — Sie bestehen aus Mergelton, der hart und knollig, in seinen Schichten
ziemlich verschieden ist. — Bei den domitianischen Ziegeln ist der Ton nicht
gründlich durchgearbeitet, da Risse und Knollen geblieben sind. Puzzolansand in
verschiedener Menge ist als Magerungsmittel zugesetzt. Die Ziegel wurden in offenen
Holzrahmen geformt, die Oberseite mit einem nassen Holz abgestrichen, das Schlieren
hinterließ, die Ränder öfters naß mit einem Messer beputzt. Engobe ist nicht nach-
zuweisen. Beim Trocknen sank die obere Fläche nach der Mitte zu ein und bogen
sich die Ränder etwas auf. Der Brand ist ungleichmäßig; gute Steine sind hart, gelb-
rot bis braunviolett; schlecht gebrannte mürbe, blaßgelblich oder grünlich.
Freiliegende Kanten sind fast stets mit der Hammerschneide bearbeitet und zwar
sicher nach dem Brande. — Ziegelformate: Bipedales und Sesquipedales, 60 — 55 und
45—42 cm , meist 4,5 cm stark, selten bis 5,5 cm; sie dienen als Durchbinder, für
Bögen und als Bodenbelag. Bessales, 21 cm^ meistetwa 3,6 cm stark (4,2— 3,2); dia-
gonal halbiert als Verkleidungssteine. — Im Inneren des Mörtelwerks erscheinen
nur einzeln domitianische Verkleidungssteine sowie Trümmer von Bipedales.
Flavische Ziegelstempel finden sich auf Bipedalcs und Sesquipedales; (CIL
XV,.259, 635, 638, 999, 1000, 1006, 1094/7, 1290, 1362, 1449, 1907, vgl. Hülsen- Jordan
I 3, 83 A., 106 und RM. 1902, 79). Mehrmals 1346 (Q. Oppius Natalis) von Dressel
um 120 datiert, von Hülsen a. a. 0. mit Recht als schon flavisch betrachtet; vgl.
S. :i (flavisch), S. 25, 3, a, i (hadrianisch), S. 18 (fraghchen Alters).
Älteres Ziegelmaterial erscheint unter den Brocken des Mörtelwerks,
überwiegend Trümmer feiner hochroter Dachziegel, darunter schon einmal ver-
wendete Verkleidungssteine, ferner Campanareliefs, dünne Tonplatten usw.
Hausteinquadern. Travertine von 0,60 bis 0,90m Stärke bilden die obere
Fundamentschicht; die Bearbeitung ist summarisch, außer an den Stoßfugen. —
Aus gewöhnlichem karrarischem Marmor sind die Stufen der Porticus.
2. Aufbau.
Fundamente bestehen aus einer Bank von Mörtelwerk und einer Deck-
schicht aus Travertinquadern. Die Tiefe ist nirgends festgestellt. Das Mörtelwerk
enthält meist Lavabrocken. Aufgemauert ist es in hölzernen Kästen aus viereckigen
Pfosten und außen vorgenagelten Brettern; es scheint gestampft zu sein, da die Ver-
schalung sich genau abgedrückt hat. Zu oberst liegt auf einer Kiesschicht eine Mörtel-
decke, in der die Travertine verlegt sind. Ihre Fügung ist unregelmäßig, oft eine
Läuferreihe neben ein oder zwei Binderreihen; keine Dübel.
Wände. — Auf der Travertinschicht wurde eine Mörteldecke ausgebreitet
und in dieser die Brocken wie ein lockeres Mosaik verlegt; dann folgte eine zweite
Richard Oelbrueck, Der Südostbau am Forum Romanum. j i
. r ■- — "■ " -
Mörtelschicht usw. Infolge der verschiedenen Dicke der Brocken wurden die Schichten
uneben; daher ist das Mauerwerk in Abständen mit Bipedales oder Sesquipedales
abgeglichen; sie finden sich alle 6 bis i6 Schichten. Die Verkleidung der Wandflächen
besteht aus diagonal halbierten Bessales, s. o., mit der rechtwinkeligen Ecke nach
innen. Mauerecken sind mit parallel halbierten Bessales gebildet, Rundungen ijiit
entsprechend zugeschnittenen. Die Verkleidungssteine bilden gut wagerechte Schich-
ten mit ziemlich regelmäßigem Fugenwechsel. Die Mörtelfugen sind gut verstrichen,
ihre Stärke schwankt infolge der Verschiedenheit der Steine, 1,5 bis 2 cm. Zehn
Schichten messen 52 bis 57 cm.
Anschlußflächen für Wände und Gewölbe treten etwas zurück, außer den
Durchbindern. Die Vcrkleidungssteine sind Ziegeltrümmer, die eine Bruchfläche
oder eine Spitze nach außen wenden. In der Ausführung finden sich Verschieden-
heiten, die nicht immer einen Grund zu haben scheinen. — Gerüstlöcher gehen in
wagerechten Reihen über die Wände. Sie stammen von den Querhölzern der Gerüst-
böden, die eingemauert und anscheinend später nicht herausgezogen wurden, da
die Löcher in der Tiefe oft krumm verlaufen.
Wandbögen bestehen aus Bipedales oder Sesquipedales mit keilförmigen
Mörtelfugen. Die Neigung der Steine ist selten genau radial, die Kurven sind häufig
unkorrekt, besonders am Anfang zu flach. Es finden sich scheitrechte Bögen, Rund-
bögen (meist etwas kürzer als ein Halbkreis), Nischenkuppeln (mit einemi Rund-
bogen eingefaßt). Entlastungsbögen greifen in der Regel nicht tiefer ein, als die
Öffnung, auf die sie sich beziehen.
Freitragende Bögen zeigen die Abdrücke von Bretterverschalungen; Nischen-
kuppcln nicht, wurden also wohl auf einem Erdkern erbaut. Die Gerüste müssen
freigestanden haben, da Löcher von wagerechten Tragbalken nur selten vorkommen,
die Anfänger auch nicht wie später üblich, gegen die Kämpfer zurückgesetzt sind,
um ein Auflager freizulassen.
Gewölbe. — Außer den erwähnten Nischenkuppeln nur Tonnen. Die Wölb-
linie meist etwas kürzer als ein Halbkreis und an den Anfängen straffer. Im Treppen-
haus ansteigende und kegelförmig verengte Tonnen; in den Ecken des Atriums sollten
sie rechtwinkelig umbrechen, s. u. Durchdringungen scheinen nicht vorgekommen
zu sein. — Das Mörtelwerk enthält vorwiegend leichten, gelbgrauen Tuff. Es ist
wagerecht geschichtet.
Meist sind auch die Gewölbe über Bretterschalen gebaut, die sich abgedrückt
haben. Die Gerüste standen frei, wie bei den Wandbögen. — In unzugänglichen
Räumen ist ein anderes Verfahren angewendet. Am Gewölbe finden sich keine
Bretterabdrücke, sondern feiner Sand, Steinbrocken und Erde, die etwas Kalk ent-
hält ; an den Widerlagern, dicht unter dem Gewölbeansatz, Abdrücke der Ränder eines
wagcrechten Bretterbodens. Auf diesem Boden war also ein Erdkern locker auf-
gemauert, der nach Vollendung des Gewölbes fortgeschlagen wurde ; der Vorteil war,
daß man Holz und die für die Herstellung einer halbzylindrischen Form nötige exakte
Zimmermannsarbeit sparte.
I 2 Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Rgmanum.
Die Widerlagsmauern tonnengewölbter Räume sind stets erheblich stärker
und zeigen wenig Durchbrechungen.
Fußböden sind nur in Nebenräumen domitianisch; sie bestehen aus magerem
grauem Mörtel mit Asche und Scherben oder aus Plattenziegeln, die an eine Durch-
binderschicht der Wand anschließen; diese Durchbinderschicht tritt dann meist etwas
vor. So sind auch Türschwellen gebaut, Taf. 2 in den östlichen Substruktionsräumen.
Gemessen ist nach dem Fuß von 0,295 m zu 12 Zoll.
Die Höhenangaben des Textes und der Pläne beziehen sich auf die Oberkante
der Fundamente. Die Orientierung ist dem Plan Notizie 1901 Abb. 13 entnommen.
B. Beschreibung.
I. Treppenhaus. Taf. 2. 4. 5.
Größte Länge rund 45, größte Breite rund 8 m, Richtung nordsüdlich. Im
Osten war die Raumbildung durch den Abhang des Palatin und ältere Mauern
beengt. Die Mittelmauer hat im Fundament keine Travertinschicht; sie enthält
Entlastungsbögen, die sich vielleicht auf Öffnungen in den zerstörten oberen Teilen
beziehen. Die Treppe selbst geht in Rampen von rund 3,5 m Breite empor, mit Po-
desten an den Enden; Stufen erscheinen nur vereinzelt. Die Gewölbe der Gänge
steigen an, mit Absätzen, die durch Quermauern über Rundbögen getrennt werden.
Erhalten vier Gänge, im Westen beginnend.
Gang I. Ausgang in die Porticus in voller Breite, Sturz zerstört ; niedrige Neben-
tür in den nördlichen Saal der mittleren Raumflucht; hohe Haupttür in das Atrium.
Die Steigung beginnt erst südlich der Haupttür. (An der Ostseite Eingänge in Sub-
struktionen, s. u.)
Gang H. Stufen am oberen Ende, wohl auch am unteren anzunehmen. An
der Ostseite Substruktionsräume, In der Nordwand des zweiten Podestes breites
Fenster, mannshoch über dem Boden, entsprechende vermutlich in den höheren
Podesten.
Gang III. Keine Stufen, Gewölbe zerstört. In der Südwand des dritten Po-
destes vermutlich Tür in Nebenräume über der südlichen Raumgruppe der mittleren
Raumflucht.
Gang IV. Gewölbe und nördlicher Teil zerstört, in der Mitte bei rund 18 m
kleine schräge Tür auf den Clivus Victoriae (Richtung des Tiberiuspalastes). Die
Rampe stieg weiter.
Bis zur Höhe des Tiberiuspalastes (etwa 30 m), in den das Treppenhaus geführt
haben muß, sind noch weitere Gänge zu ergänzen.
Substruktionen unter Gang IL Durch Querwände geteilt. Tonnengewölbe,
an den Enden verengt. Im südlichsten Teilraum, unten an der Westseite kasten-
förmige Vertiefung mit nicht verkleideten, glatten Wänden; hier könnte eine Stein-
kiste mit einem Bauopfer eingemauert gewesen sein (Taf. 2). Die beiden südlichen
Teilräume waren bei der Auffindung antik mit Schutt und Sand gefüllt. — Östhch
noch zwei Substruktionsräume.
Richard Delbrueck, Der Sttdostbau am Forum Romanum. j 3
2. Mittlere Raumflucht. Taf. 2. 5. 6, B.
Lichte Weite 19,20 m = 65', Länge auf der Mittelachse rund 55 m.
a) Kleiner Saal. — 19,20 : 20,35 m = 65': 70'. Die Westseite mit dem Ansatz
der Nordwand 28 m hoch erhalten, die übrigen Wände in unteren Teilen. Das nord-
südlich laufende Tonnengewölbe begann schon bei rund 16 m, Scheitel rund 26 m;
Anfang und Anschlußfläche im Westen erhalten. An den Schmalseiten breite Portale;
das nördliche war ursprünglich fast 6,5 m = 22' weit und trug einen bei 8 m auf-
setzenden Rundbogen (noch in gleicher Technik wurde es unsymmetrisch verengt
und erhielt einen tiefer sitzenden Stichbogen; der Grund waren Veränderungen im
Plan der Porticus S. 18 f.). Das südliche Portal ist fast 6 m = 20' weit und hatte
verrtiutlich einen entsprechenden Rundbogen; die Laibungen stehen nur bis 5 m. Am
südlichen Ende der Langseiten führen niedrige Nebentüren mit horizontalem Sturz
in das Treppenhaus und gegenüber in den Westsaal. — Die Wände haben Nischen;
an den Langseiten je 5 — wovon i, 3, 5 rechteckig, 2 und 4 Apsiden sind — , an den
Schmalseiten je eine rechteckige beiderseits der Portale. An der Nordseite ist über der
westlichen Nische die westliche Laibung eines horizontal bedeckten Fensters erhalten,
von der Breite der Nische, aber niedriger, Taf. 5, B. Über dem Portal wird ein größeres
Fenster anzunehmen sein. Ferner erscheint in Kämpferhöhe, hart an der Westwand
die westliche Laibung eines horizontal bedeckten Fensters; also wird hier eine zweite
Fensterreihe zu ergänzen sein; ihre äußeren Fenster wurden innen von den Anfängen
des Saalgewölbes halb verdeckt.
Der zerstörte obere Teil der Südwand wird ebenfalls zwei Fensterreihen ent-
halten haben.
Die Dachfläche des Saales war nach der Höhe der Anschlußfläche des Gewölbes
eine ebene Terrasse. Ob sie überdeckt war, ist nicht zu ermitteln; ein Zugang vom
Treppenhaus ist anzunehmen, aber nicht erhalten.
Vielleicht stand über der Nordwand eine Halle, denn die obere Fensterreihe
hatte anscheinend andere Intervalle als die untere, was bei dieser Annahme ver-
ständlich würde.
b) Atrium. — 19,20 : 21,30 m =65' : 73'. Hoch erhalten die Westwand,
die übrigen in den unteren Teilen. Im Süden öffnet sich die Exedra, rechts und links
führen kleine Türen in ihre Nebenräume; in der Ostwand, am nördlichen Ende die
erwähnte Haupttür in das Treppenhaus; gegenüber in der Westwand eine Nebentür
in den Westsaal, am südHchen Ende der Westwand eine Haupttür in das Zwischen-
zimmer.
Im Boden des Atriums liegt konzentrisch ein Fundamentrechteck. Der Um-
gang sollte ein Tonnengewölbe erhalten, dessen Anschlußfläche an den Außenwänden
bei 6,5 m beginnt; an den mittleren Öffnungen der Schmalseiten konnte es nicht
durchlaufen, da sie zu hoch waren ; wie hier die Überwölbung des Umganges beab-
sichtigt war, ist unsicher, vermutlich durch etwas höher sitzende, quer gerichtete
Tonnen. — Das innere Fundament ist für kräftige Mauern von etwa 1,80 m bestimmt,
die also über das Gewölbe des Umganges hinaufreichten. Vermuthch' waren Öff-
nungen vorgesehen, besonders auf der Längsachse, gegenüber dem nördlichen Portal
Ij Richard Delbrueck, Der SBdostbau am Fonim Romanum.
und der Exedra. Der mittlere Teilraum sollte nicht überwölbt sein, da sonst die
Widerlagsseiten bereits in den Fundamenten stärker sein würden. Wahrscheinlich
ist ein Impluvium, denn von der domitianischen Kloake, die im Umgänge umläuft
(S. 20), geht an der Südseite ein Nebenkanal in der Richtung auf das mittlere Funda-
ment ab. Sonst käme noch ein Dachstuhl in Frage; in diesem Falle mußten die Wände
des Einbau's oberhalb des Umganges Fenster haben. An den Umfassungswänden
sind keine Spuren oberer Geschosse nachzuweisen.
c) Exedra und Nebenräume. — Breite 19,20 m, Tiefe 7 m (das westliche
Seitenzimmer weniger, weil die Südgrenze des Grundstücks schräg läuft). Erhalten
die Wände mit Ansätzen der nordsüdlich laufenden Tonnen; diese haben gleiche
Scheitelhöhe, 12 m, daher liegen bei den schmäleren Seitenzimmern die Ansätze
höher. Äußerlich nachantiker Fußboden rund 0,60 m über den Fundamenten. Türen:
in den nördlichen Wänden der Seitenzimmer und an den Enden der Zwischen-
wände, alle klein. Die Lünetten waren auf der Nordseite oberhalb des Umgangs-
gewölbes geöffnet. In der weiten nördlichen Öffnung der Exedra könnte ein
Säulenpaar gestanden haben; in der Südwand lag eine rechteckige Nische, das Ende
der Längsachse der mittleren Raumflucht bezeichnend. Das östliche Nebenzimmer
hat eine entsprechende Nische, das westliche nicht.
Über der Exedra und ihren Nebenräumen standen noch zwei Stockwerke
unregelmäßiger Räume, mit Zugängen von Süden. Sie bleiben bei Seite, da sie ilirem
Gebrauchszwecke nach nicht zum Südostbau gehört zu haben scheinen.
d) Zwischenzimmer. Taf. 2. 6, A. — Es schließt am südhchen Ende der
Westseite des Atriums an; nördlich grenzt es an den Westsaal, südlich an die Außen-
mauer, westHch an Substruktionsräume. Tiefe rund 6 m = 20', Breite rund 6,5 m
= 22'; je eine hohe Haupttür nach dem Westsaal und dem Atrium, die letztere nicht
axial, da sie sonst mit dem westlichen Nebenraum der Exedra kollidiert hätte.
Westöstlich laufendes Tonnengewölbe, eingestürzt; an den Enden (früher wohl auch
dazwischen), verstärkt durch Querrippen aus Bipedales. — An der Westseite große,
bis zum Boden reichende Bogennische von rund 4,30 m Breite und 2,40 m Tiefe?; in
ihrer Rückwand kleine rechteckige Nische mit Öffnung in die anschließende Sub-
struktion ; in der Übermauerung der Bogennische überwölbter Hohlraum.
Die Bogennische ist nicht konstruktiv bedingt; es fehlt ein Postament für eine
Statue oder einen Sitz, die auch in dem kleinen Räume nicht zu erwarten sind; ver-
mutUch sollte in der Nische ein Ruhebett stehen, vgl. z. B. die Schlafzimmer im soge-
nannten Gefolgequartier der Hadriansvilla, Winnefeld 35 f. Taf. 9.
3. Westsaal. Taf. 2. 5—9. Abb. 2.
32,50 : 23,50 m = 80' : iio'. Erhalten die östhche Längswand und die Schmal-
wände bis über 28 m, von der westlichen Längswand das südliche Ende und das
Fundament. — Haupttüren an den östlichen Enden der Schmalseiten in die Porticus
und das Zwischenzimmer, Nebentüren beiderseits der- Mitte der Ostwand in den kleinen
Saal und das Atrium der mittleren Raumflucht; vielleicht noch eine Tür in der Mitte
der Westwand, s. u.
Die östliche Längswand und die Schmalwände haben in 3 m Höhe Nischen-
Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Romanum.
reihen, abwechselnd rechteckige und Kuppelnischen; an der Ostwand sind es 7, an
den Schmalwänden 4, dazu an den östlichen Enden die erwähnten Haupttüren, die
eine fünfte Nische vertreten. Die mittleren Nischen sind etwas größer; an der Ost-
wand ist es eine Apsis, an den Schmalwänden eine 1 echteckige Nische. Oberhalb der
Nischen läuft bei etwa 12 m ein vertieftes Lager von etwa 2 m Höhe um, vermutlich
für das Gebälk einer Pilasterordnung bestimmt, Taf. 7, A. — Auf der Westseite fehlten
die Nischen und das Gebälklager. Hier tritt das Fundament 1,50 m einwärts vor,
ist also ein Aufbau anzunehmen; seine Höhe wird durch eine bei 12 m beginnende
Fensterreihe bestimmt, s. u. ;
am wahrscheinlichsten ist eine
Säulenstellung. Die Mitte der
Westwand war vermutlich
leicht betont, da die mittlere
frische der Ostwand etwas grö-
ßer ist. Ob eine Tür da war,
läßt der Befund nicht erkennen,
jedenfalls kein weites Portal, da
sonst der gegenüberliegende Teil
der Ostwand analog ausgestal-
tet sein müßte.
Die Schmalwände haben
bei rund 21 m = 70' je 5 Fen-
ster, axial über den Nischen
bzw. Türen, ebenso breit, aber
etwas niedriger, gerade ge-
schlossen; für die etwas brei-
teren mittleren Fenster, deren
Stürze zerstört sind, könnte
man Rundbögen vermuten.
Die äußersten Fenster wurden
schon während des Baus auf-
gegeben und vermauert. Die
östliche Längswand hat nur ein kleineres Fenster über der zweiten Nische von Süden.
Der südliche Stumpf der Westwand zeigt in 12 m Höhe die südliche Laibung
eines rund 5 m hohen, gerade überdeckten Fensters, wohl des letzten einer durch-
gehenden Reihe. Bei der Annahme, daß diese Fenster axial zu dcii Nischen der Ost-
wand standen, ergibt der Abstand der erhaltenen Laibung von der Ecke eine Fenster-
breite von rund 3,50 m mit Pfeilern von nur rund 0,70 m Stärke, die jedoch die Tiefe
der Mauer, 2,40 m, besaßen. Eine zweite Fensterreihe ist schon aus statischen Gründen
anzunehmen. Sie begann bei oder über 20 m, wo außen die Terrasse eines zweiten
Stockwerks des westlichen Vorbau's anschließen sollte, S. 20, 5. Eine dritte Reihe
würde wenigstens bei gleicher Höhe mit dem anzunehmenden oberen Wandgesims
kollidieren.
Abb. 2. Westsaal, Rekonstruktionsskizze.
iQ Richard Oelbrueck, Der Sttdostbau am Forum Romanum.
Die Wände enden, wie gesagt bei über 28 m mit Bruch. Außen am Ostende
der Südwand liegt ganz oben ein scheitrechter Entlastungsbogen, Taf. 6, A; er
greift nicht durch die Wand, bezieht sich also nicht auf das darunterstehende Fenster,
sondern auf ein darüber liegendes Bauglied, vermutlich das äußere Gesims. Demnach
reichten die Wände höher hinauf; vermutlich war ihre Höhe gleich der Breite des
Saales, 32,5 m. —
In der Mitte der Ostmauer führt eine von Osten zugängliche ganz enge und
steile Treppe aufwärts (nicht in den Aufnahmen).
An den Schmalseiten des Saales ist die Mauerstärke größer, 3 m gegen 2,40 m,
und liegen mächtige Widerlager. Also war die Decke des Saales ein über seine Breite
gespanntes Tonnengewölbe, s. u.
An der Nordseite, Taf. 2. 5, A, waren sechs Strebepfeiler; erhalten die vier öst-
lichen und der Ansatz des fünften ; ihr Fundament geht auch in den Intervallen durch^
Diese messen rund 3m ( = Mauerstärke und Mittelnische), die Pfeiler sind rund i,8om
breit (Abstand der Nischen =rund i,6om). Ungefähr entsprechen also die Intervalleden
Nischen, die Pfeiler deren Abständen. Jedoch messen vom zweiten Pfeiler von Osten
ab alle Intervalle 3 m, wie die mittlere Nische, während die seitlichen Nischen nur
2,70 breit sind. Aus diesem Grunde und weil die Pfeiler wie gesagt etwas breiter sind,
als die Abstände der Nischen, verschieben sie sich nach Westen zu gegen die Nischen
und die axial über diesen stehenden Fenster. Es könnte ein Versehen in der Auf-
messung vorliegen. — Der letzte Pfeiler im Westen muß etwas stärker oder das letzte
Intervall etwas weiter gewesen sein.
Unterhalb der Fenster sind die Pfeiler zweimal durch Bogenreihen verbunden,
bei rund 6 m und rund 18 m (jedoch ging im ersten Intervall von Osten die wagerechte
Decke der Tür bis zur Pfeilerstirn durch). Über der ersten Bogenreihe liegen in den
Intervallen Kammern mit parallel zur Wand laufenden Tonnen; ihre Übermauerung
erreicht rund 12 m; von rund 10,50 m an ist außen Anschlußfläche für das Gewölbe
der Porticus (besonders schwieriger Befund). An der Ostgrenze des östlichen Strebe-
pfeilers läuft eine Regenrinne aufwärts, ist jedoch nicht bis oben durchgeführt, s. u.
Oberhalb der Fenstersohle sind nur die beiden östlichen Pfeiler erhalten; der zweite
ist nach Westen zu schmäler, obwohl er noch nicht mit der Fensteröffnung kollidieren
■yyürde. Dies war der Fall bei den folgenden Pfeilern; der dritte und vierte konnten
noch ebenso breit sein wie der zweite, der fünfte jedoch höchstens 1,30 m. Die er-
haltenen Pfeiler enden bei etwa 28 m mit Bruch; vermutlich waren sie durch Bögen
verbunden, womit mindestens 30 m erreicht würden.
An der Südseite, Taf. 6, A, füllen die Widerlager den Zwickel zwischen dem West-
saal und den Horrea Germaniciana aus (Aufnahme nicht abgeschlossen). Sie sind weniger
regelmäßig gestaltet, aber in ihrem Zweck unverkennbar. Am östlichen Ende setzt
sich die Ostwand des Saales in voller Höhe fort und wirkt als Strebepfeiler. Im übrigen
zerfallen die Widerlager in drei Geschosse. Die Einteilung entspricht den Nischen
und Fenstern des Saales sowie den Strebepfeilern der Nordseite nur ungefähr.
Das untere Geschoß reicht bis über 13 m. Den östlichen, breiteren Teil
des Bodenzwickels nimmt das Zwischenzimmer ein; sein westöstlich laufendes
Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Romanum. ly
Tonnengewölbe ist wie erwähnt abnormerweise durch Ziegelrippen verstärkt,
was jetzt durch seine Funktion als Teil des Widerlagers verständlich wird. Der
westliche, spitz zulaufende Teil des Zwickels enthält 4 Strebepfeiler, die oben und
etwa in V3 Höhe durch Tonnen verbunden sind. — Das zweite Geschoß reicht bis
unter die Fenster. Es besteht aus einem tonnengewölbten Gang, der nach Westen
spitz zulief und kurz vor dem Ende der Wand durch einen etwas höher sitzenden
Stirnbogen abgeschlossen wurde (erhalten das östliche Drittel); am östlichen
Ende ging ein Lünettenfenster in das Atrium. Das Gewölbe ist auch hier durch
Querbögen aus Bipedales verstärkt; die Wölbhnie ist singulär steil. Die Strebe-
pfeiler des ersten Geschosses setzen sich im zweiten fort; über dem dritten
Strebepfeiler von Westen ist Anschlußfläche, über dem vierten ein Mauerrest er-
halten ; über dem ersten und zweiten fehlen allerdings entsprechende Reste. — Vom
dritten Geschoß sind nur Spuren da. Schwach charakterisierte, aber unverkennbare
Anschlußflächen für Strebepfeiler erscheinen an beiden Seiten des westlichsten
Fensters und an der Westseite des östlichsten; die zwischenliegenden Fensterpfeiler
sind zerstört, auch hier sind Strebepfeiler anzunehmen ; da sie, wie an der Nordseite,
mit den Fensteröffnungen kollidierten, mußten sie schmäler sein als im ersten Ge-
schoß. Oben werden die Strebepfeiler durch Bögen verbunden gewesen sein. Der
erste und letzte Strebepfeiler standen unkonstruktiver Weise über hohlem Raum,
hatten also nur für die äußere Erscheinung Bedeutung.
Die bei der Errichtung des Südostbaus erneuerte Außenmauer der Horrea Ger-
maniciana reichte bis etwa zur Sohle der Fenster.
Aus dem Befund folgt, daß, wie gesagt, die Decke des Saales ein über die Schmal-
seiten gespanntes Tonnengewölbe war, Taf. 7, A. Die Höhe der Wände wurde oben
mit mindestens 30 m ermittelt und vermutungsweise auf das Maß der Spannweite
= 32,50 m festgesetzt; dann ergibt sich für den inneren Gewölbescheitel die kolossale
Höhe von 32,50 16,25=48,75 m =165'. Ob das Gewölbe ausgeführt wurde, ist
unsicher, vermutlich nicht, da entsprechende Schuttmassen fehlen.
Bemerkungen zu den Rekonstruktionen Taf. 8, Abb. 2, die Wände können unbe-
deutend niedriger gewesen sein; die durchbrochenen Lünetten sind wegen der Fenster
in der Westwand nicht unwahrscheinlich; die obere Fensterreihe der Westwand kann
höher gesessen haben; die untere Pilasterzone ist durch das Lager über den Nischen
gesichert, Einzelheiten unsicher; von dem Vorbau am Fuße der Westwand steht
Ausladung und Höhe fest, nicht die Form; die Dekoration der oberen Wandteile ist
Konjektur, ebenso der rundbogige Abschluß der mittleren Fenster.
Der Eindruck des vollendeten Westsaales wäre eigenartig gewesen. Die
Maße sind riesig; auffallend ist die Betonung der Breite und Höhe gegenüber der
Tiefe. Durch die Fensterfläche der Westwand wurde der Saal bis zum Gewölbe mit
Licht erfüllt; die Fensterreihen der Schmalseiten milderten die einseitige Beleuchtung
und brachten die Tiefen dimension zur Geltung. Der Raum ist abgeschlossen;
nirgends geht der Bück über seine Grenzen hinaus; seine Form ist denkbar einfach:
vier gerade Wände und ein Tonnengewölbe. Die Dekoration der Wände hielt sich
an die Fläche ; nur die Säulenstellung am Fuße der Westwand war rundplastisch ;
Jahrbuch des archäolo|pschen Instituts XXXVT. 2
i8
Richard Delbiueck, Der SUdostbau am Forum Romanum.
ob die tiefen Fensterlaibungen in Erscheinung traten, oder Gitter in der Flucht der
Wand liegen sollten, ist nicht zu ermitteln, das Letztcrc wohl wahrscheinlicher.
Die Dekoration der Wände zerfiel in breite Zonen, die an der Westwand sich durch
andere Bemessung abhoben; durchgehende Vertikalglieder fehlten, doch war die
Jochteilung der Zonen gewiß gleich, so daß die Achsen von oben bis unten durchliefen.
Die Konstruktion trat nicht in Erscheinung und bestimmte den Eindruck nur unbewußt.
4. Porticus. Taf. 2, Abb. 3.
Die Porticus läuft an der Nordseite hin und biegt noch auf die Westseite um.
Ihren äußeren Abschluß bildet am östlichen Ende die Südwand des Nordostraumes,
von der westlichen Laibung des Portals des kleinen Saales ab ein Stufenunterbau;
dieser ist auf der Westseite bis zur inneren Flucht der Nordwand des Westsaales am Boden
zu verfolgen, etwas weiter südlich wird sein Fundament von einer Kloake durchschnitten,
Abb. 3.
das Ende ist nicht festzustellen. Die Stufen bestehen aus wiederverwendeten Blöcken
von karrarischem Marmor. An der Nordseite standen auf dem Stufenunterbau
II Bogenpf eiler, bis auf den nordwestlichen Eckpfeiler in unteren Teilen erhalten.
"Die Westseite hat keine Bogenpfeiler, und die auf dem Stufenunterbau stehenden
hadrianischen Quermauern (S. 26) sind kaum mit solchen vereinbar. Sie wurden also
entweder nicht gebaut oder später abgetragen, s. u.
Die Pfeiler sind 1,50 m =5' breit, l,io m tief und haben Dreiviertelsäulen von
0,55 m Durchmesser, deren Basis durch eine Schräge gebildet wird; eine Bogenstellung
von 10' Weite ist zu ergänzen. Die Anschlußfläche des Deckengewölbes läßt sich,
wie erwähnt, an der Rückwand verfolgen; ihr unterer Rand hegt bei 10,50, der obere
bei rund 12 m. Die Technik der Pfeiler entspricht der domitianischen (ganz gleiche
Pfeiler auch im domitianischem Stadium auf dem Palatin). Der erste Pfeiler von Osten
enthält den Stempel CIL XV 1346 (Q. Oppius Natalis), der am Südostbau sowohl
f lavisch (S. 21) als hadrianisch (S. 25, 3, a, i) vorkommt, vgl. S. 10. Die beabsichtigte
Lage der anscheinend nicht ausgeführten Oberschicht des Paviments der Porticus be-
Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Romanum. |q
zeichnet ein Ausschnitt in den Travertinquadern der Rückwand. Die Unterschicht
besteht zwischen den Pfeilern aus Bipedales, dahinter aus Spicatum; ein faßbarer
Unterschied gegen das sicher hadrianischc Spicatum in anderen Teilen des Gebäudes
ist nicht vorhanden.
Der östliche Abschnitt der Porticus bis zum zweiten Pfeiler zeigt Besonder-
heiten, die einer Erklärung bedürfen, Taf. 5, A. 2.
a) Die Anschlußfläche für das Deckengewölbe der Porticus ist bis zum Bogen-
portal des kleinen Saales durch Anhacken der Wandverkleidung nach unten verbrei-
tert.
b) Über dem Portal wurde sie anscheinend erst nachträglich durchgeführt, wäh-
rend ursprünglich die Wand glatt gewesen zu sein scheint.
c) Der erste Pfeiler von Osten umfaßt die Ecke des Nordostraumes und schiebt
sich vor die Öffnung des Portals.
d) Nachträglich ist die Öffnung des Portals unsymmetrisch verengt, die Lünette
geschlossen.
Anscheinend war die ursprüngliche Absicht l. das Deckengewölbe der Porticus
bis zum östlichen Ende in gleicher Breite durchzuführen, 2. es über dem Portal zu
unterbrechen, wo es vermutlich von einer breiteren, höher sitzenden Tonne überquert
werden sollte; folgerichtig hätte das vor dem Portal stehende Pfeilerpaar
dessen Laibungen symmetrisch flankieren müssen, Abb. 3. — Voraussetzung wäre
die Niederlegung des Nordostraumes gewesen. Da er stehen bheb, mußte entsprechend
seinem etwas größeren Abstände von der Rückwand die Spannung des Gewölbes
im letzten Abschnitte gesteigert, also die Anschlußfläche verbreitert werden. Das
dem Portal gegenüberliegende Pfeilerjoch wurde ferner von Osten verengt und aus der
Achse verschoben ; daher unterblieb das beabsichtigte Quergewölbe und wurde die Tonne
der Porticus auch über dem Portal durchgeführt; hierzu mußte die Lünette geschlossen
werden, was wieder eine Verengerung der Öffnung bedingte. Diese erfolgte unsym-
metrisch, um die Verschiebung des ersten Joches der Porticus gegen das Portal wenigstens
zu mildern. Durch die Niederlegung des Nordostraumes wäre auch ein freier Raum vor
dem Ausgange des Treppenhauses entstanden. — Das letzte Stück der Porticus mit dem
Ausgang des Treppenhauses sollte ursprünglich durch eine Quermauer abgetrennt
werden, deren Anschlußfläche da ist. Den östlichen Abschluß bildet jetzt eine ältere,
schräg laufende Stützmauer aus mehreren Perioden, S. 29, 5, e; gewiß war eine
andere Lösung beabsichtigt.
Der östhche Abschnitt der Porticus hatte ein oberes Geschoß; erhalten ist der
Anfang der östlichen Quermauer (älter) und Spicatum, das unter freiem Himmel
meines Wissens nicht üblich ist. Vor dem Westsaal war ebenfalls ein oberes Stockwerk
beabsichtigt, wie die erwähnte Regenrinne zeigt, S. 16; es wurde jedoch schon wäh-
rend des Baus aufgegeben, da keine Spur einer Decke vorhanden ist.
Nach Errichtung der Porticus bekam der Nordostraum eine Vorhalle (vermut-
lich an Stelle einer früheren, S. 30), die gleichzeitig auf das Portal des kleinen Saales
zuführte. In unteren Teilen erhalten sind 4 starke Wandpfeiler an der Türwand
(deren südlichster gegen den ersten Pfeiler der Porticus gebaut ist), und eine ent-
20 Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Romanum.
sprechende Vorlage an dem zweiten Pfeiler der Porticus. Vermutlich waren es 2 x 4
Pfeiler, die ein Gewölbe trugen. Die Technik gleicht noch genau der domitianischen.
— Die Türwand des Nordostraumes erhielt Inkrustation aus staft-ken weißen Marmor-
platten; Reste des. Sockels sind da; gleichzeitig ist wohl ein Bodenbelag aus weißem
Marmor.
Der Grund, weshalb der Nordostraum entgegen dem ursprünglichen Projekt
stehen blieb, ist vermutlich darin zu suchen, daß es ein Heiligtum der Minerva war,
s. 30.
Den Oberbau der Porticus wegen der Veränderung des Planes auf der Nordseite,
vielleicht auch auf der Westseite, erst nachdomitianisch (dann wohl hadrianisch ?) an-
zusetzen, ist diskutabel; eine Entscheidung läßt sich meines Erachtens nicht treffen;
die Technik gleicht der domitianischen, findet sich aber noch hadrianisch, z. B. an den
Verstärkungsbauten der Domus Augustana; der Stempel des Q. Oppius Natalis er-
scheint wie gesagt am Südostbau in flavischer und hadrianischer Zeit; das Spicatum
ist zu wenig charakteristisch. Vielleicht könnte man durch ausgedehnte technische
Vergleichung weiter kommen.
5. Vorbau der Westseite. Taf. 2. 5.
Erhalten der nördliche Abschluß, eine starke Mauer, nach Westen zu zerstört,
12 m hoch (ursprüngliches Maß), mit breiter Apsis im Norden; auf der Wand des
Westsaales Anschlußfläche für ein Tonnengewölbe, anscheinend unbenutzt. — Der
Vorbau war breiter als die Porticus; eine zweite Apsis im Norden ist ausgeschlossen,
da hier wenig spätere Mauern aufrecht stehen. — Am Südende der Westwand
in etwa 20 m Höhe erscheinen gleichmäßig vortretende Bipedales, darunter eine
Schicht rauhe Verkleidung, — Anschluß für den Plattenfußboden der Terrasse eines
zweiten Stockwerks, Taf. 9. Unter den Bipedales ist die Wandfläche etwa 1,20 m weit
zerstört, dann glatt verkleidet ; also fehlt der Platz für die Anschlußfläche eines der
Breite des Vorbaus entsprechenden Tonnengewölbes ; eher ist eine wagerechte Decke
aus Mörtelwerk oder Holz anzunehmen. Eine Regenrinne für das Dachwasser der
Terrasse geht nicht bis oben durch; daraus ist wohl zu schließen, daß das obere Ge-
schoß schon während des Bauens aufgegeben wurde. (Der gleiche Befund an der
Nordseite. S. 16 )
6. Kloaken. Taf. 2.
Gefälle nach dem Vicus tuscus; allgemeiner Verlauf ostwestlich, ungefähr in
der Orientierung der Horrea Germaniciana, Ausmündung in einen mit annähernd
gleicher Orientierung nordsüdlich unter dem Vicus tuscus laufenden Kanal. — Drei
Abschnitte: a) Treppenhaus, b) umlaufend unter dem Umgang des Atriums, c) durch
den Westsaal. Nur der zweite Abschnitt ist ganz domitianisch, die übrigen früher,
S. 30f . ; er erhält einen sich stark verengenden Zufluß aus der Exedra, und wird durch
ein geknicktes Stück mit dem dritten Abschnitt verbunden; unter der Nordseite des
Umganges eine südlich auf den Einbau gerichtete Abzweigung,S. 14. Ferner domitia-
nisch eine von Norden in den ersten Abschnitt mündende überdeckte Rinne, die an
der Westwand des Treppenhauses hinläuft. Bauweise der Kloake: Boden Bipedales,
Wände normal verkleidet, Decke zwei zusammengelehnte Bipedales. Stempel auf
Richard Delbrueck, Der Sudostbau am Forum Romanum. 2 I
den Bipedales (nach freundlicher Feststellung von Dr. Lugli), CIL XV 638, 1094,
1095, 1097, 1362, ferner 1346 (Q. Oppius Natalis); da die zur Entwässerung des Bau-
platzes nötige Kloake kaum später sein kann, ist auch dieser Stempel hier wohl fla-
visch, vgl. S. 10. Wo die Kloake durch ein domitianisches Fundament geht, ist
eine Lücke ausgespart; man sieht die Abdrücke der Bretterschalung.
Die Regenrinnen in der Nordmauer lassen einen Kanal an ihrem Fuß vermuten,
er ist nicht zugänglich.
Über die älteren Abschnitte a) und c), S. 30, 8, den hadrianischen Kanal im
Einbau des Atriums S. 25, 3, a, l, ein vielleicht hadrianisches Stück im Westsaal S. 25, c.
(Die Erforschung der Kloaken war nicht beendet, als die Arbeit abgebrochen wurde.)
7. Unfertigkeit; ursprüngliche Bestimmung; architektonische Vor-
aussetzungen.
Der domitianische Bau blieb unvollendet:
a) das innere Fundament des Atriums und der Vorsprung des Fundaments
an der Westwand des Westsaales erhielten keinen Oberbau ;
b) im Umgange des Atriums, am westlichen Vorbau und anscheinend auch im
Westsaal wurden die geplanten Gewölbe nicht ausgeführt;
c) nirgends erscheinen sichere Reste von domitianischem Fußboden;
d) Wandinkrustation war geplant, wie aus dem Lager für das Gebälk einer Pi-
lasterordnung im Westsaal hervorgeht — außerdem selbstverständlich ist — , wurde
aber nicht ausgeführt; es fehlt selbst jede Spur der Mörtelbettung sowie der Löcher
für die Klammern, mit denen die Inkrustationsplatten befestigt wurden (Töbelmann,
Malborghetto 8).
Der Südostbau steht durch das Treppenhaus in so enger Verbindung mit dem
Tiberiuspalast, daß er ein Annex der Kaiserpaläste sein muß. Am Forum hat er nur
zwei Eingänge, ist also kein Verkehrsgebäude, etwa eine Basilika; ein Heiligtum ist
durch die Gestalt der Räume ausgeschlossen, ebenso ein Wohngebäude. Hingegen
paßt manches für einen Empfangspalast, ein Seitenstück zu der Domus Augustana
auf dem Palatin. — Der beabsichtigte Verlauf des Verkehrs ergibt sich aus den
Verkehrsbahnen, die besonders durch die Haupttüren bezeichnet werden, Taf. 3.
A. Vom Palatin in den Westsaal (für den Kaiser und sein Gefolge) ; Treppenhaus,
Haupttür in der Westwand des unteren Ganges, östlicher Umgang des Atriums,
Exedra — hier Ruhepunkt — , Haupttür in das Zwischenzimmer (Ruhegemach
für den Kaiser), Haupttür aus dem Zwischenzimmer in den Westsaal; hier kein deut-
Hcher Zielpunkt, am ersten die Mitte der Ostwand.
B. Vom Forum in die mittlere Raumflucht ; nördliches Portal des kleinen Saales
(6,5 m weit, daher für starken Verkehr), Stauung im Saal (rund 400 qm), südliches
Portal, östlicher Umgang des Atriums, an der Exedra vorbei, durch den westlichen
Umgang des Atriums zurück in den kleinen Saal und auf das Forum. (Für Treppen-
haus und Westsaal wäre das Atrium ein Umweg, das Zwischenzimmer ist wohl zu
klein um einen so starken Verkehr, wie er den Portalen des kleinen Saales entspricht,
passieren zu lassen.)
Die Bahnen A und B berühren sich an der Exedra; hier hätte ein vorbeidrängen-
22 Richard Delbrueck, Der SOdostbau am Forum Romanuro.
der Zug den Kaiser flüchtig begrüßen können; die Nebenräume der Exedra eignen
sich für Wachen. — Möglich, daß die Exedra außerdem Kultraum werden und im
Atrium ein Brandaltar stehen sollte. — Querverbindungen gingen aus den beiden
Türen des Treppenhauses durch die gegenüberliegenden Nebentüren in den
Westsaal.
C. Vom Forum in den Westsaal führte dessen nördUche Haupttür; ein Ziel für
den Verkehr ist architektonisch nicht gegeben ; er hätte sich im Saale verteilen müssen,
der also zu längerem Aufenthalt bestimmt sein sollte; das entspricht auch seiner
Kolossalität. Hier sollte wohl der Kaiser in einem engeren Kreise von Gästen ver-
weilen. Durch die Annahme, daß die Verteilung der Menschen durch Möbel näher
bestimmt sein sollte, käme man auf einen Speisesaal, der mit rund 750 qm etwa 150
bis 200 Menschen hätte fassen können; das Zwischenzimmer wäre bei dieser Auf-
fassung vielleicht als abgesondertes Speisezimmer für den Kaiser zu betrachten.
Ich möchte also für den Südostbau die Bezeichnung »unvollendeter Empfangs-
Palast des Domitian am Forum« vorschlagen. Unter den Bauten Domitians (Jordan
n 31 ff.) ist er nicht genannt, begreiflicherweise, da er unvollendet blieb.
Der Empfangspalast bildete den westlichen Abschluß der Bauten, durch die
Domitian den Palatin umgestaltete. Neu errichtet wurden der Hauptpalast (Domus
Augustana), mit den südlich anschließenden Sälen, der kleine Palast am Zirkus Maxi-
mus und das Stadium, umgestaltet der Raum zwischen Nova Via und Tiberiuspalast.
— Daß Domitian, wie vor ihm Caligula »Palatium Forum usque promovit« und daß
er gerade die Repräsentation dorthin verlegen wollte, war der Ausdruck seiner gegen
den Senat gerichteten Politik; in gleicher Absicht stellte er seine riesige Reiterstatuc
mitten auf das Forum und errichtete gegenüber dem Tempel des Divus Julius den
des Verspasian. Diese politische Bedeutung würde verständlich machen, daß der
Bau des Empfangspalastes nach dem Tode und der Damnatio memoriae Domitians
nicht fortgeführt wurde.
Gefordert waren für den Südostbau anscheinend hauptsächlich ein Aufgang
zum Palatin, ein großer und ein kleiner Saal. Die Raumeinteilung war bestimmt:
a) durch konstruktive Voraussetzungen; der Architekt verwendete tonnen-
gewölbte Räume, die von den Stirnseiten her beleuchtet werden mußten;
b) durch die Umgebung des Bauplatzes (Abb. i ) ; die Treppe zum Tiberiuspalast
mußte am Abhang des Palatin liegen, die Südseite des Bauplatzes wurde durch die
etwa 20 m hohe Horrea Germaniciana abgeschlossen, die westliche Hälfte der Nord-
seite durch den 35 m hohen Kastortempel verdunkelt. Also mußten die Licht zu-
führenden Stirnseiten der beiden Säle am Vicus tuscus und dem Juturnabezirk
liegen. Daraus ergab sich die Breite beider Räume; die Tiefe des Westsaales wurde
beschränkt durch den kleinen Saal, die Tiefe des kleinen Saales durch das für die
Beleuchtung des südlichen Teiles der mittleren Raumflucht nötige Atrium.
Da die Widerlager des Westsaales Fenster haben sollten, mußten sie über die
Horrea Germaniciana und den Schatten des Kastortempels emporgeführt werden.
Die Höhe des kleinen Saales war vermutlich dadurch beschränkt, daß die östliche
Lünette des Westsaales durchbrochen sein sollte.
Richard Dclbrueck, Der Südostbau am Forum Ronianum.
Die Binnenwände sind großenteils Widerlager der tonnengewölbten Decken;
daher blieben die nebeneinanderliegenden Räume gegenseitig ziemlich abgeschlossen.
Aus der Lage des Südostbaus im Mittelpunkt des Verkehrs ergab sich, daß
seine freien Seiten von Portiken eingefaßt wurden.
II. DIE HADRIANISCHEN EINBAUTEN. Taf. 2. 4. 6, B. 7, B., Abb. 4.
Nachträglich wurde der Südostbau für praktische Zwecke eingerichtet. Zwei
Perioden sind zu scheiden. Die zweite ist durch Stempel hadrianisch datiert, die erste
kaum älter, da die Technik identisch ist. —
Die Mauern enthalten fast nur Ziegclbruch; die
Verkleidungssteine sind zugeschlagen aus dun-
kelroten, mittelguten Dachziegeln, seltener aus
Bipedales oder Bessales; wenig Durchbinder,
grauer Mörtel; Stempel CIL XV 78, 319, 500;
123 n. Chr. Gewölbe sind an den Auflagern zu-
rückgesetzt, manchmal mit Plattenziegeln ge-
füttert. Häufig ist mittelgutes Spicatum aus
roten und gelben Steinen.
A. Erste Periode, — gesichert nur im
Treppenhaus. Wandsockel aus festem starkem
Ziegelputz; Spicatam, dem Putz gleichzeitig,
an dessen untere Schicht es anschließt. (Kleines
älteres Stück feines gelbes Spicatum im un-
teren Gange des Treppenhauses, am Beginn der
Steigung, S. 29.)
Latrine auf dem ersten Podest, Abb. 5. Loch in der Südosteckc, davor niedriger
Mauerwinkel mit Türöffnung nach Norden ; etwas südlich Quermaucr über den Podest,
rund 4 m hoch, Tür am östlichen Ende. (Die Mauern der ersten Periode sind im
Plan Taf. 4, A und auf Abb. 5 dunkler schraffiert).
B. Zweite Periode.
1. Treppenhaus. Zwei Treppen an der Latrine:
a) abwärts zum Atrium, roh aus der Mauer geschlagen, Travertinstufen; gegen-
über dem oberen Ende neuer Zugang zum Loch.
b) auf den Umgang des Atriums; einige Stufen vor der Quermauer der ersten
Periode, dann westUch aufwärts auf einem steilen Schwibbogen, dessen unteres Ende
erhalten ist (gefüttert mit Bessales); am oberen Ende durchgebrochene Tür. Gegen
Norden wurde die Latrine durch diese Treppe abgeschlossen, daher der neue Zugang
vom Atrium her. Stempel auf einer der ersten Stufen CIL XV 319, 123 n. Chr. und
auf einem Bessalis am Schwibbogen ebenda 500, 123 n. Chr.
2. Atrium. Taf. 2. 6, B.
a) Aufbau auf dem inneren Fundament; nur 0,85m Wandstärke; an den Schmal-
seiten breite Öffnungen mit Rundbögen (Ansätze erhalten); an den Langseiten je drei
Abb. 4. Siidostbau, Planskizze, hadrianischer
Zustand, I : 1500.
24
Richard Delbnieck, Der Sadostbau am Forum Romanum.
Joche mit quadratischen Zwischenpfeilern, ursprünglich scheitrecht überdeckt
(Ansatzspur am südwestlichen Eckpfeiler); das Kämpferprofil der Rundbögen,
— Schräge und Platte — lief um. Stempel am ersten Zwischenpfeiler der Westseite
CIL XV 78, 123/7 n. Chr. — Die Öffnungen des Einbaus waren durch Schranken-
mauern geschlossen (im Westen schwächer), von denen untere Schichten erhalten
sind; ein Zugang scheint nur in der Mitte der Südseite gewesen zu sein; Befund schwie-
rig und nicht restlos klar.
Abb. 5. Abtritt im Treppenhaus.
b) Tonnengewölbe im Umgang, etwas tiefer sitzend als der domitianischen An-
schlußfläche entspricht; an den Schmalseiten in Verlängerung der Bogenöffnungen
des Einbaus überquert von breiteren Tonnen, die auf Segmentbögen ruhten; da
die gegenüberliegenden Bogenöffnungen der Umfassungsmauer nicht genau ent-
sprachen, mußten sie niedriger, im Süden auch enger gemacht werden. Oben trägt
das Umgangsgewölbe Ziegelestrich. — Auf dem östlichen Abschnitt des Umgangs
niedrige, tonnengewölbte Galerie; erhalten am nördlichen Ende Spur der Tonne
mit einem Bipedalis von der Fütterung, Stempel CIL XV 319, 123 n. Chr. Eine
ähnhche Galerie im Westen wird durch den stark zerstörten Befund nicht ausge-
schlossen.
Richard Delbtueck, Der Sttdostbau am Forum Romanum.
25
c) Fußboden.
a) Bettung: Spicatum, zwischen den Pfeilern Bipedales; im Einbau rund 0,25 m
tiefer. Um den inneren Rand des mittleren Fundaments läuft im Norden, Osten und
Westen dicht unter dem Spicatum ein kleiner Wasserkanal, nach der Technik sicher
hadrianisch; unlesbarer Stempel mit kleinem Orbiculus; Abfluß östlich in die domi-
tianische Kloake, nachträglich angelegt. In der Mitte des Einbaus, etwas östlich
verschoben, achteckiges flaches Stück Mörtelwerk, außen verkleidet, oben glatt,
s. u., nordsüdlich von einer Furche durchschnitten, die für ein Wasserrohr passen
würde; vielleicht Unterlage für ein tellerartig flaches Marmorbecken mit kleinem
Springbrunnen, wie vor der Kurie (RM. 1902, 37).
^) Oberschicht. Im Einbau zerstört; die Höhe gesichert durch ein Stück
Wandsockel aus weißem Marmor am nordwestlichen Pfeiler und die glatte Oberfläche
des Achtecks. — Im Umgang Marmormosaik, von dem einige weiße Würfel an der
Westseite des Einbaus kleben (Taf. 2 durch Stern bezeichnet). Der Niveauunter-
schied ist derselbe wie bei der Bettung, rund 0,25 in (nicht genau notiert). — Aus
dem Niveauunterschied und dem Wasserkanal folgt mit Wahrscheinlichkeit, daß
der mittlere Teil des Atriums auch in hadrianischer Zeit nicht überdeckt war.
7) Wandputz. Spuren an den Wänden des Atriums, gut erhalten in der Exedra
und ihrem östUchen Nebenraum; dort Malerei »vierten Stils«; im oberen Teil der
Wand — der untere ist verdeckt, S. 27, leichte flüchtige Phantasiearchitektur; in
Kämpferhöhe und am Gewölbescheitel Bandgeschlinge mit figürhchen Medaillons,
erhaltene Farben rot und kupferblau. (Es ließe sich noch mehr feststellen, vergleich-
bar sind die Malereien in den unteren Zimmern der hadrianischen Apsis am domi-
tianischen Stadium.)
3. Westsaal. Taf. 2. 7, B.
An den Langseiten waren Einbauten von je 3 Stockwerken zu 7 tonnengewölbten
Kammern; Auflager der Gewölbe bei rund 7,14, 21 m. Datierung durch die Mauer-
technik. Schlecht erhalten, Beobachtung nicht abgeschlossen.
a) Fußboden.
1. Unterschicht; an der Westseite, rund 0,70 m unter der Oberkante des
Wandfündaments ; Spicatum (älter, S. 2X), darinQuerreihenvon Bipedales entsprechend
der Stirnwand und den Querwänden des Oberbaus; Stempel CIL XV 1346 (Q. Oppius
Natalis) hier nach dem Befund hadrianisch, S. 10. Die Querreihen greifen mit dem
östlichen Ende auf den Fundamentvorsprung an der Westwand des Saales über,
dessen obere Travertinschicht nachträghch fortgenommen ist; Abdrücke einzelner
Blöcke sind zu erkennen. Das dem Einbau entsprechende Stück der älteren, großen
Kloake des Westsaales ist gebaut wie die domitianische Strecke unter dem Atrium,
vermutlich aber erst hadrianisch (Stempel nicht notiert).
2. Oberschicht; an der Ostseite, dicht über den Travertinen des Fundaments,
Spicatum, darunter ein Boden aus Bipedales auf Pilae aus Bessales = Hypokausten.
b) Oberbau.
I. erstes Geschoß: an der Ostwand, südlich der mittleren Nische, Stumpf einer
Quermauer (wo die nächste Quermauer nach Süden zu liegen müßte, ist auffallender-
26 Ricliard Ddfaiae^ Der Sldosibaa am Fonmi Romamm.
weise Spicatum erhalten, vielleicht war hier eine Tür) ; vor der Westwand die Bettung
der Stirnmauer und der Quermauem s. o., a i. An den Schmalwänden nachträglich
eiiigehackte Auflager für die äußeren Schenkel der letzten Gewölbe: eine Lücke in
den Auflagern und Spuren an den Wänden lassen erkennen, daß die Kammern durch
eine nordsüdlich laufende Zwischenmauer geteilt wurden.
2. Zweites Geschoß, entsprechende Auflager;
3. Drittes Geschoß dgl. ; femer an den äußeren Laibungen des zweiten und
vierten Fensters auf der Sohle Anfänge der Stimbögen, etwas tiefer Spuren der
Stirnwände. An der Ostwand Putzreste von den Rück\^'änden der Kammern.
4. Das Fenster der Ostwand ist fast bis oben nachträglich vermauert ; die höchsten
Schichten der Füllung haben rauhe Anschlußfläche, anschließend geht ein ange-
hackter Streif über die Ostwand und eine Spur über die Nordwand ; vermutlich An-
schluß für einen Dachestrich.
5. Im Saale liegt das Kopfstück einer Zwischenmauer mit dem Ansatz zweier
divergierender Stichbögen, die unten Bruch zeigen, also auf Mauerwerk lagen ; dem-
nach waren die Kammern nicht in voller Breite geöffnet. Die Ziegeltechnik des
Stückes ist charakteristisch hadrianisch.
Auf den Fenstersohlen der Schmalseiten stehen untere Schichten schwacher
Mauern; sie waren also mindestens teilweise zugesetzt. Das Lager über den Nischen
ist vermauert, ebenso die untere Hälfte der Mittelnische der Ostwand. Möglich ist,
daß der Einbau auch an den Schmalseiten umlief: der Befund war nicht ge-
klärt, als die Arbeit abgebrochen wurde.
Anzunehmen sind Galerien vor den oberen Stockwerken und Treppen. Das
rohe Travertinpflaster zwischen den Einbauten könnte zum Teil ursprünglich sein.
Außen vor der Westwand läuft eine Reihe entsprechender Kammern, die
aber nach Norden zu 2 Räume mehr hat. Die Quermauem sind mannshoch erhalten;
vom enden sie in etwas breiteren Pfeilern, die mit Bessales verkleidet sind. Der Boden
besteht aus Spicatum; ob Hypokausten da sind, läßt sich nicht feststellen. Das
Intervall in der Querachse des Westsaales ist etwas enger, vielleicht lag hier eine Tür,
S. 15. Die nördlichste Ouermaucr ist etwas stärker; sie war also die letzte und die
Kammern waren über\s"ölbt. Über das \'erhältnis zur Porticus S. 18, 4. In der süd-
lichsten Kammer steigt eine Treppe empor. — \'ermutlich waren auch hier drei
Geschosse vorhanden. Westlich von den Kammern muß ein überdeckter Raum ge-
legen haben, da sie breit geöffnet sind.
Zweck der hadrianischen Umbauten. — Die Hypokausten führen
darauf, daß die Kammern bewohnt waren : das .\trium und die Exedra konnten zu
gemeinsamem Aufenthalt dienen, .\hnlich, nur etwas vornehmer ist das sogenannte
Gcfolgequartier der Hadriansvilla (Winnefeld 35 f. Taf. IX). Es handelt sich also
um eine Sklavenkaseme für die Kaiserpaläste, mit über 60 Cellae von rund 4 : 6 ra
Bodenfiäche.
Daß die Porticus möghcherweise erst hadrianisch ist, wurde er\vähnt S. 20.
Sicher spät ist ihr mürber weißer Putz; unter ihm ist die Wandflächc mit kleinen,
Ridiaid Ddbnieck, Der Sldosäno am Fonim Romanam.
27
breitköpfigen eisernen Nägeln unregelmäßig besetzt, die vermutlich durch Fäden
verbunden waren, um dem Putz Halt zu geben.
Ejnige nebensächliche hadrianisrhe Veränderungen und Zusätze bleiben bei
Seite.
ni. DIE SPÄTANTIKE AUSSCHMCCKUNG.
In der Spätantike erhielten das Atrium, die Exedra und ihr östlicher Nebenraum
kostbare Dekoration. Vom Paviment sind im Einbau des Atriums große Platten
aus grauem Granit erhalten; im Umgang ist es zerstört, in der Exedra jünger. Die
quadratischen Pfeiler des Einbaus wurden durch Säulen ersetzt, wobei Stümpfe der
Pfeiler als Postamente blieben. Die Säulenschäfte sind aus grauem Granit, spätantik,
die weißen Basen und Kapitelle älter. Die Inkrustation der VV'ände ist am besten
erhalten in der Exedra und ihrem östlichen Nebenraum: Reste von weißem Marmor-
Abb. 6. Spätantike Kapitelle.
sockel, darüber in der Südostecke der Elxedra etwas buntes Opus sectile, sonst Mörtel-
bettung mit Abdrücken und Klammcrlöchem. Die Inkrustation bestand aus niedrigen
Pilasterzonen und reichte bis zur Höhe der Nischen; darüber lag die hadrianische
Wandmalerei frei. Im Atrium finden sich nur Klammerlöcher und geringe Reste der
Mörtelbettung.
Wahrscheinlich zugehörig sind Wandkapitelle und andere Teile einer Relief-
architektur aus feinem durchscheinendem weißem Marmor, um 400 n. Chr. (AM.
1914, 46 f. Taf. VI 3 und 6. Weigand). Abb. 6.
Ob der Mittelraum des Atriums überdeckt war, ist nicht zu entscheiden; ich
möchte vermuten, daß es der Fall war, und daß vier große, nachträglich eingehauene,
noch später wieder zugesetzte Balkenlöcher an der Westwand, oberhalb des Um-
ganges, in diese Zeit gehören. (Taf. 5, B.)
Der Baubefund er^bt nicht, ob die neu geschmückten Räume schon eine
Kirche waren; wahrscheinHch ist es. Die späteren Veränderungen werden hier
nicht behandelt, obwohl zu den bisherigen Bearbeitungen mancherlei nachzu-
tn^en wäre.
28
Richard Delbrueck, Der SQdostbau am Forum Romanum.
IV. VORDOMITIANISCHE RESTE. Taf. 2. 4, A. Abb. 7.
I. Im westlichen Teil des Westsaales, in der Orientierung der Horrea Germani-
ciana nordsüdlich laufende Fundamentbettung mit Quaderrest aus mürbem grauem
Tuff, frührepublikanisch.
2. Ebenda und m gleicher Richtung Tabernae aus kleinsteinigem Retikulat,
augusteisch.
3. Im kleinen Saal, westlich der Mitte, der Längsachse parallel, ein Stückchen
von der Ostseite eines sehr gut gebauten Mörtelfundaments, augusteisch ?
4. Für die in domitianischer Zeit neu erbaute Nordmauer der Horrea Germani-
ciana ist das augusteische Fundament benutzt.
5. Hofanlage, ungefähre
Cditortemptl.
TJUIiUl "
r-> r-~-
bofonlagf unfiKdtin
Orientierung der Horrea Germa-
niciana, mit Abweichungen im
Einzelnen. Vgl. Abb. 7 ; die Buch-
staben entsprechen dem Text.
a) In der mittleren Raura-
flucht, nordsüdlich gestreckter La-
cus, etwa 8,5 : 27,5 m, oben zer-
stört ; Wandverkleidung meiner
Erinnerung nach Bessales von
harter, etwas löcheriger Qualität,
ähnhch f lavischen; an den Wän-
den flache Einsprünge, abwech-
selnd eckig und konkav, da-
zwischen Falze; Marmorbelag, auf
den Schmalseiten kleine Treppen
aus Mörtelwerk.
b) Nördlich des Lacus un-
deutliche parallele Fundament-
reste im kleinen Saal und in der
Porticus, wohl von einer Säulenhalle. (Im zweiten Joch der Porticus wieder ver-
schüttet, ältere Aufnahmen Notizie 1901, Abb. 13. — RM. 1902, Taf. IV.) Wenn
im Süden eine entsprechende Halle lag, blieb bis zu den Horrea Germaniciana noch
Platz für Räume übrig.
c) Etwa 16 m westlich des Lacus im Westsaal, Fundamente einer Raumgruppe;
I. nördlich geöffneter Raum mit flacher Apsis im Süden, Spicatum S. 25 ; 2. südlich an-
schließender Raum, Pavimentbettung aus Dachziegeln; im nordöstlichen Teil des Saa-
les starkes, westöstlich laufendes Fundament, östlich und südlich anscheinend beendet.
d) Am ersten Podest des Treppenhauses in der Ostmauer die Rückwand eines
westhch geöffneten Raumes. Verkleidung aus dichten mürben fuchsroten Bessales,
keine Durchbinder, oben vollständig; beide Enden verschwinden hinter domitiani-
schem Mauerwerk, nach Norden scheint die Mauer zerstört zu sein.
Abb. 7.
Richard Delbrueck, Der SUdostbau am Forum Romanum. 2Q
Ein kleiner südlicher Teil (2 m) liegt in der domitianischen Mauerflucht; der
größere nördliche (7 m) trat ursprünglich etwas vor und ist bis zum Fuß abgehackt;
vor dem Rücksprung der Wand wird eine Quermauer gelegen haben. In der Mitte
des nördlichen Abschnitts rechteckige Nische, am nördlichen Ende Anfang der Krüm-
mung einer großen Apsis, die wohl in der Mitte der Wand lag. Vermutlich lief die
erste Strecke der Kloake (s. u. 10, a) außen an der Nordwand hin, ihr zweiter nörd-
licher Zufluß an der Westwand; dann war der Raum etwa 15 m breit (die Lage der
Apsis stimmt) und 8 m tief. Die Wände waren rund 9 m hoch, wenn die Nischen
3 m über dem Boden begannen. — (Ein Stück feines Spicatum im Anfange der Steigung
des Treppenhauses gehört wegen der Richtung der Spicae, die der domitianischen
und augusteischen (3.) Orientierung entspricht, nicht zu diesem Raum. Es schien
mir vordomitianisch zu sein.)
e) Eine Stützmauer, die vom nördlichen Teil des Treppenhauses bis hinter die
Nordost-Cella reicht; schwer verständlich, sicher sind augusteische und etwas spätere
Teile; kurz vor dem südhchen Ende bezeichnet ein rechteckiger Einsprung die nord-
östliche Ecke des Hofes; der südliche Schenkel entspricht der vermuteten Front
des Raumes d. — Der Lacus wurde bei der Auffindung sofort auf den bis zum
Castortempel reichenden Teil des Caligulapalastes bezogen, gewiß mit Recht
(Jordan I 3, 85). Allerdings sind die zu dem Komplex 5 gehörigen Mauern an-
scheinend nicht alle gleichzeitig; der Lacus könnte nach dem Eindruck der
Technik flavisch erneuert sein.
6. Der Nordostraum '). Taf. 2. .^
Das Mörtelwerk enthält hauptsächlich Ziegelbrocken, wenig Durchbinder, Ver-
kleidung aus zerschlagenen dunkelroten Dachziegeln, vereinzelt Fragmenten von
Bipedales und Bessales, vorwiegend grauer Mörtel. Die östliche Außenseite ist gegen
die Erdfeuchtigkeit mit Tegulae hamatae belegt, Stempel CIL XV 999, 60—93 i^-
Chr. Der Belag ist wahrscheinlich gleichzeitig, möglicherweise später, keinesfalls
früher.
Orientierung des Südostbaus; innere Weite 11, 75, Tiefe 8,50 m. Die Schmal-
wände stärker, die nördliche bedeutend mehr (s. u.). Im Osten stößt der Raum an
die Stützmauer des vom Juturnabezirke emporsteigenden Treppenweges, daher
verdickt sich die Rückwand nach Süden zu; eine hier in der Mauer emporführende,
äußerlich moderne Treppe könnte in der Anlage antik sein. Die Decke war eine
Tonne über den Schmalseiten, die auffallend steilen Anfänge der Wölblinie sind auf
der Ostwand erhalten. In der Westwand liegt ein breites Portal mit wohlerhaltener
Schwelle aus karrarischem Marmor, darauf Spuren der Antepagmente, einer ur-
sprünglichen bronzenen und einer nachantiken hölzernen Tür. Gegenüber eine große
Apsis über einem — fast zerstörten — Podium. In der Südwand zwei kleine, mit
gleichem Mauerwerk geschlossene Türen. An der äußeren Westwand und im Inneren
Mörtelbettung und Klammern einer Inkrustation, die auch über die Türen der Süd-
•) Notizie 1901 Abb. 13 sehr gute Aufnahmen des schütteten Mauern westlich vor der NO-Cella
mittelalterlichen Zustandes ; die jetzt wieder ver- zu wenig charakterisiert, um historisch eingereiht
zu werden. — RM. 1902 T. IV.
30
Richard Delbrueck^ Der Südostbau am Forum Romanum.
Vicus Tutcus
Seite hinwegging. Vom Paviment Mörtelreste. — Da die Nordwand stärker ist als
die Südwand bildet sie den Abschluß einer Gruppe von mindestens zwei Tonnen
und muß im Süden ursprünghch ein überwölbter Raum gelegen haben. Im Westen
ist wegen des weiten Portals eine Vorhalle anzunehmen, die bei der geringen Stärke
der Westwand kein Gewölbe gehabt haben kann. Spätestens bei der Anlage der
Porticus muß sie abgetragen worden
sein. — Über die bei dieser Gelegen-
heit erfolgte Umgestaltung der Front
des Nordostraums, S. 19, 20.
Daß der Nordostraum vordomi
tianisch ist, ergibt sich aus dem Ver-
hältnis zum Südostbau S. 18 und dem
erwähnten Stempel.
Die spätantiken Veränderungen
werden hier nicht berücksichtigt; sie
sind jünger als die Ausschmückung
des Atriums und der Exedra. — Über
die im Boden liegenden Mauern vor
der Westseite siehe S. 29 Anm.
Die Bestimmung des Nordost
raums läßt sich vermuten. Das Cu-
riosum nennt in der VIII. Region
»Templum Castoris et Minervae« (Jor-
dan II 1,553), also bestand entweder
ein Kult der Minerva im Castortempel,
was sonst nicht überliefert wird, oder,
wahrscheinlicher, es lag in der Nähe
des Castortempels ein Heiligtum der
Minerva; hierfür käme außer dem
Nordostraum kein anderer Raum in
Frage; seine Gestaltung paßt (die
Notitia erwähnt allerdings nur das
Templum Castoris).
7. Ältere Stützmauer im vierten Gange des Treppenhauses, südliche Hälfte;
technisch von domilianischen Mauern nicht zu unterscheiden.
8. Ältere Teile der Kloake. Taf. 2.
Übersicht S. 20, 6. Verlauf ostwestlich in der ungefähren Orientierung der Horrea
Germaniciana.
a) Östliche Strecke unter dem Treppenhaus. Technik: Boden Plattenziegel,
Wände z. T. unverkleidetes Mörtelwerk, Decke aus zusammengelehnten Bipedales.
Zwei Zuflüsse von Süden, anscheinend gleichzeitig; von Norden mündet eine domi-
tianische Rinne S. 20, 6. Wegen des Verhältnisses zu den älteren Mauern auf dem
ersten Podest (5 a) vielleicht diesen gleichzeitig (Caligula?).
Abb. 8. Fragment der Form.i Urbis.
Richard Delbrueck, Der Südostbau am Forum Romänum. 31
b) Domitianische Strecke (S. 20, 6).
c) Westliche Strecke; Beginn im kleinen Saal, noch innerhalb des Lacus, an
dem augusteischen Fundament (S. 28, 3). Ausmündung in einen nordsüdlich laufenden
Kanal unter dem Vicus tuscus. Bauweise (soweit nicht umgebaut) : Boden in der
Mitte Dachziegel, an den Seiten kleine Plattenziegel; Wandverkleidung aus zer-
schlagenen Dachziegeln; Tonne aus Mörtelwerk. Zuflüsse: i. aus der Mitte des Lacus;
2. in der Mitte des Westsaales eine Rinne, die an der Ostseite des dort liegenden
Fundaments (5 c) hinläuft; vor der Nordseite dieses Fundamentes wird sie durch-
kreuzt von einem der Hauptkloakc parallelen kleineren Kanal. Sichere Beziehungen
zu der Hofanlage (5) scheinen nicht nachweisbar; die Kloake ist eher älter, etwa augu-
steisch. Vermutlich bestand ursprünghch eine direkte Verbindung zwischen a) und
c), die durch die Anlage des Lacus gestört wurde.
.Der Kanal unter dem Vicus tuscus ist aus Tuffquadern erbaut und falsch ge-
wölbt, also ziemlich alt. Die Kloake mündet in einer beim Bau des Kanals vorge-
sehenen Öffnung, die mit hochstehenden Tuffplatten eingefaßt ist; hier war demnach
immer ein Zufluß.
9. Ein Fragment der Forma Urbis, Abb. 8 (Notizie 1882, Taf. 14 — Jahrbuch
1898, 113 Abb. 10), umfaßt den nördlichen Rand des Grundstücks des Südostbaus.
Dargestellt ist eine Porticus, dahinter Tabernae, am östlichen Ende ungefähr dem
Nordostraum entsprechende Mauern. Schon seit Caligula war die Bebauung stets
anders, so daß wahrscheinlich der augusteische oder tiberianische Zustand dargestellt
ist. (Boni, Notizie 1901, 61 f. bezieht das Fragment auf den Caligulapalast, dessen
Hof aber zu weit nördlich reichte.)
V. TEMPLUM DIVI AUGUSTL
Hülsen hat, Lanciani folgend, den Vorschlag gemacht (zuletzt Jordan I 3,80 ff.),
in den Räumen des Südostbaus die nachgenannten, der Überlieferung zufolge örtlich
zusammengehörigen Bauwerke zu erkennen: im Westsaal das Templum Uivi Augusti,
im Atrium und der Exedra die zugehörige Bibliothek, in dem kleinen Saal das Atrium
Minervae. Das ist meines Erachtcns nicht möglich. Der Westsaal hat keine Ähn-
lichkeit mit einem Tempel, es fehlen ihm vor allem ein Portal und eine Säulenhalle
an der Front. Das Atrium und die Exedra sind nicht als Bibliothek charakterisiert.
Der tonnengewölbte kleine Saal kann nicht Atrium heißen. Vertauscht man die
Namen in der mittleren Raumflucht, so wird nichts gewonnen, denn der kleine Saal
kann ebenfalls keine Bibliothek sein.
Ferner gehörte der Südostbau zur VHL Region und lag das Templum Divi
Augusti auf dem Palatin (Plin. 12,94. — CIL VI 4222); (es ist dort am Westabhang
zu suchen, da die Brücke des Caligula nach dem Capitol »super templum Divi Augusti«
lag (Sueton Cal. 22); näher lokalisieren läßt er sich bei dem jetzigen Stande der Aus-
g^rabungen wohl nicht).
Endlich die Baugeschichte. Der Tempel wurde erbaut unter Tiberius, erlitt
68 n. Chr. Brandschaden (Sueton Galba i. — Plin. 12,94) und wurde wohl sofort
wiederhergestellt (die Annahme eines Neubaus durch Domitian dürfte kaum ge-
92 Richard Delbrueck, Der SUdostbau am Forum Romanum.
sichert sein, anders Hülsen bei Jordan I 3, 8i A. loi). Eine Restauration durch An-
toninus Pius bezeugen Münzbilder (Cohen 797—810). Er scheint bis zum Ende des
Altertums in Gebrauch gewesen zu sein.
Zu erwarten ist also eine Ruine mit folgenden Bauperioden: Tiberius, Vespasian,
AntoninusPius; hingegen finden sich auf dem Grundstück: eine Hof anläge der frühen
Kaiserzeit, nach der Technik schwerlich schon tiberianisch, ganz abgesehen von
der Kombination mit dem Palast des Caligula; ein unvollendeter domitianischer
Monumentalbau, der unter Hadrian als Sklavenkaserne eingerichtet wurde; endlich
Reste der Zeit um 400 n. Chr.
Selbst wenn man also eine domitianische Bauperiode für das Templum Divi
Augusti zugäbe, sind die vorhandenen Angaben mit dem Befund des Südostbaus
unvereinbar.
VI. KUNSTGESCHICHTLICHE BEMERKUNGEN.
Da der Südostbau unvollendet blieb, ist er wahrscheinlich der jüngste Teil der
domitianischen Palastanlage. Ein Vergleich ist dieser Annahme günstig; bei weit-
gehender Übereinstimmung bestehen auch faßbare Unterschiede. — Die Mauer-
technik ist ganz gleich. Die Gewölbe sind auch auf dem Palatin überwiegend Tonnen.
Der gewagten Durchbrechung der Wände im Westsaal entsprechen z. B. die Nischen
der Achtecksräume in der Domus Augustana und im kleinen Palast. Die Behandlung
des Äußeren ist ähnlich; die Mauern erscheinen in nackter Konstruktion, im unteren
Teile sind sie von Hallen eingehüllt.
Hingegen geht der Westsaal mit 32,50 m Gewölbespannung selbst über den
sogenannten Thronsaal der Domus Augustana — 29,50 m — noch hinaus. Die Raum-
bildung ist am Südostbau einfacher; die Wände sind eben, die Dekoration war flach;
in der Domus Augustana sind die Wände oft geschwungen, ist die Dekoration durch
ineinanderliegende Nischen und vorgesetzte Säulen hochplastisch modelliert. Inderge-
messeneren Haltung des Südostbaus kündigt sich bereits der traianische Zeitge-
schmack an.
In einem größeren Zusammenhang hat der Westsaal Bedeutung, als abschlie-
ßende Höchstleistung der frühkaiscrzeitlichen Entwicklung tonnengewölbter Säle.
Die Anfänge liegen in spätrepublikanischer Zeit, z. B. die gewölbten Säle der pom-
pejanischen Thermen. Die Zwischenglieder sind noch nicht bearbeitet; daher können
die Steigerung der Gewölbespannung und der Wandhöhe, die Ausgestaltung der
Stirnseiten zu Fensterwänden, die Durchbrechung auch der Widerlager durch Fenster
nicht verfolgt werden. Zu erkennen ist erst wieder der letzte Fortschritt in domi-
tianischer Zeit.
Nach Domitian werden große tonnengewölbte Einheitsräume seltener; die
Raumbildung ist mehr und mehr durch gruppierte Kreuzgewölbe bestimmt (die
Kuppeln bleiben hier bei Seite). Der Anlaß zu dieser veränderten Raumgestaltung
war technisch, mag auch die letzte Ursache eine schwer ergründbare Wandelung
des Gestaltungsdranges sein.
Bei tonnengewölbten Räumen ruht das Gewölbe auf den Widerlagsmauern ;
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona. -jo
diese vertragen daher keine stärkeren Durchbrechungen. Schwingungen und Wand-
öffnungen bleiben wesenthch auf die Stirnseiten beschränkt; die Beleuchtung muß
hauptsächlich von diesen aus erfolgen; sehr gestreckte Verhältnisse sind ausge-
schlossen, hintereinandcrliegende Säle müssen durch Lichthöfc getrennt sein. Paral-
lele Räume sind durch diegemeinsamen Widerlager stark gegeneinander isoliert. Basi-
likale Gliederung ist möglich, einem Hauptraume können niedrigere Nebearäunie
angeschlossen werden; jedoch verbietet die Rücksicht auf die Standfestigkeit der
Widerlager, diese so weit zu öffnen, daß die Raumgruppc von innen übersichtlich
wird.
Große Binnenräume müssen also im Ganzen eingewölbt werden ; bei wachsender
Spannung vermindert sich die Standsicherheit, besonders wenn die Wände hoch sind.
Das Kreuzgewölbe besteht aus zwei sich durchdringenden Tonnen von gleicher
oder fast gleicher Spannweite, kann daher nur wenig länger als breit sein. Die Last
ruht auf den Eckpfeilern; die Wände sind konstruktiv bedeutungslos, sie können
geschwungen und behebig geöffnet sein; breite Verbindung wird nach jeder Rich-
tung möglich, die Raumgruppen treten von innen voll in Erscheinung, die Frage der Be-
leuchtung verschwindet. Die Planbildung beruht auf der Teilung in Joche; große
Binnenräume werden zusammengesetzt aus einzeln eingewölbten Teilräumen von
geringerer Spannung und Höhe; die Standsicherheit wächst daher bedeutend.
Typisch sind die Thermensäle, deren erstes voll ausgebildetes Beispiel in den
Traiansthermen erscheint:- drei Kreuzgewölbe auf der Längsachse, beiderseits zwischen
den Pfeilern niedrigere tonnengewölbte Nebenräume. — Auf die Vorstufen des Kreuz-
gewölbes und der gruppierenden Raumbildung kann hier nicht eingegangen werden;
es sollte nur ein Hinweis gegeben werden, wie der Westsaal des Südnstbaus historisch
aufzufassen ist.
Berlin, Mai 1921. Richard Delbrueck.
DOPPELSRITICxES RELIEF IN BARCELONA.
Mit Tafel 10.
Die auf unserer Tafel lO abgebildete Marmorscheibe ist vor einiger Zeit im
Kunsthandel in Barcelona aufgetaucht, wo sie sich jetzt im Besitz von Dr. Schäfer
befindet '). Vermutlich ist sie also in dieser Gegend Spaniens gefunden. Obwohl sie
einer in vielen Exemplaren verbreiteten Monumentengattung angehört, verdient sie
doch aus mancherlei Gründen, vor allem wegen ihrer vorzüglichen Arbeit, eine ge-
sonderte Besprechung.
•) Dm. 34,7 cm. Unten kleines Stück ergänzt. Die «las Relief hier in würdiger Form veröffentlicht
Photographien verd.inke ich A. Schulten, das werden kann, verdankt die Redaktion der Libe-
Original habe ich seihst nicht gesehen. — Daß ralität des Besitzers.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXVI. 3
'i^ Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona.
Beide Seiten sind mit Relief geschmückt, aber nicht ganz gleichmäßig behandelt:
auf A hat das Relief etwas höhere Erhebung und das gleiche gilt von dem Randprofil.
A ist also als Hauptseite zu betrachten. Über felsigen Boden — die übliche
Terrainandeutung für im Freien spielende Szenen — eilt ein jugendlicher Mann nach
rechts; er ist fast nackt, nur um die Hüften ist ein Tuch geschlungen, das aber bei der
raschen Bewegung sich verschoben hat und das Genital frei läßt. Dazu noch eine
spitze Mütze, oben mit Schlinge zum Aufhängen. Die Rechte hält einen Knotenstock
mit Schleife am oberen Ende, die Linke faßt das über die Schultern gelegte Tragholz,
— auch hier Schlingen an beiden Enden— an dem zwei geflochtene, zylindrische Körbe,
mit drei kurzen Füßen, hängen. In den Körben Früchte. Dem Mann zur Seite springt
ein Hund *). Ein Landmann also, der seine Ware in die Stadt bringt.
Auf der Rückseite (B) ist der Boden ebenfalls angedeutet. Ein Satyr, ähnlich,
etwas lässiger bewegt, wie der Mann auf A 3), wieder nach rechts. Ein Fell dient als
Lendenschurz, die Rechte hält den bebänderten Thyrsos; auf der linken Schulter ein
Schlauch, aus dem Wein in einen Krater läuft. Dieser, von schlanker Kelchform, ist
in seinem unteren Teil geriefelt, die Lippe mit Kymation verziert 4). Nur ein Henkel
ist angegeben. Der Krater steht auf einem rechteckigen Untersatz mit abgesetztem
Rand. Daran schließt sich eine Herme auf würfelförmiger Basis; der Schaft nach
unten verjüngt, ohne Genital; der bärtige Kopf, mit Stirnkrone und aufgebundenem
Nackenhaar, ganz ins Profil gedreht, während der Schaft fast von vorn gesehen ist;
auch die Armansätzc nicht richtig in der Verkürzung. Hinter dem Satyr ein Fels mit
Pantherfell.
Die Ausführung der Reliefs ist von großer Delikatesse und Feinheit. Die Kon-
turen sind durch leichte Vertiefung des Reliefgrundes hervorgehoben 5).
Marmorscheiben von der Art der unseren, gewöhnlich o sei IIa genannt, sind
ziemlich häufig. Eine vollständige kritische Zusammenstellung aller bekannten Exem-
plare — etwa 100 — existiert noch nicht. Die umfassendste Sammlung ist noch
immer die von Welcker *). Dann hat Maurice-Albert die Stücke des Neapler Museums
besprochen 7), leider ohne Welcker oder die Nummern des Museums anzuführen oder
gar über die Provenienzen Nachforschungen anzustellen, so daß die Identifizierung
öfters Schwierigkeiten macht. Maurice-Albert hat auch bei Daremberg-Saglio ^)
4?urz die Gattung behandelt. Ich beabsichtige hier nicht eine neue Liste zu geben
— Voraussetzung wäre eine erneute Untersuchu/ig der Originale — nur wichtige
Stücke, die in jenen Zusammenstellungen fehlen, sollen nachgetragen werden.
') Die Rasse entspricht am ehesten der von Keller 5) Dieses Markieren der Umrisse kommt anscheinend
(Die antike Tierwelt I, Ii8 ff., namentlich Fig. 46) vereinzelt schon im 5. Jahrb. vor, vgl. Br. Schrö-
als Lakoncr erklärten. der zu Brunn-Bruckmann 646 b. Auf neuatti-
3) Die Ergänzung des Randstückes läßt es zweifei- sehen Reliefs sehr häufig,
haft erscheinen, ob die Fußstellung genau die ') Alte Denkmäler II 122 ff.
gleiche war; der Fuß des Satyrs könnte auch frei 7) Rev. arch XLII 1881, 2 p. 92, 129, 193, 273.
über den Boden gehoben gewesen sein. *) s. v.Clipeus 1 1258 ff. Vgl.a. IV 257 s. v. oscillum
*)■ über die im neuattischen Kreis häufige Form (Hikl). Bulle, Jahrb. d. Inst. 1919, 161 ff.
vgl. Hauser, Neuattische Reliefs S. 113!. 132.
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona. ■jr
Die »oscilla« sind in der westlichen Hälfte des Römerreiches weit verbreitet.
Am häufigsten haben sie sich in Pompeii und Herculaneum gefunden — auch die
meisten Stücke in Neapel, bei denen die Herkunft nicht mehr festzustellen ist, werden
dorther stammen 9). Das ist in den günstigen Fundverhältnissen an diesen Orten be-
gründet. Bei den in römischen Sammlungen aufbewahrten ist in der Regel trotz der
fehlenden Fundangaben römische Herkunft anzunehmen, ebenso bei den aus dem
römischen Handel in die verschiedensten Museen gelangten'"). Aus der Umgebung
Roms werden Gabii"), Aricia"), Tusculum'S), die Sabina'4), Ostia'5), als Fundorte ge-
nannt. In Oberitalien finden wir sie ebenfalls nicht selten (Aquileja'*), Verona'7), Par-
ma'^), Veleia'5)), ebenso in Südfrankreich *"). Aus Spanien ist mir außer dem unsrigen
nur ein einziges Exemplar bekannt^'). Selten sind sie in Nordafrika ^^), ebenso auch
im Osten ^3). Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß neue Funde dieses Bild
etwas verschieben, doch ist sicher, daß die überwiegende Masse dem Westen angehört.
Die »oscilla« gehören also zu den Elementen der römischen Wanddekoration,
und zwar anscheinend im wesentlichen relativ früher Zeit: die wenigen Stücke, die
man äußerlich datieren kann, sind augusteisch oder nicht viel später. Es sind die-
jenigen, welche in pompeianischen Häusern des 3. Stils gefunden sind, namentlich
in der Casa della Parete nera*4) und der Casa degliAmorini dorati^s). Doch scheinen
sie auch da auf besonders reiche Häuser beschränkt. Aber kein Zufall wird sein, daß
sie auch in den stattlichsten Häusern des vierten Stils, wie in dem der Vettier, fehlen.
Auch aus der Hadriansvilla ist kein Exemplar bezeugt. Dem entsprechend macht
auch die Arbeit, obwohl oft dekorativ und zuweilen fast roh, durchwegs einen frühen
Eindruck 2*).
9) Literatur b. Drexel, Anhang zu Mau, Pompeji', '7) Welcker 33 ; noch im Theater.
S. 62 zu 466; namentlich Avellino, Mem. Acc. '*) Welcker 30. Dütschke V 932; 919.
Ercol. III, 1843, 199 ff.; Fiorelli, Giorn. d. scavi ")) Welcker 31. Dütschke zu V 919.
:86i, 31 f. Drei Stücke in Neapel stammen aus '») Sainte Colombe b. Vienne: Esp6randicu, Recucil
Sammlung Borgia (Welcker a. Anm. 6 a. O. Nr. des Bas-reliefs Nr. 400 — 402 (zu untersuchen,
34*1 35/36; Documenti inediti I, 284 f., 33, 47, ob 401 und 402 nicht Reste ein und desselben
48), also wohl aus der Umgegend von Rom. Stückes sind). Vienne:Espdr. 403. Nimes: Esper.
'") Sichere Fundnotizen römischer Stücke kenne 486, 489. Orange: Einzelaufnahmen 1894/95.
ich nicht, doch wird z. B. Matz-Duhn 3622 in Argelies (Aude): Espi5r. 813. La Buisse bei
Vigna del Pigno auch dort gefunden sein. Moirans: Esp(Sr. 828.
") Welcker Nr. 3 u, 4 (= Berlin 1042). -') In Mailand: Dütschke 1026, aus Tarragona.
") Welcker Nr. 5. ") Karthago; Mus^e Alaoui Suppl. p. 55, 1005, pl.
'3) Canina, Tusculum p. 24. Rev. arch. XXXVII XXX, 2. — Etwas abweichend im Typus: Compte
1879, 2 p. 24 pl. XV. Rendu Ac. Inscr. 1913, 155 (EI Djem).
■4) Dresden: Arch. Anz. 1889, 99; Amelung, Florenz '!) Das einzige Stück, das ich kenne, ist ein mir
S. 64; Brunn, Kl. Schriften III, 190. nur in (Arndt verdankter) Photographie bekann-
'5) Not. d. scavi 1909, 20/21 (Reinach, Rep. d Rel. tes aus dem Kunsthandel in Smyma.
III 36, 3—4); Not, d. scavi 1920, 49 f. Nr. 13, =4) Mau, Gesch. d. dckor. Wandm. S. 94. Wekker
Fig. 4u. 5. S. 131, Nr. 37 ff.
'') Sacken, Die antiken Skulpturen in Wien, S. 34; '5) Not. degli scavi 1907, 596/91, Fig. 33— S«"'-
Maionica, Führer durch das K. K. Staatsmuseum Reinach, Rdp. de relicfs III 68, i — 2.
in Aquileia, 1910, S. 19, 5. ^') Dem widerspricht nicht, daß die Augen öfters
^5 Georg LippoW, Doppelseitiges Relief in Barcelona.
Die Verwendung ist am klarsten bei den gut beobachteten pompeianischen
Stücken: sie sind zwischen den Säulen der Peristyle gefunden, und zwar waren sie am
Epistyl aufgehängt. Dafür zeugen die Eisenringe, die bei vielen Exemplaren vor-
handen oder durch ausgebrochene Stücke oben indiziert sind. Auch an unserm Exem-
plar scheint eine Spur vorhanden zu sein. Solche aufgehängte Scheiben sehen wir
auch auf bildlichen Darstellungen von Säulenhallen, namentlich auf sog. Campana-
reliefs, die Hallen der Palaestra wiedergeben *7). Man erkennt, daß die Scheiben an
Ketten herabhängen. Die Zeit, in der die Typen der Campanareliefs geschaffen wur-
den, die augusteische, ist die gleiche wie die der datierten Marmorscheiben.
In selteneren Fällen scheinen die Scheiben nicht aufgehängt, sondern auf einem
unten eingreifenden Zapfen aufgestellt gewesen zu sein 2^) und hie und da mögen
Stücke bei einer zweiten Verwendung auch in anderer Weise angebracht worden sein*9).
Auch Portiken anderer Art, außer in Privathäusern, waren mit solchen Reliefs ge-
schmückt; auf den Campanareliefs erscheinen sie in der Palaestra, andere sind in
Theatern gefunden 3").
Die Bestimmung der Scheiben ist rein dekorativ. Ebenso entspringt die Ver-
wendung desMarmors3i)alsMaterial für derartig schwebend aufgehängte Gegenstände
gewiß erst römischer Prunksucht. Herkunft, ursprünglichen Sinn und ursprüngliches
Material muß man erst mit Hilfe anderer Monumente zu erschließen versuchen. Die
Erklärung scheint, wie Albert bemerkt hat, gegeben durch die erwähnten »Campana «-
Reliefs mit Darstellung von Palaestrahallen: hier wechseln mit den aufgehängten
Rundscheiben solche ab, die die Form des Amazonenschildes, der sog. pelta haben.
Solche Pelten sind auch in Marmor erhalten 32), sie entsprechen völlig den Rund-
plastische Pupillenangabe zeigen (Albert p. 282, Exemplares im Privatbesitz in München hat
pl. XVI, XVII): das sind Masken, bei denen die unten Reste eines Bohrloches, nicht in der Mitte,
Aushöhlung des Auges naturgemäß war. sondern dicht an der Oberfläche der einen Seite,
V) Vgl. Albert p. 96 ff. Die Reliefs jetzt bei v. der obere Teil ist verloren, also nicht festzustellen,
Rohden-Winnefeld, Die antiken Terrakotten ob oben auch ein Ring 0. dgl. war. Es könnte sein,
IV I, 144, wo auch S. 147 bemerkt ist, daß das daß an den oben aufgehängten Scheiben unten
von Albert p. 97 abgebildete Stück des Louvre noch irgend etwas hing, wenn auch die Vermu-
wissenschaftlich nicht zu verwerten ist. Eine tungen von Albert p. 98 nur auf dem verdächtigen
, solche Scheibe unter einem Rundbogen aufge- Campanarelief des Louvre basieren.
hängt auf einem Relief von Narbonne: Esp^ran- 's) Vgl. Not. d. scavi 1909, 20 f. (R^p. dereliefs III
dieu 739. — Darstellungen in Malerei z. B. Not. 39, 3—4) aus Ostia. Oben ausgebrochen, wohl
d. sc. 1910, 471, Fig. II, wo eine offene Halle vor- von Ring. Später verwendet als Verschluß einer
getäuscht werden soll. Öffnung im Boden. Ein in die Außenwand eines
"*) Wenigstens behauptet das Canina, namentlich Ladens in Pompeii eingelassenes Exemplar er-
von zwei Stücken aus Tusculum (oben Anm. 13); wähnt Fiorelli a. Anm 9 a. 0.
es müßte untersucht werden, ob sie nicht auch 3") Parma: Dütschke V932 (= Welcker 30). Verona
oben Spuren haben. Das Stück Welcker Nr i (Welcker 33; 32 hat Form der Pelta (vgl. unten)).
= Vatican Bclvedere 39g hatte nach Zoega (bei Orange: Einzelaufnahmen 1894/95. El Djem
Welcker) »ursprünglich einen eisernen Zapfen (Amphitheater; vgl. Anm. 22).
un'en«, von dem Amclung nichts erwähnt: die 3") In der Regel weißer Marmor; nur ein Stück
Spur wohl durch die moderne Aufstellung zer- aus Ostia (Not. d. scavi 1920, 49 f.; oben Anm.
stört; die leichte Beschädigung oben wohl kaum 15) ist aus »marnio giallo antico«.
von ausgebrocheneni Ring. Das Fragment eines 3=) Vgl. Albert a. Anm. 7 a. 0,, p. 200 ff., p. 286.
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona. ^7
Scheiben in der Dekoration auf beiden Seiten und den Aufhängespuren. Hier ist die
Herkunft von Schilden außer Zweifel; danach wären auch die Rundscheiben als
Schilde, clipei, anzusehen. Albert will sogar noch eine dritte Form, rechteckige Schilde,
also scuta erkennen. Allein einmal ist die Form nicht sehr charakteristisch, dann sind
diese Rechtecke immer so verziert, daß die längere Seite horizontal ist, während beim
scutum die Langseite senkrecht steht. Auch ist für solche dekorative Stücke, die sich
ganz an Griechisches anlehnen, die von griechischen Künstlern ohne Rücksicht auf
römische Realität ersonnen sind, die Verwendung einer speziell römischen Form kaum
anzunehmen, wenn sie auch zur Zeit unserer Reliefs im römischen Heere die übliche
war. Mit den Rundscheiben und Pelten sind zudem nur die Stücke in Parallele zu
setzen, die wirklich zum Aufhängen bestimmt waren — das sind relativ wenige 33).
Die meisten waren nicht aufgehängt, sondern aufgestellt 34). Ihre Dekoration zeigt
in der Regel auf der Hauptseite zum mindesten Masken. Im übrigen sind sie aus der
gleichen Zeit wie unsere Scheiben, dienten ebenfalls zum Schmuck der Häuser. Auch
sie tragen Relief auf beiden Seiten — meist auf der einen Hoch- auf der anderen Flach-
relief. Sie gehen zweifellos zurück auf Votive in Dionysosheiligtümern, ihre Auf-
stellung entspricht der für griechische Votivreliefs üblichen 35). Man müßte annehmen,
daß in römischer Zeit, als die ursprüngliche Bedeutung verblaßt war, man vereinzelt
nach dem Beispiel der Rundreliefs auch rechteckige aufgehängt hat, wie man umge-
kehrt auch Rundscheiben vereinzelt wie die rechteckigen Reliefs aufgestellt hat.
Wenn also rechteckige und runde Reliefs verschiedenen Ursprungs sind und in
der Regel verschieden verwendet werden, müssen wir dann für die gleich verwendeten
Rundscheiben und Pelten gleichen Ursprung annehmen, sind die Rundscheiben von
Rundschilden abzuleiten? An sich beweist die gleiche Verwendung nichts: denn ab-
wechselnd mit Pelten und Rundscheiben finden wir auch aufgehängte Masken 36).
Aber es erscheint natürlich, daß man bei Nachbildung der als Votive in Heiligtümern
aufgehängten Schilde neben dem Amazonenschild auch den griechischen Rund-
schild verwendete.
Freilich ist außer der Kreisform nichts speziell an Schilde erinnerndes vorhanden.
Andere z. B. Berlin 1045, Esp^randie ■, Bas-reliefs richtung nicht die ursprüngliche ist. Andere
414/5 (Vienne), 296 (aus Vaison), 722 (Argehcs); gleichartige Reliefs, die zum Teil beschädigt
Coli. Waroque II 178. Sittl, Würzburger An- waren, wurden, wohl bei der Wiederherstellung
tikenTaf. XIH/XIV. In Relief unter Rundbogen des Hauses nach dem Erdbeben von 63, in die
dargestellt (vgl. Anm. 27): Esp^randieu 295 Wände eingemauert ebenda S. 558 ff., Fig. 8, 10,
(Vaison), 731 (Narbonne). 11, 12; es wäre zu untersuchen, ob diese Reliefs
33) Von den bei Albert aufgezählten haben sichere skulpierte Rückseiten haben.
Aufhängespuren p. 283 ff., 3 (Nimes, Esp^rand'eu 35) Vgl. Reisch, Griech. Weihgeschenke 145 ff-
487), 4,6 (Nimes vgl. Esp^randieu I p. 323). Arndt, La Glyptotheque Ny-Carlsberg p. 205.
Bei Berlin 1047 diente der Eisenzapfen zur Zur Aufstellung vgl. BUnkenberg, Athen. Mitt.
seitlichen Verbindung mit dem angestückten XXIV 1899, 295. Dazu die Reliefs vom Phaleron
Teil. (Athen, Nat. Mus. Stais, Guide p. 43 ff.), über
34) Die Art der Aufstellung auf Pfeilern am anschau- die zuletzt Homolle, Rev. arch<5ol. XI, 1920, i ff.
lichsten bei den vier Reliefs der Casa degli Amo- gesprochen hat.
rini dorati in Pompeii: Not. d. sc. 1907, 568 ff., 3^) Casa degli Amorini dorati: Not. d. scavi 1907,
Fig. 18/9, 21/2, 25/6, 28/9, wo allerdings die Her- 588 ff., Fig. 37—40-
38
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona.
Die Größe ist selbstverständlich dem dekorativen Zweck angepaßt, durchweg ge-
ringer als beim Gebrauchsschilds?). Das verschieden hohe Relief teilen die Scheiben
mit den rechteckigen Maskenreliefs und andern doppelseitigen Reliefs, die eben meist
eine Haupt- und eine Rückseite haben: es findet sich das schon in archaischer Zeit3*j.
Allerdings könnte auch das Vorbild der Schilde zu dieser Differenzierung mitgewirkt
haben: beiderseits verzierte Schilde, wie derderParthenos, pflegen außen mit Relief,
innen mit Malerei geschmückt zu sein 3S). Das verschieden hohe Relief beider Seiten
wäre nur eine Steigerung dieser Verzierungsweisc. Auch gibt es Scheiben, die nur
Abb.
Kunstliandel.
auf einer Seite Relief haben, während die Rückseite glatt ist-i») ; hier war wohl öfter,
wie in einem Fall noch beobachtet ist4i), dieDekoration in Malerei ausgeführt. Übri-
gens gibt es eine Anzahl Exemplare, wo die ReHefhöhe auf beiden Seiten gleich ist 42):
die verschiedene Höhe könnte erst von den rechteckigen Reliefs übertragen sein.
Selbstverständlich fehlt jede Andeutung einer Handhabe auf der Innenseite
des Schildes, auch findet sich nichts von der starken Wölbung, die wenigstens der
griechische Rundschild hatte. In der Bildung des Randes lassen sich verschiedene
3;) Der Durchmesser schwankt zwischen 20 (Albert
p. 281, I = Esp^r. I 489) und 45 (Sammlung
Heyl) cm.
3*) A.v.Netoliczka.österr. Jahresh.XVII 1914, 124.
w) Dragendorff, Jahrb. d. Inst. XII 1897, 8.
4°) Albert 23, 24. Espdrandieu 401/2.
4') Fiorelli, a. Anm. 9 a. 0., tav. VIII l.
4') Scheiben aus Casa degli Amorini dorati (Anm.
25), aus Ostia (Anm. 15), aus Sainte-Colombe
(Esp£r. 400; Anm. 211).
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona.
39
Gruppen scheiden: Selten fehlt jede besondere Umrahmung 43). Nicht besonders
häufig ist auch die Profilierung wie an unserm Stücke 44). Gewöhnlich ist der Rand
ganz glatt, scharf abgesetzt (vgl. Abb. i); seine Breite wechselt 45). Hier könnte man
eine Reminiszenz an den abgesetzten Rand wirklicher Schilde sehen; aber, während
bei diesen der Rand gegen die Wölbung zurücktritt, ist bei den Scheiben umgekehrt
der Rand höher. Bisweilen umgibt das Bild ein breiter Kranz oder eine WcUenrankc
(vgl. Abb. 2) 4^). Der Rand ist auf beiden Seiten manchmal verschieden gebildet
oder verziert. Auch für die Kränze um den Rand gibt es Analogien auf Schilden 47);
Abb. 2. Kopenhagen.
aber Kränze als Einfassung von Runden sind selbstverständlich auch ohne Vorbild
der Schilde immer wieder verwendet worden. In Pompeii will man auch Einfassung
von Holz beobachtet haben 4^).
Die Darstellungen endlich sind nicht von der Art der auf Schilden üblichen,
der Schildzeichen. Die Mannigfaltigkeit der figürlichen Schildzeichen, die wir in ar-
chaischer Zeit, auch noch auf Vasen des strengen Stils finden, hatte ja bald einer
ziemlichen Einförmigkeit Platz gemacht. Wenn man von Prunkschilden absieht,
die auch in späterer Zeit mit figurenreicheren Bildern versehen wurden, trat eine Be-
43) Nimes, Esp^randieu 489 (andere Seite mit glattem
Rand).
■•4) Albert 8 (Neapel; vgl. Phot. Sommer 11 247); 11
(Schreiber, Hellenist. Reliefbilder Taf. 102);
Ostia (s. Anm. 29); Vatican Belvedere 39 g;
45) Wien Sacken Fig.9; schwächer bei Esp^r. 401/2.
Z. B. Amorini dorati (Anm. 25); Berlin 1041
bis 43; Auct. Weizinger, 2.8. — -31. X. iS, 1^56
(Abb. 1) usw.
4') Campana (Brunn Kl. Schriften III 183 f. Darem-
berg-Saglio s. v. Clipeus Fig. 1670); Ny-Carlsberg
817 a (hier Abb. 2) vgl. Anm. 81; London 2456;
Esperandieu 403; Phot. Moscioni 11 574 (angeb-
lich Lateran); Welcker 5 (nur die im übrigen
rauh gelassene Rückseite); Smyrna (Anm. 23).
47) Z. B. griechisch: Furtwängler- Reichhold 116,
118; römisch: Esperandieu 722; 745.
48) Welcker S. 134,
40
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona.
schränkung auf wenige Gegenstände, Symbole und Zeichen ein 49). Zu diesen gehört
das Gorgoneion, das auf unsern Runden gewiß vom Schild übernommen ist. Wir
finden es aber nur ganz vereinzelt S»). Von sonstigen Bildern könnten wenigstens in-
haltlich an eine ursprüngliche Bedeutung als Kriegswaffe erinnern die Darstellungen
von Athena, Nike, Kriegern u. dgl. 5').
Allein auch diese Darstellungen sind durchaus in der Minderzahl. Selten sind
auch andere Gottheiten 5^), sonstiges mythologisches, darunter Herakles mit Löwe,
Hindin, Stier 53), Apoll und Marsyas 54), Odysscus55), Diomedes 5^), Kentauren 57).
Häufiger schon sind Darstellungen von Meerwesen 5$), die ja in der römischen deko-
rativen Kunst so sehr beliebt sind, darunter Eros auf dem Delphin 59). Eros kommt
auch sonst vor *°).
Alles andere überwiegen jedoch die Gestalten des dionysischen Kreises — wenn
man auch nicht mit Albert alle Bilder auf unsern Reliefs in Zusammenhang mit Dio-
nysos bringen kann. Dieses Vorherrschen des Bacchischen ist in der Kaiserzeit ja
überall zu beobachten und an sich nichts auffallendes. Doch gibt es zwei Gattungen
von Darstellungen auf unsern Scheiben, deren Häufigkeit eine besondere Erklärung
verlangt. Einmal die Masken^'). Hier liegt gewiß eine Übertragung von den recht-
eckigen Maskenreliefs vor. Das andere sind die Opferszenen. Viel häufiger als in
anderen Denkmälerklasscn^^) finden wir hier brennende Felsaltäre u. dgl., vor denen
49) Die historische Entwicklung ist in den Arbeiten
von Chase (Harvard Studie* XIII, 6i ff.) und
M. Greger, Schildfcrmen und Schildschmuck
bei den Griechen (Diss. Erlangen 1908) 53 ff. nicht
genügend dargestellt.
y) Albert 13 = Welcker 35. Ein weiteres Stück im
Kunsthandel (angeblich aus Pozzuoli, Amphi-
theater) sieht auf der Hauptscite (Gorgoneion
auf Aegis, Pupillen angegeben) etwas seltsam aus,
während die Rückseite (Satyr mit Fruchtschalc
vor brennendem Felsaltar) einen guten Eindruck
macht. Ich kenne nur Photographien, die ich
Arndt verdanke. — Welcker 6 (Hübner, Madrid
802) wird auch wohl hierher gehören. Auch der
'Ammonskopf (Welcker Taf. VI, 11; Nr. 21; Es-
p6randieu 82S), der als Schildschmuck vorkommt
(z. B. Esperandieu 272), ist zu vergleichen.
5") Athena: Albert 15 (Rdp.deRel. III, 66, 3; Phot.
Sommer 11*47). Nike: Albert 9, 16 (mit Krie-
ger). Pollak, Samml. Kopf 14, Taf. IV.
Waffentänzer?: Not. d. sc. 1907, 586, Fig.
36. Kriegerkopf = Welcker 21 (WoburnMich.94,
wo aber diese Seite nicht erwähnt ist).
■;') Apollon? Matz-Duhn 3621 = Auct. Kat. Wei-
zinger 15. XII. 19, 690, Taf. 10. Aphrodite (.>)
und Eros: Pollak, Samml. Kopf 14, Taf. IV.
53) Herakles; Albert 12 (Welcker 40; Phot. Napoli
759 (B)); mit Löwe: München Antiquarium,
Lützow, Münchner Antiken Taf. 2, 3; mit Hindin:
Albert 11 (s. Anm. 44); mit Stier: Heyl (s. Anm.
3/)- Vgl. a. Welcker 9.
51) Dresden (Anm. 14).
5>) Welcker 26 (wenn hierher gehörig).
5'') El Djem (Anm. 22).
57) Not.d.sc. 1907, 584, Fig. 33/34. Arndt, La Glyp-
totheque Ny-Carlsberg p. 130, Fig. 68 (auf der
Rückseite Hinterteil eines Kentauren).
5') Delphin: Welcker 3; 24 (Louvre Cat. somm.
2462); 31 (Dütschke zu V 919); Esperandieu 400.
Seepanther: Espdr. 486. Seedrache: Berlin 1041.
Triton: Welcker 13. Triton und Nereide:
Not. d. scavi 1920, 49 f., Fig. 4 (vgl. Anm. 15).
59) Berlin 1041; Welcker 34* (Rep. de ReliefsIII66,5).
'") Lon Ion 2456 (Opfer). Tusculum (Canina, Tus-
culum p.24. Rev. arch. 38, 1879, 2 (auf Bock)).
'') Albert 7; 20; 21; 22. Welcker 14; 20 (London
2457); 24; 31 (vgl. 6); Espdrandieu 400; 486 —
die vier letztgenannten zeigen auf der andern
Seite Seewesen (vgl. Anm. 58); Welcker 47;
Parma D. 919; Louvre C. S. 2463; Espdr. 489;
828. Cambridge Mich. 72. Matz-Duhn 3622.
linzelajfnah 1 en 1894/95. Vgl. dazu die komi-
sche Muse, Espdr. 403 (nicht Schauspieler:
Hauser, Neuatt. Reliefs S. 97, Nr. 22).
'*) Von den bei Hauser, Neuattischc Reliefs aufge-
zählten Monumenten gehört hierher eigentlich
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona. 4I
Satyrn, Silene oder Pan mit Fackeln, die sie oft am Altar zu entzünden scheinen, oder
mit Opfergaben sich befinden ^3). Auch Dionysos selbst steht einmal vor einem solchen
Altar*4). Dazu kommen Idole — Priap — *S), auch findet sich derAltar ohne Figuren**).
Auch die Masken liegen zuweilen vor oder auf einem Altar *7).
In diesen Kreis gehört auch die Rückseite unserer spanischen Scheibe, der Satyr,
der vor einer Herme des Dionysos seinen Schlauch in einen Krater entleert. Die
nächsten Analogien dazu sind ein Stück aus dem Theater von Parma, wo die Herme
fehlt und ein Baum hinzugefügt ist **), und eines in Würzburg *9), wo der Satyr
von links gesehen ist, viel energischer bewegt; die Herme fehlt. Beides also
keine genauen Wiederholungen.
In diesen Darstellungen haben wir offenbar die für unsere Denkmälergattung
charakteristischen, ihr ursprünglich eigenen zu sehen. Die sonstigen Gegenstände
sind erst anderswoher übertragen, wie umgekehrt einmal auf einem rechteckigen Relief
eine solcheOpferszenc erscheint?"). Und zwar sind diese Bilder nicht deshalb gewählt,
weil sie sich formal für das Rund besonders eigneten, so wie auf den Pelten Delphine
und andere Seewesen, die in ihrer gestreckten Gestalt sich der Form gut anpaßten 7"),
während sie doch gegenständlich mit dem Amazonenschild nichts zu tun haben. Bei
unseren Scheiben müssen inhaltliche Gründe für die Bevorzugung der Opferszenen
maßgebend gewesen sein, sie müssen mit der ursprünglichen Bedeutung der Runde
zusammenhängen. Das führt freilich weit ab vom Schild. Eine völlige Erklärung
scheint sich vorerst nicht finden zu lassen. Sicher ist sie im dionysischen Kreis zu
suchen und hier hat man sie auch früher schon gesucht und angenommen, in Dio-
nysos-Heiligtümern seien runde Scheiben — natürlich nicht aus Marmor— aufgehängt
gewesen, die oscilla genannt wurden. Allein dafürgibt es kein Zeugnis. Oscilla sind wahr-
scheinlich kleine menschliche Figuren, die im Kultus Verwendung fanden — aufge-
hängt an Zweigen u. dgl. 7^). Auch dürfen wir für diese ganz griechischer Kunst ange-
hörenden Dinge die Erklärung nicht in römischem Kultus suchen. Aber auch die Denk-
mäler geben für diese Aufhängung der Scheiben nur schwache Anhaltspunkte 73).
nur S. 91, 12 = Einzelaufnahmen 2534. Zu ver- ^'') Belvedere 39 g (Welcker i).
gleichen auch S. 99, 27, i. Die bacchischen Opfer «7) Welcker 18 (London 2456) 24 (Anm. 58). Albert
auf den »Campana «-Reliefs (Die antiken Terra- 10, 18.
kotten IV, S. 54 ff.) sind von etwas aiiderem '■8) Dütschke 932 (Anm. 30).
Charakter. ^) Sittl, Wurzburger Antiken Taf. XI, S. 17 ff.
'■-) Albert Nr. I — 10,17,18. Welcker Nr. 2, 3, 5, 19 Nachprüfung der nicht ganz korrekten Zeich-
(London 2460) 22, 34 (London 2459). Dresden nung verdanke ich Bulle.
(s. Anm. 14). Cambridge Mich. 70/71. Marbury 70) Not. d. scavi 1907, 568, Fig. 19.
Mich. 40. München, Privatbesitz (Anm. 28). ?•) Albert 26 — 29; Esp(5randieu 414.
Kunsthandel (Anm. 50). Würzburg (Anm. 69) 7») Vgl. Hild b.Daremberg-Saglio s. v. oscillum, wo
Ein Stück, ebenfalls im Kunsthandel (Phot. nur die Zeugnisse nicht ganz richtiggewertet sind.
Arndt, Fragment) zeigt einen knieenden Satyr 73) Vgl. den Rundaltar Lansdowne Mich. 70: an einer
vor brennendem Felsaltar. Girlande, die auf Thyrsosstäben ruht, hängt ein
<><) Berlin 1042 (Welcker 4). Pedum und eine Rundscheibe mit Relief: Eros
'5) Albert i, 8, 14 (R^p. d: Rel. III 82, 5); diesen mit Fackel, tanzend (vgl. London 2456, oben
verwandt Esp^r. I 813 (Rucks.). Welcker 17 Anm. 6n, Eros mit Fackel, opfernd). Bötticher
(mit Eros: Anm. 60). (Baumkultus S. 90, Fig. 8) und nach ihm Hild
A2 Georg Lippold, Doppelseitiges Kelief in Barcelona.
Wenn wir hier Scheiben aufgehängt finden, sind es meist Tympana 74), die natürlich
nicht beiderseits mit Reliefs geschmückt sein konnten 75; und schon deshalb nicht
gut die Vorbilder unserer I^unde sein können.
Die Häufigkeit der Fackeln mag auf nächtliche Feiern 7^j deuten, bei denen die
Scheiben irgendeine Rolle spielten. Die Fackel findet sich übrigens auch öfters neben
den Masken auf rechteckigen Reliefs 77), die dadurch wieder in engere Verbindung
mit unsern Scheiben gebracht werden: auf den Votivreliefs, von denen die Masken-
reliefs hergeleitet werden, hatten die Fackeln keinen Sinn, wie überhaupt jedes Bei-
werk fehlte, nur die Masken vorhanden waren 7*).
Es ergibt sich aus alledem, daß jedenfalls die Bezeichnung clipci für die Scheiben
nicht angemessen, der Einfluß der aufgehängten Votivschilde relativ gering und
sekundär ist.
Es bleiben noch einige Darstellungen zu erwähnen, die nur vereinzelt vor-
kommen und für die Frage nach der Herkunft der Scheiben nicht ins Gewicht fallen.
Ganz selten sind Szenen des täglichen Lebens wie auf der Hauptseite unseres spani-
schen Rundes: der Schmied, der auf einem Stück (beiderseits, variiert) auftritt, ist
als Satyr charakterisiert 79). Dann gibt es noch verschiedene Tiere, Fabelwesen usw.
meist rein dekorativer Art ^°).
Von den Darstellungen, die nicht zu den speziell unsern Runden eignen gehören,
sind einige im Typus verwandt solchen auf »neuattischen« ReUefs, und zwar der beiden
von Hauser geschiedenen Klassen*'), doch sind es meist nicht genaue Wiederholungen
(Dar.-Saglio Fig. 5442) bilden ein an einem Baum *") Hirsch : Albert 24. Adler und Hase : London 2458.
aufgehängtes »oscillum« ab, auf dem eine mensch- Pegasos: Welcker 47. Greif: Louvre C. S. 2463;
liehe Figur zu sehen ist. Diese Abbildung geht London 2459. — Ob Welcker 15 (Magazine des_
auf Bartoli-Bellori Admiranda 44/45 zurück und Vatikans »männliches Porträt auf beiden Seiten«)
ist genommen von dem Madrider Puteal Hübner hierher gehört?
2S9 = Einzelaufnahmen 1692/93. Allein weder Si) Hauser, Die neuattischen Reliefs yff. : Erste
Hübner noch Arndt erwähnen eine Figur auf der Gruppe. Vgl. Not. d. scavi 1909, 20 f. (Ostia:
Scheibe und nach der Photographie scheint es s. Anm. 29): Typus 23 und 27 (aber rechter Arm
eher ein Becken mit vertiefter Mitte, ohne Figur, gesenkt). Ny-Carlsberg 817 a (hier Abb. 2):
zu sein. A. Vgl. Typus 28 (in der Linken Schlange statt
74) Vgl. Bötticher, Baurakultus Fig. 7, 19. Böcklein). B. Satyr, der Böcklein und Schwert
75)' Auf der einen Seite mit Ornament oder Figur ge- wie eine Mänade hält, wohl als Gegenstück
schmückte Tymp na finden sich auf Vasen, z. B. hinzu erfunden. Ehemals Campana, Brunn,
Arch. Ztg. 1848, Taf. XIII, 4. Kl. Sehr. III 1841.: Typus 22 und 31. Beide
7*) Vgl. Albert p. 279. letzteren Stücke auch in der Umrahmung ver-
77) Vgl. Not. d. scavi 1907, 558 ff., Fig. 8, 10; Ny- wandt. Zweite Gruppe: Hauser S. 90, Nr. 9, :o;
Carlsberg 384 (Arndt Fig. 204). Auch Altäre mit S. 97, Nr. 22 (Esp^randieu 403); andere Kala-
Flammen öfter auf den Maskenreliefs: Not. d. thiskostänzerin : .Sittl, Würzburger Antiken
scavi 1907, 580, Fig. 29; .Albert Nr. 40; Esp^ran- Taf. XU (Anm. 69); S. 102, Nr. 33 (s.
dieu 775. Phot. Moscioni 11636/37 (wo?). Masken Anm. 28,66, Belvedere 39 g). Zu S. 9:, Nr. 12,3
und Fackeln auch auf Pelten: Albert 30, 31 (da- (Basis Venedig, Einzelaufnahmen 2536) vgl.
von doch wohl verschieden Mus. Borb. IX B). Welcker Taf. VI 11: Agaue mit dem Haupt des
7*) Vgl. Reisch, Griech. Weihgeschenke 145 f., Fig. Pentheus, beidemal vor brennendem Felsaltar,
13/14. der von den dionysischen Opfern unserer Scheiben
79) Albert 19 (= Welcker 46). übertragen scheint. Die Basis enthält auch einen
Georg Lippold, Doppelseitiges Relief in Barcelona.
43
der neuattischen Figuren, sondern freie Wiedergaben. Solche Abweichungen vom
üblichen Typus dürfen jedoch nicht schon dazu verführen, die betreffenden Stücke
in ihrer Echtheit anzuzweifeln^^), wiewohl es auch wirklich verdächtige und falsche
»Oscilla« gibt ^3). Derartige Veränderungen des Ursprünglichen finden sich auch bei
den hie und da wiedergegebenen archaistischen Figuren ^4).
Ein großer Teil unserer Reliefs steht in keiner so nahen Verbindung mit dem
neuattischen Typenkreis ^5). Wohl sind die Figuren in den seltensten Fällen als freie
Erfindungen ihrer Verfertiger anzusehen, aber die Parallelen begegnen mehr auf
andern Reliefs, auf Gemmen usw. ^^). Im allgemeinen können wir ziemlich viel Freiheit
und für römische Kunst frische Erfindungs- und Variationsgabe konstatieren, die
freilich hin und wieder zu Seltsamkeiten führt. Eine gewisse beabsichtigte Gebunden-
heit der Stellungen, archaisierend anmutende Bewegungen hängen mit den häu-
figen Tanzmotiven zusammen, sollen die ungeschickte Bewegungsart des Satyrs
charakterisieren, werden dann auch auf andere Figuren übertragen.
Diese Eigenschaften kennzeichnen auch die Reliefs der Scheibe von Barcelona.
Die Darstellung von A, der mit Waren in Begleitung des Hundes zur Stadt eilende
Landmann, scheint eine typische Staffagefigur landschaftlicher Bilder gewesen zu
sein: wir finden sie wieder auf einem »Landschaftsbild« aus Herculaneum ^7). Allein
hier bewegt sich der Mann ganz ungezwungen natürlich; das gespreizte, gebundene
hat erst der Reliefkünstler hineingebracht*^). Auf der Rückseite paßt die rasche Be-
Satyr mit Früchten vor Altar, der von den Rund-
reliefs stammt (Anm. 62). Bei der Wiederholung
der Agaue London 2508 fehlt der Altar.
^^) Vgl. Hauser S. 83, 12 zu dem Campanaschen
Rund (Anm. 81). Die von Hauser beanstandete
Verbindung von Figuren der beiden Typen-
gruppen 22 — 24 und 25 — 32 findet jetzt in dem
Rund von Ostia (Anm. 81) ihre Parallele.
*3) Sittl, Würzburger Antiken S. 19. Welcker
27 — 29 (Arolsen). Despuig: Hübner 801 (auch
von Arndt als modern notiert). Bei der
Scheibe des Münchner Antiquariums (Anm. 53)
macht die Seite mit dem verwundeten Herakles
einen viel ungünstigeren Eindruck als die andere.
Auch stimmt sie in der Orientierung nicht mit
ihr überein; sollte diese Seite ursprünglich glatt
gewesen sein? Äußere Verdachtsgründe habe
ich allerdings nicht finden können. Vgl. a. Anm.
50.
*■!) Archaistisch: Albert 15; Welcker 21 (Anm. 51).
München, Privatbesitz (Anm. 28, 63). Samml.
Kopf (Anm. 52). Charakteristisch Albert 16
(R^p. de Reliefs HI 78, 4 — 5), wo die in
mehreren Exemplaren erhaltene Komposition
von Nike und Krieger vor Palladion (vgl.
Roschers Myth. Lex. s. v. Palladion HI 1326,
13; Reinach, Rep. de Rel. HI 57,3) auf beide
Seiten verteilt ist. Aber das Palladion ist weg-
gelassen, der Krieger schreitet und trägt den
Helm auf der Hand: Veränderungen, die nur der
dekorativen Wirkung zu Liebe vorgenommen
sind.
85) So das Abb. i (vgl. Anm. 45) wiedergegebene
Fragment, Pan mit Flöte und Mänade mit
Fackel, vgl. etwa »Lateran« (Anm. 46) und Wien
(Anm. 44): die Figuren stehen neuattischen
nahe, sind aber keine geläufigen Typen.
8«) So der Kentaur, der die Frau raubt (Anm. 57)
auf dem »frührömischen« Puteal Ny-Carlsberg
Arndt, pl. 84. Zu der Darstellung Herakles und
Hindin (Anm. 53, 81) vergleicht Hauser Gemmen
(Furtwängler, Kl. Schriften II Taf. 25, 4. Diese
Denkmäler sind von Robert, Arch. Hermeneutik
273 ff. nicht verwertet). Diomedes mit Palladion,
auf Gemmen, häufig: El Djem (Anm. 22). Zu
dem Schweineopfer Albert 17 (Rep. de Reliefs
III 84,4) vgl. Jahrb. XVIII 1903, "61.
87) Rom. Mitt. XXVI 191 1, 33, Abb. to.
88) Die Ähnlichkeit mit dem Fischer des »Pan-
meisters« (Furtwängler-Reichhold II, S. 293;
vgl. Journ. Hell. Stud. XXXII 191 2, 358, Nr. 18)
ist darum doch wohl zufällig.
44
Margarete Gtttschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
wcgung eigentlich überhaupt nicht zu dem Ausleeren des SchlauChs in den Krater.
Auch hier ist ein auch sonst erhaltener *9) Bildtypus umgebildet, wo der Satyr neben
dem Krater steht 90). Die Zufügung der Herme gibt dem Bild den unsern Reliefs eignen
sakralen Charakter.
Inhaltlich sind zwischen den beiden Seiten keine Beziehungen zu suchen: sie
sind auf den Scheiben, wenn vorhanden, meist sehr lose: die gleichen oder verwandten
Gegenstände beiderseits wiederholt 9'), Figuren, die nebeneinander gut denkbar
wären 9^), selten eine gemeinsame Handlung auf die Seiten verteilt 93).
Die Scheibe in Barcelona gehört zu den feinsten und besten der ganzen Gattung;
schwerlich ist sie in Spanien selbst gearbeitet, sondern ein reicher Römer der augu-
steischen Zeit, der den heimischen Prunk nicht missen mochte, hat sie zum Schmuck
seines Hauses aus Italien kommen lassen, eines Hauses, das sicher mit Kunstschätzen
mannigfacher Art prächtig ausgestattet war. Nur dieser eine Rest ist uns davon ge-
blieben als wichtiges Zeugnis für die Ausbreitung der griechisch-italischen Luxus-
kunst in der ersten Kaiserzeit.
Erlangen, Juni 1921,
Georg Lippold.
UNTERSUCHUNGEN ZUM KORINTHISCHEN KAPITELL. I.
I. DAS KORINTHISCHE KAPITELL VON PHIGALIA').
Ein böser Stern hat über dem ältesten korinthischen Kapitell gestanden. Für
kurze Zeit war es seiner Vergessenheit entrissen, wurde gemessen, gezeichnet, rekon-
struiert, und dann verschwand es fast spurlos, so daß sogar einmal seine Existenz
angezweifelt werden konnte ^). Von seinen Entdeckern starb der eine vor der Ver-
öffentlichung seiner Arbeiten; der andere veröffentlichte die seinen erst 50 Jahre,
*?) Vgl. die Lampe Sammlung Niessen (3. Bear-
beitung) Nr. 1818: Satyrknabe mit Kantharos
rechts. Reliefgefäß von Delos Bull. Corr. Hell.
XXXVII 1913, 421, Nr. 706.
90) Hier hat, wie Sittl, Würzburger Antiken S. 17,
bemerkt, der neuattische Typus des Satyrs mit
Krater auf der Schulter (Häuser 21), der stark
bewegt ist, eingewirkt.
9') So die «ahlreichen dionysischen Bilder, vgl.
besonders den Schmied (Anm. 79), Satyr und
Ziege (Marbury, Mich. 40) dann die Ken-
tauren (Anm. 57, 86), die Masken usw.
'^) Wie die neuattischen Typen (Anm. 81/82).
93) Nike und Krieger (Anm. 84). Auch der Jüngling
mit Schwert und Schild und das Mädchen mit
Schwert Not. d. scavi 1907, 586, Fig. 36/37 sind
offenbar im gemeinsamen Tanze gedacht.
') Den Anlai3 zu dieser Arbeit hat seinerzeit
ein Referat im Seminar von Professor
Noack gegeben. Auch an dieser Stelle möchte
ich meinem verehrten Lehrer meinen herzlich-
sten Dank für reiche Anregung und liebens-
würdige Förderung aussprechen. — Weigands
im Herbst 1920 erschienene Schrift »Zur Vor-
geschichte des korinthischen Kapitells« konnte
nicht mehr berücksichtigt werden, da das Mantj-
skript schon 1917 im wesentlichen abgeschlossen
wurde. HomoUes Aufsatz Rev.arch. 1916 II, 56 ff.
war mir noch nicht zugänglich.
-) Ivanoff, Ann. Inst. 1865, 52.
Mai^aiete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. az
nachdem er das Kapitell gesehen hatte. Außerdem weichen die Rekonstruktionen, aus
denen wir unsere Kenntnis des Kapitells schöpfen, beträchtlich voneinander ab und
haben trotzdem das Schicksal, häufig miteinander verwechselt zu werden. Deshalb
sind Kavvadias' Untersuchungen des Tempels, durch die das Vorhandensein der ko-
rinthischen Säule festgestellt wurde '), und Rhomaios' Veröffentlichung^) der Reste
des verschollnen Kapitells mit Freuden zu begrüßen, obwohl auch jetzt noch manche
entscheidende Frage ungeklärt bleibt.
Die wenigen Bruchstücke, die einzigen Reste des kostbaren Kapitells, die Rho-
maios veröffentlicht, haben unbeachtet ein Jahrhundert im Tempel gelegen (falls
nicht die neuen Aufräumungsarbeiten 3) sie erst wieder freilegten). Einige liegen noch
da, die wichtigsten aber sind nach Athen gebracht worden. Leider gibt Rhomaios
keine Schnitte und nur wenige Maße, und die Abbildungen lassen auch nicht alle
Einzelheiten in wünschenswerter Klarheit erkennen. Nach ihm sollen sie die bisheri-
gen Darstellungen des Kapitells bekräftigen, aber welche meint er.? Denn nicht weni-
ger als vier Architekten haben das Urbild des Kapitells an Ort und Stelle gezeichnet,
aber jeder von ihnen hat es anders wiedergegeben.
Wie sind diese Zeichnungen zu beurteilen } Welche von ihnen gibt das zuver-
lässigste Bild dieses ersten korinthischen Kapitells, von dem wir wissen? Bevor wir
sie selbst prüfen, müssen wir uns die Verhältnisse vergegenwärtigen, unter denen sie
einst entstanden sind. Was ist uns über den Fund und die Schicksale des Kapitells
urkundlich überliefert.? Im August 1811 fanden die Entdecker der Giebclgruppen
von Acgina, die deutschen Architekten Carl Haller von Hallerstein und Linkh und die
Engländer C. R. Cockerell und Foster bei einem Besuch der Ruinen von Phigalia
auch ein einzelnes korinthisches Kapitell t). Zehn Tage hielten sie sich dort auf. Aber
kaum hatten sie, wie Haller 5) schreibt, »voll Eifer die Hände ans Werk gelegt, um
genaue Maße zu nehmen«, als mißtrauische türkische Beamte sie zum Aufbruch
zwangen. Sie versteckten ihre Funde vorsichtig in der Hoffnung, das angefangene
Unternehmen später doch noch zu vollenden. Erfüllt von diesem Wunsch gründete
Hallcr in Athen eine Vereinigung von Künstlern und Gelehrten ^) »zur Erforschung
eines für die Kunst so wichtigen Gegenstandes«, da nur durch vereinte Kräfte die
Schwierigkeiten wegzuräumen waren, die einer weiteren Ausgrabung im Wege standen.
Seine Bemühungen wurden belohnt. Die Monate des Sommers 181 2 konnten Haller,
Linkh und Foster, denen sich der Livländer Baron Stackeiberg, der dänische Archäo-
loge Bröndstedt und andere Gefährten zugesellt hatten, in Phigalia zubringen, um
mit Hilfe von 50—80 Arbeitern die Trümmer auszugraben, zu messen und zu ordnen 7).
Cockerell aber war durch eine sizilische Reise fern gehalten. Im August wurden die
») C. R. du Congres d'Athenes 1905, 174 ff. 1810— 17. The Journal of C. R. CockcrelL Ed.
') 'Arj/. 'E<p- 1914, 59 ff. by bis soa S. P. Cockerell. 1903, 219 f.
3) Kurioniotis, 'Ap3(. 'Ktp. 1910, 272. 5) Haller, Brief an seinen Bruder. Herausg. von
1) Stackeiberg, Apollo-Tempel von Phigalia. 1826, Bergau, Grenzboten 1875, I Beibl., 212 f.
41. — Cockerell, The Temples of Minerva at '>) Donaldson, Altertümer von Athen. Supp!.-
Aegina and of Apollo at Phigalia. 1860, 44. — Band. Text, 120.
Travels in Southern Europe and the Levant, 7) Cockerell, Journal 216 — 217.
t/ß Margarete Gutscliow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
wichtigsten Funde, der Fries und mehrere Architekturstücke, auf steilen Gebirgswegen
von Menschen und Lasttieren nach dem mehrere Tagereisen entfernten Hafen Scala
de Bazi gebracht '), um nach Zante eingeschifft zu werden. Unterwegs wurden sie
von Türken überfallen, die glaubten, daß es sich um Gold und Silber handle »). Aber
es gelang, das gute Einvernehmen wieder herzustellen, die Kunstwerke ins Schiff und
unter Bedeckung englischer Kanonenboote als Schutz vor kreuzenden französischen
Korsaren in Sicherheit zu bringen. Bei diesem Unternehmen, so berichtet Cockerells
Sohn 3), ging das korinthische Kapitell zugrunde. Um den erregten Türken zu ent-
gehen, mußten die schweren Marmorblöcke in großer Eile auf das Schiff geborgen
werden. »The capital in question which was more ponderous than the rest, was still
Standing half in, half out of the water . . . The boat had to put off without it, and the
travellers had the mortification of seeing it hacked topieccs by theTurks in theirfury
of having been foiled.«
Also danach ist das Kapitell 1812, kurz nachdem es von Haller gemessen und ge-
zeichnet worden — folglich noch einigermaßen gut erhalten war — von den Türken
fern am Meer zerschlagen.
Aber dazu stimmt nicht, daß zwischen 1814 und 1817 der englische Architekt
Th. Allason in Phigalia eine Skizze vom selben Kapitell gemacht haben will, die er
später dem Architekten Donaldson zur Veröffentlichung überließ 4) (Abb. 2). Doch
war es in einem so zerstückelten Zustande und »der Maße von demselben so wenige«
(S. 18), daß er von einer Restauration absehen mußte, da eine befriedigende und be-
gründete Ergänzung unmöglich war.
1819 hat Donaldson selbst das wertvolle Bruchstück in Phigalia nicht mehr ge-
funden, und er beklagt in seiner Arbeit, daß die »dummdreiste Zerstörungswut der
Eingeborenen ein so interessantes Beispiel zerschlagen habe« (S. 122, 140).
1825 schreibt auch Stackeiberg (S. 27, Anm. 24), daß nach Aussagen von Reisenden
die »architektonischen Verzierungen« verschleppt und nicht mehr vorhanden seien.
Im Anfang des 20. Jahrhtinderts aber wurden jene von Rhomaios veröffent-
lichten Bruchstücke gefunden.
Diese Angaben beruhen alle auf derselben Voraussetzung, die durch AUasons
Zeichnung zur Tatsache wird, daß das Kapitell in der Ruinenstättc geblieben ist.
Die Überlieferung der ersten Nachricht hält also nicht stand. Zu erwägen ist, daß
Cockerell selbst bei der Einschiffung der Kunstwerke nicht zugegen war und daß sein
Sohn nach vielen Jahren davon erzählt nach mündlichen Berichten des Vaters, die
wieder auf die Erzählungen anderer zurückgehen. Keiner der Augenzeugen, Haller
oder Stackeiberg, so eingehend sie die Schwierigkeiten des Transports schildern, er-
wähnt etwas davon 5). Nur die Zerstörung selbst ist als richtig anzusehen, da schon
Allason keine genauen Maße mehr nehmen konnte.
") Haller, S. 260. 4) Donaldson, Antiquities of Athens. Suppl. Taf,
«) Stackeiberg, S. 26. IX.
3) Hinweis von Engelmann, Östcrr. Jahresh. 5) Vielleicht liegt eine Verwechslung mit einem
XI 1907, Beibl. 106. der jonischen Kapitelle vor, das zu den erwähn-
ten fortgebrachten Architekturstücken gehörte.
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. An
Auch der Ausweg, daß «twa mehrere korinthische Kapitelle vorhanden gewesen
seien, von denen eins zur Küste weggebracht sei, führt nicht weiter. Die Original-
berichte sprechen ausdrücklich von der Säule und dem Kapitell — »isolated co-
lumn«, »Single column«, »das korinthische Kapitell, der nach Zahl und Art einzige
Zug an unscrm Gebäude« usw '). Es bleibt nur die Feststellung möglich (auch aus
später noch zu erörternden technischen Momenten), daß es nur ein Kapitell gab und
daß dieses zwischen 1817 und 18 zerschlagen worden ist, und zwar im Tempel selbst,
so daß die dort gefundenen Bruchstücke von eben diesem Exemplar stammen.
Aber sprechendere Zeugen seines Vorhandenseins als diese unbedeutenden
Fragmente sind die Handzeichnungen und Rekonstruktionen, die in der kurzen Zeit,
in der es vor aller Augen dalag, von ihm gemacht worden sind: Haller, Cockerell,
Stackeiberg und Allason ^) haben es gezeichnet 3). Aber von diesen Originalaufnahmen
ist nur Allasons Skizze von Donaldson — ohne jeden Zusatz wie es scheint — ver-
öffentlicht worden; Cockerells und Stackeibergs kennen wir nur durch Rekonstruk-
tionen, die sie viele Jahre später nach ihren Skizzen angefertigt haben. Hallers Hand-
zeichnungensindleiderbishernoch unveröffentlicht, und gradesie scheinen, nachseinen
Briefen (S. 210, 212, 260) und den Berichten seiner Freunde zu urteilen, mit der
größten Zuverlässigkeit und Treue ausgeführt zu sein. Beim ersten kurzen Aufenthalt
im Tempel nahm er mit Cockerell gemeinsam die Maße; beim zweiten dreimonatlichen
widmete er sich »in rastlosem Bemühen so gründlich wie möglich zu sein, für sein und
des abwesenden Freundes Interesse« ausschließlich der Architektur des Tempels, und
zwar »mit glücklichem Erfolge«. »Spähenden Auges wachte er drüber, daß ihm auch
nicht der kleinste Teil eines architektonischen Gliedes entginge.« Den folgenden
Sommer verbrachte er still auf dem Lande, um zusammen mit dem zurückgekehrten
Cockerell an den Plänen und Zeichnungen zu arbeiten und die Herausgabe eines Werks
über die Funde von Aegina und Phigalia vorzubereiten. Cockerell aber erkrankte
schwer und wurde dadurch am Mitarbeiten gehindert (Journal S. 220). Er hat Phi-
galia nach jenem ersten Besuch vom Jahre 181 1 erst 181 5 bei eihem kurzen Abstecher
auf seiner Heimreise wiedergesehen (S. 268) 4), als — wenigstens nach seiner eignen
') Cockerell, Apollo-Tempel 48, 66. — Donaldson Durm, Österr. Jahresh. IX 1906, 289 berichtigt
122. Ricgl, übersieht aber dabei, daß die von Riegl
^) Cockerell, Journal 219 erwähnt eine weitere »dem Sammelwerk entnommene Rekonstruk-
Zeichnung von Foster im Phigalia Room des tion, an dessen Spitze der Name Cockerell steht«,
British Museum. Sie ist nicht publiziert, wird tatsächlich die von Donaldson veröffentlichte
im Katalog auch nicht angegeben. Zeichnung Allasons ist und nichts mit Cockerell'
3) Diese Zeichnungen werden häufig miteinander zu tun hat. — Unverständlich bleibt auch
verwechselt, scheinen z. T. auch wenig gekannt Rhomaios' Äußerung über die Abbildung bei
zusein. Z. B. Chipiez, Histoire critique des ori- »Donaldson-Cockerell«. — Kavvadias a. a. 0. 174
gines des ordres grecs 1876, 296 verwechselt geht bei seiner Besprechung des Kapitells nur
Stackeiberg und AUason-Donaldson. — Riegl, auf Cockerell und Stackeiberg zurück, erwähnt
Stilfragen 224 ff. gründet seine Theorie über aber AUaaon-Donaldson und Haller mit keinem
die Entstehung des korinthischen Stils allein Wort.
auf Stackeiberg und Donaldson, ohne die wich- ^) Hution, J. H. S. XXIX 1909, 55 erwähnt, daß
tige Rekonstruktion Cockerells zu erwähnen. — er 4 Skizzen vom Tempel gemacht habe.
48
Margarete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Aussage — das korinthische Kapitell schon nicht mehr vorhanden, nach Donaldsons
Angabe zerstückelt worden war.
Bröndstedt ') spricht von Hallers und Cockerells gründlichen architektonischen
Untersuchungen unter besonderer Hervorhebung von Hallers Zuverlässigkeit und
strenger Pflichterfüllung.
Stackeiberg betont (S. 27 Anm. 24), daß beide Freunde von der Architektur
des Tempels »sowohl vom Ganzen als von den Einzelheiten« die genauesten Zeich-
nungen und Messungen genommen haben, »deren Bekanntmachung alle Wünsche
zu befriedigen vermag«.
Jedoch wichtiger als diese Aussagen ist Cockerells eignes Urteil. Er bedauert,
daß er unglücklicherweise bei der Grabung abwesend sein mußte. Aber »the well-'
known care of the conscentious and accom-
-^ plished Malier, evinced in the elaborate
and precious documents of the ultimate
examination, constitutcs a guarantee to the
accuracy of the rcsult, which claims the
füllest confidcnce«^). Also die Zeichnungen
des Freundes sind für ihn maßgebend, nicht
seine eignen. Hingegen finden Stackel-
bcrgs und Donaldsons Veröffentlichungen
(s. unten S. 49) nicht seinen unbedingten
Beifall 3). Einer eingehenden Kritik
Stackeibergs möchte er sich enthalten; er
empfiehlt nur, seine Stiche mit andern zu
vergleichen. Donaldsons Veröffentlichun-
gen aber hätte.- den Nachteil, daß ihr Verfasser nicht an den ersten Funden als »original-
excavator« voi. lebendigen Hoffnungen beseelt, teilgehabt, sondern nur als Reisender
einige Jahre später den Tempel gesehen hätte; infolgedessen sei manches unrichtig
aufgefaßt. Aus diesen Tatsachen und Urteilen muß man schließen, daß Haller es
war, der am meisten Zeit, Eifer, Ausdauer und Gründlichkeit an das Studium
der Tempelarchitektur gewandt hat, daß man also seinen Zeichnungen unbedingt
'Glauben schenken kann. — Kommt man nun durch gründliches Prüfen und Ver-
gleichen der Originalaufnahmen zu demselben Ergebnis.?
I. Als Erster gab 1826 Stackeiberg seine Arbeiten über Phigalia in dem großen
Prachtwerk ,,Der Apollo-Tempel zu Bassae bei Phigalia" heraus. Auf Taf. HI sieht
man im Innern der wohlgeordneten und gut aufgeräumten Ruine das fragliche
Kapitell umgestürzt auf einer Säulentrommel liegen, und am Schluß des ersten
Kapitels über die Architektur des Tempels, S. 44, gibt er es rekonstruiert in einer
kleinen feinen Vignette wieder (Abb. l).
Abb. I. Kapitell von Phigalia, nach Stackelberg.
') Reisen und Untersuchungen in^Griechen-
land. Deutsche Ausg. 1826. Vorrede S.
XII f.
') Apollo-Temple at Phigalia, 45.
3) Blouets Veröffentlichung in der Exped. scient.
de la Mor^e II. Paris 1833, die Cockerell auch
bespricht, kommt für unser Thema nicht in Be-
tracht.
Margarete ' Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
49
Ein niedriger Kranz von 8 scharf gezackten und derb gerippten Blättern umgibt
den Fuß des hohen und breiten Kalathos. Unter den 4 Ecken der Deckplatte wachsen
4 große Blätter ähnlicher Form zu kleinen Voluten stützend hinauf. Sie verdecken
deren Stengel, ebenso wie den Ansatz der mächtigen, fest um ein Auge aufgerollten
Mittelspiralen, des auffallendsten Teils des ganzen Kapitells. Eine schmale Palmcttc
entwächst dem Spiralzwickel ; rechts und links von ihr sind dem kahlen Kalathos
schlanke spitze Blätter, ähnlich denen der Schwertlilie, aufgemalt, oder wie Stackel-
berg S. 42 sagt, durch Eindringen einer fressenden Beize eingeätzt. Der Abakus ist
mit einem ebenfalls gemalten Mäander verziert.
Im Text S. 26 schreibt er: »Die
Blätter sind weder vom Ölbaum, noch
vom Akanthos, sondern von konventio-
neller Form, einer Wasserpflanze im
Steinsinn nachgebildet.« Beim ersten
Blick glaubt man in dieser »konventio-
nellen Form« die Palmette zu erkennen.
Denn wie bei dieser laufen alle Rippen
radial dem Blattfuß zu. Aber — dem
Wesen der Palmette zuwider — gehn sie
von dem Blattzacken aus und bilden
Fächer mit konkaver Einbuchtung von
Spitze zu Spitze, wie man es auch beim y^^b.
Akanthosblatt findet '). Die der Pal-
mette hingegen sind konvex und leicht gewölbt 2). Also hat Stackelbcrg die Blätter
unwillkürlich dem Akanthos angenähert, obgleich er ausdrücklich .versichert, daß
ihm ihre Form nicht entnommen ist 3).
Es ist, wie Stackeiberg selbst sagt (S. 27, Anm. 24), »eine nur nach einem flüch-
tigen Entwurf versuchte Ergänzung« 4), vierzehn Jahre, nachdem er das Kapitell
gesehen hatte, entstanden. Als wenn er selbst an seiner Zuverlässigkeit zweifle, ver-
weist er auf die Untersuchungen Hallers und Cockerells (s. oben), »wodurch von jenen
in ihrer Art einzigen Kapitalen wenigstens treue Abbildungen für die Nachwelt
bleiben«. Hielte er 'seine eigene Wiedergabe für unbedingt getreu, würde er dies wohl
nicht so ausdrücklich von denen seiner Gefährten versichern.
2. Kapitell von Phigalia, nach Allason-Donaldson.
') Z. B. beim Karnies der Nordtür des Erech-
theions. Meurer, Jahrb. d. Inst. XI 1896, 142,
Abb. 35; \Vi ter, Kunstgesch. in Bildern' I, 17, i.
Die Rippen laufen hier aber einer gemeinsamen
Mittelrippe zu.
') Vgl. hierzu Meurer, S. 142, Abb. 36.
3) Riegls A-uffassung, S. 224 — 26, daß aus diesem
Grunde das Stackelbergsche Kapitell die richtige
Form wiedergebe, wird von Durm, österr. Jah-
rcsh. IX 1906, 287 ff. widerlegt.
J-ihrhuoh des arehänU g-ischen Instituts XXXVI.
4) Nicht wie Puchstein, Das ionische Capitell, Berl.
VVinck.-Pr .1887, 29, annimmt, eine von Haller
herrührende Ansicht. Haller sagt a. a. 0., 260:
»Unser Stackelbcrg macht vortreffliche male-
rische Zeichnungen davon.« Die meisten dieser
Zeichnungen wurden auf einer Reise durch
Thessalien von Räubern, die ihn gefangen
nahmen, vorseincnAugen in Stückegerissen. S.
Cockerell, Journal 223. Hughes, Travels in
Sicily, Graecia and Albania. 1820. I, S. 251.
4
50
Margarete äutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
2. Im Jahre 1830 veröffentlicht Donaldson im Supplement-Band zu Stuart-
Revetts »Antiquities of Athens and other Places«, den er gemeinsam mit Cockerell,
Kinnard u. a. herausgibt, seine Forschungen über Phigalia. In der deutschen Aus-
gabe 1833 Kap. 3 Taf. IX findet man eine flüchtige, mit wenigen festen Strichen ge-
gebene Skizze des korinthischen Kapitells, die ihm Allason überlassen hat (Abb. 2).
Donaldson sagt im Text S. 140, daß Allason während eines kurzen Aufenthalts im
Tempel freilich nur wenige flüchtige Bemerkungen zu machen Zeit hatte, deren Ge-
nauigkeit aber durch andre Autoritäten vollkommen bestätigt sei. Da es ihm aus Zeit-
mangel nicht möglich war, sich in Einzelheiten zu vertiefen, gab er nur wenig, aber
man möchte meinen, daß dies Wenige getreu niedergezeichnet ist, höchstens hat er
bei der Stilisierung des Kranzes nachträglich seine Phantasie walten lassen.
Abb. 3. Kapitell von Phigalia, Cockerells Skisze.
Was seiner Aufnahme gegenüber den andern besondern Wert verleiht, ist, daß
er es in Unteransicht gezeichnet hat: an der beschatteten, rauhen und ungleichen
Fläche sieht man, daß der untere Teil des Kapitells abgebrochen ist. Deshalb kann
man auch nicht erkennen, auf welche Weise der einfache Kranz breiter, oben ge-
rundeter überfallender Blätter — Wasserlaub, wie Stackeiberg sagt, kein Akanthos —
endigt. Man kann nicht klar sehen, ob diese Blattform die ursprüngliche oder
durch den Bruch und die Zerstörung aller Einzelformen des Blattüberfalls zu ver-
stehen ist. Jedenfalls sind die über dem Blattkranz breit ansetzenden, spitz aus-
laufenden Stützblätter — je zwei sind übereinander geschichtet — einer andern
Blattart entnommen. Innenzeichnung fehlt, nur die Mittelrippe ist durch einen Dop-
pelstrich angedeutet. — Die Mittelspiralen gleichen denen der Stackelbergschen Ab-
bildung, entwachsen aber auf einem Stengel dem untern Blattkranz. Die Palmette
ist diesmal kleiner und entspringt einem Kelch von Akanthosblättern. Je 4 Striche
rechts und links davon deuten die Stengel der Eckvoluten an, die schon tief-
ansetzend sichtbar gewesen sein müssen. Alles andere fehlt, so daß man die runde,
nach oben sich verbreiternde Form des steilen Kalathos gut erkennen kann. Der
Margarete Gtttscfaow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
51
Abakus ist abgestoßen ; er gleicht in seiner hohen, konkav geschwungenen Form dem
des Stackelbergschen Stiches, aber nicht in der Malerei, die keinen Mäander, sondern
ein unzusammenhängendes, an ihn erinnerndes Muster gibt und es am obern Rande
fortlaufend kleiner wiederholt.
3. Erst als Greis gibt Cockerell 1860 seine Arbeiten über Phigalia heraus in dem
großen Werk: »The Minerva-Temple at Aegina and the Apollo-Temple at Phigalia«.
Auf Taf. XV bildet er zwei Fassungen des korinthischen Kapitells ab: eine Skizze
(Abb. 3) und eine in manchen Einzelheiten von ihr abweichende Rekonstruktion
(Abb. 5). Obwohl er S. 58 ausdrücklich sagt: »Fig. i shows the cap as found in the
Temple, the lower part unfortunately broken away«, gibt er doch kein realistisches
Bild wie Allason, sondern läßt den Kranz kleiner Blätter geradlinig, nur mit Angabe
abgestoßener Stellen abschließen. Die breit überfallenden Blätter haben bewegten
Umriß und viel Innenzeichnung,
ebenfalls die Seitenblätter. Trotz-
dem lassen sie keine klare Form
erkennen. Unverständlich bleibt
auch der obere Teil der Stütz-
blätter: von den hinter und unter
ihm liegenden Blattenden ist er
durch festen Umriß und Mangel an
Innenzeichnung deutlich unter-
schieden. Die danebenstehenden
Detailskizzen, Fig. 3 und 4, geben
ihnen eine wunderliche Bildung,
etwa ein Mittelding zwischen
Blattform und Lanzenspitze (Abb. 4).
Die Ansatzstellcn der Mittelspiralen, die denen der andern Abbildungen in der
Form gleichen, sind untereinander verschieden. Die linke entspringt mit einem
größtenteils sichtbaren Stengel dem Blattkranz, die rechte dagegen kommt stengel-
los hinter Volutenstengel und Eckblatt hervor i). Dem Akanthoskelch des Zwickels
entsteigt die breite, oben abgebrochene Palmette. Neben ihr sind gemalte hohe
Blätter angedeutet wie bei Stackeiberg. Reste der Eckvoluten sind unter dem Aba-
kus sichtbar, der nicht geschwungen, sondern eben und steil ist; seine gemalten Zier-
leisten ähneln denen des Allason-Donaldsonschcn Kapitells mit dem Unterschied,
daß am oberen Rand Punkte statt des Musters angebracht sind. Ein Kyma schließt
die Deckplatte ab. Das Kapitell ist gedrungener und weniger hoch als bei Allason-
Donaldson.
Aus dieser Skizze ist die schematische Rekonstruktion auf derselben Tafel »)
Abli. 4. Cockerells Detailskizzen.
I) Cockerell sagt S. 58, die Seiten des Kapitells
seien untereinander verschieden gewesen, daher
wohl diese Abweichungen in der Zeichnung.
') a. a. O. Taf. XV 2. Durm hat diese »im Ver-
trauen auf Stackeibergs gute Empfehlung« in
sein Handbuch der griechischen Architektur
19093, 346, Abb. 331 aufgenommen. Aus diesem
ist sie in andere Handbücher übergegangen:
Springer-Michaelis-Woltcrs ■», 1915, Abb. 310
mit dem Zusatz »im einzelnen ist die Wieder-
4*
52
Margarete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
entstanden, die kleine Änderungen zeigt (Abb. 5). Willkürlich ergänzt sind die Eck-
voluten. Die Palmette ist schlank geworden und bis zum Abakus in die Höhe ge-
wachsen. Die Stützblätter sind vielfältig gelappt und sanft gezackt. Das wunder-
liche Gebilde der »Lanzenspitzc« verleugnet gänzlich seine Zugehörigkeit zum Blatt-
werk — es ist nicht mehr von ihm eingefaßt, sondern bekrönt es selbständig. Ein
kleines Blättchen ist vorn zwischen den Ansatz des Stützblattes und der Spirale,
die nun dem Kranz entspringt, eingeschoben. Die Kranzblätter haben einen viel-
gegliederten, klein gezackten Umriß erhalten in der Art der späteren korinthischen
Kapitelle römischer Zeit — sie sind zum Akanthos geworden — und ein zweiter Kranz
ist dem ersten hinzugefügt.
Wie ist diese Rekonstruktion fast 50 Jahre später als die Skizze zustande ge-
kommen? i) Dem alten Mann war manches aus dem Gedächtnis entschwunden,
was den jungen eingehend beschäftigt hatte,
und deshalb hat er, wie Furtwängler Aegina I,
S. 12 und 24 sagt, seine ursprünglichen Zeich-
nungen nicht genug ausgenutzt; er nahm Hallers
Arbeiten zu Hilfe, die er z. T. besaß, z. T. aus
Straßburg erhielt. »Wie weit Cockerell sein
Material durch Hallers handschriftlichen Nach-
laß vervollständigt hat, erhellt z. B. auch daraus,
daß zwischen seinen englischen Notizen, die die
Zeichnungen erläutern, auch solche französischer
Sprache stehen, wie sie wörtlich oder fast gleich
auf J-Iallers Blättern wiederkehren. « Auch sei
die Gruppierung der Skizzen mitunter ganz
gleichartig.
Diese Worte gelten zwar den Arbeiten über
Aegina, aber mit noch besserem Recht kann man sie auf seine Studien über Phigalia
anwenden: auch diese werden unter dem Einfluß Hallcrscher Auffassung gestanden
haben. Denn in Aegina war Cockerell stets mit dem Freunde zusammen anwesend
und kannte selbst alle Einzelheiten genau; den wichtigsten und eingehendsten Unter-
innriH
Abb. 5. Cockerells Rekonstruktion.
herstellung unsicher.« — Winter, Kunstgesch.
in Bild.' I, 17, 4 Noack, Baukunst, Abb. 8,
S. 50. — Woermann, Gesch. der Kunst" 1915
Abb. 302. — Benoit, L'architecture Abb. 249".
— Ganz alleinstehend ist die von .Manch, Die
architektonischen Ordnungen der Griechen und
Römer Taf. 40 gebrachte und von Egle, Baustil-
und Bauformenlehre .\bt. IV Taf. 56 über-
nommene Rekonstruktion. Sie zeigt einen nie-
drigen Kranz aus »Wasserlaub« mit starker
Mittelrippe und umsäumtem Rand, zwei .Stiitz-
blätter übereinander, scharf gezackt mit Paral-
lelrippen, offenbar nach .Mlason-Donaldson,
und Volutenstengel, die in einer Blattscheide
stecken. Dies Motiv, das an Akroterien und
Simen schon im letzten Drittel des 5. Jhrhdts.
vorkommt, fehlt noch ganz an Kapitellen, die
jünger sind als das unsrige. Offenbar haben die
Volutenstengel des etwa 100 Jahre jüngeren
Kapitells vom Lysikrates-Monument Manch als
Vorbild gedient.
') Falls die Skizze nicht vor dem Original ent-
standen, sondern später aus Einzelskizzen zu-
sammengesetzt ist. Aber das ist nicht zu ent-
scheiden, solange Cockerells Handzeichnungen
für Deutschland unerreichbar sind.
Jahrbuch des Instituts XXXVI 1921
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1. (S.212J 1:1
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Haller von Hallersteins Handzeichnungen
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Jahrbuch des Instituts
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Beilage II, zu S. 53 ff.
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V«
n Hallersteins Handzeichnungen des korinthischen Kapitells von Phigalia
[nach Pause, z. T. reduziert).
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. r^
suchungen inPhigalia blieb er aber fern — Grund genug um des Freundes Zeichnungen
für verläßlicher als seine eigenen zu halten, wie er selbst gesteht (s. oben S. 48).
4. Hallers schriftlicher und zeichnerischer Nachlaß ist der Nachwelt so gut wie
unbekannt. Schon 1817 ist er gestorben, ehe er etwas von der vielseitigen Ausbeute
seiner griechischen Reisen veröffentlichen -konnte. Sein Bruder wollte die Bekannt-
machung seiner architektonischen Untersuchungen Cockcrell überlassen ^), und dieser
bestätigt in seinem Phigaliawerk S. 45, daß sie in seinem Besitz sind. Aber veröffent-
licht hat er sie nicht. Meurer ') hat Einzelskizzen Hallcrs, die Phigalia betreffen, in
englischem Privatbesitz eingesehen, sagt aber leidernicht, wo und ob sie aus Cockerells
Nachlaß stammen. Jedoch der größte Teil von Hallers Aufzeichnungen wird in der
Universitätsbibliothek in Straßburg aufbewahrt und ist, wie mir Professor Dörpfeld
sagte, in den letzten Jahren noch vermehrt worden durch eine Reinschrift seines Tage-
buches und durch Handskizzen, die aus Adlers Besitz in die Bibliothek des Archäo-
logischen Instituts in Athen und von dort nach Straßburg gekommen sind 3). Leider
wird dieser mir unbekannte Teil seiner Zeichnungen auch fernerhin unzugänglich für
mich bleiben, wie er es schon während des Krieges war.
Eine Abbildung des Kapitells auf einem dieser Blätter erledigt Durm, Österr.
Jahresh. IX 1906, 291 mit dem Zusatz, daß sie sich von Cockerells Abbildung in nichts
.unterscheide, ohne zu verraten, ob er dabei Cockerells Skizze oder Rekonstruktion
im Sinne hat. »Der Blätterkranz ist dort wie hier fragmentarisch ohne bestimmte
Endigung nach unten angegeben, womit die Weisheit zu Ende ist« — auch die von
Durm. Und auch Rhomaios, der die Tagebücher aus Straßburg erhalten hatte, läßt
nicht erkennen, in welcher Weise er sie verwertet hat.
Mir liegen glücklicherweise Pausen vor, die Vorjahren F. Noack von diesen Hand-
zeichnungen hatte machen können und die er mir freundlicherweise zur Verfügung
gestellt hat (Beil. I u. II). Nach ihnen zu schließen, waren Hallers Skizzen äußerst
sorgfältig und genau mit festen, feinen Strichen ausgeführt. Einzelne schematische
Zeichnungen sind mit Maßen versehen, andere geben durch gute Licht- und Schatten-
verteilung die plastische Wirkung wieder. Da alle Teile des Kapitells mehrfach in
verschiedenen Ansichten und verschiedenen Größenverhältnissen gezeichnet und in
allen Einzelheiten sorgsam durchgeführt sind, so sind diese Zeichnungen ergiebiger
für die Hauptformen des Kapitells als alle anderen.
Erläuterung der Beilagen I u. II.
1. (S. 212)4) Profil des Kalathos mit Maßangaben.
2. (S. 212) Schnitt durch den graden hohen Abakus mit schmalem Kyma und durch den Kalathos
mit Angabe der erhöhten Spiralsäume und des Einsatzloches für das Auge. Angabe einer Mittel-
spirale und einer zweiten Blattreihe unter wagerechtem Abschlußstrich.
3. (S. 212) Teil des Kalathos mit Blattkranz und Stützblättern in Vorder- und Profilansicht; an-
scheinend zwei übereinander (a, b). Spiralansatz. Eckvoluten fehlen.
4. (S. 29) Mittelslück. Unterer Abschluß durch zwei gerade Striche gegeben. Kranz aus vorderen (a)
■) s. K. Otfr. Müller, Göttinger gel. Anzeigen 1832, -) Formenlehre des Ornaments S. 520.
Nr. 86, S. 85. 3) Michaelis, Alh. Mitt. XXI 1896, 121, Anm. i.
4) Seitenangabe von Hallers Tagebuch.
e^ Margarete Gtttscho'w, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
und hinteren (b) Blättern. Gezackte Stutzblätter im Profil, zwei Übereinander (c, d), darüber Vo-
lutenstenge]. Mittelspiralc. Rechte Seite der Palniette ausgeführt. Links Akanthoskelchblatt.
5. (S. 219) Mittelspirale nach rechts und 6. (S. 225) nach links aufgerollt. Ansatz des gefurchten
Volutenstengcls, der mit Spirale gemeinsam hinter Stützblatt entspringt, und zwar so, daß der
Spiralsaum ihn überschneidet. Breite flache Spiralgänge mit erhöhten Stegen und großem Auge
als Mittelpunkt.
7. (S. 212) und 8. (S. 212) Stutzblätter mit .Ansätzen von Spiralen und V'olutenstcngel, Je zwei Blätter
übereinander (a und b). Gezackte, spitz auslaufende Form mit Kiederrippung. Bei 8 Angabe des
Kranzes (c) mit breitem, abgestoßenem Überfall. Schwer zu verstehen bleibt der außer der Mittel-
rippe an Innenzeichnung freie Teil unter der Blattspitzc mit gesondertem Umriß ; bei 8 als Dreieck,
bei 7 ähnlich Cockerells Skizze T. XV 3 u. 4 (Abb. 4). Waren diese Stellen stark bestoßen und
fehlt deshalb die Angabe der F.mzelformen? — freilich eine seltsame Duplizität der Fälle — oder
war noch eine dritte Blattspitze eingeschoben.'
9. (S. 211) Einzelheiten des eiförmigen Palmettenansatzes mit seitlichen Akanthosblättcrn zwischen
Spirale und Palmette; diese geschlossen, ihre beiden äußersten Blätter stark geschwungen, die
inneren steil. Oberer Rand verstoßen.
10. (S. 213) Schematische Zeichnung und Maßangaben von Kranz, Spirale, Palmette und Kelch.
11. (S. 137) Oberes Mittelstück mit Spiralzwickeln und P.ilmettc, rechts und links die gemalten
»Schwertlilienblätter« (s. oben S. 49). Darüber leichte Angabe des geometrischen Musters auf
dem Abakus. Nebenstehend zwei gemalte Blätter vergrößert mit hinzugesetzter Bemerkung »peint
encaustique«.
12. (S. 137) Einzelheiten des Abakusornaments.
13. (S. 223) Dasselbe: geradlinige Reihen aus klemen (Quadraten teilen die Fläche in Rechtecke,
in diesen ein geometrisches Muster durch parallel laufende Linien. Unter den .^bakusecken Reste
der abgebrochenen Voluten (a).
14. (S. 223) Fein geschwungenes Kyma mit gemaltem Blattüberfall, darüber kleines geometrisches
Muster, ähnlich dem großen Abakusornament.
Diese Zeichnungen rechtfertigen die Aussagen von Hallers Genossen: mit der
größten Zuverlässigkeit und Genauigkeit sind sie durchgeführt und sind deshalb die
beste und sicherste Quelle unserer Kenntnis dieses Kapitells. Stackeiberg arbeitete
nach einer flüchtigen Zeichnung — Allason hatte keine Zeit, auf Einzelheiten ein-
zugehen — Cockerells späten Veröffentlichungen fehlt die Unmittelbarkeit der An-
schauung. An Hallers Zeichnungen ist nachträglich nichts verändert oder hinzu-
gesetzt worden, keine verdunkelnde Erinnerung hat die vor dem Original gewonnene
Auffassung beeinflußt. Die Zeichnungen der anderen können höchstens diesen oder
Jenen Zug in seinen Aufnahmen bestätigen. Allason stimmt in den wenigen Haupt-
formen, die er gibt, mit Haller überein — Cockerells Skizze (Abb. 3) auch in den
meisten Einzelheiten. Jedoch für die Abänderungen bei seiner Rekonstruktion
(Abb. 5) — die »adjustments«, die ersieh beim Radieren der Platte erlaubte ') — bieten
Hallers Blätter keinen Anhalt, weder für die Form der Eckvoluten und die über ihnen
eingeschobenen Blättchen, noch für die »Lanzenspitzen«, noch für die starke Lappung
und Fältelung der Blätter.
Welche Formen des Kapitells lassen sich nun aus Hallers Zeichnungen er-
schließen.? Hatte Cockerell wirklich Grund, den Blattkranz zu verdoppeln und ihm
') Cockerell, S. 45. — Rhomaios S. 60 macht ments Cockerells gesprochen zu haben, und über-
l'uchstein den Vorwurf, fälschlich von adjuste- sieht, daß Puch?tcin, a. a. O. 29 nur Cockerells
eigenen Ausdruck wiedergibt.
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. e c
trotz gegenteiliger Aussage Stackclbergs die Gestalt des Akanthos zu geben? Zu
einem abschließenden Urteil wird man ohne Kenntnis der englischen und aus Athen
nach Straßburg gekommenen Zeichnungen schwerlich kommen können. Die eben
besprochenen Skizzen weisen nur einen einzigen Kranz auf außer einer Profilzeichnung
des Kalathos mit Maßangaben (Nr. 2), auf der unter dem durch einen wagerechten
Strich bezeichneten Abschluß ein weiterer Kranz angedeutet ist (a). Da aber sonst
nirgends Spuren- eines solchen angegeben sind, scheint der Befund des Kapitells
keinen Anlaß zu dieser Annahme gegeben zu haben. Haller mag sich durch den üb-
lichen Doppelkranz der meisten korinthischen Kapitelle dazu berechtigt geglaubt
haben, wie später Cockerclls Ausführung eines solchen ebenfalls aus der Konvention
hervorging. Denn grade seiner Rekonstruktion (Abb. 5) hätte der zweite Kranz
fehlen müssen. Im oberen Kranz schauen nämlich zwischen den vorderen die
Spitzen zurückliegender Blätter hervor, er besteht also aus zwei Reihen gleich
hoher Blätter. Naturgemäß aber findet man beim Ddppelkranz eipe solche Ein-
schaltung rückwärtiger Blätter nie, denn der obere Kranz ist ja selbst identisch mit
der ursprünglich zurückliegenden, dann in die Höhe gewachsenen Blattreihe. Ohne
Grund jedoch scheint Cockerell diese Blattspitzen nicht angebracht zu haben. Auch
auf seiner Skizze sind sie angegeben (Nr. 3 b), und bei eingehender Prüfung der
Hallerschen Zeichnungen meint man trotz mancher Unklarheiten auch auf ihnen
Reste solcher vor- und zurückliegenden Blätter zu erkennen (Nr. 3, c u. d. 4, e ü. f.
10, a u. b). So hat möglicherweise Cockerell in seiner Rekonstruktion das Richtige
getroffen, indem er eine Doppelreihe von Blättern im oberen Kranz zusammenschloß;
den untern hätte er dann aber nicht hinzufügen dürfen '). In keinem Fall aber läßt
sich aus den Handzeichnungen, ebensowenig wie aus Stackeibergs und Allasons
Wiedergaben, ein zweiter unterer Kranz beweisen.
Was die Blätter anbetrifft, so zeigen Hallers Skizzen sie mit so zerstörten Um-
rissen, daß man von ihren Einzelformen wenig genug erkennen kann, und daher ist
es schwer zu entscheiden, welcher Art sie waren — Akanthos oder »Wasserlaub«.''
Gegen den Akanthos sprechen die breiten Formen des Überfalls und der Mangel an
Einzellappen und Zacken *) (falls diese nicht sämtlich abgestoßen waren), gegen das
Wasserlaub der gebuchtete und bewegte Umriß und die mannigfache Inuenzeichnung,
aus der man wohl auf die Parallelrippen des Akanthos, aber nicht auf die Fiederrippen
des Wasserlaubs schließen kann.
Der Vergleich Durms 3) mit den Bruchstücken vier verschiedener Kapitelle in
Delphi, vermutlich von der großen Tholos, gibt auch keiijen festen Anhalt. Denn hier
') Solche Einzelkränze aus vorderer unH hinterer Jahrb. d. Inst. XI 1896, 142, daß es sich um
Blattreihe z. B. am Bau der Laodike in Milet, Blätter wie am Karnies der Nordtür vom
Abh. Berl. Ak. 1911, 11, Abb. 2; Arch. Anz.' Erechtheion handle, hinfällig. Denn jene Blätter
1911, 424 Abb. 2. — Kap. aus Paestum, Kolde- sind spitz, scharf gezackt und fiederrippig.
wey-Puchstein, Griech. Tempel in Unteritalien 3) a. a. 0. S. 28S, T. f. 71. Wiederholt im Hand-
u. Sizilien 33, .\bb. 31. — Mauch,_ a. a. 0., buch? 1909, Abb. 335. — Pomtow, Klio 1912,
Taf. 40 u. a. m. Taf.V, 34, wo ein weiteres Stück hinzugekommen
') Dieser Formen wegen ist Mcurers Annahme, ist. Zur Datierung Schede, Traufleistenornament
55 f. Kilo 1913, 32.
eg Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
sind die bei Cockerell noch niedrigen hinteren Blätter in die Höhe gewachsen und bilden
nun eine den vorderen gleichwertige Blattreihe. Das könnte bei dem jüngeren Bau
eine Übergangsstufe von der niedrigen Schichtung von Phigalia zu der hohen vom
Tholoskapitell von Epidauros sein. Zwei dieser Bruchstücke haben »Wasserlaub«,
drei (auch ein vonDurm nicht abgebildetes fünftes) Akanthos, unter diesen grade dass
Fragment I, das mit seiner großen flachen Spirale am meisten an das Phigalia- Kapi-
tell erinnert. Somit ist Durms Annahme, der aus der delphischen Analogie ohne
weiteres auf »Wasserlaub « schließen will, nichts weniger als überzeugend'). Vielmehr
scheinen mir Hallers Skizzen im Gegensatz zu Durm auf Akanthos hinzuweisen.
Akanthos möchte ich jedenfalls, und zwar in der Form wie am Türkarnies vom
Erechtheion ^), für die Stützblätter der Eckvoluten in Anspruch nehmen. Hallers
Skizzen Nr. 4, 7 u. 8 zeigen deutlich die spitz auslaufende Blattform und Reste scharfer
Zacken, von denen aus die Rippen auf die Mittelachse zulaufen 3). Hier ist die gleiche
Struktur wie dort.
Die Form des Volutenstengels ist aus der Bruchstelle zu erkennen (Nr. 6 a)
und scheint im Durchschnitt dreieckig A gewesen zu sein 4). Er durchschneidet
den Kanal der Spirale (Nr. 5 a), indem er zwischen den einfassenden Stegen (b u. c)
in die Höhe wächst; der Steg der Spirale, der ihren Stengel ersetzt, verschwindet im
Blattwerk (b). Volutenstengel und Mittelspirale sind also eines Ursprungs 5). Ein
wichtiges Motiv späterer korinthischer Kapitelle ist hier im ersten Keim vorhanden.
Freilich mit dem Unterschied, daß hier die Spirale schwerfällig ohne Stengel dem
Volutcnstengel anhaftet, ihre Nachkommen aber, die späteren Helices, schlank und
hochgestengelt aus dem Hüllblatt herauswachsen.
Die Palmette (Nr. 7, 9, 10, 11) seheint denen der Parthenon-Akroterien ähnlich
gebildet zu sein *). Auf einem unteren Fächer (Nr. 9a) liegt ein zweiter, dessen Blätter
dachförmig abfallende Flächen und anscheinend einen gerillten Rücken haben.
Alle diese Einzelheiten erscheinen in ihrer Zusammensetzung unorganisch. Der
plumpe Kalathos, das Mißverhältnis zwischen dem schüchternen Blattkranz und der
kolossalen Spirale, deren Steifheit so schlecht zum Schmuck des gerundeten und sich
leise wölbenden Kalathos paßt, der leere Raum über den Spiralen, den Malerei aus-
füllen mußte,, der ungegliederte steile Abakus, das alles gibt den Eindruck eines ersten
Versuchs.
Für die aus Hallers Skizzen zu erschließende Gesamterscheinung fehlt vorläufig
die Kontrolle der ins Ausland gelangten Zeichnungen. Wir müssen uns mit einem
') Trotzdem Durm 1906 WasserlaJb für gesichert 4) Die übliche Form hingegen V oder u s. Schede,
hält, bildet er 1909 in der 3. Aufl. seines Hand- a. a. 0. 45. 64.
buchs Abb. 335 die Cockerellsche Rekonstruk- 5) Meurers JB€hauptung, Formenlehre des Orna-
tion des Kap. mit deutlich als Akanthos gekenn- ments Sf 520, daß auf der englischen Zeichnung
zeichneten Kränzen unverändert und ohne Hallers Volutenstengel vegetabilisch nicht ver-
jeden Zusatz wieder ab. bunden seien, sondern nebeneinander stehen,
^) s. oben S. 5 , .\nm. 2. trifft also für die Straßburger Zeichnungen
1) Zu den kleinen Verschiedenheiten der Skizzen nicht zu.
vgl. oben S. 51. Anni. i. '') Praschnikcr, Östcrr. Jahresh. XIIl 1910,
Abb. 12.
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum Ijorinthisclien Kapitell. I. 57
Vergleich mit den von Rhomaios veröffentlichten Bruchstücken begnügen. Das
wichtige Fragment a (Apy. 'E<p. 1914, 59) ist aber nur zu verstehen, wenn wir
es uns anders aufgestellt denken, so daß die jetzt linke Seitenfläche die untere ist.
Zwei verschiedene Blätter sind zu unterscheiden. Zum Kranz kann das Stück nic^lt
gehören, da dieser das Kapitell nach unten abschloß, hier aber noch ein großes, abge-
stoßenes Stück des Marmorblocks zu sehen ist. Auch verlaufen die Adern und Rippen
anders als auf den Handzeichnungen. Auf diesen sind sie ) oder ( gebogen, nirgends
aber )) wie auf dem Fragment. So bleibt also nur das Stützblatt '). Wir wissen
durch Haller, daß zwei Stützblätter übereinander standen. Ein Vergkich mit dessen
Zeichnung (Nr. 6) läßt uns erkennen, daß wir es mit der linken Seite eines solchen
Doppelblatts zu tun haben. Zeichnung wie Original geben die verschieden verlaufende
Richtung der Rippen beider Blätter und ihre doppelte Linie wieder. Also ein Beweis
mehr für die Treue der Hallerschen Wiedergaben. ';
Die Fragmente ß, •;, S, s bestätigen die Form der Spirale, wie alle Abbildungen
sie geben. Fragment s aber, das Rhomaios für ein Stück der Rhabdosis erklärt, kann
man in der mangelhaften Wiedergabe nicht erkennen.
Aus den Eckstücken des Abakus (S. 60) ergibt sich die Einbuchtung seiner
Stirnseite sowie die Tatsache, daß die Voluten frei gearbeitet waren, denn die untere
Fläche der Deckplatte bleibt hinter den Ansatzstellen der Voluten 8 cm frei. Das wird
auch durch Cockerells Originalzeichnung (Taf. XV »angular section«) bewiesen,
auf der die Bruchstelle des Volutenstengels zwischen diesem und der Kalathosmasse
einen freien Raum bezeugt. Rhomaios' Angaben und Durms Abbildungen »nach
Cockerell« (Handbuchs Abb. 349 und a. a. 0. S. 288) sind in diesem Punkte irrig 2).
Bisher haben wir das korinthische Kapitell lediglich als Einzelexistenz be-
trachtet, losgelöst von seinem Säulenschaft, ohne Zusammenhang mit seiner Um-
gebung, einem Tempel, dessen Fassade dorische, dessen Innenhof jonische Säulen
schmückten. Der Bau ist nach seiner Datierung, die im wesentlichen durch den Namen
Iktinos, seines genialen Schöpfers, sowie durch den Stil seiner Skulpturen gesichert
ist 3), für uns der älteste, an dem alle drei Säulenordnungen gemeinsam vorkommen.
Wenn Pausanias der korinthischen Säule keine Erwähnung tut, so ist zu be-
denken, daß er auch den Wechsel der Stützenordnung im Innern nicht berührt. Die
Sache hat ihn in diesem Fall nicht wie in Tegea interessiert.
') Nicht als Teil der Spirale zu verstehen, wie man fest anlagen. Aber er ist gar nicht auf Cockerells
aus der Form des Bruchs leicht schließen könnte. Originalradierung zurückgegangen; wenigstens
Denn die Spiralgänge sind flacher; außerdem bringt er S. 60 Durms Nach- und Umbildung
ist nach den Zeichnungen das Stützblatt nicht derselben (Handb. 349, Abb. 335) mit einem
höher als die Spirale. Damit ist auch Rhomaios' Zusatz, der sich bei Cockerell nicht findet, einer
Behauptung widerlegt, daß diese Blätter bis punktierten Linie am unteren Abschluß, die den
zum Abakus reichten. Kranz andeuten soll. Und g rade die Volute,
^) Rhomaios glaubt dadurch einen Fehler von auf die es Rhomaios ankommt, ist bei Durm und
Cockerells Rekonstruktion widerlegt, auf der in Rhomaios' Wiederholung ungenau.
seiner Meinung nach die Voluten dem Kalathos 3) Paus. VIII, 41, 9. Durms Zweifel a. a. O. 290
unbegründet.
58 Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Wo hat die korinthische Säule, ein Neuling inmitten der andern althergebrach-
ten Ordnungen, ihren Platz gehabt?
Außer dem Einzelkapitell wurden auch Bruchstücke einer Basis gefunden '),
die sich in Aufbau, Ausführung und Material von den jonischen absondert. Man kann
annehmen, daß Einzelbasis und Einzelkapitell zu einander gehören, um so mehr als
beide aus dem gleichen Material, aus Marmor, gearbeitet sind, die jonischen aber aus
Kalkstein. Stackeiberg Taf. IV, V, Donaldson Taf. II, und Cockerell Taf. II, IX—
XII weisen übereinstimmend der Säule ihren festen Platz an auf der Grenze zwischen
Innenhof und Cella, in der Mitte der nördlichen Schmalseite zwischen den jonischen
Ecksäulen der beiden hintersten Zungcnwändc. Stackclbcrg (S. 41) setzt sie ohne
Bedenken an diese Stelle, Donaldson weil sie als die einzige erscheint, wohin die ko-
rinthischen Bruchstücke passen, denn nur dort unter dem schweren Architrav der
Cella kann noch eine stützende Säule gestanden haben. Deshalb findet er sich mit
dieser »grillenhaften« Sonderbarkeit der Stilmischung ab, wenn auch nicht ohne
ästhetische Einwände (S. 126).
Cockerell aber rühmt gerade in dieser Anordnung die Kunst des Iktinos: die
gleichmäßig gestellten Mauerzungen mit den vorgelagerten jonischen Ilalbsäulen
gliedern den Hof in harmonischer Weise und lenken den Blick auf den Eingang der
eigentlichen Kultcella, eben dorthin, wo die korinthische Säule steht. Aber er fügt
hinzu, daß vom Eingang und besonders von der dritten Säule aus gesehen die Mittel-
säule mit den Ecksäulen eine Einheit bilde und man folglich auch auf diesen korinthi-
sche Kapitelle erwarte. Zu dieser Vermutung können ja auch die oben (S. 46) er-
wähnten Widersprüche über das Schicksal des Kapitells verleiten. Aber in den
Publikationen haben die Ecksäulen die gleichen Basen wie die jonischen Säulen,
werden also wohl auch die gleichen jonischen Kapitelle getragen haben. Außerdem
hätten auf den Säulen, die den Mauerzungen vorgestellt waren, nur Dreiviertel-
Kapitelle sitzen können. Das korinthische Kapitell aber war nach allen Aussagen
und 'Zeichnungen ein gleichmäßig ausgeführtes Rundkapitell. — Die Interkolumnien
zwischen Mittel- und Ecksäule — nach Cockerell 6, 4, 75 Fuß, fast 2 m lang — sind
außerdem zu eng für etwaige Zwischenstützen mit korinthischen Kapitellen. So kann
also doch nur eins vorhanden gewesen sein.
Kavvadias hat bei seiner Untersuchung des Tempels auf dem Stylobat Spuren
einer Säule an der angegebenen Stelle gefunden (S. 174 f.). »Es ist also außer allem
Zweifel« sagt er, »daß im Tempel diese korinthische Säule gestanden hat, und zwar in
Verbindung mit dem Bau — daß sie also gleichzeitig mit den anderen Säulen war. «
Leider fehlt die technische Begründung dieser Behauptung, ebenso wie die Angabe, ob
die Standspuren zu den Maßen der korinthischen Basis stimmen.
Für den Standort der Säule wäre es wichtig, wenn Cockerells Versicherung
(S. 48) stimmte, daß die Basis »in situ« gefunden sei') — eine Behauptung, die er noch
zweimal in anderem Zusammenhang wiederholt (S. 56, 58). Stackeiberg aber schreibt
') Cockerell, Taf. XV. Donaldson, Taf. IX. Kav- vadias, S. 174 f. erwähnt außerdem noch zwei
Säulentrommeln.
') S. seine Zeichnung von ihr Taf. X.
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell, I. eg
(S. 17): »der Fuß der einzelnen Säule mit dem Blätterknauf war nicht mehr auf dem
umlaufenden Sockel befestigt, sondern aus ihrer Stelle gerückt. Das Kapitell lag
neben der Säule in dem abgeschiedenen innersten Raum der Cclla, und mehrere joni-
sche Säulen waren hier verstreut«').
Aussage gegen Aussage, aber wir müssen bedenken, daß Stackelbcrg zwar
nicht beim ersten Besuch der Ruinen anwesend war, aber an der Hauptuntersuchung
drei Monate teilnahm, während Cockcrell damals fehlte. Außerdem weiß Stackeiberg
bestimmte Einzelheiten anzugeben, und seine Aussage hat den Vorzug, 35 Jahre vor
der Cockerells getan zu sein, also aus einem frischeren Gedächtnis zu stammen. So
bleibt es fraglich, ob die Basis in situ gefunden worden und damit auch, ob der ihr
zugewiesene Platz wirklich der ursprüngliche war.
Zweifellos muß an dieser Stelle eine stützende Säule gestanden haben. Die
Spannweite — fast 4m — erfordert und die Standspuren sichern sie. Muß es aber
grade die korinthische gewesen sein? Näherliegend ist es doch in Übereinstimmung
mit der ganzen Anlage an eine jonische zu denken. Denn jonische und korinthische
Ordnung stehen hier in schroffem Gegensatz zueinander — einem Gegensatz, der be-
dingt ist durch die schweren, man möchte fast sagen, dorisierenden, abnormen joni-
schen Säulen und die zierliche, aber ebenfalls noch nicht normale korinthische. Und
dieser Gegensatz wiederholt sich fast in jeder Einzelform, in der einfachen, nur durch
Wulst und Hohlkehle gegliederten, wuchtig ausladenden Basis der jonischen und der
kleineren fein profilierten, durch drei Hohlkehlen gegliederten und gelösten korinthi-
schen — in dem stark geschwungenen Ablauf des breiten jonischen und dem fast
graden, steilen des schlanken korinthischen Schafts. An den Kapitellen freilich sind
die großen Mittelspiralen des korinthischen den mächtigen, gleichfalls um ein Auge
aufgewickelten jonischen angenähert. Aber die funktionell wichtigeren Eckvoluten
auf hohen, unter Blättern halb verdeckten Stengeln, sowie der zierlich-lebendige
Kranz lassen jene Spirale nur als Ornament erscheinen und geben dem korinthischen
Kapitell mehr Leichtigkeit im Verhältnis zur energischen Wucht der jonischen. Es
ist kaum anzunehmen, daß zwei Säulen, die so andersartig empfunden und gestaltet
sind, genau dieselben Aufgaben erfüllen sollten — ja, daß die leichte korinthische
sogar die schwerere hatte. Denn die jonischen trugen nur Architrav und Fries, die
korinthische aber hätte an jener Stelle der Cellawand auch das darüberliegende Dach
mit stützen müssen. Man kann sich eines leisen Mißbehagens nicht erwehren, wenn
man in den Aufrissen die schlanke Säule in dieser Funktion zwischen ihren kräftigeren
jonischen Gefährtinnen sieht.
Dazu tritt noch das Zeugnis des Materials. Alle Säulen waren aus Kalkstein,
einzig und allein die korinthische aus edlerem Material, aus Marmor *). Kühl hob sich
Ihr leuchtend weißer Ton von dem farbig dunkleren Hintergrund der Kalksteinwände
') Sir William Gell, der den Tempel schon 1805 ge- ') Kavvadias erwähnt mit keinem Wort das Ma-
sehen hat, bestätigt in Wilkins Antiquities of terial der Säule. Nach Cockerells (S. 56), Hallers
Magna Graecia App. Taf. XI, S. 73, daß inner- . (S. 258), Stackeibergs (S. 28) und Donaldsons
halb der Cella viele Architekturstücke des Tem- (S. 123) Ausführungen war der Tempel aus dem
pels gelegen hätten. bläulich oder grünlich weißen, mit bräunlichen
60 Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. 1.
und -Säulen ab; lebendig wirkte ihr Blattgcfügc neben den starren jonischen Voluten.
In dieser Umgebung erscheint sie uns wie ein Fremdling, der formal und struktiv zur
übrigen Architektur nicht passen will. So können wir die Frage nicht unterdrücken,
ob sie nicht eine andere Aufgabe zu erfüllen hatte, etwa als Einzelsäulc, freistehend,
ohne konstruktiven Zweck, etwa nur als Trägerin eines Weihgeschenks ') ? Dann
würde man sie sich freilich lieber vor dem Tempel denken, wie jene jonischen Säulen
beim Tempel der Athena Alea in Tegea ^) — und dann erhebt sich wiederum die
Frage, wie grade die Reste, Kapitell und Basis, ins Tempelinnere gelangen konnten.
So bleibt sie uns noch immer ein Rätsel, das sich mit unserem bisherigen Material nicht
lösen läßt.
2. KAPITELLE REPUBLIKANISCHER ZEIT.
Bei seiner Besprechung der korinthischen Bauweise teilt bekanntlich Vitruv IV,
I, II u. 12 das Kapitell ohne Einrechnung des Abakus in drei Teile, 'in den unteren
und den oberen Blattkranz (imum folium und folium medium) und in einen kom-
plizierten dritten Teil: bei diesem wächst aus Innern Blattstengeln, cauliculi, der
Blattkelch, folia proiecta, hervor als Stütze des Rankenwerks, der volutae, die sich
den Eckwinkeln des Abakus, und der helices, die sich der Mitte zuwenden. Er stellt
zur Bestimmung der Maßverhältnisse die Theorie auf, daß diese drei Teile von gleicher
Höhe wären. Und dieses Schema liegt auch tatsächlich späteren römischen Kapi-
tellen zugrunde. Um so merkwürdiger ist die Tatsache, daß grade die uns erhaltenen
Normalkapitelle seiner Zeit von diesen Maßverhältnissen abweichen. An ihnen ist
der mittlere Teil, die zweite Blattreihc, niedriger als der obere und der untere. Diese
ungleiche Höhe der Kapitellzonen findet sich nun durchweg an den freilich nicht
häufigen vorvitruvischen Normalkapitellen in Rom und den italischen Provinzen,
vor allem aber auch an dem für uns klassischen Beispiel des Olympieions in Athen.
Vergleicht man dieses mit jenen republikanischen, so ergeben sich in Form und Auf-
bau so manche Ähnlichkeiten und Beziehungen, daß die Frage nach einem engeren
Zusammenhang sehr nahe gelegt wird.
Das Olympieion-Kapitell.
Zunächst ist ein Irrtum zu berichtigen. Als Kapitell des Olympieions von Athen
ist in den bisherigen LIntersuchungen stets der um Jahrhunderte jüngere Typus von
der Bibliothek des Kaisers Hadrian in Athen zugrunde gelegt. (Beilage III, 2.) Das
Adern durchzogenen Kalkstein jener Gegend diesen auffallend struierten Marmor, der ve'r-
erbaut, ebenfallsdiejonischen SäulenalsTeileder niutlich von den ägäischen Inseln stammt,
.\rchitektur. j\ber alle feinen Zierteile waren aus sonst nur auf dem .^usgrabungsfeld in Olympia
Marmor; folglich müssen wir die korinthische gesehen.
Säule, falls sie zum Bau des Tempels gehörte, ') Spuren auf der Abakusfläche würden uns drüber •
zu diesen rechnen. Stackeiberg sagt, es sei pari- aufklären, aber Rhomaios sagt leider nicht, in
scher, Haller pentelischcr Marmor gewesen. welchem Erhaltungszustand diese ist.
Lepsius (Griechische Marmorstudien S. 57) hat ^) Thiersch, Jahrb. d. Inst. XXVIII 1913, 266 f.
{BUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921.
äiimuMiJiMteatf
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. 6l
ist um so verwunderlicher, als an beiden Bauten noch eine Anzahl Kapitelle in situ
vorhanden ist, 7 an der Hadriansbibliothek '), am Tempel sogar noch 17 2). Jedoch
Mauch, Architektonische Ordnungen der Griechen und Römer^, bearb. von Lohde,
Berlin 1872 Taf. 42, Altmann, Italische Rundbauten Abb. 8, dem sich Delbrueck,
Hellenistische Bauten in Latium 11 161 in seinen Folgerungen anschließt (s. unten
S. 66), sie alle wiederholen die Abbildung eines Kapitells aus Stuart-Revett, Anti-
quities of Athens Chapt. V, Taf. VIII unter dem Namen »Kapitell vom Olym-
pieion«3), ohne zu bemerken, daß dieser Bau überhaupt nicht in die Antiquities auf-
genommen ist. Der Irrtum mag dadurch entstanden sein, daß Stuart-Revett dem
Abschnitt über die Bibliothek des Hadrian die Überschrift geben »Stoa or Fortico,
commonly supposed to be the remains of the Temple of Jupiter Olympios«, und
diese Worte werden als Unterschrift der dazu gehörigen Tafeln der englischen Original-
ausgabe wiederholt. Im Text wird freilich nachgewiesen, daß dies Bauwerk seine
landläufige Benennung mit Unrecht trägt, und zweifellos die Stoa des Hadrian
ist. Die einzig richtige Abbildung aber fristet bei Penrose, Investigation of the
Frinciples of Greek Architecture', London 1851. ^ 1886, Taf. 39 nur ein ver-
borgenes Leben (Beil. III, l); sie wird wohl zitiert, aber nirgends wiederholt.
Unter geborgtem Namen steht an ihrer Stelle diejenige des hadrianischen Kapi-
tells. Das muß zu falschen Schlüssen führen, wenn die Kunstformen beider Kapi-
telle sich nicht in allem Wesentlichen decken. Und das ist tatsächlich nicht der Fall.
Allerdings haben beide den gleichen Aufbau, sie sind sogenannte Normalkapitelle 4),
d. h. Eckvoluten und die kleineren Innenvoluten steigen aus gemeinsamem Schaft
bis zum Abakusrande empor 5) und scheinen ihn zu stützen. Sie sind also formal
einander gleichgestellt. Anders ist es aber bei den Einzelformcn. Zu ihrer Verglei-
chung diene Tabelle I, S. 62 — 64.
Auch da ergeben sich wohl einige gemeinsame Züge beider Kapitelle, nämlich
die weite 'Stellung der unteren Kranzblätter, der kelchartige Abschluß der Gaules
(wenn auch unter sich verschieden, sind doch beide ohne einen festen Ring gebildet),
der stark sichtbare obere Teil des Kalathos *) und vor allem die ungleiche Höhe beider
Kränze, die beim Stoakapitell aber noch augenfälliger ist. Doch weit tiefgreifender
als diese Ähnlichkeiten sind die Unterschiede. Am Kapitell A hat jeder Teil Raum
zu kraftvoller, seiner Funktion entsprechender Entwicklung: die hochaufstrebenden
') Photogr. der Meßbildanstalt 1288. Alinari 24535 an den Abakusrand, in römischer Zeit in der
u. 39. Regel nur bis zur Kalathoslippe. In der starken
') Meßbild 1281, l — 3. Alinari 25544 — 48. Untersicht aber scheinen sie wie die Voluten den
5) Andersen-Spiers, Architektur von Griechen- Abakus zu tragen.
land u. Rom, 1905, Abb. 72 geben — um ') Eine Bildung älterer Zeit, über hellenistische
die Reihe der Verwechslungen \-olI zu machen — und Kap. des 4. Jhrh. bis nach Phigalia zu ver-
unter dem Namen »Kap. vom Olympieion« ein folgen und vom konservativen Griechenland
ganz anders gestaltetes, beim Theseion gefun- (Weigand S. 76 f.) auch in späteren Jahrhun-
denes, jetzt im Nat. Mus. in Athen, Nr. 1496 derten bewahrt (z. B. Kap. im Nat. Mus. zu
(Beil. II, 8;. Athen 1476 [Bei . III, 8] u. von der Exedra
■t) Delbrueck II, S. 162. des Herodes Atticus in Olympia II, Taf. XC, 2),
5) Die Innenheliccs gehen freilich nur selten bis hart aber nicht bei römischen Kapitellen zu finden.
62
Margarete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Tabelle i^).
A. Olympieion.
B. Stoa des Hadrian.
C. Rundtempel am Tiber.
Abbil-
dungen.
Astragal.
Kalathos.
Rlatt-
kränze.
Beilage III, i. Vgl. Nachtrag
unten S. 82 mit Abb. 7.
Penrose, Principles of Athe-
nian Architecture, Taf. 39.
Photographien der Meßbild-
anstalt, Taf. 1281, I — 3.
Rundstab über kurzem Hals-
mantel.
Gradwinkliger Bodenansatz,
steiler Anstieg. Vom Blatt-
werk dicht und fest umgeben.
Oben wenig ausladend.
Jedes Blatt besieht aus je 4
wenig gegliederten seitlichen
und einem überfallenden Mit-
tellappen, jeder Lappen aus
3 kurzen, einander gleichwer-
tigen Zacken (der mittlere
springt nicht vor) und 2 klei-
nen Zäckchen, die eine runde
nicht ganz geschlossene Öse
bilden. Die starke Schatten-
gebung der Ösen wird beson-
ders betont durch den Kon-
trast zu dem abgeflachten
hellen Rand und den stark
hervorgewölbten Blattfalten
(Pfeifen), die von ihnen aus
leicht geschwungen zum Blatt-
fuß gehen. Eng aneinander
gelegte Rippen und Adern
durchfurchen die Einzellappen
von Blattspitze bis -fuß ohne
Zusammenhang mit der Mit-
teirippe. Fest geschlossener.
Beil. III, 2.
Stuart-Revett, Antiquities of
Athens Chapt. V Taf. VIII.
Weigand, Jb. d. Inst. XXXIX
1914, Taf. IV. Meßbild Taf.
1288.
Rundstab; kein Mantel.
Leicht eingezogner Ansatz. Oben
breit ausladend. Vom Blatt-
werk dicht umhüllt.
Je 2 seitliche Lappen, breiter
Überfall des mittleren und der
beiden obersten Lappen, r. u.
1. von jenem; jeder mit schma-
lem Ansatz und fächerförmig
ausgebreiteten länglichen, an
Olivenblätter gemahnenden
Zacken. .Schmale scharfe Ril-
len, von den Zackenspitzen
ausgehend, vereinen sich am
Lappenansatz zu einer einzi-
gen tiefen Rille, die die her\or-
gewölbte-Mittelrippe zum Blatt-
fuß begleitet. Der Einzellap-
pen ist dadurch abgesondert,
und die starke Gliederung des
Gesamtblattes zerstreut die
Lichtgebung, vermehrt die
Schattenquellen und macht
somit Umriß und Wirkung
des Blattes unruhig.
Oberer Kranz bis zur Hälfte vom
unteren verdeckt. NureinSci-
Zwei Arten von Kapitellen»):
1) (Beilage III, 3 u.4) mit spitz-
gezacktem Blattwerk. Del-
brueck. Hellenistische Bauten
in Latium II, Abb. 108 nach
D'Espouy, Fragm. d'Arch. —
Photogr. nach Gipsabguß im
Archäol. Seminar der Berliner
Universität.
ß) (/\bb. 6 S. 67) mit stumpfge-
zacktem Blattwerk. Altmann,
Italische Rundbauten, Abb.
6 a, 7.
Rundstab und Kyma.
Wie bei B.
Typus d : Je drei seitliche Lap-
pen und Überfall, jeder mit
drei spitzen Zacken, deren mitt-
lerer stark hervorspringt, und
einem Zäckchen innerhalb der
Öse, von der stark gewölbte
Pfeifen zum Blattfuß gehen.
Typus ß: Je 2 seitliche und ein
oberer mit den beiden benach-
barten zum Überfall vereinter
Lappen; je 4 kurze abgerun-
dete Zacken. Der oberste
Zacken eines Lappens über-
schneidet den untersten des
nächsten und bildet dadurch
eine längliche Öse. Das Blatt-
fleisch ist weich modelliert;
wenige Rillen gehen breit und
tief ausgehöhlt zum Blattfuß,
wo die Mittelrippe mit ver-
breiteter Basis ansetzt. Kräf-
tiges, saftiges Blattwerk tief
unterhöhlt.
') Der Einfachheit wegen wird das Rundtempel- sprechen wird, schon hier mit diesen beiden
Kapitell, das erst im nächsten Abschnitt be- Kapitellen zu einer Tabelle vereint.
') Nach Weigand, .\. M. XXXIX 1914, 26 haben S K:i|)itelle spitzes, II stumpfes Blattwerk.
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
63
A. Olympieion.
B. Stoa des Hadrian.
C. Rundtempel am Tiber.
C a u 1 e s.
Blatt-
kel eh.
wenig gegliederter Umriß des
schlanken Blattes.
Der obere Kranz wird zum gro-
ßen Teil von den nach oben
sich verjüngenden, dreieckigen
Blättern des untern verdeckt;
nur 3 Blattlappen und die
Schwellungen und Rillen der
Mittelrippe, die bis zum Blatt-
fuß geht, sind sichtbar.
Breite, wuchtige, etwas schräg
geneigte Schäfte mit geradlini-
gen Furchen. Fast kelchartig
enden sie ohne Abschluß, aber
mit überfallendem Rande ').
Offener symmetrischer Zwei-
blattkelch, der nur den Fuß
der Helices verdeckt, ihren
Lauf begleitet und ihre Linien-
führung zu wiederholen scheint.
Die ausgehöhlten, mit schmalen
Stegen eingefaßten Stengel stei-
gen steil an; die der Innen-
helices gehen mit leiser Außen-
biegung, wie unter dem Druck
des lastenden Abakus, über 1 die zweier Seiten scharf von-
ten- und der starke über-
fallende Mittellappen über-
ragen ihn. Die eng aneinander
gelegten Blattfalten und Adern
sind im ganzen Verlauf sicht-
bar, aber nicht bis zum Blatt-
fuß durchgeführt ■).
Ganz verkümmert, obwohl die
weit auseinander stehenden
Hochblätter genügend Ent-
wicklungsraum ließen. Unge-
furcht, nach oben erweitert
enden sie kelchartig mit über-
fallendem Zackenrand.
Hoher geschlossener Zweiblatt-
kelch, der nur den Oberlauf der
Helices frei läßt. Der oberste
Lappen des inneren Blattes
biegt unter der Mittelvolute
scharf nach unten um und
deckt den Kalathos stärker.
Das Außenblatt begleitet den
Lauf der Außenhelices.
Stengel wie bei A gebildet, aber
niedrig im Verlauf. Innenhcli-
ces enden unter Kalathoslippe.
Eckvoluten schneckenförmig
aus der Ebene herausgedreht3) ;
Beide Typen haben weder einen
so geschlossenen Umriß wie das
Blattwerk von A, noch einen
so vielfältig gegliederten wie
das von B.
Bei beiden Typen der obere
Kranz nur zur Hälfte sichtbar.
Bei a ist die Mittelrippe bis
zum Blattfuß ausgeführt, bei
ß läuft sie schon früher aus.
Kräftig, durch breite, schräg ge-
stellte Kanelluren gefurcht,
teilweise von Hochblättern ver-
deckt; als Abschluß über
Kanelluren-Ablauf ein ring-
artiger Wulst.
Symmetrischer Zweiblattkelch,
bedeckt nur den Fuß der Heli-
ces und begleitet ihren weit-
ren Lauf.
Wie bei B. Doch verdeckt der
geöffnete Blattkelch ihren Lauf
weniger. Eckvoluten aus der
Ebene herausgedreht. Mittel-
voiuten um kleines Auge auf-
gerollt.
') In späterer Zeit meist nicht ausgearbeitet. Hier
jedoch ist der Blattfuß sorgfältig geglättet und
kelchartig geformt. Vgl. als Vorstufe hierfür
Kapitell des Fortuna-Augusta- Tempels in Pom-
pei. Weigand a. a. O. Beibl. I, 7.
^) Wie Hüllblätter der Ranken an Akroterien
(u. a. Meurer, Formenlehre der Ornamentik
304 Abb. 5. Conze, Untersuchungen auf Samo-
thrake I Taf. XLV. — II Taf. XLIV 2) und
Traufleisten (Olympia II Taf. 123, 2).
3) Delbrueck a. a. 0. 162 behauptet — und Woer-
mann, Gesch. der Kunst' 446 schließt sich ihm
a. a. 0. Beil. 4,
an — , daß nur bei italischen Kapitellen die Vo-
luten aus der Ebene herausgedreht seien, nicht
aber bei Normalkapitellen. Bei diesen geschieht
es der andern Volutenbildung gemäß in anderer
Form: entweder ist das Volutenauge heraus-
gedreht oder die Windungen der Volute springen
in einer Spitze oder Schnecke vor. Z. B. Kap.
vom Kastor-Tempel in Cori (Beil. III, 6), Rund-
tempel am Tiber (ebda 3, 4), Kap. im Thermen-
Museum (Noack, Baukunst Taf. 80 a), im Mus.
Nazionale Neapel (Meurer a. a. 0. Abt. XXII,
Taf. 6), vom Stadion des Palatins (Weigand
2S) u. a. m.
64
Margarete Gfitschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
A. Oly m pi eion.
B. Stoa des Hadrian.
C. Rundtempel am Tiber.
AI) ak u s.
A bakus-
blute.
Kalathoslippe hinweg zum
Abakusrand. Voluten um ein
kleines Auge aufgerollt; in den
Zwickeln ein Tropfen ^). Die
von zwei Seiten zusammcnlati-
fcnden Eckvoluten lediglich
durch eine Hohlkehle geglie-
dert. Zwischen Innenvoluten
großer Abstand.
Nach der Mitte eingezogen. Über
steiler Kehle Echinusprofil auf
schmaler Platte. Die spitz-
winkligen Ecken weiter vor-
springend als die Blattstütze
der Voluten (s. Meßbild 46
bis 48).
.»Vraceenblüte 3), deren Stengel
einem dickeren, sich nach oben
verjüngenden Schaft mit kelch-
artig umgeschlagenem Rand
entspringt.
einander geschieden '). Innen-
voluten sich fast berührend.
Profil wie bei A, aber alle Glie-
der niedriger, weniger steil und
starker ausladend, besonders
die Ecken.
Rosette (Blüte des gefüllten
Helianthos) 4) auf schrägem
Abakusprofil stark nach unten
geneigt. Ihr sehr dünner
Stengel gibt zusammen mit der
Mittelrippe des Hochblatts eine
starke Betonung der veitikalen
Achse.
Wie bei A, doch Ecken mehr vor-
springend.
Typus a: Aracee.
,, ß: Rosette.
Die schlanken Stengel ent-
springen nebst einem Blatt ei-
nem kurzen dicken Cauliculus,
wodurch der Kalathosgrund
verhüllt und die Stelle zwischen
Mittelhochblatt und Innen-
helices betont wird.
I
Blattkränze umfassen wie angepreßt den Kalathos, als müßten sie seine ganze Kraft
und Masse stützend und schützend zusammenhalten. Die wuchtige und breite Gestalt
der Caules ist nur der folgerechte Ausdruck ihrer Funktion, denn im Gegensatz zu
Weigand (S. 6i) erscheinen sie mir fast als der wichtigste Teil im Aufbau des Kapi-
tells — haben doch die Helices, die die Last von obenher (es ist ja auch Gebälklast)
tragen und nach unten leiten, in ihnen Ursprung und festen Stand; die Caules sind
also Träger und Stützen dieser Kräfte.
Anders bei B. Daß die Einzelteile einmal eine Aufgabe zu erfüllen hatten, ist
vergessen — sie sind Schmuckteile geworden. Dem Blattwerk mit tief eingebohrten
Rillen und scharfen Stegen fehlt das Runde, Schwellende und vor allem die geschlossene
Einheitlichkeit, die dem Akanthos von A die Richtung auf die funktionelle Aufgabe
gibt. Immer wieder scheint der Kalathos zwischen den locker und lose stehenden
') Vorgänger dieser Bildung: Zwickelblüten am
Kapitell der Tholos von Epidauros. Lechat-
Defrasse, Epidaure Taf. VII, S. 115.
*) Weigand gibt die Abbildung eines Kapitells
mit abgebrochenen Voluten, die Meßbilder zeigen
aber andere, die intakt sind.
3) Penrose a. a.O. spricht von »two varieties of the
flower«; nach den .Abbildungen sind sie aber
nicht festzustellen.
4) s. Meurer a. a. 0. S. 203, Abi. VIII, .Abb. 3.
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korintbischen Kapitell. I. 65
Blättern hindurch, und mit der stärker betonten Breitenrichtung geht der Eindruck
der zusammengehaltenen Kraft verloren. Die jämmerlich dünnen Caules, die nicht
mehr wissen, welche Last auf ihnen ruht, scheinen zu schwach für die üppigen Hüll-
blätter und Hclices. Diesen wiederum läßt der Kelch, übergroß entwickelt, nicht
recht Raum zur Entfaltung, so daß sie in allzu kurzem Lauf nur flach gewölbt, kaum
noch als die elastischen Träger des Abakus zu empfinden sind.
Das Olympieion- Kapitell wirkt auf den ersten Blick vielleicht weniger lebendig,
möglicherweise weil es ärmer an Kontrast von Licht und Schatten ist — aber das
liegt an seiner Geschlossenheit, die in Wahrheit ein Vorzug ist. Es ist reiner in der
Form und mit mehr Verständnis für die Aufgabe der Einzelteile gearbeitet. Das der
Stoa ist dekorativer, in den Einzelformen zierlicher, in der Gesamtwirkung eleganter,
aber seine Formen sind durch immer wiederholten Gebrauch konventionell geworden
und nicht alle mehr recht verstanden.
Wir haben es also in der Tat mit zwei Kapitellen verschiedener Stilisierung,
durch die sie sich auch zeitlich unterscheiden, zu tun. Die Bauzeit der Hadrianstoa
ist ungefähr festzulegen, jedenfalls um 130 n. Ch. '). Dazu stimmt, daß man an
ihrem Kapitell alle Merkmale findet, die Weigand (S. 47) für die Formengebung
spättrajanisch-hadrianischer Zeit feststellt: das stark gezackte Blattwerk, bei dem
die Einzellappen durch die Führung ihrer Adern fast zu Einzelblättern werden,
ferner die verkümmerten Caules, den hochgeschlossenen Zweiblattkelch und die
niedrigen Helices.
Die Kapitelle des Olympieions müßten schon allein ihrer kräftigen, reinen
Formen wegen als die älteren erscheinen. Sie stammen nicht vom letzten abschließen-
den Umbau Hadrians, sondern vom Neubau, den Antiochus Epiphanes nach Vi-
truv VII praef. 15, 17 vom Architekten Cossutius zwischen 175 — 164 ausführen heß ^).
Es liegt auf der Hand, daß Vitruv und Livius (41, 208) den Bau inbezug auf Gebälk,
Stil, Schönheit und Geschick der Ausführung mit den prächtigsten bekannten Tem-
peln nicht hätten vergleichen können, wenn er nicht mindestens bis zum Gebälk-
abschluß gekommen wäre. Daß freilich schon sämtliche Säulen unter ihrem Gebälk
gestanden hätten, ist nicht anzunehmen, weil Sulla die nach Rom entführten und
im Kapitolinischen Tempel aufgestellten Säulen (Plinius 36, 45) nicht hätte heraus-
brechen können: es werden bis zur Aufrichtung fertiggestellte Stücke gewesen sein 3).
An ihre Stelle mögen dann bei Hadrians Umbau jene Säulen gekommen sein, die
der römischen Zeit angehören, wie Weigand (S. "j"] Anm. l) es wenigstens von einer
sagt.
') Judeich, Top. von Athen 334, Anm. 13. Kapitolinischen Tempels (Durra, Bauk. der
») Judeich, a.a.O. 341. Ebda 342 Anm. 2 weitere Etrusker und Römer» loi) gewiß korinthischer
Literatur. Ordnung gewesen ist. Für eine Wiederherstel-
3) An alte dorische Säulen, die vom pisistratischen, lung in der alten etruskischen Form hätten
wohl überdies niemals in die Höhe geführten griechisch-dorische Säulen nicht gepaßt, und
Bau übrig geblieben wären, ist hier um so weniger gegen sie spricht überhaupt die damalige bau-
zu denken, als schon dieser erste Neubau des geschichtliche Entwicklung Italiens.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXVI. 5
56 Margarete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Der Vergleich beider Kapitelle hat ergeben, daß ihre Verwechslung nicht etwa
aus ihrer Stilgleichheit zu verstehen wäre. Muß man daher nun, wenn beide richtig
eingesetzt werden, auch die Folgerungen der bisherigen Forschung wesentlich korri-
gieren ?
Das Kapitell des Rundtempels am Tiber.
Altmann (S. 26 f.) und Delbrueck (II, 43 u. 162) setzen den Rundtempel am
Tiber, in Rom, den sie für rein griechisch halten, in die Mitte oder zweite Hälfte des
2. Jahrh. v. Ch. Denn seine Kapitelle (Beil. III, 3 u. 4 u. Abb. 6) '), nach ihnen die einzig
erhaltenen Beispiele der Normalform im republikanischen Rom, hätten ihre »nächste
Analogie« im Kapitell des Olympieions. Da ihnen ^als solches aber, wie die beigefügte
Abbildung zeigt, das Kapitell der Hadrianstoa gilt ^), so müßte, wenn wirklich die
stilistische Ähnlichkeit dieser beiden Kapitelle so groß wäre, daß man eins nach dem
andern datieren könnte, auch das Kapitell des Rundtempels aus Hadrians Zeit
stammen. Dieses könnte also, weil der Tempel aus andern Gründen so spät nicht
datiert werden darf, nur zu später neu eingefügten Kapitellen gehören. Oder man
hätte — unwahrscheinlich genug — beim Bau der Stoa zu alten Formen zurück-
gegriffen. Um diese Widersprüche zu lösen und dem Rundtempel-Kapitell seine
rechte Stellung zu geben, müssen wir seine beiden Typen (a mit spitz-, ß mit rund-
gezackten Blättern) zunächst mit den beiden griechischen Kapitellen eingehend
vergleichen. Ich verweise wieder auf Tabelle I.
Überblicken wir die Einzelformen, so teilt das Rundtempel-Kapitell zwar die
spitzen Zacken des Akanthos (Typus a Beil. III, 3) und die kräftige Entwicklung der
Gaules mit dem Olympieion-Kapitell, unterscheidet sich aber durch eben diese
Formen von den, noch dazu mit einem Wulstring abgeschlossenen Gaules des hadri-
anischen Exemplars. Umgekehrt sind die auffallend niedrige Schichtung des zweiten
Kranzes und die kurzen Helices und Volutenstengel mit dem gedrungenen Lauf, die
ihm und dem Stoakapitell gemeinsam sind, dem Olympieion-Kapitell fremd. Von
beiden aber unterscheidet es die engere Stellung des unteren Kranzes und die andere
Stilisierung beider Blatttypen. Besonders hinzuweisen ist auf zwei sehr abweichende
•Merkmale, nämlich auf die Blattbildung des Typus ß (Abb. 6), bei dem der oberste
Zacken des einen auf den untersten des nächstfolgenden Lappens übergreift, und
ferner auf den kleinen Cauliculus über dem Mittelhochblatt, aus dem Blatt und Sten-
gel der Abakusblüte aufwachsen, der also sozusagen Träger dieser Blume ist. Grade
diese beiden Motive können zur Datierung des Kapitells helfen.
Die übergreifenden Blattzacken sind ein Kennzeichen römischen Blattwerks
') Altmann, Abb. 8. Ebenda S. 22 Lit. — Del- ') Delbrueck zitiert II, 162 Anm. 3 das Olympieion-
brueck II, Abb. 108 nach. D'Espouy, Fragm. Kapitell »Penrose, Taf. 39, danach Altmann«,
d'Archit. Wiederholt bei Woermann, Gesch. d. berichtigt aber dessen Verwechslung nicht,
Kunst I', Abb. 486. sondern stimmt dessen sich daraus ergebenden
Schlüssen zu.
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
67
seit augusteischer Zeit '). Auf den Rankenblöcken der Ära Pacis *), die zwischen 13
und 9 V. Chr. ausgeführt wurde, findet man die verschiedenen Entwicklungsstufen
beieinander: die Kelche der Ranken sind aus übergreifenden Lappen zweier sich
zusammenschließender oder auch eines Einzelblatts gebildet 3), und auch beim voll
entfalteten Blatt, z. B.
beim dreilappigen unter
dem geradlinigen Mittel-
stengel, ist je ein Zacken
eines Lappens über den
nächsten des andern gelegt
worden. Auch die Zacken
des großen Akanthoskelchs
am Fuß der Platte, dessen
spitzer Umriß und hervorgewölbte
Pfeifen griechischer Stilisierung sind,
greifen nach römischer Art über-
einander. In seinem Reichtum mannig-
faltigster Formen zeigt der Altar wie die Rund-
tempelkapitelle runde römische und spitze
griechische Blätter nebeneinander. Aber sie
sind naturgetreu, nicht rein ornamental und
nicht plastisch, sondern zeichnerisch gegeben:
die Linie dominiert. — Dagegen weisen die
Kränze an mittelaugusteischen Kapitellen
manche Ähnlichkeit mit den Rundtempel-
kapitellen auf: dieselbe weiche, frisch em-
pfundene Oberflächenbehandlung der hervor-
gewölbten und etwas gefalteten Blätter mit
ausgesprochener Zacken- aber nicht selbstän-
diger Lappenbildung, mit kräftiger Licht- und
Schattengebung. Ebenfalls auch die Blätter
am Kapitell des Fortuna-Augusta-Tempels in Pompei (Weigand, Beibl. I Nr. 7) vom
Jahre 3 v. Chr., Formen, die doch wohl zuerst in der Hauptstadt gestaltet worden
sind: ähnlich, wenn auch entwickelter in der Faltung und eleganter sind sie an dem
6 Jahre jüngeren Dioskurentempel auf dem römischen Forum, aber im übrigen
anders konstruiert.
Abb. 6. Rundtempel am Tiber, Typus ß.
(Mit Genehmigung des Verlags nach Altmann,
Rundbauten Abb. 7.)
') In Griechenland findet man übergreifende
Zacken aus Akanthos schon vereinzelt im
4. Jhrh. V. Ch. z. B. an der Sima der Tholos von
Epidauros, Meurer 404, Taf. VI 6 unten. Natur-
gemäi3 legen sich die Zacken der beiden Blätter,
die die Ranke umhüllen, übereinander, und es
ist nur ein weiterer Schritt, wenn auch die Zacken
und Lappen ein und desselben Blattes überein-
ander geschoben werden. Aber es scheint, als
. sei dieser zweite Schritt erst Jahrhunderte später
und zwar in Rom getan.
») Petersen, Ära Pacis Augustae, Taf. i. Strong,
Roman Sculpture, Taf. XVII.
3) Besonders deutlich auf den Photogr. Anderson
4655. Alinari 12364/65.
58 Margarete Gtttschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Dieselben Kapitelle sind es auch, die zuerst für den Träger der Abakusblüte
eine neue Schmuckform über dem Mittclhochblatt schaffen. Wie das Rundtempel-
kapitell zeigt auch das Kapitell des Dioskurentempels hier einen kleinen (jetzt vom
Blattwerk umschlossenen) Caulis, der den von verschlungenen Helices fast verdeckten
Blütenstengel trägt. In spätaugusteischer Zeit ist diese Kunstform des Blütenträgers
dann ganz eingebürgert. Auf die griechische Vorgeschichte dieser Form werde ich
in anderem Zusammenhang in der Fortsetzung dieser Arbeit zurückkommen. In
anderer Hinsicht stehen die genannten stadtrömischen Kapitelle schon auf einer
späteren Entwicklungsstufe: ihre Caules sind wie aus Metall gebildet und wie ein Kelch
geformt, nicht mehr wuchtig und breit, sondern zierlich und schlank. Es ist begreiflich,
daß sich dagegen in der Provinz die starken Caules länger gehalten haben: zur
gleichen Zeit sind die pompeianischen Kapitelle denen des Rundtempels noch ähnlich.
Erscheint demnach die Formengebung der vergleichbaren Einzelheiten an der
Ära Pacis und am Dioskurentempel schon entwickelter, — sozusagen spezifisch
augusteisch — am pompeianischen Tempel hingegen denen des Rundtempels am ähn-
lichsten, so werden dessen Kapitelle der mittelaugusteischen Zeit, dem Ausgang des
I. Jahrh. v. Ch. angehören.
Mit dieser Erkenntnis stehen wir aber in schroffem Gegensatz zu Altmann und
Dclbrueck, die den Tempel aus bautechnischen Gründen in das 2. vorchristliche Jahr-
hundert setzen '). Ist das richtig, so müssen sich irgendwelche Beziehungen zu den
andern republikanischen Normalkapitellen in Italien ergeben. Allein auch hier führt
die Vergleichung zu einem andern Schluß. Zunächst fällt auf, daß aus dieser frühen
Zeit kein einziges Normalkapitell auf italischem Boden erhalten ist. Das des Rund-
tempels wäre somit für lange Zeit eine Einzelbildung geblieben. Die wenigen vor-
handenen republikanischen Kapitelle klassischer Art werden von Delbrueck (II, 162 f.)
in wesentlich spätere Zeit, unter oder nach Sulla, angesetzt. Weisen sie nun ähnliche
oder weiter entwickelte Formen auf?
Delbrueck zählt außer dem Rundtempelkapitell folgende vier Normalkapitelle
vorkaiserlicher Zeit auf: l. vom Kastor-Tempel in Cori (Beil. III, 6), 2. von der Vor-
halle des Jupiter-Tempels in Pompei (Beil. III, 5), 3. im Museum von Pompei, 4. von
der Theaterterrasse in Praeneste. Da die Photographie von Nr. 3 mir jetzt unzugäng-
'lich ist und Caninas Zeichnung vom praenestinischen (EdifiziVI, Taf. ii6d) zur Stil-
bestimmung nicht ausreicht, beschränke ich mich auf die beiden erstgenannten, kann
ihnen aber noch ein weiteres, bisher nicht genanntes Kapitell aus dem Antiquarium
des Magazzino Comunale in Rom hinzufügen (Beil. III, 7). Dort steht die zum Grab-
mal der Tibicines gehörende Orpheusgruppe auf einem runden Postament mit abwärts
gerichteten Blättern: es ist der untere Teil eines auf den Kopf gestellten Normal-
kapitells 2). Da es wie alle Bruchstücke des Monuments aus Peperin besteht, ist an
seiner Zugehörigkeit und mithin an seinem Ursprung aus sullanischer Zeit wohl kein
Zweifel. Erhalten sind außer dem Säulenablauf und den sehr spärlichen Resten
des Rundstabes nur die beiden Blattkränze und die Caules.
') Ich kann — zumal von Deutschland aus — teile beschränken.
nur nach stilistischen Gründen urteilen und muß ^) Bull. com. III 1875,44. Heibig, Führers IS. 590 f.
mich deshalb ganz auf die Besprechung der Kapi- Phot. Alinari 28073.
Margarete Gtttschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. 1.
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^O Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I,
Diese republikanischen Kapitelle weichen in der Akanthosbildung von ein-
ander ab. Sie zeigen zwar alle die spitzen Zacken des griechischen Akanthos, aber
die Blattformen sind verschieden. Dem Blatt des pompeianischen Kapitells geben
die regelmäßig nebeneinander gelegten Zacken der Lappen einen ganz geschlossenen
Umriß; die runden Pfeifen und Rillen — i6 an der Zahl — gehen gleichmäßig zum
Blattfuß hinab. In dieser Anlage — hier aber sind es I2 Rillen — ist ihm das Kapitell
von Cori gleich. Aber der Blattumriß ist nicht mehr einheitlich und geschlossen,
denn der Mittelzacken jeden Lappens tritt über die kleineren seitlichen hinaus. —
Ganz zerrissen aber ist die Blattform des Kapitells im Magazzino Comunale: bei dem
vierzackigen Lappen sind der erste und letzte Zacken ganz klein, nur zur Ösenbildung
bestimmt, der zweite aber springt weit vor und bildet als spitzes Blattende den Mittel-
punkt des ganzen Lappens. Von ihm aus geht eine tiefe Furche zum Blattfuß, in die
die ebenfalls tiefen, aber kurzen Furchen der kleineren Zacken münden. Die Mittel-
rippe ist stark plastisch hervorgewölbt; dafür sind die regelmäßigen Pfeifen, die sonst
die Träger des Lichts waren, verschwunden. Licht- und Schattengebung ist nun
nicht mehr einheitlich, und die Blätter wirken unruhiger, weil nur die Mittelrippe
und der gezackte Umriß als Träger des Lichts erscheinen. Also schon zur republi-
kanischen Zeit finden wir die ersten Kennzeichen einer Formgebung, die zur Kaiser-
zeit typisch geworden ist, nämlich die Sprengung des geschlossenen Umrisses und die
Neigung, jedem Lappen Einzelgeltung zu verschaffen. Wichtiger ist für uns die alter-
tümliche Formengebung dieser Kapitelle: der steile, nicht geschwungene Kalathos,
die niedrige Schichtung des zweiten Kranzes '), die derben mit breiten, flachen
Furchen versehenen und mit doppeltem Ring abschließenden Caules*), der offene
Hüllblattkelch, der steile Lauf der Helices, das Band, das die beiden Mittelvoluten
verbindet, der dicke Stengel der Abakusblüte und der hohe Abakus mit abgestumpf-
ten Ecken. Von solcher Formengebung weicht das Kapitell des Rundtempels schon
beträchtlich ab. Die charakteristischen Kennzeichen dieser älteren Zeit fehlen ihm.
Der Ansatz des Kalathos ist geschwungen; die Caules weniger plump, ihre Furchen
tief und breit, die Zwischenstege schmal, die Helices niedrig; das Band, das die Vo-
luten verbindet, fehlt; statt des dicken ein schlanker Blütenstengel, statt des hohen
ein niedriger Abakus mit spitzen, nicht stumpfen Ecken. Das Kapitell scheint unab-
weisbar eine jüngere Entwicklungsstufe zu vertreten. Sind ihm andrerseits die pla-
stische, frische Formengebung des Blattwerks und die starken Caules geblieben,
so kann der Zeitabstand von der republikanischen Epoche noch nicht sehr
groß sein.
Der zweite Typus der Rundtempel- Kapitelle ß war bereits aus anderem Grunde
der frühen Kaiserzeit zugewiesen worden. Und auch die Exemplare mit scharfge-
zackten Blättern (Typus a) widersprechen diesem Zeitansatz nicht. Denn ihre Form
') Nach der anscheinend recht freien Wiedergabe ') Die Caules vom Kapitell des pompeianischen
bei Canina VI, Taf. loo sind beide Blattreihen Jupiter-Tempels sind bei MazoisIII, Taf. 35 und
gleich hoch. Jedoch bestätigt die photogr. Auf- und Rossini, Archi trionfali, Taf. XXX eckig,
nähme Delbruecks II, Abb. 107 trotz ihres Mangels nicht rund. Rossinis Wiedergabe scheint nur eine
an Schärfe die geringe Höhe des zweiten Kranzes. getreue Wiederholung vonMazois' Stich zu sein.
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
71
findet sich ganz ähnlich an dem Akanthos der Kapitelle des Theaters von Orange '),
das Carestie für älter als den dortigen, bereits aus augusteischer Zeit stammenden
Tiberiusbogen hält, das mithin wohl aus mittelaugusteischer Zeit stammt. Also
ein weiteres Beispiel für das Vorkommen dieser Blattform zur Kaiserzeit ^).
Wir werden uns nach alledem vorstellen dürfen, daß griechische Architekten
den Rundtempel am Tiber errichtet, römische Steinmetzen die Kapitelle ausgeführt
haben, und wenn diese sich auch nach dem Modell ihrer griechischen Arbeitsgenossen
richteten, so benutzten sie doch das in Rom immer moderner werdende, rund ge-
zackte Blattwerk 3).
Klassische und italische Kapitelle.
Ist somit das Kapitell des römischen Rundtempels ungefähr 100 Jahre jünger
als man bisher annahm, so folgt daraus, daß wir in Italien keine Normalkapitelle
kennen, die älter sind als jene oben besprochenen republikanischen 4). Diese sind
nach Delbrueck (S. 163) in nachsullanische Zeit zu setzen, und das ist von Bedeutung.
Denn grade Sulla brachte, wie Plinius N. H. 36,85 berichtet, Säulen vom Olympieion
in Athen in den Umbau des i. J. 83 abgebrannten Tempel des Jupiter Capitolinus
') Carestie, Monuments d'Orange 1856, Taf. 39,
4, 13, 15. Zur Datierung C. I. L. XII, 1230.
') Es scheint gewagt, wie Weigand es Ath. Mitt.
XXXIX 1914, 24 ff. tut, allein auf die drei-
gezackten spitzen Blattlappen hin — die sich
nicht einmal gleich bleiben • — , ein festes Blatt-
schema aufzustellen, ohne die ganze Struktur des
Blattes in Betracht zu ziehen. Noch älter als
das von Weigand als frühstes Beispiel dieser Art
angeführte Kapitell vom Propylon des Buleu-
terion von Milet (Milet II, Taf. XI, XII) ist
der Akanthos des Akroterions vom Artemis-
Tempel in Magnesia, jetzt im Berliner Museum
(Magnesia S. 69, Abb. 61, unter falschem Namen
als aus Pergamon stammend zitiert bei Durm,
Abb. 343). In der Umrißführung sind beide
Blätter sich gleich, aber bei dem aus Magnesia
liegen 2 scharfe Grate zwischen 2 Pfeifen, beim
milesischen nur einer vom Mittelzacken ausgehend.
Ganz verschieden wieder die oben besprochenen
Blattformen von Rom und Orange. Typus a des
Rundtempels hat außer den drei großen noch ein
viertes Zäckchen innerhalb der Öse; immerhin
bestimmen die drei großen Zacken den Umriß.
— In der Struktur sich gleich, aber in der Zeich-
nung der Zacken verschieden sind zwei Kapi-
telle in Korone im Peloponnes (Bleuet, Exp. de
Mörtel, Taf. vor S. 17). Bei dem einen umschließt
der gekrümmte letzte Zacken die Öse, bei dem
andern springt er lang und scharf über sie hinaus.
— Völlig anders wieder ist der Akanthos vom
Rundbau in Ephesus (Ephesos I, Abb. 99/101.
Schede, Abb. 78). Der stark hervorspringende
Mittelzacken sprengt den Umriß, die Ösen treten
nahe an die Mittelrippe heran und dadurch wird
jeder Lappen zu einem selbständigen Einzelteil
(Schede S. 108). — In späte Kaiserzeit gehört
ein wieder anders stilisiertes Pfeilerkapitell
mit dreizackigen Blättern im Museum von
Sta. Agueda in Barcelona (Cadafalch, Arqui-
tettura Romanica Abb. 226), ein weiterer
Beweis, daß diese Zackengebung sich durch
die Kaiserzeit hindurch hält und nicht etwa
Kränze an Kapitellen christlicher Zeit (vgl.
z. B. in Konstantinopel, Weigand, Taf. I, i
u. 3; in Alexandrien, Bull. Soc. arch. d'Alex.
N. S. II 1 907, Nr. 4 u. 6, S.9), wie Weigand meint,
an lang vergessene Blattformen wieder anknüpfen.
3) Verschiedenartige Ausführung der Kapitelle
ein und desselben Gebäudes kommt in jener
Zeit auch sonst vor, z. B. am Caesaren-Tempel
in Nimes, Weigand, Taf. III 2, S.45; am Fortuna
Augusta-Tempel in Pompei ebenda 43; am
x\ugustusbogen von Susa. Ferrero, L'arc d Au-
. guste k Suse. Taf. V, VI.
4) Ob ältere korinthische Kapitelle, wie z. B. das
von Plinius N. H. 34, 13 erwähnte erzene der
Porticus der Octavia in Rom, italisch oder klas-
sisch waren, wissen wir nicht.
•J2 Margarete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
in Rom. Im vornehmsten Heiligtum der Römer an ausgezeichneter Stelle standen
nun Säulen aus einem der glänzendsten Tempel der damaligen Welt — sollten diese
original-griechischen Formen ohne Einfluß auf Einführung und Ausbildung korin-
thischer Kapitelle in Rom gewesen sein.? Sollte es Zufall sein, daß grade seit jener
Zeit die klassische griechische Form die bis dahin gebräuchliche italische ganz ver-
drängt und allein herrscht? Das wäre mehr als seltsam in einer Epoche, in der grie-
chische Kunst und griechische Kultur immer maßgebender werden. Und in der Tat
ist es nur durch eine solche unmittelbare Beeinflussung zu erklären, wenn wichtige
Grundformen jener wenigen bekannten republikanischen Normalkapitelle denen
des Olympieion-Kapitells gleichen, im ausgesprochenen Gegensatz zu den damals
schon vorhandenen korinthischen Kapitellen italischer Art.
Nur in einem Zuge sind die republikanischen Kapitelle dem Olympieion-Kapitell
nicht gefolgt, nämlich in der geringeren Höhe des oberen Kranzes. Allerdings sind
auch dort die beiden Kränze nicht von ganz gleicher Höhe. Aber an den reif-itali-
schen, z.B. an denen von Tivoli (Beil. HI, lo) und Praeneste (DelbrueckH, Taf. XIV
und I, Taf. XIV) ist der Unterschied so viel auffallender, daß sich die Frage auf-
drängt, ob dieses Verhältnis der Kränze auch schon aus der griechischen Überlie-
ferung stamme oder nicht vielleicht erst dem italischen Typus eigen und von diesem
übernommen sei.
In Frage kommen nur wenige griechische Kapitelle. Choisy hat Hist. de l'archi-
tecture I, 548 diese niedrige Kranzform vom Antenkapitell desDidymaions von Milet')
ableiten wollen — mit Unrecht, denn dies Kapitell hat eine andere Geschichte. Die
Mittelblätter sind hier nur niedrig, um Raum für die über ihnen angebrachte
Palmette zu lassen. Dafür gehen die Eckblätter hoch hinauf bis unter die Voluten.
Die Blattüberfälle, die für den horizontalen Eindruck maßgebend sind, bilden keine
geschlossene Einheit. Wenn auch nicht in Milet, so hat sich doch die Form des niedrigen
zweiten Kranzes schon zur Zeit des Hellenismus im griechischen Osten ausgebildet.
Sie findet sich in der ersten Hälfte des 3. Jahrh. beim Kapitell des Rundbaus der
Arsinoe auf Samothrake 2), das der normalen Form schon nahe kommt, in Alexan-
drien 3) und auch bei einem alexandrinisch beeinflußten, hellenistischen Kapitell in
Baalbek (Weigand, Abb i). Besonders augenfällig ist dieser Aufbau bei einem schönen
Normalkapitell im National-Museum zu Athen (Beil. III, 8), das Altmann nur deshalb
mit Recht den vorbildlichen Ausgangspunkt des Kapitells vom Olympieion nennen
konnte, weil er dieses zu Unrecht im hadrianischen Kapitell erblickte. Mit diesem
Irrtum war aber auch seine Datierung dieses athenischen Kapitells in hellenistische
Zeit bereits gefallen. Es war in Wahrheit dadurch nur als vorhadrianisch bestimmt,
und Stais (Marbres et bronzes Nr. 1496) hat es denn auch in römische Zeit gesetzt.
■) Egle, Abt IV, Taf. 57. Mauch, Taf. 39. einer Reihe untereinander verschiedener Kapi-
') Conze-Benndorf, Untersuchungen auf Samo- teile die Regel, aber doch von andrer Wirkung
thrake I, Taf. LX. als beim Normal-Kapitell, denn beide Kränze
3) DelbrueckH, Abb. 100 — 102. Exped. Sieglin.Aus- sind auch als Gesamtheit nicht hoch, und da-
grabungen in Alexandria. Abb. 207. Weigand, durch bleibt der vegetabilc Schmuck auf den
Abb. 3. Hier ist der niedrige obere Kranz bei Kalathosfuß beschränkt.
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. •j'i
Leider gibt seine Fundstelle nahe beim Theseion für die Zeitbestimmung ebensowenig
Anhalt wie für seine Zuweisung zu einem bestimmten Bau. Versuchen wir also,
CS nach seinen Formen zu datieren. Die fest geschlossenen Kränze sind üppig und
locker, die breit fußenden, durch tief eingegrabene Mittelrippe gegliederten Blätter
sind in ihrer Ösen-, Pfeifen- und Zackenbildung denen des Greifenkapitells vom
Propylon zu Eleusis nahe '), wohl etwas vorgeschrittner durch die plastische Model-
lierung des Blattfleisches, die mehr auf starke Licht- und Schattenwirkung ausgeht.
Die kleinen Propyläen in Eleusis sind um die Mitte des i. Jhrh. v. Ch. errichtet, also
würde das athener Kapitell etwa in dessen zweite Hälfte gehören. Diesem Ansatz
entspricht seine sonstige Stilisierung: die beginnende stärkere Gliederung des Blatt-
umrisses ^) durch den hervorspringenden Mittelzacken, die kraftvollen, aber doch
schon eleganten Caules mit tiefen Furchen zwischen scharfen schmalen Stegen, die
kurzen Helices, Formen, die wir zu dieser Zeit auch in Italien fanden. Aber die kon-
servative Tendenz Griechenlands verleugnet sich auch hier nicht. Die Zwickelblüte
der Außenvoluten und das zurückgeschlagene Blättchen auf ihrer Stirnseite sind eine
Reminiszenz an das Tholos-Kapitell von Epidauros 3), das Auge in der Volute an das
des Olympieions ; auch die geringe Verhüllung des oberen Kalathos haben wir an diesen
griechischen Kapitellen gefunden. Nach dieser Datierung ist das athener Kapitell
also jünger als die klassischen republikanischen Italiens mit der gleichen niedrigen
Kranzbildung.
Da diese Anordnung der Blattkränze sich im vorrömischen Griechenland ilur
gelegentlich zeigt, nicht bereits prinzipiell anerkannt ist, erhält die hierin viel kon-
sequentere Gruppe »italischer« Kapitelle (s. Delbrück II, 157, 160) für unsere Frage
ein viel größeres Gewicht. Dieser ebenfalls republikanische Typus hatte sich schon
vor dem klassischen korinthischen in Italien eingebürgert. Nach Delbrueck scheinen
seine 2rsten Stadien bisher nur in Sizilien nachweisbar zu sein; es wurde dort aber
bald lokal umgebildet und hat mit einem altertümlichen Gepräge versehen von dort
aus seinen Weg über die Halbinsel bis in die nördlichen und westlichen Provinzen
genommen. Im Gegensatz zum klassischen Typ ist beim italischen die Form des Ka-
lathos unter üppig wucherndem, krausem und stumpflappigem, weit überhängendem
Blattwerk nicht mehr klar erkennbar. Zweigartige Einzelblätter begleiten die runden,
sich verjüngenden und in einem Ring endenden Helices und liegen in den Zwickeln
zwischen Deckplatte und Eckvoluten, deren leicht konvexe, kantig eingefaßte
Spiralgänge scheibenförmig aus der Ebene herausgedreht sind. Eine mächtige sechsblätt-
rige Sternblume mit großem Stempel am oberen Kalathosrand streckt ihre Blätter
auch über den Abakus aus.
Nach dem mir zugänglichen keineswegs vollständigen Material 4) scheide ich
vier Arten des Aufbaus voneinander:
') Gut erkennbar an einem Gipsabguß der Samm- 3) Lechat-Defrasse, Epidaure, Taf. VIl. Ant.
lungderBerlinerUniversität. Friederichs-Wolters Denk. II, Taf. V. Meurer, Jahrb. d. Inst. XI
Nr. 863/64. Weniger deutlich zu erkennen auf 1896, 155, Abb. 52. Alinari 24224.
den Abbildungen: Meurer S. 423. Woermann, ■!) Auf den Versuch, eine chronologische Entwick-
Gesch. d. Kunst I-, Abb. 429. Mauch, Taf. 39. lung zu geben, muß ich verzichten.
^) s. Meurer, S. 139.
74
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
I. Kapitelle mit anscheinend gleich hohen Blattreihen, die nur den unteren Teil
des Kalathos umgeben und höchstens bis zu dessen Mitte reichen. Z. B. Kapitelle
aus Noto (Delbrueck II, Abb. 94) und mehrere aus Solunt (Beil. III, 9)').
II. Die obere Blattreihe ist kaum halb so hoch wie die untere, und beide zu-
sammen reichen bis zur Mitte des Kapitells, d. h. bis zur Mitte von Kalathos und
Abakus. Z. B. Maßverhältnisse vomKapitell des Rundtempels inTivoli (Beil. III, lo)^),
am Gipsabguß der Berliner Universitätssammlung genommen:
Unterer Kranz 24 cm Volutenzone 20 cm
oberer ,, il ,, Abakus 15 ,,
35 cm + 35 cm =70 cm Kapitellhöhe 3).
III. Der Höhenunterschied zwischen beiden Blattreihen nimmt zu; ihre Gesamt-
höhe geht beträchtlich über die Mitte des Kapitells hinaus. Die Volutenzone ist
niedriger als die untere Blattreihe. Z. B. die Höhe des oberen Kranzes beträgt bei
einem Kapitell aus Praeneste (Delbrueck I, Abb. 71) ca. V3, bei weiteren ebendort
(ebda. Taf. XIV u. Abb. 64. Woermann, Abb. 485. D'Espouy) ca. V3 und (Delbrueck
II, Abb. 76) ca. 3/5, bei einem Kapitell aus Aquiieia (Durm, Abb. 829), ca. V4 der
Höhe des unteren.
-■" IV. Die Blattreihen sind gleich hoch, nehmen V3 der Höhe des Kalathos ein und
bedecken den größten Teil der Volutenstengel. Z. B. Maßverhältnisse vom Gips-
abguß des Kapitells der Basilika von Pompei (Beil. III, li):
Unterer Kranz 14 cm
oberer ,,
Volutenzone
Abakus
Kapitellhöhe
14
14
7
49 cm
Ebenso Kapitelle von Vienne, jetzt im Mus. von Lyon 4) und in der berliner
Abgußsammlung, vermutlich aus Pompei.
Der Entwicklungsgang des klassischen Kapitells (Delbrueck I, Abb. 64) muß von
diesem in Italien heimischen Typus beeinflußt worden sein, denn er zeigt mancherlei
Analoga. Das mag so zu erklären sein: ein klassisch-griechisches Vorbild war dem
^römischen Normalkapitell in dem Olympieionkapitell auf dem Kapitol gegeben. Aber
bei den wiederholten, mittel- und unmittelbaren Nachbildungen müssen sich seine
griechischen Elemente mancherlei Veränderungen gefallen lassen. Die eingesessenen
•) Nach photogr. Aufnahme von Prof. Delbrueck,
der mir wie auch Prof. Noack mehrere Photo-
graphien von Solunter Kapitellen, z. T. in den
Ruinen, z. T. im Museum von Palermo, freund-
lichst zur Verfügung stellte.
2) Diese und die folgende Abbildung nach Photo-
graphien der Gipsabgüsse von Dr. von Lücken.
3) An einem Pfeilerkapitell, vermutlich aus Pom-
pei (doch konnte ich die Herkunft des Abgusses
feststellen) hat das aus einer Reihe bestehende
Blattwerk ebenfalls die gleiche Höhe (21 cm)
wie Volutenzone (ii cm) und Abakus (10 cm)
zusammen, endet also auch in der Mitte des
Kapitells. — Sicher ist es nur ein Zufall, daß
unter den wenigen, bisher veröffentlichten
italischen Kapitellen sich kein weiteres mit den
reinen Verhältnissen des Tivoli-Kapitells be-
findet.
in der Sammlung der Berliner Universität nicht 4) Bazin, Vienne et Lyon gallo-romains, Abb. 329.
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. ye
Steinmetzen haben, statt immer wieder einfach zu kopieren, je nach ihrem Können
und ihrem sehr unterschiedlichen, teilweise derberen Geschmack die Formen abge-
wandelt. Dieser Geschmack liebte das Reiche, Unruhige, Belebte; ihm entsprach
die größere Formenfülle und die üppigere Bildung des italischen Kapitells, und mehr
oder weniger bewußt machte sich dieser Einfluß auf seine Arbeiten geltend. Auf
solche Weise wird — nach Mustern wie etwa Gruppe II des italischen Typs — nun
auch bei Normalkapitellen das Verhältnis der Kränze abgeändert. Die Blattreihen
werden einander so nahe gerückt, daß die überfallenden Blattspitzen beider eine
horizontal gliedernde, aber in ihrer Verdopplung unruhige Licht- und Schattenquelle
bilden. Ebenso wird das Blattwerk frischer, krauser, rundlicher, belebter. In der
frühen Kaiserzeit wächst es in die Höhe wie bei den italischen Typen III und IV, läßt
dadurch den Volutenstengeln wenig Raum zur Entwicklung und überdeckt sie über-
dies teilweise mit Blattzweigen. — Die Mitte der oberen Zone, die bei italischen Kapi-
tellen durch die große, tief sitzende Blüte und die fast mit ihr zusammenhängenden
Blattüberfälle stark betont war, blieb beim Normalkapitell zunächst leer, da die
Blume von den Kränzen weg an den Abakus rückte. Deshalb wird diese Stelle zwi-
schen und unter den Helices mit den bis dahin nur gelegentlich verwendeten Blatt-
kelchen geschmückt, die den Blütenstengeln als Träger dienen.
Griechische und italische Art haben sich gemischt. Die bodenständige italische
Kunst ist so kräftig, daß der landfremde Typus sich den landesüblichen Formen
anbequemt, als er sich zu akklimatisieren sucht. Aber er bleibt eben doch im Wesen
und in der Gesamtheit seiner edlen Glieder ein griechisches Gebilde, und indem er
von der einheimischen Form nimmt, was er zu seiner Umwandlung bedarf, hat er sie
auch schon überwunden. Wie einst in Sizilien werden nun in Rom die Akanthos-
kränze im Aufbau und in den stilistischen Formen umgebildet; es entsteht ein neues
griechisch-römisches Kapitell.
Maß Verhältnisse.
In dem niedrigen Aufbau der Kränze, der beiden sonst so verschiedenen Kapi-
tellarten des republikanischen Italiens eigen ist, wollen Altmann (S. 28) und Choisy
(I, 548), dem sich Puig y Cadafalch anschließt '), einen prinzipiellen Unterschied
zwischen den griechisch beeinflußten Kapitellen der Frühzeit und denen der Kaiser-
zeit sehen. Choisy behauptet ferner, daß die geringe Höhe des zweiten Kranzes über-
haupt die eigentliche Ursache der geringen Höhenentwicklung der frühen ko-
rinthischen Kapitelle sei; mit dem Anwachsen dieses Kranzes wachse auch
das Kapitell in die Höhe; bei Kapitellen mit niedriger oberer Kranzschichtung sei
die Höhe des Kalathos seinem unteren Durchmesser gleich; bei solchen mit hohem
oberen Kranz aber überträfe dieKalathoshöhe den unteren Durchmesser bei weitem.
Mit anderen Worten: die Höhenentwicklung des Kapitells sei von der Höhe der oberen
Blattreihe abhängig. Für den ersten Fall nennt er als Beispiel das Kapitell vom
Rundtempel in Tivoli, für den zweiten das des »Jupiter Stator-Tempels auf dem
') Arquitettura romanica in Catalunya 198.
76
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yS Margarete Gotschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Forum«, nach den Abbildungen des Dioskurentempels. Ist es aber schon an sich
bedenklich, zwei so verschieden geartete Kapitelltypen wie italisch und normal-
klassisch in eine Entwicklungsreihe zu bringen, so sprechen gegen diese Theorien
auch die Denkmale selbst. Ich stelle zunächst, was hierfür in Frage kommt, so weit
wie möglich in Tabelle III (S. 76!.) zusammen ') und gebe für jedes Kapitell an:
1. Das Verhältnis der Kalathoshöhe zum unteren Durchmesser.
2. Das Verhältnis der Gesamthöhe der Kränze zur eigentlichen Kapitellhöhe,
die Kalathos und Abakus umfaßt.
3. Die Höhenverhältnisse der einzelnen Kapitellzonen: des unteren und oberen
Kranzes, der Volutenzone und des Abakus. Hierbei soll nicht das zahlenmäßige
Verhältnis zueinander angegeben werden, sondern i bezeichnet den höchsten Teil,
2 und 3 die nächst hohen, 4 den niedrigsten.
4. Das Verhältnis des Abakus zur Kapitellhöhe.
Aus Tabelle III, S. 76f. ergeben sich nachstehende
Folgerungen.
1. Bei den Normalkapitellen der griechischen, republikanischen und frühen
Kaiserzeit ist die Höhe des Kalathos seinem unteren Durchmesser gleich; ausgenom-
men ist das des Rundtempels am Tiber, dessen Kalathos trotz des niedrigen oberen
Blattkranzes höher ist als der untere Durchmesser. Erst in späterer Zeit übertreffen
die Kalathoi die untern Durchmesser an Höhe.
2. Die obere Blattreihe des Kapitells von
der Tholos von Epidauros ist '/ö niedriger als die untere,
vom Olympieion „ V3 >, „ „
„ Rundtempel „ V» „ ,, „
,, Dioskurentempel ist gleich der unteren.
Dennoch reicht bei diesen Kapitellen das Blattwerk bis zur Mitte des Kapi-
tells (oder geht nur ganz wenig über sie hinaus), wenn wir die Gesamthöhe gleich
Kalathos plus Abakus setzen. Es ist dann einerlei, ob die Kränze hoch oder niedrig
geschichtet sind : die Gesamthöhe der beiden Kränze steht immer im gleichem Ver-
hältnis zur Gesamthöhe des Kapitells. Dieses Verhältnis beruht demnach auf der
•stabilen (so gut wie stabilen) Höhe der oberen oder richtiger höheren Blattreihe,
die ja genau wie die untere am Kalathosfuß entspringt. Man darf nicht sie höher
oder niedriger nennen; es ist vielmehr so, daß die Höhe ihres oberen sichtbaren Teiles
davon abhängig ist, ob der untere Kranz höher oder niedriger geführt wird und sie
dadurch mehr oder weniger verdeckt. Höher oder niedriger ist also nur der untere
Kranz.
') Leider konnte ich nicht Abgüsse, sondern nur mit starker Unteransicht vermieden. Trotz ge-
Aufrisse und Stiche prüfen. Wenn auch Photo- ringer perspektivischer Verschiebungen lassen
graphien und Abbildungen nach diesen zur ganz die ausgewählten doch das Verhältnis der Kränze
sichern Feststellung der Verhältnisse selbstver- zur Kapitellhöhe und der Kränze zu einander
ständlich nicht ausreichen, so glaube ich doch erkennen. Da alle Abbildungen verschiedenen
die Tabelle durch eine Anzahl von ihnen ver- Maßstab haben, muß ich die Angabe der
vollständigen zu können. Ich habe Kapitelle Maße als zum Vergleich unbrauchbar weglassen.
Margarete Gtttschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
79
Dementsprechend ist auch für die Höhe der oberen Kapitellhälfte diese wech-
selnde Höhe (oder Sichtbarkeitszone) der zweiten Blattreihe ohne Bedeutung. Sie
ist dagegen abhängig von der Höhe des Abakus; je flacher dieser, je weniger er von
der Höhe der oberen Zone beansprucht, desto mehr Raum bleibt zur Entfaltung der
Hüllblattkelche und Helices.
3. Im 4. Jhrh. besteht nur ein geringer Höhenunterschied zwischen den Kränzen
eines Kapitells. Er nimmt aber in hellenistischer Zeit zu, wie das Normalkapitell
des Olympieions zeigt, und steigert sich im i. Jhrh. v. Ch. in Italien so, daß der obere
Kranz nur halb so hoch wie der untere ist. Doch bleibt dieser Aufbau keine aus-
schließliche Eigentümlichkeit der vorkaiserlichen Zeit, sondern er hält sich durch
Jahrhunderte als eine Nebenform in allen Teilen des römischen Reiches'). Seit mittel-
augusteischer Zeit wächst in der Regel der obere Kranz über die Kapitellmitte hinaus,
an die er bisher gebunden war.
4. Im Gcjjensatz zu den griechischen und hellenistischen Kapitellen mit über-
ragend hoher Volutenzone (Nr. 1.2.) ist in der republikanischen Zeit die untere
Blattzone am höchsten, die Volutenzone steht an zweiter Stelle (Nr. 4, 19. Bei Nr.
3 u. 7 sind beide Zonen gleich hoch). Später ist das Verhältnis wieder umgekehrt
(Nr. 5, 6, 8— 15 a, 21, 23 — 25) oder diese beiden Zonen sind an Höhe gleich (Nr.
15 b— 18, 21, 26—28, 30, 31, 32, 34). Die obere Kranzzone bleibt am niedrigsten
mit vereinzelten Ausnahmen (Nr. 25, 32). Einzig und allein bei Nr. 18 haben alle
3 Zonen dieselbe Höhe. Überall da, wo das Blattwerk bis zur Mitte der Kapitellhöhe
reicht und unterer Kranz und Volutenzone gleich hoch sind, müssen auch oberer
Kranz und Abakus von gleicher Höhe sein (Nr. 3, 16, 19).
Ein Rückblick auf den italischen Typus zeigt, daß diese Höhenverhältnisse
teilweise bei ihm vorgebildet sind. Bei den sizilischen Kapitellen (Gruppe I) nimmt
wie bei den hellenistischen die Volutenzone den größten Teil des Kapitells ein. Am
Kapitell von Tivoli mit den gleichen symmetrischen Maßverhältnissen wie die Nor-
malkapitelle Nr. 3, 16, 19 reicht das Blattwerk bis zur Kapitellmitte (Kalathos
+ Abakus), und das ist für uns die Hauptsache. Gruppe IV entspricht Vitruvs Vor-
schriften der Dreiteilung, Maßverhältnisse, die wir bei dem späteren Kapitell der
•) NureinigeBeispiele. (Vgl.Tab.III.)!. Im Westen.
N. Italien : Kapitell von der SO-Ecke des Au-
gustus-Bogen in Susa(Ferrero,L'arc d'Auguste ä
Suse, Taf. V). Gallien: Figural-Kap. im Mu-
seum von Vienne (Esp^randieu, Rec. des bas-
reliefs rem. I, Nr. 409. Weigand Nr. 11). Ger-
manien: Jupiter-Säule aus der Saalburg (zuletzt
Quilling, Jup.-Säule 1918); Kap. aus dem claudisch-
neronischen Lager von Vetera (Lehner, Prov.
Mus. in Bonn Taf. XL 6, Nr. 1154). Spanien:
verschiedenartig gestaltete, z. B. vom Augustus-
Tempel in Barcelona (Puyg y Cadafalch, Arqui-
tettura romanica in Catalunya Abb. 31, 212,
214) u. in den Museen von Sleydau. Sta. Agueda
(ebenda Abb. 219, 222 — 27). 2. Im Osten.
Klein-Asien: Hekate-Tempel in Lagina (Men-
del, Mus. d. Constantinople Cat. des sculp. I,
Nr. 233. Phot. des Ottoman. Mus. 1 701). Milet:
Markttor (Weigand, Nr. 14) und Delphinion
(Milet II, Abb. 29^30). Ephesos : Markttor (Wei-
gand, Nr. 13), Bibliothek (Weigand, Nr. 17),
Theater (Ephesos II, Abb. 179). Syrien: Kap.
vom Tyche-Tempel in Sunamin, Caracalla-
Tempel von Atil, aus Aphrodisias (Weigand
Nr. 21, 22, 23 a u. b) die in das 3. Jh. n.Chr. ge-
hören, und noch im 4. Jh. beweist ein Kap. vom
Jakobsbrunnen in Sichern (A. M. 1914, Taf.
II, 5. 6) die lange Lebensdauer dieses Aufbaus der
Kränze. Ich werde später ausführlicher hierauf
zurückkommen.
gO Margarete Gutschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Porticus Octaviae ') feststellen konnten, die aber — eben weil Vitruv sie nennt —
auch sonst vorhanden gewesen sein müssen. Diese Analogien sind bei den republi-
kanischen und frühaugusteischen Normalkapitellen, die dem italischen noch zeitlich
nahe stehen, ebenso verständlich wie die Tatsache, daß sie späterhin ganz aufhören.
Schemata der ersten nachchristlichen Jahrhunderte, wie z. B. das des Dioskurcn-
Tempels (2 — 2 — i — 4) oder das des Pantheons (2—3 — 1—4) kommen bei den ita-
lischen Gruppen noch nicht vor.
5. Vitruvs Regel, daß die Höhe desAbakus gleich '/? der Kapitellhöhe sein soll,
findet sich nicht bestätigt. Vielmehr scheint nach den Zahlen der Tabelle sich hierfür
keine feste Norm gebildet zu haben. Im allgemeinen geht die Entwicklung vom
hohen zum flachen Abakus.
Vitruv.
Es ist auffallend, wie wenig sich die vorstehenden an den Denkmälern ge-
wonnenen Beobachtungen mit Vitruvs Regeln decken. Von diesen bestätigt sich
an diesen griechischen, republikanischen und frühkaiserlichen Kapitellen eigentlich
nur die eine, daß der untere Durchmesser des Kalathos maßgebend für seine Höhe
ist — nicht aber der obere Kranz, dessen »Höhe«, wie wir gesehen haben, durch die
des unteren bestimmt wird.
Im Gegensatz zu Vitruvs Regel (IV, i, 12), nach der das Kapitell ohne Abakus
in drei Teile geteilt wird ') — zwei Teile Kränze, einer Voluten— , steht das Ergebnis,
daß grade zu seiner Zeit die Gesamthöhe beider Kränze nur bis zur Mitte des Kapi-
tells — Kalathos plus Abakus — reicht, und man somit statt von einer Dreiteilung
richtiger von einer Zweiteilung — nicht nur der Funktion, auch den Maßen nach —
zu sprechen hat. Die vegetabilc untere Zone der beiden Kranzreihen ist zu unter-
scheiden von der oberen Zone der konstruktiven Elemente, der tragenden Helices
und des getragenen Abakus.
Durch die hier entwickelten Maßverhältnisse, die den Abakus in die grund-
legende Kapitellhöhe einbegreifen, wird stärker als bei Vitruv betont, daß diese Deck-
platte ein untrennbarer Bestandteil des korinthischen Kapitells ist 3). Und sie muß
es logischerweise auch sein — mehr als bei den beiden anderen Kapitelltypcn — ,
' denn die aufsteigenden Voluten sind nur durch ihre Aufgaben als Stützen seiner
Ecken zu verstehen, sonst wären sie zwecklos. Dagegen kommt der Rundstab, der
Astragal, bei diesen Maßverhältnissen nicht in Betracht; er wurde als trennendes
Glied zwischen Säule und Kapitell empfunden.
•) Trotzdem wird man es nicht dem Bau von 33 v. Worte »secundum folium mediam altitudinem
Chr., sondernder schwachen Gaules wegen mit teneat« nicht zu verstehen: reicht bis zur Mitte,
Weigand (S. 61) dem severischen Umbau geben denn dann könnte es sich nicht um gleiche Teile
müssen. handeln, sondern hält die Mitte, d. h. nimmt
') Da Vitruv ausdrücklich von einer Dreiteilung den mittleren Teil ein.
(partes tres) spricht, kann der Ausdruck »ean- 3) Wie Vitruv ja auch in seiner Anekdote von der
dem altitudinem«, die gleiche Höhe, sich nur Entstehung des kor. Kapitells in richtigem Ge-
auf beide vorhergehenden Teile beziehen: alle fühl vom Körbchen und dem darauf liegenden
Teile sind also gleich hoch. Folglich sind die Ziegel als einer Einheit redet.
Margarete Gütschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. gj
Woher aber stammen Vitruvs Regeln über das korinthische Kapitell? Birn-
baums Behauptung '), daß sein Kanon an keinem Bau seiner Zeit erhalten sei, trifft
auch für das korinthische Kapitell zu ^). Hingegen ist seine Vermutung, daß Ar-
cesius3) Schrift »de symmetriis corinthiis« seine Quelle gewesen wäre, irrig, wenn er
diesen für einen kleinasiatischen Architekten des 4. Jahrhunderts hält. Denn erstens
kann in jener Zeit, in der korinthische Kapitelle erst anfingen, sich an Kleinkunst
und in Innenräumen auszubilden, von schriftlicher Festlegung solcher als Bau-
ordnung noch keine Rede gewesen sein, am wenigsten in Klein-Asien, wo keine
so frühen Kapitelle erhalten sind und wo der Jonismus besonders lange vorherrscht.
Ist es nicht auch bedenklich, dieses Alter so bestimmt herzuleiten aus der Reihen-
folge, in derVitruv IV, 3, i die Architekten aufzählt: Arccsius (wo alle Handschriften
überdies die Formen Tarchesius haben), Pytheos, Hermogcnes, während gerade da,
wo Vitruv das Werk des Arcesius »de symmetriis corinthiis« nennt — (hier zeigen alle
Handschriften die Form Argelius) • — , er diesen ausdrücklich hinter Hermogcnes stellt.
— Zweitens— und das ist entscheidend — ist es das Normalkapitell, dasVitruvsAn-
gaben voraussetzen, und das kennen wir in solcher Formulierung erst aus dem2. Jhrh.
V. Ch., also schon aus der Zeit des Hermogcnes (vor und um 200), dessen Kanon nach
Noacks und Birnbaums Beweisführung für Vitruvs sonstige Regeln die Richtschnur
war4).^ Freilich sind ausvorvitruvischer Zeit Kapitelle italischer Art erhalten, diemit
seinen Proportionen übereinstimmen. Aber da sie jene von Vitruv berücksichtigten
Züge des Normalkapitells nicht haben, müssen sie hier ausscheiden. Es wäre auch
unwahrscheinlich, daß der klassizistische Vitruv sich nacn einer provinziellen Form
gerichtet hätte. Immerhin ist es ein wunderlicher Zufall, der diesen Vitruv ent-
sprechenden Aufbau gerade am nicht klassischen Typus erhalten hat, den klassischen
jedoch, an dem wir diese Vitruvianischen Maßverhältnisse vorauszusetzen hätten,
zugrunde gehen ließ. Erst spätere Kapitelle vom Nerva-Forum, Pantheon, Fau-
stina-Tempel (Tabelle III, Nr. 14, 15, I7)nähernsichmit ihrer Teilung in drei ungefähr
gleich hohe Zonen seinen Angaben; die der Porticus derOktavia stimmen mit ihrer
gleichmäßigen Dreiteilung ganz mit ihnen überein. Es scheint demnach, daß seine
Theorien, die er wohl nicht nur an der Basilika von Fano, sondern auch an anderen
Bauten verwirklicht hat, in Zeiten, die dem Klassizismus wieder zuneigten, maß-
gebend gewesen sind.
Woher er seinen Kanon genommen hat, bleibt ungeklärt. Jedenfalls müssen
wir dem Fachmann Vitruv so viel Selbständigkeit zutrauen, daß wir Justis Schluß 5),
er habe ohne viel Nachdenken von verschiedenen Autoren abgeschrieben, weil seine
Vorschriften über die Proportionen der menschlichen Gestalt unausführbar sind,
nicht etwa auch auf seine Regeln über die Baukunst anwenden.
') Denkschr. Wiener Akad. LVII 1916, Abb. 4. Kapitellbildungen seiner Zeit den Grundtyp
Vitruv und die griech. Architektur, S. 38 f. 60 f. aller späteren analogen Gebilde erkannte,
') Noack, Philol. LVIII 1899, 16. 19 .\nm. 1. keiner besonderen Widerlegung mehr. P. geht
3) Vitruv VII praef. 12. dabei von der falschen Voraussetzung aus,
<) Nach unseren Ausführungen bedarf Prestels daß die Pantheon-Kapitelle Agrippas Bau
Meinung (Vitruvs 10 Bücher über Architektur 27 v. Chr. angehören.
IV 166 Anm. 5), daß Vitruv wohlbedacht in den 5) Konstruierte Figuren und Köpfe Dürers 60.
Jahrbuch des Archäologischen Instituts XXXVI. "
82
Margarete Gutschovr, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I.
Nachtrag.
Nach AbschUiß der Drucklegung habe ich zwei Photographien von einem
herabgestürzten Kapitell des Olympieions erhalten (Abb. 7), die Prof. Noack
freundlicherweise in Athen hat anfertigen lassen. Durch sie wird zum ersten Male
dies kraftvoll schöne Kapitell in seiner ganzen Frische unmittelbar gezeigt, nicht
nur durch die Hand des Zeichners. Wenn auch im wesentlichen Penroses Wieder-
Abb. 7. Athen, Olympieion.
gäbe bestätigt wird, so weicht es doch in drei Punkten von ihr ab, und ich muß
meine Tabelle I (oben S. 62 — 64) darnach be'richtigen.
I. Die Caules sind keine schräg gestellten, gefurchten Kelche. Sie sind breit
angelegt und durch hoch herausgearbeitete, in ihrem Lauf bewegte Rundstäbe,
die sich oben nach Art jonischer Kannelluren vereinen, gegliedert. Nicht die
einzelnen Hebungen und Senkungen können in einem überfallenden Rand geendet
haben, wie bei Penrose, vielleicht aber der ganze Caulis. Für einen abschließenden
Wulstring erscheint die Bruchstelle zu schwach.
Margarete GUtschow, Untersuchungen zum korinthischen Kapitell. I. 3^
2. Die Volutenstengel steigen nicht gemeinsam neben einander aus dem
Blattkelch auf, sondern die der Außenvoluten überschneiden die der Innern ein
beträchtliches Stück.
3. Der Stengel der Abakusblüte ist viel dicker und wuchtiger; möglicherweise
ist der Schaft, aus dem Penrose ihn aufsteigen läßt, nur das untere Stengelende.
Dann müßte man statt des kleinen Blattrandes einen verbindenden Wachstumsknoten
annehmen. Aber die abgestoßenen Blattspitzen der überfallenden Kelchblätter
machen gerade diese Stelle unklar.
Berlin. Margarete Gütschow.
Archäologischer Anzeiger
Beiblatt
ZUM Jahrbuch des Archäologischen Instituts
1921. i/ii.
EIN SAR APISRELIEF IN HILDESHEIM.
Der Erläuterung einiger bemerkenswerte-
rer Denkmäler des Hildeshcimer Pelizaeus-
Muscums, die in einem der folgenden Hefte
des Arch. Anz. Platz finden soll, möchte ich
die Bekannt-
gabe des folgen -
denStückes vor-
wegnehmen, das
einer etwas aus-
führlicheren Be-
handlung wert
scheint, als in-
nerhalb jenes
Rahmens mög-
lich sein wird.
Es handelt
sich um das
obere, segment-
artige Bruch-
stück von einem
runden Relief
aus feinem
Kalkstein (Pel.
Mus. Nr. 2245;
Abb. i). Dm. etwa 19 cm, D. 4 — 5 cm. Der
Rand wird durch eine doppelte Profilleiste ge-
bildet. Nach hinten ist das Relief abge-
schrägt, die Rückseite ist nicht sehr sorg-
fältig geglättet.
Dargestellt ist eine Gruppe von drei Gott-
heiten. In der Mitte thront Sarapis auf
einem Thron mit hoher Rückenlehne und
Archäologischer Anzeiger 1921.
Abb. 1. Sarapisrelief in Hildesheim.
niedrigen Seitenlehnen, die vorne durch eine
Rosette verziert sind. Der Gott trägt die
kanonischen Züge des berühmten Kultbildes,
die Linke hoch am Zepter, die R. beruhigend
über dem Kerberos haltend '), auf dem
Haupte den Kalathos. Zu seiner Rechten
steht eine weib-
liche Gottheit;
rechtes Stand-
bein, wie man
trotz der Zer-
störung noch er-
kennen kann.
Über dem Chi-
ton trägt sie
einen Mantel
umgeschlungen,
der auch über
den Kopf gezo-
gen ist und nur
das Gesicht,
rechte Brust,
rechten Arm
und linke Hand
freiläßt. Die
Rechte hält eine
Fackel hoch gefaßt, die Linke ist gesenkt, die
Hand trägt Mohn und Ähren. Das Gesicht
ist der Mitte zugewandt. Auf des Gottes
') xotlifÜw bei Ps.-Kall. 1,3,33 evident; Peter-
sen, Arch. f. Rel.-Wiss. XIII, 72 f. Wilcken,
Arch. Jahrb. XXXII 1917, 187. Im übrigen ja
Amelimg, Rev. arch. 1903 II, 177 fE.; Ausonia III
1909 S. 120 ff. Roeder bei Pauly-Wissowa.
Ein Sarapisrelief in Hildesheim.
anderer Seite steht eine zweite Göttin, von
der leider nur der Kopf und ein Stück des
rechten Oberarms erhalten ist. Der Kopf ist
leicht nach rechts geneigt, aber geradeaus ge-
richtet. Das Haar ist gescheitelt und im Nak-
ken zu Korkzieherlocken gedreht. Auf dem
Haupt trägt sie als Kopfputz eine mißratene
Krone zwischen zwei Knospen. Von dem
Gewand ist zum Glück noch gerade so viel
erhalten, daß es die Benennung der Göttin
sichert. Das Stück auf der rechten Schulter
kann nur von dem Fransenmantel stammen,
dessen eine Ecke hier herübergezogen ist,
um vor der Brust zum »Isisknoten« ver-
schlungen zu werden '). Also Isis und De-
meter stehen neben dem thronenden Sarapis.
Daß dieses wichtige Relief so stark zer-
stört ist, ist sehr zu bedauern. Denn eine
sichere Ergänzung des Ganzen ist nicht
möglich, so wünschenswert sie wäre. Immer-
hin werden wir uns noch über sie unsere Ge-
danken machen müssen; denn auf jeden
Fall ist das Rehef geeignet, gewisse Fragen
erneut anzuregen, über die man doch viel-
leicht noch einmal zu einer Einigung gelangen
wird. Folgende Bemerkungen seien hier er-
laubt, in denen das Fehlen eingehenderer
Kontroversenbehandlung mit dem Raum-
mangel entschuldigt werden möge.
In der bekannten Sarapislegende sprechen
sich, mag man einmal zu ihr stehen wie man
will, doch bestimmte Tatsachen unzweideutig
aus. Petersen hat sehr richtig darauf ver-
wiesen »), daß das Orakelgebot J) bei Tacit.
hist. IV 83 (T) und Plut. soll. anim. XXXV I 2
(Ps.) sehr ähnlich lautet und daß Ps. in
dem Gebot, das Bild Tr^; Kopr^? äTrojxa-
Jaa&at xal xaiaXiTtsiv, ein durchaus unver-
werfliches Detail aufbewahrt hat, an dem
zu zweifeln gar kein Grund vorliegt. Nach
Ps. heißt es ausdrücklich: Sst ouoiv 6qak\i.ä-:u)v,
und wenn man auch an dem Abformen
und Mitnehmen der Kopie (s. u.) des weib-
lichen Standbildes Anstoß nimmt, daran
kann auch nach T. kein Zweifel sein, daß
') Heinr. Schäfer, Das Gewand der Isis, in
Festschrift zu Lehmann-Haupts 60. Geburtstag,
Janus I 1921, 194(1. Berl. Museen XLII 16.
') a. a. 0. S. 54 f. Ernst Schmidt, Kultübertragun-
gen (Rel.-wiss. Vers. u. Vorarb. VIII, 2, 1909) S. 52.
3) Sicher des delphischen, auf keinen Fall des
delischen Orakels, wie Rev. arch. XLI 1902, i''-
verrautet wird. E. Schmidt, a.a.O. 113.
wenigstens neben dem Gott in Sinope eine
weibliche Statue stand (muliebrem effigiem
adsistere). Das ist äußerst wichtig, denn
auch für Ptolemäus' Ratgeber muß dies von
wichtiger Bedeutung gewesen sein. Der
königliche Traum und seine Deutung gingen
selbstverständlich von klaren, vorher fest-
gelegten Bedingungen und Absichten aus, in
denen aber eine muliebris effigies eine inte-
grierende Rolle gespielt haben muß.
In Rhakotis nun, wo das Bild des Gottes
später stand — das ist wenigstens sicher — ,
war nach T. cap. 84 sacellum Serapidi an-
tiquitus sacratum gewesen. Zur Erklärung
des »antiquitus« ist aber offenbar die Stelle
Ps.-Kallisth. I 33, 4 heranzuziehen, nach der
Sesonchosis dies dem Sarapis geweiht ha-
ben soll '). Und in diesem somit »antiquitus«
geweihten Tempel war das Soavov des Sa-
rapis xal Ttapsian^xsi Ttp Joav(|) Kopvj? a-(a.'k\xa
\i.i-{{.azov. Von dem in dieser Form festge-
legten Tatbestand — sei er nun Fiktion oder
nicht — ging demnach die Sarapiskommis-
sion aus. Sesonchosis- Sesostris — Steine sind
geduldig, und welcher Grieche verstand
Hieroglyphen.? — , der 'sagenhafte Welter-
oberer, hatte laut Obeliskeninschrift dem
Weltenlenker das Heiligtum geweiht, der
neue Welteroberer erneuerte nun dies Hei-
ligtum dem Gotte, der seinerseits auch die
Welt erobern sollte — eine wohl ver-
ständliche und epigrammatischer Schärfe
nicht entbehrende Wendung.
Alexander d. Gr. hat also dem Sarapis
nach Ps.-Kall. bereits ein Heiligtum geweiht.
Natürlich wird man diese Nachricht mit
größter Vorsicht aufnehmen, aber anderer-
seits doch auch prüfen müssen, ob sich sonst
ein Anhalt bietet, ihr irgendwie Glauben
schenken 2u können. Von unbezweifelbarer
Realität nun sind wenigstens die Obelisken.
Ps.-Kall. erwähnt sie mit dem Zusatz tous
[li'/jii- toü vüv xsi[i,svous £v T(p 2apait£i({) sjw toü
TtepißoXou Tou vuv xstfisvou (= Val. quod
aetas iunior laboravit) '). Sie waren also
auch später im Serapeum zu sehen 3),
•) Dem Zusammenhang nach muß man die In-
schrift auch auf das ganze Heiligtum beziehen.
») Atsfeld, Rh. M. L,V 1900, 356, Anm. 4. An
Dittographie ist wohl nicht zu dtnken.
3) Auch von Aphthonius erwähnt. Botti, Fouilles
^ la colonne Th^odosienne (Alexandria 1897) 41.
Ausfcld, Rh. M. LV, 383.
5
Ein Saiapisrelief in Hildesheim.
aber außerhalb des Peribolos. Sollte darin
nicht ein wertvoller Hinweis liegen? Der
Peribolos umschließt doch wohl das eigent-
liche, große Serapeum. Wenn außerhalb
dieses Peribolos ein Serapeum genannt wird,
so kann dies nur so zu verstehen sein, daß
es eben zwei Serapeen nebeneinander gab,
ein älteres und ein jüngeres. Dieses jüngere
kann nur das mit dem berühmten Kultbild
gewesen sein, jenes ältere müßte dann jenes
»Sarapion Parmenionis« gewesen sein, von
dem Ps.-Kall. (A) I 33 am Schluß (= Raabe
1 94 und Val. I 32) berichtet. Der unterschei-
dende Zusatz Parmenionis istwohl am besten
so als Gegensatz zu einem anderen, benach-
barten Serapeum zu erklären. Dieser Sach-
verhalt ist auch schon von Otto, Priester
und Tempel I, 15 angedeutet und läßt sich
ungezwungenmitBottisBericht(s.o.Sp.4A.3)
S. 112 ff. vereinen, der S. 114 aus den Graffiti
des »westlichen Souterrains« eine Weihung
an Sarapis und die ouvvaot Oeoi' wieder-
gibt. Ferner würden sich auf diese Weise
die bekannten, vor dem großen Serapeum-
bau datierten Erwähnungen des Sarapis vor-
trefflich erklären »). Und man sollte nicht
immer wieder um die Tatsache herumgehen
wollen, daß überhaupt Sarapis schon zur
Zeit Alexanders bekannt war. Der Serapion
in Alexanders Umgebung ist nicht fortzu-
diskutieren '). Nur weil die Griechen Sarapis
kannten und Alexanders Umgebung bereits
für diesen Gott besonders interessiert war,
nannten sie nach ihrer Weise die ähnliche
Gottheit in Babylon auch »Sarapis«. Ein
echter Sarapis hat schwerlich in Babylon je
existiert 3); sein Name war aber den Grie-
chen geläufig, bei den so außerordentlich
regen Beziehungen zu Ägypten im ganzen
4. Jahrhundert ganz natürlich 4).
Wir werden uns die Verhältnisse in Alexan-
dria ähnlich zu denken haben wie in Memphis
(s. Otto a. a. 0. I, 15). Von welchem ägypti-
') Dittenberger, 0. Gr. Inscr. 16. Sethe, Sarapis
(Abh. d. Gott. G. d. Wiss. XIV 1913) 2. E. Schmidt,
a. a. 0. 63.
») Sarapis b. Röscher 353, 46 ff.
3) Anders E. Schmidt, a.a.O. 76 und schon
Plew, De Sarapide, Diss. Regim. 1868, 8.
4) Ottos Vermutung, Priester und Tempel II
215, I, daß der ähnliche Klang eines vielleicht grie-
chischen Gottes bei der Rezeption mitgewirkt hat,
ist durchaus im Auge zu behalten.
sehen König in Rhakotis ein Heiligtum des
Oserapis ') gegründet sein mag, wissen wir
vorläufig nicht; aber daß eines bestand,
scheint nach Bottis allerdings nicht sehr
klarem Bericht doch wohl sicher zu sein»).
Und wenn sich zeigen sollte, daß Alexander
d. Gr. selbst schon dies alte IloaEpäiti 3) —
vielleicht deponierte auch hier schon Arte-
misia ihre Verwünschung, vgl. die nuvvaoi
ösoi bei Botti S. 114, wenn auch aus später
Zeit — mit einer Weihung bedacht, ja da-
neben ein griechisches Serapeum gebaut
hätte, so würde dies durchaus nicht zu über-
raschen brauchen, sowohl nach Alexanders
Verhalten im übrigen Ägypten als auch in
der übrigen Welt. Und wie soll man sich
dann zu der späteren Einführungslegende des
Gottes stellen.'' Nicht anders wie zu der des
Äskulap in Rom, der auch vor der unter
ähnlichen Zügen berichteten Überführung aus
Epidaurus schon längst in Rom bekannt
war, aber jetzt seinen neuen Tempel auf der
Tiberinsel bekam 4). Dem neuen Tempel
eine Bedeutung zu verschaffen, die dem alten
Tempel das Alter und die Tradition sicherte,
mußte zu besonderem Mittel gegriffen wer-
den. Eine Epiphanie konnte helfen. So
bezeugt geradezu die Sinopelegende, wie an-
dere ähnliche, das Bestehen schon eines älte-
ren Kultes desselben Gottes, der jetzt seine
hohe politische Mission zu beginnen hat 5)
und dem zu mächtigerer Wirkungsmöglich-
keit der neue Tempel in aller Pracht her-
gerichtet wird.
Dabei sollte und durfte aber auf keinen
Fall das Band mit dem Alten verlorengehen.
Schon Petersen a. a. 0. 58 hat richtig ge-
sehen, daß das alte Heiligtum, also das
floaspctm, das verbindende Glied zwischen
ägyptischer Religion und dem neueingeführ-
ten Gott bilden sollte. Damit kam aber vor
allem auch dem alten Bild darin eine solche
Bedeutung zu, wie schon oben bemerkt
wurde. T. und Ps. bestätigen somit die Nach-
richt des Ps.-Kall., die wir uns nach den
') Die Auseinandersetzungen von Sethe, Sarapis,
über den Namen haben für mich durchaus über-
zeugende Kraft.
') Schreiber, Bikinis AI. d. Gr. 252.
3) Sethe, Sarapis, 5; Baß, Philol. XLI, 748.
4) E. Schmidt, a. a. 0. 45 f.
5) Vgl. entspr. für Magna Mater E. Schmidt
a. a. 0. 27.
Ein Sarapisrelief in Hildesheim,
sonstigen Funden ägyptischer Skulpturen
beim Serapeum (Botti a.a.O. 113 und 123)
deuten müssen') . Auch Wilcken zweifelt nicht,
daß von Anfang an Isis mit Serapis verbun-
den gewesen sei =).
War aber mit der ägyptischen Gestalt der
Isis für den angestrebten Zweck einer Re-
ligioiisverbrüderung bei den Griechen etwas
zu erreichen.' Osiris mußte in diesem Heilig-
tum seine alte Gestalt aufgeben, und auch
Isis war den Griechen leicht zugänglich zu
machen, wenn man sie ihnen mit ihrem
griechischen Namen nannte. Der Ägypter
andererseits brauchte seine Isis, er sollte aber
bei seinem Gebet an dieser Stelle auch zu-
gleich langsam dem griechischen Empfinden
gewonnen werden. Also war hier auch eine
richtige »Isis« vonnötcn, die der Ägypter als
solche sofort erkannte, die aber doch auch
so weit griechischer Form angenähert sein
mußte, daß die formale und gedankliche
innereDurchdringung und Einheit der Gruppe
nicht gestört wurde. Das führte geradcswcgs
zu dem Ausweg, der griechischen Göttin
gleichsam eine ägyptische Übersetzung ge-
genüberzustellen und andererseits für die
ägyptische Göttin ebenfalls die Übertragung
ins Griechische beizufügen — eine bilingue
Kultgruppc. Ist doch auch der Kerberos
eine solche Bilingue, dem Griechen eben der
Kerberos, zugleich dem Ägypter verständ-
lich durch Löwe, Wolf und Hund als Tiere
des Osiris, Upuaut und Anubis. Wenn
Wilcken aus dieser richtigen Feststellung 3)
nun weiter folgerte, daß der Kerbei-os eben
in Alexandria gearbeitet sein müsse und da-
mit auch das Bild des Gottes selbst, so
scheint uns ein solcher Schluß nicht nötig.
Lediglich der Kerberos ist das alexandrini-
sche Siegel zu dem sonst durchaus keine
ägyptisierenden Züge verarbeitenden, son-
dern ganz rein griechischen Sitzbild selbst;
dies Siegel kann in der Tat nur in Ägypten
geformt sein, es dem Kultbild zuzufügen,
bot keinerlei Schwierigkeit. Zu einer Ab-
leitung des »Kerberos« aus Memphis scheint
ein dringender Grund trotz Wilckens öfter
genanntem und außerordentlich förderlichem
Aufsatz im Arch. Jahrb. XXXII nicht vor-
') Vgl. Bull, d'arch. or. 8 (1907) 63 ff.
») Arch. Jahrb. XXXII 1917, 194, 2.
3) a. a. 0. 188 f.
zuliegen. Denn diese Zusammenstellung aus
Löwe, Wolf und Hund kann unmöglich zum
erstenmal in dieser Serapeumgruppe von
Memphis (a. a. 0. 191 f.) vorgenommen wor-
den sein. Dieser Löwenkerberos konnte nur
in die Gruppe aufgenommen werden, wenn
seine Form schon feststand, nicht aus sym-
metrischer Spielerei. In Alexandria war
diese eigenartige Form aus den oben dar-
gelegten Erwägungen eine zwingende Not-
wendigkeit und klüglich von der hohen Kom-
mission ersonnen. Die memphitische Gruppe
ist eine spielerische Weiterbildung des durch-
aus ernsten, alexandrinischen Bildes. Und
nur dieser alexandrinische Kerberos hat auch
in der Tradition der großen und kleinen
Kunst gewirkt. Umgekehrt ist die Mariette
sehe dionysische Gruppe, die wieder in die
Diskussion gebracht zu haben höchst not-
wendig und dankenswert war, am besten
zu verstehen aus den Gedankenkreisen her-
aus, die ja bei dem Traum usw. wirksam
waren '). Wie vielmehr Wilcken a. a. O. 173
als wahrscheinlich annimmt, daßdieExedra-
gruppe einer solchen in Alexandria nach-
gebildet sei, wird man auch die dionysische
Gruppe eher als eine Nachbildung einer im
alexandrinischen Serapeum aufgestellten
Gruppe ansehen dürfen.
Wenn Wilcken a.a.O. 188 auch für die
Sinopelegende den weiteren Schluß zieht,
daß sie lediglich späte Fabel sei '), so muß
doch die zu wenig beachtete, schlagende
Parallele bei Libanius, or. XI, III (Foerster)
dem entgegengehalten werden. Wie die
Gründungsgeschichte Antiochias der Alexan-
drias nachgebildet worden ist'), so finden
') Petersen a. a. 0. 50 nennt den in T. zuerst
erscheinenden jugendlichen Gott richtig Dionysos.
') So auch E. Schmidt a. a. 0. 109; A. Die-
terich a. ebda. a. 0.
3) Ausfeld, Rh. M. LV 1900, 381. Reitzenstein,
Gott. gel. Nachr. 1904, 320. Ausfelds Behandlung
von Ps.-Kall. I 31 — 33, a. a. 0. 348 ff., 357 ff. bedarf
einer Ergänzung. Man beachte, wie ähnlich der Zu-
sammenhang bei Flut. AI. 26 ist : Wunsch der Stadt-
gründung — Absteckung -pmixT^ tiüv äpyiT£XT({v<uv
— Traum mit Hinweis auf Pharos • — als Folge
ixO.fji^t 5iaypa''}ai tö a/jilt-o^ tfj; tM.iuh tu T(5rtji
S'JvapfxijTTOvToit — Vogelwunder. Vgl. Ps.-Kall. I
(Zählung der Kürze halber nach Raabe iSTopfa
'AXc;av8pou Lpz. 1896) n und za' Absteckung nach
Rat der Architekten — 1:5' Auffindung von Pharos —
T.t' xeXclei ouv 'A. ytupoYpatprjSai tö 7:£p([ieTpov ttjJ
■lt(iktmi — Vogelwunder. Demnach scheint sich
Ein Sarapisielief in Hildesheim.
10
wir in der Geschichte der Überführung der
kyprischen Götter — auch hier sind es meh-
rere! — die erste Nachbildung der so oft
nachgeformten Übertragungslegende des Sa-
rapis'), die kaum jungen Datums sein wird.
Kehren wir nun zu unserem Hildesheimer
Relief zurück, so ist zunächst noch einmal
zu betonen, daß wir aus ihm nicht den Be-
weis erpressen wollen, daß im Scrapeum
eine entsprechende Gruppe gestanden hat.
Aber andere Erwägungen führten von selbst
zu einer Lösung, wie wir sie auf dem Relief
wirklich getroffen finden, so daß man auf
jeden Fall die Möglichkeit einer solchen
Gruppe im Auge behalten muß. Und dies
um so mehr, da ja wenigstens für einen
anderen Sarapistempel in Alexandria eine
ähnliche Gruppe — Sarapis, Isis, Horus —
erschlossen worden ist ') und selbst Weber?)
die bekannte Münzgruppe möglicherweise als
Bild einer wirklichen Gruppe, wenn auch
nicht im Haupttempel, gelten lassen will.
Begegnet aber Sarapis überhaupt in Grup-
pen, so ist eine Gruppe im Haupttcmpcl
auch von dieser Seite aus keine Unmöglich-
keit mehr.
Und schließlich drängt sich jetzt die
Frage auf, wie denn unser Relief zu er-
gänzen sein möge. Das erhaltene Stück
das Amonsorakel betr. Alexandria an die Stelle
des Traummotivs geschoben (vgl. Beschreibung
Homers bei Plut. und Amons in oj') und die ältere
Fassung überwuchert zu haben. Das ließ sich nur
durchführen bei Benutzung der Aristobulosversion
(Arrian anab. III 4, 5), nach der' vom Amonium
aus der Weg nach Memphis wieder über .\lexandria
führte, wobei dann die Einwirkung des Orakels auf
den weiteren Bau der Stadt möglich wurde. Daher
rS' 7:apayEvo[j.Evo; vri 'A. . . . eupe to'j; roTauiu;
xal xä; 8t(!)pu}(a; . . luvelxioua?. Das schließt an das
Orakel in oC direkt an; denn jetzt wird die Insel ge-
funden usw., wie nach dem Traum bei Plut. Das
Orakel sollte aber nach der Tendenz des Romans
zum Hauptmotiv werden, wurde also an die Spitze
gestellt. Die ersten Vorbereitungen auf dem neuen
Stadtboden Tt' ff. und die Beschreibung des Gelän-
des 0%' durften trotzdem nicht unerwähnt bleiben
und wurden daher nach älterer Fassung (wie Plut.)
beibehalten. Daher das doppelte Trapay^veTai irX
TO'jTOu TOÜ ^Sct'fO'j; in oC und -apayevdfievo; . .
tli TCiÜTO To loatpoc in 1:0' !
') s. E. Schmidt a. a. O. 115, wo dies schärfer
betont werden konnte. Über das äro(jiä;a3i)ai hoffe
ich bald weiteres mitteilen zu können.
') Weber, Drei Untersuchungen (191 1) 14 f.;
äg.-gr. Tcrrak. (Berlin 1914) 28 f. mit .\nm. 24.
3) Weber, Drei Untersuchungen 7, Anm. 14.
stellt ja wenig mehr als ein Viertel des ur-
sprünglicHen Rundbildes dar, und ergänzt
man die Figuren der Göttinnen bis zur
selben Standfläche, die durch den sicher zu
ergänzenden Fußschemel vor dem Thron des
Gottes gegeben ist, so bleibt in dem Rund
unten noch ein Stück frei, etwa ein Viertel
der Höhe des Ganzen. Die Gruppe selbst
ist im wesentlichen ja bereits in dieser Form
aus Münzen bekannt '). Es ist nun außer-
ordentlich verführerisch, unser Rundbild
auch im übrigen so weiter zu ergänzen, wie
es das Rundbild der Münzen Dattari a. a. 0.
XXni, 28592) zeigt, nämlich auch unsere
Gruppe auf einem Schiff stehend zu denken.
Der Versuch ist nach Maßgabe der Münze
zeichnerisch leicht und befriedigend zu
machen. Eine Sicherheit läßt sich für
diese Lösung natürlich nicht erzielen, aber
unwahrscheinlich wenigstens ist sie nicht.
Und so sei denn zum Schluß wenigstens
die Möglichkeit erwogen, die sich aus einer
solchen Annahme ergäbe, wenn neben die
Münzen ein so entsprechendes Denkmal aus
einer anderen Monumentenklasse träte.
Das Schiff nur als eine Andeutung der
Seefahrt des Bildes zu erklären, liegt an
sich keine Nötigung vor, wenn ich auch
nicht verkenne, daß sich diese Erklärung
aus anderen Fällen stützen läßt. An sich
kann das Schiff in unserm Fall vom Münz-
bildner frei hinzugefügt sein, kann das ganze
Münzbild ein Relief oder eine malerische
Komposition wiedergeben, kann es aber auch
durchaus ebenso einer wirklichen Gruppe
nachgebildet sein, d. h. es kann tatsächlich
auch die Gruppe wirklich auf einem Schiff
als Basis gestanden haben. Das wäre sowohl
hellenistisch denkbar, als auch besonders
in Ägypten. Weber hat mit allem Recht
hellenistische Kultgruppen auf Schiffen, die
als Basis dienen, erschlossen 3). Das wäre
in der Tat die letzte und feinste, sich z. T.
allerdings von selbst ergebende Pointe in
den Berechnungen des Timotheos und Ma-
») Dattari, Numi aug. alex. .\. XXIII 2859;
XXX II 52, II 54; nom. c. H 2, 3.
») Dazu Catal. Br. M. Coins Alexandria 886
(Hadrian), 1207 (Anton. Pius). Schönes Exemplar
wie 1207 in Berlin.
3) Äg.-gr. Terrak. 62, 64 f. zu nr. 48; 256 mit
Abb. 127. Vgl. De Riddcr-de Clercq VII Taf. 13
no. 2355.
II
Zur Wiener Dusirisvase.
12
netho gewesen, die Serapeumsgruppe so auf
ein Schiff zu setzen. Für den Ägypter
durfte die Barke im Allerheiligsten nicht
fehlen, und wie konnte man dem Griechen
das Schiff im Tempel verständlicher machen
und zugleich uneiitbehrlicher, als daß man
eben den Gott auf ihm ins Land kommen
ließ. Es wäre jedenfalls die stärkste Klam-
mer, mit der die Gruppe zu einer Einheit
zusammengefaßt werden konnte •).
Albert Ippel.
ZUR WIENER BUSIRISVASE.
Der Meister, der die unter dem Namen
»Busirisvase« bekannte Caeretäner Hydria
maierei» III, Abb. 8o) bemalt hat, kennt
Ägypten aus eigener Anschauung. Die wohl-
getroflfenen Physiognomien der Ägypter und
die Tracht beweisen es. Noch nicht be-
obachtet ist es aber, daß er auch im Motiv
seiner Hauptgruppe ägyptische Bilder be-
nutzt und zwar in höchst origineller Weise.
Unter den großen Reliefs außen am
Amontempel zu Karnak, die Sethos I. als
Sieger über die Asiaten verherrlichen, findet
sich eine Darstellung des Pharao, wie er nach
der Schlacht den wartenden Streitwagen be-
steigt, gefolgt von einer Schar gefesselter
Feinde. Dabei trägt er in jedem Arm je
ein Paar von diesen davon (Abb. i) »).
Daß es sich bei diesem Bilde um einen
fest geprägten und mehrfach wiederhol -
Abb. I. Relief am Amontempel zu. Kamak.
des österreichischen Museums für Kunst und
Industrie (Nr. 217 Masner; Furtwängler-
Reichhold Taf. 51; Buschor, Griech. Vasen-
■) ZuAmelungs Auslegung von Rufins perstrin-
geret s. Petersen a. a. 0. 74.
ten Typus handelt, lehrt das Bruchstück
eines kleinen Reliefs im Berliner Museum
") Hier wiedergegeben nach der Aufnahme der
deutschen Fremdvölkerexpedition Nr. 210 mit freund-
licher Erlaubnis von Herrn Geh.-Rat Ed. Meyer.
13
Zur Wiener Busirisvase.
M
(Abb. 2) »). Es ist die Skizze' zu einem
Tempelrelief und wahrscheinlich nicht, wie
das »Ausführliche Verzeichnis« angibt, in die
Zeit der 18. Dynastie zu datieren, sondern
später, wie mich Herr Prof. Möller vor
allem unter Hinweis auf die Formen des
Wagens freundlich belehrt.
Dieser Sachverhalt fordert die Annahme,
daß der griechische Vasenmaler in Ägypten
ein solches Bild
— vielleicht
auch mehrere —
gesehen hat.
Macht man sich
klar, daß nicht
nur fast alles
verloren ist,
was unter der
18. Dynastie
an derartigen
Darstellungen
geschaffen
wurde »), son-
dern daß wir
auch von dem
ganzen Reich-
tum solcher
Monumente,
der einst im
Delta vor-
handen war, so gut wie gar nichts kennen,
so fällt alles Wunderbare von dieser Tat-
sache ohne weiteres ab.
Nun bekommt das Vasenbild aber inhalt-
lich erst seine richtige, von seinem Schöpfer
gewollte Pointe. Das Burleske des Vor-
gangs kommt im Kontrast zu dem feier-
Abb. 2. Relief in Berli
Im Stich geben die Gruppe: Rosellini, Monumenti
Storici I, 47 und Cliampollion, Monuments III, 291.
— Nach Photographien, aber sehr klein, im Zu-
sammenhang mit den benachbarten Bildern: Stein-
dorfE, Blütezeitdes Pharaonenreiches S. 164, Abb.140;
Masp^ro, Histoire Ancienne des Peuples de l'Orient
Classique IL S. 373.
') Nr. 3425, Ausführliches Verzeichnis S. 205. ■ —
Photographie in den Ȁgypt. u. Vorderasiat. Alter-
tümern des Berliner Museums«, Taf. 107. — Abb. 3
nach einer Aufnahme, die ich der Verwaltung des
Museums verdanke.
') Breasted-Ranke, Geschichte Ägyptens S. 327.
liehen Vorbilde erst voll zur Geltung. Der
Spieß ist hier umgekehrt, und wie es dort
der Ägypterkönig mit den Fremden macht,
so macht es hier der griechische Held mit
den Ägyptern. Natürlich geht die
Anlehnung nicht über die allgemeinen
Hauptzüge des Motivs hinaus. Beide
Bilder zeigen eine große, weit ausschreiten-
de Figur mit je zwei kleinen in jedem
Arm. Damit
ist das Gemein-
sameimwesent-
lichen er-
schöpft. Geht
man ins Ein-
zelne, so sieht
man, daß aus
der etwas
steifen Feier-
lichkeit der
Haupt- und
Staatsaktion
auf der ägyp-
tischen Dar-
stellungein leb-
haft bewegtes
und spontanes
Kräftespiel in
dem grie-
chischen Bilde
geworden ist. Man erkennt nun auch,
welche ganz bestimmte Absicht den Vasen-
maler veranlaßt hat, hier das Gesetz der
Isokephalie zu durchbrechen. Für den
griechischen Beschauer muß darin eine sehr
kräftige Anregung gelegen haben, sich die
ägyptischen Vorbilder wieder zu vergegen-
wärtigen.
Die Busirisvase ist also ein besonders
schönes und charakteristisches Beispiel für
das Verhältnis des archaischen griechischen
Künstlers zu seinen orientalischen Vorbil-
dern. Wo man einmal, wie hier, ein solches
Abhängigkeitsverhältnis nach Art und Grad
genau bestimmen kann, tritt die Originalität
des Griechen um so klarer und überraschen-
der in die Erscheinung.
Berlin.
Friedrich Matz.
15
Die Sammlung der GipsabgQsse in der Universität Berlin.
i6
Abb. 1. Saal A.
DIE SAMMLUNG DER GIPSABGÜSSE
NACH WERKEN GRIECHISCHERUND
RÖMISCHER SKULPTUR IN DER UNI-
VERSITÄT BERLIN.
Der alten Kunst ist ein neues Haus gebaut.
Der während des Krieges vollendete West-
flügel des Universitätsgebäudes ist in seinen
wesentlichen Teilen der klassischen Alter-
tumskunde, die ganze, einschließlich des
Zwickelbaues 150 m lange Flucht seines
obersten Saalgeschosses der großen, altbe-
rühmten Abgußsammlung der Berliner Mu-
seen (s. Friederichs- Wolters 1885) überwiesen
worden. Dem Wunsche Georg Loeschckes,
für seine hiesige Tätigkeit diese unschätzbare
Lehrsammlung mit dem archäologischen Se-
minar aufs engste zu verbinden, ist der Ge-
danke Theodor Wiegands, sie in einem Neu-
bau unmittelbar an die Universität anzu
schließen, glücklich entgegengekommen. Die
Voraussetzung war — und ihr konnte in
vollem Maße entsprochen werden — , daß
auch dann die Sammlung dem öffentlichen
Besuche zugänglich bleiben müsse. Sie ist,
auch dies dank dem Entgegenkommen der
Behörden, jetzt jeden .Sonntag, Montag und
Donnerstag dem Publikum geöffnet und
wird neben ihrer Hauptbestimmung, wissen-
schaftlicher Arbeit und dem akademischen
Unterricht zu dienen, auch für Führungen
der Schulen und für private Kurse regel-
mäßig benutzt.
I.
Ihre Auslösung aus dem altgewohnten
Verbände der staatlichen Originalsammlun-
gen auf der Museumsinsel wird dadurch aus-
geglichen, daß sie, von jenen aus auch jetzt
in wenigen Minuten erreichbar, aus einer zu-
letzt fast erdrückenden Raumnot befreit,
in der neuen .\ufstellung in übersichtlicher
Weise die Entwicklung und Entfaltung der
antiken griechischen und römischen Plastik
vorführen kann. Von dem großzügig noch
vor dem Kriege begonnenen Unternehmen
konnte Loeschcke freilich nur noch die Er-
stellung der neuen Säle im ersten Rohbau
erleben. Er starb mitten in lebendigsten
Erwägungen über die Art der Inneneinrich-
tung und Verteilung der Abgüsse im Dezem-
ber 1915. Erst im Frühjahr 1916 wurde die
noch kaum begonnene Überführung aus dem
Neuen Museum durchgeführt, und es mußte
'7
Die Sammlung der Gi|>sabgässe in der Universität Berlin.
nun an diejenige Arbeit herangetreten wer-
den, die neben der von Herrn Regierungs-
baumeister Seidel mit Umsicht und Energie
geleiteten Fortführung des inneren Aus-
baues ■) sich als die wichtigste Voraussetzung
der Neuaufstellung ergeben hatte, an die
Reinigung und Herrichtung der Abgüsse
selbst.
Nach Versuchen verschiedenster Art, die
mit der bereitwilligen Unterstützung von
Herrn- Professor Rathgen, des Vorstandes
des Chemisch-technischen Laboratoriums der
Museen, ausgeführt waren, wurde beschlos-
sen, ein in anderen Gebieten erprobtes Far-
benzerstäubungsverfahren =) anzuwenden.
Denn ausgeschlossen war eine Aufstellung
der Abgüsse im bisherigen Zustande, da ihre
zum großen Teil schon seit Generationen ge-
steigerte Verstaubung mit mechanischen Mit-
teln und ohne die Oberfläche mehr oder we-
niger zu verletzen, nicht mehr zu entfernen
war. Auch ließ sich bc"i der gewaltigen Zahl
von rund zweieinhalbtausend Nummern nur
auf dem erwählten Wege zum Ziele kommen.
Es bedurfte einer kleinen Fabrikanlage mit
Luftkompressor und Motoren, die im Erd-
geschoß des neuen Westflügels eingebaut
wurde 3) und die gleichzeitige Behandlung
von immer drei Abgüssen erlaubte (Rathgen
a. a. O., Abb. 2). So konnte vom September
1916 ab die Aufgabe mit vorgebildetem Per-
sonal in anderthalb Jahren bewältigt werden.
Die Arbeit vollzog sich so, daß nach schar-
fer Abblasung allen noch beweglichen Stau-
bes und Schmutzes der Abguß mit einem
farblo'en .Stoff — Zapon, aus Schießbaum-
wolle hergestellt — in feinster Zerstäubung
überzogen wurde, worauf nach einer Trocken-
zeit von 24—48 Stunden der Prozeß mit
demselben, diesmal nur leichtgetönten Stoffe
wiederholt wurde — nötigenfalls noch ein
zweites Mal, da die zu deckende »Schwärze«
nicht immer leicht zu überwinden war.
Die auf solche Weise um unsere Abgüsse
■) Für die Baiigeschichte dieser großen Erwei-
terungsbauten der Universität bis zum Jahre 1919
ist der Bericht Seidels im Zcntralblatt für Bau Ver-
waltung XL 1920, 409 — 415 zu vergleichen.
^) Vgl. den Bericht Zeitschrift für angewandte
Chemie XXX 1917, 41 ff. von F. Rathgen.
3) Sie ist jetzt in etwas geringerem Umfange in
die Werkstatt der Abgui3samnihing übernommen
worden und hat sich a'ich neuerdings bewährt.
geblasene Haut ist so dünn, daß eine Ent-
stellung der Oberfläche vermieden wird, und
sie hat den Vorzug, daß sie sich feucht be-
handeln und reinigen läßt. Was die Tönung
betrifft, so durfte eine weitergehende Färbung
mit dem Ziele, den Eindruck irgendwelchen
originalen Materiales, wie Kalkstein, Marmor
oder gar patinicrte Bronze zu err: ichen, nicht
gewagt werden. Denn die Abgüsse unserer
Sammlung haben in erster Linie als der neu-
trale Vermittler der antiken Kunstform zu
dienen und ein unbefangenes wissenschaft-
liches Studium zu gewährleisten. Da antike
Originale in kostbaren Beispielen in den
nahen Museen vorhanden sind, so wäre eine
doch niemals wahrheitsgetreu herzustellende
Imitation des Materiales nur eine ebenso
überflüssige wie überdies kostspielige Ent-
stellung des Tatbestandes.
Nun aber erwuchs angesichts der mehr
oder weniger gleichförmig erneuten Abgüsse
eine weitere neue Aufgabe. Einmal konnte,
wie zahlreiche Versuche ergaben, nur mit
kräftiger, satter Tönung der Wände ein
Ausgleich geschaffen werden. Sodann führte
die große Masse gleichartiger Objekte nun
auch zwingend zu einer farbigen Differen-
zierung der einzelnen Räume. Die aus sorg-
fältigen Versuchen gewonnene Farbcnfolge
Grün — Tiefbraunrot — Bläulichviolett ließ
sich in der Hauptflucht mehrfach wieder-
holen, gedeckte gelbe und blaue Töne blieben
auf die Seitenräume beschränkt. Und dies
war, wie wir glauben, nicht ohne einen weite-
ren Gewinn. Je mehr ein jeder Raum durch
solche Tönung seiner Wände als eine Einheit
für sich erschien — wie er auch eine in sich
geschlossene Kunstperiode, eine besondere
Denkmälergruppe aufzunehmen oder ganz
bestimmte Entwicklungsreihen darzustellen
hatte — , um so mehr war Aussicht, daß in
aller Fülle doch das Einzelne zur Geltung
komme und daß die bei der Größe der Samm-
lung leicht drohende Gefahr der Ermüdung
sich vermeiden lasse.
Aus solchen Erwägungen ist das Ergebnis
zu verstehen, das zunächst in dem im Herbst
1919 fertiggestellten Flügelbau selbst in die
Erscheinung trat und das, da es sich zu be-
währen schien, nun auch bei den inzwischen
noch hinzugetretenen fünf letzten Sälen des
Zwickclbaucs Anwendung finden durfte. Mit
19
Die Sammlung der Gipsabgüsse in der Universität Berlin.
20
©
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m
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diesen ist der Anschluß an den westlichen
Frontalflügel des alten Palaisgebäudes ge-
wonnen, die Zahl der Museumsräume auf
24 gebracht. Mitte Januar 1921 war auch
dieser letzte Teil des Neubaues fertiggestellt,
so daß mit seiner inneren Einrichtung und
dem Aufbau der Abgüsse sofort begonnen
werden konnte. Am 6. Mai sind auch diese
Räume in einer kurzen Eröffnungsfeier ihren
Zwecken übergeben worden.
II.
Über Anordnung und Inhalt der ein-
zelnen Räume folgendes:
Die chronologische Anordnung war durch
den Charakter der großen Sammlung an
ihrer neuen Stelle von vornherein geboten.
Schon durch die Plananlage der Räume war
ihr Rechnung getragen. Nur eine kleine
Anzahl von Abgüssen ist an das Haupt-
treppenhaus und seine Eingangshalle
und an die mittlere Treppe dieses Flügels ')
j abgegeben worden, wobei sich u. a. die Ge-
[ legenheit bot, einige der Parthenonmetopen
! für hohe Unteransicht zu zeigen.
Die Raumeinteilung ist einfach und über-
! sichtlich. Fünf große Säle A — E (Plan
! Abb. 2) folgen sich in der hundert Meter
langen Hauptachse des Flügels. Sie sind
j sowohl nach der Universitätsstraße wie nach
: dem Gartenhof der Universität von längeren
I Fluchten schmalerer Kabinette (4 — 13) be-
I gleitet. Die Überhöhung der Mittelsäle
führte zur basilikalen Beleuchtung durch hohe
Seitenfenster; nur der dritte quadrate Saal
C konnte reines Oberlicht erhalten. In den
niedrigeren Seitenräumen, die ursprünglich
nur auf Belichtung durch die von der Fassade
gebotenen, ziemlich tiefgelegten Fenster an-
gewiesen waren, ließ sich in letzter Stunde
noch Oberlicht einführen, so daß ihre inne-
ren Wandflächen zu voller Ausnutzung
kamen.
Innerhalb dieser drei verschiedenen Fluch-
ten ist der innere Zusammenhang gegeben
durch die großen Auf gaben, die die griechische
Kunst, aus einem Wesentlichen griechischer
Geistesart heraus, sich gestellt und die sie
Abb. 2.
') Hier die großen Apotheosen antoninischer Zeit
und Denkmäler des Mithraskultes. Der Zugang ist
von dem großen Korridor der i. Etage aus möglich.
21
Die Sammlung der Gipsabgfisse in der Universität Berlin.
22
Abb. 3. Saal B.
Abb. 4. Saal D.
in beispielloser Konsequenz und Kontinuität
des künstlerischen Schaffens erfüllt hat: die
Darstellung sowohl der menschlichen Gestalt
als solcher in der stetig vervollkommneten
Einheitlichkeit ihres organischen Aufbaues
wie auch ihrer Beziehung zu anderen in ver-
23
Die Sammlung der Gipsabgüsse in der Universität Berlin.
24
schieden bewegter Handlung, also das Pro-
blem der Einzelstatue, und diese wieder
nackt und bekleidet, und das Problem der
Komposition von zwei, drei oder viel-
figurigen Gruppen, diese wiederum in erster
Linie als Füllung des gegebenen, unverrück-
bar begrenzten architektonischen Rahmens,
eines stärksten, für das künstlerische Bilden
aber unendlich fruchtbaren Zwanges. Denn
kommensten Versuche in dem gewaltigen
Gorgogiebel von Korfu — der einzige Ab-
guß, von Kaiser Wilhelm noch 191 3 dem
Alten Museum überwiesen — über den klei-
nen Schatzhausgiebel von Delphi und die
Ägineten (deren Gruppierung, wenn auch
I noch in Thorwaldsens Ergänzungen, der
I neuesten Forschung zu entsprechen sucht)
— Saal A (Abb. i) — zu den Gruppen des
Abb. 5. Saal C.
der dorische Tempel hatte die Plastik früh
in seinen Dienst gezwungen und ihr dadurch
entscheidende Wege der Entwicklung ge-
wiesen: in der Metope, wo im Anschluß
an frühere, auch nichtgricchische Arbeiten
die Aufgabe der Felderfüllung bis zur voll-
kommenen Lösung verfolgt wird, und in
der rein griechischen Form des Giebel-
dreiecks, wo jeder Raumteil seine eigenen
Gesetze diktiert. So ergab sich von selbst
in den Mittelsälen die Abfolge der mo-
numentalen Giebelgruppen: von dem,
heute wenigstens für uns, noch unvoll-
Zeustempels in Olympia im Saale B (Abb. 3)
und zum Parthenon im vierten Saale D
(Abb. 4).
Dazwischen schaltet sich im mittleren
Oberlichtsaal C der plastische Schmuck der
großen Grabarchitektur des sog. Nereiden-
monumentes ein und verwandte Kunst
(Abb. 5). Die Kunst des im 4. Jahrhundert
entsprechenden, aber in denMassen viel um-
fangreicheren Mausoleums von Hali-
karnassos erscheint im fünften Saale E,
zusammen mit anderer Großplastik dieser
Zeit, ebenso zwei nach den Ergebnissen der
25
Die Sammlung der Gipsabgüsse in der Universität Berlin.
26
deutschen Ausgrabungen im athenischen Di-
pylonfriedhof aufgerichteten terrassenartigen
Familiengräbern (Abb. 6).
Parallel zu dieser großen Architektur-
plastik und in steter Beziehung zu ihrem
Stil stehen in diesen Sälen die Gewand-
figuren, Statuen, wie im Relief, von den
frühen Etappen an, wo man erst die äußere
Erscheinung des Gewandes schüchtern zu
die beiden Friese und die Metopen des sog.
Theseion in der Unterstadt (N. 7), Fries-
figuren und Architektur vom Erechtheion
und die Friesreliefs vom Niketempel (N. 8),
endlich die Gräberplastik, vornehmlich Grab-
mäler der attischen Friedhöfe, die eine Lang-
seite der Friese eines Fürstengrabes in Gjöl-
baschi, Lykien u. a. (N. 9).
Die westlichen Kabinette nach der Uni-
Abb. 6. Saal E.
erfassen beginnt, bis zu jenen fernen sou-
veränen Schöpfungen, in denen die Gewan-
dung, mit allen Mitteln der Technik be-
zwungen, dem Körper und aller Schönheit
seiner optischen Erscheinung willig dient.
Die östlichen Kabinette (5 — 9) enthal-
ten archaische Kunstwerke des 7. und 6.
Jahrhunderts v. Chr. (N. 5 und 6) —
älteste Männerstatuen, Ephesos, Assos, la-
konische Reliefs, Grabstelen sowie archaisti-
sche Bildwerke späterer Zeiten.
Es folgt die architeTctonische Plastik
der kleineren athenischen Tempel:
versitätsstraßc (10 — 13) umfassen vor allem
die Entwicklung der männlichen Akt-
figur seit den Perserkriegen und Werke
einzelner großer Meister: N. 10 die Tyrannen-
mördergruppe des Kritios und Nesiotes 476
V. Chr. und die wichtigste Plastik der Über-
gangszeit. N. II Myron und Polyklet, hier
auch der Fries des Apollontempels von
Phigalia (Abb. 7). N. 12 männlicheStatuen
attischer und peloponnesischer Schule aus
dem jüngeren 5. und Anfang des 4. Jahr-
hunderts; Epidauros. Die Repliken der
Athena Parthenos des Phidias und Gewand-
27
Die Sammlung der Gipsabgüsse in der Universität Berlin.
28
Abb. 8. Saal G.
29
Die Sammlung der Gipsabgüsse in der Universität Berlin.
30
Statuen des phidiasischen Kreises stehen hier,
im zweiten Teile dieses Raumes, in unmittel-
barer Beziehung zu den Statuen im Par-
thenonsaale daneben (Demeter von Cherchel,
Torso der Athena Medici). Der Raum 13
neben dem Mausoleumssaale ist ganz der
Kunst des Praxiteles und was ihr nahesteht
gewidmet.
Mit dem nun folgenden Saale F greift
die Sammlung in das alte Universitätsge-
bäude ein und gewinnt durch ihn den Weg
die volle räumliche, dreidimensionale Be-
wegungsfreiheit gewinnt, geht er bahn-
brechend auch über die letzte, schon so
weich und geschmeidig bewegte praxitelische
Gestalt hinaus. Alexander weist auch der
Kunst den Weg in die Welt. In Aufgaben
von buntester Mannigfaltigkeit, in jeder nur
denkbaren Haltung und Bewegung, von
ruhiger, wenn auch kompliziertester Sitz-
stellung, vom gliederlösenden Schlaf bis zum
ausgelassensten Tanz, zu dem im höchsten
Abb. 9. Saal H.
zu dem zuletzt erstellten Zwickelbau, dessen
Haupträume G — K, losgelöst von der bis
dahin verfolgten strengen Achsenlagerung,
sich nun in mehrfach gebrochener Flucht
folgen. Nur der Raum 15 gehört gleichfalls
noch dem Altbau an. Diese freiere Grup-
pierung kommt, indem sie, zugleich von
günstiger Belichtung unterstützt, wechsel-
reiche Raumwirkungen gewährt, den be-
sonderen Aufgaben dieses letzten Teiles der
Sammlung vorteilhaft entgegen.
Die erste große Entwicklung der griechi-
schen Kunst hat sich in den geraden, langen
Fluchten der vorderen Säle vor uns ab-
gerollt. Indem Lysippos für die Statue
Pathos gesteigerten Kampf und qualvollsten
körperlichem Ringen lebt sich die Kunst im
Hellenismus aus.
An die lysippischen Werke (Abb. 8)
schließen sich daher noch im selben Saale
(G) die Beispiele für die letzten Lösungen
der Probleme der sitzenden, kauernden und
liegenden Gestalt; wichtige Beiträge liefert
dazu die z. T. dekorative Gartenplastik mit
den Gestalten des dionysischen Thiasos, auch
Kinderbilder gehören hierher. Boethos,
Doidalsas (3. und 2. Jahrhundert v. Chr.),
Homerapotheose des Archelaos, Polyhymnia,
Lykosura (Damophon von Messene).
Im Durchgangskabinett N. 14 die helle-
31
Die Sammlung der Gipsabgüsse in der Universität Berlin.
32
Abb. 10. Saal K.
Abb. 1 1 . Saal 3,
33
Italien 1914 — 192Q.
34
nistischen Aphroditetypen, im Saale H
die Kunst von Pergamon und andere
späthellenistische Großplastik, Laokoon,
Torso von Belvedere (Abb. 9). Dahinter
(N. 15) griechische Porträts und Idealköpfe.
Endlich in den beiden letzten Sälen Kunst
der römischen Zeit.
Saal I: im stärksten Gegensatz zur Hof-
kunst von Pergamon mit ihrer großen Geste,
ihrem überraschenden Interesse für die un-
hellenistische Erscheinung eines fremden
Volkes, die Kunst der augusteischen
Zeit in ihrer zeremoniellen, vornehmen
Kühle und Finesse, aber auch mit ihrem
feinen dekorativen Geschmack. Einzelne
Platten der Ära Pacis Augustae (9. v. Chr.)
sind zwischen ihrer flachen, nur angedeute-
ten Pilasterarchitektur gefaßt. Beispiele der
sog. hellenistischen Reliefbilder sind hier zu-
sammengestellt. Hochzeitszug des Poseidon
(Basis einer großen Statuengruppe, von Cn.
Domitius Ahenobarbus geweiht). Römische
Porträts, ältere Reihe.
Saal K: Werke vornehmlich trajanisch-
hadrianischer Zeit. Nur das große Kampf-
bild vom Julierdenkmal in St. R6my mußte,
obwohl frühaugusteisch, hier an der Ab-
schlußwand Platz finden. Ausschnitte der
Reliefs der Trajanssäule, Medaillonreliefs mit
Jagdszenen Hadrians. Porträtköpfe der
späteren Kaiserzeit. Dekorative Geräte
(Prunkvasen, Kandelaber), Urnen und Sar-
kophagreliefs. Einzelne Tierbilder. (Abb. lo).
Von dieser historischen Aneinanderreihung
mußte der stark verdunkelte Durchgangs-
saal F eine Ausnahme machen; in ihm sind
außer der nach neuen Vorschlägen aufge-
stellten Niobidengruppe sehr verschie-
denartige Werke vom 4. — I. Jahrhundert v.
Chr. vereinigt, die an den ihnen zukommen-
den Stellen nicht Platz finden konnten, wie
Glykons Herakles Farnese, der vatikanische
Nil, des Agasias borghesischer Fechter, der
große borghesische Krater u. a.
Die attischen und andere Weihreliefs
sind in dem hellen nordöstlichen Eckzimmer
(N. 4) vereinigt, wo auch die Modelle der
Akropolis und des griechischen Theaters
stehen.
Von der Wanderung durch ein Jahrtausend
antiker Kunstentwicklung zurückkehrend,
wird der Besucher schließlich aus dem ar-
Archäologischer Anzeiger 1921.
chaischen Saale A durch das Löwentor
von Mykenae, dessen Löwenrelief in die
ihm zukommende Stelle der in Originalgröße
hergestellten Fassade eingesetzt werden
konnte, noch eintreten in den Saal der my-
kenisch-kretischen Kunst (N.3) (Abb.u).
Hier ist der Veisuch gemacht, wenigstens
andeutend zu veranschaulichen, wie einst
die Wände der altkretischen Paläste in
Knossos, Phaistos und Haghia Triada durch
eingelegte Holzanker gegliedert und ober-
halb des bemalten und oft von flachen Bän-
ken begleiteten Sockels geschmückt waren.
Die verschiedenen Aquarellkopien der best-
erhaltenen Reste von Wandfresken aus
diesen Palästen, die noch Loeschcke von
Gillieron hatte anfertigen lassen, sind in
ihrer schweren Eisenrahmung und Vergla-
sung zwischen den Holzankern in die Wand
eingesenkt, um, soweit es möglich ist, als
Schmuck der Fläche zu wirken. Nur die
größten Stücke aus Knossos und die Fresken-
reste aus Tiryns sind in ihrem Rahmen auf
die Wände gehängt. Reproduktion kleinerer
Freskobilder, z. T. skizzenhafte Miniaturen,
vor der Mitte der Fensterwand. In den
Schautischen und -schränken Nachbildungen
der kostbaren Geräte und Prunkwaffen aus
z. T. getriebenem, z. T. figürlich eingelegtem
Edelmetall, von Steingefäßen mit Relief-
darstellungen, Fayencefiguren und -gefäßen
des kretischen Kultes, von Goldschmuck,
goldenen Siegelringen (mit Szenen- des
menschlichen Lebens u. a.), Abgüsse von
Siegel- und Gemmenbildern, Originalscher-
ben kretischer und mykenischer bemalter
Tongefäße. Bemalter Steinsarkophag aus
Haghia Triada mit Opferhandlungen des
Totenkultes. F. Noack.
FUNDE UND FORSCHUNGEN.
Italien 1914—1920.
Die letzten Fundberichte Delbrücks er-
schienen über die archäologischen Tatsachen
des Jahres 1912 im Arch. Anz. 1913, 132 bis
177, über diejenigen des Jahres 1913 im
Arch. Anz. 1914, 174 bis 205. Trotz der Ein-
schränkungen, welche der Krieg der archäo-
logischen Arbeit auch in Italien brachte und
des Hinscheidens gerade einiger besonders
35
Italien 1 914— 1920.
36
I
tüchtiger, ja führender Kräfte — ich nenne
Salinas, Milani, Colini, Savignoni, Pellegrini,
Ghirardini, Pasqui, Falchi, V. Poggi, Persi-
chetti und den jugendlichen, auf dem Karst
gefallenen Porro — ist es doch erstaunlich,
was in den letzten sieben Jahren, und zwar
nicht nur in Italien, sondern auch in Tri-
politanien und der Kyrenaike sowie im süd-
lichen Kleinasien von italienischer Seite ge-
arbeitet ist, nicht nur gegraben, sondern
auch berichtet und aufgearbeitet. Der fol-
gende Versuch, zunächst von dem in Italien
Geleisteten ein Bild zugeben, muß sich aller-
dings im wesentlichen auf die amtliche Be-
richterstattung beschränken, d. h. das, was
in den Notizie degli scavi und den Monu-
menti pubbl. dall' Accademia dei Lincei ver-
öffentlicht ist, sowie auf das Bullettino di
paletnologia, welches der Nestor der italieni-
schen Altertumsforschung fortfährt tapfer zu
leiten, sodann auf dasjenige, was mir mehr
oder weniger zufällig aus Lokalzeitschriften
oder durch freundliche Zusendungen bekannt
geworden ist. Meine eigne Autopsie im
Lande endigt mit dem Juni 1914. Die Funde
sind örtlich nach der römischen Einteilung
des Landes, zeitlich nach der Chronologie
ihrer archäologischen Ansetzung, im allge-
meinen wenigstens, geordnet.
Ligurien. Während die Riviera di po-
nente bis zum Beginn der Kaiserzeit an der
altligurischen Leichenbestattung festhält, be-
ginnt an der Riviera di levante bereits im
5. Jahrhundert die von den wahrscheinlich
über die Ostschweiz in die Lombardei gegen
Ende des dritten Jahrtausends eingezogenen
»Italikern« mitgebrachte Sitte der Ver-
brennung Platz zu greifen. Die sog. Gola-
seccakultur, auch von den nach der Mitte
des 5. Jahrhunderts eingedrungenen Galliern
aufgenommen, setzt die alte Brandsitte der
Pfahlbauer in gleichartigen Formen fort.
Schon zu Anfang des Jahrtausends ist die
Nekropole von Bismantova die erste Etappe
dieser Formen im nördlichen Appennin. Aus
der gleichen Richtung, von N. und NO. in
altligurisches Gebiet eindringend, erobert sich
die neue Sitte das Land westlich bis Genua,
südlich und südöstlich über die Gar-
fagnana hinaus hinab bis an den Arno, wo
am Lago diBientina die südlichste ligurische
Brandgräberstätte gefunden, s. Z. durch
Ghirardini in ihrer Bedeutung erkannt und
vorzüglich erläutert wurde. Genua selbst mit
seiner schon reichen Reihe schöner griechi-
scher rotfiguriger Vasen aus solchen Gräbern,
Cenisola.Velleia sind besonders wichtigeFund-
plätze dieser ligurischen Gattung. Zu ihr
gehören zwei Brandgräber bei S. Romano
(Garfagnana) mit Urnen des Typus Gola-
secca II, einer noch guten Certosafibel, um-
baut mit Steinplatten, deren eine die In-
schrift, linksläufig, »akiu« trägt, womit No-
gara »akius«, eingeritzt unter dem Fuß einer
Vase von Marzabotto, vergleicht: das erste
Beispiel einer Inschrift auf Stein von einem
Grabe Typus Golasecca II (Bull. pal. XLI,
1916, 85 — 88). — Der Bau der Abkürzungs-
bahn Serravalle-Tortona gab den Anstoß, das
von dieser Neuanlage durchschnittene Stadt-
gebiet von Libarna näher zu untersuchen,
jener Stadt, die wohl in Verbindung mit der
Via Postumia, Roms ältester Verbindung von
Genua ins Poland, als Sperre am Nordaus-
gang des Scriviapasses, ursprünglich als La-
gerstadt errichtet, wesentlich militärischen
Charakter hatte und erst nach ihrer Erhe-
bung zur Kolonie unter Nerva oder Traian
zu stärkerer bürgerlicher Blüte gelangt zu
sein scheint. Was wir früher über die Stadt
wußten, ist herzlich wenig (Nissen, LK. II,
158; Moretti, Not. 1914, 113 — 115); der
neue Plan nimmt die Ergebnisse der jetzigen
Untersuchungen gut auf und orientiert, von
sorgsamem Text Morettis begleitet, über
diese, nach Lage und Bedeutung mit dem
unfernen Velleia vergleichbare Stadt in dan-
kenswerter Weise. Gute Straßen, geräumige,
mit schönen Mosaikböden geschmückte, zum
Teil mit Heizvorrichtung versehene Häuser,
Theater und Amphitheater zeigen schon in
dem bis jetzt erst bloßgelegten schmalen
Streifen längs der neuen Bahnlinie, westlich
der Scrivia, das Bild einer besonders im
zweiten Jahrhundert der Kaiserzeit blühen-
den Landstadt, jenem Jahrhundert, aus dem
auch die weitaus zahlreichsten Münzen in
der Stadt gefunden sind, ebenso die freilich
wenigen Bildwerke, so ein Pan aus Marmor,
einige gute Kleinbronzen, eine Marmornike
usw. (Not. 1914, 113— 134).
Gallia transpadana, westl. vom Min-
cio. Die Kenntnis des Kupfers ist bei der
durch die ganze Poebene dünn verteilten Ur-
37
Italien 1914 — 1920.
38
bevölkerung schon sehr früh verbreitet; nur
im äußersten Westen und in entlegenen Al-
pentälern findet sich noch reines Neolithikum.
So bekanntlich bei Vayes im Susatal und im
Aostatal bei S. Nicolas, Sarre, Montjovet.
Hierzu kommt neuerdings eine Gruppe von
25 Gräbern zwischen Villeneuve und Ar-
vier auf einer Terrasse am r. Doraufer: aus
unregelmäßigen Platten zusammengesetzte
Gräber mit liegenden Hockern, einem ge-
glätteten Jadeitbeil, andern Geräten aus
Quarz und Feuerstein, einem als Amulett
getragenen Eberzahn, auch andern Tierzäh-
nen, einem Vogelknöchelchen, aber keinerlei
Keramik (Not. 1918, 253—57).
In einem Moor unweit Solferino ist ein
bronzezeitlicher Pfahlbau gefunden, der be-
sonders gut erhaltenes Holzwerk zeigte, das
noch das System der Verschränkungen und
Falzungen gut erkennen ließ, mit Wahr-
scheinlichkeit auch eine für Aufnahme der
Türpfosten usw. hergerichtete hölzerne
Schwelle (Not. 1918, 257 — 59).
Aus den ziemlich zahlreichen Grabfunden
aller Zeiten seien folgende hervorgehoben:
ein frühgallisches Bestattungsgrab — je wei-
ter nach Osten, um so zäher hält sich ja die
Bestattungssitte auch bei den Galliern, wäh-
rend sie im Westen die von ihnen vorgefun-
dene Brandsitte rascher annehmen — bei
Castiglione delle Stiviere (südl. des
Gardasees), das reich war an Bronzegeschirr,
meist wohl etruskischen Ursprungs, worunter
bemerkenswert besonders ein Kandelaber
(Fig. I), den ein nackter Jüngling mit einem
Vogel in der Hand krönt, während drei an-
dere gleichartige Vögel auf den drei Tier-
füßen sitzen, welche den Kandelaber tragen.
Einen aus zwei Bronzeplatten zusammenge-
setzten Vogelleib, zu dem einige Flügelstücke
zu gehören scheinen, möchte Patroni für
Teile eines dem Bestatteten mitgegebenen
Feldzeichens halten. Die ins Castello Sfor-
zesco nach Mailand übertragenen Fundstücke
sollen den wohl ins dritte Jahrhundert (Du-
cati, Atti e mem. R. Dep. d. Romagna XXVI
1908, 79 — 85) gehörigen Bronzen aus der
Galliernekropole von Montefortino (ML. IX)
nah verwandt sein; damit stimmt der La
T^ne Il-Charakter zweier geschwungener gal-
lischer Eisenmesser aus demselben Grabe
(Not. 1915,302—03; 1918,257) überein. —
I Ebenfalls in La Tene II gehört der Inhalt
eines oder mehrerer gallischer Gräber von
S es toCremonese, vermutlich auch Leichen-
beisetzung, reich an schönen Ringen und Arm-
bändern aus Bronze — zwei in Gestalt von
Pferdehufen modelliert — , ein tordierter
silberner Torques, aus Eisen Schwerter und
Speerspitzen, Pferdegebisse, die Keramik wie
gewöhnlich in gallischen Gräbern dieser Art
sehr spärlich und dürftig (Not. 191 5, 303 bis
304). — Unsere Kenntnis des römischen
Mailand ist namentlich durch Aufdeckung
von einem Rundturm und Mauern der Be-
festigung derartig erweitert, daß eine unter
Morettis Vorsitz gebildete Kommission be-
gonnen hat, sich mit dem Projekt einer
Forma Urbis Mediolanensis zu befassen (Not.
1917, 225 — 26). — Auch in Como ist nahe
Porta Torre ein römisches Tor mit achtecki-
gen Türmen herausgekommen (Fig. I, 2),
j das Haupttor Comos in der Richtung auf
j Mailand. Form und Grundriß gehen so nahe
zusammen z. B. mit dem bekannten Tor von
Turin, daß Patroni mit Recht auch das Co-
motor in augusteische Zeit setzt. Nahe dem
I Tor war eine Ehrenstatue auf Beschluß des
Stadtrats für P. Plinius Paternus L. f. Ouf.
Pusillienus errichtet gewesen, die nunmehr
zu den andern bekafrinten Pliniusinschriften
hinzutritt (Not. 191 5, 297 — 301). — Über
! die Aufdeckung einer Mansio alpina auf dem
Kleinen St. Bernhard (Not. 1914, I14, 2)
ist leider bis jetzt nichts weiter verlautet.
Die umfassenden von mir schon Heidelb.
Jahrb. 1892, 74 — 75 als sehr erwünscht be-
zeichneten Grabungen größeren Stils auf je-
ner von Bauresten aller Art bedeckten Über-
gangshöhe stehen immer noch aus. —
Schließlich sei einer Mithrasgrotte bei An-
gera (südl. Ostufer des Lago maggiore) ge-
dacht, ursprünglich einer aeneolithischen
Wohngrotte, in späten Zeiten durch An-
bringung von Votivnischen, auch zwei Al-
tären sowie des Hauptreliefs im Hinter-
grunde, von dem allerdings nur noch der
Platz jetzt erkennbar ist, für Kultzwecke
adaptiert. Zahlreiche Reste von Opfern,
auch von blutigen, sowie von Mahlzeiten,
sowohl drinnen wie draußen, konnten fest-
gestellt werden. Vom Ende des 3. bis ins
5. Jahrhundert gehende Münzen, die in der
Höhle aufgelesen wurden, gehörten nach
39
Italien 19 14 — 1930.
40
Patroni schwerlich einem einheitlichen Münz-
fund an (Not. 1918, 2 — 11).
Gallia transpadana östl. vom Mincio.
Wie in der Lombardei Patroni, so werden im
Veneto besonders dem zu früh verstorbenen
Pellegrini eine Reihe wichtiger Fundbe-
schreibungen verdankt. Hier wie in der Lom-
bardei hat das Bestreben, aus den Mooren
Torf zu gewinnen, zu mancherlei Entdeckun-
gen geführt, so auch zur Feststellung eines
schon seit 1869 durch De' Stefani (Bp. XLII,
134) vermuteten Pfahlbaus im Feniletto-
moor bei Vallese unweit Oppeano, jenem
schon durch den berühmten Helm bekann-
ten Fundplatz südöstlich von Verona. Groß,
etwa 6000 Hektar, prachtvoll erhaltenes und
gut abgebildetes Pfahlwerk, die Pfähle be-
reits deutlich mit Metallwerkzeugen behauen;
neben Steinpfeilspitzen ein guter Bronze-
dolch mit schon starker Mittelrippe (Fig. 7),
Holzreibern zum Fcucranzünden; sehr be-
achtenswert 300 m entfernt, also nicht mehr
in so besorglicher Nähe des Wohnplatzes
selbst wie bei älteren Anlagen, Spuren eines
Begräbnisplatzes, in dessen UrnenMetallrestc
zeigen, daß die Zeiten des alten, strengen,
beigabenlosen Beisetzens der Asche bereits
vorüber sind (Not. 1919, 189 — 198).
In den östlichen tiefliegenden Teil der
Ebene zwischen Po und Alpen haben die
»italischen«, ihre Toten verbrennenden Pfahl-
bauer von Westen her nur vorübergehend
ihre Fühler ausgestreckt — Arquä Petrarca
— und auch aus dem ihnen damals wohl
einzig bewohnbar erschienenen Euganeen-
gebiet sich bald wieder zurückgezogen; die
von NO. einziehenden umbrisch-sabellischen
Stammesgenossen sind ebenfalls nur hin-
durchgezogen, um, da ihre Vettern die
fruchtbaren Ebenen und Hügellande des
westlichen Mittelitalien bereits besetzt hat-
ten, sich im gebirgigen Osten und Süden der
Halbinsel sichere und gesunde Heimstätten
zu suchen. Erst die wohl durch die Völker-
schiebungen der Jahrtausendwende vom Bal-
kan herübergedrängten Veneter wagen die Be-
siedelung des fruchtbaren, aber schwierigen
Landes, zunächst natürlich auch der sicheren
Höhen der euganeischen Berginsel, des Aus-
gangspunkts und noch auf lange hinaus
Mittelpunkts der Gesamtkultur des Veneto.
Pellegrini hatte das Interesse erfaßt, Zeit-
punkt und Kulturstufe des Venetereinbruchs
festzustellen und beabsichtigte planmäßige
Untersuchungen besonders an den Rändern
des Euganeengebiets, an deren Durchführung
ihn leider sein vorzeitiger Tod verhindert hat.
1 Doch hat er Not. 1917, 199 — 214 berichtet t
über eine frühe Venetersiedelung am West-
rand des Bergmassivs in der Gegend von Vo
auf einem Sattel des Monte Rovalora, aus-
gehende Bronzezeit, sogar noch mit allerlei
neolithischen Überlebseln: über die Richtig-
keit seiner Zuteilung lassen die Abbildungen
Fig. 3 und 4 keinen Zweifel. Rechteckige
Holzhütten seien vorauszusetzen. Ähnlich
seien die namentlich durch Prosdocimis,
Ghirardinis und Alfonsis Berichte (Bp. 1887,
186; Bp. 1904, 129; Not. 1905, 299)
bekannten Siedelungen vom Monte Lozzo
und von Canevedo, beide benachbart, und
auch sie hinabgehend bis in den Anfang der
Periode Prosdocimi III. — Über eine vor-
römische Siedelung von Bostel bei Rozzo
im Gebiet der Sette comuni, über die eben-
falls Pellegrini Atti dfell' Ist. Veneto LXXV,
1915 — 16, 105 ff. berichtet hat, besonders
über Häuser aus großen Steinblöcken, ist
mir leider noch nichts Näheres zugänglich ge-
worden. Es ist ja bekannt, daß sich in
jenem Berggebiet, ähnlich wie im Breonio,
dem Nachbargebiet der XIII comuni, sehr
viel Uraltes bis in die römische Zeit gehalten
hat. Also zunächst hier nicht festzustellen,
ob die im 2. Jahrh. v. Chr. untergegangene
Siedlung Rozzo schon der Urbevölkerung,
an sich das Wahrscheinlichere, oder erst den
>>Venetern« bzw. »Euganeern« angehört, wie
die vom selben Bostel (Not. 1890, 293 — 94)
durch Orsi mitgeteilten Funde. — Unsere
Kenntnis von Este, nicht nur der Gräber,
sondern auch des Wohngebiets, hat sich er-
weitert einmal im Osten, wo unmittelbar
neben dem Fondo Baratela mit seinem wich-
tigen Heiligtum der Göttin Rehtia (Ghirar-
dini, Not. 1888; 1890, 199 — 203; Conway,
Journ. of the R. Anthropol. Inst, of Great-
Britain XLVI, 1916, 221 ff.) im Fondo Area
del Santo vom höhergelegenen Fondo Bara-
tela stammende Schuttmassen viel zum Hei-
ligtum Gehöriges ergaben, auch die Fest-
stellung erfolgte, daß das Heiligtum auf einer
künstlich erhöhten und von starken Mauern
eingefaßten Terrasse lag (Not. 1916, 382 bis
41
Italien
/ 88, Fig. 6 — 16); alsdann im Westen (Not.
1916, 363 — 82). Hier ist oberhalb des alten
Etschbettes 191 1 und 1914 erfolgreich ge-
graben worden bei dem heutigen Friedhof
und der Scheibenschießbahn, nahe dem
Punkte, der auf der Karte Not. 1882, Tav. I
mit »Casale« bezeichnet ist. Zuunterst
Packungen aus Eichenstämmen, nur verein-
zelt nach Pf ahlbauart ; auch Vertikalstämme
fanden sich hier, wie schon gelegentlich früher
in benachbarter Gegend, wie ebenso unter
Adria, wie am Nordrand der Euganeen am
Fuß des Monte Rosso, wie auch bei Arquä
Petrarca, auf denen sich dann, gegen die
Feuchtigkeit gesichert, die ärmlichen Hütten
aus Pfählen, Reisern, Stroh und Erdschlag
erhoben, in denen die ersten »Veneter« wohn-
ten: die Fundstücke, besonders die Keramik,
weisen in die erste Periode PrQsdocimis und
den Beginn der zweiten, dahin z. B. die Na-
del aus Bronze Fig. 4, 3. Es scheint, daß eine
starke Überschwemmung dieser Siedelung
ein jähes Ende bereitete; eine 1848 entdeckte
Eindeichung mit Hilfe mächtiger Steinblöcke
sollte wohl dieser Gefahr vorbeugen. Sie er-
möglichte Herstellung einer Terrasse, die, in
jüngeren Zeiten errichtet, das Heiligtum
eines männlichen Götterpaares trug, dem
das schon 1709 an dieser Stelle gefundene
Votivrelief des Argenidas an die Dioskuren
in Verona (Dütschke IV, 538; Wiener Vor-
legebl. IV, 9, 8a; Röscher, Lex. I, 1171;
Tod-Wace, Mus. of Sparta S. 113; AJA.
XXIII, 1919, l) geweiht war. Die Etsch
herauffahrende Schiffe mochten hier wohl
landen; so ist denn das vom Relief darge-
stellte Hafenbild hier ganz am Platze, ebenso
das wohl von einem Griechen von der lakoni-
schen Küste mitgebrachte Dankrelief über-
haupt. Mit dem Größerwerden der See-
schiffe, vielleicht auch Unschiffbarwerden
oder Laufveränderung der Etsch wurde, so
scheint es, Este später als noch anzulaufen-
der Hafen ausgeschaltet und damit auch die
Funktion der Dioskuren eine andere. We-
nigstens ist eine Vermutung Pellegrinis durch-
aus wahrscheinlich, daß die unverhältnis-
mäßig große Zahl chirurgischer Instrumente,
die sich auf der Terrasse dieses Heiligtums
fanden, die hier verehrten jugendlichen Göt-
ter als Heilgötter erweisen, vielleicht erst eine
Interpretatio Romana (Weinreich, Heilungs-
1914 — 1920.
42
wunder 151 und die dort angeführte Lit.),
römische Anargyroi. Zahlreiche Marmor-
stücke und Terracottametopen, Triglyphen
und Simsstücke, die Metopen mit Bukranien
oder Schalen mit Minervaemblem, auch Zie-
gelstempel (376, Fig. 4) weisen für einen
Neubau des Heiligtums auf das Ende des
I. Jahrhunderts v. Chr. Dies Heiligtum
scheint ebenso wie das auf ähnlicher Terrasse
liegende im Fondo Baratela gegen Ende
des 2. Jahrhunderts untergegangen zu sein,
nicht etwa durch Überschwemmung, die nach
Errichtung der hohen Stützmauern nicht
mehr schädlich werden konnte, sondern, wie
Pellegrini ausführt, wohl durch Erdbeben.
In gleicher Höhe wie dies Heiligtum, aber
nördlich, nordöstlich und östlich davon, sind
zahlreiche Reste, besonders Einzelfund-
stücke, der römischen Stadt aufgetaucht,
darunter auch der vorrömisch-venetischen,
die letzteren sicher, die römischen wahr-
scheinlich auf beide damaligen Etschufer
verteilt, welche eine Brücke verband, deren
Spuren bei der Kirche della Salute gefunden
sind. Durch die Laufveränderung der Etsch
in späterer Zeit ist das Bild jetzt völlig umge-
wandelt. Welche Not die stürmische undleicht
jäh steigende Etsch gerade gegen Ende der
Republik und zu Anfang der Regierungszeit
des Augustus gelegentlich für Este herbei-
führen mochte, lehren uns zwei Cippi, welche
die Verteilung der Deicharbeit an Veteranen
der Actiumschlacht, die in Este angesiedelt
waren, regeln, so daß der eine Cippus jedem
Arbeiter 27%, der andere 43 Fuß auszu-
führen überträgt, augenscheinlich alles mit
militärischer Pünktlichkeit und Schnelhg-
keit. Der eine Cippus, nahe dem alten Deich
(»Arzaron« = grosso argine), 1907 gefunden,
ist Not. 1915, 139, Fig. I veröffentlicht und
nach neuerer Nachprüfung durch Bormann
ein gleichartiger bereits 1776 durch Alessi
bekanntgemachter Not. 144, Fig. 2 ihm an-
geschlossen, beide durch Barnabei sorgsam
behandelt. — Diesen Este-Inschriften mag
hinzugefügt werden eine Defixionstafel aus
einem römischen Brandgrabe der Contrada
Caldevigo bei Este stammend, worin Orcus
pater, Proserpina, Pluto aufgefordert werden,
einen jeden, der den Verfluchenden als Feind
entgegentritt, in die Tiefe zu ziehen und zu
übergeben tuis canibus tricipiti et bicipiti-
43
Italien 1914 — 1920.
44
bus, mit origineller Vorsicht, da der Schreiber
sich nicht sicher auskennt in der alten Frage,
ob der Höllenhund drei oder zwei Häupter
habe (Alfonsi, Not. 1914, 369—71).
Wichtig ist sodann die schon 1912 von
Pellegrini durchgeführte, erst Not. 1918
169 — 207 — seine letzte Arbeit, posthum ver-
öffentlicht — dargelegte Entdeckung einer
vorrömischen Siedelung bzw. Heiligtums auf
dem Hügel Magrfe i km sw. oberhalb Schios,
also nahe Vicenza. Sichere Spuren einer sa-
kralen Anlage, von der zahlreiche Opferreste
verbrannter Tierknochen u. a. zeugten, so-
wie eine wunderschöne geglättete Axt aus
grünem Stein (Fig. 3), auch eine Feuerstein-
pfeilspitze, einige Bronzesachen, namentlich
jedoch Bleibarrenstücke, von denen eins mit
Buchstabenresten und nicht weniger als 21
beschriebene Hirschhornstücke, die vortreff-
lich abgebildet, mit größter Sorgfalt be-
sprochen und mit allem Verwandten in Ver-
gleich gesetzt werden. Die Schrifttabelle
S. 194 ergibt die engste Verwandtschaft mit
den Veneterinschriften z. B. vom Fondo Ba-
ratela von Este, auch die annähernd gleiche
Zeit, 4 — 3. Jahrhundert, aber doch auch
sehr auffallende Abweichungen, die in Ver-
bindung mit starken Anklängen an etruski-
sche Worte und Stämme, wie wir sie nament-
lich aus dem Trentino kennen, Pellegrini zu
der gut begründeten Annahme führen, daß
wir hier einen aus der Poebene verdrängten
Stamm haben, der durch die Nachbarschaft
der über .Mantua in das Alpengebiet einge-
drungenen Nordetrusker beeinflußt worden,
vielleicht auch ethnisch durchsetzt sei und
so das von den Venetern überkommene Al-
phabet seinen phonetischen Bedürfnissen ge-
mäß mit einigen etruskischen Elementen
vermischt habe. Die Sprache ist augenschein-
lich sehr vokalreich gewesen. Ihr gehören
auch die Inschriften an auf einer Bronze-
"schaufel von Padua Not. 1901, 317, Fig.
3 — 4, die aus dem Euganeengebiet stammen
soll, und auf einem leider jetzt verlorenen
Schwert von Ca de' Cavri unweit Verona
(Lit.: Not. 1918, 192, 2). Pellegrini gibt
diesem Alphabet nunmehr den Namen des
A. von Magrfe und erkennt in ihm den Sprach-
ausdruck der von den Venetern der Über-
lieferung nach zurückgedrängten »Euga-
neer«, die sich freilich schon für die römi-
schen Berichterstatter etwas im Nebel ver-
loren hatten: über sie zuletzt Pais, RCL.
XXV, 1916, 93 — 132. Die Weihung so zahl-
reicher Hirschhörner veranlaßte Pellegrini,
das Heiligtum für eine Jagdgöttin in An-
spruch zu nehmen.
Istrien. Über einige noch in der öster-
reichischen Zeit ausgeführte Untersuchungen
an Castellieri und in Höhlen berichten Batta-
glia und Cossiansich Bp. XLI, 191 5, 19 — 39.
Beachtenswert, daß sich zu der einen Pinta-
dera, welche vor Jahren Marchesetti in einer
Höhle bei Duino feststellte, nunmehr in der
ebenfalls auf Marchesettis erfahrenen Rat
und mit von ihm geschafften Mitteln unter-
suchten Höhle delle Gallerie bei Draga noch
drei weitere gefunden haben, eine schon
früher bekannt, abgebildet 32 — 33, Fig. 8 — 9:
also Berührungspunkte mit den Höhlenbe-
wohnern in Ligurien. Ebenfalls bei Draga
in der Höhle del Tasso fand sich das erste
neolithische Grab im Küstenland und Karst.
— Die neue italienische Verwaltung hat den
begreiflichen Trieb gehabt, in dem von Öster-
reich so sorgsam und vielseitig archäologisch
bearbeiteten Lande auch etwas Augenfälliges
zum Beginn auszuführen. Und so hat man
unter Calzas erfahrener Leitung in Pola
durch Abreißen einiger Häuser den Sergius-
bogen und den Roma-Augustustempel frei-
gelegt, in Triest den »Arco di Ricardo«,
einen augenscheinlich frühkaiserlichen Stra-
ßenbogen in der Flucht der älteren Triestiner
Stadtmauer, freizulegen wenigstens begon-
nen. In Grado und Aquileia hat man
österreichische Ausgrabungen zur Aufdeckung
alter kirchlicher Bauten fortgesetzt, aus
Monfalcone zwei Inschriften mit Dedi-
kation an die Thermalquellen von Mon-
falcone (Föns Beleni) veröffentlicht (Not.
1920, 3—14; 99—106).
Gallia cispadana westl. vomPanaro. Bei
Campo Castellaro (unweit Vhö, nö. von
Piadena) ist eine Siedelung der »voritali-
schen« Hüttenbewohner gefunden, gleich-
artig, aber wohl etwas jünger als die bekann-
ten Siedelungen von Lagazzi und Ca' de' Ci-
oss, viel jünger als Cella Dati und ähnliche
westlombardische Plätze, noch gleichzeitig
mit jüngeren Pfahlbauten sowohl lombardi-
schen wie solchen der Emilia, noch volle
45
Italien 1914 — 1920.
46
Bronzezeit, also interessant für das ruhige |
Weiterleben der Urbevölkerung neben den
verbrennenden Pfahlbauern, den»Italikern«: 1
Castelfranco und Patroni ML. XXIV, 309—44 '
und Taf. Vom Stuckbewurf der Hütten gibt
Fig. 10 eine Vorstellung, Fig. 8 von den ,
»Wirtein«, die auch hier wie so oft wohl als
Halskettenteile zu verstehen sind; durch-
bohrte Knochen (Fig. 2e) und ähnlich durch-
bohrte Bronzeröhren (Fig. 6a) möchten die
Herausgeber als Pfeifen auffassen. — Bei ,
Brescello ist ein römisches Privathaus mit '
schwarz-weißen Mosaiken, meist tessellati
aber auch opus sectile, gefunden (Not. 1914, j
161 — 66). — Die Aufdeckung eines Teiles
der Stadt Indus tria erwies, wie zu erwar-
ten, regelmäßige Orientierung wie im benach-
barten Turin, vervollständigte vielfach das ]
früher besonders durch die Atti della comm. ]
di Torino Bekannte. Bemerkenswert, daß
viel Lezouxkeramik gefunden wurde, also
auch hierher Übergreifen der südgallischen |
Gewerbekunst (Not. 1914, 441—43), das j
neuerdings so vielfach von der Mitte des i. !
Jahrhunderts der Kaiserzeit an in Italien be-
obachtet wird, s. unten 91 Talamone und Do-
nald Atkinson: Journ. Rom. Stud. IV, 1914,
27 — 64 über Pompeji; charakteristische |
Stücke aus Rom im Heidelberger archäol. ■
Institut. ,
Gallia cispadana östl. vom Panaro.
Ein seit 1876 durch Scarabelli und Brizio mit
Unterbrechungen untersuchter Wohnplatz
der Hüttenbewohner, durch Pettazzoni wei-
ter durchforscht (ML. XXIV, 221—78), er-
gab unregelmäßig verteilte Hütten (Plan
225 — 26, Fig. A) mit Herdplatz und Abfall-
grube, also ganz wie auf der von Scarabelli
in seinem bekannten schönen Werk veröffent-
lichten Anlage auf der Höhe von Castellaccio
d'Imola, die jedoch etwas älter sein wird, da
siemehr Steingerät ergab. Toscanella Imo-
lese entwickelter, kurzlebiger. Mehrere Hüt-
tenschichten übereinander haben festgestellt
werden können, gerade wie auf Castellaccio,
in Castel dei Britti und Villa Cassarini bei
Bologna. Daß das Verhältnis dieser Leute
und ihrer Siedlungen zu den Terremare auch
hier so ist, wie ich es Prähist. Zs. V, 480 — 81
= Atti e mem. d. R. Dep. di Romagna IV, v,
1915, 21 — 23 dargestellt habe, ergibt sich
auch aus den Gräbern. Die Toten werden
ohne weitere Ausstattung gestreckt in die
Erde gelegt (229 — 30 Fig. B, wenn zu dieser
Schicht gehörig?). Die Leute gössen ihre
Bronzegeräte schon selber, benutzten noch
Violinbogenfibeln und übernahmen, bei aller
Fortsetzung eigner Überlieferungen, die sich
z. B. mit den im Vibratatal üblichen Formen
mannigfach berühren, besonders keramisch
mancherlei von den gleichzeitigen Pfahl-
bauern, die von Westen her neben sie rück-
ten. — An diesen Bericht schließt sich ein
zweiter (ML. XXIV, 279 — 308) über Funde
in Villa Cassarini vor Porta Saragoza (Bo-
logna). Zuunterst Urbewohner, deren Hüt-
tenbodenschicht, derjenigen von Toscanella
sehr ähnlich, doch wohl etwas jünger; auch
hier neben vielem Alteinheimischem starker
Terremareeinschlag; scharf zu scheiden die
sich hernach in der Villanovazeit fortsetzende
altneolithische Keramik mit ihren Graffito-
verzierungen gegenüber der schmucklosen
Pfahlbaukeramik. Ob freilich Pettazzoni im
Wiederaufleben oder Fortsetzen der älteren
Keramik in der Villanovazeit mit Recht eine
Art nationaler oder lokaler Reaktion sieht,
muß wohl zunächst dahinstehen. Über dieser
Urbewohnerschicht keine Villanovaperiode,
sondern die Etrusker, für deren Lokalisie-
rung P. sich den bekannten Ansichten Du-
catis anschließt. Zahlreiche meist männliche
bronzene Votividole — nur zwei in länglichen
Röcken vielleicht weiblich — lassen auf die
Existenz eines etruskischen Heiligtums
schließen. — Bei Rimini ist laut Not. 1915,
3 — 6 auf dem Hügel S. Lorenzo in Monte in
weitbeherrschender Lage ein großer römi-
scher Bau, wohl ein Tempel, gefunden, aus
dem 2. Jahrhundert n. Chr. Bedeutende
Reste von Gebälk, Säulen und Kapitellen.
Erwähnt sei auch der Grabstein eines T. Fae-
sellius Onager, den ihm die trotz seines nicht
gerade einschmeichelnden Namens und rauhen
Äußeren die zärtliche Gattin viva setzt, da»
bei zu ihrem mit dem Eheherrn gemeinsamen
Porträt nochmals ihre Büste in das Giebel-
feld fügend. Beide nebeneinander stehend
in realistischer Lebenstracht, er mit der
Linken eine Handfackel senkend, sie die
Rechte beteuernd vor die Brust legend, beide
mit den" inneren Händen des anderen Brust
berührend, eine neue und höchst eigenartig
sentimental wirkende Pose. Hadrianischo
47
Italien 1914 — 1920.
48
/
Zeit, bescheidene Kunst, trefflicher Schrift-
steinmetz (Not. 1915, 33 — 35 und Fig. i). —
Seine ein Menschenalter hindurch sorgsam
betriebenen Studien, wie über alle Haupt-
bauten seiner Vaterstadt Ravenna, so
auch über das Mausoleum der Galla Placidia
hat Corrado Ricci nach den schon Arch. Anz.
1914, 179 — 80 angeführten Aufsätzen im
Bolletüno d'Arte in einem besonderen Buch
zusammengefaßt: II Mausoleo di Galla Pla-
cidia in Ravenna, mit 76 Abbildungen und
Plänen, Rom 1914. Der Placidianische Cha-
rakter des Baues wird darin über allen Zwei-
fel erhoben, auch nachgewiesen, wie er durch
seine Lage in dem durch Honorius erweiter-
ten Stadtteil und auf der dafür hergerichte-
ten Terrassierung der Gruppe der Placidiani-
schen Bauten unlöslich angeschlossen wird.
Die Sarkophagfrage wird natürlich im Sinne
der schon im Arch. Anz. a. a. O. mitgeteilten
Darlegung behandelt. S. auch RCL. 1914,
212 — 13. — Im Verfolg der S. Vitale und
dem Mausoleum geltenden Arbeiten sind bei
Trockenlegungen zwischen beiden Gebäuden
schöne Mosaikfußböden bzw. Unterlagen zu
solchen aus frühkaiserlicher Zeit zutage ge-
kommen (Not. 1915, 235 — 39, Fig. I — 2). —
Die umfassendsten Arbeiten haben jedoch
der Aufdeckung und Untersuchung des The-
odorichpalastes gegolten, über die ML.
XXIV, 737—838, Tav. I— VII eine vorzüg-
liche Arbeit Ghirardinis, des warmblütigen
Italieners, feinsinnigen Kunstkenners und
liebenswürdig-milden Gelehrten, posthum an
das Licht getreten ist. Bescheiden gibt die
Arbeit sich als ersten Bericht, dem eine Ver-
einigung des ganzen Materials im Ravennati-
schen Museum und alsdann umfassende Ver-
öffentlichung folgen sollte. Festgestellt wird
der Grundriß eines großen Teils des einstigen
Palastkomplexes. Große Säulenhallen um-
gaben einen vierseitigen Hof mit Mittel-
bauten, dahinter ein besonders weiträumiger
Nordbau, in dem außer einem mächtigen
Saal namentlich ein in Kreuzform gebauter
Dreiapsidenraum auffällt: dieser Trakt mit
den Nebenräumen zweifellos reiche Reprä-
sentationsräume, z. T. erst durch Theodorich
gebaut, weil keine früheren Fußböden —
weil unterm Seespiegel — darunter waren.
Südlich vom großen Hofe sind kleinere, z; T.
später zu größeren zusammengelegte, teil-
weise heizbare Räume, die wohl nicht nur,
wie Gh. meint, zu Badezwecken, sondern
auch zum Wohnen gedient haben mögen.
Hier legt sich eine höchst interessante Folge
von Mosaikböden, bis zu drei, ja bis zu fünf
; Schichten übereinander, die hoch in die
1 Kaiserzeit, Einzelfunden nach bis ins zweite
I Jahrhundert hinaufführen. Auch in den
Säulenhallen ist solche Folge zu beobachten.
Die Musterung dieser Mosaikböden wechselt
zwischen bloß linearen Motiven und figür-
lichem, z. T. auch schönem, feinem, groß-
zügigem Opus sectile. Leider bleibt vorläufig
das Verhältnis der wiedergefundenen Teile
zu der Mosaikfassade des »Palatium« auf der
rechten Wand in S. Apollinare nuovo noch
ebenso ungeklärt wie auf jenem Bilde die
richtige Benennung der Bauten zwischen
dem Palast und der Stadtmauer, trotz eifri-
ger Bemühungen Pasolinis und Riccis, an
deren Kritik sich auch Ghirardini gewissen-
haft beteiligt. Die Abhandlung schließt mit
einem berechtigten und sehr verständlichen
Entrüstungsausbruch gegen den Angriff
österreichischer Flieger auf S. Apollinare nu-
ovo. — Erwähnt mag schließlich noch der
Fund römischer Bauten, auch Mosaikböden,
im Savenatal sein, welche Negrioli Anlaß
geben, auch aus dem Ortsnamen »Sesto« auf
eine römische Straße zu schließen, die jenes
Tal durchzogen habe (Not. 1915, 147 — 150).
Umbrien. Von der Poebene nach Mittel-
italien scheinen die verbrennenden »Italiker«
im wesentlichen von der südöstlichen Ro-
magna aus durch den Appennin vorgedrun-
gen zu sein, wo einige Siedelungsplätze und
Nekropolen, von wo sie später durch die be-
I stattenden umbrisch-sabellischen Stammes-
I genossen verdrängt oder assimiliert wurden,
Dasein und Weg bezeugen: Pianello, Monte-
leone unweit Spoleto, die Siedelung im Ge-
biet des Stahlwerks bei Terni, Palombara
Sabina, um östlich des Tiber zu bleiben (Pra-
hlst. Zs. V, 476—77 = Atti d. R. Dep. di
Bologna IV, v, 12 — 13). Dem Bericht über
Pianello unweit Fabriano im Arch. Anz.
1914, 181 sind hinzuzufügen die Berichte
Colinis, welche seinen ersten weiterführen
Bp. XL, 1914, 121 — 163; Bp. XLI, 1916,
48 — 70, die letzten Arbeiten des unermüd-
i liehen Typologen, ferner die Behandlung von
■ Siedelung und Nekropole durch den ver-
49
Italien 1914 — 1920.
50
/
dienten Entdecker selbst, Dali' Osso, Guida
illustrata del Museo naz. di Ancona, 1915,
287 — 309, worin sich auch die von Pigorini
Bp. XL, TJ — 83 dargelegte Hypothese, die
Siedelung sei noch ein wirklicher Pfahlbau
gewesen, weiter ausgeführt findet, freilich
ohne stärkere, mehr überzeugende Gründe;
S. 288 — 93 einige Abbildungen von Gräbern,
Fibeln und Gefäßbruchstücken aus dieser für
die italische Siedelungsgeschichte äußerst
wichtigen Station.
Wer im Jahre 1914 noch den der Vollen-
dung nahen Ternisaal im neuen Flügel des
Museums der Villa Giulia gesehen hat, wird
bedauern, daß sein Inhalt nicht bereits seine
Behandlung gefunden hat im 1918 erschiene- ]
nen trefflichen Bd. I des Kataloges jenes Mu-
seums durch della Seta. Die sorgsamen Aus-
grabungsberichte Pasquis Not. 1907 und Ste-
fanis 1914, 3 — 81 mit tav. I, II sowie 1916,
191 — 226 müssen vorläufig genügen, um ein
Bild zu geben von den um Terni gruppierten
Siedelungsspuren und Nekropolen, die für
ethnologische und kulturelle Schichtungen in
Mittelitalien an Wichtigkeit von keiner an- \
deren Stätte übertroffen werden können.
Zuunterst auf dem Gebiet der Stahlwerke, j
2 km oberhalb der Stadt Terni, eine stein-
zeitliche Siedelung der Urbewohner, dann i
darüber ebenso wie bei der Cascata delle ]
Marmore Gräber der verbrennenden »Itali- ]
ker« (s. 0.), die wahrscheinlich zu einer
Siedelung auf der festen Höhe von Pentima,
nö. über der Ebene gehört haben; daneben ,
und alsdann auch darüber umbrische Be-
stattungsgräber in reicher Fülle, etwa um .
die Jahrtausendwende beginnend, zunächst
die Brenner noch nicht verdrängend, sondern
sich sogar pietätvoll neben sie setzend, erst
allmählich sie aufsaugend oder vertreibend.
Die Brenner nehmen in ihrer jüngeren Zeit
Grabsitten der Umbrer an, statten ihre einst
sehr einfach der Erde anvertrauten Toten-
reste ähnlich reich aus, legen den umbrischen
ähnliche Steinkreise um und über ihre Grä-
ber, führen ähnliche Steinreihen als Weg-
weiser auf sie hin, ja legen in Gruben von
einer Abmessung, als ob sie für Bestattungs-
leichen wären, um die Leichenasche die Bei-
gaben so verteilt, wie sie am lebenden Körper
ihren Platz hatten. Die ungemein reiche und
interessante Ausstattung der umbrischen
Leichen mit ihren Waffen, freilich nur An-
griffswaffen, so oft bis zu zwölf Lanzen, aber
durchaus keine kostbaren Schutzwaffen,
Metallzutaten an der Kleidung, besonders
die außerordentlich zahlreichen Fibeln von
typischen Formen, sowohl bei Männern als
bei Frauen, die vielen Amulette usw. geben
uns von dem Aussehen und der Lebensgestal-
tung dieser Leute in den ersten Jahrhunder-
ten des letzten Jahrtausends v. Chr. ein sehr
lebensvolles Bild. Vom 7. Jahrhundert ab
tritt diese Siedelung mehr und mehr zurück;
die Gräber, wenigstens an denselben, leider
nur sporadischen Stellen des weiten Stahl-
werkgebiets, welche haben untersucht wer-
den können, werden je näher der Oberfläche
um so spärlicher an Zahl und Inhalt, während
sie zunehmen in und um das spätere und
heutige Terni, wo besonders in der Nähe des
Bahnhofs, beiS. Pietro inCampo eine inhalt-
reiche Gruppe von Gräbern, die bis ins 4.
Jahrhundert hinabreicht, sich nahe berührt
z. B. mit den Gräbern von Todi, wenn auch
nicht mit so reichem etruskischen Inhalt.
Die Hinterwäldlerlage und -art der Terni-
bewohner hat in den älteren Zeiten fremde
Einfuhr von ihnen ziemlich ferngehalten;
den reichlich vertretenen Bernstein mögen
sie aus dem benachbarten Picenum erhalten
haben, wo bekanntlich von den ältesten
Zeiten — Nekropole von Belmonte u. a. —
bis zu den Tagen des Plinius herab der Ver-
brauch enorm war; Gold kam nur in ver-
schwindend kleinen Spiralen für Hanr und
Ohren vor, trotz der Nähe Etruriens; erst
in jüngerer Zeit wird das etwas anders; so
ergab ein besonders reiches Frauengrab von
S. Pietro in Campo (Nr. 36) eine Fibel, schon
mit langem Kanal, deren Bügel mit Elfen-
bein umkleidet ist, auf dem sich zwei frei-
plastische gegenständige Greifenköpfe erhe-
ben (Not. 1916, 214, Fig. 20) und drei Elfen-
beinamulette mit je zwei nebeneinanderge-
schmiegten Löwen, auch einem Bes aus
Glaspaste. Abgesehen von ziemlich ein-
fachem Nutzhandwerk in Metall und Ton —
letzteres bald sehr abhängig von der Indu-
strie des Faliskcrländchens — tritt Kunst
begreiflicherweise sehr zurück; das originelle
Produkt eines einheimischen Töpfers mag die
tönerne Bekrönung eines Stockes 0. ä. sein,
die drei bärtige und kurzhaarige Köpfe,
51
Italien 1914 — 1920.
52
mit niedriger Stirn und Schlitzaugen, rück-
wärts aneinandergeschoben zeigt, in denen
man tatsächlich alte Umbrer erkennen
möchte (Not. 1916, 197, Fig. 5, danach
hier Abb. i). Zwei ganzfe Kapitel aus
Bd. I meiner italischen Gräberkunde
müßte ich abdrucken, wollte ich alles,
was Terni für uns Neues und Wertvolles
bringt, hier vorführen. — Auch bei Nocera
Umbra hat sich eine kleine Gruppe altum-
brischer Bestattungsgräber gefunden, wesent-
lich ärmlicher als die von Terni, wo sie ihren
Vergleichspunkt findet in den jüngeren Grä-
bern von der Acciaieria und den älteren von
S. Pietro in Campo; die einzigen und dabei
frühen Importstücke weisen in das 8. — 7.
Abb. I. Tönerne Stockbekrönung.
Jahrhundert. Dies obere Topinotal, dicht
unterhalb der hier schmalen Hochkette des
Appennin, mag eine unwirtliche Waldgegend
gewesen sein, die wiederholt zurückgefallen
zu^sein scheint in überwundene Zustände.
, So nach dem Eingehen einer Siedelung spät-
neolithischer Viehzüchter am Südhang des
nw. Nocera gegenüberliegenden »Portone«-
Plateaus, des späteren Totenhügels (ML.
XXV, 144 — 47, tav. I), so wiederum, bevor
die germanischen Siedeier der Völkerwande-
rungszeit hier Gualdo Tadino gründeten und
die Via Flaminia, welche Leben in dies ent-
legene Bergtal gebracht hatte, aufgehört
hatte, starke Verkehrsader zu sein. Der Tote
scheint meist nach umbrischer Sitte gestreckt
im Holzsarg gelegen zu haben, wenigstens im
1917 aufgedeckten Friedhof der »Ginepraia«,
keine äußeren Kennzeichen, keine Stein-
kreise oder Steinreihen wie bei Terni und
wenigstens bei einem Grabe der Portone-
gruppe. Für die Art der Leute bezeichnend
die vielen Waffen; einmal sogar eine Lanze
bei einer Frau, wie denn Eisenmesser typisch
sind für Frauen (ML. XXV, 152). Aus sol-
chen Gräbern, wie die beiden Noceragruppen
am Portonehang, durch Pasqui schon 1897
bis 1898 aufgedeckt, erst ML. XXV beschrie-
ben, und auf dem Hang der »Ginepraia« (Not.
1918, 103 — 123) mögen manche der in diese
alte Zeit gehörenden Perlen aus Bernstein,
Glas, Smalt, sogar alte Tonwirtel, auch
Bronzesachen stammen, welche im 6. — 7.
Jahrhundert n. Chr. Hals, Brust und Arme
langobardischer Frauen und Mädchen
schmückten, willkommene Fundbeute, und
mit deren Leichen im großen langobardischen
Grabfeld vielfach wiedergefunden (s. u.). —
Todi, seit alters bekannt durch den Reich-
tum seiner Grabfunde aus jüngerer Zeit,
viel Bronze und Edelmetall, kostbare Geräte
und Schmuck, alles, wenn auch noch auf
umbrischem Boden, doch ganz unter der
nachbarlichen Wirkung Etruriens stehend,
tritt schon lange den Besuchern des Museo
Villa Giulia mit imponierender Fülle und
Pracht entgegen. Der Bearbeitung, die auch
hier erst der zweite Band des Katalogs brin-
gen wird, wird in zwei inhaltreichen und sehr
sorgsam gearbeiteten Abhandlungen Bendi-
nellis ML. XXHI, 609—84 und ML. XXIV,
841 — 914, tav. I— rV und 39 Textabb. treff-
lich vorgearbeitet, während der altbewährte
Durchforscher von Umbriens Frühzeit und
Volksglauben, Bellucci, in einem besonderen
Werkchen La regione di Todi prima della
storia, Perugia 1915, die Frühzeit behandelt.
Besonders ein überreiches Grab in loc. S. Raf-
faele, mit nur einmaliger Bestattung im
Holzsarg, bald nach Mitte des 5. Jahrhun-
derts geschlossen — Bendinelli setzt es et-
was zu jung in die Zeit der Meidiasvasen — ,
ergab eine Fülle von Waffen aus Bronze und
Eisen, darunter einen prachtvollen, mit Sil-
ber eingelegten Helm (ML. XXIV, 844 — 45,
Fig. I und Taf. I — II), auch eine Menge im-
portierter Vasen, darunter viele rf., nur noch
eine sf. Schale, auch einen Kolonnettkrater
von Pamphaios signiert sowie eine Pam-
phaiosschale (ML. XXIV, tav. III— IV), auf
der einen Seite mit bacchischem Thiasos, auf
der andern Dreifußraub. Aus dem Predio
53
Italien 1914 — 1920.
54
Peschiera stammt ein bemerkenswerter etrus-
kischer Spiegel: Parisurteil, dabei hinter Pa-
ris als bärtiger Alter Teukros (Techri), hinter
Turan eine dienende fächerhaltende Jungfer,
deren Funktion als Dienerin bezeichnet sein
muß durch die Inschrift snenaoturn, also
snenath = Dienerin. Oben Aurora, von
einem vielleicht köchertragenden Mann be-
grüßt, unten Herakles, jugendlich, über auf-
schlagenden Flammen betrübt sitzend. Eine
andere schöne Gruppe wird als Vorschmack
der Todistücke auf der letzten Tafel von
della Setas Katalog des Museums Villa
Giulia, tav. LXIV, ohne Text, abgebildet;
sie ist ML. XXIII, 626—636, Fig. 11— 14, I9
behandelt: ein Hohlstandspiegel, von einem
graziösen nackten Jüngling getragen; um
die Standfläche läuft ein Mäander aus Silber.
Ein barock wirkender Kandelaber, dessen
Stab auf dem Kopf eines spreizbeinig auf
einem flachen Ring stehenden jugendlichen
Satyrs ruht, der mit zwei Reibern in einer
Reibschale reibt und dabei dummdreist auf-
wärts schaut. Der Ring wird von drei weib-
lichen Flügelgestalten in luftsitzender Stel-
lung getragen. Eine vierte ähnliche ist an
der Mitte des Stabes angeheftet. Oben auf
der viereckigen Platte vier Enten und vier
eicheiförmige Anhänger. Eine bronzene
Schnabelkanne, deren Henkel gebildet wird
durch einen höchst geziert stehenden, auf
den Rand gelehnten bärtigen Satyr. Ein
schöner tönerner Kantharos in Form eines
Doppelkopfes: Silen und ruhig-schöner Frau-
enkopf. Eine ganz vereinzelte Sonderbarkeit
ist ein bemalter Greifenkopf aus Blei ML.
XXIII, Fig. 16. — Wie Todi, so ist auch
Bettona, zwar nach der amtlichen augustei-
schen Teilung inUmbrien, aber in der jünge-
ren Zeit ebenso wie das benachbarte, amt-
lich zu Etrurien gezählte Perugia selbst ganz
von etruskischer Kultur und Kunst durch-
setzt. Not. 1916, 3 — 29 beschreibt Cultrera
ein gewölbtes Grab mit trotz Plünderung
noch reichem Inhalt, Ohrringen, worunter
ein Negerkopf mit Kapuze und Hut, Ringe,
Glassachen, Reste von Reliefurnen, etruski-
schen und lateinischen Inschriften, alles etwa
aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts.
— Weiter tiberaufwärts, 7 km von Cittä. di
Castello, contrada S. Mariano, ist die Spur
eines Vicus aufgefunden, der wohl zu Ti-
fernum Tiberinum gehörte. Das aretiner
Geschirr sowie die zahlreichen kleinen Glas-
balsamari, neben grobem Geschirr, weisen in
das I. Jahrhundert v. Chr. Noch später ist
eine Gruppe von 20 Gräbern, nur 3 km, also
noch näher der Stadt: Bendinelli, Not. 1916,
164 — 66. — Eine interessante und relativ
guterhaltene Mineralbadeeinrichtung bei
Narni beschreibt Giglioli Not. 1914, 219 — 21.
Nachdem Mengarelli ML. XII, 1902, den
großen Barbarengräberfund von Castel Tro-
sino veröffentlicht hatte, wartete man lange
auf die Fortsetzung für den Fund von No-
cera Umbra, dem ersteren so nahe und
seit lange auch im Museo nazionale delle
Terme ihm benachbart schön aufgestellt.
Diese Publikation ist nunmehr erfolgt ML.
XXV, 137 — 352, durch Pasqui lange vorbe-
reitet, nach seinem Tode von Paribeni mit
gewohnter Gewissenhaftigkeit und Verständ-
nis zu Ende geführt. Es war ein strategisch
wichtiger Punkt, auf dem Sattel zwischen
Topino und Gualdo, die Stadt Nocera be-
herrschend und damit die Via Flaminia: da
lag der Friedhof der Barbaren, die hier mit
fester Hand über die Verbindung zwischen
Mittel- und Oberitalien geboten. Gewiß nahe
dabei, noch nicht festgestellt, die Siedelung.
Die Gräber natürlich alle orientiert, der Kopf
im Westen, nach Osten blickend, die Männer
reichlich bewaffnet (die Waffen vielfach auf
den Särgen), auch die Frauen oft mit dem
Scramasax neben sich. Sogar Klappstühle
werden mitgegeben, für Getränke Bronze-
gefäße. Speisebeigaben, besonders Eier und
Hühnerknochen, auch Lammknochen, finden
sich in den Holzsärgen, sind also am offnen
Sarg als Totenspeise hergerichtet und mit-
gegeben worden. Als Amulette sind nament-
lich Muscheln sehr beliebt gewesen. Zur
, Pferdeschur werden vorsorglicherweise Sche-
ren den Toten beigelegt. Unter den vielen
Schmu cks9,chen auch, wie schon oben ge-
sagt, manche altitalische, gewiß Gräbern ent-
nommene Stücke. Für Halsketten sind gern
Goldmünzen verwendet, die natürlich chro-
nologisch wichtig sind. Erweisen sich auch
als letzte so verwendete Münzen aurei des
lustinian, sogar fast alle stempelfrisch, so hat
Paribeni doch gewiß recht, wenn er sich gegen
die Annahme erklärt, es könnten noch ost-
gotische Gräber sein. Ein Hauptbeweis sind
55
Italien 1914 — 1920.
56
für ihn zwei Parallelfunde, der eine aus Al-
kalan in Bulgarien, ein Goldfund von 42O
Münzen und dabei einigen Anhängern aus
Gold, die ganz denen von Nocera gleichen.
Jene Münzen aber erstrecken sich von Mau-
ritius Tiberius bis zu Heraklius (582 — 641).
Auch im verwandten Fund von Castel Tro-
sino sind die jüngsten Stücke von Mauritius
Tiberius (582 — 602). Und Not. 1916, 329 ist
über einen Juwelenfund bei Senise (Basili-
cata) berichtet, dessen Stücke wieder voll-
ständig mit denen von Castel Trosino zu-
sammengehen, dabei besonders beachtens-
wert zwei Ohrgehänge, deren Rückseiten ge-
bildet sind durch aurei des Heraklius und Ti-
berius (659 — 668). Somit dürfte die Zeit
dieser so eng miteinander verklammerten
großen Funde gesichert sein. Es sind Lango-
bardengräber.
Picenum, mit Einschluß der südlichen
größeren, bis über den Pisaurus reichenden
Hälfte des östlichen »Umbrien«, die ethnisch
zu Picenum gehört. Dies abgeschiedene
Stück Italien ist uns in seiner nicht »itali-
schen« Eigenart trotz dem deutlichen Zeug-
nis der Inschriften eigentlich erst greifbar
geworden durch Brizios Ausgabe der Nekro-
pole von Novilara, 7 km südlich von Pesaro
(ML. V, 1895), für die besonders nach der
typologischen Seite Colinis treffliche Behand-
lung der Funde im Vibratatal (Bp. XXXII,
1906, 117 — 73; XXXIII, 1907, 100 — i8o,
193—224; XXXIV, 1908, 50 — 65) die wich-
tigste Ergänzung boten. Für die gallische
Besetzung des nördlichen Teils der Land-
schaft wurde wiederum Brizios Bearbeitung
der Nekropole von Montefortino bei Arcevia
^(ML. IX, 1901) grundlegend. Die wenigen
sonst aus dieser stillen Ecke bekannt geworde-
nen Fundnachrichten, die meisten aus An-
cona selbst, Numana, Offida, Tolentino u. a.,
sind gegenüber den vorstehend genannten
Berichten ziemlich unwesentlich. Um so er-
staunter war in den letzten Jahren vor dem
Krieg wohl jeder Besucher des Museums von
Ancona über die Fülle wichtigsten Materials,
das sich dort angehäuft und trotz ungünstig
enger Räumlichkeiten gut aufgestellt findet,
alles Material, über das die italienischen Be-
richtsorgane bisher so gut wie vollständig
geschwiegen haben, wofür als einzige Er-
klärung die Überlastung zugelassen werden
kann, welch dem betriebsamen, findigen,
praktischen und gedankenfrohen Leiter des
Anconitaner Museums eben dies Museum und
die ihm so reich zuströmende Ausgrabungs-
tätigkeit gebracht haben und dauernd brin-
gen. Ein archäologisch gründlich durchge-
bildeter Assistent wäre ihm zu wünschen.
Um so dankbarer empfindet man die Hilfe,
welche ein 1915 erschienenes, über 400 Seiten
starkes Handbuch dieses Museums uns nun-
mehr gebracht hat: Dall'Osso, Guida illu-
strata del Museo nazionale di Ancona, con
estesi ragguagli sugli scavi dell'ultimo de-
cennio. Ancona, Stab, tipogr. cooperativo.
54 Tafeln und 270 Textabbildungen, dazu
ein Plan des griechisch-römischen Ancona
erhöhen die Brauchbarkeit des Buches we-
sentlich. Leider lassen z. T. die Klischees
selber, z. T. ihre Wiedergabe zu wünschen
übrig; doch wäre es unbillig, die erschweren-
den Zeitumstände nicht in Gegenrechnung
zu setzen. Ausgewählt sind die Abbildungen
mit viel Überlegung und für das weitaus
meiste eine Editio princeps. Besonders im-
posant ist im Anconitaner Museum die
Zimmerreihe, welche den Inhalt der über
300 Gräber von Belmonte Piceno ent-
hält, die, nach vorangegangenen wilden Gra-
bungen, Dali Osso von 1909 — 11 systema-
tisch geöffnet und z. T. ganz im Museum
aufgestellt hat, zum größeren Teil wenigstens
so, daß die Gruppierung der Fundstücke ihre
Verteilung innerhalb des Grabes zur An-
schauung bringt. Die sog. Tomba del Duce
oder ein besonders reiches Frauengrab stellen
sich den Gräbern Bernardini und Barberini
von Praeneste, Regolini-Galassi von Caere,
del Duce von Vetulonia usw. zur Seite. Der
Absicht des »Führers« entsprechend gibt
Dair Ossos Schilderung S. 33 — 91, 115 — 16,
126 — 27, 133 verbunden mit zahlreich ver-
teilten Abbildungen allerdings keine wissen-
schaftliche Aufarbeitung, sondern mehr eine
Vorstellung dessen, was da ist, jedoch mit
technischen und erklärenden Bemerkungen,
die dem Benutzer helfen, die Autopsie zu er-
setzen, soweit möglich. Sehr kurz sind leider
auch die dem Ort, zu dem die Nekropole ge-
hören muß, gewidmeten Bemerkungen (iio
bis 112), wahrscheinlich dem auf der Höhe
des Mons Falernus (Nissen, LK. II, 423)
gelegenen Vorgänger der von Rom in die
57
Italien 19 14 — 1930.
58
Tennaebene verlegten Stadt Falerio. Kies-
gedeckte geradlinige Straßen, rechteckige In-
sulae in Gestalt großer Baracken, die durch
Innenteilung in Wohnungen zerlegt waren,
sind merkwürdige Zeugen früher städtischer
Ordnung und sozialer Gleichung. Ein hartes,
kriegerisches Volk waren diese Picenter, de-
nen sowohl die verbrennenden »Itaüker«
wie die Umbrer-Sabeller wohlweislich aus
dem Wege gingen oder weichen mußten.
Nicht nur die Männer, sondern auch die
amazonenartigen Frauen gingen mit ihren
Waffen, auch den Streitwagen, bis zu sechs
in einem Grabe, ins Jenseits, die Männer in
dicker Wolltunika, die Brust förmlich ge-
panzert mit einer Art Netz von Eisenfibeln,
die Frauen mit Ärmeltunika und darüber
großem Mantel aus Wolle, der wieder bis
ans Knie dekoriert ist mit Myriaden von
Knöpfen und Ringchen aus Bronze, Glas,
Bernstein und Elfenbein. Außer den An-
griffswaffen, neun verschiedenen Lanzen-
formen, den bekannten, auch nach Athen
gekommenen picentischen Hiebschwertern,
den iberischen so auffällig gleich, sowie
Messern aller Art trugen die Männer auch
kostbare Schutzwaffen, Helme, Beinschienen
— darunter einmal ein Paar mit Reliefdar-
stellung des Löwenkampfes des Herakles auf
der Knieerhöhung, über die die Schiene
übergriff — , Schilde, die freilich, wie die
vorauszusetzenden Panzer, aus vergängli-
chem Stoff, fast ganz verschwunden sind, usw.
An den Rennwagen, die sich stets unmittel-
bar über dem Toten befanden — nur eine
Schicht loser Erde von etwa 0,30 m trennt
sie von den Knochenresten — , findet sich
die auffällige Einrichtung eines sandalen-
förmigen, mit Eisen geschienten Auftritts
für jeden Fuß, um sicheren, vor Abgleiten
geschützten Stand zu gewährleisten. Die
förmliche Überdeckung der Frauenleichen
mit Schmuck mannigfachster Art, verschie-
denen Halsketten und Brustgehängen, die
runden Scheiben an den Kopfseiten u. a. ver-
anlassen Dair Osso mit Recht, an die Bilder
der iberischen Frauen aus Cerro de los Santos
zu erinnern. Dazu kommen die nur dem
Küstengebiet eigenen dicken, schweren Bron-
zeringe der bekannten Picenter Art, die auf
Brust und Bauch lagen, zu Gürtungen ge-
hörig, und alsdann die unendlich vielen Fi-
: beln, deren reiche Varianten uns gestatten,
die Trägerinnen von der auskhngenden
Bronzezeit bis in die Certosaperiode zu be-
gleiten, ja bis zum beginnenden Keltentum
der La Tfeneformen. Und an den Fibeln
— Eisenfibeln gibt es bis zu 0,60 m Länge — •
hingen zahllose Hängestücke, besonders viel
Bernstein, der auch einen sehr wesentlichen
Bestandteil der Halskettenelemente bildet.
Die Bernsteinmassen sind geradezu charakte-
, ristisch für Picenum, den Funden nach sehr
! viel mehr als für die Frauen der Gallia trans-
padana, für die sie Plinius XXXVH, 44 be-
zeugt, als Amulett medicinae causa, und
schließlich, aber gewiß erst ganz sekundär,
auch decoris gratia (Plin. a.a.O. 42 — 51).
Schon 1667 berichtet Paolo Boccone von
gewaltigen Bernsteinmengen aus alten Fossa-
gräbern von Ancona (Z. f. Ethn. 1900,
(152) — (159)). Dali' Osso bemerkt, wir würden
noch sehr viel mehr Bernstein aus Gräbern
besitzen, wenn nicht die Bauern ihre be-
sondere Freude daran hätten, ihn zum Ver-
gnügen ihrer Kinder zu verbrennen. So-
lange nicht zweifellos Bernsteinfunde von
einiger Bedeutung und qualitativ dem Grä-
berbernstein gleich an der adriatischen Küste
festgestellt sind, werden wir freilich Plinius
mehr glauben müssen, daß es von Norden
gekommener Bernstein gewesen sei, als Dal-
rOsso, der sich die rätselhaften Mengen, dar-
unter Stücke bis zu i kg schwer, durch ein-
heimischen Fund erklären möchte. Ein-
heimische Verarbeitung des Bernsteins, an
sich schon wahrscheinlich, wird wohl gewiß
durch den z. T. recht barbarisch anmutenden
Schnitt der künstlerischen Gestaltung, wenn
auch das Gegenständliche, so Gruppen von
Löwen, die eine Antilope oder einen Bock
zerfleischen, oder ein Äffchen von der aus
den etruskisch-latinisch^n oder den sardini-
schen. Gräbern bekannten Art natürlich öst-
liche Muster erweist. — Neben dem Bern-
stein tritt das Elfenbein in auffallenden
Mengen hervor, auch dieses sicher in weit-
gehendem Maße einheimisch verarbeitet, mit
Benutzung fremder Vorbilder aus der kre-
tisch-ostgriechischen Welt: als ein Beispiel
für viele diene das Gorgoneion auf der runden
Scheibe S. 47. Löwen, Gänse, Widder,
Flügelpferde, Sphinxe bilden das animalische
Inventar solcher Darstellungen, die sich teils
59
Italien 1914 — 1920.
60
als Anhänger an Fibeln, teils als Reliefs an
Gegenständen oder sonstwie verwendet fin-
den. Besonders beachtenswert ist eine in
Reliefart geschnittene stehende Frauenfigur
( 2 Exx.) in strenger Vordersicht, die Hände
vorm Schoß zusammengefügt, in langem
schwerem Rock, mit großen, hochaufgerich-
teten, in Gürtelhöhe beginnenden Brustflü-
geln, die Haare einfach den Kopf umrah-
mend, das Gesicht aus Bernstein eingesetzt;
ein Antlitz von nirvanaartiger Ruhe; neben
ihr, mit dem Rücken hart an sie geschmiegt,
seitwärts gerichtet bis zum Gürtel reichend,
zwei Mädchen, die Arme fest anliegend, eben-
falls in langen Röcken: Gegenstücke zu den
nackten Knabengestalten zu Seiten des Wa-
gens von Monteleone. In diesen vortreff-
lichen Stücken möchten Dali' Osso und
Pansa (RCL. 1920, 88) die picentische Dea
Cupra erkennen. Jeder hierzu zwingende
Anlaß fehlt allerdings, und gerade diese Stücke
scheiden sich so sehr von andern Elfenbein-
arbeiten, daß man sie als Zierstücke eines
importierten Gerätes, Kästchens oder dgl.
ansehen möchte (S. 68). — Während Gold
und Silber sehr selten ist und nur in kleinen,
dünnen Plättchen zum Aufsetzen auf Stoffe
oder dgl. vorkommt — einmal eine Silber-
schale (S. 107) — , sind Bronzegeräte und
-gefäße außerordentlich reich vertreten, mehr
in den Männer- als den Frauengräbern; dar-
unter manches Stück, den altbekannten aus
S. Ginesio, Tolentino, der Pracht der Wagen
aus Perugia und Monteleone, dem schönen
Lebes mit Untersatz (5. Jahrhundert) aus
Amandola (S. 93) vergleichbar, das als Im-
portstück wird angesehen werden müssen.
Aber gewiß hat auch hier das einheimische
Handwerk, für Waffenherstellung ja schon
lange berühmt, rasch zugegriffen und nach
den fremden Mustern selbst gearbeitet, ganz
wie in Etrurien. Daher die Wiederholung
derselben Vorlagen: so notierte ich mir im
Museo Oliveriano in Pesaro ein genaues Ge-
genstück zu einem geradezu monumentalen
Gefäßhenkel aus Belmonte, Tomba del Duce
(S- 59, 95): Krieger in Rüstung des 6. Jahr-
hunderts, mit hohem Helmbusch, an jeder
Hand ein loses Pferd führend, auf dem Ge-
fäßrand in Höhe seines Kopfes je ein liegen-
der Löwe, durch je eine Schlange und einen
nach der Mitte fliegenden Adler mit der
Pferdekruppe verbunden, alles ä jour in vor-
trefflicher Stileinheit gearbeitet. Ebenso
wird man bereits einheimische Herstellung
voraussetzen müssen für zwei runde, reliefge-
schmückte Panzerscheiben der bekannten
Picenter Art aus Rapagnano (S. 113 — 138;
116) mit Kampfszenen griechisch gerüsteter
Krieger in äußerst geschickter, an die besten
Beispiele rotfiguriger Schaleninnenbilder er-
innernder Anpassung an die runde Form.
Gegenüber der Bronzepracht tritt das Ton-
geschirr in seiner Wirkung mehr zurück, ist
aber zur Feststellung der Handelswege na-
türlich wertvoller. Neben den verschiedenen
einheimischen Gattungen, durchweg boden-
ständig, darunter viel Bucchero älterer und
jüngerer Gattungen (Abb. S. 141), tritt
ziemlich viel Griechisches, beginnt jedoch
später wie an der Westküste. Als Probe
sind S. 133 einige attische Schalen und eine
Lekythos aus der Zeit um und bald nach
500 abgebildet. Auch einiges jüngere, be-
sonders Apulisch-Messapische, findet sich,
wenn auch lange nicht so viel wie in den
Gräbern von Ancona und Numana und
weiter südlich aus der Päligner Sphäre.
Auffällig neben dem starken griechisch-ioni-
schen Einschlag in der allerdings vorwiegend
wohl einheimischen Metallotechnik ist die
Spärlichkeit älterer griechischer Keramik,
die durch einiges Protokorinthische und
Korinthische vertreten ist. Daneben eine
auf alten Formen weiterbauende einheimi-
sche Gefäßkunst, die freilich von Griechen-
land gekommene Anregungen (z. B. die Am-
phora S. 58) nicht verleugnet. — Eine
zweite neuerdings aufgedeckte Nekropole, auf
dem Plateau zwischen Grottamare und Cu-
pramarittima und wohl zum alten Cupra
gehörig, hat über 400 inhaltreiche Gräber
geliefert, deren Inhalt sorgsam geborgen
und im Museum Grab für Grab geschieden
gut aufgestellt ist. In schachbrettförmig
angeordneten Reihen mit Zwischenraum von
bis zu I m, diese Reihen in Gruppen ge-
ordnet, die wieder je 15 m voneinander ent-
fernt sind, die besseren Gräber mit einer
Unterlage von Flußkies — wie in Spinetoli
von Seesand — versehen, zeugen diese Grä-
ber für etwas fertigere und feinere Gesittungs-
formen einer Bevölkerung, die sich hier um
das nationale Heiligtum der Dea Cupra
6l
Italien 1914 — 1920.
62
(Strab. 241) gesammelt hatte, welches Dal-
rOsso ebenfalls glaubt in Gestalt eines qua-
dratischen Sacellum neben der Kirche von
S. Martine in Grottamare wiedergefunden zu
haben (S. 180 — 81), nicht unwahrscheinlich
wegen des damit stimmenden Fundorts der
Hadrianischen Restitutionsinschrift aus dem
Jahre 127 (CIL. IX 5294 und Mommsen
S. 502). Wenn auch hier die Männer mit
ihren Waffen ins Grab gehen, so überlassen
die Frauen jenen doch dies Privileg, auch
die hier überhaupt selteneren Streitwagen,
wenn sie sich allerdings auch durch Be-
hängen mit massenhaftem Metallschmuck,
freilich von leichterer, gefälligerer Art, lan-
gen, an der Seite herabhängenden Ketten
und dgl., vielen Armringen, besonders ge-
häuften Spiralen, sowie durch die bis zu
2 kg schweren Knotenringe auf Brust oder
Becken als leistungsfähige Genossinnen ihrer
Männer darstellen. Im Metallglanz sonnten
auch sie sich, wenn er auch nicht so massig
wirkt wie in Belmonte: große konkave
Knopfscheiben und große flache Reifen, an
denen wieder kleinere hängen oder in die
immer wieder kleinere konzentrisch einge-
fügt sind (s. Abb. S. 180, 181, 192, 200),
ähnlich so im Inneren, in Tolentino und
S. Ginesio, horizontal getragene Metallstrei-
fen, an denen zierliche Kettchen hängen
(Abb. S. 195, 198), die ihrerseits dann wieder
häufig Träger sind für Amulette, die, oft zu
großen Mengen gehäuft, besonders gern als
wirkliche oder in Bronze nachgebildete Cy-
praeamuscheln (Abb. S. 187, 194), Bullae
(Abb. S. 184, 194), mit Bronzedraht um-
wundene Eberzähne (z. B. S. 191) usw. er-
scheinen. Bernstein kommt auch noch vor,
auch in großen Stücken, aber viel seltener,
Elfenbein und Edelmetall so gut wie gar
nicht. — Ist die Aufstellung dieser Gruppen
wissenschaftlich unschätzbar wegen der Son-
derung der einzelnen Gräber, so stellt sich
leider der Inhalt vieler anderer Schränke
als zu großem Teil nach früherer Art typo-
logisch geordnete Masse einzelner Fundstücke
aus Gräbern dar, ohne Schuld Dali' Ossos,
weil es meist Bestände älterer Sammlungen
sind: so die großen Fundmengen aus Nu-
mana,' von wo nur eine kleine Gruppe aus
staatlichen Grabungen stammt (S. 156 — 60),
das meiste Material aus der großen Nekro-
, pole Anconas am Cardetoabhang und vieles
andere. Wie manche der Kulturstufen in
dieser Übergangslandschaft, die Einflüssen
von Nord und Süd, von Ost und West
gleichermaßen ausgesetzt war, noch der Auf-
hellung durch sorgsame topographische, be-
sonders — bei den Gräbern — stratigraphi-
sche Untersuchungen entgegensehen müssen,
lehren uns z. B. die Ergebnisse von nur 15
', Gräbern aus Fermo (S. 96 — lOO) im Verein
\ mit Beobachtungen im Munizipalmuseum
von Fermo, die bis jetzt vereinzelt dastehen
durch starke Anlehnung an die Villanova-
sphäre der Romagna, besonders Bolognas
selbst, so die sonst in Picenum nicht be-
kannten Villanovaurnen, sogar mit Metall-
auflagen (Abb. S. 104), der Cristahelm S. 97
die einfachen Bogenfibeln mit dickem Bügel
und kurzem Fuß u. a. — Auch die sorgsame
Ausstellung des reichen, 1913 — 14 gewonne-
nen Materials aus der neo- oder aeneolithi-
schen Siedelung und Nekropole von Ripoli
im Vibratatal (S. 408 — 419 mit zahlreichen
von S. 393 ab verteilten Abbildungen), nach-
träglich dem Katalog hinzugefügt, verdient
dankbare Anerkennung; nicht mindere die
: Darstellung des hellenistisch-römischen Ma-
I terials vornehmlich aus Ancona selbst, aber
auch aus Falerio, Sentinum, Ascoli usw.,
einiges davon, so die so vorzüglich in Bo-
logna zusammengesetzte Kline aus Holz mit
Elfenbeinbelag S. 370, schon früher bekannt.
Eine neue Auflage des Katalogs würde in der
Einleitung manches kürzen, auch anders
fassen können, dagegen sich den Dank der
Benutzer erwerben durch Verzeichnung der
! namentlich über die älteren, vor Dali' Ossos
Zeit ins Museum gekommenen Fundstücke
vorhandenen Literatur, auch über die zu-
gehörigen Fundorte.
Etrurien. Von außerordentHch früher
Anwesenheit des Menschen haben Höhlen-
untersuchungen in den Apuaner Alpen neue
und überraschende Beweise gebracht. Zu-
nächst sind die schon früher namenthch
durch RegnoH untersuchten und manche
andere Höhlen neu durchforscht, verschie-
dene neolithische Wohn- und Grabhöhlen
schon mit Keramik festgestellt, dann aber
in der bekannten Grotta all' Onda (bei
Casoli, 710 m über dem Meer) unter der
jungneolithischen Wohnschicht (Bp. XXVI,
63
Italien 1914 — 1920.
64
1900, 196 — 202) eine Stalagmitenfläche
durchbrochen, unter der eine jungpaläolithi-
sche oder vielleicht schon ganz frühneolithi-
sche Schicht mit Knochen großer pleisto-
zenischer Fleischfresser, wie Höhlenbär, Bos
primigenius u. a. herauskam und in derselben
Herdreste, darunter wieder eine unberührte
Stalagmitenfläche' und unter ihr abermals
Herdspuren, Hyänen- und Pantherknochen,
dazu Moustörienschaber u. a. (Bp. XLI, 1916,
I — 4). — Interessant ist auch bei der starken
Verwendung, die Völker auf primitiver Kul-
turstufe gern von roter Farbe zu machen
pflegen, daß im Monte Amiatagebiet Mi-
nengänge gefunden sind, mit welchen zin-
noberhaltige Erzgänge aufgeschlossen wur-
den; und daß das sehr früh geschah, wird
wahrscheinlich durch allerlei Handwerksge-
rät aus Stein, worunter namentlich ein Ham-
mer mit umlaufender Mittclrinne, das sich
im Schutt dieser Gänge fand. Spuren von
Grubenholzanwendung und Reste von Holz-
geräten, besonders Gefäßen, sind beachtens-
wert (Bp. XLI, 5 — 12). — An dem natür-
lichen Wege von dem durch Vetralla gedeck-
ten, später durch die Via Cassia benutzten
Talausgang des Ciminer Waldes zum Marta-
tal, also zwischen Vetralla und Norchia, ist
schon 1903 auf dem Poggio Montane
eine Nekropole leider unfachmäßig ausge-
graben, die erst Not. 1914, 297 — 362 durch
Rossi Danielli und Colini bekanntgemacht
wurde, soweit noch möglich: wichtig, weil
in dieser einst gewiß unwegsamen Wald-
gegend weit und breit die bis jetzt einzige
Niederlassung der verbrennenden »Italiker«,
klein und unbedeutend, da am Abhang des
Hügels, auf dessen Kuppe die Ortschaft lag,
'sich nur sechs Pozzogräber gefunden haben,
von denen das Aschengefäß nur in drei Fällen
noch ungeschützt im Boden stand, in den
drei andern in Tonfässern geborgen war;
nur noch eine Urne in der alten typischen
Villanovaform: also der allerletzten Zeit der
Pozzogräber zugehörig — • was auch durch
die Fibelformen erwiesen wird — als viel-
leicht die itahsche Bevölkerung der Küste
begonnen hatte, sich in diese noch unwirt-
lichen Gegenden des Innern vor den von der
Küste vordringenden Etruskern zurückzu-
ziehen, soweit sie nicht blieb und sich unter-
warf. Keine Rücksicht auf diese Gräber,
also anderm — etruskischem — Stamme
angehörig, nehmen in beträchtlicher Menge
gefundene, ganz frühe, in ihren ältesten Ver-
tretern den Brandgräbern noch fast gleich-
zeitige Bestattungsgräber, die sich alsdann
den Hügel hinabzogen, bis im 6. Jahrhundert
mit einigen Kammergräbern schon nahe dem
Fuß des Hügels die etruskische Siedelung
ebenfalls ein Ende nimmt, vielleicht infolge
der günstiger gelegenen, später angelegten
Etruskersiedelungen nördlich, östlich und
südlich. Die im Bericht angenommenen
»Fosse ad incinerazione«, d. h. Brandgräber
schon in Gestalt von Bestattungsgräbern,
anderswo vorkommend — ich erinnere an
Terni oder Motye oder Patons Funde auf der
Landzunge von Myndos in Karlen — be-
ruhen hier auf mißverständlicher Auslegung
einiger Fundbeobachtungen: das im einzel-
nen darzulegen würde hier zu weit führen. —
Bis jetzt ist unsere Kenntnis der voretruski-
schen italischen Brennerschicht in Etrurien
durch etwa 60. Siedelungsplätze mit ihren
Gräbern gestützt. Außer durch Poggio Mon-
tano hat nur noch bei Populonia unser
Wissen hierüber während der letzten sieben
Jahre eine Erweiterung erfahren, wo zu den
Spuren ganz junger »Italiker«niederlassun-
gen, die wir aus der mit Eisenschlacken be-
deckten Küstenebene an der Barattibucht
durch vereinzelte glückliche Funde Falchis
(Not. 1903, ii),Pasquis (Not. 190«, 211 — 14)
und Mintos (Not. 1914, 445, Pernier, Em-
poriuni XLI, 355) kannten, etwas weiter
nördlich, unter dem Piano delle Granate, auf
dem wohl die Siedelung lag, ein Gehöft oder
kleines Dorf, zur Gemeinde Populonia ge-
hörig, wenn es eine solche damals schon gab,
sich eine größere Gruppe ärmlicher Brand-
gräber fand, dem Inhalt benachbarter etrus-
kischer Fossagräber nahverwandt, in viel-
facher Hinsicht beachtenswert und klärend
für das Zeitverhältnis dieser Populonia-
Siedelungen zu jenen auf der Höhe Vetu-
lonias, der stolzen Vorgängerin des erst spä-
ter zu alsdann freilich bedeutendem Auf-
stieg kommenden Verhüttungs- und Ver-
schiffungsplatzes Populonia (Not. 1917, 63
bis 93). Das Fehlen der für ältere Pozzo-
gräber wie auch für frühe etruskische Fossa-
gräber typischen Materialforrrien, wie z. B.
der halbrunden sog. Rasiermesser, der Gür-
65
Italien 19 14 — 1920.
66
telbleche, der Kahn- und Mignattafibeln, der
Beile, auch das Vorkommen der Bruchstücke
nur noch einer Hausurne, dagegen Schwerter
und Dolche, deren Grifformen zusammen-
gehen mit denen der jüngeren Bestattungs-
gräber von Terni, das alles zeigt, daß Po-
pulonia später als Vetulonia beginnt — ge-
hörte es doch auch nicht zu den Zwölf-
städten — , aber dann in breiter Fülle weiter
hinabgeht, wie uns ja die schönen attischen
Vasen, die prachtvollen Bronzen, dann auch
die über die frühen Gräberschichten ge-
breiteten Gräber mit »etruskisch- campani-
scher« Keramik lehren, Funde, über die
ebenfalls für Piano und Poggio delle Granate
Not. 1917 a. a. 0. berichtet ist, während
schon 1914 (Not. 1914, 411 — 418, 444 — 463)
Minto wichtige, ganz mit Vetulonia zusam-
mengehende Funde der Zwischenzeit im
eigentlichen Stadtgebiet und Grabfunde in
der Barattiebene nö. der Stadt, besonders
ein Rundgrab reich an Edelmetall, einem
Wagen mit figürlichen Bronzebeschlägen,
archaischen Bronzen, einer phönikisch-ky-
prischen Lampe, einem Hern zum' Blasen,
wie auf der Certosa-Situla u. a., auch Bau-,
namentlich Mauerreste gut bearbeitet hat.
— Das archäologische Bild Pitiglianos,
wohl des alten Statonia (s. Solari, Topogr.
stör, dell' Etruria I, 1912, 33. 227), einer
der ganz wenigen Etruskerstädte, für die
bis jetzt keine verbrennenden »Italiker« als
Vorläufer haben festgestellt werden können,
wie es Böhlau, Jahrb. 1900, 155 — 195 gab,
hat seitdem einige Erweiterungen erfahren
durch Pellegrinis Beobachtungen über Poggio
Buco Not. 1902, 507 und durch seinen Be-
richt Not. 1903, 267 — 79, sowie durch Minto
Not. 1913, 334 — 41 und 1914, 88 — 93 und
zuletzt durch Galli, der Not. 1918, 12 — 15
aeneolithische Gräber nachweist, ferner etrus-
kische Kammergräber z. T. aus geometri-
scher Zeit. — Stehen die Berichte Men-
garellis (Not. 1915, 348 versprochen) über
die umfassenden Untersuchungen der ar-
chaischen Gräber innerhalb der Banditaccia-
Nekropole Caeres, deren großartige Ergeb-
nisse an den mächtigen Rundgräbern die
Teilnehmer des internationalen archäologi-
schen Kongresses bereits 1912 bewundern
konnten, immer noch aus, so darf, obschon
es sich um Altberühmtes handelt, doch dieser
Archäologischer Anzeiger 1921.
Bericht nicht hinweggehen über den 191 5
erschienenen ersten Band des großen amt-
lichen Werkes des Vatikans, welches be-
stimmt ist, neben das alte bekannte Werk
des Museo Gregoriano etrusco zu treten und
Rechenschaft abzulegen von der vielen und
fruchtbaren Arbeit, welche in erster Linie
der Rekonstruktion des Grabes Regolini-
Galassi durch Pinza und Nogara gewidmet
worden ist, dessen über unsere früheren Vor-
stellungen beträchtlich hinausgehenden Be-
stände aus den verschiedenen Sälen des Mu-
seo Gregoriano und dessen Magazinen im
großen doppelfenstrigen Saal bereits vor
1914 vereinigt und in fruchtreichem Be-
mühen, namentlich der Wagen und derbronze-
plattierte Thron, wiederhergestellt wurden.
Dieser erste, 191 5 bei Hoepli erschienene
Folioband tritt würdig in die Reihe der
früheren Werke, welche Teile der vatikani-
schen Sammlungen den jetzigen Ansprüchen
gemäß veröffentlichten: Materiali per la et-
nografia antica toscana-laziale I, 496 Seiten,
66 Tafeln und 408 Textklischees (300 Lire).
Alles technisch trefflich hergestellt, geschrie-
ben im wesentlichen von Pinza, da Nogara
sich auf eine einleitende Geschichte der
Sammlungen beschränkt. Nach einigen Ta-
feln, welche Fundstücken aus der ersten Me-
tallzeit gelten und der Veröffentlichung dreier
albanischer Gräber von Montecucco, ist der
ganze übrige Band dem Grabe Regolini-
Galassi gewidmet, der Geschichte seiner Auf-
deckung, der architektonischen Gestaltung
des Grabes, der Verteilung der Beigaben und
den sich daraus für den Totenritus ergeben-
den Folgerungen, alsdann der Veröffent-
lichung zunächst des mitgegebenen persön-
lichen Schmucks aus Gold,' woran sich Ver-
suche schließen, die ganze Tracht im wesent-
lichen der Schmuckträgerin in der hinteren
Grabkammer zu rekonstruieren, gestützt auf
sehr weitausgreifende tracht- und kunstge-
schichtliche Untersuchungen. Dem ersten,
im August 1913 im Manuskript abgeschlossen
gewesenen Bande soll in Bd. II die Veröffent-
lichung des gesamten übrigen Fundbestandes
aus dem Grabe folgen mit Beschreibung und
kunstgeschichtlich- technischer Behandlung,
Rechtfertigung der Wiederherstellungen usw.
Bd. III wird dann bestimmt sein, anderes
gleichzeitiges Material aus Caere und andern
67
Italien 1914 — 1920.
68
örtlichkeiten der Öffentlichkeit zuzuführen.
Kürzer wäre das höchst verdienstliche Werk
wohl noch wirkungsvoller. Wie auch in sei-
nen früheren fleißigen und materialreichen
großen Arbeiten über Sardinien und über
Latium, in den ML., sucht Pinza mit über-
großer Gewissenhaftigkeit den Leser zu zwin-
gen, seinen ganzen mühsamen Forschungs-
gang mit ihm zu machen, und überläßt ihm
selbst zu wenig: Hes. op. 40. — • Auf die
wundervollen photographischen Abbildungen
und die so instruktivcnVergrößerungen eini-
ger Hauptstücke aus dem Regolini-Galassi-
grab und verwandten Gräbern Etruriens und
Latiums bei M. Rosenberg, Granulation I,
1915, II, 1916, Eine Fibelfrage 1915 und
Rosenbergs technische Erläuterung sei hier
ebenfalls hingewiesen: es gibt keine Ver-
öffentlichung, welche geeignet wäre, in so
weitgehendem Maße die unmittelbare Aut-
opsie der Originale zu ersetzen und ihre
Stellung innerhalb der antiken Juwelierkunst
klarzumachen, als diese Arbeiten des ersten
lebenden Kenners der Goldschmiedekunst
aller Zeiten. Für die jüngeren Zeiten der
Banditaccia-Nekropole bringen die Not. 191 5,
/ 347 — 387 einen ergebnisreichen Bericht Men-
garellis mit einem sprachlichen Anhang No-
garas. Ms. kundigem Blick und geschickten
Händen verdanken wir eine organische, zu-
sammenhängende Durchforschung der gan-
zen Banditaccia, wie wir sie ähnlich noch von
keinem etruskischen Gräbergebiet haben.
Die eigentümliche Lage dieses Gräberhügels
machte ihn für alle Zeiten für Caere in dieser
seiner Funktion unentbehrlich. So legt sich
denn hier Schicht auf Schicht, die jüngere
vielfach die ältere zerstörend. An die Stelle
>ytalischer« Brandgräber, die sich auch hier
teils erhalten, teils in Spuren fanden, und
neben sie traten altetruskische Fossagräber,
diese machten wieder seit der Mitte des
achten Jahrhunderts Kammergräbern Platz,
auch einfacheren jüngeren Gräbern und den
Zugangswegen zu denselben. Und diese
wurden zum Teil wieder seit Anfang des
4. Jahrhunderts das Opfer eines neuen um-
fassenden Anlageplanes, der die Banditaccia
mit breiten und schmalen Stiaßen durchzog
— s. Fig. I — 6 — , an denen die seit eben
jener Zeit typisch einkammrigen, im Innern
architektonisch gegliederten Gräber gereiht
lagen wie die Häuser an städtischer Straße,
ganz wie wir das Bild bereits seit 1876 von
Orvieto kennen. Waren die umlaufenden
Bänke mit Toten belegt, so wurden Wand-
nischen hergestellt, die weitere Tote der-
selben Familie aufnahmen. Einzelne große
Gräber, wie das Tarquiniergrab, die Tomba
dei bassirilievi, zeigen auch reichere Gliede-
rung, stehengelassene Pfeiler, alkovenartige
Vertiefungen, übereinander angeordnete Rei-
hen von Bänken oder auch breite Bänke, auf
denen die Toten im rechten Winkel zu den
Grabwänden gelagert werden konnten. Oft
mußten auch die Knochen früher Beigesetz-
ter späteren weichen: stark riechende Pflan-
zen, besonders Myrten umgaben aus be-
greiflichen Gründen die scheinbar offen nie-
dergelegten Toten. Die Menge der Bei-
setzungen in dieser jungen Zeit erklärt die
beträchtliche Zahl von Cippi und Säulchen,
die mit meist noch etruskischen, aber auch
vielfach schon mit lateinischen Aufschriften,
wenn auch noch meist mit etruskisch ge-
formter Onomatologie, über dem Grabe stan-
den und die Identifikation bei der zu jeder
neuen Bestattung nötigen \yiederaufgrabung
des Zuganges sicherten. Sehr interessant
und völlig neu ist Mengarellis Feststellung,
daß als kleine Särge oder Häuschen geformte
Grabaufsätze nur Frauen galten, während
die Männer mehr oder minder phalloide Ste-
len zeigen (Fig. 7 — 29). Anders z. B. in
Tarquinii wo cippi a cono tronco e base ro-
tonda auch auf Frauengräbern stehen: Not.
1919, 220, I. So scheinen bereits in Caereta-
ner Gräbern des 7. — 5. Jahrhunderts die
Männer auf Bänken in Form von Klinai
mit Füßen, die Frauen auf solchen in Sar-
kophagform gelegen zu haben. — Das hüge-
lige Gebiet zwischen dem Ombronetal und
dem Gebiet von Vulci, südlich von Rusellae,
meerwärts von Saturnia, von der Albegna
durchströmt, archäologisch früher vernach-
lässigt, ist in neuerer Zeit, seit 1908, durch
Grabungen des Grundbesitzers Fürst Corsini
bekannter geworden; die prachtvolle Gold-
fibel, welche Milani veröffentlichte (RCL.
1912, Taf. zu S. 315 — 330), hernach Rosen-
berg (Eine Fibelfrage, 191 5, S. 5), der be-
rühmten Rusellaner Fibel in New York nah-
verwandt, gefunden wahrscheinlich in einem
etruskischen Steinkreisgrab, wie die ent-
69
Italien 1914— 1920.
70
sprechenden von Vetulonia (Falchi und Per-
nier, Not. 1913, 425, 435), läßt ahnen, was
in diesem Gebiet der Tenuta Marsiliana
noch zu erwarten sein mag, auch Voretruski-
sches, da außer den nach Florenz ins Museum
gekommenen Fundstücken von 30 etruski-
schen Gräbern auch z.B. eine Villanova-Urne
aus Bronze (abgeb. Milani, Mus. arch. 1912,
Taf. CI) auf Brandgräber schließen läßt.
Minto stellt Not. 1919, 204, i eine Veröffent-
lichungdieserCorsini-Grabungen in erfreuliche
Aussicht, wobei dann auch wohl wird Stel-
lung genommen werden müssen zu der nahe-
liegenden Frage, ob in dem Ort, der zu solch
bedeutendem Gräberfeld gehört, nicht etwa
Caletra zu erkennen sei, zu dessen Gebiet
bekanntlich Saturnia gehörte. — Spuren
einer anderen etruskischen Stadt, vielleicht
des von Ptolemäus genannten Hebe (So-
lari, Topografia arch. d. Etruria I, 1 18 — 1 19)
sind nördlich der unteren Albegna bei Ma-
gliano entdeckt, auch in geringer Entfernung
Kammergräber mit Dromos, durch das ein-
heimische, das griechisch-importierte und
nachgeahmte Fundmaterial in das 7. — 6.
Jahrhundert gewiesen (Not. 1919, 199 — 206).
Daß ebenfalls in der Nähe etruskisch-römi-
sche Gräber schon früher auftauchten, die
der Gegend sogar den Namen »Tombara«
einbrachten, wissen wir durch Dennis C. a. C.
II, 261, 2. — Sehr verdienstHch ist Perniers
erneute Untersuchung (Not. 1916, 263 — 81)
des großen, durch Milanis Bericht Not. 1905,
225 — 42 bekannten Hügelgrabes auf dem
Montecalvario bei Castellina di Chi-
anti das nunmehr vier gleichmäßig von
den vier Seiten in den runden Hügel ge-
triebene Gräber mit verschiedenen Seiten-
kammern ergeben hat und möglicherweise
in den Zwischenräumen noch mehr Gräber
bergen mag. Mit Hilfe der damaligen Fund-
stücke wies Milani den Grabkomplex etwa
in die Mitte des 7. Jahrhunderts, womit die
wenigen nunmehr hinzutretenden Stücke
durchaus stimmen, namentlich ein wunder-
voll tektonisch wirkender, nach Perniers
überzeugender Rekonstruktion mit einem
Pfeiler zu verbindender Löwenkopf aus Pie-
tra serena von einer wieder einmal, wie neuer-
dings so manches, an Kreta, insbesondere
Priniäs erinnernden Stilisierung (Fig. 8, 13,
14). Da das diesem vermutlich sehr ähnliche,
aber nicht identische große Hügelgrab, wel-
ches, von Giambullari 1507 erwähnt (Milani
225 — 26), in der gleichen Gegend lag, ist zu
hoffen, daß die noch nicht genügend durch-
forschte Chiantigegend durch solche Monu-
mentalg -aber einmal die bis jetzt noch dunkle
Verbindung herstellen wird zwischen den
Grabanlagen älterer Zeit im Florentiner
Becken und um Cortona mit dem großen
Siedelungs- und Gräbergebiet im Westen
und Süden des Landes. Für die Etruskisie-
rung der Florentiner Gegend von Interesse
ist auch die Auffindung der Spuren eines im
6. Jahrhundert begonnenen, bis in die erste
Kaiserzeit fortgesetzten Heiligtums mit ar-
chaischen Votivbronzen, rf. und sf. Vasen
bei Impruneta, etwas südlich von Florenz
(Not. 1918, 210 — 15). — Der aussichtsreiche,
seit etwa zehn Jahren betriebene Plan, als
dessen Hauptförderer Pigorini und Ricci
immer wieder auftraten, neben den vielen
Gräberaufdeckungen besonders in Etrurien
auch einmal ganze Stadtbilder durch sorg-
same Bodenforschung zu neuem, zusammen-
hängendem Leben zu erwecken, wurde zuerst
bei Veii, dafür durch seine spätere Verein-
samung und seine bedeutsame Lage an der
Grenze dreier Zivilisationsgebiete besonders
geeignet, seit März 1913 energisch angefaßt
durch Della Seta, Ricci, CoHni, Gäbrici,
Giglioli und Stefani. Auf die ersten Ergeb-
nisse wurde schon Arch. Anz. 1914, 182 — 83
hingewiesen. Der dort in Aussicht gestellte
ausführliche Bericht ist mittlerweile zum
Teil erschienen (Not. 1919, 3 — n, tav. I bis
VII), mit vielfach überraschend neuen Er-
gebnissen, anderes, schon von mir mit Gä-
brici 1913 Gesehenes wartet noch auf ent-
sprechende Bekanntgabe. Zunächst berich-
tet Colini in dieser seiner letzten Arbeit sehr
anschaulich über die älteren Gräberreihen,
über die jetzt erst ein brauchbarer Bericht
vorliegt, da früher nur unkontrolliert und
ohne genügende Berichterstattung hier und
da gegraben wurde. Ergebnis: zuerst »Ita-
liker«gräber mit Beisetzungsformen der ver-
brannten Leichen, wie sie den jüngeren
Pozzogräbern des westlichen Südetruriens,
namentlich Tarquiniis entsprechen: Villa-
novaurnen, Hausurnen, Doliengräber, Custo-
die di tufo, dann Fossagräber, neben denen die
Pozzogräber noch lange hergehen, die auf-
3*
7'
Italien 1914 — 1930.
72
fällige Verwandtschaft zeigen mit den For-
men im Faliskerländchen (Loculi, Holz-
särge); dann Kammergräber, vom 7. Jahr-
hundert ab, die schwerlich ohne bereits wir-
kenden etruskischen Einschlag zu erklären
sind, daneben wieder stärkeres Aufkommen
des Brandes: wohl unterworfene Italiker,
wie in den beiden Seitenkammern des Gra-
bes Regolini-Galassi oder — später — die
jüngeren Urnen mit gewölbtem Deckel im
Grabe Campana So ergibt sich denn auch
für Veii eine wenn auch nicht besonders
frühe, so doch deutlich faßbare Besiedelung
durch dieselben verbrennenden »Italiker«,
welche von den Höhen um die vulkanischen
Seen herabkommend nach Osten und Süd-
osten in Richtung auf das Tibertal flußab-
wärts zu siedeln begannen, sich aber bald
stauten oder wenigstens zu keiner größeren
freieren Entwicklung gelangen konnten we-
gen der über den Tiber vordringenden be-
stattenden »Italiker« sabellischen Stammes.
Daß solche auch Veii innegehabt haben, ist
nach unserer jetzigen Kenntnis der dortigen
alten Fossagräber sehr wahrscheinlich. Etrus-
ker sind schwerlich vor der Zeit des be-
ginnenden orientalischen Imports, der Re-
golini-Galassizeit, der dann bald der griechi-
sche Verkehr folgt, von dessen erster Wir-
kung uns das früheste sicher etruskische,
das Campanagrab, Zeugnis ablegt, dort als
Herren aufgetreten, wohl nur wenig früher,
als ihr Vordringen nach Latium und Rom
im 7. Jahrhundert. Augenfälligere Ergeb-
nisse als die Durchforschung der Nekropolen
hat die Spatenarbeit aus der Stadt selbst
gebracht. Von ihnen bringt der obenge-
nannte Notiziebericht eine Veröffentlichung
der Reste großer Tonstatuen, die zum Be-
deutungsvollsten gehören, was bis jetzt etrus-
kischem Boden entstiegen ist. Sie stammen
aus einem auf der Südwestecke des Stadt-
gebiets, hoch über dem Fosso dei due Fossi
(s. 13, Fig. i) belegenen Heiligtum, von dem
zahlreiche oben und auf dem Abhang ge-
fundene Ziegel, Antefixe und Votivgegen-
stände, unter denen auch Statuetten aus
Bronze sowie Substruktionsmauern Zeugnis
ablegten: das alles harrt noch der Bekannt-
gabe. Dagegen versteht man, daß die im
Mai 1916 gefundenen Tonstatuen vorweg
vorgelegt werden sollten, nachdem in mühe-
voller und geschickter Arbeit besonders des
Frl. Morpurgo die Zusammenfügung des
noch Zusammenfügbaren vollendet war. Daß
es nicht noch mehr sein konnte, nimmt wun-
der bei der guten Erhaltung der Stücke und
der augenscheinlich absichtlichen Bergung
der Kunstwerke, als sie, der Anlage einer
Abb. 2. ApoUon, Veji.
römischen Straße weichend, zwar schon zer-
brochen, in Hohlräumen eine sorgsame, wohl
später Deisidaimonie verdankte Unterbrin-
gung erfuhren (s. die photographischen An-
sichten der Auffindungsstätte Fig. 2 — ^4).
Die zu einer antithetischen Gruppe vereinigt
gewesenen vier lebensgroßen Gestalten kön-
nen nicht mit der Architektur des Tempels
in irgendeiner Verbindung gestanden sein,
73
Italien 191 4 — 1920.
74
Abb. 3. Kopf von Abb. 2.
sondern müssen als besonderes Weihgeschenk
im Innern oder wohl wahrscheinlicher inner-
halb des heiligen Bezirks auf gemeinsamer
Basis ihren Platz gehabt haben. Apollon
(Abb. 2. 3), nach links ausschreitend,
bestimmt, im Profil von links gesehen
zu werden, streckte den linken Arm
etwas zurück, während der rechte Vor-
griff; jedoch bleiben beide Oberarme dem
Körper nahe, also war auch der Gegner zu
enger geschlossener Gruppe mit ihm ver-
einigt. Dieser war Herakles, allerdings nur
an Löwentatzen und Schweifende auf der
Hindin erkennbar, die gefesselt, aber wie es
scheint unverwundet auf dem Rücken am
Boden liegt; den linken Fuß setzte Herakles
ihr auf den Bauch, der rechte wurzelte fest
neben ihr auf dem Erdboden (Abb. 4). Also ein
dem Dreifußkampf ähnlicher Streit zwischen
Apollon und Herakles; dieser war im Begriff,
eine wohl der Artemis gehörige Hindin zu
rauben, wogegen der Bruder tatkräftig ein-
schreitet, ein seltener, nur durch die Monu-
mentalüberlieferung bekannter Mythos, der
in der Tat mit der Kerynitischen Hindin,
wie zuletzt noch Robert wollte (Arch. Her-
men. 272; Griech. Heldensage H, 450), nichts
zu tun haben wird, wie Giglioli in sorgsamer
Untersuchung ausführt. Reste einer beklei-
deten weiblichen Gestalt, die wohl auf der
Seite des Apollon hinter ihm ihren Platz
hatte, Artemis, und der prachtvolle, ver-
Abb. 4. Hindin, Veji.
Abb. 5. Hermeskopf, Veji.
schmitzt lächelnde Kopf des Hermes (Abb. 5),
mit einem weichen beflügelten Hut, bartlos,
raschen Schrittes, einem erhaltenen Stück
aus der Schenkelhöhe zufolge, heraneilend,
vervollständigen die Gruppe. Strenge ioni-
sche Vertikaldoppelvoluten, die Palmetten
einschließen, verkleiden die Stützung, welche
der vorsichtige Tonbildncr zwischen den
weitausschreitenden Beinen der beiden Mit-
telfiguren für nötig hielt. Die künstlerische
Beurteilung wird sich am sichersten an den
bis auf einige ergänzte Stücke am Unter-
körper und die fehlenden Arme gut erhalte-
nen Apollon halten, eine bereits schlanke Ge-
stalt von etwa 7 Yo Kopflängen, klar aufge-
baut, frei aber nicht gewaltsam vorschrei-
tend, das Hauptgewicht auf das vorgesetzte
rechte Bein gelegt, jedoch bei nur leiser Vor-
beugung des Oberkörpers, das Nackte straff
75
Italien 1914 — 1920.
76
und sehnig gebildet, die Brust etwas zu hoch
sitzend, in dünnem kurzem Chiton, wie ihn
Theseus auf der Euphroniosschale im Hause
des Poseidon trägt, darüber ein ebenfalls so
leichter Mantel, daß die Körperformen auch
durch ihn hindurchscheinen, der in feinen
Falten gelegt und doppelt umgenommen die
rechte Brust freiläßt; der Schädel hochauf-
steigend, oben rund gewölbt, hinten flach
niedTgehend, das Haar oberhalb der
Tänie geradf" g' sträMt i'nd flach an-
liegend, unter der Tänie in zwei Reihen
Ringellöckchen - — ziemlich freien, soweit
die hier stärkere Zerstörung sicher sehen
läßt — , die Stirn in flachem Bogen um-
schließend, an den Schläfen bis zum unteren
Ohrrand freier niederrieselnd, an den Seiten
und hinten in dickeren aber weichgedrehten
Zöpfen herabgeführt, die seitlichen jedoch
vom unteren Halsrand ab ebenfplls nach
hinten im Bogen zurückgelegt; ebenso am
Kopf des Hermes. Das Antlitz, ruhig-heiter,
Kinn und Jochbeine kräftig herausgehoben,
der Superziliarbogen in ungebrochen ge-
schwungener Linie zur langen, schmalen,
sehr fein geformten Nase herabgeführt. Die
Augenstellung innerhalb der weiten Augen-
höhle noch leicht archaisch, der Innenwinkel
ein wenig nach der Nase zu gesenkt, die Lid-
spalte mandelförmig, das untere wenig ein-
geschwungene Lid in leichtem Relief aufge-
legt, am Nasenanschluß nicht mit dem oberen
stärker gerundeten Lid vereinigt, um die
Tränenkarunkel anzudeuten. Der breite
Mund zeigt noch ganz leicht emporgezogene
Winkel, die Oberlippe ist schmal und gerade
geführt, die Unterlippe, in der Mitte durch
einen leisen Vertikaleinschnitt geteilt, hängt
I«icht vor. Ebenso sind die Grundformen
beim Hermes. Die Färbung ist gut erhalten,
sorgsam und diskret durchgeführt. So sind
z. B. die Gewänder in der gelblichen Ton-
farbe gelassen, wie sie bei einem letzten Auf-
trag fein geschlämmten Tones entsteht, nur
die Säume sind gefärbt, die Haut zeigt die
bekannte rotbraune Farbe männlicher Fi-
guren, schwarz sind Haare und Augenbrauen,
weiß die Augen mit rötlicher Iris, von dunk-
lerem Kreis umgeben, die. Pupille schwarz.
Die Statue ruht auf einer so kleinen Plinth",
ebenso der Hermes, daß das Figürliche über
den Rand vorspringt; ein durchgehendes
horizontales Loch durch die Plinthen in Ver-
bmdung mit einem durch die Plinthe von
unten gehendem Loch und einem andern
hinter den Schultern ermöglichte Durch-
stecken von Tragstangen und schuf reich-
liche Öffnungen für das Verdampfen der
FeuchHgkeit beim Brand. Die Terrakotta-
haut selbst ist nur 2 cm dick. Nirgends Spu-
ren angesetzter Teile. Die ganzen^Statuen
müssen als solche in einem Stück gebrannt
worden sein, eine technisch bewundernswerte
Leistung. Jetzt erhält die Nachricht Varros
bei PliMusXXXV, 154, daß vor der Tätig-
kei*^ des Damophilos und Gorgasos am Ceres-
tempel in Rom alles in den Tempeln etrus-
kisch gewesen sei, und ebenda 157, daß man
für das tönerne Kultbild des Juppiter im
kapitolinischen Tempel den vei'-ntischen
Künstler Vulca gerufen habe, der auch die
als Akroterien für den First des Tempels be-
stimmten Quadrigen und den tönernen Her-
kules arbeitete, einen ganz anderen festen
Hintergrund. Plut. Popl. 13 läßt den Auf-
trag zu den Quadrigen durch Tarquinius Su-
perbus Tuppy,vot? Tiaiv IJ Our^tW 87)[i.ioupYOt?
erteilen; da der Tempel erst im ersten Jahr
der Republik eingeweiht wurde, wird tat-
sächlich — wie es sich aus den Berichten bei
Cicero, Livius und Tacitus zur Genüge er-
gibt — in der ersten Hälfte des 6. Jahrhun-
derts erst der Plan gefaßt (Tarquinius Pns-
cus) und die Herrichtung der Bauterrasse,
vielleicht auch der Beginn der Substruktio-
nen erfolgt und unter Servius Tullius der
Bau fortgesetzt sein; der von den Erklärern
zu Tacitus Hist. III, 72 nicht verstandene
Zusatz zur Erwähnung des Serviusanteils
»sociorum studio« bezieht sich auf sein In-
teresse am Etruskerbau; wer seine socii
waren, wissen wir ja aus der Lyoner Rede
des Claudius und dem Frangoisgrab von
Vulci zur Genüge, wenn er auch einen römi-
schen Namen annahm, blieb er innerlich
doch der Macstarna. Nach der Nieder-
werfung der Volsker brachte dann der letzte
Tarquinier den Bau der Vollendung nahe:
er, nicht wie Plinius irrtümlich berichtet,
der erste Tarquinier, kann es nur gewesen
sein, der für die letzte künstlerische Aus-
stattung des Tempels zu sorgen hatte und
die Veienter Tonkünstler dazu rief. Und in
diese selbe Zeit gehören nun, das hat Giglioli
n
Italien 19 14 — 1920.
78
in sorgsamer Untersuchung dargelegt, auch j
die neuen großen Tonwerke aus Veii, mit
denen uns also ein klarer Einblick in die
Kunststufe des kapitolinischen Tempels,
überhaupt des damaligen Roms gegeben ist.
Der große Schritt vom Campanagrab bis zu
der neugewonnenen Stufe wird hoffentlich
noch durch weitere Funde gefüllt werden;
unmittelbar an letztere anschließend folgen
dann Werke, wie die in der Technik noch
unsichere aber das damalige Etrurien noch
fest beherrschende chalkidisch - sizilische
Griechentum schön kennzeichnende Bronze-
statuette 447 desBritischen Museums »Aphro-
dite« (Select G''eek Bronzes in the British
Museum pl. VI; Mansell 2244) aus Suessa
Aurunca, also mehr wie halbwegs nach Kyme,
trotzdem, nicht nur der Schnabelschuhe we-
gen, wohl sicher etruskisch und nach Schädel-
form, Gesichtsbildung und Gesamthaltung
den Veienter Werken auf das engste ver- \
wandt, wieder einmal ein schönes Beispiel
für die Wahrnehmung, daß Tonplastik und
Metallguß im engsten Verwandtschaftsver-
hältnis zueinander stehen, die erstere als
notwendige Vorbedingung der letzteren diese
auch ins Leben ruft und ihr die Wege weist, j
— Der Wunsch, nicht nur in Kopenhagen,
sondern auch in Florenz die Grabgemälde
Etruriens in Nachbildungen vorzuführen
und so der Nachwelt zu erhalten, führte noch
Milani 1910 und 191 1 dazu, die im Gegensatz
zu Corneto immer etwas zurückgetretenen
Gemälde von Chiusi neu untersuchen zu
lassen. Ein Bericht Gallis Not. 1915, 6 — 16
gibt das Wenige, was noch von einem bereits ;
von Dennis gesehenen Grabe auf der Spitze
des Poggio Renzo, unweit der Tomba della ,
scimmia an Malerei vorhanden ist, 5. Jahr- j
hundert, wie ja dieChiusiner Kammergräber [
mit Gemälden fast durchweg, aber lange ]
weitergebraucht, bis 2. — i . Jahrhundert ; auch
hier die Farben nach Chiusiner Art unmittel-
bar auf den Tuff gesetzt: Reste von Sym- ;
posionszene und schön erhaltene, ein Com- \
pluvium nachbildende Decke; da der Hügel-
gipfel, in den das Grab mit Dromos, Atrium
und drei Kammern hineingetrieben ist, in-
mitten der alten Nekropole liegt, die uns in .
Etrurien zuerst mit den voretruskischen
Brandgräbern bekannt machte (1874 — 75),
fanden sich auch in dem Hügel gute Beispiele
der letzteren. Alsdann wurde das seit 1866 un-
zugängliche Grab di Tassinaia neu unter-
sucht und die interessante Malerei bekannt-
gemacht: an gemalten Nägeln aufgehängte
Kränze mit Tänien, pickender Rabe, ganz
römisch aussehender Mann und Frau, jedoch
noch mit etruskischen Beischriften, zwischen
den Festons hängend gemalte lunulae mit
runder, von ihnen umschlossener Scheibe,
runde Metallscheiben an den Schmalseiten
gemalt: alles eine junghellenistische Verzie-
rungsweise, die an Delos erinnert und gewiß
richtig von Galli ins 2. Jahrhundert gesetzt
wird: für Etrurien eine in Malerei sonst kaum
vertretene Zeit (Fig. 8 — 10). S. 16 — 23 folgt
dann ein Bericht von Schiff Gio"gini über
die in diesem Hügelkopf bei der Gelegenheit
gefundenen Brandgräber, unter denen ein
Canopusgrab besonders bemerkenswert ist,
weil das figürliche Aschengefäß selbst ebenso
wie der durchbrochene Lehnsessel mit hell-
gelblicher Farbe überzogen und darauf
braunrötliche Streifenmalerei, auf den Kopf
weiße Malerei gesetzt ist (Fig. i — 3): das
erste Beispiel eines bemalten Canopus. Die
Zeit wird durch ein griechisches Gefäß ins
7. Jahrhundert bestimmt. Der an wert-
vollem Inhalt reiche Bestand eines Chiusiner
Grabes des 3. Jahrhunderts, mit Silbergefä-
ßen, Silbertheken, farbigen Aschenurnen
usw., wurde 1913 für Boston erworben und
von Eldridge AJA. XXII, 1918, 251—294
herausgegeben (19 Abb.). ML. XXIII,
277 — 312, tav. I— IV veröffentlicht Della
Seta auf den Tafeln, von denen zwei farbig,
die Bruchstücke zweier Stamnoi aus einem
Grabe der ersten Hälfte des fünften Jahr-
hunderts bei Campagnano, die auf schwar-
zen Grund rot aufgemalte Figuren zeigen,
nach dem Brand, also für Sepulkralzwecke.
Die tanzenden Männer, auf A ganz nackt,
auf B mit kleinen shawlartigen Tüchern, in
Motiv und Bewegung ungriechisch, knüpfen
am ersten an Tänzer auf Grabwänden, be-
sonders von Corneto (del Citaredo, del Tri-
clinio, delle bighe, Querciola oder T. d Orfeo
c d'Euridice von Chiusi) an und stellen ver-
mutlich ausnahmsweise Arbeiten etruski-
scher Wandmaler auf Gefäßen dar. Ein ähn-
liches Gefäß steht schon seit länger im Mu-
seum von Corneto. Della Seta stellt die Be-
einflussung fest durch die Malweise der atti-
79
Italien 1914 — 1920.
80
sehen streng rf. Vasen, also wie bei den Grab-
gemälden. Da solcher Männertanz auf atti-
schen Vasen jedoch nicht vorkomme, sieht
er in ihm sowohl auf den Grabwänden wie
auf diesen Vasen eine wichtige Stufe der
etruskischen Totenkultvorstellungen und
gibt über den Wandel der etruskischen
Totenkultideen und der Tanzformen im be-
sonderen 303 — 310 eine vortreffliche, auf
feine Beobachtungen gegründete, in dieser
Art neue Darstellung. Als Herstellungsort
vermutet er die Etruria marittima, Caere
oder Corneto, letzteres wohl wahrschein-
licher. — Cultrera, der jetzige Leiter des Cor-
netaner Museums, veröffentlicht Not. 1920,
245 — 58 zwei Kammergräber, nahe den
f Gräbern »della caccia e pesca«, »delle leo-
nesse« und »della pulcella«, deren eines neu,
das andere schon früher geöffnet, aber
wieder geschlossen und vergessen war; beide
ausgeplündert. Ersteres, junghellenistisch,
interessant durch einen aus Festons, Bän-
dern und runden Scheiben zusammenge-
setzten schmalen Fries, die Tür innen be-
wacht durch zwei etruskische Dämone,
gemalte Kassettendecke, in der eins der
Felder noch auf braunem Grund kleine
rötliche Knäbchen, welche grüne Blatt-
kränze tragen, zeigt. Außer Scherben ein-
heimischer ordinärer Topfware einige »etrus-
kisch-campanische«, sowie die Stücke einer
reliefierten, außen zum Teil braunen Por-
zellanschale (Fig. 12) und einer bunten,
gläsernen, mit Gold- und Silberlichtern,
auch Bronzescheiben mit Holzresten, die
auf eine Kline schließen lassen. Sowohl in
diesem wie im andern Grabe einige Nenfro-
cippen mit etruskischen und lateinischen
Inschriften. Dieser Fund gibt dem Be-
richterstatter Anlaß, in ausführlichen Dar-
legungen seine Ansichten über die zeit-
liche Verteilung der Grabgemälde, beson-
ders die Notwendigkeit, mit ihnen bis in
das 2. Jahrhundert hinabzugehen, auseinan-
derzusetzen und ferner die topographische
Frage wieder anzufassen, um sich gegen
Pasqui und Pernier auch für das etruskische
Tarquinii wieder für das Piano della Regina
zu erklären (Not. 266—75). Je weniger ich
selbst geneigt bin, ihm hier zu folgen, um
so freudiger würde auch ich natürlich seinen
Wunsch nach gründHcher Spatenarbeit auf
jenemHügel begrüßen. — ML.XXIV, 5 — 120,
tav.I — IV macht Galli einen polychromen Sar-
kophag von Torre S. Severo (sw. vonOrvi-
eto oberhalb des Bolsener Sees) bekannt, aus
einem Kammergrab (Fig. 2), in dessen
Hauptraum der Sarkophag stand. Nach
den reichlich mitgefundenen und gut abge-
bildeten Beigaben steht die Zeit, 4. — 3. Jahr-
hundert, fest. Die Hauptseiten zeigen in
ziemlich hohem Relief den Troermord an
Patroklos' Totenfeier und die Schlachtung
der Polyxena an Achills Leiche, die Schmal-
seiten Odysseus-Kirke mit den Verwand-
lungsszenen und das Nekyiaopfer mit merk-
würdiger Unterweltdarstellung. In den
Giebeln Acheloosmasken, von schlangen-
haltenden Männern flankiert, Jünglingen an
der Kirkeseite, Bärtigen an der andern. Gal-
lis sorgsame Behandlung betont mit Recht
allerlei Nachklänge an malerische Vorbilder
des 5. Jahrhunderts. Der Troermord berührt
sich eng mit der Tomba Frangois von Vulci,
der Cista R6vil u. a., Hades mit der Hunds-
kappe und Persephone hinter ihm mit den
bekannten Gestalten der Gräber dell' Orco
von Corneto und der Tomba Golini von Or-
vieto. Interessant sind die Darstellungen
der Gräber des Achill und Patroklos mit zu
den Seiten der fiktiven Tür hängenden Opfer-
schalen; auch die Schattenbilder des Pa-
troklos und Achill, eingewickelt in ihre To-
tentücher und -binden und den Mundbinden.
— Auch durch andere Funde hat unsere
Kenntnis der jüngeren, mehr national-etrus-
kischen Zeit und Kunst Bereicherungen er-
fahren. Zunächst aus der Gegend von Pe-
rugia. Not. 1914, 135 — 41 berichtet Minto
über ein Kammergrab im Südwesthang des
Hügels von Santa Giuliana, teils Bestattung,
teils Brand, wie so oft in diesem alten Misch-
gebiet, aus dem es gelang, trotz früherer
Plünderung noch einige wertvolle Stücke zu
bergen, so eine rf. Schale >>faliskischer« Art
(Fig. i), deren Innenfläche ausgefüllt wird
durch eine von Minto in ihrer grotesk un-
genierten Komik nicht erkannten, wenigstens
nicht exegetisch gewürdigten Darstellung
eines noch eben auf einem Bein ruhenden
weinfrohen Silen, den ein Satyr aufrecht
hält, während die mit der linken Hand aus-
geführte Handlung einer Mänade auf der
andern Seite durch die Corna, welche die
8i
Italien 191 4 — 1920.
82
Finger ihrer rechten Hand ausführen, auf
südliche Weise klargemacht wird. Als Kunst-
werk unbedeutend, aber mit neuem Motiv:
ein bronzener Herakles, von einer Kande-
laber- oder Kottabosbekrönung, nackt, links
hochauftretend, rechts auf die Keule ge-
stützt, in der Linke.n Trinkhorn (Fig. 2).
Der bedeutsamste Fund ist jedoch ein Spie-
gel, der im Typus guter alter Dreifiguren-
komposition Itys zwischen den schwert-
bereiten Prokne und Philomela zeigt
(Fig. 4 und RCL. XXHI, 1914, 97; unsere
Abb. 6). Minto hat RCL. 89 — in eine
Abb. 6 Spiegel aus Perugia.
kundige Einreihung des Spiegels in die
literarische und monumentale Überliefe-
rung (über diese s. jetzt auch Robert,
Griech. Heldensage I, 154 — 162) gegeben,
leider ohne neben den Schalenbildern
aus München und dem Louvre auch die
immer noch unveröffentlichte Amphora der
Villa Giulia aus Falerii (Heibig, F. HS,
S. 363) abzubilden. — Aus einem zerstörten
Brandgrab in der Nähe Perugias (Not. 1915,
261 — 62) stammt ein Paar schöner goldner
Ohrringe, tordiert, in einen Löwenkopf endi-
gend, einer im 4. — 3. Jahrhundert auch in
Etrurien häufigen Form, die jedoch gut grie-
chisch ist: im selben Band der Not. 1915,
234 ist ein sehr ähnliches, etwas strengeres
Paar aus Gela abgebildet, dies gewiß noch
aus dem 4., das Peruginer vielleicht schon
aus dem beginnenden 3. Jahrhundert. —
Als erstes Anzeichen einer bisher unbekann-
ten Nekropole Perugias im Westen der Stadt
zwischen dem Kloster S. Francesco und den
antiken Thermen von San Galigano ist ein
in mehrfacher Hinsicht bemerkenswertes
Urnengrab gefunden (Not. 1914, 322 — 44),
das, wenn auch noch durch einen gewaltigen
Travertinblock fest verschlossen (Fig. 2),
doch antik geplündert war. Schema das
übliche: langer Dromos mit Vestibulum
und Atrium, an das drei Kammern so an-
schließen, daß eine Kreuzform entsteht (Fig.
I ). Ungemein sorgfältige Abwässerung durch
förmliche Kanalisierung des Innern, das im
Atrium und der Mittelkammer den Boden
teilweise bedeckt zeigte mit Resten von
Kohlen und Asche, schwerlich, wie Minto
meint, Spuren eines Ustrinums innerhalb
des Grabes, sondern Ausübung der bei vielen
Brennervölkern, so auch vielfach in Italien
üblichen Sitte, Rogusasche in das Grab zu
tun, z. B. die Aschenurne in Rogusasche zu
betten oder dgl. Von den Urnen ist eine
leider mangelhaft erhaltene wichtig, weil sie
Brunns Deutung der Peruginer Urne I, Taf.
LXVIII, I auf den Kampf um Achills Leiche
bestätigt durch Inschriften, die auf die Fuß-
leiste aufgemalt waren und die Namen Achlc,
Utzte und Paris zeigten, daneben sonder-
barerweise noch Reste der Namen von sieben
Personen, die sich gar nicht auf der Urne
finden; Minto wird recht haben mit der Ver-
mutung, daß mechanische Kopie der Namen
von einer Vorlage von rechts nach links ge-
schrieben und Weglassung von Figuren, die
keinen Platz hatten, für beides die Erklärung
geben, lehrreich für das Verhältnis der Ur-
nenbildhauer zu ihren Vorlagen und für de-
ren Beschaffenheit. Eine gut erhaltene Tra-
vertinurne mit der Iphigenienopferung (eine
solche auch beim Hospitalbau am Monte
Luce gefunden: Not. 1914, 166 — 67), ver-
schiedene Urnendeckel mit Inschriften der
Calisnafamilie (Fig. 3, 5 — 8), ein trübseliger
Spiegel mit zwei sich gegenüberstehenden
»Dioskuren«, eigenartiges Bronzearmband
mit vier teils den Schaft, teils die
Ösen überschnäbelnden Gänseköpfen (Fig.
10), allerlei Keramik, darunter Reste eines
83
Italien 1914 — 1920.
84
^
großen spätetruskisch gemalten Kraters mit
Greifen- Arimaspenkampf (Fig. 11): alles das
zeigt, daß die Calisna das Grab im 3. und
2. Jahrhundert im Gebrauch hatten. —
Urnengräber von Trequanda, Prov. Sicna,
;in der Grenze des Chiusinischen aus dem
2. Jahrhundert haben ihren Inhalt ins Mu-
seum von Pienza abgegeben, darunter meh-
rere, die deutlich Nachbildungen von Holz-
truhen sind, mit Inschriften, Keramik und
hellenistischen Glasfläschchen: Not. 1915,
263 — 69. Eine Troilosurne entstammt einem
Grabe bei Cordigliano, Prov. Perugia:
Not. 191 5, 270 — 73. — Ungleich wichtiger
als die bisher genannten Funde aus der
jungetruskischen Zeit sind Entdeckungen in
Arezzo (Pernier, Not. 1920, 167 — 215 und
Taf. I — IV, woraus ein von Wiederholungen
der wesentlichsten Abbildungen begleiteter
Auszug Perniers in »Dedalo«, Rassegna
d'Arte diretta da UgoOjetti I, 1920, 75 — 86;
Del Vita, Not. a.a.O. 215 — 217: Bericht
über den Fund wichtiger Majolikamengen
in einem Brunnen desselben Fundgebiets).
Das Problem, ob die von Plinius III, 52
neben den Arretini Fidentiores und den
Arretini lulienses, augenscheinlich Gruppen,
die ersten sullanischer, die zweiten cäsari-
scher Kolonisten, genannten Arretini Veteres
auch örtlich von dem Wohnsitz der Neu-
bürger getrennt gewesen seien, d. h. ob, wie
ja oft in Etrurien, die alte etruskische Stadt
an einem anderen militärisch mehr gesicher-
ten Platz gewesen sei, etwa auf dem für eine
größere Stadt freilich viel zu kleinen, eine
Stunde südlich Arezzos gelegenen Poggio
S. Cornelio, den Dennis vorschlug, ist jetzt
gelöst. Die stets vom Nestor der Arezzo-
^forschung Gamurrini, zuletzt in seinem Vor-
trag »Testa antica di terracotta rinv. in
Arezzo«, Arezzo, Tip. Cagliani 1919, 4 — 6,
13—18 festgehaltene, von Del Vita RM.
XXV, 1910, 294, 296 und Solari, Topogr.
stör, della Etruria I, 1918, 289 vertretene
Ansicht der kompetentesten Lokalforscher,
daß das etruskische Arezzo auf der Stelle
des römischen und heutigen gelegen habe,
hat durch die neuen Funde ihre volle Be-
stätigung erhalten, konnte eigentlich schon
lange niemandem zweifelhaft sein, der die
Gräberverteilung in und um Arezzo topo-
graphisch verfolgt hatte. Damit sind auch
die den italienischen Gelehrten übrigens un-
bekannt gebliebenen Darlegungen von
Frickenhaus, Bonner Jahrb. 1908, 30 — 33,
erledigt. Die von Vitruv II, 8, 9 und Plin.
XXXV, 173 bezeugten Luftziegelmauern
sind schon von Caporali in seiner Vitruv-
übersetzung 1536, fogl. 58als nochvonihmge-
sehen erwähnt, von Del Vita 1910 an ver-
schiedenen Punkten der Stadt restweise ge-
funden, besonders in der Catonagegend nörd-
lich vom Domhügel, während nach Süden
sich die besonders durch die beiden koloni-
alen Gründungen erweiterte römische Stadt
später ausdehnte. Erst 1916 und 1918 sind
dann diesen Spuren folgend durch Aretiner
und Florentiner Kräfte unter Oberleitung
Perniers, der seine große kretische Erfah-
rung natürlich mit Freuden in den Dienst
eines so wichtigen Stücks Heimatforschung
stellte, zusammenhängende Stücke der Mauer
ausgegraben. Die Ziegel, ganz leicht ge-
brannt, ruhen auf dem Boden ohne Stein-
sockel — höchstens ist hier und da eine
dünne Tonschicht als Euthynteria drun-
ter — , sind sesquipedales, also lydische Zie-
gel, wie die Römer sie nannten, die sie doch
wahrscheinlich von den Etruskern hatten,
zumal sie auch in Veii gefunden sind (Not.
1920, 189, i): ein Name, der zu denken
gibt. Ganz gleiche Ziegel kamen 1917 — 18
in Perugia unter den Trümmern eines römi-
schen Hauses des i. Jahrhunderts und un-
mittelbar neben der späteren Stadtmauer
heraus (Not. 1920, 188) und Plinius er-
wähnt bekanntlich gleiche Lehmziegelmau-
ern um Mevania, Perugia so benachbart.
Pernier gibt S. 191 eine instruktive Über-
sicht über Luftziegel gleicher Abmessungen
aus Kreta • — schon vom ältesten Phaistos-
palast — und Hellas. 4,50 m war die durch-
schnittliche Stärke der Mauer, von der Fig. i
einen Plan gibt, die folgenden Figuren Ab-
bildungen aller Art. Fig. I zeigt nun in
musterhaft genauer Weise die Fundverhält-
nissc der Artefakte, die sich unter dem
Ziegelschutt der zusammengefallenen Mauer
und in anderen hier angehäuften Schutt-
massen fanden. Und damit ist die Zeitbe-
stimmung der Mauer gegeben. Da Münzen
der ersten Jahrzehnte des letzten Jahrhun-
derts V. Chr. und entsprechendes kerami-
sches Material in großer Fülle, dagegen noch
85
Italien 1914 — 1920.
86
nichts »Aretinisches«, unter den Trümmern der
zusammengesunkenen Mauer gefunden sind,
vermuten Gamurrini und Pernier wohl mit
Recht, daß die sullanische Belagerung 81
V. Chr. die Zerstörungen der zu Marius hal-
tenden Stadt gebracht habe, der auch jene
Teile der Mauer zum Opfer gefallen seien.
Erbaut sei die Mauer, meint Pernier, gegen
Anfang des 3. Jahrhunderts, nach genauer
Erwägung auch der unter der Mauer gefunde-
nen Dinge. Freilich müsse es eine offne Frage
bleiben, ob es die erste Mauer gewesen sei,
ob sie nur partiell als Lehmziegelmauer, ob
etruskischer Kunst besonders aus den Tem-
peln von Falerii kannten, jetzt im Museo
Villa Giulia, viel bewundert als Nachklänge
griechischer Großplastik des 4. Jahrhunderts
und der Alexanderzeit. Die Arctiner Stücke
sind zum Teil gewiß aus Giebeln: man denke
an Arcevia, Luni, Telamon, nur daß sie jene
an harmonischer Schönheit und Kraft der
Ausführung weit übertreffen. Sie sind mehr-
fach nicht ganz vom Grund gelöst, auch hin-
ten hohl, waren also zum Teil architektoni-
sche Schmuckstücke. Eine Anzahl der schön-
sten lassen sich zu einem Parisurteil zusam-
Abb. 7. Pariskopf aus Arerzo.
ganz als solche oder ob als Ausbesserung
früherer anderer Mauern errichtet sei: aber
jedenfalls Vitruvs e latere vetustus egregie
factus murus. Dieselbe Zerstörung, welche
einzelnen Teilen der Mauer verhängnisvoll
wurde, war es auch für manche Häuser oder
ganze Quartiere der Stadt. Der dadurch ent-
standene Schutt wurde an der Mauer abge-
laden und für die Ausgräber eine Fundstelle
für eine Fülle von Architekturtrümmern,
unter denen zahlreiche Simen, Antefixe und
Akroterien aus Häusern und auch wohl Tem-
peln, auch Stücke jener schwarzgefirnißten
Tonware, die der roten »Aretiner« Art voran-
ging. Bei weitem das bedeutendste waren
aber wundervolle großplastische Stücke, wie
wir solche bisher für die hellenistische Periode
menfinden. So der prachtvolle JüngHngs-
kopf (Paris) Taf. HI (hier Abb. 7) mit
weichem, leicht melancholischem Aus-
druck, phrygischer Mütze, unter der
die Locken in freiem Spiel hervorquellen,
die tiefliegenden Augen leicht empor-
blickend, der Mund atmend geöffnet. Ferner,
Taf. IV (hier Abb. 8), ein eigenartiger, beson-
ders in der Seitensicht männlicher Art sich
stark nähernder Athenakopf mit konzen-
triertem, willensbewußtem Aufschlag der tief-
gelagerten Augen und dem leicht, etwas
trotzig geöffneten Munde sowie in freien
Strähnen unter dem Helm sich vordrängen-
den Haaren; schließlich das Bruchstückeines
nackten weiblichen Torso, der zur Aphrodite
gehören könnte. UmdenzuerstvonGhirardini
87
Italien 1914 — 1920.
ausgesprochenen Gedanken an ein Parisurteil
wahrscheinlich zu machen, verweist Pernier
auf Kompositionen wie den Spiegel Etr.
Sp. V, Taf. 99. Da diese in 5/3 Lebensgröße
stellani, der Apollon Pourtalös u. ä. drängt
sich zum Vergleich auf. Andere Stücke: ein
skopasisch kraftvoller Kopf, vielleicht eines
hellenistischen Herrschers, mit Tänic im
Abb. 8. Athenakopf ans Arezzo.
Abb. 9. Skopasischer Kopf aus Ärezzo.
ausgeführten Figurenteile keine Ansatz-
spuren auf ihrer Rückseite zeigen, wäre Frei-
aufstellung denkbar, gut passend zum »per-
gamenischen« Gepräge der Werke; manches
aus der Gigantomachie, der Dionysos Ca-
kurzen krausen Haar, den Taf. I gut wieder-
gibt (Abb. 9). Er steht auf einer Linie, die
vom Kopf Alexanders auf dem sidonischen
Sarkophag herabführt bis zum bronzenen
Kentaurenkopf in Speier ( '/o Lebensgröße).
89
Italien 1914 — 1920.
90
Ganz anders wieder ein hochpathetischer
Frauenkopf Taf. II (hier Abb. 10)
( '/4 Lgr.), gewaltsam auf die linke Seite ge-
worfen, der Blick nach oben gerichtet, in
höchster Erregung, der Mund schmerzlich
geöffnet mit sichtbarer Zahnreihe, die Augen
tief in den Schädel hineingedrückt, die Au-
genknochen mit absichtlich übertriebener
Formgebung über den Nasenansatz hoch
emporgeschoben und durch tief eingegrabene
Vertikalfurchen von der Nasenwurzel ge-
schieden, dazu phrygische Mütze mit auf-
fällig zurückgeworfner Spitze. Pernier stellt
bekleidete Füße (S. 205, Fig. 19; 3/5 Lgr.)
und eine weiche, etwas Geschwungenes
leicht umfassende Hand (S. 209, Fig. 20;
'/2 Lgr.) rufen wiederum den Vergleich auf
mit einigen jedem vertrauten Füßen und
Händen aus der pergamenischen Giganto-
machie. Von einem figürlichen Antefix
stammt nach Perniers Ansicht das Unterteil
der Gruppe (Gesamthöhe etwa 0,80) eines
nach halbrechts sitzenden kraftvollen Jüng-
lings, neben dem ein anderer stand (S. 201,
Fig. 18), ebenfalls wundervolle Arbeit, über-
haupt sowohl an den abgebildeten wie den
Abb. 10. Frauehkopf aus Arezzo.
den Kopf zwischen Niobiden und Laokoon,
doch gehört er trotz aller Anklänge an Per-
gamenisches, auch den sog. sterbenden
Alexander der Uffizi, näher an Laokoon
heran. Nur dem Motiv nach drängt sich
auch die freilich ältere Amazone Borghese
auf. Merkwürdig, wie nah sich italienische
Barockempfindung des 17. Jahrhunderts mit
einem solchen Kopf berührt, gewiß nicht zu-
fällig! Ein anderer Jünglingskopf, etwas
unter Y^ Lgr., erinnert Pernier an den Her-
mes aus Falerii im Museo Villa Giulia (Della
Seta, Museo V, G. I, Taf. XXXIX), wenn
auch der aretinische von viel feinerem Schnitt
ist, namentlich um den Mund (Not. 211,
Fig. 21), und wohl noch in das 4. Jahrhun-
dert gehören könnte. Wundervolle sandalen-
zahlreichen ähnlichen noch nicht reprodu-
zierten Stücken überall die Spuren sorgsam-
ster Handmodellierung und zahlreiche Farb-
reste. Von den vielen sonstigen plastischen
Bruchstücken, architektonischen und figür-
lichen sowie den Gefäßfragmenten sind nur
Fig. 10 — 17 einige Proben abgebildet. Der
ganze außerordentliche Fund aber erschließt
uns die Wurzeln der späteren Aretiner Kunst
und auch der bis jetzt so ganz isoliert da-
gestandenen Großwerke, der Chimaira, des
Redners, der Minerva, des Lampadario von
Cortona, ja schließlich wohl, wie Gi-
glioli mit Recht meint, auch der römischen
Wölfin, diese wenigstens als eines Werks
älterer etruskischer, wenn auch vielleicht
nicht gerade Areiiner Werkstatt. Während
91
Italien 1914^—1920.
92
die hohe Kunst Griechenlands zwischen 500
und 350 so merkwürdig stumm an Etrurien
vorübergeschritten ist, scheint mit einem
Male mit der Aufschließung der kleinen
althellenischen Welt durch Alexander das
Tor auch nach Westen von neuem sich erst
langsam, dann im 3. Jahrhundert rasch und
weit aufzumachen. Am Schluß der ersten
Hellenisierung Etruriens standen die oben
besprochenen Großterrakotten von Veii, im
vollen Strom der zweiten die wunderbaren
Tongruppen von Arezzo, zwei große Schritte
vorwärts, die eine so kurze Spanne von Jah-
ren uns gebracht hat. — Die noch ungenü-
gend bekannte Topographie des römischen
Vetulonia hat durch Aufdeckung von
Straßenzügen und Häuserresten eine wesent-
liche Erweiterung erfahren (Not. 1918, 216
bis 22), wobei Pernier römische, mit Relief-
schmuck versehene große Tonputeale be-
spricht und veröffentlicht. — Bei Asciano
ist eine in ihren Spuren schon seit 1899 be-
kannte Villa der Domitii, um Mitte des i . Jahr-
hunderts n. Chr. erbaut, durch Gamurrini
näher untersucht. .Sie hat später dem Kaiser
M. Aurelius als Abkömmling der Domitii ge-
hört; mehr darüber noch zu ermitteln sei
erwünscht (RCL. 1916, 1185; 1917, 91 — 97).
— Unweit Civitavecchia an der Straße
nach Tolfa, drei Miglien von C, sind große
Traianische Thermen entdeckt, zur Aus-
nutzung der Mineralquellen, der Aquae
Tauri, welche des Plinius (III, 52) Aquenses
cognomine Taurini voraussetzen lassen und
Rutilius I, 259 — 60 mit derselben Entfernung
von Centumcellae preist (Nissen, LK. II,
334). Noch in Hadrianischer Zeit wurde
Ziegelstempeln zufolge daran weitergebaut
(Not. 1919, 209 — 16). — Ebenfalls im Be-
reich Traianischer Thermen bei Talamone
sind Blei- und Tonröhren gefunden, letztere
mit Traianischen Stempeln, vereinzelte Mün-
zen, meist aus der späteren Kaiserzeit, so-
dann zahlreiche aretinische und nacharetini-
sche »südgaUische« Keramik, namentlich fla-
vische des L. Rasinius Pisanus, von der Be-
richterstatterin Tina Campanile für >>are-
tinisch« gehalten. Die 26 beigegebenen ke-
ramischen Abbildungen gestatten, sich von
der Bedeutung dieser Funde für die Frage
des Übergangs des keramischen Monopols
von Italien auf Südgallien seit Ende des
1. Jahrhunderts eine Vorstellung zu bilden
(Not. 1919, 261 — 75; s. oben45 zu Industria).
— Auch auf Giglio kamen römische Villen-
reste und Mosaiken zutage (Not. 1919, 275
bis 79). ■ — Die Fortsetzung der Geschichte
Toscanellas in die Kaiserzeit hinein be-
ginnt klar zu werden durch die ersten zutage
getretenen Reste römischer Bauten, von
denen wir wirklich wissen; denn eine Ther-
menanlage, von der Campanari, Tuscania e
i suoi monumenti I, 48 redet, ist unbekannt
geblieben. Jetzt haben wir einen Thermal-
bau, Straße , Häusergrundmauern, alles
nahe S. Maria maggiore. Damit wird wahr-
scheinlich, daß die etruskische Akropolis und
alte Stadt auf der Höhe von S. Pietro lag,
zu deren Füßen die römische Stadt sich aus-
breitete, wie es Nissen schon ähnlich ver-
mutete (Not. 1920, 115 — 117). — Das für
die topographische Gestaltung des römischen
Arezzo wichtige Amphitheater, unter Co-
simo L- und wieder zu Ende des 18. Jahr-
hunderts als Steinbruch benutzt, ist durch
die dortige Societä degli amici dei monu-
menti zum Gegenstand von Untersuchungen
gemacht, die sogar Einrichtungen für nauti-
sche Spiele haben feststellen wollen. Nach
Pernier wäre der Bau in die erste Hälfte des
2. Jahrhunderts zu setzen (Not. 1915, 316
bis 21). — Bei Le Sieci, unweit Pon-
tassieve, hart am Arno, an der römischen
Straße ist ein römisches Bad gefunden, durch
Mosaiken und Münzen bis in die Zeit der
Reichstrennung hinabreichend. Topogra-
phisch interessant (Not. 1916, 3 — 8). —
Schließlich seien einige Einzelfunde genannt:
bei Carrara, zusammen mit einer Traians-
münze, Eisenwerkzeuge für die Marmor-
bearbeitung (Not. 1916, 91 — 94 und Fig. I);
bei Sesto Fiorentino die Stele eines Ger-
bers mit Abbildungen von Schuhen und
Schabmesser (Not. 1914, 229 — 31 und Fig. I),
bei Titignano unweit Orvieto eine inter-
essante Weinpresse, durch Minto als solche
— torcular — mit Heranziehung sonstiger
Beispiele gut erklärt (Not. 1914, 167 — 68);
der Bestattungssarg eines Ti. Claudius Aug.
1. Pardalas Apollinis parasitus Apolausti
maioris condiscipulus Apolausti iunioris doc-
tor, mit Fieberverfluchungen für Grabfrevler,
auch formal interessant, aus Fiano Ro-
mano, wird von Cultrera Not. 1915, 158
93
Italien 1914 — 1930.
94
bis 65 (wozu Abb. S. 158) kundig be-
handelt.
Im Fali skerländchen sind besonders in
der Nähe von Corchiano durch Rellini die
zahlreichen Höhlen in den Seitenrändern der
Taleinschnitte auf Paläolithisches untersucht
worden (ML. XXVI, l — 170, vorher kurzes
Referat Bp. XLII, 74 — 85) und für diese für
Italien noch recht lückenhaft bekannten j
Frühzeiten viel Material festgestellt, das |
Rellini durch Vergleichung mit ähnlichen ;
Funden aus dem ganzen Lande von den j
Balzi rossi bis hinab zur Grotta Romanelli
nahe Cap Leuca und bis Sizilien an seinen
Platz zu bringen sucht, wobei natürlich viele
ethnologische Fragen, namentlich das Ver-
hältnis zu den Neolithikern eingehend er-
örtert werden. In einer dieser Höhlen ,
am Fosso dell'Acqua santa lagen unten Stein-
zeitreste, darüber nach Rellini vielleicht —
denn es ist ja bekannt, wie dünn und viel-
fach ganz zweifelhaft in Mittelitalien und
weiter südlich sog. reine Bronzezeit anzu-
treffen ist — eine bronzezeitliche Wohn-
schicht, darüber (Bp. 82 und ML. 171 — 74,
durch Giglioli behandelt) zwei Stipes sacrae,
Füße, Hände, Köpfe, kleine Kultbildchen,
Wickelkinder, Gefäße usw. aus Terrakotta,
alles gehäuft namentlich um ein rohes sitzen- !
des Frauenbild, das im Grunde der Höhle noch 1
an seinem Platze war, wie ebenso an die {
Felswand gelehnt noch ein Wickelkind so
stand, alles unberührt gefunden, langsam von
der schützenden Erd- und Staubdecke zuge-
deckt, daher »Caverna della Stipe«. Die j
Zeit dieses Kultes war wahrscheinlich das
3. bis I. Jahrhundert, die künstlerische Phy-
siognomie etwa die des obersten Heiligtums
von Satricum-Conca, von Vignale bei Civita-
castellana oder der luno Curitis ebendaher j
oder des Hercules Victor von Tivoli. Der '
Name des Fosso, über dem die Höhle sich
fand, auch wohl die unbewußt wirkende ,
Analogie der zahlreichen neuerdings aufge-
fundenen und auf Wasserkultstätten ge- i
deuteten Heiligtümer in andern italischen i
Gegenden, auf Sardinien, in Apulien und
Lucanien haben Rellini ynd Giglioli auf die i
Vermutung geführt, auch hier habe die Ver-
ehrung wohltätigem Wasser gegolten. —
Sonstige Untersuchungen im kleinen Länd-
chen galten Gräbern, so zwei Gruppen, einer !
»altitalischen« Brandgruppe und einer Be-
stattungsreihe mit vielem Tongeschirr, dar-
unter guten faliskischen Gefäßen (Fig. 7
bis ll) von archaischer bis zur kaiserlichen
Zeit bei Rignano (Not. 1914, 265 — 81),
ferner sehr inhaltreichen Kammergräbern bei
Vignanello, durch Gabrici und später Gi-
glioli, deren Inhalt jetzt in einem Saal des
Museo V. Giulia vereinigt ist (Not. 1916,
37 — 86). Die Kammergräber, quadratisch,
mit Dromos und ringsum mitunter sogar in
mehreren Reihen übereinander angeordneten
Loculi, vereinzelt auch mit drunter skul-
pierten Klinefüßen für Bestattungen, eine in
der Mitte gestützt durch eine im Fels stehen-
gelassene, trefflich erhaltene tuskanische
Säule (Fig. 2 — 3), sind von einer späteren
Generation wieder benutzt worden, wie es
scheint, nach geraumer Unterbrechung, mit
Beiseiteräumung der früheren Gebeine und
Beigaben. Während die Anlage des Grabes
nach den Vasenfunden, sf. und strengrf., in
den Anfang des 5. Jahrhunderts gehört, auch
jenes Grab mit der Säule, beginnen die Bei-
gaben der zweiten Periode mit der Alexander-
zeit oder bald hernach, als für das Ländchen
nach längerem Hin und Her der Anschluß
an Rom entschieden war und manche Ver-
schiebungen der Bevölkerung im Gefolge ge-
habt haben mag. Da wurden die früheren
Gräber vielleicht von neuen Familien be-
setzt, bis aufs letzte Fleckchen und herab
bis an die Kaiserzeit, die Loculi mit Ziegeln
verschlossen, die in reicher Fülle, vereinzelt
auch wieder jüngere Namen über älteren,
mit faliskischen Aufschriften bemalt wurden,
die in guter Faksimilewiedergabe von Giglioli
veröffentlicht und am Schluß von Nogara
kommentiert werden. Den jüngeren Bei-
setzungen sind gut bemalte faliskische Vasen
(Fig. 10 — 17), ferner Bronzegerät, Kande-
laber u. a. beigegeben, den älteren neben ein-
fachem einheimischem Geschirr alter Über-
lieferung jungsf. und rf. attische Vasen,
unter denen besonders beachtenswert sind
eine rf. Kylix, dem Kachrylion verwandt
(Fig. 4) mit streng symmetrisch angeordne-
ten Kampfbildern, sodann ein Stamnos, auf
A Abschiedsspende an einen Krieger, auf B
Abschiedsspende des vor einem Altar sitzen-
den Achill für den scheidenden Patroklos,
der ebenfalls gerade zu spenden bereit ist.
95
Italien 1914 — 1920.
96
Abb. II. Strengrotfiguriger Stamnos aus Vignanello.
während der ihm vorangehende Odysseus
stehenbleibt, sich halb umwendet und mit
Helm und Schwert in den Händen dem
Achill auffordernd winkt; hinter Achill steht
in der langen Tracht des Alten der kahle
Phoinix, der in der R. mit einer derjenigen
des Odysseus korrespondierenden Bewegung
ebenfalls eine Schale senkrecht hoch empor-
hält (Fig. 5 — 7; unsereAbb.il), ein gut wie-
dergegebenes ausgezeichnetes Stück, von Gi-
glioli anEuthymides genähert, vonPfuhlArch.
Anz. 1917, 38 dem Epiktet zugewiesen, was
ich doch nicht ohne weiteres unterschreiben
möchte, da mir Erfindung und Ausführung
für Epiktet zu originell und bedeutend er-
scheint. Eine eigenartige Scherbe mit dem
Bild eines die Opferschale über einen Altar
vor geschlossener Tür haltenden Jünglings
(Fig. 8) und ein Rhytonfragment des Cha-
rinos seien noch genannt. Die Gräberterrasse,
Piano della Cupa, wird überragt durch einen
Hügel, Piano del Molesino, auf dem die Spu-
ren der zugehörigen, uns bis jetzt unbekann-
ten Ortschaft festgestellt worden sind. Daher
stammt die bis heute vielleicht älteste der
Flachreliefplatten aus Ton, die so vielfach
im Volskerland, Latium, auch auf dem Fo-
rum Roms und in Etrurien gefunden und
zuletzt von Moretti Ausonia VI, 191 2, 147
bis 56 behandelt sind: ein lanzenschwingen-
der Reiter n. 1. (Fig. 46). Ebendaher eine
strenge rf. Scherbe: bärtiger Mann mit
Kranz im Haar, zwischen den überzierlichen
Fingern der vorgestreckten Linken eine
Blume, vor ihm Rest des Namens Glaukos
(Fig. 47). — Die gleiche Erscheinung wie
bei Vignanello war in Kammergräbern bei
Corchiano laut Bendinellis Bericht Not.
1920, 20 — 30 zu beobachten: auch hier An-
lage der Gräber nach dem auch für das Fa-
liskerland maßgebenden etruskischen Vor-
bild im 7. — 6. Jahrhundert mit wesent-
lich etruskischem Inhalt; dieser ist heraus-
geworfen, z. T. auf dem Boden verstreut,
um neuem Inhalt des 4. — 3. Jahrhunderts
Platz zu machen. Darunter gute faliskische
Vasen, z. B. ein ausgezeichnetes Stück: Leda
mit Schwan und Aphrodite mit Adonis, links
Hermes, rechts bärtiger Satyr als Zuschauer
(Fig. I — 2), die Einzelmotive attischen Er-
findungen der Zeit zwischen Meidias und
Kertsch abgelauscht, z. T. wiederkehrend auf
einem von Bendinelli gut beigezogenen Spie-
gel. — Umgekehrt ein Kammergrab bei
Nepi, des 6. — 5. Jahrhunderts, das ein älte-
res Fossagrab durchschnitt, aber sorgsam
abmauerte (Not. 1918, 16 — 19).
Rom und seine unmittelbare Umgebung.
Da auch in Rom während des Krieges die
Bautätigkeit beschränkt war und nur das
97
Italien 1914 — 1920.
98
Notwendigste zur Ausführung kam, war
innerhalb der Stadt die Bodenbewegung ge-
ring und galt meistens nur der Fortführung
von früher Begonnenem. Nur in der Pe-
ripherie der antiken wie der neuen Stadt
ging es etwas lebhafter zu, so daß unsere
Gräberkenntnis manche dankenswerte Be-
reicherung erfuhr. Die an den Palilien 1916
mit feierlicher Rede des Regierungskommis-
sars Lanciani (Bull, comun. 1916, 196 — 207)
erfolgte Übergabe der »Zona monumentale«
durch den Staat an die Stadt, vom Kapitol
bis zur Porta Appia sicherte zwar dies Gebiet
vor der Gefahr moderner Bebauung, nach
neun Arbeitsjahren und Aufwendung von
7 Millionen Lire; aber damit wurde doch
auch zugleich ein gewisser Abschluß markiert
und die von Lanciani in seinen Schlußworten
hoffnungsvoll hingemalte Erweiterung dieser
Zone namentlich durch Aufnahme der großen
Pläne Riccis (Ricci, BoU. d'Arte V, 1912,
446 — 55 und Per l'isolamento degh avanzi
dei Fori Imperiäli, Roma 1913; Hülsen,
Internat. Monatsschr. 1912, August) einer
von der Gegenwart zunächst noch getrennten
Zukunft überwiesen. — Auf dem Viminal
kamen zwischen vulkanischen Schichten von
Pinza als »Hüttenböden« erklärte Anlagen
zutage, für deren sichere Beurteilung jedoch,
zumal Artefakte fehlen, die Anhaltspunkte
vermißt werden (RCL. 1917,761 — 67). Daes
als Notwendigkeit empfunden wird, in das
Gassen- und Häusergewinkel zwischen Ka-
pitol, Tiber, Via Arenula und Corso Vitt. Em.
Luft und Licht zu bringen, wird, wenn auch
auf Kosten manch reizvoller Mittelalterbil-
der, der Kenntnis des alten Rom hier wohl
manch neuer Aufschluß winken, wenn, was
leider zweifelhaft, guter Wille und Geld da
ist (s. Bull. com. 191 5, 340). So gaben Ar-
beiten, die zur Freilegung verschiedener Por-
ticus frumentariae am Forum holitorium
führten, Lanciani Anlaß zu einer z. T. gegen
Hülsen gerichteten Untersuchung über die
verschiedene Lage und Benennung dieser
Hallen (Bull. com. XLV, 1918, 168—92,
tav. XIV — XV). So wurde der trotz seiner
Entfernung vom Circus Flaminius und daher
wohl mit Unrecht früher meist für Hercules
Custos in Anspruch genommene Rundtempel
nahe S. Nicola dei Cesarini untersucht und
der andere Tempel unter S. Nicola als näch-
Ai'chäologisclicr Anzeiger 1931.
stes Angriffsobjekt in Aussicht genommen
(Bull. com. XLIII, 1915, 340) und dieselbe
Gegend zum Gegenstand einer ausführlichen
Untersuchung durch Marchetti-Longhi ge-
macht, der mit Hilfe des kapitolinischen
Stadtplans hier, neben und, wie er meint,
der großen Porticus Pompeii noch vorauf-
gehend die Porticus Octavia, auch Corinthia
genannt, erkennen möchte, auch eine um-
fassende Arbeit über den Circus Flaminius
in Aussicht stellt (Bull. com. XLVI, 1918 —
1920, 115 — 160 und tav. IV, mit unmotivier-
tem und würdelosem Ausfall gegen Hülsen
und uns Deutsche S. 125); v. Domaszewskis
Behandlung desselben Gebiets, von der er
wohl einiges hätte lernen können (Arch. f.
Rel.-Wiss. XII, 67 — 82 = Abhandlungen z.
röm. Religion, 1909, 217 — 233) ist Marchetti
vermutlich unbekannt geblieben. — Nicht
auf neue Fundtatsachen sich gründende topo-
graphische Untersuchungen übergehe ich an
dieser Stelle, ebenso die große Mehrzahl der
rahllosen Einzelfunde, die in den Notizie oder
dem Bull. com. verzeichnet sind, nur das
Bedeutendere heraushebend, was fortan nur
das kaiserliche Rom angeht. Manches, wor-
über man gern ausgiebig berichten möchte,
ist durch das Schweigen der dazu Berufenen
noch wissenschaftlich verschlossen. Das
gilt namentlich von den für die Geschichte
des Hügels und römischen Privatbau und
Dekoration der letzten vorkaiserlichen Zeit
so außerordentlich ergebnisreichen Tiefgra-
bungen auf dem Palatin, die ich 1912, 1913,
1914 in ihrem Fortgang bewunderte: Hülsen,
Voss. Ztg. 1916, Sonntagsbeil. 5, S. 29 — 31.
— Ob der Zeitungsnachrichten zufolge ernst-
lich ins Auge gefaßte Plan, die Ära Pacis,
zeitgemäßer Erwägung folgend, in einem der
Säle des Palazzo S. Marco zur Vereinigung
bzw. Aufstellung zu bringen, der Verwirk-
lichung nahe ist, weiß ich nicht. Hülfe
dieser schöne Gedanke dazu, die noch zer-
streuten Stücke aus dem Vatikan und V.
Medici, aus Florenz, Wien und Paris wirklich
wieder zu versammeln, so wäre damit nicht
nur ein idealer Gedanke schön erfüllt, sondern
auch das Studium des einzigartigen Denk-
malswesentlich erleichtert und hoffentlich die
Bergung der noch unterm Palazzo Fiano-
Almagiä ruhenden Stücke damit wieder mehr
in den Gesichtskreis gerückt. — Für die
99
Italien 1911. — 1920.
100
Kenntnis des Gebiets zwischen Via Flaminia
und den beiden »Busta« Antonini und M.
Aureli (Studi Romani I, 1913, 5 — 15; Arch.
Anz. 1913, 140 — 143) hätte der große Par-
lamentsneubau wohl noch mehr ergeben kön-
nen, wenn Zeit gewesen wäre, ihn mit mehr
Rücksicht auf die Wissenschaft zu betreiben.
So wurde unter den einstigen Stallungen des
Palazzo Chigi ein Cippus gefunden, der
Kunde gibt von einer am 19. September 152
durch zwei Curatores operum publ., von
denen einer dasCognomenSabinus trug, frei-
lich aus der Tribus Papiria, pro incolumitate
Augustorum vollzogenen Weihung an Sil-
vanus, auf Grund einer Platzbewilligung
durch zwei frühere Curatores op. publ. et
aed. sacrarum A. Flavius Longinus und Te-
rentius lunior (Not. 1916, 395 — 98 und Bull,
com. XLIV, 1916, 37—54, 234—35). —
Leider topographisch wohl kaum verwendbar
ist eine mächtige, reichverzierte Säulen-
plinthe (1,60, ob. Durchm. 1,25), die unterm
Pal. d. Missione herauskam, aber nie ver-
setzt, daher nie im Gebrauch war. Auf der
Plinthenvorderseite ein Delphin zwischen
zwei Greifen, der Torus von prachtvollem
Lorbeerkranz, mit Tänien gebunden, durch-
zogen, mit dem Torus der Traiansäule eng
verwandt, also wohl auch traianisch, mit
Didyma vergleichbar (Not. 1915, 322 — 24 m.
Abb.). Und wohl ebenso steht es mit einem
großen Marmorcippus des I. Jahrhunderts,
der gegenüber dem Staatsarchiv an der
Piazza Campo Marzio herauskam, mit Bu-
kranien, Festons und Tänien reich ge-
schmüefet, wenn auch in etwas harter, emp-
pfindungsloser, auch nicht ganz fertiger Aus-
führung, der nach Marianis richtiger Darle-
^ng kein Altar, sondern ein Cippus für Auf-
nahme eines Aschengefäßes ist, also in dieser
Zeit auf dem Marsfeld nichts zu suchen hat
und herverschleppt sein muß für Brunnen-
zwecke (Bull. com. XLV, 1917, 93—102,
Taf. VI— VII, Fig. 1—3). — Das Nieder-
reißen des Pal. Piombino hat wenigstens das
Gute gehabt, daß unter ihm und in der Nach-
barschaft ein ganzes Stück des alten kaiser-
lichen Roms herausgekommen ist, von dem
Not. 1917 Plan zum Bericht E. Gattis9 — 20:
rechtwinklig gekreuzte Straßen und Teile
mehrerer Insulae, von großen zusammen-
hängenden Bauten gefüllt, die, namentlich
ein großes Gebäude an der Via Flaminia,
unten ganz zu Läden geöffnet sind. Die
Räume, alles Erdgeschoß, unter denen auch
eine geräumige öffentliche Latrina, mit
Kreuzgewölben überdeckt. Wieviel von
älteren Bauten, z. B. hier der Porticus Vip-
saniae, darin steckt und später überbaut ist
oder durch Quermauern verengt und zu Ta-
bernen umgewandelt, hat sich nicht völlig
sicher ausmachen lassen. Sowohl hadriani-
sche als Stempel des 4. — 5. Jahrhunderts
Abb. 12. Römischer Porträtkopf aus Rom.
sind gefunden. Im Innern sind große
Lichthöfe angeordnet. Das Kloakensystem
ist noch zum Teil gut festgestellt. Wichtigere
Einzelfunde sind ein wundervoller bartloser,
emporblickender Porträtkopf eines alten
Mannes (3. Jahrhundert, erste Hälfte: Not.
1917, 19, Fig. 8 = Bull. com. 1917, 221,
Fig. I, wonach hier Abb. 12), ein guter
Knabenkopf, kein Idealkopf, wie Fornari
wollte (Not. 21, Fig. 9 = Bull. com.
1917, 222, Fig. 2), sowie zwei kopflose Statuen
desAsklepios(Neugebauer,Asklepios,78.Berl.
Winck.pr. 1921, 3ff. Taf. I) und der Hygieia,
die Kopien aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.,
die Originale er aus dem 5., sie aus der zwei-
ten Hälfte des 4. Jahrhunderts (Mariani,
Bull. com. XLII, tav. I, II, S. 3—12; ebenda
101
Italien 1914 — 1920.
10^
macht Lanciani 13 — 24 wahrscheinlich, daß
beide Statuen aus der Statuensammlung des
Cosimo Giustini stammen, also erst in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den
Bereich des späteren Pal. Piombino gekom-
men sind, wo sie zum zweiten Male begraben
wurden). — Der Tempel des Antoninus Pius
und der Faustina ist durch A. Bartoli mit
Hilfe der alten Handzeichnungen, die er in
seinem Monumentalwerk »I monumenti an-
tichi di Roma nei disegni degli Uffizi di
Firenze, I — V, Roma 1914 — 1920« veröffent-
licht, neuer Untersuchung unterworfen, die
an diesem Beispiel schön zeigt, was alles
noch aus jenen Zeichnungen herausgeholt
werden kann. Interessant ist die damit ver-
bundene Auffindung figürlicher Antefixe, wie
. füllhorntragender Viktorien (Fig. 6, 7) und
Stücke vom Geison des durch Urban V.
1362 — 70 zerstörten Giebels, von denen noch
Stücke von jenen Zeichnern in der Vorhalle
des Tempels gesehen und gezeichnet wurden
(F'g- 4, 5)- Eine überzeugende Rekonstruk-
tion des Podium, des Grundrisses und der
Seiten wird gegeben (ML. XXHI, 949 — 974
und zwei Tafeln). — Auch einige kleine
HeiHgtümcr sind näher untersucht worden.
Zunächst das bekannte Privatmithräum un-
ter S. demente. Die erneuten Arbeiten der
irischen Mönche daran hat L. Nolan, The
Basilica of S. demente in Rome', 1914 zu-
/ sammengefaßt; darüber Bericht Cumonts
CRAc. 191 5, 203 ff. undCantarellisBull.com.
191 5, 69 — 70. Neugefunden ein kubischer
Altar mit Mithrasbild, Solbüste und zwei
JüngHngsbüsten, denen zwei andere an der
nicht gefundenen Kehrseite entsprochen ha-
ben werden, nach Cumont »Jahreszeiten«.
Auf der Leiste Cn. Accius Claudianus pater
posuit, d. h. pater sacrorum nach Cumont.
Die Gens Accia war also wohl die Besitzerin.
Mütterlicherseits stammt aus ihr Antoninus
Pius. Zeit: Ende des 2. Jahrhunderts. Viele
Eberknochen sind augenscheinlich Opfer-
residuen. — Am Viminal, über Via Cavour,
im Bereich des einstigen Klosters S. Fran-
cesco di Paola ist eine quadratisch in den
Fels gearbeitete Kammer gefunden mit bal-
dachinartig geschwungenem Satteldach, ei-
nem Pfeiler in jeder Ecke, einer Aedicula
dem Eingang gegenüber, in der Mitte des
Raums ein viereckiger Tuffkörper — Al-
tar? — , davor ein Brunnen, der 4 m unterm
Boden noch Wasser hielt. Ob eine kopflose
Marmorherme Dionysos genannt werden darf,
steht dahin (Not. 1916, 166 — 170). — Ebenso
wurde eine kleine Quellaedicula beim Aus-
heben der Fundamente für das neue Unter-
richtsministerium draußen am Viale del Re
entdeckt, gestiftet der schönen Inschrift zu-
folge im Jahre 70 n. Chr. durch zwei Magistri
quinquennales und ihre beiden Frauen: Fonti
d. d. (Not. 1914, 362 — 63, Bull. com. XLII,
1914, 52 — 53). — In einem Raum an der Via
XX Settembre, wo sich zwei weibliche Ge-
wandstatuen ohne den besonders eingesetzten
Kopf gefunden haben, möchte Pasqui das
von den Itineraren zwischen den Sallusti-
schen Gärten und den Diokletiansthermen
verzeichnete Senaculum mulierum erkennen.
Von diesem Bau wissen wir zu wenig und ge-
funden ist auch zu wenig, um diese Vermu-
tung genügend zu stützen. Die Statuen sind
gute Arbeiten augusteischer oder ihr noch
.naher Zeit (Fig. 2, 3), nur unter der von
Pasqui selbst allerdings erkannten Möglich-
keit in die Zeit des Elagabal oder später zu
setzen, daß alte Köpfe entfernt und zeit-
gemäße Köpfe aufgesetzt worden seien (Not.
1914, 141 — 46). — Das bei weitem inter-
essanteste solcher Heiligtümer ist die viel-
besprochene Basilika an der Via Prenestina
unter der Bahnlinie Rom-Neapel, nahe der
Porta Maggiore, ihre Grundfläche 13% m
unter dem heutigen Boden, intakt erhalten
trotz der schon ein halbes Jahrhundert über
sie hinwegbrausenden Bahnbewegung unse-
rer Zeiten. Sie war schon in ihrer Anlage
unterirdisch gedacht, eingetieft in den Tuff,
der Bogenscheitel ihrer Wölbung noch unter
der antiken Erddecke. Das aufgehende
Mauerwerk aus mit Kalk gebundenem Stein-
schlag, Emplekton, ebenso Bögen und die
Tonnenwölbungen, wahrscheinUch aufgemau-
ert auf Lehren, die man zunächst im Urboden
stehenließ, wodurch sich auffällige Ungleich-
heiten der Ausführung erklären mögen. Der
westlichen Schmalseite liegt eine annähernd
quadratische Vorhalle von etwa 3 !4 m Seiten-
länge vor, die den Eingang von Norden auf-
nimmt in Gestalt eines Ganges, der zuletzt
eben, vorher jedoch zum kleineren ebenen
Stück im rechten Winkel von Osten kom-
mend mit 15 % Neigung von der Oberfläche
4*
v\ >
nt\
^
ID3
Italien 1914 — 1920.
104
herabsteigt. Eine viereckige Öffnung spen-
dete dem Vorraum Licht, oben durch eine
Brustwehr aus Tuffretikulat geschützt. Der
Hauptraum, 1. 12 m, breit 9 m, ist in drei
Schiffe geteilt, deren mittleres 3 m, die seit-
lichen je 2 m breit sind. Je vier Durchgänge
verbinden die Schiffe miteinander, die tren-
nenden viereckigen Pfeiler von i ,25 und 0,95 m
Seitenlänge sind durch gedrückte Bögen ver-
bunden (Abb. 13). Dem Mittelschiff ist im
Osten eine Apsis vorgelegt von 1,55 m Seh-
Abb. 13. > Basilika« bei Porta Maggiore.
NebcnschifF.
n^nlänge, in deren Mitte auf dem Fußboden
eine Art Kathedra gestanden haben muß,
deren Seitenlehnen noch ihre Spuren in der
Rückwand hinterlassen haben. Ein kleiner
Hohlraum unter dem Apsisboden, der sich
bis unter die Mauer hinzog, barg die Ske-
lette zweier Bauopfer, eines Hundes und
eines Schweines, deren rituelle Schlachtung
sich vielleicht in zwei kleinen Gruben vollzog,
die sich noch vorfanden. Die Pfeiler zeigen
nach der Mittelschiffseite je eine rechteckige
Nische, von einem Stuckrahmen eingefaßt,
in der eine Platte eingelassen war — leider
alle entfernt — , über deren Funktion, ob
Schmuck oder Inschrift oder beides, nichts
zu vermuten ist. Unter jeder Nische erhob
sich vom Boden ein o,8om hoher, 0,35 m
breiter aufgemauerter Pfeiler, der irgend-
einen Gegenstand trug. Beleuchtet wurde
der Mittelraum durch eine oben in der Ein-
gangswand gelassene Lichtöffnung, welche
wieder von jener über der Vorhalle ihr Licht
empfing. Für weitere Beleuchtung nament-
lich der Nebenschiffe sorgten Lampen, die
von den Bögen zwischen den Pfeilern herab-
hingen, wo ihre Befestigungsspuren noch er-
halten sind. Feiner weißer Mosaikboden,
schwarz gesäumt, und meist weiße Stuck-
dekoration an den Wänden, zuoberst und
an den Wölbungen auch farbige, verliehen
dem ganzen Bau, auch den Zugangsgalerien,
wie anzunehmen ist, ein reiches Schmuck-
kleid. Gern würden wir demselben die Be-
stimmung des Baues abfragen. Aber weder
die realistischen Porträts an den Pfeilern
noch das Bild einer Nike, welche Palme und
Kranz hält, zwischen zwei anbetenden Ge-
stalten auf der zylindrischen Apsiswand, also
über der vorauszusetzenden Kathedra, geben
uns genügenden Aufschluß. Auch die leider
mangelhaft erhaltene, daher auch bis jetzt in
Abbildung nur ungenügend vorgestellte große
Komposition in der Apsiswölbung bringt uns
bis jetzt nicht mit Sicherheit weiter, da die
Darstellung ohne Analogien ist: eine Frau in
Mantel und Schleier, von Eros unterstützt,
steigt herab von einem Felsen ins Meer, wo
sie von einem Triton empfangen wird, der
mit ausgebreitetem Tuche sich anschickt, sie
zu gegenüber sichtbaren Felsen zu bringen,
ein zweiter Triton im Meere bläst die Muschel-
trompete; zwei Männer, der eine stehend,
es ist Apoll mit dem Bogen, der andere nach-
denklich sitzend, erwarten die Frau auf jenen
Felsen. Sollte Dinsmoor Curtis (AJA. XXIV,
1920, 146 — 50) mit Recht Sapphos Sprung
erkannt haben? Cumont, Rass. d'Arte 1921
Febbr. nimmt Curtis Deutung an, sie in
neupythagoräischem Sinn erklärend. Pa-
ribenis Bedenken gegen die Deutung (Atene
e Roma 1920, 172 — 76) sucht Bagnani,
Journ. of Rom. Stud. IX 1919 (ausg. April
1921), 78 — 85 zurückzuweisen. Wo schon
diese durch ihren Platz besonders augenfälH-
gen Darstellungen versagen, ist nicht zu er-
warten, daß wir den zahlreichen anderen
105
Italien 1914— 1920.
106
Abb. 14. Stuckbild aus der »Basilika« bei Porta Maggiore.
Stuckreliefs mehr entnehmen können, die sich
durchweg in der Richtung der junghellenisti-
schen Erfindungen bewegen: Helenaraub und
Hesionebefreiung, Raub des goldenen Vließes
durch den auf einem Opfertisch neben dem
Baum knienden lason, während Medea von
der andern Seite kommend die Schlange
durch Speisung ablockt (hier Abb. 14) und
Herakles mit Hesperide, die Äpfel holend,
Bestrafung der Danaiden und des Marsyas,
Leukippidenraub und Raub eines gany-
medesartigen Mundschenken mit Krug und
Fackel durch einen Windgott, ein Schul-
meister mit zwei Knaben (hier Abb. 15 ; von
Wolters fein erklärt durch Vergleich von Kalli-
machos epigr. XLIX Schneider), und andere
Genreszenen, Prästrigiatoren und Tänzer
(Abb. 16), ländliche Opfer und Wagenrennen,
mit Pygmäen, Eroten auf Schmetterlingsjagd
oder einen Ziegenwagen lenkend, Athleten im
Kampfschema und Betende, Mänaden auf
Panthern und bacchische Gestalten, Gorgo-
neiaundheiligeGeräte, Kandelaberund Nikai
usw. — die ganze anmutigeWelt, wie sie uns
in der Casa dei Vetti oder auf den Stuckwöl-
bungen der Famesinavilla entgegentritt. Mit
letzteren ist überhaupt die ÄhnUchkeit so
stark, daß schon dadurch Gatti und Fornari,
die ersten Herausgeber, sich veranlaßt sahen,
efne Datierung in die erste Kaiserzeit auszu-
sprechen, wie sie auch mir nach den Ab-
bildungen die einzig gegebene scheint, im
Gegensatz zu Lanciani, der an hadrianische
Zeit denkt, wie vorübergehend, damals noch
ohne Autopsie und Abbildungen, auch Hül-
sen (BphWoch. 1919,259 — 64). Andererseits
muß man Lanciani recht geben, daß For-
naris Gedanke, die Anlage könne oder gar
müsse den Statiliern gehört haben, topo-
graphisch nichts weniger als zwingend zu
begründen ist. Trotz der Dekoration wird
man der Beweiskraft analoger, ebenfalls mehr
oder minder unterirdischer basilikaler An-
Abb. 15. Stuckbild [aus der »Basilika« bei Porta
Maggiore.
107
Italien 1914 — igao.
108
Abb. 16. Stuckbild aus der »Basilika« bei Porta Maggiore.
lagen, die Lanciani zusammenstellt, nicht
entgehen können und auch für diese wie für
die Basilica Crepereia, Hilariana, des Scipio
Orfitus, des lunius Bassus, der syrischen
Kulte im Furrinahain religiöse Bestimmung
annehmen müssen, wofür doch auch das
Bauopfer sprechen würde. Daß später be-
wegliche Ausstattungsdinge bei sonstiger
schonsamer Erhaltung der Basilika fortge-
nommen sind, könnte vielleicht durch Ver-
wendung für heimlichen christlichen Kult
erklärt werden (Not. 1918, 30—52, Gatti
und Fornari; RCL. 1918, 159—64, Barnabei;
Bull. com. XLVI, 1918—20, 69—84, Lan-
ciani; CRAc. 1918, 272—75 und Rev. arch.
1918, II, 52—75, Cumont). — Thermen an
der Via Portuensis, mit Ziegeln zw. 123 — 26,
worunter bisher unbekannte Stempel, mit
dazu stimmender Bauweise, ergaben Mo-
saike mit Gladiatorenszenen und reichlichen
Inschriften darauf (Fig. I— 3), auch geometri-
sche Mosaike solchen aus der Hadriansvilla
(z. B. Gusman, Fig. 73) gleichartig: Not.
1916, 311 — 318. — Der Neubau der ameri-
kanischen Akademie förderte ein Stück der
Aqua Traiana und Reste noch im frühen
Mittelalter benutzter Mühlen am Janiculus
zutage. Ausführlicheres wird Ashbys bevor-
stehende Behandlung der römischen Wasser-
leitungen bringen (Memoirs of the Americ.
Academy in Rome I, 1917, 59 — 61 und pl.
15). — Hingewiesen sei hier auch auf Da-
riers fleißige Bibliographie über das Furrina-
heiligtum: »Les fouilles du Janicule ä Rome.
Le Lucus Furrinae et les temples des dieux
Syriens«. Genf 1920. — Die Forderungen
des sich steigernden Verkehrs haben seit
geraumer Zeit Durchbrechungen der aureli-
anischen Mauer veranlaßt, zum Teil mit
solchen Übereilungen, daß die Zerstörung
wertvoller historischer Bilder lebhaft be-
dauert, ja der Wunsch laut geworden ist,
man möchte die großen Lücken durch teil-
weisen Wiederaufbau der Mauer wieder
schließen (Mariani, Bull. com. XLV, 1918,
217). Da ist es denn begreiflich, daß man
sich bemüht, die vorhandenen und natür-
lichen Durchgangspunkte des Verkehrs, die
Tore, zu erweitern und, wo Höhenverhält-
nisse oder sonstige Schwierigkeiten im Wege
stehen; diese auszugleichen. Über solche
Arbeiten an Porta S. Giovanni, Maggiore,
Tiburtina (S. Lorenzo) und Pinciana steht
ein instruktiver Bericht Marianis im Bull,
com. XLV, 193—217 mit tav. XVI— XIX
und zahlreichen Textbildern. Die Arbeiten
scheinen diesen Toren durchweg keinen
Schaden getan, ihre monumentale Wirkung
gegenüber früherer Verbauung, ja teilweiser
Schließung sogar gehoben zu haben. Die
Freilegungsarbeiten führten zur Aufdeckung
von Anbauten, naheliegenden Denkmälern,
innerhalb der Porta Maggiore auch einiger
später Malereien in schon im Altertum ver-
mauerten Seitenbögen, die wohl aus trai-
anisch-hadrianischer Zeit stammend zu den
Wasserleitungen gehörten, denen ja Porta
Maggiore ihren Ursprung verdankt. Zwei
Schichten Malereien übereinander wurden
festgestellt, die unteren einfach, mit bacchi-
schen Masken u. dgl., darüber in Zonen, die
durch rote Striche horizontal abgeteilt waren,
Szenen vom Wettkampf des Pelops und
Oinomaos, flott, mit raschem Pinsel ausge-
führt, nicht spät, interessant durch die la-
teinischen Beischriften »Myrtilus«, »Eurya-
109
Italien 1914^1930.
HO
lus«, »Ippodamia«, »Nutrix«, »Ippodamus«,
die übrigen Namen unvollständig und nur
vermutungsweise zu Nereas Pelops, Oeno-
maus ergänzt; die leider mangelhafte Er-
haltung mindert die Bedeutung, welche sonst
die Malereien beanspruchen könnten, als
Niederschlag römischer dramatischer oder
pantomimischer Dichtung. Der Bogen war
augenscheinlich vor seiner Zumauerung zu
praktischem Gebrauch vermietet, wie in
einem ähnlichen Bogen der P. S. Lorenzo
sich eine Kapelle des 11. Jahrhunderts mit
gemaltem Altar und Wandgemälden auf den
Seitenwänden des Raums eingenistet hatte.
— Gräberfunde sind wie immer reichlich ge-
macht worden, antike wie spätere. Besonders
zwei Komplexe sind beachtenswert, einer in
der Nähe des Lateran, der andere an der
Via Ostiensis. Der erste gehört zu einer
Straße, die durch Gräberfunde schon seit
1866 bekannt am Nordende der Villa Wol-
konsky hinzieht (Lanciani, FÜR. tav. 31,
Jordan-Hülsen, Top. I, 3, 246 — 47). Hier
sind sukzessive bis jetzt im ganzen fünf
oberirdische Kammergräber in Aediculaform
aufgedeckt, die hausartig aneinanderschlie-
ßend das Bild einer einheitlichen Straßen-
flucht gewähren, auch als solches erhalten
bleiben sollen (Not. 1917, 174— 79> 274;
1919, 38; Bull. com. XLV, 1918, 237—42).
Namentlich die Abbildungen Not. Fig. 2 =
Bull. com. Fig. 3 geben eine gute Vorstellung
von dem Bilde, das ähnlich bereits die Grä-
berstraßen von Orvieto im 5. und 4. Jahr-
hundert gewährten: aus Peperinquadern er-
richtete Hausfronten mit solider Fundierung,
Sockel, breiter Tür, Geison und Sima als
oberer horizontaler Abschluß, die Wandteile
über der Türhöhe verziert an einem der Grä-
ber mit Rundschilden in Relief, an andern
mit Reliefbüsten, zusammengerückt in Ver-
tiefungen, die mit Rundbögen abgeschlossen
sind, ganz der Vorstellung entsprechend, die
wir uns von der Aufstellung der Ahnen-
masken in den Atrien machen müssen. Das
Innere ist für Brandgräber eingerichtet, zum
Teil mit seitlichen Loculi zur Aufnahme von
Aschenurnen, die Wände, nicht bei allen
Gräbern, mit farbigen Stuckschichten, ein-
mal eine ältere durch eine spätere ersetzt,
bedeckt. Spätere Nachbestattungen, sowohl
Brand wie in rechteckigen, meist mit Ziegeln
abgedeckten Gruben, einmal auch in einem
Tonsarg erfolgte Skelettbestattungen sind die
Regel, hier wie in so vielen stadtrömischen
Columbarien und andern Gräbern früherer
Zeiten, meist wohl ohne daß noch ein Fa-
milienzusammenhang anzunehmen wäre; die
zum Teil mit Hilfe roh zwischengesetzter
Mauern eingerichteten Skelettbestattungen
gehören ja selbstverständlich sehr viel jünge-
ren Zeiten an. Die Errichtung dieser Gräber
nach den Bauformen und den Inschriften
der Vorderseite — • Beigaben sind außer
einigen Glasgefäßchen der jüngeren Gräber
kaum mehr gefunden • — hat wahrscheinlich
noch in der letzten Zeit der Republik oder
der ersten Kaiserzeit stattgefunden. Durch-
weg Freigelassene, soweit die leider starke
Zerstörung der Peperinquadern noch Lesung
der Inschriften erlaubt. — Ein noch ungleich
vollständigeres Bild einer solchen Nekropole
gewähren umfassende Aufdeckungen an der
Via Ostiensis in unmittelbarer Nähe von
S. Paolo, unter der bereits 1823 gleichartige
Gräber gefunden sind (Not. 1919, 285 — 354
mit Taf. VIII— IX und 35 Textabbildungen.
Lugli). Grab reiht sich hier an Grab, ganze
Insulae haben sich gebildet mit Grabhaus-
fronten nach allen Seiten und Straßen da-
zwischen, auch kleine Columbarien, jeder
freie Platz ausgenutzt, viele Aediculae, die
ursprünglich freistanden, sind später durch
andere eingebaut. Als noch mehr Raum da
war, mögen manchen Gräbern kleine Gärt-
chen beigefügt gewesen sein, aus denen dann
vereinzelt gefundene Skulpturstücke wie die
Marmorherme des einschenkenden jugend-
lichen Dionysos (Not. 343, Fig. 28) stammen
mögen. Manche Gräber sind groß, augen-
scheinlich Familiengräber gutstehender Fa-
milien, die auch schön ausgeschmückt waren,
wie z, B. die Gräber, von deren Ausmalung
die Abbildungen Fig. 5 und 6 — eine inter-
essante schöne Darstellung der Rückführung
der Alkestis durch Herakles (Abb. 17), der
köstlich lebendige Kinderkopf Fig. 30, — oder
Fig. 13, 14 eineVorstellunggcben. Die Mehr-
zahl jedoch auch hier, im Hinblick auf die
plebejische Gegend begreiflich, Gräber von
Freigelassenen. Auch hier überall das Be-
streben, den Raum immer mehr auszunutzen,
in vorhandene Gräber immer neue Toten-
reste zu verbringen, zuerst in Brandurnen
III
Italien 1914 — 1920.
1X2
Abb. 17. Herkules u. Alkestis. Bild im Friedhof an der Via Ostiensis.
Später in eingebauten Formae, die sich zum
Teil schon in christHcher Zeit über die
Scheitelhöhe der alten Gräber hinwegzogen.
Die ältesten Gräber aus dem Ende der Re-
publik und dem ersten kaiserlichen Jahr-
hundert waren die besterhaltenen, weil spä-
ter mit der infolge der Erhöhung des Tiber-
betts und dem Steigen des Grundwasser-
spiegels notwendigen immerwährenden Er-
höhung der Via Ostiensis das ganze Niveau
gehoben werden mußte und die jüngeren
Nachbestattungen daher höher, der Ober-
fläche und ihren Zerstörungsfaktoren aus-
gesetzter wurden. — Am Viale Manzoni,
zwischen Porta Maggiore und S. Croce in
Gerusalemme ist eine umfassende kata-
kombenartige Anlage aufgefunden, über
die Bendinelli, Not. 1920, 123 — 41, tav.
I — IV und 8 Textabb., sowie kurz Marucchi,
Nuovo Bull, di archeol. crist. XXVI,
I9?P, 53 ff-, berichtet haben. Den Beginn
macht ein in der zweiten Hälfte des
2. Jahrhunderts ausgemaltes Arkosolien-
gemach, mit späteren Erweiterungen nach
verschiedenen Richtungen. Eigentümer nach
den Inschriften Freigelassene der Aurelier,
welche dieselbe Familie bis ins 3. Jahrhun-
dert geleiten. Manche Türen und Arkosolien
später eingebrochen, ebenso wieder Ein-
bauten von Formae in Arkosolien. Überall
Lichtschachte und Treppen von verschiede-
nen Seiten. Die einzelnen Kammern auf ver-
schiedenen Höhen. Sorgsamer Bau aus zie-
geiförmigem Tuffstein und Backstein, mit
Wölbungen. Die zum Teil sehr guten und
gut erhaltenen Malereien verteilen sich un-
gleich. Die weitaus besten und auch wohl
ältesten sind auf hellen Grund eines Haupt-
raumes gesetzte Einzelgestalten von zwölf
Männern in weißer Tunika mit roten Säumen
und Pallium, nackten Füßen, in der einen
Hand meist eine Rolle, die andere oftmals
redebegleitend erhoben. Obwohl unter Lgr.
(M. I, 04 — I, 13), wirken die Gestalten, unter
geschickter Benutzung des zentralen Licht-
einfalls so lebendig vom Grunde gelöst, der-
artig ernst und monumental, daß der auch
von den Herausgebern besprochene Gedanke,
hier die zwölf Apostel vor uns zu haben, an
sich verständhch wird, zumal im selben
Raum viermal der gute Hirte an der Decke
wiederholt und ein kleines, grün gemaltes
Kreuz, 0,9 m hoch, im Eingang zum zweiten
Gemach in die Augen fällt. Trotzdem wird
der Gedanke, hier bereits eine christliche
Anlage vor sich zu haben, noch sorgsam ge-
prüft werden müssen. Je zwölf Gestalten
erscheinen auch in die Lünetten zweier Ar-
kosohen gemalt. Es sind aber abwechselnd
Männer und Frauen. Denn wenn auch z. B.
ein Gemälde (tav. III), das eine Lünette
desselben Raums füllt, dessen Wände mit
den »Aposteln« geschmückt sind, einen in
der Höhe sitzenden bärtigen Mann zeigt, der
über eine mit beiden Händen gehaltene offne
Schriftrolle hinwegbhckt, während zuunterst
113
Italien 19 14 — 1920.
114
Abt. 18. Rom, Grabanlage am Viale Manzoni.
auf hügeligem, mit Bäumen bestellten Boden
eine Schafherde weidet (Ziegen vermag ich
auf der Tafel nicht mit Sicherheit zu er-
kennen), zur Not auf Petrus gedeutet werden
könnte — freilich, soweit ich sehe, ohne jede
Analogie in der bildlichen Überlieferung;
Marucchi erinnert an den fiaör^TTjc 1:01-
fisvo? d^voü der Aberkiosinschrift (s. Diete-
rich, Kl. Sehr. 496) — , so versagt doch jede
christliche Erklärung bei einem andern Lü-
nettenbild desselben Raums (tav. IV, hier
Abb. 18), das, in zwei Pläne zerlegt,
zuoberst eine treffliche '»hellenistische«
Landschaft zeigt, mit einer Stadt im_
Hintergrund, ländlichen leichten Bau-
werken links und rechts vorn, auch eine
Laufbrunnenanlage, davor einen schreienden
Esel, zahlreiche Rinder und Ziegen; im un-
teren Plan einen Webstuhl, von dem rechts
eine Frau einem am Boden sitzenden, in leb-
hafter Rede die Rechte erhebenden Manne
gegenübersteht, während von links drei
nackte Männer herankommen, in denen Ben-
dinelli die Freier, in den beiden rechts Pene-
lope und Odysseus erkennen möchte: wohl
sehr fraglich. Auch die übrigen im Bericht
nur beschriebenen hellenistischen Land-
schaftsbilder entbehren der bestätigenden
altchristlichen Analogien. Eher bieten sich
solche natürlich für ein lebendig dargestelltes
Convivium. Ist freilich die Datierung vor
200 zutreffend, wie ich glauben möchte,
so dürfen wir nach solchen auch nicht gar
zu ängstlich suchen: würde es sich hier doch
in ganz hervorragender Weise um »christ-
liche Antike« handeln. — Auch das schon
seit geraumer Zeit so ausgiebige Gräber-
gebiet vor Porta Salara hat seit 1913 sehr
viele Einzelfunde ergeben, darunter eine
ganze Anzahl größerer und kleinerer Co-
lumbarien, an Inschriften, zum Teil auch an
künstlerischem Schmuck reich: besonders
bemerkenswert die Stücke eines vortreff-
lichen Reliefs, das vielleicht vom Außen-
schmuck eines Grabes stammend ein Vier-
gespann zeigt, in bestem hellenistischen Stil,
"5
Italien 1914 — 1930.
116
das über das Meer dahinfährt, von Tritonen
geleitet, von kraftvollen Jünglingen gebän-
digt, dazu gehörig schön gewandete Frauen-
gestalten, alles mit großer Frische gearbeitet:
Not. 1917, 288 — 310, besonders Fig. 6, 7;
1916, 95 — 110. Ein merkwürdiges Beispiel
von lange fortgesetztem Totenkult wenn
nicht Deisidaimonie zeigt der aus kleinen
Kammergräbern und Columbarienresten in
gutem Retikulat des i. — 2. Jahrhunderts er-
richtet gewesene, später mit kleinen Mäuer-
chen aus unregelmäßigem Material durch-
setzte und behufs Anlage von Formae mehr-
fach vom 4. Jahrhundert ab überbaute Kom-
plex E. der Gräberanlage Not. 191 7, 289,
Fig. I: ein solch kleines spätes Mäuerchen
zeigte zwei emporragende Tonröhren der be-
kannten Spenderöhrenart des i. — 2. Jahr-
hunderts. Das Mäuerchen auseinanderneh-
mend fand man in ihm, sorgfältig ausge-
spart, einen rechteckigen Hohlraum und in
ihm zwei Aschenurnen, in welche jene Ton-
röhren mündeten (294 — 95). — Ebenfalls vor
Porta Salara sind umfassende, bis zu 900 m
betragende christliche Katakombengänge er-
forscht, mit früher bekannten zum Teil zu-
sammenhängend, zum großen Teil vorkon-
stantinisch; auch hier wie oft von Interesse
die in die Loculiverschlüsse eingedrückten
Erkennungszeichen: aretinische und andere
Scherben, Münzen des 3. Jahrhunderts,
Glasstücke, einmal auch ein Kinderkopf aus
Bergkristall. Eine umfassende Veröffent-
lichung wird vorbereitet durch Josi für die
Comm. di archeol. sacra; vorläufig: Josi,
Nuovo Bull, di archeol. crist. 192O, 6off. ;
Not. 1920, 227 — 231. — Von noch weit-
greifenderer Bedeutung sind die durch die
'Comm. di archeol. sacra seit 1914 in Aus-
führung begriffenen Grabungen um und un-
ter der Kirche S. Sebastiano an der Via
Appia, um die auf Verse des Papstes Da-
masus im Liber pontificalis zurückgehende
Tradition nachzuprüfen, welche hier die vor-
übergehende Ruhestätte des römischen Apo-
stelpaares angibt. Eine Darstellung des ver-
wickelten, aber doch klaren und bestätigen-
den Ergebnisses (Doppelkenotaph, zahlreiche
die Apostel anrufende Graffiti, Refrigerium-
raum) kann hier nicht gegeben werden; eine
umfassende Veröffentlichung wird durch Ma-
rucchi vorbereitet; vorläufige Berichte und
zum Teil gegeneinander polemisierende Be-
handlungen durch Styger, Rom. Quartalschr.
191 5 und Atti Pontif. Acc. di archeol. XIII,
1917; Marucchi, N. Bull, crist. 1916 und
Bull, comun. XLIII 191 5, 249 — 78 mit dem
PlanTaf. XI; XLIV 1916, 145— €0. Unter
und neben der Kirche wurde eine römische
Villa des i. Jahrhunderts gefunden, im 4.
Stil gut ausgemalt, mit ebenfalls ausgemal-
ten Souterrainräumen (hierüber besonders
Fornari, Studi Romani I, 355 ff. und Pro-
fumo, Studi Romani II, 1914 (1916), 415 ff.);
ferner unter der Kirche drei Columbarien,
klein aber fein dekoriert; ihr Boden bei be-
ginnender Bestattungszeit zum Teil vertieft
für Formae und dann neue jämmerliche De-
koration darüber. Zerstört durch den Kir-
chenbau (Not. 191 5, 64 — 67; Bull. com.
1915, 256, 264). — Freigelegt wurde ferner
ein großer Teil des im Itin. Salisb. (de Rossi,
Roma Sott. I, 182) erwähnten oberirdischen
cimitero di Ponziano an der Via Portuensis
(Not. 1917, 277 — 88). — Auch hier sei Erwäh-
nung getan der neuen Serie der »Roma Sotter-
ranea cristiana«, deren erster Band, durch
Marucchi herausgegeben, in vier Heften die
lange erwartete und von De Rossi sorgsam
vorbereitete Veröffentlichung der für »christ-
liche Antike« ja so wesentUchen Domitilla-
katakombe und ihrer zahlreichen Denkmäler
bringt. Die Fortsetzung soll der Priscilla-
katakombe gewidmet werden. — Nachdem
die jüdischen Katakomben vor Porta Portu-
ensis erschöpfende Behandlungen erfahren
haben durch N. Müller, Atti Pontif. Acc.
Archeol. Xn, 1915, 205 — 318 und Schneider-
Graziosi, N. Bull, crist. 1915, 13 — 56 (s. auch
Paribeni, Not, 1919, 60 — 70), ist eine neue
vor Porta Nomentana im Bereich der Villa
Torlonia bekannt geworden, welche nach
Paribenis Vermutung vielleicht zu der Ge-
meinde gehört, die als Synagoge der Si-
burenses (Subura) möglicherweise jenes Ora-
torium besaß, das als Proseuche de aggere
CIL. VI, 9821 genannt ist: etwa 4500 Loculi,
zum Teil bei Kindern bis zu zehn überein-
ander, ärmlich, in einigen Arkosolien etwas
mehr Malerei, z. B. der Leuchter, Scholar,
Ceder, Mohn, Thora, Delphine, Noahtaubc,
Oliven- und Lorbeerzweige; in einem Arko-
solium ein gemalter Riefelsarkophag mit
Löwenköpfen. Wo Sarkophage, sonst nur
117
Italien 19 14 — 1920.
118
rohe Steinkisten, mit Ausnahme des doch
wohl von hier stammenden S. 155, Fig. 2
abgebildeten Sarkophags mit dem Leuchter
zwischen Pflanzen in der Mitte der flachen
Vorderseite aus V. Torlonia (Paribeni, Not.
1920, 143—55)-
Latium außer Rom. Ganz in den Vorder-
grund tritt Ostia, das sich immer mehr zu
einem latinischen Gegenstück zu Pompeji
herausgestaltet und mit Aufwendung bedeu-
tender Mittel und starker Arbeitskraft
während des Krieges auch österreichischer
Gefangener — immer weiter aufgedeckt wird
unter trefflicher Leitung kundigster Fach-
männer, namentlich Paribenis und Calzas,
nach Vaglieris vorzeitigem Tode, dessen guter
kleiner Führer, noch im letzten Institutsbe-
richt (Arcli. Anz. 1914, 192) dankbar er-
wähnt, die bisherige Grabungsperiode ab-
schloß, über welche auch in Paschettos um-
fassendem Buch (Arch. Anz. 1912, 651), so-
wie in knapper trefflicher Zusammenfassung
Hülsens (Internat. Monatsschr. VII, 1913,
Septemberheft, mit Plan) das Notwendige ge-
geben ist. Während in der päpstlichen Zeit
und noch geraume Zeit hernach die Grabung,
mehr durch Zufall als planmäßige Erwägung
geleitet, bald hier, bald dort Augenfälliges
weiter aufzudecken, namentlich aber Objekte
hervorzuholen sich bemühte, setzt seit Jahren
eine andere Methode ein, uns, die wir durch
Olympia, Pergamon und die anderen helle-
nistischen Städte Kleinasiens das Beispiel
gegeben haben, nicht überraschend: das Be-
streben, die einzelnen im weiten Stadtbild
verteilten Ruinenkom'plexe zu verbinden und
so, von der bisher am besten bekannten Mitte
nach der Peripherie gehend, zwar wesentlich
die große Hafenstadt des kaiserlichen Roms,
welche keine plötzliche Katastrophe, sondern
die Zersetzungskraft der Zeit und der Sand
zugedeckt haben, vor unserm geistigen und
soweit möglich auch dem physischen Auge
wiederaufzubauen, aber auch die tieferen re-
publikanischen Schichten zu ermitteln, um
die Geschichte des Gemeinwesens zu ver-
stehen. Alles das ist verständig dargelegt
von Calza (Bull, comun. XLIV 1916, 161
bis 95): »Scavo e sistemazione di rovine a
proposito di un carteggio inedito di P. E.
Visconti sugli scavi di Ostia«, wie man dort
jetzt vorgehe, um auszugraben, zu erhalten.
herzustellen, zu befreien, ältere Schichten
sichtbar zu machen, alles ästhetisch zu ge-
stalten, durch Modelle und Pläne zu ergän-
zen und anschaulich zu machen. Mit Recht
hebt Calza die notwendige Verschiedenheit,
z. B. von Pompeji hervor, das da aufhört,
wo Ostias uns vor Augen stehendes Bild
beinahe erst anfängt, das eine neben dem
Erwerb behaglichem campanischen Lebens-
genüsse hingegebene Stadt war, während
Ostia ganz auf Schiffahrt und Handel, be-
sonders die Korneinfuhr eingestellt, nur Be-
wohner sah, welche genötigt waren, hiermit
ihr Brot zu verdienen. Das durch diese
Lebensnotwendigkeiten bedingte Bild der
Stadt, die Gestaltung der hohen Etagen-
häuser, meist aus Backstein, mit ihren
Fensterfassaden und Baikonen, Lichthüfen
im Innern und in langen Reihen mit voller
Raumbreite sich öffnenden Tabernen (Abb. 19
bis 2 1 ), alles dem Mittelalter- und Renaissance-
haus Italiens so überraschend ähnlich, wenn
auch lange noch der Erdgeschoßbau und die
Öffnung nach dem Hof nachwirken, der Miet-
häusertyp, die Lagerhäuser, überhaupt die
verstandesmäßige mathematisch geregelte
Anlage des Straßennetzes, die allmählich not-
wendige Erhöhung der Straßenkörper, der
vier Tempel und Häuser als Folge des stei-
genden Grundwasserspiegels, da das Tiber-
bett sich immer mehr aufhöhte, der mächtige
Platz der Schiffahrtsbörse: die Piazza delle
Congregazioni mit den Mosaikinschriften,
welche den Standort der Schiffer namentlich
aus den Getreide liefernden Häfen Afrikas
und der Levante bezeichneten und dem wohl
der Ceres geltenden Tempel, das Theater,
ältere und jüngere Straßen und Tore, die
Gräber nahe der sog. Porta Romana, die
noch in republikanische Zeit fallenden vier
kleinen Tempel und der beherrschende, frü-
her schwerlich richtig für Vulkan, von Hülsen
mit gtiten Gründen für den Kaiserkult in An-
spruch genommene Backsteintempel, die
Hauskulte, allein bis wahrscheinlich jetzt
schon neun Mithräen, die Innendekorationen
mit ihren gewollten Unregelmäßigkeiten und
bei aller Ähnlichkeit mit den pompejanischen
Architekturstilen doch dem zweiten näher-
stehend als dem vierten, ihren sukzessiven
Änderungen, die uns der Füllung der Lücke
zwischen Pompeji und der Katakomben-
119
Italien 1194 — 1910.
120
Abb. 19. Ostia. Rekonstruktion.
maierei um ein so bedeutendes Stück näher-
bringen, schließlich der Niedergang Ostias,
teils durch Portus und durch das immer wei-
tere Hinausrücken der Küste, teils durch den
Abstieg Roms selbst — charakteristisch die
Verbote, Häuser auf Abbruch zu verkaufen,
das Erlöschen der Korporationen: alle diese
-vielen Tatsachen und Gesichtspunkte, durch
zielbewußte Untersuchung gut festgestellt,
unter Hinblicken auf so manche noch zu
lösende Aufgaben, sie sind von den Bearbei-
tern Ostias in manchen Einzelberichten und
einigen großen Abhandlungen der letzten
Jahre vortrefflich und gewissenhaft vor
Augen geführt; es seien genannt: Paribeni,
I quattro tempietti di Ostia (ML. XXIII,
1914, 437 — 484 und tav. I — III); Calza,
La preminenza deir Insula nell' edilizia Ro-
mana (ML. XXIII, 1914, 541 — 608, tav.
I — VI); Calza, Not. 1914, 69 — 74; Mancini,
Not. 1914, 98 — 102; Pasqui, Not. 1914,
147—51; Calza, Not. 1914, 244—56; 284
bis 91; 426—29; Not. 1915, 27—31, 242
bis 58; 324 — 33; II piazzale delle corpora-
zioni e la funzione commerciale di Ostia
(Bull, comun. XLIII, 191 5, 178 — 206 und
tav. VIII); Calza, Not. 1916, 138—148
Paribeni, Not. 1916, 176— 80; 321—29
399—428; Calza, Not. 1917, 312—26; Pari
beni, Not. 1918, 128 — 38; Calza, Gli scavi
recenti nell' abitato di Ostia, ML. XXVI,
1920, 321 — 43O; Moretti, Not. 1920, 41 — 66;
Paribeni, Not. 1920, 156 — 66. — An der Via
Ostiensis, 7 Migl. von Rom, sind die bis in
prähistorische Zeiten hinaufreichenden Reste
einer Siedelung gefunden, die in christlicher
Zeit volkreicher geworden zu sein scheint;
zwei christliche Friedhöfe, teils unter, teils
neben der von Papst Honorius I. (525—38)
erbauten Kirche S. Ciriaco: Not. 1916, 123
bis 37. Die vier dort gefundenen Sarkophage:
M^l. d'arch. et d'hist. XXXVI, 1916-17,
121
Italien 19 14 — 1910.
122
Abb. 20. Ostia. Rekonstruktion.
Abb. 21. Ostia. Rekonstruktion.
57—72 (Fornari). — Nordöstlich von Lanu-
vium fand sich zugedeckt mit einem Tuff-
block 3 m unter dem Boden altlatinisches Ge-
schirr, doch wahrscheinlich von einem Brand-
grab der alten Albaner Art, alsdann das erste
Anzeichen der Italikernekropole des alten
Lanuvium, über das auf die zusammen-
fassende Darstellung Colburns hingewiesen
sei: Am. J. of Archaeol. XVIII, 1914, 18—31,
185—98, 363—80. Leider kein brauchbarer
Fundbericht (Not. 1917, 27—30). — Die
Villenanlagen am Kraterrand des Albaner
Sees hat G. Lugli zum Gegenstand sorg-
fältiger Untersuchungen gemacht, und zwar
die älteren Anlagen vor der großen Umge-
staltung durch die Villa Domitians: Bull,
com. XLII, 1914, 251—316, tav. IX— XI;
die Domitianische Villa: Bull. com. XLV,
1917, 29-78, tav. III-V; XLIV, 1918,
(1920), 3—68, tav. II— III, beide Abhand-
lungen mit zahlreichen Abbildungen bau-
licher Einzelheiten vortreffhcher dekorativer
Dinge, namentlich Stuckverzierungen, guten
Plänen usw. — Durch eine ähnliche Unter-
suchung hat sich Lugli verdient gemacht um
die Kenntnis der oft genannten, aber nie ge-
nügend erforschten Castra Albana, die
zum Teil in die große Domitianische Anlage
eingriffen als Kaserne der zweiten parthischen
Legion, mit der Septimius Severus sich nach
Auflösung der Prätorianer sicherzustellen
suchte: das alles von Lugli auf Henzens
Bahnen fortschreitend mit guter Methode
erwiesen. Den oft besprochenen älteren Rund-
bau innerhalb dieses Lagers bringt er mit
einem Bäderbau der Domitiansvilla zusam-
men (Ausonia IX, 1919, 211— 265). — Auch
die jedem Campagnabesuchcr so augenfälli-
gen Baureste an der Via Prenestina, 2—4 km
vor der Stadt, die man früher allzu rasch
mehr oder minder eng mit der vom Scr. hist.
Aug. geschilderten Prachtvilla der Gordiane
verband, sind von Lugli, der zum Teil auf Ash-
bys fleißigen und besonders für Tor de' Schia-
vi glücklichen Forschungen weiterbaut,
ergebnisreich untersucht und geschieden in
Reste einer republikanischen Villa, später
natürlich weiter verwendet, großer später
Anlagen des ausgehenden 3. und 4. Jahrhun-
derts — wohin auch die grandiose, aber aus
123
Italien 191 4 — 1920.
124
schlechtem, zusammengesuchtem Material
errichtete Ruine »Tor de' Schiavi« nach von
Ashby festgestellten Stempeln gehört, ein
mächtiges Grab, unten die Grabgewölbe, dar-
über der Hauptraum, der für Gedächtnis-
feiern bestimmt gewesen sein muß — , zahl-
reicher Monumentalgräber zu beiden Seiten
der Straße und schließlich die Reste der
Gordianischen Villa, begonnen wohl schon
zeitig im 2. Jahrhundert, zu ihrer späteren
Ausdehnung durch Gordian HI. erweitert;
von der so gerühmten Halle von 200 Säulen
aus vier Gattungen kostbarer Marmore sind
in situ keine Säulen mehr vorhanden, aber
umherliegende Säulenstücke beweisen die
Richtigkeit der Überlieferung. Die beige-
gebenen Tafeln geben von der verschiedenen
Art des Mauerwerks und, wo erhalten, auch
von der Stuckornamentik, leider wenig, sehr
gute Vorstellung. Es ist erfreulich, daß die
von Frl. van Deman und Toebelmann so
scharf ins Auge gefaßte historische Erfor-
schung der sukzessiven Mauertechniken der
Kaiserzeit nunmehr von italienischer Seite
methodisch aufgenommen wird. Durch den
Einblick in die starke Aufsaugung des kleine-
ren Privatbesitzes durch den kaiserlichen
Besitz geben Arbeiten wie diese Luglis dem
Historiker und Wirtschaftsforscher, dem
Campagnahydrographen durch die Auffin-
dung so vieler in den aufeinanderfolgenden
Jahrhunderten erbauten großen Zisternen
und die Linien der Wasserverteilung nütz-
liche Hinweise (Bull. com. 1915, 136—67,
tav. V— VH). — Ich nannte Fritz Toebel-
mann, mit dessen Kriegertod so manche
wissenschaftliche Hoffnungen begraben sind.
Hier muß auch seines Buches über den Bogen
von Malborghetto Erwähnung getan wer-
den, das als Abhandlung 2 der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften 191 5 posthum
erschienen, von der schönen Entdeckung
Kunde gibt, die, gemeinsamer Arbeit Toebel-
manns und Hülsens verdankt, in einem qua-
drifronten Backsteinbau, der 17 km von Rom
entfernt auf weithin sichtbarer Höhe der Via
Flaminia sich erhob und noch im Casale di
Borghettaccio steckt, von Giuliano da San-
gallo gezeichnet wurde, den Triumphbogen
wiedererkennt, welcher Konstantins Sieg ad
saxa rubra über Maxentius festzuhalten be-
stimmt war. Ist auch der arg verbaute Bo-
gen jetzt nur noch ein unscheinbares Skelett,
so ist es Toebelmann doch möglich gewesen,
mit Hilfe Sangallos und der noch am Bau
erhaltenen Verkleidungsstücke das Bild des
Bogens durchaus glaubhaft wieder aufzu-
bauen, ferner aber auch, und zwar im Gegen-
satz zu Moltke, die historischen und topo-
graphischen Konsequenzen aus der Ent-
deckung zu ziehen, natürlich auch für die
Würdigung der Quellen von beträchtlicher
Bedeutung. Erfreulich ist die rückhaltlose
Zustimmung eines durch seine Studien in
Tripolitanien für spätrömische Triumph-
bögen so kompetenten Beurteilers wie L. Ma-
riani. Bull. com. XLVI, 1918— 20, 252—55.
— Das endlich mehr in den Vordergrund
des Interesses tretende Velletri (Arch. Anz.
1914, 193) hat uns durch die erfolgreiche Un-
tersuchung eines volskischen Tempels unter
der Chiesa delle Stimmate einen erfreulichen
Einblick in seine Vorgeschichte gebracht.
Der Grundriß eines wenigstens einmal ver-
stärkten Tempels, SO-NW orientiert, mit
Peribolosmauern und ringsum verschiedenen
runden Favissae wurde festgestellt; in den
Favissae wurden viele jener archaischen
Terrakottareliefs gefunden, auch, wie sich
jetzt klarstellte, die 1784 entdeckten Borgia-
reliefs, jetzt in Neapel. Andere an der Peri-
bolosmauer. Überall Schutt voller alter
Reste. Die neuen Reliefs sind gut in Farben
und bestehen aus verschiedenen Reihen.
Auch zwei Stücke freiplastischer Giebel-
figuren und Stücke freiplastischer Akro-
terien sowie viele andere architektonische
Stücke, namentlich Simen und Antefixe.
Das Tongeschirr begann mit latialischem,
wozu »Protokorinthisches« verschiedener Ar-
ten, sf. und rf. attischer Import tritt, als-
dann Etruskisch- Campanisches. Den Höhe-
punkt scheint der Kult im 5. Jahrhundert
erreicht zu haben, nachdem sich die Volsker
494 von der ersten Überrumpelung durch
Rom freigemacht hatten. Ein offenbarer
Rückgang scheint einzutreten nach der zwei-
ten Eroberung 404 und der Niederwerfung
der vergeblichen Aufstände 393 und 377,
die dann ja auch, den Scherbenfunden in
und unter der sog. kyklopischen 'Stadtmauer
von Norba zufolge (Auswahl im archäol. In-
stitut Heidelberg), zur Gründung jener
Zwingburg gegen das Volskerland geführt
125
Italien 1914 — 1930.
126
hat. Die Velletrifunde zeigen, wie selbst-
verständlich, die größte Verwandtschaft mit
gleichartigen Stücken aus Satricum-Conca,
Rom und Südetnurien (Mancini, Not. 191 5,
68—88). In dem Zusammenhange ist auch
von Interesse, daß eine Inschrift die Wieder-
herstellung einer verfallenen direkten Ver-
bindungsstraße zwischen Velitrae und Satri-
cum, der Via Mactorina, meldet (Not. 1918,
138—41), die bisher unbekannt war. 14000
Sesterzen werden für Silextransport zu die-
sem Zweck bewilligt.
Sabina. Bendinelli veröffentlicht Not.
1915, 273 — 78 Grundmauern und sonstige
Reste eines großen, vielleicht öffentlichen
Gebäudes in Rieti, das eine höhere Be-
deutung Reates in der Kaiserzeit vermuten
läßt, als nach Colasantis letzter Bearbeitung
der Stadt (Bell. d. R. Dep. d. stör, patria
p. rUmbria 191 1) zu erwarten wäre. — Als
wertvolle Vermehrung der eigentümlichen
Grabreliefs provinziellen Charakters aus dem
Abruzzengebiet Amiternums (s. Rom.
Mitt. XXIII, 1908, tav. IV und S. 15 — 25;
26—32) sind in der Nähe San Vittorinos
zutage gekommene Reliefs zu begrüßen, die,
der ersten Kaiserzeit angehörend, gewiß den
Schmuck architektonisch gestalteter Grab-
aediculae von Amiternum bildeten: Stücke
eines Frieses: aus einem Tor heraustretende
Gladiatoren, nach ihren Klassen deutlich be-
zeichnet, denen voran von Togati begleitete
Fercula getragen werden, auf denen Statuen
des luppiter und der luno stehen, uti ve-
huntur in pompa ludorum circensium de-
orum simulacra (Macrob. I, 23, 13), eine
gute Illustration auch zu Ovid. Am. HI, 2,
44—60. Davor eine Biga, dann zwei Er-
wachsene und zwei Jünglinge, auch diese
schon in der Toga, davor wiederum eine
Biga, von Viktoria geleitet. Vielleicht zum
gleichen Fries, wenn auch an einer anderen
Seite des Baues, gehörten zwei Tubicines
(Fig. 1 — 5). Zu einem andern Denkmal ge-
hörte ein sehr viel besser gearbeitetes Plat-
tenstück, das einen gorgogeschmückten Rund-
schild zwischen zwei Beinschienen zeigt (Fig.
6), zu einem andern ein rankenverziertes
Friesstück (Not. 1917, 332—41).
Campanien. Bei Santa Scolastica,
4 km von Cassino, an der Straße Rom— Ne-
apel, ist ein Fund roher Tonväschen gemacht,
jetzt im MuseoJ'preistorico in Rom, der
Pigorini Anlaß gab (Bull, di pal. XLH,
85 — 95), ähnliche Funde, auch solche mit
rohen menschlichen Figuren, ähnlich denen
von Butmir, späten Terremaren oder frühem
Latium aus ganz Italien zusammenzustellen
und ihren Votivcharakter wahrscheinlich zu
machen (S. Scolastica, Emilia, caverna Re
Tiberio bei Casola Valsenio [Prov. Ravenna],
Viminal, Satricum, Tivoh, Valvisciolo bei
Sermoneta, Dea Nortia bei Bolsena, Nym-
phenheiligtum der Marica bei Minturnae, die
Grotten und Höhlen von Pertosa und La-
tronico, S. Maria di Luco, Croccia-Cognato,
Servirola usw.). Pigorini vergleicht die ähn-
lichen Funde beim Curtiheiligtum bei Capua,
übersieht die gleichen Funde beim »griechi-
schen« Tempel von Pompeji und meine in
gleicher Richtung sich bewegenden Zusam-
menstellungen »Der griech. Tempel von Pom-
peji«, 1890, 12—13; 25—26. — Wichtig ist
Spinazzolas Bericht über ein zweites Amphi-
theater in Pozzuoli (Not. 1915, 409—15),
auf das sich Erwähnungen bei Sueton Aug.
44 und Cässius Dio LXIII, 3 beziehen, das
auf dem Glasgefäß von Odemira (Fig. 4)
in der Tat abgebildet ist und sich jetzt nahe
dem bekannten gefunden hat (Fig. 1 — 3). —
Die archäologisch trotz ihrer leichten Er-
reichbarkeit immer noch ungenügend durch-
forschte Halbinsel von Sorrento hat uns
am Ostabhang der Punta di Massa unter-
halb Villazzano, also etwa halbwegs zwi-
schen Sorrento und Massa, die Trümmer einer
umfassenden römischen Prachtvilla ge-
schenkt, mit großen marmorbedeckten Sä-
len, kunstvollen Treppen, mehrere Stock-
werke übereinander, in der die Bericht-
erstatterin Alda Levi Not. 1918, 246—52;
ML. XXVI, 1920, 181-218, tav. I-V
die von Statius silv. II, 2 beschriebene Villa
des Pollius Felix erkennen möchte, wozu die
Lage allerdings gut zu passen scheint. In
die Zeit dieser Villa würden auch einige
von A. Levi nicht durchweg richtig erklärte
Reste schöner großer Reliefs sich gut ein-
fügen, originelle Erfindungen voll bacchischer
Lebenslust und Jagdfreude, wie sie sich in
einem Opfer — eines Privatmanns, nicht
eines »Sacerdote« — an Diana äußert. Stil
der Komposition und Figuren, besonders
deutlich jedoch die breite ranken- und
127
Italien 191 4 — 1930.
128
X
blütengefüllte Umrahmung weisen den vor-
nehmen Wandschmuck dieser Reliefs ebenso
wie einige Architekturstücke, so ein eigen-
artiges Pfeilerkapitell, dessen umgekehrte
Rückseite aus älterer, wohl frühkaiserlicher
Zeit mit dem Bild eines liegenden Flußgotts
und gröberem Pflanzenornament geschmückt
gewesen war (Fig. 5—6), in flavische, viel-
leicht auch etwas spätere Zeit. — Neapler
Tageszeitungen vom März 1921 melden von
Auffindung noch in situ stehender gemauer-
ter und hellgelb stuckierter Säulen eines
Tempels in Positano. Mir liegt ein von
Virginia Attanasio gezeichneter Bericht vor,
der von einer doppelten Reihe solcher Säulen
zu melden weiß, sechs auf der einen, fünf auf
der andern Seite, die Reihen 3 m, die Säulen
2 m auseinander. Dieser »dorische« Tempel
habe sich auf einem kleinen Vorgebirge ober-
halb des Meeres erhoben. Zu Seiten des
Tempels sei gegraben und zwei Straßen,
eine nach Nord, eine nach Ost laufend ge-
funden, von Retikulatmauern eingefaßt und
begleitet von in Intervallen stehenden, in
gleicher Weise wie jene Säulen gelb stuckier-
ten Flachpfeilern, darauf polychrome Deko-
ration, welche in Nähe der Basis mit ge-
maltem Blatt- und Blütenkranz verziert sei.
Die Verfasserin benutzt den Anlaß, um auf
viele antike, in Positano verstreute Reste
hinzuweisen, namentlich eine Aschenurne in
der Chiesa S. Giovanni mit den »FuneraH
d'un guerriero« und in der Chiesa Nuova
eine gleiche mit schönem Blumen- und
Fruchtfeston, an zwei Bockshörnern hän-
gend, wodurch sie sich an die Ära Pacis
erinnert fühlt. Die italienischen Autoritäten
sollten kommen und helfen, ehe die in alle
Löcher kriechenden deutschen Vagabunden
kämen, um womöglich solche vaterländische
Schätze heimlich fortzuschleppen. — In Pom-
peji hat sich die Ausgrabungstätigkeit seit
1912 fast ganz auf die Freilegung der Strada
deir Abbondanza beschränkt und bekanntlich
zu sehr wertvollen Ergebnissen geführt, über
deren Anfang: Arch. Anz. 1913, 161—65.
Von 1914— 17 enthalten die Notizie Berichte,
die freilich auch nicht alles geben, was ent-
deckt ist, vielmehr allerlei schöne Dinge noch
nach alter neapolitanischer Unsitte verbor-
gen halten; seitdem erschien nur noch 1919,
232—42 eine Mitteilung Della Cortes von
inzwischen zutage getretenen Dipinti und
Graffiti. Von besonderem Interesse ist der
Reg. III, Ins. IV an der Eingangsöffnung 2
erfolgte Fund einer, der nunmehr sechsten,
oskischen Wegweisungsinschrift, als solche
von Della Corte gewiß richtig verteidigt
gegen Skutschs unglücklichen Versuch
(Glotta 1909, 104 ff.), Wechslerreklamen dar-
in zu erkennen. Leider hat ein später ein-
gebrochenes Fenster die linke Hälfte zum
größeren Teil vernichtet, so daß die Er-
gänzung der im übrigen gut erhaltenen In-
schrift (photogr. Wiedergabe Not. 1916, 156,
Fig. 4) in einigem unsicher bleibt. Zwei
größere Buchstaben, von denen einer er-
halten ist, stehen wie eine Art Überschrift
über dem Text. Aus der auch wieder mit
»Eksuk amvianud« beginnenden Inschrift ist
besonders bemerkenswert die Erwähnung
einer viu Mefira, einer tiurri Mefira und einer
veru Urubla; die beiden Kommandanten
heißen L. Pupid. und Mr. Puril. Mr., also
Popidius und Purellius. Was bis jetzt ge-
sagt werden kann, findet sich bei Della
Corte sorgsam erwogen. Der neue Stadt-
torname findet seine Ergänzung in einem an
derselben Straße auf überhaupt inschrift-
reichem Hause des Trebius Valens (Reg. III,
Ins. II, Nr. i) gefundenen Wahlaufruf der
Urblanenses (Not. 1916, 153), deren Name
I in einem andern Wahlaufruf derselben Straße
(Not. 1919, 239) als Urbulanenses erscheint.
Wir werden also nicht unwahrscheinlich an-
nehmen können, daß das Tor, auf welches
I die Strada dell' Abbondanza auslief, d. h.
die Porta di Sarno, eben die Veru Uru-
bla war und daß in der Nähe dieses Tores,
! vielleicht als besonderer Pagus außerhalb
desselben, die Urbulanenses wohnten, in de-
nen Sogliano »Porte, Torre e vie di Pompei
ncll' epoca sannitica« (Atti R. Acc. Napoli
n. s. VI, 1917), 164—170 einen vor der Ma-
] laria geflüchteten Teil der Bewohner der va-
1 cuae Ulubrae in den Pontinischen Sümpfen
! an der Appia (Nissen, LK. II, 637) erkennen
möchte; solche vorsullanische Zusiedelung
aus dem volskischen Latium nach dem süd-
lichen Campanien ist freilich nicht unbe-
I denklich, wenn man sich auch an der Meta-
j thesis in der Namensform nicht würde zu
stoßen brauchen, sie jedenfalls nicht so kom-
1 pliziert zu erklären wie Sogliano S. 169.
129
Italien 1914— 1920.
130
Sehr anerkennenswert sind die sorgfältigen
Bemühungen, was von Baikonen, Oberge-
schossen, Dächern, Pavimenten auf den Bai-
konen, Plafonds u. dgl. gerettet oder glaub-
haft wiederhergestellt werden kann, zu er-
halten und somit ein ungemein lebendiges
Straßenbild zu schaffen, in dem durch die
Außengemälde, vor den Häusern hier und
da errichteten Altäre u. a. ähnlich wie auf
Delos auch das kultliche Leben zu seinem
Recht kommt. Wie ganz wesentlich anders
müßte unsere Vorstellung Pompejis sein,
wenn früher gleich sorgsam beobachtet und
erhalten worden wäre! Aus den fortlaufenden
Berichten ist besonders folgendes zu er-
wähnen: Not. 1914, 178—80; 197; 202; RCL.
1914, 210; 257; V. Duhn, Pompejis 1918,
86: eine Kryptoporticus (Grundriß und
Schnitt: Not. 1914, 179, Fig. i), deren ge-
wölbte Decke mit feinem weißem Stuck-
werk geschmückt ist, die Wände, im zweiten
Stil gehalten, eingeteilt durch Pfeiler, welche
Giallo antico nachbilden und Hermen tragen,
außer der imitierten bunten Marmortäfelung
an Sockel und Hauptfläche zuoberst einen
Fries zeigen, der, in 0,34 m hohe Felder zer-
legt, äußerst feine homerische Szenen vor-
führt, unter jeder Gestalt der griechische
Name. Ilias und Aithiopis lieferten den Stoff.
Leider hat spätere profanere Verwendung
vieles zerstört. Die 1914 bereits versprochene
photographische Wiedergabe und Veröffent-
lichung der allerdings mühsam zusammen-
zusetzenden Malereien ist noch nicht er-
schienen. Not. 1914, 205—08 berichtet Spi-
nazzola über den Fund zweier Leichen, die
Schmuck und Gefäße aus Edelmetall zu
retten suchten, darunter ein Simpulum und
zwei tiefe und breite Skyphoi aus Silber,
Ringe und einiges Geld die eine, die andere
zwei goldene Armbänder, wie aus Haselnuß-
schalen zusammengesetzt, einen großen gol-
denen Ring mit Kristalleinlage, die einst-
mals wohl noch ein Porträt zeigte, zwei
Ringe mit Edelsteinen, zwei Ohrringe mit
Perlen, einen runden Silberspiegel, alles, so
scheint es, in einem Korb getragen (Fig.
1—4). Andere zum Teil in wunderbarer Er-
haltung wiedergefundene Leichenbilder gibt
Spinazzola Not. 1914, 260—63, 365—68,
beide Berichte mit guten Abbildungen, unter
denen besonders auf 367, Fig. 3 hingewiesen
Archäologischer Anzeiger 1921.
sei: ein abgedrückter feiner Schuh, mit Spi-
nazzolas Beschreibung. — Der Fund einer-
Rasiermesserschneide — Mau hatte über-
haupt geleugnet, daß in Pompeji jemals Ra-
siermesser gefunden seien — zwischen den
Resten eines Schrankes — von dem ebenso
wie von einer Haustür treffliche Abdrücke
gewonnen wurden — Not. 1914, 293 gab
Della Corte Anlaß zu einer Untersuchung
über antike Rasiermesser mit Abbildung ver-
schiedener zum Teil mit fein verziertem
Elfenbeingriff versehener Stücke, die früher
gefunden, aber nie richtig gedeutet waren:
Ausonia IX, 1919, 139—60, worin die Typo-
logie bis in unsere Zeiten mit Glück verfolgt
wird. — An einem Pfeiler zur Rechten einer
Hausöffnung Reg. IX, Ins. XI, 7 war Not.
1912, 65 bereits ein gemalter Herkules be-
schrieben; die ihn tragende Stuckschicht ist
inzwischen abgefallen und hat darunter das
gut erhaltene ältere Bild einer Minerva in
Wehr und Waffen enthüllt (Not. 1915, 285,
Fig. 2), die aus einer Schale in die Flammen
eines Altars spendet, der sich gelblich auf
weißem Sockel über grünem Unterbau er-
hebt, »bezeichnend für eine Zeit, in der die
Arena und ihr Held immer mehr die anderen
höheren Interessen zurückzudrängen beginnt«
(v. Duhn, Pompejis, 122). — Not. 1915, 287,
Fig. 3 ist ein Krug mit aufgelegten Reliefs
abgebildet, der die wohl einzig dastehende
Darstellung einer Minerva zeigt, die sich die
Ägis umlegt, zwischen zwei tanzenden Hie-
rodulen. — Not. 1915, 334—45 wird über die
weitere Aufdeckung des interessanten Hau-
ses des Trebius Valens berichtet, mit hüb-
schen Malereien im dritten Stil, besonders
reizvoll ein feiner Weinrankenfries im Ober-
geschoß, unter den Ranken zierliche Hirsch-
kälbchen (Fig. 7); eigenartig ist auch eine
Bronzelampe mit großem Griff in Gestalt
eines ungemein rassigen Ammonkopfes (Fig.
6), sowie manche andere wertvolle Klein-
kunstwerke. — Berichte über den Fortgang
jener Grabung erscheinen alsdann Not. 1916,
30-32, 87-90, 119-22, 148-51, 231-35
mit den Plänen 31, Fig. 2 — das Vorder-
haus — und 232, Fig. I — das Peristyl — .
In ersterem ist die aus zwei Räumen be-
stehende Badeeinrichtung bemerkenswert,
im Peristyl vor der in bunter Quadrierung
bemalten Abschlußwand ein gemauertes Sti-
131
Italien 1914 — 1920.
132
badium mit verlängertem linken Bett, augen-
scheinlich mit leichtem Rebendach 0. ä. über-
deckt, das von vier aufgemauerten Säulen
getragen wurde. Inmitten der runde Tisch,
hier ebenso wie in der Casa delle Nozze
d'argento (Not. 1910, 326—27) mit einer
Springbrunneneinrichtung versehen; wie
man derartige Einrichtungen bei Sommer-
triklinien liebte, zeigt PHnius ep. V, 6, 36.
Und wie in jenem und manchen andern
Häusern ein größeres Wasserbassin mit
Springvorrichtung gern vor dem Stibadium
angebracht war, so auch hier, halbrund, mit
der Hauptspringvorrichtung in der Mitte
und zwölf kleinen Strahlen aus der halb-
runden Umfassung. Auch hier war wie
anderswo ein Küchenraum in nächster Nähe
des Stibadium, von dem ein Fenster in der
Mauer, mit der die Peristylsäulen miteinan-
der verbunden waren, das Durchreichen der
Speisen ermöglichte, zu deren Abstellen zwei
Nischen links und rechts ebenfalls nicht
fehlten. Auch auf der andern Seite war
der Peristylumgang abgemauert, am Ende
zu einem abgeschlossenen Zimmer, vielleicht
zum Schlafen der Herrschaft bestimmt, da
sich von hier die sonderbarerweise auf das
Peristyl sich öffnenden Baderäume durch
den Umgang bequem erreichen ließen. Dieser
Raum und der anstoßende Umgang waren
durch ein Ziegeldach abgedeckt, das auf
einem Teil des Umgangs so gut erhalten ge-
blieben ist, daß, der' erste Fall in Pompeji,
es hat erhalten bleiben können (Not. 149,
Fig. I; 151, Fig. 3). Ein anderer Teil des
Daches, auf dem die schweren Aschenmassen
nicht niederglitten in den Gartenraum, son-
dern, wahrscheinlich infolge Zusammen-
bruchs einer der gemauerten Säulen, ihn
eindrückten, tötete vier dorthin geflüchtete
Hausbewohner, deren gut erhaltene Leichen
mit ihren Schmucksachen usw. wiedergefun-
den wurden (Not. 88—89, Fig. i, 2 und dazu
die klare Darlegung Spinazzolas mit der Be-
stätigung 150—51). — Von noch größerem
Interesse ist die Entdeckung eines nach der
Straße mit 6,17 m geöffneten, 8,50 m breiten
und tiefen Saales, in welchem Spinazzola mit
guten Gründen glaubt ein Armamentarium
der Schutzmannschaft 0. ä. von Pompeji
sehen zu dürfen (Not. 1916, 429—50). Schon
die breiten Pfeiler zu beiden Seiten der
großen Eingangsöffnung sind mit großen,
sehr flott gemalten Trophäen geschmückt
(Fig. 3, 4), von denen das eine auch fast
vollständig und gut erhalten ist. Die Waffen-
zusammenstellungen zeigen Barbarenwaflen
aller Art, aber nichts Gladiatorenmäßiges;
der früher im zweiten, später im dritten Stil
ausgeführte Schmuck des Wandsockels im
Saal zeigt in den Feldern zehn schwebende
Viktorien mit Waffen von gleich trefflicher
und origineller Erfindung wie Ausführung
(z. B. Fig. 8, 9), dazwischen leichte kan-
delaberartige, metallisch gedachte Träger,
auf deren Spitze Adler von ebenfalls ganz
vortrefflicher lebendiger Ausführung ruhen
(Fig. 7). An zwei Seiten des Raumes sprin-
gen Halbpfeiler vor, die dazu dienten, mäch-
tige goldverzierte Schränke mitzutragen, von
deren Aufbau und Verzierung Abdrücke er-
halten sind. In ihnen werden die Waffen
aufgehoben gewesen sein; einige wenige
Stücke, die zu Waffen gehörten, so nament-
lich ein Elfenbeingriff einer Stoßwaffe in
Form eines kraftvollen Minervakopfes (Fig.
10) sind auch noch im Raum gefunden, ebenso
Spuren eines feinen Tisches und Beschläge,
die wohl von einer Geldkiste herrühren
(Fig. 11). Daß der vordere Verschluß des
Saales nicht durch feste Türen, sondern durch
rhombisch gekreuzte Gitter statthatte, in
deren Mitte sich wahrscheinlich Gitterdoppel-
türen befanden, hat Spinazzola erwiesen
durch ein Stück im Abdruck erhaltenen
Gitters (Fig. 13), die Be^stigungsvorrichtun-
gen und die Analogie der Stuckreliefverzie-
rung des Grabes des Ceius Labeo vorm Her-
culaner Tor (Mazois I, pl. 16—17 = Not.
Fig. 14), wo aus zwei Öffnungen eines solchen
Gitterverschlusses aus dem einen ein Ritter
mit seinem Pferd, aus dem andern ein Fuß-
soldat heraustreten. Spinazzola möchte so-
gar in diesem Bild die Front des neuen Ar-
mamentarium erkennen, also Ceius Labeo
damit in berufliche Beziehung setzen, hin-
weisend, daß an eben jenem neuen Bau ein
Wahlaufruf für einen Ceius gefunden wurde,
natürHch ohne selbst diesem Zusammen-
treffen irgendeine Beweiskraft zuzuweisen;
denn derselbe Name kehrt auf benachbarten
Aufrufen mehrfach wieder: Not. 1919, 235,
29—32; 238, I. Erfreulich ist, daß die Be-
schäftigung mit den gemalten Tropaia Spi-
133
Italien 1914 — 1920.
134
nazzola Anlaß war, ein verschollenes, bereits
früher vergeblich gesitthtes Aquarell Mor-
ghens zu veröffentlichen (Fig. 12), das einst-
mals durch Minervini und Garrucci Bull. Nap.
1853, taV. VII und 1859, tav. VII abgebil-
dete Tropaia (fehlen bei Heibig) in ihren
verlorenen Wandzusammenhang stellt. —
Die Fortsetzung der Straßenaufdeckung
(Not. 1917, 247 — 64) ergab noch mehrere
Möglichkeiten zu guten Wiederherstellungen,
so eines Daches, eines Balkones usw.; ein
gut erhaltenes Thermopolium hatte u. a. eine
Larennische, in der eine nackte Venus aus
vergoldetem Pscudo-Alabaster mit" noch
allerlei Goldschmuck stand (Fig. 6, unerfreu-
lich); interessant ist ein aus Blöcken von
Noceratuff aufgebautes Wasserkastell, auf
dem, ein in Pompeji bis jetzt einziger Fall,
noch der Wasserkasten aus Blei stand (Fig.
7). Auch ein öffentlicher Laufbrunnen der
alten Zeit mit dem Relief eines Stierkopfes
steht hier an der Straße. — Die so sorgsame
und kundige Aufdeckung der wichtigen Ver-
kehrstraße hat Spano wohl veranlaßt, die
Frage der nächtlichen Beleuchtung der Stra-
ßen einer fleißigen und in manaher Hinsicht
förderlichen Untersuchung zu unterziehen:
i)La illuminazione delle vie di Pompei« (Atti
d. Acc, Napoli VII, 1919, i — 128), in der
alle Tatsachen zusammengestellt sind, die auf
automatische Beleuchtung durch Verkaufs-
und Gebrauchslampen sowie Kult- und Grä-
berlampen führen. Die dankenswerte Arbeit
wird nach einigen Seiten erweitert werden
können: literarische Nachrichten über Stra-
ßenbeleuchtung, die Lichthäuschen und La-
ternenfunde in Original und antiken Abbil-
dungen, inschriftlich bezeugte Tatsachen wie
die Beleuchtung der Arkadiane in Ephesos
sind zu berücksichtigen. Manche Dekora-
tionsbilder besonders zweiten Stils sind gut
verwertet, auch manche Anregungen für An-
knüpfung dieses Stils an Syrien gegeben,
wenn auch die allzu starke Betonung von
Antiochia usw. wohl einer allseitigeren Be-
trachtung des gesamten hellenistischen Ori-
ents besser weichen würde. — Ein besonders
für die Geschichte der Stadt wichtiger Fund
ist schließlich ein mit Mauern umschlossener
Begräbnisplatz vorm Stabianer Tor — etwa
'/i km östlich, in contrada »Minutella« oder
»Asciutta« — , in dem eine so vorwiegende
Zahl von Epidii bestattet ist, daß der Ver-
fasser des trefflichen Berichts, Della Corte,
nicht mit Unrecht vermutet, daß auch die
Vertreter andc;rer Namen mit den Epidii in
verwandtschaftlichen oder abhängigen Be-
ziehungen standen und das Ganze als ein
Familienfriedhof der Epidii anzusehen ist
(Not. 1916, 287—309; was ich Pompejis
1918, 116 über diesen Gräberplatz sagen
konnte, beruhte auf Zeitungsnachrichten und
ist mehrfach zu berichtigen). Die Gräber be-
ginnen gegen Ende des 4. Jahrhunderts mit
Bestattungsgräbern der sabellischen Bevöl-
kerung, ganz denen gleich, die Mau und ich
1873 vorm Herkulaner Tor beobachten und
beschreiben konnten und zu denen 1907—08
bedeutender Zuwachs gefunden wurde (So-
gliano, La necropoli preromana di Pompei,
Mem. Acc. Napoli II, 191 1, 209—29). Della
Corte beschreibt genau die verschiedenartige
Struktur der Gräber, von denen einige son-
derbarerweise mit quer übergelegten Am-
phoren gedeckt, im allgemeinen ebenso
ärmlich wie -ihr ausschließlich einheimischer
Inhalt: spätest rf. sowie schwarzgefirnißte
Ware, letztere oft mit weißlicher Aufmalung,
Lampen u. a., Schmuck und sonstige Metall-
sachen wenig und bedeutungslos. In elf
Gräbern, von insgesamt 44, fanden sich
Münzen, außer einer massaliotischen durch-
weg campanische, meist in der rechten Hand
oder im Munde. Nur zwei Gräber sind in
Form eines größeren Aufbaus konstruiert;
wenn trotzdem von den jüngeren 119 Brand-
gräbern keines mit einem Bestattungsgrab
kollidierte, wird man jetzt verlorene Kennt-
lichmachung durch vergängliches Material,
Holzstelen oder dgl. annehmen müssen. Das
Bestattungsgrab XVII enthielt nur eine
Hundeleiche, jedoch auch diese von einem
ganz kleinen schwarzgefirnißten Schälchen
begleitet. Der oskische Stempel eines Ziegels
in Reliefbuchstaben F. Cubuld führt auf den
Namen der campanischen Stadt Cubulteria
(Fig. 7), interessant, weil die Namensform
auf den oskischen Münzen (Friedländer, Osk.
Münzen, Taf. I) Kupelternum lautet, wäh-
rend der Stempel bereits lateinischen Kon-
sonanten und Stammvokal gibt. Die Ver-
teilung der Bestattungsgräber innerhalb des
ummauerten Bezirks (Fig. i) läßt ebenso-
wenig ein Prinzip erkennen wie diejenige der
135
Italien 1914 — 1920.
136
zwischen ihnen, meist in geringerer Tiefe
verteilten Brandgräber, die nur in kleineren
Gruppen und längs Mauern auch reihen-
weise geordnet sind. Runde, selten über
I m tiefe Löcher, in denen, oftmals auf
einer Schicht von Rogusasche und von sol-
cher umgeben, sich die einfachen Töpfe, ei-
förmig oder rundlicher mit Henkeln und
Deckeln, die vielfach mit etwas Ton be-
festigt sind, befinden. Eine große Anzahl
dieser Urnen sind in der aus Pompeji schon
aus dem Fondo Pacifico bekannten Art mit
der Oberwelt in Verbindung gehalten durch
Tonröhren, entweder geschlossene oder aus
aufeinandergesetzten Amphorenhenkeln oder
gedoppelten Rundziegeln zusammengesetzt,
deren obere Öffnung in einfacher Weise ge-
schlossen war. In einzelnen Fällen war die
Beisetzung noch mehr vereinfacht, indem
sogar auf die Urne verzichtet wurde, während
in andern die Urne noch durch eine Über-
wölbung besonders geschützt war. Im Gegen-
satz zu den älteren, oskisch schweigsamen
Bestattungsgräbern fehlte nur bei 24 von den
1 19 Brandgräbern die Stele, welche, meist aus
Vesuvstein, seltener aus Tuff oder Travertin,
oft auch aus Marmor hergestellt, fast durch-
weg die bekannte Büstenform zeigte (v. Duhn,
Pompeji3, 116, 124), wenn aus Marmor, auch
eine natürlich schon stets lateinische In-
schrift, so daß das Fehlen einer solchen auf
den Stelen aus anderm Material wohl durch
verschwundene Aufmalung zu erklären sein
mag. Ebenso erklärt Della Corte das Fehlen
jeder Stele an 24 Gräbern gewiß richtig aus
Vergänglichkeit des Materials, so daß der
Gedanke sehr nahe liegt, daß di e f ür oskisches
Gebiet so charakteristische Büstenform ur-
sprünglich als obere Endigung von Holz-
brettern gedacht das Gedächtnis des Toten
auch schon in der Bestattungszeit in pri-
mitivem Bilde festzuhalten bestimmt war
und diese Sitte sich in die Brandzeit hinein
einfach fortsetzte, da ein Bevölkerungswech-
sel in dieser Zeit mit dem in Unteritalien ja
auch nur sehr partiellen und an starke römi-
sche Beeinflussung gebundenen Rituswechsel
nicht mehr verbunden ist. So mögen auch
die älteren, in runder Scheibenform endigen-
den Bologneser Büstensteine (Ducati, ML.
XX, 191 1) uns in etruskischer Übernahme
einen Nachklang gewähren älterer Holzstelen
der Italiker, die sie vorfanden und in Stein
nachbildeten, diesen jedoch gemäß ihren fort-
geschritteneren künstlerischen Ansprüchen
anders dekorierten. Fig. 10—12, 14 geben
eine gute Vorstellung einiger Büstensteine,
Fig. 13 ist der Kopf einer Frauenstatue aus
Tuff, die als Grabstatue diente. Zwei
Epidierbrandgräber waren aufgemauerte
Baukörper, stuckiert und bemalt, in Nischen-
form; unten die Urnen, drüber die der Ur-
nenzahl entsprechenden Büstensteine mit den
Inschriften. Mit Kohle aufgesetzte Schmiere-
reien, aus Interesse für Gladiatoren und Ob-
szönes 4iervorgegangen; nicht uninteressant,
daß, wenn Della Corte recht hat, eins dieser
griechischen Dipinti Zeugnis ablegen würde
für die Fortdauer auch hier des ausThera uns
seit Hillers Aufdeckung der Felszunge über
dem Gymnasium nähergetretenen Verbs
ottfäv, oi'fsXv. Außer den zahlreichen
auch onomatologisch wertvollen Inschriften
sind drei Defixionstäfelchen aus Blei gefun-
den (Fig. 15 — 19), zwei freilich in sehr ver-
zweifeltem Zustand. Die Münzen, welche
in 67 von I19 Brandgräbern gefunden wur-
den — also, die Regelmäßigkeit der Steige-
rung der Münzbeigabe gegen die Kaiserzeit
hin ganz entsprechend den von F. Galli
(Sessa Aurunca) in seiner fleißigen und ver-
dienstlichen, wenn auch in der Rückführung
auf Griechenland zu einseitigen Arbeit »Ap-
punti e ricerche sul rito funebre del Naulon«
(Atti Acc. Napoli V, 1916, 51 — 116) dar-
gelegten Ermittelungen — beginnen mit
einzelnen griechischen und großgriechischen
Stücken des 2. Jahrhunderts und einzelnen
campanischen, unter denen wie auch schon in
den Bestattungsgräbern Exemplare von »Ir-
num«, die ja auch in den Gräbern vorm Her-
culaner Toraufgetaucht waren (Bull. dell'Inst.
1874, 160—63), besonders beachtenswertsind;
alsdann folgen 32 römisch-republikanische
und 18 kaiserliche. Die Beigaben sind im
übrigen äußerst spärlich, noch ärmhcher als
bei den bestatteten Vorgängern, Metall
nur ganz ausnahmsweise, z. B. eine eiserne
Messerklinge, Fläschchen aus Ton oder Glas,
auch solche, die mit im Feuer waren (Fig. 9),
Lampen und bedeutungslose Kleinigkeiten;
die Wertsachen hatte man den Toten vorm
Brand abgenommen und behielt sie sorgsam
für sich.
137
Italien 19 14 — 1920.
138
Schließlich sei erwähnt, daß der schöne
Freskenzyklus im großCn Saal der Villa des
Fondo Gargiulo-Item vor dem Herculaner
Tor die bis jetzt ausführlichste und gelehrte-
ste Behandlung erfahren hat in dem Buche
V. Macchioros »Zagreus. Studi sull' Orfismo«.
Bari. Laterza & figli. 1920, wo diese Fresken
auf S. 7—133 mit viel Scharfsinn als Darstel-
lung einer orphischen Liturgie erklärt wer-
den an der Hand einer dankenswert zusam-
mengezeichneten Übersichtstafel. Zukünftige
Deutungsversuche dieses wundervollen Bil-
derkreises werden mit der gewissenhaft auf-
gewendeten Arbeit Macchioros stets rechnen
müssen, wenn auch der einzelne Gelehrte
nach dem Stand seines Wissens von orphi-
scher Religion oder der Richtung seiner exe-
getischen Methode über manches anders
denken mag auf einem Gebiet, wo die Dunkel-
heit das Licht noch so stark überwiegt und
die Frage, ob in einer eleganten Villa Pom-
pejis, die in der augusteischen Zeit, den
frühesten in ihr erhaltenen Dekorationen zu-
folge, errichtet ist, trotz der von Macchioro
richtig hervorgehobenen Eigentümlichkeiten
des Grundrisses eine orphischem Gottesdienst
gewidmete Stätte gesucht und eine derartig
eingehende Wiedergabe ihres Rituals voraus-
gesetzt werden darf. — Für die Anfangs-
geschichte der Grabungen in den verschütte-
ten Vesuvstädten ist wichtig die Zottoli ge-
glückte Auffindung der bisher ganz unbe-
kannten Berichte Alcubierres über die Jahre
1748—55 in der Bibliothek der Societä di
storia patria in Neapel: RCL. 1914, 184—85.
Die Veröffentlichung steht noch aus.
Lucanien. Tief in die Frühzeit hinein
führt eine große Abhandlung Rellinis (ML.
XXIV, 461—622, tav. I, II), welche an
die schon früher durch die Arbeiten Pa-
tronis und Caruccis bekannten Höhlen von
Pertosa und Zachito anknüpfend andere
Wohn- und Kulthöhlen, besonders die La-
trönicohöhle oberhalb des Sinnitales behan-
delt und die Ergebnisse sorgsamer Unter-
suchung namentlich dieser Höhle und ihres
Fundbestandes nach allen Seiten klarzu-
stellen sucht. Rellini glaubt festgestellt zu
haben, daß der Wohnplatz seit aeneolithischer
Zeit vor der Höhle gewesen sei, diese selbst
nur sakralen Zwecken gedient habe, und
zwar dem Quell- oder Wasserkult, eine im
letzten Jahrzehnt namentlich unter dem
Einfluß der sardinischen Entdeckungen (s.
Pettazzonis Religione primitiva in Sardegna,
1912, und dazu Deubner, Arch. f. Rel.-Wiss.
XX, 1920, 190) in Italien besonders beliebt
gewordene Einstellung religiös orientierter
Betrachtungsweise. R. begründet seine Ab
lehnung der Wohnhöhle mit dem Fehlen von
Abfällen und Werkzeugen und möchte die
vielen in der Höhle sorgsam deponiert ge-
fundenen Gefäße mit Getreidekörnern, wil-
den Äpfeln, Schlehen, Eisbeeren usw. als
sakrale Weihungen erklären, ein etwas ver-
zweifelter Ausweg; die nächstliegende Deu-
tung führt doch auf die Verwendung der
Höhle als Vorratsraum, vielleicht durch eine
Bewohnerschaft, die noch im Zustand der
Gemeinwirtschaft lebte. Damit soll nicht
gesagt sein, daß nicht in anderen Fällen
Höhlenkult stattgefunden hat, was Rellini
besonders für die Pertosahöhle gegen Pa-
tronis Erklärung der Holzbauten in derselben
zu verteidigen unternimmt, wo noch heute
der Kult des h. Michael die in Süditalien
übliche Fortsetzung vor Augen stellt (ML.
549) und Münzspenden (549, 559 ff.) den
Quellkult zu bestätigen scheinen. Übrigens
hat es Rellini erfreulicherweise unternom-
rnen, die von Patroni innerhalb der Pertosa-
höhle bemerkte Lücke zwischen der Bronze-
und ersten Eisenzeitschicht und der ersten
griechischen Periode, welche Carucci durch
seine glückliche Entdeckung reichen Ma-
terials außerhalb, vor der Höhle, ausfüllen
konnte, auch für die öffentliche Wissenschaft
durch die Publikation S. 563—98 mit Taf.
I — II zu überbrücken. Das Fundmaterial
aus der Latronicohöhle, die mangelhaft be-
arbeiteten Jadeit- und Serpentindinge, die
Obsidianmesser und was sonst auf ganz
frühen Handel führt, die bearbeiteten Rinds-
zähne, welche vielleicht als Stempel für Ton
verwendet wurden, die ungemein reiche ke-
ramische Fundmasse, die zu eingehenden
und fruchtbaren Vergleichungen aller ähn-
lichen Gattungen aus den aeneolithischen und
Bronzestationen landauf, landab und zu Ver-
mutungen über sich kreuzende und vereini-
gende Strömungen sowohl aus derTerremare-
kultur wie vom Balkan herüberführt — das
alles wird von Rellini mit Gründlichkeit und
Gewissenhaftigkeit erwogen, so daß seine Ab-
139
Italien 1914 — 1920.
140
Handlung einen wichtigen Ausgangs- undAn-
knüpfungspunkt für jede spätere Forschung
über süditalische Frühzeit bilden wird. Er-
scheint auch manches heute noch ungenü-
gend begründet, wie z. B. des Verfassers
Darlegungen S. 606—16 über den Wasser-
kult und seine Verbindung mit Sepulkralem,
so freut man sich doch, daß er keiner Frage
aus dem Wege geht, auch wo vieles proviso-
risch bleiben muß, so auch in seinen Schluß-
betrachtungen über das chronologische und
ethnologische Verhältnis zwischen eingeritzter
und gemalter Keramik u. a. — V. di Cicco
(Potenza), der unermüdliche Aufspürer und
Erforscher der Hochburgen seines schwierigen
lukanischen Berglandes, hat in Aufnahme
einer schon 1884 erfolgten Entdeckung Laca-
vas (Not. 1887, 332 — 35) von 1905 — 13 auf der
Bergeshöhe von Croccia-Cognato unweit
Oliveto Lucano (oberhalb der Station Camp 0-
maggiore der Bahn Potenza-Metapont) er-
folgreiche Grabungen veranstaltet, die uns
das Bild einer altlukanischen Bergfeste ge-
geben haben, deren in frühe Zeiten hinauf-
reichender Mauerring, von dem wieder eine
Akropohs abgeschieden ist, später zerfiel,
jedoch etwa im 5. Jahrhundert wieder kunst-
gerecht erneuert und mit einem schönen,
nach griechischer Art erbauten Torgebäude
versehen wurde. Ob diese Erneuerung von
Griechen und für Griechen oder von Lu-
kanern gegen Griechen, wohl in jener Zeit
beginnenden aktiven Nationalismus das
Wahrscheinlichere, hat sich nicht ausmachen
lassen. Die Hellenisierung war hier, so tief
im Binnenlande, natürlich nur in Form
äußerhcher Übernahme von Griechen er-
lernten Handwerks und griechischer Fabri-
Jcate zum'Ausdruck gebracht. Hierfür haben
die Funde reiche Belege geliefert: einheimi-
sche Keramik, sowohl die verschiedenen Gat-
tungen einfacher als auch geometrisch-ein-
heimisch bemalter Ware, alsdann längere
Unterbrechung, bis mit rf. italiotischen Va-
sen des 4. Jahrhunderts die neue Zeit ein-
setzt, wie sie uns aus so zahlreichen Funden
des südösthchen Lukanien namentlich im
Museum von Tarent entgegentritt, kommer-
ziell griechisch-italiotisch, wenn auch poli-
tisch meist schon lukanisch-oskisch. Kul-
turell interessant, wie hoch sich hier der
griechische Weinbau von der Küste hinauf-
gezogen hat in Gegenden, die heute ihn nicht
mehr kennen, aber noch, wie auch in der
alten Bergstadt von Croccia-Cognato, pri-
mitive Keltervorrichtungen — pietre pal-
menti — zeigen, in deren Nähe dann oftmals
noch wieder zu Wildreben gewordene Trau-
benstöcke an alten Bäumen emporranken
(Not. S. 257—58). Auch von Bauten guter
rechtwinkliger Art noch aus der Zeit der
vorgriechischen Siedelung haben sich sowohl
auf der Akropolis als in der Stadt allerlei
Mauern gefunden. Bemerkenswert ist die
Beobachtung, daß auf dem Boden der Bau-
grube für die Mauern sich leichte Schichten
Asche und Kohlenstückchen fanden (S. 246),
also Merkzeichen wohl auch ritualen Cha-
rakters, während ein solcher fehlte, wenn
man die Fluchtlinie nur durch je drei Ho-
rizontalstriche bezeichnete (S. 257). Sowohl
hier wie bei andern ähnlich gelegenen Berg-
städten spricht das Fehlen von Fundstücken,
die nach dem Bundesgenossenkrieg gesetzt
werden müßten, für die Kirchhofsruhe, wel-
che Roms Pranken den früher widerstreben-
den italischen Stämmen des Innern brachten.
Auch alles Byzantinische und Mittelalterliche
fehlt hier. Mit Hilfe mittelalterlicher Ur-
kunden und der heutigen Flurbenennung der
Gegend macht de Cicco es im höchsten Grade
wahrscheinlich, daß der griechische Name
dieser vergessenen Stadt Callipolis gewesen
ist. Auch die nähere Umgebung hat Verfasser
abgesucht und manche wertvolle Beobach-
tung mitgeteilt. Leider fehlt noch die Ne-
kropole, welche, bis auf ein Grab etwa des
8. Jahrhunderts nahe der Stadtmauer, wo
sie sich mit der Akropolismauer trifft (S. 253),
erst gesucht werden muß, um die Geschichte
der Stadt auch zeitlich völlig klarzustellen.
Es soll weitergesucht werden, auch wird eine
Fortsetzung des Berichtes zugesagt (Not.
1919, 243—60; II Abb.). — Bei Padula
unterhalb Consilinum sind die Spuren eines
vorrömischen Begräbnisplatzes gefunden, zu-
nächst allerdings nur ein Grab, dessen In-
halt, nach Neapel gebracht, von Maiuri
sorgsam untersucht ist (Not. 1914, 403— 06) ;
zumal ältere Einzelfundstücke ebenfalls aus
Sala Consilina (Not. 1896, 173; 1897, 166)
dieselbe Eigentümlichkeit wertvoller Bern-
steinschmuckstücke altionischer Art zeigen,
in dieser überhaupt archäologisch noch wenig
141
Italien 1914 — 1920.
142
bekannten Gegend Italiens recht beachtens-
wert. Aus dem neuen Grabe ist besonders
merkwürdig ein mit zwei Ruderern be-
setztes Bernsteinschiff, vorn in einen Tier-
kopf auslaufend, doch wohl ein Fischmotiv,
obwohl Maiuri nach anderer Urform sucht
(Fig. 2, 3). Eine Fig. i rekonstruierte Hals-
kette war wohl abwechselnd aus Bernstein-
bullae und Bronzeanhängern zusammenge-
setzt, wie wir sie ähnlich namentlich aus
Gräbern von Aufidena besitzen. — Des wich-
tigen Barbarengrabes von Senise mit dem
datierten Ohrgehänge (Not. 1916, 329—32;
RCL. 1916, 1132—34) ist schon oben bei
Nocera Umbra (Sp. 55) gedacht worden.
Apulien und Calabria. Hier scheint
wenig geschehen. Rellini gibt Memorie dei
Lincei XV, 2, 1915, 181— 210 eine fleißige
Typologie über paläolithische Fundstücke
der Ach6ulklasse aus dem Venusinischen,
jedoch ohne Stationen mit Wohnresten oder
Gräbern nachweisen zu können, Neolithi-
sches aus dem mittleren Aufidustal weist
Dair Osso nach (Not. 1915, 55—59); Ben-
dinelli berichtet (Not. 1914, 434—40) über
messapische Gräber in der Nähe von Fran-
cavilla, wo, wie schon früher, messapische
Vasen, namentlich Torzellen, zusammen mit
Tarentiner glänzend schwarzer Ware mit
weißer Aufmalung, Terrakotten, Lampen
usw. gefunden sind; das Interesse gemein-
samen Fundes von Torzellen mit Gnathia-
vasen hebt Bendinelli S. 439 gebührend her-
vor. Ähnliche Funde von Oria werden be-
sonders erwähnt (S. 440). Nachbestattung
sei hier durchgehende Sitte. — Die Ent-
deckung dreier intakter Kammergräber
bei Oria gibt Bendinelli Anlaß (Not.
1920, 297—302), über die seit dem 6. Jahr-
hundert in diesen Gegenden, auch in Tarent
selbst, übliche Auszierung der Gräber mit
verschiedenfarbig gemalten Horizontalstrei-
fen, sowie über die messapische Keramik
und ihre Chronologie, z. B. Fortdauer der
Torzellen bis ins 3. Jahrhundert, einige zu-
treffende Bemerkungen zu machen. Inter-
essant die Ausschmückung eines nahezu
halbkugelförmigen Bechers mit dem durch
das Kapitolinische und andere Mosaiken
uns vertrauten Bilde der auf einem Gefäß-
rand sitzenden Tauben (Fig. i). Von Carlo
Arno in Manduria, liebenswürdigem Kunst-
freund und Sammler, liegt mir ein Buch vor
»Antichitä Mandurine«. Lecce, Tip. editr.
Sallentina. I920, worin eine von 16 Tafeln
begleitete Veröffentlichung seiner an dort
gefundener Keramik, kleinen Metallsachen
und vielen Münzen reichen Sammlung ge-
geben ist.
Ager Bruttiorum. Hier treten wir in
das Arbeitsgebiet Paolo Orsis, wo die Klagen
Ashbys (Times 1914, 13. Febr.), in Italien
grabe man zu viel aus und veröffentliche zu
wenig (hierüber Barnabei RCL. 1916, 1222
bis 26; 1918, 164—65), verstummen müssen
angesichts der unermüdlichen Berichterstat-
tung Orsis über das, was er ebenso unermüd-
lich durch seine Grabungen ans Licht bringt.
Als ob es gälte, alles, was allerdings frühere
Generationen im griechischen Italien ver-
säumt haben, so rasch und umfassend wie
nur denkbar nachzuholen, folgen sich Orsis
große Aufdeckungen und Veröffentlichungen
mit fast unbegreiflicher Schnelligkeit und
Vortrefflichkeit. Wie viel nachzuholen sei,
ist natürlich niemandem klarer als ihm
selbst: so stellt er beispielsweise ML. XXIII,
769 zusammen, was es für militärische Topo-
graphie und Architektur in Großgriechenland
noch alles zu tun gäbe. Bis 1915 galt die
Arbeit noch in hervorragendem Maße Lokri
und seiner tyrrhenischen Tochterstadt
Medma. Nachdem die Ergänzungshefte zu
den Notizie 191 1 und 1912 (s. Arch. Anz.
1913, 167—72) genau Buch geführt hatten
über die Grabungen in Stadt und Nekropole
von Lokri, bringt das Ergänzungsheft zu
1913 (erschienen 1914), 3—54, alsdann die
Not. 1917, loi — 167 zunächst den Bericht
über die Nekropole im Fondo Lucifero bei
Lokri zu Ende, dem später einmal, begleitet
von dem seit langen Jahren vorbereiteten
und jetzt wohl fertiggestellten großen Stadt-
plan Lokris eine zusammenfassende Darstel-
lung dieser früher so unbekannten und jetzt
so in den Vordergrund getretenen Griechen-
stadt auf einheimischer Grundlage folgen
soll. Mit berechtigtem Stolz sagt Orsi von
dieser lokrischen Nekropole, sie sei jetzt
wohl die am besten, ja eigentlich über-
haupt wohl einzig wirklich bekannte des
brettischen und lukanischen Landes. Das-
selbe gilt noch nicht von der i'/» km weiter
westlichen archaischen (8.— 7. Jahrhundert)
143
Italien 191 4 — 1920.
144
und dann wieder hellenistischen Nekropole
in contrada Monaci (Not. 1909, 323). Der
Bestand von nicht weniger als 1675 Gräbern
vom 6. bis in das 3. Jahrhundert, die große
Menge aus dem 5. und 4. Jahrhundert, ist
von Orsi in jenen sich folgenden Berichten
gegeben und begleitet mit einer dankens-
werten Fülle guter Abbildungen, von denen
hier leider nur eine beschränkte Auswahl
wiederholt werden kann. Leben und Han-
delsbeziehungen sowie die eigne Industrie der
Stadt treten uns mit Klarheit vor Augen,
wenn auch die griechische Zurückhaltung in
den Beigaben hier wie in den siziUschen
Nekropolen von Syrakus, Kamarina und
Gela uns noch viele Fragen offen läßt. Die
Gräber lagen ungemein dicht, vielfach in
Schichten übereinander, auch sich übe'r-
kreuzend und oftmals ein Grab ein früheres
zerstörend, erklärlich einmal aus dem Man-
gel guten Steinmaterials, so daß die Toten
in die weiche Tonerde gebettet und die Gru-
ben höchstens mit Ziegeln ausgestellt und
gedeckt wurden: kein Widerstand also für
später eingetiefte Gräber. Alsdann aus der
großen Seltenheit dauerhafter Grabeszeichen,
daher auch kaum Inschriften oder künst-
lerische Stelen. Einige wenige Grabauf-
sätze sind Not. 160, Fig. 66 zusammen-
gestellt; andere mögen aus Holz gewesen
sein. Aber das Durch- und Übereinander
der Gräber spricht gegen irgend monumen-
tale Bezeichnung der Gräber. Die weitaus
meisten zeigen Skelettbestattung. Doch sind
Aschen- und Kohlenreste gefunden, ohne
daß sie in besonderen Behältern geborgen
gewesen wären, mitten zwischen den Skelett-
gräbern, so daß es noch näherer Unter-
suchung bedürfen wird, ob es sich in solchen
Fällen stets um Leichenasche oder nicht mit-
unter vielmehr um Brennmaterial handelt,
das wir uns bei rituellen Leichenmahlen ver-
wendet denken mögen, wobei dann festzu-
stellen wäre, ob die dabei gefundenen Reste
verbrannter Knochen nicht auch Tierkno-
chen sein könnten. Allerdings sind, wenn
auch nicht sehr zahlreich, sichere Leichen-
brandfälle beobachtet worden, aber sehr in
der Minderheit. Die Leichen sind alsdann
einer ja auch sonst sowohl in Italien wie
auch in Griechenland, z. B. in Attika fest-
gestellten Sitte gemäß nicht auf besonderem
Scheiterhaufen, sondern in der Grube ver-
brannt, welche hernach ihre Reste aufnahm;
diese Grube hat durchweg Abmessungen,
wie sie für Bestattungen ganzer Leichen die
üblichen sind, und in manchen Fällen ist
die hineingelegte Leiche nur unvollständig
verbrannt, also entweder einzelne Körper-
teile stärker, andere schwächer (z. B. Grab
497), oder die Brennung war so schwach,
daß das ganze Skelett unzerstört liegen
blieb, umgeben von den durch das Feuer
häufig auch kaum geschädigten Beigaben
(z. B. Grab 1128, 1309). WahrscheinHch
rituell war die in einigen Fällen (z. B. Grab
326, 334, 1433) beobachtete Verwendung
wilder Mandeln als Brennstoff. Die Unter-
lage für die Toten bildete meist eine Schicht
Tonerde oder Kies, Kiesel, Sand, auch wohl
ganze Ziegel, die ja auch an den Seiten
und zur Bedeckung des Grabes reichliche,
wenn auch nicht regelmäßige Verwendung
fanden. Die Ausstattung der Toten war
nach griechischer Art einfach, soweit sie
körperlich war; kostbarer Schmuck fehlt
durchaus, selbst Fibeln sind spärlich: wegen
ihrer Verwandtschaft zur Certosafibel ist Not.
1914, Suppl. Fig. 21 interessant, zu der Not.
1912, Suppl. Fig. 19 eine Vorstufe bildet.
Das Bestreben, dies einfache, meist aus
Eisen bestehende Gebrauchstück künst-
lerisch auszugestalten, ruft oft reizvolle For-
men ins Leben: so wenn der Bügel einer
Fibel von einem Elfenbeindelphin gebildet
wird (Not. 191 7, Fig. 46) oder (ebenda) aus
einem sprungbereiten Löwen, auch aus Elfen-
bein, oder wenn eine aus Knochen geschnitzte
Taube (Not. Suppl. 1914, Fig. 51) oder eine
Elfenbeinzikade (ebenda Fig.6) dieselbe Funk-
tion ausübt. Not. 1917, Fig. 14 sind aus
einem Grabe ein Sieb, ein Schöpflöffel und ein
Heber, alle drei Geräte aus Bronze und von
vornehmer Einfachheit, Fig. 30 drei Bronze-
schalen, zwei davon mit Schlangengriffen,
und ein Eimer abgebildet, auch diese aus
einem Grabe, feine und originelle Stücke;
ähnliche Suppl. 1914, Fig. 30, 34. Vom
erlesensten Geschmack zeugen aber auch aus
diesen Gräbern wie aus den früheren die
wundervollen Spiegelgriffe aus Bronze, gerade-
zu eine Spezialität Lokris — von wo solche
Stücke übrigens schon früher in den Handel
kamen — ; gewiß hat Orsi methodisch recht
145
Italien 1914 — 1920.
146
Abb. 22. Spiegelgriff aus Lokri.
mit seiner Warnung, nicht allzu rasch Lokri
als den Herstellungsort anzusehen, da wir
die Nekropolen anderer großgriechischer
j Städte, z. B. Reggios, noch zu wenig kenn-
ten: aber ein gemeinsamer Ursprungsort
wird durch die so gleichartige Ausführung
; und die gleichmäi3ige hohe Feinheit der Er-
findung sehr wahrscheinlich gemacht, und
: zwar ein Ort, in dem die Kunstübung unter
Abb. 23. Spiegelgriff aus Lokri.
.\bb. 24. Spiegelgriff aus Lokri.
einer ionischen Überlieferung stand. Zu den
Griffen mit den schönen ionischen Palmetten,
die Arch. Anz. 1913, 170 reproduziert sind,
kamen noch manche neue, von denen ge-
nannt seien: Not. Suppl. 1914, Fig. 35; fer-
ner Fig. 12 wegen seiner außergewöhnlichen
Hebung des Blütenkelches und Rankenwerks
in höheres Relief. Ähnliches Ranken- und
Volutenwerk verbindet figürlichen Träger-
schmuck bald mit dem Griff (z. B. Suppl.
1914, Fig. 18, [hier Abb. 22] eine pracht-
voll geschlossen komponierte Harpyie; mit
Griff und Scheibe Suppl. Fig. 20), bald mit
147
Italien 1914 — 1920.
148
Abb. 25. Spiegelgriff aus Lokri
Abb. 26. Spiegelgriff aus Lokii.
der runden Scheibe allein (z. B. Suppl. Fig.
15 [hier Abb. 23] und 16 ein ganz in den
Mantel togaartig gehülltes Mädchen voll
strenger Schönheit; Fig. 49 [hier Abb. 24]
ein spendender nackter Knabe gleicher Zeit
— etwa 460—50 — ; Not. 1917, Fig. 48
eine auf einer Schildkröte stehende Kora
im Spestypus, die lebendigere Vorgängerin
der kalteleganten Figur Suppl. Fig. 65.)
Einer besonderen, Großgriechenland und
Sizilien eignen Familie, die zuletzt Pollak,
Österr. Jahresh. VII, 1904, 203—08, Per-
nice, Jahrb. XXXV 1920, 94 — 96 und
Ducati, Arch. stör. p. 1. Sicilia Orient.
XVI — 'XVII 1921, 104—14 zusammen-
stellten, gehören Suppl. Fig. 63 und
Not. 1917, Fig. 13 an, Spiegel, bei
^ denen die rechteckige Verbindungsplatte
der archaischen Zeit ersetzt ist durch
eine ä jour gearbeitete Relieffigur. Die
erstere, hier Abb. 25, vonOrsi richtig Elektra
benannt und trefflich behandelt, wird von
ihm in nächste Parallele zu dem Spiegel aus
Vizzini Not. 1902, 215 gestellt und derselben
Fabrik zugeschrieben; doch ist der Spiegel
aus Lokri wesentlich feiner in Ausführung,
getragen von der gleichen Empfindung, die
uns aus so manchen der feinen Tonreliefs
von Lokri entgegenströmt, wenn auch die
Ausführung der Bronze auf wesentlich höhe-
rer Stufe steht: Elektra mit der vermeint-
lichen Aschenurne des Bruders fast zu eins
verwachsen sitzt auf dem Grabe, den schwe-
ren letzten Trennungskampf durchkämpfend;
an den Pfeilern hängen schon des Bruders
Waffen, aber auch die Haarlocke; Ala-
bastron, der große Wasserkrater in Elektras
Rücken — wie üblich gerade in Lokri die
Wasserspende auf den Gräbern war, ergibt
sich aus den außerordentlich vielen Bruch-
stücken großer Kratere, die nur diesem
Zweck gedient haben können, welche Orsi
bei den Gräbern fand (Not. 1917, 154—55,
namentlich S. 107, Fig. 10) — und besonders
die so auffällig zuunterst angebrachte zer-
brochene Lekythos sprechen für die schon
vollzogenen Spenden für den Vater, denen
sich nun die für den Bruder anschließen
sollen. Gewiß: eine Erfindung großer Zeit,
welche diese Bilder nicht nur über die Bühne
Athens gehen sah, klingt in diesem Werk
des fernen Lokri feierlich nach. Der zweite
Spiegel mit ähnlich durchbrochener Griff-
zunge Not. 1917, Fig. 13 (hier Abb. 26) hat
sich von der geschlossenen Rahmenfbrm schon
beträchtlich entfernt und zeigt Europa von
dem sich unter ihr durchbiegenden und mit
dem Hinterhuf schon wieder aufsprungbe-
reiten Stier auf den Rücken genommen, sich
mit der Rechten an das linke Hörn klam-
mernd, völlig überrascht. Blicke und linker
Arm hoch emporgerichtet, das Gewand in sei-
149
Italien 191 4 — 1920.
150
Abb. 27. Tänzerin aus Lokri.
nem Hochflattern geschickt zum Stützen des
Rundes benutzt: eine erregte und geistreiche
Komposition, welche gegenüber der Elektra
die Art einer neuen Zeit atmet, von jener
um Jahrzehnte getrennt. Andere Bronze-
figuren dienten zur Verzierung von Ge-
räten, so Suppl. Fig. II ein betendes Mäd-
chen, Fig. 13 ein knieend anbetender
nackter Knabe, Fig. 14 (hier Abb. 27) ein
altertümlich tanzendes Mädchen, zu welchem
im Grab 1061 eine Replik gefunden wurde. Zu
den äjour gearbeiteten Griffzungen läßt sich in
Vergleich setzen eine durchbrochene Bronze-
scheibe mit dem Bild eines in Kampfbereit-
schaft halbknieenden nackten Mannes, die
Hand am Schwertgriff, in seiner herben
eckigen, straffen Sprödheit ein guter Klang
aus der Perserzeit (Suppl. Fig. 44; hier
Abb. 28). Noch zweier Bronzehände mit
Unterarm muß gedacht werden, o, I32_('m
und 0,142 m lang (Not. 1917, 144, Fig. 51 ;
Durchbrochene Scheibe aus Lokri.
hier Abb. 29), die sich neben den ent-
sprechenden Händen der Leiche befanden,
zwischen Daumen und den Fingern der lin-
ken Hand ein Rundstab gespreizt, um den
sich zwei runde Scheibchen drehten, offenbar
Spiel, auf Zuklinftserratung gestellt. Eine
wie große Rolle letztere überhaupt in der
Vorstellung der Lokrer spielte, ergab sich
schon seit Beginn der Gräberaufdeckung
durch die außerordentlich große Zahl von
Astragalen, die sich, oftmals mit Blei gefüllt,
längs des Körpers oder in einzelnen Gruppen
im Grabe verteilt, auch in Gefäßen beigege-
ben fanden, im Grabe 1308 bis zu 250 Stück,
bisweilen auch über der Ziegeldecke des
Grabes; übrigens durchaus keine Eigentüm-
lichkeit von Lokri allein: so fand Orsi in
Kaulonia auf der Brust von Toten je 5—6
Astragale und dabei einen Eisennagel,
dessen apotropäische Bedeutung ja auch be-
kannt ist (ML. XXHI, 940). Und so an
Abb. 29. Bronzehand mit Unterarm, Lokri.
151
Italien 1914 — 1920.
152
vielen Orten Italiens, auch des nichtgriechi-
schen (s. Not. Suppl. 191 1, 25, i). Dasselbe
Grab, dem jene merkwürdigen Hände ent-
stammen, in dem auch neben dem Kopf
zwei Eisennägel lagen, ergab vom selben
Platz einen 0,7 m langen Elfenbeinstab, der
unten in eine Palmette endigt, deren kleine
Voluten mit größeren, den oberen Abschluß
bildenden Voluten durch aufgelegte Rund-
stielchen verbunden sind. Der obere kapitell-
artige Abakus trägt ein leider kopfloses,
0,4 m hohes ionisches Frauenfigürchen von
ner Art sind z. B. eine gut erhaltene Flöte
(Not. 1917, Fig. 5), manche Tonfigur, von
denen auf die lässig thronende königliche
Frau Not. 191 7, Fig. 56, die schöne Tänzerin
Suppl. Fig. 60 und eine weibliche, noch
Abb. 30. Vergoldeter Elfenbeinstab, Lokri.
großer Zierlichkeit, dessen erklärendes
Attribut mit der vorgestreckten rechten
Hand verloren ist. Spuren reichlicher Ver-
goldung reihen dies kleine Juwel ein in die
Reihe chryselephantiner Proben, die uns,
leider nur zu spärlich, erhalten sind (Not.
1917, Fig. 50, wonach hier Abb. 30). Fig.
39 gibt eine von Orsi bedachtsam
zusammengestellte Anzahl von feinen
Bronzebeschlagstücken, die Orsi unter
Hinweis auf die Büste von Elche u. ä. für
einen freilich sehr eigenartigen Kopfschmuck
erklären möchte. Einige sonst den Toten
mitgegebene Lebensschönheiten bescheide-
Abb. 31. Kandelaber aus Lokri.
Strenge Büste hingewiesen sei, die in originel-
ler Weise so in einen Topf gesteckt gefunden
wurde, daß der Kopf nur vom Kinn auf-
wärts hervorragte, dann aber durch einen
ihm hutartig aufgesetzten Becher und den
dagegen gelehnten Topfdeckel geschützt war
(Suppl. Fig. 8). Höchst merkwürdig ist
sodann die in apotropäischer Haltung und
153
Italien 1914 — 1920.
154
Beschäftigung sitzende Figur eines dicken,
häßlichen Weibes im Grabe eines jungen
Mädchens Not. 191 7, Fig. 8, oder die gro-
teske Amme Fig. 58. Von den kleinen für
Großgriechenland typischen Terrakotta-Al-
tären, die kürzlich Douglas van Buren in den
Memoirs of the American Acad. in Rome II,
1918, 15 — 54 und Elisabeth Jastrow Arch.
Anz. 1920, 102 — 104 zusammenstellten, sind
natürlich auch in den Grabungen seit 1913
eine beträchtlicheAnzahlgefunden, und zwar
in den Gräbern selbst, sogar benutzt, um ein
Kinderskelett, zwei zusammengestellt, zu
beschützen (Not. 1917, I15); eine solche
Arula mit Dar-
stellung vonHe-
rakles Kampf
mit Acheloosist
ihres archai-
schen Stils we-
gen besonders
beachtenswert
(Not. 1917, Fig.
24). Manch täg-
liches Lebens -
geschirr aus
Metall ist noch
mitgegeben,
vielfach in ver-
kleinerter
Form: s. z. B.
den Inhalt des
Grabes 739,
unter dem ein
großer Kandelaber eigenartiger Form, viel-
leicht auch als Kottabos verwandt, aus Eisen
mit einem nackten Jüngling als Träger, einer
Kora vom SpestypusalsBekrönung, die beiden
Figuren aus Bronze ; auf dem Kopf der »Spes«
ruhte die Hand der Toten (Suppl. Fig. 31,
33, hier Abb. 31). Andere Eisenkandelaber
mit Seitenarmen : Not. 1917, Fig. 31, 44. Die
große Menge der Vasen und Scherben gehört
vom ausgehenden 6. bis in das 4. Jahrhundert
dem attischen Import an — eins der letzten
Stücke wohl der »megarische Becher« Suppl.
Fig. 25 — (eine einzelstehende Ausnahme
ist das Grab 1356 mit korinthischem Inhalt),
aber im ganzen qualitativ ziemlich spärhch,
wie überhaupt in den Gräbern des Bruttier-
landes (s. Orsi, Suppl. 53). Eine pan-
athenäische Vase der älteren Gruppe (Not.
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.\bb. 32. Vase aus Lokri
191 7, 145, Fig. 52 oder das Alabastron
mit der Amazone Fig. 45) bildet eine Aus-
nahme, ebenso Bruchstücke eines schönen
rf. Kraters mit einer Athenageburt aus der
Euphronioszeit (Fig. 53). Dagegen ist
das italiotische Material neuerdings immer
mehr und interessanter in den Vorder-
grund getreten, und zwar neben campa-
nischer und — seltener — lukanisch-apuli-
scher Ware auch ganz originelle, wohl
brettisch-griechische Arbeit : so schon der
frühe sf. Viergespannkrug Suppl. Fig. 22,
ebenso, aber jünger, die Sau mit sf. auf-
gemalten Pygmäen auf der Hasenjagd Suppl.
Fig. 45 (hier
Abb. 32) oder
das Fäßchen
mit Aphrodite
und Eros Suppl.
Fig. 53 oder der
höchst sonder-
bare von der
Meidiasart,
wenn auch be-
reits in einiger
Entfernung be-
einflußte Krug
Suppl. Fig. 55
bis 56 (hier
Abb. 33). Von
italiotisch - im-
portierten Va-
sen seien be-
sondersgenannt
derLykurgoskrater Not. 1917, Fig. 2, II bis,
die Tanzprobe des jungen Mädchens vor einem
Jünghng 1917, Fig. 12 (Abb. 34) und der fa-
mose, weiß auf schwarze, weißüberrankte
apulische Schale gesetzte Papposilen Not.
1917, Fig. 38. Viele Nietungen beweisen die
Wertschätzung guter Stücke. Auch viele
und treffliche Glasgefäße fanden sich in oder
nahe den Gräbern. Viele über und um die
Gräber aufgehobene Scherben sprechen für
rituelle Zerbrechung der Gefäße nach ihrer
Verwendung bei der Totenspende.
In weitgehender Weise wird das Bild Lo-
kris ergänzt durch dasjenige Medmas, der
tyrrhenischen Kolonie Lokris, welche, zwei-
fellos richtig lokalisiert auf der Stätte Ro-
sarnos (Ni'ssen, LK. II, 960; Orsi, Not.
Suppl. 1914, 55—58), als natürlicher Be-
155
Italien 1914 — 1920.
156
Abb. 33. Krug aus Lokri.
lierrschungspunkt einer reichen Ebene zwi-
schen dem 6. und 3. Jahrhundert sich einer
mit Lokri parallelgehenden Blüte erfreut
haben muß. Auf dem östlich des heutigen
Rosarno, dem
Ausgangspunkt
und der späte-
,ren Akropolis
der'Stadt, sich
weit hinstrek-
kenden Plateau
des Piano delle
Vigne erhob sich
wenigstens ein
bedeutendes
Heiligtum,
wahrscheinlich
aber mehrere,
und dehnte sich
die Stadt sehr
rasch aus, weil
nur auf dem 'entferntesten kleinen Sonder-
hügel Badia dei Greci wenige ärmliche Grä-
ber auftauchten. Seit bald 20 Jahren im
Gang befindliche Raubgrabungen veranlaß-
ten Orsi, von
1912 ab auch
auf dem Piano
delle Vigne
selbst den Spa-
ten anzusetzen,
wenn auch nicht
zurErforschung
der Stadt, von
der keine Reste
sichtbar sind,
bei mangeln-
dem Hartbau-
material be-
greiflich (s. den
Plan Suppl.
Fig. 66). Der
Ttaliotisches Vasenbild aus Lokri.
157
Italien 19 14 — 1930.
158
Herkunft vieler Terrakotten, die aus un-
kontrollierten Grabungen teils in das Mu-
seum von Reggio, teils auf das Nelsonsche
Schloß Bronte hinterm Ätna, zu großem
Teil meist über Taormina in den Kunst-
handel gekommen sind, nachspürend, ent-
deckte Orsi an der Nordwestecke des
Plateaus, also dem Ausgangspunkt der
Stadt nahe, an den beiden Punkten Cal-
derazzo und S. Anna, oberhalb des Mes-
maflusses ein großes und ein kleineres Depot,
Abschub von Votivstücken eines noch nicht
selbst gefundenen benachbarten Heiligtums,
wie er meint, der chthonischen Göttinnen;
diese Depots reichen vom endenden 6. bis
etwa in die Mitte des 5. Jahrhunderts und
sind, ähnlich wie die immer noch nicht ver-
öffentlichten Terrakottenmengen von der
Stips Sacra des Heiligtums auf der Abba-
dessa von Lokri im Museum von Neapel, in
ganz hervorragendem Maße geeignet, uns die
reiche und eigenartige griechische Plastik
dieser Gegenden vor Augen zu führen und
damit auch die sizilische Plastik aus ihrer
Isolierung emporzuheben. Ein großes Stück
bester griechischer Kunstgeschichte dieses
uns früher so verschlossenen Landes ist da-
mit zum erstenmal auf feste Grundlage ge-
stellt (Not. 1914, Suppl. 55—145, 122 Abb.;
Not. 1917, 58—67) und mit m. E. durchweg
treffender wissenschaftHcher Analyse für die
weitere Forschung verwertbar gemacht. Eine
umfassende Veröffentlichung über ganz Med-
ma stellt Orsi in Aussicht, wird jedoch dafür
wohl noch weitere Forschungen anstellen
wollen. So ist er auch früheren Funden
nachgegangen und hat z. B. das Glück ge-
habt, über dem Grabe 19 in Medma zu der
mangelhaft erhaltenen Arulaform Colloca
noch ein wichtiges Positivstück aus derselben
Form zu finden und damit das sagenge-
schichtlich so interessante Tyrorelief wieder-
zugewinnen, das nach seiner erstmaligen Ver-
öffentlichung Not. Suppl. 1914, Fig. 67 und
68 bereits eingreifende Besprechungen und
Erklärungsversuche erfahren hat durch
Rizzo, Hauser, Savignoni (Ausonia VIH,
1915, 166—177), Robert (Hermes LI, 1916,
273—302) und Herbig (Hermes LI, 1916,
465—74). Siehe auch Orsi, Not. 191 7, 39,
40, I und Robert, Griech. Heldensage I, 40,
6. Im großen Depot, das völlig unberührt
gefunden wurde, lassen sich zwei Schichten
unterscheiden, unten das ältere Material, dar-
über nicht durchweg, aber vielfach eine
Schicht von Ziegeln, über die eine dünne,
nur wie tuchartige Kalkschicht gebreitet war,
die als Unterlage diente für die figürlichen
Terrakotten, während die spärlichen Stücke
architektonischer Terrakotten in den Zwi-
schenräumen der Ziegeldecke verstreut lagen:
also waren Bautrümmer von Heiligtümern
nicht im gleichen Grade als geheihgter Göt-
terbesitz angesehen wie von einzelnen ge-
weihte Sondergaben, religionsgeschichtlich
wichtig. Suppl. Fig. 70—76 bildet Orsi
einige der am meisten beachtenswerten ar-
chitektonischen Stücke ab, altertümliche,
von kleinen, wohl aediculaartigen Bauten
stammend, die, wie gegen Ausgang des
6. Jahrhunderts ja auch anderswo — ich
erinnere nur an Athen — größeren Tempeln
zu weichen begannen, von denen allerdings
bisjetzt auf dem Pian delle Vigne nichts ge-
funden ist. Die enge Verwandtschaft mit
Stücken aus Kroton und namentlich Lokri,
wie selbstverständlich, ebenso wie die Ver-
schiedenheiten z. B.. von Campanien werden
von Orsi klargestellt. Der Frauenkopf Fig. 74
und die beiden kleinen Tempclmodelle Fig.
75 und 76, mit denen Orsi gleichartige Stücke
aus Satricum vergleicht, sind besonders be-
achtenswert. Unter den figürlichen Terra-
kotten nehmen die großen und kleinen Pro-
tomai, durchweg weiblich, einen bedeutenden
Raum ein (Fig. 77—91), welche das in
Winters Typenkatalog (I, 236 ff.) gesammelte
Matcrial bedeutend erweitern, alsdann die
vielen Korai, meist ionisch-archaisch, viele
stehend, viele auch sitzend, unter letzteren
besonders bemerkenswert Fig. 103, welche
in der Linken, die auf dem Schoß ruht, ein
Kästchen hält, genau wie die vielen Käst-
chen auf den Lokrireliefs, während andere
einen Hahn (Fig. 104, 107), eine Schale und
darüber Taube (Fig. 104 bis) oder nur eine
Taube (Fig. 105, 112) halten, andere vor der
Brust einen Eros (Fig. 108, 112; vgl. »Lu-
dovisithron«!), eine Nike (Fig. 109, lio), ein
im Schoß liegendes (Fig. 100, 114) oder die
Arme zur Mutter emporbreitendes (Fig. 107;
hier Abb. 35; vgl. »Ludovisithron«!) Kindchen
zeigen, Stücke, die in großer Menge den Besu-
chern des Museums in Reggio gleichartig seit
»59
Italien 1914 — 1930.
160
X^
lange bekannt sind. Auch der Thron ist oft-
mals reich verziert mit plastischen Zutaten
(Fig. 106, 113). Die künstlerische Entwicklung
von gegen Ende des 6. Jahrhunderts bis zur
Mitte des 5. ist lückenlos vertreten und zeigt
jene für diese groi3griechisch-sizilische Kunst
so typische Verbindung ionischer Feinheit
imd Anmut mit einer gewissen an den Pelo-
ponnes erinnernden ernsten Hoheit, letztere
besonders stark hervortretend an diesen wie
so vielen andern dieser Stätte entstammen-
den Köpfen (besonders auf den drei schönen
■ Tafeln, die Fig. 124—147 vereinigen), welche
von einem bestimmten Schnittpunkt etwa
von der Perserkriegszeit an den belebenden
Einschlag einer bedeutenden Künstlerper-
sönlichkeit erraten lassen, den man auch an
manchen Einzelfiguren, wie Fig. 153, 155 — 157
zu spüren glaubt. Will man in diesem Künst-
' Abb. 35. Tonrelief aus Medma.
1er nicht den für uns leider völlig schatten-
haften Klearchos erkennen, so kann man
wohl nur an seinen großen Schüler Pythagoras
denken. Diese Zusammenhänge führte ich
aus in einem Vortrage auf dem archäol. Kon-
greß in Rom 1912, erschienen Ausonia VIII,
191 5) 35~43> ni't besonderem Hinweis auf
einen mit dem Kopf des delphischen Wagen-
lenkers sich nahe berührenden Terrakotta-
kopf aus Medma (Aus. a. a. O. 40, Fig. 3, 4
= 67 Fig. 12) und verwandte Köpfe; mit
meinen Gedanken berührte sich Orsi Ausonia
ebenda 51 und 66 sowie Not. Suppl. 1914,
110— 113 und 132. Siehe auch Amelung,
Jahrb. XXXV, 1920, 58. Von der Steigerung
der technischen und künstlerischen An-
sprüche an die Tonplastik, die vereint mit
der ihr so nahestehenden Bronzekunst in
diesen Gegenden den fehlenden Marmor er-
setzen mußte und daher die in Griechenland
gewohnten Größenmaße der Tonfiguren viel-
fach überschritt, gibt nunmehr auch hier das
Auftauchen lebensgroßer Statuen eine Vor-
stellung: s. Not. 1917, 59, Fig. 34. Einige
Athenafiguren von archaischen Promachos-
typen bis zu einer fein und leicht stehenden
Peplosgestalt der Zeit ganz kurz nach Mitte
des 5. Jahrhunderts und wohl schon stark-
attisch führen aus der Sphäre der chthoni-
schen Göttinnen heraus (Fig. 115— 119; mit
Abb. 36. Kriophoros aus Medma.
117 vgl. die Metope vom Tempel F in Se-
linus!) und auch die Welt des Dionysos (Fig.
167) und der Aphrodite mit Eros (Fig.
171—72; Not. 1917, Fig. 36) ist anmutig
und originell vertreten. Kleine »Apollines«,
bald frei, bald als Relief, sind wegen ihrer
Seltenheit in der Tonplastik bemerkenswert
(Fig. 149—50), ebenso mit schwerem Mantel
teilweise bekleidete männliche Gestalten
(Fig. 152, 154), Athleten (Fig. 155-56),
männliche und weibliche Hydrophoroi (Fig.
lOi, 151), ganz besonders aber eine Reihe
von acht Kriophoroi, keine Hermes, sondern
bald mehr an ionische und attische Schöpfun-
i6l
Italien 1914 — 1920.
162
gen, bald an die bekannten, aus dem Leben
gegriffenen arkadischen Bronzefigürchen er-
innernde Typen dankbarer Herdenbesitzer
oder -pfleger (Fig. 159—66; hier Abb. 36—39).
Die Freude an genrehafter Wiedergabe nur
äußerlich mythologischer Motive, echt ionisch,
wie sie uns auf so manchen großgriechischen
und sizilischen Münzen auch begegnet, äußert
sich in jenemjüngling praxitelischen Aufbaus,
derein Knäbchen auf der Schulter trägt, wäh-
rend sein kleiner Wolfshund voll Eifersucht
an ihm emporsteigt (Fig. 168), oder dem be-
großer Anzahl, fast alle aus dem zweiten,
Not. 1917 beschriebenen kleineren Depot
stammend (Fig. 43), im Kunsthandel schon
lange weithin verbreitet, gewiß ein guter
Beweis für die in der weiten Flußebene
blühende Rossezucht, wie Orsi zutreffend
darlegt. Auch die Zahl der Bruchstücke von
Gefäßen aus Ton jeder Art ist groß, viele von
ihnen unmittelbar aus dem täglichen Leben
entnommen, noch mit Resten von Speisen
darin, die den Gottheiten dargebracht waren
(Suppl. S. 133), ebenso kleine mehr oder
Abb. 37. Kriophoros
aus Medma.
Abb. 38. Kriophoros aus
Medma.
Abb. 39. Kriophoros aus Medma.
hagHch Flöte blasenden Silen, der auf den
Schultern eines Eros reitet (Fig. 169), oder
der grotesken Art, wie ein ithyphallischer
»Gigant« von einem Gegner rücklings um
den Hals gepackt wird (Fig. 170), oder jenem
fröhlichen Schildkrötenreiter Fig. 173. Vo-
tivpinakes gleich jenen aus Lokri, zum Teil
aus denselben Formen, wie z. B. das lang-
bekannte, aus Medma stammende Relief mit
Aphrodite und Eros der Münchner Klein-
kunstsammlung fehlen nicht, ebensowenig
Wiedergaben von Feld- und Baumfrüchten,
Kuchen u. dgl. (Fig. 174 und 175) sowie
Tieren, für die man den Gottheiten dankbar
ist, in erster Linie Pferden in ungemein
Archäologischer Anzeiger 1921.
minder konische Väschen, durchbohrt für
Aromata, wie Orsi gewiß richtig meint (Fig.
177). Neben einheimisches, aber von guten
griechischen Formen stark abhängiges Ge-
brauchsgeschirr tritt attisches, wenig und
letztes sf., z. B. der große, eigentlich schon
zur rf. Art gehörige Krater Fig. 179. Atti-
scher Meisterhand entstammt das schöne
und ausgezeichnet erhaltene Gefäß in Form
eines Frauenkopfes Fig. 180, um 480. Ferner
Glassachen, Alabastra, aus Elfenbein die Ver-
schlußflügel eines feinen Kästchens Fig. 181,
ganz so wie wir uns manche der auf den
LokrireHefs abgebildeten Kästchen im Origi-
nal vorstellen müssen. Gold nichts, aus Sil-
i63
Italien 191 4 — 1920.
164
ber einige Ringe und ringförmiger Ohr-
schmuck Fig. 182—83, mehr aus Bronze,
Geräte, nicht weniger als 121 Bronzeschalen
(Fig. 186), eine beträchtliche Zahl von Waf-
fen aus Bronze, jedoch keine Schutzwaffen,
nur Schwerter, Dolche, Messer, seltene Lan-
zenspitzen usw., zum Teil Formen, die noch
auf einheimische Tradition zurückweisen
(Suppl. Taf. Fig. 187). Nur eine hübsche
Figur aus Bronze wurde gefunden, wohl Auf-
satz eines Gerätes: eine frisch vortretende
Frau in langem Peplos mit Überhang und
Stephane, in den vorgestreckten Händen
Alabastron und Taube (Fig. i84;hierAbb.4o).
Eine epigraphische Merkwürdigkeit in diesem
Abb. 40. Bronze aus Medma.
k'ider so schweigsamen Lande ist schließlich
das Fußstück einer nach Orsi sitzend dar-
gestellt gewesenen Frau (Not. 1917, Fig. 39),
auf deren Plinthe in Reliefbuchstaben steht,
linksläufig und vermutlich aus zwei getrenn-
ten Formstücken gepreßt, von denen jedes
drei Buchstaben umfaßte: ;v\YSA.?i(D, also
4>paau[i.... Orsi möchte einen Genetiv
<l>pa(jua oder Öpaaoa ergänzen, im Hinblick
auf den Abschluß links, wo nach der Abbil-
dung die Plinthe zu Ende zu sein scheint,
wenn sie auch unregelmäßig abschließend,
vielleicht gebrochen aussieht, was nur am
Original zu entscheiden. Nach dem Fak-
simile kann der letzte Buchstabe nur ein M
sein, so daß die Schrift entweder auf der
1. Seite weitergeführt oder die Plinthe nach
links noch länger gewesen sein muß, so daß
neben der Frau noch eine zweite Figur vor-
auszusetzen wäre. Die erste Annahme ist
die wahrscheinlichere. Also, falls Nominativ,
©poKJojii^STj oder -r^, wenn (D als 0 genom-
men werden darf; mit «p würden onomato-
logische Schwierigkeiten entstehen, die ich
nicht zu überwinden wüßte. — Auch einen
Teil der Nekropole Medmas ist es Orsi ge-
lungen 2'/a km von Rosarno selbst, in Luft-
linie aber nur einen starken km südlich vom
Südrand des Plan delle Vigne aufzufinden
(Not. 1917, 37—67), so weit vom Ort ent-
fernt, weil die sumpfigen Niederungen, wel-
che die Wohnhügelkette umgeben und sie
sichern, der Bestattung hinderlich sein muß-
ten, auf einer Erhebung, die schon prä-
historische Siedelungsspuren zeigte. Was
ausgegraben ist, umfaßt Gräber von der
Mitte des 5. Jahrhunderts bis zur Mitte des
4., zumeist Bestattungsgräber derselben Art,
mit Ziegeln hergestellt wie in Lokri, in etwas
höheren Lagen, aber darum nicht jünger,
ebensolche Brandgräber, von Orsi auch hier
Ustrina genannt, weil die Verbrennung in
situ stattfand (s. den Durchschnitt Not. 1917,
40, Fig. 4, sowie Fig. 9, 10, 23, den Plan
des aufgedeckten Stücks Fig. 2). Die ganze
Ausstattung ist in Medma spärlicher als in
der Mutterstadt, Metall tritt noch mehr zu-
rück, wenn auch Spiegel, Strigeln, Blei-
plättchen u. a. vereinzelt gefunden sind.
Hier wie in Lokri kaum Fibeln, also mehr
genähte Gewandung. Eine schöne, von Orsi
mit dem Kopf auf den Euainetosdekadrach-
men verglichene, vornehm blickende Frauen-
büste zeigt auf den Schultern Palmetten
statt der Fibeln (Not. 56, Fig. 30)- D'e
Hauptmenge der Beigaben auch hier Terra-
kotten, darunter viele Arule, meist über den
Gräbern, also im Totenkult verwendet, aber
nicht mehr mit Tierkämpfen, sondern mit
mythologischen Bildern. Sonst sitzende
Göttinnen, meist mit »Polos«, einmal (Fig. Ii)
auf einem hohen, polsterbelegten Schemel,
mehrfach die auch in Lokri vorkommende
Figur des hockenden, dämonartigen Tam-
muz-Adonis (Fig. 13); ferner Puppen ver-
schiedener Art, bacchische Gestalten usw.
Viele Lampen. Das Tongeschirr, wenn nicht
einfachste einheimische Ware, meist schwarz-
gefirnißt — dies noch zum Teil attisch — ,
sehr viel weniger attischer Import als selbst
in Lokri, keine attischen sf. oder rf. Vasen,
auch keine einzige attische Lekythos; ver-
i65
Italien 1914— 1920.
166
einzelt das Stück eines apulischen Fisch-
tellers (Fig. 31), wie auch einmal in Lokri
Not. 1917, 118, Grab 1345. Auch hier
Astragale, aber nicht in so großen Mengen
wie in Lokri. — Eine andere wichtige Ent-
deckung ist Orsi geglückt durch die Fest-
stellung des früher verkehrt angesetzten
Kaulonia, dessen schöne Münzprägung
allerdings die Erwartungen etwas überspannt
haben mag, die man auf die Wiederent-
deckung der Stadt geglaubt hat setzen zu
können. Die mit dem Spaten nunmehr end-
gültig bewiesene Lage Kaulonias auf dem
Hügel des Capo Stilo war von Orsi schon
Not. 1891, 61 — 72 und 1909, 327—30 in
hohem Grade wahrscheinlich gemacht. Die
Grabungen 1912, 1913 und 1915 geben uns
jetzt ein vollständiges und klares Bild jener
achäischen Kleinstadt, die, als südlichster
Vorposten Krotons gegründet, durch das
entgegenstehende Lokri eingeengt, nur eine
bescheidene Existenz hat führen können.
Der ausführliche, von 18 Tafeln und 182
Textabbildungen begleitete Text ML. XXIII
1914, 685—944 gibt zuerst eine Darstellung
der Geschichte Kaulonias durch De Sanctis,
dann von Orsis Meisterhand eine vorzügliche
topographische Schilderung mit ausgezeich-
neter Karte des Stadtgebiets, alsdann ein
Bild der Anlage, besonders der sorgsamen
Befestigungen mit ihren sorgsam erwogenen
Anpassungen ans Gelände, ihren Toren und
viereckigen Türmen, wertvoll für unsere Vor-
stellung von griechischen Verteidigungsbau-
ten älterer Zeit und ihrer dreifachen Er-
weiterung, namentlich solange wir auf ähn-
liches von der Mutterstadt Kroton selbst,
von Sybaris oder andern großgriechischen
Städten noch warten müssen; nur Schleu-
nings Bearbeitung Velias bot in bescheide-
nem Maße als Ergebnis anspruchsloser Ober-
flächenuntersuchung (Jahrb. IV, 1889) —
denn auch die Puchsteinsche Bearbeitung
Paestums ruht vergessen — , was wir von
Orsi jetzt mit allen Mitteln modern geführter
Forscherarbeit uns vor Augen gestellt sehen.
Überraschend an so alten Bauten, z. B. den
wohl ins 7. oder frühe 6. Jahrhundert ge-
hörenden Türmen, die reichliche Anwendung
weißen Kalkes auch zum Schließen der Fu-
gen, wenigstens an den Sockeln, während
auch da, wo die hier schwer erhältlichen Hau-
steinquadern fehlen mußten, namentlich im
aus unregelmäßigen Kalksteinstücken herge-
stellten und meist mit Gußwerk gefüllten
Oberbau, gerade dies Material zur Verwen-
dung besonders kräftig bindenden Mörtels
erziehen mußte, aber auch zu großer Sorg-
falt im Bauen. Der Zug der Mauer, nur an
der Meerseite lückenhaft, ist festgestellt und
damit der Stadtumfang. Sie läuft auf der
Krone einer Bergrippe hin, welche hier ganz
ähnlich wie in Veha oder Akragas die Siche-
rung nach der Landseite bot; auf ihrer Höhe
ein längliches Plateau, das sich zur.Akropolis
eignete, die »Piazzetta«; mit drei Zungen
in die schmale Küstenebene vorgreifend,
bietet dieser Bergzug mit seinen Abdachun-
gen und die schmale Küstenebene, aus der
sich wieder dem Meere nahe ein isolierter
Hügel, der heute den Leuchtturm von Cap
Stilo trägt, erhebt, für eine kleine städtische
Siedelung geeigneten Platz, der sich in der
Ebene nach Nord und Süd bei Erweiterun-
gen, die allerdings zweimal stattgefunden
haben müssen, ausdehnen ließ. Die Unter-
suchungen auf dem Leuchtturmhügel erga-
ben dort die Spurerf eines kleineren Heilig-
tums, von dem allerlei architektonische Ter-
rakotten stammen, für dessen Votivgaben-
fülle namentlich die ganz außerordentliche
Menge jener kleinen Arule sprechen, die wie
in Lokri undMedma in den Gräbern und über
ihnen, so hier um die Heiligtümer und auch
als Hausaltäre in den Häuserresten gefunden
wurden, die in ziemhcher Menge rings um
jenes Heiligtum erkennbar waren, bei letzte-
rem durchweg archaische, also meistens
Tierkämpfe, ebenso in den Häusern, die
selbst jedoch in spätere Zeiten wiesen, so
daß Orsi geneigt ist, jüngere Häuser über
einer älteren Schicht anzunehmen, aus wel-
cher sich die kleinen Altärchen entweder zu-
fällig in Tieflagen noch fanden, oder aber
wenn auch alle aus dem 6.-5. Jahrhundert
stammend, doch später noch benutzt worden
seien. Außer den von Orsi noch gesehenen
und zum großen Teile abgebildeten und auch
bei van Buren, Memoirs of the Americ. Acad.
in Rome II notierten Altärchen sind leider
große Mengen unkontroUiert von hier und
andern Punkten Kaulonias durch früheren
Raubbau in Händlerhände verschwunden;
i namentlich ein Ingenieur Ernesto Piagnoni
i6y
Italien 19 14 — 1920.
168
von Mailand wird von Orsi gebrandmarkt.
Immerhin ist es noch gelungen, eine be-
trächtUche Anzahl für die Museen von Co-
trone und Reggio zu retten. Die architekto-
nisch wichtigste Entdeckung jedoch war auf
einem Dünenpunkt nahe der Küste, aber
innerhalb des Mauerringes ein großer dori-
scher Tempel des 5. Jahrhunderts, hart am ,
Meer wie in Lokri, Lakinion, mit ähnlicher
Absicht auch wohl auf dem Südrand des
Stadtplateaus von Akragas, an der hafen- ;
losen Küste eine gute Anseglungsmarke für
die Schiffer, aber eben durch solche Lage 1
auch bequemer Zerstörung und Material-
beraubung derartig ausgesetzt, daß von dem
vermutlich durch Erdbeben umgeworfnen
Bau über der Erde wohl schon seit Jahr- ,
hunderten nichts mehr sichtbar war, ob-
schon die mittelalterlich griechische Orts- i
bezeichnung Stilo, Stylida auf damals noch |
stehende Säulen hiaweist. In zweijähriger
angestrengter Arbeit wurde der große Ste-
reobat freigelegt und aus teilweise verzwei-
felt zertrümmerten Bruchstücken der Ober-
bau mit großem Scharfsinn soweit klar-
gestellt, daß die Einordnung des Baues in
das System der großgriechischen Tempel mit
voller Sicherheit vollzogen werden kann.
Der Unterbau bestand aus einheimischem
Sandstein, großen Quadern, der Oberbau,
auch die Säulen, aus wahrscheinlich syra-
kusanischem weißen Kalkstein, - das Dach
aus Marmor, die Simen merkwürdigerweise
aus Ton. Der Grundriß ist der Normal-
grundriß des unteritalischen dorischen Tem-
pels. Eine Fülle sorgsamster Pläne, Detail-
aufnahmen mit Zeichenstift und im Licht-
bild setzen den Leser in den Stand, sich ein
wissenschaftlich genaues Bild von diesem
einzig entdeckten und überhaupt wohl einzi-
gen großen Tempel der Stadt zu machen,
dessen ungemein solide und sorgfältige,
durchweg ohne Bindemittel ausgeführte Ar-
beit augenscheinlich Rücksicht nahm auf die
Erdbebengefährdung dieses Landstrichs.
Zahlreiche Steinmetzzeichen sind Fig. 85 zu-
sammengestellt, ihre mehrfach noch archai-
sche Gestalt stimmt gut zur Ansetzung in
die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts. Die
spärlichen Einzelfunde ergaben leider keinen
Anhalt, um den göttlichen Eigentümer zu
benennen. Daß die Münzen auf Apollon
als den Hauptgott der Stadt führen, sagt
Orsi mit Recht. Der Tempel lag auf der
höchsten, wenn auch immer noch niedrigen
Erhebung der Düne, nur 12 m landsei ts der
Stadtmauer, so daß nach vorn — er ist
nach Ost orientiert — für den zu erwarten-
den Altar kaum Platz war. Er ist auch nicht
gefunden. So hat man denn um den Tempel
sich bemüht einen geebneten Platz zu schaf-
fen, um größeren Ansammlungen von An-
dächtigen und der Aufstellung von Weih-
geschenken Raum zu geben. Also die ört-
lichen Verhältnisse gleichartig denen am La-
kinion. Nördlich setzte sich dieser Platz
noch auf tieferem Niveau fort, mit dem eine
Freitreppe längs der ganzen Langseite des
Tempels und hernach im rechten Winkel
sich noch weiter nach Norden hinziehend
die Verbindung herstellte. Eine Anzahl von
Weihgeschenkträgern, teils Säulen, teils Pfei-
ler und Blöcke, sind noch gefunden und
sorgsam aufgenommen. Sie verraten junge
Zeit, sind ärmlich, wie nach der für die
Stadt verhängnisvollen Einnahme durch Di-
onysios 389 kaum anders zu erwarten. Auch
was an Resten von Weihegaben sich noch
fand, ist spärlich, alte Dinge, z. B. ein ko-
rinthisches Alabastron (Fig. 135) oder eine
Kora (Fig. 137), eine sitzende Sphinx (Fig.
136), ein paar Bruchstücke von Arule (Fig.
138) sind selten. Unter den wenigen Metall-
sachen ist eine Mittel-Latfenefibel wohl das
jüngste Stück. Orsi hat, bis jetzt wenigstens,
vergeblich gesucht nach Favissen, in Hoff-
nung auf ähnliche Schätze, wie sie ihm Lokri
beschert hat. Ein Bild des Straßennetzes
zu gewinnen war Orsi noch nicht beschieden.
Einige hellenistische Häuser, getrennt durch
enge Amphodoi, sind so angelegt, daß man
auf ein regelmäßiges Netz schließen mag
(Taf. VIII); die paar Häuser, ärmlich wie
alles spätere in Kaulonia, sind in der orts-
übhchen Weise aus kleinen Steinen, Ziegel-
brocken usw. mit viel Aufwand von schlech-
tem Mörtel gebaut, nur für die Ecken sind
größere quaderartige Blöcke verwendet (Fig.
68), gerade wie bei der Stadtmauer. Von
Schmuck keine Spur, ebensowenig von kunst-
voller Wasserversorgung, womit es in Kau-
lonia überhaupt traurig aussah; nur einige
Brunnen bzw. Zisternen sind gefunden. Der
einfache Aufbau einer Megaronfront Fig. 70
i69
Italien 1914 — 1920,
170
ist gewiß zutreffend. Von älteren Siedelun-
gen unter den späteren Häusern geben proto-
korinthische Scherben Fig. "JT, Reste be-
sonders alter Arule u. a. eine Ahnung. —
Die Nekropolen sind etwa vom 7. bis zum
3. Jahrhundert zu verfolgen, durchweg ärm-
lich, äußerlich den Ziegelgräbern von Lokri
und Medma vergleichbar, auch hier ohne
Stelen oder dgl. Kennzeichen, vielfach so
nahe unter dem Boden, daß sie, wie ich es
ebenso vor Kroton bergwärts beobachtet
habe, oftrnals heute bloßgedeckt daliegen.
Orsi glaubt eine Unterbrechung nach den
ernsten Ereignissen des Jahres 389 annehmen
zu müssen. Auffällig groß ist wieder die Zahl
der Arule; auch einige hellenistische Terra-
kotten von Interesse haben sich gefunden.
Attischer Vasenimport mit Ausnahme einiger
ärmlicher sf. Stücke des 6. Jahrhunderts
fehlt, bis jetzt wenigstens: nur 139 Gräber
sind gefunden und die Möglichkeit offen, daß
in andern Punkten vor der Stadt sich noch
anders ausgestattete finden. Bronzen, Edel-
metall, Terrakotten von Belang fehlen voll-
ständig. Nur zahlreiche Astragale auch
hier. Die große Mehrzahl aller Gräber haben
ganze Leichen aufgenommen; die Brand-
gräber sind Ausnahme; auch hier nirgends
Aschenbehälter; die Leichen am Ort ver-
brannt, mitunter sehr unvollständig. Viele
Krug- oder Topfgräber für Kinder. Auf-
fällig, daß die meisten solcher Töpfe noch
starke Spuren profaner Benutzung zeigen.
Von der Mitte des 3, Jahrhunderts ab, also
noch vor der Kannibalischen Zeit, beginnt
das große Totenschweigen Großgriechenlands
sich auch über diese Stätte zu legen, die
Strabon als verödet bezeichnet. — Eine an-
dere schöne Stadtentdeckung glückte Orsi
mit Nuceria (Not. 1916, 335 — 62), das er
fand auf seiner schon langen Suche nach
Temesa, das auch in jener Gegend gelegen
haben muß (336, 357 ff.). Unweit Nocera
Tirinese — wo Kiepert u. a. unrichtig Terina
suchten — , das in der Sarazenenzeit auf
eine sichere Höhe, später auf seine jetzige
abwanderte und den Namen mitnahm, wie
die Ithakesier, als sie von Leukas nach
Ithaka flüchteten, erhob sich auf einem Hü-
gel zwischen dem Savuto, durch dessen Tal
die wichtigste Verbindung von der Tyrrhener
Küste hinüber ins Krathistal nach Cosenza
geht, und dem Fiume grande, die kleine Stadt,
ohne Hafen, mit versumpfter Flußmündung,
wohl getragen durch den noch ungenügend
untersuchten Metallreichtum der Berge und
i die topographisch-strategisch wichtige Lage.
Kein gutes Baumaterial, durch Kalkmörtel
gebundene Stadtmauern, Quadern mit Ver-
stärkungen von innen, besser gebaut wie die
; von Kaulonia. Keine Türme, nur Pforten.
Eine gute Tonrohrleitung, zum Teil Druck-
leitung, innerhalb der Stadt auch Bleirohre,
brachte das Wasser; Kloaken, Hausreste,
mit trotz der allgemeinen Ärmlichkeit ge-
legentlichen Hausbädern wie auch in Kau-
lonia; an Fundstücken nichts vom 5.— 4-
Jahrhundert, älteres erst recht nicht. Das
Geschirr hellenistisch-römisch, darunter are-
tinisches, auch Glas. Keine griechischen be-
malten Vasen, keine Terrakotten, keine Mün-
zen. Innerhalb der Mauern eine ganz kleine
ärmliche Nekropole, also für einen kleinen
übrig gebliebenen Bewohnerrest. Weiterhin
jedoch Zeichen älterer Gräber, sogar gold-
gefaßte Skarabäen von drei verschiedenen
Fundorten. Auch einiges »Prähistorische«
fand sich in der Umgegend, so ein Bronze-
kurzschwert aus def älteren Bronzezeit, das
I erste der Art in diesen Gegenden. Die Zeit
der Stadt, wie die Grabungen von 1913 — 16
' sie ermittelt haben, stimmtmitihrerins4.— 3-
Jahrhundert weisenden Prägung. — Auch
in Rhegion setzt seit 1913 planmäßige Ar-
beit an, seit endlich ein fachmännischer Mu-
seumsleiter, Putortl, dort fruchtreich tätig ist
i und mit Orsi, dem Sopraintendenten auch für
' das Bruttierland, schön Hand in Hand ar-
■ beitet. Zusammenwirken von Staat und Ge-
j meinde hat bedeutende Stücke der Stadt-
\ mauer zur Aufdeckung gebracht, deren Ver-
' öffentlichungnoch aussteht (Orsi,ML.XXIII,
769, 774—75); manche andere Überraschung
wird folgen, je mehr die rührige Stadt die
Zerstörungen des großen Erdbebens von 1908
I zu überwinden oder auch nützlich auszuge-
I stalten begonnen hat. Erwähnt sei, daß die
I merkwürdige archaische Tonmetope Not.
i 1886, 243 durch Orsis Eingreifen gründlicher
} Reinigung unterzogen wurde und dabei wert-
! volle ornamentale und trachtgeschichtliche
i Einzelheiten herauskamen (ML. XXV, 634,
1 3), ferner die Auffindung vier rhodischer
' Scherben im Vicolo Griso-Laboccetta, also in
171
Italien 1914 — 1920.
172
der Nähe eines sakralen und alten Mittel-
punktes der Stadt (Not. 1914, 209—11,
Fig. 1-2).
In Sizilien knüpfen sich die Fortschritte
wesentlich an die Namen Orsis und Gabricis.
Einen nützlichen -Überblick über Sizilien
überhaupt, bis 191 7, gibt Biagio Pace, Arti
ed Artisti della Sicilia antica, 1917, 4 Tafeln
und 93 Textabbildungen, Memorie della Acc.
dei Lincei Cl. sc. mor. XV, 469—628. Das
gut und knapp, ja mitunter, so bei Behand-
lung der doch so dankbaren Münzen, zu
knapp geschriebene Buch behandelt nach
einer Einleitung Architektur, Plastik, Male-
rei und Kleinkunst nacheinander, gibt eine
Schlußzusammenfassung und bespricht in
drei Appendici die Aktaionauffassung der
Metope des Tempels E in Selinus, die Ikono-
graphie der sizilischen Tyrannen und die
literarisch oder inschriftlich überlieferten
sizilischen Denkmäler in Olympia, Delphi,
Delos und Lindos sowie schließlich den
Bronzewidder aus Syrakus im Museum von
Palermo. Als erster Versuch, die antike
Kunstgeschichte der Insel aufzubauen, ist
die Arbeit mit Dankbarkeit zu begrüßen,
wenn man ihr auch wünschen möchte,
daß es einer Neubearbeitung beschieden
wäre, auch die mit Sizilien so eng ver-
knüpfte Kunst des Brettierlandes und den
Widerhall Siziliens im benachbarten Kar-
thago einzubeziehen. Zahlreiche Denkmäler
namentlich der Plastik in Ton, Stein und
Bronze sind zum erstenmal überhaupt oder
wenigstens leidlich brauchbar veröffentlicht,
manche durchaus gut, andere durch mangel-
haften Abdruck der Klischees beeinträchtigt.
Ich nenne Fig. 10 ein archaisches Relief,
^rtemis mit Bogen, im langen Peplos, aus
Selinus, Fig. II den nicht, wie zu Arndt,
Bruckmann, EV. 752—53 bemerkt, aus Li-
byen, sondern aus dem Fondo Laianello bei
der Kyane, Anapostal, stammenden archai-
schen Fräuenkopf, Fig. 17 die Arula, Stier
und Löwe, in Palermo sowie, auch in Pa-
lermo, Fig. 23, die erste photographische
Wiedergabe der Arula mit Quadriga aus Se-
linus, die mit der Metope des Tempels C oft
zusammen genannt wird, Fig. 32 — 33 Proto-
mai aus Megara sowie die gleichen Terra-
kotta- und Marmorköpfe von Syrakus, die
auch Orsi Ausonia VIII, 64, Fig. II; 65,
Fig. 10 veröffentlicht. Bei manchen dieser
Stücke werden von Pace mit Glück rhodi-
sche Beziehungen wahrscheinlich gemacht.
F'g- 39 gibt die auch Ausonia VIII, 68,
Fig. 13, 14 von Orsi veröffentlichte wichtige
kopflose Peplosstatue in Syrakus, Fig. 61
endlich einmal in leider schlechter Photo-
graphie (s. auch Brogi 16 016—20) eine jener
merkwürdigen weiblichen aus dem Fels ge-
hauenen Sitzbilder (»Santoni«) von Akrai.
Zu diesen Textwiedergaben von Werken der
Großplastik kommen auf Taf. I das Kalk-
steinrelief mit derrt Frauenraub aus dem
Temenos der Westnekropole von SeHnus (der
auf derselben Tafel reproduzierte, so eigen-
artige pathetische Gigantenoberkörper aus
dem Apollontempel ist freilich viel besser zu
würdigen in der alten Wiedergabe im Bull,
di Sicilia IV, 1871, Taf. IV), auf Taf. II
eine Arula aus Selinus, die die Zurückhaltung
eines nach rechts fliehenden Jünglings durch
eine ihm nacheilende Göttin zeigt, nach Pace
vielleicht ein Nachklang einer der verlorenen
Gigantomachiemetopen des Tempels F, also
ein Verhältnis wie die Quadrigaarula zur
Metope des Tempels C, ein im Kunsthand-
werk einer so abgesondert liegenden Stadt
wohl denkbarer Vorgang. Dieselbe Tafel
gibt den bisher nur durch die bescheidene
Zeichnung Not. 1894, Fig. I bekannten zeus-
artigen Marmorkopf aus dem Gaggerateme-
nos, nächst vergleichbar mit dem Zeus der
Idaszene auf der Metope des Tempels E, in
freilich schlechter Profilaufnahme, sowie einen
Poroskopf einer der Westmetopen des Tem-
pels C, der bisher nur völlig ungenügend
durch Serradifalco bekannt war. Taf. III
bildet die auf dem greifengetragenen Thron
sitzende kopflose Porosgöttin aus Solus ab,
Taf. IV den hohe Götterkunst des 5. Jahr-
hunderts spiegelnden wundervollen Terra-
kottakopf, »polos «beschwert, einer den ersten
Münzköpferi des Kimon verwandten Göttin
aus Akragas im Museum von Syrakus, erst-
malig herausgegeben und richtig beurteilt
von Rizzo, Ost. Jahresh. XIII, 1910, Taf. I.
Fig. 62 gibt eine Reihe anmutiger Solunter
Terrakotten in Palermo, Fig. 66 wiederholt
die von Orsi Ausonia VIII, 73, Fig. 15
edierte Prajiitelische Gestalt eines gelagerten
nackten Jünglings, Fig. 70— -71 junghelle-
nistische, jedoch stark einheimisch umge-
173
Italien 1914 — 1920.
174
Abb. 41. Vasenbruchstück aus Kenturipe.
formte Terrakotten aus den Museen von
Syrakus und Palermo, Fig. 69 gibt eine
erstmalige photographische Wiedergabe des
guten Musensarkophags inj der Krypta des
Doms von Palermo. Fig. 72 publiziert ein
Exemplar aus der leider noch so wenig be-
kanntgewordenen eigenartigen Reihe der ge-
malten punischen Grabstelen aus Lilybaion
in Palermo. Einige spätsikulische Vasen mit
geometrisch-figürlichem Schmuck aus Le-
ontinoi: Fig. 82—86. Aus seiner verdienst-
lichen Veröffentlichung Ausonia VIII, 29,
Fig. 2 und 30, Fig. 3 wiederholt Pace Fig. 87
und 73 höchst interessante reliefierte und
bemalte Gefäi3e aus Kenturipe (hier Abb. 41).
Fig. 75 — 78 gibt hellenistische Goldschmuck-
stückeaus der Sammlung Vagliasindi in Ran-
dazzound dem Museum von Syrakus, Fig. 79
die bronzenen Verkleidungsstücke lederner
Gürtel aus dem großen Bronzefund von Men-
dolito-Adernö, die Orsi Ausonia VIII, 55,
Fig. 4 bekanntmachte, um mit ihrer Hilfe
den Gürtel des von ihm ebenda S. 53, Fig. 3
veröffentlichten ebenso eindrucksvollen wie
in jeder Hinsicht barbarischen bronzenen Si-
kulers(hier Abb. 42) zu erklären, freilich mit
dem überraschenden Zusatz, dai3 er in den
Sikulergräbern dieser späten Zeit, 7- — 5- Jahr-
hundert, solche Gürtelnoch nie gefundenhabe.
Auch auf die rohen Sikulerfiguren aus dem
Binnenlande Ostsiziliens, den nackten Mann
Ausonia 57, Fig. 5 und die Zweifiguren-
gruppen 58, Fig. 6 und 59, Fig. 7 sei bei
dieser Gelegenheit hingewiesen. Sie zeigen
überraschend, welch eine tiefe Kluft auch
noch im 6.-5. Jahrhundert zwischen grie-
chischem und siku4ischem Können und
Kunstempfinden herrschte. Denn aus dem-
selben Adernö stammt der wundervolle
idolinoartige, an die Zeit und Kunst des
Myron, Pythagoras, Kaiamis gemahnende
Bronzeephebe, den Orsi Ausonia VIII, 44 — 52
vorzüglich behandeltund Fig. i — 2 abgebildet.
Abb. 42. Bronzestatuette eines Sikulers
aus Aderno.
175
Italien 19 14 — 1920.
176
Pace Fig. 41 wiederholt hat (unsere Abb. 43).
Schließhch seien noch ein paar korinthisch-
römische Kapitelle genannt, aus Palermo,
Monreale, Syrakus, Fig. 5 — 7. — Einen hüb-
schen, raschen Überblick, herabgeführt bis in
die Gegenwart, bietet Orsi mit dem Kapitel
»L'Arte in Sicilia attraverso i secoli« in
der Guida d'Italia des Touring Club italiano,
Mailand, Capriolo e Massimino 1919 (auch
im Sonderdruck). — Die Grabungen des
Jahres 1910 hatten für die protosikelische
Station von Stentinello unmittelbar nörd-
lich' der Syrakusaner Terrasse elliptische
Gestalt und Umschließung durch einen Gra-
167 — 91), den Wohnort und die Gräber zu
finden, auch hier bis zu 200 Skelette in
einem Grabe: Not. 1920, 333 — 35. — Cafici
veröffentlicht (ML. XXIII, 485—538, tav.
I— VI, mit 52 Textabb.) eine sorgsame
Untersuchung zweier Siedelungsplätze,
■ Trefontanel und Poggio rosso, 'der
eine nördlich, der ^andere südlich des
Simeto, beide nahe Paterno. Nur in der
zweiten sind Hüttenböden gefunden, auch
ein mit platten Kieseln gepflasterter Platz,
der mit gebrannter Tonerde überdeckt war.
Auch zum Decken der Hüttenwände dienten
gebrannte Tonerdeplacken, von denen Stücke
Abb. 43. Bronzestatuettc aus Ademo.
ben festgestellt; die von Orsi bereits Not.
1912, 357 in Aussicht genommenen weiteren
Untersuchungen haben, wenn auch immer
noch nicht die sehnlich erwarteten Gräber
dieser Leute, im Innern eine Pfiasterstraße
erwiesen und dadurch Stentinello mit der in
Cannatello an der Südküste und Poggio
rosso am Simeto (s. u.) klargelegten Siede-
ln ngsform verknüpft (Not. 191 5, 209). — Für
eine bei Comiso entdeckte Sikulernekropole
verweist Orsi Not. 1915, 214 auf eine m. W.
noch nicht erschienene Sonderbehandlung Pa-
ces. — Nach langemSuchen ist es Orsi geglückt,
zu den Leuten, die im Monte Tabuto die
merkwürdigen Minengänge auf Feuerstein-
gewinnung gegraben haben (Bull. pal. 1898.
festgestellt wurden. Wie in Stentinello und
Matrensa fehlen auch hier bis jetzt Gräber,
die in weichem Boden gewesen, sein müssen.
In beiden Stationen fand sich viel Basalt,
Quarzit, Feuerstein, Obsidian, dieser in Tre-
fontane reichlicher, seltener in Poggio rosso;
Auch viel Pectunculusmuscheln. Während
diese Steinformen viel primitiver anmuten
als auf dem Festland, manches noch fast
paläolithisch aussieht, ist die Keramik ent-
wickelter, in Trefontane schon viel glänzend
rote Ware, wozu Farbenreiber gefunden wur-
den, viel weniger in Poggio rosso, nur zwei
Stücke bis jetzt in Stentinello. In Tre-
fontane setzt farbige Keramik ein, auf ge-
meinsamen Ausgangspunkt mit Pulo di Mol-
177
Italien 1914 — 1930.
178
fetta, Matera, Thessalien weisend, in Poggio
rosso fehlt sie noch; dagegen zeigt dieses
sehr reichhaltige Preßtechnik in oft kom-
plizierten, zum Teil der Natur entlehnten
Formen und reichlicherer Ausfüllung mit
Weiß als in Trefontane. Im allgemeinen ist
das wohl etwas jüngere Trefontane Binde-
glied zwischen der in Stentinello-Matrensa
uns schon früher entgegengetretenen Kultur-
stufe und der Sikulerperiode Orsi I; auch
werfen diese Stationen etwas Licht auf das
noch vielfach unklare Verhältnis zu West-
sizilien — Villafrati-Moarda — , allerdings
mehr im Sinne der Gleichzeitigkeit, so schon
früher Orsi, als des Nacheinander, wie Pect
meint. Immerhin mag die Entwicklung
sehr langsam vor sich gegangen sein. Eine
dritte Station dieser Zeit, in contrada Ca-
faro, halbwegs zwischen Trefontane und
Poggio rosso ist in Sicht (ML. 536, i). Über-
haupt ist aus dieser für Frühkultur mehr
wie andere lockenden Gegend noch viel zu
erwarten, wenn nur, weil im Talboden, die
Siedelungsreste nicht so schwer zu finden
wären. — Endlich beginnt es nunmehr auch
im früher Orsis Jurisdiktion entzogenen
Nordostwinkel der Insel für die alten Zeiten
lichter zu werden, für die Anknüpfung zum
Festland natürlich von größter Wichtigkeit.
Über eine kleine Sikulernekropole Orsi III
bei Pozzo di Gotto unweit Castroreale
berichtet Orsi Bull, di pal. XLI, 1916, 71—84.
Während Bronzestücke bereits Spuren der
Berührung z. B. mit dem griechischen Me-
gara zeigen, ist die Keramik von Griechi-
schem noch unbeeinflußt. Höchst sonderbar
klingt der Fund einer an die Villanovaform
anklingenden Urne mit einer kleinen Hand-
voll Asche, welche nach einer Untersuchung
im Museo antropologico in Florenz von
Leichenbrand herrühren soll. Das wäre der
erste Fall von Brandbestattung in der ganzen
Sikulerkultur, daher zunächst mit großer
Vorsicht aufzunehmen. — Ferner sind Si-
kulergräber gefunden auf dem Hochplateau
von Cocolomazzo zwischen Mola und der
Akropolis von Taormina, auch Orsi III,
ärmlich, aber doch ein Beweis, daß die auf
der Landspitze von Naxos sich festsetzenden
Hellenen mit nahen Landeseinwohnern sich
friedlich hatten auseinandersetzen müssen;
denn bei vorhandenem Gegensatz hätten die
Chalkidier sich wohl einen besser natur-
geschützten Platz ausgesucht (Not. 1919,
360—69). — Die Erforschung des griechi-
! sehen Sizilien hat einen bedeutenden Schritt
j vorwärts getan durch Orsis Bearbeitung des
[ Mittelpunkts des heutigen wie des ältesten
! Syrakus, indem er nach Beendigung der
Untersuchungen über und unter dem alten
Athenatempel, der heutigen Kathedrale, und
i Tastungen nördlich derselben, die bereits in
j die vorgriechische Zeit hinaufführten (Not.
1 1910, 519— 41), in mühsam durchgerungenen
I Grabungen, welche den großen, nördlich sich
hinbreitenden Platz (Piazza Minerva, lang
i HO m, breit durchschnittlich 15 m, teil-
i weise jedoch bedeutend mehr) und auf der
i Südseite den Hof des erzbischöflichen Pa-
lastes — leider noch nicht das vor der Ost-
front liegende Gebiet des Albergo di Roma —
gründlich durchforschten, 1912— I7,uns einen
tiefen Blick in die Geschichte des alten
Syrakus ermöglicht hat (ML. XXV, 1918,
353—762, mit 26 Tafeln und 268 Textabb.),
als Grabungsarbeit wie als Verarbeitung der
Ergebnisse eine gleich imposante Leistung
Orsis und seines technischen Helfers, des
trefflichen R. Carta. "In Wort und Bild,
Plänen und Zeichnungen ist alles aufs ge-
naueste festgehalten. Massenhafte archi-
tektonische Terrakotten von den verschieden-
sten Abmessungen erweisen einstige Fülle
kleiner Naiskoi. Nördhch des späteren
großen Tempels erhob sich einstmals ein
kleinerer alter Tempel aus Stein, dem wohl
ein Holztempel voranging, östlich davor, zum
j Stein tempel, wie ja. oft, nicht in rechtwinkli-
i gem Verhältnis ein langer Altar (Rekon-
struktion Fig. 261) mit schönen Krateutai.
Den späteren großen Tempel hat Orsi nach
den Schichtungsverhältnissen, den Einzel-
formen, besonders der Kapitelle, Löwen-
speier u. a., auch den Fundstücken, dem
was da war, dem was fehlt, z. B. noch jede
rf. Scherbe, gegen Koldewey-Puchstein als
Deinomenidentempel festgestellt; ein ent-
wässernder Kanal läßt ihn auf ein Hyp-
aithron schließen: denn die den Kanal
einfassenden Mauern sind alt, wovon ich
mich 1914 selbst überzeugen konnte. Alte
Wegführungen, Tcmenosmauern, ein wahr-
scheinliches Propylon, Weihgeschenkträger
und Stelen — leider mit sizilisch-groß-
179
Italien 1914 — 1930.
180
Abb. 44. Altarwange aus Syrakus.
griechischer Stummheit (die wenigen In-
schriftstücke, darunter wohl der älteste
griechische Inschriftrest, Bustrophedori, fak-
simihert und sorgsamst besprochen Fig. 202
bis 209) — vervollständigen das Bild einer
Anlage, die zu den bekannten Tempelkom-
plexen von Akropolis und Heraion, Delphi
und Delos, Aigina und Eleusis, Epidauros
und SeUnus West eine wichtige Parallele
bietet. Auf das sorgsamste sind die Schich-
ten festgestellt, zuunterst Sikuler, sogar eine
Rundhütte; Fig. 108 zeigt merkwürdige
Sikulerplastik : zwei fragmentierte Stier-
köpfe, der eine sehr unvollkommen und stark
stilisiert, der andere naturalistisch und, an-
scheinend, ein- Kalb. Alles Orsi III, also
entgegen der von Orsi selbst gegebenen Be-
obachtung, daß die Sikuler dieser Periode
mehr im Inneren, unzugängHcher auf den
Berghöhen usw. zu hausen pflegten, zurück-
gezogen vor den griechischen Siedlern, oder
Seeräubern, an der Küste. Es folgen, durch
zahlreiche architektonische, plastische und
keramische sowie andere Einzelfunde, alle
soweit irgend wichtig, abgebildet, bezeugt,
protogriechische, archaisch-griechische Dinge
durchs ganze Altertum durch bis zur Zeit der~
Byzantiner, die hier nahe der Kirche viel- ■
fach begruben. Auch eine echtägyptische
Porphyrpyxis, wohl für Aromata, mit dem
Namen Ramses IL ist ein Gruß ältester
Zeit (Fig. 201). Die Folgen der verschiede-
nen Materialien sind interessant. Archi-
tektonisch fast alles dorisch, ionisch nur
Palmettenakrotericn, zum Teil sehr Schönes,
z. B. tav. XXIII (hier Abb. 44) von den Kra-
teutai des Altars u. ^dgl. Besonders reich an
Aufklärung aller Artist das sorgfältige Kapitel
der architektonischen Terrakotten, durch
Tafeln, Textabbildungen und scharfsinnige
Rekonstruktionen ungemein anschaulich ge-
staltet, sich lehrreich ergänzend mit Kochs
Campanischen Dachterrakotten ; mit beson-
derem Nachdruck weist Orsi 654— 56 z. B. auf
das hier zuerst auf griechischem Boden sich
findende Motiv des hängenden Palmetten-
frieses hin, den Koch in Capua bereits fest-
gestellt hatte. Wundervoll ist die auf tav.
XVI in ihren leuchtenden Farben veröffent^
lichte archaische Gorgo (photographisch auch
Not. 1915, 178, Fig. I und Pace Fig. 43; hier
Abb. 45), mit dem Pegasos im rechten Arm
nach links knielaufend, eine nur 0,50 m hohe
Tonplatte, also nach Orsi schwerhch architek-
tonisch verwendet, sondern vielleicht ein Son-
dervotiv (?), durch den Vergleich mit zwei
bisher unveröffentlichten Gorgoneia aus Gela
(Fig. 210) und Hipponion (Fig. 211) u.a.
trefflich erläutert. Die Reihe dieser groß-
griechisch-sizilischen Gorgoneia wird nun-
mehr noch erweitert durch das leider bis jetzt
erst in sieben Stücken sehr teilweise ver-
tretene kolossalste aller antiken Gorgoneia,
das vielleicht den Ostgiebel des Tempels C
in Selinus geschmückt hatte, 2,50 m hoch
und in verschiedenen Stücken hergestellt,
die selbst wieder durch inneres Strickwerk
in bis jetzt gänzlich unbekannter Weise ver-
stärkt waren; Stücke eines etwas kleineren
mögen, so meint Gäbrici, den Westgiebel
I8l
Italien 1914 — 1920.
182
gefüllt haben. Dieser überraschende Fund,
der hoffentlich Gabriels Wunsch nach er-
neuten Grabungen um den Tempel C mäch-
tig unterstützen wird, wurde vom Entdecker
bekanntgemacht in einer vorzüglichen Ab-
handlung »ir Gorgoneion fittile del tempio
C di Selinunte« in den Atti della R. Acc. di
scienze lettere e belle arti di Palermo Ser. III,
vol. XI, 1919, 3 — 15 mit zwei Tafeln. —
Skulptur nicht allzu viel; bemerkenswert na-
mentlich eine kretisierende Göttin, nur Ober-
körper, in einem Naiskos, eine eingeführte
»chiotische« Nike Taf. XV, einige Terra-
kottaplastik. Viele ältere Vasen, geo-
metrisch, protokorinthisch (z. B. zwei feine,
kleine Lekythen tav. XIII— XIV), korin-
thisch, rhodisch tav. XII, wenig attisch sf.,
keine rf. Vasen. Alles wundervoll beobachtet
und vorzüglich aufgenommen — namentlich
sehr schöne Durchschnitte — , nach allen
Seiten lichtgebend. Auch die Opferschichten
und die Speisereste sind aufs genaueste un-
tersucht. Es ist die ausführlichste und beste
Behandlung, die je eine Tempelumgebung in
Sizilien- Italien erfahren hat, in wahrhaft
historischem Geiste geführt. Dabei Re-
produktion, Druck, Papier alles beste Frie-
densarbeit. — Auch sonst hat unsere Kennt-
nis des alten Syrakus sich erweitert, worüber
Bericht Orsis Not. 1915, 175—208 und 1920,
303 — 27. — Unter dem Südrand von Epipolai
fand Orsi altsikulische Gräber der ersten und
zweiten Periode, darunter eins, dessen Vor-
halle einstmals durch zwei allerdings un-
regelmäßig gestellte Pfeiler gestützt war,
also ähnlich, wenn auch nicht so wirkungs-
voll, wie die bekannte Fassade von Cava
Lazzaro (Aus. I, 1906, 7, Fig. 2), in denen
Orsi den Felsersatz sieht für Holzpfosten,
welche das Reiser- oder Strohdach der
Wohnhütte getragen hätten (Not. 1920, 303).
Südlich vom Amphitheater, auf der Linie
Ortygia- Portella delFusco wurden große grie-
chische Mauerstücke entdeckt, gewaltige Qua-
dern mit Gußwerk dazwischen, also gutes Em-
plekton, später absichtlich zum Teil zer-
stört, vom Material manches beim Amphi-
theater verwendet. Orsi möchte hier die
lange gesuchte Stadtmauer erkennen, welche,
natürlich in jüngerer, etwa Dionysioszeit,
Ortygia und die Hügelstadt miteinander ver-
bunden und Syrakus nach der Anaposebene
abgeschlossen haben muß (Not. 191 5, 190).
Diese Vermutung zu sichern und in diese und
frühere Entdeckungen Zusammenhang zu
bringen, dienten weitere Untersuchungen,
über die Not. 1920, 305 — 09 berichtet ist.
Den Südrand der Epipolaiterrasse sowie
die in denselben einschneidenden Aufwege,
besonders die wichtige »Pylis«, noch heute
»Portella del Fusco« (wie Orsi den Namen
gewiß richtig kombiniert), und die ganze
vorgelagerte Fuscoterrasse gegen die Anapos-
ebene zu sichern, mußte das Hauptaugen-
merk von Festungsingenieuren sein, di,e
Groß- Syrakus mit dem Hafen und der Or-
tygia in gesicherte Verbindung setzen woll-
ji^sr??.
Abb. 45. Gorgo, Terrakottaplatte aus Syrakus.
ten. Eine Reihe glücklich und absolut sicher
verbundener Mauerstücke erlaubten Orsi
schon 1903 (Not. 1903, 517—23), ein Außen-
werk festzustellen, das mit den gewaltigen,
von Cavallari bei Anlage des Friedhofs ge-
fundenen Mauern in einem vorwerkartigem
I Verhältnis stand (s. den Plan Not. 1903, 524,
Fig. 8 = 1920, 306, Fig. 3) und die Ver-
bindung zur Portella sicherstellte. Nunmehr
hat er den Anschluß der Südmauer an die
Portella del Fusco, Mauerstück, einen ge-
waltigen Turm und einen Verschluß des
Portellaaufgangs selbst gefunden (Not. 1920,
308—09, Fig. 4—5). Immer mehr lernt
man staunen vor der raschen und durch-
dachten Arbeit des Dionysios, welche die
i83
Italien 1914 — 1920.
184
Stadt und damit das sizilische Griechentum
gegen den Punier schützen sollte. Ähn-
lich haben Grabungen am Euryalos, in
Fortsetzung der für den Festungsbau so
ungemein ausgiebig gewesenen Untersu-
chungen früherer Jahre (Not. 1904,284 bis
286; 1905, 390-91; 1912, 299—303), eine
Mauer aufgefunden, welche den lange ge-
suchten Abschluß des Kastells nach der
Epipolaifläche darstellte (Not. 1915, 191 bis
192). Es war eine prächtige, wohl von
Dionys errichtete Quadermauer, die zutage
kam (Not. 1920, 305 Fig. 2) mit schönem Tor,
dahinter, kaum i m entfernt, eine starke
Futtermauer, wohl gegen den Erddruck er-
richtet. Das Bild konnte früher nicht klar
werden, weil Cavallari sich durch byzanti-
nisch-arabische Flickmauern täuschen ließ,
die mit altem Material den wichtigen Be-
obachtungsposten nach jahrhundertelangem
Verlassensein wieder zu sichern versucht
hatten (Not. 1920, 305—09). Immer mehr
nähert sich die Kenntnis dieser einzigartigen
Festung jener Vollendung, die eine große,
zusammenfassende und schon lange geplante
Veröffentlichung ermöglichen wird, wie sie
Orsi vorbereitet. Südlich des Belvedere ist
ein ländliches Artemision, ähnlich dem von
Scala greca (Not. 1900, 353—87) entdeckt,
ebenfalls reich an Terrakotten, besonders des
5. Jahrhunderts, unter denen neben Artemis
auch Kora und Demeter stark vertreten
sind. Die Menge des wertvollen Terrakotten -
materials sei so groß, so viele neue religions-
und kunstgeschichtlich wichtige Typen, daß
eine umfassende und reich mit Abbildungen
ausgestattete Veröffentlichung nötig sei (Not.
1915, 192—93). Die geschichtlich neben den
Ortygiagrabungen wichtigste Entdeckung ist
jedoch diejenige neuer Fuscogräber, und zwar
endlich solcher des 5. Jahrhunderts, die bis-
her bekanntlich so auffällig fehlten (Not.
1915, 181—85). Sind auch viele von ihnen
durch Menschenhand oder die Anschwem-
mungen des Anapos, wie Orsi früher ver-
mutete, zerstört, so hat doch der Bau von
Betriebsgebäuden der Bahn Syrakus-Vizzini
am äußersten Südrand der Fuscoterrasse
noch sicheren Anhalt geboten, um in mehr-
monatlichen Grabungen des Jahres 1914
längs einer antiken Straße 94 Gräber fest-
zustellen, deren große Mehrzahl eben dem
5. Jahrhundert angehört. Der Mischcharak-
ter der Großstadt bedingte auch die Ver-
schiedenheit des Ritus; in 33 Fällen konnte
■ Brand, in 44 Bestattung sicher beobachtet
werden, und zwar wurde P-'ndasche regel-
mäßig in bemalten Vasen ocigesetzt, diese
in meist runden Bodenvertiefungen, die mit
Steinplatten oder Ziegeln ausgestellt und
überdeckt wurden; in 7 Fällen konnte Ver-
brennung der Leiche in situ festgestellt wer-
den, die Leiche gestreckt auf der Scheiterlage
und hernach, ohne Aschensammlung, nicht
gerührt, also so wie es auch in Lokri, Medma,
Kaulonia vielfach geschah (s. 0.!). Die Be-
stattungsgräber waren meist einfache, läng-
liche Gruben, oben erweitert, selten ausge-
füttert oder stuckiert, mit mächtigen Stein-
platten gedeckt; zwei große monolithe Sar-
kophage beweisen, daß auch diese aus Gela
und Akragas besonders bekannte vornehm-
schöne Form hier nicht unbekannt war.
Auch einige Kruggräber — Kinder — fanden
sich, wie überall auf griechischen Begräbnis-
plätzen. Stelen wurden als ganze nicht ge-
funden, doch bezweifelt Orsi nicht, daß es
solche gegeben habe, da allerlei plastische
Bruchstücke, namentlich von Reliefs in Mar-
mor oder feinem Kalkstein und auch Ar-
chitekturfragmente sich fanden, so daß auch
auf kleine Grabbauten, Naiskoi, wird ge-
schjossen werden dürfen. Nach einfacher
griechischer Sitte beschränken die Beigaben
sich fast durchweg auf Gefäße, wenige aus
Bronze, meist aus Ton; keinerlei kostbarer
Schmuck, keine Münzen; merkwürdig ein-
mal unter dem Haupte eines Jünglings sein
eiserner Diskos. Ältere Vasen sind selten,
einige wenige protokorinthische, korinthi-
I sehe, schwarze Buccheroschalen, auch ganz
I wenige attisch-sf., dagegen einige streng-rf.,
I in größerer Menge schöner und reicher Stil
bis in die Meidiaszeit und weiter herab, so
daß in der Gegend bis in das 4. Jahrhundert
hinab bestattet sein wird. Das ganze Ma-
terial ist so reich, daß Orsi eine Veröffent-
lichung in den ML. in Aussicht stellt. Weiter-
hin gegen das Westende der Fuscoterrasse,
kurz bevor die Straßen nach Floridia und
hinauf nach dem Belvedere sich trennen, in
contrada Canalicchio, wo schon früher eine
Grabkammer mit vielen Bleiurnen aus dem
2. Jahrhundert v. Chr. gefunden war (Not.
i85
Italien 1914 — 1920.
186
1913, 275), traten weitere Gräber der äußer-
sten Syrakusaner Nekropole des 3-— 2. Jahr-
hunderts zutage (Not. 1915, 185—86); außer
dem übrigen Inhalt bestätigen Münzen jener
Zeiten, hier 'J^rst auftauchend, die An-
setzung, auch eine Stele mit dem Namen
eines Massalioten Xenokritos S. des He-
phaistokles aus Massalia (Fig. 5); unweit
davon, ebenso an der Straße nach Floridia,
wurde ein monolither Kindersarg gefunden
mit bemalten Vasen des ausgehenden 4. oder
schon des 3. Jahrhunderts und feinem Gold-
schmuck (Fig. 6—7), worunter ein Ring, in
dem ein sehr viel älterer Skarabäus gefaßt
ist, augenscheinlich ein aufgehobenes altes
Stück, je älter, um so zauberkräftiger.
Dieselbe Nekropole del Canalicchio, im
äußersten Westen der Fusconekropole, von
ihr durch einen gräberfreien Streifen ge-
trennt, hat Orsi in Wiederaufnahme seiner
früheren Versuche 1920 wiederum gelockt:
ist es ihm doch Überzeugung (Not. 1920, 309)
daß die freilich von den Karthagern wohl
zerstörten Königsgräber auch in dieser Ge-
gend zu suchen seien: Not. 1920, 321—26
wird Wertvolles berichtet, auch Fig. 14—17
Grund- und Aufrisse gegeben. Die Bei-
gaben und zahlreiche Münzen gestatten
freilich wieder nur Datierung von der
Mitte des 3. Jahrhunderts in das I. Brand
und Bestattung, dieser Zeit gemäß, wahllos
gemischt; z. B. im Grabe Fig. 15 nur eine
bestattete, 13 verbrannte Leichen. Orsi
bezeichnet seinen Bericht als durchaus vor-
läufigen. — Das interessante Gräbergebiet im
Südostwinkel des Temenites, nördlich von der
I^atomia S. Venera, jedem Besucher von Sy-
rakus in Erinnerung durch die hellenistischen
Grabfassaden — unter denen jene des sog.
Archimedesgrabes — und die vielen Formae,
wurde wissenschaftlich • nur angearbeitet
durch Orsi, der eine Besprechung und Ver-
öffentlichung ganz später Gräber einleitete
durch einige orientierende Worte über die
früheren (Not. 1896, 334—35); jetzt hat er
sein altes Interesse für diese Gegend Not.
1920, 316— 18 wieder betont und eine Gruppe
ärmlicher Gräber des in Syrakus bisher ja
so auffällig schwach vertretenen 5. Jahr-
hunderts, 29, und eine andere des 2. — i.
Jahrhunderts der Aufmerksamkeit empfoh-
len auch wegen der damit verbundenen topo-
I graphischen Frage; denn die älteren Gräber,
jedenfalls vor der athenischen Belagerung
angelegt, weil vor der vollständigen Um-
mauerung der Stadt, sind möglicherweise
schon damals von Mauern mitumschlossen
gewesen, aber fern von der bewohnten Stadt,
so daß die rituellen Gründe vielleicht nicht
mehr entscheidend mitgesprochen hätten.
Ein archaisches, schon früher durch Zufalls-
funde zu erschließendes Gräberfeld in der
Gegend von S. Lucia gehörte zur Unterstadt
auf der von Gelon vermutlich durch eine
Sonderbefestigung geschützten Achradina,
d. h. in eine Zeit, als Ortygia und Achradina
noch nicht zu einer Stadt verschmolzen wa-
ren, also eine wichtige Tatsache zur Stadt-
geschichte. Zwischen dem 3. und I. Jahr-
hundert wurde dies Gebiet mit ärmlichen
Häusern bedeckt, deren Reste wieder man-
cherlei Fundstücke der hellenistisch-früh-
römischen Zeit, darunter auch römische
Bleiröhren mit Inschriften ergaben. Auch im
erweiterten Bahnhofsbereich wurden einige
hellenistische, römisch umgebaute Häuser
entdeckt. Von Einzelfunden sind besonders
beachtenswert und werden von Orsi einem
Sonderstudium empfohlen die Schichten voll
hellenistischem Abhub aller Art, dem alten
Industrie- und Hafengebiet entstammend,
unendliche Mengen von Küchenabfällen, von
rhodischen Amphorenhenkeln, Conzeschen
Kohlenbeckengriffen, neben italiotischem
Tongeschirr viele nach dem Osten weisende
Reliefkeramik, Emblemataschalen und »Ter-
ra sigillata«, Stücke von Fayencevasen,
einige Terrakottenfiguren, teils tanagraartig,
' teils mehr Myrina, Reste von Glasgefäßen
usw. Das alles wird für Handels- und Ge-
werbegeschichte noch eine Menge Aufschlüsse
bringen. Sonderbar und auch für Orsi neu
ist eine Gruppe von kleinen, durch ihre
Spindelform hellenistisch anmutenden Ge-
fäßen, die mit geronnenem Pech gefüllt wa-
ren und auf der Außenseite eigenartige,
aus Buchstabenelementen zusammengesetzte
oder, nur zweimal, figürliche Stempel zeigen.
1 Sie sind aus dem großen Hafen gebaggert
' worden und werden vermutlich im Schiffs-
baugewerbe benutzt sein. Sowohl Orsi wie
1 mich muten sie durchaus byzantinisch an,
wenn auch die figürlichen, mehr an Tiere auf
gallischen Münzen erinnernden Stempel be-
i87
Italien 19 14— 1020.
188
Abb. 46. Arretinischer Becher aus Syrakus.
denklich machen können (Fig. 15). Auf
Fig. 8—14 bildet Orsi schließlich einige teils
in den Nekropolengebieten, teils in der The-
atergegend und im Bahnhofsbereich gefun-
dene Marmorskulpturen ab, unter denen be-
sonders bemerkenswert sind Fig. 13 eine
archaische, langgewandete, nach rechts ei-
lende weibliche Statuette aus par. Marmor,
die Orsi wie ein Prototyp der Laphria an-
mutet, freilich altertümlicher und in Ver-
hältnissen und Ausführung recht verschieden,
ferner Fig. 14 ein trefflicher bartloser, be-
helmter Kriegerkopf — schwerhch weib-
lich — , beides Stücke aus dem Anfang des
5. Jahrhunderts, in denen Orsi, der eine be-
sondere Veröffentlichung darüber verheißt,
Reste einer Giebelkomposition erkennen
möchte; eine bedeutende Menge in der Nähe
dieser Stücke gefundener archaischer Terra-
kotten, so etwa 50 Protomai mit Aufhänge-
löchern, viele weibliche Sitzfiguren, die Köpfe
oft mit dem »Polos« bekrönt, auch eine Menge
kleiner Köpfe strenger Art sowie einiges alter-
tümliche Geschirr lassen Orsi hier die Stätte
eines zwischen Ortygia und der Fusconekro-
' pole gelegenen kleinen Heiligtums erkennen.
Von einem für Syrakus ja äußerst seltenen
Grabrelief des ausgehenden 5. Jahrhunderts
stammt der leider allein erhaltene Mittel-
körper eines in langsamer Bewegung nach
rechts befindlichen, schon stark naturalisti-
schen Knaben (Fig. 8). In demselben
dichtbewohnten Hafengebiet zwischen Achra-
dina und Ortygia, Gegend von S. Lucia
nach dem Meere zu, sind bei Zisternenunter-
suchungen einige wertvolle Einzektücke ge-
funden : zunächst ein männlicher Porträtkopf
(3i3i Fig- 7), schon in alten Zeiten so ab-
geschnitten, daß nur die Maske übrig blieb,
die durch Eisenklammern an einem Hinter-
grund befestigt war: ein kraftvolles Römer-
antlitz,' zwischen 50— 60, bartlos, willens-
starke Züge ohne jede Liebenswürdigkeit,
große abstehende Ohrmuscheln, keinerlei
Ausarbeitung des Augensterns, das Haar in
einzeln modellierten, beweglichen Löckchen.
Die wichtige Zutat einer dünnen Binde,
welche die Stirn umgebe und mit 15 Löchern
versehen sei, um Kranzblätter oder Strahlen
aufzunehmen läßt das Lichtbild leider nicht
klar genug erkennen. Magerer, knochiger
Brust- und Schulteransatz, über der linken
Schulter ein Stück Mantel. Das Diadem
und die an bekannte Typen des 3.-4. Jahr-
hunderts lebhaft erinnernden physiognomo-
; nischen Eigentümhchkeiten ließen Orsi an
einen Kaiser jener Zeiten denken. Aber
abgesehen davon, daß sich ein genau ent-
sprechendes Kaiserbild nicht finden will,
steigen Orsi selbst die Bedenken auf, die
jeder empfinden wird. Künstlerische Be-
handlung, der ganze Stil, weisen den Kopf
i in die Tradition, welche im letzten Jahr-
■ hundert der Repubhk beginnt und mit
Traian aufhört. Mir scheint — immer
' nach dem Bilde — der Kopf in die flavische
: Zeit zu gehören, besonders mit den Nerva-
köpfen ist die Stilähnlichkeit groß.
Unter zahlreichen Bruchstücken arretiner
Ware, die ebenfalls einer Zisterne entstam-
! men, sind die Trümmer eines Bechers be-
I merkenswert (Not. 1920, 314, Fig. 8), der
I durch den Stempel »Atticus Naevi« als Ar-
; beit eines auch sonst bekannten Sklaven
des Puteolaner Großfabrikanten Naevius (s.
CIL. X, 8056, 56; Behn, Rom. Keramik
im röm.-germ. Zentralmus. Mainz, 1910,
227— -28, Nr. 1509—13; S. Löschcke, Mitt.
i89
Italien 19 14 — 1920.
190
d. Altertumskomm. f. Westfalen V, 1909,
178) erwiesen wird und eine sonderbare Dar-
stellung des Kerberosraubes durch Herakles
aus der mit zinnentragenden Türmen be-
wehrten Unterwelt zeigt, der Kerberos von
Schoßhündchenproportionen; zu beiden
Seiten werden andere Unterweltsszenen an-
geschlossen haben, zur Rechten vielleicht das
gefesselte Heroenpaar (Abb. 46). — Eine aus-
gezeichnete Karikatur eines kahlschädligen,
mit gewaltiger Nase bewehrten Mannes ale-
xandrinischer Art ist der Terrakottakopf Not.
316, Fig. 9 (wonach hier Abb. 47). — Leider
nicht veröffentlicht ist das Oberteil einer als
»grandios« von Orsi Not. 1920, 318 bezeich-
Abb. 47. Terrakottakopf aus .Syrakiis.
neten Karyatide aus stucküberzogenem Kalk-
stein aus derZeit der Neuherrichtung des The-
aters durch Hieron II., dort gefunden bei Gra-
bungsarbeiten, mit denenOrsi die mittlerweile
prämierte Arbeit Rizzos über das Theater
von Syrakus unterstützte, die im Druck ist.
Zahlreiche stabförmige »Gladiatorentesseren«
fanden sich beim Amphitheater, mit lateini-
schen, jedoch wenig lesbaren Aufschriften;
mehrfach beginnen dieselben mit »EGO«;
spectavit ist nirgends gelesen. R. Herzogs
Entdeckung, welche diese Anhänger als
Tesserae nummulariae erweist (Abh. der
Gießener Hochschulgesellschaft I. Aus der
Geschichte des Bankwesens im Altertum.
1919), war Orsi bei Abfassung seines Be-
richts noch unbekannt (Not. 319—21). —
Interessant sind schließlich zwei ebenfalls
beim Amphitheater zutage gekommene Maß-
stäbe aus Knochen, zum
Zusammenlegen und
Feststellen eingerichtet,
an den Enden und bei
den Scharnieren mit
Kupferblech umkleidet,
eingeteilt nach dem rö-
mischen Fuß 0,2957 m
(Not. 321, Fig. 13; hier
Abb. 48). Not. 1920, 310,
Fig. 6 gibt Orsi eine
merkwürdige' Zisterne
unter einem altgriechi-
schen Hause der Ortygia
(6. Jahrhundert) in Gra-
benform mit Einsteig-
öffnungen. Orsi betont
die Notwendigkeit, die
alte Arbeit Schubrings
über die Bewässerungs-
systeme von Syrakus auf
neuer Grundlage wieder-
aufzubauen. — Auch die
Erforschung des christ-
lichen Syrakus hat be-
deutende Fortschritte
gemacht (Not. 1915,
203—08; 1918, 270—85;
1920, 326 — 27): mehrere
neue Katakomben wur-
den entdeckt, schon
früher bekannte genauer
durchforscht, von letzte -
ren namentlich, in fünf-
jähriger Arbeit, die Kata-
komben von S. Lucia,
früh, vielleicht schon im
2. Jahrhundert (noch
keine Täfelchen aus Mar-
mor) angelegt, anders
wie die bekanntesten,
erst nach freigegebenem
Kultus erbauten Kata-
komben von S. Giovanni.
Die Ansichten Führers
und Schultzes sind viel-
fach verbessert, manche
Graffiti und Wandge-
mälde, auch byzanti-
nische, entdeckt. Der
letzte Bericht Orsis mel-
det in mehr kurz an-
m
m
J3
<
191
Italien 1914 — 1920.
192
kündigender Weise über Arbeiten [in den
Katakomben (Not. 1920, 326 — 27), sowohl :
derjenigen von S. Lucia (s. Not. 1918,
270 ff.), wie einer neuen »Bracciamore«, in
derselben Gegend, in zwei Stockwerken, un-
ermeßlich reich an Lampen, der Cassia, uns
bisher besonders durch Führers Behandlung '
Abh. bayr. Akad. 1897, 710 — 29 bekannt, wo
sieben Kampagnen vor- und nachkonstan- I
tinische Teile haben scheiden lehren, viele
Malereireste zutage förderten, wo es noch
immer viele verschlossene Loculi gibt,
schHeßlich in einem »Ipogeo Fortuna«, meer-
wärts von S. Lucia, wo vorchristliche Kom- '
plexe von 4 — 5 Grabkammern des 2. — 3.
Jahrhunderts in einen einzigen Raum zu- |
sammengelegt wurden, sich auch jetzt noch j
Loculi mit Beisetzungen nach vorchrist- ■
lichem Ritus und vereinzelte Brandbestat-
tungen fanden, auch viele Lampen vorchrist-
licher Art. — AuchCatania, dessen historische
Topographie trotz der eifrigen Bemühungen
Holms, Sciuto Pattis, Vaters und Sohnes, u.
a. bis in die jüngste Zeit infolge der teilweisen
Überdeckung durch Lava und derdichtenund
andauernden Besiedelung so vielfach dunkel
geblieben ist, beginnt langsam sich aufzu-
hellen. Orsi faßt Not. 1915, 215 — 25 und
19181 53 — 71- mancherlei zusammen. Die
Expropriation des Odeion, wenigstens zu
seinem größeren Teile, des Nachbarbaues des
Theaters, hatte schon kurz vor dem Kriege
begonnen zu seiner Freilegung den Weg zu
ebnen, gegen Ende 191 7 war beendet, was
bis jetzt gemacht werden kann; schon im
Mai 1914 konnte ich mich von der vorzüg-
lichen Erhaltung des überhaupt Erhaltenen,
großer Teile der Cavea, überzeugen; das
^- Bühnengebäude scheint leider verschwunden.
Wichtiger sind Orsis Versuche, die Gräber-
verteilung Catanias zu ermitteln, um, wenn
möglich, auch durch neue und gut kon-
trollierte Untersuchungen weiterzukommen,
als einige sorgsam von ihm gesammelte No-
tizen (68 — 70) über im Nordwesten der alten
Stadt früher gemachte Funde korinthischer
und attischer Vasen des 6.-5. Jahrhunderts
— s. die Lekythen Fig. 15 und die pan-
athenäische Amphora der alten Reihe RM.
1900, 258—59, Fig. 3—4 — es bis jetzt ge-
statten. Leider ist nur ein Fund gleich alter
Zeit von aus Steinplatten zusammengesetzten
Bestattungsgräbern an der Via Etnea unter
dem neuen botanischen Institut ihm trotz
emsigen Forschens bekannt geworden. In
einer späteren Gräbergegend, unweit S. Ma-
ria di Gesü, ließ sich der Unterbau einer dori-
schen Grabaedicula frühhellenistischer Zeit
feststellen, auch spät noch, unter allerlei
Veränderungen für Deposition dann aller-
dings unterirdischer Sarkophage (s. z. B. den
Bleisarg Fig. 12— 13 mit kleiner, verschheß-
barer Öffnung im Deckel, genau wie der Bull.
Inst. 1833, 172— 76 beschriebene) verwendet.
Ebenso wie in Syrakus, so ist also auch hier
die Errichtung solcher Grabnaiskoi, wie wir
sie namentlich aus Tarent in Originalresten
und von den Vasenabbildungen kennen
(s. Pagenstechers Unteritalische Grabdenk-
mäler), bezeugte Sitte. Den Niedergang der
Stadt gegen Ausgang des Altertums bestätigt
hier, wie so oft, die Ausbreitung des Gräber-
gebiets über Stadtgegenden, die fjüher dicht
besiedelt waren und wo unter den späten
Formae frühere Häuserreste hervorkommen.
So dehnt sich zwischen der Piazza del Duomo
und dem Meere über einem Gebiet voller
alter zerfallener Gebäude eine große Reihe
ausgedehnter Grabfelder; besonders bemer-
kenswert ein gewölbter Saal mit gut erkenn-
barer Dekoration des I. Jahrhunderts n. Chr.,
zu einem Hause der letzten Zeit der Republik
oder der ersten Kaiserzeit gehörig, schwerlich
ursprünglich, wie Orsi meint, sondern wohl
erst später infolge Aufhöhung des Bodens
unterirdisch geworden und dann zu allerlei
unsauberen Praktiken verwendet, wovon
eine recht obszöne, bereits lateinische Liebes-
erzählung, Graffito, (S. 58—59) Zeugnis ab-
legt. — Und wie mit Catania, so ist nunmehr
auch mit der dritten Großstadt der Ostküste,
Messina, Orsis Name verknüpft durch eine
ausführliche und musterhafte Veröffent-
lichung der im Gefolge der Zerstörung dieser
Gegend durch das große Erdbeben und die
Aufbaunotwendigkeiten bloßgelegten Gruppe
römischer Gräber bei S. Placido, unweit der
Meeresküste nahe dem Nordende der alten
Stadt, von mir noch 1914, soweit sie damals
offenlag, untersucht (ML. XXIV, 1916,
121 — 192, tav. I— IV und viele Textabbil-
j düngen, die beste Bearbeitung, die bis jetzt
1 ein römisches Gräberfeld Siziliens oder Groß-
I griechenlands gefunden hat). Es ist das
193
Italien 1914 — 1920.
194
erste wirkliche Nekropolenstück Messinas,
vom I. Jahrhundert n. Chr. bis höchstens in
den Anfang des 3. reichend. Nach hellenisti-
scher Sitte, wie sie uns schon aus Lykien
früher vertraut ist, aus Thessalien z. B. aus
Metropolis in der Hestiaiotis (Prakt. 191 1,
338, Fig. 13) uns entgegentritt, ist der
Typus des Familiengrabes festgehalten mit
starker Betonung des Eigentums durch eine
den Grabbezirk umschheßende Mauer. In-
nerhalb des Bezirks wurde zunächst eine
Grabaedicula zur Aufnahme der ersten Gräber
errichtet; andere Gräber gruppieren sich
bald um jenes erste Grabhaus, häufig in wenig
geordneter Weise, sogar in bloßen Erdgruben.
Die meisten Toten liegen, da kein Haustein
dort, in Ziegelsärgen, mit einem rechteckigen
»Tumulus« überbaut, der stuckiert und rot
bemalt zu sein pflegt. Nur etwa ein Achtel
sind Brandgräber, also das Verhältnis, wie
seit dem 8. Jahrhundert im allgemeinen in
allen griechischen Nekropolen Siziliens. We-
nige Inschriften, in beiden Sprachen, auch
die griechischen, der Zusammensetzung der
Zugewanderten gemäß, meist mit lateini-
schen Namen. Manche Inschriftplatten sind
später wiederverwendet. Mehrere Blei-
defixionstafeln sind S. 154—60, Fig. 25—26
und 167—69, Fig. 34 abgebildet. Kaum
Beigaben: kleine Töpfchen, Gläser u. dgl.
Münzen mitunter, aber nicht regelmäßig;
meist im Munde, aber auch in der Hand.
Rituell sind Zugaben von Eisennägeln und,
oft, ein Kiesel an der Kopfstelle. Vielfach
sind mehrere Leichen in einem Grabe, die
Nachbestattung erleichtert durch bewegliche
Kopfplatten, im Grab 56 durch eine beweg-
liche Giebelplatte, einmal durch einen hin-
eingestellten Tonkopf Fig. 24. Verbrennung
fand meist in situ statt, daher wenig Aschen-
gefäße. S. 192—218 folgen dann noch man-
cherlei topographische Mitteilungen, so über
eine Mauerstrecke, die vielleicht Stadtmauer
war und gleichzeitig Schutzmauer gegen die
Aufschwemmungen des Baches Portalegna,
ferner über Einzelfunde von Skulptur-
stücken. — Von Syrakus, Catania, Messina
abgesehen ist aus der östlichen Inselhälfte
nicht viel neues zu melden: nur Zufallsfunde
und kleine Tastgrabungen. Ein wichtiger
Fund ist in Megara gemacht. Orsi bemühte
sich, den einzig nachweisbaren Tempel der
Archäologischer Anzeiger 1921.
Stadt, dessen Fundamente leider vor 40 Jah-
ren zerstört sind, soweit möglich zu unter-
suchen, wobei freilich nur die Einarbeitungen
im Boden gefunden wurden, ferner unbedeu-
tende Säulenreste — dorischer Hexastylos • — ,
Stücke architektonischer Terrakotten, wie in
der Mutterstadt von Selinus zu erwarten, und
protokorinthische Scherben. Aber die Tem-
pelachse steht auf einem Graben, dessen
weiterer, zum Teil gewundener Verlauf ihn
als Schutzgraben eines Stentinellodorfs er-
kennen läßt. Außer den üblichen Sten-
tinelloscherben, den Feuerstein- und Ob-
sidiansplittern, bearbeiteten Knochen und
andern Besiedelungsspuren fanden sich auch
Reste einer sehr feinen, gemalten Tonware,
darunter eine Schale, »decorata nella con-
vessitä di una grande Stella rossa a 9 raggi«.
Orsi vermutet auswärtigen Import. Aber
woher? Über diese Entdeckung verheißt
Orsi eine größere Publikation in den ML.
(Not. 1920, 331). Die im Gegensatz
zu der heutigen Konzentrierung auch der
ländlichen Bevölkerung auf die Städte im
späteren Altertum und noch unter der by-
zantinischen Herrschaft .zu beobachtende
Ausbreitung einer wohlhabenden, wenn auch
dünn verteilten Ackerbevölkerung auf dem
flachen Lande, wo augenscheinhch der Ge-
treidebau wieder lohnender wurde nach Aus-
scheiden der fernen Versorgungsgebiete für
Italien infolge der Umgestaltung der politi-
schen Verhältnisse, brachte schon früher,
z. B. auf den Hochflächen um Modica,
manche wertvolle Einzelfunde und regte zu
gelegentlichen Grabungen an: Not. I9I5)
212—14. Interessant, daß hier auch aus
griechischer Zeit eine als Aschengefäß ver-
wendete rf. Vase ganz nach aus dem chal-
kidisch-kymäischen Kolonialgebiet bekann-
ter Weise in einen Steinwürfel eingeschlossen
gefunden wurde, und Spuren anderer griechi-
scher Gräber in der Nähe. Fig. 21 ist ein
ausgezeichneter bronzener Pferdefuß, augen-
scheinlich von einem Denkmal mit etwas
über lebensgroßen Gestalten stammend, in-
nerhalb der Stadt Modica gefunden. Orsi
vergleicht einen Kolossalarm aus Bronze aus
den »Castra Hannibalis« bei Catanzaro. So
fand sich halbwegs zwischen Noto und Pa-
chynon, ebenfalls als Aschengefäß verwendet,
ein guter Kolonnettkrater (Fig. 20), dessen
'95
Italien 1914^1920.
196
Amazonenkampf, drei Fußkrieger, sie allein
zu Roß, ein Ausschnitt ist aus einer megalo-
graphischen Komposition, deren Widerklänge
besonders durch die bei F.-R. wiedergegebe-
nen großen Vasen uns neuerdings so nahe-
gebracht sind. Ebenfalls als Aschenurne
diente eine im Teilarotal gefundene rf. Pe-
like des beginnenden 4. Jahrhunderts, auf
der ein Mädchen zwischen zwei Jünglingen
sich ihres Bildes im Spiegel freut (Fig. 19).
Bei Akrai fand sich aus dem Heiligtum
des Apollon, der (weiblichen) Paides und der
Anna (nicht An-
assal ) hellenistisch-
römischer Zeit
(Orsi, Not. 1899,
352— 71) eine grie-
chische Marmor-
tafel, welche aber-
mals als Sitz des
Amphipolos Syra-
kus bestätigt, als
Priesterin am Orte
eine Marcia Cae-
cilia nennt. L. Cor-
nelius Aquila stif-
tet für sich, seine
Mutter und für
seine Frau Mocstia
Volumnilla einen
Spiegel (^vuTTTpov) :
Not. 1920, 327—
29. — Von Akrai
I km entfernt fand
sich der untere
Teil eines schönen
hellenistischen
Hochreliefs aus feinstem Kalkstein: Apollon,
stark entlastet, lehnt sich mit dem linken
Ellbogen auf einen Omphalos, der auf einem
Altar steht, auf dem ebenfalls ein künstle-
risch verzierter Dreifuß; in der Linken hält
er Lorbeerzweige, der rechte Oberarm ging
seitwärts, der verlorene Unterarm scheint
hoch gehoben und zum Kopf geführt ge-
wesen zu sein. Auf der andern Seite des
Altars steht eine Frau ohne Kopf und rechten
Arm, in hochgegürtetem Chiton, den Mantel
von unterhalb der rechten Hüfte zur linken
Hand emporgeführt; in der Linken Zweige.
Orsi denkt an Demeter, auch eine Priesterin
wäre möglich (Not. 1920, 332 — 33, Fig. 20,
Abb. 49. Relief aus Akrai
I wonach hier Abb. 49). — Daß die
; Stadt auf Monte S. Mauro bei Calta-
girone, woher das bekannte archaisch-
griechische, kunstgeschichtlich nach Rhodos
und Kleinasien weisende Relief ML. XX,
, Taf. 9, zuletzt Pace, Arte ed Artisti 512,
! Fig. 16, stammt, tatsächlich im 6. Jahrhun-
dert vielleicht von Gela aus griechisch be-
setzt wurde, hat Orsi in seiner damals er-
schöpfenden Behandlung dieser Stadt ML.
XX angenommen. Eine erneute Bestätigung
scheint eine noch ungenügend bekannte ärm-
liche aber griechi-
sche Gräbergruppc
— etwa 300 fest-
gestellt, doch wa-
ren es mehr — zu
geben, die 1913
anfing herauszu-
kommen. Der In-
halt weist durch-
aus ins 6. Jahrhun-
dert (Not. 1915,
225—26). Die
noch nicht sicher
zu benennende
Sikulerstadt bei
Grammichele,
die die Überland-
verbindung Gelas
über die Heräi-
schen Berge nach
dem Simaithostal
beherrschte und
daher früher Helle-
nisierung verfallen
mußte, hat uns
Orsi bekanntlich durch eine Folge glänzender
Untersuchungen nahegebracht (Bull. pal.
XXXI, 1905, 96—133 für Orsi II— III, als-
dann ML. VII und XVIII) und demMuseum
in Syrakus wertvollste Kunstwerke zugeführt.
Nunmehr berichtet er Not. 1920, 336 — 37
über die Aufdeckung von Gräbern der 4. Si-
kulerpcriode, bereits Mitte 6. bis in die zweite
Hälfte 5. Jahrhunderts, welche augenschein-
lich die Hellenisierung der Stadt in unge-
mein lehrreicher Weise vor Augen führen.
Neben eine große Fülle einheimischer, zum
Teil noch geometrischer Keramik tritt ko-
rinthischer, dann attischer Import. Auf
dem Fußring einer obszönen Vase ein Vers
197
Italien 19 14 — 1920.
198
aus dem Ephialtes des Phrynichos, von
Comparetti erkannt, der den Fund beson-
ders veröffentlichen wird. Der auch sonst
reiche Inhalt dieser Gräber wird Orsi Anlaß
zu einer umfassenderen Veröffentlichung
geben. — Aus Kamarina bildet Orsi
Not. 1920, 330, Fig. 19 die Bronze-
statuette einer Athena ab, deren gesenkte
Rechte wohl am verlorenen Schild lag, wäh-
rend die Linke eine Eisenlanze hoch faßte.
Tracht und ganzer Habitus, Kopfwendung
u. a. scheinen mir das Figürchen, dessen
ausführliche Behandlung Orsi in Aussicht
stellt, in das 4. Jahrhundert zu weisen.
Nachklänge der Großplastik des 5. auf-
zeigend. Orsi verweist auf das Prototyp
der in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts
gehörenden Athena auf den Silberlitren von
Kamarina (Salinas, Taf. XVI, 27—41; BMC.
Sicily S. 33; Holm, GS.III, Taf. II, i),
wohl das Kultbild der Stadt, dem auch der
Bronzebildner jüngerer Zeit naturgemäß
folgte. — Die ebenfalls noch unbe-
nannte Stadt auf dem Hochplateau von
Serra Orlando bei Aidone ergab ein
Haus, ferner ein Brandgrab, in dem
die Leiche ausgestreckt in situ verbrannt
lag, daneben ']^ Astragalen und, wie es
scheint, hellenistisches Geschirr, alsdann ein
Kammergrab mit drei Bänken und Mittel-
graben, darin 36 Skelette, attisches sf. Ge-
schirr und einheirnisches, 6. bis Anfang 5.
Jahrhundert. Andere hellenistische Gräber
hier und bei Cittadella, ebenda, ergaben Be-
stattungsgräber, diese zum Teil Tonsärge und
auf der Stelle verbrannte Leichen, auch zwei
aufgemauerte Grabmäler, wie sie z. B. aus
Kenturipe bekannt sind. Weitere Hausfunde
stehen in Aussicht: allmählich ist die Zahl
sizilischer Hänser besonders der hellenisti-
schen Zeit so im Wachsen, daß wohl die
Hoffnung auf eine zusammenfassende Ver-
öffentlichung ausgesprochen werden darf. —
Besondere Aufmerksamkeit hat Orsi dem
vorgriechischen Ort und der wahrscheinlich
von ihm 8 km entfernten, von Dionysios als
Zwingburg errichteten Festungsstadt von
Adranum-Adernö zugewandt, hat nur
wegen Knappheit der Mittel nach 50tägiger
Kampagne abbrechen müssen, aber an die-
sem .sehr viel Aufklärung versprechenden \
Punkt noch weitere Arbeit und dann natür- '
lieh auch umfassende Veröffentlichung in
Aussicht (Not. 1915, 227—30) gestellt. Das
vorgriechische Adranum unten im Symai-
thostal mit seinen rohen Steinwällen um den
Ort, seinem großartigen Bronzefund (Bull,
pal. XXXV, 1913, 43—44), jetzt der Stolz
des syrakusaner Museums, wo im 5. Jahr-
hundert Sikuler ihre Sprache mit griechi-
schen Buchstaben in die Ziegel drückten
(Not. 1912, 416—17, Fig. 24—25), und die
neue gewaltige Festung in der Höhe, deren
Mauern auch mir früher als zu mächtig
erschienen, um nur als Substruktionen des
Adranusheihgtums zu dienen, werden der
Forschung noch manche schöne Aufgabe
stellen. — Aus dem so lange vernachlässigten
und jetzt unter Orsis glückliche Hand ge-
kommenen Tyndaris gibt er Not. 1920,346,
Fig. 30 den leider auch nur fragmentarisch
erhaltenen Unterteil einer nach rechts vor-
wärts schwebenden Nike, ein wunderschönes,
scharf geschnittenes, in griechischem Marmor
gearbeitetes Stück. Orsi denkt, durchaus
wahrscheinlich, an ein Akroter, datiert je-
doch zu hoch noch in das 5. Jahrhundert.
Das Stück erinnert am meisten an die guten
Epidaurosskulpturen, auch an des Timotheos
Leda u. a., womit ja auch die Zeit des erst
396 durch Dionysios gegründeten Tyndaris
(s. meine Darlegungen Z. f. Numism. III,
1876, 27 — 39) stimmt. — Hellenistische
Gräber bei Assaro ergaben schöne
Bronzen. Ein ausgezeichneter Eimer mit
Schlangenhenkeln und als Attache einem
Silenkopf, der hervorlugt unter Efeublät-
tern, die zum Teil in Silberplattierung auf-
gelegt sind: Not. 1920, 334—35, Fig- 21—22.
— Nahe der Station Giardini wurde in
einem späten Hause ein Fußboden mit dem
Bilde des Labyrinth gefunden, von Mauern
und Türmen umgeben: Not. 1920, 341 — 45,
Fig. 26 — 29. — Im Hof des Manfredkastells
oberhalb Castrogiovannis fanden, als ich
1914 zuletzt dort war, umfassende Auf-
grabungen statt; in Verbindung mit diesen
fand sich eine byzantinische Kirche und
viele Gräber, die schon wegen der zu Füßen
sich verengernden Form, bekanntlich auch
bei uns typisch mittelalterlich, für ebensolche
gehalten werden müssen. Dazwischen jedoch
konnten viele glockenförmige Silos (»Ziri«)
beobachtet werden, in denen nahe und ge-
199
Italien 19 14 — 1920.
200
wissermaßen unter dem Schutz der chthoni-
schen Göttinnen die Kornvorräte der Ein-
wohner sicher und trocken geborgen waren
(Not. 1915, 232—33). — Als interessante Ein-
zeltatsache sei noch erwähnt, daß aus Gran-
michele eine richtige archaische Rippen-
cista aufgetaucht ist, ein Fund, denOrsi ver-
wertet, ähnlich wie 1913 den Fund eines
Eimers aus Bronzeblech von Leontinoi (Bull,
pal. XXXVIII, 1913, 30-38, 168-75, um
mit Heibig und mir (RM. 1887, 269) für
chalkidisch-ionischen Ursprung dieser Metall-
formen gegenüber der von Marchesetti, Du-
cati, Grenier u. a. vertretenen nordischen
Herkunft einzutreten: eine grundsätzlich für
Fabrikations- und Handelsgeschichte recht
wesentliche Frage von weittragender Be-
deutung (Bull. pal. XLII, 1917, 36—49).
Im selben Bande des Bull. pal. 1 10— 112
bildet MaggiuUi eine solche Rippencista aus
Rudiae im Museum von Lecce ab und be-
tont ihr häufiges Erscheinen auf apuhsch-
messapischen Vasen des 4. Jahrhunderts aus
Rugge und Umgegend. — So glänzend es,
seit Orsis Tatkraft vor mehr als 30 Jahren
einsetzte, um unsere enorm erweiterte Kennt-
nis Ostsiziliens bestellt ist, so kümmerlich
war es bekanntlich im Westen. Eine so
wichtige Griechenstadt wie Akragas blieb
so gut wie unberührt, in Selinus wurde zwar
gegraben, auch Wichtiges gefunden: aber
die Fundstücke wanderten in die Keller des
Museums von Palermo, ohne daß genügende
Berichterstattung erfolgt wäre. Ebenso in
Lilybäum usw. Auch die ProJ:)leme der
Frühzeit, die Orsi im Osten so schön klärte
und die Entwicklung langer Jahrhunderte
in einen organischen Zusammenhang brachte,
,so daß ein festes geschichtliches Bild auch
vom einheimischen Wesen bis tief in die helle
griechische Zeit hinein geschaffen ist, sind im
Westen nur sporadisch angefaßt. Das alles
wird aber besser werden, seit vor einigen
Jahren mit Ettore Gabriel ein Direktor ans
Museum von Palermo getreten ist, der mit
großer Sachkenntnis und Grabungserfahrung
auch Fleiß und Gewissenhaftigkeit in hervor-
ragendem Maße mitbringt. Die großen Men-
gen zum Teil schon vor langer Zeit aufge-
deckter selinuntiner Gräber, deren Inhalt in
den Katakomben des palermitaner Museums
von neuem begraben war, mußte ihn ver-
anlassen, der vornehmsten Begräbnisstätte
von Selinus im Fondo Gaggera westlich
des Selinus seine besondere Aufmerksamkeit
zuzuwenden, um so mehr, da an dieser einzig-
artigen Stätte zwar 1902— 03, 1905, 1915 ge-
graben ist, die Berichterstattung jedoch mit
1898 aufgehört hat. Besonders interessant
ist hier bekanntlich die Verbindung der Ne-
kropole mit reich mit Kultvorrichtungen
und Weihegaben ausgestattetem heiligem
Bezirk, welcher den Gräberfeldern vorge-
lagert ist. Das Haupttemenos erfuhr 1905
eine Ergänzung durch ein kleineres Temenos
mit einem Altar. Der mit Resten von Weih-
gaben ganz durchsetzte Boden in beiden Be-
zirken gab arger Raubgräberei ein gefähr-
liches Feld. So begann denn Gabriel seine
Tätigkeit mit genauen Untersuchungen und
Vervollständigung früherer Arbeit, deren Er-
gebnisse durch den Flugsand zu gutem Teile
bereits wieder zugedeckt waren. Die Nord-
westecke des großen Temenos wurde frei-
gelegt und ebenso der kleine Bezirk. Das
Votivmaterial hat sich außerordenthch ver-
mehrt; schon die in Gabriels erstem Bericht
Not. 1920, 67—91 abgebildeten 30 Terra-
kotten von ganzen Figuren und Köpfen
weiblicher Gottheiten geben eine Vorstellung,
was für den Kult der chthonischen Götter
hier alles gewonnen und zu gewinnen ist,
so daß man versteht» daß Gabriel eine
größere Publikation mit Plänen und voll-
ständiger Veröffentlichung des gesamten Vo-
tivmaterials in Vorbereitung hat und bitter
klagt, daß auch in Italien die Schwierig-
keiten und Kosten des Drucks jetzt so hin-
dernd eingreifen. Die erste der Stadt in
ihrer anfänglichen Beschränkung auf das
Burgplateau — auf das sie nach der Zer-
störung und Neubefestigung durch Hermo-
krates wieder reduziert wurde — nächste
Nekropole auf dem nördlichen Hügel von
Galera Bagliazzo, wo u. a. über einem Grabe
noch der Bronzejüngling von Castelvetrano
gefunden ist — , ist augenscheinlich be-
deutend früher als wir annahmen durch die
Westnekropole zu ersetzen begonnen, ein
Beweis für das rasche Aufblühen der Stadt:
das lehren die neuen Funde. Denn unendlich
reich ist von dort bereits die protokorinthi-
sche, korinthische, rhodische, attisch sf. Kera-
mik vertreten, dann die rf., dazu die Terra-
20I
Italien 1914 — 1920.
2Ü2
kotten, und alles durch das Zerstörungsjahr
mit festem Endpunkt. Sie vervollständigen
zugleich das Bild dieser in der ganzen griechi-
schen Welt bis jetzt so einzigartigen Toten-
kultstätte derartig, daß, wer sich mit griechi-
scher Religionsgeschichte abgibt, nur mit
größter Erwartung jener in Aussicht gestell-
ten Gesamtveröffentlichung entgegenhoffen
kann. Drei vielfach interessante Bleidefixio-
nen von dort RCL. 1918, 193—206 (Com-
paretti). — Von den Grabungen auf der
Akropolis beim Tempel C war schon oben
die Rede. Im Archivio stör. p. 1. Sicilia
Orientale XVI, 1—8 mit Tafel veröffentlicht
Gabriel Originalberichte Valerio Villareales,
mit Serradifalcos Nachlaß ins Museum von
Palermo gekommen, über die Grabungen der
Jahre 1830— 32 an den Tempeln E und F,
sowie einige nachträgliche Grabungen bei
B und C. Wenn auch schon benutzt im
Bull. Inst. 1831, 177 ff. und bei Serra-
difalco, enthalten die Berichte doch noch
manches beachtenswerte, besonders über die
noch zahlreich beobachteten Farbspuren
(über die Gabriel erneute Untersuchung ver-
spricht) und die Fundlage der Metopen. —
Motye, die karthagische Inselfestung, früher
derartig verwachsen, daß man in der Tat
kaum mehr davon sah,- als das Bild, welches
wir 1896 auf einer badischen Studienreise
aufnahmen (Aus dem klassischen Süden,
Taf. 131), hat durch ihren jetzigen Besitzer,
den italianisierten Engländer Whitaker, eine
Untersuchung erfahren, deren Ergebnisse er
selbst in einem Buch, das mir noch nicht zu
Gesicht gekommen ist, dargelegt hat : Joseph
^ J. Whitaker, Motya, a Phoenician Colony in
Sicily. London 1921. G. Bell and sons. XVI,
358 SS. 9 Karten und Pläne. 116 Abb.
Preis 30 Sh. Pace berichtet Not. 1915,
431 — i,(s und bildet einiges ab mit leider nur
10 Textfiguren und ohne den Stadtplan,
soweit er sich bis dahin hätte geben lassen.
Die Gräber geben auch hier das getreueste
Bild der Stadtgeschichte. Daher erwähne
ich zunächst eine überraschende Entdeckung,
Gräber auf der Insel selbst und zwar unter
und innerhalb der Stadtmauer, also älter als
diese und mit dem Karthago des 8.-7. Jahr-
hunderts auch darin zusammengehend, daß
in für Semiten erstaunlichem Grade die Vcr-
brenmingssitte Platz gegriffen hat: proto-
korinthische Gefäße verschiedenster Gattung
und anderes Material, als Waffen, Halsketten
auch mit Bernsteinverwendung, mit Silber
und Gold datieren diese Gräber. Die späte-
ren früher allein bekannten Gräber gegenüber
auf dem Festland an der »Li Birgi« ge-
nannten Örtlichkeit kehrten wieder zur alt-
semitischen Bestattung in Sarkophagen oder
Holzsärgen zurück, wenn auch vereinzelte
Brandnachzügler nicht fehlen. Diese jüngere
Nekropolis, die kurze Zeit noch neben den
Begräbnissen auf der Insel herging, dann
aber diese ersetzte, ist durch die sf. und rf.
attischen Vasen, bunte Gläser, etwas junges
Bucchero, schwarzgefirniste Gefäße mit auf-
gesetztem Weiß und Rot, dazu einigen In-
schriften mit punischen Namen, aber in
älterer griechischer Schrift, die erst demnächst
veröffentlicht werden sollen, charakterisiert;
sie steht ganz unter jenem starken griechi-
schen Einfluß, dem die karthagische Epi-
krateia überhaupt im 5. Jahrhundert zu er-
liegen drohte, den man auch auf dem Eryx
beobachten kann, so daß man das gewalt-
same Abwerfen solcher politisch gefährlich
werdenden Suprematie gegen das Jahrhun-
dertende versteht; dieser Gräberinhalt, mit
dem manche Funde im Stadtgebiet zusam-
mengehen, bestätigt durchaus, was man
schon aus der Münzprägung hätte sehen
können, aus den Silbermünzen mit griechi-
scher Aufschrift, z. B. Holm, Gesch. Siz. III,
Taf. IV, 9 oder Brit. Mus. Cat. Sicily 115,
116, ebenso aus den punischen, für
sizilische Zirkulation in Motye geprägten
Stücken: Holm, Taf. VIII, 8 oder BMC.
243—45. Erwähnt sei, daß die Grabungen
verschiedene neue Münztypen zutage för-
derten, darunterein Silbertetradrachmon mit
einem dem Typus des Eukleidas und Kimon
nachgebildeten Frauenkopf nach rechts,
einem Weizenkorn zwischen vier Kugeln auf
der Rückseite (443, 3). Eine gute Vorstellung
vom Aussehen der älteren insularen Brand-
gräber, deren Inhalt und einfachsten Grab-
cippen geben die Abbildungen Fig. 8 — 10.
Die Stadt lebte bis 397. Die Belagerungs-
geschichte und ihre Einnahme durch Diony-
sios, wie sie Diod. XIV, 47—53 anschaulich
schildert, erhält durch die Aufdeckung der
Befestigungen und der wesentlichen Züge
des Stadtgrundrisses sowie der Häuser helles
203
Italien 1 914 — 1920.
204
Licht. Die Stadtmauern, schöner Quader-
bau mit viereckigen Türmen, ein doppel-
tes, reich gegliedertes Nordtor von zwei
Türmen flankiert, stellt die Hauptverbin-
dung der Stadt nach dem Festland dar, in-
dem es sich nach dem Deich öffnete; im
Süden entsprach ein einfacheres Tor; kleine
Pförtchen, die eine anschauliche Vorstellung
geben z. B. von den Ausfallpforten auf dem
Stadtbilde der Gjölbaschireliefs, öffnen sich
dazwischen. Weiß getünchte Zinnen aus
Sandstein zeigen eine neue Form (Fig. 4);
schöne Treppen führen von den Mauern
herab zu den Landeplätzen (Fig. 6). Im
Nordwesten ist eine große Bresche gefunden
und ebenda eine große Menge Bronzepfeil-
spitzen : wohl die Bresche des Dionysios.
Das Nord- und Südtor sind durch eine grade
Straße verbunden, in der Mitte ein großer
Platz mit Tennenboden, wohl ein Markt.
An ihm stand ein Monumentalbau, ungewiß,
ob städtischen oder religiösen Zwecken die-
nend. Auch eine Töpferwerkstatt fand sich
am Platz, ebenda eine Terrakottaarula mit
zwei Löwen und Stier, wie solche mehrere
gefunden sind, merkwürdig auch für griechi-
sche Religionsäußerungen auf fremdrassigem
Boden. Häuser mit Mosaikböden, auch fi
gürlich geschmückten — Tierkämpfe — ,
durch rf. Gefäßbruchstücke, das wohl jüngste
eine Meidiasscherbe, vor 397 datiert, wie zu
erwarten. Ein imposantes, vornehmes Haus
läßt noch seine Höhe erkennen, wie ja auch
in Karthago gebaut wurde und die enge
Inselfestung es nahelegen mußte. Einfache
Häuser sind aus Lehmziegeln und Holz ge-
baut. Die Dächer sind bei vielen Häusern
nicht Ziegel, sondern Lehmschlag oder Rohr-
dächer über Holzbalken, auch Olivenzweige
sind verwendet worden. Zwischen den
Häusern enge Zwischengänge, wie so oft.
Face verweist auf die gleiche Erscheinung
in Solus. Auch auf Pergamon mit seinen
Peristaseis können wir hinweisen. Ein klei-
nes, geschlossenes Hafenbecken, wie wir es
aus Diodors Beschreibungerschließen müssen,
in Karthago noch sehen, wurde ermittelt.
Führt uns nunmehr dies Hafenbecken eine
Episode der Schlußkatastrophe lebendig vor
Augen, so mag damit auch eine kleine
Gruppe von Gräbern auf der Insel selbst
nnhe den Bastionen am Nordtor in Zusam-
menhang stehen ; wohl mit Recht sieht Pace
hier während der Belagerung Gestorbene.
Aus späterer Zeit sind nur ganz vereinzelte
Dinge gefunden, ärmlich und unbedeutend,
die nur bestätigen können, daß es mit Motye
nach 397 zu Ende war. Lilybaion war an die
Stelle getreten. Erwähnt sei schließlich, daß
einzelne Spuren vorphönikischer Besiedelung
altsikulischen Charakters auf der Insel ge-
funden sind (445).
Not. 1919, 80—86 macht Pace einige Mit-
teilungen über die Gruppen punischer Gräber
um Lilybaion, wo ganz anders wie bei
Motye die punische Grabesform des Vertikal-
schachtes mit von der Bodenfläche sich öff-
nenden Seitenkammern, wie W'ir sie von Sar-
dinien, Karthago, Cypern usw. kennen, die
in der Hauptgräbergegend nördlich und öst-
lich übliche ist, während im Südosten Grup-
pen unterirdischer Krypten mit Loculi oder
gemauerten Kammern, zu denen man auf
Treppen hinabsteigt, vorherrschen. Von
hier stammen jene bemalten Stelen in Pa-
lermo, von denen oben die Rede war. Die
Nekropolen reichen augenscheinlich bis tief
in die Kaiserzeit hinab; doch fehlen noch
durchaus genauere Beobachtungen, so scheint
es wenigstens, um eine wissenschaftliche
Gliederung, ja auch nur die Ritenwechsel
klar zu überschauen. Viele rhodische aber
auch einheimische und punische Stempel
werden hier vielleicht noch manche Auf-
schlüsse über die Handelswegc geben (Stem-
pel: 80—82). Pace, Arti ed Artisti 579 mel-
det von Katakombengemälden aus Lilybaion,
die auf Salinas Geheiß aquarelliert seien, von
denen man jedoch nichts erfahren hat. —
In späte Zeiten führt eine Arbeit Paces
ML. XXIV, 697—736 mit zwei Tafeln, die
die Basilika von Salemi, 1893 entdeckt
und bisher nur durch einen kurzen Bericht
Not. 1893, 339—42 bekannt, nach eingehen-
den Untersuchungen darstellt: drei Schich-
ten übereinander, sowohl die Kirche wie die
dazu gehörigen Gräber. So denn auch drei
Mosaikböden übereinander. Die unterste
Schicht aus dem 3.-4. Jahrhundert ist nur
noch in Andeutungen vorhanden; desto
besser die zweite, von Cubuldeus (= Quod
vult Deus) und Maxima hergestellt, mit
griechischen Inschriften des 5. Jahrhunderts,
darüber die dritte Schicht mit dem Namen
20j
Italien 1914 — 1920.
2ü6
des Presbyter Dionysius, alles lateinisch,
6. Jahrhundert, während hernach alles wie-
der griechisch wird. Die Gräber, soweit
untersucht, stammen meist aus der zweiten
Schicht. Pace hätte gut getan, zur Erklärung
jenes merkwürdigen Wechsels hinzuweisen
auf den ganz scharf im 6. Jahrhundert ein-
setzenden Einfluß der römischen Kirche auch
auf rein politischem Gebiet, wie ihn uns die
Briefe Gregor d. Gr. in so eindringlicher und
kulturell wertvoller Weise schildern, worüber
in Holms Geschichte Siziliens III, 282—316
ein sehr lesenswertes Kapitel steht.
Was Orsi für Sizilien, ist Taramelli für
Sardinien geworden. Sein schönes Mu-
seum in Cagliari, luftig und weit und unge-
mein übersichtlich und methodisch geordnet,
durch einen von 49 Tafeln begleiteten Kata-
log (Guida del Museo di Cagliari; 1915,
200 S.) gut vorgeführt, zeigte mir, als ich
es zuletzt 1914 sah und mit der Erinnerung
an die früheren bescheidenen und überfüllten
Räume in der Unterstadt verglich, welche
enorme Fortschritte die Kenntnis der Insel
und ihre wissenschaftliche Verwertung unter
Taramellis Leitung gemacht hat, nicht min-
der deutlich,. wie seine und seiner Mitarbeiter
— meist sind es aber seine überaus fleißigen
Abhandlungen in den ML., Not. und Bull,
pal. allein — umfassende Berichte es den-
jenigen ahnen lassen, den das Schiff nicht
hinüberführt zu der einsamen und früher so
arg vernachlässigten Insel. Mit großer Kon-
sequenz und eiserner, auch physisch bei den
schwierigen klimatischen und sonstigen Ver-
hältnissen der Insel nicht hoch genug anzu-
schlagender Ausdauer haben Taramelli, Nis-
sardi und Porro fortgesetzt, was schon vor
1913 in jahrelanger glücklicher Arbeit be-
gonnen war. Die Kenntnis der äneolithischen
und der besonders glänzenden Bronzezeit,
die sich in manchen ihrer Erscheinungen auf
der abgeschiedenen Insel bis in die punische
und römische Zeit weiterahnen läßt, ist durch
fruchtbare Erforschung einzelner und ganzer
Gruppen von gemeinsamem Zweck dienender
Nuragen sowie der zugehörigen Dörfer und
Gräber, Wasseranlagen und Heiligtümer un-
gemein gefördert, auch das zugehörige In-
ventar, insbesondere die Bronzen, auf au-
tochthonen Ursprung oder Import bzw. Be-
einflussung ■ von anderen höheren Kultur-
gebieten, namentlich dem mykenischen (s.
besonders Porro, Influssi dell' Oriente pre-
ellenico suUa civiltä primitiva della Sar-
degna: Atene e Roma 1915, Luglio-Agosto),
sorgsam und vielseitig untersucht und da-
durch die Stellung der Insel in ihrer Los-
gelöstheit vom übrigen Italien, ihrer engeren
Verknüpfung mit den westmediterranen Ge-
bieten, aber auch mit östlichen Ländern
mehr und mehr geklärt worden. Die ganze
Aufmerksamkeit der Forscher während der
Berichtszeit ist auf das eigentlich Sardische
gerichtet gewesen, entsprechend den starken
Anregungen, die Taramellis eigene und
Mackenzies Forschimgen über Nuragen und
Megalithdenkmäler anderer Art, über Siede-
lungs- und Hausbauformen, Gräber und
Heiligtümer gegeben haben. Pettazzonis ge-
dankenreiches Buch »La religione primitiva
in Sardegna«, Piacenza 1912, kombiniert ge-
wiß noch oft zu rasch und eilt unserm wirk-
lichen Wissen kühn voraus: aber sicher hat
Deubner recht, wenn er Arch. f. Religions-
wiss. XX, 1920, 191 es zu den Büchern
rechnet, welche der Wissenschaft einen Ruck
geben. Daß wir uns namentlich in den Bcrg-
' gebieten der Insel noch inmitten der ge-
schichtlichen Zeiten puniscner und später
römischer Beherrschung einem deutlich greif-
baren Naturvolkszustand gegenübersehen,
wie ihn uns Poseidonios von Ligurern und
Korsen schildert, macht grade die kultlichen
Dinge auf der Insel in ihrer ganzen Greif-
barkeit mit den von Jahr zu Jahr rasch
fortschreitenden und musterhaft veröffent-
I lichten Forschungsergebnissen für uns so
lehrreich; aber auch alles übrige, die Bc-
I festigungskunst, ganz auf stete Verteidi-
gungsbereitschaft gerichtet, die Wohnweisc,
die Hauskunst, den Totenkult u. a. Wäh-
rend in früheren Zeiten der jetzt ja erledigte
Streit über die Bestimmung der Nuragen
mehr zur Einzelbeobachtung gedrängt hatte,
hat die namentlich durch den unermüdlichen
Nuragenforscher Nissardi gewaltig geförderte
Zahl der wissenschaftlich bekannten Nu-
ragen und der Entwurf wenigstens partieller
Nuragenkarten zur Erkenntnis der in ihnen
sich ausdrückenden Befestigungssysteme ge-
führt und damit zur Ermittelung ihres Ver-
hältnisses zur Gestaltung der Landschaft,
ihrer Gliederung und Verteidigungsfähigkeit.
207
Italien 19 14 — 1920.
208
So gaben die schönen Entdeckungen San-
filippos, schon benutzt von Pais RCL. 1909,
5—6, den ersten Anstoß zu der gründlichen
Bearbeitung des sardischen Verteidigungs-
systems des südwestlichen Erzgebirges
durch Tarämelli ML. XXIV, 633—95 mit
27 Textabbildungen, eine Arbeit, die sich
würdig seiner Darstellung des grandiosen
innersardischen Festungskomplexes der Gi-
ara di Gesturi durch ihn und Nissardi ML.
XVIII anschheßt und ihre Forsetzung findet
in der Behandlung der Sperrfortsysteme
zwischen dem Campidano und dem nörd-
lichen Inselteil, durch welche »ugleich die
durch die Flußgebiete südlich des Tirso,
nördlich des Temo-Coghinas sich öffnenden
Verbindungen ins Innere und durch die Insel
gedeckt wurden, durch Taramelli in Wieder-
aufnahme von Pinzas Veröffentlichung des
Nissardischen Materials (ML. XI) in folgen-
den Neubehandlungeh: Not. 1915, 305—13
Nurage S. Barbara auf der Felszunge öst-
lich vom Eintritt des Tirso in das Campidano:
ein Doppclturm, dazwischen Hof, sukzessiv
angelegt, mit Geheimkammer im Haupt-
turm mit Beobachtungs- und Verteidigungs-
loch im Boden, durch zwei Treppen zu-
gänglich, der Herd steht im Nebenturm, der
zur Verteidigung des Hauptturms eingerich-
tet wurde ;. ähnliche Anlagen auch anderswo,
aber nirgends so gut untersucht und er-
halten; im Innern Spuren von Hütten-
bauten noch aus der Kaiserzeit mit zuge-
hörigen Gräbern draußen. Ferner 15 — 18 km
weiter nördlich die westöstlich verlaufende
Sperrlinie, welche den Nordrand der Hoch-
fläche von Abbasanta zwischen Tirso und
Collica verteidigt, wo die Nuragenzitadellen
von Norbello (Not. 1915, 117— 118), Nurar-
thei im Tal von Domusnovas Canales (Not.
1915, 118— 119; Bull. pal. XLI, 15 — 16),
besonders aber »il sovrano dei nuraghi sardi«
(Bull. pal. XLI, 18), der mächtige Nurage
Losa mit seinen sukzessiven Erweiterungen,
seinem mit Korkplatten zur Trockenhaltung
ausgefütterten Geheimraum für Waffen u. ä.
seinen römischen und christlichen Hütten
und seinen Kultresten schön aufgenommen
wurde (Not. 1916, 235—54). Alsdann hat
sich Taramellis Forschung nördlich der schon
durch Lamarmora u. a. relativ gut bekannten
Nuragenkette, welche das Plateau von Ma-
comer sicherte, dem Gebiet von Bonorva
zugewandt, wo die Abdachungen des Mar-
ghineplateaus, jene unwirtliche, altberühmte
! Banditengegend, den Paß zwischen Tirsotal
und Logudoro sowie die Verbindungen nach
Nordwest beherrschen, eine Gegend, die we-
gen der vielen und äußerst geschickt an-
gelegten Nuragen, ummauerten Bezirken,
Siedelungen und Heiligtümern sowie der
zahlreichen und ausgedehnten vorrömischen
Nekropolen Taramelli für den politischen
und strategischen Mittelpunkt der Insel an-
sehen möchte. In einer umfassenden und
gründlichen Abhandlung ML. XXV, 1919—
20, 765—904 mit 60 Abbildungen breitet
Taramelli seine Ergebnisse aus, gibt zunächst
ein durch Karten, die freilich nicht die
grade hier wichtige klare Reliefwirkung der
Lamarmoraschen Karte oder der auf sie ge-
bauten des Touring Club erreichen, erläuter-
tes Bild der ganzen Landschaft mit ihren
unendlich vielen Nuragen, um darauf seine
weiteren Darlegungen und Schlüsse aufzu-
bauen, bildet einzelne der hervorragendsten
Nuragen ab, z; B. Oes bei Torralba, Giove,
Oltovolo, Puttu de Inza (Fig. 28—32) u. a.
und erläutert den sakralen Charakter einiger
Nuragen (834—35). Sodann wird besondere
Aufmerksamkeit den runden ummauerten
Bezirken zugewandt, von denen namenthch
einer im Piano di S. Lucia bei der Fontana
Sansa eingehend veröffentlicht und be-
sprochen wird (Fig. 17— 20b); allein auf
dieser Hochfläche sind nicht weniger als 30
solcher »Recinti« festgestellt, die keine Be-
festigungen, sondern Umhegungen heihger
Bezirke gewesen sein müssen, da in ihnen
vielfach Quellen gefunden sind, deren Kult,
mag man auch einige Übertreibungen re-
ligiöser Heiligung aller Quellen abziehen,
wie sie namentlich in Pettazzonis Buch auf-
zutreten scheinen, doch zweifellos ein un-
gemein wichtiges Element der sardinischen
Agrarreligion gewesen ist, wie grade Tara-
melli in den beiden grundlegenden, vorzüg-
I liehen und glänzend illustrierten Abhandlun-
gen »II Tempio Nuragico cd i monumenti
primitivi di S. Vittoria di Serri« (ML.
XXIII, 1915 — 16, 313—436 mit Taf. I bis
VIII und 119 Textabbildungen, früher kurz
Not. 1915, 99—107, ferner Pettazzoni, Bull,
pal. XXXV, 159—77) und »II tempio Nu-
209
Italien 1914 — 1920.
210
ragico di S. Anastasia in Sardana« (ML.
XXV, 1918, 5 — 106, Taf. I-X und 109 Ab-
bildungen) zur Gewißheit erhoben hat, mit
zahlreichen Grundrissen, Abbildungen,
Durchschnitten, Rekonstruktionen und über-
zeugenden Heranziehungen von Erwähnun-
gen in jder antiken Literatur belegt. Hierzu
die" obengenannte Behandlung des Recinto
von Fontana Sansa (810—16) und von
Su Lumarzu (Fig. 22— 26) sowie die schöne
Entdeckung des als »Funtana coperta«
erhaltenen Quellheiligtums, das Spano schon
kannte, ohne es würdigen zu können, unweit
Ballao am Flumendosa (Not. 1919, 169—86
mit 14 Abbildungen), eingereiht in die früher
bekannten (Not. 173). Vielfach Unschädlich-
machung durch das aufgemalte oder ge-
meißelte Kreuz oder durch angeheftete
Eisenkreuze, wie beim Tempel von S. Vit-
toria di Serri. Die Funde innerhalb dieser
mit wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit un-
tersuchten heiligen Stätten berechtigen dazu,
viele früher bekannt gewordene Einzelfund-
stücke oder Gruppen von solchen, wie von
Forraxi Nioi, Valenza, Abini u.a. ebenfalls
solchen Heiligtümern zuzuschreiben und da-
durch Licht zu bringen in manches Dunkel
der altsardischen Kleinkunst und Religion
(Bp. XLI, 13—17). Gegenüber der neuer-
dings z. B. von Rellini vertretenen Annahme,
erst die Bronzeleute wären die Träger des
Quellenkultus gewesen, wird derselbe schon
in die neolithisch-äneolithische Zeit hinauf-
gewiesen (ML. XXV, 815 — 16). Von da an
geht die Entwicklung auf Sardinien ebenso
wie auf Sizilien in ungebrochener Kette
weiter, wie in allem und jedem so auch in
der Religion. Daß durch diese Kontinuität
die zuletzt von Ghirardini vertretene An-
sicht, die keines der in Ägypten eingefallenen
Seevölker mit einem der im Westen wohnen-
den identifizieren will, berührt wird, erkennt
auch Taramelli und sucht sich in längeren
Ausführungen, auf die hier nicht eingegangen
werden kann, mit diesen Fragen auseinander-
zusetzen. Für mich sind allerdings die
Schardana und die Schakaleschi wesentlich
leichter und doch auch wohl methodischer
mit Namen wie Sardes und Sagalassos in
Zusammenhang zu bringen, wie mit den
Sardern und Sikulern; und daß Taramelli
ernsthaft mit der These Cocchias rechnet
(883—84), der die Turscha = Tusci schon
deswegen für Italiker erklärt (Atti Acc.
Napoli 1914, 45), weil der Name doch mit
der »radice italica«, »turris« osk. »tiurri«
zusammenhänge, die in Türmen wohnenden
Leute bezeichne, ist verwunderlich; beide
scheinen sich, wenn einmal an diesen Stamm
gedacht werden soll, nicht des gutgriechi-
schen Tupat? (z. B. Find. Ol. H, 126, Xen.
Anab. IV, 4, 2; V, 2, 5; Hell. IV, 7, 6 u. ö.)
zu erinnern. Die törichte Verbindung
übrigens bereits bei den Alten: Dion. Hai. I,
26; Schol. Find. Ol. II, 127 Drachm.;
schol. Lycophr. 717. Daß grade den etruski-
1 sehen Mauern Türme von Haus aus fremd
sind, hob schon O.Müller (M.-Deecke I, 235)
j mit Recht hervor. Ferner behandelt Tara-
j mein in jener umfassenden Bonorvaarbeit
eine Fülle von Gräbern, die zu den um die
Nuragen gruppierten Dörfern gehören, so-
wohl Tombe dei Giganti wie Domus de
gianas mit vielen guten Abbildungen, Grund-
rissen und Durchschnitten: gradezu über-
raschend wirken die Gräber von S. Andrea
Priu (845—82, Fig. 35—60), in den Fels
I gearbeitete Komplexe großer und diesen an-
geschlossener kleiner Kammern, die großen
Räume zum Teil mit inneren Säulenstellun-
gen, imitierten Zelt- oder Satteldächern,
j Sparrennachbildung, Votivnischen darin,
auch in den Boden getieften Bestattungs-
gruben (für Sardinien neu 859—60), ferner
sowohl in den Hauptsälen wie besonders in
den Vorräumen ebenso wie in Anghelu Ruju
beckenartige Vertiefungen für Spenden (z. B.
861-66, Fig. 44-46; 877-80, Fig. 56-58):
ähnlich in Tonara, Not. 1911, 388, Fig.
1—2; in den Tombe dei Giganti von Luogo-
santu unweit Laerru ganz im Norden:
Not. 191 5, 394, Fig. I usw. Überall drängen
sich die Vergleiche mit den Wohnhütten und
Häusern der Lebenden auf, deren Bild uns
in lehrreichster Weise vor Augen geführt
wird. Rundgräber wie 861—64, Fig. 44—45
geben uns die schönste Ergänzung zu den
Hüttenböden der Wohnhütten von S. Vit-
toria di Serri ML. XXIII, 329, Taf. II
oder zu dem ganzen Dorf in der Senkung
zwischen dem mächtigen, schützenden Nu-
ragen auf der einen, den Gräbern auf der
andern Höhe, das uns die Aufdeckungen von
Gonnesa (Scrrucci) ML. XXIV, 655 ff.,
211
Italien 1914 — 1920.
212
Fig. 12 wiedergeschenkt haben, mit seinen
vielen unregelmäßig gruppierten runden
Steinhütten, nach Süden geöffnet, manche
mit runden oder eckigen Anbauten für
Schweine oder Kleinvieh, den kleinen Höfen
dazwischen, die Mauern mit etwas Anzug,
aber nicht stark genug, um Steinwölbungen
zu tragen, sondern berechnet auf Holz-
deckung, wie die Gräber sie uns imitiert
zeigen, den vielfachen Nischen besonders
nahe dem Herd zum Abstellen, den ähnlich
nahe den Gräbern aufgestellten baitylos-
artigen Steinen und Stelen, wie sie schon
früher von Tamuli und Perdu Pes, dort mit
Reliefbildern weiblicher Brüste versehen, be-
kannt waren (ML. XXV, 792—93), in Gon-
nesa konisch (ML. XXIV, Fig. 19, 22, 23)
usw. Es ist nur natürlich, daß Taramelli
durch die Entdeckung besonders von Gon-
nesa die Entstehung der Nuragenform und
-struktur und ihr genetisches Verhältnis zu
jener einfachen Hüttenform neuen Erwägun-
gen unterzieht und sich namentlich mit Pa-
troni (L'Origine del Nuraghe Sardo: Atene
e Roma, 1916, 145-68) ML. XXIV, 687-92
gewissenhaft auseinandersetzt, worauf dann
wieder Patron! repliziert im Archivio storico
sardo XIII, 1919,1—22. Erwähnt sei noch,
daß in der Gegend von Orunc, nördlich
von Nuoro, in dem früher so wenig bekann-
ten Bergland der nördhchen Osthälfte ein
neues Nuragengebict erforscht und gut er-
haltene Brunnenanlagen, Gräber, auch wie-
der von dem neuerdings sich so mehrenden
Dolmentypus,' aufgefunden und abgebildet
wurden (Not. 1919, 120—32, Fig. I — 14).
Besonders interessant war die Erforschung
des Nuragc von Ortu Comidu, am Nord-
os^rand des Campidano, 2 km südlich von
Sardara: ein nuragenartiger Bau mit zwei
runden Nebenräumen und mehreren Vor-
räumen, tiefem miteingeschlossenem Brun-
nen, der Nurage durch niedrige Umwallungen
noch besonders geschützt. Darinnen reich-
liche Spuren einer Metallgießerei mit den
nötigen Öfen, Gruben, Gefäßen usw. (ML.
XXV, 1919-20, 107-35, Taf. Xl-XIIund
12 Abbildungen). Fig. 116 gibt eine feine
Rekonstruktion eines derartigen Ofens, um
das Kupfer aus dem Erz zu schmelzen. Der
politisch und handelsgeschichtlich wichtige
Reweis, daß diese ganze Tätigkeit in die
volle Nuragenzeit gehöre, wird durch Tara-
melli gebracht. Dieser Fund, die Entdeckung
altsardischer Kupferausbeutung bei Gadoni
südwestlich vom Gennargentu im Quellgebiet
des Flumendosa (Taramelli, Bull. pal.
XXXVIII, 1913, 75-83; ML. XXV, 127
bis 29), diejenige der sardischen Verteidi-
: gungskette, die das den Puniern so be-
' gehrenswerte südwestliche Erzgebirge gegen
unberechtigte Ausbeutung und Konkurrenz
schützen sollte, und manche Einzelfunde von
Bronze zum Teil mykenischen oder sonst aus-
ländischen Charakters legen natürlich Ur-
sprungsbetrachtungen nahe, die sich durch
die Tarameilischen Arbeiten der letzten Zei-
ten hindurchziehen und auch in jener oben-
genannten Abhandlung Porros (Atene e
Roma 191 5) ihren Ausdruck fanden: wann
nämlich die durch die Funde der mykenisch-
kyprisch signierten Bronzebarren von Serra
Ilixi bei Cagliari (Pigorini, Bull. pal. XXX,
1904, 91 — 107) bezeugte Einfuhr des Metalls
durch einheimische Produktion in Wegfall
kam und die der Erzeugung folgende ein-
heimische Metallarbeit einsetzte, eine Frage,
. die besonders für die Waffenformen, aber
natürlich auch für vieles andere von großem
Interesse ist. So ergab ein bedeutender Fund
von Waffen, Werkzeugen, Geräten und
Bronzebruchstücken aller Art, auch runden
und längHchen Bronzebarren, der 1914 auf
dem Monte Idda am Ostrand des Erz-
gebirges, nahe dem Ausgang des Cixerritales
zwischen Siliqua und Decimoputzu gemacht
wurde (Not. 1915, 89—97; Bull. pal. XLI,
I 16—18; Not. 1918, 163—68) u.a. Schwert-
I griffe, die deutlich an kretische und mykeni-
sche Formen anklingen, aber doch durch
Vereinfachung und leichte Abweichungen
wohl auf einheimische Arbeit hinweisen.
i Während die ägeischen Elemente derselben
Zeit in Sizihen einfach aufgenommen wur-
den, wo einheimisches Metall fehlte, hat das
sardinische Kupfer, das das Handelsinteresse
und die Habsucht der Phöniker und Kar-
thager in einer für die Insel so verhängnis-
vollen Weise früh reizte, die einheimische
Technik zeitig geweckt und für Waffen und
' Werkzeuge die Bewohner bald zu Selbst-
erzeugern gemacht, wobei die überkomme-
nen bewährten Formen maßgebend blieben,
während die Freude an der neu errungenen .
213
Italien 1914 — 1920.
214
Kunst den Anreiz bot, der eigenen für
Plastik durch keine Tradition gebundenen
und gezügelten Phantasie die Zügel schießen
zu lassen und so zu jener barbarisch an- :
mutenden,figürlichen Auswirkung führte, die '
uns mehr an Iberisches und Westafrikani-
sches wie an östliche Mittelmeerkunst er-
innert. Beiläufig sei hier der Fund eines
frühsardischen Kriegers aus der Gallura er-
wähnt, das erste Beispiel aus jener Gegend [
überhaupt, die ja in manchem mehr an
Korsika wie an die eigne Insel gemahnt
(Not. 1918, 72—76). Taramelli hält sie für
das Anzeichen eines dem Fundort nahen
Heiligtums, an dessen Stelle, am Wege von j
Tempio nach Palau, bei Luogosantu am !
Abhang des Monte Balaiana zwei alte Feld-
kirchlein, des N. S. del Rimedio und des Sal-
vatore, die letztere uralt, nach Taramelli
vielleicht die Erinnerung festhalten. Der-
artige Schlüsse sind auf Sardinien ganz be-
sonders berechtigt, wo die Zähigkeit der
Tradition einzigartig ist, wie ja auch Lebens- '
und Geistesverfassung der Bewohner in den j
abgelegneren Gegenden noch heute durch-
aus frühgeschichtlich, um nicht prähistorisch
zu sagen, anmutet. Der antike Kult setzt
sich fort in Höhlen (ein interessanter Be-
richt z. B. über die Grab- und Votivgrotte '
von S. Michele dei Cappuccini bei Ozieri
von Porro Not. 1915, 124—36) und auf [
Bergen und Hochflächen; so ist das Kirch-
lein von S. Vittoria di Serri noch heute J
Stätte von Dankfesten, besonders für Ernten, ;
sicher ganz wie vor Jahrtausenden (ML. .
XXIIT, 388), so finden die religiös-zivilen
Versammlungen der heutigen Sarden noch
auf entlegenen Höhen oder von den Orten
entfernten Plätzen statt, wie solch ein Platz
inmitten der Giara di Serri für Versammlun-
gen hergerichtet mit allen nötigen religiösen
Einrichtungen, einem Weihwasserbecken am
Eingang, einem Altar im Inneren, den Fund-
stücken nach benutzt durch die ganze puni-
sche und römische Zeit, von Taramelli ML.
XXIII, 406—29 mit Hinweis auf die jetzigen
Sitten beschrieben und abgebildet wird. —
Langandauernde Gräberplünderungen und
der Wunsch, einer vor langen Jahren ins
Museum von Cagliari gelangten Sammlung
von Fundstücken aus Cornus wissen-
schaftlich näherzukommen, gaben Taramelli
den Anstoß, diese kleine, inmitten der West-
küste gelegene Stadt und ihre Umgebung
besser zu untersuchen, als es früheren For-
schern gelungen war (Not. 1918, 285—331
mit 67 Abbildungen). Die Akropolis, Aus-
gangspunkt und schließlich wieder Abschluß
der in der jüngeren Kaiserzeit absterbenden
Stadt, späte, wohl erst in der Sccräuber-
oder Vandalennot errichtete Mauern wurden
festgestellt, vom Inneren, worüber alte Be-
richterstatter mehr zu sagen wußten, freilich
ohne viel Gewähr zu geben, wenig mehr ge-
funden außer allerlei Einzelstücken, dagegen
ziemlich viele Gräber, deren Lage zeigt, wie
außerhalb der Stadt, ihrer ländlichen Be-
deutung gemäß, sich Einzelgehöfte oder
Dörfer in ihrem Weichbild verbreitet hatten,
vielleicht, darauf führt namentlich die
Lage altsardischer Gräber — guter Domus
de gianas, darunter intakte, mit außerordent-
lich vielen sukzessive hineingebrachten Toten
gefüllt — , sogar Vorgänger der Stadt selbst,
die in punischer und frührömischer Zeit sich
einer gewissen Blüte erfreut zu haben scheint.
Auch punische und römische Gräber wurden
ziemlich viele gefunden, mit •zum Teil in-
taktem Inhalt, darunter schöne und sehr
mannigfache Glasgefäße, wie sie mit jener
Sammlung auch seit lange einen Stolz des
Museums von Cagliari bilden. — Daß im
übrigen wie an Interesse so auch an tat-
sächlichen Funden die jüngere Zeit auf der
Insel mehr zurücktritt, versteht sich von
selbst. Punisches wurde während der Be-
richtsperiode, wie es scheint, kaum erforscht,
in Sulcis ein römisches Haus mit spätem
Mosaik untersucht (Not. 1914, 406—09),
spätkaiserlich- »barbarische« Schmucksachen
im Campidano aus Gräbern bei Sardiana
und Dolianova (Not. 1919, 141— 47) aus-
gehoben und in Assemini 13 km westnord-
westlich von Cagliari interessante byzantini-
sche Stücke dekorativer Art zum Teil inner-
halb des Altars und unter dem Fußboden
der alten Kirche S. Giovanni Battista ent-
deckt (Not. 1919, 161—68).
Funde einzelner bemerkenswerter-
Kunstwerke, soweit sie nicht imvorstehen-
den Bericht bereits verzeichnet sind. Nicht
berücksichtigt sind hier die inventarartigen
Aufführungen aus den Zugangslisten der Mu-
seen in der Cronaca dellc belle Arti im
215
Italien 1914 — 1920.
216
BoUettino d'Arte, ebensowenig' selbstver-
ständlich der große und so höchst erfreuliche
Zuwachs wertvoller Marmorkunstwerke, wel-
che der Öffnung der vatikanischen Magazine
verdankt wird, worüber vorläufig der Bericht
über Amelungs Vortrag in der arch. Ges. in
Berlin vom 11. April ds. Js. Kunde gibt
(unten Sp. 261 f.).
Statuarische Marmorwerke: Statue
einer Göttin, gefunden bei Aricia, jetzt im
Museo nazionale; Veröffentlichung durch
Amelung im Jahrbuch zu erwarten. (Vgl.
Abb. 50. Fischer, hellenistische Statue von der
Via Praenestina.
unten Sp. 261.) Die Photographien lassen
eine nooh strenge Peplosgestalt mit jüngeren
Anklängen erkennen, deren zu kleiner Kopf
jedoch neben der Hera Farnese auch den
Barberinischen Apoll in München herb i-
ruft. Amelung, der das Original kennt, denkt
an Hegias, m. E. zu früh. Ich fragte mich
beim Anschauen des Bildes, ob die Statue,
schon ihrer überlebensgroßen Ausführung
nach Kopie oder Umarbeitung einer Kult-
statue des 5. Jahrhunderts, nicht etwa für
den strittigen Zeitansatz des Alkamenes
von Bedeutung werden kann. Hera?
Artemis? — Eine leider bis jetzt nicht
abgebildete Athena ohne Ägis, in der
man Parthenosnachwirkung erkenne, ist,
bös zerbrochen, an der Terrasse der sog.
Villa Neroniana in Antium gefunden. 5.-4.
Jahrhundert nach Fornari Not. 1915, 54—55.
— Die von Mariani Bull. com. XXIX, 1901,
Taf. VI, wozu 71—81, bekannt gemachte
größere und treuere Marmorkopie der Her-
I kulanenser Tänzerin Ost. Jahresh. IV, 181,
Fig. 198, von Benndorf ebenda 183—84
: gleichfalls besprochen, steht nunmehr als
j Leihgabe ihrer jetzigen Bostoner Besitzerin
I in der Amerikanischen Akademie in Rom
! und ist als Titelbild der Memoirs of the
Amer. Acad. in Rome I, 1917 in schöner,
neuer Abbildung vorgelegt. — Im Frigi-
darium der Thermen in Sezze sind ein guter,
alte Formensprache in den Stil des 4. Jahr-
hunderts überführender Apollonkopf und
eine anmutige frühhellenistische Frauenstatue
gefunden: Not. 1916, 182—83, Fig. 3, 2. —
Ein nachpraxitelischer jugendlicher Diony-
sos, kopflos, rechter Arm hoch, linker ge-
senkt, stammt wohl aus römischem Villen-
besitz bei Castel Gandolfo: Not. 1914, 191.
— ML. XXIV, 207—08 ist eine gute, wenn
auch etwas trockene Kopie der Hygieia
Hope, ohne Kopf, rechte Schulter und Hand
gegeben. — Eine leider sehr trümmerhaft er-
haltene Kolossalgruppe von der Via Salaria
atmet pergamenischen Geist. Man denkt an
Achill-Penthesileia und erinnert sich der
Amazone Borghese: Not. 1915, 25, Fig. 2.
— Ein hellenistischer Fischer, kopflos, in
der Linken die Sportula, knickebeinig, ähn-
lich dem Fischer in der Galleria dei cande-
labri und den beiden im Louvre, stammt von
der Via Praenestina: Not. 1920, 224, Fig. 2
(wonach hier Abb 50). Dem Herausgeber
Mancini ist begreiflicherweise Wiegands
erschöpfende Behandlung des schönen
Torso aus Aphrodisias (Jahrb. d. pr.
' Museen 1916) unbekannt gebUeben; die-
, selbe erfährt durch die neue, fast lebens-
große Gestalt eine erwünschte Erweiterung. —
Ebenda 226, Fig. 3 gibt eine gute Brunnen-
figur eines hochauftretenden jugendlichen
Satyr, der mit der linken den Strahl lenkt,
der dem auf dem rechtem Oberschenkel ru-
henden Schlauch entspritzt. — Aus Albano
217
Italien 1914 — 1930.
218
stammt eine guteFrauenbtiste der ersten Kai-
serzeit: Not. 19 14, 194, Fig. 2. — An der
Via Labicana fand sich, trefflich erhalten
und originell komponiert das Grabbild einer
auf dem Klinesarg schlafenden Frau flavi-
scher Zeit, bei der man an das Haterierdenk-
mal erinnert wird: Not. 1917, 97, Fig. 3. —
Aus Olbia, rarae aves für Sardinien, kommen
ein Drususartiger Kopf und ein Traian: Not.
1919, 113 — 20, Fig. I — 4. — Ein sentimental
aufblickender römischer Frauenkopf der
zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts stammt
aus Poggio Sommavilla: Not. 1916 282. —
Den ikonographisrhen Hauptfund aus der
Kaiserzeit ergab Ostia mit einer Kolossal-
gruppe des Commodus und der Crispina als
Mars und Venus, die bekannte Zusammen-
stellung der beiden Statuenschöpfungen des
4. Jahrhunderts, für eine Nische bestimmt,
von ausgezeichneter Erhaltung (es fehlen nur
die rechten Hände), obschon wahrscheinlich
hinabgestürzt in eine christliche Basilika:
Alles gut dargelegt, die Gruppe zutreffend
behandelt durch Moretti: Not. 1920, 61,
Fig. II. — Ebenda Fig. 8 eine vorzügliche
Büste eines Römers hadrianischer Zeit. —
In den Anfarig des 3. Jahrhunderts gehört
ein wohl zu einem Monumentalgrab an der
Via Appia zwischen Capua und Caserta ge-
hörender Männerkopf, von der Herausgeberin
Alda Levi zu früh datiert: Not. 1917,
34—35, Fig- 1—2.
Marmorwerke in Relief: Von der Via
Clodia (5 — 6 km von Rom) stammt ein aus-
gezeichnetes Büstenrelief, die Büste in tiefer
Nische, vom Grabe eines L. Petronius L. f.
Pal. patronus faber argentarius, also eines
freien Künstlers. Auffassung und Arbeit
weisen in flavische Zeit. — An der Via Sa-
laria fanden sich große Bruchstücke bester
Arbeit in hohem Relief: vom Meer auf-
steigende Quadriga, Männer und Frauen,
vielleicht Schmuck eines monumentalen
Grabbaues. Man möchte, da die Deutung
mythologisch gesucht werden muß, an
Achills Zug nach Leuke denken: Not. 1917,
305 — 08, Fig. 6 — 7. — Von einem späten
Grabe bei Aricia stammt die größere Hälfte
eines guten, leider ungenügend abgebildeten
Reliefs, jetzt im Museo nazionale, vielleicht
von einem älteren Grabe an der Via Appia,
mit ägyptisierenden Darstellungen in römi-
scher, zum Teil absichtlich scherzhafter Auf-
machung. Paribeni begleitet die Veröffent-
lichung Not. 1919, 106 — 12 mit guten Dar-
legungen über den Unterschied alexandrini-
cher und römischer Auffassung ägyptischer
Dinge. Ein interessanter guter Larenaltar
mit bacchischem Opfer aus Ostia : Not. 1916,
145 — 48 und 423, Fig. 4 — 5: Laribus vicinis
sacrum, in situ gefunden. — Von Sarkopha-
gen sei genannt ein eigenartiges Stück aus
der oben behandelten Nekropole S. Placido
von Messina (ML. XXIV, 198) : zu beiden
Seiten der Vorderfront je ein sich zuge-
wandtes Kentaurenpaar, männlich und weib-
lich, in der Mitte ein auf Palmen ruhender
Gorgonenschild, links und rechts davon zwei
Panther, zwei andere unter den Kentauren;
über diesen fliegende Harpyien. — Ferner
ein Endymionsarkophag von der Via Ar-
deatina (Not. 1920, 219, Fig. l), gut
erhalten, der die Familie 'gut vertritt,
welche uns durch den Sarkophag Panfili
(M. — D. 2712; Robert, Sarkophage, III, I
Taf. XIV, 50) besonders geläufig ist. —
Aus Sulcis sei ein kleiner Altar genannt, der,
auf drei Seiten mit Darstellungen punischer
Götter in hellenistischer Formgebung, an
griechische Götter und Heroen durchaus an-
gelehnt, geschmückt, der punischen Inschrift
zufolge von Puniern geweiht ist. Taramelli
hat in sorgsamen Ausführungen diese merk-
würdige Erscheinung eingehend gewürdigt:
Not. 1919, 151 — 59. — Und wenn auch nicht
aus Marmor, sondern aus Steatit, mag hier
noch angereiht sein eine Tafel aus Tharros,
welche auf der Rückseite in guter Hiero-
glyphenschrift Weihung an Amonra, Mut
und Chonsu ausspricht, nach Schiaparelli
mit einer unägyptischen Anomalie, während
die Vorderseite diese Götter in allerdings
weder ägyptisch noch griechisch aussehender
Art in Relief gibt: Not. 1919, 135 — ^40,
Fig. 1—2.
Kleinbronzen. Die vielen zum Teil
recht wertvollen Bronzen aus Lokri und
Medma, die im obigen Bericht nicht alle
die gebührende Berücksichtigung finden
konnten, sollen hier nur erwähnt sein; be-
sonders hervorgehoben jedoch ein 1906 ge-
fundener Spiegel, dessen Rückseite ein feines
Rosettensystem schmückt und den mit
hoch erhobenen Händen ein Peplosmädchen
219
Italien 1914 — 1920.
220
trägt: Orsi, BoU. d'Arte XIII, 1919, 95 — lOi
mit 5 Abbildungen. Ebenso die große Zahl
sardischer Bronzen aus den dortigen Heilig-
tümern und Gräbern, deren Abbildungen
durch Taramellis große Berichte verstreut
sind, unscrn bisherigen Bestand wesentlich
vergrößern und — was noch wichtiger —
vielfach besser erklären. Besonderes Ge-
wicht legt Taramelli auf einen Bronzekrieger
aus einem Grabe bei Sardara (ML. XXIII,
432, Fig. 1 18 — 19), weil er in Tracht und Be-
waffnung seiner Meinung nach den Bildern
Eine atestinische Frau aus der Anfan gszeit des
großen Baratelafundes, also Periode III,
5. — 4. Jahrhundert, ersterem wohl näher.
Die Tracht ist aufs genaueste nachgebildet,
der kurze, stark auf Taille gearbeitete
langärmlige Rock, der Gürtel mit der großen,
rautenförmigen Schließe, die wie eine Kor-
sage wirkt und als solche schon in vielen
Frauengräbern Ober- und Mittelitaliens ge-
funden ist, der aus den überreichen Haaren
spitz aufgedrehte Tutulus, die dicken Hosen
oder Gamaschen, die in barbarischer Fülle
Abb. 51. Herakles. Bronzestatuette aus Alife.
der Schardana auf ägyptischen Wänden
gleiche. Auch auf das sonderbare Votiv-
bukranion von S. Maria di Tergu ML. XXIII,
401, Fig. 95 und den prachtvollen, sonstiges
sardische weitüberragenden Stierkopf aus
Orani ebenda Fig. 96 sei besonders hin-
gewiesen. — • Als Kunstwerk schauderhaft,
als Trachtstück vom größten Wert ist eine
Statuette, die in der archaischen Nord-
nekropole von Este gefunden, von
Ghirardini veröffentlicht und mit muster-
hafter Sorgfalt kommentiert wurde (Bull, di
pal. XLI 1916, 147 — 163, Fig. la — c).
um Hals und Brust gelegten Schmuckketten:
das alles stellt uns solch eine venetische Bar-
barenfrau so greifbar wie nur denkbar vor
Augen und erklärt Originale aus den Gräbern
und Abbildungen auf Denkmälern. — Bendi-
nelli bespricht ML. XXVI, 221—66
Taf. I — II eine Menge italischer Votiv-
bronzen im Museo V. Giulia. Er veröffent^
licht den großen Fund von Cagli (1878) und
knüpft daran eine Zusammenstellung vieler
ähnlicher Stipes sacrae — leider nicht aller,
die literarisch bekannt sind — , insbesondere
der Marsbronzen, von denen die beiden Ta-
221
Italien 1914 — 1920.
222
fein vorzügliche Abbildungen geben; viele
andere im Text. Bendinelli bedauert mit
Recht, daß diese wertvollen Zeugen italischer
Religion und Kunst bisher nicht gesammelt
worden seien, betont jedoch zu einseitig das
»italische« Element darin, während doch die
Formgebung auf dem Festlande von vorn-
herein auf griechisches Schema zurückgeht.
Merkwürdig, daß er die vielen Herkules-
bronzen gar nicht streift. Bei Besprechung
zweier weiblicher Bronzen mit Angabe von
allerlei Toilettenbesonderheiten wird die
Frage erwogen, was Gottheit, was dankbare
Sterbliche sind. Bendinelli entscheidet sich
mehr für letztere. — An der Via La-
bicana und zwar in einem Columbarium ist
eine 0,144 m hohe Replik des Diadumenos
gefunden, bis auf den fehlenden vorderen
Teil der Unterarme und die Hände gut er-
halten, den Statuen von Vaison und Delos
am nächsten verwandt: Not. 1918, 26 — 27,
Fig. I — 2; vgl. 1920, 31 ; abg. auch AJA.
XXIII, 1919, 83. Die Figur hat nur sechs
Kopflängen und ist oben zu breit. Not. 1916,
112 — 13. — Fig. I — 2 (hier Abb. 51) ver-
öffentlicht Alda Levi einen aus Alife
stammenden nachlysippischen jugendlich
schlanken Herakles, das Löwenfell als
Schurz umgegürtet, ein Trinkhorn in
der Rechten, ein schönes Stück, höchst
erfreulich ergänzt durch das fehlende, vom
Finder bereits ein Jahr vorher einem Tabak-
händler für 2 sigari napoletani und ein Päck-
chen Tabak zu 10 centesimi verkauft ge-
wesene Bein. — RCL. XXV, 1916, 81—84
wird von Mengarelli die gute Bronzebüste
einer Göttin mit der Kapsel, die sie an
einem Bugspriet befestigte, abgebildet und
richtig besprochen: ein schönes und inter-
essantes Stück, das aus dem Hafen von
Centumcellae gefischt sein soll und ins Museo
nazionale gekommen ist. — Aus Ostia bildet
Calza Not. 1915, 253 — 56, Fig. 13 — 20 (vgl.
auch Journ. of Roman Stud. V, 191 5,
165 — 72) eine Reihe Kleinbronzen ab, dar-
unter einen ausgezeichneten Negerkopf.
Für Terrakotten gilt das vorher von den
Kleinbronzen gesagte: Lokri und Medma,
aber auch die sizilischen Fundstätten sind
durch den hier gegebenen Bericht bei weitem
nicht erschöpft. Ferner: aus Reggio eine
Tonform mit dem Bild eines kämpfenden
jugendlichen Kriegers, dem Mars auf den
Mamertinermünzen sehr ähnlich, ein Beweis
für dort einheimische keramische und damit
doch auch wohl toreutische Industrie im
3. Jahrhundert: Not. 1915, 430, Fig. i. —
In Ferento fanden sich, zur Bedeckung eines
Totei> verwendet, Simastücke aus Terra-
Abb. 52. Punische Maske aus Tharros.
kotta (Not. 1920, 117 — 20), von denen
Fig. 3 für die Konstruktion und Verwendung,
Fig. I durch die beiden ausgezeichneten
Masken von Sklaven der neueren Komödie
Abb. 53. Punische Maske aus Tharros.
wertvoll. — Aus Tharros und der Nekropole
von San Sperate sind Masken zutage ge-
kommen ähnlich denen, die schon früher in
glänzenden Exemplaren sowohl in Karthago
(Mus6e S.Louis und Bardo) wie im Museum von
Cagliari aus den Punierstädten Sardiniens die
Aufmerksamkeit so stark erregt haben und
den Weg zeigten, auf dem die Phersu-
masken zu den Etruskern — und von da
als »persona« zu den Römern — kamen
(Arch. Anz. 1896, 88). Taramelli, der sie
223
Italien 1914— 1930.
224
Not. 1918, 145 — 55, Fig. I — 8 herausgibt
(vgl. unsere Abb. 52 — 55), möchte schei-
den in Masken ursprünglich bacchi-
schen Charakters, die zuerst griechisch
auf dem Wege über Sizilien und die
Epikrateia zu Puniern gekommen seien
und eine andere Klasse, die rein orientalisch
uns die grimassenhaften japanischen Cha-
raktermasken zunächst vor Augen rufen.
Sammlung und kritische Verarbeitung dieser
ganzen Maskenfamilien wäre recht erwünscht.
Vasen. Auch hier unmöglich, alles heraus-
zuheben, was Interesse erwecken möchte.
Außer dem schon früher aufgeführten sei
noch der Beginn der Veröffentlichung der
wertvollsten Vasen des Museo V. Giulia
Einzelnes. Aus Bronze: Aus Olbia schö-
nes, mit Pompejanischem sich eng berühren-
des Gerät, auch ein Kandelaber (Not. 1920,
91 — 96, Fig. I — 5); vom Emporium in Rom
allerlei Schiflszubehör, so drei Cheniskoi, eine
Platte mit Balkeneinsatz für die Schiffsseite
u.a. (Bull. com. 1916, 236 — 48); eine Amu-
lettscheibe, rund, auf der einen Seite eine
opfernde zeusartige Gestalt, über der »So-
lomon«, auf der andern Hekate in öfter vor-
kommender Weise, aus Ostia: Not. 1917,
326—28, Fig. 1—2. — Aus Elfenbein: Hörn
mit figürlich geschmücktem Goldblechbe-
schlag, 7.-6. Jahrhundert (Not. 1914, 450
bis 52, Fig. 6—10). — Stücke einer Athena-
statue in der vatikanischen Bibliothek:
Abb. 54. Punische Maske aus Tharros.
Abb. 55. Punische Maske aus Tharros.
im Bollettino d'Arte X, 1916, 335 — 68
mit 24 Abbildungen durch Savignoni ge-
nannt, durch dessen so beklagenswerten
Tod leider unterbrochen. — Eine attische
lax sf. Schale aus Pitigliano verdient Er-
wähnung: A: zwei kauernde Krieger mit
devot vorgestreckten Händen blicken auf
■ zu einer eben mit dem einen Fuß den
Boden erreichenden Nike, vom Rücken ge-
sehen, nach links umschauend, die jeder der
Krieger um Unterstützung anfleht. B: zwei
Krieger in gleicher Stellung. Hier streckt
nur der zur Rechten seine Rechte einer in
Vordersicht auf Klappstuhl sitzenden Göttin
entgegen, die den Kopf ihm zuwendet.
Weinranken auf beiden Seiten, auf A unter
Freilassung des Mittelfeldes zwischen den
Kriegern, auf B auch hier in zwei Doppel-
zweigen hinter der Göttin aufsteigend (Not.
1914, 89—91, Fig. 1—3).
Albizzati, JHSt. XXXVI, 1916, 373—402
mit 2 Tafeln und 8 Textabbildungen. —
Aus Knochen: Verkleidungsstücke eines Ge-
räts, wohl Kastens, aus einem Kammergrab
von Perugia, auf dem noch zwei geflügelte
Krieger und der Anfang eines ' dritten: Not.
1914, 140, Fig. 5. — Aus Glas: Vieles in den
genannten Berichten; besonders bemerkens-
wert eine Zikade als Fläschchen für aromati-
sches Öl: Not. 1915, 340, Fig. 5. — Aus
Obsidian: Geschnitzte Bruchstücke plasti-
scher Figuren aus der früheren Villa Patrizi:
Not. 1915, 408—09; Bull. com. 1915, 326.
Vgl. Plin. XXXVI, 196. - Malerei: Pap.
of the Brit. Seh. Rome VIII, 1916, 91 — 103
veröffentlicht E. Strong- Seilers Gemäldereste
aus einem Privathaus der Via de' Cerchi mit
lebensgroßen Figuren. Die Herausgeberin
erkennt, natürlich auch unter dem Einfluß
der Fresken von Boscoreale und Villa Item,
225
Italien 1914 — 1920.
226
zweiten pompejanischen Stil, während Mii3
van Deman ihren Baukriterien zufolge den .
Bau viel später setzt. — Aus Ostia sei außer
dem schon im Bericht allgemein gesagten
noch besonders hingewiesen auf eine origi-
nelle Dekoration: Wand mit konvex nach
oben geschwungenen Festons feinster Zeich-
nung, unter denen zierliche Rehe v. dgl. :
Not. 191 5, 343, Fig. 7. — Von der Via La-
bicana ein auffällig gutes Arkosolien-
porträt Not. 1914, 381, Fig. 2.
Inschriften. Nur eine Auswahl des
Wichtigsten und nur in Form der Erwähnung
hier zu berücksichtigen, soweit nicht schon
im Hauptbericht berührt. Nicht weniger
wie acht mehr oder minder archaische In-
schriftbrocken aus Selinus und drei aus der
Festlandnekropole von Motye bringt in
guten Faksimilewiedergaben Gabriel Not.
191 7, 341—48; 1—5 stammen aus den Gra-
bungen der Jahre 1892—93, also den Her-
mokratischen Befestigungen, soweit etwa
sepulkral, also wohl von der älteren Nekro-
pole Galera Bagliazzo, 6 — 8 aus der West-
nekropole von Manicalunga. Auf die Merk-
würdigkeit, daß auf Motye das Griechische
so stark eindrang, wurde oben schon hin-
gewiesen. — Not. 1914, Suppl. 4 wird, eben-
falls in Faksimile, jene Weihung durch Ka-
paron und Proxenos aus Lokri wieder-
gegeben, deren Namen, Vater und Sohn,
bei Thukydides III, 103 korrumpiert, durch
die Inschrift richtiggestellt werden, und deren
Stellung in der Stadt durch diese in Lokri
so überaus seltene epigraphische Form be-
sonderen Nachdruck empfängt (Keil, Her-
mes L, 1915, 635—36). — Aus Menae
in Sizilien der Vokativ 'Adr^voi (Not.
1920, 337). — ML. XXIV, 195-98
zwei oskische griechisch geschriebene Mamer-
tinerinschriften, durch Wackernagel Berl.
ph. W. 1917, 1248 zurechtgerückt. — Ein
Altar von mehreren gleichartigen, die gewiß
ebenso aus schmucklosen, viereckigen
Blöcken aufgebaut und durch C. Saufeius
Sabinus und C. Orcevius als Censoren von
Praeneste genehmigt waren, dieser der luno
Palosticaria geweiht; ein neues Epitheton;
Zeit: 2. Jahrhundert v. Chr. (Not. 1914, 195
bis 196; Bull. com. 1913, 22 ff.). — Not. 1917,
329 ist ein neugefundenes Ejgänzungsstück zu
der Inschrift CIL. XIV, 2983 gegeben, das
Archä?>Iogischer An/eiijer 1921.
Dessaus Bedenken wegen der drei ersten
Zeilen beseitigt und die Verbindung der In-
schrift mit den Dindii und Macolnii (ficoroni-
sche Cista!) zuläßt. — Daß quer über das Fo-
rum von Pompeji eine Bronzeinschrift lief,
stellt A. W. van Buren durch das Vorhanden-
seih eines monumentalen Q fest: Memoirs of
the Amer. Academy in Rome II, 70—71. —
Zwei wichtige Fastenfragmente sind in Ostia
zutage gekommen und, auch photographisch,
gut reproduziert von Paribeni Bull. com.
XLIV, 191 6, 208—27 und von Calza Not.
1917, 180 — 95; dazu Hülsen B. ph. W.
1920, 305 — 12; das zweite von Calza Not.
1918, 223—45; zum Fundort Paribeni Not.
1920, 156. Ebenfalls aus Ostia das Bruch-
stück eines Elogium auf Ancus Martius,
wohl zu der Reihe vom Augustusforum
(CIL. I» p. 186 ff.) gehörig: Paribeni Not.
1918, 137. Auch ein paar Grenzcippen
zwischen öffentlichem und privatem Grund
aus Ostia seien genannt: Not. 1918, 131—32,
sowie die für die bekannte Verknüpfung des
Kaiserkults mit Silvanus bemerkenswerte
Inschrift Not. 1918, 136, zu_ der Paribeni
auch an die grade für Ostia bezeugte Ver-
bindung Silvanus-Mithra erinnert. — Zwei
neue Arvaltafeln sind gefunden, die eine,
wohl um 140 zu setzende (Not. 1919, IOC
bis 106), in welcher Paribeni u. A. Bezug
sehen möchten auf ein Verlangen der servi
nach dem Begräbnisplatz nahe dem Zirkus
der Arvalen draußen bei der Dea Dia.
Diese Tafel enthält auf ihrer Rückseite
die knappe, kümmerhche Angabe eines
Magisteriums der Arvalen aus dem Jahre
304, die bis jetzt letzte Erwähnung der
Existenz des Kollegium, zugleich ein Be-
weis für den damals schon eingetretenen
starken Verfall der Baulichkeiten. Die
zweite, ungleich wichtigere, unter S. Cri-
sogono in Trastevere gefunden, aus dem
Jahre 240, gut, auch photographisch, ver-
öffentlicht von Mancini und Marucchi Not.
1914, 464—78, ist von Wissowa Hermes LII,
191 7, 321—47 ausgiebig behandelt. — Die
späte BauinschriftvonCasteldiSangro, welche
den rechten Flügel eines Macellum und eine
Porticus erwähnt, ist über die Veröffent-
lichung Marianis (ML. X, 1901, 259) hinaus
etwas vervollständigt worden (Not. 191 8,
143); aber trotz der guten photographischen
227
Italien 1914 — 1920.
228
Aufnahme ist sie nicht recht zu einem ver-
ständlichen Zeugnis für so überraschend
späte munizipale Bautätigkeit in der ab-
gelegenen Aufidenagegend auszugestalten.
Bei Amiternum ist die von einem leicht
gerundeten Grabe kommende Inschrift eines
Illvir Augustalis gefunden, eine Besonder-
heit, statt des Sevir, von Amiternum und
Peltuinum: Not. 191 7, 339. — Aus Sulcis
kommt ein Stempel »Annus longus«, inter-
essant, weil noch heute, namentlich in der
entlegenen Mitte der Insel, der übliche Neu-
jahrsgruß (Not. 191 9, 150). Die Gräber-
gruppe von S. Placido bei Messina (s. o.)
hat viele neue Ziegelstempel ergeben (ML.
XXIV, 180—81). Gamurrini ist es geglückt,
eine Not. 1916, 185 bekanntgemachte In-
schrift von Venosa richtig zu lesen und zu
erklären, in welcher letztwillig bestimmt
wird, auf den Scheiterhaufen feinen, süßen
Honig zu stellen, wozu Gamurrini Parallelen
zusammenstellt: RCL. 1917, 98 — 102. Ein
hübsches Graffito vor der Porta del Vesuvio
von Pompeji, an dem sich schon Hülsen mit
Glück versucht hatte, ist von Della Corte,
Hülsens Ergänzung schön bestätigend, so
gelesen : Sic tibi contingat semper florere,
Sabina, Contingat forma(e), sisque puella
diu! (Not. 1916, 286). — In S. Sabina in Rom
ist ein Inschriftblock entdeckt, der in Über-
einstimmung mit dem Scr. h. Aug. Wieder-
herstellung des Balneum Surae durch Gor-
dian III. bezeugt: Not. 1920, 141—42. — Im
Bull. com. di Roma ist ein Ehrencippus aus
Reggio Cal. veröffentlicht (XLIII, 1915,
47—51), zunächst für Flavius Optatus, dann,
in Versen, für Zenodorus, corrector Lucaniae
et Bruttiorum. Not. 1914, 224: lange, metri-
sche Klage einer Ehefrau, später christhch
verwendet. Not. 1916, 31.8— 20: zwei neue
Tiberterminationscippi, hadrianische Resti-
tutionen. Hadrian auffälligerweise Imp. IV
bezeichnet (sonst immer Imp. II). — Eine
Freigelassene mit der neuen Bezeichnung
»tosillaria« erscheint Bull. com. XLIII, 1915,
67. — Ebenda 208 ein Aidilis lustralis, noch
repubUkanisch, auf der Akropolis von Tus-
culum. — Ein römisches Mosaikpaviment in
Este begrüßt die Besucher: salvis amicis
felix hie locus (Not. 1918, 260). — Inmitten
des großen Gräbergebiets zwischen Porta
Salaria und Nomentana kam ein später
j Marmorcippus zutage: Eufrosynus posuit
donum deo aram et deum: Bull. com.
■ IQIS) 65. Ein Columbarientitulus von der
Via Salaria nennt einen M. Servilius Pa-
ratus concinnator a scaena, worunter E. Gatti
einen Theatermaschinisten verstehen möchte
(Not. 1920, 285). Scharfsinnig rekonstruiert
und würdigt Taramelli eine leider sehr man-
gelhaft erhaltene monumentale Inschrift aus
augusteischer Zeit aus den Thermen von
i Fordungianus, also dem natürlichen Ein-
gangstor in die Gennargentugegend, die ja
seit dem Altertum noch, besonders südlich
und südwestlich von jenem Bergmassiv, Bar-
bargia heißt (s. Dante, Purg. XXIII,
94 — 96). Die Civitates Barbariae sprechen
dem Kaiser ihren Dank aus durch eine
Weihung, nachdem die Übernahme der Insel
in kaiserliche Gewalt Ordnung geschaffen
hatte. Hierdurch bestätigt die civitates
Barbariae der pränestiner Inschrift CIL.
! XIV, 2954 (Not. 1920, 347—53)-
I Münzfunde. Nur soweit in den Notizie
! verzeichnet, da mir die Rivista di numis-
matica, Bollettino di numismatica und an-
! dere Organe noch nicht zugänglich waren.
j S. Stefano Roero (Prov. Cuneo): halbe
Victoriati, Denare, Quinare, alle aus der
letzten Zeit der Republik, die letzten
von Caesar und Augustus (Not. 1914,
86—88). — Gignod (Aostatal): 122 Klein-
bronzen, von Valerian bis Diocletian: Not.
1914,409—10. —Turin: 1357 Kaisermünzen
von 244—68: Not. 1915, 62—69. — Angera
(L. maggiore), in einer Mithrasgrotte: Kaiser-
münzen von Ende 3. bis Anfang 5. Jahr-
hunderts, nach Patroni Not. 1918, 8—9 zu-
sammenhängender Fund. — Besano, unweit
Varese: 182 römische Sesterzen, Dupondii,
Asse von Tiberius bis Philippus minor: Not.
1918, 92—93. — Ebendaher 23 Sesterzen
von Domitian bis Alexander Severus, in
I einen Topf: Not. 1917, 197— 98. — Castagnaro
unweit Verona: 1227 Aurei und Denare von
Vespasian bis Hadrian: Not. 1914, 213—18
' mit Hinweis auf drei zum Teil bedeutende
Münzfunde der gleichen Gegend, von denen
zwei in die Republik, einer in die Kaiserzeit
gehören. — Bei Martellago, unweit Mestre,
fanden sich, wohl in einem Holzkistchen ge-
borgen, 497 Sesterzen von Vespasian bis
! Trebonianus Gallus: Not. 1917, 217 — 20. —
229
Italien 19 14 — 1920.
230
Bei S. Giorgio di Nogaro (Prov. Udine) :
206 römische Asse, älter als 89 v.Chr.:
Not. 1917, 235—36. — Topffund bei Vico Pi-
sano, nahe dem Lago Bientina. Der Topf
war mit rundgeschnittenem Ziegel geschlos-
sen. 202 Denare und — wenige — Quinare
aus der letzten Zeit der Republik bis Au-
gustus. Museum Florenz (Not. 1920, 240
bis 43). — Bei Imola 12 Victoriati und über
500 Denare, um 89 —88 vergraben : Not. 1916,
159—63. — In Ostia zwei Funde von Billon-
münzen, aus der zweiten Hälfte des 3. Jahr-
hunderts bis Probus: Not. 1914, 252; 323. —
Bei Sessa Aurunca ein kleiner Topffund von
ostgotischen und byzantinischen Münzen:
Not. 1919, 356—58. — Am Platz des antiken
Calatia, links von der Via Appia, ist ein
etwa 92 v. Chr. unter die Erde geratener
Fund von 361 Münzen zutage gekommen,
und zwar 336 Denare und 26 Victoriati:
Not. 1914, 172—78. — Von San Martino,
bei Cava dei Tirreni, wurden Teile eines
schon 1908 gemachten Fundes bekannt (Not.
1908, 84—85), der 87 Aes gravestücke ent-
hielt und 165 Münzen von Rom, Campanien,
Paestum, Mamertinern, Syrakus, alles 3.
Jahrhundert: Not. 1918, 268—69. — Suk-
zessive Niederlage von Münzen vom 4. Jahr-
hundert V. Chr. bis zum 6. n. Chr. vor der
Pertosagrotte wurde von Rellini festgestellt:
ML. XXIV, 597—98. — Aus Curinga, un-
weit Maida, ist ein Fund von etwas über
300 archaischen Silbermünzen von Meta-
pont, Sybaris, Kroton, Kaulonia zur Kennt-
nis gekommen (Not. 1916, 186—87), über
den Orsi eine Sonderbehandlung zusagt,
»poichfe di tesoretti monetali calabresi, che
io sappia, quasi mai si h dato conto«. Vgl.
jedoch z. B. meine Berichte Z. f. Numism.
VII, 1880,308 — 1 1 ; 312 — 14. — Ein größe-
rer Schatzfund griechischer Silbermünzen,
darunter besonders viele der im Bruttierland
ja überhaupt so auffällig zahlreichen Statere
von Ambrakia und Akarnanien, stammt von
S. Giorgio Morgeto, unweit Medma- Rosarno:
Not. 1914, 211 — 12. — Gegen lOO meist
sizilische Stücke, nur 7 von Rhegion, 5. bis
4. Jahrhundert, sind in Reggio gefunden.
Putortl bezeichnet den Fund als verwandt
den Not. 1888, 295 flf.; 1891, 345 ff.; 1912,
454 ff. aufgeführten und verspricht Sonder-
behandlung: Not. 1914, 159—60. — Bei
Gizzeria, unweit Nicastro, fand sich in einem
Topf eine zwischen 510—350 zu datierende
Gruppe von Münzen, nur 2 silberne von
Metapont und Messana, 59 Bronze: 3 Velia,
23 Kroton, 5 Rhegion, 20 Messana, 2 Syra-
kus, 5 schlecht erhalten: Not. 1914, 211. —
Aus der Nähe Paternös kam ein Fund, etwa
40 archaische Stücke von Messana, Syrakus,
Gela, Akragas und ein größerer Denarfund
aus Paterno selbst, von dem 157 fürs Mu-
seum von Syrakus gerettet werden konnten:
Not. 191 5, 226. — Ein Fund aus Gela, Zeit
des Agathokles, ergab viele Pegasosstatere,
mit ihnen ein Paar schöne Löwenkopfohr-
ringe : Not. 1915, 234. — Topffund bei Gela.
Kleine Goldstatere des Philippus und Ale-
xander. Dabei ein Goldohrring mit Löwen-
' köpf. Vielleicht aus diesem Fund auch kartha-
i gische Elektronstatere, die in Catania Stücken
aus diesem Funde beigemischt gesehen
wurden. Orsi vermutet, daß dieser Fund wie
zwei andere, frühere, mit Goldmünzen des
Agathokles um 282, als Phintias Gela zer-
störte, unter die Erde gekommen sei (Not.
1920, 338). Aus Lilybaion kamen 328
Kleinbronzen von Nachfolgern Constan-
tins: Not. 1919, 80. — Aus Ber-
chiddu (unweit Ozieri) stammt ein Fund
von etwa 1400 Denaren, der um 82 v. Chr.
verloren sein muß, von Taramelli in lehr-
' reichen Vergleich gesetzt mit dem Fund von
I 871 Denaren aus Olbia, der von 268 bis Au-
i gustus hinabgehe (Not. 1918, 155—69). —
Aus einer Bidelle genannten Gegend bei
Villaurbana in der Nähe Oristanos kam ein
in der Riv. it. di numism. 1915 fasc. I be-
handelter Fund von 287 Bronzemünzen der
Kaiserzeit, von Traian bis Trebonianus Gal-
lus, die älteren Stücke sehr abgenutzt; die
meisten von Gordian und Philippus d. Ä.
(Not. 191 5, 97—99). — Aus dem 4. Jahr-
liundert n. Chr. stammt ein Fund von Gus-
pini, im südwesthchen Erzgebirgegebiet : Not.
1919, 187. — Den Schluß mache eine antike
Geldbörse aus dünnem Blei, zu einer Tasche
zusammengelegt, mit 89 stempelfrischen Vic-
toriati, gefunden auf dem Plateau einer an-
tiken sizilischen Stadt, Serra Orlando, bei
Aidone: Not. 1915, 233 -34, Fig. 36.
Heidelberg, Mai 1921. F. v. Duhn.
231
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Januar- Sitzung 1921.
232
ARCHÄOLOGISCHE GESELLSCHAFT
ZU BERLIN.
Sitzung vom 4. Januar 1921.
Herr Valentin Müller sprach über
drei archaische männliche Statu-
etten. Die 16 cm hohe Bronze in
Stockholm (Abb. i nach Harald Brising,
Antik Konst i Nationalmuseum. Stockholm
1911, Taf. XIV, Nr. 314)') gehört zu den
Abb. I. Bronzestatuette in Stockholm.
ältesten Beispielen des »Kurostypus«;
nur die Kuroi aus Rhodos und Naukratis
(Deonna, Apollons archaiques Nr. 135 und
148) sind noch älter, jünger dagegen ist der
Torso aus Tigani (a. a. 0. Nr. 137), bei dem
die Hände schon zur Faust geballt sind *).
') Brising gibt keine stilistischen Erläuterungen;
kurz gestreift wird die Bronze von Poulsen, D.
Orient u. d. frühgriech. Kunst 160.
') Poulsens Bemerkungen a. a.O. sind nicht richtig:
die Bronze aus Ephesos (Excavations Taf. XIV) ge-
hört wie die in Stockholm ins VII. Jahrhundert und
ist noch älter als diese; im VI. gibt es nur bei weib-
lichen Figuren noch vereinzelt ausgestreckte Hände:
ionische Terrakotte in Berlin (Ath. Mitt. 1921 Taf.
IV, I) und aus der Auktion Lambros-Dattari Nr. 113.
Auch in der ägyptischen Kinst kommt diese ja ur-
sprünglich auch Männern eigene Haltung (Curtius,
Antike Kunst Abb. 54 Porphyrstatue der Samml. Mac
Gregor) später auch noch bei Frauen vor: vgl. die
Gruppe Cat. g^n. du Mus^e du Caire, Borchardt,
Statuen u. Statuetten Taf. 34 f. Nr. 151 u. 158, bei
der der Mann die Faust ballt, Hie Frau die Hand
^Taf . I ff. auf-
Bterien gehört
^tung der Arme
zu 10—12; die
Auf Grund der von Deom
gestellten chronologischen |
die Bronze in bezug auf diel
hinter Taf. I Nr. 2, vor 3,
Rückenlinie ist etwa die von 20—22 ; dem
Brust -Bauchwinkel nach ist er nicht nach
Taf. II Nr. 38 zu setzen, der Schenkel-Brust-
breite vor 53; die Linie nach den Achseln hin
ist stark ausgebogen, wie bei den ersten hinter
54. Mit dem absoluten Datum möchte der
Vortragende keinesfalls unter 600 herab-
gehen, besonders da Deonna (379) die älteren
Kuroi eher zu spät als zu früh datiert: er
setzt S. 292 den Chares um 550 (vgl. Curtius
A. M. XXXI 1906, 154 f.).
Stilistisch ist der mit Recht Chios zuge-
schriebene »Kuros«von Melos (Nr. 114) trotz
der jüngeren Entstehungszeit sehr verwandt;
ebenso der Torso von Tigani (Nr. 137) und
die Torsen aus Naukratis, wohl lokaler Ar-
beit (z. B. Nr. 150).
Das Silberfigürchen Hogarth, Excava-
tions at Ephesus Taf. XI Nr. 23 läßt sich
zum Vergleich nicht brauchen, wohl aber
der prächtige Kopf im Brit. Mus. Abb. 2,
der vom Artemision der Kroisoszeit stammt ').
Er ist rund ein halbes Jahrhundert jünger:
Das Fleisch ist saftig und quellend, ja fett,
während es bei der Bronze knapper und
fester ist, aber die Formprinzipien sind die
gleichen; man vergleiche u. a. den Profil-
kontur mit der zurückfliehenden Stirn, der
leichten Schwellung der Nasenwurzel, der
leichten Einsenkung des kurzen Rückens;
gleich ist auch bei beiden das breite runde
Untergesicht, in dessen von Jochbeinen und
Kinnrundung gebildeter Mulde der gerade
Mund liegt, und der Ausdruck, dessen Lä-
cheln etwas unangenehm Süffisantes hat.
Die Bildung des Auges beim Ephesoskopf
ist illusionistisch : die Lider sind nicht
als bestimmte Hautfalten in ihrer Form
ausstreckt; spätere Bronzen z. B. Cat. g^n. Daressy,
Statues de divinit^s Taf. XLIV Nr. 38866 und
38868, XLVII.
■) Veröffentlicht ist er in Dreiviertelprofil und
klein bei Hogarth, Atlas Taf. XVI Nr. 6. Für die
Überlassung der Photographien und der Publika-
tionserlaubnis bin ich Paul Stern in Leipzig zu größ-
tem Dank verpflichtet, dem 1913 die Verwaltung
des Britischen Museums in ihrer damals geübten
und mit Dank anerkannten Liberalität die Erlaubnis
dazu e^b.
233
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Januar-Sitzung 1921.
234
Abb. 2. Kopf vom Artemisioii in Ephesos, London.
klar gezeichnet, sondern derAugapfel quillt
stark aus seiner Umgebung hervor, getrennt
nach Augenhöhlenrand und Wange hin
durch Kehlungen; er ist nicht konvex, son-
dern konkav; es entsteht ein lebendiges
Flimmern von schmalen Augen in fettem
Gesicht. Das gleiche starke Hervorquellen
schmaler flimmender Augen hat auch die
B. on/c in Stockholm; im Gegensatz ver-
gleiche man dazu die Augenbildung des
Köpfchens aus Milet in Berhn Ant. Denkm.
III Taf. 37 Textabb. 8 ').
Den gleichen Gegensatz der knapperen und
saftigeren Formbildung zeigt auch der älteste
Branchide Brunn-Br. 141 1., Perrot-Chipiez
VIII 272 Abb. 109 gegenüber jüngeren,
z. B. Brunn-Br. 143 1., Perrot-Chipiez 275
Abb. 1 1 j. Das für den Ursprung der Bronze
in St. in Betracht kommende Gebiet ist also
klein, es aber auf Ephesos, das doch wohl
eine lokale Schule gehabt haben dürfte, ein-
zuschränken, ist beim jetzigen Stande der
Forschung zu gewagt.
Für die Beziehungen der arch9,isch grie-
chischen Kunst zu Ägypten ist eine Bronze-
statuette des Albertinums in Dres-
den bezeichnend, die mit gütiger Erlaubnis
') Auch die kyprische Kunst übernimmt diese 1
Augenbildung: Ohnefalsch-Richter Taf. XLVIII
Nr. 2, anders Nr. i. 1
Abb. 3. Bronzestatuette in Dresden.
235
Archäologische Gesellschaft xu Berlin. Januar-Sitzung 1931.
236
des Direktors Herrmann Abb. 3 gibt (Z. V.
2626; jetzige Höhe 8,3 cm). Trotz der
schlechten Erhaltung erkennt man deutlich
— bei der Untersuchung des Originals unter-
stützte den Vortragenden in liebenswürdiger
Weise W. Müller — als Bekleidung einen
ägyptischen Schurz, und zwar den »Königs-
schurz«: senkrechte Fältelung des Haupt-
teils undwagerechte des Mittelstücks, Gürtel
[vgl. Sethes Untersuch. VH. G. Bonnet,
Ag. Tracht 14 ff. Taf. H Nr. 8) ; auch Privat-
personen tragen ihn später. Auch die Arm-
haltung: steifes Herabhängen des einen und,
wie es scheint, wagerechtes Vorstrecken
des anderen Unterarms ist ägyptisch (vgl.
Daressy, a. a. 0. Taf. I Nr. 38003, -6, -7, -8
u. a.); in der Körperbildung meint man
ebenfalls ägyptische Formgebung zu spüren.
Frontalität und Vorsetzen des linken Beins
könnten auch griechisch sein. Unzweifelhaft
griechisch ist nun aber die Bildung des
Kopfes; die nächsten Analogien sind die
ionischen Köpfe aus Hieronda (Perrot-
Chipiez VHI 281, Abb. 113) im Brit. Mus.,
in Konstantinopel (a. a. 0. 282 Abb. 114)
und in Kairo (Cat. g6n. Edgar, Greek Sculp-
tureNr. 27425 Taf. I). Das Haar bildet über
der Stirn einen gegen den Kopf abgesetzten
Streifen, der mit welligen senkrechten Linien
gekerbt ist, was sich an dem griechischen
Kopf in Kairo, Edgar, Nr. 27 428 Taf. I und
dem genannten in Konstantinopel wieder-
findet.
Diese Verbindung von griechischer Kopf-
und ägyptischer Körperbildung ist höchst
eigenartig und singulär. Der Jäger aus
Naukratis (Gardner, NaukratisII Taf. XHI
Nr. 5) hat einen Schurz mit gleichartig
zugeschnittener Spitze, aber über einem
Chiton, und auch in Cypern wird der
noch dazu abgewandelte ägyptisierende
Schurz fast immer über einem Chiton
getragen: Cesnola, Cypriote Antiqu. z. B.
Taf. n-rV, VH, IX; auch sonst sieht die
Bronze ganz und gar nicht kyprisch aus. Die
einzige Parallele ist vielleicht eine Stütz-
figur in Cambridge, die aber nur in ganz
ungenügender Abbildung im Museum Dis-
neianum II Taf. LXIV und bei Reinach,
R^p. statuaire II, 89 Nr. 4 vorliegt; Feder-
krone und Lampe sind wohl sicher nicht
zugehörig; archaisch scheint sie auch zu sein.
Möglicherweise ist auch die Bronze in Dres-
den eine Stützfigur; ein jetzt an den Kopf
angesetzter Aufsatz ist zwar nach Ansicht
von Herrmann nicht zugehörig, doch meint
er, daß ein solcher vorhanden gewesen sein
könne; dafür spricht, daß der Kopf glatt
abgearbeitet ist, sonderbarerweise hinten
am Kopf die Haare fehlen, und auf den
Schulterblättern eine wagerechte längliche
Erhöhung sitzt. Bei einer Stützfigur wäre
die Darstellung eines Ägypters auch gut er-
klärlich, vgl. A. M. XXXI 1906, 174 ff. Da
die Statuette nach der Angabe des Händlers
in Vonitza inAkamanien gefunden ist, wor-
an man nicht zu zweifeln braucht, ist sie
-Abb. 4. Terrakottastatuette in Berlin.
für den griechischen Gebrauch, wohl in Nau-
kratis oder in lonien, verfertigt worden;
auch die Torsen von Aktium sind östlicher
Import (Deonna, a. a. O. 129). Der Gesichts-
bildung nach dürfte sie nicht vor der Mitte
des 6. Jahrhunderts entstanden sein.
Die Terrakotte im Antiquarium in
Berlin (Abb. 4 mit liebenswürdiger Erlaub-
nis von Direktor Zahn; Misz. Inv. 6634;
h. 13,5 cm) ') verdient es, einmal photo-
graphisch wiedergegeben zu werden, da das
an ihr Bemerkenswerte in der Zeichnung bei
Winter, Typen I 177, 2 nicht herauskommt:
nicht nur die Brustmuskeln sind sehr stark
und fett, sondern auch der Leib zeigt einen
') AuchDeonnaverzeichnetsie:a.a. 0.359 Nr. 19.
237
Archäologische Gesellschaft zu Beilin. Februar-Sitzung 1921.
238
recht stattlichen Embonpoint. Die Haltung
der Arme ist ungewöhnlich, da sie nicht
herabhängen, sondern auf die Oberschenkel
gelegt sind; sie geben eine rundliche Linie,
verstärken dadurch die Rundlichkeit des
Leibes und rufen den Eindruck der Bequem-
lichkeit und Schlaffheit hervor; auch das alte
Schema der geschlossenen Beine ist be-
wahrt (vgl. Deonna, a. a. 0. 257 ff.). Ähn-
lich ist dieser Typus dem der »Dickbauch-
dämonen«, aber wesentlich gemildert, die
Fettfalten fehlen, und die Arme sind nicht
ostentativ auf den Leib gelegt (vgl. Winter,
Typen I 213; Boehlau, Aus ionischen und
italischen Nekropolen, Taf. XIII, 4. Furt-
wängler, Arch. f. Religionswiss. X 1907,
321 ff.). Winter hält die Terrakotte mit
Recht für kleinasiatisch. In diesem Kunst -
kreis findet sich ja auch sonst verschiedent-
lich die starke Ausbildung der Brustmuskeln
(Deonna Nr. 149) und die Korpulenz; man
vergleiche den Branchiden Brunn-Br. 143 1;
Perrot-Chipiez VIII 275 Abb. iii, dessen von
Deonna (a. a. 0. 306 A. 3) behauptete Männ-
lichkeit die Terrakotte bestätigt.
Hierauf sprach Herr Delbru eck über das
Templum Divi Augusti auf dem
Forum Romanum; vgl. den Aufsatz in
diesem Hefte des Jahrbuches S. 8 ff.
Sitzung vom i. Februar 1921.
Zunächst berichtete Herr Neugebauer
über die Archaische Terrakotta-
gruppc aus Veji, die bisher an folgenden
Stellen besprochen worden ist: Notizie
degli scavi 1919, 13 ff. (Giglioli), vgl. Amer.
Journ. of Arch. 1920, 299ff., 1921, 179; Ras-
segna d'arte VII 1920, 33 ff. (Giglioli), ins
Deutsche übersetzt Zeitschrift für bildende
Kunst LVI 1921, 25 ff. (Kreplin);' Kunst-
chronik 1920, 373 ff. (E. Maaß); Emporium
LI 1920, 59 ff. (Giglioli); The BurHngton Ma-
gazine XXXVI 1920, 245 ff. (van Buren);
Revue de l'art ancien et moderne XXXVII
1920, 258 ff. (Cumont); La Renaissance
de l'art frangais III 1920, 185 f. (L. Ven-
turi); Dedalo I 1920/21, 560 ff. (della Seta);
Boll. d'Arte XIV 1920, 73 ff. (Anti).
Darauf trug Herr Delbrueck über die
Konstantinssäule in Konstantinopel
vor.
Außerordentliche Sitzung
vom 12. Februar 1921.
In der außerordentlichen Sitzung vom
12. Februar 1921, die im archäologischen
Hörsaal der Universität stattfand, wurden
die wichtigsten Erwerbungen der letzten
Jahre, in erster Linie die ausländische
Literatur, vorgelegt. Diese ist zum großen
Teile der gütigen Hilfsbereitschaft einzelner
Freunde deutscher Wissenschaft im neu-
tralen Auslande, z. T. der griechischen ar-
chäologischen Gesellschaft und der General-
ephorie in Athen zu danken. Einzelne Zeit-
schriften waren auch bereits wieder auf dem
Wege des Tausches beim Archäologischen
Institut eingegangen. Die mit * bezeich-
neten Werke hatte die BibHothek der staatl.
Museen für den Abend zur Verfügung
gestellt.
Ausgelegt waren: 'Apy/xwko-^iyAv AsKziov I
1915, II 1916; 'Ap}(ottoXoYixr| ' E'f /ifispt'? 1914
bis 18; ripotxTtxa TTj? dp}(. STctip. 1914; Mara-
ghiannis, Antiquit. cr^t. III. — Annuario d.
scuola it. di Atene I 1914, II 1916; Noti-
ziario archeologico II, i 1916; Ausonia VIII
1915, IX 1919; Monumenfi antichi XXIV,
1 1917, XXV 1919; *BulIetino comunale
XLIII 1915 -XLV 1917; A. della Seta,
Museo di Villa Giulia I. Rom. Danesi 1918.
- B. C. H. XXXIX 1915, XL 1916, XLV i
1920; *Mon.PiotXXIIi9i6, XXIII 1918-9;
Sylvain Mulinier, Maisons sacröes de Delos
315-166/5. Paris 1914. - J. H. S. XXXIV
1914- XXXIX 1919; J. R. S. IV 1914,
VIII 1918; B. S. A. XX 1913/14, XXII
1916/18; Pap. Brit. Seh. Rome VII 1914,
VIII 1916; A. Evans, Tomb of the Double
Axes, London 1914 = Archaeologia LXV;
F. Gardner, History of Ancient Coinage. —
A. J. A. XVIII 1914 - XXIV, 3 1920;
*Memoirs of the American Academy, Rome
I 1917 — III 1919, *Boston, Museum of
Eine Arts, Bulletin 1914—20; Metropolitan
Museum of Art, New York [Gisela M. A.
Richter], Classical CoUection 1917; [die-
selbe], Greek, Etruscan and Roman Bronzes,
1915; J. D. Beazley, Attic Red-Figured
Vases in American Museums, Cambridge
1918; J. C. Hoppin, Handbook of Attic
Red-Figured Vases, Cambridge 1919; ders.,
Euthymides and his Fellows, Cambridge
239
Arch&ologiiche Gesellschaft zu Berlin. Februar-Sitiung 1931.
240
191 7; *Dennison, GoldTreasure fromEgypt.
Michigan Studies. — Fra Ny Carlsberg
Samlinger, Kopenhagen 1920; F. Poulsen,
Delphi, engl. Ausg.; ders., La Collection
Ustinow, Kristiania 1920; K. Johansen,
Sikyoniske Vaser, Kopenhagen 1918; S.
Eitrem, Beiträge z. griech. Religionsge-
schichte III = Videnskapsselskapets Skrif-
ter. II. Hist.-Filos. Klasse 1919 Nr. 2,
Kristiania 1920; Joh. Sundwall, Ursprung
d. kret. Schrift. = Acta Academiae Abo-
ensis, Humaniora I 2, 1920; ders., Zur Deu-
tung kret. Tontäfelchen, dass. II, 1920. —
Vjestnik Hrvatskoga archeoloskoga drustva
N. S. XIV, Zagreb 191 9.
Dazuvon deutschen Veröffentlichun-
gen: Jahrb. XXX 191 5— XXXV 1920; Ath.
Mitt. XXXXII 1917, XXXXIII 1918;
Rom. Mitt. XXXI 1916— XXXIII 1918;
Ant. Denkm. III Heft 3/4; Münchn.
Jahrb. X, XI; Präh. Zeitschr. VI-XII. -
Robert, Oidipus; ders., Archäol. Herme-
neutik; ders., Griech. Heldensage I; Schuch-
hardt, Alteuropa; Studniczka, Der La-
pithenkopf der VI. Südmetope vom Parthe-
non, Leipziger Winckelmannsblatt 1920;
Wiegand, Sinai; ders., Milet, Nymphäum;
Djemal-Pascha, Alte Denkmäler a. Syrien;
Fimmen, Kretisch-myken. Kultur; Pagen-
stecher, Nekropolis; Langlotz, Zur Zeit-
bestimmung der strengrotfigurigen Vasen
maierei. —Osterr. Jahreshefte XVIII— XX;
Heberdey, Altattische Porosskulptur, Wien
1920; C. Praschniker u. W. Schober, Ar-
chäol. Forschungen in Albanien u. Monte-
negro. Akad. d. Wiss. Wien. Schriften der
Balkankommission, antiquar. Abt. VIII 1919.
Herr Noack gab einen Überblick über
die verschiedenen Ausgrabungen und topo-
graphischen Untersuchungen der letzten
Jahre.
I. Kleinasien und Inseln,
Klares, Propylon: BCH. 191 5.
Troas, Topographisches: BSA. XXI.
Thasos (Neue Tore u. große Tiergruppen.
Säulenreste der Agora (?); arch. ionische
Terrakottasimen ; kolossale arch. Jünglings-
statue): Deltion 1 1915. C. R. ac. inscr. 1915.
Chios (Nekropole mit Tonsarkophagen.
Apollonheiligtum in Phanai, arch.-ionische
Architekturreste) : Deltion I u. II (vgl.
Arch. Anz. 1915).
Delos (Häfen, Stadtquartiere, Gemälde-
reste. Heiligtümer auf und am Kynthos):
Deltion L BCH. 1916.
Kreta: Plati BSA. XX. Atsipada Eph.
1915. Damania Deltion II 1916. Gurnes
Deltion I (u. Deltion III 1918, 45—87).
Phaistos Ausonia VIII (meist Gräber und
Grabfunde). Von einem neuen myken. Palast-
fund meldet die Times v. 3. Juni 1920.
Kythera, myken. Gräber: Deltion II 1916.
Eretria, Isistempel: Deltion I.
II. Nord- und Mittelgriechenland.
I Elaeus (Dardanellen), Nekropole 5.-2.
I Jhdt. BCH. 1915.
i Makedonien, Prähistor. Stationen; BCH.
I 1916 (AJA. 1917). Dium (dor. Tempel,
Agora, Theater): Deltion I. C.-R. ac. inscr.
191 5. Philippi: Deltion l. Olynth (Lage)
BSA. XXI. Salonik, Die antiken Reste des
Triumphbogens und der Kirche d. heil.
Georg: BCH. 1920.
Thessahen: Praktika 1914, 149— 218.
Trikka, Asklepieion: Ephem. 1918.
Aetolien, Thermos (Schicht der ellipt.
Häuser; arch. Bronzestatuetten. Dachterra-
kotten u. Metopenfragmente): Deltion I, II.
Akarnanien, Topographisches: Deltion I.
Alyzia: Grabmalreste ähnl. dem Ne-
reidenmonument: Times 3. Juni 1920.
Lokris, Oeta, irupd des Herakles. Topo-
graphie, AJA. 1916.
Boeotien, Theben (Zusammenfassung der
archäolog. Arbeiten. Topographie, myken.
Funde, Tempeid. ApoUon Ismenios): Deltion
I III, 1—503 (Keramopulos).
I Attika Amphiareion (Hallenanlagen f.
j Kranke, Quellhaus): Ephem. 1918.
! Pansgrotte: Ephem. 1918, Sunion ebda.
i 1917-
Athen, Odeion : Praktika 1914. AJA. 1916.
Ephem. 1915. 1917. Lage des Tempels der
Aphrodite Urania: Ausonia IX 1919.
Eleusis, kl. Propyläen u. Ausgrabungen
im Vorhof : Annuario II. Times 3. Juni 1920.
III. Peloponnes und westl. Inseln.
Korinth, Lechaion u. Ausgrabungen in
der Stadt: BCH. 191 5. Deltion L
241
Archäolog^ische Gesellschaft xu Berlin. Februar-Srtzungf 192 1.
242
Mykenae. Neue Untersuchungen am
Gräberrund u. Atreusgrab: Ephem. 1918,
AJA. 1920. Neue Grabfunde: Times 3. Juni
1920. Evans über d. Datierung der Schacht-
gräber: Times 15. JuH 1920. — (Vormyk'en.
Keramik auf d. Festland: BSA. XXII. Über
den Stil d. Vaphiobecher: AJA. 1917.)
Elis, Theater; Deltion I (1915).'
Messenien, Heiligtum d. ApoUon Koryn-
thos: Deltion II (1916).
Kephallenia, Demetertempel bei Argostoli
(dorisch): Times 3. Juni 1920.
Kerkyra, Die deutschen Ausgrabungen:
Deltion I 1915.
IV. Italien u. d. Westen.
Rom. Unterirdische Basilika: AJA. 191 8,
79; 1919, 82. Das augusteische Palatium:
Journ. of Rom. Stud. IV. Ebenda: Villa des
Horaz in Tivoli.
Pompeji, D. Vesuvausbruch v. J. 79 n.
Chr.: AJA. 1918, 1920. Forumstudien: Mem.
Amer. Acad. Rome II.
Syrakus, Vor- und frühgriech. Funde b.
Athenatempel. Reste e. archaischen Heilig-
tums :Mon. Line. XXV 1919; AJA. 1920,297.
Von ausländischen Mitteilungen über
neue Skulpturenfunde seien genannt:
Hochrelief (hocharchaische Sitzfigur) aus
Kreta: Annuario II 313 f.
Kolossalkopf einer arch. weiblichen Kult-
statue u. andere früharchaische Kalkstein-
plastik auf Sizihen: Mon. Piot. 22 (1916)
Taf. 14, 15.
Artemis Laphria des Menaichmos u. Soi-
das (Versuch, sie in einem jüngeren statuar.
Typus nachzuweisen): Annuario II, 181 ff.
Relieffragment eines Epheben mit Pferd
(Stil des Onesimos): Journ. Hell. Stud. 1917.
Ephebentorso (Kreis des Kritios): Samm-
lung Ustinow (s. o.).
Weibliche Gewandstatue der Übergangs-
zeit (Bullet, com. 1901 Taf. 6): Mem. Amer.
Acad. Rome I.
Apollon vom Thermensaal in Cherchel
(vgl.SpringerHdb.il, 243): Mon. Piot. 22
(1916) Taf. 7—9.
Frauenkopf in Boston (ca. 460/50) : AJA.
1917, 102. [Ebenda und 1918 über das Re-
lief Ludovisi und sein Bostoner Gegenstück
(Caskey); vgl. darüber auch Journ. Hell.
Stud. 1920, 113 ff. (Gisela M. A. Richter),
u. 137 ff. (Casson).]
Kleine Parthenosreplik (Genua): AJA.
1919,421.
Kopf V. Parthenonfries: Mon. Piot. 23
(1917) Taf. I.
Grabrelief d. Museums in Philadelphia:
AJA. 1917, 352 (Abb.).
Grabrelief : Catalogue Metropol. Museum,
New York (Berl. philol. Woch. 1920, iiSQff.).
Grabreliefs aus Thessalien: Eph. 1916,
1917. Bemalte Grabstele a. Theben: Deltion
in, 245.
Diadumenoskopf, Bronze, fragmentiert:
J. H. S. 1919, Taf. I.
Kopfreplik der Berliner Amazone AJA.
1917, 353-
Jünglingsstatue Wellesby (Furtwängler
Meisterwerke, 493 f.): AJA. 19 18, Taf. I (die
Zugehörigkeit des Kopfes wird dargetan).
Zum Apollon Lykeios des Praxiteles:
Bullet, com. 1915, Taf. II, III. Zur Aphro-
dite V. Arles: Mon. Piot 1913, 13—45.
Kopf einer Göttin mit Schleier (Boston),
praxitehscher Kreis: AJA. 1916, Taf. 17, 18.
Athenakopf mit korinth.Helmüber Leder-
kappe (Princeton Universität): AJA. 1917.
Kopf des gealterten Sophokles: Sammig.
Ustinow (s. o.).
[Über die Nachfolger des Praxiteles
(Dickins): BSA. XXI (1914).)
Asklepiosreliefs: i. mit kniender Frau,
2. Krankenbesuch, vervollständigt aus Conze,
Att. Grabrel. 1174: Eph. 1917, 227.
Alexander mit der Aegis, Bronzestatuette:
AJA. 1917, 213, Mon. Piot. 1913.
Olympiodoros, Porträtbüste (Zt. d. De-
mosthenesstatue) : Sammlung Ustinow (s.o.).
Helioskopf aus Rhodos: AJA. 1916, Taf.
7,8.
Jugendlicher Satyrkopf, frühhellenistisch :
BCH. 1916.
Dionysos vom Satyr gestützt (Gruppe,
Venedig): Ausonia IX 1919, Taf. IV.
Statuette d. personifizierten Afrika: Mon.
Piot 22 (1916), Taf. 16.
Aphrodite mit Helm an d. Seite, Ostia:
Ausonia IX 1919.
Weiblicher Kopf aus Stuck und Marmor
(Grabfigur?): Mon. Piot 23 (1917)-
Frauenkopf aus Korinth, 2. Jhdt. n. Chr. :
AJA. 1916, Taf. XIV— XV.
243
ATehftologtsche Gesellschaft zu Berlin. Februar-Sitzung 1921.
244
Jünglingskopf aus Spanien, mit Kopftuch:
Mon. Piot 22 (1916), Taf. 17.
Herme des Herodes Attikus mit Inschrift
TIptt>5rj? iv&aSe irspie'rcctTei (Korinth) BCH.
1920, 171 ff.; vgl. die Abhandlung V. Grain-
dor über Kosmetenköpfe BCH. 191 5.
Mithrasrelief aus Syrien: AJA. 1918.
Verschiedenes.
Die Funde aus der Tomba Bemardini,
Praeneste: Mem. Amer. Acad. Roma, Bd. HI.
Terrakotta-Altärchen aus Italien u. Si-
zilien: ebenda Bd. II.
Tempelterrakotten aus Falerii: Pap. Br.
Seh. Rome VIII 1916. Etrusk. Dachterra-
kotten im Museum in Philadelphia AJA.
191 7, 296 ff.
Römische Wandmalereien, vergesseneReste
a. e. Hause Via de' Cerchi : Pap. Br. Seh.
Rome VIII (1916).
Terra Sigillata-Ware aus Pompeji: Journ.
of Rom. Stud. IV, 1914, Taf. 2 — 14 (Bullet,
com. 1915).
Amphorenhenkel aus Rhodos: Annu-
ario II.
Die Bedeutung' von Jootvov bei Pau-
sanias AJA. 1917, 8 ff.
Die Verteilung der Panainosbilder am
Zeusthron in Olympia: Atti del Reale Isti-
tuto veneto di scienze, lettere ed arti 1915,
1555 ff-
Zur Beriiner Göttin: Rev. arch^ol. 1916,
180 f.
Zur Entstehung und Erklärung des dori-
schen Gebälkes: AJA. 1917 (L. B. Holland),
1919 (Washburn).
Über Tempelorientierung: AJA. 1917
(Frothingham).
Darauf besprach Herr Wiegand im An-
schluß an Ghislanzonis Bericht im Notiziario
archeologico pubblicato dal Ministero delle
Colonie II die italienischen Ausgrabungen
in Kyrene.
Freigelegt wurden der Zeustempel, in dem
sich das stehende Kultbild fand, und eine
große Thermenanlagc unweit der Apollo-
quelle, mit zahlreichen Mosaiken und Mar-
morskulpturen. Von diesen seien erwähnt:
ein sehr pathetischer lebensgroßer Dionysos-
kopf mit hoher Frisur, der Torso einer leicht
bekleideten und elegant bewegten Tänzerin,
ein bogenspannender Eros, zwei Gruppen der
drei Chariten, die größere mit vorzüglich er-
haltenen Köpfen. Ferner ein lebensgroßer
praxitelischer Aphroditetorso (jetzt im Ther-
menmuseum), wohl im Typus der das Dia-
dem anlegenden Liebesgöttinnen, ein Athena-
kopf strengen Stils, auf ein Original des
5. Jahrh. zurückgehend, und die Statue eines
jugendlichen Athleten, ebenfalls 5. Jahrh.
Schließlich fand sich eine Statue Alexanders
d. Gr. ; ihr Kopf ist durch seine aufdringliche
Mache für die Alexanderikonographie wert-
los. Im Asklepiostempel in der nächsten Um-
gebung von Kyrene kam eine Siegesgöttin
im Stil des 5. Jahrh. v. Chr. zutage, stilistisch
mit der sog. Lemnia verwandt.
Der Vortragende erwähnte ferner den auf
Thasos von den Franzosen gemachten Fund
eines unvollendeten, aber vollständig erhalte-
nen, mit der Plinthe 3 m hohen kolossalen
archaischen Kriophoros und berichtete
über die von der französischen Orientarmee
unternommenen Grabungen und Unter-
suchungen an der S. Georgskirche von
Saloniki. Es erwies sich, daß der »Ga-
lerius«bogen, um 306 n. Chr. errichtet und
ursprünglich ein arcus quadrifrons von größ-
ten Ausmessungen, gleichzeitig mit dem
Rundbau des H. Georgios entstanden ist
und mit ihm eine architektonische Einheit
gebildet hat. Im ursprünglichen Zustand
wurde der Rundbau von acht annähernd
gleichtiefen Nischen gebildet, deren Gewölbe
auf Pfeilern von ö'/i m Stärke ruhte; über
ihnen und in der Achse der Pfeiler öffnete
sich ein Lichtgaden. Das Ganze wurde von
einer Kuppel von 24,10 m Dm. bekrönt und
erreichte dieHöhe von fast 30m. Ins 5. Jahrh.
n. Ch ■. fällt die Umwandlung des römischen
Gebäudes in eine byzantinische Kirche: der
Eingang wird von SW. nach NW. verlegt, die
Ostnische verbreitert und um den römischen
Kern ein konzentrischer Umgang gelegt.
Drei Nischen und die Kuppel tragen pracht-
vollen Mosaikschmuck, letztere in acht Fel-
dern riesige stehende Heiligengestalten vor
architektonischem Hintergrund. Im 16.
Jahrh. wurde die Kirche von den Türken in
eine Moschee umgewandelt und ist erst 1912,
nach dem letzten Balkankrieg, ihrer früheren
245
ArchSologische Gesellschaft zu Berlin. Februar-Sitzung 1921.
246
Bestimmung als Kirche zurückgegeben
worden.
Die im Inneren des Gebäudes und in seiner
Umgebung vorgenommenen Ausgrabungen
förderten schöne Architekturfragmente und
die Basis des bekannten, jetzt im Konstan-
tinopler Museum befindlichen Ambo zutage.
In den unter dem Boden der ursprünglichen
Kirche befindlichen Gräbern fanden sich Bei-
spiele byzantinischer Keramik des 10. — 16.
Jahrh. und feine, mit Goldbelag geschmückte
Glasfläschchen.
Herr Dragendorff legte Mon. antichi dei
Lincei Bd. XXV vor, aus denen er besonders
die reichen Funde aus einer germanischen
Nekropole der Völkerwanderungszeit bei
Nocera Umbra und Orsis ausführlichen
Bericht über die mit großer Sorgfalt ge-
führten Grabungen am Tempel von Syrakus
hervorhob, die die Geschichte der Heilig-
tümer, die aufeinanderfolgenden Tempel-
bauten und den heiligen Bezirk bis in
die tiefsten vorgriechischen Schichten der
vorausgehenden vorgriechischen Kultur we-
sentlich geklärt haben. Unter den Funden
sind besonders prachtvolle Terrakottaplatten
zu erwähnen.
Herr Bru eckner faßte Bereicherungen
der Kenntnis vom griechischen Gräber-
wesen zusammen.
Im American Journal XIX 1915, 385 ff.
hat Gisela M. A. Richter aus dem Besitze
des New Yorker Metropolitan Museum zwei
große Dipylon-Kratereveröffentlicht. Haupt-
darstellung des einen, pl. XXI, ist
die Aufbahrung eines Kriegers unter einem
Zelte. Die Stelle für das Zelt ist nicht das
Innere des Hauses, sondern der Hof. Das
fordert die Sitte auch, damit ritterliche
Wagenzüge den Aufgebahrten umkreisen
können, wie unter den bildlichen Dar-
stellungen des 8. vorchr. Jahrhunderts die
Vasen des Louvre A 517 und 541, von den
epischen Schilderungen das Beispiel des Um-
zugs um die Leiche des Patroklos beweisen:
0 ifap Yspot? ia-i Oavovrtuv W 9. Die
bürgerliche Sitte der späteren Zeit verlegt
die Prothesis in das Haus. Wenn also Thu-
kydides II 34 das Aufschlagen eines Zeltes
(ix/jVTjv uoti^tjav-sc) zur Aufbahrung der
im Kriege Gefallenen, vermutlich auf dem
Staatsmarkte, bezeugt, so zeigt sich, daß
die athenische Demokratie dabei altes aris-
tokratisches Herkommen für ihre ä'piaxoi be-
obachtete. In der Zeit der Dipylonvasen
pflegte das ganze Zelt mit dem Toten zur
excpopa auf einen großen Wagen gehoben
zu werden, auf dem wohl auch die nächsten
.ungehörigen ihren Platz hatten, wie der Ver-
gleich von M. d. I. IX 39, A. M. XVIII 1893,
102 und dazu Hekabes und Andromaches
Klage auf dem Leichenwagen des Hektor
Q 711 lehrt.
In dem Prothesis-Bilde des zweiten New
Yorker Kraters, pl. XVII— XX, schwingen
Frau und Kinder des Toten Zweige
über die Leiche. Die gleiche Art Zweige
hängen vom Totenbette herab auf der Scher-
be M. d. I. IX 39, 3. So hat man den Weiß-
dorn, pa'[j.voc, auch an die Türen gehängt,
zu dem ausgesprochenen Zwecke schädliche
Geister abzuwehren (Rohde, Psyche*l237,3;
Samter, Geburt, Hochzeit und Tod 73 f.).
Daß der Ritus forderte, damit um den Toten
zu kehren, ja daß geradezu Kehrreigen um
ihn stattfanden, ist für die Dipylonzeit aus
der Scherbe Graef, Vasen von der Akropolis
T. 8, 251 zu entnehmen, wo klagende
Schwertträger hinter sich die in der Malerei
ornamental zu einem »Fischgrätenmuster«
aufgelöste Rute halten; daß es wirklich eine
Rute ist, beweisen die gleichartigen Scher-
ben ebenda 282 und 305 und Waldstein, The
Argive Heraeum II, LVIII 12 a, b. Dies
sind die ältesten Belege für einen Brauch,
der in Griechenland nur noch im Gesetze
von Julis durchschimmert, welches ver-
bietet, den Kehricht zum Grabe zu schaffen,
[xsSs xä xaXXuafxaTa »spsv im m dr^iin
IG XII 5 nr. 593. LS'lI S. 261; vgl. ö?u-
&u[iia bei den Hekatäen s. v. Hesych,
Harpokr. Phot. Lex. Länger hat sich die
Sitte in Rom erhalten, nach den An-
gaben in Paulus' Epitome 77,8: für den
Hauserben blieb die Bezeichnung exverri-
ator. Ausfeger; nam exverriae sunt pur-
gatio quaedam domus, ex qua mortuus ad
sepulturam ferendus est, quae fit per everri-
atorem certo genere scoparum adhibito.
Weitere volkskundHche Belege dieser Sitte
hat Samter a. a. 0. S. 30 ff. gesammelt.
Nach S. Pelekidis' Veröffentlichung im
'ApyaioXo-cixöv AsXxtov 0 1916, 49 ff. wurde
der Befund eines Verbrechergrabes vor-
247
Archäologische Gesellschaft lu Berlin. Februar-Sitzung 1921.
248
geführt, das, in der Strandebene des Phaler
entdeckt, die grauenvolle Strafe des An-
nageins (TCpoaÄoiüaotXs'jiiv, vgl. Herod. IX
120, Arist. Thesmoph. 931 ff.) an 18 Opfern
attischer Justiz zeigt. —
Als bedeutendstes der neuerdings bekannt
gewordenen attischen Grabreliefs besprach
der Berichtende das von Gis. Richter im
Handbook des Metropolitan Museums auf
S. 220 Fig. 133 veröffentlichte, von L. Cur-
tius in seiner Besprechung Berl. Phil. Woch.
1920, 1160 ah Werk eines jüngeren Schülers
des Phidias gewürdigte. In der Tat ist das
Relief im Stile auf das engste dem des Kna-
ben mit dem Vogelbauer Conze 1032 ver-
wandt. Zur Zeitbestimmung, nach Curtius
um 400, bedarf es einer Nachprüfung der
Inschrift des Epistylblockes, in der Sostrate,
Tochter des Thymokles vonPrasiai, genannt
ist. Denn je nach den Schriftzügen wird der
zeusähnliche Thymokles des Reliefs entweder
der Vater oder der Großvater desjenigen
Thymokles von Prasiai sein, der nach Pro-
sopogr. attica 7401 im Jahre 356/5 Trier-
arch war. —
Schließlich wurde vorgelegt: K. F. Kinch,
Le tombeau de Niausta. Tombeau mac6-
donien, D. Kgl. Danske Vidensk. Selsk.
Skrifter, 7. Raekke, hist. og filos. Afd. IV 3,
Kopenhagen 1920, die Veröffentlichung eines
72 km westl. Salonik entdeckten Kammer-
grabes vom Ausgang des 4. vorchr. Jhdts.,
dessen Hauptschmuck das 2,05 lange, l,il
hohe Wandgemälde mit der Gruppe eines
Ritters ist, der mit eingelegter Lanze gegen
einen durch vorgestreckten Schild sich
wehrenden, schreienden Barbaren von
packender Naturwahrheit ansprengt.
^ Zum Schluß gab Herr Valentin Müller
eine Übersicht über die Arbeiten auf dem
Gebiet der Keramik:
B. C. H. XL. Prähistorisches, dem Thes-
salischen verwandt, auch Spätmykenisches
und Pi(itogeometrisches.
B. S. A. XXII Wace und Biegen: Premy-
cenaean Pottery of the Mainland. Neue
Terminologie: helladisch.
früh-helladisch = Urfirnis = Früh-
Minoisch— M. M. I
mittel-helladisch = Minyisch, Mattma-
lerei = M. M. II/III, Schachtgräber,
Anfang
spät-helladisch = Mykenisch = Schacht-
gräber, Ende, Sp. M. I— III
J. H. S. XXXIV: Forsdyke, The Pottery
calied Minyan Ware; XXXV: Childe, On the
Date and Origin of Minyan Ware.
AeXtiov I. Ausgrabungen in Thermos: Mo-
nochromes, Mattmalerei, Mykenisches.
Rev. Arch. IV 1916 (Bericht A. J. A. XXI
458). Franchet hat ein neues System für
die kretische Chronologie aufgestellt.
Neolith. I (Tripiti, Rouss^s)
Neolith. II
Eneohth. = Fr. M. I, II
Bronze I = Fr. M. III, M. M. I
Bronze II = M. M. II u. Anfang M. M. III
Bronze III = M. M. III Ende, Sp. M. I, II
Bronze IV = Sp. M. III
I. Eisen-Zeit = Geometrisch.
AsXti'ov II. Gräber in Phaleron mit »Pha-
leron<(gattung. — ■ Kuruniotis hat auf Chios
viele sog. naukratitische Ware gefunden;
daraufhin nimmt er Chios als Fabrikations-
ort an.
A. J. A. XXIIL Ionischer Deinos in Boston,
von derArtderB.C.H. XVII veröffentlichten.
K. F. Joharisen, Sikyoniske Vaser, Kopen-
hagen 1918, besprochen von B. Schweitzer
in Berl. phil. Woch. 1919 Nr. 8.
Mon. antichi XXV. Eine protokorintliische
Lekythos aus Syrakus mit Wagenrennen.
A. J. A. XX. Eine »kyrenäische« Schale
mit Zweikampf in Bryn Mawr; eine Gruppe
spätschwarzf. Amphoren vom »nolanischen«
Typus.
Die Union internationale acadömique, die
ausdrücklich die deutsche Wissenschaft aus-
schließt, plant ein Corpus griechischer Vasen-
bilder in Photographien. (Referenten Ho-
molle und Pottier.)
Ein Corpus der Meistersignaturen hat
Nicole in Rev. arch. 191 7 zusammengestellt.
Nachträge und Berichtigungen im A. J. A.
XXL
Das Werk von Paul MiUiet, Recueil
arch^ologique, das alle Literatur, antike
und moderne, über griechische Künstler
bringen will, wird auch die Vasenmaler be-
handeln; imi, 1921 erschienenen Bandesind
sie noch nicht enthalten.
A.J. A. XXI, 409 ff. u. XXIV, 271 f.:
Listen verschollener Vasen, die wieder auf-
getauchtsind, z.B. Coghill in SammlungHope.
249
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Mäiz-Sitzung 1921.
250
Beazley, Attic Red Figured Vases in
American Museums, Cambridge 1918, ver-
öffentlicht nicht nur Vasen in Amerika,
sondern gibt eine Übersicht über das ganze
Werk des Meisters, dem die betr. Vase zuge-
schrieben wird; dabei werden auch Vasen
in Europa abgebildet. Die Anordnung ist
chronolopsch. Die Meister werden kurz
charakterisiert.
Hoppin, Handbook of Attic Red Figured
Vases, Cambridge 1919 (2 Bände), will keine
neue Forschungen geben, sondern ein be-
quemes Nachschlagewerk sein. Die Anord-
nung ist alphabetisch nach Meistern, deren
bisher irgend zugewiesene Werke nach Mu-
seen und Katalognummern geordnet auf-
geführt werden. Die signierten Werke wer-
den abgebildet, vielfach nach Furtw.-Reich-
hold; kaum etwas Neues.
Hoppin, Euthymides and his Fellows,
Cambridge 191 7, ist eine 2. Auflage seines
Euthymides und behandelt diesen, Phin-
tias und Kleophrades. Eine Besprechung
von Beazley J. H. S. XXXV H.
A.J.A. XXI. Schale desOltos in Baltimore.
J. H. S. XXXV. Radford: Euphronios
and his CoUeagues, scheidet I'^pccisv-Meister
von iiroir,asv und nimmt hier 5 verschiedene
an: Panaitios-M., Troilos-M., Onesimos, M.
der polychromen Schale in Berlin Innenbild,
M. der Außenbilder.
A. J. A. XX. Schale des Panaitios-M. in
New- York, signiert von Euphronios. He-
raklesszenen.
A. J. A. XIX. Skyphos des Brygos.
J. H. S. XXXVIII. Skyphos im Stil des
Brygos, m. Silenen in der (jetzt versteigerten)
Hope-Collection.
A. J. A. XXI. 2 Schalen des Hieron in
New York mit Hetärenszenen und Männern
und Jünglingen im Himation.
J. H. S. XXXIX. Beazley bespricht eine
Scherbe des Duris in Lewes (Sammlung
Warren) und gibt Nachträge für ihn.
A. J. A. XIX. Penthesilia-Meister.
Mon. Piot. XXII. Pottier veröffentlicht
vier weißgrundige Lekythen im Louvre.
Sitzung vom i. März 1921.
Herr Borrmann sprach über das Pan-
theon in Rom. Der Vortragende ging
von der Tatsache aus, daß über das ursprüng-
liche Innere des Pantheons — und nur von
diesem wolle er sprechen — noch immer
verschiedene, voneinander zum Teil stark
abweichende Meinungen im Umlauf wären.
Der gegenwärtige Zustand ist das Ergebnis
eines Umbaues vom Jahre 1747. Damals
wurde das Attikageschoß zwischen der un-
teren, großen Ordnung und der Kuppel
gänzlich umgestaltet (Abb. i rechts).
Über den Zustand vor 1747 unterrichten
uns Skizzen und Aufnahmen verschiedener
Renaissancemeister, am besten die sorg-
fältigen Aufmessungen eines französischen
Abb. I . Pantheon.
Rekonstruktion von F. Adler. Jetziger Zustand.
(Aus J. Durm, Baukunst der Römer.)
Architekten, Antoine Desgodetz') (Abb. 2).
Alteren und späteren Bearbeitern galt
es als feststehend, daß, wie die Inschrift
am Friese des Frontgebälks meldet, das Pan-
theon von M. V. Agrippa während seines
dritten Konsulats, d. i. im Jahre 27 vor
unserer Ära, gegründet wäre.
Die Überlieferung gibt nur wenig an die
Hand; am wichtigsten ist eine Nachricht
bei Plinius d. Ä., welcher die Bildwerke im
Frontgiebel und die Karyatiden des Bild-
hauers Diogenes »in columnis templi«
rühmt. Die Pliniusstelle lieferte £.uch den
ersten Anlaß zu Wiederhsrstellungsver-
suchen. Unter denselben hat lange Zeit ein
im Winckelmannsprogramm der Archäo-
■) Antoine Desgodetz: Les Mifices antiques de
Rome. Paris 1682.
251
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-Sitzung 1931.
252
logischen Geselbchaft (1871) veröffentlich-
ter Versuch von Fr. Adler Beifall gefunden.
Das Bestechende der Adlerschen Rekon-
struktion lag darin, daß sie die sechs großen
Seitennischen oder Exedren des Rundbaues
im Attikageschosse durch Bögen öffnete
und in die Bögen die Karyatiden einstellte
(Abb. I links). Adlers Wiederherstellung
Auf zwei Voraussetzungen beruht die
Adlersche Wiederherstellung, wie andere
ähnliche Versuche: i. daß wir in dem Rund-
bau des Pantheons noch den Ursprungsbau
des Agrippa, 2. in dem Zustande, wie ihn
die Aufnahmen von Desgodetz geben, einen
späteren Umbau zu erkennen haben. Von
einem solchen berichtet eine zweite Bau-
Abb. 2. Querschnitt des Pantheons nach A. Desgodetz.
war daher ein geistvoller Versuch, die Bild-
werke des Diogenes in den architektonischen
Organismus einzuordnen.
Kein Zweifel, daß durch die Bogen-
öffnungen in der Attika ein klarer Zusam-
menhang zwischen der großzügigen Säulen-
architektur des Unterbaues und der Kuppel
hergestellt wird, daß namentlich der Rhyth-
mus der Wandstruktur zwischen tragenden
Pfeilerblocks und Raum öffnenden Nischen
dem Auge faßlich entgegentritt.
Inschrift amEpistyl des Frontgebälks, worin
es heißt, daß die Kaiser Septimius Severus
und Caracalla »Pantheum vetustate corrup-
tum cum omni cultu restituerunt«.
Die erste Voraussetzung ist bekanntlich
gefallen, seitdem durch Untersuchung der
Ziegelstempel der Gewölbebau des Pan-
theons in allen Teilen als ein Werk der hadri-
anischen Epoche erwiesen und damit end-
gültig an die in der Baugeschichte allein
mögliche Stelle gerückt ist. Das Pantheon
253
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-Sitzung 192 1.
254
des Agrippa mit den Bildwerken des Dio-
genes scheidet damit aus unserer Betrach-
tung aus. Es war schon einmal unter Titus,
ein zweites Mal im Jahre 112 durch Feuer
schwer beschädigt worden, ehe es — eben
durch Hadrian — auf ganz veränderten
Grundlagen neu erbaut wurde.
Wie steht es nun mit der zweiten Voraus-
setzung eines Umbaues des Innern in spät-
römischer Zeit? Aus den Konstruktions-
zeichnungen in dem Sammelwerk von M. E.
Isabelle: Les6dificescirculaires et les domes,
Paris 1855 und in dem bekannten Hand-
buche von J. Durm: »Die Baukunst der
Römer« läßt sich folgendes entnehmen
(Abb. 3): Blickt man hinter die Stuckver-
kleidung des jetzigen Attikageschosses, so
zeigen sich im Backsteingemäuer der Ro-
tunde weitgespannte, bis zur Peripherie hin-
durchgreifende Entlastungsbögen, sowohl
über den großen Seitenexedren als auch in
den Mauerblocks zwischen diesen. Die Bö-
gen über den Exedren werden jedesmal
durch zwei Backsteinpfosten — an deren
Stelle Adler seine Karyatiden setzte —
geteilt; zwischen den Pfosten bUeben kleine
Öffnungen ausgespart, denen wieder Wand-
nischen von gleichen Abmessungen in den
Mauerblocks entsprechen.
Die Zeichnungen bei Isabelle und Durm
lehren ferner, daß die Backsteinpfosten
über den Säulen der Exedren vorsorglich
durch Zungenwände und Bögen mit den
Umfassungswänden verankert werden. Pfo-
sten aber und Zungenwände sind nicht etwa
nachträglich eingeschaltet, sondern Glieder
der ursprünglichen Konstruktion. Schon
dieser Befund spricht das entscheidende
Wort. Die Bögen über den großen Wand-
nischen können niemals offen gewesen sein,
denn sonst hätte man die Hilfskonstruktion
vom Innern aus sehen müssen. Daß es hier
etwas zu verdecken gab, hat auch ein spä-
terer Wiederhersteller, der Architekt J. Dell '^,
wohl gefühlt, indem er die Bogenöffnungen
durch ein engmaschiges Gitter ausfüll, e.
Wozu aber eine Öffnung schaffen, wenn man
sie nachträglich wieder verschließen muß?
Von Durm, der den klaren Blick für das
Technische nie verleugnet, ist denn auch die
Unmöglichkeit der Adlerschen und Dell-
schen Anordnung richtig erkannt, trotzdem
hat er beide Rekonstruktionen neben einer
dritten in seine Baukunst der Römer auf-
genommen.
Es sprechen jedoch noch andere als die
bisher erwähnten Gründe dagegen: Adler
^') Josef Dell in: Zeitschrift f. bildende Kunst
1893, 273—278. Vgl. auch Springer-Michaelis, Hand-
buch der Kunstgeschichte I. 11. Auflage 1920,
Abb. 958.
.jä^iäss«»-
Abb. 3. Pantheon, Konstruktionssystem des Innern.
(Aus J. Durm, Baukunst der Römer.)
und Dell müssen, in Übereinstimmung mit
der Mauerkonstruktion, die Archivolten
ihrer Exedren auf einer Brüstung ansetzen
lassen. Die Folge davon ist, daß dieselben
dann höher hinaufrücken als die unmittel-
bar auf dem Gebälk fußenden Bögen der
Eingangs- und Altarnische; damit aber
werden gerade die beiden Hauptnischen in
der Mittelachse niedriger und unansehn-
licher als die durch Säulen vom Rundraume
abgetrennten Seitenexedren.
255
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-Sitzung 1921.
256
Beachtung erheischt noch die Entlastungs-
konstruktion am Gebälk der großen Ord-
nung (Abb. 3). Man hat über Pilastern und
Säulen jedesmal Widerlagsblöcke aus Mar-
mor eingeschaltet und zwischen diese flache
Backsteinbögen eingespannt. Die gleiche
durchdachte Zerlegung des Mauerwerks in
tragende und versteifende Teile kehrt auch
an anderen Stellen wieder. So finden sich
am Kuppelfuße, f,erade über den großen
Exedren, drei Entlastungsbögen in gleicher
Funktion wie die Bögen am Säulengebälk
und in deutlicher Beziehung zu denselben;
auch fehlen nicht die Zungenwände, welche
die Kuppelschale mit der Hintermauerung
verbinden. Angesichts dieser Übereinstim-
mung in der Kuppel- und Nischenkonstruk-
tion müssen alle Zweifel an der Gleichzeitig-
keit beider, folglich auch an der Ursprüng-
lichkeit des Pfeiler- und Bogensystems in
den großen Nischen fallen.
Die Innenarchitektur des Pantheons, wie
sie bis zum Umbau im Jahre 1747 bestanden
hat, ist mithin nicht einem spätrömischen
Umbau zuzuschreiben, sondern hadrianisch
. — sie trägt auch sonst alle Kennzeichen
dieser Zeit. Selbst Schwächen und Mängel
im formalen Ausdrucke finden darin ihre
Erklärung. Ist es doch eine in der Bauge-
schichte genugsam beobachtete Tatsache,
daß gerade die großen raumschöpferischen
Epochen oft mit einem Niedergange der
Formenkunst zusammenfallen. Wie sehr
dies für das Zeitalter Hadrians, den Beginn
der gewaltigen Gewölbebaukunst Roms zu-
trifft, lehrt des Kaisers eigenste Bau-
schöpfung, seine Residenz bei Tibur. An
raumbildnerischen Aufgaben und Lösungen
^ ist dieser Mikrokosmos der Architektur
■ vielleicht einzig in aller Welt, daneben aber
begegnet man in der Tiburtina einer auf-
fallenden Nachlässigkeit in den Einzel-
bildungen, einem Mangel an Formgefühl,
kurz einer Ausführung, die nicht entfernt
auf der Höhe der Raumkonzeption steht.
Man wende nicht ein, daß daran die Eile und
Hast, mit der dort gebaut und der kaiserliche
Bauherr zufriedengestellt werden mußte,
allein die Schuld trage. Es sind Schwächen,
denen wir auch anderwärts begegnen.
Die Attika z. B. mit der kleinlichen Pi-
lasterarchitektur über einer großen Ordnung
findet sich in einer zeitlich einigermaßen
bestimmbaren Gruppe von Felsbauten in
Petra in Nordarabien. Selbst formale Nach-
lässigkeiten, wie das unvermittelte Ein-
schneiden der Nischenbögen in die Pilaster-
ordnung, was zur Folge hat, daß die Pilaster
gewissermaßen an den Bögen emporklettem
(Abb. 2), kehren in Petra wieder. Es sei
nur auf die allgemein der hadrianischen
Epoche zugeschriebene Grabfassade des Sex-
tius Florentinus ') und verwandte Beispiele
derselben Denkmalklasse hingewiesen.
Man hat es ferner als ein Zeichen gesun-
kenen Geschmacks betrachtet, daß an eben
jener Attika, unter der machtvollen Kuppel
des Pantheons, die architektonische Glie-
derung nur durch die farbige Steininkru-
station bewirkt wurde. Desgodetz betont im
Texte zu seinen Aufnahmen ausdrücklich,
daß an den Pilastern bloß Kapitelle und
Basen gemeißelt, die Schäfte dagegen aus
Platten roten Porphyrs gefertigt wären und
nicht aus der Wandfläche vorsprängen.
Ganz die gleiche Behandlung der Pilaster
zeigt u. a. auch die Marmorinkrustation
am Nympheion des Herodes Atticus in
Olympia. Der Bau des Herodes aber steht
der hadrianischen Epoche immerhin näher
als der des Septimius Severus und Caracalla.
Noch eine bisher immer nur gestreifte
Frage bleibt in diesem Zusammenhange zu
erörtern. Die Frage nach der ehemaligen
Polychromie des Innern des Pantheons.
Von farbigen Aufnahmen ist meines Wissens
nur eine Teilansicht der großen Ordnung bei
Isabelle veröffentlicht *). Daß dieselbe dem
ursprünglichen Zustande entspricht, ist nir-
gends in Zweifel gezogen worden, geht auch
aus allen älteren Aufnahmen hervor. Von
der Marmorverkleidung des Pilastergeschos-
ses, vor dem Umbau von 1747, handel glück-
licherweise derText bei Desgodetz. Mit rüh-
menswerter Genauigkeit hat der franzö-
sische Architekt nicht nur die Stein- und
Marmorsorten nebst ihren Farben, sondern
auch deren Verteilung auf die Fläche ange-
geben. Material aber und Farben sind die-
selben wie im Säulengeschoß. Die großen
Wagerechten, die Gebälke und Sockel be-
') R. E. Brünnow und A. v. Domaszewski, Ara-
bia I, Fig. 192, 194 u. 197.
i ^) IsabeUe a. a. 0. pl. 17.
257
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-Sitzung 1921.
258
Stehen aus weißem Marmor, aus weißem
Marmor auch die Kapitelle und Basen.
Die farbigen Steinsorten kleiden die Flächen.
Von diesem Hintergrunde heben sich im
Hauptgeschosse die hellmarmornen Säulen-
schäfte, an der Attika die dunklen Porphyr-
schäfte der Pilaster ab; so ergab sich
Übereinstimmung zwischen Attika und
Unterbau. Aber Desgodetz gibt noch
mehr: er hat beobachtet, daß in beiden Ge-
schossen auch Übereinstimmung in der Be-
arbeitung des Materials herrschte, daß die
Profile für die Unteransicht etwas unter-
schnitten, daß die lotrechten Flächen leicht
nach vorn geneigt waren. In großem Maß-
stabe ist das bekanntlich auch bei den
Kassetten der Kuppel geschehen und schon
immer aus optischen Rücksichten erklärt
worden. •
Derartige werkliche Eigenheiten sind
nicht ohne Belang, denn sie geben etwas wie
die Handschrift der ausführenden Meister.
In unserem Falle liefern sie ein weiteres
wertvolles Zeugnis für die zeitliche Zusam-
mengehörigkeit aller Teile der Rotunde.
Wollte man daher an dem Gedanken fest-
halten, daß das Innere des Pantheons durch
eine Wiederherstellung unter Septimius Se-
verus und Caracalla wesentliche Verände-
rungen erfahren habe, so müßte der ur-
sprüngliche Zustand erst noch erfunden
werden. Nachzuweisen ist er nicht. Im
Gegenteil, es spricht alles dafür, daß der von
Desgodetz und den Renaissancemeistern
dargestellte Befund in allen wesentlichen
Teilen demalten, hadrianischen entsprochen
ha«.
Sonach können allein die auf dem Des-
godetzschen Werke beruhenden Wieder-
herstellungen Anspruch auf Glaubwürdigkeit
erheben. Unter ihnen aber kommt immer
noch die Tafel, welche Isabellei) seinen Auf-
nahmen vom Pantheon beigefügt hat, in
erster Linie in Betracht. (Abb. 4.)
Wie man sich auch zu dem Bilde verhalten
mag — und der Phantasie verbleibt noch
») Isabelle a. a. 0. pl. 18. Irrtümlicherweise hat
Isabelle in seiner Rekonstruktion den Pilastern der
Attika Relief gegeben, abweichend von den Auf-
nahmen und dem Texte bei Desgodetz, abweichend
auch von einer gewöhnlich dem Rafael zugeschrie-
benen Skizze vom Innern des Pantheons.
Archäologischer Anzeiger 1921.
Spielraum genug, sich das Innere des Pan-
theons im Schmucke seiner Götterstatuen
und Anatheme, der Bronzepracht und Ver-
goldung der Kuppel vorzustellen — , eines
kommt auf jenem Bilde überzeugend zum
Ausdruck: die unvergleichliche Raumes-
macht des Innern. Sie beruht auf der Ein-
heit und_^Geschlossenheit des Baukörpers.
Überall, wo man auch stehe, hat man den
vollen, durch nichts beengten Raumeindruck.
Wand und Decke sind eines. Unmerklich
Abb 4. Pantheon. Rekonstruktion des Innern
von M. E. Isabelle.
führt die Kuppel den Blick vom Boden zur
Höhe, zur Lichtöffnung des Scheitelrings,
der das Innere mit ruhiger, gleichmäßiger
Helle erfüllt. Es gibt im ganzen Bereiche der
Baukunst kein zweites Beispiel mehr einer
derartigen Konzentration aller Ausdrucks-
mittel auf ein Ziel, auf Raumwirkung.
Hierauf trug Herr E. Pernice (Greifs-
wald) über die kunstgeschichtliche
Verwertung der pompejanischen
Bronzegerätc vor. In Anfang wurde die
Forderung einer genauen Untersuchung der
einzelnen bedeutenderen Stücke erhoben
259
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. April-Sitzung 1921.
260
und die Berechtigung dieser Forderung durch
den Nachweis geUefert, daß wohlbekannte
und bedeutende Stücke (tanzender Faun,
Dreifuß aus dem Isistempel u. a.) durch
antike Restaurierung oder Umarbeitung
stark verändert worden sind. Alsdann wurde
die Methode besprochen, durch die es ge-
lingen könne, die ungeheuere Menge von
Bronzen zu gruppieren. Den Hauptteil des
Vortrags bildete der unter Vergleichung
sonstiger italischer Funde (Bronzen und be-
sonders Vasen) unternommene Nachweis,
daß ein naher Zusammenhang zwischen den
pompejanischen Bronzearbeiten und der
unteritalischen, insbesondere der tarentini-
schen Kunst besteht. Eine nicht geringe
Anzahl von Gefäßen und Geräten konnte
dabei der Tuffzeit zugewiesen und der künst-
lerische Stil der tuffzeitlichen Toreutik über-
haupt genauer festgestellt werden.
Sitzung vom 11. April 1921.
Herr Schuchhardt sprach über den neuen
»Nuraghen-Tempel« von Sta. Anastasia,
den Taramelli kürzlich im XXV. Bd. der
Monumenti dei Lincei veröffentlicht hat. Es
ist ebenso wie das ganz verwandte früher ge-
fundene Gebäude von Serri (Mon. Line. 23,
1914 und Arch. Anz. 1910, 193) kein Tempel,
sondern ein Quellhaus, in dem oben am
Eingang ein Kult eingerichtet war. In dem
neuen Nurago steht das Wasser unten noch
mannshoch. Taramelli tut auch unrecht,
wenn er über die Nuragen im allgemeinen
immer noch die alten Ansichten vorbringt,
sie gehörten mit ihren Funden zu den Nach-
klängen der mykenischen Kultur und könn-
ten in dem entlegenen Westen wohl noch ins
8. Jahrh. gesetzt werden. Wir wissen längst,
daß die Nuragen als Wohntürme, die Land-
güter oder kleine Ortschaften schützten, zu-
sammengehören mit den unterirdischen Kam-
mergräbern wie Anghela Ruju und den ober-
irdischen »Gigantengräbern« und daß sie da-
mit in die Zeit der Glockenbecher fallen, die
der Periode von El Argar = Troja II vorauf-
geht. Sie sind also um 2500 v. Chr. anzu-
setzen. Grade der neue Nurago bietet wich-
tige Anhaltspunkte dafür, daß wir in seines-
gleichen nicht Nachklänge, sondern Vorstu-
fen des Mykenischen vor uns haben. Unter
seiner Keramik befinden sich viele Schnabel-
kannen, die für die Kykladenkultur be-
zeichnend sind und in das Frühmykenische
nur noch spärlich hineinragen. Von der
Umrahmung der monumentalen Tür sind
einige Blöcke vorhanden, die einmal das
einfache Zickzackornament, das beliebteste
Zierstück der Kykladen bieten, ein ander-
mal dieses selbe Zickzack neben einer großen
runden Scheibe genau wie ein im sog. Atreus-
grabe zu Mykene gefundener Block es hat
(Schliemann, Mykenä S. 163, Nr.215). Die
Tür dieses Nurago von Sta. Anastasia scheint
also schon ganz ähnlich gestaltet gewesen zu
sein wie die der mykenischen Tholosbauten.
Aber nicht nur in den mykenischen Tho-
losgräbern klingen die Nuragen nach. Sieht
man die Pläne der kleinen sardinischen
Burgen durch, die in Bogenlinien eine Hoch-
fläche umziehen und im Innern gewöhnHch
einen großen Nurago als einzigen festen Bau
haben, so erklärt sich leicht der große Rund-
bau in der Mitte der Burg von Tiryns, der
kurz vor dem Kriege erkannt worden ist
(Schuchhardt, Alteuropa S. 216). Er ist
selbst auch ein Nurago, ein mächtiger Wohn-
turm, und von der alten zu ihm gehörigen
Burgmauer ist, wie mir scheint, auch noch
ein Stück vorhanden. Fast die ganze er-
haltene Umwehrung ist gradlinig, recht-
eckig, die einzelnen Stücke gleichmäßig dick.
Im Süden aber springt ein eigenartiger
Mauerbogen aus, um einen Nebenein- und
-aufgang zu decken. Schon die Bogenlinie
an sich spricht für höheres Alter, außerdem
ist die Bogenmauer im Westen 5, in der
Mitte 6, im Osten 7 m dick. Das Tor in ihr
ist durch Überkragen zugewölbt, wofür ich
im Mykenischen kein Beispiel mehr weiß,
und die Mauertechnik ist noch weit ent-
fernt von dem schönen Quaderbau am ti-
rynther oder mykenischen Haupttore, sie ist
ganz »Kyklopisch«. Eine Nachforschung an
Ort und Stelle wird leicht entscheiden kön-
nen, ob meine Vermutung richtig ist. Ich
glaube es um so mehr, als auch die vor-
geschichtliche Akropolisvon Athen mit ihrer
ganz alten primitiven Mauertechnik eine
Linienführung verbindet, die in der SO.-
Ecke eine große Schleife macht in der Art,
wie die Nuragenburgen auf ihren Ecken
runde Türme umziehen.
2ÖI
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Mai-Juni-Sitzung 1921
262
Darauf sprach Herr Amelung (Rom)
über neue Funde in Italien, zunächst
über die Kolossalfigur einer Göttin, deren
Körper in pentelischem, deren Kopf, Arm-
fragment und linker Fuß in parischem Mar-
mor gearbeitet ist. Die Figur steht heute in
einer großen Halle der Diokletians-Thermen
in Rom; gefunden wurde sie in einem Wein-
berge bei Ariccia. Sie verdient unser be-
sonderes Interesse, da ihr Kopf eine Replik
der Hera Farnese in Neapel ist. Bekleidet ist
der Körper mit dem tiefgegürteten Peplos
und einem um Schultern und Arme ge-
schlungenen Mantel. A. erklärte die Darge-
stellte für Artemis oder Hekate, jedenfalls
eine jungfräuliche Göttin, suchte die Stel-
lung des Werkes, dessen Original augen-
scheinlich in Bronze gearbeitet war, in der
kunstgeschichtlichen Entwickelung zu be-
stimmen — Mitte des 5. Jahrh. v. Chr.,
attisch, etwaHegias, Lehrer des Pheidias, —
und betonte die große Bedeutung des neuen
Fundes für unsere Erkenntnis griechischer
Religion. Nachdem A. darauf kurz eine
jetzt im Thermen-Museum in Rom befind-
liche Christus-Statuette erwähnt hatte, die
sich als eine Arbeit antoninischer Zeit nach
dem Vorbilde des Sarapis-Bildes in Alexan-
dria erkennen läßt, berichtete er eingehend
über seine Durchforschung der Magazine
des vatikanischen Museums, wo sich eine
außerordentlich große Menge bedeutender
Skulpturenfragmente unter dem Staub eines
Jahrhunderts vorfand. A. konnte sich im
allgemeinen sehr anerkennend über das
freundliche Entgegenkommen der italieni-
schen Fachgenossen aussprechen: während
R. Paribeni, der Direktor des Thermen-Mu-
seums, in liberalster Weise die Aufnahmen
jener Kolossalfigur ermögÜcht und deren
Veröfifentlichung im Jahrbuch des Instituts
und dann in den Bruckmannschen Denk-
mälern gestattet hat, wird die Erlaubnis
und Förderung der Studien in den vatikani-
schen Magazinen insbesondere B. Nogara,
dem neuen Direktor des vatikanischen Mu-
seums, dem bekannten Etruskologen, ver-
dankt. Diese Funde werden in einem großen
Bande von der Accademia Pontificia di ar-
cheologia mit einem von A. verfaßten Texte
veröffentlicht werden. Von besonders her-
vorragenden Stücken sind zu nennen: eine
vorzügliche Wiederholung des Pherekydes-
Aristogeiton, mit der eine Ergänzung des
bärtigen Tyrannenmörders endgültig ausge-
führt werden kann; eine gute Wiederholung
des Kopfes der myronischen Athena, dem
Dresdener Kopfe ähnlicher als dem Frank-
furter; eine Wiederholung des Athleten-
kopfes aus Perinth in Dresden, hier mit
Satyrohren, wohl von einem Pan oder Fluß-
gott stammend; eine in voller Schärfe aus-
geführte Kopie des Idolino-Kopfes in Ba-
salt; eine Wiederholung des sog. Hertzschen
Kopfes (Nike des Paionios) ungebrochen auf
• Hermenbüste aus pentelischem Marmor; ein
bärtiger Originalkopf aus den Metopen des
Parthenon; zwei unter einander abweichende
Wiederholungen der knidischen Aphrodite;
%in praxitelischer Aphrodite-Kopf, dem
Kaufmannschen sehr verwandt; eine ganze
Gruppe alexandrinischer Originalköpfe, deren
Hinterköpfe in Stuck ausgeführt waren; eine
Reihe neuer Fragmente der Skylla-Gruppe;
Plinthe, Stamm und Beine der Diogenes-
Statuette in Villa Albani; ein außerordent-
lich reizvoller hellenistisch-etruskischer Kopf
in Nenfro gearbeitet; endlich eine ganze
Gallerie vortrefflicher römischer Porträts,
zumeist aus der letzten Zeit der Republik
und dem Beginn der Kaiserzeit.
Herr Dragendorff beglückwünschte den
Vortragenden zu der reichen Fülle neuge-
wonnenen wertvollen Materiales und bat ihn,
den italienischen Fachgenossen, vor allem
Herrn Dir. Nogara den aufrichtigen Dank
der Gesellschaft zu übermitteln.
Sitzung vom 3. Mai 1921.
Herr Schäfer (als Gast) hielt einen Licht-
bildervortrag über das Bildnis in der
ägyptischen Kunst.
Sitzung vom 7. Juni 1921.
Herr Ippel berichtete über das Grab
des Petosiris, das 1920 bei Derwe, west-
lich von El-Amarna, auf dem ehemaligen
deutschen Konzessionsgebiet aufgedeckt wor-
den ist ■). Es ist datiert durch griechische
Graffiti des 3. Jahrhunderts v. Chr. und
•) Annales du service de l'ant. en Egypte, XX
1920, 41 ff., Taf. I— IV (Lefebvre).
263
Archäologische Doktor-Dissertationen.
264
durch die biographischen Angaben des Pe-
tosiris in ägyptischer Sprache. P. war da-
nach in der letzten persischen Zeit vor
Alexander sieben Jahre lang Oberpriester in
Hermupolis. Das Grab muß danach um
300 gebaut sein. Das ist von größter Be-
deutung wegen der reichen ägyptischen Re-
liefs, die in gräzisierendem Stil gehalten sind.
Auch ein »Zinkenaltar«, hoch 1,95 m, steht
vor dem Grabe. Bei aller nötigen Reserve
bis zur vollständigen Veröffentlichung der
Reliefs kann man immerhin eine Reihe
wichtiger Folgerungen ziehen: I. Das erste
Werk hellenistischer Zeit in ägyptischem
»Mischstil« ist bestimmt von ägyptischen
Künstlern gearbeitet. Das eröffnet ganz
neue Ausblicke auf das Verhältnis der Grie-
chen zu Ägypten und umgekehrt im 4. Jahr»
hundert. 2. Es ergibt sich die Möglichkeit,
die stattliche Menge verwandter Reliefs ab-
solut zeitlich zu ordnen. Etwas jünger z. B.
ist das neue Berliner Relief 2214 '), etwa
gleichzeitig Berlin 15 415; um 350 gehört
das des Zi-Bastet-Emow>) und Pathnefti J),
noch ins 5. Jahrhundert die Zanoferreliefs
und Berlin 15 414 (Henot), auf denen noch
nichts »griechisch« ist. Die ägyptische Kunst
beschreitet in der letzten Zeit von sich aus
einen Weg, der dem Griechischen naheführt,
bis dies tatsächlich rezipiert wird. 3. Die
Skulptur geht parallel: Berlin 2214 und
Petosiris gleicht etwa der Kopf Berlin 10 1004) ;
Zi-Bastet-Emow gleicht durchaus Berlin
8805 5); den Henot und Psammetiknef ersam
steht ganz nah der kleine grüne Berliner
Kopf*), der also ins 5. Jahrhundert gehört
und dem großen Berliner grünen Kopf die
Zeit davor anweist, wohl noch sicher das
$. Jahrhundert. Man muß sich davon frei-
machen, Griechisches in ihm finden zu wol-
len. 4. Die Möglichkeit ist jetzt ohne weiteres
vorhanden, den ältesten Isistypus mit dem
') Berliner Museen XLIt 1920, 15 fr. (H. Schäfer)
und Festschr. zu Lehmann-Haupts 60. Geburtstag
(= Janas I 1921) 194 S.
») Petrie, Memphis II (1909) Taf. 17 r.
3) Vgl. im ganzen v. Bissing-Bruckmann zu
Taf. lOi, wo die relative Datierung ähnlich ge-
geben wird.
4) Recueil des travaux XVIII S. 132 f. (v. Bis-
sing).
5) V. Bissing-Bruckmann zu Taf. 67.
«) Vgl. Ny Carlsb. Taf. 211 C (A 141)!
»Isisknoten« (s. Sp. 263 A. l) in demselben
ägyptischen Kreis entstanden zu denken, aus
dem die Petosirisreliefs hervorgingen; die
Griechen hätten dann diesen Typus übernom-
men und weitergebildet. 5. Die neuen Reliefs
stellen mit ihrenDarstellungen vom Leben und
Treiben auf dem Nil die direkte Verbindung
vom Altägyptischen zudenalexandrinischen,
entsprechenden Darstellungen her, d. h. das
»Agyptisieren« in der Kunst stammt eben
aus Ägypten! 6. Die zum Teil jener Relief-
gruppe gleichzeitigen Bildhauermodelle er-
halten ganz neues Licht und zeigen auch
auf diesem Gebiet die großen Leistungen
der Nektaneboszeit. 7. Die Beziehungen zu
»Petosiris und Nechepso« ■) sind wohl so zu
denken, daß ein berühmter Petosiris eben in
der Zeit Nechepsos (während der 25. Dyn.)
lebte, daß man aber in dem neuen Grab
das des alten Weisen wiedergefunden zu
haben glaubte; denn ein griechisches Graf-
fito redet P. als Weisen an, wofür er also
schon im 3. Jahrhundert bei den Griechen
gilt^).
Darauf sprach Herr Rubensohn über
das Delion auf Paros. Der Vortrag
soll an anderer Stelle im Druck erscheinen.
ARCHÄOLOGISCHE DOKTOR-
DISSERTATIONEN.
Walter Wrede, Kriegers Abschied und
Heimkehr in der griechischen Kunst I.
(Von der Philos. Fakultät Marburg als Preisarbeit,
dann als Dissertation angenommen 1921. Referent:
Prof. P. Jacobsthal. — 170 S. Text, 74 S. Anmer-
kungen ; in Maschinenschrift. Ein Exemplar in der
Staatsbibliothek Berlin, zwei in der Universitätsbib-
liothek Marburg, eines im Archäol. Seminar Marburg.
Dazu eine Originalmappe Pausenskizzen und Photos
im Archäol. Seminar Marburg. Die letzteren gelten
nicht als Publikationl — Längerer Auszug (yj Druck-
bogen) im Jahrbuch der Philos. Fakultät Marburg.)
Die Arbeit bietet den ersten Teil einer
Behandlung der verschiedenen Abschieds-
») W. Kroll, Neue Jahrb. VII 569 fr.
') Diese Lösung erscheint auch Herrn Prof.
Heinr. Schäfer als die wahrscheinlichste, dem ich
auch an dieser Stelle für seine unermüdliche An-
teilnahme an den hier nur kurz angedeuteten Stu-
dien herzlich danken möchte.
265
Archäologische Doktor-Dissertationen.
266
typen griechischer Kunst (Abschiedsspende,
Rüstungsszene, 8eSt(uat? u. a.), zu der dem
Verf. das Material vorliegt.
Einleitung. Typologische Methode.
Thema. Der Berliner Amphiaraoskrater
(F.-R. 121/122) der Behandlung der sf.
Wagenszenen zugrunde gelegt. — Katalog
mit 125 Ausfahrts- und 33 Anschirrungs-
szenen. I. Elemente der Abschieds-
typik in der Kunst vor Ausbildung
des sf. Stils. U. a. : Frau der mykenischen
Kriegervase (Furtw.-Loeschcke, Myk. Vas.
42/43); »Lcontis« (?) der geometr. Bronze-
fibel B. M. 3205; Motiv der Hinterschnei-
dung des Pferderückens durch menschliche
Figur schon mykenisch. — Argivische He-
raionscherben Waldstein II, pl. 57, i typen-
geschichtlich und stilistisch besprochen. An-
dere Wagenszenen orientalisierender Stile. —
II. Ausfahrt zu Wagen. A. Im sf.
Stil des Mutterlandes. Die einzelnen
Figuren der Ausfahrtskompositionen und
ihre Gruppierungen besprochen, und zwar
I. Held und Lenker, 2. die Frauen, 3. der
Stehende vor den Pferden, 4. der Sitzende
vor den Pferden (das Halimedesproblem;
Klappstuhlmänner), 5. der stehende bärtige
Mann, 6. die begleitenden Krieger, 7. die
Gespanne (Schrittmotive, Gespannkompo-
sition), 8. die übrigen Tiere (Vogel und
Schlange, Eidechse usw.; Hunde), 9. Zu-
sammenfassung. Kompositionsfragen. —
B. In der Malerei außerhalb des
Festlandes. Bostoner Klaz omenischer Sar-
kophag Phot. Coolidge 9880 selbständige
Typik. Münchener italisch-ionische Vase
Sieveking-Hackl 883 typologisch vom Fest-
land beeinflußt. Die unhelladische Ver-
bindung der Wagenszene mit Reihe mar-
schierender Krieger. • — C. Archaische
Reliefs usw. Sima v. Palaikastro (BSA.
XI, 1904/05, pl. XV), etruskische Terrakotta-
friese (Milani, Stud. emat. I, 92 ff., Mon. d.i.
Suppl. Taf. I, u. a.), Elfenbeinpyxis von
Chiusi (Mon. d. I. X, Taf. 39a) u. a. typo-
logisch und stilistisch analysiert. Auch hier
die Kriegerreihe. Diese Typik stammt aus
dem Orient. — D. Anschirren des Ge-
spanns (z. B. Berlin, Furtw. 1897). i.
Technischer Vorgang, Einzeltypik, 2. Kom-
position (drei Hauptgruppen), 3. Stil. —
E. Deutungsfragen; Mythos und ßio?.
Bestimmte epische Szene, allgemein mytho-
logische Sphäre, ßt'o?. — Exkurse und
Anmerkungen.
W. Wrede.
Hans Möbius, Die Darstellung des
sitzenden Menschen in der antiken Kunst.
I. Teil: Bis zum Ende der archaischen
griechischen Kunst. Ungedruckte Disser-
tation. Marburg 1921. Ref. Prof. Dr.
P. Jacobsthal. Ein Exemplar in Maschinen-
schrift (140 Seiten) mit 12 Tafeln kann
vom archäologischen Seminar der Universi-
tät Marburg entliehen werden, ein anderes
(ohne Tafeln) von der Zentraldirektion des
Archäologischen Instituts.
Fragestellung: »In welchen Fällen wird
im Altertum der Mensch sitzend dargestellt?«
und »Wie entwickelt sich der Typus des
sitzenden Menschen in der Kunst?«
I. Sitzen und Hocken. »Thronende Herr-
scher und hockende Völker«. In primitiver
Kunst Hockende und Sitzende^ nebeneinan-
der. II. Ägypten, i. Offiziell gebunden.
(Könige, Götter, Tote.) Starrer Typ der
Sitzstatue. Kanonische Flächenprojektion
durch Realismus unter Amenophis IV. unter-
brochen. Vier feste Typen von Kauernden:
»Hieratisch«, »Würfelhocker«, »Schreiber«,
»Kauernde mit einem untergeschlagenen
Bein . 2. Frei bewegte Darstellung des
Volkes: Höchste Mannigfaltigkeit der Hal-
tungen, Körpergefühl, Verkürzungen. III.
Vorderasien. i. Offiziell gebunden. Ba-
bylon. — Hethitisch: Die »orientalische Sil-
houette«: Kurzer Oberkörper, lange Ober-
schenkel, über den Knieen ausgebogene Ge-
wandkurve. Flächenprojektion: beide Beine
j übereinander. Assyrisch: Scharfes Profil
I des Unterkörpers.' 2. Frei bewegtes Volk.
I Babyl. : Handwerker und hockende Frau auf
Siegelzylindern. Assyrisch: Angler und Ge-
fangene kauernd auf Reliefs. IV. Kretisch-
myk. Kultur. Keine Herrscherbilder. Thro-
' nende Gottheiten auf Gemmen tragen Zei-
chen oriental. Herkunft, dagegen originelle
Haltung der großen kret.-myk. Göttin: Leb-
, hafte Bewegung, tiefes Sitzen. V. Griechen-
I land. A. Geometrisch. Bilder thronender
267
Archäologische Dokior- Dissertationen,
268
Kultstatuen zeigen »oriental. Silhouette«.
Sitzende und kauernde Klagefrauen, Schif-
fer und Handwerker. (Verschiedene Stadien
der Geometrisierung.) B. Orientalisch. Die
»oriental. Silhouette« in Phönikien, Cypern,
Rhodos, Korinth, Etrurien, Oberitalien (?).
C. Archaisch, i. Der Sitzende als Einzel-
figur. Verbreitung, inhaltliche Bedeutung,
antiquarische und stilistische Kriterien spre-
chen für ihre Herkunft aus Asien, ägyptische
Einflüsse erst in jünger archaischen Werken.
Entwicklung von der »Hagemo« zur En-
doios-Athena, im Relief zur klassischen
Flächenprojektion in Xanthos. Drei Typen
der Frau im Totenmahl. 2. Der sitzende
Mensch als Glied zusammenhängender Dar-
stellungen, a) Inhaltlich. Aufzählung und
Scheidung nicht-attischer und attischer Ty-
pen, (lonien: Thronende Herrscher. Ko-
rinth: sitzendeMuttermit Kind. Attika:Zeus
(Athenageburt), Zeus und Hera (Einführung
des Herakles und Hephai§tos), Götterver-
sammlung, »Sacra conversazione«, zuschau-
ende Götter, Greise, Priamos auf dem Altar.
Brettspieler, Männer neben der Sphinx,
»Mann vor den Pferden« (beim Auszug zu
Wagen), Preisrichter, Handwerker, Frauen.
b) Formal. Folgen der archaischen Aktivität
und des Silhouettenstiles: Bewegter Kontur
(Umblicken, stark angezogenes Bein, Sitzen
auf der Stuhlkante), keine Überschneidun-
gen, kein Zurücklehnen und Aufstützen.
3. Der auf der Erde sitzende und hockende
Mensch im Altertum, a) Silene, Komasten,
Pan, Riesen. b) Sklaven, Handwerker.
c) Kinder, d) Brautführer, e) Trauernde,
Verwundete, Gefangene, f) Schutzflehende,
g) Seher.
Hans Möbius.
Lili Frankenstein, Tarentiner Terra-
kotten, Studien zur Kunstgeschichte Groß-
griechenlands. Ungedruckte Dissertation.
Greifswald 1921. Ref.: Geh. Reg.-Rat Prof.
Dr. E. Pemice. Vollständige Exemplare in
Maschinenschrift in der Universitätsbiblio-
thek zu Greifswald und der Staatsbibliothek
zu Berlin.
Aufgabe der Arbeit ist, eine Übersicht
über die in Tarent gefundenen Werke der
Kleinplastik in Ton zu geben — soweit in
der Jetztzeit eine Sammlung des Materials
möglich ist — und das Verhältnis der Ta-
rentiner zur griechischen Kunst zu zeigen.
Als Material liegen zugrunde figürliche
und Reliefdarstellungen (archaische — helle-
nistische Periode), Typen von »Webe-
gewichten«, »Kuchenstempeln«, Antefixen
sowie von Reliefkästchen, Altärchen, Relief-
gefäßen und Kohlenbecken.
Die Ausführung umfaßt folgende Teile:
I. Übersicht über Typen und antiquari-
sche Einzelheiten.
II. Zur Form.
Technik. Primitive Terrakotten sind
aus freier Hand geknetet. Seit dem 6. Jahr-
hundert Herstellung von flachen Figuren
aus Halbformen und völlige oder teilweise
Entfernung des Reliefgrundes. Cha-
rakteristisch für die archaische Stilstufe ist
Verbindung von Relieftechnik und
rundplastischer Bildung. Seit dem
5. Jahrhundert Benutzung von Doppelfor-
men. Bei der Herstellung der Formen
Streben nach vielseitiger Verwendbarkeit
(Zerlegung in Teile, die für verschiedene
Darstellungen benutzt werden können; Bil-
dung indifferenter Typen, die durch nach-
träglich aufgesetzte oder einmodellierte Zu-
taten individualisiert werden). Bemalung
spielt seit der archaischen Zeit eine wichtige
Rolle bei der Ergänzung wesentlicher Zu-
taten und der dekorativen Ausgestaltung.
Zunächst Rot und Braun, später über-
wiegend bunte Farben. Die Bemalung er-
strebt entweder Naturwiedergabe oder rein
dekorative Wirkung (hellblaue Pferde-
mähne).
Typen. Das Vorherrschen von Figuren
in Ruhe in archaischer Zeit ist erstens in
der Verwendung als Weihgaben und der
entsprechenden Wahl der Motive begründet;
ferner erschwert die archaische Gewandung
die Darstellung des bewegten bekleideten
Körpers. Nur die unbekleideten Silene sind
in Bewegung dargestellt, und zwar stets
laufend. Frauen in lebhafter Bewegung
erst am Ende des 5. Jahrhunderts, vielleicht
im Zusammenhang mit der Einbürgerung
des leichteren ionischen Chitons. Stärkeres
Bedürfnis nach Wiedergabe von Bewegung
in hellenistischer Zeit: laufende Kinder und
j69
Archäologische Doktor-Dissertationen.
270
Eroten, ringende, tanzende, schwebende
Figuren. Im 4. Jahrhundert auch Verände-
rung des Reitertyps. Statt des Reiters in
ruhiger Haltung Apobaten; auch Delphin-
und Hahnenreiter im Apobatenschema. —
Gruppenbildung erfolgt in archaischer Zeit
durch nachträgliche Verbindung von Einzel-
figuren (Frau mit Kind; Reihen von
Frauen), oder durch bloßes Nebeneinander-
stellen einzelner Figuren (Gelagerter mit
gesondert sitzender Frau). Beide Arten
bieten wieder eine vielseitige Verwendungs-
möglichkeit der Einzelfiguren. Seit dem
5. Jahrhundert Gruppen aus einer Form
gewonnen. Dabei lassen sich allmählich
Fortschritte in der Komposition erkennen
(vgl. die Gruppen aus dem Kreise des Ge-
lagerten in verschiedenen Zeiten).
Stil. Schon seit der archaischen Periode
griechischer Charakter der tarentiner Koro-
plastik, doch leben in einzelnen Stücken
vorgriechische Stilelemente fort, wie auch
sonst öfters in apulischer Keramik. Außer-
dem ist für Taren t eine archaisierende Tendenz
charakteristisch, die über den allgemeinen
Konservatismus der Koroplastik hinausgeht.
III. Zum Inhalt der Darstellungen.
Die Terrakotten bis zum Anfang des
4. Jahrhunderts sind im wesentlichen für
Kultzwecke verfertigt. EJs werden Gott-
heiten, Heroen und Sterbliche dargestellt.
Die Verteilung auf diese Gruppen ist z. T.
von den Fundumständen abhängig: Ins-
besondere bietet die Deutung der Gelagerten
und verwandter Typen Schwierigkeiten, und
die inhaltliche Einordnung der hier nur
nach formalen Gesichtspunkten behandelten
Figuren dieser Art muß einer religions-
geschichtlichen Untersuchung vorbehalten
bleiben, die neben den Beziehungen zum
griechischen Kult auch den Zusammenhang
mit apulischen Lokalkulten berücksichtigt.
In hellenistischer Zeit macht sich Schwin-
den des religiösen Ernstes und Be-
tonung des Erotischen bemerkbar (s. d.
Entwicklung bei den Gelagerten), und die
seit dem 4. Jahrhundert vertretenen Genre-
figuren und grotesken Typen mehren
sich. Für die Entwicklung des Grotesken
und die idyüische Richtung bietet die hel-
lenistische Literatur in Tarent Parallelen
(Rhinton und Leonidas).
IV. Kunstgeschichtliche Einordnung.
Nach Typen, Stil und antiquarischen
Einzelheiten ergibt sich folgendes Bild
der Entwicklung: vor dem 6. Jahrhundert
»Daedalidenkunst«, dorische Periode;
seit dem 6. Jahrhundert ostgriechische
Einflüsse, vermutlich aus ionischer Kunst
eingedrungen; im 5. Jahrhundert pelo-
ponnesischer Einschlag, argivische
Schule; seit der 2. Hälfte des 5. Jahrhun-
derts attischer Einfluß, z.T. in Ver-
bindung mit ionischen Elementen)
im 4. Jahrhundert Fortdauer des atti-
schen Einflusses und Einwirkung der
großen Kunst (Praxiteles, Skopas, Ly-
sipp). Übereinstimmung mit griechi-
scher Koroplastik von Tanagra und
Ägypten in praxitelischen und allgemein
hellenistischen Zügen; die meisten und
weitestgehenden Parallelen, auch im Stil,
bieten die Terrakotten des griechischen
Ostens in hellenistischer Zeit.
Für die großgriechische Koroplastik der
hellenistischen Periode ist Abhängigkeit von
Griechenland, Kleinasien oder Alexandria
nicht sicher nachweisbar; wahrscheinlich
fand Austausch von Formen und fertigen
Figuren und gegenseitige künstlerische Be-
einflussung statt.
Deutlicher als bei der Koroplastik tritt
; die Wechselbeziehung zwischen Großgrie-
[ chenland und den übrigen hellenistischen
i Kunstzentren bei der Reliefkeramik und
j der mit ihr zusammenhängenden Toreutik
1 hers'or, vgl. übereinstimmende Reliefstempel
j von »Webegewichten«, Altärchen und Ge-
I fäßen und die Embleme in Hochrelief an
j Funden aus Tarent und dem übrigen Groß-
! griechenland mit solchen aus Ägypten,
! Griechenland, Kleinasien.
Im Hinblick darauf, daß das Haupt-
zentrum der »calenischen « Keramik auf
italischem Boden Hegt und daß die unter-
italische, insbesondere tarentiner Toreutik
reiches Material an Vorlagen bietet (vgl.
z. B. Coppa Tarantina und Schale von An-
cona als Vorbilder für apuhsche Eierschalen
in Ton; Orestesemblem aus dem Kuban-
gebiet im Stil der tarentiner Toreutik und
dieselbe Szene auf tonpfanne aus Orvieto),
scheint es, daß Italien der Ausgangs-
punkt auch für die auswärts gefunde-
271
Ein neues Parthenonfragment. — Institutsnachrichten.
272
nen Werke der Calener Keramik und
ihrer Vorstufen ist. Die Annahme wird
gestützt durch Inschriften aus Delos, die
für hellenistisch-römische Zeit Kolonien von
Tarentinem u. a. Italikern im Osten be-
zeugen. Darin liegt Begründung für leb-
haften Wirtschaftsverkehr mit Großgriechen-
land und Möglichkeit künstlerische! Zu-
sammenhänge. Ähnlich wird das Verhält-
nis zu Alexandria gewesen sein. Zwar fehlt
hierfür bisher die literarische Bestätigung,
doch spricht das gelegentliche Vorkommen
anscheinend ägyptischer Elemente in ta-
rentiner Toreutik dafür.
Anhang I. Zu den Signaturen der Terra-
kotten.
Signaturen treten in Tarent vereinzelt
seit Anfang des 5. Jahrhunderts auf, die
meisten im 4. Jahrhundert und später.
Ihr Vorkommen auf den Formen (nur
einmal auf einer Statuette) macht den Ver-
trieb von Formen neben fertigen Figuren
aus großen Werkstätten wahrscheinlich. Es
folgt die Liste der Signaturen.
Es sind entweder vollständige oder ab-
gekürzte Namen, wohl Künstlersignaturen,
oder einzelne und ligierte Buchstaben.
Diese können, vielleicht in Zahlbedeutung,
als Werkzeichen für Zusammensetzung von
Formteilen dienen. Denselben Zweck haben
eingeritzte Linien, Kreuze usw.
Die Namensignaturen finden sich teilweise
auf großgriechischen Münzen und toreuti-
schen Werken wieder.
Anhang II. Museographische und Li-
teraturübersicht von Funden aus Tarent
(Plastik in Ton, Bronze, Marmor, Kalkstein,
Waffen, Schmuck, Metallgefäße).
Aachen, Lili Frankenstein.
Marktstr. 2.
tut der Universität Heidelberg oder
vom Verfasser direkt zu beziehen.
Die Dissertation von B. Schweitzer,
Untersuchungen zur Chronologie der geo-
metrischen Stile in Griechenland I (191 7)
ist für das Inland und Deutsch-Österreich
zum Preise von 6 M., für das Ausland gegen
Voreinsendung von 2 Franken (Goldwäh-
rung) durch das Archäologische Insti-
i EIN NEUES PARTHENONFRAGMENT.
} Das kleine Reliefbruchstück der Kunst-
historischen Sammlungen in Wien (Esten-
sische Kunstsammlung, Neue Burg), früher
in Catajo, Dütschke, Ant. Bildw. in Ober-
italien, V Nr. 723, das unter Vorbehalt in
die »Attischen Grabreliefs« III Nr. 1297
aufgenommen ist, stammt vom Nordfriese
des Parthenon. Es enthält die verhältnis-
mäßig gut erhaltenen Köpfe von Michaelis
IX 31 und 32.
Die Veröffentlichung des wertvollen
Fundes und der Nachweis der Zugehörig-
keit nebst einem kleinen Nachtrag zu dem
schon längst bekannten, in derselben Samm-
lung befindlichen Reiterfragment des Par-
thenonfrieses (Michaelis, Der Parthenon,
S. 248 XXVII A; Smith, The Sculptures of the
Parthenon, pl. 92, p. 59 u. p. 66 no. 389)
erfolgt unter obigem Titel im »Jahrbuch
der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien«,
Bd. XXXV S. 235—242 Taf. XIX; sie
kann als Sonderdruck vom Verlag Halm
und Goldmann, Wien I Opemring 17, be-
zogen werden.
Wien, im Oktober 1921.
Fritz Eichler.
INSTITUTSNACHRICHTEN.
Zum I. Sekretär des deutschen Archäologi-
schen Instituts in Rom ist Herr Walter
Amelung ernannt worden.
Stellvertretend für den I. Sekretär in
Athen hat Herr Noack während des Sommer-
halbjahrs die Leitung des dortigen Instituts
übernommen. An seine Stelle wird mit
Ende Oktober, zunächst ebenfalls stellver-
tretend,. Herr Buschor treten.
Eine hochherzige Stiftung gestattete dem
Institut, Herrn Kurt Müller für einige Mo-
nate nach Athen zu entsenden zur ab-
schließenden Bearbeitung der Funde ' von
Tiryns.
JAHRESBERICHT
DES ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS FÜR DAS JAHR 1920.
Die Tätigkeit des Instituts hat sich im verflossenen Geschäftsjahr erfreulich belebt.
Dank dem von der Reichsregierung bekundeten Willen, unser Institut als lebensfähigen
Organismus der Wissenschaft zu erhalten, konnte die Arbeit fortgesetzt und nach den
langen Kriegsjahren wieder planmäßig in geregelte Bahnen gelenkt werden. Gewiß
müssen, den so veränderten Verhä*ltnissen entsprechend, auch wir uns bescheiden und
vielfach einschränken. Wir hofllen aber auch so in dem Institut der deutschen archäo-
logischen Wissenschaft die feste Stütze, die es ihr seit bald einem Jahrhundert gewesen
ist, erhalten zu können. Den vorgesetzten Behörden im Rückblick auf das vergangene
Jahr für die verständnisvolle Berücksichtigung der Bedürfnisse des Instituts auch an
dieser Stelle zu danken, ist der Zentraldirektion eine angenehme Pflicht.
Aus der Zentraldirektion schied der Vertreter des Auswärtigen Amtes, Herr Geh.
Legationsrat v. Schnitzler infolge der Übernahme eines anderen Referates aus. An
seiner Stelle entsandte der Reichskanzler Herrn Generalkonsul Moraht in die Zentral-
direktion. Gegen Ende des Berichtsjahres gab auch Herr Robert sein Mandat in die
Hände der preußischen Regierung zurück. Daß wir uns ihm auch an dieser Stelle zu
wärmstem Dank verpflichtet fühlen, bedarf kaum einer Begründung. Als eines der
ältesten Mitglieder des Instituts hat Carl Robert sein Leben lang an den Arbeiten des
Instituts sich beteiligt. Es genügt, auf die vier mächtigen Bände des Sarkophagwerkes
hinzuweisen, deren letzter im vorigen Berichtsjahr abgeschlossen wurde. Die Fülle der oft
entsagungsvollen Arbeitsleistung, die Robert in diese größte unserer Serienpublikationen
gesteckt hat, kann wohl kaum einer von denen voll ermessen, die heute dankbar das
Werk benutzen, das uns diese Denkmälerklasse erst wissenschafdich erschlossen hat.
Wenn wir Herrn Robert mit Trauer aus der Zentraldirektion scheiden sahen, so versöhnt
uns damit, daß wir ihn mit ungebrochener geistiger Kraft an seiner wissenschaftlichen
Arbeit sehen und daß unter seinen Händen auch bereits ein weiterer Band des Sarkophag-
werkes der Veröffentlichung entgegenreift.
Neu eingetreten sind im Herbst 1920 in die Zentraldirektion die Herren Curtius
und Zahn.
Zum I. Oktober verließ Herr Karo das Institut, . um einem Rufe an die Uni-
versität Halle Folge zu leisten. Auch an dieser Stelle ist es der Zentraldirektion ein
Bedürfnis, ihm ihre Dankbarkeit für sein langjähriges erfolgreiches Wirken in Athen zu
bekunden. Die Stellung, die Köhler, Dörpfeld und Wolters der athenischen Anstalt
errungen, hat er ihr erhalten und weiter entwickelt, selbstlos arbeitend, helfend und
ratend nach allen Seiten. Mit besonderem Dank gedenkt die Zentraldirektion seiner
Tätigkeit während des Krieges. Ihn, der in guten Zeiten das kollegiale Verhältnis zu
den fremden Schulen aus innerster Überzeugung von der Gemeinsamkeit kultureller und
wissenschaftlicher Arbeit so liebevoll gepflegt hatte, trafen die Anfeindungen deutscher
Wissenschaft ganz besonders schwer und bitter. Den Gründen, die Karo veranlaßten,
nicht wieder auf seinen athenischen Posten zurückzukehren, konnte die Zentraldirektion
sich nicht verschließen. Mit besonderer Genugtuung begrüßt sie es, daß er seitens der
preußischen Regierung an Stelle von Herrn Robert in die Zentraldirektion entsandt
wurde und sogleich wieder an ihren Beratungen, die ja gerade jetzt von besonderer
Bedeutung sind, teilnehmen und seine reiche Erfahrung weiter dem Institut zuteil werden
lassen kann.
Aus der Reihe seiner Mitglieder verlor das Institut durch den Tod die Herren
F. Biermann-Paderborn (C. M.), H. Dressel-Berlin (O. M.), G. Ghirardini-Bologna
(O. M.), F. Imhoof-Blumer-Winterthur (O. M.), L. Reinisch-Wien (CM.), R. v. Scala-
Innsbruck (C. M.).
— II — j<
Von der Abhaltung einer Plenarversammlung wurde ebenso wie von der Ver-
teilung von Reisestipendien im Berichtsjahre noch Abstand genommen. Ausschuß-
sitzungen fanden am 12. Juni, 2. August und 13. Dezember statt. Den im Jahre 1914/15
mit Reisestipendien Beliehenen konnten diese überwiesen werden.
Die schon im vorigen Bericht erwähnte Reise des Generalsekretars nach Rom
dehnte sich bis in den Juni 1920 aus. Weitere Reisen nach Weimar, Eisenach, München,
Lübeck, Schwerin, Kiel, Würzburg, Freiburg, Frankfurt a. M. dienten teils der Teilnahme
an Versammlungen, teils Propagandazwecken für das Institut, teils Beratungen mit Zentral-
direktionsmiigliedern, eine Reise nach Wien der Besprechung gemeinsamer Interessen
mit der I^eitung des österreichischen Instituts.
Vom Jahrbuch und Anzeiger erschien Band XXXIV, von den Athenischen
Mitteilungen Band XLIV (19 19), von den Römischen Mitteilungen Band XXXIV
(19 19). Herr von Mercklin stand dem Generalsekretär bei der Redaktion aller drei Zeit-
schriften zur Seite.
In Rom führten langwierige Verhandlungen, bei denen die Interessen der deutschen
wissenschaftlichen Institute außer durch unsere diplomatischen Vertreter durch Geh. Rat Kehr,
die des Archäologischen Institutes im besonderen zunächst durch den Generalsekretär,
dann durch Herrn Amelung vertreten wurden, im Herbst 1920 zu einem Abkommen
mit der italienischen Regierung, das die Weiterführung unseres Archäologischen Instituts
gestattet, das seit Jahrzehnten Gelehrten aller Nationen Gastrecht gewährt hat. Die
Institutsbibliothek wurde aus ihrer Internierung in der Engelsburg betreit und uns wieder
übergeben. Allen, die sich um dieses für die Wiederanbahnung wissenschaftlicher und
kultureller Beziehungen so wichtige Abkommen verdient gemacht haben, sagt die Zentral-
direktion auch an dieser Stelle ihren wärmsten Dank. Noch sind wir weit vom Ziele.
Noch fehlt uns vor allem ein Ersatz für das uns durch Enteignung genommene Instituts-
gebäude, so daß wir die Bibliothek noch nicht wieder aufstellen und der Benutzung
zugänglich machen können, woran nicht nur wir Deutschen ein lebhaftes Interesse haben.
Wir hoflen aber, daß auch hier Mittel und Wege zur Lösung gefunden werden.
Im Oktober reiste auf Bitte der Zentraldirektion Herr Studniczka nach Athen.
Er konnte die dortige Zweiganstalt, die dem Schutz der griechischen Regierung an-
vertraut, von dieser mit vorbildlicher Treue gehütet war, übernehmen und wieder er-
öffnen. Sein Wirken während des Winters hat besonders viel dazu beigetragen, dem
Institut seine alte Stellung wiederzugeben und einem entgültigen Leiter die Wege zu
ebnen. Als freiwilliger Hilfsarbeiter hatte sich dem Institut in Athen Herr G. Weiter
in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.
In Frankfurt a. M. stand Herr Drexel wie bisher Herrn Koepp zur Seite. Die
Römisch-Germanische Kommission bestrebt sich in erster Linie ihre periodischen Ver-
öffentlichungen, die »Germania« und die Berichte fortzuführen. Von sonstigen Ver-
öffentlichungen erschien der zweite Teil des Kataloges der Sammlung in Bingen, be-
arbeitet von Herrn Behrens und ein Nachtrag zu Georg Wolflfs Werk über die südliche
Wetterau. Die Kommission konnte die Forschungen des württembergischen Landes-
konservatoriums in den- Donaukastellen unterstützen, ebenso die Bearbeitung der von
der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde geplante Karte der Römerstraße der
Rheinprovinz. Auch die vom historischen Verein für Niedersachsen herausgegebenen
»Urnenfriedhöfe in Niedersachsen« wurden unterstützt.
Reisen führten den Direktor u. a. nach Wetzlar^ Bonn, Bamberg, Herrn Drexel
nach Augsburg und München. Gelegentlich der Teilnahme des Direktors an der Tagung
des Gesamtvereins deutscher Geschichts- und Altertumsvereine in Weimar erfolgte die
Gründung eines Bundes für heimische Altertumsforschung, der es sich zur Aufgabe
macht, Arbeiten auf dem Gebiet der heimischen Archäologie zu unterstützen.
Dankbar erwähnen wir zum Schluß, daß auch im Berichtsjahr die Stadt Frankfurt
die Kommission durch Gewährung eines Zuschusses unterstützt hat.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
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JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
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JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
TAFEL 5
Südostbau, Skizzen 1:500, teilweise rekonstruiert.
A. Aufril3 von Norden. — B. Schnitt O.-W.. Blick nach Süden.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
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Südostbau, Skizzen 1:500, teilweise rekonstruiert.
A. Aufriß von Süden. — B. Schnitt N.-S., Blick nach Westen.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
TAFEL 7
SCidostbau. Westsaal, Skizzen 1:500.
A. Querschnitt, Blick nach O. — B. dgl. mit hadrianischem Einbau,
rekonstruiert.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVl 1921
TAFEL 8
S^D-OSTBüV WESTSAAL REliDNJSTBVIEDT . BÜCK- VOM NOBD- OSTENJ.
JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
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JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXVI 1921
TAFEL 10
Doppelseitiges Relief in Barcelona.
ZUR BAUGESCHICHTE VON SENDSCHIRLI.
Die Königsburg von Schamal, heute Sendschirli, in Nordsyrien umschließt
mit ihrem Mauerring eine Reihe von Einzelgebäuden bzw. Gebäudegruppen, die
nach dem Ausgrabungsbefund nicht gleichzeitig sein können, sondern das Ergebnis
einer längeren Baugeschichte darstellen. Sie ist indessen so verwickelt, daß die
Herausgeber der Ausgrabungsberichte (Koldewey, v. Luschan und Jacoby) schon
in der Deutung der Einzelheiten des Befundes nicht immer Einhelligkeit erzielten
und daher auch im Ganzen zu keinem befriedigenden Ergebnis gelangen konnten').
Das ist bis zum gewissen Grade in dem — allerdings sehr beda'uerlichen —
Umstände begründet, daß die Ausgrabung nicht fertig geworden ist, und eine
endgültige Klärung der Baugeschichte kann daher auch nur von weiteren
örtlichen Untersuchungen erwartet werden. Indessen gibt eine sorgfältige Nach-
prüfung des Befundes, wie er in den bisherigen Veröffentlichungen niedergelegt
ist, auch ohne dies die Möglichkeit, einige offensichtliche Irrtümer richtigzu-
stellen und gegenüber der bisherigen Erkenntnis weiterzukommen.
Der beigefügte Übersichtsplan (Abb. I, nach Ausgr. S. 262, Abb. 168) läßt
folgende Baulichkeiten erkennen:
1. Die Ringmauer mit dem Torgebäude D und die innere Abschnittsmauer
mit dem Torgebäude E.
2. Der Komplex der sogenannten Kasematten (F).
3. Der »obere Palast« (G), so genannt wegen seiner Lage auf der höchsten
Stelle des Burghügels, bestehend aus einem um einen Hof zusammengeschlossenen
Gebäudekomplex (A — Q) und einem Einzelgebäude daneben (R — Z). Das Hof haus
erhebt sich über den Fundamenten des großen Hilani H i, dessen Umrißlinie punk-
tiert eingetragen ist.
4. Der »untere Palast«, bestehend aus den beiden Hilanis H u H m, dem
»nördlichen Hallenbau« (NHB) und dem südlichen Hallenbau P, die den Hof R
umschließen.
5. Der »Nordwestbezirk«, bestehend aus dem Torgebäude Q, dem vielräumigen
Palaste J, der mit dem Hilani K zu einem Gebäudekomplex zusammengeschweißt
ist, und der an die Burgmauer angelehnten Raumreihe L.
') Ausgrabungen in Sendschirli, ausgeführt und 1911 (= Mitteilungen aus den Orientalischen
herausgegeben im Auftrage des Orient-Komitees Sammlungen der königlichen Museen zu Berlin
zu Berlin, I. 1893, II, 1898, III, 1902, IV, XI— XIV).
Jahrbuch des archäolog-ischen Instituts XXXVI. j
86
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
Als Koldewey in Heft II der Ausgrabungen (1898) S. 172 ff. die Bauge-
schichte der Burg zu rekonstruieren versuchte, waren der Nordwestbezirk und
der südliche Hallenbau noch nicht bekannt, und an absoluten Datierungsmitteln
waren nur die Asarhaddonstele aus dem kleinen Hofe des äußeren Burgtores, die
Abb. I. Übersichtsplan von Sendschirli.
Orthostateninschrift des Barrekub vom Ostteil des NHB und die große Bauinschrift
;les Barrekub vorhanden, die damals noch vermutungsweise dem Westteil des
NHB zugewiesen wurde. Koldewey suchte deshalb wenigstens eine relative
Chronologie aus den Verschiedenheiten der Fundamentierungstechnik abzuleiten
und kam zu folgender Gruppierung:
1 . Gebäude mit Balkenrost und zwischengelegten Steinschichten : die äußere
und innere Burgmauer mit den Torgebäuden und vermutlich Hilani I, dessen
Rostschicht allerdings nicht erhalten ist.
2. Gebäude mit Balkenrost ohne Steinreihen dazwischen : Hilani III mit dem
nördlichen Hallenbau und vermutungsweise Hilani II.
3. Gebäude ohne wahrnehmbaren Balkenrost: der »obere Palast« und die
»Kasematten«.
Gegen die angenommene Abfolge der drei Gruppen ist nach der Lage des
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli. 87
Befundes in der Tat kaum etwas einzuwenden. Eine absolute Datierung ist nur
für Gruppe 2 gegeben durch die Orthostateninschrift vom NHB, die den Barrekub
bar Panammu, den Vasallen Tiglat Pilesers III (745 — 727), als Bauherrn nennt.
Daß die dritte Gruppe in die Zeit Asarhaddons (681 — 668) fällt, der — jedenfalls
im Jahre 670 — seine Stele im äußern Burgtore errichtete, ist zum mindesten
sehr wahrscheinlich. Den Beginn der ersten Gruppe glaubte Koldewey durch
Schätzung des Wachstums der Schuttschichten etwa ins 13. Jahrhundert setzen
zu dürfen, wobei er sich allerdings über das Problematische eines solchen Ver-
fahrens nicht im Unklaren blieb. Für die vermutungsweise Einordnung von H j
in Gruppe l und von H n in Gruppe 2, und zwar vor H m, war für ihn eine
Theorie maßgebend, die er sich über die Entstehung und Entwicklung des soge-
nannten Hilanitypus gebildet hatte. Danach sollte nämlich das Hilani aus dem
Festungstore hervorgegangen sein und seine Ähnlichkeit mit diesem Vorbilde
erst im Laufe der Entwicklung allmählich eingebüßt haben. So ergab sich ihm
die zunächst wohl bestechende Entwicklungsreihe Hi — Hn — Hm — G. Jacoby
und v. Luschan, die in Heft IV der Ausgrabungen (191 1) das Bild der Burg
durch den Nordwestbezirk und den südlichen Hallenbau ergänzen konnten, haben
sich Koldeweys Anschauungen im wesentlichen angeschlossen und jedenfalls
keine grundsätzlichen Zweifel geäußert, so daß Koldeweys Auffassung heute noch
in Geltung zu sein scheint. Wie schwach sie indessen begründet ist, wird sich
zeigen, wenn wir an der Hand des Befundes die einzelnen Bauten auf ihre relative und
absolute Chronologie hin nachprüfen.
1. Die Ringmauer ist nicht zu trennen von den beiden Torgebäuden D
und E. Für ihre Datierung ist auszugehen von ihrem reichen Orthostatenschmuck,
der — wenigstens teilweise — zum Ältesten gehört, was in Sendschirli gefunden
ist. Puchstein setzte die Reliefs ins 10. und 9. Jahrhundert, und ich sehe keinen
zwingenden Grund, sie wesentlich höher zu datieren '). Die Ringmauer ist im Laufe
der Zeit mehrfach erneuert worden und überschneidet in ihrem jüngsten Zu-
stande beispielsweise an der Westseite die rückwärtigen Mauervorsprünge von
Hilani III und die Südwestecke des südlichen Hallenbaus (vgl. Abb. 2), ist hier also
jünger als Barrekub. Man wird kaum fehlgehen, wenn man diese jüngste Er-
neuerung in die Zeit setzt, wo Asarhaddon seine Stele im äußeren Burgtor auf-
stellen ließ.
2. Die sogenannten Kasematten (F) sind auf alle Fälle jünger als die Burg-*
mauer und von jüngeren Bauten nicht mehr überlagert. Ihre Fundamentierungs-
technik ist die gleiche wie beim Palast G, der zu den jüngsten Bauten auf der
Burg gehört. So spricht viel dafür, daß sie gleichfalls in die Zeit Asarhaddons
gehören. Bei dieser Gelegenheit sei noch darauf hingewiesen, daß wir hier, so-
viel ich sehe, das älteste Beispiel für die Art des Kasernenbaus haben, wie sie in
den spätrömischen Kastellen seit Diocletian üblich ist. Zwar ist öfter geäußert
worden, daß dieser Kastelltypus mit den an die Mauer angelehnten Kasernen
') O. Puchstein, Pseudohetitische Kunst, 1890, 9 f. F. Oelmann, Kunstchronik LVIII, 1922/23, 68 ff.
7*
88
F. Oclmann, Zur Baugeschichte von Sendschirh.
Abb. 2. »Oberer Palast« in Sendschirli.
I : looo.
Abb. 4. Haus in Meroe. I : 1000.
1
d] 1
L
__^l i^J H ^1 ^^ l^^^^^^' HEU
Abb. 7. Palast in Hatra. i : 1000.
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
89
altorientalisch sein müsse, doch sind Belege m. W. bisher nicht beigebracht worden.
Zu vergleichen sind auch als älteste Beispiele des orientalischen Chantypus die
beiden Hofhäuser an der Ostseite des großen Hofes von E-Temenanki in Babylon ').
3. Der obere Palast (Abb. 2) ist großenteils aus dem Material älterer Gebäude
errichtet worden. Für die Türschwellen wurden nach Koldewey alte Oithostaten-
platten von Hilani I, II und III verwendet, wobei die Reliefs abgemeißelt wurden 2).
Im Grundriß zeigt der Nebenbau R — Z auffallende Ähnlichkeit mit dem Hilani
Sanheribs (705—681) in Ninive-Kujundschik, worauf schon Koldewey hinwies, und
der um den Hof zusammengeschlossene Baukomplex A — Q ist in seiner Planung
eng verwandt dem kleinen Palaste von Saktsche Gözü (Abb. 3), der, nach seinem Ortho-
statenschmuck zu urteilen, nicht älter als Ende des 8. Jahrhunderts sein dürfte 3).
Jedenfalls ist der ganze Komplex G jünger als Barrekub, und Koldeweys Datie-
rung in die Zeit Asarhaddons hat viel für sich.
Darunter liegen die nur in den unteren Fundamentschichten erhaltenen Reste
des Hilani I (Abb. 5 a). Koldewey setzt es an die Spitze seiner Entwicklungsreihe der
Hilanibauten, da es nicht nur an Größe (34x52 m) alle übrigen übertrifft, sondern
auch dem angeblichen Vorbilde des Gebäudetypus, dem Festungstor, noch ver-
hältnismäßig nahesteht, nämlich in der Einfachheit und Regelmäßigkeit des Grund-
risses und der angebUch massiven Ausbildung der beiden »Türme«.
Abb. 5. a Hilnni I in Sendschirli. b Hilani Sargons in Khorsabad. c^ d Torgebäude in
Sendschirli. e Tempel in Takschasila (Gandhara) i : 1000.
') R. Koldewey, Das wieder erstehende Babylon,
1913, 181 Abb. 144.
=) An anderer Stelle wird die Wiederverwendung
von Orthostaten aus Hilani 11 nur als wahrschein-
lich bezeichnet. Da sich 'herausstellen wird,
daß H i[ junger als Barrekub und vielleicht
gar nicht älter als G ist, so darf man wohl H n
.ils Ursprungsort von Baumaterial, das beim Bau
von G wiederverwendet wurde, ausscheiden.
3) Vgl. v. Luschan, Ausgr. 371 (»etwa 720«). Nach
J. Garstang, Annais of Archaeology and Anthropo-
logy V 1913, 73 ff. älter (9. Jalirh.).
QO F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
Zunächst jedoch erweist der letzte Punkt sich bei näherem Zusehn als nicht
stichhaltig. Denn die »Massivität« des rechten »Turmes« ist weder durch die
Ausgrabung erwiesen, noch wird sie durch die Analogie der übrigen Hilanibauten
wahrscheinlich gemacht, und auch der linke »Turm« ist gar nicht als massiver
Festungsturm zu denken, sondern als Treppenhaus, wie ein Blick auf das Hilani K
lehrt, das Koldewey allerdings noch nicht kannte. Daß ein solches Durchfun-
damentieren des Treppenhauses geradezu typisch ist für den orientalischen Lehm-
bau überhaupt, mag ein hellenistisch-römisches Peristylhaus in Meroe zeigen,
wo ja von irgend einem Zusammenhang mit dem massiven Festungsturm gar
keine Rede sein kann (Abb. 4)').
Aber schon der Grundgedanke, daß das Hilani nichts als ein modifiziertes
Festungstor sei, muß zum mindesten starken Zweifeln unterliegen. Solche Zweifel
hat bereits Val. K. Müller geäußert und statt eines unmittelbaren Abhängigkeits-
verhältnisses eine Wechselwirkung zwischen Hilani und Festungstor angenommen^).
Und selbst damit geht er m. E. noch zu weit, denn eine Absicht, durch die an-
geblichen Türme das Haus verteidigungsfähig und damit dem Festungstore in
gewisser Beziehung ähnHch zu machen, ist schwerlich zu erweisen. Hätte man
das gewollt, so wäre vor allem die Vorhalle mit ihren Holzsäulen zu beseitigen
gewesen, die immer einen denkbar günstigen Angriffspunkt bieten mußte. So ist
selbst eine Beeinflussung des Hilanitypus durch das Festungstor sehr zweifelhaft, denn
dem Festungstor fehlt, was für das Hilani bezeichnend ist, die Säulenhalle, und für das
Hilani sind die Verteidigungstürme zum mindesten nicht nachzuweisen (vgl. Abb. 5 c,d).
Viel eher könnte ein Zusammenhang mit einem Gebäudetypus des alten Reiches
in Ägypten vorliegen, den Torbauten der Totentempel der 5. Dynastie bei AbusirS).
Diesen Fragen wird an anderer Stelle ausführlicher nachzugehen sein, hier sei
nur noch einmal festgestellt, daß gar kein Grund vorliegt, dem Hilani I ein be-
sonders hohes Alter zuzuschreiben. Dagegen spricht außerdem noch die Beob-
achtung Koldeweys, daß vor dem Hilani an dieser Stelle schon kleinere Gebäude
standen, vor diesen schon ein größeres von recht erheblicher Mauerstärke (2'/a m)
und vor diesem wieder kleinere Gebäude. Die Einfachheit des Grundrisses und
die geringe Zahl der Räume mag sich daraus erklären, daß das Gebäude, an der
höchsten Stelle des Burghügels gelegen, lediglich der Repräsentation, als Audienz-
halle diente. Und die allerdings ungewöhnliche Stärke der Fundamente ist ein-
fach durch den Lehmbau bedingt, genau wie in Ägypten und Babylonien.
4. Der »untere Palast« (Abb. 6) ist sowohl von Koldewey und v. Luschan wie
noch von Müller als eine bauliche Einheit aufgefaßt worden, bestehend aus den
beiden Hilanis II und III, die später durch Säulenhallen verbunden worden seien.
Nur Jacoby (Ausgr. S. 312) fiel es schon auf, daß die Fundamentkrone von H n
rund 3,4 m höher liegt als die Schwelle der Halle P t, und er schloß daraus, daß
P beim Bau von H n teilweise oder ganz zerstört sein müsse. Das ist in der
') Annais of Arch. and Anthrop. IV 1912 Taf. 7. 3) Vgl. tiermania 1921, 66 Anm. 4.
^) Val. K. Müller, Ath. Mitt. XLU 1917, 118.
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
91
Abb. 6. »Unterer Palast« und »Nordwestbezirk« in Sendschirli. i : 1000,
Q2 F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
Tat richtig und wird durch folgende Überlegung bestätigt. Denkt man sich H n
als einer späteren Bauperiode angehörig fort, so wird zunächst die östliche Hälfte
des nördlichen Hallenbaus mit den dahinter gelegenen Räumen 2 und 3 als ein
kleines Hilani verständlich, das in der Folge als H w bezeichnet wird und in
Zahl wie Anordnung der Räume dem Hilani K des Nordwestbezirks völlig entspricht
Genau wie dort ist dem großen Hauptsaal an der Rückseite ein kleinerer Raum
(Schlafraum ?) angehängt, und der rechts neben der Vorhalle gelegene und zum
großen Teil unter der Nordwestecke von H n verschwundene Fundamentklotz ist
zweifellos als Treppenhaus zu deuten, denn bezeichnenderweise sind die Lehm-
.^iegellagen des Aufgehenden gerade da unterbrochen, wo der Eingang zur Treppe
zu erwarten ist (vgl. Ausgr. Taf. 24/25). Verlängert man ferner die Ostwand der
Halle Pi nordwärts unter H n hindurch, so stößt sie genau auf die Ostecke des oben
besprochenen Treppenhauses. Das kann unmöglich ein Zufall sein und beweist
unwiderleglich die spätere Entstehung von H n- Daß Koldewey diesen völlig
klaren Sachverhalt nicht sah oder nicht sehen wollte, ist wieder in seiner allzu
schematischen Entwicklungstheorie begründet, nach der allerdings H ' i wegen
seiner Größe und seiner Raumzahl zwischen H i und H m eingeordnet werden
mußte. Nur unter dem Eindruck dieser Theorie wird auch v. Luschan den ver-
mutlich zu Hn gehörigen Sphinxorthostaten (a.a.O. S. 330f.) für älter als die
Skulpturen von H m erklärt haben. Er scheint mir vielmehr entschieden zum
Jüngsten zu gehören, was überhaupt in Sendschirli an Plastik gefunden ist.
Nach Ausscheidung von H n ist noch der übrigbleibende Baukomplex zu
betrachten. Auch er ist keineswegs aus einem Gusse, vielmehr ist der Hallenbau
P ,0 nach Jacobys Beobachtung (a. a. O. S. 31 7) sicher an H ni angelehnt, also
jünger, und dasselbe zeitliche Verhältnis wird man für den ganzen Komplex der
Hallenbauten einschließlich H jv annehmen dürfen, der eine architektonische
Einheit gebildet zu haben scheint. Dazu paßt auch, daß die Säulenbasen und
Orthostatenreliefs von H m stilistisch einen älteren Eindruck machen als die
von H IV.
Den Eingang zürn Hofe R suchte v. Luschan an der Südseite, wo er von '
einer Fortsetzung der Grabung weiteren Aufschluß erwartet, wie jedoch zu be-
fürchten ist, vergeblich. Denn einmal zeigen die Fundamente von P3 — ^ von
einem Torbau nicht die geringste Spur, und vor allem ist er auch gar nicht hier
in dem spitzen Winkel zwischen P3 — g und der Burgmauer zu erwarten, sondern
gegenüber dem Hauptgebäude des Palastbezirks, dem Hilani III. In der Tat weist
die Halle Pi nahe der Südwestecke von Hu eine schmale Quermauer auf, die
am ehesten als südliche Begrenzung eines unter H n begrabenen Durchgangs-
raumes zu deuten sein dürfte. Gestützt wird diese Auffassung durch den Rest
eines festungsartigen Tores, der gleich östlich von H n zutage gekommen ist
und gleichfalls zu Zeiten dieses Gebäudes abgebrochen gewesen sein muß. Seine
Lage gerade gegenüber H ni spricht sehr dafür, daß es diesem Bau gleichzeitig
gewesen ist, und als eine Möglichkeit sei wenigstens erwogen, ob es nicht mit der
turmbewehrten Rückwand des nördlichen Hallenbaus zu einer rechteckigen Um-
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli. g^
mauerung der Art zusammengehörte, wie sie den kleinen Palast von Saktsche Gözü um-
schließt (Abb. 3). Dann kann man sich die Baugeschichte etwa so denken, daß
der H m vorgelagerte Palasthof zunächst von der turmbewehrten Mauer mit dem
Tor vom Typus Saktsche Gözü umgrenzt war, und daß erst später dieser Hof
verkleinert und mit den Hallenbauten einschließlich H iv umgeben wurde. Ein
Umbau scheint sich auch in der Südostecke des Hofes zu verraten, wo Pi und
P3 zusammenstoßen und der Eckpfeiler in auffälliger Weise aus der Fluchtlinie
von P3 herausfällt.
Absolut datiert ist von allen diesen Baulichkeiten nur das kleine Hilani IV
durch das Orthostatenrelief mit der Inschrift des Barrekub. Die Hallenbauten in
ihrer letzten Gestalt, insbesondere Pi, gehören damit zweifellos eng zusammen.
Dann mögen das ältere Hilani III, ferner das festungsartige Tor neben H n und
die Rückwand des NHB mit ihren Türmen dem Vater Panammu bzw. dem Groß-
vater Bar Sur gehören. Hilani II dagegen ist erst errichtet, als diese Baulichkeiten
durch Brand und zwar, wie Koldewey scharfsinnig beobachtet hat, wahrscheinlich
durch beabsichtigte Brandlegung vernichtet waren. In die gleiche Zeit wird die
Erneuerung der Burgmauer an der Westseite zu setzen sein, die hier über die
niedergebrochene Rückwand von H m und die Südvvestecke der Hallenbauten
hinweggeführt ist. Schreibt man den Brand mit Koldewey einer Eroberung der
Burg durch Asarhaddon zu, was viel für sich hat, so kann auch H n nicht älter,
muß vielmehr dem oberen Palaste etwa gleichzeitig sein.
Die eben besprochenen Gebäude waren indessen nicht die ältesten, die an
dieser Stelle gestanden haben. Ältere Bauten, die insbesondere unter H m zutage
getreten sind, sind ihnen voraufgegangen. Sie scheinen sich nach Süden nicht
über die Mitte des Hofes R ausgedehnt zu haben, der hier von einer Wehr-
mauer unterkreuzt wird. Ihre turmartigen Verstärkungen sind nach Süden gekehrt,
sie bildete also die Begrenzung eines nördlich gelegenen Burgbezirks und wird
bis zur Erbauung von Hilani III den sogenannten Nordwestbezirk der Burg nach
Süden hin abgeschlossen haben, dessen Betrachtung noch übrigbleibt.
5. Daß auch die Gebäude desNordwestbezirks (Abb. 6) nicht aus einem Gusse
sind, ist schon Jacoby und v. Luschan nicht verborgen geblieben. Beide er-
kannten, daß J und K wohl gleichzeitig in Benutzung gewesen, aber nicht gleich-
zeitig entstanden sein können. In der Beurteilung des zeitlichen Verhältnisses
beider Gebäude macht sich indessen ein merkwürdiges Schwanken bemerkbar.'
Entscheidend ist wieder Jacobys Beobachtung, daß die Fundamentkrone von K
etwa I m höher liegt als die von J. Daraus schloß Jacoby, daß K jünger sei.
während v. Luschan (a. a. O. S. 245) nach mehrfachem Schwanken sich für das
Gegenteil entschied, ohne seine Ansicht näher zu begründen. Er scheint auch
da wieder im Banne der Koldeweyschen Entwicklungstheorie gestanden zu haben,
nach der allerdings J jünger hätte sein müssen, weil ihm der bei K noch vor-
handene »massive Verteidigungsturm« ganz fehlt.
Daß Jacoby Recht hat, wird nun durch weitere Beobachtungen außer Zweifel
gesetzt. In der Westwand von J^ finden sich zwei symmetrisch angeordnete Fenster,
QA F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
die ungewöhnlich tief, fast bis zum Fußboden, hinabreichen, so wie es in Boghazköi
üblich ist'). Sie sind beide durch die Ostwand von K verbaut und so zu Nischen
geworden. Auch die beiden Öffnungen in der Westwand von J 3 dürften ursprüng-
lich solche tief herabreichende Fenster gewesen sein. Sie liegen ebenfalls streng
symmetrisch, nur ist die südliche Öffnung bei ihrer Umwandlung zu einer Ver-
bindungstür mit K 2 bis zur Südecke der Wand verbreitert worden, während die
nördliche Öffnung wohl Fenster blieb, aber fast zur Hälfte durch K verbaut
wurde. In ähnlicher Weise ist auch die Südfassade des Raumkomplexes J 10 — 14
durch K verbaut worden, worauf wir noch zurückkommen werden. Ferner ließen
sich in Ji — 3 vielfach Ausbesserungen und Umbauten feststellen. So führen in
J2 die verschiedenen Wandputzschichten auf zwei bis drei Bauzeiten, und in J3
- — nicht etwa in K — zeigten sich mehrere Fußböden übereinander^). Der Fuß-
boden wurde hier offenbar bei dem Anbau von K höher gelegt, um den Höhen-
unterschied auszugleichen. Daß schließlich K in seiner Grundrißbildung völlig
mit dem kleinen Hilani IV übereinstimmt, wurde schon hervorgehoben. Da dieses
inschriftlich als Bau des Barrekub gesichert ist, so wird man auch K in die gleiche
Zeit setzen dürfen.
Das wird nun in denkbar wünschenswerter Weise bestätigt durch den Um-
stand, daß die schon erwähnte Platte mit der großen Bauinschrift des Barrekub
aller Wahrscheinlichkeit nach den linken Orthostaten von Ki gebildet hat 3).
Ihre letzten Zeilen sind für die Baugeschichte des Nordwestbezirks so wichtig, daß
ich sie in neuer Übersetzung hersetze 4):
16 durch mich ist es schön gebaut worden, nicht war es vorhanden für meine
Väter,
17 die Könige von Schamal. Stehe da ist das Haus des Kalamu von ihnen.
') Vgl. V. K. Müller a.a.O. «37 ff., dem jedoch ») Jacoby, Ausgr. 272, 276, 279.
bei der Suche nach Analogien für die Fenster 3) v. Luschan, Ausgr. 255. Dagegen hat sie
von Boghazköi die beste und schlagendste, Lidtbarski, Ephemeris für semitische Epigraphik
nämlich Sendschirli, entgangen ist. Die Ahn- III igog'is, 218 wieder der Westhälfte des
lichkeit geht sogar noch viel weiter. Wenn nördlichen Hallenbaus zusprechen wollen, weil
man beispielsweise die Räume Ji, J3 und K2 der Bau K, »wie nach v. Luschan feststeht,
, mit den Thronsälen III ,3 und IV ,3 in Bu- älter als die Zeit des Barrekub« sei. Das Gegen-
ghazköi (O. Puchstein, Boghazköi, 1912, 176 teil ist aber der Fall, wie eben gezeigt wurde.
Abb. 108, Müller a. a. O. 125 Abb. 17 und Außerdem ist der Hallenbau gar kein »Haus«,
127 Abb. 19) vergleicht, so ergeben sich als sondern nur eine Porticus. Nur die Osthälfte
weitere Übereinstimmungen die Lage des Thron- ist ein wirkliches Haus vom Hilanitypus, und
Sitzes vor der Mitte der linken Schmalwand — sie hat schon ihre Orthostateninschrift, nach der
in Ja und J3 in Sendschirli nach Analogie ebenfalls Barrekub der Erbauer war.
von Kl zwischen den beiden Fenstern der 4) Sie stammt von E. Littmann, dem ich überhaupt
Rückwand zu ergänzen — , femer die Lage für seine stete Hilfsbereitschaft in semitisch-
des Haupteingangs am Ende der einen Längs- sprachwissenschaftlichen Fragen zu danken habe,
wand (ausgenommen Jj) und vor allem die Ältere Übersetzungen: Sachau, Sitzungsber. Berl.
ausgesprochene Tiefräumigkeit aller dieser Säle, Akad. 1896, 1051 ff. (danach in den »Aus-
deren ideelle Achse offensichtlich durch die grabungen« 168); v. Luschan, Ausgr. 380;
Lage von Thronsitz und Herd bestimmt ist. Lidzbarski a. a O. 218.
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli. gc
i8 siehe da ist das Winterhaus von ihnen, siehe da ist das Sommerhaus von
ihnen und
19 ich habe dies Haus erbaut.
Da ist zum mindesten von zwei verschiedenen Häusern die Rede, einem
älteren des Kalamu und einem jüngeren des Barrekub. Das »Winterhaus« und
das »Sommerhaus« sind bisher immer mit einem von beiden gleichgesetzt worden,
aber der Wortlaut läßt auch die Möglichkeit zu, an vier verschiedene Häuser zu
denken.
Mit dieser Auffassung läßt sich nun der Grundriß des Gebäudekomplexes in
überraschender Weise vereinigen. Daß nur K das neue Haus des Barrekub sein
kann, haben wir gesehen. Nun hat es ein glücklicher Zufall gefügt, daß an der
linken Eingangswange von J i ein Orthostat in situ erhalten gefunden wurde, der
eine große Inschrift des Kalamu, Sohnes des Haja(nu), mit beigefügtem Bildnis
trägt'). Dieser Haja(nu) ist zweifellos derselbe wie der auf dem Monolith Sal-
manassarsll für 859 und 854 genannten Hajan(u), Sohn des Gabbar von Schamal^).
Das Gebäude J ist also das in der Barrekubinschrift genannte Haus des Kalamu
und muß in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts errichtet sein. Doch gilt das
sicher nur für den vorderen Teil von J, d. h. die Räume Ji — 3. Denn auch J ist kein
einheitlicher Bau, sondern setzt sich aus zwei Teilen (Ji — 3 und J4 — 14) zusammen,
die nicht gleichzeitig errichtet sein können, wie die zwischen J 10 und der Nord-
westecke von J 3 sichtbare Mauerfuge ausweist, v. Luschan wollte in dem rück-
wärtigen Komplex J4 — 14 eine nachträgliche Erweiterung sehen. Daß die Sache
gerade umgekehrt liegt, lehrt eine aufmerksame Betrachtung dieses Gebäudeteils.
Er zerfällt seinerseits wieder in zwei Hälften, denen dasselbe Planschema zu
Grunde liegt. Beidemal bildet den Mittelraum eine tiefe Halle (Je und J13), die
jedesmal von zwei Räumen gleicher Größe flankiert ist. Diese Seitentrakte sind
entweder ungeteilt (J4 und Ji4) oder zerfallen in mehrere Abteilungen (J 7 — g und
Jio — 12)- Jio ist ein massiver Fundamentklotz, auf dem man sich nach Analogie
von K das Treppenhaus zu denken hat. Über J4 — n haben schon Jacoby und
V. Luschan wegen der Schichtung des Brandschutts ein Obergeschoß angenommen.
In der westlichen Gebäudehälfte ist der Mittelsaal (J13) nach vorn in voller Breite
geöffnet, also ein richtiger Liwan. v. Luschan und Jacoby (a. a. O. S. 252 und 286)
halten ihn zwar für ungedeckt, d. h. für einen Hof, dem widersprechen aber
zwei mächtige Orthostaten, die den Eingang flankieren und seine Eigenschaft als
Tor sicherstellen. Die Südwand von Jio — 14 ist dann als eine monumentale Fassade
aufzufassen, von völliger Symmetrie, mit weiter Mittelöffnung zwischen flankierenden
Wandflächen, also von demselben Typus, wie er in der sasanidischen und persisch-
islamischen Baukunst üblich ist i). Ob die breite Mittelöffnung einen wagerechten
') Letzte Behandlung der Inschrift mit deutscher Felsreliefs, 1910, 129; Sarre und Herzfeld,
Übersetzung von Lidzbarski, Ephemeris III 218 ff., Archäolog. Reise im Euphrat- und Tigrisgebiet
wo auch die altere Literatur zusammengestellt ist. III 191 1, Taf.39ff. ; Swoboda, Rom. u. roman.
=) Lidzbarski a.a.O. 225. Paläste, 1919, iSoff. — Firuzabad: P. Coste
3) Z. 13. Klcsip hon; Sarre und Herzfeld, Iranische et E. Flandin, Voyage en Perse. Perse anci-
96
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli.
oder bereits bogenförmigen Abschluß hatte, ist nicht zu entscheiden, doch scheint
mir die letztere Annahme im Hinblick auf die spitzbogigen Stadttore in Boghaz-
köi und die vermutliche Abkunft des Liwans von den rundbogigen Schilf hütten
der Euphratanwohner wohl erwägenswert'). Da nun die Wirkung dieser Fassade
durch die übergreifende Nordwestecke von J3 — und erst recht natürlich durch
K — zerstört ist, so ist der Schluß unausweichlich, daß der Bau Ji — 3 nachträg-
lich vor J4 — 14 vorgesetzt ist. Ob die rechte Hälfte des rückwärtigen Gebäude-
teils (J4 — 9) dasselbe Fassadenmotiv wiederholte oder ob hier der Mittelraum
l6 vorn geschlossen war, kann natürlich nur eine Tiefgrabung lehren. Unbedingt
nötig scheint es mir nicht, denn auch in dem Raumkomplex L4 — 6, dem das
gleiche Schema des dreiteiligen Hauses zu Grunde liegen dürfte (L 1 — 3 und
Ly — 8 sind wohl Anbauten), ist der Mittelraum L5 nach vorn nicht voll ge-
öffnet 2).
So ergibt die Grundrißanalyse des Nordwestbezirks vier Einzelhäuser, wie
sie auch aus der Bauinschrift des Barrekub herauszulesen sind. Da K als das
Haus des Barrekub und Ji — 3 als das des Kalamu bereits erkannt worden sind,
so liegt der Schluß nahe, daß mit dem Winterhaus und Sommerhaus der Raum-
komplex J4— 14 gemeint ist. Die westliche Hälfte J 10 — 14 mit dem weit geöffneten
Liwan könnte dann das Sommerhaus sein, während in der östlichen Hälfte (J4 — g),
die eine größere Anzahl kleiner und geschlossener Räume aufweist, eher das
Winterhaus zu erkennen wäre.
Was die absolute Chronologie betrifft, so reicht das Doppelhaus J4 — 14
nunmehr mindestens in die Zeit des Haja(nu) oder Gabbar, also in die Mitte oder
erste Hälfte des 9. Jahrhunderts hinauf und ist somit wahrscheinlich das älteste
Gebäude, das überhaupt in Sendschirli vollständig im Grundriß erhalten ist. Die
Baugeschichte stellt sich jetzt in wesentlichen Punkten anders dar, als Koldewey,
v.Luschan und Jacoby sie sich gedachthaben. Am Anfang steht das Doppelhaus J4 — ,4
mit seinem in dieser Umgebung ganz fremdartig wirkenden Grundrißschema des
dreiteiligen Liwanhauses. Auch L4 — e und vielleicht Li — 3 mögen noch in diese
Zeit zurückreichen, ebenso wie die unter Hr gelegenen Bauten, deren Grundriß-
schema nicht bekannt ist. Die Burgmauer in ihren älteren Teilen sowie das
äußere Burgtor mit seinem ganz altertümlichen Orthostatenschmuck wird gleich-
falls hierhergehören. Dann baut Kalamu in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts
enne 1 Taf. 39 f.; M. Dieulafoy, 1,'art antique ») Weitere Beispiele für die Schließung des Mittei-
de la Perse IV 1885 Taf. 13 ff.
') Auf die Geschichte des Liwanhaustypus werde
ich an anderer Stelle ausführlicher zu sprechen
kommen. — Für die Frage der Wölbung in
Sendschirli ist noch eine Grabstele aus der Zeit
des Barrekub zu vergleichen (v. Luschan, Ausgr.
325 ff. Taf. 54). Der rundbogige Abschluß
des Bildfeldes mit seiner rechteckigen Um-
rahmung läßt sich ohne architektonisches Vor-
bild kaum erklären.
raums in gleichen oder ähnlichen Haustypen
sind der Nordostpalast in Lachisch-Tell el Hesi
(Kanaanitisch, 14. Jahrhundert?, vgl. Bliss, A
Mound ofMany Cities, 1894, 71 ff. H.Vincent,
Canaan, 1907, 64 Abb. 35; die Front liegt
nach Westen, nicht nach Osten 1), ferner die
Nebenhäuser in Mschatta (vgl. Jahrb. preuß.
Kunstsamml. XXV 1904 Taf. 7) und vor allem
das Hauranhaus der Kaiserzeit (vgl. H. C. Butler,
Ancient Architecture in Syria, 1907 ff. A 194 ff.).
F. Oelmann, Zur Baugeschichte von Sendschirli. nn
vor die Osthälfte von J^ — 14 in neuem Stil sein Haus Ji — 3, dessen Verwandt-
schaft mit der hetitischen Baukunst von Boghazköi schon hervorgehoben wurde.
Nicht zu trennen ist davon der kleine Torbau Q und die altertümliche Statue auf der
Löwenbasis, die an die Ostwand des neuen Hauses angelehnt wurde. Ihre Sockel-
löwen sind denen des äußeren Burgtores aufs engste verwandt. Die südliche
Begrenzung des Nordwestbezirks bildete damals die den späteren Hallenhof R
unterkreuzende Abschnittsmauer. Der Zeit des Karal und des älteren Panammu
(um 800), der ebenso wie Haja(nu) als König von Jaidi bezeichnet wird und die
Hadadstatue von Gerdschin hinterlassen hat, lassen sich keine Bauten mit Be-
stimmtheit zuweisen. Vielleicht gehören das innere Burgtor und das große
Hilani I in diese Zeit. Auf Bar Sur oder den jüngeren Panammu glaubten wir
dann den Bau von Hilani III zurückführen zu dürfen mit dem davorgel egenen
Palasthofe in seiner älteren Gestalt (vom Typus Saktsche Gözü). Festen Boden
betreten wir erst wieder mit Barrekub (um 730, vielleicht bis Ende des 8. Jahr,
hunderts), der als Erbauer der beiden gleichartigen Häuser K und H iv und jeden-
falls auch der Hallenbauten P inschriftlich gesichert ist. In diesem Zustande ist
die ganze Burg einem großen Brande zum Opfer gefallen, der von Koldewey
wohl mit Recht mit einer assyrischen Eroberung in Zusammenhang gebracht
worden ist. Auf den Trümmern wurde dann Hilani II und der obere Palast er-
richtet, ob gleichzeitig oder nacheinander, ist nicht zu entscheiden. Auch die
Burgmauer wurde erneuert oder streckenweise ganz neu errichtet, an der Westseite
wurde sie über die ehemalige Westwand von L und Hni sowie über die Südwest-
ecke von Pg weggeführt, die nicht wieder aufgebaut waren. Dieser Neubau (Jer
Burgmauer ist mit Wahrscheinlichkeit datiert durch die große Stele, die Asarhad-
don i. J. 670 im äußeren Burgtor errichten ließ. Damit ist die Baugeschichte
der Burg im wesentlichen abgeschlossen.
Schließlich wäre noch die Frage zu erörtern, ob die beiden verschiedenen
Haustypen, die sich ergeben haben, das dreiteilige Liwanhaus der älteren Zeit
(vor Kälamu) und das sog. Hilanihaus der jüngeren Zeit sich vielleicht zwei ver-
schiedenen Bevölkerungsschichten zuweisen lassen. Doch ist da über Vermutungen
einstweilen nicht hinauszukommen. Es sei aber wenigstens darauf hinge-
wiesen, daß es für das alte Doppelhaus vom Liwantypus eine merkwürdig weit-
gehende Parallele gibt, das ist der Hauptpalast von Hatra (Abb. 7, ob. S. 88). Auch
hier sind zwei dreiteilige Häuser mit dem großen Liwan in der Mitte und kleineren
doppelgeschossigen Räumen zu beiden Seiten nebeneinander gesetzt und zu einer
Einheit verbunden. Der Hatrener Palast stammt spätestens aus dem zweiten
Jahrhundert n. Chr., vielleicht reicht er mit der Gründung der ganzen Siedelung
noch ins erste vorchristliche Jahrhundert zurück. Die Gründer waren Araber, wie
E. Herzfeld wahrscheinlich gemacht hat'). Araber, d. h. Steppen- und Wüsten-
bewohner, waren aber auch die Aramäer, die gegen Ende des zweiten Jahrtausends
') E. Herzfeld, Zeitschr. deutsch, morgenl. Ges. LXVIII 1914, 655ff. und Jahri). preuß. Kunsts. XLII
1921, 107.
q8 Karl Schwenderaann, Der Dreifuß.
in Nordsyrien seßhaft wurden. Sie werden auch zuerst den Burghügel von Send-
schirli besiedelt und mit dem semitischen Namen Schamal belegt haben, jeden-
falls sind von einer älteren, etwa mitannischen Bevölkerungsschicht keine Spuren
nachgewiesen worden. Unmittelbar aus der Wüste allerdings werden die Araber
den Liwantypus nicht mitgebracht haben, wohl aber können sie ihn in der unteren
Euphratlandschaft kennen gelernt haben, wo Schilfhütten vom Liwantypus heute
noch landesüblich und offenbar uralt sind. Erst Kalamu und seine Nachfolger
errichten ihre Häuser nach einem anderen Grundrißschema, das zur Kategorie
des Laubenhauses gehört und in Kleinasien verbreitet ist'). Zwar spricht auch
er aramäisch bezw. phönikisch, wenigstens in seiner Inschrift, aber der Name ist
nach Lidzbarski kleinasiatischer Herkunft, wie übrigens auch schon der seines
Vaters Haja(nu)^). Sollte es da ein Zufall sein, daß wir gerade am Hause des
Kalamu so auffallende Übereinstimmungen mit der Baukunst von Boghazköi fanden?
So ist wenigstens mit der Möglichkeit zu rechnen, daß im 9. Jahrhundert ein
kleinasiatisches Dynastengeschlecht die Herrschaft über die aramäische Siedelung
gewann und seine kleinasiatische Herkunft in seinen Bauten zum Ausdruck brachte.
Von dem Fassadenmotiv des sogenannten Hilani (d. h. Porticus mit Eckrisaliten),
das ja auch in Boghazköi unbekannt ist, ist hier, am Hause des Kalamu, noch
nichts zu bemerken, es setzt sich erst später, wohl unter südlichem Einfluß, durch.
Die Klärung seiner Herkunftsfrage und weiteren Geschichte muß einer besonderen
Untersuchung vorbehalten bleiben, die an anderer Stelle vorgelegt werden soll.
Bonn. F. Oelmann.
• DER DREIFUSS.
EIN FORMEN- UND RELIGIONSGESCHICHTLICHER VERSUCH.
Mit einer Beilage.
TEIL I: DIE FORMENGESCHICHTE DER DREIBEINIGEN GERÄTE.
Wenn wir das Wort Dreifuß hören, tritt uns unwillkürlich der Name Apollo
Ins Bewußtsein, wir denken an Delphi und sein Orakel. Des weiteren mögen wir uns
an Homer erinnern, wo Dreifüße so oft erwähnt werden. Treten wir aber in eine Unter-
suchung über die Dreifüße ein, so wird vor allem das Wort Dreifuß und der dadurch
ausgedrückte Begriff die Grundlage der Fragestellung bilden müssen. Was ist ein
Dreifuß } Ganz allgemein ein Gerät mit drei Füßen. Als Thema unserer Abhandlung
ergibt sich dann eine Reihe von Fragen: Welche Geräte dieser Art gab es im Altertum,
wie und wo sind sie entstanden, welche formale Entwicklung haben sie durchgemacht
vom Beginn bis zum Ausgang der Antike; welches waren die Namen dieser Geräte
bei den Griechen und Römern? Welchen Zwecken dienten sie als Gegenstände des
täglichen Lebens und des Kultus? So zerfällt unsere Aufgabe in drei Teile: i. Die
') Vgl. vorläufig Germania 1921, 71 Anm. 12. 2) Lidzbarski a.a.O. 200 und 223.
JAHR
€^
I. Oly
1881 '
VII rl
-,.8.1
— 24
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
99
Formengeschichte der dreibeinigen Geräte im Altertum zu entwickeln. 2. Ihre Termi-
nologie klarzustellen. 3. Ihre Bedeutung in Leben und Kultus darzulegen.
Die weite Verbreitung und die Vielfältigkeit der dreibeinigen Geräte ist der
Einfachheit und Standsicherheit ihrer Form zuzuschreiben. Für ein Gerät kommen
vor allem vier Arten des Stehens in Betracht, auf einem, auf zwei, auf drei oder vier
Füßen. Ein nach unten ausladender Fuß vermag, besonders am Schwerpunkt, eine
Last genügend zu unterstützen. Ebenso bieten zwei in gleicher Entfernung vom
Schwerpunkt angefügte Stützen mit der nötigen Standfläche sicheren Halt. Die
einfachste und dabei sicherste, zugleich die mannigfachste Benützung gestattende
Art, eine gerade oder gebogene Fläche in horizontaler Lage zu erhalten, ist die Unter-
stützung an drei Punkten, ganz besonders bei allen jenen Flächen, deren Grundform
sich dem Dreieck nähert oder ihm ein- oder umbeschrieben werden kann.
Die tektonisch einfachste Gestalt eines dreibeinigen Gerätes ist der an drei
Punkten unterstützte Kreisring oder die Kreisfläche, dann der mit drei Stützen ver-
sehene Topf. Davon kann die dritte Form aus der ersten entstehen, wenn der auf
den Ring gestellte Kessel mit diesem zusammenwächst. Ferner kann aus der ersten
Gattung die zweite entstehen durch Auflegen einer Platte auf den Ring. Dabei ist
natürlich eine mannigfache Gestaltung der getragenen Fläche denkbar.
Nach dem Gesagten kann es nicht befremden, dreibeinige Geräte der verschie-
densten Gestalt und Benützung zu finden. Ferner muß man von vornherein ver-
muten, daß die Griechen wie sonst so auch hier manches von auswärts übernahmen,
was die Zweckdienlichkeit der Form bei älteren Kulturvölkern .längst hatte ent-
stehen lassen.
DIE NIEDEREN UNTERSÄTZE UND VERWANDTES.
Die Vermutung bestätigt sich sofort bei der einfachsten Form, dem durch drei
niedere Füße getragenen Kreisring. Massenhaft sind solche Geräte in archaischen
Fundschichten Griechenlands und Italiens vertreten: In Olympia'), Dodona ^),
Delphi 3), dem argivischen Heraion 4), auf der athenischen Akropolis 5), an vielen
Stellen Italiens ^), um nur die wichtigsten aufzuführen. Es gibt einfachere und reichere
Formen. OI.IV853 ist ein schön erhaltenes Beispiel der einfacheren Art (Beil., Abb.i).
Ein Ring mit Stabverzierung am äußeren Rand ruht auf einfach stilisierten Löwen-
klauen, die jeweils auf einer rechteckigen kleinen Plinthe stehen, das Ganze dann
auf einem einfachen unteren Ring. Die letzte Eigentümlichkeit ist aber selten. Eine
lebendigere Bildung Ol. IV 856. Der Fuß ist einzeln gearbeitet und mit dem oberen
Fortsatz von innen an den Ring angenietet gewesen?). An Stelle der Löwenklauen
■) Curtius- Adler, Die Ausgrabungen in Olympia. *) Ol. IV, 136.
Bd. IV. Die Bronzen S. 136 ff. ') Bei einem anderen Exemplar (De Ridder Nr. 97,
>) Carapanos, Dodone S. 84. Taf. XL, XXIII. Fig. 10) entwickeln sich die Voluten direkt aus
3) Fouilles de Delphes V, 70. Nr. 259 ff. der Klaue, was den Ausdruck der Elastizität
4) Waldstein, ArgiveHeraeum II, 295 ff. PI. CXXIV. hervorruft. Der Winkel zwischen den sich aus-
5) De Ridder, Les Bronzes de l'Acropole d'Athenes breitenden Voluten ist mit einer Palmette gefüllt.
Nr. 60 — 101. Vgl. Arch. Anz. 1915, 207.-
lOO •^'"■^ Schwendemann, Der Dreifuß.
finden sich auch solche von Greifen'), auch Pferdehufe. Die einzelnen Beine können
jeweils auf runder Basis ruhen. Meist stehen sie aber frei auf. Die Tragkraft des
Ganzen ist manchmal noch verstärkt, indem die Löwenklauen unter sich noch ein-
mal mit Stäben verbunden sind, welche sich unter der Mitte des Ringes treffen »).
Dieser Untersatztypus stammt aus Assyrien, wie u. a. ein Relief aus Khorsabad
beweist, das einen Sieg Sargons über einen König von Armenien verherrlicht 3).
Fragmente solcher Geräte fand Palma di Cesnola auf Cypern, Löwenklauen und
Stierfüße aus Bronze, welche unzweifelhaft von derselben Gattung stammen 4).
Dieses nach Ausweis der Funde in archaischer Zeit offenbar sehr beliebte Gerät
hat sich mit geringer Veränderung lange erhalten. Öfter erscheint es auf Vasen-
bildern 5), auch auf etruskischcn Wandgemälden, immer als Träger von Kesseln und
Schalen. Die Maße bewegen sich zwischen 8 — 20 cm Ringdurchmesser und ca. 3 — 12
cm Höhe. Die Vasenbilder illustrieren den Gebrauch (Beil , Abb. 2). Verschiedent-
lich wurden auch große fußlose Kessel mit solchen Untersätzen zusammen ge-
funden *•).
Daß auch die hellenistische und römische Zeit das Gerät besaß, zeigen zwei
Exemplare im Silberschatz von Boscoreale /).
Eine noch einfachere Art von Untersätzen ohne formengeschichtliche Bedeu-
tung mag hier kurz erwähnt werden: Ein eiserner Ring auf drei ebensolchen geraden
einfachen Füßen diente als Küchengerät, um fußlose Kessel übers Feuer zu stellen;
es behielt stets dieselbe Form. Auf einem älter-schwarzfigurigen Vasenfragment
von der Akropolis 8) sehen wir ein solches Gerät in Gebrauch. Es steht über dem
Feuer, ein großer Kessel darauf, in dem ein Mann rührt. Gestelle derselben Art wurden
im Tumulus III von Gordion, der an den Ausgang des VIII. Jahrhunderts gehört,
gefunden 9). Pompeianische Wandgemälde zeigen nach so vielen Jahrhunderten die
Form unverändert ' ), auch wieder als Küchengerät.
• DREIFÜSSIGE SCHALEN.
In der Form nahe verwandt mit den niederen Untersätzen ist eine Reihe drei-
füßiger Schalen, die in archaischer Zeit in Griechenland und Italien in Verwendung
waren und auch später noch nachweisbar sind. Das älteste vollständige Exemplar
') De Ridder Nr. 63. oben in einen Blattkelch endigend, aus dem ein
^) Olympia IV, 855. Catalogue of the Bronzes Eros herausragt. Die Eroten tragen das ganz
in the British Museum 61,62. flache Becken, das hier an Stelle des Ringes
3) Museo Italiano II, 818. Menant, Glyptique II, ist. Nr. 3: D. 0,73. H. 0,33. Greifenfüße oben
S. 94. mit Blattkelch, auf dem der Ring sitzt. Ein
4) Cesnola, Salaminia PI. III, 5, 4. Vgl. Ed. Meyer, außergewöhnlich großes Exemplar, aber derselbe
Reich u. Kultur d. Chetiter S. 45. Typus. Vgl. Arch. Anz. 191 7, 75.
5) Z. B. Furtwängler-Reichhold, Taf. 19. Mon. d. I. *) Graef, AkropoHsvasen 654 a.
VIII, 27. Ebd. IV, 32 u. sonst öfter. 9) G. und A. Körte, Gordion (V. Ergänzungsheft
') Olympia IV, 136. Ein Dinos auf Untersatz. des Arch. Jahrb.) S. 68, 80. H. = 0,30. D. 0,48.
Mon. d. I. XI, 6. '») Mau, Rom. Mitt. XI, 75, Nr. 152. Not. d. sc.
7) Mon. Piot. V, Taf. XXII, 1,3. Nr. i: D. 0,11. 1901, 259.
H. 0,04. Lüwenklauen auf kleinen runden Basen,
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
lOl
wurde zusammen mit dem Bronzewagen von Monteleone gefunden, gehört also etwa
in die Mitte des VI. Jahrhunderts '). Ein tiefes Becken mit übergebogenem Rand
und zwei hochstehenden Henkeln ruht auf den Löwenklauen. »Der am Kessel an-
liegende Teil zeigt ein durchbrochenes Ornamentstück und darüber den oberen Teil
einer Sphinx mit emporgehobenen Flügeln in barbarisierendem Stil. Zugrunde liegt
ein altgriechischer Typus von Bronzebeckenfüßen, wo sich aus der Löwenklaue direkt
der Oberteil einer Sphinx oder Gorgone erhebt« ^). Gerätfüße dieser Art, mit denen der
Untersätze sehr verwandt, vielleicht sogar von solchen stammend, sind in archaischen
Fundschichten sehr häufigs). Ein ganz gleichartiges Becken stammt aus Pompei4).
Also auch dieser Typus bleibt durch die Jahrhunderte lebendig.
DREIFUSSVASEN.
In naher Beziehung zu den dreifüßigen Untersätzen auf Löwenklauen stehen
die Dreifußvasen. Sie sind entstanden durch Zusammenwachsen eines solchen Unter-
satzes mit einem darauf gestellten Gefäß. Dabei ist die Dreifußpyxis auf die Aus-
gestaltung der Form nicht ohne Einfluß gewesen 5). Den englischen Ausgrabungen
') Brunn-Bruckmann, Text zu Taf. 586, 587. Abb. 6.
Furtwängler, Kl. Sehr. II, 317. Abb. 6. Vgl.
Furtw.-Reichh. 89. Richter, Metropolitan Mu-
seum. Bronzes S. 224. Nr. 624. Die Darstellung
eines hethitischen Siegelzylinders (Ed. Meyer,
Reich u. Kultur d. Chetiter S. 55, Fig. 46) be-
weist die Existenz dreifülBiger Schalen bei den
Hethitern.
') Furtwängler a. a. 0.
3) Ein besonders altertümliches Stück aus der
idäischen Zeusgrotte auf Kreta. Mus. Ital. II,
744. Taf. XII, Fig. 17. H. = 0,085. ^^^ einer
Löwenklaue steigt ohne Vermittlung eine Sphinx
mit ausgebreiteten oben einwärts gebogenen
Flügeln auf. Kleine Bronzestreifen an Kopf und
Flügelenden dienten einst zur Befestigung.
Olympia IV, 858: ähnliches Stück mit Gorgone;
hier noch einige weitere zitiert. Ein solches
Becken auf der Vase Furtw.-Reichh. Taf. 89
(Beil. Abb. 3).
4) Not. d. sc. 1908, 288, Fig. II. H. der Füße 0,23.
D= 0,44 m. Schlanke Katzenfüße, aber bis zu
den Schenkeln ansteigend und darüber eine
Sirene mit ausgebreiteten Flügeln. Ganz ähn-
liches Becken auf der apulischenVase. Mon.d. I.
VI/VII, 71,2, ebenso auf der Patroklosvase
Furtw.-Reichh. Taf. 89, und der Medeavase
in München, ebda. Taf. 90.
5) Die Dreifußpyxis selbst, welche besonders der
protokorinthischen und korinthischen Industrie
Jahrbuch des archäolog^ischen Instituts XXXVI.
angehört, zeigt in ihren ältesten Exemplaren
eine auffällige Verwandtschaft mit einer Art von
dreifüßigen Becken, meist aus Stein, wie sie an
verschiedenen Orten gefunden wurden. Sie ge-
hören alle einer sehr frühen Epoche an und sind
teils flacher, teils etwas tiefer mit drei breiten
mitgearbeiteten Füßen, die nach unten sich
verjüngen. Ein schönes Exemplar Fouilles de
Delphes V, 21, Fig. 97 aus Serpentin D. = 0,40 m.
Ganz ähnliche fand Schliemann in Mykenae,
jetzt im Museum zu Athen. Daneben halte man
das Fragment einer in Gela gefundenen proto-
korinthischen Pyxis von noch geometrischer
Dekoration (Mon. d. Line. XVII, 630, Fig. 443).
Eine ähnliche Form des Beckens, aber tiefer und
mit mehr rechtwinkligem inneren Kontur,
Veränderungen, welche durch die Verschiedenheit
des Materials zur Genüge erklärt werden. Ganz
dieselbe Form des kurzen, nach unten schmäler
und dünner werdenden Beines. Das Ganze er-
scheint wie ein erster Versuch der Übertragung
jener alten Form in den Ton. Später werden
dann ja die Füße gleichmäßig breit und dick
und höher, bis in den Pyxides des VI. Jahr-
hunderts ein ästhetisch befriedigender Typus
vorliegt; die Füße, welche einen unnötigen Auf-
wand an Form bedeuten, verschwinden schließ-
lich ganz. Den Übergang dazu zeigt ein Stück
in München (Sieveking-Hackl, Vasens. I, 334,
Taf. 12).
8
I02 K*'l Schwenden) ann, Der Dreifuß. »
ZU Rhitsona in Böotien, dem alten Mykalessos') verdanken wir eine große Anzahl
solcher Gefäße. Darunter ist eines ») (Beil., Abb. 4), welches aus einem tönernen Untersatz
mit drei Löwenklauen besteht, auf dem ein rundes im Durchschnitt ellipsenförmiges
Becken mit stark verengter Mündung, von der Gestalt der sogenannten Kothone
ruht. Die beiden Teile sind fest verbunden 3). Formal ist die Trennung aber deutlich.
Ein genau entsprechendes Becken trägt eine Dreifußvase imLouvre 4) (Beil., Abb. 5).
Doch ist hier der Untersatz verschwunden; dafür sitzen drei breite Beine am Rand des
Beckens, mit dem sie außerdem unten noch durch je drei gebogene Stützen ver-
bunden sind. Metallimitation ist deutlich. Die spätere Entwicklung hat auch die
Form des Beckens verändert. Ein Gefäß derselben Gattung im athenischen National-
museumS) (Beil., Abb. 6) hat die beiden Formenelemente verschmolzen. Das Becken hat
walzenförmige Gestalt bekommen, mit flachem Boden. Die Ansatzstellen der Beine
sind durch Palmetten mit Doppelvoluten geschmückt. An Stelle der neun inneren
Verstrebungen sind drei getreten, die etwas über den unteren Enden der Beine an-
setzen und sich in der Mitte des Kesselbodens treffen und so dem Ganzen sichersten
Halt und einfachsten Ausdruck geben. Die Löwenklauen erscheinen wieder an den
Beinen. Die schönste Entwicklung der Dreifußvasen macht der »Dreifuß von Tanagra«
deutlich ^) (Beil. , Abb. 7,8). Hier ist die völlige Verschmelzung der Elemente eingetreten,
die einzelnen Teile in ein befriedigendes Verhältnis zum Ganzen gebracht und dadurch
jeder Eindruck von Schwere vermieden. Die Breitenentwicklung des Beckens mit der
Profilierung der Oberseite und de^ Deckels tritt in erfreulichen Gegensatz zu der
Vertikale der Beine mit ihren einfach stilisierten Löwenklauen. Die unteren Stützen
vollenden den Eindruck ruhigen und sicheren Stehens.
Pernice hat 7) die Meinung ausgesprochen »daß die ursprüngliche Form des
Gerätes der kleine Dreifuß ist. Sein Oberteil von den Füßen losgelöst und selbständig
gemacht, ergibt den henkellosen Kothon mit drei Ansätzen; die gewöhnlich Kothon ^)
genannte Form mit dem einen kleinen horizontalen Henkel, ist eine Weiterbildung
dieses selbständig gewordenen oberen Teiles eines Dreifußes«. Dagegen ist zunächst
geltend zu machen, daß die gewöhnlichen »Kothone« mit einem niederen Fuß und
einem horizontalen Henkel schon in viel älterer Zeit vorkommen als die Dreifußvasen 9).
Ebenfalls gegen Pernice spricht die Erwägung, daß die Entstehung eines kompli-
zierteren Gerätes aus einem einfacheren mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat als das
Umgekehrte, wenigstens zu Zeiten aufsteigender Kultur. Ferner wäre es unerklärlich,
daß von den hunderten bis jetzt bekannten» Kothonen «'°) — wurden doch in Rhitsona
') Ann. Brit. Seh. Ath. XIV. 7) Jahrb. d. Inst. XIV 1899, 64.
') A. a. 0. Taf. IX i. H 0,115. ^- "i^o m. *) Daß die Bezeichnung Kothon für die ganze Klasse
3) Weitere Gefäße derselben Gestalt, teilweise dieser Gefäße mit dem stark nach innen über-
aus Metall, Journ. Hell. St. 191 1, 82. Class G. gebogenen Rand nicht richtig ist, betont Pernice
4) B. C. H. XXII 1898, 293. Taf. VII. H=o,23. a.a.O.
D.= o,23 m. 9) J. H. St. 1911, 82.
5) B. C. H. a. a. 0. Fig. 8. H.= 0,17. D. = 0,18 m, ■») Zusammengestellt und klassifiziert J. H. St.
schwarzfigurig. a. a. 0.
«) Arch. Ztg. 1881, Taf. IV. H. 0,18. D. 0,17 m.
Furtwängler, Berl. Vasens. 1727.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. iQ-i
allein etwa 120 gefunden — nur 28 Dreifußform zeigen'). Ausschlaggebend aber
sind die Formen, welche das einfache fußlose Gefäß auf dem dreibeinigen Untersatz
zeigen»). Es trijfft demnach alles zusammen, um die oben an Beispielen aufgezeigte
Entwicklung zu bestätigen.
Auch der Zweck der Gefäße ist umstritten. Pernice a. a. 0. erklärt sie alle als
Räuchergefäße 3). Durch die Zusammenfassung des ganzen Materials im J. H. St.
191 1 wird für die meisten Exemplare eine Verwendung als Lampen festgestellt, für
die Dreifußvasen wahrscheinlich gemacht 4), obwohl auch eine Benützung als Räucher-
becken durchaus möglich ist. Der tief übergreifende Rand schützte einen Teil der
eingelegten Kohlen vor direktem Luftzug und verhinderte dadurch ein zu rasches
Abbrennen. Mit dem Deckel konnte die Glut jederzeit erstickt werden.
Eine Anzahl Dreifußvasen weicht von dem durch das Exemplar von Tanagra
vertretenen Typus ab und zeigt deutliche Anlehnung an die Dreifußpyxis 5) (Beil.,
Abb. 9). Sie haben dieselben breiten niederen, der Rundung des Oberteils ent-
sprechend konvexen Beine, teilweise noch durch untere Verbindungen verstärkt, wie
das ja auch an Pyxides vorkommt''). Zuweilen sind 7) große einfache Ringhenkel
im Ton modelliert, eines der vielen Anzeichen für Nachahmung eines Metallvorbildes.
DIE STABDREIFÜSSE.
Tektonisch eng verwandt mit den dreibeinigen Ringuntersätzen sind die Stab-
dreifüße in ihrer verschiedenen Gestaltung. Auch sie stellen im Prinzip alle einen an
drei Stellen unterstützten Kreisring dar.
Die ältesten Exemplare, welche uns auf griechischem Boden begegnen, zeigen
schon einen fertigen durchaus charakteristischen Typus. Drei Beine tragen einen
hohen Ring. In etwa 1/3 Höhe der Beine gehen von ihnen nach beiden Seiten und nach
hinten dünnere Stäbe aus. Die seitlichen treffen sich zu je zweien am oberen Ring
in der Mitte zwischen den Ansätzen der zwei Beine, von denen sie ausgehen und ver-
einigen sich in einem Bogen. Die nach hinten abzweigenden Stäbe treffen in einem
Ring in der Mitte des durch die drei Beine dargestellten Dreieckes zusammen.
Im ganzen sind fünf Exemplare dieser Gattung bekannt:
1. Aus einem Grabe von Kurion auf Cypern, im Metropolitan Museum in New-
York, abgeb. jetzt bei Richter, The Metropolitan Museum of Art: Greek, Etruscan
and Roman Bronzes. New- York 191 5. S. 345 ff.
2. Aus einem Dipylongrab zu Athen, abgeb. Athen. Mitt. 1893, 414. Taf.
XIV (Beil.. Abb. 10).
■) Wichtig ist auch die Dreifußvase des athenischen 4) Diese dort aufgeführt als Klasse C. S. 76.
Nationalmuseums Nr. 12924. J. H. St. a.a.O. Anm. 33, 34, 35. Die Dekoration ist bei allen
Fig. 14, die nur einen und zwar horizontalen spätkorinthisch oder schwarzfigurig.
Henkel hat; deutlich der mit drei Beinen ver- 5) Z. B. B. C. H. XXII, 300 f. Fig. 9, 10.
sehene einfache Kothon. 6) Z. B. Ann. Brit. Seh. Ath. XIV, Taf. X c.
») Zusammengestellt J. H. St. a.a.O. S. 82 als 7) B. C. H. XXII, Fig. 10. Nicole, Vases peints
Klasse G. du Mus^e National d'Athenes. Supplement
3) Kuruniotis in der 'EtprjiJ.. ipy. 1899, 234 mach- Taf. V.
te dagegen treffende Einwände geltend.
104 Katl Schwendemann, Der DreifuB.
3. Ein Dreifuß desselben Typus aus Grab 3 der geometrischen Nekropole von
Knossos. Ann. Brit. Seh. Ath. VI, 83. B. Schweitzer, Untersuchungen zur Chrono-
logie der geom. Stile in Griechenland 39.
4. Ein kleines Miniaturexemplar aus einem Enkomigrab (Nr. 58) auf Cypern,
ganz ähnlich Nr. 2, jetzt im British Museum. Jahrb. d. Inst. 191 1, 228. Furtwängler,
Kl. Sehr. II 301. Schweitzer a. a. O. 39.
5. Südöstlich der Burg von Tiryns wurde mit einem Schatzfund, der Gegen-
stände aus verschiedenen Zeiten enthielt, »ein sehr hübscher kleiner Stabdreifuß
mit Tierköpfen und Bommeln (Blüten und Vögelchen) reich verziert« gefunden
(Karo, Arch. Anz. 191 6, 145).
Alle diese Exemplare sind aus Bronze und gegossen. Ihre Zeit bestimmt sich
durch den Fundort und außerdem durch stilistische Betrachtungen.
Nr. I stammt aus der spätmykenischen Nekropole von Kurion '). Nr. 2 fällt
in frühgeometrische Zeit 2), nach Poulsen ins IX. Jahrhundert v. Chr.
Das Grab, in welchem Nr. 3 gefunden wurde, gehört nach Schweitzer a. a. 0.
40, ins X., vielleicht noch ins XL Jahrhundert, während das Enkomigrab von Poulsen
auf Grund der syrisch-het itisch beeinflußten Elfenbeinfunde etwas vor das Jahr
1000 v. Chr. gesetzt wird. (Jahrb. d. Inst. XXVI 1911, 231.)
Dazu kommen stilistische Momente. Der obere Ring von Nr. i zeigt im Relief
den mykenischen »Galop volant«, rennende Steinböcke und verfolgende Löwen 3).
Das Exemplar vom Dipylon hat an derselben Stelle eine Reihung von Brillcnspiralen,
auch ein mykenisches Element und bei den ältesten Kcsseldreifüßen von Olympia
noch vorkommend (s. unten S. 122). Dasselbe gilt für das Strickornament, welches
bei I und 2 die Vorderseite der Beine schmückt 4).
Zwei eng mit unseren Dreifüßen verwandte Bronzegeräte von Cypern gehören
stilistisch ebenfalls in spätmykenische Zeit 5). Ihr ringförmiger Aufsatz trägt dasselbe
Spiralmotiv k jour wie unser Dreifuß Nr. 2. Ebenso findet sich eine reichliche Ver-
wendung des Strickornaments. Die Ansatzstellen der Beine haben an unseren Drei-
füßen die Gestalt einer jonischen Volute, welche zwischen Horizontale und Vertikale
vermittelt. An der entsprechenden Stelle der kyprischen Kesselwagen erscheint
dasselbe Motiv ^). Die Gruppe dieser Dreifüße gehört nach den Fundumständen
in die spätmykenische bezw. die von Schweitzer in die Zeit vom XII. bis X. Jahrhun-
') Poulsen, Jahrb. d. Inst. XXVI 1911, 234. Furt- 10, Fig. 18. Vergl. auch Karo, Arch. f. Rel. VIII
wängler, Kl. Sehr. II 513. Beiheft, 62. Taf. i. Wie ein später Abkömmling
*) Furtwängler a. a. 0. dieser Kesselwagen erscheint ein Bronzegerät
3) Furtwängler a. a. 0. Schöne Parallele bei Richter, im Museum zu Kairo. Muse^ du Caire. Edgar,
Metropolitan Museum, Bronzes S. 223. Rand The Bronzes Nr. 27 904, PI. XIX 3. Arch. Anz.
eines Beckens mit Relief. Löwen, Eber und J903, 147, Fig. 3 d.
Stiere verfolgend. Bronze. Spätmykenisch. '') Auch sonst ist es in mykenischer Zeit anzu-
4) Über die Chronologie dieser Dreifüße neuerdings treffen. So besteht eine Halskette aus Palaikastro
ausführlich Karo, Ath. Mitt. XXXXV1920, I28ff. (Ann. Br. Seh. Ath. IX, PI. XIII 74) aus einer
Nach Abschluß dieser Arbeit erschienen. Reihe von Paaren solcher Glieder, die mit den
!) Furtwängler, Kl. Sehr. II 298 ff. Abgeb. auch Voluten nach außen schauen und mit dem Rücken
bei Murray- Smith-Walters, Excavations in Cyprus aneinander haften.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
105
dert gesetzte Epoche des protogeometrischen Stils, in dessen Verlauf die anfänglich
noch starken spätmykenischen Einflüsse allmählich absterben. Daß die Dreifüße in
ihrer Dekoration noch ganz spätmykenisch sind, beweist nur, daß in dieser protogeo-
metrischen Epoche das Kunsthandwerk die mykenische Tradition länger festhielt als
die Töpferei. Man darf auch nicht vergessen, daß die Dreifüße, von denen zwei in
Cypern selbst gefunden sind, und die in den Kesselwagen vonCypern die allernächsten
stilistischen und technischen Parallelen haben, wohl dem kyprischen Kulturkreis ent-
stammen, in dem, wie überhaupt im ganzen Osten und Südosten das geometrische
Element langsamer vordringt wie im Westen, eine erklärliche Tatsache, da der geo-
metrische Stil der Ausdruck des griechischen Formwillens ist. Aber dieser Stab-
dreifußtypus hat sich auch weiterhin gehalten. Er ist aus geometrischer Zeit zwar
nicht durch erhaltene Exemplare, wohl aber mehrfach durch Nachbildungen aus
Ton bezeugt ('EttTjfi. dpx. 1898 Taf. IV, 3. Ath. Mitt. 1918, 52. Taf. I, 5; 65. Taf.
IV 3).
Mit diesen Tonnachbildungen finden wir einen wenn auch nicht sehr engen
zeitlichen Anschluß an den archaischen Stabdreifußtypus, der dann der Ausgangs-
punkt für eine lange und glänzende Entwicklung geworden ist, ebenso gut wie an
den in den archaischen Fundschichten Italiens des VIII. bis VI. Jahrhunderts
häufigen Typus des aus Bronzeblech verfertigten dreibeinigen Untersatzes, ein
Anschluß, der typengeschichtlich deutlich in die Augen springt. Karo (Ath. Mitt.
XXXXV 1920, I33f.) weist nachdrücklich auf die Lücke zwischen diesen spät-
mykenisch-protogeometrischen und den späteren archaischen Stabdreifüßen hin.
Immerhin haben wir die genannten geometrischen Tonnachbildungen, die mindestens
das Weiterleben der Form beweisen.
Der archaische Stabdreifuß besteht in seinen älteren und einfacheren Exemplaren
wie dem von La Garenne (Olympia IV, S. 115 (Beil., Abb. II). Savignoni, Mon. d.
Line. VII, 314, fig. 10. Vgl. auch Fouilles de Delphes V 68 ff.) aus einem oberen Eisen-
ring, der auf drei Eisenstäben steht, mit denen er durch ein bronzenes Verbindungs-
stück befestigt ist. Die Eisenstäbe stecken unten in Löwenklauen aus Bronze. In
jede der drei so gebildeten Seiten des Dreifußes ist ein parabelförmiger Eisenbogen
eingespannt, der mit den unteren Enden in den Löwenklauen steckt und mit dem
Scheitelbogen durch Bronzebänder unfer dem oberen Ring festsitzt. Von den Löwen-
klauen horizontal nach innen laufende gebogene Eisenstäbe halten mit Hilfe von
Bronzeverschnürungen einen unteren kleinen Ring.
Das Gerät entspricht also im Typus ganz dem spätmykenisch-protogeometri-
schen gegossenen Bronzedreifuß. Alle Verschiedenheiten erklären sich ausschließlich
durch die Technik.
Dieser einfache Typus belebt sich dann im Laufe des VI. Jahrhunderts und
verändert gleichzeitig seine Form. Während das Exemplar von La Garenne, ebenso
wie das mit dem Bronzewagen von Monteleone zusammen gefundene (Furtwängler,
Kl. Sehr. II, 317 (Beil., Abb. 12); Text zu Brunn-Bruckmann Taf. 586/87), mit seinem
spätmykenischen Ahnen noch gemein hat, daß die senkrechten mittleren Beinstützen
die Hauptlast tragen, eine Ursprünglichkeit, die auch das Exemplar von Palestrina
jq5 Karl Schwendemann, Der DreifuB.
(Savignoni a. a. 0. 312 fig. 9) beibehält, ist diese Funktion beim Dreifuß von Meta-
pont (Savignoni a. a. O.Taf. VIII) (Beil., Abb. 13) auf den ursprünglich als Beistütze
entstandenen Bogen der Beinseitenteile übergegangen, währen die bisherigen Haupt-
stützen, in Palmetten endigend, den oberen Ring nur noch berühren. Die Vulcenter
Stabdreifüße (Savignoni a. a. O. Taf. IX, Mon. d. Inst. II Taf. 42 u. a.) (Beil.,
Abb. 14) verlieren dann den oberen Ring vollständig. Die Beine sind mit dem
Kessel fest verbunden. Außerdem sind diese Exemplare ganz in Bronze gegossen.
Die Ausbildung des Typus bis zu seiner reichsten Gestaltung ist nicht den
Etruskern sondern den Griechen zu verdanken (Savignoni a. a. O. 304, 369 ff.).
Das Stück aus Metapont bezeichnete schon Furtwängler als »vorzügliche, echt grie-
chische Arbeit« (Olympia IV, S. 127).
Allmählich wurde der Stabdreifuß seiner ursprünglichen Bedeutung als Kessel-
untersatz entfremdet. Noch das Exemplar von Metapont und das ihm nahe ver-
wandte von Capua (Rom. Mitt. 1897, 114) dienten dem ursprünglichen Zweck. Die
Vulcenter trugen dagegen Kohlenbecken (Savignoni S. 302). Bei dem Exemplar
von Dürkheim war dasselbe noch erhalten (Berthold- Sprater, Führer durch das
Museum von Speyer).
Mit den Vulcenter Dreifüßen ist die Entwicklung des Stabdreifußes in dieser
Linie abgeschlossen. Sie geht nicht über das V. Jahrhundert hinab, dem die jüngsten
Exemplare angehören ').
Ebenso wie der archaische Stabdreifuß geht auch der altitalische Blechdrei-
fuß auf den spätmykenisch-protogeometrischen Typus zurück. Eine einfache
Gegenüberstellung der Typen ist beweisend (z. B. Savignoni, Mon. d. Line. VII, 318,
fig. 12, 13)*) (Beil., Abb. 10 u. 15). Der einzige wesentliche formale Unterschied
besteht in der Biegung der Beine bei den Blechdreifüßen und der Verschiedenheit von
deren Konstruktion. Ihre Seitenstützen vereinigen sich nicht zu Bogen wie an den
gegossenen und geschmiedeten Stabdreifüßen; das war technisch unmöglich. Die
Biegung der Beine erklärt sich bei deren starker Spreizung -ebenfalls technisch: Sie
war nötig um die an den oberen Ring genieteten Beine dort glatt aufzulegen. Die
Biegung durch Nachahmung der Form des Menschenbeines zu erklären (Petersen,
Rom. Mitt. 1897, 8 ff.) geht nicht an. Wenn der Dreifuß von Lucera (Petersen
%. a. 0. 4 Fig. I ) diese Eigentümlichkeit aufweist, so folgt er eben einem damals
bei reicheren Gestaltungen üblichen Gebrauchs). Aber die ursprüngliche Form ist
das nicht 4).
•) Ob wir bei den auf den Totenmahlreliefs öfter Verzierung »mit Tierköpfen und Bommeln
vorkommenden Kesseluntersätzen (Z. B. Svo- (Blüten u. Vögelchen)«.
ronos, Ath. Nat. Mus. Taf. 94, 151, 152, 177, 187) 3) Menschenbeine sind in archaischer Zeit in Italien
an einen ähnlichen Typus zu denken haben, recht häufig zu Gerätfüßen verwandt worden,
ist nicht klar, da der obere Teil des Geräts stets An Vasen: Rom. Mitt. 1908, Beilage III. Pottier,
mit einem Tuch überdeckt ist. Vases du Louvre D 23. Gardner, Greek Vases
') Der von Karo (Arch.Anz. 1916, 146; Nr. 5 unserer Cambridge, 229. PI. XXXV S. 76. M. Mayer,
obigen Reihe) beschriebene Stabdreifuß hat als Apulien Taf. 11, Fig. 4. Dazu die Belege bei
erstes frühgriechisches Exemplar auch die bei Petersen a. a. O. S. 10. Ferner an verschiedenen
den italischen Blechdreifüßen öfter vorkommende altitalischen Kesseldreifüßen, die aber mit dem
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
107
DIE KLAPPDREIFÜSSE.
Schon in früharchaischerZeit (Beil., Abb. 16) (Graef, Akropolisvasen654a, Sieve-
king-Hackl, Münchner Vasensammlung Nr. 900 Taf. 40) kommt ein Stabdreifuß
als Kesselträger vor '), der Querverstrebungen vom unteren nach dem oberen Bein-
ende aufweist, eine Konstruktion, die ähnlich auch ein rotfiguriges Gefäß des fünften
Jahrhunderts (Furtwängler-Reichhold Taf. 116) zeigt, und die uns durch ein kleines
Exemplar aus der Isisgrotte in Vulci auch direkt überliefert ist (Mon. d. Line. VII,
310 fig. 7).
Wird nun der eine Endpunkt der Diagonalstäbe mit den senkrechten Stäben
durch ein Scharnier verbunden, die Kreuzpunkte der Querstäbe beweglich und die
Verbindung ihres andern Endpunktes mit den Hauptstäben in der Vertikale ver-
schiebbar, so haben wir den Klappdreifuß.
Gestelle dieser Art oder Reste von ihnen sind aus dem Altertum in ziemlicher
Anzahl erhalten. Die mir bekannten werden hier aufgeführt. I. Im Konservatoren-
palast zu Rom Nr. 514. InstitutsphotographieVID22. 2. Im Kapitolinischen Museum.
eben in Frage kommenden Typus nichts zu tun
haben. St. e Mat. II, 221. Nr. 376 f. aus Vetu-
lonia.
4) Nach dem Gesagten wäre die von Petersen
(Rom. Mitt. XII, 1897, 6 ff.) aufgestellte Reihe
der Stabdreifüße zu ändern. An erster Stelle
haben die mykenischen zu stehen, bei Petersen
C I, 2. Dann spaltet sich die Reihe; die eine Seite
ist die der Blechdreifüße, bei Petersen A i bis
A a 4, wobei aber das Stück von Kurion nicht
die erste Stelle annehmen darf (s. 0.); die andere
Seite beginnt mit den Fragmenten von Olympia
IV 823 ff., dann die Serien E bis H bei Petersen.
Dabei kann über Anordnung der einzelnen Stücke
in den Serien natürlich gestritten werden. Zu
der Reihe E bis H kommt ein neues Exemplar,
das zusammen mit dem Bronzewagen voff Mon-
teleone gefunden wurde, abgeb. bei Furtwängler
im Text zu Brunn-Bruckmann Taf. 586, 587.
Kl. Sehr. II 316. Es hat verschiedene Eigen-
tümlichkeiten; der untere Ring steht in halber
Höhe des Gerätes (vgl. Savignoni Fig. 11);
ferner ist die dreispitzige Lilienblüte an ihm
mehrfach zum Schmuck verwandt, an den drei
Verbindungspunkten des unteren Rings mit
seinen Trägern, aufwärts stehend, nach unten
gerichtet an den drei Bogen.
') Stilistisch, nicht typengeschichtlich gehören noch
zu den archaisch-griechischen Stabdreifüßen
die im Amer. J. of Arch. 2. S. XII 1908, 287 ff.
Taf. VIII— XVIII veröffentlichten drei Stücke.
Es sind dreiseitige Untersätze, auf Löwenklauen
ruhend, oben abschließend mit einem runden
mehrfach profilierten Glied, aus dem ein stili-
sierter großer Blattkelch sich erhebt, auf welchem
der Kessel ruht. Die drei Seiten sind bis herab
auf die Löwenklauen mit Bronzeblech über-
kleidet und zeigen, in mehreren Streifen über-
einander, Kämpfergruppen, Szenen aus der
Mythologie und Tiere im Wappenschema. Die
Reliefs sind sehr lebendig und frisch modelliert,
im Stil mit denen des Bronzewagens von Mon-
teleone eng verwandt und wohl griechische
Arbeit, vielleicht in Etrurien selbst gemacht.
Die Form dieser Untersätze, welche wie eine
Kombination des Stabdreifußes und des runden
reUefgeschmückten Untersatzes aussieht, ist die
eines Fußstückes eines Kandelabers. Die Größe
beträgt mit den zusammengefundenen Kesseln
0,89 — 1,378 m. Zu demselben Typus gehört
das schöne Bronzeblech Olympia IV Taf. 38.
Nr. 696. S. 100. H. = 0,86 untere Breite 0,35,
obere 0,25. Diese dreiseitigen Untersätze sind
der Ausgangspunkt für die späteren Marmor-
kandelaber geworden (Hauser, Neuattische Re-
liefs S. 123 ff.). Nahe verwandt mit ihnen sind
Stücke wie der altjonische Bronzekandelaber
des römisch-germanischen Zentralmuseums zu
Mainz (Behn, Mainzer Zts. 1911, Taf. i, S. 4 ff.
v. Duhn, Verzeichnis der Abgüsse nach ant.
Bildw. im arch. Inst. d. Univ. Heidelberg Nr.
425 B.). Das Mainzer Stück hängt stilistisch
wieder mit den Stabdreifüßen aufs engste zu-
sammen (Behn a. a. 0.).
I08 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
Bottari, Museo Capitolino II Taf. C S. 212. 3. Aus Xanten, Houben und Fiedler, Denk-
mäler von Castra vetera Taf. XII (Beil., Abb. 17). 4. ImKairener Museum, Catalogue
gönöral des antiquitfe Egyptiennes du mus^e du Caire Vol. XIX 1905. Edgar, Greek
Bronzes. Nr. 27817, H. = o,97m, Nr. 27 8l8H.= 0,94m. 5. Im Museo nazionale in
Neapel. Museo Borbonico V 60 (Beil., Abb. 18). 6. Aus Pompeji, Not. d. sc. 1899,
442 . 7. Im Museum zu Turin aus Industria. Atti della societä di archeologia e
belle arti per la provincia di Torino III 1880, Taf. XVI. H. = 0,98. 8. Im Hildes-
heimer Silberfund. Pernice- Winter, Der Hildesheimer Silberfund Taf. XXVII
S. 54 ff. H. =0,70. [Zwei vollständige Exemplare auch im Arch. Mus. zu Lüttich.]
Dazu kommen viele Fragmente. Ein vollständiges Bein: Fröhner, Bronzes
de la CoUection Gr6au Nr. 327, Taf. LIX. H. = 0,595. Die Beine dieser Gestelle endigen
oben meist mit einer Büste. Solche finden sich in den Bronzensammlungen häufig.
Arch. Ztg. 1883, 178. Babelon-Blanchet, Catalogue des bronzes antiques de la bib-
lioth^que nationale 486, 487. Schumacher, Bronzen in Karlsruhe 417 u. 418, Taf.
VII8.V. Sacken, Die antiken Bronzen inWienS.7, Taf. XXIX3. Edgar a.a.O. Taf. VII
Nr. 27 819 — 27. Perdrizet, Bronzes grecques d'Egypte de la collection Fouquet S. 15
Nr. 13 PI. X. Lindenschmidt, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit IV, Taf. 64,
3 — 5. M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des königlichen Museum
Fridericianum in Cassel 191 5. Nr. 297, 298. Taf. XLVIII. Die Gußform für eine solche
Büste: Catalogue genöral du Mus^e du Caire VIII Edgar, Greek Moulds Nr. 32 232
Taf. XVI. Stücke aus Bulgarien befinden sich im Nationalmuseum in Sofia. Arch.
Anz. 191 5, 232. Abb. 8, 9. Weitere Exemplare notierte ich im Museum zu Leiden.
Untere Endigungen von Füßen: Edgar 27 830, 27 832 PI. XVI.
Die angeführten Exemplare und Reste zusammenklappbarer Stabgestelle ge-
hören, wie es scheint, alle der hellenistischen und römischen Zeit an. Aber es läßt
sich an ihnen eine Entwicklung aufzeigen. Dem ursprünglichen Typus am nächsten
steht I'). Die Beine sind von einfach-rechteckigem Durchschnitt, unten um-
gebogen, ohne jede Verzierung. Die Diagonalverstrebungen sind an deren oberen
Ende beweglich an scheibenförmigen Zapfen befestigt, die etwas schief nach außen
gestellt sind, entsprechend dem Winkel des durch die drei Beine bezeichneten
Dreieckes. Am Kreuzungspunkte sind die Querstäbe durch einen Stift mit
großem Kopf beweglich verbunden. Die Verbindung von Querstäben und Beinen
unten geschieht durch ein eigenes Glied. Um das Bein ist ein Bronzeband gelegt,
dessen beide Enden nach hinten schauen und durch Stifte mit den entsprechenden
Querstäben verbunden sind. So ist ein Zusammenklappen möglich und das Gerät
kann weiter oder enger gestellt werden, je nach dem Zweck, dem es dienen soll. Zu-
gleich ist aber eine Vorrichtung vorhanden, um es höher oder niederer zu machen.
Auf das eigentliche Bein ist in seiner oberen Hälfte ein zweiter kürzerer Bronzestab
derselben Form gelegt, der an seinem unteren Ende mit einem Bügel um das Bein
herumgreift, während dieses an seinem oberen Ende in gleicher Weise den aufgelegten
') Damit soll aber keineswegs gesagt sein, daß hier wie immer: Einfachere Formen leben neben
das Stück zu den älteren gehört, sondern es ist den reicheren fort.
Karl Schwendemann, Der DreifuB. iqq
Stab umfaßt. Beide Teile sind also beweglich verbunden und können auseinander
oder zusammengeschoben werden, etwa wie das Stativ eines photographischen Appa-
rats. Damit das höhergestellte Gerät nicht wieder zusammensinkt ist das eigentliche
Bein in seiner oberen Hälfte in gleichem Abstand dreimal durchbohrt, während an
seinem beweglichen Teil durch ein Kettchen ein kleiner Stift befestigt ist, der, wenn
das Gerät höher gezogen ist, in das entsprechende Loch gesteckt, das Ganze in der
gewünschten Höhe erhält. Das Gestell kann so um mehr als 1/3 erhöht werden. Das
Bein endigt oben in ein durchbrochenes ornamentales Stück, das wohl auch als Hand-
habe gedient hat. An seinem Ansatz ist ein aufwärts gebogener Haken sichtbar.
In diese Haken sind die Ringhenkel eines halbkugelförmigen Kessels gehenkt.
Eng verwandt mit diesem Exemplar ist das in Xanten, Nr. 3 unserer Reihe.
Derselbe Mechanismus zum Weiter- und offenbar auch zum Höherstellen, nur scheinen
Stift und entsprechende Löcher zu fehlen. Die Beine endigen jeweils in einen plumpen
Menschenfuß, der von einem nach unten schauenden roh stilisierten Blattkelch
ausgeht, oben in eine männliche Büste mit phrygischer Mütze. An ihrem
Ansatz wieder der Haken. Die zwei Exemplare aus dem Kairener Museum
(Nr. 4) haben denselben Mechanismus zum Weiterstellen und sind auch zusammen-
geklappt und durch den Rost unbrauchbar geworden gefunden. Es fehlt aber wie
allen folgenden Stücken eine Einrichtung zum Höherstellen. Ein kleiner Unterschied
besteht darin, daß die vertikal bewegliche Befestigung von Querstäben und Beinen
hier oben und die Scharniere unten sind. Das Stabwerk ist rechteckig, auf der
Vorderseite mit Rundstäben geschmückt, während die großen Köpfe der Nieten mit
konzentrischen Kreisen ornamentiert sind. Die Beine stehen unten ohne besonders
gebildeten Fuß auf. Die bekrönenden Hermenbüsten sind abgebrochen bei 27 817,
bei 27 818 ist noch eine erhalten. Die Büsten sind stets getrennt gearbeitet und ver-
mittelst eines auf ihrer Unterseite befindlichen Loches auf die Stäbe gezapft ').
Völlig verschieden von den behandelten Stücken erscheint auf den ersten
Blick der Bronzedreifuß von Industria (Nr. 7). Der ganze Aufbau ist mit reichem
figürlichem und ornamentalem Schmuck ausgestattet. Die Beine zeigen in der
Mitte eine starke Schweifung nach außen. Als Fuß ist eine Löwenklaue auf kleiner
runder Basis angesetzt, oben in eiVien Blattkelch endigend, aus dem ein na kter
bärtiger, glatzköpfiger Alter, von der Mitte der Oberschenkel sichtbar, aufsteigt.
Die Hände stützt er auf die beiden seitlichen volutenartig sich ausbreitenden Blätter
des Kelches. An der Schulter des Alten und dem hinteren Kelchblatt ist der Vertikal-
stab angegossen. Er steigt zunächst mit leichter Krümmung einwärts empor, bis zu
etwa 1/3 seiner Höhe, um dann mit starkem Schwung nach außen und wieder zurück-
zubiegen und gerade nach oben auszulaufen. Der unterste Teil bis zu dem Bogen
erscheint von vorn zweigeteilt, wie zwei neben einander verlaufende Rundstäbc.
Über das Bogenstück ist ein Blattmotiv gebreitet, das sich nach oben kelchartig
ausweitet und einer nach außen blickenden geflügelten Sphinx, deren Arme bis auf
') Nur bei dem Exemplar von Xanten sind Stab berührt sich ein vierbeiniger Klapptisch aus
und Büste an einem Stück. Mit diesem Stück Pompei (Mus. Borb. XV 6).
1 1 0 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
die Löwenklauen menschlich gebildet sind, Platz zum Sitzen gewährt. In der Scheitel-
höhe der Sphinx setzt das Bein mit einem Rundstab ab, über dem ein einfacher drei-
blätteriger Kelch erscheint, dessen breites vorderes Blatt einer auf der Kugel schwe-
benden Nike als Stütze dient. Sie ist in einen dorischen Chiton gekleidet und faßt
mit beiden Händen den wallenden Peplos. Das über sie hinausragende kurze Stück
des Beines schließt oben mit horizontaler Profilierung, auf der eine Dionysosherme
mit Blumen im Haar sitzt. Im Rücken des Dionysos wieder der Haken.
Die figürlichen und ornamentalen Teile, wie es scheint, auch die Dionysosherme,
sind alle mit dem Stab gegossen. Der Stil der Figuren ist grob, unklar und schematisch,
der Ausdruck stumpf. Das fällt besonders bei der Nike auf, aus der alles Leben des
Originals bis auf weniges in den größten Gewandfaltenzügen verschwunden ist. Ihr
Gesicht ist ohne jede feinere Modellierung. Die Haarbehandlung ist bei allen Figuren
unklar. Zu der Betrachtung des Einzelnen kann das Urteil über den Gesamtaufbau
nur bestätigend hinzukommen. Das Motiv des Alten, der sich mit beiden Händen
fest auf seinen Blattkelch stützt, ist noch das Beste. Aber die Sphinx und die Nike
sind mit dem Aufbau des Gerätes nicht im geringsten organisch verbunden, einfach
von außen angeklebte Zutaten. Stellt man sich auf dem Gerät einen Kessel vor, so
muß man das Motiv der leicht schwebenden Nike an einem zum Tragen bestimmten
Teil um so unangenehmer empfinden. Wie ganz anders hat es da der Künstler des
»Dreifußes aus dem Isistempel« oder des ähnlichen Exemplars im British Museum
verstanden, die zum Aufbau verwandten Figuren einzugliedern.
Schlicht erscheint neben dem Stück von Industria eines aus Pompei (Nr. 6).
Vollständig erhalten sind nur die drei Beine, von den Verbindungsstäben nur einige
Stücke. Es gehört formengeschichtlich eigentlich nicht hierher. Denn die Form des
Beines hat mit den Stabdreifüßen nichts zu tun, sondern gehört den Tischdreifüßen
mit Tierbeinen (s. u.) an. Aber der Gesamttypus des Gerätes ist der eben hier be-
handelte. Auch der Dreifuß von Industria ist offenbar von der Tierbeinform beein-
flußt; wenigstens ist die Biegung in der Mitte kaum anders zu erklären. Aber die
Typen mischen sich eben, und es kann ohne Inkonsequenzen nicht abgehen.
Unser Stück gehört bereits zur zweiten Serie der Klappdreifüße. Bei diesem
läuft der Rückseite des unteren Teiles jedes Beines ein dünner runder Stab parallel,
der mit seinen umgebogenen Enden befestigt ist. In ihm waren, wie vollständige
Ekemplare zeigen, die Querstäbe mit einem Ring befestigt, und er diente also beim
Zusammenklappen des Gerätes als Leitschiene.
Das Bein selbst ist einfach gebildet. Ein Hundebein mit Klaue und darauf der
Kopf einer Hündin. Diese trägt ein Halsband und sogar die Warzen sind angegeben.
Im Nacken sitzt ein Ring für die Querstäbe. Auf dem Kopf erhebt sich ein kurzer
Stab, in den oben die Tischplatte eingezapft war, wie nach Analogie zahlreicher
Tischfüße anzunehmen ist (s. u.). Das Material ist Bronze mit Spuren von Silber-
einlagen ^).
') Das Becken, welches jetzt auf dem Gestell ruht zierliche Gestell viel zu schwer. Dieses wird
ist schwerlich zugehörig, sowenig wie das auf vielmehr eine runde Tischplatte getragen haben.
dem Dreifui3 aus dem Isistempel. Es ist für das
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. III
Die beiden letzten Exemplare unserer Reihe zeigen den gleichen Mechanismus.
Zunächst Nr. 5. Unten eine schlanke Hundepfote, darüber in zwei Teile gegliedert
das hohe Mittelstück, dann Kopf und Hals einer Uräusschlange mit dreistufigem
Lotoskelch und Knospe. Das Mittelstück des Beines besteht aus zwei Teilen, von
denen das obere die etwas kräftigere Wiederholung des unteren darstellt. Sie sind
vieleckig gebildet und in der Mitte sowie an den Enden durch ein breites spitzzu-
laufendes Blatt geschmückt. Das Ganze macht einen graziösen und ruhigen Eindruck,
der nicht zum wenigsten auf den Proportionen der einzelnen zierlich geformten Teile
beruht. Der Uräus gibt uns zum ersten Male einen Fingerzeig. Er ist in Ägypten
seit alters mit der Sonnenscheibe verbunden. Die hellenistische Kunst hat das Motiv
in Ägypten übernommen. Das zeigt u. a. ein kleines bronzenes Altärchen im Kairener
Museum •). Auf einem vierbeinigen niederen Untersatz erhebt sich eine dicke Mittel-
stütze und vier Seitenstützen, die den Rezipienten des Altars tragen. Die Seiten-
stützen haben die Form des Uräus, wie an unserem Dreibein, der ein Isisdiadem, die
Mondsichel mit Sonnenscheibe darin, trägt. An einem anderen Altärchen derselben
Gestalt 2) sind die Uraei abwechselnd mit Isisbüsten als Reliefschmuck verwendet.
Der Rezipient der Altäre kommt in dieser Form nur im hellenistischen Ägypten vor 3).
Das Vorkommen des Uräus an unserem Stabgestell weist also nach der alexandri-
nischen Kunst 4).
Das letzte Glied unserer Reihe bildet der große Dreifuß aus dem Hildesheimer
Silberfund. Er ist das schönste und wertvollste aller erhaltenen Stücke. Die Publi-
kation von Pernice- Winter erübrigt ein näheres Eingehen 5). Nur Weniges sei zum
Vergleich mit den übrigen Stücken hervorgehoben. Zunächst ein technischer Unter-
schied. Die Zapfen für die Verbindungsstäbe sind »so angebracht, daß sie nur bei
einer der Hermen in gleicher Schräge auf die Rückseite treffen; bei den beiden anderen
Hermen liegt der eine der Zapfen parallel zur Frontebene der Herme, also im rechten
Winkel zu ihrer Seitenfläche, während der andere in schräger Richtung auf die Rück-
fläche aufstößt. Hieraus ergibt sich mit Notwendigkeit, . . . daß die Hermen nicht
•) Perdrizet, Bronzes Fouquet Taf. XL. Edgar 4) Uraei in derselben Funktion befinden sich an dem
27 813, PI. XV. Vgl. Expedition Sieglin Bd. I. kleinen Dreifuß des Hildesheimer Silberfundes,
S. 239. Abb. 176. Tönerne Altäre dieser Form Pernice-WinterTaf. XXV, S. 51, ebenso an einem
aus Alexandria. Der Aufsatz ist ursprünglich bronzenen Bein im Antiquarium zu Berlin Inv.
nichts als ein Korb (Furtwängler, Gemmen III, 1518. Pernice-Winter a.a.O.
S. 45) wie er auf den Vasen öfter vorkommt. 5) Ein den Beinen des Hildesheimer Dreifußes im
Z. B. Furtw.-Reichh. Taf. 73. v. Bissing, Arch. Aufbau verwandtes bei Froehner, CoUection
Anz. 1903, 147 vermutet syrische Herkunft Gr^au 327 Taf. LIX. Aber dort steht die Herme
für diese Altarform. Sie sieht aus wie ein später auf einer niederen zweistufigen Basis und hat
Abkömmling der »Baetylic altars«. Vgl. Evans, außerdem keine frei gebildeten Füße, sondern
J. H. St. 1901, 115 Fig. g. Dasganze Material über nur deren Vorderteil schaut aus dem Hermen-
diese Altarform bei W. Weber, Die äg. griech. schaft hervor. Die Herme als Tischfuß ist ja
Terrakotten. Mitt. aus der äg. Samml. der Kgl. auch sonst sehr beliebt. Vgl. z. B. Altert, von
Mus. zu BerHn II, Text S. 257, Taf. 40, 41, Nr. Pergamon VII, S. 337. Andere Ath. Mitt. XXXII
470, 471. 1907, 397, XXV 1900, 204, Nr. 112 ff. Dionysos-
*) Edgar 27 814. hermen. Würz, Plastische Dekoration des Stütz-
3) Schreiber, Alexandrinische Torcutik 176. werks 121, Fig. 83.
112 Karl Schwendemann, Der DreifuS.
dreiseitig über Eck, sondern in Parallelstellung zu einander gestanden haben«. Der
Dreifuß hatte also eine Vorderseite. Darin macht er von den anderen einen '^nt^r-
schied. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die runde Platte a. a. O. Taf. XXV^il c
Tischplatte des Gestells angesehen. Sie zeigt, welche Bedeckung man sich auf diesen
zierlichen Gestellen zu denken hat. Sie macht auch begreiflich, wie bei den Gestellen
mit Leitschiene die nötige Stabilität garantiert und bei der leichten Verschiebungs-
möglichkeit ein unerwünschtes Auseinanderklappen bei Belastung vermieden wurde.
Die Platte hat nämlich einen nach unten gebogenen Rand, welcher die Hermen-
köpfe festhielt. Vielleicht haben auch die Haken an anderen Exemplaren nicht
zum Einhängen eines Kessels gedient, sondern griffen unter den übergebogenen Rand
einer aufgelegten Tischplatte.
Die in den Hermen dargestellten Personen gehören in überwiegender Mehrzahl
dem dionysischen Kreise an. Dionysos, Mänaden und Satyrn, auch Pan und Pri-
apos, stellen das Hauptkontingent. Die einfachste Art der Verbindung mit dem Stab ist,
daß wie z. B. bei dem Exemplar von Xanten, sie sich auf einer horizontal gegliederten
Basis erheben. So auch Edgar 27 830, 27 83^. PI. XVI. 27820. Perdrizet 13 PI. X.
Meist aber vermittelt ein Blattkelch zwischen Basis und Herme. Die Blattkelche
sind sehr verschieden in der Form, entweder ein breites Blatt vorn und zwei schmälere
auf den Seiten wie Edgar 27 819, 27 828, oder ein Kelch gleichsam aus einem Blatt mit
vielen Teilungen, vorne nieder und an den Seiten bis zu den Schultern der Figur
hinaufreichend, Edgar 27 827. Auch die Büsten zeigen reiche Mannigfaltigkeit in
den Motiven. Meist hat der Kopf eine Wendung nach der Seite. Neben den Büsten
kommen auch Halbfiguren vor. So Edgar 27 824 die Halbfigur eines jungen Dionysos,
über der linken Schulter die Nebris, die, mit der Linken in einen Bausch gefaßt,
Früchte enthält. Die Rechte hat der jugendliche Gott zum epheubekränzten Haupt
erhoben. Er lacht vergnügt. Ein reizendes Motiv, wenn auch technisch nicht von der
besten Ausführung. Das künstlerisch bedeutendste Stück dieser Büsten ist Edgar
Nr. 27 827. PI. VH, H. = 0,10 m. Eine männliche Büste. Kopf nach links gewandt,
nackt und bartlos; sie ist von höchst lebendigem, gesteigerten Ausdruck, von stark
persönlicher Art, so daß man nur an ein Porträt denken kann; vielleicht hellenistisch.
In diesem Falle wäre sie der Beweis für das Vorkommen unseres Klappdreifußtypus
in hellenistischer Zeit. Schon oben wies die Uräusschlange nach dem hellenistischen
Ägypten. Vergegenwärtigt man sich den großen Einfluß, welchen die hellenistische
Toreutik auf die römische ausgeübt hat, Einflüsse welche an den Silberfunden von
Boscoreale und Hildesheim so deutlich sind, so wird die Vermutung, der Klappdreifuß-
typus sei vom Osten zu den Römern gekommen, nicht zu gewagt erscheinen, umso-
mehr als ja schon in archaischer Zeit ein Stabgestell mit Diagonalverstrebungen in
Griechenland nachweisbar ist (oben S. 107).
Fragt man nach der Verwendung dieser Geräte, so steht die Verbindung mit ei-
nt m Kessel (Nr. i) und mit einer runden Tischplatte fest (Nr. 8) •). Für Nr. 6 kann
') Die Tischplatte liegt entweder direkt auf den des Blattkelches, aus dem die Büste hervorkommt,
Beinenden auf, oder diese haben nach hinten nach rückwärts hochgezogen und mit einem
einen Haken, zuweilen auch ist das hintere Blatt Knopf zur Auflage der Tischplatte versehen.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
'13
ebenfalls nur eine Tischplatte in Betracht kommen. Kessel- und Schalenträger oder
Tisch T'^-telle sind sie also gewesen. Manches Exemplar mag beiden Zwecken gedient
uh^i'iJ'.Die besonders zierlichen Stücke wie das Hildesheimer erscheinen zu gewöhn-
lichem Gebrauch wenig geeignet und man wird bei ihnen eine Verwendung als Prunk-
und Ziertische voraussetzen dürfen ').
Von den zusammenklappbaren Stabgestellen sind die römischen foculi nicht
zu trennen, wie sie so zahlreich auf Münzen und Reliefs erscheinen. Es herrscht hier
zwar durchaus keine Einheitlichkeit der Form, so daß nicht die Klasse als Ganzes
an die Klappdreifüße angeschlossen werden kann; aber verschiedene Exemplare
scheinen deutlich mit ihnen im Zusammenhang zu stehen, so daß sich die Besprechung
der foculi an dieser Stelle rechtfertigen läßt, besonders da auch bei Stücken, welche
mit den Klappdreifüßen keinen Zusammenhang haben, ein solcher mit den Stab-
dreifüßen im allgemeinen nicht von der Hand zu weisen ist.
Zum Vergleich mit manchen dieser römischen Tischaltäre können die gallischen
runden Tische herangezogen werden; aut dem schönen Sarkophag Mon. d. Inst. IV, 9
ist ein foculus sichtbar, welcher bis auf Einzelheiten ihnen in der Gestalt entspricht.
Auf ziemlich breiten flachen Beinen, welche unten in Löwenklauen endigen, ruht eine
runde Platte. Die Beine sind kreuzweise mit flachen, dünnen Stäben verbunden,
an deren Kreuzungspunkt der Kopf der Niete sichtbar ist. Derselbe Typus auf einem
Relief aus der Zeit des Kaisers Marcus 2) mit der Darstellung des Opfers derSuovetau-
rilia durch den Kaiser. Ebenso auf dem Relief vom Bogen der Goldschmiede zu Rom 3)
mit den Porträtgestalten des Septimius Severus und seiner Gemahlin Julia Domna.
Auch die Größe dieser Altäre entspricht derjenigen der Klapptische. Sie reichen
zumeist bis zur Mitte der Oberschenkel der sie umgebenden Gestalten, was einer Höhe
von 0,80 — 1,00 m entspricht. Allerdings sind sie auch niederer anzutreffen, was aber
bei jenen ebenfalls vorkommt 4) ; so auf dem schönen Sarkophag in den Uffizien in
Florenz mit den Darstellungen aus dem Leben eines vornehmen Römers 5). Hier ist
jedoch ein wichtiger Unterschied in der Form deutlich. Über den Löwenklauen sind
die Beine noch einmal durch Horizontalstäbe verbunden, so daß also an einen Klapp-
dreifuß nicht gedacht werden kann 6).
Daneben begegnen nun für die foculi Gestaltungen, welche mit den Stabdrei-
füßen kaum mehr in Zusammenhang gebracht werden können. Auf einem römischen
Relief aus dem Ende des vierten Jahrhunderts 7) im Museo nazionale zu Rom mit der
') Overbeck, Pompei' II, 52. Massivere Formen ') Der kleine Dreifuß aus der Grotta d'lside bei
finden sich öfter auf gallischen Reliefs der Kaiser- Savignoni, Mon. Line. VII, Fig. 7 hat schon
zeit. SoimProvinzialrhuseumzuTrier Nr. 10 032, dieselbe Gestalt, aber ohne die unteren Horizon-
10042; Hettner, Führer Nr. 5. talstäbe. Angesichts solcher Zusammenstellungen
') Brunn-Bruckmann 530. ist der allgemeine Zusammenhang der foculi
3) BernouUi, Rom. Ikonogr. Taf. XV. mit den Stabdreifüßen besonders deutlich, um
4) Der große Dreifuß aus dem Hildesheimer Schatz so mehr als jene in ihrer reichsten Entwicklung
mißt 0,70 m, ein Bein bei Fröhner, Collection in den Vulcenter Exemplaren ebenfalls schon als
Gr^au 327, Taf. LIX, 0,595. Kohlenbecken benützt wurden.
5) Wien. Vorlegebl. 1888, Taf. IX. Roßbach, 7) Bollettino d'arte VI 1900, 178, Fig. 9.
Römische Hochzeits- und Ehedenkmäler Taf. I.
Photogr. Alinari P. I. Nr. 1308.
\
11^ Karl Schwendemann, Der Dreifuß,
üblichen Opferszene sehen wir einen Altar, dessen runde Platte auf drei unten mit
Löwenklauen endigenden Füßen ruht, welche durch zwei Verbindungsringe zusammen-
gehalten werden, ähnlich wie bei den Kesseldreifüßen. Dieselbe Form zeigt ein Relief
auf einem Marmoraltar aus Pompeji, aber ohne horizontale Verbindungsringe ').
Daß verschiedene Formen im Kulte nebeneinander im Gebrauch waren, illustrie-
ren die Münzen von Alexandria Troas ^). Da ist die Statue des Apollon Smintheus
auf einer Basis stehend sichtbar, mit der Patera in der Rechten über den vor ihm
stehenden Altar libierend. Dieser trägt bald einen Kessel 3), bald eine runde Platte4),
von denen jeweils das Feuer emporlodert.
DIE TISCHDREIFÜSSE.
Schon oben mußte verschiedentlich auf Formen von Tischen eingegangen
werden, welche formengeschichtlich nicht ganz dem Typus angehören, welchem sie
zugewiesen wurden.
Die in der ganzen Antike besonders beliebten Tischformen lassen sich alle auf
einen Typus zurückführen. Es ist die durch Tierfüße getragene runde Platte. Der
Prototyp dafür ist in Assyrien schon vollständig ausgebildet anzutreffen, wo er als
Tisch und als Altar dient 5). Und zwar ist die Verwendung als Tisch jedenfalls das Ur-
sprünglichere. So erscheint der Typus auf der sogenannten Gartenszene des
Aschurbanipal, ein Tisch mit drei geraden unten in Löwenklauen endigenden Beinen,
Mittelstütze und Horizontalverbindung in ^/^ Höhe der Beine. Die Form wurde nicht
selten in Stein übertragen. Zwei solche Stücke wurden in Niniveh gefunden *). Der
zwischen den Beinen stehende Block ist bei ihnen stehen gelassen.
An diese assyrische Altarform ist offenbar jene anzuschließen, welche auf den
phönikischen und kyprischen Schalen öfters erscheint. Auf einer solchen aus der
idäischen Zeusgrotte auf Kreta 7) ist ein durch die ganze Darstellung offenbar als
Altar charakterisiertes Gerät sichtbar, welches den assyrischen Altartischen sehr
verwandt ist, wenn auch die Beine, offenbar mit stärkerem Naturalismus, mehr der
Form des Tierbeines — ob es unten in Löwenklauen endigt, darüber gestattet der
fragmentarische Zustand kein Urteil — angenähert ist, indem die Kniekrümmung
hier stark betont wird. In dem Krümmungsbogen und etwas über den Klauen sind
yerbindungsglieder sichtbar, ob horizontale Platten oder Ringe ist nicht deutlich.
Eine Schale von Kurion ^) weist dieselbe aber etwas niederere und breitere Tisch-
form auf. , Die Beine endigen in Löwenklauen und sind über diesen horizontal ver-
bunden. Eine weitere Schale von Idahon 9) auf Cypern zeigt dieselbe Form, aber mit
') Mus. Borb. VI, Taf. LVII i. Taf. 157. D,= 0,70111; H. etwas größer. Andere
^) Catalogue of Greek Coins in the Brit. Mus. Troas Beispiele bei Menant, Glyptique Orientale II, 72
PI. IV, V. Fig. 73; 69 Fig. 65. Bezold a. a. O. Abb. 45.
3) a. a. O. PI. IV 5, V 12, 13. • 7) Mus: Ital. II, 723 Tav. IX 3.
4) a. a. 0. PI. IV 6, V 4. «) Ohnefalsch-Richter, Kypros 126, Fig. 142.
5) Sarre-Herzfeld, Iranische Felsreliefs S. 89. 9) St. e Mat. III, 48 Fig. 345. Perrot-Chipiez III,
') Bezold, Niniveh und Babylon Abb. 96. Ebenso 482. G. Richter, Metropolitan Museum, Bronzes
aber als Altar Abb. 60. Vgl. Sarre-Herzfeld 90, 202, Nr. 535. Die Zeit dieser Schalen ist das VIII./
Abb. 44, 45. Botta, Mon. de Niniveh V S. 171 VII. Jahrhundert. Karo, Arch. Anz. 1908, 217.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. - IIS
Stierhufen an den Beinenden, wie sie ja in Ägypten schon im alten Reich so häufig
an Möbeln angewandt wurden, und einer auf der unteren Horizontalverbindung auf-
sitzenden Mittelstütze.
Dieser Typus erhält sich durch alle Jahrhunderte der Antike in einem reichen
Wechsel der verschiedensten Bildungen. An Stelle der Löwenbeine treten solche von
Greifen, Pferden, Rehen, Panthern und Hunden; ferner wird das Tierbein sehr oft
mit einem Kopf desselben Tieres, von dem das Bein stammt, oder von einem andern
verbunden; außerdem mit Tier- oder Menschenprotomen. Die Vermittlung der beiden
Formen geschieht meist durch einen Blattkelch. Durch solche Kombinationen ent-
steht eine unendliche Mannigfaltigkeit von Einzelformen, die aber alle dem einen
Typus zugehören.
Es ist schwer hier eine Entwicklung aufzuzeigen, unmöglich die Masse des
Erhaltenen aufzuführen. So mag es genügen einige besonders typische oder inter-
essante Gestaltungen zu erwähnen.
Seit dem IV. Jahrhundert kommt auf Totenmahlreliefs an Stelle des üblichen
griechischen Speisetisches ') der runde dreibeinige *) häufiger vor, ebenso wie auf
Vasenbildern des IV. Jahrhunderts3), die gleiche Form noch in einer Wandmalerei aus
der Farnesina 4). Überall sind hier die hohen schlanken Rehbeine ganz realistisch
gebildet und sitzen mit den Schenkeln an der Tischplatte.
Offenbar ist es eine ursprünglichere Form des dreibeinigen Tisches, wenn das
Tierbein, bis zum Schenkel realistisch gebildet, ohne weitere Vermittlung an der
Tischplatte ansitzt, wie es z. B. die eben angeführten Exemplare zeigen. Ein Fort-
schritt ist es, wenn das Bein an seinem oberen Teil mit einem Blattmotiv geschmückt
ist, wie an einem massiven Marmortisch aus Magnesia a.M. 5). Außerordentlich be-
liebt ist dann in hellenistischer und römischer Zeit die leontokephalopode Gestalt.
Das Löwenbein endigt in einen Blattkelch, aus dem ein Löwenkopf hervorragt, in
dessen Nacken dann der eigentliche Träger der Tischplatte in Form eines viereckigen
kurzen Pfeilers aufsitzt. Unzählige Male ist diese Form mit geringen Wandlungen in der
') Dieser, ursprünglich rechteckig mit 4 Füi3en, hatte mit einer ganz realistischen Szene aus einem
später wahrscheinlich die Form eines gleich- Fleischerladen. Dabei steht ein Dreifußtisch
Schenkligen Dreieckes oder eines Trapezes, mit mit Löwenklauen an den Beinenden und Hori-
drei Beinen, die oft unten mit Löwenklauen zontalverbindung der Beine in ''■ji Höhe. Vgl.
endeten (Blümner, Arch. Ztg. 1884, 183). Die auch Brit. Mus. Cat. Vas. II, B. 3. Kyrenäische
Sitte, beim Mahle zu liegen, kam aus Klein- Schale, abgeb. Arch. Ztg. 1881, Taf. 13, i. Die
asien und ebenso die dazugehörige Tischform, aus geometrischer Zeit mehrfach erhaltenen
die wir seit dem VII. Jahrhundert auch auf Tonnachbildungen von Opfertischchen (Lun-
festländisch-griechischen Denkmälern nachweisen singh Scheurleer, Catalogus eener Verzameling
können (Dragendorff, Thera II 107). Egyptische, Grieksche, Romeinsche en andere
') Furtwängler, Sammlung Sabouroff Taf. XXXII 2. Oudheden Nr. 186, Taf. XVI. Naukratis II,
Svoronos, Das Ath. Nat. Mus. Taf. LXXXVIft. ; Taf. VII) lassen sich formal schwerHch an den
Ant. Skulpturen in Berlin, Beschreibung Nr. orientalischen Tischtypus anschließen.
81 5 ff.; Ath. Mitt. XXV 1900, 175. Daß dieser 3) Furtwängler-Reichhold Taf. 66, Text IJ, S. 38.
Rundtisch aber auch schon im VI. Jahrhundert CR. St. Petersb. 1860, Taf. I.
in Attika in Gebrauch war, beweist ein schwarzfig. 4) Mon. d. I. XII, Taf. 8,5.
Krug im Heidelberger archäologischen Museum, 5) Ath. Mitt. 1894, 54.
1 i6 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
antiken Kunst angewandt worden. Ein sehr schöner vollständiger Tisch dieser Art aus
weißem Marmor befindet sich in Neapel '). Das Löwenbein, der Akanthuskelch und
das Löwenhaupt, alles von gleichmäßiger technischer Vollendung und lebendigem
Ausdruck. Die Beine stehen jeweils auf viereckiger Basis. Zwischen Kelch und Nacken
des Löwen springt nach innen eine starke Leiste vor. Diese Leisten vereinigen sich
unter der Mitte der Tischplatte. An die Stelle des Löwenkopfes kann eine menschliche
Figur treten, schon in hellenistischer Zeit. Ein schönes Beispiel dafür bietet ein Bein-
fragment in der Sammlung v. Bissing in München*). »Aus einem Akanthuskelch
taucht der Oberkörper eines nackten Herakles, der mit dem rechten Arm die Keule
schultert. Die gesenkte Linke scheint einen Apfel gehalten zu haben; der Kopf blickt
nach links. Im lockigen Haar liegt eine Binde «. An derselben Stelle findet sich Eros
an einem Tischfuß im Vatikan 3). Er trägt eine Scheitelflechte, lange Locken, die
Nebris und zurückgekrümmte Flügel, zwischen denen der vierkantige Pfosten sitzt,
auf dem die Tischplatte ruhte. Unter den Skulpturen des Berliner Museums 4) be-
finden sich eine Anzahl interessanter Gestaltungen. Besonders hübsch ist Nr. 1074.
Ein elegant bewegter jugendlicher Satyr, der zu dem Zicklein emporblickt, das er auf
den Schultern trägt. 1071 zeigt einen geflügelten Eros, der zierlich ein Rehfell um
die Schulter trägt und mit beiden Händen eine Muschel vor die Brust hält. Ein gut
erhaltenes Exemplar eines bronzenen dreifüßigen Gestelles für eine Tischplatte oder
Schale im Museo nazionale zu Neapel zeigt die Verbindung von Hundebein und
Menschenleib 5). Auf einer profilierten dreiseitigen Basis, deren Seiten sehr stark
eingeschweift und deren Ecken abgeschnitten sind, stehen, mit ihr zusammengegossen,
dreischlanke Hundebeine mit dem gewöhnlichen knieförmigen Knick. Der Oberschenkel
ist mit fein ausgeführter Behaarung bedeckt, aus der ohne weitere Vermittlung die
Gestalt eines jugendlichen Satyrs von der Mitte der Oberschenkel an emporwächst.
Er ist mit dem Oberkörper etwas zurückgelehnt, während der Kopf sich nach vorn
neigt. In feinem Schwung zieht sich so die Linie des Hundebeines, fortgesetzt in der
Gestalt des Satyrs, empor, während die Neigung des Kopfes die tragende Funktion
zum Ausdruck bringt. Der Satyr, ganz nackt, hat zierlich die Rechte in die Seite
gesetzt und streckt die Linke mit der ausgebreiteten Hand wie abwehrend von sich.
Über der Stirn trägt er Hörnchen und im Haar, das wellig in den Nacken fällt, einen
^eif. Er lächelt vergnügt. Die Körperformen sind zierlich aber muskulös und in
großen Teilungen modelliert. Die Schwänze der Satyrn sind erhoben und gehen im
rechten Winkel nach hinten, wo sie einen Ring tragen, um den sie gewickelt sind ^).
Etwas unorganisch erscheint auf den ersten Blick die Verbindung des dünnen Hunde-
beines und des Satyrkörpers. Das hat auch der Künstler gefühlt und den behaarten
Oberschenkel des ersteren durch eine Längsfurche geteilt, die dann etwas schwächer
') Niccolini, Pompei III 2, Taf. XLVIII. Mus. Ähnliches Stück Behn, Sammlung Ludwig
Borb. III, Taf. XXX. Marx 1913, Taf. III 5.
^) Österr. Jahresh. XV, 76. ■») Beschreibung S. 424 ff.
3) Amelung, Vatikan Taf. 97 Nr. 73. Taf. 90 Nr. 4 5) Nr. 522.
ein geflügelter Knabe in derselben Verwendung. ') Ein ähnliches Motiv an einem Bronzegefäß des
British Museum (K. 5. Photogr. Mansell 2367).
Karl Schwendemann, Der Dreifufi.
117
werdend bis zu den Zehen unten verläuft. Durch diese Zweiteilung wird der Eindruck
hervorgerufen, als ob unter der Behaarung des Hundebeines die Schenkel des Satyrs
sich fortsetzten. Auf den Köpfen der Satyrn ruht ein schweres tiefes Becken, das aber
schwerlich zugehörig ist.
Ein originelles Motiv ist es, wenn aus dem Akanthuskelch eines fragmentierten
Tischbeines aus Kertsch ^) ein nach oben springender Hund emportaucht. Ein voll-
ständiger Tisch mit solchen Beinen aus Bronze fand sich in Pompeji ^).
Verschiedentlich begegnen Tischfüße, bei welchem ein nach unten gerichteter
Delphin entweder allein 3) oder vor einen Pfeiler gebunden 4) als Träger verwendet
ist. Dem letzteren Beispiel verwandt sind Bildungen, welche aus einem Pfeiler be-
stehen, aus dessen Vorderseite der zoomorphe Träger in Hochrelief hervortritt, wie
an einem Exemplar im Vatikan 5).
Neben den reicheren Formen kommen natürlich auch die einfacheren zahlreich
vor. Oft entbehrt das leontokephalopode Bein der auf das Löwenhaupt aufgesetzten
Stütze. Nicht selten ist dann ferner der Kopf selbst fortgelassen, so daß das Tierbein
sich direkt in einem kurzen glatten Pfeiler fortsetzt, auf welchem die Tischplatte ruht 6).
Das Löwenbein kann auch oben in eine Volute auslaufen, welche direkt die Platte
trägt?). Die Form des Tierbeines verblaßt oft vollständig, und es bleibt nur die S-för-
mige Biegung des Beines mit dem darauf gesetzten senkrechten Auflager der Platte ^),
so daß es auf den ersten Blick verwunderlich erscheint, warum die Tischbeine gebogen
sind.
Das Streben nach reicher und prunkvoller Gestaltung führte, wie man wohl
annehmen darf, schon in hellenistischer Zeit zu Bildungen, die aus verschiedenen
Elementen zusammengesetzt sind und von denen sich aus römischer Zeit noch Reste
erhalten haben.
Ein bronzenes Tischgestell dieser Art befindet sich im British Museum 9), ein
anderes, der berühmte »Dreifuß aus dem Isistempel« im Museo nazionale zu Ne-
apel >") (Beil., Abb. 19). Die beiden sind im Aufbau verwandt und vergleichende
Bemerkungen daher am Platze. Bronze ist bei beiden das Material.
Der »Dreifuß aus dem Isistempel« steht auf einer mitgegossenen Basis von
derselben Form wie bei dem oben beschriebenen Gestell mit den Satyrn. Die kräftigen
Hundebeine endigen oben mit einem ganz schmalen Blattüberfallmotiv, auf dem
') Jahrb. d. Inst. XVII 1902, 125. Das Material 1069. Brit. Mus. Cat. of Roman Pott. M 131 1,
ist Zedernholz. 1312, 1339, 1354, 1357.
') Niccolini, Pompei II. Descr. gen. VIII. 5) Amelung, Vatikan II Taf. 39. Nr. 246.
3) Mus. Borb. VI, Taf. XXX. Ein Lampenständer ^) Fröhner, Mus^es de France 18. Niccolini, Pom-
in Tischform. pei II, Descr. generale III.
4) Ath. Mitt. XXXni907,400, Abb. 12,H. = 0,92. 7) Bonn. Jahrb. 81, Taf. Uli.
Ein Delphin mit Löwenklaue in der Schnauze wie *) Niccolini, Pompei IV Taf. XII.
Mus. Borb. VI, Taf. XXX erscheint auch an 9) Catal. of Bronzes Nr. 2560. Photogr. Mansell
einem etruskischen Kandelaberfuß aus dem 2355. H. = ca. 0,65 m. Aus Herculaneum.
III. Jahrhundert. Milani, II R. Museo archeol. «>) Friederichs-Wolters, Nr. 2087. Dort die ältere
di Firenze Taf. XXIII. Vgl. auch D^chelette, Literatur. Jahrb. d. Inst. 1908, 107 fi. Auso-
Les vasesc^ramiques orn^s de la Gaule Romaine II nia III 1908, 252.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXVI. ^
X I 8 Karl Schwenderoann, Der DreifuB.
eine niedere nach hinten etwas ansteigende Basis ruht. Auf dieser sitzt eine Sphinx
mit großen hochgestellten Flügeln. Zwischen ihnen erhebt sich ein aus mannigfachen
Blatt- und Kelchmotiven zusammengesetztes Stück, das oben in zwei Ranken sich
teilt, zwischen denen eine Knospe sitzt. Vom obersten Teil der Hundebeine löst sich
auf der Rückseite eine mächtige Ranke '), die sich teilt und mit dem einen Ausläufer in
verschiedenen graziösen Windungen zur Ferse des Handebeines zurückstrebt, während
der zweite mit den entsprechenden der anderen Beine an einem besonderen Glied
in der Mitte vereinigt ist. Dieses besteht aus sieben stilisierten Blattkelchen, von denen
vier sich nach oben, drei etwas anders gebildete nach unten entwickeln und jeweils
mit einer runden Knospe enden. Das Gestell wird bekrönt von einem zwar antiken
aber nicht zugehörigen Becken ^). Die Hundebeine tragen im Scheitelpunkt der
Krümmung vorn je eine bärtige männliche Maske. Der ganze Oberschenkel des
Beines ist übersponnen von reichem Ranken- und Spiralwerk. Der Gesamteindruck
ist ein äußerst vornehmer. Geradezu feierlich sitzt die Sphinx da, den straff auf-
gerichteten Oberkörper auf die hohen schmalen Vorderbeine gestützt. Auch Kopf
und Hals in schlanken zierlichen Verhältnissen. Und dann die Flügel! Wie ein mäch-
tiger Fächer breiten sie sich aus, die einzelnen Schwungfedern hoch ausstreckend.
Durch nichts wird die künstlerische Qualität der Sphinx besser verständlich als durch
eine Vergleichung mit der an der entsprechenden Stelle sitzenden des Dreifußes aus
Herculaneum. Auch hier drei Hundebeine, aber nicht auf gemeinsamer Basis, sondern
jedes auf einer Schildkröte aufstehend. Sie endigen oben in einem hohen Blattkelch,
in dem eine nackte männliche Figur bis zu den Hüften steckt. Sie trägt auf dem Haupt
einen breiten niederen Blattkelch, mit dem eine runde profilierte Basis wie zu einem
Kapitell verbunden ist. Zwei breite Blätter gehen links und rechts von dem Kelch
aus; nach ihnen faßt die Figur mit den Händen. Auf dem Kapitell sitzt eine geflügelte
Sphinx, deren Schwingen sich im rechten Winkel nach hinten entwickeln. Auf ihnen
ruht ein profilierter Ring, welcher einst die Tischplatte zu tragen hatte. Die Sphinx
trägt das ägyptische Klaft. Die Hundebeine sind untereinander ähnlich durch Ranken
verbunden wie am »Dreifuß aus dem Isistempel«. Ihr Treffpunkt wird durch eine
große Knospe bekrönt.
Vergleicht man unsere beiden Tische im Gesamtaufbau — wir wollen den Drei-
fuß aus dem Isistempel mit A, den aus Herculaneum mit B bezeichnen — so fällt
zunächst auf, daß die Beine aus drei Elementen bestehen; bei A aus Hundebein,
Sphinx und ornamentalem Stück, bei B aus Hundebein, Figur mit Kapitell und
Sphinx. Diese Dreiteilung ist nur bei A künstlerisch verwertet. Die Sphinx ist nicht
nur das zweite, sondern auch das mittlere und Hauptstück des Aufbaus; sie ist das
Auge dieses Organismus, in dem sich sein Ausdruck sammelt. Ganz anders bei B.
Hier ist keine Mitte des Aufbaus, sondern eigentlich nur das Bein mit der Figur und
dem Kelchkapitell und darauf die Sphinx. Aber diese wirkt schwerfällig gegen die
') Ähnliche schöne Ranken auch mit manchen 1899, 443 Fig. 5; Mon. d. Line. X 1901, 645 Fig. 5;
verwandten Einzelformen sind in Pompeji ver- österr. Jahresh. IV, 175; auch Ausonia III, 246 f.
schiedentlich gefunden worden. Vgl. Not. d. sc. Fig. 9, 10; Mus. Borb. XV, Taf. XLVI.
>) Jahrb. d. Inst. 1908, 107 f.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. iig
bei A. Ihre Formen sind gedrückt und im Einzelnen wenig ausdrucksvoll. Ganz
ebenso die Hundebeine. Bei A biegsam, an den Fesseln sehnig, mit langer schmaler
Klaue und weiter oben mit gespannter feiner Muskulatur wie bei einem Hund guter
Rasse. BeiB nichts von all dem. Entsprechend sind die Jünglingsfiguren ohne feinere
Durcharbeitung der Form. Ferner sind die Verbindungsranken bei A großzügig,
schwungvoll, zwar stark stilisiert, aber das einzelne Blatt, die einzelne Ranke und
Knospe sich streckend, lebendig, mit feinster Detailausführung, bei B plump und
ohne Schwung.
Der Aufbau der beiden Stücke ist barock '), ähnlich wie bei dem Stabdreifuß
von Industria, insofern zum Wesen des Barocks Formenreichtum, Formenvielfältigkeit
und bewußte Komplizierung gehören. Aus den einzelnen Teilen ist hier ein Ganzes
geworden, bei B durch die Art der Kombination, indem jedes Stück eine tragende
Funktion bekommen hat, bei A mehr durch den Gesamtausdruck, durch das in den
einzelnen Elementen gleichmäßig sichtbare Stilgefühl und die starke Akzentuierung
der Sphinx.
Im Anschluß an die Tische muß hier eine Anzahl von Geräten behandelt werden,
die als Lampenuntersätze gebraucht wurden (Fernice, Arch. Anz. 1900, 181).
Formengeschichtlich können sie nicht direkt auf einen Typus zurückgeführt
werden, wenn auch eine gewisse Verwandtschaft mit den alten Stabdreifüßen nicht
zu leugnen ist (Pernice, Arch. Anz. 1900, 182). Am nächsten der Tischform kommt
ein Exemplar in der Bibliotheque nationale zu Paris (Babelon-Blanchet 1473) (Beil:,
Abb. 20). Die drei Beine bestehen aus Löwenfüßen, welche in Schwanenbüsten mit
ausgebreiteten Flügeln übergehen. Die Platte ruht auf einem breiten Ring, der mit
einem Eierstabmotiv geschmückt ist und auf den Köpfen und Flügeln der
Schwäne') aufruht. Zwischen den Beinen ist an dem Ring eine große nach unten
gerichtete Palmette angebracht.
Eine Anzahl weiterer Exemplare 2) (Beil., Abb. 21, 22) erinnert an die niederen
Untersätze auf Löwenklauen, denen die ganze Gerätserie auch in der Größe etwa ent-
spricht. Über der Löwenklaue ist das Bein entweder ganz gerade und ohne Ver-
zierung») oder es teilt sich in zwei Voluten 3). Zwischen den Beinen sitzt ein nach
unten gerichtetes Blatt 4) oder ein Löwenkopf.
Zwei Stücke aus Pompei 5) sehen aus wie eine Verkümmerung der alten Stab-
dreifüße. Der obere Ring ist sehr hoch. Die Beine teilen sich oben in drei Teile, von
■) Der kleine Dreifuß aus dem Silberschatz von 3) Antichitk di Ercolano VIII 58, 59, 61. Nr. 59
Hildesheim (Pernice- Winter, Taf. XXV, S. 50 f.) = Mau, Pompei» 396, Fig. 221.
ist ein Ergebnis derselben Geschmacksrichtung, 4) a.a.O. 61.
allerdings ein sehr feines. Auf die Verwandt- 5) a.a.O. 58, 61.
Schaft seiner Ornamente mit denen des zweiten *) Große oft sehr fein und naturalistisch ausgeführte
Stiles der römischen Wandmalerei wird a. a. 0. Blätter zur Raumfüllung oder Dekoration finden
hingewiesen. sich häufig. Vgl. z. B. Not. d. sc. 1899, 443,
') Löwenfüße in Schwanenkopf endigend kommen Fig. 7. Fröhner, Collection Gr^au Nr. 346 Taf.
auch an Tischen vor. Jahrb. d. Inst. 1907, 126, LXa; Pernice- Winter, Hildesh. Silberf. 46, Taf.
Fig. 10. XXII.
7) Pompei II Taf. 95. Arch. Anz. 1900, 181 Fig. 7.
9*
I20 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
denen der mittlere sofort an den Ring anschließt, während die seitlichen sich nach
außen biegen, den oberen Ring zwar berühren, sich aber wieder loslösen und, sich
tief herabbiegend, mit dem Seitenteil des nächsten Beines vereinigen. Durch-
brochenes Rankenwerk füllt die dabei entstehenden Zwischenräume ').
DIE KESSELDREIFÜSSE.
Die Notwendigkeit einen Topf zum Kochen über das Feuer zu stellen mußte
früh dazu führen, Gefäße herzustellen, welche sicher stehen konnten und dabei der
Flamme freien Zutritt unmittelbar an die mit Flüssigkeit gefüllte Bauchung gestatteten.
Töpfe mit drei Beinen sind denn auch in den frühen Fundschichten, z. B. in
Troja von der ersten »Stadt« an nicht selten. Ein kleiner kupferner Kessel mit 3 Beinen
von 17 cm Höhe fand sich im IV. Schachtgrab von Mykene »).
Von all diesen Gestaltungen ist der eigentliche griechische Kesseldreifuß sehr
zu unterscheiden. Sein Prototyp reicht hinauf in die mykenische Zeit. In der Nekro-
pole von Knossos wurde in einem Grab, das eine ganze Menge schöner Bronzegeräte
enthielt, ein Dreifußkessel gefunden 3) (Abb. 23), welcher alle wesentlichen Merk-
male des griechischen Typus besitzt. Es ist ein spitzkugeliger Kessel, etwa wie der
spätere griechische Deines, mit ziemlich starker oberer Einziehung, auf den ein kräftiger
Rand genietet ist. An diesen sind zwei senkrecht stehende Ringhenkel angenietet.
Sie bestehen aus zwei zusammen gearbeiteten Teilen, dem eigentlichen Ringhenkel,
der durch einen breiten Wulst in der Mitte gegliedert ist, und einem horizontalen
Stück, welches mit Nieten an den Rand des Kessels bfefestigt ist. Der Kessel ruht
auf drei Beinen von rautenförmigem Durchschnitt, welche unten stark nach außen
gespreizt sind, um die Standsicherheit des Ganzen zu erhöhen. Sie erweitern sich
oben zu einer rhombusförmigen Platte, welche am Kessel ansitzt. Bemerkenswert ist,
daß dieses Ansatzstück nur bis zum Anfang der Schulter des Kessels hinaufreicht,
während es tief an den Kesselbauch herunter greift.
Durch den Fund dieses Kessels wird erwiesen, daß der »Kesseldreifuß« keine
Erfindung der Griechen ist, sondern der kretisch-mykenischen Kultur verdankt wird,
ebenso wie die Xsß/)TE;, die großen bronzenen Kessel, die in Tylissos auf Kreta in
einem mykenischen Herrensitz in mehreren schönen Exemplaren zu Tage kamen, bis zu
1,40 D. messend (Arch. Anz. 1910, 150. 'Apx- 'E<P1H- I9I2, 221, Abb. 29, 30). Hier
hat er als Gebrauchsgegenstand, als Kochkessel gedient, wie schon seine einfache
Form beweist, welche mit ihren niederen gespreizten Beinen, dem mächtigen Kessel
und den starken aufrecht stehenden Henkeln ganz dem Zwecke praktischer Benutz-
barkeit entspricht.
') Vgl. De Ridder, CoUection De Clerq III Taf. Exemplare gefunden. Auf Kreta, in der Gegend
57, 3. und Richter, Metropolitan Museum, Bronzes des heutigen Dorfes Malia »lagen in einer Grube
375, Nr. 1318. zwei wohlerhaltene bronzene Dreifüße mit eigen-
^) SchUemann, Mykenae 440. artig geradwandigen dreihenkligen Kesseln und
3) Archaeologia 59, 1905, 426 Taf. 89, Fig. 38; grobe minoische Scherben«. (Karo, Arch. Anz.
433, 14 p. H. = 0,47, D, = 0,41. H. der Beine 1916, 154.)
= 0,33 m. Inzwischen wurden auf Kreta weitere
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. 121
Die Reste der ältesten auf griechischem Boden in Olympia gefundenen Kessel-
dreifüße zeigen dieselbe Gestaltung. Aber Beine und Henkel sind aus Eisen und
nur der Kessel aus Bronze '). Es ließ sich sogar feststellen, daß auch hier noch Exem-
plare vorkamen, bei welchen die Beine am Bauch befestigt waren ^), während sonst
bei den olympischen und allen späteren Dreifüßen der Beinansatz bis zum Kessel-
rand hinaufreicht. Ein weiterer Unterschied besteht in der Befestigung der Henkel.
Sie bestehen aus drei Teilen: »l. aus dem Kesselansatz, einem glatten horizontalen
Streifen mit Nagellöchern an den Enden, 2. aus dem Kesselhenkel, dem von der Mitte
dieses Ansatzes oder dem untersten Teil des Ringhenkels außen nach unten gebogenen
Henkel, welcher sich unten zu einem mit Nagelloch versehenen Ansatz an den Kessel
verbreitert, und endlich 3. aus dem emporstehenden Ringhenkel, welcher bei größeren
Exemplaren mit dem Kesselansatze durch zwei vertikale Stützen verbunden ist« 3).
Es ist also zu den beiden Teilen des Henkels an dem Exemplar von Knossos ein drittes,
der Kesselhenkel hinzugekommen, was offenbar durch den Umstand veranlaßt ist,
daß die olympischen Dreifüße keinen angesetzten Rand haben 4). Damit der Henkel 5)
bei der Schwere des Gefäßes den nötigen Halt hatte, mußte er außer durch den
Kesselansatz noch durch ein an den Bauch herunter greifendes Stück befestigt
werden.
Aus den Resten der großen in Olympia einst vorhandenen Dreifüße hat
Furtwängler drei Klassen rekonstruiert, von denen die erste die früheste und
einfachste ist, die zweite und dritte aber neben einander hergehen und reichere For-
men zeigen (Beil., Abb. 24 a, b, c).
Bei der ersten Gattung sind die Beine massiv, zuerst von Eisen, dann von
Bronze, von rautenförmigem, sechs- oder achteckigem Durchschnitt. Die Seiten,
erst einfach glatt, werden später kannelurenartig ausgetieft. Die Beine sind kurz,
etwa 50—70 cm hoch, die Kessel sehr bauchig, die Ringhenkel schwer, mit Strick -
Verzierung, oft auch mit Doppelspiralen geschmückt.
Charakteristisch für die zweite Gattung ist zunächst, »daß nur Kleinigkeiten
an denselben wie die figürlichen Zutaten gegossen, alle anderen Teile aber gehämmert
sind. Die Füße wie die Henkel bestehen aus starkem Blech von i —3 mm Dicke.
Dieselben sind mit von der Oberseite eingeschlagenen geometrischen Verzierungen
bedeckt. Das Hauptmotiv derselben bilden konzentrische Kreise, welche durch Tan-
genten verbunden werden. . . . Die Ringhenkel sind auf beiden Seiten verziert, die
Beine natürlich nur auf einer« ^). Die Beine dieser Gattung bestehen bei den kleinen
Exemplaren aus einem breiten Blechstreifen, bei den großen aus einer Vorderseite
und zwei im rechten Winkel mit ihm durch Zapfen verbundenen schmalen Neben-
seiten, da bei der Größe der Geräte eine Verstärkung notwendig wurde. Auf den
■) Olympia IV S. 75. henkeis begegnet auch sonst gelegentlich, z. B.
') a.a.O. S. 76. an einer Dipylonvase (Ath. Mitt. 1892, 206,
3) a. a. 0. S. 78. Taf. X), anderes, sogar profiliertes Exemplar an
4) a. a. 0. S. 80. »Das Blech wird am Rande ein- einem Becken aus dem Tumulus III von Gordion
fach dicker und springt nach innen etwas heraus«. (G. u. A. Körte, Gordion 72 Nr. 59, Abb. 52).
5) Die bei den Dreifüßen übliche Form des Ring- *) Olympia IV S. 81.
X22 Ka.r\ Schwendemann, Der DreifuS.
Henkeln stehen meist geometrisch stilisierte Pferde. Die Henkel waren vielfach durch
vertikale Stützen des weiteren befestigt. Diese hatten oft die Form eines nackten
Jünglings, der auf dem Kesselrand aufstehend mit den Händen den Ring stützt.
»Während die zweite Gattung nur aus einem einzigen festen Typus bestand,
der fertig auftritt, ohne sich wesentlich weiter zu entwickeln, so begegnen uns in der
dritten Gattung wieder mannigfaltige Typen, welche jene Entwicklung fortsetzen,
die wir in der ersten Gattung beobachtet haben. Das Neue und Charakteristische
der Gattung ist, daß die gegossenen Henkel, und besonders die Beine, sich durch die
in Blech gehämmerten Formen sowohl als durch die reiche Ornamentik der zweiten
Gattung beeinflußt zeigen. Die Beine nehmen jene Gliederung in eine breite Vorder-
und zwei schmale Nebenseiten an, welche dort durch die Technik der aus Blechstreifen
zusammengenieteten Teile gefordert war, während sie hier in lediglich dekorativer
Absicht nachgeahmt wird. Wir fanden in der ersten Gruppe eine durchaus konsequente
stilvolle Entwicklung aus der Plumpheit der polygonalen Formen der Beine zur Ele-
ganz mannigfacher Kannelierung. Diese Entwicklung wird nun unterbrochen durch
die Nachahmung der Formen einer fremden Technik. Auch die Henkel suchen dem
Blechstil nahezukommen. Sie bestehen nicht mehr aus einem massiven Reif von
rundem Durchschnitte, sondern aus einem breiten und flachen Ringe, welcher häufig
wie ausgeschnitten und mit durchbrochenen Verzierungen versehen ist. Endlich
wird auch die Ornamentik der Blechdreifüße nachgeahmt; nur tritt in der Gußtechnik
an Stelle der eingeschlagenen Arbeit das Relief« ').
Die drei Gattungen der in Olympia vorkommenden Dreifüße repräsentieren
eine lange Entwicklung. Sie reichen mit den ihnen verwandten Dreifußresten vom
Heraion in Argos und von Delphi über die ganze lange Epoche vom mykenischen
bis zum archaischen Stil. Das wird einmal aus einer Analyse ihrer Ornamentik klar.
Mit den Kesselhenkeln Olymp. IV. Taf. XXX 575, 571 und Taf. XXIX 572, 570
befinden wir uns noch ganz im Bannkreis spätmykenischer Ornamentik ^). Brillen-
spirale und plastisches Strickornament bestreiten die Dekoration ähnlich wie an den
mykenischen Stabdreifüßen und den kyprischen Bronzewagen. Die mykenische Or-
namentik lebt hier fort, ähnlich wie wir das bei den Stabdreifüßen gesehen haben.
Die genannten Stücke stehen somit am Anfang der olympischen Gruppe. Da sie, wie
wir noch sehen werden, sicher nicht aus mykenischer, sondern nachmykenischer Zeit
stammen, andererseits rein spätmykenisch dekoriert sind, kann man sie wohl unbe-
denklich der Zeit des protogeometrischen Stils zuweisen. Auf sie folgt die von Furt-
wängler als Typus II der olympischen Dreifüße festgelegte Gruppe des Blechstils.
Sie zeigen die volle Entfaltung des geometrischen Stils, in ähnlicher Reinheit wie die
klassisch-geometrischen Gefäße auf Thera. Typus III geht, wie schon die Nach-
ahmung des Blechstils beweist neben diesem her, aber auch noch über ihn hinaus
bis in die Zeit des orientalisiercnden Stils. Das beweist einmal der Löwe auf dem
') Ebda. S. 90. Fig. 203) ist ein Henkel mit ä jour gearbeitete
') Auch in Delphi (Fouilles de Delphes V, 65. Brillenspiralenverzierung gefunden.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
123
Henkel Olymp. IV Taf. XXX, 641 '). Außerdem das häufige Vorkommen der fort-
laufenden Spirale, Olymp. IV, Taf. XXVIII 632 a, 632, 629, 641, 574 neben den geo-
metrischen Zickzackornamenten -).
Die Frage der Chronologie der olympischen Dreifüße berührt sich aufs engste
mit der Frage nach dem Alter der Fundschichten des Heiligtums von Olympia. Die
Kontroverse darüber zwischen Dörpfeld 3) und Furtwängler 4) hat sich trotz des Nach-
weises, daß Olympia schon in mykenischer Zeit besiedelt war 5), zu Gunsten Furt-
wänglers entschieden. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die mykenische Schicht
Olympias von den späteren, in denen die massenhaften Ablagerungen von Votivtieren
und Dreifußfragmenten sich fanden, durch eine Sandschicht getrennt ist *), welche
nicht von Anschwemmung stammt, sondern das Resultat einer Planierung ist.
Die ältesten Bronzen und Terrakotten von Olympia müssen ganz eng an das
Ende der spätmykenischen Epoche angeschlossen werden. Denn einmal fanden sie
sich gerade in den tiefsten Schichten 7). Zum andern zwingt zu dieser Annahme ihr
stilistisches Verhältnis zu den Terrakottarindern, -Pferden und -Idolen, welche beim
Aphaiatempel in Ägina *) zahlreich zu Tage kamen und nach Technik und Bemalung
in spätmykenische Zeit gehören und importiert oder lokale etwas spätere Nachahmung
sind 9). Mit den ältesten der in Olympia gefundenen Bronzen und Terrakotten kommen
wir also nahe ans Ende der spätmykenischen Epoche. Das oben über den Zusammenhang
der olympischen Dreifüße mit Spätmykenischem Gesagte bestätigt sich demnach.
An anderen Orten Griechenlands läßt sich die Entwicklung des Kesseldreifußes
im orientalisierenden Stil deutlich verfolgen. Auch einige in Olympia nicht vertretene
geometrische Varianten finden sich. Es kommen dabei die Funde im argivischen
Heraion i»), in Delphi ") und auf der athenischen Akropolis ") in Betracht.
») Vgl. Schröder, Text zu Brunn-Bruckra. Taf. sei, muß bei den Spiralen des olympischen
641 — 45. Der Löwe kommt im geometrischen Typus III zweifellos im letzteren Sinne ent-
Stil beinahe garnicht vor. Auch Typus II reicht schieden werden, schon deswegen weil Typus III
bis an die Schwelle der archaischen Epoche, deutlich eine Nachahmung des klassisch-geo-
wie das »der letztenEntwicklungdesgecm. Stils«; metrischen Typus II darstellt, zu dessen Zeit auf
aus seinem »Übergang zum archaischen Stile« dem Festland die mykenischen Überlebsei völlig
angehörende Pferdchen auf dem Henkel Olympia abgestorben waren. Außerdem sind in Delphi
IV, 86 Nr. 607 beweist. Reste einer dem Typus III von Olympia ent-
^) Diese chronologische Aufeinanderfolge der olym- sprechenden Gattung gefunden (siehe unten),
pischen Dreifüße übersieht Schweitzer (Ath. die archaische Dekorationselemente aufweisen,
Mitt. 1918, 87 u. 99). »Furtwänglers Ableitung 3) Ath. Mitt. 1906, 215 ff.
aus dem mykenischen Stil« gilt nicht für 4ie 4) Kl. Sehr. I, 446 ff.
Laufspiralen des Typus III, sondern nur für die 5) Ath. Mitt. 1908, 185 ff.; 1911, 181 ff.
Brillenspiralen des Typus I. Die an sich stets *) Ath. Mitt. 1911, 185. Arch. Anz. 1909, 572.
zu stellende Frage, ob man es mit mykenischen 7) Olympia IV S. 28, 38, 43.
oder orientalisierenden Elementen zu tun hat, 8) Furtwängler, Aegina 374.
mit anderen Worten, ob die Dekorationselemente 9) a.a.O. 375.
von einem autochthonen Weiterleben des Mykeni- ■») Waldstein, The Argive Heraeum.
sehen stammen oder der nach Jahrhunderten aus ") Fouilles de Delphes V S. 59 — 72.
dem Osten und Südosten zurückflutenden Welle, ''') De Ridder, Les Bronzes de l'Acropole d'Athenes
die ja auch mykenische aber nur im Osten lebendig S. 9 — 21.
gebliebene Elemente wiederbringt, zu verdanken
124
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
Der olympische Typus III findet sich in Delphi und im Heraion noch um einige
Züge bereichert. Zwischen die Ornamentstreifen des Beines und die Verzierung seines
oberen Ansatzes sind öfter ') ein oder mehrere Felder eingeschoben, die als Füllung
ein Ordenskreuz tragen, meist eingeschlossen in zwei konzentrische Kreise, zwischen
denen eine Zickzacklinie läuft. Dieses Ornament ist dann öfters noch durch einen
oder mehrere horizontale Streifen von dem vertikalen Dekorationsschema des Beines
getrennt ^). Das Ansatzstück des Beines ist dann immer besonders behandelt und
trägt eine Riefelung, deren Linien den beiden Beinrändern entlang laufen, unten
rechtwinklig umbiegen und sich treffen. Die Einfügung eines Zwischengliedes in
die Ornamentik des Beines konnte nur den Zweck haben zwischen der Vertikale des
Beines und der Horizontale des Kessels eine optische Vermittlung herzustellen, wie
ja auch bei Typus II von Olympia das Ansatzstück des Beines nicht selten mit hori-
zontalen Tangentenkreisen ausgestattet ist. Aber eine Vermittlung fehlt dort. Ihr
konnte gerade das Kreuz mit dem umlaufenden Zickzack gut dienen, weil es an beiden
Bewegungsrichtungen teilnehmend, dem Auge den besten Halt bietet. An Stelle des
Kreuzes erscheint in einem Falle eine sechsblättrige Rosette 3). Besonders interessant
ist das Fragment eines großen Beines 4). Es war offenbar in über einander liegende
Felder eingeteilt, die Reliefschmuck trugen. Vom obersten durch einen Eierstab
umrandeten Felde ist noch die eine Hälfte erhalten und zeigt die obere Hälfte einer
geflügelten Göttin mit den in archaischer Weise oben nach innen gebogenen Flügeln,
also wohl eine uoTvta Or^pöüv. Wir befinden uns bereits im orientalisierenden Stil.
Das Stück beweist zudem, daß die Nachahmung des Blechstiles sich auch auf die Aus-
schmückung der Beine mit Reliefs ausdehnte; denn diese Art von Reliefs ist den sog.
argivisch-korinthischen Bronzereliefs geläufig und von diesen doch jedenfalls zuerst
auf das verwandte Material der Blechdreifüße übertragen und erst nach ihrem Vorgang
im Guß nachgeahmt worden.
Einige Stücke des Typus III machen ein interessantes technisches Detail deutlich;
der Raum zwischen den Nebenseiten ist nachträglich ganz oder teilweise mit Bronze
ausgegossen worden 5). Man hatte also die Nachahmung von Typus II so weit ge-
trieben, daß man diesen Fehler nachträglich wieder gut machen mußte. Auch in
Olympia fanden sich Beine des Typus III, die noch einer besonderen Verstärkung
bedurften und diese in Gestalt einer dritten Nebenseite zwischen den zwei regelmäßig
vorhandenen erhielten ^). Man suchte eben mit allen Mitteln der dekorativen Wirkung
des Blechstils nahezukommen und mußte darauf achten, auf andere Weise die Beine
') Fouilles de DelphesV 241, 242, 243. Argivc He- Ath. X, PI. C. Mon. d. Line. I tav. XIII). Es
raeum 221. scheint sich im Südosten aus der mykenischen
') Das Ordenskreuz ist ein geläufiges geometrisches Kunst erhalten zu haben und von dort wieder
Dekorationsmotiv und auf Vasen sehr oft anzu- nach Westen vorgedrungen zu sein. Vgl. auch
treffen, z. B. auf den geometrischen von Rhodos Mayer, Apulien 197 fif.
und Milet (Catal. of Vas. Brit. Mus. I, 2, C 745, 3) Fouilles de Delphes V 243 Fig. 217.
763. 775. 780), von Thera (Thera II, Fig. 322, 4) Ebda. 191, Fig. 183. D. = 0,18 m.
324, 330), auch auf mykenischen Vasen (Ath. 5) Waldstein, Arg. Her. 2218, 2221.
Mitt. 1897, 231) und Urnen (Ann. Brit. Seh. ') Olympia IV, bes. 627, 627 a.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. j 2 C
wieder zu verstärken, da natürlich gegossene Bronze nicht dieselbe Widerstands-
kraft besitzt wie gehämmerte.
Die Nachahmung des Blechstiles in der Gußtechnik legt den Gedanken nahe,
daß Typus II, der in Olympia ganz fertig auftritt, von irgendwoher eingewandert ist
und den Gußtypus zu verdrängen drohte, der sich nur dadurch helfen konnte, daß er
die Formen des Rivalen möglichst treu nachahmte. Woher dieser fertige Blechstiltypus
kam, ist bis jetzt nicht auszumachen '). '
Schon oben wurden an Typus III vereinzelte orientalisierende Elemente ange-
merkt, die als Nachahmung des Blechstils betrachtet wurden. Verfolgt man die Ent-
wicklung des Typus II weiter, so findet man dieses Urteil bestätigt, zu dem schon
allgemeine, Erwägungen drängen müssen. Der Blechstil hat durch sein Material
den Vorzug leichterer Wandlungsfähigkeit. Er steht dem Reliefstil durch Material
und Technik nahe. Ferner konnte eine bis auf Kleinigkeiten sich erstreckende Nach-
ahmung durch den Gußstil öfter bemerkt werden. Das zwingt zu der Vermutung,
daß der Blechstil in der Aufnahme der orientalisierenden Elemente voranging, und
sie wird bestätigt durch die Tatsache, daß die Reste eine reiche Entfaltung des Blech-
stiles innerhalb der orientalisierenden Kunst erschließen lassen.
Fragmente von der Akropolis zeigen das weitere langsame Eindringen des orien-
talisierenden Stils in die Ornamentik der Blechdreifüße 2). Gleichzeitig tritt ein neuer
Typus von Dreifußbeinen auf, deren Dekoration ganz orientalisierend ist3). Sie be-
stehen aus einem Rahmenwerk von 2 cm breiten und 1/2 cm dicken Bronze -
leisten mit Strickmuster. Darauf sind von hinten Bronzebleche von i mm
Dicke aufgenagelt, welche den Zwischenraum ausfüllen und in reliefgeschmückte
Felder eingeteilt sind. Zur Verstärkung waren hinten auf jeder Seite noch einmal
schmale Streifen von Bronzeblech aufgenagelt, welche nach unten breiter wurden.
Die an den Rändern dreifache Bronzelage genügte zwar den Forderungen der Sta-
bilität, aber diese Konstruktion hat es verschuldet, daß nur geringe Reste der Reliefs
erhalten geblieben sind. Sie lassen aber soviel erkennen, daß die auf den schwarz-
figurigen Vasen so beliebten Kompositionen hier die Themen der Dekoration abgaben,
natürlich in anderer Weise. Der beschränkte Raum der quadratischen Bildfelder
gestattete nur Gruppen zu wenigen Personen oder Tieren. Es scheint, als ob Tier- und
Menschengruppen in den einzelnen Bildfeldern abwechselten. Wenigstens ist das bei
dem größten der erhaltenen Fragmente der Fall 4). Wenn wir die wenigen Fragmente
durch die Vasenbilder und besonders durch die sog. argivisch-korinthischen Reliefs
in der Phantasie ergänzen, so erhalten wir eine Vorstellung von dem Reichtum, zu
welchem sich der Blechdreifußtypus entwickelt hat 5). Auch die Henkel wurden
') Schweitzers Herleitung von Typus III (Ath. 4) De Ridder 29; J. H. St. XIII, 264 Fig. 30. Zwei
Mitt. 1918, 87), die nicht mit lauter stichhaltigen Löwen im Wappenschema; darunter Kampf
Gründen belegt wird, läßt sich keinesfalls auf zweier Athleten um einen Dreifuß. Eine Palmette
alle olymp. Dreifüße ausdehnen, am wenigsten das Feld füllend. De Ridder 33. Ebda. 40, Krieger
auf den Typus II, den geometrischsten von allen. mit korinthischem Helm.
^) J. H. St. XIII, 235 Fig. 3. De Ridder, Bronzes 5) Danach müssen wir uns die lirE(pYoc((j.ivo an
de l'Acr. 25. den Dreifüßen des Gitiadas in Amyklai vor-
3) De Ridder 29 — 46. J. H. St. XIII, 265 ff. stellen. Das paßt auch chronologisch, da Gitiadas
126 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
geschmückt. Im Akropolismuseum befindet sich ein Henkel, dessen Rund durch die
in Blech ausgeschnittene Figur einer Gorgo mit feiner Detailgravierung ausgefüllt
ist ■), ganz im Stil des großen Heraklesreliefs von Olympia *), und in der Technik
den Reliefdreifußbeinen entsprechend.
Soweit kann die Entwicklung des Kesseldreifußtypus in Metall an den Resten
selbst verfolgt werden. Später fehlen diese. Wir haben Weihinschriften, Vasen- und
Münzbilder und Übertragungen der Form in den Stein, freiplastisch oder in Relief.
Sie bilden die Quelle unserer Kenntnis, und hinzu tritt gelegentliche Erwähnung in der
Literatur. Ganz losgelöst vom Zwange praktischer Benutzbarkeit als Gebrauchs-
gegenstand, folgt der Typus in seiner Entwicklung dem Streben nach freier Gestaltung,
noch mehr als bisher.
Die Beine der älteren Dreifüße endigen unten einfach mit glattem Abschnitt.
Die Dekoration hört meist schon ein Stück vor dem unteren Beinende auf. Die Ge-
räte standen also entweder im Freien in der Erde oder waren in eine steinerne Basis
eingelassen. Seit dem sechsten Jahrhundert sitzt nach Ausweis der Münzen und Vasen
am Beinende stets eine Löwenklaue, so schon auf der Frangoisvase 3). Ferner treten an
die Stelle der in alter Zeit üblichen zwei Henkel drei, welche über den Beinen stehen,
während sie früher zu denselben in keinerlei Responsion gestanden hatten. Dadurch
wird eine einheitlichere und ruhigere Wirkung erzielt 4).
Für die Befestigung der Henkel hat man öfter die dekorative Form der Pal-
mette verwendet 5), ein an den Bronzegefäßen des VI. und V. Jahrhunderts ja äußerst
beliebter Ansatz. Auch die Art des Ansatzes zeigt Veränderungen. Bei den ältesten
olympischen Dreifüßen saßen die Henkel noch etwas unterhalb des Kesselrandes auf.
Typus II stellt sie höher, so daß zwischen Rand und Kessel eine Fuge bleibt, ebenso
Typus III. So ist es noch auf vielen archaischen Vasenbildern *). Die Henkel rücken
immer höher 7), bis sie manchmal um die Hälfte ihres Durchmessers vom Kessel-
rand abstehen. Da gerade auf einer Anzahl sehr sorgfältig gemalter Vasen dieser Zug
auftritt, wird man darin keine Zufälligkeit sehen dürfen. Er scheint vielmehr mit
einigen anderen auf dasselbe Streben zurückzugehen. Man wollte die auch in den
in der Mitte des VI. Jahrhunderts tätig war. dreihenkliges Gerät malte. Gegen Ende des
Pauly-Wiss. VII, 137. VI. Jahrhunderts scheint der dreihenklige Typus
J) J. H. St. XIII, 267 Anm. 20. Regel geworden zu sein.
») Olympia IV Taf. XL. 5) österr. Jahreäh. 1907 Taf. III, IV; Mon. d. Inst.
3) Die Löwenklaue setzt deutlich ab, und der II 46, 26; Furtw.-Reichh. 91. Zuweilen ent-
Knöchel des Löwenbeines ist durch einen Vor- wickeln sie sich aus Voluten: Furtw.-Reichh.
Sprung über der Einziehung der Klaue markiert. 134. Auch Doppelpalmetten kommen vor, die
Je nach der Sorgfalt des Vasenmalers erscheinen dann vom Kesselrand gerade in der Mitte über-
die Klauen lebendig und ausdrucksvoll, so auf schnitten werden. Catal. Vas. Brit. Mus. II
einer Amphora des »Tüftlers« Phintias (Furt- B 195. Abb. 30. S. 22.
wängler-Reichhold Taf. 91), oder schematisch ') Z. B. Gerhard A. V. 157. Furtw.-Reichh. 133
und ausdruckslos. u. sonst öfter.
4) Interessant ist, daß der Maler Phintias in zwei 7) Gerhard A. V. 225. Furtw.-Reichh. 32, 134.
uns erhaltenen Darstellungen des Dreifußraubes Mon. d. Inst. II 46. Pellegrini, Mus. civico di
das eine Mal ein zweihenkliges (Furtwängler- Bologna I Fig. 35, Fig. 56.
Reichhold Taf. 32), das andre Mal (ebda. 91) ein
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
127
entwickeltsten olympischen Exemplaren noch reichlich schwere Form leichter und
graziöser gestalten. Schon die Aufnahme eines dritten Henkels konnte dazu beitragen,
indem so die Vertikale der Beine über die Horizontale des Kessels hinausgeführt
wurde. Besser noch, wenn, wie das die Vasenbilder des VI. und V. Jahrhunderts
zeigen, die Bauchung des Kessels verringert wurde, und er mehr die Gestalt einer
flachen Schale erhielt ').
Während ferner die olympischen Dreifußkessel keinen Rand hatten, sieht man
auf Vasenbildern sehr oft Kessel mit niederem Rand *), was eine sehr befriedigende
Form ergibt. Die Bauchlinie des flachen Kessels biegt oben in graziösem Schwung
um, läuft ein kleines Stück einwärts, um sich dann im Rand noch einmal zu erheben
und auszulaufen. Später wird aus diesem Rand ein hoher Hals, an dem bisweilen
die Henkel sitzen 3).
Des weiteren wird das ganze Gerät schlanker, die Beine höher. Während bei
den ältesten Dreifüßen aus Knossos, Mykenae und Olympia der Kessel breiter ist als
die Beine hoch, ist das Verhältnis bei Typus H und HI etwa 4 : 5 anzunehmen 4) ;
die Frangoisvase kommt auf 3 : 5, die Vasenbilder des Phintias auf 2 : 4, die des
strengen und schönen Stils auf i : 3, ja i : 4 5).
Es ist öfter zu bemerken, daß die Distanz der Fußpunkte der Beine geringer
ist als der Durchmesser des Kessels. Die Beine neigen sich also oben etwas nach aus-
wärts. Dadurch erscheinen die Verhältnisse schlanker'). Das hat sich gehalten.
■) Z. B. Furtw.-Reichh. 32, 134; sehr schön Mon.
d. Inst. II 46.
') Furtw.-Reichh. 133, 32, 134, 91. Mon. d. Inst.
II 46.
3) Angelini-Patroni, Vasi dipinti. Taf. 38. Mon.
d. Inst. VI/VII 71, 2. Der Kessel mit Hals ist
auf Münzen des IV. Jh. besonders häufig, z. B. auf
solchen von Zakynthos (Cat. Greek Coins Br.
Mus. Peloponnes 97 Nr. 33 Taf. XIX 23). Auf
denen von Kroton ist die Form mit und ohne
Hals abwechselnd (Cat. Gr. C. Brit. Mus. Italy
S. 348 £f.) zu sehen.
■1) Nach Furtwänglers Rekonstruktion a. a. O. Taf.
40.
5) Zuweilen begegnen übermäßig schlanke Verhält-
nisse (Furtwängler, Gemmen Taf. X8; Furtw.-
Reichh. 32, 133; Gerhard A. V. 225. Mon. d.
Inst. I 9, 3 II, 46). Sehr schlank war auch das
platäische Weihgeschenk. Die Höhe des jetzt
noch erhaltenen Schlangengewindes beträgt 5,35
m. Rechnet man die verloren gegangenen Stücke
mit etwa "/lo des jetzt vorhandenen, setzt man
außerdem einen flachen Kessel mit einem Ver-
hältnis zwischen Kesseltiefe und Kesseldurch-
messer von I : 3, wie es zahlreiche Vasenbilder
der Zeit zeigen, und den Kesseldurchmesser
zu 1,30 m (Verhältnis ca. i : 3) so kommt man
auf eine Beinlänge von 6,30 m. Die von Furt-
wängler publizierte Basis des Weihgeschenkes,
welche von den Franzosen in Delphi wieder-
gefunden wurde, zeigt einen Beinabstand von
1,15, so daß ein Verhältnis von 5,5 : i zwischen
Beinhöhe und Kesseldurchmesser sich ergibt;
eine unerträglich schlanke Form für die erste Vor-
stellung. Erst wenn wir eine ungewöhnlich
starke Neigung der oberen Beinenden nach außen
um mehr als die Hälfte der unteren Bein-
distanz annehmen, kommen wir zu einem
annehmbaren Verhältnis. Wir dürfen nicht ver-
gessen, daß bei der gewaltigen Höhe des Monu-
ments, das auf einer mehrstufigen Basis stand,
eine sehr starke Ausladung der Beine und ein
sehr großer Kessel nötig war, wenn das Ganze
richtig wirken sollte. Wir dürfen demnach einen
Kesseldurchmesser von i,8ö annehmen und
hätten dann das Verhältnis etwa I : 3,5. Die
Rekonstruktion bei Springer-Michaelis 9 Fig. 396
ist demnach kaum schlank genug.
') Z. B. Furtw.-Reichh. 32, 133. Gerhard, A. V.
225. Mon. d. Inst. I 9, 3 II 46.
128 K.*'l Schwendemann, Der Dreifuß.
Noch Dreifüße auf römischen Monumenten zeigen oft diese kaum merkhche Neigung
der Beine, die man eigentlich nur durch Nachmessen kontrollieren kann ').
Auch sonst lassen sich noch verschiedene weniger wichtige Züge anmerken,
welche die Formen bereichern. Die Henkel werden mit einem ganzen Gitterwerk von
Stäben verbunden, welche offenbar auf die schon an den olympischen Exemplaren
vorhandenen Nebenstützen der Ringe zurückgehen. Über die Ringe wird zum Ab-
schluß des Ganzen ein Reif gelegt, der nicht selten mit Zacken oder Stacheln ver-
sehen ist, offenbar um den Vögeln das Aufsitzen auf die freiaufgestellten Weihdrei-
füße zu verleiden. Vielleicht sollte dem zu einem Teil auch das Stabwerk zwischen
den Ringen dienen. Ebenfalls einem praktischen Bedürfnis diente der bald flache,
bald halbkugelige Deckel, welcher so oft (z. B. auf dem Fries des Lysikratesmonu-
ments) auf den Denkmälern erscheint; er sollte offenbar den Kessel abdecken und
das Eindringen des Regenwassers verhindern, das in dem Kessel stehen geblieben
wäre und ihn in kurzer Zeit hätte zerstören müssen.
Der Verstärkung des Gerätes galten die Horizontalringe an den Beinen, die in
der Ein- und Mehrzahl erscheinen und schon in archaischer Zeit nachweisbar sind ^).
Auch sie sind nicht selten mit Stacheln besetzt.
Die Entwicklung des Kesseldreifußes vollzieht sich bis ins IV. Jahrhundert
in den Formen des Metallgeräts. Die Vasenbilder zeigen deutlich stets den Typus des
Dreifußes aus Metall.
Diese Entwicklung ist reich und vielseitig. Aus dem mykenischen Kochtopf
formen sich infolge der Bedeutung des Dreifußes als Kunstgegenstand und Anathem
die in Olympia vertretenen Typen, deren fortgeschrittenste Vertreter uns zeigen,
wie der vollentwickelte geometrische Stil das Problem löste, den alten Kochtopf zu
einem freiaufgestellten Gerät ohne praktischen Zweck umzubilden, das nur ästhetischen
Anforderungen zu genügen hatte.
Ein flachhalbkugelförmiges Becken ruht auf drei breiten niit reichster geo-
metrischer Dekoration ausgestatteten Beinen, die bis zum Kesselrande hinauflaufen.
Zwei große ebenso dekorierte Ringhenkel stehen ohne Responsion zu den Beinen auf
dem Kesselrande. Die Funde von der Akropolis lassen die archaische Durchbildung
dieses Typus erkennen. Die Beine sind mit einer Vertikalreihung von Reliefs ge-
schmückt, in das Rund des Henkels ist eine in Blech ausgeschnittene Figur kompo-
niert. Palmetten, Rosetten und andere orientalisierende Ziermotive vervollständigen
die Dekoration (Journ. Hell. Stud. XHI 265 ff.). Weiterhin tritt eine Responsion
von Henkeln und Beinen ein, das Gerät wird schlank, der Kessel verliert an Schwere.
Zutaten wie ein Ring über den Henkeln und solche um die Beine und anderes kommen
') Z. B. Jahn, Bilderchroniken Taf. V; Rom. Mitt. unterhalb ihrer mittleren Höhe eingezogen sind,
1896, 19, CR. St. Petersb. I Taf. III; Mon. d. um dann in einer leichten Ausbiegung nach
Inst. IV, 4. Musees des antiques III Taf. 2. oben zu verlaufen. Altert, von Pergamon VII, 2
Zoega, Bassirilievi II Taf. 98. S. 312 Nr. 402. Not. d. sc. 1880, 132. Taf. V.
Ein origineller Versuch die Form graziöser Rom. Mitt. 1908, 35, Matz-v. Duhn 3664. Babe-
zu gestalten ist es ferner, wenn die Beine auf Ion, Rois de Syrie S. 32 Nr. 224, T. VI.
hellenistischen und römischen Denkmälern etwas ^) Furtwängler, Berliner Vasens. 1837.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. j 2Q
hinzu. Die Notwendigkeit der Aufstellung der Dreifüße als Anatheme oder später
als Dekorationsstücke beherrschte dann die wichtigsten Bildungen, die uns seit dem
V. Jahrhundert erhalten sind, völlig.
Sie lassen sich alle unter dem Gedanken der Gestaltung des Dreifußes als frei-
plastisches Kunstwerk zusammenfassen. Diese vollzog sich in Metall, ganz besonders
aber in Stein.
Nun ist ein auf einer Basis gegen den freien Luftraum aufgestellter Dreifuß ein
künstlerisches Unding. Der mächtige Kessel auf den drei dünnen Beinen hängt
unsicher im Räume, da er keinen festen plastischen Körper unter sich hat, sondern
nur eine durch die drei Beine angedeutete theoretische prismatische Körperlichkeit.
Erhält ein bedeutender Künstler den Auftrag, einen Weihdreifuß zu bilden, so wird
er sich dieser Schwierigkeit bewußt sein, die davon herrührt, daß ein reines Gebrauchs-
gerät nun die Funktion eines freiplastischen Kunstwerkes zu erfüllen hat. Seine
Vorstellung wird sich auf das theoretische Prisma zwischen den Dreifußbeinen konzen-
trieren; dessen Unkörperlichkeit wird seine Vorstellung irgendwie beseitigen müssen.
Andererseits darf die Tektonik der Dreifußform nicht verschwinden ').
Die einfachste und durch die Monumente auch am zahlreichsten überlieferte
Lösung *) ist die einer vierten Unterstützung des Kessels unter seiner Mitte durch
eine Säule. Das Gerät bleibt so als solches in seinem Aufbau völlig klar, da die Durch-
sicht zwischen Mittelstütze und Beinen nicht verhindert ist, und der Kessel hat nun
einen seiner Masse entsprechenden tragenden Körper unter sich. Das Ganze gewinnt
jetzt erst die durch's Auge geforderte Stabilität und besitzt eine nach allen Seiten
gleiche Anschaulichkeit. Daß die Säule die auf den Denkmälern am häufigsten vor-
kommende Art der mittleren Kesselunterstützung ist, kann man deshalb wohl schwer-
lich als Zufall betrachten.
Nicht weniger selbstverständlich ist es, daß bedeutende Künstler, wenn sie
mit der Aufstellung eines Dreifußes betraut wurden, sich mit diesem einfachen Motiv
nicht zufrieden gaben, sondern nach einem neuen Gedanken suchten.
So stellten Gitiadas und Kallon weibliche Gewandstatuen unter ihre Drei-
füße zu Amyklai. Denn ihre »Dreifußstatuen« wird man doch als Trägerinnen des
Kessels auffassen müssen, oder besser als einen Versuch, das Problem der Umbildung
') Eine Vorstufe, die primitivste Art der Besei- distanz von 40 — 53 cm ergeben, was ein» Höhe
tigung des unplastischen Prismas zwischen der Dreifüße von 0,80- — 1,10 m entspricht,
den Dreifußbeinen läßt sich aus Funden auf der können sehr wohl ästhetische Gründe maßgebend
Akropolis von Athen erschließen. Eine Anzahl gewesen sein. (Ath. Mitt. 1908, 273.) Die An-
Porosblöcke von der Gestalt eines rechtwinkligen sieht von Fabricius (Jahrb. d. Inst. 1886, 191),
Dreiecks mit abgeschnittenen Ecken, deren jede der die »DreifußmittelstUtzen« mit der Not-
einen breiten Falz trug, und ein gleichartiger wendigkeit der Entwässenmg des Kessels er-
Block, der oben kalottenförmig eingetieft war, klären wollte, wird durch diesen Fund widerlegt,
ließen eine Aufstellung von Dreifüßen erschließen, da von 'einer Entwässerungsvorrichtung für den
bei der das Prisma zwischen den Beinen völlig Kessel keine Spur vorhanden ist.
in Stein materialisiert war. Ob das aus tech- 2) Fabricius, Jahrb d. Inst. I 1886, 187 ff. Reisch,
nischen oder künstlerischen Rücksichten gesche- Griech. Weihgeschenke 74,81. Ath. Mitt. 1906,
hen ist, ist unsicher. Da die Blöcke eine Bein- 134 ff-, Klio IX, 153 ff.
130
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
des Gerätes zum freiplastischen Kunstwerk zu lösen. Gerade die archaische Gewand •
figur eignete sich durch ihre Gebundenheit dazu besonders ').
Aber die Dreifußstatue mußte der entwickelten Kunst als ungeeignet erscheinen,
da sie der Forderung der allseitigen Anschaulichkeit nicht entsprach. Der
Künstler, der das platäische Weihgeschenk schuf, von dem uns Basis und »Schlangen-
säule« ja noch erhalten sind, hat eine neue, völlig befriedigende Lösung gefunden.
Er verzichtete auf die Statue, ohne jedoch auf das simple Motiv der Säule zurück-
zukommen, und wählte drei in einander gewundene Schlangenleiber, denen zu Liebe
er dem Dreifuß sehr schlanke Proportionen gab. Diese Lösung entspricht der Forde-
rung nach allseitiger Anschaulichkeit und vermeidet außerdem die Starrheit, welche
eine Säule an derselben Stelle hat. Auf den sich windenden Schlangenleibern, deren
züngelnde Köpfe zwischen den Beinen unter dem Kessel hervorschauten und deren
Kontur, an sich lebendig, durch den Glanz der gewölbten Bronzeflächen jede tek-
tonische Starrheit verlor, behielt der Kessel etwas von dem freien Schweben, das für
den Eindruck des Dreifußes ohne Mittelstütze bezeichnend ist. Der Künstler gewann
also bei allseitiger Sichtmöglichkeit eine plastische Stabilierung des Dreifußes, ohne
daß der Eindruck des Schwebens beim Kessel ganz verloren ging, und löste so seine
Aufgabe, den Dreifuß zu einem freiplastischen Kunstwerk zu gestalten, restlos.
Als der Künstler, der die Pflanzensäule vonDelphi schuf (Beil., Abb. 25), sich vor
ein ähnliches Problem gestellt sah, kehrte er zum Motiv der Dreifußstatue zurück»).
Aber als Zeitgenosse des griechischen Barocks mußte er die Forderung allseitiger
Anschaulichkeit noch stärker empfinden als der Schöpfer des platäischen Weihge-
schenks. Ist doch das Hinausgreifen der Freiplastik in den Raum, ihre bewußte Ge-
staltung als ein nach allen Seiten sich entwickelnder Organismus gerade das typische
Merkmal des Barocks alter und neuer Zeit. So erscheinen denn auf der delphischen
Pflanzensäule drei tanzende Koren unter dem Dreifuß. Es ist die barocke Lösung
des Problems des freiplastischen Dreifußes mit Hilfe der menschlichen Figur. Der
Künstler läßt, entsprechend den drei durch die Dreifußbeine gegebenen Flächen,
drei Koren auftreten und gewinnt damit für jede der drei Seiten eine Frontalansicht.
Durch die Tanzbewegung wurde gleichzeitig der Eindruck des Tragens vermieden,
so daß, ähnlich wie am platäischen Weihgeschenk, das freie Schweben des Kessels
erhalten blieb, um so mehr, als der metallene Dreifuß sich von dem Marmor der Plastik
abhob. Aber die Verbindung der Elemente war loser als dort.
Noch auf andere Weise hat die Antike versucht, das Dreifußgerät zum plasti-
schen Kunstwerk umzubilden. Das plastische Vakuum zwischen den Beinen konnte
auch von außen her beseitigt werden, so gut wie von innen durch »Mittelstützen«,
wie, das zeigen zwei gemalte Dreifüße aus der Casa dei Dioscuri in Pompei (Herrmann-
Bruckmann, Denkmäler d. Malerei d. Alt. Taf. 131), zu denen es mehrere Analogieen
gibt, so daß man den »Eindruck eines künstlerischen Typus« hat. Es sind sehr schlanke
') Vgl. Anhang über die Dreifußstatuen. Delphes II Taf. XIV (auch bei Luckenbach,
') Vgl. die Rekonstruktion BuUes (Der schöne Olympia und Delphi Fig. 65). Ähnlich müssen
Mensch 297 Abb. 70), die offenbar mehr Anspruch wir uns wohl den von Paus. I, 18,8 erwähnten
auf Richtigkeit hat als die in den Fouilles de Dreifuß vorstellen.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
131
Exemplare mit horizontalen Beinringen, auf denen Figuren (Niobiden) stehen und
knieen. Diese füllen die Flächen zwischen Beinen, Beinringen und Kessel und geben
dem Ganzen die Möglichkeit der plastischen Scheinexistenz.
Am weitesten haben von dem ehemaligen Typus die Bemühungen abgeführt,
den Kesseldreifuß als Steinplastik zu bilden.
Chronologisch an erster Stelle stehen verschiedene Fragmente aus Pergamon,
die uns zum ersten Male von dem Versuch Zeugnis geben, den Dreifuß als plastisches
Kunstwerk in Stein zu gestalten. Ein Beinfragment ') hat flach-stabartige Form
und endet oben in einem Kapitell, mit hohen Voluten, deren Aufrollung mit einer
Rosette gefüllt ist. Die Fläche des Kapitells wird durch einen Akanthuskelch eingenom-
men, aus dem sich ein arazeenartiger Blütenkolben mit einem Deckel auf der Spitze
entwickelt. Das Bein ist als architektonisches Glied empfunden. Direkt über seinem
Kapitell, das bis an den Rand des Kessels hinaufreicht, liegt ein mächtiger Kranz,
von einem doppelten Band umschlungen, die Stephane, welche auf den Vasenbildern
und Münzen seit dem V. Jh. so oft über den Henkeln der Dreifüße erscheint, sei es, daß
damit der Kranz als Zeichen des Sieges oder als Symbol Apolls gemeint ist. Auch dieser
Kranz ist hier als mächtiger Wulst architektonisch stilisiert. Die Henkel hat der Künst-
ler weggelassen. Daß er dabei einer richtigen Empfindung gefolgt ist, lehren die Drei-
füße, welche in Fragmenten im Baieuterion von Milet zutage gekommen sind, und von
denen einer wieder zusammengesetzt und ergänzt werden konnte. (Beil., Abb. 26).
Die eingehende Behandlung durch H. Winnefeld ^) erübrigt ein Weiteres. Die
Dreifüße standen jedenfalls in den Winkeln des Buleuterions zwischen Umfassungs-
mauer und oberster Sitzreihe. Die Gesamthöhe betrug etwa 3,87 m.
Vom zweiten Dreifuß sind nur wenige Reste erhalten. Aber er stimmte im Auf-
bau, weniger im Ornament, mit dem ersten überein 3). Die Übertragung des Metall-
gerätes in Stein, wie sie freiplastisch für uns zum ersten Male diese milesischen Drei-
füße dartun, ist recht unglücklich ausgefallen. Der Künstler vermochte sich nicht
genügend vom Metallvorbilde loszumachen. Die Verbindung von Beinen und Kessel
ist zu locker, der Kessel selbst tritt zu wenig in die Erscheinung und die großen hoch-
gestellten Ringhenkel nötigten dazu, den oberen Teil des Dreifußes viel zu hoch zu
bilden, so daß das ganze schlecht in den Proportionen und zusammenhanglos ge-
worden ist 4).
In einer Hinsicht sind diese milesischen Dreifüße aber bezeichnend für die
Bildungen der hellenistischen und römischen Zeit, im Reichtum ihrer Zierformen, der
ja in der gleichzeitigen Architektur viele Parallelen hat.
Ganz natürlich werden auch bei anderen Übertragungen des Kesseldreifußes
in Stein die Einzelformen in die Sprache der Architektur übersetzt. Die Beine werden
') Altert, von Pergamon, VII 2, 349 Nr. 443. Bruch- Nr. 442.
stück eines Beines H. = 0,22 mit beiderseits 4) Vgl. Mus. d. Ant. III. Autels PI. 2. Ein römischer
anschließenden Teilen des Bauches. Künstler hat hier unter deutlicher Anlehnung
^) Milet Heft II, S. 90 ff., Taf. 19, 20. an das Metallvorbild eine Übertragung in den
3) Die Hälfte eines kleinen Marmordreifußes von Stein gegeben, die als völlig gelungen zu be-
einfacheren Formen, Pergamon VII 2, 348, trachten ist.
122 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
als Pilaster auf stilisierten Löwenklauen, oben in ein Kapitell endigend, gebildet •).
Ihre Vorderseite ist kannelliert, wie an den milesischen Stücken, oder mit Ornament
übersponnen »). Die Henkel erscheinen zuweilen als Masken umstilisiert 3) oder als
Rosetten gebildet 4). Die dionysischen Masken an den milesischen Dreifüßen finden
ihre Analogie in Gorgoneien und Löwenköpfen an anderen Exemplaren 5). Auch die
Beinendigungen sind nicht selten mit solchen Masken besetzt 6). Der Kessel ist fast
regelmäßig geriefelt und teils flacher 7), teils tiefer. Öfter setzt sich die halbkugel-
förmige Rundung des Kessels über die Beinendigungen hinaus in einer Einziehung
fort und ergibt so eine hohe oben schmaler werdende Form ^), welche übrigens unter
den auf römischen Reliefs erscheinenden Gefäßen nicht ohne Analogie ist. Wo ein
oberer Ring über den Henkeln liegt, ist er öfter von Sphinxen getragen 9). Durch
solche Bildungen wird man an die Beschreibung des 30 Ellen hohen Dreifußes in der
Pompa des Ptolemaios Philadelphos erinnert. Die Worte des Athenaios (V 202 c)
scheinen sich wenigstens nicht anders deuten zu lassen, als daß man die Figurjen auf
dem Kesselrand annimmt. An altitalische Kessel mit Figurenschmuck zu erinnern
geht nicht an, weil sie nur in hocharchaischer Zeit nachweisbar sind.
Das letzte Wort in der Übertragung des alten Kesseldreifußes in den Stein
hat dann die römische Kunst gesprochen durch ein dreifüßiges Marmorbecken, das
aus der Hadriansvilla in den Louvre gekommen ist '") (Beil., Abb. 27).
Vergleicht man dieses reife und feine Kunstwerk mit den Steindreifüßen aus
dem Buleuterion von Milet, so erscheint es als die Lösung des Problems, das dort
gestellt worden war. Die Übertragung der Form des Metallgeräts in den Stein, seine
Gestaltung zu einem freiplastischen Kunstwerk in Marmor ist hier völlig gelungen.
Die ehemals schlanke Form ist breit geworden und hat nun völlige Horizontaltendenz.
Die bei einem statuarischen Marmorwerke sinnlosen Henkel sind verschwunden,
alle Einzelformen sind rein architektonisch. Das mächtige Becken ruht mit auf einer
vierten Mittelstütze, die dem ganzen erst plastische Sicherheit verleiht, indem sie
das plastische Vakuum zwischen den drei äußeren Beinen beseitigt. Der jedem Archi-
tekturwerk nötige Sockel ist vorhanden und tritt zu der kräftigen Hohlkehle unter
dem Beckenrande in wirksame Responsion, während sein konkaves Lineament lebhaft
gegen das vorspringende Kesselrund oben agiert. Dieselbe plastische Aktion, die
O'Z. B. Zoega, Bassirilievi II Taf. 98. Mus. de «) Jahrb. d. Inst. IV 1889, 87 Taf. 11,2. Mon.
antiques III. Autels Taf. 3, 2. d. Inst. IV, 4.
') Mus. Torlonia Taf. 63, Nr. 243; Zoega II, Taf. 98. 9) Jahn, Bilderchron. Taf. 5. Furtwängler, Gemmen
3) Zoega a. a. 0. Mus. d. ant. III, Taf. 3. Taf. 35, 44 (hellenistisch). Auf einer schönen
4) Altert. V. Pergamon VII 2, 312, Nr. 402. Scherbe des Perennius Milani, Mus. archeol.
5) Mus. d. ant. III, Taf. 2, 3 u. sonst. di Firenze Taf. 79.
6) Robert, Sarkophagreliefs II, Taf. 56. Furt- ">) Mus^es d. ant. III. Fontaines Taf. 11. Gus-
wängler, Berl. geschn. Steine 2240. man, L'art dfoorat. de Rome. Taf. 2. Ders.,
7) Not. d. sc. 1880, 132, Taf. V4; besonders des- Villa impir. de Tibur 265 Fig. 440. Pentelischer
wegen interessant, weil die Form des Kessels Marmor H. 1,43 m, D. 1,35- Hat einst als Fon-
genau mit der eines Stückes aus der Tomba del täne gedient. Durch die Mittelstütze lief das Rohr.
Duce in Vetulonia übereinstimmt (Montelius Ein ähnliches Becken ebenfalls aus der Hadrians-
Taf. 194,24); also nach vielen Jahrhunderten villa bei Gusman, Villa imp^r. de Tibur 265,
dieselbe Form. , Fig. 439.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. j j ?
Übrigens auch in den Ranken auf den Beinen und deren Kapitellen zum Vorschein
kommt, beherrscht die Mittelstütze und die Kesselbildung. Auf der runden Basis
der Mittelstütze erhebt sich ein Blattkelch, und aus ihm dreht sich mit Verjüngung
nach oben der Träger empor. Aus seiner, wie durch die Last breitgedrückten Endi-
gung fahren dann die Riefelungen des Kessels heraus. Ein Profil gebietet ihnen Halt,
in seinem Wulst sammelt sich die Bewegung, ebbt in tiefer Kehlung zurück, wieder
nach außen und wird durch einen Eierstab endgültig beruhigt.
Ein Werk klassischen Barocks der Kaiserzeit, in seinem reichen aber völlig
harmonisierten plastischen Antagonismus! Ebenso wie diese Brunnenschale nach
Zweck und Benutzung mit ihrem Prototyp, dem griechischen Kesseldreifuß, nichts
mehr gemein hat, ist sie in ihrer formalen Durchbildung von ihm völlig unbeeinflußt ').
DIE ITALISCHEN KESSELDREIFÜSSE.
In den archaischen Fundschichten Italiens begegnen eine ganze Reihe von
Kesselformen, die hier behandelt werden müssen, wenn sie auch meist kein besonderes
stilistisches Interesse erregen.
Es unterscheiden sich zunächst eine Anzahl Exemplare mit flachhalbkugeligem
Becken und drei in geringem Abstand an den Bauch befestigten gegossenen Beinen,
die zunächst abwärts, dann fast rechtwinklig nach außen verlaufen, um dann wieder
rechtwinklig nach unten zu biegen und unten mit Menschenbeinen zu endigen. Auf
dem horizontalen Stück ist meist eine figürliche Zutat angegossen, ein Reiter mit
spitzem Helm, von frühgeometrischer Stilisierung ^). Die Form des Gerätes ist immer
dieselbe mit genügen Unterschieden im einzelnen und in der Größe.
') Über die Gröi3e der Kesseldreifüße ist folgendes platäische Weüigeschenk ist ca. 6 m hoch gewesen
bemerkenswert. Die ältesten Exemplare aus (Rekonstruktion bei Springer?, Handbuch, Alter-
Knossos und Olympia sind 0,47 m hoch (Archae- tum S. 231 Fig. 433). Für die Preisdreif. der atti-
ologia 59, S. 433, 4 p.) bezw. etwas niederer sehen Phylenchöre berechnet Reisch (Griech.
(Olympia IV S. 78). Die Fragmente von Olympia Weihges:h. 833. ; Pauly-Wiss. V 2, 1692). Größen
zeigen deutlich ein stetiges Wachsen der Pro- von 2,0 — 2,5 m. Das Riesigste was uns von
Portionen. Typus I bringt Größen von 0,50 — D. aus d. Altertum bekannt ist, ist der 30 Ellen
0,70 m (a. a. 0. S. 76). Für Typus II lassen sich hohe in der von Athenaios beschriebenen Pompa
Größen von 1,60 — 1,70 m und darüber berechnen. des Ptolemaios mitgeführte.
Ähnliche Größen zeigt Typus III. Daneben gab *) Studi e Mat. II, 221 aus einem Grab von Vetu-
es auch ganz kleine Exemplare und sicher Zwischen- lonia H. = 0,18 cm; ganz ähnlich Falchi, Vetu-
stufen. Für die athenische Akropolis sind fürs lonia Taf. VIII, 20. Hoernes, Urgeschichte
VI. Jahrhundert ganz beträchtliche Maße zu Taf. IX, 18. Falchi, a.a.O. VI, 22. Aus einem
erschließen. Der Henkel eines archaischen D. Bestattungsgrab in Corneto Mon. d. Inst. XII,
(J. H. St. XIII 267, Anm. 20) hat einen Durch- 3, 14 j Catal. of Bronzes Brit. Mus. Nr. 382;
messer von zwei Fuß. Nimmt man das Ver- hier unter dem Horizontalstück durchbrochene
hältnis zwischen Ringhenkel und Beinhöhe zu Arbeit, in dieser eine Ente. Vgl. Montelius, Civ.
I :6 (nach Olympia) so erhält man eine Bein- prim. II, T. 183,19. Als Nachahmung in Ton
länge von 3,60 m und eine Gesamthöhe d. D. ist der kleine Tondreifuß bei Montelius 134,8
von 4,20 m. Auf den Vasenbildern begegnen zu betrachten. Ein anderer Tondreifuß mit
Exemplare von der halben Größe eines Mannes deutlicher Nachahmung des Menschenbeines,
bis über Mannshöhe. Der eine der milesischen aber mit anderer Kesselform, die jedoch in Italien
Steindreifüße war 3,87 m hoch, ein anderer nach auch häufig ist, Montelius 320, 12.
gefundenen Fragmenten noch größer. Das
Jahrbuch de« Archäologischen Instituts XXXVI. 'O
I 7A Karl Schwendemann, Der Dreifufi.
Eine wie es scheint allein stehende Form ist der Dreifuß bei Montelius Civ.
prim. II Taf. i88,8 aus der Tomba del Duce von Vetulonia '). Ein halbkugeliger
Kessel mit drei Bronzeblechbeinen, die bis an den Rand hinauf reichen, aber tiefer
angenagelt sind und so der Bauchung des Kessels folgend unten einwärts laufen,-
so daß eine ziemlich enge Stellung herauskommt. Die Beine zeigen drei Grate.
Auch die denkbar einfachste Form einer Schale mit drei geraden am Rand
ansitzenden Beinen findet sich ^).
Daneben hebt sich ein bestimmter Typus ab, der zwar verschiedene Kessel-
formen aufweist, aber immer dasselbe Beirischema, ob dieselben massiv oder von
Blech sind. Es scheint deutlich beeinflußt durch die Beinform der Untersätze mit
dreigeteilten Blechfüßen. Die Beine sind mit Nieten am Kessel befestigt, laufen ein
kurzes Stück horizontal, um mit einem Knick sich nach unten zu wenden. Ein ganz
einfaches Exemplar des Typus 3) hat halbkugeligen Kessel, auf die angegebene Weise
getragen von einfachen flachen Beinen. Diese sind mit dem Kesselbauch noch einmal
durch eine kleine Horizontalstütze verbunden, ähnlich wie bei den Kesseldreifüßen
von Olympia. Ein anderes Stück mit gegos'senen Beinen hat eine andere Kesselform,
ein flaches Becken mit auswärts gebogenem Rand 4).
Halbkugelige Schalen und Kessel wie am ersten Stück kommen in alten Fund-
schichten Italiens massenweise vor 5). Sehr oft begegnen sie in den Gräbern des
VIII. und IX. Jahrhunderts von Corneto und Cumae *). Nach Italien kam die Form
aus Cypern 7) und Phonikien. Aber auch dorthin kam sie von auswärts, wie eine
Anzahl schöner Steinschalen der Art im Berliner Museum beweisen, welche dem
IV. Jahrtausend v. Chr. angehören **) und aus Ägypten stammen.
Das flache Becken wie Mon. d. Line. XV Fig. 86 kommt auch in Olympia vor 9).
Wie der Prototyp davon sieht eine blaue Fayenceschale mykenischer Zeit von Kreta
aus ">). Die Form hat auch in späteren Zeiten fortgelebt, wie eine schöne von drei
geflügelten Sphinxen getragene Marmorschale aus Pompeji beweist ").
Dreifüße mit dem Halbkugelbecken fanden sich noch mehrere "), reichere
Stücke in dem Barberini- und Bernardinigrab. Das Stück aus dem Barberinigrab '3)
ist aus Bronze getrieben mit gegossenen angenieteten Beinen desselben Materials
und zeigt einen getriebenen Reliefschmuck von 6 Sirenen rund um den Bauch. Sie
■),Auch Falclüa. a. 0. XI Fig. 3. H. = 0,35. Wende 0,20 m; hier weitere aufgezählt, die sich in Grie-
des VII./VI. Jahrhunderts. chenland und Italien fanden, besonders in Fund-
-) Mon. d. Line. X, Taf. 5, Fig. 47. schichten des VII. Jahrhunderts. Furtwängler
3) Ann. d. Inst. 1879, 15, Taf. C, 7, 7 a. H. =0,32. hielt sie für Import aus Chalkis oder Korinth.
Kesseldurchmesser 0,375 m, aus Bronze. ■") Ann. Br. Scji. Ath. IX 73.
4) Mon. d. Line. XV 86, Fig. 199. D. = 0,20. ") Niccohni, Pompei IV, Taf. 49.
5) Z. B. Mon. d. Line. V, Taf. 13,22; XIII 240, '=) Mon. d. Line. XV 229 Fig. 96, H. = 0,40. D. =
Fig. 16. 0,19. Die gegossenen Beine von dreieckigem
') Mon. d. Line. XX 1913, 405, Fig. 151. Durchschnitt sind am Kesselansatz breitge-
7) Poulsen, Orient und frühgriechische Kunst 20; hämmert und mit drei Nieten mit spitzen Köpfen
Cesnola, Antiq. of Cyprus II 3, Taf. 83, 85; II 4, befestigt. Ganz ähnliches Exemplar aus Narce
97, 99. Montelius 313, 23, H. = ca. 0,25 m.
') Kunst und Künstler XI, Taf. 12. S. 629. >3) Bollettino d'arte III 180, Fig. 12. VII. Jahr-
9) Olympia IV, Taf. 35, S. T4, dieselbe Größe D. = hundert H. = 0,505 m, D. des Beckens 0,235.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. jic
bestehen eigentlich nur aus Kopf, Hals und Beinen. Der Kopf quadratisch, mit
groben Zügen steht in Vordersicht '). Das Gesicht wird umgeben von einer breiten
Haarmasse, die nach Art der Etagenperücke gegliedert ist. Von der Vereinigungsstelle
von Hals und Beinen breiten sich die Flügel aus, überall von gleicher Breite; auch
sie durch Horizontallinien gegliedert. Die Sirenen stehen auf Stierschädeln. Die
Zwischenräume zwischen den Köpfen sind mit einem orientalisierenden Motiv gefüllt.
Das Ganze ist eine rohe ungeschickte Arbeit.
Gegenstücke zu dem Dreifuß aus dem Barberinigrab sind zwei solche aus dem
Bernardinigrab *). Auch sie sind etruskisch aber nach phönikischen Vorbildern
gearbeitet. Das zeigt vor allem die Etagenperücke, die in Phönikien schon im IX. Jahrh.
vorkommt3), während sie sich in Griechenland erst im VHL, ganz besonders aber im
VII. findet.
Eine reliefgeschmückte Schale von gleicher Technik und Stilart befindet sich
im Museum von Turin und ist mit 8 abwechselnden, nach links schreitenden Gestalten
von Sphinxen und phantastischen Fabelwesen geschmückt 4).
Diese Kesseldreifußformen scheinen sich nicht über die archaische Zeit hinunter
verfolgen zu lassen.
STEINDREIFÜSSE UND VERWANDTES.
Die in archaischer Zeit in Griechenland vereinzelt vorkommenden »Steindrei-
füße« hängen mit Gebilden der kretisch-mykenischen Kultur zusammen.
Evans hat (J. H. St. XXI, 113 ff.) gezeigt 5), wie aus dem heiligen Stein und
dem mit Spenden gefüllten auf ihn gestellten Gefäß unter Hinzufügung von Stützen
ein Gebilde erwachsen ist, welches auf rechteckiger Basis fünf Säulen zeigt, eine
stärkere in der Mitte und je zwei schwächere rechts und links, und darüber ein der
Basis entsprechendes Stück, welches drei napf artige Vertiefungen aufweist *). Die
mittlere Säule ist der ursprüngliche Baitylos und die Säulen rechts und links nur aus
einem praktischen Bedürfnis hinzugefügt. Es ist dann nur ein geringer Unterschied
in der Form, wenn das Ganze quadratische Gestalt bekommt, wobei der Baitylos
in der Mitte steht, währ'end die vier Stützen sich auf die Ecken verteilen 7).
') ÄhnlicheGesichteranArinbändern.Studi eMat. II kleine tables sind in Kreta sehr zahlreich ge-
106; sind außerdem mit der phönikischen Pal- fanden, in der diktäischen Höhle (Ann. Br. Seh.
matte geschmückt a. a. 0. Taf. IX u. Fig. 108, Ath. VI Taf. XI), kleine runde oder viereckige
109. Die Form ist die des Hathorkopfes und Steatittäf eichen mit einer flachen oder tieferen
offenbar aus Phönikien und Cypern eingewandert; Höhlung und niederem Fuß oder auch ohne
Cesnola, Ant. of Cypr. I I, Taf. 18, 22, 51. Ohne- solchen. Andere ähnliche aus Knossos (Ann.
falsch-Richter, Cyprus Taf. 200, S. 481. Br. Seh. Ath. IX 41); mit zwei runden Höhlungen
») Poulsen a.a.O. Abb. 138, 139. und ohne Fuß (Mon. d. Line. XIV 1904, 473,
3) Poulsen S. 127. Fig. 79). Daß die ursprüngliche Form die einer
4) Rom. Mftt.1909, 31711. Hier ist eine ganzeAnzahl Platte mit einer flachen Höhlung war, zeigt ein
weiterer Schalen dieser Art namhaft gemacht. hochaltertümliches tönernes Exemplar aus neo-
5) Vgl. B. C. H. XXVI 581. lithischer, vormykenischer Zeit aus Phaistos,
«) a.a.O. S. 114, Fig. 7. Die ursprüngliche Selb- Mon. d. Line. XIV Taf. 36. 0,55 X 0,45 m
ständigkeit von Pfeiler und table of offering messend. Maraghiannis, Ant. cr^toises I Taf. IX.
ist von Evans mit Recht betont worden. Solche 7) a. a. 0. Fig. 9.
10*
loß Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
Gebilde dieser Art scheinen es zu sein, welche öfter auf altkretischen Siegel-
ringen und Pasten erscheinen, besonders merkwürdig auf einer Glaspaste aus Mykene')
und dem bekannten oft abgebildeten Siegelring*). Die erstere zeigt zwei Paare
dämonischer Wesen, welche mit Kannen in den erhobenen Händen über ein Gerät
libieren, welches zunächst wie ein schlanker griechischer Dreifuß aussieht. Man hat aber
darin nichts anderes zu erkeftnen als einen Baitylos mit table ofoffering und vier Neben-
stützen, von denen aber nur zwei sichtbar sind. Daß dem wirklich so ist, lehren zwei
andere Glaspasten 3) gleicher Herkunft mit ähnlichen Dämonen in ihrer spendenden
Haltung. Aber an Stelle des »Dreifußes «steht (Fig. 13) ein Pfeiler. Daß auch für das Gerät
auf dem mykenischen Goldring dasselbe gilt, ist längst ausgesprochen 4). Diese my-
kenischen Gebilde, welche auf den ersten Blick eine verblüffende Vorstufe für die
Bedeutung des Dreifußes im griechischen Kult zu bieten scheinen, sind also in Wirk-
lichkeit etwas ganz anderes, nämlich der heilige Pfeiler mit Libationstafel und vier
Stützen 5).
Mit diesen mykenischen Gebilden haben die sog. Steindreifüße drei charak-
teristische Züge gemein, die starke Mittelstütze, die darüber liegende Platte mit
Höhlung und die äußeren Stützen, welche in der Dreizahl vorkommen, wenn auch
durchaus nicht immer. Der Hauptunterschied besteht darin, daß die äußeren Stützen
als weibliche Figuren gebildet sind.
Dieser Wandel hat zu verschiedenen Erklärungen Anlaß gegeben. Eine Ana-
logie dazu schienen die Hekataia zu bieten, wo die mittlere Säule das ursprüngliche
anikonische Bild der Göttin darstellt, während die drei darum gestellten Gestalten,
welche den Späteren als die dreileibigeHekate galten, ursprünglich die drei Dienerinnen
der Göttin sind^). Der auf Cypern so oft erscheinende Kulttanz dreier Personen um
einen heiligen Baum oder um die Sonnensäule 7) wäre eine weitere noch nähere Ana-
logie. Aber es ist folgendes zu beachten. Die Hekataia und die kyprischen Kult-
tanzdarstellungen zeigen von vorn herein bei den drei Figuren ikonische Gestalt.
Sie sind und bleiben immer dasselbe. Drei um einen heiligen Mittelpunkt sich be-
wegende Gestalten. Anders die Figuren der Steindreifüße; nach außen gewandt,
in strenger Ruhe, tragen sie ein Becken, das ein fremdes Element wäre. Außerdem
sind bei den kretisch-mykenischen Vorstufen die Säulen einfach Träger. Wir dürfen
hier also nicht mit dem Gegensatz von ikonisch und anikonisch operieren, sondern
die weiblichen Figuren sind der Ersatz für die äußeren Träger, ohne jede sakrale Be-
deutung, eine ganz auf künstlerischem Gebiet liegende Entwicklung.
Das bestätigt sich bei näherer Betrachtung der bekannten Stücke. Es sind
im ganzen 5 bekannt:
■) J. H. St. 1901, 117, Fig. 14. zwei erhaltenen haben vier äußere Stützen
») Studi e Mat. II 11, Fig. 17. und die spätere Entwicklung hat die Dreizahl
3) J. H. St. 1901, 116 — 17, Fig. 12, 13. ebenfalls nicht einseitig bevorzugt. Maßgebend
4) Wolters, Arch. Anz. 1900, 148. müssen vor allem die zwei erhaltenen Exem-
5) Petersen, Jahrb. d. Inst. 1908, 20 will eine Mittel- plare sein (Evans Fig. 79).
stütze mit drei Seitenstützen annehmen. Aber *) Petersen, Jahrb. d. Inst. 1908, 31 ff.
nach dem Gesagten mit Unrecht. Die Dreizahl 7) Ohnefalsch-Richter, Kypros Taf. 76. Perrot-
ist bei diesen Geräten nicht das Typische. Die Chipiez III 586, Fig. 299.
Karl Schwendemann, Der Dreifui],
137
1. Aus Rhodos, Ton, im Louvre'). (Beil., Abb. 29.) H. = o,l8. Runde Schale, ge-
tragen von einer starken runden mittleren Stütze und von vier weiblichen Gestalten.
Das Ganze auf runder Basis. Am Rand des Beckens vier weibliche Köpfe. Die vier
Trägerinnen sind hocharchaisch, flach, mit auf die Brust fallenden, horizontalge-
gliederten Haaren; die Hände haben sie auf die Brust gelegt.
2. AusKorinth, inOxford, aus Stein. H. = 0,66, D. unten = 0,54, oben = 0,36.
Grundform ähnlich wie beim vorhergehenden; 3 Frauenfiguren, auf Löwen stehend,
deren Schwänze sie mit der einen Hand halten, während sie mit der andern ihr Ge-
wand ein wenig heben. Auch sie hocharchaisch 2).
3. Aus Olympia, lakonischer Marmor; zu erschließende ursprüngliche Höhe
0,86 m. Sehr ähnlich dem vorhergehenden, auch hier die drei weiblichen Figuren
auf Löwen, tragen auf dem Haupt den Kalathos 3) (Abb. 28).
4. Von der athen. Akropolis Fragmente eines von sechs weiblichen Figuren ge-
tragenen Beckens mit Mittelstütze, Marmor.
5. Derselben Herkunft; Fragment eines ähnlich verzierten Beckens, von dem
sich nur die Kranzplatte wiederherstellen läßt 4).
Wenn wir für unsere Figuren irgend welche sakrale Bedeutung annehmen
wollten, wie sollten wir sie benennen? Weil sie bei 2 und 3 auf Löwen stehen etwa
als TOTVtai &r;p(i)v. Dann müssen wir dieselbe Bedeutung für alle annehmen; dazu
zwingt die Einheitlichkeit der ganzen Gattung. Die anderen Exemplare lassen aber
die entsprechende Charakteristik vermissen. Ferner sind es drei, vier oder sechs
Figuren; auch das spricht nicht für eine sakrale Vorstellung. Nur der gemeinsame
Stil und dieselbe Verwendung vereinigt also die Figuren, sonst nichts. Sie sind einfach
xopai, so gut wie die Dreifußstatuen 5).
Die einzige sakrale Beziehung welche man für die Steindreifüße zugeben kann
ist die Benützung als Weihwasserbecken ^), die sich aus ihrer Herkunft von den my-
kenischen tables of offering leicht verstehen läßt.
Von den Steinbecken stammen formengeschichtlich dieBuccherokelche in Etru-
rien ab. Die mit der Zufügung von Seitenstützen zu dem mykenischen Baitylos
begonnene, durch die Umgestaltung dieser Stützen in weibliche Figuren fortgesetzte
Entwicklung geht hier weiter, indem diese Figuren zum Tragen vöUig ausreichend,
immer stärker betont sind, bzw. die Mittelstütze auf ein Rudiment zusammen-
schrumpft 7). Die Buccherokelche zeigen noch in anderer Beziehung, daß das Be-
wußtsein der ursprünglichen Form verloren gegangen ist. Viele von ihnen sehen aus
wie ein vierbeiniger Untersatz, auf dem ein halbkugelförmiger Kessel sitzt. Das
Bewußtsein der ursprünglichen Verbindung der beiden Teile ist geschwunden, und
■) Pottier, Vas. d. Louvre I Taf. 13, A 396. in gröi3eren Dimensionen.
') J. H. St. XVI 1896, 279, Taf. XII. «) Olympia III S. 29. Das kleine Exemplar im
3) Olympia III, 26 ff. Abb. 27, 28. Taf. 5. Louvre hält Pottier für ein Räucherbecken.
4) Ath. Mitt. 1892, 41. Taf. VII. 7) Cat. of Vas. Brit.Mus. I, 2 pl. XVIII H. 198 hat
5) Es sind sogar wohl die ältesten Beispiele dieser sie noch bis zum Becken hinaufreichend ; Vases du
!■
Louvre IC 657 nur noch bis zur halben Höhe, und
Curtius, Münchner Jahrb. f. bild. Kunst 1913, 18) so sehr oft. Bei Montelius, Civ. prim. Taf. 323, 3,
Kunstform auf griechischem Boden, wenigstens 330, 7 fehlt sie ganz.
Iß8 Karl SchwendemaoD, Der Dreifuß.
man gibt dem Gerät eine Form, welche den tektonischen Sinn der auf einen Unter-
satz gestellten Schale hat.
Die formengeschichtliche Betrachtung verlangt, hier noch verschiedenes an-
zuschließen, was nicht im unmittelbaren Zusammenhang der eben aufgezeigten
Entwicklung steht, aber doch nicht von ihr getrennt werden kann.
Der »Dreifuß von Kamarina«') (Beil., Abb. 30) hat die Benützung von vier^)
Frauengestalten als Trägerinnen mit den eben besprochenen Monumenten gemein.
Es fehlt jedoch die Mittelstütze und die Basis; ferner ist das Becken nicht fest ver-
bunden, sondern ruht frei auf.
Ein stilistischer Vergleich der Korai der »Steindreifüße« mit denen des Drei-
fußes von Kamarina hat folgendes Ergebnis: Bei den Steinbecken ist die weibliche
Figur, wie sie uns etwa in der Nikandre von Delos entgegentritt, als Stütze verwendet,
ohne jede Veränderung und Anpassung. Auch die Figur von Kamarina steht mit
beiden Füßen fest auf. Aber beide Arme hat sie erhoben und faßt nach den Voluten
über ihrem Haupte, auf denen die Last ruht, und die als vermittelndes Glied zwischen
Figur und Kessel eingeschoben sind. Durch die ganze Gestalt geht eine leise, kaum
merkliche Bewegung. Sie scheint zu balancieren. Sehr gut paßt dazu die Bewegung
der Hände, die nur leicht mit der Innenfläche der Finger die Voluten berühren nicht
energisch stützend zufassen. Auch die schön geschwungenen Voluten selbst, welche
die auf ihnen ruhende Last vom Kopf der Figur nach den beiden Seiten verteilen
— eine Gestaltung zu der gewiß Spiegelstützcn Vorbilder waren — , tragen zur Ruhe
und Selbstverständlichkeit der Figur bei, welche in den einfachen Linien ihrer Ge-
wandung ebenfalls die stützende Funktion ausdrückt. Das ist hier viel zweckent-
sprechender als bei den Karyatiden vom Schatzhaus der Knidier in Delphi 3), welche
das fiir die freistehende Figur erfundene Motiv des Gewandlüpf ens einfach über-
nehmen, ohne daß es dem Künstler in den Sinn gekommen wäre, wie dadurch eine
ganz widersprechende Note in die Bewegungslinien der Gestalt hineinkommt, durch-
aus nicht passend zu ihrer tektonischen Aufgabe.
Es ist lehrreich hier noch ein anderes Werk aus späterer Zeit anzuschließen. Drei
weibliche, nackte jugendliche Gestalten erscheinen als Trägerinnen an einem römischen
Monument 4). Von einer runden Basis erhebt sich erst schmäler werdend, dann sich
nach oben ausbreitend, eine halb ornamental, halb architektonisch stilisierte Stütze,
') Mon. d. Line. XIV 1904, yögff., Taf. 46. Die mag bezweifelt werden. Sie wurde offenbar ge-
Stelle bei Herodot IV 152 über das Weihge- wählt nach Analogie der vier Widderköpfe am
schenk der Samier nach der glücklichen Tar- Bronzebecken von Leontinoi (Winnefeld, 59.
tessosexpedition wird nicht mit Unrecht für Berliner Winck.-Progr.). Aber das ist ein Fehl-
dieses Gerät angezogen. Wenn die Samier Schluß. Denn der Kessel von !a Garenne (Olympia
xpets xoXodSoüs iiiTar.Tiyzoii als Stützen eines IV, S. 115) hat vier Greifenprotomen, während
Kessels verwenden, zeigt das, welch mächtige der Untersatz dreifüßig ist. Das Weihgeschenk
Dimensionen in jener alten Zeit hierbei vorkamen. der Samier hatte ebenfalls drei tragende Figuren.
Eine knieende vollständige Figur einer Gor- 3) Bull, corr.hell. 1899, Taf. 7, 8; 1900, 6, 7; Fouilles
gone als Trägerin erwähnt Furtwängler, Olym- de Delphes II, Taf. 11; IV, Taf. 18 ff.
pia IV 137. 4) Gusman, L'art d^corat. de Rome. Taf. 97.
=) Ob die Ergänzung mit vier Figuren richtig ist,
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
139
die ein rundes Becken trägt. Auf der Basis stehen rings um die Stütze drei Mädclien,
welche nach innen gewandt mit erhobenen Händen das Becken oben zu stützen
scheinen, also dasselbe Motiv wie am Dreifuß von Kamarina. Aber wie ganz anders
aufgefaßt und gestaltet! Seitdem hat die Kunst gelernt der plastischen Form jedes
Bewegungsmotiv mitzuteilen. So stehen die drei Mädchen in anmutsvollen, lebendigen
Bewegungen da und fassen nach dem Becken hinauf. Der Künstler hat sie nicht
zu Trägerinnen machen wollen, sondern er wollte drei schöne Mädchenkörper in
reichster Verschlingung anmutsvoller Linien zeigen. Zugleich erreicht er damit ein
Höheres. Wie die Figuren an den alten Werken faktisch die Last tragen, so erwecken
hier die um den Träger des Kessels spielenden, fluktuierenden und schillernden Linien
und Flächen das Gefühl der Leichtigkeit, des Gehobenseins. Dieser Künstler hat also
mit dem Schein den Eindruck der Wirklichkeit erreicht.
ANHANG.
DIE DREiFUSSSTATUEN.
Wie man sich die sogenannten Dreifußstatuen vorstellen muß und welcher
Ursache sie ihre Entstehung verdankten, ist in verschiedenem Sinne erörtert worden.
Die ältesten Statuen, von denen wir wissen, sind die unter drei Dreifüßen von
Amyklai, welche von Gitiadas und Kallon geschaffen waren (Pausanias HI 18,8).
Beide Künstler gehören in die zweite Hälfte des VL Jahrhunderts (Pauly-Wiss. VH i,
1371). Schon diese Statuen wurden verschieden aufgefaßt. Curtius (Ges. Abh. H 280)
meinte: »Man hat keinen Grund sich hier etwas anderes vorzustellen, als zwischen
den Dreifußbeinen frei stehende Figuren, welche dem Geräte eine religiöse Weihe
zu geben bestimmt waren, ohne in die tektonische Konstruktion als Glieder eingefügt
zu sein«. E. Reisch (Pauly-Wiss. V 2, 1691) denkt sich die Dreifüße so gestellt, daß
zwei Beine vorne sind und zwischen ihnen die Statue »als außenstehender Träger,
als Ersatz von Bein, nicht der Mittelstütze«, nach Analogie etwa des Steindrciiußes von
Oxford (J. H. St. XVI 1896, 279 ff.) und verwandter Dinge, eine mißliche Annahme
wie mir scheint. Man könnte sich in diesem Falle die Dreifüße doch nur in einer
Nische aufgestellt denken mit einer Schauseite — dafür fehlt aber jede Analogie —
oder man müßte immer drei Statuen postulieren. Welchen tektonischen Sinn eine
hätte, ist nicht zu verstehen.
Das Richtige wird vielmehr sein, sich die Statuen unter der Mitte des Kessels
zu denken. Freistehende Statuen mit einem Becken auf dem Kopf sind uns aus
archaischer Zeit noch erhalten (z. B. Rom. Mitt. XII 1897, Taf. X; M. Mayer, Apulien
Taf.32,1. Jahrb. d. Inst. 191 o, 184. Abb.9— II ; Apulia III, 1912, Taf. 14. Br. Mus.
Cat. Terracottas B 1 34. Abb. 20), so daß also die Verwendung von Statuen als Kessel-
träger gesichert ist. Aber auch sonst finden wir ja die weibliche Gestalt als Träger
vielfach verwendet schon im VI. Jahrhundert, an Werken der Kleinkunst noch früher.
Nach solchen Analogien müssen wir uns die Dreifußstatuen von Amyklai vorstellen,
vielleicht mit dem Kalathos auf dem Kopf.
MO
Karl Schwendemann, Der Dreifuß,
Dem widerspricht die Pausaniasstelle III, l8, 8 nicht: Tou? 8k dpyaio-zipooi
(seil. Tpiirooa?) Sexatr^v t&u itpo? MsaarjVt'ous iroXsp.ou 'ftxaiv. Twi }ikv Syj xu> irp<uTq)
Tpt'irooi 'AtppoStTTj? aYotXjia Idnijxst, 'Aptsfitf 81 unö Tip 8suT£p(j), 6 xpitoj 82 Itciv
Ai-{ivri-mii KaXXtuvo;. Tit^ tdutw 8k aYotXfta Kopij? t^c ArjtxrjTpo; Suttjxsv. Nach Pau-
sanias waren es also drei Göttinen, welche in diesen Dreifußstatuen dargestellt
waren. Stellen wir uns diese alten Dreifußstatuen als richtige Trägerinnen vor, so
können es keine Göttinen gewesen sein, wenigstens keine drei verschiedenen. Aber
wie kommt Pausanias dazu sie als solche zu bezeichnen und sogar ihre Namen zu
nennen? Er fügt bei keiner eine nähere Beschreibung bei, aus der etwaige Attribute
deutlich wären. Sein Bericht beruht auch keinesfalls auf einer literarischen Quelle.
Er bezieht sie ausdrücklich auf den messenischen Krieg i), was aus chronologischen
Gründen (Kallon und Gitiadas gehören ins VI. Jahrhundert, Pauly-Wiss. VII i, 1371,
X 2, 1757) nicht richtig sein kann, so daß also die ganze Stelle stark in ihrer Glaub-
würdigkeit herabgesetzt wird. Pausanias wird eben da wie so oft nicht seine eigene
Ansicht, sondern die seiner Führer angeben.
Also zu Pausanias Zeiten galten jene Dreifußstatuen als Aphrodite, Artemis
und Kora. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sie dafür schon am Ausgang des V. Jahr-
hunderts galten. Als die Spartaner nach der Schlacht von Aigospotamoi, nach der
endlichen Niederwerfung ihrer größten Gegnerin, den Göttern ihren Dank zum Aus-
druck bringen wollten, da weihten sie zwei Dreifüße und unter jedem eine Statue und
stellten sie offenbar direkt neben jenen alten Dreifüßen auf, wie aus der Erzählungs-
weise des Pausanias hervorgeht. Das alles offenbar aus folgendem Grund. Die alten Drei-
füße mit Statuen imAmyklaion galten schon damals als geweiht aus dem Zehnten der
Beute nach endlicher Besiegung der Messenier im ersten messenischen Krieg, der die
Existenz Spartas gefährdet und schließlich seine Suprematie im Peloponnes zum
ersten Male besiegelt hatte. Was war da natürlicher, als daß man jetzt nach endlicher
Niederwerfung Athens, ein ähnliches Weihgeschenk aufstellte, wie es die Ahnen einst
getan, um dem Bewußtsein Ausdruck zu geben, daß man den jetzigen Sieg dem der
Väter gleichstelle? (Vgl. auch Robert bei Pauly-Wiss. V l, 1371.)
Es bleibt zu untersuchen, wie man gerade auf die Namen der Aphrodite, Artemis
und Kora kam. Die Griechen nannten unsere Karyatiden -/öpai, Mädchen. So
mußten also auch unsere Dreifußstatuen in alter Zeit geheißen haben. Als man sie
taufte, konnte eine den alten Namen behalten; dann war sie eben xopr^ xfj? AT5[ir,Tpo?.
Für die zweite konnte daim in Lakonien nur Artemis in Betracht kommen; denn sie
ist von allen lakonischen Göttinnen die volkstümlichste und am meisten verehrte. Die
dritte konnte beliebig benannt werden. Man nahm Aphrodite, vielleicht weil sie
auf dem amykläischen Thron mit Artemis vereinigt war, vielleicht auch weil die
Kythercia (Röscher, Lex. II, 1770) den Einwohnern Lakoniens besonders nahe stand.
Haben wir die alten Dreifußstatuen von Amyklai als ursprünglich xopai er-
kannt, dann stehen sie unserer These von der aus rein künstlerischer Erwägung er-
folgten Verwendung der Dreifußstatuen als Mittelstützen nicht mehr im Wege.
') An einer späteren Stelle (IV 14,2) erzählt er dasselbe als Tatsache ohne tfa'fv.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. iai
Es scheint doch auch mit dem Geiste der archaischen Kunst wenig vereinbar, daß sie
eine Großplastik ') frei zwischen die Dreifußbeine gestellt haben sollte. Bemerkens-
werterweise wissen wir ja auch später nur von weiblichen Statuen unter Dreifüßen
(Reisch, Pauly-Wiss. V 2, 1691).
TEIL II: TERMINOLOGIE. BEDEUTUNG IN LEBEN UND KULTUS.
Die formale Betrachtung der Dreifüße führte zu einer Klassifizierung der ein-
zelnen Typen und ihrer Entwicklung. Bevor wir zur Untersuchung des religions-
geschichtlichen Materials übergehen, müssen wir versuchen, die Namen für die einzel-
nen Typen festzustellen. Hier ist den Alten und Neueren aus Mißverständnissen
und Unkenntnis der in Betracht kommenden Formen mancher Irrtum unterlaufen,
worauf im folgenden einzugehen sein wird.
Als Bezeichnung für die niederen Untersätze wird mit Recht allgemein Tpi-
iroSioxo?^) angenommen, und natürlich kann mit demselben Recht xpi^oSiov gesagt
werden. Ebenso hindert nichts, auch die verschiedenen Ausdrücke für Untersatz
für sie in Anspruch zu nehmen.
Zu den Untersätzen gehören auch die Stabdreifüße. Es gibt eine ganze Anzahl
von Ausdrücken. Der gebräuchlichste ist l^ifuOv^xTjS). Suidas s. v. : (jxsüo? ti irpöc tö
xpar^pa? Tj Xspr/xa? rj Tt TOtoÖTOv oöx dXXoTpiov iTttxEid&oi kmzrßeirtv. Vgl. Etym. mag.
308, 56 i-^^ob-q-Kri • 2xsu6? Ti • o[ 8s «^70? j^wpTjttxöv tjxeuüjv. ■>) Trjv v5v dffo&ijxrjv. Ttapöt
To iif'Ji xeTaOai.
Eine nähere Erläuterung dazu gibt Athenaios V 210 c. fj Ss utc' 'AXeSavSpscuv . . .
xaXou(iev/j dY^oör^/Tj xpqujvoj laxi xata fissov xotXr], 5£j(S(jDat 5uvatj.svir) evTif>£jj.svov xspafxiov.
ej(ouai 8q xauTTjv o? [isv Trevyjxe? SuXivrjv, ol 8e itXoucrioi yakyäiv TJ dpfupav.
Die Definition des Suidas ist ganz allgemein; ein Gerät, um Kessel darauf zu
stellen. Darunter können die niederen und hohen Untersätze, also xpt7ro8t'(Jxoi und
Stabdreifüße, und ebenso jedes demselben Zweck dienende Gerät wie die archaischen
vollen Untersätze verstanden werden. Die Definition des Athenaios betont die Drei-
seitigkeit und sagt, daß die Armen das Gerät aus Holz und die Reichen aus Erz oder
Edelmetall hatten. Dabei denkt man zunächst an eine dreiseitige hohe Holzplatte,
») Etwas anderes ist die Verwendung von kleinen panos, Dodone XXIII 2) TepiJdxXrj? ru'i Atl Naitp
menschlichen Figuren, sogar in lebhafter Bewe- ^«'{iiiiSo« dv^Sjjxs.
gung, als Stützen von Thronen auf dem unteren Für die niederen Untersätze sind jedenfalls
Querholz (B. C. H. 1906, 506), wovon das be- auch die in eleusinischen Tempelinventaren vor-
rühmteste Beispiel die Tötung der Niobiden kommenden Xeovxoßassis zu beanspruchen
• durch Apoll u. Artemis an den Schwingen des (Furtw., Olympia IV 136), wenn damit nicht jene
Zeusthrones zu Olympia ist (Paus. V 11,2), schon im VI. Jahrhundert nachweisbaren drei-
wenn man dafür auch wohl Reliefbildung an- beinigen Becken (s. o. S. 100 f.) gemeint sind, wie
nehmen muß. wohl bei Aischylos Frg. 225. xal vtexpa 8^ XP^
') Sie waren beliebte Weihgeschenke, wie ihr häuft- Scoafäpujv ttoSiüv -^epsiv XsovxopäfKov noü axä-fi;
ges Vorkommen in den Fundschichten der Heilig- yaXxi^Xaxo;.
tümer beweist. Auf einem aus Dodona steht sogar 3) Auch ii-cjodii-/.Ti kommt vor: Lukian, Lexiphanes
noch die Weihinschrift (Roehl I. Gr. A. 502. Cara- c. 2.
142
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
die in der Mitte ein Loch hat. Aber die Ausdrucksweise des Athenaios, besonders
wenn er sagt, die Reichen hätten das Gerät aus Erz oder Silber, braucht nicht zu
besagen, daß er eine Form im Auge hat, sondern nur, daß das Gerät dreieckig ist
und in der Mitte xoiXtj, und kann daher auch auf die Stabdreifüße bezogen werden.
Das wird bestätigt durch Athen. V 210 a. Es wird eine Rede des Lysias angeführt,
in der eine '/a\^^i ^TT"^'^'") genannt wurde und von der es hieß: Ttspumv 5s iTrtaxsuöaoti
aÖTr)v ß&uX6(j,svoj iSeStuxa ek zh j^aXxeiov iaxl ^dip auv&sf»] xai Saxupeuv e^^ei «poaojita xai
ßouxe^oXia. Hier ist zum mindesten von einem Gerät gesprochen, das komplizierte
Formen zeigte, nicht so einfach, wie man nach 210 c etwa annehmen könnte. Man
meint geradezu von einem Stabdreifuß sprechen zu hören, der auch auvÖsToj ist und
besonders oft aoTuptuv Trpoacuir« aufweist. Man wird kaum einen Gerättypus finden,
auf den man die Stelle eher beziehen kann, als auf die Stabdreifüße.
199c erwähnt Athenaios Xsßrjxe? ii: ii-^ob-fiy^aii;. Mit demselben Wort wird 21 ob
der berühmte Untersatz des Glaukos von Chios bezeichnet: " H-jijaavSpo; 8s 6 AsXcpö; . . .
rXauxou (prfll xoGl Xtou zh Iv AsX^oi? ujroatrjjxa oTov i-c(i>brj-Kriv xivi aiSr^päv. Zugleich
begegnet hier ein neues Wort uicoüTrjjia. Dasselbe nennt Pollux X 46 aus den attischen
Demiopraten: XootT/ptov xai uTtöatatov. Mit anderer Präposition begegneit es in
attischen Inschriften als imazazo;, k-Kiuzdzr^i, uTtodTatr)?'). Ein sehr beliebtes Wort
für Untersatz ist oiroxprjxrjpt'Siov, das durch die Inschrift von Sigeion I. G. A. 492,
vgl. C. I. G. 2139, II und eine Vaseninschrift aus Naukratis, Dittenberger Sylloge^
750 schon für das VI. Jahrh. belegt ist und das Herod. 1 25 von dem Werk des Glaukos
gebraucht. Dasselbe nennt Paus. X 16, i uTOÖTjfta. Alle diese Bezeichnungen müssen
auch auf die Stabdreifüße bezogen werden. Denn sie dienten besonders in archaischer
Zeit hauptsächlich als Kesselträger. Wir können also nicht sagen, daß die Stabdrei-
füße in der Terminologie von den anderen Geräten desselben Zweckes unterschieden
worden seien ^).
Das ist nur der Fall, wenn sie als xpi'TroBe? bezeichnet werden, wobei dann
natürlich Verwechslungen mit anderen Formen der Dreifüße möglich sind. Ein
Stabdreifuß mit Kessel wird bei Hesiod "Epfa 533 ff. zu einem Vergleich beigezogen:
Toxe 8t) xpiiroSi ßpoxoi Taoi, ou x' ^7:1 vüjxa eafs, x«'p>j 8' efj ou6af opäxai • xw fxsXol «oixcöoiv,
dX8uo(A8vot vt'^a Xsoxi^v. Das Gestell, der eigentliche Stabdreifuß, ist hier zd vSxa,
^der Kessel xo xdp-q genannt und gedacht ist hier an ein Gerät, dessen oberer Ring zer-
') Boeckh, I. Gr. I. S. 20, auch !jjr(5aTT)(ia C. I. Gr. I.
989 b, 991 b.
') Auf dem »M;uitheos«-Rclief in Wilton House
(zuleut Preuncr, Arch. Jahrb. 1920, 76 fr.; ein
ähnliches Relief in Rom: Helbig-Amelung,
Führer IJ, 972) steht vor einem Sitzbild des
Zeus auf dreibeinigem Gestell ein Kessel, in
den ein nackter Jüngling die Hände streckt.
Es ist ein Weihwasserbecken, wie sie vor den
Heiligtümern standen und zugleich die Grenze des
heiligen Gebietes darstellten (Pollux 18 tiTj o'üv
ö (A^v tum -cpippavTTjpftuv x6r.oi Svöso;) und
Ttiptppavf^piov oder ditop. genannt wurden. Vgl.
auch Milet Heft III (1914) S. 409. Inschr. aus
dem Jahre 7 v. Chr. Zeile 13: jrepipavT:^pta S'lo
^v T(j) vaijJ TOÜ '.AwiiXXiuvo; toü AiSupiimt. Das la-
teinische incitega ist nach dem griechischen
l^yuäi^xirj gebildet. Saalfeld, Tensaurus italo-
graecus gibt dafür folgende Definition: „Das
durchlöcherte Gestell, auf welches die unten spitz
zulaufende Amphora gestellt wurde"; vgl. Paul.
Diac. p. 107, 3 incitega machinula, in qua con-
stituebatur in convivis vini amphora, de qua sub-
inde deferrentur vina.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. 145
brechen ist, so daß der Kessel auf einer Seite herunter sinkt, und das Ganze wird
den Menschen verghchen, welche tief vorne übergebeugt vor dem ihnen entgegen-
wehenden Schnee sich decken.
Semos und Philochoros bei Athen. 37 e ff. bezeugen den Gebrauch des Wortes
Tpiitoof für Stabdreifuß mit Kessel. Es wird da auseinandergesetzt, daß die Trunke-
nen die Wahrheit enthüllen und auch andere dazu veranlassen. Daher komme das
Wort des Alkaios oTvo? xal dXrfizitx, daher (offenbar weil in ihm der Wein gemischt
wurde) sei der Tpiitou? dionysischer Siegespreis. Dann heißt es: xai fap ex tpiTroSoc Xe^eiv
(pajisv xous akrfieoovzai' Sei 6i vostv tpiTroS« to5 Atovuaou xöv xpat^pa. fjV fip xh dpycdov
860 flvT] TpiTToStuv ou? xaXetsöat Xsßrjta; duvsßaivsv d(icpoTs'pou? liiitopißTjTr)? 6 xai Xoexpoj^oo?.
AXaypKoi (Frg. I N.) tov fifev rptTtooc IMZolz' ofxEto? Xeßr); del cpuXddCHuv t)iv uirsp Ttupb?
oiTdatv. 6 81 iTspo? xpaTY]p xaXoufievo?. 'Ojirjpof (I 122)' »Si^t' (XTrupous tpiTtoSas". iv tou-
Toi? 8s TÖv olvov Ixipvojv • xat ouTo? luTiv 6 xrfi aXT)9sia? TpiTtoo?. 8tö ' AttoXXcuvo; (isv
o^xeToi; 6t(i tyjv ix (jiavTixT); a^ösiav, Atovuaou 8k 8i(i ttjv Iv (a^ötq. Sr^pios 8' 6 AijXtot
(pTjot (F. H. Gr. IV 494) »TpiTToof yakxoöi, oö/ 6 RuDixoc, dW 8v v5v Xsßyjxa xaXoüaiv.
ouxoi 8' fjOav 0" (xkv aTtopoi, dt ou? xöv oTvov etdsxspa'vvoov, oT 8e Xoexpoj^ooi, Iv ok xö
58u)p lOspfiaivov, xai ^tiTruptßfjxai".
Athenaios sagt also, der Dreifuß des Dionysos sei ein Krater und derselbe, der
bei der Wendung dx xprao8oc Xsfsiv gemeint sei, zu derselben Gattung gehöre
auch der dX^iÖEi«; xpiitou?, der Apollon heilig sei. Da nun nur die Stabdreifüße als
Mischkessel verwendet wurden, so geht aus der Stelle hervor, daß sich Athenaios,
wenn überhaupt etwas, einen Stabdreifuß als Dreifuß des Apoll und Dionysos
vorgestellt hat. Jedenfalls setzt er xpinou? und xpaxTJp gleich und glaubt, die xpiitoSe?
aTTopoi Homers seien zum Mischen des Weines bestimmt gewesen.
Diese aus Homer entlehnte Unterscheidung der xpmoSss aTtupoi von den
xp. l(i.7ruptßT,xai oder Xosxpo)(6ot findet sich ebenso bei Paus. IV 32, i : xsTvxai 8e xai
apj(aTot xptuo8es* aTrupou? aöxou; xaXsi "Ojiripo?. Auch Hesych. s. v. xpi'irou?
und Apollonios, Lex. Hom. s. v. xpiro8a? kennen sie. Von den Alten haben die
Neueren diese Unterscheidung übernommen, so Hermann-Blümner, Griech. Privat-
altertümer 3 (1882) S. 168, 6, ebenso Wieseler, Über d. delphischen Dreifuß (Abh.
d. Gott. Ges. d. Wiss. XV 1870); und noch in der neuesten Zusammenstellung über
Dreifüße bei Daremberg-Saglio V, 474 ff. findet sie sich. Die so entstandene Verwir-
rung besonders deutlich bei Boucher-Leclercq, Histoire de la divination III, 89, A. 2.
Um zu prüfen, ob jene Unterscheidung zu Recht besteht, müssen die einschlä-
gigen Homerstellen betrachtet werden. Das Wort i[X7rupißi^xrj? kommt bei Homer
nur einmal vor: II. XXIII 702 x(j) (lev vixVjaavxi [xs^av xpiTO8' IfiTruptßT^xrjv übers,
von Ameis-Hentze »im Feuer stehend d. i. bestimmt über das Feuer gestellt zu werden«.
Öfter begegnet Xoexpo/oo;, aber nicht als stehendes Beiwort, sondern im Hinblick
auf die jedesmalige Situation. Der Dreifuß soll übers Feuer gestellt werden, um
Osp(i(i Xosxpa zum Bade zu bereiten II. XVIII 344 ff. (darnach wörtlich Od. VIII435).
An solchen Stellen heißt der Dreifuß meist [is^a? (auch II. XXII 442, XXIII 40, Od.
X 358), und der Zweck ist substantivisch oder verbal ausgedrückt. IL XXII, 442
sind 0sp(i4 Xoexpa genannt für Hektor; II. XXIII 23 soll für den Peliden Wasser
I^^ Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
zum Xouaaaöai gerichtet werden. Also kann aus diesen Stellen nur bei oberflächlichem
Hinsehen gefolgert werden, daß lniruptßTJTT)? oder XosTpo^oo? auf eine besondere
Gattung von Dreifüßen geht.
Ebenso steht es mit dem Wort aTtopoj. Es bedeutet »noch nicht auf dem Feuer
gewesen, noch ungebraucht«, nicht etwa '>nicht bestimmt, über das Feuer gestellt zu
werden«. II. IX 122 zählt Agamemnon unter den Geschenken für Achill litx' ditu-
poüc TpfcoS«? auf; ebenso IX 264. Achill erwähnt II. XXIII 267 ff. als Kampfpreis
bei den Leichenspielen des Patroklos: «utip xtj) Tpixatq} aitupov xateÖYjxs Xeßrjta
xoXiv Tsaaapa [isxpa xejfovSota Xeoxiv iö' auTtoc; das Xeuxo« zeigt deutlich, wie aitupoc
gemeint ist. II. XXIII 885 kommt das Wort auch wieder bei Aufzählung von
Kampfpreisen vor. II. XXIII 270 wird es in anderer Form als äirupwto; von einer
(ptot'Xrj gebraucht. Ganz besonders beweisend ist aber ein Fragment des Alkman 33 B;
17. Crusius. xal itoxa xoi 8u>3(u xptuoSo« xuxoj, (^ x' Ivi (aixi' dok)k€ d-ysip-Q?- dXX' 2x1
vöv 7' ttTcupo?, xa}(0 6s itXeo? exveo«, ...
Die alte immer wieder aufgenommene Unterscheidung der xpinoSs« in awupoi und
i|xituptßT|Xat ist also in den Homer hineingetragen und durchaus hinfällig. Es muß
vielmehr festgehalten werden, daß wir bei Homer nur immer Kesseldreifüße anzu-
nehmen haben. Keine Stelle verlangt anzunehmen, daß das Wort xpi'irouf auch Stab-
dreifuß bedeutet. Der Dreifuß ist bei Homer stets das, was er seiner Entstehung nach
ist, Kochtopf. Er wird über das Feuer gestellt. Reisch (Pauly-Wiss. V, i, 1670) hat
die Vermutung ausgesprochen, daß er zuweilen auch als Mischkessel gedient haben
könnte, mit Hinweis auf II. XXIII 264, wo ein xpiitoo? Sutoxaistxoatfxsxpo? genannt
wird, und II. XVIII 374, wo von Dreifüßen des Hephaistos gesagt wird, sie seien
bestimmt laxotjisvat itepl xot^ov iüaxafteo? [ie-^apoio. Aber für die erste Stelle genügt
es, auf II. XXIII 267 ff. hinzuweisen, die zweite wird durch die Erwägung, daß
zu allen Zeiten kostbares Hausgerät auch als Zierde des Hauses verwendet wurde,
erledigt. Maßgebend für diese Frage und die Betrachtung der Homerstellen be-
stätigend sind die Denkmäler. Öfter erscheinen auf Vasenbildern Stabdreifüße mit
Krateren; ebenso Kesseldreifüße über dem Feuer stehend '), nie aber sieht man
einen Kesscldreifuß als Krater verwandt." Man darf auch nicht annehmen, Semos und
Philochoros hätten in der oben zitierten Athenaiosstelle »reale Verhältnisse vor Augen
gehabt, wenn sie dreibeinige Xeßyjxe? auch als Mischkessel verwendet sein lassen« 2).
Wie wenig auf sie zu geben ist, hat die nähere Betrachtung gezeigt. Das Zitat ergibt
vielmehr nur, daß die Späteren die zwei hauptsächlichen Typen von Dreifüßen bei
Homer finden wollten und daß sie mit dem xpi'itouj aitupo? -eben den Stabdreifuß mit
Krater meinten.
Übrigens wird xpiicoo? und Xißij? schon früh für dasselbe Gerät gebraucht. Auf
einem attischen frühschwarzfig. Vasenbild 3) mit Darstellungvon Kampfspielen stehtals
Kampfpreis ein Kesseldreifuß zwischen den Personen und darüber liest man XsßTj?.
') Z. B. auf einem streng rotfigurigen attischen ebenso Gerhard, A. V. III 158,2; Pottier, Vases
Stamnos in Berlin mit der Aufkochung des Wid- du Louvre F 372 Taf. 86.
ders durch die Töchter des Pelias, Furtw. 2188; ^) Reisch bei Pauly-Wiss. V i, 1670.
3) J. H. St. XIII Taf. 12. Graef, Akropolisvasen Taf.27.
Karl Schwendemann, Der DreiruS. 145
Aischylos Frg. I sagt: ■zhv (ikv tpiitoo? ISsJar' o?xetoc ^i^-q^ dsl <poXäaamv tyjv uirkp
Ttupoi aiaatv und Hesych s. v. XsßYjc ^(dXxsio? iroSovintrjp, xptirouj. Man kann daher
zuweilen im Zweifel sein, ob mit Xeßr)? ein Kessel auf Untersatz oder ein Kessel-
dreifuß oder nur der Kessel des Kesseldreifußes allein gemeint ist ').
Für TptTTou; begegnet auch xpiTto? IL XXII 164. Hes. Scut. 312, Lentz, Herod.
rel. I 187 3, II 66 38, 593 24, 704 18 ; vgl. Eustath. z. Ilias 1264 26. Auch xpiiroSir)?,
das ursprünglich drei Fuß lang bedeutet (Hesiod. op. 423 ff.) wurde von Späteren
= TptiToo? gesetzt. Röscher, Lex. Uli, 739; vgl. Lentz, Herod. rel. I 63 18. Der
Kessel des Dreifußes heißt ^daxpa (II. XVIII 348, Od. VIII 437), auch xuxo? Alkman
Frg. 33 B, Eurip. Suppl. 1202. Die Henkel nennt Homer wx«. So heißen auch später
noch die Henkel von Krateren, z. B. in delischen Tempelinventaren B. C. H. VI, S.
46, 47-
Das lateinische tripus, dem Griechischen entlehnt, bedeutet adjekt. dreifüßig,
subst. ein dreifüßiges Geschirr, Dreifuß, im besonderen den der Pythia zu Delphi.
Es kommt dafür auch die Nebenform tripoda, -ae vor 2).
Dem XsßrjS entspricht das lateinische cortina. Es ist die »Bezeichnung eines
Gefäßes, ohne daß sich der Begriff nach Form, Material oder Gebrauch näher be-
grenzen ließe. Meist erscheint cortina als Kochtopf. Poetisch heißt cortina der Dreifuß
des Apoll, eigentlich das auf demselben ruhende Becken 3) «.
Bevor wir zum Dreifuß des Apoll übergehen, der zu den Kesseldreifüßen gehört,
müssen die Tischdreifüße behandelt werden.
Der eigentlich griechische und etruskische Speisetisch, welcher mit der Sitte
des Liegens beim Mahle aus dem Osten kam 4), heißt xpdirsC«, xpdiz&^rx xptTtouj
oder xpKjxsXij? 5). xpaireCa ist verkürzt aus xexpdTtsC« Vierfuß*). Damit stimmt,
■) xpfnout kommt auch für den Kessel eines Drei- mälem nicht ganz. Auf einem bronzenen Gerätfuß
fußes vor. Wenigstens scheinen die auf das pla- der Bibl. Nat. zu Paris (Babelon-Blanchet 582)
täische Weihgeschenk bezüglichen Stellen keine stehen Herakles und Apoll im Kampf um d3n
andere Deutung zuzulassen. Herod. IX 81 sagt . . . Dreifuß, der hier ein fußloser Kessel ist. Schwei-
6 Tpfitou; 6 ypüjEo; (ävet^B)) 6 im toO tpixa- gen darf man von den verschiedenen Etymo-
pi^vo'j otpio; Toü 3(aXxiou; Paus. X, 13, 5 nennt logien mehrerer Scholiasten: Varro, Ling. lat.
das Weihgeschenk jjpuioüv xp(7ro8a !p«fxovxt im- VIT 48; Schol. Lucan Phars. V 152. Hygin, Fab.
xefpiEVOv )faXx<Ji; Diodor XI 33,2 nennt es j(pu- 140. Servius zu Aeneis HI 92, VI 347, daß
ooüv XQlnoha. Aus der Ausdrucksweise des He- nämlich der Dreifuß des Apoll deshalb cortina
rodot wurde gefolgert, daß die Beine des Drei- heiße, weil in ihm das Herz des Python (cor) be-
fußes auf den drei Köpfen aufgestanden hätten. graben sei oder weil er mit der Haut des Python
Die Schlangenleiber waren aber Mittelstütze. (corium) bedeckt sei. Folgerichtig sah man dann
Bei der Größe des Monumentes können aber den Dreifuß als das Grab des Python an, Hygin
die Beine des Dreifußes nicht aus Gold gewesen a. a. O. Servius III 360.
sein. Es bleibt also nur übrig, daß Herodot mit 4) Dragendorff, Thera II 107.
xpteous den goldenen Kessel, der wirklich inl 5) Blümner, Arch. Ztg. iSSi, 183.
xoü xpixapi^vou ffcptoc lag, bezeichnete. Pausanias ') Etym. magn. 763, 38 xpiitefa: xaxoi ai7:sPoX7)v
und Diodor haben den Ausdruck dann über- t^{ xk O'jXXaß?)« TETpiiteC'i xisüapas ni^at lyoMua •
nommen. " al fiip xüiv jtaXatüiv xpcijteCai XExpa'yuivoi r^oav.
') Saalfeld, Tensaurus s. v. Vgl. Etym. Gud. s. v. Die Böoter sagten xpiireja
3) Pauly-Wiss. IV 2, 1660. Ein solcher Ausdruck Lentz, Herod. rel. II S. 593, 23. Hesych,
durch pars pro toto fehlt sogar unter den Denk- xpmEtav x/jv xptiTretav Boiwxo^
1(6 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
daß diese Tische ursprünglich vier Füße hatten. Von diesem ist der kleine Rundtisch
zu unterscheiden, der assyrischen Ursprungs ist und auf Vasenbildern schon im VI.,
auf den Totenmahlreliefs seit dem IV. Jahrh. öfter erscheint. Er heißt oft tpiTtoui.
Durch Athenaios II 49 B wissen wir, oxi ' HcrwSo? iv K;^üxo? f ajj.(p . . . tpiiroSa? tac
TpairsCa? csTjtJi (Frg. 157 Rzach). Dasselbe sagt Pollux VI, 83; er zitiert X, 80
Stellen aus Aristophanes, Xenophon und Menander, um TpotTsCo und Tpiirou; in der
Bedeutung von Tisch zu belegen. Aus diesen Stellen geht deutlich hervor, daß Pollux
zwischen dem dreiseitigen griechischen Speisetisch und dem kleinen Rundtisch nicht
unterscheidet. So wenig wie Eustathios z. Ilias 740, 17 ean 5^ ■Kavzon lauiov Tpiirouv
siiteiv xai TpoTTsCav. Aus der bei Pollux auf die Belegstellen unmittelbar folgen-
den Erörterung ist deutlich, daß er immer den Rundtisch im Auge hat. Jedoch sind
seine Belegstellen nicht für den Rundtisch verwendbar, da aus ihnen nicht hervor-
geht, welche von beiden Tischformen gemeint ist. Höchstens kann man aus der
Menander-Stelle (Kock III, S. 73, Frg. 250), wo tpiTroSta genannt sind, schließen,
daß der Dichter an kleine Rundtische gedacht hat, als er das auch sonst vorkom-
mende Diminutiv xpiitoStov gebrauchte. Ähnliches wie von den Pollux -Zitaten
ist von Athenaios II 49 6 ff. zu sagen. Die Stelle aus Epicharm spricht von einem
TpiTtou? TexpaTtouc. Auch die Stelle aus Phylarchos bei Athenaios IV 142 d (F. H. G.
I 346), wo ein xpiitoo? als Tisch genannt wird, wie aus den Gegenständen auf ihm
hervorgeht, kann nicht mit völliger Sicherheit auf den Rundtisch bezogen werden,
wenn die Wahrscheinlichkeit dafür auch groß ist; denn es werden nur Trinkgefäße
auf ihm erwähnt. Die Rundtischchen wurden aber gerade nach dem Mahl zum Sym-
posion hereingebracht. Das zeigt eine Stelle bei Plutarch, Kleomenes XIII 26 ff :
djrapöeitjjj? os xr^? xpaTteCi^? ef(Jsxo[j.iCsxo xpiuouc xpaxTjpa xaXxouv e^tuv ofvou ixeaxiv xal
<ptaX.as dp'yupä? 8txox6>.ouj 8uo xai itoxrjpia xöiv ap-cupüiv öW-ja uavxaTtaatv. Hier ist ganz
deutlich die zpäTisCoi, der Speisetisch, von dem xpiiroo;, dem Rundtisch, unterschieden.
Solche kleinen Rundtische sind wohl auch bei Athen. V 198 cd. gemeint, wo in der
Pompa des Ptolemaios ein afa^fi« • Awvudoo Sexäitr^x" genannt wird, irpolxsixo 8e
a5xo5 xpaxY)p Aaxwvixö; }(pu(joü? fiexpifjxöiv SexaTCVTe xai xpiirou; }(pu(Jouf, icp' ou öu[iia-
xijpiov j(poaoCiv xai <pidkai 860 ^(podal xaasta; (leaxal xai xpoxou. Die ganze Beschreibung
erinnert an die Theoxenien, wo der Heros auf der Kline liegt, meist mit der Schale in
dpr Rechten, vor ihm ein Rundtisch und ein großer Krater auf der Seite, aus dem ein
Knabe schöpft. Man darf wohl annehmen, daß das a-yaXjia des Dionysos in der Pompa
des Ptolemaios nach diesem Typus gebildet war.
Sicher an runde Dreifußtische ist bei Athen. V 197 b zu denken: irapstsÖTiaav
8s xai xpfcoSe? xoi? xaxaxetjisvot?. /puaot 8iaxöatoi xöv äpi8(j.öv, Ä3x' elvat 860 xaxa xXivrjv,
dir' dpifupäv 8i£8ptuv. Der Umstand, daß je zwei xpi7ro8ej auf eine Kline kommen,
schließt aus, daß große dreiseitige Speisetische gemeint sind, von denen keine zwei
vor einer Kline Platz finden konnten.
Man sieht, wie allgemein der Gebrauch des Wortes xpi'ttoo? ist, und daß
man nur selten sicher sagen kann, welcher Gerättypus gemeint ist '). Die Unsicher-
') In einem Grabepigramm aus Smyma (Kaibel, öp^voist irapi^jiEvov i; tptXiJTTjTa xai fU ropd tpt-
Epigr. Graeca 312, 12 ff.) heiftt es: jfpuottetst iriSeaai xai djjißpoijiijoi tpair^Cai? ifii^uwi xaxa
Karl Schwendemann, Der Dreifuß,
H7
heit wird noch gesteigert, wenn man bedenkt, daß auch der Rundtisch ausdrücklich
als tpaTreCa bezeichnet wird; so bei Athen. XI p. 489 c, wo eine TpairsC« xuxXosi8y]c
genannt ist. Eine rpaireCot jxovoxoxXo? erwähnt Pollux X 81. An dieser Stelle sagt
er sogar: xal [xijv xal ra §7tiTi9e[j.eva xot? tptTtojt xpotTteCat xaXouviat, xai [xa-yiSe?, also die
runde Tischplatte, die etwa auf Klappdreifußgestelle wie beim großen Dreifuß des
Hildesheimer Silberfundes aufgelegt wird, heißt TpotueC«, ähnlich wie der Kessel
des Kesseldreifußes auch als pars pro toto mit Tpiwouj bezeichnet wird.
Tische wurden bei den Griechen und Römern im Kult häufig gebraucht. Eine
Scheidung zwischen Opfertisch und Altar im engeren Sinne ist nicht durchführbar.
In demselben Kult dient bald ein Tisch, bald ein Altar den gleichen Bedürfnissen').
Daher werden selbst metallene Opfertische zuweilen ß(ujj.oi genannt (Paus. II 17,6.
Lukian, irspl tt^s 2upirj? öeou 39). Schon Aischylos, Eum. 539, setzt einen Tisch
als Altar voraus, wenn er sagt, daß der Frevler dilscp uo8l mit gottlosem Fuß, also
durch einen Fußtritt den Altar (ßwjxos) der Dike umwirft (Usener, Arch. f. Rel. 1904,
322). Auf die gleiche Benutzung des Tisches als Altar geht seine Bezeichnung als
Oucupoc; Hesych s. v. xpaireCav ttjv t« Out) (poXotdacudav. Pollux IV 123 sagt, von
den Teilen des Theaters sprechend: im 82 ttj? axTjvTjS xal dfutsus exsiTo ßoujii? 6 itpö
xmv öupuiv, xal Tpa'irsC« TCE[i|xaTa sj^ousa, t] Ostuplf tuvojidCsto ri Outupt?.
Vereinzelt erscheint für Tisch auch [iaht's; Pollux VI 83 sagt, daß Sophokles
den Tisch so genannt habe; vgl. Pollux X, 81 xal [it)v xal tä lm-ci&sjj.8va xoTj -cpiitooi
Satxa 8eol cpfXov eisopotustv. Sind mit xpiicdSESSt
Stabdreifüße für Kratere, Kesseldreifüße, Rund-
tische oder gar Sitze, für die ja auch das Wort
Tpteout vorkommt, gemeint? Isidorus Etymolog.
XX 11,12 rechnet gar noch die Kandelaber unter
die Dreifüße und XX 8, 5 alles, was irgend drei
Beine hat.
") Pauly-Wiss. I, 2, 1676. Belege aus Inschriften
und Schriftstellern sind reichlich vorhanden.
Einige mögen genügen. C. I. A. 836 ab 23 iiA t})v
dvdSesiv xal itotijSiv rf]« xpaicifir);. ebd. 948 toü^Se
ir.i&ilaTO b Upo'fivxTj? tt/v xXfvnjv oxpiüaat xA
fiXouxtuvi xal xr)v xpaneCav xo!J(ATjcjat xaxa X7)V
(iavxt(av xoü Seoü. ebda. III i 74 iäv ii zu
xpctiteCav itXrjpij) xdi Seip . . . Ein Opferkalender
aus dem IV. Jahrhundert gibt für ein Opfer die
Vorschrift (CoUitz-Bechtel, Griech. Dialektinschr.
III I 3636 Z. 2): 6 hk lep£u{ xa8i^(j8(u itäp xäv
xpajt^Cav Bfia^ xäv ... xol Sc Upo7ioio( ixaxipm
tat xpajr^Ca;. Dittenberger, Sylloge 583, 7 ff. gibt
eine Beschreibung des Opfertisches und seiner
Umgebung xal Isxcv a6x6c 6 8eö{ im ßi^fjiaxoj
|iapfiap(vou xal if) itapaxei(ji^v7) xujJ 8iiü xpa'jtsta
X(8ou XEoß(ou Ej(ou3a r.6Zai dvaYXünxous fpünaj
xol i:p6 a6xT){ dßäxtov (iapjioptvov jrpöj x^v
^fpTJsiv X(üv SusiaWvxtov xal 8u(jiiaxi^piov xexpoi-
yiuvov. Eine Inschrift aus Orchomenos aus
hellenistischer Zeit, CoUitz-Bechtel II 1634 nennt
xpait^Ca? ypuo^as xoü Ai6(. Dionys von Hali-
karnass Antiq. Rom. II 50, 3, weiß zu berichten,
daß der König Tatius h iitacjais xat; xoupfats
"Hpif xpaTt^Ca« ^8exo Kouptx(8i Xtyopi^v^. Der Platz
an der xpciiteCa ist natürlich heilig, und Polybius
IV 35, 4 berichtet es als großen Frevel, daß
einige Leute niedergehauen wurden, itjpl xöv
ßiufiöv xal xTjv xpctirejav. Vgl. Dinarch III 2:
xal ^nt(upxr]X(i){ öv u)[j.03ev Spxov fitxaSu xoü
86ou{ xal x^s xpait^Cl«. Die Verwendung des
Tisches bei Theoxenien und Lektistemien ver-
mittelt den Übergang zum Altar. Interessant
ist hierfür ein merkwürdiges Sarkophagrelief
aus Kilikien (Heberdey, Reisen in Kilikien.
Denkschr. Wien. Akad. 1896, 158). Rechts
steht ein Grabbau auf hohem Sockel; davor ein
Mann auf einem Stuhl. Vor ihm steht auf niederer
Säule eine Schüssel und daneben ein Tisch
von der Art der foculi, auf ihm eine Kanne. Es
ist offenbar der Tote gemeint, der vor seinem
Grabhaus sitzt. Der Dreifuß ist hier Tisch, zu-
gleich Opfertisch, da der Tote als heroisiert gilt.
Über Opfertische als Grabaltäre vgl. auch Pfuhl,
Ath. Mitt. 1903, 336. Stengel, Opfergebräuche 142.
Brückner, Ornament u. Form der attischen Grab-
stelen I ff.
148
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
TpaiteCod xaXoijivTat xal [ut-^da. Die letztere Stelle zeigt deutlich, daß man auch das
Gestell eines Tischdreifußes, also die Klappgestelle, wie den großen Dreifuß des
Hildesheimer Silberfundes oder das Tischgestell aus Herculaneum im Brit. Museum
Tpiito8e? nannte und die aufgelegte Platte ipaiteC« oder [ii^h. Weitere Bezeichnungen
für die Tischplatte sind xuxXo? und S)>|ioj; Pollux X 8i : -cb 8' ImftTjjia to5 Tptito8os
xoxXov xal SXjxov upodi^xsi xaJ^siv. Ebenso nennt Artemidor V 2i die Platte des Drei-
fußes xuxXos.
Die Vieldeutigkeit des Wortes xpiTroo? führte schon im Altertum dazu, nach
einer Unterscheidung der einzelnen Typen in der Benennung zu suchen. Man
wollte anscheinend vor allem den Tischdreifuß und den Kesseldreifuß auseinander-
halten und nannte den letzteren zpiitom 8sXcptx6f. So bei Athen. V 197 a, 198 c.
Es genügt, die zweite Stelle anzuführen: Icplpovto SsXtpixoi tpiiroSsf, ibXa. toi? t&v
d8XTjT<üv j(opi)-fotj. Es sind also Kesseldreifüße gemeint. Denn diese sind von
jeher aöXa xax' iioyr^v. Sie werden auch xp. ituöixol genannt ').
Das lateinische Wort für Tisch ist vor allem mensa und kann von jedem Tisch
ohne Rücksicht auf seine Form gesagt werden, also natürlich auch von einem drei-
beinigen. So nennt Horaz Sat. I 3, 13 eine mensa tripes, was dem griechischen tpäirsC«
Tpt'iTou? entspricht, aber hier natürlich von einem Rundtisch gesagt ist, da der drei-
seitige Speisetisch speziell griechisch ist.
Tpi'itou? 8sX(pix6; haben die Lateiner mit mensa delphica übersetzt ^), subst.
mit delphica. Der 8sX«ptxd? der Griechen ist ein Kesseldreifuß, die mensa delphica
ein Tischdreifuß. Hier muß also ein Irrtum vorliegen, er ist leicht zu erklären. Die
Griechen auch der hellenistischen Zeit wußten, wie der Dreifuß aussah, der zu Delphi
in so enger Beziehung stand. Der Dreifuß war seit alter Zeit, wie die Denkmäler
zeigen, in der Vorstellung der Griechen lebendig und blieb es auch in hellenistischer
Zeit. Das war aber bei den Römern nicht der Fall. Zu ihnen kam der Kesseldreifuß
nur als Symbol des Apoll und führte in der Kunst, deren Typik von den Griechen
entlehnt war, ein Scheinleben; ebenso in der Literatur. Das Gerät selbst, wie es in
den Heiligtümern der griechischen Welt und z. B. in Athen auf glänzenden Monu-
menten zu sehen war, blieb den Römern im allgemeinen unbekannt. So konnte es
kommen, daß sie xp. SsXtpixoj falsch übersetzten, weil ihnen die Anschauung fehlte,
ebenso wie die Neueren zuweilen über die Dreifüße zu unrichtigen Vorstellungen
kamen, weil ihnen die Denkmälerkenntnis fehlte. Die Lateiner setzten in ihrer Vor-
') riiilüslratos, Vita Apoll. III 27. Tpi'noSe; (aev
^SeicoptiÄTjOav jtuSixol ■rfxTapet oOrdfiOTOt, xaSäirsp
ol 'OliVlpEioi (Ilias XVIII 373 ff.). Trpoi(ivTe{,
oivo)((5oi 8' iit' o6toTc 5(aXxoü fiÄavo«, oioi 7:01p'
"EX/tjOiv ol rovupii'jSEts TE y.a\ oi UiXoizH. xtüv
ti TpiK(I8(«v ol (Aiv 860 ofvou ijrippEov, xoiv SuoTv
ii 6 |jiEv uSaxot ÖEppioü xpifjvr)v Tiaptt/Ev, 6 8^
au <j;u)(po5 Man wird nicht annehmen wollen,
daß der Verfasser reale Verhältnisse im Auge
gehabt habe, sondern es geht zweierlei bei ihm
durcheinander, Gelehrtenkram ('Opi^piwt ^ aftxiJ-
(iatoi) und Fabelei des Romanschriftstellers.
Zum ersteren wird auch der Ausdruck nuBixol
Tp(;to8et gehören, den er irgendwo gelesen hatte
und nicht versäumte, hier anzubringen. Auch
Tp(Tcrf8iov StX^txrfv begegnet, offenbar für ein
Miniaturexemplar (B. C. H. VI, 33, 39) tpitC($8lOV
izX<flt6•^, dvrf8T)(ta 'Apisxrfp^ou; Inventar des de-
lischtn Apoliotempels.
2) Wieseler, Über den delphischen Dreifuß (Abh.
Gott. Ges. d. Wiss. XV 1870, 225. Pauly-Wiss.
IV 2, 2503).
Karl Schwendemann, Der Dreifu0.
149
Stellung an die Stelle des Kesseldreifußes den Dreifußtisch, den die Griechen ja auch
tpiicooc nannten und von dem man eine ursprüngliche Beziehung zum delphischen
Gott um so eher annehmen konnte '), als ja derartige »Dreifüße« in den Tempeln
der Götter standen als Tische und Altäre. Cicero, Verr. IV 59, § 131 wirft Verres vor,
er habe mensas delphicas e marmore ex omnibus aedibus sacris geraubt. Festus
p. 149 (Lindsay) sagt: mensae in aedibus sacris ararum vicem optinebant; vgl. Vergil,
' Aeneis VIII 279 ocius pmnes in mensam laeti libant divosque precantur (vgl. I 736,
II 764), und Macrob., Sat. III, XI, 5 mensa arulaeque eodem die quo aedes ipsae
dedicari solent, unde mensa hoc ritu-dedicata in templo arae usum et religionem op-
tinet pulvinaris »), und Juvenal II iio hie nuUus verbis pudor aut reverentia mensae,
Vergil, Aeneis II 764 huc undiqueTroia gaza incensis erepta adytis mensaeque deorum
congeritur, Macrob., Sat. III II, 6 in fanis instrumentorum principem locum optinet
mensa in qua epulae libationesque et stipes reponuntur. Die mensa tripes war also
in der römischen Vorstellung der heilige Dreifuß. Wenn gar mensa und pulvinar
gleichgestellt werden, dann ist es nicht mehr weit zu der Vorstellung, daß Apoll
und Pythia auf einem solchen Gerät weissagen. Auch die Denkmäler zeigen, wie wir
noch sehen werden, daß gerade die mensa delphica mit ganz deutlicher Beziehung
auf den mantischen Dreifuß des Apoll bei Zauberei und Mantik eine Rolle spielte.
Mit mensa delphica und delphica wird dann jeder Rundtisch ganz ohne Bezie-
hung zum Kultus bezeichnet. Er dient zum Aufstellen des Trinkgeschirrs (Martial
XII 66, 5). Die Digesten (XXXIII 10, 3) zählen die delphica unter der supellex
auf. Sogar das griechische Lehnwort abacus, das ursprünglich eine viereckige Platte
bezeichnet, dann Schenk- und Kredenztisch bedeutet 3), wird der delphica gleich-
gesetzt 4).
Im Anschluß an die antike Terminologie der dreibeinigen Geräte muß über die
Form des apollinischen Dreifußes 5) kurz gesprochen werden. Aus dem Umstand,
daß Athenaeus V 198 c unter den xp. hek<pixo( anathematische nennt, wurde schon
gefolgert, daß der apollinische Dreifuß ein Kesseldreifuß war. Wieseler *) hat aus der
Übersetzung des Tpiirou? SeXcpixo? mit mensa delphica gefolgert, daß er ein Tisch-
dreifuß gewesen sei. Aber auf Vasenbildern und Reliefs ist der Dreifuß des Apoll
und besonders das Gerät, auf dem der Gott oder die Pythia sitzt 7), ferner der Drei-
') Prokop, De bello vand. I 21 sagt es deutlich: Die Lampenständer (s. o. S. 119), die teils den
A^ftxa 54 TÄv Tflnoha — er spricht von einem Tischen, teils den Untersätzen verwandt sind,
Tischdreifuß — xaXoüsi 'PuifjiaTot ItisI TTpiüTov h kann man unter den Namen lychnuchus ein reihen,
AeXtpoTs y^YOve. da der Ausdruck für jeden Lampenhalter ange-
') Die Stellen zeigen, daß man unter mensa delphica wandt wird (Blümner, Rom. Privataltertümer
nicht nur die Tische mit Tierbeinen, sondern auch (1911) 14O1 Anm. 6).
die foculi und Klappdreifüße zu verstehen hat, 5) So nennt man am besten das Gerät, nicht delph.
denn diese erscheinen auf den Monumenten be- Dreifuß, da bei der antiken Terminologie hier-
sonders oft als Altäre. durch Mißverständnisse entstehen können.
3) Saalfeld, Tensaurus s. v. Marquardt-Mau, Privat- *) Delph. Dr. 228.
leben I 204. • 7) Einige schöne Beispiele sind: i. Streng-rotfig.
4) Jahn, Schol. in Juven. Sat. III 204, urceoli sex, Vase. Apollo auf geflügeltem D. über das Meer
omamentum abaci Schol. quod nos delphicam fliegend. Mon. d. Inst. I 46. 2. Apoll in Delphi
appellamus. auf D. Tischbein, Vases Hamilton 1 28. Over-
Jahrbucb des archäologiscben Institut« XXXVI. 1 1
ISO
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
fuß, der so oft in den Darstellungen des Dreifußraubes vorkommt, ein Kesseldreifuß
und seiner Form nach nicht zu trennen von den Dreifüßen, die als Kampfpreise und
Weihgeschenke geläufig sind. Das beweist, daß Wieseler geirrt hat. Denn für unsere
Vorstellung vom apollinischen Dreifuß dürfen nicht römische Autoren maßgebend sein,
sondern vor allem die griechischen Denkmäler des VII. — III. Jahrh. Wenn es jemand
wissen konnte, wie der Dreifuß im delphischen Adyton aussah, so waren es die Griechen
jener Zeit. Es sind damit endgültig auch alle Ansichten der Früheren erledigt, die"
aus der Anwendung, dem Sinn und der Etymologie der für den apollinischen Dreifuß
und seine Teile gebrauchten antiken Ausdrücke die Denkmäler interpretierten '),
um über Gestalt und Einrichtung des apollinischen Dreifußes Klarheit zu gewinnen,
und dabei zuweilen auf merkwürdige Ergebnisse kamen.
Der apollinische Dreifuß hat mannigfache Namen erhalten wie 6 xp. 6 Iv AsX-
«poif, 6 riuOot tp., xp. Caöeo?, kpbs xp., xp. xotvo? 'EXXaio?, 6 xp. 6 [xavxixoj, 6 SsX'ftxo?
oder ituöixo? xpiTtou;^), xptiro5r/toj SSpYj3), auch Si'^poj x'^X'^^oa; xpet? iroSa; lyuiVi).
Viel gestritten wurde über die Bedeutung des Wortes oXjxo?, das öfter in Be-
ziehung auf den Dreifuß des Apoll vorkommt. 0. Müllers) verstand darunter eine runde
Platte; ebenso Wieseler^), welcher, von der Ansicht ausgehend, daß der apollinische
Dreifuß zu den Tischdreifüßen gehöre, in dem SXiio? die Tischplatte erkennen wollte.
Maßgebend war vor allem Pollux X 8i. 'H 81 u7roxet(j.evifj xoT? o^J^ot? xpaitsC« xat
xptitooc äv xaXoixo* . . . xö 8' inibrnia xoü xptiroSoj xuxXov xal SXpiov irpoaijxsi xaXeiv, lizsl
xal xoS AsX^pixoü xpiTto8of xö Im'O/jfio, (p l-(xdb-qxon tj 7rpo<prjXic, oXfios xaXeixai ....
Darnach wäre SXpiof und iiriftr^ia allerdings gleichbedeutend. Aber Pollux ist ein
beck, ApoUon S. 326. Atlas XXII 7. 3. Apulische
Volutenamphora in Berlin: Furtwängler 3256.
R. Rochette, Mon. in^d. Taf. 35. Orest in Delphi.
Apoll auf D. 4. Relief im athenischen National-
museum; Svoronos, Taf. 181, S. 493; Wejhrelief
mit mehreren Figuren, Apoll auf D. 5. Relief
ebda. Taf. 54, Nr. 1389, S. 334, die delphische
Trias, Apoll auf D. Beide Stücke aus dem Ende
des V. Jahrh. An Stelle Apolls tritt Themis.
6. Rotfig. Gefäß, zweites Drittel des V. Jahrh.
. Gerhard, A. V. IV 327, 328. Furtw.-Reichh.
Taf. 140. Aigeus in Delphi vor Themis, die auf
dem D. sitzt. 7. Pythia auf D. Arch. Ztg.
1860, Taf. 138, S. 49 ff. Die Ausnahmen von der
Regel sind verschwindend. Sieveking-Hackl,
Münchner Vasens. Nr. 900, S. 124, Taf. 40,
ionische Hydria mit Dreifußraub. Der D.
ist ganz deutlich ein Stabgestell mit Kessel
darauf. Eine Münze von Rhodos, Brit. Mus.
Cat. Carla Taf. 39, 7, Nr. 175, zeigt als Beizeichen
kleinen Stabdreifuß mit Kessel, vgl. Br. M. C. Ga-
latia S. 165, Nr. 125. Münze von Antiochia.
Apollokopf. JJ Dreifuß, an dessen Beinenden
Menschenköpfe sitzen, also doch Tischdreifuß, dar-
auf Gefäß. Kaiserzeit. Mehrmals ist deutlich, daß
ein Stabgestell mit oberem Ring gemeint ist, in
dem der Kessel ruht. Strong, Rom. Sculpture
Taf. 79. Stark, Niobiden Taf. 19, 2. Sarkophag
II. Jahrh. n. Chr. Brit. Mus. Cat. Creta S. 14,
Nr. 3, Taf. III 13, ebenso; Münze von Axos. Die
Vorstellung eines solchen Gerätes liegt offenbar
der Stelle bei Photius zugrunde: Lex. TpfcoSa
Xi^rjxa. h ÄEXtpoT; Inf TpfeoSi xefftevov piavttxoü
^ Atz6XKu)10(. Aber die Monumente sind über-
wiegend spät, und die Vorstellung der mensa
delphica spielt herein.
■) Bes. K. 0. Müller, De tripode Delphico, 1820.
Kunstarchäol. Werke I, 46 — 59 (Berlin 1873);
ders.. Über die Tripoden I (1820); ebda. 6 — 74.
Über d. Tr. II, ebda 74—85. Wieseler, Delph. D.
Hier die zwischen Müller und Wieseler liegende
Literatur.
=) Wieseler 223.
3) Kallimachos, Hymn. auf Delos 90.
4) Jambl. de myst. III 11, p. 126. Barth.
5) Über d. Tripoden II, 74. Auch Kl. deutsche Sehr.
11, 589.
«) Delph. Dreifuß 245 ff.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. 151
später Schriftsteller und hält mit anderen späten Griechen, z. B. Nonnos
Dionys. IV 291, den delphischen Dreifuß wie die Lateinet für eine mensa.
Aus mehreren anderen Stellen scheint hervorzugehen, daß Sophokles das
Wort oXjioj mit dem apollinischen Dreifuß zuerst in Beziehung brachte, vgl.
Zenob. III 63 xal xou; xpiiroSa; tou 'AitöXWvo; oXfAOU? xaXeTaöai xal 'AuoXXtuv uno
2otpoxXeou? (Frg. 942) £voX[j.o?. Auch einige andere Zeugnisse besagen, daß der
Dreifuß des Apoll o>.[j,o? heiße, so Schol. Arist. Wesp. 238; Eustath. zu Ilias XI 147.
Schol. Arist. Plut. 9 sagt xaXsiTat 5^ xö fispo? iv 1^ xä&rjxai (fj Iluöia) oXfifj?.
oXfioc bedeutet einen walzenförmigen Körper, Mörser, Trog '). II. XI 147 wird
der Rumpf des menschlichen Körpers oX(i.os genannt; das Scholion zur Stelle besagt:
& xuX(v6p(uS7]c Xi'&o? ouTu) xaXstxai, et; ov xoTixouatv ooirpia xal akXa. xiva. Für den
menschlichen öcupaj gebraucht es offenbar nach Homer Pollux II 162. Hesych
s. V. sagt dasselbe wie das eben angeführte Scholion. Bei Herodot I 200 bedeutet
oX|ioc Mörser und Pollux X 114 Backtrog, bei demselben II 93 heißen die Höhlungen
der Zähne oXfAiaxei.
Diese Stellen beweisen, daß Sophokles unter 5Xn.oj den Kessel des apollinischen
Dreifußes verstand, wenn er den Gott evoX|xoj nannte, und daß die Späteren unrecht
hatten, das Wort = xuxXo? zu setzen. Allerdings mußten sie dazu kommen, wenn
sie an einen Tischdreifuß dachten. Auch die cortina wurde aus demselben Grund als
mensa aufgefaßt. Schol. Lucan. Phars. V 152 tripus est mensa Apollinis a tribus
pedibus ^).
DIE RELIGIONSGESCHICHTLICHEN BEZIEHUNGEN DER DREIBEINIGEN
GERÄTE.
Der Dreifuß als Hausgerät, Wertgegenstand, Kampfpreis, Weih-
geschenk und Siegeszeichen.
Man denkt, wenn man von religionsgeschichtlicher Beziehung der Dreifüße
hört, zunächst an den apollinischen Dreifuß. Antike und neuere Forscher sind immer
wieder von der Tatsache ausgegangen, daß der Dreifuß dem Apoll und Dionysos
heilig war, und haben von hier aus erklären wollen. Man wollte den Dreifuß erfunden
sein lassen, um der Pythia über dem delphischen Erdspalt einen sicheren Sitz zu bieten,
alle Dreifüße sollten nach diesem einen gemacht sein 3). CO. Müller sah den Ur-
sprung des Dreifußes in bacchischen Religionsideen; er sei ursprünglich dem Dionysos
heilig und von Apoll übernommen worden 4), andere haben sich das Verhältnis um-
gekehrt gedacht 5). Ebenso wurden verschiedene Ansichten ausgesprochen über die
Frage, welchen Göttern der Dreifuß heilig gewesen sei. So lange man in erster Linie
') Prellwitz, Etym. Wörterb. s. v. mehr als Scheibe, sondern als Kugel auffaßte,
') Die Stellen, in denen von einem a^iuv die Rede mußte die alte Erdmittelpunktidee zu der von
ist, auf welchem Apoll oder seine Prophetin sitzt, der Erdachse werden. Vgl. Blümner, Kerl. Phil.
hat Röscher, Omphalos (Abh. Phil.-hist. Kl. d. Woch. 1914, 1526-
Sachs. Ges. d. Wiss. XXIX, Nr. IX) 40 und 3) Diodor XIV, 25.
74, wohl richtig dahin erklärt, daß aSmv = Erd- *) Z. B. Reisch bei Pauly-Wiss. V i, 16S4.
achse zu verstehen sei. Als man die Erde nicht 5) Über d. Tripoden 60.
Xe2 Karl Schwendemann, Der Dteifuä.
die literarischen Zeugnisse befragt, wird man für alle Antworten Belege beibringen
können. Das erscheint nicht verwunderlich, wenn man sich erinnert, daß sich die
antike Literatur auf über ein Jahrtausend erstreckt, in den verschiedensten Ländern
rings ums Mittelmeer entstanden ist und ihre meisten Zeugnisse über die hier in
Betracht kommenden Fragen aus den späteren Jahrhunderten stammen.
Wenn wir historisch untersuchen, müssen wir die Frage nach dem apollinischen
Dreifuß und allem, was sich daran anschließt, zunächst außer acht lassen. Denn
es gibt Früheres.
Wir haben oben gesehen, daß der Kesseldreifuß — von ihm handelt es sich
zunächst ausschließlich — mykenischen Ursprungs ist und daß er in alter Zeit Koch-
topf war. Wir konnten eine lange Entwicklung von der Zweckform zur Kunstform
aufzeigen. Noch die älteste literarische Überlieferung, Homer, zeigt uns den Dreifuß
in seiner ursprünglichsten Bedeutung, als Kochgerät. Er wird über das Feuer gestellt,
um Wasser zu erwärmen, ebenso in den oben zitierten Stellen aus Aischylos, Alkaios,
ferner Sophokles Aias 1405 und Euripides, Hiket. 1194 ff. '), Orphica lith. 724 ff.
Aber bei Homer ist der Dreifuß auch Wertgegenstand; ganz natürlich, da in metall-
armer Zeit große Erzgefäße einen bedeutenden Metallwert darstellen. Der Dreifuß
ist ein Schmuckstück des Hauses (Ilias XVHI 23), ein Hauptgegenstand edler Schmie-
dekunst 2); als Thetis zu Hephaistos kommt, ist er eben mit Dreifüßen beschäftigt.
Als Wertgegenstand ist der Dreifuß Gastgeschenk (II. IX 122, Od. IV 128, XV 84),
im Wert gleichgestellt einem goldenen Becher (Od. XV 84) oder einem Paar Maul-
tiere, ja einem Weibe (II. VIII 290). Ferner ist der Dreifuß ein beliebter Kampfpreis
im Wagenrennen (II. XXIII 764, XXII 164, XI 701, Hesiod scut. 312) und Ring-
kampf XXIII 702. Vergil Aeneis V IIO, IX 267 kopiert das. Dasselbe gilt von den
XsßTjTs? 3), den großen fußlosen Kesseln, die oft mit den Dreifüßen zusammen er-
wähnt werden und auf den alten Vasenbildern erscheinen. Sehr zahlreich sind die
Darstellungen, in denen der Dreifuß als Preis in den verschiedensten Agonen fungiert.
Eine Dipylonscherbe des Louvre 4) zeigt einen Leichenzug, links zwei große
") Hier ist er zugleich Pfand. Athena fordert The- F 372, Taf. 86. Arch. Ztg. 1846, Taf . 40, S. 249 ff.
seus auf, die Argiver einen Eid schwören zu Besondersschönauf demMedearelief, das inmehre-
lassen, daß sie nie gegen Athen feindlich auftreten ren Repliken erhalten ist, am besten im Lateran,
, wollten. In einen Dreifui3, den Herakles einst Heibig, Führers 1154. Brunn-Bruckmann 34tb.
als Beute von Ilion brachte, sollen Opfer ge- ") Eine sf. Lekythos aus einem Grab von Gela (Mon.
schlachtet und der Wortlaut des Eides auf den d. Line. XVH, 55, Fig. 27) zeigt einen Erzarbeiter
Kessel geschrieben werden. Apoll soll dann dieses mit einem Gehilfen an einem hohen Kesseldreifuß
Pfand zur Aufbewahrung erhalten. Der Dreifuß beschäftigt.
ist hier gleichsam als persönlicher Zeuje der Ver- 3) In Tiryns wurden 120 Miniaturnachahmungen
einbarung gedacht. Ähnlich ein Krater: Sophokles, von X^ßrjTt; aus Ton, von 4 — 6 cm Durchmesser
Oed. Kol. 1590 ff. Aber beide sind urspriinglich gefunden, die als Weihgaben der Armen aufzu-
nichts anderes als die Kessel zum Kochen des fassen sind. Tiryns I, loi.
Opferfieisches, wie die Xißjjres bei Herod. I, 59. 4) Portier A 547, Taf. 20. Ähnlich sind vielleicht
Als Illustration kommen die Denkmäler hinzu, die zwar dekorativ, aber doch wohl in innerem
mehrmals mit der Kochung des Pelias, so Gerhard, Zusammenhang mit der dargestellten Handlung
A. V. III, 157, 2, Bd. III, S. 30, Anm. 21. Furt- zu verstehenden Dreifflsse (Mon. d. Inst DC, 39)
wängler, Berl. Vas. 2188. Pottier, Vases du Louvre aufzufassen.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
153
Dreifüße. Pottier vermutet, daß sie Wasser zur Totenwaschung enthalten sollen.
Aber etwas Ähnliches fehlt sonst auf den Denkmälern, und wenn der Leichenzug
in Bewegung ist, braucht man keine Geräte zur Waschung mehr. Die Dreifüße werden
vielmehr als Kampfpreise für die Leichenspiele bereit stehen (wie II. XXIII 264).
Das ist sicher der Fall auf dem schwarzfig. Fragment bei Graef, Akropolisvasen,
Taf. 27, Text I Nr. 590, S. 64 f., wo die Leichenspiele des Pelias dargestellt sind.
Der Dreifuß erscheint auf den Denkmälern als Siegespreis für Wettfahren '), Wett-
rennen 2), Wettlauf 3), Ring- und Faustkampf 4).
') Archaischer Pithos aus Priniä auf Kreta, aus dem
Heiligtum der Rhea. Um den Bauch läuft ein
Reliefstreifen von Reitern und Wagen, die in
langem Zuge einhersprengen ; zwischen den einzel-
nen Gespannen DreifülSe; lebendige ausdrucks-
volle Darstellung: Bollettino d'arte II, 461, fig. 1
und 15. Gleichartiger Pithos aus dem Pronaos
des Tempels Avon Priniä. Annuario Scuola arch.
ital. di Atene I, 1914, 67, 70. 2. Fran^oisvase
Furtw.-Reichh. Taf. 11, 12. 3. Amphiaraos-
Krater in Berlin. Ebda. 121. Leichenspiele für
Pelias. 4. Tyrrhenische Amphora in Florenz.
Thiersch, Tyrrhen. Amphoren Taf. 4. Furtw.-
Reichh., Text III, S. 5, Abb. 3. Ein Wagen-
rennen entwickelt sich nach rechts, wo auf den
deutlich bezeichneten Stadionstufen die Zuschauer
sitzen, rechts davon großer Dreifuß.
2) I . Attische sf . Amphora im Louvre (Pottier E 836).
Drei Epheben nach rechts galoppierend, wo ein
Dreifuß und ein Krater stehen. 2. Ebda. E 852,
elf Epheben ebenso gegen einen D. 3. Ebda.
E 875 sechs nackte Epheben zu Pferd nach rechts
gegen einen Kampfrichter; hinter diesem neun
große Dreifüße und vier X^ßrjxe«. Knabenwett-
rennen: 4. Jahrb. d. Inst. VIII 1893, 95. Ebenso
5. Winnefeld, Karlsruher Vasensammlung Nr. 200.
Drei nackte Knaben im Galopp auf eine Ziel-
säule zu, dahinter Dreifüße und ein Mann mit
erhobenen Händen. Beides attisch-sf. Gefäße.
6. Furtwängler, Berl. Vas. 17 12. Attisch-sf. Am-
phora, acht nackte Knaben im Galopp nach
rechts gegen zwei Zielsäulen, neben denen der
Dreifußpreis steht. 7. Stephani, Vasensammlung
der Ermitage 153, sf. ; im obersten Bildstreifen
drei nackte Jünglinge auf geflügelten Pferden
nach rechts, hinter ihnen D. Dazu kommen
einige Darstellungen, wo der Sieg schon errungen
ist und der Sieger mit dem Preis erscheint. 8.
Collignon, Vas. Ath. 617 4. Sf. ionisch-korinthi-
sche Dreifußpyxis. Auf einem der Beine Reiter
vor einem D. 9. Junger Reiter vor einem mit
e. Zweig geschmückten D. Böotische sf. Dreifuß-
pyxis B. C. H. 1901, 153, Fig. 7. 10. Brit. Mus.
Cat. Vas. II, B 144. Gerhard, A. V. 247. Drei
Personen, in der Mitte Reiter, rechts Mann in
langem Chiton, links ein nackter Jüngling mit
D. auf dem Kopf und einem Kranz in der linken
Hand. Offenbar läßt der Reiter den gewonnenen
D. und Kranz von seinem Diener nach Hause
tragen. 11. Einen weiteren Fortschritt der
Handlung zeigt ein sf . Skyphos in Athen (Nicole,
Vas. Ath. 920). Großer Altar mit zwei bärtigen
Hermen auf acht Stufen. Ein Mann trägt auf
den Schultern einen großen D. die Stufen hinauf.
Es folgen ihm einige Personen, von denen eine
ein Pferd führt. Es ist offenbar der Moment dar-
gestellt, wie ein Sieger im Pferderennen seinen
Preis am Altar aufstellen will. Hierher gehört
auch die attische dreiseitige Reliefbasis des Bry-
axis aus der Mitte des IV. Jahrh.'B. C. H. XVI
1892, 550 ff., Taf. III, VII. Auf jeder Seite sieht
man einen Reiter auf einen D. zureiten, der auf
zweistufiger Basis steht. Ob man hier an einen
Preisdreifuß für die athenischen Anthippasicn
(Pauly-Wiss. I, 2, 2378) denken darf, muß unent-
schieden bleiben. Sicher aber ist der D. Preis
im Rennen.
3) I. Attisch-sf. Amphora aus Orvieto: Ann. d. Inst.
1882, Taf. H, S. 58 ff~. Links ein gerüsteter
Krieger, den Helm in der Hand, rechts ein nackter
Mann, der einen D. trägt. Von den verschiedenen
Deutungsversuchen trifft der von Petersen (Jahrb.
f. Philol. 1884, 129) das Richtige. Der Krieger
hat im Waffenlauf einen D. gewonnen, den sein
Diener wegträgt (vgl. vorige Anm. Nr. 10). 2. At-
tisches früh-sf. Gefäß (Graef, Akropolisvasen I,
Taf. 41, Nr. 654b, c); Frg. b zeigt eine dorische
Säule, vor ihr eine Anzahl Dreifüße und zwischen
diesen große Kessel, immer mehrere ineinander-
gestülpt, also die Reichlichkeit der Kampfpreise
betont. Frg. c. zeigt Teile eines Agons, zwei
nackte Läufer, einen Flötenspieler und einen
«54
Karl Schwendemann, Der DreifuB.
Diese vielseitige Verwendung des Dre ifußes als Kampf preis hat sich im wesentlichen
nur in der archaischen Zeit gehalten, in jener Epoche, da der Geschlechterstaat die
Normen des Lebens abgab. Wir müssen uns beim Anblick der aufgezählten Denk-
mäler vorstellen, daß es die Herren sind, welche hier um den Preis sich mühen. Denn
das agonale Wesen ist der Ausfluß der Adelskultur jener Zeit '). Sie kannte kein
baares Geld, oder es war ganz selten, und so sind Gebrauchsgegenstände Wertein-
heiten, besonders Dreifüße und Kessel»). Und sie sind dann auch Kampf preise.
Dieser Frühzeit 3) ist der ideale Sinn, der sich mit einem Ehrenpreis begnügt, noch
Festordner. 3. Sf. attische Amphora in München.
Jahn 476. Gerhard, A. V. 257, 2. Rechts drei
große D. und zwei Kessel, dann dr i Krieger, auf
einen bärtigen Mann zulaufend, links wieder ein
D. 4. Dar.-Saglio I, 2, S. 1644. Vier nackte
Jünglinge auf ein pfeilerförmiges Ziel zulaufend,
rechts Dreifüße. 5. Thiersch, Tyrrhenische Am-
phoren S. 43, Taf. II, 2, 3. A. Zwei D. und zwei
große Kessel, davor auf Klappstühlen zwei Preis-
richter, auf sie zu kommen sechs Läufer. B. Links
drei große D. Davor zwei Preisrichter auf Klapp-
stühlen, mehrere Gruppen von Ringern, Speer-
werfern und Diskuswerfern.
<) I. Früh-sf. Frg. B. C. H. 1901, 150, Fig. 3. Zwei
nackte Männer über D. boxend. 2. Ebda.
Fig. 5, 6. Bilder von einem böotischen sf. Kan-
tharos. Je zwei Athleten über e. Tripodiskos
boxend. 3. Sf. Amphora, ionischen Stils, im
Louvre P^ttier II, E 703, Abb. B. C. H. 1893,
432, Fig. 6. Zwei Männer im Faustkampf vor
einem großen D. 4. Korinthischer Tonpinax der
ältesten Gattung, Furtwängler, Berl. Vas. 797.
Unterteil zweier gegeneinander schreitender Män-
ner, zwischen ihnen ein niederer D.; abgeb. Ant.
Denkm. II, Taf. 23, 19. 5. Sf. Vasenfragment
im Brit. Mus. Cat. II, B 124. Abgeb. Tanis II,
Taf. XXX, 3, S. 68. Links zwei Athleten über
'■ einem D. boxend, rechts zwei Ringer, neben
ihnen zwei D. 6. Bronzerelieffragm, von einem
Dreifußbein von der Akropolis von Athen, J. H-
St. XIII, 264 Fig. 30, Kampf zweier Athleten
um einen Dreifuß, De Ridder, Bronzes de
l'Acrop. 33. Die Verhältnisse des realen Lebens
werden auch auf die Sage übertragen. Bei den
Leichenspielen, welche Akastos seinem Vater Pe-
lias zu Ehren veranstaltete, bestand Atalante mit
Peleus den Ringkampf (Röscher I, 665). 7. Diese
Szene erscheint auf einer spätsf. attischen Am-
phora in Berlin (Furtwängler 1837). Rechts und
links von dem kämpfenden Paar steht je ein
großer D. Eine solche Darstellung leitet über zu
anderen, wo der D. Symbol des Sieges ist.
Nicht sicher vermag ich fulgende Vasenbilder
zu erklären: a) Entwickelt geometrische Vase im
Nationalmuseum zu Athen N. :2, 221. B. C. H.
XXV, 143, Fig. I. Großer D. Rechts und links
von ihm je ein Mann mit erhobenen Armen, wie
mit einem Gestus des Betens. Ähnlich b) sf.
Gefäß in München, Jahn 4186: Ein großer D.,
beiderseits ein nackter Mann, »mit erhobenen
Händen tanzend«. Man kann verschiedene
Deutungen vorschlagen. Entweder ist es ein
Preisd. für einen Tanzagon oder es ist, was wahr-
scheinlicher sein wird, der Moment dargestellt,
wie zwei Kämpfer vor Beginn des Agons ange-
sichts des Preises um den Sieg beten. Die Be-
schreibungen erwähnen nichts von einem Feuer
unter dem D. Sonst müßte man an eine Opfer-
handlung denken, c) Sf. attische Amphora im
Louvre (PottierE 843 a). Sechs bekleidete, bärtige
Gestalten, deren vorderste ein Trinkhorn hält,
marschieren in einer Reihe auf eine siebente zu,
hinter der ein großer, mit Zweigen geschmückter
D. steht. »Pr^paratif d'un concours? Sacrificef«
(Pottier). Eher könnte man an eine Siegesfeier
denken, da der D. mit Zweigen geschmückt ist
■) Ed. Schwartz, Charakterköpfe I, 13 S.
') Noch auf den Münzen von Knossos und Gortyna
und mehreren andern Städten Kretas sind die
TpfeoSt« und XißiQTej Werteinheiten und erschei-
nen als Kontermarken. B. C. H. XII 1888, 409 ff.
und in Inschriften, besonders dem Recht von
Gortyn, sind die Strafen nach diesen Wertein-
heiten ausgerechnet, a. a. 0. S. 406. Den Tp(-
i:o8ec und Xiß7)T£{ entsprechen die ireX^xets und
i^fiiTrfXexa, die i^iXoX ot8r)po(, die uns als früheste
Werteinheiten vor dem gemünzten Geld bekannt
sind. Über sie handelt ausführlich Svoronos im
Joum. intern, numism. IX, 192 ff., Taf. i — 12.
Über die Spieße der Rhodopis G. Karo ebda. X,
287 ff. und 367.
3) Besonders figurieren früharchaische Gefäße zahl-
reich in den angeführten Reihen.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. I55
nicht recht geläufig, sondern in naivem Realismus wird ein faßbarer Wert als Ziel
der Mühe verlangt. Das ändert sich später. Offenbar sind der Einfluß der großen
Nationalfestspiele, bei denen es nur Ehrenpreise gab, und ebenso der Sturz der Ge-
schlechterherrschaften die Ursachen gewesen, daß im Agonismus der Blütezeit das
Prinzip des Ehrenpreises allgemein galt. Nach derselben Richtung drängten auch
die wirtschaftlichen Verhältnisse. In der Zeit des Handels und der Geldprägung
konnte ein einfaches Erzgerät keinen bedeutenden Wert mehr darstellen.
Die allgemeine Verwendung des Dreifußes als Preis geht besonders auch noch daraus
hervor, daß er wahrscheinlich bei den Agonen in Delphi und Olympia ursprünglich
gegeben wurde; später war das noch an den Triopien und Herakleen zu Theben der
Fall I).
In nacharchaischer Zeit konnte er dann nur noch Ehrenpreis sein, der von vorn-
herein zur Weihung bestimmt war. Das spricht deutlich Herodot I 144 aus. Aber
herunter bis in alexandrinische und römische Zeit ist der Dreifuß Siegespreis geblie-
ben 2), aber fast ausschließlich mit Beziehung auf Apoll und Dionysos, wovon später
die Rede sein wird.
Die Bedeutung des Dreifußes als Weihgeschenk erklärt sich durch denselben
Grund wie seine Geltung als Siegespreis : Der Mensch schenkt seinem Gotte das, was
ihm selbst lieb und teuer ist. So und nur so ist das überaus häufige Vorkommen von
Dreifüßen in den Fundschichten alter Heiligtümer zu deuten 3), in Olympia 4), TirynsS),
Amyklai *), Bassai bei Phigalia 7), im Heiligtum des Zeus Lykaios in Arkadien ^),
des diktäischen Zeus in Palaikastro auf Kreta 9), in der idäischen Zeusgrotte auf
Kreta'»), in Praesos"), Aegina"), Delos'3) im Ptoion zu ThebenM), auf der Akropolis
') Belege bei Reisch, Pauly-Wiss. V i, 1685. Herdes ausgedrückt habe (Bötticher, Tektonik
') Belege bei Reisch a.a.O. Die Nachricht bei 1 2, 132). Sondern die D. in Olympia stehen
Herodot I 144, daß der D. im Triopion dem mit der Masse der Votivtiere in derselben Linie.
Bundesheiligtum der dorischen Pentapolis ein Daß sie so zahlreich sind, erscheint bei der Be-
zur Weihung bestimmterPreis war, wird illustriert deutung Olympias, die zwar, wie die Schatzhäuser
durch die Münzen von Kos (Brit. Mus. Cat. Carla und die in ihnen bezeugten Weihgeschenke zeigen,
S. 194. Head, Hist. num. 632. B. Schröder, Zum in alter Zeit noch nicht panhellenisch war, aber
Diskobol des Myron. Kunstgesch. des Auslandes doch sich auf den Peloponnes und die in besonders
Heft 105, Taf. IX a, b.) Die Münzen gehören ins enger Beziehung zu ihm stehenden Landschaften
V. Jahrb. und zeigen einen Diskoswerfer neben erstre kte, nicht verwunderlich.
einem D. Vgl. Taf. IXa,b bei Schröder, Dis- 4) Olympia IV, S. 76 ff.
kobol von einer sf. Vase. 5) Schliemann, Tiryns 412.
3) Natürlich sind die Apolloheiligtümer ausgenom- *) De Ridder, Bronzes de la soc. arch. d'Ath. 2 ff. ;
men. Aber das häufige Vorkommen besonders Jrhrb. d. Inst. 1918, 127 f.
in Olympia darf nicht mit Furtwängler (Bronze- 7) 'E<pT]ft. ipy. 1910, 329.
funde S. 13, Kl. Sehr. I, 348) und Reisch (Pauly- «) Ebda. 1904, 166, Fig. 3, 4.
W^ss. V 1, 1683) mit Orakelwesen in Beziehung 9) Brit. Seh. Ann. XI, 306.
gebracht werden. Die große Zahl archaischer ">) Ath. Mitt. X, 6 ff.
Vasen, welche den D. als Siegespreis zeigen ") Brit. Seh. Ann. VIII, 1901/02, 259.
(s. o.), muß davon abhalten. Ebensowenig ") Furtwängler, Aegina S. 392, 420, Taf. 116, 117.
wird man annehmen, daß der D. als Gerät des '3) Arch. Ztg. XL, 333; Ann. d. Inst. 1885, 167.
häuslichen Herdes eine Bitte um Schutz des M) B. C. H. IX, 478, 522.
156 Karl Schwendemann, Der DreifuB.
ZU Athen'), in Delphi»), Dodona 3). Die literarischen Zeugnisse treten bestätigend
hinzu und nennen uns noch eine ganze Anzahl Heiligtümer 4), aus denen Funde nicht
vorliegen, als in alter Zeit geschmückt mit Weihdreifüßen, so daß auf jede Weise die
allgemeine Gültigkeit des Dreifußes als Weihgeschenk feststeht.
Aus dem verbreiteten Gebrauch des Dreifußes als Preis und Weihgeschenk erklärt
sich seine Verwendung als Symbol des Sieges 5). Neben dem Gefäß in Berlin (Furt-
wängler 1837) kann dazu etwa ein Stück in München*) überleiten. Zwei Krieger mit
erhobenen Lanzen schreiten gegeneinander, zwischen ihnen ein bärtiger Mann, da-
neben ein Dreifuß. Der Maler hat zwei in der archaischen Kunst beliebte Motive,
das des Ernstkampfes von Kriegern und des Wettkampfes, ohne weiteres Nach-
denken vereinigt, wie der bärtige Mann vermuten läßt. Ohne ihn müßte man den
Dreifuß als Symbol des Sieges auffassen.
Es wurden oben mehrere Vasenbilder aufgeführt, wo der Agon sich auf eine
Zielsäule zu bewegt, hinter der die Preise stehen. Sie helfen eine Anzahl späterer Bilder
erklären, die einen Dreifuß auf einer Säule zeigen, an der ein Gespann vorbeijagt:
I . Spätattischer Krater, zweite Hälfte des IV. Jahrh. 7), Nike auf galoppierendem
Viergespann. Sie lenkt das Gespann nach links um die Zielsäule herum, auf der
ein Dreifuß steht. Der Dreifuß ist nicht »als Siegespreis geweiht« (Furtwängler),
sondern Symbol des Sieges, das auf der Markierung des Zieles, wo der Preis gewonnen
wird, steht. 2. Gefäß der Kcrtscher Klasse*). Nike auf dem Wagen, hinter ihr ein
Knabe, Xpuao?; das Gespann bewegt sich auf einen niederen Pfeiler zu, auf dem ein
Dreifuß steht. 3. Verwandt ist die Situation auf einem Gefäß 9) mit der Darstellung
der Vorbereitung zum Wettrennen des Pelops und Oinomaos, mit einer ganzen Reihe
Figuren. Auf hoher *Säule steht ein Dreifuß, auch er offenbar symbolisch für den
Sieg, den Pelops gewinnen wird "•).
Die Bilder mit Nike haben natürlich keine direkte Beziehung. Der Maler hat
den gefälligen Vorwurf eines Viergespanns, das von einer Göttin gelenkt wird, gemalt
und als novellistisches Motiv den Dreifuß auf der Säule, die zugleich Zielsäule ist,
') De Ridder, Bronzes de l'Ac. d'Ath. 7 ff. offenbar derselben Verwendung, bei Furtwängler,
') Fouilles de Delphes V, 59 ff. Berl. Vas. 644, 645.
3) Carapanos, Dodone Taf. 49, 21. 5) Hierher gehört auch seine überaus häufige Ver-
4) Belege bei Reisch S. 1686. Auch Nachbildungen Wendung als Schildzeichen in archaischer Zeit,
in Stein werden geweiht (Pergamon VII, 349. wenn sie nicht einfach dekorativ zu erklären ist.
Ein kleiner Marmordreifuß mit Weihinschrift, ') Jahn Nr. 79.
KpoTiTTTTOs 'Avie^dvou xot' eü)(i^v, aus dem Ende 7) Furtw.-Reichh. II, 209, Taf. loo, 2.
der Königszeit). Daß man sich sehr oft mit sogar ') Furtwängler, Berl. Vas. 2661. Abgeb. Stackel-
ganz ärmlichen Nachbildungen begnügte, zeigen berg, Gräber der Hellenen Taf. 17.
die Funde von Olympia. Besonders interessant 9) Mon. d. Inst. V, 22.
ist ein Tontäfelchen im Mus. provinciale zu Bari ") Etwas anders ist die Situation auf einem Neapeler
(Rom. Mitt. 1897, 112). Es zeigt in flachem Relief Gefäß (Heydemann 2414). Frau in Chiton,
einen Kesseldreifuß und einen Krater auf Unter- Mantel und Haube steigt ebeji auf ein Vier-
satz. Das Täfelchen hat oben ein Loch und war gespann, mit beiden Händen Zügel und Kentron
als escheidene Gabe im Heiligtum aufgehängt. fassend. Neben den Pferden schreitet Nike,
Gemalte Dreifüße auf korinthischen Pinakes, welche mit beiden Händen einen D. trägt. Hier
ist de D. ganz deutlich Symbol des Sieges.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. j cj
dazugegeben. Er malt Nike, die Göttin des Sieges, und als Symbol derselben Idee den
Dreifuß. Das wird noch klarer durch 4. eine spätrotfig. Oinochoe in Athen ').
Hinten ein Dreifuß auf Stufenbasis, davor ein Wagen mit zwei nicht mehr kennt-
lichen Tieren nach rechts, darin ein halbbekleidetes Kind, weiter rechts ein Kind
mit Kuchen auf einem kleinen Tablett und einer Oinochoe. In diesem Bild kann
man schwerlich etwas anderes erkennen als eine Frucht heiter spielender Phantasie.
Wie auf anderen Bildern Nike auf dem Wagen erscheint, so hier ein Kind und wieder
der Dreifuß als Symbol des Sieges in demselben Sinn. Das Kind mit den Gaben
erinnert an Siegesspenden. Diese Figuren sollen kein inhaltliches, sondern nur ein
formales Interesse wecken; sie füllen den Raum in anmutigen Bewegungen, so gut
wie die spielenden und scherzenden Eroten der hellenistischen und römischen Kunst
oder wie manche Figuren auf den Meidiasvasen mit ihren »auf Glück und Ruhm
anspielenden allgemeinen Namen« (Furtw.-Reichh. Text I, 143, vgl. Il6) ^). Ähn-
liches gilt 5. von einem Gefäß bei Gerhard A. V. 79. Eos im Viergespann. Im Grund
Dreifuß auf Säule. Da steht eben Eos an Stelle von Nike, so wie etwa Eros öfter mit
dem Dreifuß kombiniert vorkommt. Der Maler hat sogar noch mehr gewußt
und den Pferden Namen beigeschrieben, Phaethon und Lamoros. In dem Dreifuß
dieGrenzmarke desOlympos zu sehen 3), ist zu viel geraten; es fehlt dazu an Analogien,
ferner verbietet unsere Reihe diese Erklärung 4). Als Siegeszeichen ist der Dreifuß
wohl auch aufzufassen, 6. auf der von Gamurrini auf den Fall des Oinomaos gedeu-
teten Vase 5), wo auch ein Gespann an einer Säule mit Dreifuß vorbeifährt. Doch
trifft die Deutung kaum das Richtige *); vielleicht ist auch dieses Bild inhaltlich
ähnlich wie manche der aufgezählten zu beurteilen 7).
«) CoUignon, Vas. d'Ath. 1875. merkwürdiger Gegenstand. »Er gleicht einem
») Ein unteritalisches Gefäß in Neapel (Mon. d. Inst. Pfahl oder Pfeiler, der auf einer mit Voluten und
VIII, 9) zeigt Orpheus in der Unterwelt, die von Eierstab gezierten architektonischen Basis ruht,
einer Menge mythologischer Gestalten bevölkert Von seinem unteren Teile gehen palmenartige
ist; rechts oben die Gruppe des Pelops, Myrtilos Blätter aus, mit vergoldeten Punkten da-
und der Hippodameia, daneben ein DreifuiB auf zwischen.« Furtwängler denkt an die uralten
Basis. Man wird annehmen können, daß hier der Vorstellungen von Sonnenbaum und -säule (zu-
D. in seiner. Bedeutung nicht mehr verstanden sammenhängend entwickelt in Zts. für Ethnol.
ist, sondern daß der unteritalische Maler, der XIII 1881, 139 ff.), an die der Maler hier gedacht
natürlich seine Komposition nicht selbständig habe. Doch wo sind in griechischer Kunst Ana-
schuf, sondern höchstens aus einzelnen Teilen, die logien dazu? Die nächsten Analogien sind viel-
auf ältere Tradition zurückgingen, zusammen- mehr die angeführten Vasenbilder, wo die Säule
setzte, für die Gruppe des Pelops eine Darstellung das Ziel und den Wendepunkt der Bahn darstellt.
wie die eben angeführte vor Augen hatte und den Für das Ungewöhnliche der Form der Säule auf
D. mit hineinmalte, wenn er auch für die neue der Sabouroffschen Vase genügt es, auf Gebilde
Komposition nicht paßte. wie die delphische Pflanzensäule und Verwandtes
3) Heibig, Führers 519. auf Vasen hinzuweisen, bes. 'E(pr,[ji.. dpy. 1885,
4) Man wird durch diese Darstellung an eine andere Taf. 5.
auf einer flachen Toilettenbüchse aus dem Ende 5) Ann. d. Inst. 1874, 45, Taf. H I.
des V. Jahrh. erinnert (Furtwängler, Samml. *) Röscher, Lex. III, i, 781.
Sabouroff I, Taf. 63. Röscher, Selene Taf. I, 2, /) Hier ist noch ein spätes Gefäß aus Südrußland
Myth. Lex. I 2007): Sonnenaufgang mit Helios, ' anzureihen (Antiq. du Bosph. Cimm. Taf. 45, 46,
Eos und Selene; zwischen Helios und Eos ein S. 97. Arch. Ztg. 1856, Taf. 56. C. R. St. Pötersb.
158
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
Symbol des Sieges ist der Dreifuß ferner 7 . auf einem späten Glockenkrater des
Brit. Mus. '). In der Mitte Herakles mit Keule, auf ihn zufliegend von rechts Nike,
in jeder Hand eine Tänie haltend; hinter Herakles Dreifuß auf dorischer Säule, links
Athene, rechts ein bekränzter Jüngling, im Gespräch mit Herakles, weiter anderer
Jüngling mit Speeren. Hier ist Herakles als Sieger gedacht; er wird von Nike bekränzt
und zur weiteren Verdeutlichung des Sieges steht der Dreifuß da. Ähnlich 8. ein spät-
rotfig. Aryballos mit Weiß und Vergoldung in Berlin»). Dreifußauf Erhöhung, Nike mit
Perlschnur auf ihn zufliegend, Jüngling einen Fuß auf das Postament des Dreifußes auf-
stützend. Er ist als Sieger gedacht. Der Dreifuß kann Symbol des Sieges oder Preis
sein 3). Eine Beziehung auf einen bestimmten Sieg ist nicht anzunehmen. Eine späte
Hydria im Museum zu Cairo (Edgar, Greek Vases 26, 224, Taf. XIV.) zeigt als Deko-
ration der Vorderseite des Bauches ein von Gitterwerk eingerahmtes Bildfeld; darin
zwischen zwei großen Dreifüßen mit Löwenklauen und Beinringen eine nach links
schreitende geflügelte Nike, die im Begriff ist, mit einem Kranz (Tänien ? ) den einen
DrcL^uß zu schmücken. Ein solches Bild leitet zu jenen über, wo der Dreifuß mit
oder ohne Figurenbegleitung rein dekorativ verwendet ist. Diese ganze Reihe von
Vasenbildern ist einigermaßen vielen religiösen Gemälden des Barocks vergleichbar,
wo das Thema dem Künstler nichts anderes mehr ist als eine Gelegenheit, künst-
lerischen Problemen nachzugehen.
DER DREIFUSS IN SEINEN BEZIEHUNGEN ZU APOLL UND ANDEREN
GÖTTERN.
Sein Vorkommen in Sagen. Der Sagenkomplex der sieben Weisen.
Von der Betrachtung der monumentalen und literarischen Zeugnisse, welche
den Dreifuß in keiner Beziehung zu Apoll und zur Mantik zeigen, wenden wir uns
zu denen, bei welchen eine solche vorliegt.
Es gibt verschiedene Sagen, in denen der Dreifuß zu Apoll in einem bestimmten
Verhältnis steht, wo aber noch nachgewiesen werden kann, daß dies nicht ursprüng-
lich ist, sondern in die fertige Sage hineingetragen wurde. Dazu gehört in erster Linie
der Sagenkomplex der sieben Weisen. Die Gestalten der sieben Weisen gehören der
1866, Atlas Taf. 4, Text 1398. Stephani, Vasen-
sammlung der Ermitage 1790). Jagd des Perser-
königs auf allerlei Getier, viele Personen. Im
Hintergrund zwei Säulen mit Silphionblättem,
auf jeder D. Diese sind schwerlich anders denn
als Symbol des Sieges aufzufassen.
0 Cat. Vas. III, E 408.
2) Arch. Anz. 1895, 40.
3) Dasselbe gilt von zwei Marmorbasen in Athen
(Friederichs-Wolters 1184, 1185. Arch. Ztg. 1867,
Taf. 226, 3, S. 95). Anfang des IV. Jahrh. i. Auf
der einen Schmalseite zwei Niken, beschäftigt
einen D. aufzustellen, auf der andern Niken,
Tropaion mit Waffen schmückend. 2. Dieselben
Darstellungen; Tropaion und Dreifuß sind Sym-
bole des Sieges. Hier wird man nicht an einen
Preisdieifuß denken dürfen. Anders auf einer Le-
kythos schönen Stils in Athen (Collignon, Vas.
d. Ath. 1362). Zu beiden Seiten eines Altars, auf
dem eine Flamme brennt, fliegt eine Nike, mit
beiden Händen einen D. tragend. Als Sieges-
zeichen in etwas verallgemeinerter Bedeutung ist
auch der D. auf dem rotfig. Vasenfragraent Jahrb.
d. Inst. 1886, 194, Taf. 10 aufzufassen, wenn die
Teile wirklich zusammengehören.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. j cg
Novelle an. Sie sind Typen so gut wie die Sieben gegen Theben, wenn ihre Namen
auch historische Träger hatten. An sie »knüpfte der jonische Kulturkreis und was in
seinen Horizont fiel, die geschichtliche Überlieferung von dem Können und Streben
der ersten Hälfte des VI. Jahrhunderts« '), und wie es das Streben der Sage ist, ihre
Helden an einem Ort zu vereinigen, so wurden auch die sieben Weisen zusammen-
gebracht, in der geläufigsten Wendung dadurch, daß ein goldener oder eherner Drei-
fuß, welchen Fischer aus dem Meer gezogen hatten und der die Inschrift trug »dem
Weisesten«, von einem zum anderen herumgeschickt, von jedem abgelehnt und vom
letzten dem Apollo gesandt wurde. Aber in anderen Versionen ^) geht eine Schale
oder ein Becher herum, von dem Argiver Bathykles oder König Kroisos dem Weisesten
ausgesetzt. Dreifuß, Schale oder Becher sind hier Preise in dem Agon um die Weisheit
und haben natürlich keine ursprüngliche Beziehung zu Apoll. Das lehrt schon das
Vorkommen von Schale und Becher neben dem Dreifuß, noch mehr die Tatsache,
daß neben Apoll, dem delphischen und didymäischen, in einer ganzen Anzahl von
Versionen als schließlicher Empfänger einer der sieben Weisen, meist Thaies, genannt
wird. Neben Thaies erscheint am häufigsten Blas von Priene und die Prieneer waren
auf diesen ihren Landsmann nicht wenig stolz. Denn sie setzten den Dreifuß auf ihre
Münzen 3). Es wurde also die in lonien ausgebildete Sage erst nachträglich zu Apoll
in Beziehung gebracht. Der Dreifuß aber fungiert als Siegespreis so gut wie bei Homer
oder auf zahlreichen Vasen, nur geht hier der Agon um die Weisheit. Aber schon in
der Ilias XVIII 508 ff. heißt es: xsixo 8' ap' iv [ildaoiat 8u(i> xposoio taXavxa xti) Sdfiev,
0? jxsT« Toiaiv SixTjV idövxaza sr^oi. Hier sind die Talente bestimmt für die Richter,
also ein Agon der Rechtsprechenden. Kalchas ließ sich der Sage nach mit Mopsos in
einen Seherwettstreit ein, in dem er unterlag, so daß er vor Trauer starb 4), und bei
Xenophon, de vectig. III, 3 wird von einem Agon um den guten Rat gesprochen:
£? 8s xat T-^ Toü Ifxiroptou dpxii S.bXa itpoTiOsi'r) Tt?, ocrti? 8ixai6-:aTa xai ■zdyiaxa Siaipoi'i)
ta dficpdofia . . . Das sind Parallelen zum Agon um die Weisheit.
Die Sage der sieben Weisen, das kann also wohl als sicher gelten, hatte keine
ursprüngliche Beziehung zu Delphi; der in einigen ihrer Versionen vorkommende
Dreifuß hat mit Apollo ursprünglich nichts zu tun, sondern ist ebenso wie Schale
und Krater, die in einigen Versionen der Sage seine Stelle einnehmen, Kampfpreis
I) V. Wilamowitz, Hermes XXV, 197 ff. 3) Brit. Mus. Cat. lonia S. 230, 7, T. XXIV, 7 Kopf
») Die Texte zusammengestellt bei Harro Wulf, De der Athena Polias, deren berühmter Tempel von
fabellis cum collegü Septem sapientium memoria Alexander 334 gestiftet wurde (Head, H. N ' 590;
coniunctis, Diss. Halenses XHI, Tabelle I. Die vgl. Wiegand-Schrader, Priene S. 81). If, Legende
Sage wurde für uns zum ersten Mal durch Andron Dreifuß. Diese Münze wird erklärt durch eine
in seinem Buche xpfeou; zu Beginn des IV. Jahrh. andere, Imhoof-Blumer, Kleinas. Münzen S. 94,
behandelt, wobei der Titel zu verstehen ist wie Nr. 3, T. III, 21 Büste der Athena. Ip Legende,
»cui debetur pahna sapientiae«, Wulf a. a. 0. Blas bärtig mit nacktem Oberkörper, die Rechte
S. 181. Christ-Schmid, Griech. Litgesch. I 177. auf einen Stab gestützt, die Linke am Gewand,
Vielleicht nach diesem Buch nannte der Demokri- hinter ihm hoher Dreifui3; also Blas, wie er sich
teer Nausiphanes sein Werk Tpfcouc (Fragmente vom Dreifuß abwendet,
bei Diels, Fragm. d. Vorsokr. I', S. 463), aus 4) Röscher, Lex. II, i, 922.
dem nach Diogenes Laertius X, 14 Epikur seinen
Kanon ausgeschrieben haben sollte.
l60 K"l Schwendemann, Der Dreifuß.
im Agon um die Weisheit. Die Beziehung der Sage wurde erst nachträglich her-
gestellt und zwar mit Hilfe des Dreifußes.
Die Kyrenesage.
Eine andere Sage führt uns in den Sagenkomplex von Libyen und Kyrene.
Herodot IV, 179, Apollonios Rhodios, Argonautica 1547 ff., Lykophron, Kassandra 886
erzählen, daß die Argonauten nach Libyen verschlagen und in den Tritonsee einge-
fahren seien, von wo sie den Ausweg nicht mehr fanden. Da tauchte der Herr des
Landes, Triton, auf und verlangte von ihnen einen Dreifuß, bei Lykophron einen
Krater, und gab ihnen dafür eine Erdscholle, worauf sie den Ausweg fanden. Die
Erdscholle ist das Symbol der Verheißung, das den Besitz des ganzen Landes gewähr-
leisten soll. Die Scholle oder ein Rasenstück sind nicht nur bei den Griechen ein
Symbol für die ganze Flur, sondern auch bei den Germanen '). Der Dreifuß hat
jedoch eine andere Bedeutung. Sein Vorkommen hier ist nicht »eine Analogiebildung
zur Schollensage, die jedoch eine entgegengesetzte Tendenz zum Ausdruck bringt« '),
sondern der Dreifuß ist in diesem Sagenkreis ursprünglich Gastgeschenk. Die Argo-
nauten geben dem Herrn des Landes, um freundlich von ihm behandelt zu werden,
ein Geschenk, einen Dreifuß oder nach Lykophron einen Krater, wieder die
Geschenke, welche das ganze griechische Altertum besonders schätzte (s. o.). Aber
dieses Gastgeschenk wird nicht gerne gegeben, sondern der Herr des Landes fordert
es, und wie sonst das Gastgeschenk noch den Söhnen und Enkeln freundliche Auf-
nahme sichert, so übt es hier die gegenteilige Wirkung, weil es gezwungen gegeben
wird. Es wird, so lange der Beschenkte es besitzt, des Gebers Nachkommen von
seinem Lande fernhalten. Freilich ist der Sinn der Sage nicht mehr auf den ersten
Blick deutlich, und besonders bei Apollonios ist der Austausch von Scholle und Drei-
fuß ein Höflichkeitsakt geworden. Wir können noch sehen, wie der ursprüngliche
Sinn der Sage, der bei Lykophron noch am deutlichsten hervortritt, wo die Argo-
nauten dem Triton xpoau) irXciTuv xpox^pa xsxpoTTjuevov geben (v. 888), umgestaltet
wurde. Das geschah unter dem Einfluß des delphischen Orakels. Die Koloniegrün-
dungen in Kyrene sind unabhängig von Delphi entstanden, die ersten noch in vor-
dorischer Zeit vom Peloponnes und dann weiter von Thera aus 3). So sind natürlich
ati'ch die damit in Beziehung stehenden Sagen, also auch die Tripussage, ursprünglich
von Delphi unabhängig, wie allein schon das Auftreten eines Kraters neben dem Drei-
fuß (bei Lykophron) beweisen könnte. Der delphische Gott hat sich den Ereignissen
nur angeschlossen und die kyrenäischen Orakel sind natürlich ex eventu, vielleicht
zuerst nicht unter delphischem Einfluß, sondern in Kyrene entstanden 4). Aber ein
hesiodischcr Dichter hat um die Wende des VH. zum VI. Jahrhundert den Stoff
in delphischem Interesse umgestaltet und ihm sind die Späteren gefolgt 5). Diese
Dichtung steht auf derselben Stufe mit vielen anderen, welche »die Geschichte, zumal
') Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer 14, 153 ff., 3) Malten a.a.O. 190.
157; Gercke, Hermes XLI, 455. •») Malten 201.
') L. Malten, Kyrene 131. 5) Malten 212.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. l6l
die Kolonialgeschichte der Hellenen, zu einer Art gesta dei per Graecos gemacht hat,
indem sie an seine Orakel angeknüpft ward« '). »Alle diese Orakel sind von der sehr
begreiflichen aber historisch absurden Anschauung beherrscht, daß der Gott dem
ahnungslosen Oikisten befiehlt, nach dem Ort zu ziehen, wo er und seine Nachkommen
prosperieren werden« ^). In dem frühesten Bericht über die libysche Tripussage bei
Herodot IV 179 ist es noch deutlich, wie die ursprünglich von Delphi unabhängige
Sage in den Bereich Apolls gezogen wurde. Herodot erzählt, daß lason nach Vollen-
dung der Argo mit einer Hekatombe und einem Dreifuß nach Delphi habe fahren
wollen, von Malea an die libysche Küste verschlagen und in den Tritonsee geraten
sei, ohne den Ausweg wiederfinden zu können. Da sei Triton erschienen, habe den
Dreifuß gefordert, sich in seinem Heiligtum daraufgesetzt und den Argonauten ge-
weissagt. Man sieht noch die Fuge, welche der alte Dichter, dem Herodot hier folgt,
nicht verdecken konnte. Warum fährt lason nach Delphi.? Der ganze Zug ist nur
erfunden, um den Dreifuß, den er Triton gibt, mit Delphi in Beziehung zu bringen.
Die geläufige und allein passende Version ist doch, daß die Argonauten auf der Rück-
fahrt aus Kolchis die Irrfahrten bestehen! Noch gesuchter ist es, wenn Triton auf
diesem Dreifuß weissagt, der doch auch in der von dem delphischen Dichter ge-
schaffenen Version nur ein für Apollo bestimmtes Weihgeschenk ist, also keine man-
tische Kraft besitzt. Auch für die libysche Tripussage ist so eine von Delphi ur-
sprünglich unabhängige Version festgestellt, in der zwar der Dreifuß bereits vorkommt,
wo er aber keinerlei Beziehung zu Apollo oder zur Mantik besitzt, sondern wo er
ganz allgemein als Wertgegenstand fungiert. Es ist auch noch deutlich, daß die nach-
träglich hergestellte Beziehung zu Apoll mit Hilfe des in der Sage schon vorkom-
menden Dreifußes geknüpft wurde.
Die Sagen vom Dreifußraub und Verwandtes.
Bei anderen Sagen steht nun der Dreifuß des Apoll im Zentrum des Geschehens,
und zwar schon ursprünglich. Es handelt sich jedesmal um eine Translokation des
Dreifußes, die jedoch nicht in allen in Frage kommenden Sagen gleich zu erklären
ist. Betrachten wir zuerst die Sage vom Dreifußraub des Herakles.
Wir überschauen zunächst kurz die Überlieferung. Nach Schol. Pindar Olymp.
IX, 43 ging Herakles nach Delphi, um das Orakel zu befragen. Er bekommt keine
Antwort, da Apoll abwesend ist, gerät in Zorn und raubt den Dreifuß. Das ist die ein-
fachste Version. Bei Apollodor Bibl. II 6, 2 ist Herakles wegen der Ermordung des
•) V. Wilamowitz, Choephoren S. 20. zen Nordgriechenlands. Pick, Dacien u. Mösien
») Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. II, S. 442. Apollo wird Bd. I, S. 191; vgl. die Münzen von Temesa,
ja dann zum Gott der Kolonisation (Röscher, Kroton, Rhegion, auf denen der Dreifuß er-
Lex. I, 440 fi.). Das ist er noch in der Kaiserzeit, scheint, weil sie als. Gründungen Delphis gelten.
und kein Gott hat daher in Dakien und Mösien E. Curtius, Ges. Abh. II 469- Vgl. A. S. Pease,
so viele Kultstätten und lokale Beinamen wie Notes on the Delphic Oracle and Greek Colo-
ApoUo, dessen Gestalt und Attribute, besonders nization, Classical Philology XII, 1917, i ff.; mir
der Dreifuß, deshalb auf den Münzen dieser Gegen- nicht zugänglich,
den ungemein oft erscheinen. Die antiken Mün-
1 02 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
Iphitos in schwere Krankheit verfallen, fragt in Delphi, wie er ihrer ledig werden
könne, und versucht, da ihm die Pythia nicht antwortet, den Dreifuß zu rauben, um
ein jAavxeiov tSiov zu gründen. Es folgt ein Streit zwischen Apoll und Herakles,
der von Zeus geschlichtet wird. Nach Paus. X, 13, 8 kommt Herakles nach Delphi,
die Pythia will ihm wegen des Mordes des Iphitos keinen Bescheid geben, Herakles
will den Dreifuß rauben, muß ihn aber dann wieder zurückgeben. Bei Hygin fab. 32
fragt Herakles in Delphi, wie er den Mord seiner Familie sühnen könne. Da er keine
Antwort erhält, will er den Dreifuß rauben, Jupiter tritt dazwischen, Herakles
bekommt sein Orakel und geht zu Omphale in die Knechtschaft.
Apollodor, Pausanias und Hygin erzählen das Ereignis im Zusammenhang
der Lebensgeschichte des Herakles. Das Scholion zu Pindar gibt nur die Tatsache,
ist also die beste Version. Als Grund warum Herakles keine Antwort erhält, wird die
Abwesenheit des Apoll genannt, also ein Grund, der in Delphi im Winter tatsächlich
eintrat. Herakles verfolgt mit dem Raub keinen Zweck, sondern gewalttätig wie er ist,
wird er mit jedem handgemein, der ihm nicht den Willen tut. Bei Apollodor allein
steht, Herakles habe ein p-avtetov Biov gründen wollen.
Die ganze Sage enthält als Kern einen Kampf um das delphische Orakel. Der
Dreifuß ist dem Orakel des Apollo gleichgesetzt. Schon in Herodots Erzählung von
der Fahrt der Argonauten nach Libyen ist der Dreifuß als Sitz der mantischen Kraft
gedacht, wenn geschildert wird, daß Triton, wie er den Dreifuß erhalten hat, sich
daraufsetzt und weissagt; ähnlich bei Lukian, Jupp. tragoedus 30. ') Von hier aus
versteht man die Version des Apollodor, Herakles habe ein [xavtsiov iStov gründen
wollen. Wenn er den Dreifuß, an dem die mantische Kraft sitzt, wegschleppt, so
wird dadurch natürlich das Orakel transloziert.
Eine Stelle bei Plutarch de sera num. vindicta 12: 6 'HpaxX^f dvaaitactac töv
tptiroSa Tov (lavTixöv d? «tevsiv diri^veyxs bringt eine speziellere Nachricht, und eine
Lokalsage zu Gythion (Paus. HI 21, 8) erzählte, daß Herakles und Apollon die
Stadt gegründet hätten, als sie sich nach dem Kampf um den Dreifuß wieder ver-
söhnt hatten. Alle diese Dreifußraubsagen gilt es zu erklären. Die von Pheneos und
Gythion haben natürlich den delphischen Dreifußraub zur Voraussetzung, sind also
danach zu behandeln.
Zuerst haben wir auf frühere Deutungen einzugehen. Furtwängler 2) meinte,
der Dreifuß gehörte ursprünglich Herakles und Apollon. Mit der Zeit habe Apollon das
') Die gleiche Vorstellung auch bei Zinob. III, 63 147 p. 836, 45. jrepi xoü toioütou oXfiou XdfOt
(Lentsch-Schneidewin, Corp. paroemiogr. Graeco- f^v, &i ol xotfidifievoi ^v oittjl t^t'^'ctxoi If^vovTO*
rum I, S. 72): h Skft.<:f ^uviom* ol fiäv 8Xfjiov Ilausavfa? oi)v ;pr)alv itopoijxiaxüi?, iv SXfiip Ixoi-
[idtTVi (paslv. ol oi toüj h Skf).if xoi(j.r)8^VTe{ K'^<"''i ^T'*''^ [JiavTixös äy^vou. Ob man mit Hauser
(iavTtxoüt YEvioBot, 59sv xaX 7tapoi(j.i'av Yev^aSai. (üsterr. Jahresh. 1914, 43) aus diesen Stellen
xal 'ApiOTOtpävTjt 6 Ypa(ji[iaTix(ic tpTjatv, (ö; oi ^v schließen darf, daß die Pythia nicht nur in der
SXjAij) xotfiTjö^vTs? (lavTixol xal Toüs Tp(Tro5a« toü geläufigen Art der |Aav(a, sondern auch im Schlaf
'AjtdXXoivo; 5X[j.ou{ xaXEiüSai xal "AitdXJ.iov uTtö Orakel gebend gedacht wurde, erscheint zweifei -
XotpoxX^ous IvoXfiot. Vgl. ebda. S. 338 (Plutarch haft.
114) iv SX(A<p ixotfii^8r)v: ol iv Skfim xoipiTjöivTe« ^) Röscher, Lex. I, 2189.
i7ri8ttaSTixii)TaTo( siaiv und Eustath. z. Ilias A
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. jg-j
Gerät an sich gerissen. »Um zu motivieren, daß auch Herakles Stifter und Besitzer
von Dreifußkulten war, entstand die schon von der altertümlichen Kunst viel dar-
gestellte Sage vom Raub des Dreifußes durch Herakles«. Aber von Dreifußkulten des
Herakles, wie überhaupt von solchen außerhalb Delphis, wissen wir nichts. Furt-
wänglers Erklärung beruht ferner auf der Ansicht von L. v. Schröder '), daß der
Dreifuß der Feuertopf sei, der dem Lichtgott Apollo zukomme, die mindestens sehr
hypothetisch bleibt, ruht also so gut wie auf keinen Stützen.
Aber er hat die Denkmäler zum Beweis herangezogen. Das erfordert ein kurzes
Eingehen auf die Darstellungen des Dreifußraubes. Furtwängler 2) unterschied
zwischen solchen, die Herakles als Träger und solchen, die ihn als Räuber des Dreifußes
zeigen. Die ersteren sind Gemmen und bieten als solche die verkürzte Darstellung 3).
Es bleibt dann nur ein Münchner Vasenbild 4), auf dem allerdings Herakles erscheint,
wie er einen mächtigen Dreifuß ohne Anzeichen eines Kampfes wegträgt; links von ihm
zwei nackte Jünglinge, rechts einer und Athena. Der vordere Jüngling links wird
als Apollo gedeutet, weil er einen Lorbeerzweig in der Hand hält. Aber er ist durch
nichts von den beiden anderen Jünglingen unterschieden. Er müßte so gut wie
Herakles charakterisiert sein. Das Bild bleibt also völlig unsicher und damit wenig
beweiskräftig. Ebenso das Bild auf der Rückseite der Vase, wo ein großer mit Zweigen
geschmückter Dreifuß dasteht, an den links eine Frau in langem Chiton, rechts ein
ebenso bekleideter Mann die Hand legt; beiderseits je ein Mann in langem Chiton.
Die beiden Bilder sollten eine sonst verschollene Sagenform rekonstruieren helfen,
nach welcher Herakles mit Übereinstimmung Apolls den Dreifuß weggetragen hätte,
um für diesen ein Orakel zu gründen. Aber wie die Vorder- so ist auch die Rückseite
der Vase dafür nicht zu verwenden. Wenn sie die Gründung der Orakelstätte mit
dem durch Herakles weggetragenen Dreifuß darstellen würde, könnten doch die Haupt-
beteiligten, Apoll und Herakles, unmöglich dabei fehlen! Vielleicht ist hier Herakles
ganz allgemein als Sieger gedacht, der den in archaischer Zeit üblichen Siegespreis
gewinnt und dann weiht.
So ist es nichts mit einem »Dreifußträger« Herakles. Ebensowenig können
die Darstellungen des Dreifußraubes in solche geschieden werden, in denen »beide
Parteien mit gleichen Rechten auftreten« und andere, in dem Herakles als Räuber
verfolgt wird 5). Der seltenere Typus des Dreifußraubes zeigt den Dreifuß in der Mitte
stehend, die beiden Gegner von rechts und links ihn fassend, oder ihn von beiden
hin und hergezerrt, während bei dem gewöhnlichen Typus Herakles mit dem geraubten
Gerät davoneilt und von Apoll verfolgt wird. Das ist nur ein Unterschied in der
Komposition. Es läßt sich nicht nachweisen, daß der erste Typus der ältere ist. Die
seltenere Fassung kommt unter den ältesten Monumenten nicht häufiger vor als
') Schröder, Zts. vergl. Sprachwiss. XXIX, N. F. scher, Lex. d. M. I, 2, 2212) spricht gerade gegen
IX, 1887, 197; wiederholt: Arische Religion II, ihn. Denn Herakles schwingt die Keule und
497 fi. läuft, wird also verfolgt. Das sieht nicht nach
') Röscher, Lex. I, 2212. Gleichberechtigung aus.
3) Der von Furtwängler als Kronzeuge für seine 4) Jahn 1294. Arch. Ztg. 1867, 38 ff., Taf. 227.
Ansicht abgebildete altionische Skarabäus (Ro- 5) Furtwängler a.a.O. 2213.
164 ^^1 Schwendemann, Der Dreifuß.
später und hält sich immer neben der anderen. Das Überwiegen des einen Typus
erklärt sich nicht durch das allmähliche Vorherrschen einer delphischen Version
der Sage, die aus dem einst gleichberechtigten Herakles einen Räuber machte, sondern
aus künstlerischen Gründen zur Genüge ').
So ist die Sage vom Dreifußraub zurückgeführt auf das, was sie ist, die sagen-
hafte Überlieferung eines Kampfes um den Dreifuß, d. h. um das delphische Orakel.
Die Gleichung Dreifuß = delphisches Orakel gibt schon unsere älteste Quelle,
die uns den delphischen Dreifuß bezeugt, die von Pomtow (Klio XV, S. 316 ff.) er-
schlossene Überlieferung der koischen Asklepiaden über den ersten heiligen Krieg.
Die Belagerer von Krisa erhalten ein Orakel, das ihnen den Sieg unter gewissen Be-
dingungen verspricht. Der Sieg werde bewirken, cu? jai) irpöispov 0! KpiaaToi iv xqji
d5uT(p ihv Tpi'iToSa auXi^auxjiv. Es wird auch ein Krisäer genannt 8? direöave Xsudöek
oTs ^X9sv sf« TÖ a5uTov xov xpi'itoSa ouÄr,a(uv. Da diese Überlieferung auf eine alte
Tradition der koischen Asklepiaden zurückgeht, die wohl noch vor Herodot
schriftlich fixiert wurde, sicher aber direkt an den Ereignissen des ersten hl. Krieges
hängt (nach Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. II 669 wurde Krisa 586 erobert), haben wir
fürs frühe VI. Jahrhundert eine Quelle, die die Gleichung Dreifuß = Orakel ausspricht.
Das stützt die Deutung der Dreifußraubsage als eine sagenhafte Überlieferung eines
Kampfes ums delphische Orakel. Siehe unten.
Wenn der Dodekathlos einem argivischen*) Dichter des VIII. Jahrh. verdankt
wird, so ist es allerdings ein Widersinn zu glauben, daß der Herakles, der diese Taten
vollbracht hat, deren historische Beziehung einleuchtet, schon vorher den Dreifuß geraubt
habe, weil ihn dies über das Gebiet hinausgeführt hätte, innerhalb dessen sich jene
Taten bewegen. Die Dreifußraubsage ist also später und fordert wie jene eine histori-
sche Erklärung. Es stehen zwei Wege offen. Entweder ist Herakles Vertreter
des dorischen Stammes oder seiner eigenen Religion. Letzteres kann nicht in Betracht
kommen. Von einem Zusammenstoß apollinischer und herakleischer Religion oder
um einen Kampf um den Primat beider 3) kann im Ernst in der in Frage kommenden
Zeit nicht die Rede sein. Ferner soll Herakles nur bei den loniern ein Gott sein,
nicht bei den Dorern 4). Dorer aber sind es, die Delphi umgeben oder deren Gegensatz
zu Delphi in so früher Zeit etwas bedeutete. Denn was gelten die lonier des Mutter-
landes vor dem VI. Jahrhundert.'' Es bleibt also Herakles als Vertreter des dorischen
Stammes und dann ist er entweder Böoter oder Argiver. Der argivische Herakles
würde am besten auf das pheidonischeArgos bezogen werden, also die Sage einen Gegen-
satz zwischen der Machtpolitik von Argos zu Pheidons Zeiten und der Ausbreitungspolitik
') Der Giebel vom Schatzhaus der Knidier in Delphi ») v. Wilamowitz, Euripides' Herakles S. 47 S. Voll-
(FouiUes de D. IV, Taf. XVI, XVII) gibt Apollo graS, Neue Jahrb. XXV, 1910, 327.
als Hauptfigur in der Mitte des Giebels, während 3) Weniger bei Röscher, Lex. II, 37. Overbeck,
Herakles den D. auf den Schultern nach rechts Kunstmythologie Bd. IV. Apollon S. 391. Bei-
enteilen will. Apollo faßt den D. Natürlich seite lasse ich die Ausführungen von Friedländer,
rückt Apollo in einer unter delphischer Autorität Herakles 1 54. Sie beruhen auf undiskutierbaren
entstandenen Darstellung des Dreifußraubes an Voraussetzungen,
die Stelle der Hauptperson. 4) v. Wilamowitz a. a. 0. S. 33.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. jgr
des delphischen Orakels bedeuten. Zieht man den böotischen Herakles vor, so ist
die Sage in mittelgriechischen Machtverhältnissen begründet und würde auf einen
Versuch derBöoter zu deuten sein, den entscheidenden Einfluß in Delphi zu gewinnen,
wäre also in ihr eine Art Vorläufer der späteren heiligen Kriege zu erkennen '). Ob
aber der thebanische oder der argivische Herakles für die Dreifußraubsage in Betracht
kommt, möchte schwer zu entscheiden sein. Daß Herakles auf thebanischen Münzen
mit dem Dreifuß erscheint ^), wie schon auf archaischen Gemmen, beweist nichts.
Auf diesen Münzen kommen auch noch eine ganze Anzahl Taten des Stammesheros 3)
vor und der Dreifußraub ist nur eine von ihnen. Die Verbindung des Dreifuß-
raubes mit Pheneos und Gythion könnte allerdings nach dem Peloponnes weisen.
Die Gytheaten behaupteten nach Paus. HI, 21, 8, daß Herakles und Apollon ge-
meinsam die Stadt gegründet hätten, als sie nach dem Kampf um den Dreifuß wieder
versöhnt waren. Als primär darf man hier wohl annehmen, daß die beiden als Stadt-
gründer galten, was seinen Grund wiederum darin haben kann, daß die ältesten
Heiligtümer der Stadt ihnen geweiht waren. Der Dreifußraub aber war die einzige
bekannte Begebenheit, welche beide eng zusammenbrachte, und so lag es nahe, ihn
zum Anlaß für die Stadtgründung zu nehmen.
Die Sage von Pheneos, Herakles habe den geraubten Dreifuß nach dieser Stadt
getragen, erklärt sich zunächst historisch. Die Mehrzahl der Kulte des Apollon
Pythaeus werden ausdrücklich als abhängig von dem altberühmten Kult dieses
Gottes in Argos bezeichnet 4), und so liegt es nahe für Pheneos dasselbe anzunehmen.
Da wäre dann Herakles der Argiver, der dem ersten Gotte seines Landes in der Fremde
einen Kult gründet. Der Dreifuß würde Symbol des Kultes sein, wie er das des Gottes
ist, und aufzufassen wie in der Sage von Tripodiskos. Die Sage wäre dann bedeutend
jünger als die Dreifußraubsage und in dem Bericht des Plutarch mit dieser konta-
miniert (rpiicoSa -zhv [j.avxixdv!)
Ähnlich wie die Sage von Pheneos ist die Gründungslegende von Tripodiskos,
einem Dorfe Megaras 5) zu beurteilen. Paus. I, 43, 7 erzählt: lau 6s Ms^apsuai xal
Kopoißou Tottpo?. T« 6s i? auTOv sitY) xoivoc SjAous ovTa Tois 'Ap^sioi? Ivxaüöa 6y]X(u3u). kn\
KpoT(uirou Xsfouaiv Iv "Ap^ei ßaat)vSuovTo? ^ajxa&Tjv ttjv KpoTtuTrou xsxsiv irat5' ii 'AiroXltuvoj,
iyofisvyjv 5k iaynjpi^ tou Ttatpo? 6st[i.aTi xqv itaiöa Ixösivai. xal xäv jisv SiacpOstpoutJiv ir.i-
') Auf nationale Gegensätze wurde die Sage schon Schon bei Homer nehmen die Götter am Kampf
zu Beginn des V. Jahrh. gedeutet, wie das Weih- ihrer Völker teil.
geschenk der Phoker nach Besiegung der Thes- ') Brit. Mus. Cat. Central Greece Taf. XII, 6.
saler zu Delphi bezeugt, Herod. VIII, 27. Paus. ») Head, Historia num. » 349 £E. Wenn Münzen von
X, 13, 6: Statuengruppe, den Dreifußraub dar- Philippi vom Kopf des Herakles, ^ Dreifuß
stellend, Leto Artemis Apoll auf der einen, Hera- zeigen, so erklärt sich das aus der Tatsache, daß
kies und Athena auf der andern Seite (Sauer, An- der D. ein gewöhnliches Wappen auf den Münzen
fange der statuar. Gruppe 27 vgl. 17). Mit Recht der makedonischen Könige ist. Head a. a. 0. 217.
vermutet Weniger, Archiv f. Rel.-Wiss. IX, 226, 4) Immerwahr, Arkadische Kulte 136.
A. 2, daß Herakles hier als Thessaler, Apoll als 5) Lentz, Herod. rell. I, 153, 23 TpiTroStSKOj xal
Phoker empfunden wurde. Den Gott als Ver- TpraoSfaxoi xiujiT] x^? MEYapfSo«. Xifeiai xal
treter seines Landes aufzufassen, ist allgemeine TpntoSi'sxT].
griechische Sitte. Curtius, Ges. Abh. II, 361.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXVf.
l66 Karl Schwendemann, Der DreifuB.
T0y(<5vTe? ix TTj? itot[ivii)? XUV8C xrfi KpoTiuitou, 'ATtoXXoov 8k Totf 'Apfsfot? ii t*)V icoXiv itlfiicei
rioivijv. xauTJjv To'u? iraiSa? <x7ro tüiv [xijtspwv <paaiv apTto'Cetv, 4j 8 Kopotßo? i? X*?'"
ApTfsttuv (povsuei ttjv IIoivtjv. cpovsuaas 8s, oö föp dvtei dcpäf 8eoTepc( liriirsooüoa voao?
Xoi[x(u8r(?, Kopoißoj Ixwv }^)S&v ii AsX(pous utp^CoJV St'xa; T(j) 8e(j5 tou <p6vou tt,? noivr^f.
ii [Asv 8tj xö 'Ap^oc äva(iTpE9Stv oux st« Kopoißov yj IluÖia xpiKoSa 8e dpojASVov «pepstv ixs-
Xeusv Ix ToiJ tspou xal ev&a äv Ixirsaig ot cpspovit 6 xpinouf, Ivxauöa 'AiroXXcuvo? ofxoSo-
[i^uai vaov xal aöxöv ofx^crai. xal 6 xptTtouj xatd xb opo? xyjv FEpaviav ditoXioöwv eXa&ev
auxti IxTTSdfuv. xal TpiitoSiaxou; x(u[j.tjv ivxauöa ofxiaai. Kopoißtp 6e iazi xa'cpoj iv rj
Ms^apscuv dfop^. •(i'^paicxai hl IXsfsTa xä ii 'Fajxä&Tjv xal xa ii auxöv l^ovxa Kopoißov')
xal St) xol ijriörj|a.d iuxi xu) xa'ipq) Kdpoißoj cpoveucuv xi)v FlotvTJv. Eine andere Version
steht bei Photios Bibl. 133 b 26 ff. Der Sohn der Psamathe heißt hier Linos.
Apoll straft für seinen Tod Argos mit der Pest. Die Argiver feiern ein Fest mit einem
9pr,vo? für Linos. Aber die Pest läßt nicht nach, ftoj Kpoxtuitoj xaxA }(pir)3[j.8v iKiize x6
"Ap^o? xal xxi'aa; uoXiv Iv x^ Ms^apiSi xal Tpiico8taxiov lirtxaXsaa? xaxtuxirjasv. Die Version
des Pausanias ist die bessere. Die Poine ist ein wirkliches Ungeheuer, wie es in Sagen
oft vorkommt. Koroibos ist ursprünglich von dem Olympioniken*) nicht verschieden.
»Solche Helden der panhellenischen Kampf spiele sind Lieblingsgestalten der Volkssage,
sowohl im Leben als auch im Geisterdasein als Heroen« 3). Koroibos ist also ein Held
des Märchens. Unsere Sage hat ursprünglich mit Tripodiskos keinen Zusammenhang.
Denn wie konnte Koroibos in Megara begraben liegen, wenn er in Tripodiskos einen
Tempel begründet hatte, bei dem er nach dem Spruch des Gottes wohnen sollte.?
Dann mußte er doch dort als T^pmc xxiaxTj? auch begraben sein! Daß er aber gerade
an dieser wenig hervorragenden Stelle den Tempel gründete, wird motiviert durch
den Auftrag des Gottes, seinen Tempel zu errichten da, wo dem Träger der Dreifuß zu-
fällig entgleite. Durch dieses Motiv ist erst Tripodiskos mit der Koroibossage in Zu-
sammenhang gebracht. Die Fuge ist deutlich. Öfters kann man in Sagen beobachten,
daß die Wirksamkeit des Zufalls benützt ist, um die Kontamination zweier ursprüng-
lich unabhängiger Glieder herzustellen, etwa wie der tragische Dichter den deus ex
machina benützt, um divergente Entwicklungen zu verbinden und auszugleichen.
Das Motiv des Dreifußtragens selbst ist nur herausgesponnen aus dem Namen Tri-
podiskos. Die Version bei Photios ist eine spätere unlebendige Analogiebildung zu
der des Pausanias, die in Koroibos und Poine echte Sagengestalten in sich birgt.
Soweit die historische Erklärung der Sage.
Ihr Sinn wird verständlich durch den griechischen Brauch der dipiSpodt?.
Diese bezeichnet die Nachahmung eines Kultbildes 4), wovon Strabo VHI p. 385 ein
Beispiel gibt: xou? -y^P ^* "f^? 'EXi'xtj? Ixwsadvxa? 'Icuvas akeiv usjuj/ovxa? irapa x&v 'EXixsottV
[xäXiaxa fiev xb ßpsxa; xou floasiBcövo?, si 8k (it) xo5 lepoS xy)v dtpiSpudiv, und derselbe XII
P- 537- 65(si 8k xal Ispbv xb xoS Kaxdovof 'AitoXXwvo? xa&' oXiijv xifitofjtsvov xtjv KairuaSoxi'av
Ttoiifjaafisvtuv d9i8p6[i.axa dir' aöxoü. Umgekehrt konnte auch das alte Kultbild verpflanzt
') Das Epigramm noch erhalten Anth. Pal. VII 154, ') Paus. V, 8, 6, VIII, 26, 3. Crusius bei Röscher,
ein Produkt der hellenistischen Zeit. Crusius Lex. II, 1, 11 54.
bei Röscher, Lex. II, i, 1154. 3) Rohde, Psyche I, 192.
■t) Stengel bei Pauly-Wiss. I, 2720,
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. I67
und durch eine Kopie ersetzt werden. So kam das alte Schnitzbild des Dionysos
von Eleutherai nach Athen und das dortige l{ [iifiTjuiv Ixstvou TtsiroiijToi'). Also wie
bei der Gründung von Filialen eines Kultes Kopien des alten f6oc in diese über-
tragen werden, so wird in Tripodiskoi ein Pythion gegründet durch Übertragung
eines Dreifußes von Delphi dorthin. Denn in Delphi ist nicht das Bild des Apoll,
sondern sein mantischer Dreifuß das heiligste und das Zentrum des Kultes.
Eine von Delphi unabhängige Tripodophorie ist bei Strabon S. 402 erwähnt ^),
Es wird nach Ephoros erzählt, daß die Thraker und Böoter im Kriege einst einen
Waffenstillstand geschlossen hätten. Die Thraker griffen aber bei Nacht an und
behaupteten nachher, sich nur für den Tag zur Waffenruhe verpflichtet zu haben.
Beide Parteien beschickten das Orakel von Dodona. Als die Böoter keinen günstigen
Bescheid erhielten, wollten sie die Prophetin ins Feuer werfen, ix bk toutojv BottuToi?
(iovois av8pa? TrpoösaKi'Ceiv Iv AtoStuvio. xa; [xevToi Tcpo^7jTi6a? IStj^ouiisvou? xö [lavxstov
sfixsiv, oxi Ttpouxa'xTot 6 öso? xoTs BotwxoT? xou; Tiap' auxoT? xpmoSa; auXXsYovxa; ef? AwScu-
VTjv TCEjiTTsiv xftx' Exo? ' xal Si] xai uoisTv xouxo* dsl fotp xiva x5>v dvaxsijxsveuv xptTcoScuv
vuxxwp xaöaipouvx«? zai xaxaxaXuwxovxa? ifxaxtoi? u>? äv Xa&pa xpiTtoSrjtpopsiv sf? AtuSaJvirjv.
Hier ist der Dreifuß Buße wie noch im Recht von Gortyn. Nachts wird er fortgeführt
und verhüllt, weil er gleichsam aus Böotien geraubt ist; denn er ist einer xüiv dva-
X£t[i.lvu)V.
Zum Verständnis der Tripodophorie kann man noch an das irüp litaYssftai
aus Heiligtümern erinnern, etwa an die vau? Ttupcpopoüda, die alljährlich, nachdem alle
Feuer auf Lemnos gelöscht waren, aus Delos neues Feuer holte 3). Und wirklich
findet sich Pyrphorie und Tripodophorie miteinander genannt auf einer Inschrift
vom Athenerschatzhaus zu Delphi 4); d^aSiii xu}(Y)t x?y? ßouXTj? xal xoü 8tj[aou xöiv
'Aöifjvaiiuv. Iitl Msvxopoc apxovxo? iv AsXtpoTs Iv 8k 'Aöv^vai? 'ApYstoü sXaßev -zhv kpbv xpi-
ito8a Ix AsXcpüiv xal dTtexofitaev xal xyjv irupcpopov TjYaYSv 'AfxcpixpdxYjs 'Eitisxpdxou 'A&rjvaios.
. Die Inschrift gehört ins Jahr 97/96 v. Chr. Amphikrates hatte also wohl einen Dreifuß
aus einem attischen Heiligtum nach Delphi gebracht zur Lustration und wieder
zurückgeleitet. Zugleich muß ein ähnlicher Akt wie der von Philostrat bezeugte
stattgefunden haben, indem von Delphi reines Feuer geholt wurde, ähnlich wie die
Griechen aller durch den Persereinfall berührter Gegenden nach der Schlacht bei
Plataiai auf Delphis Geheiß das Feuer löschten und neues von Delphi holten 5). Die
uüpcpopoj der Inschrift ist die geleitende Priesterin').
') Paus. I, 38, 8. Wenn der Zeus auf den Münzen Graeci III, 450, S. 19. TpiJtoäTjtpopixrfv laxi xö
von Messene der des Ageladas ist, wie man an- a8(?(xsvov ItA TtpoTiojAiiTj xpdroSoj, ov lnEfiTiov 0
nimmt, dann wurde sein Bild bei der Gründung 9T)ßaioi li Ixou? xiS At( xtp A(o8u)va(u) ei; Aui-
der Stadt 369 von Naupaktos dorthin gebracht. 8(i)vr)v. PoUux IV, 55 erwähnt ■zpnzoi-qtfopixi
Denn es war ursprünglich für die in Naupaktos (seil. fJiiXrj).
angesiedelten Messenier gefertigt. Paus. IV, 33. 3) Schömann-Lipsius, Griech. Alt. II, S. 229.
») Ebenso bei Photios, Bibl. p. 322 = Höfer, Konon Philostratos, Heroica XIX 14.
Nr. 19. Bei der Übertragung wurde ein Lied 4) Couve, B. C. H. XVIII, 89, Nr. 9. Dittenberger,
gesungen, xptitooT]tpopix(Jv \t.{lo(. Vgl. Schol. Sylloge » 665. Fouilles de Delphes III, 2, Nr. 32.
in Dion. Thracis art. grapim. ed Hilgard, Gram. 5) Schömann-Lipsius a.a.O. S. 229.
^) Couve a. a. 0 S. 89.
l68 KutI Schwendemann, Der Dreifuß.
Eine andere Inschrift gleicher Herkunft lautet'): toy^oLv d-(abdv. iitei 'AXxi5a|io«
EÖSOV0U4 'A&Jivaio? iroXiToc, euaeßü)? x«i odt'oji SiaxEijASvo; itoxi xe tov Osiv xal itotI täv
:t6Xtv d)X(üv, d^aiftuv oe xal xov xpiTtoSa I9' apixatoj dSto)? to5 tb öeoü xal tou üfietepoo
8ot(iot) ... Er wird mit Proedrie, Promantie usw. belohnt. Die Inschrift fällt
zwischen 135— 120 v.Chr. *). Alkidamos hat also dasselbe getan wie Amphikrates. Die
Tripodophorie ging also wohl regelmäßig, vielleicht in Intervallen von vier oder acht
Jahren 3), nach Delphi und bezog sich jedenfalls auf das Pythion am Ilissos, den
Mittelpunkt des Thargelienfestes 4).
Die Bedeutung des Dreifußes in der Sage von Pheneos, in der Gründungslegende
von Tripodiskos und in unseren beiden Inschriften führt zu einer weiteren Vermutung.
Wurde vielleicht bei Gründung einer delphischen Filiale ein Dreifuß als »dcpiSpuixa«
des heiligen mantischen Gerätes im delphischen Adyton mitgegeben, um in dem
neuen Kultzentrum aufgestellt zu werden, nicht etwa zu mantischen Zwecken, sondern
als Symbol des Kultes des Apollo, dem der Dreifuß als Wahrzeichen und Instrument
seiner Willensäußerung dient.? So würde sich die regelmäßig wiederholte Sendung
eines Dreifußes, der in der ersten Inschrift ausdrücklich tepo? genannt wird, von
Athen nach Delphi und wieder zurück am besten erklären. Es wäre der im Pythion
als »d'^tSpufia« aufgestellte Dreifuß. Diese Vermutung läßt sich vielleicht stützen durch
die Inschrift B. C. H. 1879, S. 70 aus Athen, IV. Jahrh.
xatÄ T7)v '\Tt6X>.a)vt
pfiatoc TäS[e l]7r[e](j&at tä[i] xav[o)r]
tpiiroBa iTttToJt'Sa?
(jTE[ifxa irpo-covtov
taxov a90tp[av]
Trotz der Verstümmelung ist klar, daß in einer zu Ehren des Apollon veran-
stalteten Prozession Gegenstände, darunter ein Dreifuß herumgetragen werden sollen
und man hätte an den als dcpiöpüjio aufgestellten Dreifuß im Pythion zu denken.
Die von Vollgraff, Bull. Corr. Hell. 1904, S. 270 fif. veröffentlichte Inschrift beweist,
daß man im Heiligtum des Apollon Pythaios in Argos einen Omphalos aufstellte.
Die fjidvTies und ■repocpTJTai dveöev 'AitoXXwvi . . . xai iropsaxeuadsav xal isaavzo xov Ix
(lavTiijac Fä? ÄjxcpaXov xal tctv TrepiOTaatv, eine schlagende Analogie zur »d<pi5pu<Jis« von
Dreifüßen in Apolloheiligtümern. Daß es in vielen Apolloheiligtümern äjicpoiXot gab,
hat Röscher (Omphalos und Neue Omphalosstudien) dargetan, freilich die spätere
Übertragung des Omphalos zu wenig beachtet. Die Erdmittelpunktsidee scheint
außer in Delphi höchstens noch in Milet alt und ursprünglich.
Bedeutung des Dreifußes im delphischen Orakel-Betrieb.
Nach der Analyse der Sagen, die eine sekundäre oder ursprüngliche Beziehung
zum mantischen Dreifuß haben, wird es Zeit, daß wir uns der Frage zuwenden, welche
') Couve a. a. O. S. 91, Nr. 10. Dittenberger, Syl- ») Pomtow, Philologus LIV, 593.
löge' 7:8. Collitz-Bechtel, Griech.Dialektinschr. 3) Pomtow a. a. 0.
II 2728. Fouilles de Delphes III 2, Nr. 33. 4) E. Curtius, Arch. Anz. 1895, I09-
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. j^q
Bedeutung dem Dreifuß im delphischen Tempel zukommt, welche ursprüngHche
Funktion er hat, und wie sich die verschiedenen Vorstellungen erklären, die sich mit
ihm verbinden.
Unsere literarische Überlieferung über das delphische Orakel beginnt erst deut-
licher zu werden, als dieses schon lange in Blüte stand. Die Ausgrabungen haben
gezeigt, daß Delphi schon in mykenischer Zeit besiedelt war '). Vor der Ostfront
des Apollotempels lagerte direkt auf dem Felsen eine dicke schwarze Erdschicht,
gebildet aus Asche und Knochenresten, in der weibliche Tonidole der bekannten
mykenischen Art gefunden wurden. Man wird sie nicht mit Perdrizet a. a. 0. S. 14
auf den Kult der Ge beziehen dürfen, da sie allenthalben an Stätten mykenischer
Kultur zu Tage gekommen sind. Jedenfalls war aber ein Kult in Delphi. Die nächste
archäologische Tatsache für diesen ist außer den Resten von Weihgaben der Apollo-
tempel. Sollten sich wirklich, wie Homolle 2) versichert, keine Reste eines voralk-
mäonidischen Baues nachweisen lassen, so müssen wir doch einen solchen voraus-
setzen. Das verlangt die Analogie anderer Kultstätten und die hterarische Über-
lieferung, die deutlich von mehreren Vorgängern des Alkmäonidentempels spricht,
wenn auch in märchenhafter Form. Er wäre ähnlich wie das olympische Heraion,
das alte Ismenion in Theben, die Tempel in Thermos oder der Vorgänger des alten
Gorgotempels auf Kerkyra zu denken.
Schon im VIII. Jahrhundert war das delphische Orakel über die Grenzen der
hellenischen Welt hinaus angesehen und bekannt. Midas hat als erster der Barbaren
dem delphischen Gotte kostbare Geschenke gestiftet und er lebte im letzten Drittel
des VIII. Jahrhunderts 3).
Unsere literarische Überlieferung sagt uns für diese ganze Frühzeit nichts über
den Betrieb des Orakels. Homer und Hesiod schweigen darüber, und der homerische
Hymnus auf den delphischen Apoll gibt auch nichts genaues. Wohl heißt es V. 265
von Apollo I? aSuTov xaTsSuas 8ia xpnioSwv IpixifAmv. Diese Dreifüße haben aber
nichts mit Mantik zu tun, sondern der Gott schreitet durch ihre Reihen hindurch,
an ihnen vorbei in sein Adyton, wo er ein großes Feuer entzündet. Der Dichter stellt
sich ein Heiligtum seiner Zeit vor, in dem eine Menge Weihdreifüße stehen, wie dies
ja auch tatsächlich in jener Zeit in vielen Heiligtümern der Fall war. Ein Schluß
ex silentio, nämlich, daß der Dichter des Apollohymnus nichts von einem mantischen
Dreifuß wußte, ein solcher in jener Zeit also nicht vorhanden war, erscheint
gewagt bei der Unsicherheit, die über Abfassungszeit, Entstehung und Aufbau des
Hymnus herrscht. Sehr wohl kann in einem uns nicht erhaltenen Hymnenteil noch
mehr gestanden haben, beziehungsweise lag es nicht in der Absicht des Dichters,
gerade über den Orakelbetrieb etwas zu sagen. Schweigt er doch auch über die Pythia,
deren Tätigkeit in Delphi vielleicht durch den früheren Kult der Ge erklärt werden
darf, die also zur Zeit des Dichters bereits in Delphi gewesen sein müßte. So spricht
die älteste Überlieferung wenigstens nicht gegen die Existenz eines mantischen Drei-
fußes in jenen frühen Jahrhunderten, wenn wir auch über ihn nichts erfahren.
'; Fouilles de Delphes V, S. 6 fi. ») Bull. Corr. Hell. 1896, 643.
3) G. u. A. Körte, Gordion 21.
170
Karl Schwendemann, Der DreifuS.
Die erste Quelle, in der das dann der Fall ist, ist die von Malten erschlossene
Umarbeitung des Kyrenesagenkomplexes durch einen in delphischem Sinne gestal-
tenden hesiodischen Dichter um die Wende des VII. zum VI. Jahrhundert '). Dieser
hat, wie wir oben sahen, die ursprünglich mit Delphi nicht in Beziehung stehende
Sage gerade durch das Element des Dreifußes mit Delphi verbunden. Für ihn war
der Dreifuß demnach schon apollinisches Gerät. Damit haben wir eine literarische
Quelle über den mantischen Dreifuß, die dem Hymnus an den pythischen Apoll
zeitlich nahekommt und also eine Bestätigung dafür, daß der Schluß ex silentio
oben mit Recht nicht gezogen wurde.
Welche Bedeutung hat nun der Dreifuß in dieser unserer ältesten literarischen
Überlieferung.? Hören wir sie selbst, wie sie bei Herodot IV 179 steht: Kai oJ diro-
psovTt TYjv IJaYtoY'/jv X6-(0i lati cpavrjvat TptT<uva, xoti xeXsueiv tov 'Ir^ctova äu)UT(p Souvai töv
TpiTCoSa, ^ajisvov atpt xal xhv itdpov 5sSeiv xal dui^jxovac dTcoUTsXssiv. FleiOonsvou 8k Toi>
'li^cjovof ouTU) Sy) tov xe SiexnXoov twv ^payimv Sstxvuvai tov Tpirwvd 391 xal tov Tpiiro5a
Oeivai Iv Tij) loaoTou ?p(p iTTiOeaitiaavTa' xe tiö Tpt'rcoSi xal TOiai auv
lijoovt arjfjii^vavTa tov itdvTa Xo^ov.
Hier ist der Dreifuß ohne Zweifel als Sitz der mantischen Kraft gedacht. Denn
Triton setzt sich auf ihn, um zu weissagen, empfängt also die mantische Kraft durch
das Sitzen auf ihm. So ist es noch in der späteren Überlieferung. Das Orakel wird
erteilt, indem der Orakelgeber auf dem Dreifuß sitzt ^). Es werden verschiedene
Inspirationsmittel der Pythia genannt, das Kauen des Lorbeers und der Trunk aus
der Quelle 3), später auch die angeblich aus dem x«''|J'« aufsteigenden Dünste, aber
das Sitzen auf dem Dreifuß bleibt konstant.
Wenn es richtig ist, wie wir oben geschlossen haben, daß der Dreifußraub einen
Kampf um das delphische Orakel bedeutet, so liegt ihm ebenfalls die Vorstellung zu-
grunde, daß die mantische Kraft am Dreifuß sitzt.
Herakles bemächtigt sich des Orakels indem er den Dreifuß wegschleppt, genau
so wie in jener von Pomtow erschlossenen alten Überlieferung über den ersten heiligen
Krieg die Phoker sich die Orakelstätte des Apollo zu eigen machen, indem sie den
Dreifuß aus dem Adyton rauben. Die Darstellungen des Dreifußraubes reichen aber
^») Malten, Kyrene 212.
") Die Stellen Pauly-Wiss. V, 1679.
3) Lorbeer: Rohde, Psyche II 58, i. »In dem heili-
gen Gewächs steckt die divina vis; man schlingt
sie durch Kauen hinunter.« Crusius, Philologus,
N. F. VII. Beiheft S. 11. »Wie der Rauschtrank
die poetische Begeisterung nährt, so weckt und
steigert das Aroma der Lorbeerblätter die poeti-
sche Ekstase« Qjell- oder Rauschtrank: Luk.
Jupp. tragoedus 30. Bis accus, i : ij TtpojJiavTis
JtioOoa Toü lepoü va(JiaTO{ vgl. Hermot. 12.
Clem. Alex. Protr. Cap. II. (jEat'yrjTat yoüv ij
KatSToXlr^i iTTjYr) xai KoXocpüivo? aXXrj titjyt) xal
TÖ äXXa bfiolmi T^övrjxe vafiaxa [xavxixä. Im
Branchidenheiligtum von Didyma (Belege Pauly-
Wiss. III, I, 803), in Hysiai (Paus. IX, 2, i), in
Kyaneai in Lykien (Schömann-Lepsius, Griech.
Alt. 331, 335; vgl. 344), in Klaros (Tac. Ann.
II, 54. Plin., N. H. 103, 332) war ebenfalls ein
Quelltrank das Begeisterungsmittel. Melesagoras
von Eleusis, vielleicht eine wirkliche Person aus
der Prophetenzeit (Rohde, Psyche II 64, Anm. i),
weissagte nach Max. Tyr. 38, 3 Ix vujjitpüiv
xaTO)(0{. Es scheint demnach, als ob die manti-
sche Wirkung des Trankes aus gewissen Quellen
allgemeinere Bedeutung gehabt hätte. Der Glaube
daran kann sehr wohl ursprünglich sein. Die
Frage nach Herkunft, Geltung usw. der manti.
sehen Mittel verdient eine eigene Untersuchung.
Karl Schwendemann, Der Dreifufi.
171
bis hoch ins sechste Jahrhundert hinauf, und die von Pomtow klargelegte Tradition
der koischen Asklepiaden hängt direkt an den Ereignissen des ersten heiligen Krieges,
geht also in den Anfang des sechsten Jahrhunderts hinauf. So haben wir eine ganze
Reihe von Zeugnissen, die uns bis ans Ende des VII. Jahrhunderts führen und die,
als früheste Belege für die Geltung des Dreifußes im Kult des Apollo, uns einstimmig
sagen, daß der Dreifuß der Sitz der mantischen Kraft ist, die auf denjenigen über-
geht (Triton), der sich darauf setzt.
Wie es nun zu erklären ist, daß der Dreifuß Sitz der mantischen Kraft ist, darüber
kann man schwerlich mehr als Vermutungen äußern. Leop. v. Schröder i), der Apoll
als Feuergott betrachtet, sieht im Dreifuß den Feuertopf. Man hätte sich den Gott im
Feuer, im Feuertopf sitzend gedacht und die Pythia wäre nur seine spätere Hypo-
stase. Über die Richtigkeit der Gleichung Apoll = Feuergott will ich nicht urteilen,
jedenfalls ist von der von Schröder angenommenen ursprünglichen Bedeutung des Drei-
fußes als Feuertopf nirgends mehr etwas zu spüren. Außerdem stimmen einige von
Schröders Argumenten nicht gerade vertrauensvoll^). Ich möchte mich damit
bescheiden zu konstatieren, daß die älteste durch literarische und monumentale
Überlieferung faßbare Bedeutung des Dreifußes die des Sitzes der mantischen
Kraft ist.
Diese Konstatierung bringt uns sofort in Konflikt mit einigen sehr landläufigen
Vorstellungen über den delphischen Orakelbetrieb und zwingt uns außerdem einige
Fragen auf.
Um mit den letzteren zu beginnen: Der apollinische Dreifuß hat, wie wir oben
sahen, als Kesseldreifuß zu gelten, wenn unsere monumentalen Zeugnisse überhaupt
etwas über ihn aussagen. Ein solches Gerät, ein Kochtopf auf 3 hohen Beinen mit
tiefem bauchigem Kessel ist aber eine merkwürdige Sitzgelegenheit, besser gesagt,
es ist überhaupt keine, ursprünglich jedenfalls nicht. Zudem ist nicht recht einzu-
sehen, wie dieses Gerät zum Sitz der mantischen Kraft werden könnte. Des weiteren
besteht zwischen der Tatsache, daß die Mantik der Pythia offensichtlich eine In-
spirationsmantik war, ein Verkünden im Enthusiasmos, und der alten Anschauung,
daß der Dreifuß der Sitz der mantischen Kraft sei, eine deutliche Diskrepanz. Beides
widerspricht sich völlig. Wenn der Dreifuß Sitz der mantischen Kraft ist, die durch
körperliche Berührung in die Person übergeht, die auf ihm Platz nimmt, ähnlich wie
man durch Incubation göttlichen Wissens teilhaftig wird, so hat das mit Enthu-
siasmos nichts zu tun, ebensowenig wie es nötig ist, auf einem Dreifuß Platz zu
nehmen, um göttliche Inspiration zu gewinnen. Noch mehr Fragen stellen sich von
selbst. In allen Handbüchern ist zu lesen, daß der Dreifuß über dem xa3|j.a 7^?
') Arische Religion II, 497 ä.
^) Die jährliche Pyrphorie von Delos nach Lemnos
ist jedenfalls (Ath. Mitt. 1906, 75; Malten, Jahrb.
d. Inst. 1912, 249) nicht ursprünglich, sondern
das Feuer wurde am Erdfeuer des Mosychlos auf
Lemnos entzündet. Außerdem haben ja die
delphischen Erddämpfe nie existiert. Damit
fallen zwei Stützen von Schröders Hypothese.
Allerdings gab es in Delphi icupxdot, mit einem
Eponymos Pyrkon, der in poseidonischera Orakel-
wesen eine Rolle spielte (Paus. X 5, 3, Röscher
Lex. d. Myth. III, 2, S. 3349), woraus schon
Schömann-Lipsius (Griech. Alt. II, 339) auf Em-
pyromantie »im Dienste und unter der Autorität
des Poseidon« geschlossen haben. Beweisen läßt
sich da kaum etwas.
172
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
stand, dessen Dünste die Pythia begeisterten. Wenn aber, wie die alten Quellen aus-
weisen, der Dreifuß der Sitz der mantischen Kraft ist, die mit ihm translozierbar ist,
was haben dann erregende Dämpfe für eine Rolle zu spielen?
Die letzte Frage löst sich einfach: Das Chasma hat nie existiert. Obwohl die
Franzosen den delphischen Apollotempel schon vor mehr als 20 Jahren freigelegt
haben '), hat noch niemand den alten Erdspalt entdeckt, zum mindesten etwas
darüber verlauten lassen, was bei dem Interesse der Angelegenheit doch sicher vor-
auszusetzen wäre, wenn jemand den Erdspalt gesehen hätte. Man kann einwenden,
er sei verschüttet oder könne sich durch ein Erdbeben geschlossen haben. Aber der
Stereobat des Tempels ist vollständig in situ »zwar an den Längsseiten etwas kur-
viert und deformiert, aber nirgends auseinandergerissen oder doch gespalten, was
bei einem Schub oder starken Zusammentreten des unter ihm Anstehenden not-
wendig hätte eintreten müssen« (Pomtow, Philologus 1912, S. 70). Nachdem Opp6
(J. H. St. 1904) nachgewiesen hat, daß das Chasma nie existiert hat, aus geologischen
Gründen — Delphi liegt auf einer Schieferterrasse, die als solche Höhlenbildung aus-
schließt — nie existieren konnte, wird hoffentlich die »schlechte rationalistische
Fabel« ^) vom delphischen Erdspalt keine Gläubigen mehr finden. Mit ihr fällt alles,
was in. alter und neuer Zeit auf ihr aulgebaut wurde 3). Wie der Glaube an das Chasma
entstanden ist und wie es sich erklärt, daß er in Geltung kam, ist eine Frage für sich 4).
Jedenfalls aber ist sicher, daß der Dreifuß in Delphi nie über einem Erdspalt stand
und die Pythia durch Erdausdünstungen nie begeistert wurde 5).
') Bull. Corr. Hell. 1896, 730. »On ne voit dans
l'int^rieur que les traces de la destruction, en
particulier du cot^ oül se trouvait la caveme
propb^tique: La place meme n'en est plus recon-
naissable, bien que nous soyons descendus jusqu'ä
la nappe d'eau souterraine signalee par Pau-
sanias. «
=) Wilamowitz, Hermes XXXVIII, 579. Vgl. Gruppe,
Bursians Jahresber. Suppl. 137, S. 243.
3) Auch die Vorstellung von der ouvousfa des Apoll
mit der Pythia. (Dieterich, Mithraslithurgie 92 ff.,
121 ff.; Fehrle, Kultische Keuschheit, R. V. u.
' V. A. VI, 7 ff., 79 ff., bes. 89.) Die Vorstellung
vom Chasma und die von der ouvouafa können
nicht getrennt werden. Das eine ist die Voraus-
setzung des andern. Lebendigem griechischem
Glauben kann man nicht zumuten, sich vorzu-
stellen, daß Apollo, der doch vor allem in Delphi
nichts weniger als chthonisch ist, durch Dämpfe,
die aus einem Erdschlund aufsteigen, sich mit
der Priesterin vereinige! Die Zeugnisse für die
owouaia der Pythia mit Apoll beginnen wohl
nicht zufällig erst nach dem ersten über das
Chasma (Strabo IX, 419).
4) Das Wasser der Kassotis hat seinen natürlichen
Lauf unter dem Tempel durch. Pausanias be-
richtet, daß das Wasser der Kassotis unter dem
Adyton durchfließe, was die Ausgrabungen be-
stätigt haben. Natürlich mußten dafür in den
Fundamenten entsprechende Vorkehrungen ge-
troffen sein, ob aus dem Adyton ein Zugang zu
diesem unterirdischen Wasserdurchlaß führte und
dann zur Entstehung der Fabel über das Chasma
beitrug?
Vgl. auch Karo, Arch. Anz. 1913, 103. »Schon
jetzt darf man sagen, daß das j^cistia y^S "'6
wirklich existiert hat, die Höhle der Pythia war
ein künstlicher Keller«, ein auf die Grabungs-
ergebnisse sich stützendes Urteil, das auch er-
klären könnte, wie die Legende vom Chasma
Glauben finden konnte. Ihre Verbreitung kann
außerdem durch Stellen wie dieEurip. Phoen.232
Cäöeä t' ävTpa EpöxovTos (des Python) (vgl.
Klearch bei Athen. 701 C; F. H. Gr. II, 318,
OüSrnvos (JTt^Xalov) gefördert worden sein, oder
durch die Tatsache, daß man die Höhlen der
chthonischen Götter (jiiyapa oder 5(ä(3(iaTa nannte
(Rohde, Psyche 13, 117, Anm. i u. 120; vgl.
Kl. Sehr. II, 356). Wenn chthonisch-mantische
Götter in Höhlen wohnen, der Drache, der vor
Apoll in Delphi war, auch eine Höhle besaß und
als früherer Besitzer des Orakels galt, war das
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
173
Nun aber die Diskrepanz zwischen Inspirationsmantik und der alten Vorstellung vom
Dreifuß als Sitz der mantischen Kraft. Sie läßt sich nur beseitigen durch die Annahme,
daß das Sitzen auf dem Dreifuß und der Enthusiasmos ursprünglich nichts miteinander
zu tun haben, sondern zwei völlig verschiedene einmal kombinierte Methoden der
Zukunftserforschung sind. Das würde zu der seit Rohde gültigen Auffassung vom
Enthusiasmos und seiner Herkunft vom dionysischen Orgiasmos passen (Psyche Il3,
S. 5 ff.) '). Wir hätten uns also vorzustellen, daß in der ältesten Zeit in Delphi eine
Dreifußmantik geübt wurde, die von der späteren Art der Orakelgewinnung ver-
schieden war. Wie sie gewesen ist, können wir nur vermuten. Die einzige alte kultische
Beziehung des Kesseldreifußes neben seiner Bedeutung als Weihgeschenk ist die
rein praktische beim Kochen von Opferfleisch. Ob man dabei ursprünglich gewisse
Zeichen beobachtete? Sicher darf man aber keine Mantik aus dem Erzklang sich
vorstellen. Wenn spätere antike Schriftsteller den Dreifuß als tönend bezeichnen, so be-
weist das nichts für seine ursprüngliche Bedeutung. Alle diese Äußerungen sind
spät und ursprünglich dichterisch *). Auch das AmSoaveTov j^aXxetov diente, wie
Vorhandensein eines Chasmas in Delphi nicht
sehr unglaublich. Auch hier wäre eine Sammlung
und Bearbeitung allen Materials über Höhlen-
kulte, Chasmata u. a. vonnöten. Vgl. auch
L. Weber, Philologus LXIX, 200 ff.
') Abgesehen davon, daß die Fundamente von
Rohdes Psyche in den über den Orgiasmos han-
delnden Teilen problematisch sind (O. Crusius,
E. Rohde, Ein biographischer Versuch 202), läßt
sich gegen Rohdes These mancherlei einwenden.
Sie erscheint wie ein letzter Ausklang des Klassi-
zismus, der vom griechischen Volke — seinem
Idealvolke — die Möglichkeit jeder ausschweifen-
den und über die Grenzen der Selbstbeherrschung
hinausgehenden Gefühlskraft hinwegnehmen
wollte. Aber die dämonische Leidenschaftlichkeit
des politischen Lebens der Griechen allein ver-
bietet solche Anschauungen. Wie sollte einem
südlichen Volke mit so tiefem Erkenntnisdrang
der Orgiasmos fremd gewesen sein? Hat doch
selbst Piaton das Schauen des Ideenreiches nur
im Enthusiasmos für möglich gehalten. Die
Aufnahme des Orgiasmos allenthalben in Grie-
chenland spricht ebenfalls gegen Rohde. Sie
wäre ohne verwandte Regungen in der Seele des
griechischen Volkes doch undenkbar. Rohdes
Grundthese ist gleicherweise aus seiner Persön-
lichkeit wie aus der Art des Problems zu ver-
stehen. Rohdes Geist war in der Jugend vor-
wiegend philosophisch gerichtet. Seine spekula-
tive Veranlagung mußte dem Problem des Orgias-
mos gegenüber wieder stärker hervortreten, denn
der Orgiasmos liegt seiner historischen Stellung
bei den Griechen und seinem Wesen nach an den
Grenzen der historischen Wissenschaft und ist
mehr ein völkerpsychologisches als historisches
Problem. Sieht man in der Möglichkeit religiösen
Überschwanges etwas für alle Menschen ihrem
Wesen nach Gegebenes, so ist kein Grund, die
Griechen von dieser Möglichkeit prinzipiell aus-
zuschließen und den Orgiasmos als etwas ihnen
ursprünglich Fremdes aufzufassen, weil er sich
mit »dem in feste Schranken gefügten Gleich-
maß in Stimmung und Haltung« nicht vertrage
(Psyche II J, 5). Dieses Gleichmaß bei einem
ganzen Volke, auch dem griechischen, vorauszu-
setzen, ist unhistorisch.
") Die früheste ist meines Wissens Vergil, Aen.
III, 92, et mugire adytis cortina reclusis, Ovid,
Met. XV, 635. Cortinaque reddidit suo hanc
adyte vocem. Sie könnten veranlaßt sein durch
umschreibende Ausdrücke, wie sie die Tragiker
anzuwenden liebten, etwa Eur. Iph. Taur. 976:
^vteOSev aiSrjv Tp(iro8o{ Ix ypujoü Xaxiuv <I>otßo{
(x' ETiEfi'ie äsijpo. Daß Euripides hier an kein
Tönen des D. gedacht hat, zeigen andere Stellen,
wo er deutlich vom Sitzen auf dem D. redet. Die
Dichterstellen vom Tönen des D. sind zu beur-
teilen wie jene, die von mehreren D. reden. Die
griechischen Prosaiker und Dichter übernehmen
da^ Tönen des D. dann ; so Himerios, Dial. XXII, 8 :
TpfTtoSs? As^ifoi« :^;(0'i(3iv. Lukian Phalaris II, 12:
6 Tp(T:ou{ tp9lyYETai. Nonnos Dionys. IV, 291
nennt den D. xüxXov a6Toß(JrjTOV. Wie viel
darauf zu geben ist, zeigt I, 432, wo der
Donnerkeil des Zeus dpyavov aÜToßdrjTOv heißt.
174
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
Cook') einwandfrei nachgewiesen hat, nicht zur Erteilung von Orakeln sondern
apotropäischen und prophylaktischen Zwecken. Ob wir vermuten dürfen, daß der
mantische Dreifuß in Delphi nur einer von' vielen war, der aber »durch die besondere
Gunst, welche der Gott dem Orte erwies, allen andern als Orakel verwendeten
Dreifüßen den Rang ablief« *), muß ganz dahingestellt bleiben. Von mantischen
Dreifüßen außerhalb Delphis und unabhängig von ihm wissen wir nichts 3).
Rekapitulieren wir: Die erste für uns durch Überlieferung faßbare Bedeutung
des delphischen Dreifußes ist die des Trägers der mantischen Kraft, die durch körper-
liche Berührung (Sitzen) übertragen wird. Schon diese älteste faßbare Form der
delphischen Mantik ist innerlich uneinheitlich, insofern der Dreifußkochtopf keines-
wegs ursprünglich als Sitz gebraucht werden konnte. Das Sitzen auf ihm ist also
später hinzugekommen. Seine ursprüngliche mantische Beziehung — daß sie ursprüng-
lich ist, beweißt die Tatsache des Dreifußes als Träger der mantischen Kraft und seine
konstante Geltung im delphischen Orakelbetrieb, auch als die Inspirationsmantik
Eustath. Mach. X, 13 (p. 271, 14 Hercher)
6 Tpteouc i^X''- ^^^ Tönen des D. erklären sich
die einen dann mit der Vorstellung, daß Apollo
oder Pythia den D. schlägt oder erschüttert
(Statins, Thebais VIII, 275, quaeruntque gemen-
tes, quis tripodas successor agat; Lukan, Phars.
V, 121, inunotos tripodas; Lukian, bis acc. äv tÖv
Tp. Siaieilajjiivr) xsXe'JS^ Tiapcivni (Pythia den
Apollo), vgl. Seneca Medea 785 f.; Himerios Orat.
XI, 3: Ivfttv (liv ix BpaY)rt5<üv, Jx^pioSev hl ix
Ko>.o<p(üvo{ TtXi^TTei Toü{ Tp(7ioSa{ (seil. Apollo))
oder aber, daß der aus dem x^'F"" aufsteigende
Luftstrom den D. erschüttert. (Claudian, in
Ruf. I praef. 12: tripodas plenior aura rotat.
Dracontius, Orestes 271 ff. (Mon. Germ, auctor.
antiqu. XIV, S. 205): si centum flatibus acta
Delphica fatidicos quateret cortina recessus.)
Aber all diese Stellen sind spät und haben aus
guter griechischer Zeit keine Parallelen. Sie
zeigen zur Evidenz, wie wenig die ganzen Dichter-
zeugnisse über delphischen Kultgebrauch histo-
risch verwertbar sind. Delphi führte eben neben
seinem tatsächlichen ein Scheinleben in der
Literatur, das von dem ersteren völlig ver-
schiedene Züge zeigt. Während wir aus der Litera-
tur den Eindruck einer vorwiegenden Bedeutung
des delphischen Orakelwesens haben, »tritt schon
mit dem Ende des peloponnesischen Krieges der
Orakeldienst, die Aussprüche der Pythia, die
Befragung des Gottes weit zurück hinter dem
gewaltig pulsierenden Gemeinschaftsleben einer-
seits, den Amphyktyonenversammlungen mit dem
Fremdenzustrom an den halbjährlichen Pyläen
und ihren iravTjYÜpEit , der Teilnahme an den
Pythien andererseits . . . der Orakeldienst hatte
mehr exoterischen Charakter, diente dem Nimbus
nach außen, seine esoterische Bedeutung ist
gering, am Orte selbst kaum zu bemerken und
hat hier so wenig Spuren hinterlassen, daß wir
aus den überreichen epigraphischen und archäo-
logischen Resten nimmer vermuten würden, daß
sie aus dem Zentrum des griechischen Orakel-
wesens stammen.« Pomtow, Klio XV, 1918, 45.
•) J. H. St. XXII, 20 S. Vgl. auch Harrison, Themis
23 ff. Latte, De saltationibus Graecorum capita
quinque. R. V. u. V. A: XIII, 3. Weissagen aus
dem Erzklang könnte durch die Pythagoreer auf-
gekommen sein; vgl. Eustath. z. Ilias 1067, 69:
ol Il'jftaYopixof <pa3t töv x"^*öv jiavtl auvrjxsiv
öecotipip i:ve'i(i.aTf 8iö xal Tcp 'AicdXXiovi Tpteou«
TOioÜTOs dvaxeiiat.
») Reisch bei Pauly-Wiss. V, 2, 1681.
3) Frickenhaus, Ath. Mitt. 1910, 270 vermutet, der
Delphinios habe den D. mit nach Delphi
gebracht. Das einzige uns näher bekannte Del-
phinion, das von Milet, werde aber durch einen
großen D. bezeichnet. Das stellte sich später
als unrichtig heraus, Milet Heft 11, 1908, 90 ff.
Auch wenn damit der Meinung von Frickenhaus
nicht der Boden entzogen wäre, könnte das Vor-
handensein von D. in dem hellenistischen Del-
phinion von Milet nichts beweisen. Denn damals
wurde die »Annäherung der verschiedenen
Apollon typen an den pythischen Gott ganz all-
gemein« (a.a.O. S. 125), so daß der Delphinios
die Schlange, den D. und sogar den Omphalos
hat. Vgl. auch Röscher, Omphalos u. Neue Om-
phalosstudien, passim.
Karl Scljwendeinann, Der Dreifuß.
175
ihn überflüssig machte — ist nicht mehr festzustellen. Das kann nicht wundernehmen,
da unsere ältesten Quellen über den delphischen Orakelbetrieb nur bis ans Ende des
VII. Jahrh. hinaufführen, während Delphi schon im letzten Drittel des VIII. Jahr-
hunderts eine von den Barbaren anerkannte Geltung besaß (Midas), der eine lange
rein hellenische und erst recht lokalmittelgriechische Bedeutung vorausgegangen
sein muß.
Seine schon in den ältesten Quellen deutliche Wichtigkeit im delphischen Kult
hat der Dreifuß stets behalten. Wenn Herakles den Dreifuß wegträgt und die Phoker
den Dreifuß rauben, als sie sich des Orakels bemächtigen, so setzt das schon die
Gleichung Dreifuß = Orakel voraus. Diese Gleichung hat durchs ganze Altertum ihre
Gültigkeit behalten und ist stets weiter verallgemeinert worden, insofern der Dreifuß
in den verschiedensten Beziehungen zu Apollo, zu Delphi und zur Mantik erscheint.
Der Dreifuß als Weihgeschenk und Attribut Apolls.
Der Dreifuß, ursprünglich mit dem Xsßrjf das Weihgeschenk xax' iioyrii' für alle
Götter ist später das beliebteste Anathem für Apollo. Wie stark man das z. B. im
fünften Jahrhundert empfand, beweist die Tatsache, daß die Griechen nach der
endgültigen Abwehr der Persergefahr als Weihgeschenk und Dank der Nation einen
riesigen Dreifuß nach Delphi stifteten, dessen »Schlangcnsäule« uns ja noch erhalten ist.
Weitere Zeugen sind die zahlreichen Weihungen von Privatpersonen, Beamten,
Dynasten und Gemeinden, bis in die Kaiserzeit hinab. Auch solche an andere Götter
kommen zwar später noch vor aber stets xaxiJ ji-avtstav 'AttoXXjuvo? '). Sogar von
mythischen Personen wollte man welche besitzen, so in Delphi einen von Diomedes,
den dieser bei den Leichenspielen für Patroklos gewonnen haben sollte. Athenaios
232 c teilt das Weihepigramm mit^).
Der Dreifuß ist dann das Symbol des Apollo; sein Attribut, das er auf den
Monumenten bei sich hat, ob es paßt oder nicht. Der Dreifuß erscheint als Wappen
und Beizeichen auf zahllosen Münzen der Städte, die einen Apollokultus pflegten,
') Belege bei Reisch, Pauly-Wiss. V 2, 1687 ff.
*) Ähnlich wollte man das Fest der Daphnephorie
in Theben bis in die Heroenzeit hinaufreichen
lassen durch einen D., den Amphitryon für
Herakles weihte, als er 8atpvT)tp(5po« war (Paus.
IX, 10, 4; Jahn, Bilderchroniken S. 43, T. V.
Die albanische Tafel mit dem Epigramm IG.
XIV, 1239). Schon Herodot will V 59 xaSjxrjia
Ypo([i|j.aTa auf Dreifüi3en im Ismenion zu Theben
gesehen haben und teilt die Epigramme mit.
Da wird dann allerdings auch der D., den Hesiod
in Chalkis gewonnen und den Musen am Helikon
geweiht haben sollte, und den Paus. IX, 31,3 als
ältesten sah, damit auch die Stelle Hesiod, Erga
650 £F., verdächtig. Man wollte die Museia auf
dem Helikon, die bis in die Kaiserzeit gefeiert
wurden (Hitzig-Blümner, Paus. III i, S. 486)
schon im grauen Altertum bezeugt haben. Der
Verfasser des Certamen Hes. et Hom. p. 41
(Westermann) versäumte nicht diesen D. in sein
»Gedicht« aufzunehmen, und naiv führt Gellius
N. A. III, II, I das Epigramm dieses D. als voll-
gültigen Beweis für die Gleichzeitigkeit von
Homer und Hesiod an. Ein solcher D. aus mythi-
scher Zeit wurde auch in Euesperides, der west-
lichsten Stadt der Kyrenaike, aufbewahrt, näm-
lich der, den die Argonauten einst dem Triton
gegeben hatten; Diodor IV, 56, 6; s. o. S. 160
Die Eucsperiden hatten also den D. gefunden,
den Triton vor Eindringlingen in sein Land ver-
borgen hatte; natürlich, denn seine Weissagung
war bei ihnen ja nicht in Erfüllung gegangen.
176
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
in Delphi schon seit dem VI. Jahrhundert "). Apollo benützt den Dreifuß als Sitz
oder als Stütze ^). Nicht selten steht er neben dem Gotte 3).
In Delphi gilt der Dreifuß nicht nur auf den Münzen 4), sondern auch sonst als
Wappen. Er war an den Grenzen des heiligen Gebietes in Stein gehauen um das
Eigentum des Gottes von dem profanen zu trennen 5). Er dient hier als Ziegel-
stempel*), als Siegel für Apollopriester 7). Wappen ist der Dreifuß ja schon sehr häufig
in archaischer Zeit, als Schildzeichen. Wenn öfter auf Münzen von Städten, die keinen
Apollokult haben, der Dreifuß als Kontermarke erscheint, so ist er als Wappen des
ersten Beamten aufzufassen*).
Sehr oft ist der Dreifuß zur Bezeichnung des delphischen Lokals verwandt 9).
') Head H. N. », S. 340. Wenn Apollo mit Helios
identifiziert bzw^ als Lichtgott gedacht wird
(Röscher, Lex. I, 2, 1996), kann es nicht wunder-
nehmen, diese Beziehung auf Münzen ausge-
drückt zu finden : 1. Br. M. Cat. Mysia S. 37,
Nr. 136, Kopf der Köre Soteira. ^. KTI|,
Dreifuß, über ihm Diskos mit Strahlen, darunter
Thunfisch, das gewöhnliche Wappen der Kyzi-
kener; vgl. Imhoof-Blumer, Kleinas. Münzen
S. 22, 3, Taf. I, 19. 2. Münze v. Pantikapaion,
Br. M. Cat. Thrace S. 6, Nr. 13, Apollokopf. Ifi
Legende, Dreifuß, darüber Diskos. 3. Münze v.
Mytilene IL— L Jahrh. v. Chr., Br. M. Cat.
Troas S. 197, Nr. 153; Büste des Helios mit
Strahlenkranz, I^: Legende, Dreifuß mit Lorbeer-
zweigen. Vgl. Furtwängler, Gemmen Taf. XXIX,
44. In der Literatur: Eustath. z. Odyssee XVII,
209; 1816, 29. xuxXoxepEij ci xal ol xa9aY'Cö|JiEvot
Tp(jto5sj, ?/ovTe; aÜToi xal ämipai oü; ipooi, xal
^xäXouv asXriva;. Athen. XI, 489 c. Toü{ xoT?
8eoi{ xa^oqif^niiho^i (TpfitoSaj) xuxXoxspeis xai
aST^pa? lyotTai xol cieX^voic. Über die orphischen
Spekulationen bezüglich des Dreifußes Lobeck,
Aglaoph. S. 386 ff.
2) Z. B. Overbeck, Kunstmyth. IV, S. 230 ff.
. Gusman, L'art d^c. T. 93. Robert, Sarkophagrel.
III S. 66. Helbig-Reisch, Führer I, 860, 1247.
3) 1. Cat. Jatta 1093. Reinach, Rep.vas. 1, 175. Vgl.
II, 186. 2. Brunn-Bruckm. Taf. 595. Der Apoll
V. Aktium, der auf d. Münzen v. Nicopolis in
Epirus, der Gründung d. Augustus zur Erinne-
rung an Aktium oft vorkommt. Br. M. Cat.
Thessaly 102. Head, H. N. ', 321. 3. Furt-
wängler, Gemmen I, Taf. XXXV, 45; vgl. XL, 2,
XXXVIIL 23. 4. Heibig, Wandgemälde 212, 183,
231 c. 5. Niccolini, Pompei I. Casa dei Cap. co).
T. III. Heibig 219. 6. Robert, Sarkophagrel.
III, T. VII, 26. Vgl. III, 277, Jahrb. d. Inst.
1908, 198. 7. Reinach, Rcp. rel. II, 541 ; III, 338, 4.
4) Svoronos, B. C. H. 1896, Taf. 25 — 30. Head
S. 340 ff.
5) Wescher, Monument bilingue S. 36, Z. 15, ?po;,
£v if Tpteouc Ivxexo'XaitTot. S. 55, Z. 30, n^xpa
ij inävui Tä{ 65oü ou TptTtous ivxexdXanTat vgl.
B. C. H. 1903, 108, Z. 30; 109, Z. 3; 140 ff. Ein
Epigramm bei Kaibel, Epigr. graeca 923, Mitte des
V. Jahrhunderts, scheint einen als Siegespreis
geweihten D. ebenfalls als opo? zu nennen, doch
ist wegen der Verstümmelung der Sinn leider
nicht ganz klar.
') Fouilles de Delphes V, 197, Fig. 890, 890 a.
Ziegelplattenfragmente von einer Wasserleitung
vgl. Fig. 871.
7) Arch. Ztg. 1883, 257, mit Abb. Vierseitiger Kar-
neol aus klassischer Zeit: auf zwei Seiten eine
ApoUonstatue, auf den beiden anderen D. Die
Vermutung, das Stück habe Priestern eines
Apolloheiligtums als Siegel gedient, trifft gewiß
das Richtige. Ein anderes Stück bei Furt-
wängler, Berl. geschn. Steine Nr. 305. Vgl. auch
Cat. of Engraved Gems in the Brit. Mus. No. 21 18.
8) Z. B. Brit. Mus. Cat. Central Greece S. 65, No. 52.
54. Tanagra. Ebda. lonia S. 125, Nr. 70. Ery-
thrai. Ebda. Carla S. 246, Nr. 175. Rhodos.
Besonders interessant eine Münze von Abdera,
B. M. C. Thrace S. 69, Nr. 32. IV. Jahrb., liegen-
der Greif ABAHPI ^ Dreifuß IIYBÜN. Der
Greif ist das Wappen von Theos, der Mutter-
stadt von Abdera (Die antiken Münzen von Nord-
griechenland II, I, I, S. 6). Der D. aber ist
redendes Wappen des Beamten Python, ebenso
auf einer analogen Münze, Fried länder-Sallet,
Berl. Münzkab. I, S. 107, Nr. 69. Vgl. Joum.
intern, num. Bd. V. W. Tietze, Redende Ab-
zeichen S. 13 u. S. 25.
9) Z. B. I. Arch. Ztg. 1853, T. 59. D. 2. CoUignon,
Vas. d. Ath. 1342. 3. Heydemann, Vasens. Nea-
pel 3249. Röscher, Omphalos Taf. III 2; vgl.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß. 177
In anderen Fällen ist allgemein ein dem Apollo geweihter Platz durch den Dreifuß
angedeutet'). Ebenso wie die aufgezählten Monumente das Bestreben zeigen, den
Dreifuß als Attribut in stets allgemeinerem Sinn anzuwenden, sehen wir, daß er
allmählich als Orakelgerät xax' e;oxV empfunden wurde, das nirgends wo es sich um
Weissagung handelte, fehlen zu dürfen schien,
Der Dreifuß als mantisches Gerät im allgemeinen und als Symbol
der Mantik.
So wird der Dreifuß in der Literatur auch anderen Orakeln zugeteilt. Nikandros,
der Verfasser der Alexipharmaka, der Priester des Apoll zu Klaros war, sagt von sich
in seinem Gedicht (V. Ii): ICofievoi xpiuöSeaai irapi KXapi'oi? 'Exa'toio. »Der Aus-
druck ist figürlich gemeint« 2). Er kehrt wieder auf einer Inschrift des Priesters
Gorgos3): xhv KXotpiVju Tpiw63cov ATjTotBsu) ÖEpctira. Himerios Oratio XI 3 sagt von
Apollo: Evösv [xsv Ix Epa-^yi^Siv, i-csptuösv 6s Ix Ko^-cocptüvo? wX^-cTet touj Tpi'iroBa?.
irXrjTTEi Touf TpiTtoSac ist nicht etwa wörtlich zu verstehen, sondern = j^pr^dficuBsT,
wozu natürlich kein Dreifuß nötig ist. Es geht daher nicht an, mit Immisch4)
den Dreifuß auch als Orakelgerät in den Orakelbetrieb von Kolophon einzuführen.
Ebenso ist zu beurteilen die Stelle bei Vergil III 90 ff., wo von dem Orakel zu Delos die
Rede ist: Vix ea fatus eram: tremere omnia visa repente/liminaque laurusquedei, totus-
que moveri mons circum et mugire adytis cortina reclusis. Hier ist Delos mit Delphi
verwechselt, natürlich mit Absicht; denn der Dichter konnte Aeneas auf seiner Fahrt
nicht nach Delphi gelangen lassen. Diese Konfusion wird bei den späteren Lateinern
Taf. III, 1. 4. Annali 1868, Tav. E, S. 255 ff. wendet. Z. B. Helbig-Reisch, Führer 3 II, 785.
Röscher, Omph. Taf. II 3 5. C. R. St. P^tersb. Zoega, Bassiril. II, 98; B. C. H. V, 1891, 659.
1861, Taf. 4, S. 53 ff. Overbeck, ApoUon, Atlas Furtwängler, Berl. geschn. Steine 2524. Heibig,
Taf. 20, 25. 6. Stephani, Vasens. Petersburg Wandgem. 193. Br. Mus. Cat. Marbl. V, T. 54, i.
Nr. 1807. Arch. Ztg. 1866, Taf. 211. 7. Nicole, Nicht selten kommt der D. auf römischen Grab-
Vas. d'Ath. 1123. B. C. H. 1908, 217, Fig. 7. altären vor, zusammen mit anderen Attributen
8. Reinach, Rep. rel. II, 4. 9. Nicole in Festgabe Apolls, was wohl in der Gleichsetzung des Gottes
f. H. Blümner 481. mit dem Todesgott Vejovis seine Erklärung findet.
') Z. B.: I. Jahn, Münchner Vasens. 65. Mon. d. Vgl. Altmann, Rom. Grabaltäre 113, 275.
Inst. I, 34. 2. Gerhard, A. V. Taf. 225. Hartwig, =) Buresch, Klaros 34. Vielleicht ist das von Rho-
Meisterschalen Taf. 58. Vgl. Luckenbach, Jahrb. maios in Thermos gefundene Epigramm Mvarjid-
f. kl. Phil., XI. Suppl.-Bd. 1880, 610. 3. Mon. guvov 8ä Tiat^jp [Jioptfä; oiSev thaxo rdvSt ^äXxov,
d. Line. IX, Taf. XV. Engelmann, Arch. Stud. 'ATtdXXouvos itdp xpiTtoSeadt . . . (Koscher, Neue
zu d. Tragikern 20, Fig. 70. 4. Pellegrini, Vas. Omphalosstudien, Abh. d. Sachs. Ges. d. Wiss.
Bologna Nr. 269. Mon. d. Inst. X, T. 54, i. XXXI, 50) ähnlich zu verstehen, ist also der
5. Pellegrini 303 B. Mon. d. Inst., Suppl., T. 23. Ausdruck jräp Tpird^ESSt etwa mit »beim Tempel
6. Zoega, Bassir. II, 70. Jahn, Bilderchroa. S. 8, des Apoll« zu übersetzen und nicht mit Röscher
Taf. 5. 7. Rom. Mitt. 1911, 16, Taf. la; vgl. a.a.O. an eine Aufstellung der Statue in der
IIa und S. 43 und Abb. 18. 8. Rom. Mitt. 1908, Nähe von Weihdreifüßen zu denken.
35, Taf. V, I. 9. Schreiber, Hell. Reliefbilder 3) B. C. H. X 514. A. M. XI, 428. Vgl. die Münzen
Taf. 34 — 36; vgl. Studniczka, Jahrb. d. Inst. von Kolophon Br. M. C. lonia S. 38. Head,
XXI, 86, XXII 6. öfter ist der D. dekorativ, H. N. » 570.
aber mit deutlicher Beziehung auf Apoll ver- 4) Klaros 137 und 0. Müller, Kl, Sehr. II, 577.
178
Karl Schwendemann, Der DreifuQ.
dann ganz gewöhnlich '). Ganz entsprechend ist es, wenn seit der hellenistischen
Zeit »die Angleichung der verschiedenen Apollontypen an den pythischen Gott ganz
allgemein wird«, so^) daß auch der Delphinios von Milet die Schlange, den Omphalos
und den Dreifuß erhält. Auch in Daphne bei Antiochia 6 Tpiicoo« t^x^'^)- ^^ ist es
dann ganz folgerichtig, wenn auf den Münzen von Mopsuestia Mopsos der Sohn der
Manto und nach Späteren des Apoll, wie Apoll auf den Dreifuß gelehnt erscheint 4) oder
wenn der Seher Amphilochos, der in Mallos ein berühmtes Orakel hatte 5) und zusam-
men mit Mopsos als Gründer der Stadt galt^), auf den Münzen von Mallos erscheint
in Chlamys, mit Lorbeerzweigen in der Hand, neben einem Dreifuß auf Basis, um
den sich sogar die Schlange windet 7).
Aber wer wollte daraus schließen, daß bei diesen Orakeln der Dreifuß als mantisches
Gerät benützt wurde? Der Dreifuß ist hier Symbol derMantik^). Dafür gibt es schon
aus dem V. Jahrhundert ein Beispiel. Eine weißgrundige Schale strengen Stils,
vielleicht des Sotades9), zeigt innen folgende Darstellung: »PXaSxo« (Beischrift) hockt
mit scharf an die Brust gezogenen Knien, eng in sein Gewand gehüllt, am Boden,
während IloXueiSo; (Beischrift) in knieender Stellung in der erhobenen Rechten
einen Stab hält, im Begriff ihn nach dem Boden zu stoßen. Unterhalb der beiden
Gestalten ringeln sich zwei Schlangen« "»). Die Szene geht in einem Kuppelgrab vor
sich, auf dem oben ein Dreifuß mit Basis steht. Das Bild bezieht sich auf die Sage von
dem Sohne des Minos, Glaukos, der in ein Faß gefallen, von dem Seher Polyeidos
wiedergefunden und zum Leben erweckt wurde. Der Dreifuß kann sich nur auf den
Seher Polyeidos beziehen, also die Mantik symbolisieren. Die Schale ist das älteste
Zeugnis für diese Auffassung.
Von hier aus ist es nur noch ein Schritt zu einem Ausdruck wie zhv x^j d^&eia?
xpinoSa (Plut. de E ap. Delph. 6) vgl. de def. orac. dirsXauveiv Iv&svSs toü xPI'^^P'O"
xoi Tou TpiTtoSoj und de Pyth. orac. 24 ISstcsos xt|S dXTfj&sia? xat toS xptitoSo?. Schon
Plato gebraucht dieses Bild Ges. IV, 719 c TCOirjtTjc, 6it6tav iv t((5 xpt'iroSt x^? Mouujj?
xaÖiCr^xai, xoxe 6ux ejjicppajv Idxi'v. 'Ev x(j) xpiuoSi ttj? Moua»)? klingt schon ganz sprich-
wortartig. Die Wendung ix xpiiroSos Xl^eiv hat tatsächlich sprichwörtliche Geltung
j) Pomtow, PUi. Mus. LI, 368.
'«) Milet Heft III, 125, Abb. loi.
J) Eustath. Macr. X, 12.
■<) Br. M. C. Cilicia S. 103, Nr. 8, Zeit des Kaisers
Claudius. Vgl. den D. auf d. fp. a.a.O. Nr. i,
Taf. XVIII, I ; Babelon, Inventaire Waddington
4373 ff- Ebenso auf den Münzen von ScXsüxeta
irpöt Ttj; nupcijjLU) Inv. Wadd. 4484, wie Anti-
ochos IV. von Syrien die Stadt umnannte; Head,
H. N. » 724.
5) (jiovteTov diisuiiaxaxo-) täv lir' d(ioü nennt es Paus.
1, 3), 2- '
«) Strabo XIV, p. 675. Cic. de Div. I, 40, 88.
7) Br. M. C. Cilicia S. 102, Nr. 35, Taf. XVII, 13 =
Annuaire num. franj. 1883, pl. VI, 43, wozu Im-
hoof-Blumer (Münze des Valerian I.).
") Das hat schon P. P. Rubens gesehen, der mit dem
französischen Humanisten Nicolaus Claude Fabri
de Peiresc einen Briefwechsel über die Dreifüße
hatte und einmal schreibt: »Man darf glauben,
daß das Wort D. alle Arten von Orakeln und
heiligen Mysterien bezeichnete, wie man das noch
bei römischen Autoren sieht.« Goeler von Ra-
vensburg, Rubens und die Antike S. 27. Rooses,
Correspondance de Rubens V., Brief v. 24.
9) Murray, White Athenian Vases Taf. XVI.
><•) Röscher, Lex. III, 2, 2647.
Karl Schwendemann, Der Dreifufi. 17Q
gehabt '). Plut, Demosth. cap. 29 sagt vülv Xs^si? tot Ix to5 MaxeSovixoü Tpt'icoSo;.
Aristoph. Wolken 254 parodiert: xa&i'Cs tot'vuv km. xöv kpöv axt'niroSa »So setz Dich
nieder' auf das heilige Denksofa«.
Als man in römischer Zeit den apollinischen Dreifuß als mensa auffaßte, verband
sich ganz folgerichtig die Vorstellung des mantischen Dreifußes des Apollo mit der von der
TpotTOC«, die längst als Tempeltisch und Altar, schon bei den Assyrern, heiliges Gerät
war und bei Losorakeln verwendet wurde 2). Die Mantik der Spätzeit aus den ver-
schiedensten Elementen synkretistisch zusammengesetzt, indem über dieses dunkle
von Zufall und Willkür beherrschte Gebiet die eigensinnige und furchtsame Speku-
lation des Verstandes kam und den Unsinn in Systeme brachte, hat komplizierte
Methoden der Zukunftserforschung geübt. Eine Stelle, bei Ammianus Marcellinus
XXIX I 28 ff. gibt davon ein deutliches Bild. Im Jahre 371 waren verschiedene vor-
nehme Männer angeklagt, sie hätten durch verbotenen Zauber den Namen des zu-
künftigen Kaisers zu erfahren gesucht. Die Methode bestand im wesentlichen darin,
daß über einem Tisch auf dem allerlei Zeichen und Wörter standen ein darüber schwe-
bender Ring in Schwingungen versetzt wurde und aus der Art wie er über die auf
der Platte stehenden Zeichen hinwegging, Schlüsse gezogen wurden 3). Den Zu-
sammenhang mit apollinischer Weis^gung zeigen die Worte Ammians, Cap. 29. »Con-
struximus — gesteht der Angeklagte — magnifici iudices, ad cortinae similitudinem
delphicae diris auspiciis de laureis virgulis infaustam hanc mensulam, quam videtis« . . .
Cap. 31. Der Ring durch seine Schwingungen über der Platte »heroos efficit versus
interrogationibus consonos, ad numeros et modos plene conclusos, quales leguntur
Pythici, vel ex oraculis editi Branchidarum«. Eines der Wandgemälde von Via Gra-
ziosa 4) zeigt uns einen solchen Zauberapparat, nur ist er noch etwas komplizierter.
Dargestellt ist die Szene, wie Odysseus Kirke bedroht. Wir blicken in das Haus der
Zauberin; es fällt besonders ein magisches Hausheiligtum auf, das in einer halbrunden
Apsis liegt. In ihr stehen ein Dreifußtisch mit einem kandelaberartigen Baluster
darauf, rechts und links je ein großer Kelch. Über dem Dreifuß anderes magisches Gerät
aufgehängt, ein Reif, darüber ein Dreieck, von welchem je eine Doppelstange nach
rechts und links herabhängt. Die Vorrichtung diente vielleicht dazu Reif und Dreieck
erklingen zu lassen. Das ganze ist eine wenn auch nicht bis in alle Einzelheiten über-
') Athen. II, 37, F.: xal fip Ix tpteoäos X^ysiv ») Paus. VII, 25, 6 sagt bei Beschreibung des Buch-
tpofijv T0U4 <5).T)8suovTas. Vgl. Corp. Paroem. stabenorakels zu Bura in Achaia: xlsaapat
graec. Mac. Cent. VII, 97: xoi Ix rpfitoSoj- Inl ((ädTpaYÖXou?) Itpftjaiv iiA x^c xpaitlCl«; vgl.
Tiöv (äXnjSüis XE^ofilviuv ; Th. Gaisford, Paroem. Schol. Pindar. Pyth. IV, 337: {(ItIov Sxi xXi^pon
Graeci B. 863: td iitö TptnoSos. 'Eitl tiüv iiXi)8(ü{ xoitplv IfxavTeüovto xat ^5av iiü tiüv Up<üv tpa-
Xe^ofilviov, ^TOi ditÄ TOÜ AeXipixoü xpfnoäos fj ireCüiv d(jTpayaXo(, ou; ^(TtTovxec Ipiavxeuovxo ; vgl.
itzo xoü IluSaYopixoü, welch letztere Beziehung auch Heinevetter, Würfel- und Buchstabenorakel,
offenbar auf das aOtA; Itpa der Pythagoreer 3) Vgl. Jahrb. d. Inst., Ergänzungsheft VI. R.
weist; vgl. Zenob. VI, 3: Tä änö xp(iro8o{. Wünsch, Zaubergerät aus Pergamon.
napstfifa iizX xäv «äXijöüit Xe^Ofilviuv . . . Vgl, 4) Nogara, Le nozze Aldobrandine, 1907, Taf. 11,
Diogenian, Proverb. VIII, 21 xi i% tpfcoJo«. 21, 22, Text S. 44. Vgl. Rom. Mitt. 1911, 29.
'Et:! Ttüv dXrjSüi« Xeyojjilvcov.
l80 Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
einstimmende Illustration zu Ammian. Der Künstler dachte sich den Zauberapparat
der Kirke nach denen, die zu seiner Zeit in Gebrauch waren.
Wir kehren zu der oben begonnenen Darlegung über die Bedeutungdes Dreifußes
als Symbol der Mantik zurück. Sie läßt sich besonders in der Literatur verfolgen ').
Dem entspricht, daß die Quindecimviri sacris faciundis, denen die Aufbewahrung
und Deutung der sibyllinischen Bücher oblag, als Symbol den Dreifuß führten 2).
Metonymisch wird dann der Dreifuß dem delphischen Orakel 3), ja sogar Apoll selbst
gleichgesetzt 4), so daß, Wer bei Apollo schwört, sagen kann per tripodas iuro 5).
Es wurden eben einige Stellen angezogen, in denen von mehreren Dreifüßen
des Apollo die Rede ist. Darauf ist noch kurz einzugehen. Die früheste derartige Stelle
ist meines Wissens Aristophanes Ritter 1015. 'AiroUujv la^sv ü äSuxoio 8tä TpiTcoStuv
ipiTi[i(uv, in einem der köstlichen Orakelsprüche, die den epischen Ton nachahmen.
Unsere Stelle ist gebildet nach dem homerischen Apollohymnus v. 265. Dann Theokrit
VII 100 laöXo? dvTjp fis^' apiaxoc, ov ouSs xsv aöioj detSctv (toißos ahv cpopjitfYi irapa
TpiTtoSeudiv (Asyatpot. Nikander Alexiph. 1 1 . e^opievoi rpiiroSsaai irotpA KXaptot; 'Exotioto.
Vgl. Hymnus des Aristonoos von Korinth auf Apollon vom Athenerschatzhaus zu
Delphi, Fouilles de Delphes III, 2 Nr. 191. V. 9. sv&' ditb TpiiroScov Ö8oxtii]to>v Sdcpvav
aeiwv. Ebda. Nr. 192. Hymnus auf Hestia von demselben Ort V. 6. T£pTto(ASva tpiitoSojv
öeaTTiafiaai. Die von Schuchhardt (B. C. H. X. 514) gefundene Grabschrift des
klarischen Pristers Gorgos (fehlt bei Pauly-Wiss. VII 2, 1660) nennt diesen
TÖv aocpiVjV azipiavza voq) xs»aX6cppovi FopYov,
Tov KXaptoo TptitoScov AyjtoiSeo) ÖSpaTT«,
vgl. Aelian, Var. bist. III 43
ßatv' dir' eixäv TptuoScov, ?ti toi (povo? dp-^l ^(Epsaai
TcouXbs ditocjirdCtuv dito Xcttvou oSSoü ipuxsi.
Das sind Dichter, die von ihrer Freiheit Gebrauch machen. Nach ihnen übernehmen
die Prosaiker den Ausdruck: Himerios, Oratio XXII, 8 Tpiico5s; 8s AeX^poi« ^j^oijaiv ;
') Statins, Achilleis I, 493 increpitans magno vatem Vgl. Riv. Ital. num. IV 1891, 75, Taf. II, IV.
Calchanta tumultu Protesilaus ait — namque Serv. zu Verg. Aen. III, 332.
huic bellare cupido praecipua et primae iam 3) Ovid Met. III, 855: mittitur ad tripodas; vgl.
tunc data gloria mortis — »o nimium Phoebi tri- Ars amatoria III, 789. Valerius Flaccus Argon,
podumque oblite tuorum«; hier ist also Calchas I, 544. Statius Thebais I, 509, VIII, 175, X, 339.
'' der D. zugeteilt, etwa wie Amphilochos oder Vergil Aeneis VI, 347: neque te Phoebi cortina
M psos auf den Münzen. Silius Italiens Punica fefellit. Lucan Phars. V, 81, 152, 158: sensit tri-
XIII, 400: Sic ac Cymaeam, quae tum sub podas cessare, hier tripoda = Orakelspruch,
nomine Phoebi Autanoe tripodas sacros antrura- 4) Statius Silvae I, 2, 247: nunc opus, Aonidum
que tenebat fert gressus iuvenis (Scipio Africanus comites tripodumque ministri, diversis certare
nach dem Falle Capuas bei der Sibylle von modis. »Statius fordert alle Dichter auf, die
Cumae). Vgl. Properz IV, l, 49. Valer. Flaccus Hochzeit des Kollegen mit Versen zu feiern.«
I, 5. Sogar bei Lebermantik konnte einem der Vollmer zur Stelle. Die Dichter sind die Diener
man tische Dreifuß einfallen; Philostr. vita Apoll. Apolls. Damit ist etwa zu vergleichen, wenn eine
VIII, 7, p. 350: ^TCap, äv v> tpasi tov ttj? aitülv Ehreninschrift für einen Einwohner von Kos
fxavTix^C eTvai TfifTtoSa. Weniger, Archiv f. Rei.- besagt (CoUitz-Bechtel, Griech. Dialektinschr.
Wiss. XV 111, 93. III, I, 3599): (»7)3lv 8? aiTtüuavTa tä; Upit xpa-
') Wissowa, Religion und Kultus der Römer *, S. 500. , rijac ... da stellen die Tische für den Gott.
5) Statius Thebais X, 200.
Karl Schwenderaann, Der Dreifuß.
i8i
an derselben Stelle sind dann natürlich auch mehrere wTjYat in Branchidai, während
es Ekloge XIII 6 heißt AsXipot . . irspij^opsuouai (iata Traiavcuv xöv Tpi'itoSa, dagegen
ist Ekloge V 39 wieder von mehreren Dreifüßen die Rede. Bei Nonnos, Dionysiaca IV
gibt es dann gar (iavTtuoi aSutoi. Die Rhetorik wird eben immer wilder. Von den
Griechen übernehmen die Lateiner die Mehrzahl. Seit Ovid steht der Plural. Ovid
met. III 855, ars amatoria II 789, Valerius Flaccus Argon. I 544, Statius Thebais I 509,
III 585 und öfter, aber IV409 singularisch. Lukan Phars. Vi 12, 158 ff., 172. Valerius
Max. VIII, XV, 3. Aus solchen Stellen abzuleiten, daß es mehrere mantische Dreifüße
im delphischen Adyton gegeben habe, wie bisweilen geschehen ist, wäre unrichtig
und hieße den Geist, aus dem solche Ausdrucksweise geflossen, mißverstehen.
Der Dreifuß in seinen Beziehungen zu anderen Göttern als Apoll.
Wie der Dreifuß auch anderen Orakeln zugeteilt wird, so geht er von Apollo auf
andere Personen über, die zu ihm in besonders naher Beziehung stehen. So führt auf
Münzen Artemis öfter den Dreifu 3'). Wenn Antinous, der Liebling Hadrians, als
veoj riu&toc verehrt wird, so hat er natürlich auch den Dreifuß 2). Die Seleukiden be-
nützen als Nachkommen Apolls 3) dessen Symbol 4). Die Lieblinge Apolls werden wie
der Gott selbst mit dem Dreifuß ausgezeichnet, so Kyparissos 5) und Branchos^).
') Z. B. V. Amisos, Br. iL C Pontus S. i6. Head,
H. N. » 496. Sinope, Br. M. C. Pontus S. lOO,
Nr. 49, T. XXIII, 5. Centuripa, Br. M. C. Sicily
S. 56, Nr. 9. Knidos, Br. M. C. Caria S. 91 ff.
Head, H. N. > S. 615 ff.; hier ist der D. der des
triopischen Apoll. Der Tausch der Attribute
mehrerer Götter derselben Stadt auf den Münzen
ist ja eine sehr gewöhnliche Erscheinung, so
tauschen auf den Münzen von Kroton, Br. M. C.
Italy S. 354, Apoll, Hera und Herakles die Attri-
bute. Das mahnt zur Vorsicht.
') Br. M. C. Cilicia S. 189, Nr. 157: ANTINOOC
HPQC Kopf des Antinous, ^. ÄAPIANHC
TAPCOY MHTPOnOA D. von Schlange um-
ringelt. Es gibt Münzen von Tarsos mit der Auf-
schrift NEQ nr eiß. Head, H. N. » 733.
Journ. intern, numism. XVI, S. 53, Nr. 9,
Taf. IV, 12. Kopf d. Antinoos ANTINOOC HPßC
jp. Dreifuß, mit Schlange. ÄAPIANHC "TAPCOV
MHTPOnOAE QC NCSKOPOV NEQ nYOlß.
3) Justin XVI, 5.
4) Br. M. C, Seleucid kings of Syria, passim. Vgl.
Babelon, Les rois de Syrie. Antiochos Epiphanes
läßt sich auf seinen Münzen auch als Epipbanie
Apollons (Br. M. C. Seleucid kings S. 34, Nr. 10)
und des Zeus (ebda. Nr. 4 und 5) darstellen.
5) Kjrparissos: Herrmann-Bruckmann, Denkmäler
der Malerei des Altertums Taf. 45, Text S. 57
aus der Casa deiVettii: K5T)arissos auf einem
Jahrbuch des archäologrischen Instituts XXXVl.
Steinwürfel sitzend, vor ihm die verendende
Hirschkuh, hinten auf hohem Sockel D, mit
Omphalos dahinter.
') Römisches Relief Robert, Sarkophagrel. 11,
Taf. 78, Nr. 176 a. Jüngling auf einem Felsen
sitzend, in Chlamys und phrygischer Mütze, hält
die patera umbilicata in der vorgestreckten
Linken, die Rechte stützt er auf seinen Sitz;
rechts D., um dessen Mittelstütze sich eine
Schlange windet, die ihren Kopf nach der Schale
ausstreckt, hinten Ölbaum, links Vase auf Säule.
Nach Roberts Vermutung ist hier Brancbos dar-
gestellt. Zum Inhalt vgl. Furtwängler, Gemmen
Taf. XXXV 44, späthellenistisch: »Ein Mädchen
tränkt eine Schlange, die sich um einen D.
windet, der auf bekränzter, runder Basis steht.«
Das Diptychon Rom. Mitt. 1913, Taf. IV, S. 225
(Graeven), das ins Ende des III. oder ins IV. Jahr-
hundert gehört, und eine Frau neben einem D.
auf Basis zeigt, um den sich eine Schlange ringelt,
während unten links ein Knäbchen mit Bogen
sichtbar ist, wird von Graeven auf Hygieia mit
Amor gedeutet. Hauser, österr. Jahresh. XVI,
i9T3i 70. glaubt den kleinen Apoll in dem Knäb-
chen, in der Frau Themis, in der Schlange Python
erkennen zu dürfen. Die Absicht des Schnitzers
wird sich ohne weiteres Material schwer fest-
stellen lassen.
13
lg2 ^^''^ Sehwendemann, Der Dreifufi.
Anders ist es zu erklären, wenn Eros auf römischen Denkmälern öfter den Dreifuß
führt '). Seit der hellenistischen Zeit tritt Eros mit den Attributen und in den
Handlungen vieler Götter auf, wie umgekehrt auf römischen Monumenten Götter
und Heroen öfter in Gestalt von Eroten *). Das entspricht so ganz der Lebens-
stimmung der Zeit, wie sie aus der hellenistischen und römischen Dichtung oder von
den Wänden Pompeis zu uns spricht.
Am häufigsten hat neben Apollo Dionysos den Dreifuß . Schon die Alten versuchten
sich das zu erklären. Man meinte Dionysos habe ihn vor Apoll besessen 3). Aber
es ist nicht einzusehen was die Dreifußmantik, wie wir sie in ihrem ersten faßbaren
Stadium kennen gelernt haben, mit dionysischem Wesen zu tun haben könnte. Das
Findarscholion wirft sogar zwei Vorstellungen durcheinander: IIu&cüvo? 8s tote xupieu-
aavTO? ToG TrpocpyjTixou tpiTOSo? Iv (p Tzpübxoi Aiovoooj idejAiareuSj wozu zu vergleichen
der delphische Hymnos: ak xeXaSijuojxsv, xpiicoSa [lavTsiov, «)S etXe Ix^P^^i ^^ i^ppoupei
Bpa'xtuv 4). Natürlich mußte Python den Dreifuß besitzen, wenn dieser schon vor Apoll
in Delphi war. Auch Themis hatte ihn dann ursprünglich, so bei Euripides Orest
161 ff. Elektra sagt: cpsü \t.6ybmv | aStxoc aStxa tot' 5p' iXaxev, E>.oxev dito | (povov,
Sx' ii:\ xptiroSi ösfiiSo? ap' IBixaae | 90VOV 6 AoSt'a? i|x5? (laTspo? ; mit invektiver Neben-
bedeutung von 0£ji,ij. Als Illustration kommt dazu die Berliner Themisschale 5).
Es ist natürlich Ffj 0s|xic, die aus der Erde strömende Kraft des guten Rates
und der Weissagung 6). Mit demselben Recht wie auf dem Dreifuß sitzt Themis
dann auch auf dem Omphalos. (Röscher, Neue Omphalosstudien, Abh. d. Sachs.
Akad. d. Wissensch. Bd. XXXI, Phil. bist. Klasse. Taf. VI, 5, 6, S. 57 f.).
Wenn auch Dionysos der Dreifuß heilig ist, so erklärt sich das aus seinem engen
Verhältnis zu Apoll. Konnte doch Plutarch (de E apud Delphos 9) sagen, daß Diony-
sos nicht minderen Anteil an Delphi habe als Apoll. So wird sich auch der Dreifuß als
dionysischer Siegespreis erklären?). Wie diese Siegesdreifüße öfter auf den Monu-
■) I. t'urtwängler, Gemmen Taf. XLIII, 39, helle- von Kroton zeigen zuweilen Apoll, wie er hinter
nistisch-römisch. »Eros steht wie Apoll da, die dem D. hervor, auf den Drachen zielt, Head,
Linke auf die Leier gelehnt, in der Rechten das H. N. » 96, Abb. 54.
Plektron; die Leier steht auf dem D. auf, links *) Pauly-Wiss. VI, i, 511 ff. Roseber, Lex. I, 1367.
der Greif.« 2. Masner, Vasen u. Terrak. im K. K. 3) Schol. Pindar, Pyth. Hypothesis p. 297, BSckh.
österr. Mus., 746, Lampe. »Eros in Vordersicht, Ebenso 0. Müller, Über die Tripoden 60.
den Kopf nach links, in der gesenkten Rechten ^) Crusius, Philologus, N. F. VII, Beiheft S. 33.
Blitzbündel, stützt mit der Linken eine L,eier auf Auch die Münzen v. Kroton (Head, H. N. » 96,
einen D. 3. Reinach, R^p. d. Rel. III, 522. Abb. 54), welche Apoll, hinter dem D. vor, den
Relief in Stockholm: Links auf eckigem Altar D., Python erlegend zeigen, setzen diese Vorstellung
um den sich die Schlange windet, links davon, voraus.
aber noch auf dem Altar, eine brennende Fackel; ') Gerhard, A. V. IV, 327. Furtwängler-Reichhold
rechts unten auf dem Boden geflügelter Knabe Taf. 140. Ebenfalls Themis auf d. Dreif. auf einer
mit phrygischer Mütze und Hosen, mit Bogen rf. Vase in Neapel (Baumeister, Denkmäler II,
nach der Schlange hinaufzielend. Also wohl iiio, Fig. 1307. Röscher, Omphalos Taf. II, l.)
Eros in orientalischem Kostüm in der Handlung *) Hirzel, Themis 18.
des Apollon Pythoktonos. Schon Pythagoras von 7) Über die Preisdreifüße der attischen Phylenchöre
Rhcgion hatte nach Plinius N. H. 34, 59 in einer handelt ausführlich Reisch, Griechische Weih-
statuarischen Gruppe Apollon Pythoktonos dar- geschenke S. 63 S. Pauly-Wiss. V, 2, S. 1694.
gestellti Overbeck, ApoUon S. 83. Die Münzen
Karl Schwendemann, Der Dreifufl.
183
menten erscheinen '), so bezeichnet der Dreifuß einen dem Dionysos geweihten Ort,
oder ist sein Attribut ^). Die Münzen von Andros, das dem Dionysos geweiht war
und ein berühmtes Heihgtum des Gottes besaß 3), tragen seit dem IV. Jahrh. meist
den Kopf des Dionysos und auf dem Ifi. eines seiner Symbole, öfter den Dreifuß 4).
Die Münzen von Tenedos haben auf dem ^. neben einem irsXsxu?, der hier Symbol
des Dionysos ist — in Pherae in Thessalien ward ein Aiovuao? itsXsxuj verehrt 5) —
öfter einen Dreifuß.^).
Läßt sich die Tatsache, daß auch Dionysos den Dreifuß führt, leicht erklären, so
fällt dagegen eine eindeutige Erklärung schwer für die Beobachtung, daß auch bei
Zeus der Dreifuß erscheint. Das älteste Denkmal dieser Artistdie IliupersisdesBrygos?)
und eine Vase in Florenz mit derselben Szene *). Priamos wird auf dem Altar von
Neoptolemos erschlagen. Neben dem Altar Dreifuß. Da auf einer fragmentierten Schale
des Euphronios mit Iliupersis der Altar inschriftlich als Aio? Upöv gekennzeichnet
') Gesammelt von Reisch a.a.O.
') Z. B. I. Attischer Volutenkrater, letztes Drittel
des V. Jahrh. Furtwängler-Reichhold S. 329,
Abb. 107. Heitere Szene; Dionysos hat sich in
Begleitung von Satyrn und Mänaden in einem
Weinberg niedergelassen; darin an mehreren
Stellen D. auf Säulen. 2. Attische Kani?e, Ende
des V. Jahrh. Furtwängler, Sammlung Somz^e
Taf. 38. »Auf einer Säule steht ein vergoldeter
D. Großer Knabe mit einer bekränzten Kanne
des Choenfestes in der Rechten trägt einen
kleineren, der einen Zweig hält, auf den Schultern
davon. Ein Knabe im festlich geschmückten
Mantel reicht ihm einen Kranz hin. Es ist ein
anziehendes Bild nach dem Leben. Der D.
drückt die Beziehung des Festes zu Dionysos aus.«
3. Attischer Krater, IV. Jahrh. Nicole, Vas,
d'Atb. II 14. Papposilen aus einer Amphora in
einen Krater schöpfend, im Hintergrunde D. auf
Säule. Rechts Dionysos, bärtig, hinter ihm
Apoll, Mänaden und Satyrn. (Abgeb. Jahrb. d.
Inst. 1917, 50, Abb. 21.) 4. Medeavase. Furt-
wängler-Reichhold Taf. 90, S. 164. Der D. er-
innert hier an das Theater. 5. Neapeler Satyr-
spielvase. Mon. d. Inst. III, 31. Wien. Vorl. E,
T. 7, 8. F. R. Taf. 1 43/44- 6. Vase des IV. Jahrh-
Stephani, Vasens. der Ermitage 525. Götter-
versammlung Demeter Eubuleus, Athena, Artemis,
Aphrodite, Dionysos, Triptolemos, neben Diony-
sos D. auf Säule. C. R. St. P^tersb. 1862, Taf. III.
7. Untritalisches Gefäß in Neapel. Heydemann,
Raccolta Cumana Nr. 43. Dionysos in Chlamys,
mit Thyrsos, steht vor einer Frau (Bacchantin,
Arieadne), die ihm eine Schale mit Kuchen hinhält,
beiderseits ein Panther undD. auf jonischer Säule.
8. Terrakottarelief aus dem Ende der Republik,
österr. Jahresh. 1905, Taf. 5 und Abb. 48, S. 208.
Rohden - Winnefeld, Die antiken Terrakotten
IV, 2, Taf. 54. ' Von einer Grabädikula,
zeigt ein Proszenium mit Schauspielern, auf
zwei Säulen der Proszeniumswand, rechts und
links, je ein D. 9. Unteritalisches Relief-
gefäß. Gerhard, Ges. akad- Abh- Taf. 58,
S. 448. Zwischen Demeter und Triptolemos steht
Dionysos, hinter ihm D. 10. Relief in den Uf-
fizien zu Florenz. Dütschke, Antike Bildwerke
inOberitalienIII,5i6. Welcker, A.D. II, T. V,9,
S. III. »An einer Platane Mänade, vor ihr
Panther, an den Baum gelehnt Dionysos, auf
eine zweite Mänade blickend, die auf einem
Felsen sitzt, hinter dieser auf Säule D., rechts
eine dritte Mänade und ein Mann, archaistisch.«
II. Fries vom Theater zu Delos. Fritsch, Delos
S. 43, Abb. 13. 12. Metope, jedenfalls von einem
Altar des Dionysos aus Andros, Sonderschr.
des österr. arch. Inst. VIII, 23, Fig. 27. Die
beiden letzten Monumente zeigen den D. dekora-
tiv verwendet, aber noch mit Beziehung auf
Dionysos.
3) Paus. VI, 26. Plinius, N. H. II, 103, 11; XXXI,
2, 13-
4) Br. M. C. Crete and Aegean Islands 88, Taf. XX,
18.
Journ., Internat, d'arch^ol. numism. I, 299,
Taf. I r. '
5) Head, H. N. ^ 308.
«) Br. M. C. Troas S. 93, 18. Head, H. N. > 550.
Babelon, Trait^ II, i, 366.
7) Furtwängler-Reichhold Taf. 25.
8) Studi e Materiali III, 163, Fig. 2 a.
lg4 Karl Schwendemann, Der DreifuB.
ist (Arch. Ztg. 1 882, Taf. III), haben die Maler offenbar eine Beziehung auf Zeus Spxstoj
im Auge gehabt. Bei Homer aber steht am Herd der Dreifuß. Daran erinnerten sich
wohl die Maler. Der Dreifuß hätte hier dann keine kultische Beziehung zu Zeus.
Anders einige Münzen, von denen die ältesten ins IV. Jahrhundert gehören,
nämlich von Messene, der durch Epameinondas nach der Schlacht bei Leuktra 369
gegründeten Hauptstadt von Messenien '). Sie tragen auf dem R regelmäßig die
nackte Gestalt des Zeus Ithomatas und neben ihm einen Dreifuß . Dem Zeus wurden
jährlich bei seinem Tempel auf dem Ithome die'l8(u|iaia gefeiert^). Vielleicht deutet
der Dreifuß der Münzen darauf hin, daß dabei Dreifüße die Siegespreise bildeten. Das
wäre ein bewußtes Archaisieren gewesen, aber verständlich bei einer neu gegründeten
Stadt, die auf den Zusammenhang mit den Traditionen der Vergangenheit Wert
legen mußte. Wir können uns erinnern, daß im ersten messenischen Kriege auf Delphis
Geheiß dem Ithomatas loo Dreifüße geweiht wurden 3).
Zeitlich zunächst kommen dann Münzen von Epirus aus dem III. und II. Jahr-
hundert 4) mit Zeus oder Dione; J^ Dreifuß. Hier ist man berechtigt den Dreifuß auf
das Orakel von Dodona zu beziehen, auf das der Zeus und Dione 5) und besonders
der Eichenkranz deutlich hinweisen. Diese Münzen reihen sich so den Denkmälern
an, welche den Dreifuß als Symbol der Mantik zeigen.
Es bleiben noch Münzen einiger asiatischer Städte von Laodikeia ad Marc *)
und Amastris in Paphlagonien 7). Da auf den Münzen dieser Städte nie Apoll oder
Dionysos erscheint^), so muß der Dreifuß auf Zeus bezogen und kann nicht durch Wechsel
der Symbole wie so oft erklärt werden. Der Dreifuß ist also hier wirklich Attribut des Zeus.
Da ist daran zu erinnern, daß Apollo eigentlich nur als Verkünder von Zeus' Wissen
und Willen gilt. Schon der homerische Hymnus auf Hermes 533—38 verkündet
dieses Dogma. Apoll kennt ZTjvot itoxtvo^pova ßouXTjv und das delphische Orakel hat
das immer festgehalten 9). Da lag es nahe auch Zeus den Dreifuß zu geben, wie Apoll
gelegentlich die Aigis führt. Auf der Münze von Amastris ist diese Beziehung be-
sonders deutlich. Die Schlange, ursprünglich der Python, windet sich um den Dreifuß.
Wenn aber Zeus den Dreifuß hat, kommt er auch Hera zu, so gutwie Dione auf den
Münzen von Epirus. Eine Münze von Orchomenos in Böotien aus dem II. Jahrh.
V. Chr. zeigt es wirklich so ■"). Auch hier lehlt Apoll oder Dionysos.
') Br. M. C. Peloponnesos S. 109. Head, H. N. » 431. 5) Beide erscheinen auch als Doppelkopf Br. M. C.
') Paus. IV, 33. Thessaly S. 89, Nr. 8 — 13. Zeus war mit Dione
3) Paus. IV, 12, 7. Auch auf den Münzen von Kos oivvao«. Strabo VII, p. 329.
erscheint ja der D. der bei den Spielen am *) Br. M. C. Galatia S. 248, Nr. lo ff. Zeuskopf.
Heiligtum des triopischen Apoll, dem religiösen Ip. Legende. D. Taf. XXIX, 5. Zeit des
Zentrum der dorischen Pentapolis, Siegespreis Augustus.
war. Herodot I, 144. 7) Br. M. C. Pontus. S. 85, Nr. 12. Büste des
4) Br. M. C. Thessaly S. 76, Nr. 157. Kopf des ZEVC CTPATHrOC Jfi. Legende. D., um den
dodonäischen Zeus. Jp. AYP D. in Eichen- sich eine Schlange windet.
kränz. Münze von Dyrrhachium. Ebda. S. 91, ') Head 781, bzw. 505.
Nr. 52 ff. Kopf der Dione mit Lorbeerkranz und 9) Bouch^-Leclercq, Art. Divinatio bei Daremberg-
Schleier. ^. D. in Lorbeerkranz T. XVII, 12. Saglio II, l, 293.
■■>) Br. M. C. Central Greece, Taf. VIII, 17.
Karl Schwendemann, Der Dreifuß.
185
Mit der Iliupersis des Brygos haben wir eine Reihe von Denkmälern berührt,
bei denen der Dreifuß zur Bezeichnung eines heihgen Ortes verwendet ') ist.
Diese Denkmäler leiten über zu jenen *), welche den Dreifuß rein dekorativ
gebrauchen. Sie beginnen nicht etwa erstin später Zeit sondern schon in der geome-
trischen Kunst. Hier sind sie nicht durch Verflachung einstiger tieferer Beziehungen
zu erklären, sondern durch die Tatsache, daß der Dreifuß damals ein Hauptstück
der häuslichen und sakralen Einrichtung war und als etwas täglich Gesehenes den
Malern, wenn sie nach einem Füllmotiv suchten, leicht sich darbot.
Brüssel.
Karl Schwendemann.
■) I. Jahn, Münch. Vas. S. 588. Gerhard, A. V. IV,
257. i; vielleicht heiliger Hain, DreifüiJe als
Milieuangabef 2. Gerhard, A. V. IV, 241; Jahrb.
d. Inst. 1918, 185, Abb. 48. Grabmal? 3. Furt-
wängler, Berl. Vas. 2634. Röscher, Lex. II, i,
S. 838, Fig. 2. 4. C. R. St P^tersb. 1876, Taf . V, i,
Furtw.-Reichh. HI, S. 53, Abb. 24. 5. Pellegrini,
Vas. Bologna 303 A; Jacobsthal, Theseus auf d.
Meeresgrunde Taf. IV, 7. 6. Kekul^, Leda und
Nemesis 13 f. 7. Reinach, Rep. d. v. I, 160.
Löwy, Eranos Vindobonensis S. 269. 8. Furt-
wängler, Berl. Vas. 4122. 9. Heydemann, Neap.
Vas. 1760. Müller-Wieseler, Denkm. I, Taf. II, 11.
10. Furtwängler, Berl. Vas. 3164. 11. Sogliano,
Pitt. mur. 580. Giorn. d. Scavi Pomp. II,
P- 377. Taf. X. 12. Sogliano a.a.O. 11, 560.
13. Rom. Mitt. 1911, 83, Abb. 49; 41, Abb. 18;
149. Hier gehört der D. zur Staffage in der
sakralen Landschaft.
Hierher gehört wohl das Relief Mon. d. Inst.
IV, 4. Reinach, R^p. d. rel. III, 147, 3; Helbig-
Reisch 3 821. Antoninus, einer Getreideverteilung
beiwohnend, hinter ihm Roma und Abundantia.
Dreifuß, der offenbar einen durch Anwesenheit
göttlicher Personen geheiligten Ort bezeichnet.
Auf der Phlyakenvase, Annaü 1871, 104, Jahrb.
d. Inst. 1886, 275, Reinach, Rep. d. vases I, 326,
Logeion mit zwei Schauspielern, zwischen ihnen
D., spielte offenbar der D. in dem dargestellten
Stück eine Rolle.
') I. Montelius, Vorklass. Chrono). Ital. 160, Fig.
375. Bronzeplatte einer geom. Fiebel. Im Feld
links hoher D., daneben rechts Pferd, das Feld
weiter durch Vögel gefällt. 2. Öfteransf. Vasen auf
oder unter den Henkeln. Jacobsthal, Göttinger
Vasen. Abh. Gott. Ges. d. Wiss., Phil.-hist. Kl.
N. F. XIV, Nr. I, S. 13, VI, 18; Robinson, Mus.
of Fine Arts, Boston, Nr 198,315. Pottier, Vas.
d. Louvre F 106, F 114; Arch.-Epigr. Mitt. aus
österr. 11, 31, Nr. 39. 3. Furtwängler, Berl. Vas.
2869; Stephani, Vas. Petersburg 1821. C. R.
St. Petersb. 1874, Taf. II, 4, 7. 4. Altert, v.
Pergamon VII, 351, Nr. 445; VII, 2, 305, Nr. 393,
Fig. 393 b. 5. Gerhard, Etr. Spiegel I, Taf. XIV.
6. Not. sc. 1880, 132, Taf. V, 4. 7. Dütschke,
Ant. Bildw. Oberit. II, 366; V. 269, 2S3. 8. Ro-
bert, Sarkophagrel. II, Taf. 56, 158. 9. Rohden-
Winnefeld, Ant. Terrak. IV, 82 ff. Rossini, Archi
Trionf. Taf. 39, 43. Michaelis, Anc. Marbl. S. 638,
Nr. 66. 10. Milani, Mus. Arch. Firenze I, S. 226,
II, Taf. 79. (Geschmückte Dreifüße auch sonst
häufig, z. B. Furtwängler, Berl. Vas. 2288. Pelle-
grini, Vasi Bologna I, Fig. 35, 36. Br. Mus. Cat.
Italy S. 353, Nr. 66, 76, 85. Vgl. B. C. H.
XXV, 155 und Br. Mus. Cat. Vas. E 626.)
1 1. Chase, Loeb.Collection, Arretine Pottery Nr. 53 ,
Taf. III. Vgl. Dechelette, Vases ceramiques omes
de la Gaule Rom. II, Nr. 1067 ff. Walters, Cat.
Rom. Pott. Brit. Mus. M. 1202, 2, 1203, 2 und
sonst. 12. Niccolini, Pomp. I. Casa di M. Lucr.
Taf. IX. Herrmann-Bruckm. Taf. 59 f. Farben-
druck 4, und sonst öfter bei Zahn, Pomp. u.
Hercul. II, Taf. 43; III, 47 usw.
l86 . R- Delbrueck, Bemerkung.
BEMERKUNG.
M, Gütschow sucht im laufenden Jahrgange dieser Zeitschrift (60 f., 66 und
ebd. Anmerkung 2) nachzuweisen, daß ich bei meinem Versuch einer Orientierung
über die Typen korinthischer Kapitelle hellenistischer Zeit (Hellenistische Bauten II
161 f.) das Kapitell vom Olympieion mit dem 350 Jahre jüngeren von der Hadrians-
stoa verwechselt hätte. Diese Auffassung trifft nicht zu. Mein Zitat für das Kapitell
vom Olympieion (a. a. 0. 162, Anm. 3) lautet: »Penrose, principles Tafel 39, danach
Altmann, Rundbauten 26 f. «. Bei Penrose ist das Kapitell vom Olympieion a ge-
bildet; Altmann zitiert Penrose nicht (wie ich versehentlich annahm, s. u.), ich kann
also mein Zitat nicht von Altmann abgeschrieben haben. Insofern ist es allerdings
wie gesagt, fehlerhaft, als Altmann Penrose nicht erwähnt und außerdem seine Ab-
bildung tatsächlich nicht das Kapitell vom Olympieion wiede gibt, sondern das der
Hadriansstoa. Dies Versehen habe ich nicht bemerkt, weil ich Altmanns Buch kaum
benutzte und andererseits persönlich wußte, daß die Ausführungen bei Altmann
tatsächlich auf dem richtige Kapitell beruhen, wenn Altmann auch eine falsche
Abbildung gegeben hat. Übrigens habe ich nicht etwa diese falsche Abbildung
wiederholt, wie nach der Ausdrucksweise M. Gütschows S. 61 und 33 zu vermuten
wäre; sonst hätte ich doch vielleicht den Irrtum bemerkt. Endlich möchte ich noch
hinzufügen, daß meine Untersuchungen auch nicht eigentlich auf der Tafel bei Pen-
rose beruhen, sondern auf dem Original und eigenen Photographien.
Berlin. R. Delbrueck.
NACHTRAG ZU SEITE 8 ff.
»DER SÜD-OST-BAU AM FORUM ROMANUM.«
Wie in der Anmerkung zu S. 8 gesagt wurde, ist meine Veröffentlichung des
Südostbaues nicht abschließend, da die Bearbeitung durch den Krieg unterbrochen
wurde. Neuerdings habe ich den Bau wiedergesehen dabei ergaben sich folgende
ergänzende Bemerkungen:
.S. 12, B i: Die Verkleidung der Wandflächen im Treppenhaus ist teilweise
schlechter als anderswo; sie enthält stark zerbrochene Bessales und Trümmer von
anderen Ziegeln. Ich möchte aus diesem Qualitätsunterschied nicht unbedingt
historische Schlüsse ziehen; immerhin wird man erwägen müssen, ob nicht der Ober-
bau des Treppenhauses erst nachträglich vollendet sein könnte. Die Entscheidung
kann nur auf Grund einer erneuten eingehenden Untersuchung und eines umfas-
senden Vergleichs mit anderen Ziegelbauten erfolgen.
S. 13, 2b: Eine Analogie für das Atrium bietet ein Wasserhof, der neuerdings
auf dem Palatin zwischen dem Hauptpalast und dem kleinen Palast ausgegraben
wurde. Er enthält ein Pfeiler-Rechteck, dessen Joche durch niedrige Mauern ge-
R. Delbrueck, Nachtrag zu S. 8 ff. igv
schlössen sind; im Innern liegt ein Wasserbecken. Auch der hadrianische Zustand
des Atriums wird so zu ergänzen sein.
S. 15, Abs. I, Z. 15 (vgl. S. 26,5, Abs. 4): Wahrscheinlich war in der Mitte
der Westwand des großen Saales doch eine Tür, da an dieser Stelle zwischen den
hadrianischen Quermauern, die außen an die Westwand stoßen, Marmorpflaster
liegt (nicht im Plan).
S. 18, 4 Abs. 2 (vgl. S. 20 Abs. 3 und S. 26, unten): Die Pilaster sind wohl
hadrianisch; die Technik ist schlechter als mir in Erinnerung geblieben war.
S. 20, 5 Zeile 5 f. : Die beiden vortretenden Ziegelschichten möchte ich nicht
mehr mit Bestimmtheit als Anschluß für Plattenpflaster betrachten, es kann auch
der Kern für ein Gesims sein.
S. 25, 3a I : Außer Q. Oppius Natalis ercheint auch ein unleserlicher flavischer
Stempel.
Nach dem Gesagten ist Wesentliches an der Darstellung nicht zu ändern; ich
hatte aber den Eindruck, daß sich durch Vergleich mit den erhaltenen domitianischen
Palastbauten noch weiter kommen ließe, und daß die hadrianischen Bauperioden
noch genauer herausgearbeitet und geschieden werden könnten. Diese Aufgabe
muß ich anderen überlassen.
Berlin. R. Delbrueck.
Archäologischer Anzeiger
B EIBLATT
ZUM Jahrbuch des Archäologischen Instituts
1921. in/iv.
PERSISCHE TEMPEL.
Das Problem des persischen Tempels
ist neuerdings entschieden zu skeptisch be-
urteilt worden. Herzfeld erklärte es für
die sasanidische Zeit als mindestens sehr
dunkel, und für die ältere Zeit, die
achämenidische, als völlig unlösbar, und
V. Bissing hat noch ganz kürzlich betont,
daß es persische Tempel überhaupt nicht
gegeben zu haben scheine').
.Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß
es in Persien Behausungen für das heilige
Feuer, also Feuertempel, gegeben haben
muß. Bei dem dortigen Klima kann ein
Feueraltar nicht zu jeder Jahreszeit unter
freiem Himmel brennen, sondern nur im
geschlossenen Räume. Damit steht Hero-
dots Bemerkung, die Perser hätten keine
vifjou? gehabt, gar nicht im Widerspruch,
denn ein Feuertempel ist kein Tempel im
griechischen Sinne, keine Behausung des
Götterbildes 2).
Man muß also unter dem erhaltenen
Denkmälerbestande suchen, und in der Tat
sind auch schon verschiedene Ruinen, die
keinem der beiden bisher bekannten Ge-
bäudetypen (Palast und Torhaus) ange-
hören, als solche Feuertempel in Anspruch
') Sarre und Herzfeld, Iranische Felsreliefs, 1910,
239 f. V. Bissing bei Springer- Michaelis, Hand-
buch'", 1915, S. 91.
^) Herodot I 131 ; vgl. F. Spiegel, Eranische
Altertumskunde III, 1878, 568; G. Bell, Palace and
mosque at Ukhaidir, 1914, 92; C. Giemen, Die
griechischen und lateinischen Nachrichten über die
persische Religion, 1920, 99 f.
Archaolosfischer Anzvigrer 1931.
genommen worden. Sie lassen sich nach
ihrer Grundrißbildung in zwei Gruppen
scheiden.
Die eine Gruppe wird zunächst durch
eine bei Firusabad gelegene Ruine ver-
treten, die wahrscheinlich noch achämeni-
disch ist (Abb. i). Es ist ein quadrati-
scher Bau von 26 m Seitenlänge auf etwa
r 1
r
■////////////,.
\
,//////////////////,.
<^
Abb. 1. Ruine in Firusabad, Grundriß.
Maßstab i : looo.
275
Persische Tempel.
276
10 m hohem Sockel, jede der vier Seiten
von einer Tür durchbrochen, zu der eine
Freitreppe emporführte. Flandin hat, wohl
mit Recht, auf diesen Bau ein in nächster
Nähe gefundenes Säulenstück bezogen, das
wegen seiner Kannelierung als achämeni-
disch anzusprechen ist. Es wird am ehe-
sten von einer der vier Deckenstützen her-
des Tschehär Kapu genannten Ruinen-
komplexes von Kasr i Schirin (Abb. 2).
Hier ist nunmehr die flache Holz-Lehm-
decke mit ihrer Säulenunterstützung durch
die sasanidische Trompenkuppel ersetzt.
Daß Bauten dieser Art Feuertempel ge-
wesen sind, hält auch Herzfeld für sehr
wohl möglich 2).
Jf^t.
Abb. 2. Tschehär Kapu, Grundriß. Maßstab i : 1000.
rühren, die man bei der beträchtlichen
Spannweite der Decke (16 m) annehmen
maß '). Den gleichen Typus, von genau
denselben Abmessungen im Innern, aber aus
sasanidischer Zeit, vertritt der Mittelbau
■) Coste et Flandin, Voyage en Perse, Perse
ancienne S. 340 Taf. 37. Perrot et Chipiez, Histoire
de l'art V, 645 ff. In der Rekonstruktion Abb. 406
ordnet Flandin ein Säulenpaar in der Türöffnung
an, was mir unnötig erscheint. Fast genau so
sahen die beiden Tetrapyla auf der Königsburg
von Persepolis aus, von denen das kleinere dem
Bau von Firuzabad auch in den Maßen etwa gleich-
kommt. Zu bemerken ist noch, daß ähnliche vier-
türige Quadratbauten mit oder ohne Innenstützen
auch im indischen Tempelbau nicht selten begegnen,
vgl. J. Fergusson and J. Burgess, The Cave Temples
Verwandt, aber im einzelnen doch recht
verschieden ist ein Bautypus, der bisher
nur durch ein Beispiel achämenidischer
Zeit aus der Unterstadt von Susa bekannt
ist (Abb. 3 a) 3). Es ist eine quadratische
of India, 1880, Taf. 68, 73, 79, 85, 87, sowie auch
J. Fergusson, History of Indian and Eastern Archi-
tecture' II 1910, 99 Abb. 314 und 144 Abb. 343,
wo es sich indessen nicht um selbständige Aedi-
culae wie in den Felsentempeln handelt, sondern
um Tempelvorhallen (Mandapam).
') J. de Morgan, Miss, scientif. en Perse IV,
1896/67, Taf. 46; Saladin, Manuel d'art musulraan,
1907,28 Abb. 12; G. Bell a. a. O. 5 1 u. 94 Taf. 64 ;
Strzygowski, Jahrb. preuß. Kunsts. XXV 1904, 245
Abb. 26; Herzfeld, Islam I 1910, 105 ff.
3) M. Dieulafoy, L'acropole de Suse, 1893, 413
Abb. 264; Choisy, Hist. de l'archit. I 1899, 139;
277
Persische Tempel.
278
Cella von 10 X 10 m lichter Weite, mit
vier glockenförmigen Säulenbasen im Innern,
von einem geschlossenen Umgang rings
umgeben. Der Ostseite ist eine zweisäulige
Prostas vorgelagert, die sich mit einer Frei-
treppe auf einem quadratischen Vorhof von
18 m Seitenlänge öffnet. Für den Aufbau
ist wichtig, aber bisher nicht beachtet, daß
die vier inneren Säulenbasen, die mit einer,
auf dem sogenannten Donjon der Burg ge-
so wie die großen Säulensäle der Apadanas
über die vorn und seitlich vorgelagerten
Säulenhallen.
Dieulafoy, der den merkwürdigen Bau
zuerst bekannt machte, deutete ihn als
Tempel, als »ayadana«, und zog zum Ver-
gleich ein an die Rückseite des Palastes
in Hatra angelehntes Gebäude heran, das
gleichfalls aus einer quadratischen Cella mit
geschlossenem Umgang besteht (oben im
Abb. 3. Tempel in Susa {a), Saljr {b), Seeia-Si (i^) und Sür {ä). Maßstab i : 1000.
fundenen und den Namen des Artaxerxes
tragenden Säulenbasis genau übereinstim-
men, größer sind als die beiden Basen der
Prostas. Die inneren Säulen sind also
höher gewesen als die äußeren, und die
Cella wird über den niedrigeren Umgang
basilikal hinausgeführt gewesen sein, genau
Sarre und Herzfeld, Iranische Felsreliefs 1910, 240;
Strzygowski, Die Baukunst der Armenier, 1918, 6^9
Abb. 637. Die von Strzygowski gegebene Deutung
als Anahitatempel aus dem Anfang des IV. Jahr-
hunderts ist nicht unmöglich, entbehrt aber der
Begründung. Veranlaßt ist sie wohl durch die
Nachricht des Berosos (überliefert im Protreptikos
des Clemens von Alexandria V 65, 3, Ausg. Stählin I,
1905, S. 50), daß Artaxerxes II rpiöxo? xrii 'Acppo-
8iTT)5 'AvaiTi5o{ t6 ötyaXfAa dvasxriaa; h BaßuXüivi
xai Zo'iaoi; xal 'Exßaxctvoi« Fi^psaij xal Ba'xTpoi« xal
AajjicEaxu) xal 2cep8e3iv !)7t^8eiSE o^ßetv.
Jahrb.S.88 Abb. 7)'). Auch den Aufbau wird
man sich wie in Susa denken müssen, d. h.
mit über den Umgang emporgeführter Cella.
Die Rekonstruktion W.Andraes, der über dem
Umgang noch ein Obergeschoß und infolge-
dessen ein gleichmäßig flaches Dach für
das ganze Gebäude annimmt, scheint mir
durch den Bestand des Erhaltenen keines-
wegs geboten und auch deshalb unwahr-
scheinlich, weil die Cella dann vollständig
dunkel ist. Läßt man sie dagegen über
den Umgang hinausragen, so kann sie durch
Schlitzfenster unter dem Gewölbescheitel
(wie in den Räumen 3, 5, 8 und 10 des
■) W. Andrae, Hatra 1 1908, 17 ff. und II 1912,
1 26 Taf. 7,9,11; G. Bell a. a. O. 90 ; Herzfeld,
Zts. deutsch, morgenl. Ges. LXVIII 1914, 671.
279
Persische Tempel.
280
Hauptpalastes) leicht beleuchtet werden.
Auch die beiden großen I.iwane des
Palastes haben ja wohl sicher die seit-
lichen Räume überragt. Dieser Quadrat-
bau in Hatra hat nun wegen des Helios-
kopfes über der Cellatür immer als der
Baalstempel aus dem zweiten Jahrhundert
gegolten, der bei Cassius Dion erwähnt ist,
und auch Herzfeld hat dieser Meinung zu-
gestimmt. Aber W. Andrae, der das Bau-
werk zuletzt herausgab, hat das wieder be-
stritten. »Auch die schöne Türverdachung
des quadraten Raumes im Westanbau mit
dem zierlichen Apollo-Heliosrelief beweist
noch nicht, daß dieser Raum ein Heilig-
tum sein muß«, und »für den quadraten
Raum könnte weder ein okzidentaler noch
ein orientaler Tempel als Analogie heran-
gezogen werden« (a. a. O. II S. 143).
Beide Einwände werden indessen ent-
kräftet durch die neue Veröffentlichung
des bis dahin aus M. de Vogües Syrie
centrale nur unvollkommen bekannten
Tempels von Seeia-Si am Westrande der
Hauranberge (Abb. 3 c)»). Dieser Bau ist
laut Inschrift als Tempel des Baal Schamin
i- J- 33/3^ V- Chr., in der Spätzeit des naba-
täischen Königreichs, errichtet worden. Hier
findet sich nun derselbe Helioskopf wie in
Hatra sowohl über der Cellatür wie über
der Tür zum Vorhof (Gsaxpov)»), und der
Grundriß zeigt die weitgehendste Überein-
stimmung mit dem des fraglichen Tempels
in Susa. Auch hier eine quadratische Cella
(8,3 X 8,3 m) mit vier Säulen als Decken-
stützen im Innern und geschlossenem Um-
gang an drei Seiten. Der Eingangsseite
ist wie in Susa ein schmaler Vorraum und
*' diesem wieder eine zweisäulige Prostas vor-
gelagert, die hier von zwei kleinen ge-
schlossenen Räumen flankiert ist. Von den
drei Türen der vorderen Cellawand, die
') M. de Vogüe, La Syrie centrale, Architecture,
'865/77, 31 fF. Taf. 2 — 4; H. C. Butler, Ancient
Architecture in Syria A, 1907 ff., 365 ff.
») Hatra: Andrae, Hatra 1, 20 Abb. 32 und
Taf. 11; II, 151 Abb. 254 (die ganze Tür). —
Seeia: de Vogüe, Syrie centrale Taf. 3 (Cellatür),
Butler a. a. O. 384 Abb. 331 u. 332 (VorhoftUr). —
Erst nach Abschluß dieser Arbeit wird mir der
Aufsatz von Herzfeld, Jahrb. pr. Kunsts. XLII 1921,
107 bekannt, wo gleichfalls auf diese Überein-
stimmung hingewiesen ist.
der ergänzte Grundriß zeigt, ist nur
die rechte Seitentür wirklich festgestellt
worden, so daß die Mitteltür wie in Susa
sehr wohl gefehlt haben kann. Was den
Aufbau angeht, so nimmt Butler zwischen
den vier Innensäulen ein Impluvium an,
was indessen bei einem von jeglichem
italischen Einfluß völlig unberührten Bau
des östlichen Hellenismus ganz undenkbar
und sicher falsch ist. Die Cella wird viel-
mehr wie in Susa den Umgang überragt
haben. Über die Maße der einzigen in
situ gefundenen Innensäule und ihr Ver-
hältnis zu den Prostassäulen, die Butler
nicht mehr gesehen zu haben scheint und
deshalb nach de Vogües Aufnahme wieder-
gibt, finden sich bei Butler leider keine
Angaben. Eine Verbesserung gegenüber
de Vogüe bedeutet dagegen Butlers Rekon-
struktion der Fassade, indem er das Ober-
geschoß über der Vorhalle beseitigt und
durch einen Giebel ersetzt, so daß nun-
mehr eine typische Hilanifassade mit Säulen-
halle zwischen Eck türmen entsteht (Abb. 4)').
Diese Hilanifassade scheint indessen erst
eine Bereicherung des einfachen Typus des
quadratischen Tempels mit geschlossenem
Umgang zu sein, wie er in dem kleineren
Tempel des Duschara dicht daneben noch
unverfälscht vorliegt^). Stilistische Ver-
schiedenheiten in der Gewändedekoration
der äußeren und inneren Türen lassen sogar
mit der Möglichkeit rechnen, daß die Front
des Baaltempels ihre jetzige Gestalt erst
durch einen Umbau erhalten hat. Der vor-
gelagerte Peristylhof schließlich, der von
einer zweistufigen, von den umlaufenden
Portiken überdeckten Estrade umsäumt und
inschriftlich als Ssaxpov bezeichnet ist, voll-
endet die Ähnlichkeit mit dem Gebäude
in Susa. Als Inhaber des Tempels ist
allerdings der semitische Baal-Schamin aus-
drücklich bezeugt, doch macht auch das
keine Schwierigkeiten. Denn damals war
der alte Donnergott der Semiten längst zu
') Doch ist der Umstand unberücksichtigt ge-
blieben, daß die Cella die Vorhalle überragt haben
muß, so daß auch diese Herstellung nicht als end-
gültig angesehen werden kann.
') H. C. Butler, Florilegium didii a M. de Vogüe,
1909, 79 ff. und Ancient Architecture in Syria A,
385 ff.
28l
Persische Tempel.
282
einem Äquivalent des persischen Ahura-
mazda geworden').
War der Tempel von Seeia bisher durch-
aus eine Einzelerscheinung, so zeigen zwei
ganz neuerdings hinzugetretene Tempel der
benachbarten Ledscha, dafi das Grundriß-
schema typisch war für den nabatäischen
Tempelbau. Der Tempel von Sahr (Abb. 3 b)
steht dem susischen Bau noch etwas näher
als der von Seeia ^). Die Hilanifassade ist
offenbar gleich von vornherein mit ge-
plant gewesen und nicht erst nachträglich
/wischen Vorhof und Cella eingezwängt
zeichnet Butler selbst als möglich, man wird
daher auch hier mit einem geschlossenen
Umgang an den drei anderen Seiten rechnen
dürfen. Überall wiederholt sich das von
Stufen eingefaßte Ssatpov, in dem der
Brandopferaltar stand, wie das Beispiel von
Sahr zeigt. Ähnlich war in Susa der Hot
von einem schmalen Ziegelplattenbelag um-
säumt, und nur an Stelle der offenen Por-
tiken ist ein geschlossener Korridor ge-
treten, wie es der Bauweise der unteren
Euphrat- und Tigrislandschaft entspricht').
Die Übereinstimmung in Grundriß und
Abb. 4. Baalstempel in Seeia, Herstellungsvorschlag von Butler. Maßstab i : 200.
worden, wie es in Seeia den Anschein hat.
Die Innensäulen sind zwar nicht in situ,
aber immerhin in der Cella gefunden. Zeit
der Erbauung ist nach Butler wohl das
erste Jahrhundert n. Chr. Der Tempel von
Sür (Abb. ^d), nach seiner Ornamentik
dem von Seeia etwa gleichzeitig, ist leider
so tief verschüttet, daß einstweilen nur die
viersäulige Cella gesichert ist 3). Die An-
nahme einer Porticus vor der Front be-
') F. Cumont, Textes et monum. figures relatifs
aux mysteres de Mithra I, 1899, S. 86 f. — Cumont-
Gehrich, Die Orient. Religionen im röm. Heidentum'
1914, 147 u. 170.
») Butler, Anc. Arch. A, 441 ff. Abb. 387.
3) Butler a. a. O. 428 ff, .■Vbb. 371.
Aufbau zwischen dem Gebäude von Susa
und den nabatäischen Bauten geht so weit,
daß ein geschichtlicher Zusammenhang trotz
der zeitlichen und örtlichen Entfernung
kaum geleugnet werden kann, und da der
Bau von Seeia sicher ein Tempel war, so
wird auch die Deutung des susischen Baus
als Tempel mehr als wahrscheinlich.
Dazu kommt noch ein anderes. Die
Ähnlichkeit des Tempels von Seeia mit
dem von Susa liegt nicht nur im Grund-
') Die Abneigung gegen offene Säulenhallen ist
hier ja uralt und wirkt selbst noch in frühislamischer
Zeit nach, vgl. beispielsweise den großen Mittelhof
im Palast von Uchaidir, wo die umlaufenden Portiken
zu Kryptoportiken umgewandelt sind (O. Reuther,
Ochejdir 191 2, Taf. 3).
283
Persische Tempel.
284
riß, sondern erstreckt sich auch auf die
formale Ausgestaltung der Bauglieder. Die
Basen der Prostassäulen in Seeia (Abb. 5 d)
haben die persische Glockenform, nur hat das
Blattwerk jetzt unter hellenistischem Ein-
fluß Akanthuscharakter erhalten. Die Stier-
protomen in tektonischer Verwendung (bei
de Vogüd Taf. 3) sind ebenfalls der achä-
menidischen Baukunst geläufig, und die
Blätter an dem ionischen Pilasterkapitell
ebendort (Abb. 5 b), deren Ränder und
Rippen wie bei persischen Goldschmiede-
arbeiten mit Zellenschmelz als Stege ge-
altindischen Kapitell aus Sankisa (Abb. 5 a) '),
also in einem Kunstkreis, der wieder
von der achämenidischen Kunst aufs stärkste
beeinflußt ist. Diese zahlreichen Beziehungen
auch im Formalen zwischen Seeia und der
altpersischen Baukunst machen wohl die
Tatsache eines geschichtlichen Zusammen-
hangs zur Gewißheit.
Wie indessen dieser Zusammenhang zu
erklären sei, ist bei der Dürftigkeit unseres
vorderasiatischen Denkmälerbestandes, der
die Zwischenglieder aufweisen müßte, schwer
zu sagen, und die Frage ist wohl einst-
Abb. 5. Kapitelle und Basen von Sankisa (a), Seeia (6, ä, g, h), Suweda (f), Arak el Emir («),
Gerasa (/), Mylasa (/). Maßstab für a etwa 1 ; 50, für b — i i : 40.
bildet sind, finden sich genau so an einem weilen überhaupt nicht mit Sicherheit zu
') AI. Cunningham, Reports of the Archaeological
Sarvey of India 1 1871, 274 Taf. 46; J. Sohrmann,
Die altindische Säule 1906, 17 Abb. 10; J. Fer-
gusson, History of Indian Architecture P 1910, 58
Abb. 6. Das ganze Monument ist voll vorderasiati-
scher Elemente. So ist die schuppenartige Gelände-
andeutung unter dem bekrönenden Elefanten schon
altbabylonisch (vgl. Kunstgesch. in Bild.' 42, 5 u.
50, 8) und dann gemeinvorderasiatisch (hetitisch :
E. Meyer, Reich u. Kultur der Chetiter 87 Abb. 67,
Jasilikaja ; phönikisch : Poulsen, Der Orient und
die frühgriech. Kunst 24 f. Abb. 14 u. 15; assyrisch:
Paterson, Palace of Sinacherib Taf. 74/76, 77, 78
und sonst; kretisch: Kunstgesch. in Bild.' 93, i).
Sie findet sich in ganz gleicher Stilisierung auf den
Wandreliefs von Angkor-Vat (Kambodscha, XI. bis
XII. Jahrb., vgl. J. Comaille, Guide auz ruines
d'Angkor 1912, 59 Abb. 17), die mit den assyri-
schen Reliefbildern zweifellos in geschichtlichem
Zusammenhang stehen und den östlichsten Aus-
läufer altvorderasiatischer (und letzten Endes ägypti-
scher?) Wandmalerei großen Stils (Schlachten-, Jagd-
bilder u. dgl.) darstellen. Ein zeitliches wie ört-
liches Zwischenglied ist in den Jagdreliefs des Tak
i Bostan erhalten, vgl. Coste et Flandin a. a. O.
Taf. 10 und E. Herzfeld, Am Tor von Asien
Taf. 45 ff. — Dagegen ist die Technik der steg-
umrandeten Stein- bzw. Schmelzeinlage, wie wir sie
an den Kapitellen von Seeia und Sankisa nach-
geahmt glaubten, ursprünglich in Ägypten zu Hause
und von da über Syrien (vgl. die phönikischen
Elfenbeine von Nimrud, Poulsen a.a.O. 49 Abb. 39)
nach Persien und Indien gewandert.
285
Persische Tempel.
286
beantworten. Man wird sich also mit mehr
oder weniger wahrscheinlichen Vermutungen
begnügen müssen. Am nächsten läge es
ja, ein einfaches Abhängigkeitsverhältnis
zwischen den nabatäischen und persischen
Tempeln vom Typus Susa anzunehmen.
Dann müßten die Zwischenglieder in der
älteren parthischen Baukunst gesucht werden,
die aus den Bauten von Libanae-Assur und
Hatra erst unvollkommen zu erschließen
ist. Es gibt aber auch noch die andere
Möglichkeit, daß nämlich die nabatäischen
wie der achämenidische Tempel von Susa
aus einer gemeinsamen Quelle geflossen
sind, die dann nur die altsyrische Baukunst
gewesen sein kann. Die altpersische Kunst
hat ihre zahlreichen ägyptisierenden Ele-
mente ja sicher erst durch syrische Ver-
mittlung erhalten. Auch die glockenförmige
Säulenbasis, die nichts als ein umgekehrtes
Papyruskapitell ist'), könnte sehr wohl
schon von der altsyrischen Architektur ver-
wendet worden sein, wenn auch ein Beleg
einstweilen nicht beizubringen ist*). Und
') Schon in der Baukunst des neuen Reiches
wird dies Papyruskapitell ganz unorganisch auf den
Kopf gestellt, vgl. Lepsius, Denkmäler I Taf. 81
und Borchardt, Die ägyptische Pflanzensäule 1897,
57. Typisch ist diese Verwendung des Kapitells
dann in der altindischen Baukunst. E. B. Havell
geht in seinem Bestreben, die altindische Kunst als
möglichst selbständig zu erweisen, wohl zu weit,
wenn er auch das Glockenkapitell als ein rein indi-
sches Gewächs erklärt (The Ancient and Mediaeval
Architecture of India 19 15, 58 fr.).
') Dafür spricht auch das Vorkommen ähnlicher
Glockenbasen an dem Peripteros im benachbarten
Suweda, der dem Tempel von Seeia stilistisch eng
verwandt ist, aber im Grundriß keinerlei Beziehungen
zu Persicn aufweist (de Vogüe a. a. O. Taf. 4;
Butler, Architecture and other Arts 1904, 327 AT. ;
Brünnow u. Domaszewski, Provincia Arabia III 1909,
94 flf.). Und wenn dasselbe Motiv sich in noch
freierer Weise an einer anderen, kleineren Basis in
Seeia verwendet findet, wo zwei solche Glocken-
kelche im Gegensinne aufeinandergesetzt sind
(Butler, Ancient Archit. A, 391 Abb. 339 V, dazu
S. 393), so läßt auch das auf eine alte Vertraut-
heit der syrischen Baukunst mit der Glockenbasis
schließen. Sie wird also wohl mit zu den ägypti-
sierenden Elementen gehören, die erst von Syrien
aus nach Persien gelangt sind. — Nicht damit zu
verwechseln sind die akanthisierenden Blattkelche,
aus denen in Seeia und Arak el Emir bisweilen
die Säulen herauswachsen (de VogUe a. a. O. Taf. 4
Abb. 5 ; Butler, Anc. Arch. A, 9 Abb. 8 u. Taf. i ;
ebenso in Gerasa, vgl. Durm, Bauk. d. Römer»,
1905. S. 390 Abb. 425, und an dem längst ver-
wie das Fassadenmotiv der persischen Pa-
läste vom syrischen Hilani abgeleitet ist,
so mag auch das Grundrißschema des susi-
schen Tempels bereits im vorhellenistischen
Syrien geschaffen sein').
Daß gerade das alte Syrien in den ersten
Jahrhunderten des ersten Jahrtausends als
Ausstrahlungsherd kultureller Güter an
erster Stelle steht, zeigt am deutlichsten
die Geschichte des Alphabets. Und es ist
m. W. bisher nicht genügend betont worden,
daß die Strömungen auf künstlerischem Ge-
biet im großen und ganzen immer dieselben
Wege gegangen sind wie die Ausbreitung
der Schrift. Wie die Phöniker den Griechen
schwundenen Augustus- und Romatempel in Mylasa,
der wohl syrisch beeinflußt ist, vgl. Choiseul-Gouffier,
Voyage pittor. de la Grece I 1782, 141 ff. Taf. 83).
Dieses Motiv möchte man zunächst wohl für grie-
chisch halten, denn es kommt schon an den Akan-
thussäulen von Delphi usw. vor (vgl. zuletzt Pomtow,
Jahrb. d. Inst. XXXV 1920, 113 u. 120 Anm. 3),
aber hier liegt die Sache insofern anders, als die
ganze Säule wie ein naturalistisches Pflanzengebilde
aufgefaßt ist. Daß die hellenistisch-syrischen Blatt-
kelche davon abhängig sind, scheint mir nicht ohne
weiteres sicher. Die Akanthusstilisierung freilich
ist zweifellos auf griechischen Einfluß zurückzu-
führen, aber die Idee, den Säulenschaft aus einem
Blattkelch herauswachsen zu lassen, finden wir
wieder schon in Ägypten (vgl. Borchardt, Die ägypt.
Pflanzensäule 19 fr. Abb. 34, 37, 52 ff.), und es wird
sehr zu überlegen sein, ob nicht auch dieses Motiv
ebenso wie das der Glockenbasis unmittelbar aus
der ägyptischen in die altsyrische Baukunst über-
gegangen sein kann und ob wir es bei den Blatt-
kelchen von Arak el Emir und Seeia nicht mit alt-
syrischem Gut, nur in griechischer Stilisierung zu
tun haben. (Vgl. Abb. 5, c, e — i.) Eine wesentliche
Stütze für diese Auffassung scheint mir eine punische
Stele aus Hadrumetum zu bieten, vgl. Ph. Berger,
Gazette archeol. IX, 1884, 5iff. Taf. 7. Zu der
oben erwähnten Basis aus Seeia (Butler, Anc. Arch.
A, 391 Abb. 339 Y) sind übrigens Säulenbasen aus
dem nordsyrischen Schamal insofern zu vergleichen,
als sie ebenfalls aus zwei im Gegensinne aufeinander
gesetzten Blattkelchen bestehen (Ausgr. in Sendschirli
S. 197 Abb. 88, S. 293 Abb. 201, Taf. 33 u. 53).
Die zugrunde liegende Idee ist jedenfalls hier wie
dort dieselbe.
') Herzfeld macht in seinem oben erwähnten
Aufsatz Qb. preuß. Kunsts. XLII, 107 f.) darauf auf-
merksam, daß den aramäischen bzw. aramäisierten
Kleinstaaten hellenistisch -römischer Zeit (Petra,
Emesa, Palmyra mit Zenobia, Edessa, Hatra) neben
dem Felsgrab auch der Grabturm gemeinsam sei.
Dasselbe ist wieder im achämenidischen Kunstkreise
der Fall. Das Problem liegt also auch in diesem
Punkte genau so wie beim Tempel.
28;
Aus der Heidelberger Sammlung II.
288
die Buchstabenschrift und gleichzeitig den
orientalisierenden Stil gebracht haben, so
hat sich die altsyrische Schrift das ganze
Perserreich erobert, ist die Mutter der süd-
arabischen und abessinischen Schrift einer-
seits und der indischen anderseits geworden,
und zahlreiche Elemente der Bau- und
bildenden Kunst haben sie auf ihrem Wege
hierhin wie dorthin begleitet'). Dasselbe
Schauspiel wiederholt sich dann in Europa.
Die Etrusker haben ihre Schrift von den
Kolonialgriechen übernommen oder mög-
licherweise schon aus Lydien, also aus der
allernächsten Nachbarschaft der lonier, mit-
gebracht^), und dementsprechend steht ihre
Kunst der griechischen und im besonderen
der ionischen so nahe, daß sie in der
Hauptsache als eine griechische Pro-
vinzialkunst gelten kann, wenn sie da-
neben auch, vor allem in der Architektur,
eine Reihe von vorderasiatischen Elementen 1
enthält, die nicht erst durch Griechen ver- |
mittel t sein werden. Wie dann später die
lateinische Schrift mit der römischen Er-
oberung sich über ganz Westeuropa ver-
breitet, so ist auch die gallorömische Kunst
italischer und nicht etwa griechischer Her-
kunft (Massilia!), wie man wohl gemeint
hat'). Wie weiter in der gotischen Runen-
schrift die griechischen Buchstaben bei
weitem überwiegen, so zeigt auch die goti-
sche Kleinkunst in der Hauptsache provin-
ziell-spätgriechischen Charakter 2). Und daß
schließlich die altrussische Kunst ebenso
byzantinischer Herkunft ist wie die russi-
sche Schrift, ist genugsam bekannt.
") Zum Eindringen der phönikischen und später
der aramäischen Schrift in Indien vgl. Ed. Meyer,-
Gesch. d. Altertums III § 59 sowie ganz neuer-
dings R. Stube, Der Ursprung des Alphabets und !
seine Entwicklung (1922) S. 17 ff. Die älteste aramäi-
sche Inschrift in Indien (aus Takschasila) jetzt bei
Bamett u. Cowley, Journal of the Royal Asiatic
Society 1915, 34off. — Wenn daher Tempel von
gleichem oder ähnlichem Typus (d. h. quadtat. oder
oblonge Cella mit geschlossenem Umgang) auch im
Bereich der indischen Kunst nicht selten begegnen, so
wird auch da eine Abhängigkeit von vorderasiatischen
Mustern wenigstens zu erwägen sein. Vgl. Fergusson, [
Hlstory of Indian Archit. I' 322 Abb. 182; 353
Abb. 204; 356 Abb. 208; 358 Abb. 209; 381
Abb. 224; L. de Beylie, L'architecture hindoue en
extreme Orient 1907, 305 Abb. 276 ff. ; Grttnwedel,
Bericht über archäo!. Arbeiten in Idikutschari und
Umgebung (Abh. bayr. Akad., philos.-philol. Kl.,
XXIV I, 1906) 42 Abb. 37; 132 Abb. 128; 143
Abb. 139; M.A.Stein, Ancient Khotan, 1917, Taf.
25, 26, 36. Bezeichnenderweise taucht der gleiche
Bautypus auch am andern Ende der altsyrischen
Einflußsphäre wieder auf, in Abessinien. Die christ-
lichen Kirchen dieser Art, die hier noch heute üb-
lich sind, sind zwar alle ganz jung, aber aus euro-
päischem Einfluß keinesfalls zu erklären und daher
wohl am ehesten als Sprößlinge einer alten sUd-
arabischen Tradition aufzufassen. Vgl. Th. v. LUpke,
Deutsche Aksumexpedition III, 65 Abb. 184; 66
Abb. 190; 68 Abb. 194; 69 Abb. 198.
') Vgl. E. Littmann, Lydian inscriptions (Sardis
vol. VI part I), 1916, S. 21 u. 77 ff.
Bonn.
F. Oelmann.
AUS DER HEIDELBERGER
SAMMLUNG. U.
Aus den amerikanischen Grabungen am
argivischen Heraion ist ein Durchschnitt
der Terrakottafunde in der Heidelberger
Sammlung, welche durch ihre Typen wie
auch durch die Abfolge der technischen Her-
stellung in erfreulicher Weise von neuem für
die nahe Verwandtschaft zwischen den ti-
rynther und argivischen Stücken Zeugnis
ablegen, auf die Frickenhaus in seinem
Tirynswerke so nachdrücklich hingewiesen
hat. Die Funde reichen von der mykeni-
schen Zeit bis in das 5. Jahrhundert;
zu bemerken ist, daß auch hier die geometri-
sche Ware so gut wie gar nicht vertreten
ist. Sicher geometrisch ist wohl nur das
Fragmenteines Reiters (Abb. i). Der Reiter
selber ist weggebrochen (am ehesten zu vgl.
Winter, Typen I 15, 3; ausCypem). Die von
Frickenhaus im Tirynswerke IS. 116 Anm. i
als geometrisch erwähnten Stücke (früher
X 13 und X 5, jetzt X 26 und X 27), Abb.
2 und 3 halte ich für archaisch, sie scheinen
■) Daher vermag ich auch Drexel nicht zuzu-
stimmen, wenn er neuerdings wieder das geschweifte
Dach des Secundiniergrabmals in Igel auf ost-
griechische Einflüsse zurückführt (Rom. Mitt. XXXV
1920, 47ff.). Gerade die doppelte Schweifung des
Daches ist durch ein pompeianisches Grabdenkmal
(Mau, Pomp. ^ 439) für Italien sicher bezeugt, und
ihr Vorkommen auf einem Mosaikbilde aus VVed
Atmenia (Tunis) spricht gleichfalls für italische
Herkunft dieser barocken Form (vgl. Ch. Tissot,
Geogr. de la prov. rom. d'Afrique I 1884, Taf. l).
») Vgl. M. Ebert, Südrußland im Altertum 1921,
367 u. 369 f.
289
Aus der Heidelberger Sammlung II,
290
mir dem 7. oder 8. Jahrhundert an-
zugehören. Hellbrauner Firnis für Haar
und Tupfen. Gürtel und Halsband schwarz-
braun; die auf Abb. 3 vom Gürtel her-
abhängenden Schleifen rötlich violett; bei
Abb. 2 ist die Rückseite flach und schwarz
gefirnißt, bei Abb. 3 ist auch sie modelliert
und bemalt.
Aus der Reihe der handgemachten
Sitzbilder wäre hervorzuheben das Köpf-
chen X 28 (Abb. 4), dessen Stil, besonders
die Behandlung der gedrehten Locken in
ringförmigen Wulstes, der wohl Haar und
Bart andeuten soll. Es wäre dann also in
dieser Gruppe durch das Heidelberger
Stück auch der männliche Typus vertreten.
(Abb. 5.) Unter den formgemachten
stehenden Frauenbildern besitzt die
Sammlung 3 Adoranten (die beiden Unter-
arme sind betend erhoben (Abb. 6); vgl.
Waldstein, Heraeum, H Nr. 153, 154
Fig. 64 pl. XLVI Fig. I und Tiryns Nr. 50
Taf. VI 9, dazu S. 68); bei einem Exemplar
ist der Kopf erhalten, der mit einer Stephane
Abb. I — 11; 18, 19 (der Maßstab bezieht sich nur auf die zwei letzten).
gleicher Weise an Metallarbeit erinnert, wie
das Stück bei Waldstein The Arg. Heraeum
n 54 pl. XLIV 9; im übrigen ist diese Klasse
genau n derselben Technik hergestellt,
wie sie Frickenhaus für die tirynther Stücke
eingehend beschreibt (a. a. O. S. 60, 61).
Die gleiche Identität der Entwicklung und
Herstellung besteht bei den formgemach-
ten Sitzbildern und geht überhaupt durch
alle Gattungen unserer Serie.
Von den früharchaischen stehenden
Figuren ist vielleicht bemerkenswert X 3
wegen des eigenartigen, vom Hinterkopfe
nach vorne und nach hinten niedergehenden
geschmückt ist. X 34 ist erwähnenswert
wegen der Opferkuchen in den Händen und
der eigentümlichen Form der Fibeln (vgl.
Tiryns 58, Taf. VII 3; eine Analogie bietet
auch die merkwürdige Fibelform einer Ter-
rakottafigur des 4. Jhdts. aus Lokri (Not.
scav. 1917, 56, Fig. 30) (Abb. 7). — Das
kleine fein gearbeitete Fragment X 45 zeigt
in der vor die Brust gehaltenen R. eine Lo-
tosblüte, eine seltene Weihung für Argos
und Tiryns, wo ja bekanntlich die der Göttin
geheiligte Sternblume überwiegt; mir ist
nur bekannt Tiryns a. a. O. Nr. 167, Taf.
VIII 4, ein Stück des korinthischen Typus.
291
Aus der Heidelberger Sammlung II.
292
Von der Gattung der Hohlterrakotten
sind 9 Stücke vorhanden, immerhin be-
merkenswert, da Frickenhaus a. a. 0. S. 76
darauf hinweist, daß diese Klasse im He-
raion so gut wie ganz fehle, und daß die
amerikanische Publikation nur 8 Fragmente,
lauter kleine Stücke erwähnt. Die Heidel-
berger Gruppe setzt sich folgendermaßen
zusammen: 3 sitzende Göttinen des 6. und 5.
Jhdts., darunter ein Importstück; der Polos
ist bei diesem höher als bei den sicher ar-
givischen und tirynthischen Exemplaren, der
Ton rötlich, enthält kleine Glimmer-
blättchen. Die Form stimmt genau mit
Winter I 43, 5, einem rhodischen Typus,
überein (desgl. auch mit der rhod. Terra-
kotte Cat. Br. Mus. B 172 pl. IX). 3 stehende
Frauen, darunter ein Stück, das am oberen
Abschluß des dorischen Peplos mit einem
feinen gepreßten Palmettenstreifen geziert
ist und ein Fragment von anderem Ton in
jonischem Chiton; Import; nächste Parallele
auch von Rhodos: Cat. Br. Mus. B 207, pl.
XVII; — I Tierkopf, 2 Dickbauchdämonen,
davon einer aus anderem Ton, der wieder
Glimmerblättchen enthält, auch Import. —
(Abb. 8), Genrefigur aus der Mitte des
5. Jahrhunderts. Ein sitzender Knabe stützt
sich auf den 1. Arm und hat das 1. Bein unter-
geschlagen. Der r. Arm, das r. Bein
fehlen. In die Augen fallend ist die Ver-
wandtschaft mit dem kauernden Knaben
aus dem Ostgiebel von Olympia, und noch
merkwürdiger ist die Übereinstimmung mit
gewissen Tammuz-Adonisfigürchen des
4. Jhdts., wie sie neuerdings vielfach in Grä-
bern von Rosarno Medma gefunden wurden
(vgl. Not. sc. 1917, 46). Auffallend ist bei
dieser kleinen Gruppe der hohe Prozentsatz
der Importware, während die übrigen
Stücke fast durchgängig der heimischen
Fabrik zu entstammen scheinen.
Unter den handgemachten Tieren
sind abgesehen von den mykenischen Frag-
menten zu verzeichnen: 3 Hunde, l Widder,
Kopf eines Rehbockes (.?), Rehes (?), 3 Tau-
ben.
Reiter: 4 recht rohe Exemplare und
einer mit Schild wie Tiryns Nr. 141, Abb. 20.
Lasttiere: ein Rind (?). Beine größten-
teils weggebrochen, auf dem Rücken ein
breiter, bequemer Sattel, der an den Seiten
eingerollt scheint. Der z. T. weggebrochene
Schwanz auf den Sattel eingeschlagen. Spu-
ren von weißem Überzuge, von roter und
bräunlicher Farbe auf dem Sattel (Abb. 9).
— Fragment eines Lasttieres, das mit einem
auf vier Füßen stehenden Behälter be, ackt
ist (Abb. 10). Vgl. Tiryns Nr. 145, Abb. 24.
Bruchstück eines rechteckigen Tischchens
auf rundem Fuße; darauf ein Becher und
ein Teller mit Früchten (o. Kuchen.''); be-
sonders zierhche Arbeit (Abb. 11).
Formgemachte Darstellungen von
Tieren und Verwandtem: Sirenen in
ganz flachem Relief, die Rückseite glatt;
halbmondförmig gebogene Flügel. — Rund-
plastische Vögel mit Ausguß für Aromata;
der Kopf fehlt durchgängig; zu vgl. sind am
ehesten die Tauben im Äginawerke Taf.
III, S. 380, Nr. 72; an zwei Stücken wäre
auch die Ergänzung mit einem menschlichen
Kopfe nicht ausgeschlossen. (Vgl. Wald-
stein, Heraeum II pl. XLVIII 14, Nr. 257.)
Das Fragment eines Fayencefigürchens
ist vielleicht als Importstück erwähnenswert.
In der Heidelberger Sammlung befindet
sich auch eine Reihe der jetzt so bekannten
Lokrireliefs, deren Erwerbung die An-
regung zu den Grabungen in Lokroi durch
Orsi gab; vgl. hierüber BoU. d'Arte III, 406.
Die Literatur über die Lokrireliefs ist zu-
sammengestellt im Cat. Br. Mus. zu Nr. B 48 1 ;
außerdem füge ich hinzu: Hubo, Original-
werke des Archäol.-Numism. Inst. d. Univ.
Göttingen Nr.499;Quagliati,AusoniaIIIi909,
I36;0rsi, BoU. d'Arte III 1909, 406 ff.; ders.,
Not. scavi Suppl. 1914, 59 Abb. 67, 68. Die
Heidelberger Fragmente haben deshalb be-
sonderes Interesse, weil sie durch einen Ver-
gleich mit den bisher veröffentlichten Stücken
einen Einblick in den Betrieb der fabrik-
mäßigen Herstellung gewähren, welcher
übrigens durch eine eingehende Betrachtung
dieser Publikationen teilweise auch schonge-
wonnenwerden konnte. Offenbar sind die ur-
sprünglichen Formen sehr rasch abgenutzt
und dann immer wieder mit kleineren und
größeren Freiheiten erneuert worden. Von
den 85 Fragmenten, die sich in der Heidel-
berger Sammlung befinden, könnte man
höchstens von etwa 26 Stücken sagen, daß
sie mit einem der veröffentlichten Stücke
identisch sind, also aus derselben Form ge-
293
Aus der Heidelberger Sammlung II.
294
prägt sein können, und unter der genannten
Zahl befinden sich nicht wenige Fragmente,
deren Zeugnis wegen ilirer Kleinheit eben
nicht schwer wiegt. Die übrigen unterschei-
den sich meistens durch einige Ungenauig-
keiten oder absichtliche Abweichungen in
der Zeichnung von den bekannten Mustern;
bisweilen wird dieselbe Darstellung in etwas
jüngerem Stil wiederholt, ist vielleicht dem-
selben Arbeiter im Laufe einer längeren
Tätigkeit zuzuschreiben. So z. B. verhält
sich das Stück L.O. 12 (Abb. 12) zu Bell. 413,
hält die Geraubte aber einen Kalathos in der
R. vor sich.
Im allgemeinen sind die einmal gefun-
denen Typen immer wieder auf mannigfache
Weise in dem nämlichen Gedankenkreise
verwandt, wobei gern derselbe Augenblick
der Handlung erfaßt wird. Fragment L. 0.
56 (Aljb. 14) bietet die Flügelpferde vom
Gespann des Hades; unter den Flügeln ist
der Kalathos im Herabfallen dargestellt;
also eine neue Variante zu der Darstellung
des Koraraubes.
Oben Abb. 21, 13, 17, 20; unten 12, 16, 15, 14.
Fig. 5 wie Ausonia 154, Fig. 18 zu Br. Mus.
B 481 pl. XXI, d. h. es ist jünger. Öfters
ist ein Attribut verändert oder fortgelassen;
so stimmt z. B. L. 0. 48 bis auf die kleinste
Einzelheit mit Ausonia 222, Fig. 70 überein;
nur daß der Baum fortblieb. L. 0. 38 (Abb.
13) scheint einem Typus angehört zu haben,
der sehr ähnhch war dem des Bruchstückes
Boll. 417, Fig. 11; statt des thronenden
Gottes wird aber eine Amphora vor dem
Widder sichtbar. Von der Darstellung eines
Koraraubes ähnlich wie das eben genannte
Stück im Br. Mus. stammt wohl das kleine
Fragment L.O. 66; an Stelle des Hahnes
Beachtenswert sind übrigens auf dem
Fragment L. 0. 47 (Abb. 15), dem Unter-
körper eines nach 1. schreitenden Dionysos (?)
die stark aufgebogenen spitzen Schuhe, wie
sie ähnlich, aber nicht in solcher Deutlich-
keit noch auf einigen andern Fragmenten
der Sammlung begegnen.
Die Heidelberger Sammlung besitzt auch
einige Bruchstücke, die von den bisher ver-
öffentlichten Mustern ganz abweichen. Ich
bilde sie beistehend ab.
Das Fragment L. O. 37 (Abb. 16) Ober-
und Unterschenkel einer sitzenden Frau,
stammt augenscheinlich von einem noch
295
Aus der Heidelberger Sammlung II.
296
nicht bekannten Koratypus, h. 0,075 cm,
br. 0,075 cm.
Die sehr zierliche Prägung des Fragmentes
L. O. 51 (Abb. 17) gibt Kopf, Oberkörper
Das Bruchstück L. 0. 85 (Abb. 19) zeigt
neben einer vertikalen Leiste einen in sehr
hohem Relief und hohl gearbeiteten Rinder-
kopf. Die 1. Bruchkante gibt nicht den
Abb. 22 — 24.
und Teile von Armen und Flügel. eines nach
1. fliegenden Eros wieder, h. 0,055 cm, br.
0,06 cm.
Ein nach 1. kämpfender bärtiger Krieger
ist dargestellt auf dem Fragment L. 0. 78
(Abb. 18). Die R. hielt die jetzt entschwun-
dene Waffe, die L. faßt den Schild. Der
Kopf ist mit dem korinthischen Helm be-
deckt. Von der Rüstung sind in einem Wulst
in der Körpermitte nur geringe Spuren er-
halten. Das Stück gehört zu den ältesten
und stammt wohl aus dem Anfang des
5. Jahrhunderts, h. 0,14, br. 0,135 ori-
Abb. 25.
einstigen Abschluß des Reliefs, h. 0,08,
br. 0,065 cm.
Ganz eigenartig ist die Technik des Frag-
mentes L. 0. 87 (Abb. 20). Erhalten ist
der untere Teil einer Frau, welche auf
einem langgestreckten iTiere sitzt oder
hinaufgehoben wird. Der 1. kenntliche seit-
liche Reliefrand folgt den äußeren Umrissen
der Gestalten ; die Hinterseite ist ausgehöhlt
und uneben, h. 0,07 cm, br. 0,125 cm.
Zu erwähnen wäre noch das fein und
scharf geprägte Fragment L. O. 27 (Abb. 21),
das eine nach 1. Thronende darstellt, die
einen Hahn auf dem Schoß hält; es bildet
eine hübsche Ergänzung zu Ausonia 230,
Fig. 82 1. oben.
Einer Töpferei auf dem Stadtboden Athens
verdankt die Sammlung die Bruchstücke
von drei sehr schönen Hohlterrakotten,
auf denen nie ein Kopf gesessen hatte und
die in der Werkstatt offenbar als Muster
gedient haben zur Erneuerung, wenn etwa
die Form stumpf geworden war.
1. (Abb. 22.) Oberkörper einer in einen
Mantel gehüllten Frau im Typus, wie er seit
der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts
immer beliebter wurde. Zahlreiche Paral-
lelen bei Winter H 36, 37, größtenteils aus
Tanagra, h. 0,075 cm, br. 0,065 cm.
2. (Abb. 23.) Oberkörper und Teil des
Unterkörpers einer stehenden Frau; der
297
Museum fttr bildende Kunst in Budapest.
298
Mantel ist über die r. Brust herabgeglitten,
der 1. Arm in die Hüfte gestützt. Parallelen
bei Winter II 19, 7 aus Unteritalien, 18, 7 aus
Syrakus oder Akrai, h. 0,11 cm, br. 0,08 cm.
3. (Abb. 24.) Torso einer Frau, die den
Oberkörper nach 1. aufwärts gewendet hat,
wodurch sich die r. Hüfte ausbog; von den
Armen, die vorgestreckt zu denken sind,
war nur der Ansatz gebildet, h. 0,165 cm,
br. 0,07 cm.
Farbspuren finden sich auf keinem der drei
Stücke. Die Modellierung ist besonders bei
dem ersten von außerordentlicher Feinheit.
Aus Tarent stammt die Form eines
schönen weiblichen Kopfes, der wohl dem
Anfang des 3. Jahrhunderts angehört. Ich
bilde den Ausguß beistehend ab (Abb. 25),
h. 0,13 cm, br. 0,09 cm. Das feine Oval des
Antlitzes, die sanfte Schwingung des Augen-
knochenbogens, die sich spitz nach oben
verjüngende Stirn sind Züge, welche praxi-
telischem Gute entlehnt sind; doch zeugt
der schmerzlich pathetische Ausdruck, der
in dem aufwärts gerichteten Blicke, den
leicht geöffneten Lippen liegt, das stark
reliefierte und bewegte Haar, das die Stime
nach den Seiten zu verbreitert, schon von
der Formensprache einer neuen Zeit. Das
Köpfchen steht auf einer Linie, welche von
praxitelischen Typen wie die knidische
Aphrodite zu der Stilrichtung führt, die die
pergamenische Schule einschlug, und welche
ihr Frauenideal in einem Kunstwerk ver-
körperte, dessen Reste jetzt ein Kleinod der
Berliner Sammlungen bilden.
Heidelberg.
Gertrud Baumgart.
reicherte Sammlung thasischer Skulpturen
wurde aus Wien nach Budapest überführt
und als Leihgabe des Besitzers in einem
Parterreraume des Museums für bildende
Kunst ausgestellt. Von dem auch den
Antikenbestand des Museums umfassenden
Katalog sind in kurzer Zeit 3 Auflagen
vergriffen worden, die 4. illustrierte ist
jetzt im Gebrauch: Hekler, Az antik plaszti-
kai gyüjtem^ny, Budapest 1920. Da der
MUSEUM FÜR BILDENDE KUNST IN
BUDAPEST.
Ausstellung thasischer Funde.
Noch während des Krieges im Jahre 1918
konnte die antike Skulpturensammlung des
Museums durch das Entgegenkommen des
gewesenen österr.-ungarischen Konsuls in
Kavalla Herrn Adolf von Zsolnay eine,
wenn auch nur vorübergehende, doch
immerhin sehr erfreuliche Bereicherung er-
fahren. Seine seit Sittes Publikation: Österr.
Jahreshefte XI 1908, 14a ff. wesentlich be-
Abb. I. Griechischer männlicher Kopf von
einem Grabmal.
Text des ungarischen Kataloges den wenig-
sten Fachgenossen zugänglich sein dürfte,
so sollen hier die von Sitte noch nicht
angeführten, neu erworbenen Stücke der
Sammlung durch einige knappe Notizen
und zum Teil auch bildlich weiteren Kreisen
bekannt gemacht werden.
1. (Abb. i). Griechischer männ-
licher Kopf von einem Grabmal aus
der Zeit um 400 v. Chr. Stilistisch wäre
etwa der links stehende Mann des Grab-
mals der Sammlung Tyskiewicz: Studniczka,
Griechische Kunst an Kriegergräbern T. XV
zu vergleichen. — H. 0,16 m.
2. Griechisches Mädchenköpfchen
mit Melonenfrisur von einer Grabstatue
des 4. Jahrhunderts. Vgl. die beiden gut
erhaltenen Exemplare 1. München Phot.
299
Museum für bildende Kunst in Budapest.
300
Einzelaufnahmen 1992; 2. Wien, Phot. Ein-
zelaufnahmen 66. Besonders reizvoll ist
der anmutig lächelnde Ausdruck. — H. o, 1 6 m.
3. (Abb. 2). Weiblicher Kopf von
einem griechischen Grabmal. Der
schwermütig pathetische Blick und die
Großheit der Auffassung kontrastieren
seltsam mit der besonders in den Haaren
stark zu empfindenden kleinlichen, trockenen
Abi),
Griechischer weiblicher Kopf von
einem Grabmal.
Aus/ührung. Diese widerspruchsvollen Mo-
mente sind Anzeichen einer späteren Ent-
stehung, etwa im i. Jahrhundert v. Chr.,
wo die Inselkunst in Stil und Form häufig
auf die großen Grabmalstypen der klassischen
Zeit zurückgreift. — H. 0,33 m.
4. (Abb. 3). Griechischer Athena-
kopf, flüchtige, aber wirkungsvolle Original-
arbeit des 4. Jahrhunderts. Als nächst-
verwandt vgl. die Athena Soteira des Ke-
phisodotos. Heibig, Führers Nr. io6g. —
H. 0,36 m.
5. (Abb. 4). Griechischer Athleten-
kopf von einer bewegten Statue. Früh-
hellenistische Arbeit, in der sich skopasische
und lysippische Traditionen kreuzen. Für
Abb. 3. Griechischer Athenakopf.
den Stil vgl. den Jünglingskopt des Museo
Nazionale zu Rom Heibig Führer ^ Nr 1382;
Jahrb. d. Inst. XXV 19 10 Taf. 7. —
H. 0,27 m.
6. (Abb. 5). Griechische weibliche
Gewandstatuette. Der rechte Arm
Abb. 4. Griechischer Athletenkopf.
war ursprünglich aufgestützt. Die schlanken
Proportionen, die hohe Gürtung, der be-
wegte Rhythmus, sowie die effektvollen Kon-
301
Museum für bildende Kunst in Budapest.
302
traste in der Gewandbehandlung weisen
auf hellenistischen Ursprung. Verwandte
Konzeptionen sind in unserem Denkmäler-
vorrat zahlreich erhalten: i. Vente Hart-
mann Nr. 4z 2 Reinach, Rep.IV, 41 5, 9; 2. Ex-
hibition of Ancient Greek Art. Burlington
Fine Arts Club pl. XXX. Nr. 42; 3. Rei-
nach, Rep. II, 307, i; 4. Altertümer von
Pergamon VII, 2 S. 199; 5. Neapel, Museo
Nazionale, Pasetti, Briefe über antike Kunst
S. 81 Abb. 51. — H. 0,55 m.
Abb. 5. Griecliische weibliche Gewand-
statuette.
7. (Abb. 6). Griechische Aphro-
ditestatuette, hellenistische Original-
variante eines oft wiederholten Typus des
4. Jahrhunderts. Vgl. Museum of Fine Arts
Bulletin, Boston 1909 Nr. 39 p. 3i;Phot.
Einzelaufnahmen Nr. 1542; 2081 — 2083;
2596; und das mit einstiger Polychromie
erhaltene Exemplar in Neapel: Ruesch,
Guida p. 313 Nr. 1325; Kunst und
Künstler, Jahrgang XIII, Heft 12, 554
Abb. 19. — H. 0,47 m.
8. (Abb. 7). Griechisches Weih^-
r e 1 i e f. Fragment aus der Gegend von
Amphipolis. Neben dem bärtigen Gott
rechts die Reste der eingegrabenen In-
schrift . . YS = Zeus und über dem ersten
Reiter: KASSANDROS. Der Gebrauch
der gebrochenen Querhasta sowie Stil-
charakter machen späthellenistische Ent-
stehung wahrscheinlich. Vgl. Ath. Mitt.
XXXIII 1908, 43 Nr. 2 — H. 0,47, Br. 46 m.
9. Griechisches Weihrelief sog.
Totenmahl. Der herkömmliche Typus
erscheint hier im Sinne der hellenistischen
Abb. 6. Griechische Aphroditestatuette.
Zeit durch Andeutung der landschaftlichen
Umgebung bereichert. Vgl. Bull. corr. hell.
XXVI 1902, 476 Fig 4; Reinach, Rep.
IV, 179, 3 — H. 0,47, Br. 0,51. m.
10. Römischer inännlicher Por-
trätkopf. Die Haartracht weist auf die
Zeit des jüngeren Drusus — H. 0,23 m.
1 1. (Abb. 8). R ö m i s c h e r w e i b 1 i c h e r
Porträtkopf, ein charakteristischer, vor-
züglicher Vertreter der augusteischen Bild-
kunst. Die Profilansicht hat noch den
ganzen Zauber der vornehmen Jugend-
303
Museum für bildende Kunst in Budapest.
304
Schönheit bewahrt, in der durchgeistigten,
von nervöser Müdigkeit umflorten Vorder-
Lorbeerzweig geschmückte kapuzenförmige
Haube der Frau (Priesterin?) mit den beider-
Abb. 7. Griechisches Weihrelief.
ansieht dagegen sind schon die markanteren
Züge des reiferen Alters kenntlich. —
H. 0,23 m.
12. (Abb. 9). Schildförmiges Doppel -
porträt eines römischen Ehepaares.
seits neben den Ohren herabhängenden Bom-
meln sind lokale Trachteigentümlichkeiten,
zu denen mir keine genauen Parallelen be-
kannt sind. Das einst wohl sepulkral verwandte
Medaillon ist ein sehr charakteristisches
Die hoch aufgetürmte, mit eingeritztem Erzeugnis der einheimisch-römischen Kunst-
Abb. 8, Römischer weiblicher Porträtkopf.
305
Museum für bildende Kunst in Budapest.
306
Übung in den östlichen Provinzen. Stil
und Bärttracht des Mannes sind Anzeichen
trajanisch-hadrianischer Entstehung. —
H. 0,33,' Br. 0,57 m.
Seit Sittes Publikation ist aber die Samm-
jung Zsoliiay durch freiwilliges Opfer um
ein Stück auch ärmer geworden. Der Be-
sitzer hat in edler Begeisterung für »das
verlorene Schöne« des Altertums und seine
Liebe den höheren wissenschaftlichen Inter-
essen unterordnend den schönen Mädchen-
kopf Ostern Jahresh. XI 1908 Taf. III— IV
auf meine Anregung hin — im Tausche
gegen fünf archaische architektonische
Ende des i. vorchristlichen Jahrhunderts.
(Man vgl. außer den Statuen aus Magnesia
Hekler, Römische weibliche Gewandstatuen
123 ff., die P. Maximina aus Trentham:
The Burlington Magazine XII 1908 p.
331 — 333 und meine ergänzende Notiz
daselbst XIII p. 156, Rom. weibl. Gewand-
statuen 247; und eine Porträtstatue im
Museum zu Chalkis Nr. 48g. 'Hcpr^jj.. 6.^-/.
1907 pl. 3). Nicht viel anders möchte
ich auch die andere Thasierin: Mendel,
Cat. I. p. 347 Nr. 137; Österr. Jahresh.
XI 1903, 158; Collignon, Statues funeraires
166 Fig. 97; Jahrb. d. Inst. XXVII 191 2,
Abb. 9. Schildförmiges römisches Doppelporträt.
Terrakottareliefs aus Ak-Alan (Pontus, erste
Hälfte des VI. Jhs. ; vgl. Macridy-Bey, Une
citadelle archaique du Pont, Mitt. d. Vorder-
asiat. Ges. Jg. 12, 1907 Heft 4; Rom.
Mitt. XXX 191 5, i6fif.) — dem Ottomanischen
Museum in Konstantinopel überlassen, wo
inzwischen der Kopf mit dem von Sitte
schon vorher als zugehörig erwiesenen Körper
vereint werden konnte (Mendel, Cat. I. p.
344 Nr. 135). Das Ergebnis der Zu-
sammenfügung soll die in Abb. 10 wieder-
holte Photographie veranschaulichen, die
ich der nie versagenden Güte seiner
Exzellenz Direktor Halil Bey verdanke.
Die so wiedergewonnene, von sanfter
Wehmut durchbebte, schöne Thasierin fügt
sich in Stil und Auffassung natürlich in
die Reihe der idealen Ehrenstatuen vom
Archäologischer Anzeig^er 1921.
12 datieren. Die in der Nähe des Cara-
callabogens gefundene Basis mit der Ehren-
inschrift für Fl. Vibia Sabina ist keines-
falls die ursprüngliche und kann nur von
einer zweiten Verwendung der Statue her-
rühren. Der von Mendel vorgeschlagenen
Datierung in die Regierungszeit des Cara-
calla widerspricht der Stilcharakter aufs
entschiedenste. Wie man am Anfange des
3. nachchristlichen Jahrhunderts in den
östlichen Bildhauerwerkstätten gearbeitet
hat, darüber kann uns die ebenfalls in Kon-
stantinopel befindliche, aus Yalovatch
stammende Porträtsstatue einer KORNF^LIA:
Mendel, Cat. III p. 588 Nr. 1377 belehren.
(L'ber die Ausgrabungen in Yalovatch vgl.
Athenaeum igi 2, II p. 45, 149, 226, 252 : W.
M. Calder, Preliminary Report of the Wilson
307
ArcUoIoKisches aut Griechenland.
308
Trustees for the year 1 9 1 1 ; Journ. Rom. Stud.
1912, 79 ff; Journ. Hell. Stud. 1912, 1 1 1 ff.)
Die Trockenheit und Härte des Stiles, die
an geistlose Manier grenzende technische
Gewandtheit und die durch affektierte Haltung
Abb 10. Ideale Ehrenstatue einer Thasicrin.
erzwungene pretentiöse Vornehmheit der
Erscheinung verraten hier im Einklang mit
der Haartracht deutlich die späte Entstehung.
Von all dem ist an den beiden Thasierinnen
nichts zu spüren. Hier lebt noch echt
griechische Innerlichkeit und in der Aus-
führung macht sich die für die späthelle-
nistiscbe Zeit so charakteristische Erschöp-
fung, ein Mangel an Frische und Erfindung
merkbar.
Auch unsere Antikensammlung ist durch
den Herrn Konsul A. von Zsolnay mit
einem wertvollen Geschenk bedacht worden.
Seiner Opferbereitschaft verdanken wir das
in Rom gefundene in den Not. d. Scavi
1908, 349 Fig. 2 und 3 bereits veröffent-
lichte doppelseitige dionysische Relief mit
der Darstellung von a) tanzenden Satyrn
(in flachem Relief) und b) dionysischen
Masken (in stark erhöhtem Relief). Das
Relief gehört zu den besten bekannten
Vertretern der sog. neuattischen Gattung
und muß auf Grund seines Stiles in die
erste Hälfte des 2. nachchristlichen Jahr-
hunderts angesetzt werden. Über die ur-
sprüngliche Aufstellungsart auf schlankem
Marmorpfeiler vgl. Not. d. Scavi 191 7, 5 68 ff;
Arndt, La Glypt. Ny-Carlsberg p. 104/5.
Budapest, September 1921.
A. Hekler.
ARCHÄOLOGISCHES AUS
GRIECHENLAND.
Diese ursprünglich für Vorträge') nieder-
geschriebenen Zeilen beanspruchen nicht
etwa die vorzüglichen Jahresberichte, mit
denen uns hier bis 1916 G. Karo verwöhnt
hat, fortzusetzen, in einer auf Vollständig-
keit abzielenden Übersicht der archäologi-
schen Arbeiten in Hellas, seit es durch die
Ereignisse des Weltkrieges und was daraus
folgte aus unserem Gesichtskreise gerückt
worden war. Dafür sind wir vorerst auf die
Fachpresse glücklicherer Staaten angewie-
sen, soweit sie uns schon wieder zugänglich
ist ^). Nur eine Auswahl aus dem soll gegeben
•) Auf Wunsch der Veranstalter sprach ich Ober
denselben Gegenstand, natürlich erheblich verschie-
den, vor der 53. Philologenvcrsammlung in Jena
(Verhandlungen 7 f. Hellas, Organ d. deutschgr. Ge-
sellsch. I 1921 Nr. 6/7) und auf dem Winckelmanns-
fest der Archäolog. Gesellschaft in Berlin, 1921.
(Vgl, unten Sp. 357.)
") An erster Stelle steht das neue 'Ap/aioX. heMo\
des griechischen Ministeriums 1915 — 1918 und die
emsige Berichterstattung des Americ. journ. of ar-
chaeol. Eben noch hinweisen kann ich auf den treff-
lichen, knapp zusammenfassenden Bericht von Wace
309
Archäologisches aus Griechenland.
310
werden, was der Verfasser selbst erlebt und
wahrgenommen hat, als er im Winterhalbjahr
1920/21 (vom 22. Oktober bis zum 21. April)
die Ehre und das Glück hatte, das Archäo-
logische Institut des Deutschen Reiches in
Athen wieder in Gang setzen und leiten zu
dürfen.
Es ist bekannt, welche fruchtbare und
ruhmreiche Tätigkeit in Forschung und
Lehre dieses Institut entfaltet hat, seit es
im Jahre 1875 der um 46 Jahre älteren
Anstalt in Rom zur Seite trat. Seine wissen-
schaftliche Arbeit, besonders Grabungen in
Olympia, am Dipylon und in Tiryns, setzten
die beiden letzten Leiter, Prof. Karo und
Baurat Knackfuß, auch während des Krieges
fort, bis sie im November 1916 von den feind-
lichen Mächten kurzerhand aus dem damals
noch neutralen Königreiche verwiesen wur-
den (Arch. Anz. 1916, 242). Scheidend über-
trugen sie die Obhut über das Institut der
archäologischen Abteilung im griechischen
Unterrichtsministerium, und diese von K.
Kuruniotis geleitete Behörde hat das in sie
gesetzte Vertrauen durchaus gerechtfertigt.
Auch als das Land auf die Seite unserer
Feinde gedrängt worden war, blieb das In-
stitut unangetastet, und sobald sich der
Friedenszustand einigermaßen befestigt hatte,
ließ noch die veniselistische Regierung unsere
Berliner Zentraldirektion wissen, daß sie der
hochverdienten Anstalt gegenüber auf alle
aus dem Vertrag von Versailles hervorgehen-
den Siegerrechte verzichte und ihr deren
Wiedereröffnung willkommen sein werde.
Vor der Einsetzung neuer, dauernder
Leiter beschloß die Zentraldirektion, vorerst
iür den Winter 1920/21 eins ihrer älteren
Mitglieder hinzusenden, damit es die Be-
ziehungen wieder anknüpfe und die Lage
prüfe. Als der Erneuerung meiner An-
schauung von Griechenland besonders be-
dürftig, wurde ich mit der Aufgabe betraut,
zunächst ganz allein. Daß mir wenigstens
seit Neujahr eine Hilfskraft zur Seite stand
und auch den späteren Leitern der Anstalt,
Prof. Noack und Buschor zur Seite blieb,
verdankt das Institut einem meiner Leipziger
Schüler, Dr. Gabriel Welter. Von seinem
über 1919^-1921, Journ. heil, stu'l. 1921, 260 ff. —
Vgl. jetzt auch die Übersicht von Noack oben S. 239 ff.
wissenschaftlichen Können und seinem Ge-
schick, selbst in diesen Zeiten eine wohlfeile
und gute Publikation herzustellen, zeugt bis-
her das I. Heft der Bausteine zur Archäo-
logie, die Karlsruher Vasen, zugleich eine
Probe seiner Leistungsfähigkeit als Photo-
graph. Diese soll er noch weiter in Athen
üben, um den reichen Schatz unserer dortigen
Negative wieder zu erschwinglichen Preisen
zugänglich zu machen und möglichst zu
vermehren.
Gleich mit mir reiste nach Athen Professor
Freiherr Hiller von Gärtringen, der seit
seiner großzügigen Erforschung von Thera
mit an der Spitze der griechischen Epi-
graphiker steht, von der preußischen Aka-
demie beauftragt, die längst notwendige Neu-
bearbeitung der voreuklidischen Inschriften
ins Werk zu setzen. Es ist eine Freude, zu
berichten, daß. dem Mangel an zureichenden
Akademiemitteln für dieses Unternehmen
auf die Fürsprache einiger Mitglieder der
Zentraldirektion opferfreudige Gönner in
München, Rheinland, Berlin und Leipzig
abgeholfen haben. Auch wissenschaftlich
der epigraphischen Arbeit Prof. von Hillers
■ jede gewünschte Hilfe zu leisten, war eine
selbstverständliche Pflicht des Instituts, die
sich sogar rein archäologisch lohnte. — An
sonstigen deutschen Gelehrten waren im
Winter willkommene Gäste des Hauses in der
Phidiasstraße vor Weihnachten Prof. Jacobs-
thal aus Marburg, der sich die Reise durch
wahrhaft spartanische Anspruchslosigkeit er-
möglichte, und im Frühjahr ein hochver-
ehrtes altes Haupt der Anstalt, Prof. Dörp-
feld. Mehr deutsche Jugend, als Dr. Welter,
kam leider erst nach meiner Abreise, gleich
ihm zumeist auf eigene Rechnung und
Gefahr. Denn Reisestipendiaten des In-
stituts konnten vorerst noch nicht wieder
auch nach Griechenland reisen. Doch stiftete
ein deutscher Großindustrieller in Athen
einen Betrag in griechischem Gelde, mit dem
jetzt [Winter 1921/22] ein anderer Leipziger
Doktor, Ernst Langlotz, Verfasser der Dis-
sertation »Zur Zeitbestimmung der strengrot-
figurigen Vasenmalerei und der gleichzeitigen
Plastik« (E. A. Seemann, 1920), das Lebens-
werk des leider auch durch den Krieg hinweg-
gerafften Botho Graf, die Ausgabe der Akro-
polisvasen, fortsetzt. An außerdeutschen
3«i
Archäologisches aus Griechenland.
312
Gelehrten waren besonders zwei holländische
Fachgenossen, Fräulein Dr. Joh. Brants aus
Leiden und Professor G. van Hoorn aus Ut-
recht, je einige Wochen lang willkommene
Mitbewohner des Instituts.
Meine erste Obliegenheit war es, das In-
stitutsgebäude, das in den letzten Jahren
manchem außerordentlichen Zwecke gedient
hatte, möglichst wieder in seinen alten Zu-
stand zurückzuführen — keine leichte Auf-
gabe auch im Hinblick auf die Kosten, die
Valuta und Teuerung zusammen schon
damals ins Maßlose steigerten. Dieselben ge-
wichtigen Gründe erschwerten die so not-
wendige Vervollständigung . der Bücherei.
Die dafür bewilligte Summe verschlang zum
größten Teil schon die Buchbinderarbeit an
den inzwischen eingelaufenen Fortsetzungen
und Neuerscheinungen. So war es doppelt
erfreulich, daß sich mit vielen außerdeut-
schen Anstalten verwandten Zweckes, in
Athen und sonst, alsbald das alte Tausch-
verhältnis wieder herstellte, ohne daß
dabei nach dem Unterschiede der Geldwerte
gefragt worden wäre. Dies ist um so dank-
barer anzuerkennen, als unsere Zeitschriften,
besonders die Mitteilungen, zuletzt noch
mehr abgemagert sind als die der Sieger-
staaten.
Solches Entgegenkommen gehört zu den
Zeichen der freundlichen Aufnahme, welche
die Wiedereröffnung des Instituts fast von
allen Seiten fand. Zwar die allernächste, die
österreichische Schwesteranstalt, mußten wir
noch entbehren, was mir als altem Öster-
reicher besonders schmerzlich war. Aber die
Griechen selbst gingen mit wahrhaft brüder-
licher Hilfsbereitschaft voran, amtlich und
außeramtlich. Es muß dankbar betont
werden, daß sich hierin die kurze Anfangs-
zeit des Winterhalbjahrs, während der noch
Veniselos regierte, von der auf seinen Abgang
und die Rückkehr König Konstantins folgen-
den nicht merklich unterschied. Überall
zeigte sich der seit bald einem halben Jahr-
hundert aufgespeicherte Schatz an ver-
trauensvoller Achtung für deutsche Arbeit
und Gesinnung. Namen wie Dörpfeld und
Wolters, Karo und Knackfuß bewährten sich
als Zauberworte, welche die Augen leuchten
machten, die Hände und Füße in hilfreiche
Bewegung setzten. Ich glaube nicht zu über-
treiben, wenn ich annehme, daß keine andere
fremde Anstalt in Griechenland über ein
größeres Kapital an Freundschaft und Ver-
trauen verfügt. Daß es unseren furchtbaren
Sturz so überdauert, gereicht beiden Völkern
zur Ehre. Diese in der Not erwiesene Treue
nach Kräften zu erwidern, muß uns jedem
Griechen gegenüber eine heilige Pflicht sein.
Entsprechend dieser Stimmung des gast-
lichen Landes beeilten sich auch verwandte
Anstalten unserer Gegner im Weltkriege,
dem wieder auflebenden Institut jenes
achtungsvolle Entgegenkommen zu zeigen,
das der Deutsche jetzt überall erhobenen
Hauptes abzuwarten hat, bevor er alte Be-
ziehungen dieser Art wieder aufnimmt.
Voran ging die amerikanische und die briti-
sche Schule, denen sich bald auch die fran-
zösische und neuerdings die italienische
anschloß. Unter den zahlreichen Beziehun-
gen gegenseitiger Hilfe, die sich so heraus-
bildeten, seien gleich hier hervorgehoben die
zu dem jungen Kunsthistoriker Prof. Cla-
rence Kennedy aus Northampton, Massach.,
der dem Institut wertvolle Dienste als ge-
schmackvoller Photograph erwies, und zu
J. P. Harland, der mir in Ägina ein kundiger
Führer war. Abgesehen von diesem sehr
regen, persönlich-wissenschaftlichen Verkehr
blieb der äußere Betrieb unserer Anstalt
freilich noch weit hinter dem einstigen
zurück. Am schwersten entbehrte ich alter
Lehrer die geregelte Wiederaufnahme der
einst so gut besuchten Führungen in Ruinen
und Museen. Aber dafür fehlte es im Winter
1920/21 noch an einem genügenden Grund-
stock deutscher oder wenigstens unserer
Sprache hinreichend mächtiger Zuhörer. Ich
selbst und Dr. Welter konnten öfter an den
vorzüglichen baugeschichtlichen Führungen
oder Übungen des Direktors der amerikani-
schen Schule B. H. Hill teilnehmen, und für
die Vervollständigung meiner Kenntnis der
vorgeschichtlichen Schätze im National-
museum hielten mir die auf diesem Gebiete
führenden Männer, der Direktor der briti-
schen Schule Wace und der zweite Direktor
der amerikanischen Biegen lange Zeit
wöchentlich einmal ein sehr dankenswertes
Privatissimum, an dem nicht selten auch
der Museumsdirektor Stais förderlichen Anteil
nahm.
313
Archäologisches aus Griechenland.
314
Auf diesem Gebiet ist ja die Forschung
immer noch besonders rege. Ein umfassendes
Handbuch dafür, FlpotaTopixi) 'Ap3(aioXo'j'ta,
gab schon vor dem Kriegsausbruch unser
alter griechischer Freund Prof. Kavvadias,
noch als Siebziger unermüdlich tätig, heraus.
Es enthält auch neuen Stoff, besonders eine
ausführliche Darstellung seiner eigenen Funde
in Kephallonia (vgl. ripaxTixa 191 2). Eine
weit knappere, aber mit vollster Beherr-
schung gestaltete Zusammenfassung besitzen
wir jetzt in der Neubearbeitung der vorzüg-
lichen und vielbenutzten Doktorschrift unse-
res Diedrich Fimmen. Auch als Krieger
nach Möglichkeit daran weiterarbeitend,
hinterließ der Tapfere bei seinem am Heiligen
Abend 1916 erfolgten Heldentode »Die
kretisch-mykenische Kultur« beinahe voll-
endet, und was noch fehlte, hat kein Ge- .
ringerer als Karo hinzugefügt. Auch B. G.
Teubners Verlag tat mehr, als heute für
möglich zu gelten pflegt, um das Buch zu
einer vorzüglichen Grundlage für Forschung
und Unterricht auszugestalten. Die weitere
Forschung steht zwar in Kreta nicht still,
wo die beiden bewährten Ephoren Chatzi-
dakis und Xanthudidis beachtenswertes
Neues zutage gebracht haben und Evans den
I. Band Knosos demnächst herausgeben wird
[inzwischen geschehen]. Aber mit besonde-
rem Nachdruck wendet sie sich, unter der
Führung von Wace und Biegen, der Unter-
scheidung des »Helladischen« von der kreti-
schen Einfuhr zu. In einem zusammen-
fassenden Aufsatz des Annual XXII 175 ff.
gliedern die Genannten die »helladische«
Topfware in ein dem »Minoischen« ent-
sprechendes Fachwerk. Bezeichnend für den
schließlichen Sieg des kretischen Einflusses
ist auch die letzte Stufe jener bekannten,
einfarbigen Topfware, die seit Schliemanns
Funden in Orchomenos zumeist »minysch«
heißt: hellgelbe Becher, immer noch aus
dem eigentümlich seifigen Ton, aber mit ein-
fachen kretischen Blumen bemalt. Diese
Gattung wird als »ephyräisch« bezeichnet,
weil sie sich bisher nur in und um Korinth
gefunden hat '). Dort machen die Ameri-
kaner, Biegen, Miss Walker u. a., Schritt für
') Eben kann ich noch hinweisen auf Carl Biegen,
Korakou, a prehist. settlement near Korinth, Bo-
ston and New York, 1921, 4".
Schritt ganze Arbeit, bis hinauf ins Neo-
lithische, dessen Zeitbestimmung zwischen
den für Thessalien von Tsundas und Wace-
Thompson gegebenen zu frühen und zu
späten Ansätzen sich allmählich zurecht-
rückt. Die Engländer unter Wace führen
ebenso gründlich das von Schliemann,
Tsundas und andern Geleistete in Mykene
fort, sowohl bei den Schachtgräbern als auch
im Palast und in den Kuppelgräbern, überall
mit wichtigen neuen Funden und Beob-
achtungen, welche die geschichtliche Abfolge
genauer festlegen und immer deutlicher aus
der Prähistorie wirkliche Geschichte machen
helfen. (Für alles Einzelne sei auf den ein-
gangs Anm. 2 erwähnten letzten Bericht von
Wace hingewiesen). Trotz diesen Fort-
schritten wird auch das Ergebnis der lang-
jährigen Arbeit Karos an den Schachtgräber-
funden Schliemanns, ein umfassender Auf-
satz der Athen. Mitt. XL 191 5, Heft 3/4,
seine ehrenvolle Stelle behaupten, wenn er
endlich erscheinen kann. Einen geringfügi- .
gen Beitrag zu diesem großen Gegenstande
konnte ich mit der Beobachtung liefern, daß
der vermeintliche hölzerne Rundschild aus
dem 5. Schachtgrabe (Schuchhardt - Abb.
290) vielmehr der Rest einer dreibeinigen
Schüssel ist. Die gleichfalls langjährige,
fruchtbare Institutsarbeit inTiryns abzu-
schließen, weilt seit dem Frühling 1921 Kurt
Müller in Griechenland. Selbstverständlich
wirken noch andere, namentlich griechische
Fachgenossen auf dem weiten Gebiete der
helladischen Urgeschichte erfolgreich mit.
Als Beispiel genannt sei die neue Erforschung
der Schichten unter dem archaischen Tempel
von Therm OS durch Romäos, deXitov
1915, und die einschlägigen Abschnitte des
umfassenden Beitrages zur Stadtgeschichte
Thebens von Keramopullos, der den Band
191 7 desselben füllt.
Wichtig für die reife attische Keramik
wurde mir die Bekanntschaft mit dem ameri-
kanischen Maler Jay Hambidge und seinem
neuen Buche »Dynamic Symmetry; thegreek
vase«. Schon vor dem Kriege drang die
Kunde herüber, daß in den auserlesenen
Vasensammlungen der Vereinigten Staaten
mit größtem Eifer an der Feststellung eines
neuen Proportionssystems gearbeitet
werde. Hambidge nennt es etwas willkürlich,
315
Archäologisches aus Griechenland.
316
im Gegensatz zur »statischen Symmetrie«
Vitruvs und anderer, die auf einfachen
Zahlenverhältnisscn beruht, »dynamische
Symmetrie« und sieht ihr Wesen darin, daß
den ebenen Werkzeichnungen die Wurzel-
rechtecke zugrunde Hegen, deren Seiten sich
zueinander verhalten- wie i zur Quadrat-
wurzel aus 2, aus 3 usf. In Zahlen ausge-
drückt klingt das ganz unglaublich, aber
geometrisch lassen sich alle diese Verhält-
nisse mit einfachem Zirkelschlag leicht kon-
struieren; auch der goldene Schnitt findet in
dieser Reihe seine Stelle. Manches von den
Beispielen, die Hambidge in seinem Buche
(das auch an guten neuen Photographien
reich ist) vorführt, sieht künstlich genug aus.
Aber andere wirken überzeugend, gleich dem,
das mir einer seiner archäologischen Mit-
arbeiter, Kurator L. D. Caskey aus Boston,
im Athener Nationalmuseum freundlich vor-
maß. Heimgekehrt glaube ich auch schon
unter den besseren Vasen des Archäologi-
schen Instituts in Leipzig Belege dieser Art
gefunden zu haben. Inzwischen hat freilich
ein mathematischer Rezensent des Buches,
Rhys Carpenter, im Amer. Journ. of archaeol.
1921, 18 — 36, darzulegen versucht, daß sich
die Tatsachen auch aus bloßer »statischer
Symmetrie« erklären lassen. Doch bleibt
das einschlägige Buch von Caskey abzu-
warten. [Es ist inzwischen erschienen]. Es
sollte mich wundern, wenn bei diesen ernsten
Untersuchungen, die unsere großen Vasen-
sammlungen nicht unbeachtet lassen werden,
kein brauchbares Ergebnis herauskäme.
Hambidge selbst, der seine Gedanken in
einer eigenen Zeitschrift »The Diagonal«
auch auf andere Kunstgebiete anwendet und
anwenden läßt, vermaß danach den Par-
thenon und glaubte die besonders in seinem
Innern gefundenen Verhältnisse am Apollon-
tempel zu Bassai wiederzufinden, dessen von
PausaniaS überlieferte Zuschreibung an Ik-
tinos mir freilich kunstgeschichtlich immer
noch höchst unglaublich vorkommt.
Auch die sonstige Erforschung der Akro-
polisbauten liegt ja seit geraumer. Zeit
vornehmlich in bewährten amerikanischen
Händen. Sie arbeiten da in fruchtbarer
Wechselwirkung mit der wissenschaftlichen
Konservierungstätigkeit der archäologischen
Baudirektion im Unterrichtsministerium, an
deren Spitze N. Balanos steht. Neuerdings
dringt er, wie es scheint mit Erfolg, auf
die dvaOTuXcuai; der vorhandenen Bauteile
von der Nordseite des Parthenon. Mag auch
manches Herz an der malerischen Schönheit
der Ruinen, wie sie früher waren, hängen,
und manche Einzelheit der Ausführung recht
schwierige Fragen ergeben: grundsätzlich
dürfte der Archäologe eher geneigt sein, der
Absicht von Balanos zuzustimmen '). Bisher
hat er bekanntlich das Erechtheion und die
Propyläen so wiederhergestellt. Von beiden
Denkmälern stehen aufs genaueste vorbe-
reitete Ausgaben bevor. An der des Erech-
thei ons arbeitet Hill mit Stevens, Holland
u. a. Manches von ihren Ergebnissen ist ja
längst bekannt, so die Stevens verdankte
Wiederherstellung der Ostseite mit der Tür
zwischen zwei Fenstern (Amer. Journ. 1906,
Taf. 9). Bei den letzten Untersuchungen
zeigte es sich, wie mich Hill und Holland
lehrten, immer deutlicher, daß der Marmor-
bau aus der Zeit des Nikiasfriedens zum Teil
uralte Reste geschont hat. Man erhält den
Eindruck, es handle sich um Spuren eines
schon gleich gerichteten Baues; das wird
von denen begrüßt werden, die hier den älte-
sten Athenatempel suchen.
Die Ausgabe der Propyläen von Dins-
moor und Genossen scheint dem Abschluß
noch näher. Sie wird außer den früher (im
Amer. Journ. 1910, 143; 1912, 371) bekannt-
gemachten Ergebnissen seiner Untersuchun-
gen auch neue bringen. Z. B. fanden sich
Reste der Sitzbänke aus schwarzem eleusini-
schen Kalkstein, deren Spuren an den Lang-
mauern der großen Mittelhalle bekannt
waren. Auch von dem vorperikleischen
Torbau wurden neue Reste an verschiedenen
Stellen in der Tiefe ausgegraben. Von Bala-
nos' Wiederaufbau wirken besonders er-
freulich die in der Nordostecke der west-
lichen Haupthalle wieder an Ort und Stelle
gelegte Kassettendecke und eine von den
herrlichen ionischen Säulen am mittleren
Durchgang *).
') V"'- jedoch die bewegte Aussprache der atheni-
schen Sachverständigen in den Nachmittagsausgaben
der Zeitung llswTeüouoa vom 5. — 12. Februar 1922,
die mir durch die Gefälligkeit von Prof. Dr. Lanier
in Leipzig vorliegt.
') ^'gl- jedoch jetzt die Bemerkung von 0. Walter
(iber die Zusammenstöckung des Kapitells in der
317
Archäologisches aus Griechenland.
3'8
Das vor dem Nordwestflügel aufragende
Postament, das laut der Inschrift seiner
Westseite den M. Agrippa trug, gewiß als
Lenker des ehernen Viergespanns, dessen
Standspuren oben unverkennbar sind, erklärt
Dinsmoor, vorerst in dem Bericht über einen
Vortrag Americ. Journ. 1920, 83, wohl mit
Recht für pergamenisch. Denn solche turm-
ähnliche Sockel waren gerade in hellenisti-
scher Zeit üblich, und der bereits altionische
Wechsel flacher und hoher Quaderschichten
kehrt an den Bauten der Könige von Per-
gamon, z. B. der Attaloshalle in Athen,
wieder. Das Viergespann selbst aber
wird, wie ich schon vor Jahren vollständiger
als Lolling und Kirchhoff dargelegt habe '),
noch älter gewesen sein, nämlich nichts ande-
res als die perikleische Erneuerung des von
den Persern beseitigten Denkmals für den
kleisthenischen Sieg über Böoter und Chal-
kidier. Herodot sah es ja links gleich beim
Eintreten in die Propyläen, und aus Pau-
sanias liest man ohne Not seine Aufstellung
im Innenraum der Burg heraus. Die nahe-
liegende Frage, ob das alte Erzwerk mitsamt
seinen perikleischen Standplatten auf den
hellenistischen Sockelbau gehoben wurde,
hat mir eine durch Baldnos zuvorkommend
ermöglichte Untersuchung allerdings ver-
neint. Zwar aus blaugrauem Hymettos-
marmor sind schon die Plinthen der dem
perikleischen Viergespann gleichzeitigenzwei
Reiter des Lykios, deren eine wenigstens
sicher ihre ursprüngliche Inschrift trägt
(Lolling, Wolters, Kaia'X. Nr. 63; irre ich
nicht, hält auch Wilhelm die ältere Inschrift
für perikleisch). Aber die Arbeit der Stand-
platten oben auf dem Agrippasockel ist
diesem durchaus gleichzeitig. Das ist jedoch
kein Hindernis der hier nochmals empfohle-
nen Gleichsetzung dieses Viergespanns mit
dem alten.
Über den Tempel der Athena Nike gibt
Orlandos, der beste griechische Schüler
Dörpfelds als Architekturarchäologe, in dem
kürzlich erschienenen Hefte der Athen. Mitt.
ripMTeOousa vom 10. Februar 1922 Nachmittag. S.
vorige Anm.
>) Kaiamis 60 «f. (Abh. sächs. Ges. d. W. XXV 4)-
Unbeachtet blieb diese Darlegung auch in der letzten
ausführlichen Untersuchung der Frage von Leo
Weber im Philologus LXXVII 77 ff-
für 191 5, 1/2, eine Untersuchung mit neuen
wichtigen Ergänzungen und Berichtigungen
des Wiederaufbaus durch Roß, Schaubert
und Hansen, wodurch auch die Anordnung
der Friesreliefe berührt wird. Derselbe Or-
landos hat die Tempel von Sunion, den noch
zum Teil aufrechtstehenden des Poseidon und
die kleineren, zerstörten der Athena, sehr
genau aufgenommen und soweit als möglich
wiederhergestellt ('Apx- 'h]<pr,\i.. 1917, 213).
Auch an anderen Orten hat er ähnliche Ar-
beit geleistet z. B. an. Ptoion.
In diese rege Architekturforschung einzu-
greifen vermochte unser Institut, dank Kuru-
niotis und Balänos, während des für Aus-
grabungen nicht durchaus günstigen Winters
trotz der Dürftigkeit seiner Mittel wenig-
stens an einem kleinen, aber bedeutsamen
Bauwerk: dem choregischen Denkmal des
Lysikrates, zunächst nur für eine unter-
geordnete Einzelheit des Aufbaus. Dem
schlichten Sockel aus Piräuskalk, der den
zierlichen marmornen Pseudoperipteros trägt,
geben alle veröffentlichten Aufnahmen seit
der von Stuart und Revett an seinem ver-
schütteten Unterteil eine Krepis von Schein-
stufen mit ganz schmalem Auftritt, wie sie
sich an Statuenbasen schon in der archai-
schen Zeit findet. Ringsumlaufend zeichnete
sie noch die elegante Rekonstruktion von
Loviot, die sich auf die französischen Aus-
grabungen der sechziger und siebziger Jahre
zu gründen schien. Aber einem kurzen Be-
richte Lützows über diese Grabungen vom
J. 1868 entnahm mein einstiger Schüler Neu-
gebauer in einem Februar 1920 gehaltenen
Berhner Vortrag (Anz. 1920, 19 ff.) mit Recht,
daß die der Akropolis zugewandte Rückseite
des Denkmals an ihrem Fußende keine solche
Gliederung besaß. Er folgerte daraus, daß
sie ringsum fehlt und in der Baukunst über-
haupt erst später auftritt. Ich aber meinte
eine solche Krepis spätestens vom Maus-
sollosgrabmal zu kennen und wollte, selbst
davon abgesehen, nicht glauben, daß so
befähigte und gewissenhafte Beobachter wie
Stuart und Revett so etwas einfach erfunden
haben sollten. Deshalb wurde in wenigen
Tagen nach Neujahr dieser unter dem mo-
dernen Pflaster begrabene Teil des Bauwerks
innerhalb seines Gitters bis auf den gewachse-
nen Mergelgrund freigelegt (Abb. I — ^4). Dabei
3'9
Archäologisches aus Griechenland.
320
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Abb. I. Südseite
vom Sockel des Lysikratesdenkmals.
Abb. 2. Ostseite
ergab sich, daß die Ostseite, die eigentliche
Stirn, der der Rundbau seine choregi sehe In-
schrift und die Mitte seines Frieses zukehrt, die
von den alten Engländern wesentlich richtig
gezeichnete (nur nicht aus Monolithen gefügte)
Krepis besaß. Sie ist an der rechten Ecke
besser erhalten als links, wo die zweitoberste
Stufe schräg abgespalten ist. Rechts setzen
sich deutlicher die drei Stufen voneinander
ab, mit schwachem Werkzoll und schmalem
Saum unten (ganz wie die oberen Quadern,
soweit sie nicht neu ergänzt sind), darunter
etwas gröber ausgeführt noch eine vierte
Stufe, die Euthynteria, sie noch aus Piräus-
kalk, während die unterste Schicht aus grob
behauenen Quadern von Breccia, dem Stein
von Agryle, besteht. Daß die drei Stufen
doch wohl noch im späten Altertum sichtbar
über die Straße aufragten, verrät das in die
rechte Ecke der mittleren schräg eingehauene
Loch zum Anseilen von Tieren. Aber diese
Formung beschränkte sich auf die Ostseite,
gleich hinter der Ecke hörte sie auf, rechts
sicherer als links mit dem Anschluß für eine
niedrige Mauer, die Futtermauer für die,
gleich dem gewachsenen Mergelboden, nach
hinten, gegen die Burg ansteigende Auf-
schüttung. An den beiden nördlich und
südlich anschließenden Seiten des Sockels
ist nicht einmal die Oberstufe ganz ausge-
arbeitet, an der Nordseite weiter als an der
gegenüberliegenden. Unter ihr fanden sich
gleich die grob zugehauenen Brecciasteine,
und solche schwellen auf der westlichen
Rückseite auch inmitten der Oberstufe und
der Quaderschicht darüber hervor. Das alles
muß im Altertum eine Anschüttung den
Blicken entzogen haben. Dies und anderes
wird hoffentlich bald Weiter noch genauer
beschreiben. Er trug auch zur Kenntnis des
Oberbaues bei, namentlich des Daches, indem
er es mit einer Telegraphenleiter zu photo-
graphieren den guten Gedanken hatte. Mir
hatte sich bei dem langen Verweilen an dem
Denkmal die überraschende Wahrnehmung
aufgedrängt, daß nicht nur der blumen-
förmige Dreifußträger auf dem First, auch
der streng symmetrisch angeordnete Relief-
fries mit seiner stark betonten Mitte gegen
die sechs Halbsäuienjoche beträchtlich nach
rechts verdreht ist, doch wohl kaum durch
den Erbauer, sondern erst bei den weitgehen-
den französischen Herstellungsarbeiten. Auch
das muß noch genauer untersucht werden.
321
Archäologisches aus Griechenland.
322
Abb. 3. Nordseite
vom Sockel des Lysikratesdenkmals.
Abb. 4. Westseite
Das Institut mußte sich mit der kleinen
Nachgrabung begnügen. Aber die griechische
Archäologische Gesellschaft setzte durch den
Ephoros Philadelpheus unter meiner und
dann unter Welters Mitwirkung die Arbeit
beim Lysikratesdenkmal freundwillig fort.
Sie ergab keine bedeutenden Einzelfunde,
wohl aber ein viel klareres Bild, wie sich, in
gemessenen Abständen, zwei zerstörte cho-
regische Denkmäler beiderseits an das er-
haltene anreihten, und Spuren der Tripoden-
straße selbst (nicht gepflastert, sondern nur
geschottert), die Welter bis zum Dionysos-
bezirk am Theater verfolgen zu können
glaubt. Er beaufsichtigte dann im Sommer
auch die weitere Ausgrabung des östlich ans
Theater anstoßenden Peri kies -Odeions
im Auftrage seines verdienten Entdeckers
Kastriotis (Anz. 191 6, 138) und hatte das
Glück, die ersten Spuren der Innensäulen
zu finden. {Ein Plänchen davon gibt Picard
in Rev. de l'art XXVI, 1922, 225.] Sie
waren grundsätzlich ebenso angeordnet wie
seit dem 6. Jahrh. im Telesterion von Eleusis.
Dem vielleicht auf solche griechische Säulen-
säle zurückgehenden persischen Apadana-
typus habe ich das Königszelt Alexanders
angeschlossen (Sympos. Ptolem. II. 27 ff.)
und füge jetzt getrost auch das des Xerxes
hinzu, dessen Holzdach dem des Odeions zu-
grunde lag. Seine von Plutarch Per. 16 be-
zeugte spitze Form braucht durchaus nicht
kegelförmig, kann vielmehr sehr wohl, dem
festgestellten Grundriß entsprechend, pyra-
midenförmig gedacht werden. Um so lächer-
licher wird das dort aus Kratinos angeführte
Bild des zwiebelköpfigen Zeus, derdasOdeion -
dach auf dem Kopfe trägt, natürlich mit
einer Ecke nach vorn, welche an die vor-
springende Spitze des korinthischen Stra-
tegenhelmes erinnert.
Das ehrwürdige Mysterienheiligtum in
Eleusis begannen wir zu untersuchen, um
Noack bei seiner dem Abschluß nahen Aus-
gabe zu helfen (vgl. Anz. 1919, 130). Doch
erwies es sich als das einzig Richtige, daß er
diese Arbeit selbst nochmals an Ort und
Stelle durchsehe, und mit deshalb hat ihn
die Zentraldirektion des Instituts für das
Sommerhalbjahr I92I als Leiter der Anstalt
nach Athen gesendet. Er wird hoffentlich
bald selbst von seinen wertvollen neuen Be-
obachtungen berichten. Meinen winzigen
Beitrag zur Lösung der großen Aufgabe, die
523
Archäologisches aus Griechenland.
324
Deutung des Bauwerks auf den TKeater-
marken mit dem Namen des Eleusiniers
Aischylos als Außenansicht des Telesterions
der Nährmutter seines Geistes, Demeter, hat
Noack hier schon gebilligt (vgl. Bieber,
Denkm. zum Theaterwesen S. 85).
Im Museum zu Chalkis ergaben sich an
den Amazonenbruchstücken, die aus dem-
selben Giebel von Eretria wie die herrliche
Theseusgruppe (Ant. Denkm. III, 27/28)
herrühren, ein paar neue Zusammensetzun-
gen. Die Plinthe einer überlebensgroßen
Kampfgruppe gleichen Fundorts, deren Fuß-
reste in die Entwickelungsreihe Eichlers
(Jahreshefte 1913, 86 ff.) einzureihen sind,
erwies sich als zu einem Eckakroter gehörig,
da sie denselben stumpfen Winkel zeigt wie
die Dachecke des selinuntischen Tempels C
bei Koldewey und Puchstein (Abb. 78).
In Delphi, dessen erhabene Landschaft
wiedergesehen zu haben ich als besonderes
Glück preise, haben die Franzosen mit Hilfe
einer Stiftung der heutigen Chier den von
ihren Vorfahren geweihten Hauptaltar am
Ostrande der Tempelterrasse aus den alten
Werkstücken von schwarzem Marmor mit
weißen Gesimsen wirkungsvoll wieder aufzu-
bauen begonnen. Gegraben haben sie be-
sonders in Marmaria, mit mannigfaltigem
Erfolge. Dafür und für die zahlreichen ander-
weitigen Untersuchungen der mit großen
Mitteln arbeitenden ficole kann ich, da uns
in Leipzig bisher die französischen Zeit-
schriften nur teilweise zur Verfügung
stehen, nur auf die unvollständige Übersicht
von Wace im Journ. hell. stud. 1921, 266
verweisen. Ein schwedisches Mitglied der
französischen Schule, Dr. A. Perssoo, hat
soeben im Bull. corr. hell. 1921, 3l6ff. die
bisher nur in Proben herausgegebenen Mar-
morreliefe von Marmaria vollständiger be-
kannt gemacht und die Fragen ihrer Her-
kunft erwogen. Zu den schönen Stücken
des 4. Jahrh. auch den Amazonentorso
Fig. 2, S. 318 f. zu ziehen, ist aber ein
Mißgriff: sein Stil ist, trotz S. 329, 3, der
noch mehr als halb archaische, etwa von der
Entwicklungsstufe des Ludovisischen und des
Bostoner Relief Werkes. Demnach ist auch
die Zugehörigkeit des von Persson aufge-
setzten Kopfes nicht etwa »incertaine«,
sondern ganz ausgeschlossen, wie ich, dank
dem Leiter der französischen Arbeiten in
Delphi (der Name ist mir leider entfallen)
genauer feststellen konnte, als es Persson
selbst darlegt. — Als ich dem Wagenlenker
in seine mild leuchtenden braunen Stein-
augen sah, die so rein und so stolz zugleich
blicken, da fiel mir wieder einmal auf die
Seele, welch unerlaubter Unwissenheit über
einen grundlegenden Tatbestand sich O.
Spengler schuldig macht, wenn er zu seiner
maßlos karikierten Beschreibung der helle-
nischen Sinnesart auch noch das »bhnd
gehaltene Auge« der Statuen heranzieht
(Unterg. d. Abendlandes ' I 371).
In unserem Olympia, wo ich nur zwei
herrliche Frühlingstage zubringen konnte,
beschäftigte mich, neben den Ovalhäusern
Dörpfelds, die bald sein Buch näher bekannt
machen wird, und den Ergebnissen der
Knackfußschen Aufräumungsarbeiten (An-
zeiger 1916, 161) besonders ein Marmorkopf
aus dem Westgiebel des Zeustempels, den
unlängst der wilde Kladeos zutage ge-
schwemmt hatte und der damalige Ephoros
des Heiligtums Kyparissis herausgeben wird.
Nach genauer Prüfung zweifle ich nicht, daß
er zu den spärlichen Resten des schwert-
schwingenden Vorkämpfers, nach Pausanias
Kaineus, gehört. Zwar trägt der Kopf eine
Art Haube, diese kehrt jedoch bei dem
jüngeren Seher des Ostgiebels, den Treu
irrig für Myrtilos hielt, und in etwas andern
Formen bei Zechern auf attischen Ton-
gefäßen wieder, und Gesichtszüge wie Aus-
druck des Marmors sprechen für männliches
Geschlecht. Jene Zuteilung bestätigte sich,
als ich unter den von früher her vorhandenen
Bruchstücken nach dem von der Rückseite
abgespaltenen Teile des Schädels suchen
durfte. Er fand sich rasch, genau anpassend,
auch mit der zweiten Hälfte des Stiftloches
nahe dem Scheitel, in dem der überm Haupte
geschwungene Schwertarm befestigt war;
denn Metallzinken zur Abwehr der Vögel
haben die Giebelköpfe nicht getragen. Das-
selbe Bruchstück nun wußte schon Treu
nirgends sonst unterzubringen als unter den
wenigen Resten des Peirithoos (Olympia III,
S. 74 f.). Dies schöne Zeugnis für die Ge-
nauigkeit seiner großen Arbeit war dem hoch-
betagten Freund auf seinem letzten Kranken-
lager eine Genugtuung. — Das Glück, den
325
Archäologisches aus Griechenland,
326
Hermes wiederzusehen, hätte mir die Er-
neuerung des Bewußtseins getrübt, wie un-
genügend er sich fern vom Urbild durch die
bisher vorhandenen Photographien veran-
schaulichen läßt. Aber kurz vorher hatte
der erwähnte Prof. Kennedy (Sp. 312) bei
allen mögUchen Beleuchtungen eine lange
Reihe sehr verschiedener Aufnahmen ge-
macht, die, hoffentlich recht bald, in Welters
»Bausteinen« erscheinen soll.
Unsere Hauptarbeit spielte sich in den
Museen von Athen ab. Den Vortritt vor der ;
eigenen wissenschaftlichen Neugier hatte die
der zu Hause gebliebenen Fachgenossen.
Auf ihre Fragen gab es viel zu untersuchen, {
zu skizzieren, zu photographieren, am I
meisten in dem immer noch gewaltig an-
wachsenden Nationalmuseum. So konnte
ich diesmal meiner Jugendliebe, der archai-
schen Kunst im Akropoli smuseum , nur
wenig Zeit widmen, nicht einmal das große,
schöne Werk von Heberdey über die Poros-
skulptur, das eben erschienen war, vor den
Denkmälern ganz durchlesen. Nicht uner-
wähnt lassen möchte ich zu Nutz und From-
men dieses einzigen Schatzhauses von Resten j
der Bemalung frühgriechischer Bildhauer-
arbeit, wie schmerzlich mich, nach lang- :
jähriger Abwesenheit von Athen, der Ein-
druck ihres Schwindens überraschte. Docli
milderte sich der Schrecken immerhin, als
mir, aus eigener Erfahrung mit dem Aut-
stellen treuer Nachbildungen einiger von den-
selben Stücken, klar wurde, wie ungünstig
die Wirkung der Farbrestc von den satten
und lebhaften, grünen und roten Tönen der ,
Museumswände beeinflußt wird, fmmerhin ,
wäre auch für den Schutz dieser kostbaren t
Spuren wohl noch einiges vorzukehren. Vom
Katalog des Akropoli smuseums, dessen
I. Band der leider auch im Kriege gefallene
Engländer G. Dickins so gründlich und
brauchbar gestaltet hatte, war der IL, ein
Werk des jungen Cambridgers S. Casson, im j
Druck; er ist inzwischen erschienen, mir aber |
noch nicht bekannt geworden. Vgl. die An- :
zeige Journ. hell. stud. 1921, 297. |
Wohl das größte Fragenbündel fürs Natio-
nalmuseum, das nur mit werktätiger Hilfe j
der Direktoren erledigt werden konnte, |
sandte Alfred Brückner, der auch bei den '
Griechen im besten Andenken stehende Er-
forscher des Dipylonfriedhofs, für die von
ihm voi bereiteten Ergänzungen zu den unter
seiner Mitwirkung geschaffenen Grabreli ef s
von A. Conze. Zunächst handelte es sich um
die minder erfreulichen Denkmäler der
Kaiserzeit. Aber auch aus der Blüteperiode
des 5- und 4. Jahrh. war wichtiger Zuwachs
aufzunehmen. Künstlerisch das bedeutend-
ste und zugleich das seltenste Stück rührt
wohl von dem Sockel des Grabnaiskos
eines Jägers her, etwa wie ihn das allbe-
kannte, seelenvolle Relief vom Ilissos dar-
stellt. Es zeigt zwei von den übliclien
schlanken und doch stämmigen Jagdhunden
auf der Fährte, prächtig bewegt und meister-
lich durchmodelHert, mit siclier hingehaue-
nen Andeutungen längerer Haarpartien des
kurzen Fells.
Noch ganz anders ans Herz greift die
schöne Stele von Sunion, die unser
Freund Sta'is ausgrub und in der'Ap)(. 'E(p7)fi..
1917, 204 sowie in der kurzen Gesamtdar-
stellung Tq Souviov (1920) Abb. 11 vor-
läufig herausgab. Von den neuen Auf-
nahmen, die er uns für seine endgültige Ver-
öffentlichung in den Denkmälern des In-
stituts machen ließ, dürfen hier bescheidene
Verkleinerungen stehen, ihrer zwei, weil nur
so die zarte Modellierung ganz sichtbar wird
(Abb. 5, 6). Es ist auch in seiner UnvoUstän-
digkei t ein köstliches Werk derselben rasch zur
Höhe empordringenden Übergangszeit wie die
Bildhauerarbeiten vom olympischen Zeus-
tempel, aber von deren Grundcharakter ver-
schieden in seiner zarten und herben, doch
wohl rein attischen Anmut. Unter dem einst
gemalten Akroter, dessen erhaltene Ecke mit
dem Umriß einer Halbpalmette die — von
der früher versuchten abweichende — Er-
gänzung einer höheren Mittelpalmette for-
dert, ist der Reliefgrund, ähnlich wie an
einzelnen Metopen des Athenerschatzhauses,
ungemein stark gerauht und hat noch be-
trächtliche Reste hellblauer Farbe bewahrt.
Davor erhebt sich etwa halb lebensgroß in
kräftigem, aber doch flachem Relief der
Oberteil eines zum Jüngling heranreifenden
Knaben, dessen beinahe polierter Leib nur
leicht die Hauptgliederungen andeutet, und
doch mit seinen feinen Hautfältchen natur-
frisch wirkt, besonders auch in der Freihei t der
ausgreifenden Bewegung seines rechten Ar-
327
Archäologisches aus Griechenland.
328
Abb. 5. Abb. 6.
Siegerstele aus Sunion nacli Aufnahmen von G. Weller.
mes. Wie es Stais gegen andere Vorschläge
(z. B. den hier 1916, 143 ausgesprochenen)
mit Recht festhält, setzte die Hand nur mit
Daumen und Zeigefinger auf das gesenkte
Haupt, in das halblang übers Ohr herab-
hängende Haar, das gleich dem des berühm-
ten Ephebenkopfes im Burgmuseum einst
mit gelber Farbe genauer ausgeführt war,
schräg über seine Umschnürung einen Kranz,
vermutlich aus Edelmetall: sonst wäre er
nicht in so dicht gefügten Stiftlöchern mit
Blei vergossen gewesen. Es ist also ein Sieger
dargestellt, und zwar, trotz der jugendlichen
Zartheit der Gestalt und dem länglichen
Haaf, ein Turner. Zu beidem vergleichen
meine jungen Leipziger Vasenkenner A.
Rumpf und E. Langlotz den herrlichen
Burschen mit Sprunggewichten auf dem
nicht sehr viel früher entstandenen schlan-
ken Vasenfuß mit 'Aviicptüv xaXo;, Berlin
Fw. 2325, und das Aufsetzen einer kranz-
ähnlichen Binde weisen sie mir auf dem weiß-
grundigen Alabastron daselbst Fw. 2258
nach. Dort fehlt aber noch das feine Ethos,
die bescheidene awaposuvr) unseres iraTj
itap&sviov ßXsTTwv. Doch auch diese Gestaltung
wurde bald in Schwung und Ausdruck über-
troffen durch die Bronzefigur Polyklets, ,
deren beste, Londoner, Wiederholung, unter
Treu entsprechend ergänzt, in jedem Sinne
so genau auf die Kyniskosbasis in Olympia
paßt — s. die Abb. 367 bei Baumgarten,
Poland, Wagner, Hellenische Kultur 3 - — ,
daß diese Gleichsetzung nur weit stärkeren
Gründen weichen darf, als sie bisher dagegen
angeführt wurden.
Kann aber die Siegerstele von Sunion
wirklich ein Grabdenkmal sein, wie der Ent-
decker glaubt.'' Wie kam sie dann in das
Athenaheiligtum ? Stais, xb Souvwv 53, ant-
wortet : von Raubausgräbern aus einer nahen
Gräberstätte verschleppt und nur oberfläch-
lich verscharrt. Aber warum sollen sie zu
diesem Zweck ihren kostbaren Fund bergauf
auf die Ostkuppe des Vorgebirges ins
Athenaheiligtum und damit in den Bereich
der amtlichen Grabung geschafft haben .^
Viel einfacher ist die Annahme, daß
die Stele von jenen Raubausgräbern im
Heiligtum selbst gefunden wurde, also kein
Grabmal, sondern ein der Landesgöttin ge-
weihtes Ehrendenkmal war. So gut nämlich,
wie auf oder an Gräbern anstatt der üblichen
Stelen nicht allzuselten Statuen errichtet
wurden — z. B. manche von den sog. archai-
schen Apollogestalten — , gab es auch in
329
Archäologisches aus Griechenland.
330
Tempelbezirken und auf öffentlichen Plätzen,
neben den kostspieligeren Ehrenstandbitdern,
Reliefstelen gleichen Zweckes. Nicht weni-
Reliefplatten, die nur das Vorurteil • ver-
kennen konnte, leider auch in Blümners
Kommentar. Stele bedeutet eben bei Pau-
Abb. 7 — 10. Lapithenkopf aus der. VI. Südmetope vom Parthenon nach Aufnahmen von C. Kennedy.
Druckstöcke dargeliehen von B. G. Teubner,
ger als vier solche Stelen des Polybios sah
Pausanias in arkadischen Städten, und eine
fünfte erkannte bekanntlich Milchhöfer in
Kleitor (Berichte sächs. Ges. d. W. 191 1, i).
Aber auch zwischen den Siegerstatuen in
Olympia erwähnt der Perieget sieher einige
sanias dasselbe wie in der neuen Archäo-
logensprache und nicht irgendeine Art von
Statuensockeln. Eine vollkommene Ana-
logie ist es, wenn 6, 14, 10 der Flötenspieler
Pythokritos ixTexuirojfjievo? im. (Jir^Xir) heißt,
und zwar auch er in kleinem Maßstab. Und
331
Aichäolo^sches aus Griechenland.
332
wenn auf ein und derselben Stele der Ringer
Kalliteles in voller Größe, sein Sohn Poly-
peithes aber auf einem kleinen Viergespann
erschien (6, 16, 6), dann waren das natürlich
nicht auf gemeinsamem Sockel errichtete
Rundwerke von grundverschiedenem Maß-
stab, sondern, wie im wesentlichen schon
Hyde sah (s. Blümner), eine Reliefstele nach
Art der bekannten altattischen, wo unter
den Füßen des lebensgroßen Mannes noch
ein ganz kleiner zu Pferd angebracht ist.
hunderten von Köpfen angefüllten Magazin
des Nationalmuseums auf dieses Stück fiel.
Sonst hätte ich kaum anzunehmen gewagt,
daß es einer Parthenonmetope zugehören
könne, obgleich es, an seiner rechten Seite
nur angelegt, sichtlich von einem Hochrelief
herrührte und der Museumsbildhauer Pana-
giotakis mir pentelischen Marmor zuver-
sichthch bestätigte. Die Abgüsse der Eigin-
schen Südmetopen im Burgmuseum erlaub-
ten gleich festzustellen, daß der Kopf scharf
AI>1>. II. Abguß mit dem neuen Kopf.
Abb. 12. Zeichnung von 1674 der VI. Siiil-
metope vom Parthenon.
Druckstöcke dargeliehen von B. G. Tcubner.
Einen kleinen Fund zur Vervollständigung
der ersten großen Arbeit der perikleischen
Blütezeit, der Parthenonmetopen,
konnte ich gleich anfangs als Festblatt zur
WinCkelmannsfeier 1920 heim nach Leipzig
senden. Im Jahre 1913 kam in der Unter-
stadt Athen, dicht beim Varväkion, dort, wo
vorvielenjahren die garstige meterhohe Kopie
der Athena Parthenos entdeckt worden war, in
eine spätestens frühbyzantinischeMauer ver-
baut ein etwas unterlebensgroßer Kopf zu-
tage(Abb. 7 — 10), den schon dererste Heraus-
geber Kuruniotis ('Apy. 'Ftl^r/fi. 1913, 200, 7),
trotz dem erregten Gesichtsausdruck, in die
Nähe des myroni sehen Diskoswerfers setzte.
Zum Glück waren mir diese Fundumständc
nicht bewußt, als mein Auge in dem mit
auf den Halsbruch des Lapithen in der VI.
paßt (Abb. 11), und nun sitzt er auch schon
im Gips auf dem Marmor in London. Erst
im Zusammenhang des Kampfes mit dem
Unhold erklärt sich der weinerlich-grimmige
Gesichtsausdruck. Die Zeichnung von 1674
(Abb. 12) lehrt, daß der Jüngling mit dem
rechten Arm kräftig zuschlug. Sie bestä-
tigt, daß sein Kopf schon damals fehlte,
während der Kentaur den seinigen noch
besaß.
Ein Seitenstück zu diesem Funde gelang
dem jungen Oxforder Archäologen Ashmole:
er setzte dem Torso des langbekleideten
Dionysos (»Sardanapal«, vgl. Anz. 1915,
279), der aus dem Theater in die Magazine
des Nationalmuseums gekommen war, den
333
Archäologisches aus Griechenland.
334
ebendaher ins Akropolismuseum geratenen
Kopf auf. . Die so vervollständigte Replik
ist die schlichteste und vielleicht, wie Ashmole
vortrug, die treueste.
Mir ergab einen Beitrag zur attischen
Plastik des 4. Jahrh. eine genaue Betrachtung
der Giebelbruchstücke vom Epidaurischen
Asklepiostempel, die ja leider zur Hälfte
in Athen, zur Hälfte im Museum des Fund-
ortes (einer bedeutenden Schöpfung von
Kavvadias) aufbewahrt werden. Der West-
giebel stellte bekanntlich einen Amazonen-
kampf dar. Im Ostgiebel vermutete der
Entdecker den Kentaurenkampf, und es ist
ihm zumeist geglaubt worden, obgleich sich
die Grundlage dafür leicht als unhaltbar er-
weist und vielmehr unverkennbare Reste einer
Iliupersis hervortreten. Ich traf in diesen
Feststellungen großenteils mit einer mir un-
bekannt gebliebenen oder wieder ganz ent-
fallenen Anzeige von Brunn und Arndts
Denkmälern (Nr. 607) von Amelung zu-
sammen (Woch. f. kl. Phil. 191 1, 619), auf
die ich mich hinzuweisen begnüge, bis ich das
alles mit guten Abbildungen genau darzu-
legen vermag. Nur daran sei gleich erinnert,
daß jetzt nach Eichlers Untersuchungen,
Jahreshefte XIX-XX 95, eine ganz stilver-
wandte Darstellung desselben altehrwürdigen
Gegenstandes im Ostgiebel des argivischen
Heratempels feststeht und daß dessen An-
bringung am Tempel des Asklepios noch
begreiflicher ist, weil von seinen Söhnen
wenigstens Podaleirios, mitunter auch Ma-
chaon, unter den Teilnehmern an der Ein-
nahme von Troja genannt wird. Der Ama-
zonenkampf des epidaurischen Westgiebels
wird nun auch als der troische zu gelten
haben.
Manche Stunde widmete ich den von der
See und ihrem Getier arg zerfressenen Mar-
morsachen aus der Schiffsladung von An-
tikythera, die nach dem bündigen Nach-
weis von Stais, xa I? 'AvTtx. eupr^fiaT« (1905),
nicht lange vor dem Ende der römischen Re-
publik • zugrunde gegangen ist. Zu dieser
trefflichen Untersuchung, die u. A. auf S. 43
eine große Wiederholung der knidischen
Aphrodite nachweist, sowie zu dem phan-
tastischen, aber darum doch nicht ganz
wertlosen Kommentar von Svoronos, das
Athener Nationalmuseum i ff., wäre in Ab-
lehnung und Ergänzung noch manches zu
sagen. Unter anderem fügt sich der nackte
Oberkörper eines Mädchens Svoronos Taf.
18, 8 (Rückansicht) mit schräger Schnitt-
fläche und großem Dübelloch ganz sicher auf
das bekleidete Unterteil Taf. 17, 5, zu einem
mir neuen Typus. Taf. 13, i, ein Jüngling
mit Wehrgehenke, paßt schon wegen seiner
Alexandermähne nicht zum Diomedes, der
Bärtige (Taf. 13, 2) nicht zum Odysseus,
weil er statt des Pilos einen korinthischen
Helm trägt oder trug. Das genaue Seiten-
stück dieses bärtigen Helden in Größe, Typus,
Tracht und Bewegung ist die Gestalt Taf.
14, 4, die sich mit jenem Behelmten aller-
dings zu einer ganz älmlichen Gruppe ver-
einen läßt wie die des Palladionraubes von
einem Sarkophag desselben Museums, Svoro-
nos Textbild 58. Letzterer Mann könnte
vielleicht Odysseus sein, der erstere aber,
mit dem längeren Barte, schwerlich Dio-
medes.
Zu einer bestimmten Deutung gelangte
ich nur für den besterhaltenen Marmor (Nr.
2774) von Antikythera, wie es soeben das
Leipziger Winckelmannsblatt für 1921 be-
schränkterÖffentlichkeit dargelegt hat (Abb.
13 — 15). Unter den zahlreichen Erklärungen,
welche die merkwürdig bewegte Gestalt fand,
droht eine irrige den Platz zu behaupten. Stais,
der sich a. a. O. 44 noch der im Fundberichte
der Athen. Mitteil. 1900, 458 näher ausge-
führten Deutung auf einen Pankratiasten
oder Faustkämpfer anschloß, erkennt in der
2. Ausgabe seines Guide illustre, marbres et
bronzes S. 72 (1910), vielmehr einen barbari-
schen Krieger, der die Gnade seines Uber-
winders anfleht. Diese Deutung, nur auf
einen griechischen Kriegshelden bezogen,
suchte Svoronos, Nationalmus. S. 66, zu
begründen. Er setzte auf Taf 12, i an die
völlig zerfressene Ansatzstelle des linken
Armes, aus der, wie ich mit dem Restaurator
des Museums Klavdianös feststellen konnte,
das ganze Eisen des Dübels in Gestalt einer
schwammigen Blase hervorgequollen ist,
einen ebenso formlosen Armstumpf, an dem
er eine Schildhandhabe zu erkennen glaubte.
Beides ist jedoch zuna mindesten ganz un-
sicher. Die viel eher zugehörige Armruine,
mit ähnlicher Eisenblase an der Ansatzstelle
der Hand, von ihrem Dübelloch aus der
335
Archftologisches aus Griechenland.
336
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Abb. 13. Statue von Antikythcra Abb. 14. Krater im Wiener Staatsiniiseuni
nach Ansichtskarte der Engl. Photo-Comp. nach Aufnahme P. Jacobsthals.
Druckstöcke dargeliehen von B. G. Teubncr.
Länge nach an der Innenseite abgespalten,
zeigt keine Spur einer Waffe, so wenig als
die Statue selbst. Sie trägt auch keine
Wunde, und eine solche an dem fehlenden
Teil des linken Beines anzunehmen, verbietet
dessen unverkennbarer Dienst als Standbein.
Der von Svoronos Taf. 12, 2 mitabgebildete
vermeintliche Besieger des Geduckten, ein
weit ausfallender Mann, ist dafür zu klein
und wendet, trotz aller Entstellung durch
das Seegetier, den Kopf deutlich links herum,
also fort von dem vermuteten Gegner. Unser
Bursche aber ist weit vorgebeugt und hebt
den Kopf entschieden aufblickend allerdings
zu einem Gegner, nach dem der einst vorge-
streckte linke Arm gegriffen haben wird
Der rechte hängt lose, gar nicht angespannt
herab, die halbgeöffnete Hand (mit dünner
Stütze zwischen Daumen- und Zeigefinger
spitze) zu weiterem Zugreifen bereithaltend
Letzteres scheint mir für einen Ballspieler,
an den Curtius dachte (Berl. phil. Woch
1910, 529), ganz unglaublich: seine Rechte
würde dem Ball geöffnet entgegenstreben
Eher könnte die ganze Bewegung zu der er
wähnten Deutung auf einen Ringer passen,
obgleich ich auf einschlägigen Darstellungen
namentlich den locker herabhängenden Arm
nicht gefunden habe (vgl. z. B. die Reußsche
Reliefvase Archäol.-epigr. Mitt. 1880 IV
Taf. 8, S. Reinach, Repert. d. rel. II 84, 2).
Vollends widerspricht jeder ernsteren Kampf-
handlung das, wovon bisher viel zu wenig
die Rede war: das Gesicht und sein Aus-
druck (Abb. 15). Das derb gutmütige, paus-
backige Antlitz mit dem breiten Munde ist
zu einem unverkennbaren Lächeln verzogen;
nur die Stirn umwölkt die hinauf und quer
zusammengezogene Haut, die im Verein mit
den aufmerksam emporblickenden Augen
etwa einen leichten Schmerz oder die Sorge
davor verrät. Das weist auf einen nicht
allzu gefährlichen Gegner hin, der zuver-
sichtlich im Bereiche der minder edlen Weib-
lichkeit zu suchen sein wird. Wesentlich
dieselben Bewegungsmotive zeigt nämlich
schon die ältere rotfigurige Vasenmalerei in
Gruppen von Satyrn und Mänaden, am ähn-
lichsten, wenn auch steifer, auf dem Wiener
Krater (Abb. 14) etwa von 470 — 60 v. Ch.
337
Archäologisches aus Griechenland.
338
Abb. 15. Kopf der Statue Abb. 13, nach Auf-
nahme von G. Welter.
Stock dargeliehen von B. G. Teubner.
(S. Reinach, R6pert. de vas. II 193): die fast
knienden Beine, den vorgebeugten Rücken,
den zurückgelegt aufblickenden Kopf, der
dem Griff des linken Armes folgt, während der
rechte niederhängt, um im Notfall auch zu-
zugreifen. In so frühe Zeit reichen auch
andere hellenistische Motive zurück, z. B.
das des lysippischen Ares Ludovisi. In
Liebeskämpfen, wie dem hier vorausgesetz-
ten, gibt auch der Hellenismus noch am
liebsten die Satyrn, die nur jetzt bartlos sind
(W. Klein, Ant. Rokoko 56 ff.). Aber ejatu-
pt'axs nenntin [Theokrits] schalkhafter SapiOTUj
das Mädchen den Rinderhirten Daphnis,
gegen dessen zudringliches Werben sie sich
erst heftig sträubt, um ihm dann, nach er-
folgtem Eheversprechen, doch gründlich
nachzugeben. Einen solchen Vorgang, nur
noch etwas derber und wilder, stellte die
Gruppe dar, von der dies ein beträchtlicher
Rest ist. Den Stand des Burschen kenn-
zeichnete wohl das in Abb. 13 am Kopfumriß
kenntliche, etwas längere Scheitelhaar, viel-
leicht nur ein Zeichen ländlich ungenauer
Schur, ganz verschieden von dem abge-
schnürten Cirrus der Pankratiasten der
Kaiserzeit, an den Athen. Mitt. a. O. erinnert
wurde. Entstanden denken möchte ich mir
das Werk im früheren Hellenismus: der
Kopftypus ist noch nicht so sehr verschieden
Archäologischer Anzeiger 1931.
von dem des sitzenden Bronzehermes aus
Herkulaneum oder dem des liebenswürdigen
Epheben in der Chlamys aus Tralles (Monum.
Piot X 1903, Taf. 4). Gegen Stais, Curtius
und andere halte ich unsern Burschen für
das Urbild. Unentbehrliche Stützen hat auch
die originale Marmorkunst nicht gescheut,
z. B. an der Iphigeniengruppe der Ny Carls-
berg-Glyptothek. Die Anstückungen (der
Schädelkappe, des halben rechten Unter-
armes und des ganzen linken Armes) sind
eher nicht Kopistenbrauch. Die flotte
Stichelarbeit des Haares kennzeichnet gut
seine ungepflegte Art und machte mir nicht
den Eindruck, einem Erzwerk nachgebildet
zu sein.
Jetzt noch das Wichtigste von dem Zu-
wachs an antiken Bildnissen. Zunächst
der 1912 von dem leider im Krieg gebliebe-
nen Avezou auf Delos ausgegrabene, aber
zureichend erst unlängst, mir zugänglich bei
Fr. Poulsen, Ikonogr. Miscellen Taf. 17 — 19,
abgebildete Bronzekopf, wohl des 3. Jahrh.,
vermutlich ein Prinz, Feldherr oder Minister.
Wie an den meisten Porträten hoher Herren
dieser Zeit glaubt man hier den Widerstreit
zwischen Wirklichkeitssinn und Neigung zum
veredelnden Steigern zu spüren. Höchst
ausdrucksvoll sind wieder die bunt einge-
legten Augen, die Sterne diesmal aus dunkel-
grauem Stein, der nur seinen Glanz verloren
hat, die Bronzewimpern leider abgebrochen.
Eine mir sonst an Bronzen nicht bekannte
Einzelheit ist die naturwahre rosige Tönung
der Tränenkarunkeln in den inneren Augen-
winkeln. Sie kehrt in dem Mosaik von Du-
razzo wieder, das Praschniker bekannt
gemacht hat: Jahreshefte XXI-XXII,
Beibl. 207. Die Amerikaner fanden bei der
Fortsetzung ihrer Ausgrabung von Römer-
bauten in Korinth glatte Statuen des
Augustus und zweier ihm ähnlicher Jüng-
linge, in denen E. H. Swift deshalb C. und
L. Caesar erkennt (Amer. Joum. I92I,XXV).
Ist das richtig, dann sind es sehr freie Bild-
nisse, weil unvereinbar mit den schönen
Gaiusporträten, die zuerst hier 1910, 533 auf
Grund der Ähnlichkeit mit Agrippa nachge-,
wiesen sind. Den von Swift für Tiberius
erklärten Kopf mit Trauerbart möchte
ich fragweise eher zu den Bildnissen stellen
für die ich den Namen Drusus III. vorge-
339
Zu der ältesten attischen Inschrift.
340
schlagen habe (Anz. 1910, 534, vgl. Hekler
181, 185 a, Poulsen a. O. 60). Diese Un-
sicherheit in der Benennung der korinthi-
schen Bildnisse bestätigt wieder einmal, wie
weit die damalige Porträtkunst Griechen-
lands hinter der stadtrömischen zurückzu-
bleiben pflegte.
An gleichem Orte kam beim Einsturz der
Eisenbahnbrücke eine Inschriftherme des
Herodes Attikos zum Vorschein, wobei
der Kopf abbrach und fortgeschleudert
wurde. Als er nahe daran war, ins Meer zu
gleiten, kam der Ephoros Philadelpheus des
Weges und setzte ihn zurecht.- Er erkannte
dann auch, daß der schlecht erhaltene Kopf
sicher derselbe ist, der längst vermutungs-
weise auf den reichen Rhetor gedeutet
worden war, weil sich die in den Louvre
gekommene Büste nahe der Heimat des He-
rodes, Marathon, mit Büsten seiner kaiser-
lichen Schüler Marcus und Verus gefunden
hatte (Bull. corr. hell. 1920, 170 ff.). Kein
Zweifel, daß diese Züge trefflich zu dem
Manne passen, der vornehm und auf seine
Art geistvoll war, aber durchwühlt von un-
beherrschter, nervöser Leidenschaftlichkeit,
die ihm sein Lebensglück zerstörte. Es ist
eines der erlösungsbedürftigen Gesichter,
wie sie in dieser Spätzeit immer häufiger
werden. In der nächsten Nähe des Herodes
erhielt seinen geschichtlichen Platz eins der
schönsten Marmorbildnisse der Berliner Mu-
seen, der im 60. Winckelmannsprogramm
von Hans Schrader herausgegebene Neger
oder Halbneger von Lukü in Thyrea. Da
dort der reiche Athener eine Besitzung hatte,
erkannte Graindor in dem seltenen Äthiopen-
bildnis antoninischen Stiles überzeugend den
Memnon, einen der jungen Freunde und
Jagdgenossen des Rhetors (Bull. corr. hell.
1915, 402). Demselben belgischen Gelehr-
ten und derselben Zeitschrift (1915,241) wird
es verdankt, daß endlich die größte, zu-
sammenhängende Reihe attischer Bildnis-
hermen dieser Spätzeit, die 32 Kosmeten
eines Gymnasions in Athen, vollständig
herausgegeben und in sorgsamer Unter-
suchung auch kunstgeschichtlich gewürdigt
ist, eine grundlegende Arbeit, auch wenn
man in manchem Punkte verschiedener
Meinung sein muß oder kann. Sie nachzu-
prüfen wird die italienische Schule Anlaß
haben, wenn sie ihren sehr glücklichen Plan
einer Gesamtbehandlung von »Atene Ro-
mana« ebenso glücklich durchführt.
Dies war es, was ich von meinen Erleb-
nissen und Wahrnehmungen in Griechenland
hier mitteilen wollte. Es ist mir bewußt, daß
ich aus dem mit Geschäften schwer genug
belasteten Halbjahr meiner dortigen Amts-
führung an eigenen wissenschaftlichen Lei-
stungen nicht mehr mitgebracht habe als eine
Handvoll archäologischer Miszellen. Aber
ich habe noch etwas anderes mitgebracht,
was ich auf alle, die es angeht, übertragen
möchte: ein festes, erhebendes Vertrauen in
die Zukunft. Auch nach dem Zusammen-
bruch der Macht und Wohlfahrt des Reiches
wird sein Archäologisches Institut im gast-
lichen Lande der Hellenen ein wirksames
Glied in der Organisation deutscher Geistes-
arbeit wie im Wettbewerbe der Völker um
die Erforschung des kostbaren Erbes der
Alten bleiben. Dort werden unsere Archäo-
logen, dank der unübertroffenen Schulung,
die sich an unseren Universitäten, Museen
und Auslandsanstalten seit den Tagen von
Eduard Gerhard, Otto Jahn und Heinrich
Brunn stetig und vielseitig weiterentwickelt
hat, auch jetzt jedem sachlich Denkenden
willkommene, unentbehrliche Mitarbeiter, ja
vielleicht dereinst auch wieder anerkannte
Führer sein. Sie werden so in aller Stille
kräftig mitwirken am Wiederaufbau des
deutschen Ansehens in der weiten Welt. In
diesem Sinne rufe ich dem Institut und
seinem neuen, 'endgültigen Leiter Ernst
Buschor, der seine glückliche Wirksamkeit
in dem schönen Freiburg aufgegeben hat,
um den verantwortungsvollen Posten in der
Phidiasstraße zu beziehen, ein herzliches
Glückauf zu. Möge die Göttin mit ihm und
seinen Genossen sein, der einst Ludwig Roß
ihren schlanken Marmortempel wieder auf-
baute: 'AOr^vaia Nt'xr).
Leipzig. Franz Studniczka.
ZU DER ÄLTESTEN ATTISCHEN
INSCHRIFT,
und zwar zu ihrem kurzen Schlußvers,
den ich nicht anders als töxo Ssxäv [jliv zu
lesen vermochte, hat die Klio XVII 1921
341
Zu der ältesten attischen Inschrift.
342
zwei neue Vorschläge gebracht. S. 262 flf.
versucht Brandenstein dem, wie er sah,
einwandfrei festgestellten Tatbestand eine
nur in einem Buchstaben abweichende Deu-
tung zu geben. S. 267 f. dagegen benutzt
Kaiinka sein wohlbegründetes Ansehn als
Epigraphiker, um an diesem Tatbestande
ohne jeden Grund irre zu machen. Als ich
mich in den Ath. Mitt. XVIII 1893 Taf. 10
unterfing, die von St. Kumanudis und von
Lolling gegebenen, voneinander etwas
abweichenden Zeichnungen durch eine dritte
zu ersetzen, da mußte und durfte ich mich
»für ihre Genauigkeit in allem irgend Wesent-
lichen« verbürgen (S. 226). War sie doch
auf der mechanischen Grundlage von Durch-
reibung und Photographie, vor allem aber
nach wiederholter, »zu verschiedenen Zeiten
von mir und neuerdings von Wolters vorge-
nommener Untersuchung des Gefäßes selbst«,
ohne Eile und vorgefaßte Meinung, unter
den günstigen Bedingungen, die Athens
Museen darbieten, hergestellt worden. Für
ein Mißlingen wären also nur die Fähig-
keiten der beiden Zeugen verantwortlich
zu machen, und diese waren zwar »nur«
Archäologen, aber als solche pflichtgemäß
von Jugend auf auch im Lesen und Wieder-
geben von Inschriften, namentlich auch auf
Tongefäßen, erfahren i), zudem auf der Höhe
ihrer Sinnenschärfe. So dürfen sie wohl
beanspruchen, daß einer so sorgfältig vor-
bereiteten, gemeinsamen Arbeit von ihnen,
wie es das in Rede stehende Faksimile ist,
der Glaube nicht ohne frische Nachprüfung
des Originals versagt werde. Eine solche
hat aber Kaiinka offenbar nicht vorgenom-
men oder vornehmen lassen, obgleich seit
dem Herbste 1920 auch wieder deutsche
Gelehrte, zunächst O. Walter, Hiller von
Gärtringen und ich, dazu in der Lage ge-
wesen wären. Da ich von den neuen Le-
sungen während meines athenischen Winters
nichts erfuhr, bat ich jetzt, im Frühjahr 1922,
den endgültigen Leiter unseres dortigen
Archäologischen Instituts, Ernst Buschor,
der ganz besonders als Vasenforscher be-
währt ist, und den wenigstens durch eine
') Um nur die sachlich nächststehenden Publi-
kationen anzuführen, vgl. Jahrbuch d. arch. Instit.
11 1886, 143 — 145; 161 — 164. 'EcpT)(i.. (ipy. 1887,
12 ff., 135; 139! 141.
gute Doktorschrift auf demselben Gebiete
(Zur Zeitbestimmung der strengrotf. Vasen,
Leipzig 1920) bekannt gewordenen Ernst
Langlotz sich alle strittigen Zeichen noch-
mals genau anzusehen. Sie entsprachen als-
bald diesem Wunsche im Vereine mit dem
stellvertretenden Direktor des National-
museums, dem vielseitig erfahrener. Ephoros
G. Oikonomos, und fanden einstimmig mein
Faksimile durchaus richtig.
Der vorletzte Buchstabe gleicht auch
nach diesem Berichte den beiden ? (drei-
strichigen Iota) in Ttai'Cst, nur daß er einen
Strich mehr hat, also einem vierstrichigen
Sigma gleichkommt. Dieselbe Schwankung
in der Schreibung des Iota, wobei die vier-
strichige Form die seltenere ist, zeigt z. B.
die alte Felsinschrift des Krimon in Thera
IG XII 3, 540 und die Weihinschrift der
Naxierin Nikandre auf der allbekannten deli-
schen Statue, IGA 407. Auf dem Dipylon-
kruge setzt sich die zweite von den »regel-
mäßigen, breiteren Ritzlinien« des ^ fort
»in dem auf der Abbildung sichtbaren dünnen
langen Fahrer, der ganz nach Ausgleiten des
Griffels aussieht«, wie schon ich es gedeutet
hatte. Wenn Kaiinka an diesem »Fahrer«
ein von dem Schreiber nachträglich herge-
stelltes — E erkennt, dann dürfte man das
ohne Beleg selbst ihm nicht glauben.
An viertletzter Stelle braucht Kaiinka
ein N Ypsilon statt meines M Ny. Aber
Buschor und Genossen sehen, wie seinerzeit
Wolters und ich, »nur die lange senkrechte
Haste, deren oberes Ende etwas nach links
umbiegt. Von der im spitzen Winkel an-
schließenden Haste ist infolge der Ab-
splitterung der Oberfläche kein sicherer Rest
einer Ritzlinie erhalten, aber die Form dieser
AbspHtterung macht es sehr wahrscheinlich,
daß eine solche Haste vorhanden war. Von
dem aufgehenden Ast eines ^ ist keine Spur
zu sehen. Sie müßte aber zu sehen sein,
wenn dieses angebliche ^ dem am Anfang
der Inschrift [8? vuv] geglichen hätte«.
Endlich der achtletzte Buchstabe, von
mir als ^ gelesen, entspricht auch nach der
neuen Prüfung genau meiner Wiedergabe.
Dagegen muß Kaiinka, zugunsten des hier
von Kumanudis gelesenen M , den unteren
Querstrich in Abrede stellen. Aber er ist nur
auf Kalinkas Photographie nicht ganz deut-
343
Ein Mithrasrelief aus Bulgarien.
344
lieh, weil er auf einem hellen Fimisbtreifen
steht. Vor dem Original dagegen besteht an
der kräftig eingerissenen Rille gar kein
Zweifel. Auch nicht für Buschor und Ge-
nossen, die nur, auch dieses in Überein-
stimmung mit dem Faksimile, hervorheben,
daß der Querstrich »bis zum Bruche, nicht
darüber hinaus geht«. Letzteres fordert
Brandenstein S. 264, wenn meine Auf-
fassung des Zeichens als Delta gelten soll.
Dabei übersieht er jedoch, worauf ich seiner-
zeit ausdrücklich hinzuweisen versäumte,
daß bei der allein in Frage kommenden alten
Form dieses Buchstabens: mit einem an-
nähernd rechten Winkel an der schmalen
Basis, die Hypotenuse nicht selten heraus-
gewölbt ist, damit der obere Winkel nicht
gar zu spitz werde. Am ähnlichsten kenneich
das Delta abermals in der erwähnten Ni-
*» kandreinschrift und im alten Thera, IG
XII 3, 361, 536, 552, 771, 800 u. s. Im Juni
1887 merkte ich zu meiner Abschrift der
Kruginschrift an: der ausgebauchte Strich
des Delta sei im Bruche deutlich. Leider
bemerkte ich dies erst, nachdem ich Buschor
meine Fragen geschrieben hatte'). So be-
stätigte er nur, was ich Brandenstein gern
zugebe: daß der andere, quer durch die
Mitte des Zeichens gehende Bruch einen
wagerechten Stricli verschlungen haben
könnte. Unter dieser Voraussetzung liest er
ein Heta (ganz verschieden von dem, womit
die Inschrift beginnt), dessen oberer Winkel
etwa 45 Grad beträgt, im Gegensatze zu dem
rechten unteren. Ganz so schief geraten ist
nicht einmal die am nächsten kommende
von Brandensteins spärhchen Analogien, in
einer von den kürzeren Söldnerinschriften
za Abusimbel, IGA 482 c. So kann ich
paläographisch die Möghchkeit dieser neuen
Lesung nur notdürftig begründet finden,
jedenfalls viel schlechter als die des Delta.
Ob sprachlich Brandensteins nur aus dem
■) In der Korrektur kann ich noch nachtragen,
daß mir Buschor von Oikonomos gütig besorgte
Gipsabgüsse dieses Buchstabens zusandte, die dessen
Auffassung als A der oben beschriebenen Form
sicherstellen. Die nur ausgebauchte Hypotenuse
ist ganz deutlich, der für Brandensteins .schiefes
Heta erforderliche stumpfe Winkel nicht vorhanden.
— Unbegründete Zweifel an meinem Faksimile des
Inschriftendes schon, wie mir nachgewiesen wird,
bei Geffken, Gr. Epigramme (1916) Nr. i.
mythischen Eigennamen Hekale geschöpftes
Zeitwort Ixdw annehmbarer ist als mein
Ssxofu) (im Sinne von 8£}(o[xa[), das ein
Kenner wie J. Wackernagel, in meinem ein-
gangs erwähnten Aufsatz, vertreten zu
können glaubte, diese Frage muß ich Sprach-
kundigeren überlassen. Ich wollte nur ihre
weiteren Bemühungen von den Irrwegen
bewahren, auf die sie Kalinkas grundlose
Verdächtigung meiner Ausgabe der Inschrift
verlocken könnte.
Leipzig, Mai 1922.
Franz Studniczka.
EIN MITHRASRELIEF AUS BUL-
GARIEN.
Folgendes Denkmal, das einen neuen
Beleg für die weite Verbreitung des Mithras-
Mithrasrelief aus Jambol.
kultus in der Balkanhalbinsel bietet'), ist
neulich beim heutigen »Tauschan-tepe«,
") Über diese Denkmäler vgl. Cumont, Textes et
monum. II 271, 488; Dobrusky, Sbornik des Minist.
fUrVolksaufklärung. XVI— XVII 36, XVIII 752 (bulg.) ;
CIL III 1441 1 f.; G.Kazarow, Bull. soc. arch. Bulgare
II 46; Cumont, Les mystires de Mithra III ed. 242.
Ein Relief aus Makedonien: Arch. Religionswiss.
XX 236.
345
Zur Archäologie Thrakiens,
346
nördlich von Jambol (Thrakien), gefunden
worden, wo die Ruinen der antiken Stadt
Kabylei) liegen.
Viereckige, oben abgerundete Marmor-
platte,hoch20,5 cm, breit unten 17,5 cm, oben
20 cm, dick ca. 3,5 cm. Das ziemlich ver-
flachte Relief stellt den stiertötenden Mi-
thras in gewöhnlicher Kleidung und phry-
gischer Mütze dar. Links und rechts
von ihm stehen die Dadophoren; vor dem
ZUR ARCHÄOLOGIE THRAKIENS.
(Ein Nachtrag.)
In meinem Reisebericht (Arch. Anz. 19 18,
3) habe ich erwähnt, daß nicht wenige
von den in der Nekropole bei Schapl^-dere
gefundenen Gegenständen verschleppt worden
sind. Einige Stücke von diesem Fundort,
nämlich zwei rotfigurige Aryballoi und
eine Lekythos, sind neulich dem Lokal-
Abb. I. Pelike aus Schapl^-dere.
linken Dadophoros sieht man einen un-
deutlichen Gegenstand, wahrscheinlich einen
Löwenkopf*); über dem Kopf desselben
steht der Rabe. Oben rechts Mithras aus
dem Felsen emporwachsend mit erhobenen
Händen, in der Rechten ein Messer haltend;
links von ihm eine undeutliche Büste (Luna);
hinter dem Kopf des Mithras eine andere
Büste (Sol); weiter der Stier in einem
Nachen stehend, linkshin gewendet; vor
ihm ein kauerndes Tier (?).
Sofia. Gawril I. Kazarow.
>) Oberhummer, Pauly-Wissowa-KroU, Realenc.
X 1455; G. Seure, Archeologie thrace II i, 109
(Paris 1920).
') Vgl- z- ß- d^s Relief von Cumont, a. a. O.
II 289 fig. 143; 304 fig. 161.
museum in Stara-Zagora geschenkt worden ;
ich habe dieselben in Bull, de la soc. arch.
Bulg. VII 140 veröffentlicht. Hier möchte
ich noch zwei Stücke nachtragen, die sich
jetzt im Privatbesitz in Sofia befinden.
Rotfigurige Pelike, H. 32,5 cm,
Durchm. der Mündung 16,5 cm; Firnis
glänzend schwarz, auf der Schulter über
den Bildern Eierstabornament; die um-
rahmten Bilder sind: auf der einen Seite,
wo ein Stück ausgebrochen ist, zwei lang-
bekleidete Epheben im Gespräch, der links
stehende auf seinen Stab gestützt (Abb. i a) ;
auf der anderen Seite; dasselbe Bild, nur
hält der rechts stehende Jüngling eine sieben-
saitige Lyra in der rechten Hand (Abb. i b).
Nach Mitteilung eines bei der Ausgrabung
anwesenden Offiziers soll die Pelike ver-
brannte Skelettreste enthalten haben und
347
Zu den Cardelli-Reliefs in Rom.
348
Abb. 2. Bronzeschale aus Scliapl^-dere.
mit einer Bronzeschale zugedeckt ge-
wesen sein. Tatsächlich habe ich auf dem
Mündungsrand der Pelike Reste grünen
Oxyds gesehen, so daß diese Mitteilung als
sicher gelten darf. Diese Schale hat einen
Durchm. von 17 cm, Tiefe 4 cm und ist
mit einer eingetriebenen Rosette verziert
(Abb. 2); auf dem Rand sieht man ein
kleines Loch (Abb. 2 bei d).
Sofia. Gawril I. Kazarow.
ZU DEN CARDELLI-RELIEFS IN ROM.
Als Ergänzung zu meiner Untersuchung
in den Sitzungsber. d. bayr. Akad. d. Wiss.
1920 Abh. n. S. 2 off. möchte ich folgende
mir freundlichst von W. Amelung aus Rom
zugesandte Mitteilung vom 22. 10. 21. be-
kanntgeben: »Gestern war ich mit Roden-
waldt im Palazzo Cardelli. Wir haben die
Reliefs gewaschen, beleuchtet und genau
untersucht und sind beide zu dem gleichen
Resultat gekommen, daß Sie in allem
Wesentlichen gegen Robert recht behalten.
Die Reliefs sind zweifellos antik und nicht
zusammengeflickt. Zu den Ergänzungsan-
gaben bei Matz-Duhn ist folgendes zu be-
merken. An dem Dionysos sind die Füße
und das 1. Bein alt, die Nase ist ergänzt.
An dem stützenden Satyr ist die r. Schulter
ergänzt. An dem Silen sind Nase
und Oberlippe neu. An der Ikaria ist die
Turmkrone ursprünglich, der r. Arm ist
mit der Hand ergänzt, außerdem Nase
und Teile des linken Oberschenkels mit
Knie. An dem kleinen Ssityr sind nicht
beide Unterschenkel neu, sondern nur der
rechte. Von dem Knaben ist ein Teil des
Kopfes am Grunde alt; ergänzt r. Arm
mit Hand, Stück am r. Bein (?). Von dem
Weinstock ist, wie Sie schon angegeben
haben, ein Stück über dem Scheitel des
Knaben antik, dann ein Stück über dem
Deckel der Cista, die selbst auch antik ist.
An dem Ikarios ist das linke Knie ergänzt,
dann nicht der ganze Unterarm, sondern
nur die Finger im Zusammenhang mit dem
Kopfe. An dem Mann rechts von ihm
ist ein Teil des Lagobolon und des linken
Oberschenkels neu; die Cista unten ist antik.
Was Sie links von dem großen Weinstock,
für das r. Bein der Knienden hielten
schien uns eher Fels zu sein, aber es ist
zu wenig, um es klar zu erkennen ; die
Falten zwischen 1. Oberschenkel und Hand
scheinen mir eher erklärlich, wenn die Ge-
stalt mit beiden Beinen kniet; ob der
1. Arm alt sei, war nicht klar zu erkennen,
jedenfalls aber wäre er richtig ergänzt.
An dem Pan ist nicht das ganze r. Bein
neu, sondern nur der untere dünne Teil.
An dem Satyr sind nicht beide Beine neu,
sondern nur das r. bis auf den Fuß. An
dem Knaben ist nicht der r., sondern der
1. Unterarm neu bis auf die Hand. Senk-
rechte Fugen sind nicht vorhanden.
Die Komposition beider Platten ist ganz
symmetrisch. Möglich wäre danach, daß
in der Mitte etwas ausgefallen ist. Aber
mit ihrer Deutung werden Sie doch auch
wohl recht behalten. Nur daß die Cista
rechts antik ist, macht mich bei der
Deutung des »Lümmels« bedenklich. Zu
der sich oben verzweigende Rebe wäre am
Ende noch der seltsame Sarkophag im
Vatikan — Heibig, Führers I n. 132 —
zu vergleichen. Mit der Datierung ins
4. Jahrh. sind Sie wohl allzu weit hinunter-
gegangen. Von einem Sarkophag werden
die Reliefs schwerlich stammen. Sie sind
ganz besonders unerfreulich.«
München. J. Sieveking.
349
Zur Sima von Palaikastro.
350
ZUR SIMA VON PALAIKASTRO.
Vor einigen Jahren konnte ich zu meiner
Überraschung feststellen, daß sich im
Münchener Museum antiker Kleinkunst
das 0,127 hohe Fragment einer Wiederholung
der Ton-Sima von Palaikastro ') im Museum
von Kandia befindet (Abb. i). Ein Ver-
gleich mit den Maßen der letzteren im
Münchener Gipsmuseum überzeugte mich,
daß beiden die gleiche Form zugrunde
liegt. An dem Münchener Exemplar sind
nur die Einzelheiten etwas schärfer erhalten
geblieben. Sein Ton ist grob, von rot-
Abb. I. München, Museum antiker Kleinkunst.
brauner Farbe und mit Glimmerstücken
durchsetzt. Von einem Überzug sind keine
Spuren vorhanden.
Als ich meine Beobachtung kürzlich
P. Jacobsthal mitteilte, konnte er mir seiner-
seits mit der von ihm erkannten Wieder-
holung eines andern Teiles der Sima im
Louvre aufwarten (Abb. 2) und stellte
mir freundlichst die von ihm gemachte
photographische Aufnahme und seine Notizen
zur Verfügung, da wir beide der Ansicht
waren, daß eine Bekanntmachung der beiden
Fragmente nützlich sei: Das Pariser Stück
(Louvre C. A. 595) »Don de M. Pringault«
stammt aus Melos und ist 22 cm hoch,
') Savignoni, Rom. Mitt. XXI 1906 Taf. II; Koch,
Rom. Mitt. XXX 1915, 40. Erwähnt bei E. Douglas
van Buren, Figurative Terracotta Revetments in
Etruria and Latium S. 57. Karo, Pauly-Wissowa
Art. Kreta Abs. 38.
16 cm breit und 3,9 cm dick. Der Ton
ist ziegelrot, ziemlich grob, glimmerig,
auf der Vorderfläche mehr ledergelb, weil
mit feinerem Ton überzogen. Als einzige
Farbspur findet sich in der Ritze zwischen
Schildrand und Helm starkes Grün. Das
Stück ist erwähnt von Mendel, Cat. d.
sculpt. d. Mus. imp. Ottomans I S. 281.
Die Maße stimmen wieder genau mit
denen der Sima von Palaikastro überein,
so daß die gleiche Form für beide ange-
nommen werden muß. Rechts ist ein
\\
Abb. 2. Paris, Louvre.
Teil der Abschlußkante erhalten; wichtig
ist das Fragment wegen der guten Er-
haltung des Kriegerkopfes, der auf dem
Kretenser Exemplar stark zerstört ist. Links
ist noch eine Umrißspur des Rundschildes
erkennbar, den der zweite Krieger trägt.
Der Fundort Melos erscheint bei der Nähe
Kretas nicht besonders verwunderlich, merk-
würdiger ist, daß das Münchner Fragment
aus der von König Ludwig I. erworbenen
Sammlung der Gräfin Lipona, der ehemaligen
Königin von Neapel, stammt, die nur
Stücke süditalischer Herkunft enthält. Ein
solch kleiner Brocken kann aber dorthin
natürlich leicht auch erst in neuerer Zeit
von auswärts gekommen sein, so daß man
351
Eine Darstellung des Seneca.
352
nicht an antiken Import aus Kreta zu
denken braucht.
München. J. Sieveking.
EINE DARSTELLUNG DES SENECA?
Im Münchner Privatbesitz, bei Herrn Dr.
Paul Drey, befindet sich das hier Abb. i mit
freundlicher Erlaubnis des Besitzers nach
einem Abguß wiedergegebene kleine Relief-
fragment, dessen Kenntnis ich Arndt verdanke.
Abb. I.' München, Privatbesitz.
Das Material ist giallo antico, die Höhe
beträgt 0,06, Herkunft Italien. Die glatte
Begrenzungsfläche des Reliefgrundes ist
auf der rechten Seite vollständig, oben
und unten zum Teil erhalten, die Rück-
Seite ist ebenfalls geglättet. Links ist ein
Stück des Steines fortgebrochen, nicht viel,
wie man nach der Höhenausdehnung des
Reliefs annehmen darf, wohl nur etwas
Hintergrund und die Unterschenkel des
Mannes, auf den sich also die Darstellung
in der Hauptsache beschränkt haben wird.
Er sitzt nach rechts gewendet auf einem
Steinblock, Spuren neben dem rechten
Arm scheinen darauf hinzudeuten, daß
auch der Hintergrund felsig gedacht war.
Die Gewandung besteht in einem Mantel,
der den Unterkörper einhüllt und auf der
linken Schulter aufliegend Brust und Arme
freiläßt. Ein Stück der Brust und der
linke Oberarm sind ausgebrochen. Der
rechte Arm stützt einen Knotenstock auf,
den auch die linke im Schoß liegende
Hand anfaßt. Der Kopf lehnt sich mit
der rechten Wange gegen die rechte Hand
an. Es ist ein alter Mann, wie die welke
Brust, das schlaffe Gesicht und der faltige
Hals zeigen. Das ausdrucksvolle Ge-
sicht mit der gebogenen Nase ist bart-
los, der Oberkopf kahl. Stock und Mantel-
tracht zusammen charakterisieren unzwei-
deutig den Philosophen, zu dem aber das
Fehlen des Bartes wenig passen will. Nun
scheint mir der Kopf einen ausgesprochen
römischen Typus zu verraten und außer-
dem eine große Ähnlichkeit mit dem
Seneca der Berliner Doppelherme ') auf-
zuweisen, nur daß in dem Relief das
Greisenhafte noch stärker betont ist 2). Mit
dieser Identifizierung der Person löst sich,
glaube ich, auch der eben angedeutete
Widerspruch. Seneca war trotz seiner
philosophischen Schriftstellerei kein Philo-
soph im eigentlichen antiken Sinne, diese
Benennung unterscheidet ihn nur bequem
von seinem Vater, dem Rhetor. Ich halte
es für ganz ausgeschlossen, daß ein Staats-
mann der claudischen Zeit, der auch das
Konsulat bekleidete, einen Philosophenbart
getragen hat, wie Roßbach 3) aus der
Frage in den Epistulae 48, 7 in hoc barbam
demisimus? schließen möchte. Der ganze
Brief ist eine Betrachtung über die wahren
Aufgaben der Philosophie, und die Fragen
am Anfang desselben legt Seneca den
Philosophen in ihrer Gesamtheit in den
Mund. Aber wie man ihn in der
Doppelherme mit dem Sokrates verbunden
hat, so konnte man ihn auf Grund seiner
Schriften auch ebenso passend in der
Philosophentracht mit Mantel und Stab
verewigen. Man hat allerdings auch gemeint,
die Namensaufschrift der Herme beruhe
') Arch Ztg. i88oTaf. 5; Beraoulli, Rom. Ikonogr.
I S. 278 ; Kurze Beschreibung der antiken Skulp-
turen im Alten Museum 1920 Nr. 391.
^) Die Ähnlichkeit kommt der Verkürzung des
Kopfes wegen in der Photographie nicht so zur
Geltung wie in Original und Abguß.
3) Pauly-Wissowa I. 2244.
353
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Juli-Sitzung 1921.
354
auf einer Verwechslung in antiker Zeit,
da sich die den Kopf auszeichnende Fülle
nicht mit der Überlieferung über Senecas
Äußeres in Einklang bringen ließe'). Ich
habe alle hierfür angeführten Stellen nach-
geprüft und kann aus ihnen nichts ent-
nehmen, was dazu nötigen würde, in der
Hermenbüste eine andere Person zu er-
kennen als die Inschrift angibt. Er wurde
viel von Krankheiten heimgesucht, haupt-
sächlich katarrhalischen Affektionen (destil-
lationes) und Asthma (suspirium). Erstere
waren besonders in der Jugend so heftig,
daß er stark abmagerte (Ep, 78, i) und
unter Caligula für einen Phthisiker gehalten
wurde. Bernoullis Behauptung, daß er in den
letzten Jahren ganz abgemagert war (vgl.
auch Baumeister, Denkmäler III 1 64 7), ist aber
willkürlich. Tacitus (Annal. 15, 63) sagt
bei der Schilderung des Selbstmordes nur,
daß der greisenhafte Körper durch karge
Lebensweise, zu der ihn begreiflicherweise
seine Gicht zwang, so geschwächt gewesen
sei, daß das Blut nur langsam aus den
geöffneten Adern entwichen sei. In dem
Hermenkopf ist das Greisenhafte angedeutet,
wer will, mag auch den Asthmatiker er-
kennen. Es ist keine Arbeit des ersten
Jahrhunderts nach Chr., wie in der letzten
Behandlung im Berliner Museumsführer
behauptet wird, sondern des dritten, die
Haararbeit weist etwa in die Zeit des
Maximinus Thrax und der Gordiane. Unser
Relief, eine flotte nicht ins Detail gehende
Arbeit, dürfte früher entstanden sein, doch
wage ich nicht zu entscheiden ob es dem
ersten oder zweiten Jahrhundert angehört,
für letzteren Zeitansatz würde die Angabe
des Augensternes sprechen, die ich am
Original zu erkennen glaube. Eigentümlich
ist, wie der Rücken des Mannes und der Sitz
über den Grund seitwärts hinausgreifen, da-
durch mutet das Stück fast wie die Nach-
ahmung eines Cameo an.
München.
J. Sieveking.
') Rofibach a. a. O, M. Schanz, Rom. Literatur-
gesch. ä II, 2 S. 287,
ARCHÄOLOGISCHE GESELLSCHAFT
ZU BERLIN.
Sitzung vom 5. Juli 1921.
Herr Sund wall sprach über die kre-
tische Schrift. Auf Grund von Auf-
zeichnungen kretischer linearer Schrift-
täfelchen, die der Vortragende in den Jah-
ren 19 13 und 19 14 in Kreta hatte machen
können, gab er die Resultate seiner Unter-
suchungen über diese Schriftsysteme, von
denen das sogenannte A-System das ältere
ist und für das ganze minoische Kreta
belegt, während sich daraus durch eine
Reform in dem umgebauten Palast in Knos-
sos das B-System entwickelt hat. Die
zahlreichen Übereinstimmungen zwischen
Zeichen des A-Systems und dem cyprischen
Syllabar-Alphabet weisen auf eine Über-
tragung gerade des älteren linearen Systems
nach Cypern. Dagegen können keine Beweise
für die Coexistenz einer der minoischen
verwandten Schrift in Kleinasien aufgebracht
werden, aus welcher die sog. epichorischen
Alphabete der Karer, Lykier, Lyder ihre
Komplementärzeichen bezogen hätten.
Nicht einmal für das griechische Festland
ist die Ausübung einer eigenen prähistorischen
Schrift bezeugt, denn die dort gemachten
Schriftfunde haben durchaus kretischen
Charakter. Die Entstehung der kretischen
Schrift findet durch die mannigfachen
Übereinstimmungen mit ägyptischen Hiero-
glyphenzeichen ihre Erklärung. Wenn die
großen älteren Paläste in Mittelkreta am An-
fang der mittelminoischen Epoche entstehen,
scheint sich hier aus den nach ägyptischen
Mustern üblichen Siegelbildern eine Art
ideographischer Schrift zu entwickeln, die
hieroglyphische, die dann zum Zwecke
der Rechnungsführung und Inventarisierung
sich zur picto graphischen entwickelt.
Durch eine Reform entsteht auf dieser Grund-
lage in den neuen Palästen um 1600 die
Linearschrift. Diese Reform zeigt einen
gesteigerten Einfluß von seiten der ägyp-
tischen Hieroglyphen her, nicht nur betreffs
der Zeichen, sondern in dem ganzen System,
wie bei der Gestaltung der Zahlzeichen,
Verwendung von Determinativen, Ideo-
grammen abwechselnd mit Zeichen von
355
Archäologische Gesellschaft zu Berlin. November-Sitzung 1921.
356
Lautgruppenwert. Daneben sind aber auch
einheimische Neuschöpfungen zu beobachten.
Der gesteigerte ägyptische Einfluß in der
Schrift fällt gerade mit den regeren Be-
ziehungen zwischen Kreta und Ägypten in
der Hyksoszeit zusammen. Der Inhalt
vieler Täfelchen ergibt sich aus der Zu-
sammenstellung der ideographisch gegebenen
Gegenstandszeichen mit ihren Zahlen ; es sind
hier Inventarverzeichnisse, in denen gewisse
Zeichengruppen als Besitzer oder Lieferanten
deraufgeführten Gegenstände anzusehen sind,
während andere Zeichen Besitzworte, andere
wieder Summierungsphrase, andere den Auf-
bewahrungsort bedeuten mögen. Einige
knossische Täfelchen geben ganze Listen
von Männer- und Frauennamen. Die Haupt-
bedingung für eine Enträtselung der kretischen
Schriftdenkmäler bleibt natürlich ihre voll-
ständige Publizierung, die nach 20 Jahren
noch nicht erfolgt ist.
Hierauf hielt Herr Schede seinen Vor-
trag: Zu Philiskos, Archelaos und
den Musen, dessen Erscheinen in den
Römischen Mitteil. XXXV 1920 bevorsteht
In einer außerordentlichen Sitzung
am 12. Juli 192 1 sprach Herr Bosch-
Gimpera über Probleme der iberi-
schen Archäologie.
Sitzung vom i. November 1921.
Herr Strzygowski (als Gast) sprach über
»Die Bedeutung der armenischen
Kunst für die europäischeKultur«. Der
Vortragende gab der Freude Ausdruck, in-
mitten alter Arbeitsgenossen sprechen zu
dürfen, und dankte der armenischen Gesandt-
schaft, insbesondere dem Geschäftsträger Dr.
(Greenfield für die Ermöglichung dieser Ver-
anstaltung. Er führte dann an der Hand
zahlreicher Lichtbilder die Typen des
armenischen Kuppelbaues über dem Qua-
drat mit Konchenverstrebung und seiner
Ausstattung vor. Dieser denkmalkundlichen
Einführung folgte eine kurze Betrachtung
des Wesens der armenischen Kunst. Dann
trat der Vortragende in seine eigentliche Auf-
gabe ein, die aus den Entwicklungsfragen im
besonderen die der Ausbreitung nach Europa
hin ins Auge faßte. Die Wirkung des
neuen selbständigen Stammes christlicher
Kunst läßt sich zunächst in dem Auftreten
vereinzelter Kuppelbauten über dem Qua-
drate oder von um das Sechs- oder Acht-
eck gruppierter Konchen im Bereiche
Italiens, des Frankenreiches und auf dem
Balkan beobachten. Es sind alle jene be-
kannten Bauten, deren Erscheinen rätsel-
haft war und die sich nur schwer aus
der hellenistisch-römischen Überlieferung
erklären ließen; beginnend mit der Minerva
medica, dem Grabmale des Theoderich
und S. Lorenzo in Mailand bis zu Germigny-
des-Prds von 806. Der Vortragende zeigte
dann, wie die Ausstattung dieser Bauten,
ferner der northumbrischen Hochkreuze und
der ältesten germanischen wie einzelner
karolingischer Handschriften ihre ausge-
sprochenen Parallelen in den armenischen
Denkmälern hat. Er wies weiter auf
Einzelheiten der romanischen Ausstattung,
wie des Bogenfrieses und Würfelkapitells,
hin, die mit zum ältesten Typenschatze
Armeniens gehören, und hatte gleich am
Anfange auf die Vorbildung des Gotischen
in den Bauten des Hofarchitekten Trdat
aufmerksam gemacht, deren Inschriften be-
zweifelt wurden, weil man nicht an das
Auftreten solcher Formen um das Jahr
1000 glauben wollte. Endlich stellte er
den Grundriß der Peterskirche in Parallele
mit dem Rhipsime- und dem Typus der
Apostelkirche in Ani und knüpfte daran
den Hinweis auf die seit langem um-
strittene Anwesenheit Leonardos in Armenien.
Zum Schluß berührte der Vortragende noch
mit ein paar Worten die Frage des Ur-
sprunges der armenischen Kirchenkunst und
der Kuppel mit Trichternischen über dem
Quadrat, zog das volkstümliche Haus Irans
heran und endete mit dem Hinweis auf
die Möglichkeit, daß wir auf dem Wege
solcher Ursachenforschung bis in die arische
Urzeit zurückgelangen könnten. Bezüg-
lich des letzteren Punktes entspann sich
eine Debatte, in der Herr Schuchhardt
im Wege der Umbildung für den südeuro-
päischen Ursprung des quadratischen Haus-
typus eintrat, während Strzygowski, unter-
stützt von Herrn Dragendorff, diese Bau-
form als im Norden belegbar dartat und
ihre selbstständige Entstehung für nicht un-
wahrscheinlich ansah.
-- J
357
H. N. Ulrich's Nachlaß. — Zographos-Stiflung. — Eduard Gerhard-Stiftung.
■358
Sitzung vom 10. Dezember 1921.
Den Festvortrag am 81. Winckelmanns-
fest hielt Herr Studniczka aus Leipzig
(als Gast) über Archäologisches aus
Griechenland. Der Vortrag ist oben
Sp. 308 fif. abgedruckt.
H. N. ULRICHS' NACHLASS.
Der handschriftliche Nachlaß von Hein-
rich Nicolaus Ulrichs, über den Rhein. Mus.
LXXIII 1920, 273 ff. berichtet wurde, ist
als Geschenk seines Enkels Geheimrat Adolf
Passow in den Besitz der Bibliothek der
staatlichen Museen übergegangen.
Berlin. Erich Preuner.
ZOGRAPHOS- STIFTUNG.
Der Einlieferungstermin für die Bear-
beitungen der ausgeschriebenen Preisaufgabe:
»Das Unterrichtswesen im byzantinischen
Reiche vom Zeitalter Justinians bis zum
15. Jahrhundert« ist auf den 31. Dezember
1922 verlegt worden.
Bayerische Akademie der Wissenschaften
EDUARD GERHARD -STIFTUNG.
Das Stipendium der Eduard Gerhard-
Stiftung ist Herrn G. v. Lücken für seine
Arbeiten auf dem Gebiete der frührotfigu-
rigen attischen Vasenmalerei verliehen
worden.
INSTITUTSNACHRICHTEN.
Vom Jahrgang XXXVII 1922 ab kommt
bei dem Jahrbuch des Instituts und dem
Archäologischen Anzeiger das Honorar für
Beiträge in Fortfall. Auf besonderen Wunsch
können den Herren Mitarbeitern über die
übliche Zahl von 25 Sonderabdrücken
hinaus weitere 10 Exemplare unberechnet
geliefert werden.
REGISTER.
I. SACHREGISTER.
Die Spaltenzahlen des Archäologischen Anzeigers sind kursiv gedruckt.
Abkürzungen: Br(n) = Bronze(n). G(n) *= Gemme(n). Gr = Gruppe. L =» Lampe. M =» Marmor. Mos(en) « Mo8aik(en).
Mze(n) — Münie(n). Rel(s) = Relief(s). Sk(e) — Sarkophag(e). Sp — Spiegel. Sta(n) — Statuc(n). Stte(n) = Statuette(n).
T(n) = Terrakotten. V(n) = Vase(n). Vb •= Vasenbild. Wgm — Wandgemälde.
Abruzzen, Grabreis aus den — 125
Achills Zug nach Leuke (?), MRel2J7; Kampf um
die Leiche des — , etr. Urne 82; — u. Penthesi-
leia (?), MGr 216.
Adernö I73ff., 197 f.
Ägypter, mit griech. Kopftypus, Stützfigur (?),
Br in Dresden 2 34 ff.
Ägyptische Steinschalen 134; — Reis als Vor-
bilder der Wiener Busirisvase 12 ff. ; gräzisierende
Reis des Petosiris-Grabes 263 ; ägyptisierendes Rel.
aus Aricia 217 f.
Akant hosformen an Kapitellen 71 m. A. 2; akanthi-
sierende Blattkelche an hellenistisch-syrischen
Säulenbasen in Seeia 285'
Akrai, »Santoni« J72; Fimde igs
Akroter vom Artemistempel in Magnesia a. M. 71^;
— (?), Nike, Tyndaris 198
Albaner See, Villenanlagen am — 121
Alexander d. Gr., Sta aus Kyrene 2^; Weihung
eines Sarapisheiligtums durch — 4 f.
AlSxandrinische Nilszenen 264
Alkamenes 213 f.
Alphabet von Magre 43
Altar, RomrOJ; SulcisSrS; mit Krateutai, Syrakus
iy8, 180; Fels — auf oscilla 40 f.; tönerne — e aus
Alexandria iii'; römische Tisch — e (foculi) 113 f.;
Altärchen (arulae), T, westgriechische 153, 15J,
164, 166 f., 168, i6g, 171, 172, 203
Ammonkopf, als Griff einer BrLampe 130; auf
oscillum 40 0
Amphitheater von Arezzo 92, Libama 36,
zweites — in Pozzuoli 126
Amulette 37, 30, 34, 58, 61, 224
Ancona, Funde 62. Vgl. Museen
Ancus Martius, Bruchstück eines Elogium auf — ,
aus Ostia 226
Annageln (TrpoSTtossaXe'JEiv), als Strafe 247
Antefix: Gr eines sitzenden u. eines stehenden
Jünglings, T, aus Arezzo go; figürliche — e vom
Tempel des Antoninus u. der Faustina lOI
Antenumrahmung von Weih- u. Urkundenreis 2'
Antikythera, Fund von — 333 ff.
Antinous als v^o; Il'iöto«, mit Dreifuß 181
ä<p(5pusi{ 166 f., von Dreifüßen 168
Aphrodite, knidische, Wiederholungen in den
Magazinen des Vatikan 262 ; — torso von Kyrene,
Rom 244; MStte aus Thasos 301 /.; — (?) Bruch-
stück eines Torso, T, aus Arezzo 86; praxitelischer
— köpf, Vatikan 262; — ( ?) u. Eros, auf oscillum
405=
Apollon, TSta aus Veji 73, 74 5.; — köpf aus Sezze,
M. 2l6; — (?) auf oscillum 405>; — u. Demeter (?)
neben Altar, Rel aus Akrai 195; — u. Marsyas,
auf oscillum 4054; — , auf Dreifuß 149'; Beziehun-
gen des Dreifußes zu • — 158 S.; Dreifuß als Weih-
gesch. u. Attribut des — I75 ff.; — als Gott der
Kolonisation 161^; auvousfa — s mit der Pythia
172»? »Apollines« TStten u. Reis, Medma 160
Apostel, zwölf, (?) Wgm JJ2; — gräber unter S. Se-
bastiano, Rom 115 f.
Apulien u. Calabria, Funde 141 f.
Aquileia, Grabungen 44; oscilla aus 35
Ära Pacis 67
Archaistische Figuren auf oscilla 43
Archäologische Doktordissertationen 264ff.
Architektur, hadrianiscbe 233; Tonnengewölbe u.
Kreuzgewölbe in der römischen — 32 f,
Arezzo 83 ff., 92
36i
Register.
362
Argos, Ostgiebelgr. des Heraions 333; BrDreifüße
aus dem Heraion 124; Tn aus dem Heialon 288 ff.
Aticia, Göttin von, MSta 215 f-, 261
Aristionstele 8 Anm.
Armamentarium der Schutzmannschaft von Pom-
peji 131 f.
Armenische Kunst 355 f-
Artemis, archaisches Rel aus Selinus lyi; mit Drei-
fuß, auf Mzn 181
Arvaltafeln 226
Asarhaddon, Stele des — in Sendschirli 87
Asklepios »Giustini«, MSta aus Rom 100 f.
Assyrien, dreifüßige Altartische 114
Astragale 150, 165, 169, 197
Athen, Akropolis 31 5 ff. \ Agrippapostament 3iy;
Lysikratesdenkmal 318 ff.; vorgeschichtl. Mauern
260; Odeion des Perikles 321; Olympieion 65, 77;
Tripodenstraße 321; BrDreifüße von der Akro-
polis 125 f.; Dreifuß im Pythion am llissos 168.
Vgl. Kapitell. Parthenon
Athena ohne Ägis, MSta, aus Antium 216; Stücke
einer elfenbeinernen — sta, Vatik. Bibliothek 224;
BrStte aus Kamarina IQJ; TStn, Medma 160;
■ — auf oscillum 405' ; Kopf der myronischen ■ — ,
Vatikan 262 ; TKopf aus Arezzo 86 ; Kopf aus Ky-
rene 244; Kopf, M, aus Thasos 2gg
Athenageburt, rf. Vb 154
Athlet, Sta aus Kyrene 244; — en, TStten, Medma
160; Kopf aus Perinth, Wiederholung mit Satyr-
ohren, Vatikan 262
Attika mit Pilasterarchitektur, Pantheon u. Petra
255 t-
Augenbildung an archaischen Skulpturen 232 f.
Augustus, MSta aus Korinth 338
Bakchische Darstellungen auf oscilla 40 ff.
Barrekub, Orthostateninschrift des — in Sendschirli
87, 94 f.
Basis, korinthische, aus dem Apollotempel von Phi-
galia 58, 59; glockenförmige persische 285 m. A. 2;
des Ambo aus Saloniki 245
Bauopfer in der »Basilika« bei Porta Maggiore in
Rom JOJ; in Croccia-Cognato J.^0 ; — (?), SO.-Bau
am Forum Romanum 12
Befestigungen von Kaulonia 16 5, von Nuceria
170; des Dionysius, Syrakus 181 ff.
Beine, menschliche, als Gerätfüße io63
Beinschienen mit Herakles' Löwenkampf in Rel57
Beleuchtung, nächtliche Straßen — in Pompeji JJJ
Belmonte Piceno, Grabfunde 56ff.
Bemalung an den Stan der Terrakottagruppe von
Veji y5; an Votivrel in Eleusis 4 f.
Bergkristall, Kinderkopf aus 115
Bernstein, Ancona 58, Belmonte Piceno 58, Cupra
61, Lukanien 140 f. ; Temi 50
Betender kniender Knabe, BrStte, Lokri 149
Blei : Barren aus Magre 45; Defixionen, Selinus 20J;
Geldbörse 230; bemalter Greifenkopf aus — 53;
Sarg, Catania J92
Bogen s. Triumphbogen
Boghazköi 94"
Bologna, Funde 46
Boscorcale, Silberschatz 100
Branchos, mit Dreifuß i8i'
Bronzen, 1914 — 20 in Italien gefundene Klein —
218 ff.; Barren, Sardinien 212; Geräte u.
Gefäße: aus Belmonte Piceno 59 /., aus Lokri J.^^^,
aus Olbia (Sardinien) 224, aus Pompeji 258 f.;
Hände, mit Unterarm, Lokri 14g f. ; pferdeführen-
der Krieger, aus Belmonte Piceno, u. im Mus. v.
Pesaro 5g f. ; Kandelaber aus Lokri 153 ; Kopf aus
Delos, Porträt d. 3. Jh. 338; Lampe, Pompeji JTJO;
BrSchale aus SchapL-j-dere 347; ■ — n aus Medma
163; Scheibe, durchbrochene: halbkniender kampf-
bereiter Mann, Lokri J49; Schaufel von Padua,
mit »euganeischer« Inschrift 43; Statuetten: ar-
chaische, mit ägyptischem Schurz, Dresden 23.^^.,
Ephebe, aus Adernö 174 f-, Frau, mit Alabastron
u. Taube, aus Medma 163, Herakles, von Kande-
laber- oder Kottabosbekrönung 81, aus Alife 221,
»Kuros«, in Stockholm sjj;?., Sikuler, aus Adernö
173; Widder in Palermo 171
Brunnen : Lauf — mit Rel eines Stierkopfes,
Pompeji JJJ; — figur, Satyr mit Schlauch, M 216
Büste, im Giebelfeld eines Grabsteins 46; männl.
flavische, Rel von einem Grabe 217; bronzene — n
von Klappdreifüßen 108
Caere, Funde 65 ff.
C. u. L. Caesar (?), Porträtstan aus Korinth 338
Cagli, Bronzefund von — 220 f.
Calabria, Apulien und — , Funde 141 f.
Caletra s. Marsigliana
Caligula, Palast des — , Rom 29
Callipolis (?) in Lukanien 140
Campanareliefs 36, 41''
Campanien, Funde I25ff.
Canopus, bemalter, aus Chiusi 78
Cardelli-Rels in Rom 347
Carrara, Werkzeuge für Marmorbearbeitung g2
Castellina di Chianti, Grab auf dem Monte-
calvario 6g
Castra Albana 122
Catania, Grabimgen 191 f.
363
Register.
364
Charinos, Rhytonfragment des gs
Chariten, Gruppen der drei — , aus Kyrene 244
Chi OS, als Fabrikationsort sog. naukratitischer
Ware 248
Chiusi, Gräber mit Gemälden 77 f.
Christus- Stte im Thermenmuseum 261
Chryselephantine Technik an einem Stab aus
Lokri 151
Cicade, elfenb., als Fibelbügel 144
Cippen aus Corneto yg; Este 42; Grenz — aus Ostia
226; aus Rom gg
eiste: Rippen — n J99
Columbarien vor Porta Salara, Rom J14, IIS\
unter S. Sebastiano 116
Commodus u. Crispina als Mars u. Venus, Kolossal-
gruppe, M, aus Ostia 217
Corchiano, Höhlen bei pj, Funde 96
Corneto, bemalte Gräber 7g
cortina 145
Crispina s. Commodus
Cupra 60 f.
Dach : Ziegel-, erhaltenes, in Pompeji 131
Dea Cupra, angebl. Stte der — -59; Heiligtum der
— 60 f.
Defixionstafeln, Este 42 f., Messina igj, Pom-
peji 136
Delphi, Grabungen 323; Orakel 161 ß., i68ff.;
Nichtexistenz des Chasma 172; Giebel des Knidier-
schatzhauses 164; kor. Kapitelle von der großen
Tholos (?) 55 f.; Tänzerinnensäule 130; Bronze-
dreifüfle aus — 124
delphica, mensa delphica 1 48 f.
Delphin, elfenb., als Fibelbügel 144
Delta (Buchstabe), alte Form des — 343
Demeter u. Isis, auf Sarapisrel in Hildesheim J;
■ — (?) u. Apollon, Rel aus Akrai J95
Diadumenos, Replik des, BrStte 221
Dijidii u. Macolnii 226
Diogtnes-Stte, Fragm. im Vatikan 262; Karyatiden
des — im Pantheon 250, 2^1, 253
Diomedes, auf oscillum 405'
Dione, mit Dreifuß, auf Mzen 184
Dionysos (»Sardanapal«) 332 f.; — vor Felsaltar, i
auf oscillum 41; — Therme auf oscillum 34, 41, 44; i
— mit Dreifuß 182 f.; Kopf aus Kyrene 243 f.
Dipinti, griechische, in Pompeji 136
Diskophoros, Stele des — 8 Anm. '
Diskos, eiserner 184
Domitian, Bautätigkeit 22; domitianischer Emp-
fangspalast am Forum Romanum 9 fi. j
Domus de Gianas, in Sardinien 210, 214
Dreifuß: Formengeschichte 98 fi., Terminologie
141 fi., religionsgeschichtliche Beziehungen 151 ff. ;
als Weihgeschenk und Attribut Apollons 1758.;
Beziehungen zu anderen Göttern als Apoll 181 ff.;
als Sitz der mantischen Kraft 162, 170 3.; als
mantisches Gerät im allgemeinen und als Symbol
der Mantik 1778.; Bedeutung im delphischen
Orakelbetrieb 168 ff.; Dreifuß = delphisches
Orakel 164; mythische — e 175, 175*; — im Sagen-
komplex der sieben Weisen 158 ff., Kyrenesage
160 f.; als Hausgerät, Wertgegenstand usw. 152;
als Siegespreis 152 fi., als Weihgeschenk 155 f.,
als Siegessymbol 1560., als Wappen, auf Ziegel-
stempel u. Siegel 176; auf röm. Grabaltären 177';
dekorativ verwendet 185; Tönen des — 173'; « —
von Kamarina« 138; » — aus dem Isistempel«,
Neapel 1178.; »Loebsche — e« 107'; — raittel-
stützen 129; — pyxi=, Formentwicklimg ioi5;
— raub. Sagen vom — 161 ff.; — Statuen 1390.;
» — vase von Tanagra« 102
Drusus III. (?), Porträtkopf aus Korinth 35S
EberzöÄne, als Amulette J7, 61 \ — knocken als Opfer-
residuen lOI
Echelos und Basile, Rel 2'
^YTfuih^xTj 141
Ehepaar, auf röm. Grabstein 46; schildförmiges
Doppelporträt, röm. 303 ff.
Elektra am Grabe, Spiegelgrifi, Lokri 147 f.
Eleusis, Mysterienheiligtum von 322 f.
Elfenbein: Stücke einer Athenasta, Vatikan. Biblio-
thek 224 ; —gegenstände, in Belmonte Piceno 5^ /• ;
Amulette, Terni 50; figürliche — bügel an Fibeln
144; Griff einer Stoßwaffe: Minervakopf J52 ; Hörn
mit Goldblechbeschlag 224; Stab mit ion. Frauen-
figürchen, vergoldet, Lokri 151; Verschlußflügel
eines Kästchens, aus Medma 162
Elogium, Bruchstück eines — ; auf Ancus Martins,
vom Augustusforum (?), aus Ostia 226
Ephebe, BrStte aus Adernb 174 f.
Ephesos, Rundbau, Akanthosform 71'; Kopf vom
Artemision, Brit. Mus. 232 f.
Epidauros, Giebelbruchstücke vom Asklepios-
tempel 333
Eretria, Giebel von — in Chalkis 323
Eros, auf osciUa 409, 40*°; — mit Dreifuß 182
Este, Grabungen 40 ff.; Mos m. Inschrift 227
Etrurien, Funde 62 ff.
Euganeengebiet 39 f.; Sprache u. Alphabet der
»Euganeer« 43 f.
Europa auf dem Stier, Spiegelgriff, Lokri 14S f.
exverriator 246
365
Register.
366
Fabelwesen auf oscilla 42*°
Fackel, auf Rel in Eleusis 2, 3 f., 5; — n, auf oscilla
u. rechteckigen dekorativen MRels 42
Faliskerland, Funde im 93fi.
Farbreste an Votivrel in Eleusis 4f. ; an den Met-
open von Selinus 201
Feldzeichen (?), bronz. Vogelleib 37
Fenster im SO.-Bau am Forum Romanum 13, 15,
17, 26; in Sendschirli 93 f.
Fiano Romano, Sarg mit Fieberverfiuchungen für
Grabfrevler 92
Fibel, goldene, aus der Marsigliana 68 f., desgl.,
Terni 50; Kaulonia 168, Lokri und Medma 144,
164; Eisen — n, Belmonte Piceno 57i 58
Firusabad, Ruine 2^4
Fischer, heilenist. MSta, Rom 216
Flußgo«, liegender, Rel I2y; — küs, als Unterlage
in Gräbern 60
Flöte, Lokri J52
foculi 113 f.
Form, T, kämpfender Krieger 221 f.; T, weibl.
Kopf 297
Forma Urbis, Fragment mit SO.-Bau am Forum
Romanum 31
Francavilla, messapische Gräber bei — 141
Frau : stehende, früharchaische TStten 2go\ früh-
hellenistische MSta aus Sezze 2l6\ auf Kline schla-
fend, MGrabsta, Rom «7; BrStte aus Este 279 /.;
Bus e, M, röm., aus Albano 2J7 ; Kopf, archaischer
(E-V 752/53) 777, mit phryg. Mütze, T, ArezzoiS9,
röm., aus Poggio Sommavilla 2iy
Funde u. Forschungen: Italien 1914 — 20: 34 ff.
Gallia cispadana, Funde 44ff-; — transpadana,
Funde 36 ff.
Geldbörse aus Blei 230
Gemmen, und oscilla 43*''
Gerber, Stele eines — s 92
Eduard Gerhard-Stiftung 338
Gewandstatuen, weibliche, aus Rom J02; griech.
weibl. Stte aus Thasos 300 f.
Giebelfiguren, T, aus Velletri 124
»Gigant«, ithyphallischer, von einem Gegner rück-
lings gepackt, TStte, Medma j6l
Gipsabgüsse, Sammlung der — in der Univ.
Berlin 15 ff.
Gitiadas u. Kallon, Dreifüße in Amyklai 129, 139 f.
Gitterverschluß eines Saales, Pompeji 132
Gladiatoren, Rel 123; Mos 707; » — tesseren«,
Syrakus i8q
Glasgefäße 54, 83, 126, 214, 224
Golaseccakultur J5, 36
Gold: Fibel Corsini 68 f.; — schmuck, Pompeji
J29, Syrakus 185
Gorgo, archaisch, TPlatte aus Syrakus 180
Gorgoneion, auf oscilla 40; Elfenbein 58
Göttin von Aricia, MSta, Rom, Thermenmuseum
213 /._, 261 ; Oberkörper einer kretisierenden — ,
Syrakus 181; BrBüjte, vom Schmuck eines Bug-
spriet, aus Centumcellae 22l'
Grab : des Petosiris, bei Derwe 262 f.; bemaltes, von
Niausta 24y, Verbrecher — im Phaleron 246 f. \
Gräber: Belmonte Piceno 56 ff.; Schacht — v.
Mykenae 314 ; Pompeji 133 ff. ; Rom log ff. ; — , dar-
gestellt auf dem Sk v. Torre S. Severe 80;
griechisches • — ^wesen 243 ff.
Grabaedicula, Unterbau einer frühhellenistischen
dorischen, Catania J92
Grabaufsätze, Caere 68; Lokri Epizephyrii 143
Grabmal der Julier in Saint-Remy 6; Kapitell
vom — der Tibicines 68 ff.
Grabmalereien: Chiusi 77 !■' Cometo 79'> Via
Ostiensis, Rom HO
Grabrelief, attisches, New York 247; — s aus den
Abruzzen J25
Grabstein des T. Faesellius Onager .^6
Grabstele, gemalte punische, aus Lilybaion, in
Palermo J73, 204; — n, in Büstenform, Bologna
und Pompeji 133 f.
Grabtürme, aramäische 286^
Grammichele, Funde J96/.; — , archaische Rip-
penciste aus — igg
Greifenkopf, bemalter, aus BleiJJ; — e auf Fibel,
Terni 30
Griechenland, Archäologischer Bericht aus —
308 ff.; Literatur über topographische Unter-
suchungen u. Ausgrabungen 239 ff.
Grotta airOnda (bei Casoli) 62 f.
Gruppe, archaische T. — aus Veji 7J ff., 237; sitzen-
der Jüngling (Antefix), T, aus Arezzo go; Achill
u. Penthesileia (?), M Kolossal — , Rom2j6; Com-
modus u. Crispina als Mars u. Venus, M Kolossal —
217; — n der drei Chariten, aus Kyrene 244
Gythion und die Dreifußraubsage 165
Hades u. Persephone, auf ctrusk. Sk 80
Hafen, Motye 203; — von Este, Rel. 41
Haller von Hallerstein 45, 47, 48, 52 f., Skizzen
des Phigalia-Kapitells 53 ff.
Hände mit Unterarm, Br., Lokri 149 f.; Hand-
haltung (gestreckt oder zur Faust geballt), in ar-
chaischer Plastik 231^
Harpyie, an Spiegelgrifi, Lokri 146
Hatra, Palast 97, Tempel 27*
367
Regfister.
368
Häuser in Ostia I18
Hebe (?), Stadt bei Magliano 6g
Hegias 2J5, 261
Helm aus Todi 52
Hera Farnese 215, 261; — , mit Dreifuß, auf Mze
184
Herakles über gefesselter Hindin, T.Sta aus Veji
73; Br.Stte 81, desgl. aus Alife 221; — Alexikakos,
Rel. in Boston 2'; auf oscilla 4033; mit Acheloos
kämpfend, Rel. auf T Arula, Lokri J5J; Löwen-
kampf, auf Beinschienen aus Belmonte Piceno S7\
über Flammen sitzend (etr. Sp.)53; Kerberosraub,
auf arretin. Becher l8g\ — u. Alkestis, Wgm, Rom
IIO\ — und die Dreifußraubsage 161 ff.
Herculaneum: Dreifuß im Brit. Mus. 117, 118 f.;
»Landschaftsbild« 43
Herme des Dionysos, auf oscillum 34, 41, 44; des
Herodes Attikos 33g ; — n, als Schmuck von Drei-
füßen iii5, 112; — ^nbüste des Seneca, Berlin
352 f-
Hermes, T.Sta aus Veji 74
Herodes Attikos, Inschriftherme 33g
Hilani 89 f., 97
Hildesheimer Silberfund, Dreifuß iii/.
Hindin, Streit des Apollon u. Herakles um eine - —
Tongr. aus Veji 74
Hirte, guter, Wgm II2
Höhle von Latrönico 137 f.; '^°^ Pertosa 138;
neolithische — n in den Apuaner Alpen 62 f. ; paläo-
lithische, bei Corchiano pj; in Istrien 44; — n
chthonischer Götter 172?
oXjAOC 1 50 f.
Holz, als Einfassung eines oscillums 39; — Stelen,
italische 135 f.
Homer, Kesseldreifüße bei 144; homerische Szenen,
Malereien in Pompeji I2g
Honig, auf den Scheiterhaufen gestellt 227
Hörn zum Blasen, Populonia 6^; elfenb., mit Gold-
bl^hbeschlag 224
Hund, Rel auf oscillum 34; — ebestattung, Pompeji
134
Hydrophoroi, TStten, Medma 160
Hygieia »Giustini«, MSta aus Rom JOO/.; Kopie
der — Hope 216
Hypaithron, am Tempel in Syrakus 1^8
ÜÄOXpTjTTjpßlOV 142
ÜTtdSTTjfia 142.
Idolino, Kopf in Basalt, Vatikan 262
Igeler Säule 288'
Ikonographie der sizilischen Tyrannen lyi
Iktinos 57, 58, 315 i
Iliupersis, Giebelgruppen von Epidauros u. Arges
333
Indische Baukunst 27S^, 284, 285'
Industria, Stadtanlage 43, BrDreifuß 109 f.
Inkrustation, spätantike, SO.-Bau am Forum
Romanum 27; im Irmeren des Pantheon 236
Institut, Deutsches Archäologisches in Athen
30g ff.
Institutsnachrichten 2^2, 358
Isis u. Demeter auf Sarapisrel in Hildesheim 3;
— typus mit dem »Isisknoten« 264
Istrien, Funde 44
Italien, Fundbericht 1914 — 20: 34ff. vgl. 241
»Italiker«, leichenverbrennende 35, 3g, 45, 48, 4g,
57^ 63, 65, 67, 70, 71
Italische Blechdreifüße 106; Kesseldreifüße 133 ff.
Itys, zwischen Prokne u. Philomela, etrusk. Sp. 81
Jagdhunde, Rel vom Sockel eines att. Grabnalskos
326
Jahresbericht des Deutschen Archäologischen In-
stituts für 1920: /
Jota, vierstrichig 342
Julis, Gesetz von 246
Jüngling, archaische BrStte in Stockholm 231 ff.;
— skopf, T, aus Arezzo 8g
Juno Palosticaria 22§
Kaiserkult, mit Silvanus verknüpft 226
Kalamu, Sohn des Haja(nu), Inschr. in Sendschirli
95
Kanal, SO-Bau am Forum Romanum 25, Vicus
Tuscus 31, in einem Grabe 82
Kandelaber, Br 37, 53, 224; Br u. Eisen 153
Kapitelle, klassische und italische 71 ff.; korinthi-
sche republikanischer Zeit 60 ff. ; kor. Normal —
61, Volutenbildung 633; mittelaugusteische, Blatt-
werk 67, Träger der Abakusblüte 68; vorkaiser-
zeitliche Normal— e 68 ff. ; Maßverhältnisse an
Normal — en 75 ff.; verschiedenartig ausgeführte,
an einem Gebäude 713
Kapitell, hellenistisches kor. in Alexandrien 72 ;
aus Aquileia 74; korinthisches, beim Theseion ge-
funden, Athen, Nat.-Mus. 6i3, 61*, 72 f.; der Ha-
driansstoa in Athen 60 f., 62 ff., des Olympieion
60 ff., 78, 82 f., 186; hellenistisches in Baalbek 72;
spätröm. Pfeiler — in Barcelona 71'; korinth., vom
Kastortempel in Cori 633, 68ff. ; Greifen — vom
Propylon in Eleusis 73; kor. aus Ephesos (Markt-
tor, Bibliothek) 79'; der Tholos von Epidauros 56,
64'. 73. 78; — e in Korone (Peloponnes) 71'; des
Hekate-Tempels von Lagina 79'; kor. — e aus
369
Register.
370
Milet (Markttor, Delphinion) 79'; vom Propylon
des Buleuterion in Milet 71'; Anten — vom Di-
dymaion 72; kor., im Museo Nazionale in Neapel
633; — e am Caesarentempel in Ntmes 71?; — e
aus Noto 74; von der Exedra des Herodes Atticus
in Olympia 6i*; — e des Theaters von Orange 71;
korinthisches von Phigalia 44 ff. : Fund u. Schick-
sale 45 ff., Zeichnungen u. Rekonstruktionen 46 ff.,
vorhandene Bruchstücke 57, Standort der kor.
Säule im Tempel 58 ff.; der Basilica von Pompei 74;
des Fortuna-Augusta-Tempels in Pompei 63', 67,
7i3; des Jupitertempels von Pompei 68 ff., 70';
republikan. Normalkapitell im Museum von Pom-
pei 68; Pfeiler— aus Pompei (?) 74'; — e Praeneste
68, 72, 74; des Dioskurentempels auf dem Forum
Romanum 67, 68, 78, 80; spätantike, SO-Bau am
Forum Romanum 27; Faustinatempel, Rom 81;
OrabmalderTibicines68ff. ; Nervaforum 81 ; Stadion
des Palatin 633; Pantheon 80, 8i4; Porticus Oc-
taviae 714, 79 f., 81; Rundtempel am Tiber 62 ff.,
66 ff., 78; kor., im Thermenmuseum 633; der
Jupitersäule von der Saalburg 79'; Julier-Grabmal
von St. Remy, Untergeschoß 76'; korinthisch-
römische, 'aus Palermo, Monreale, Syrakus 17 5 t
vom Rundbau der Arsinoe auf Samothrake 72;
altindisches, aus Sankisa 284 m. A. i ; Seeia 283 /. ;
Jakobsbrunnen in Sichem 79' ; — e aus Solunt 74 ;
kor. — e aus Spanien 79'; — e am Augustusbogen
von Susa 71', 79'; kor. — e aus Syrien 79'; vom
Rundtempel in Tivoli 72, 74, 79; aus dem Lager
von Vetera 79'; aus Vienne, in Lyon 74; Figural —
im Mus. von Vienne 79'
Karikatur eines Kahlkopfes, T Syrakus iSg
Karnak, Rel Sethos L am Ammontempel 13
Kasr i Schirin, Tschehär Kapu 276
Kassettendecke, gemalte, in einem Grabe von
Corneto yg
Kastelle, spätrömische, mit Kasernen an der Mauer
87
Katakomben: Rom 115, 116, Syrakus 190/.
Kaulonia (Capo Stilo), Grabungen u. Funde 150,
165 fl.
Kehrreigen bei der Prothesis 246
Kenturipe, bemalte u. reliefierte Vn iy3
Kerberos s. Löwenkerberos
Kesseldreifüße 120 ff., italische 133 ff. ; — wagen,
kyprische 104
Khorsabad, Rel aus lOo
Kind, Arme zur Mutter emporbreitend, Taus Med
ma 158
Kirke u. Odysseus, auf ctrusk. Sk 80
Klappstühle, als Grabbeigaben 54
Archäologischer Anzei|^r 1931.
Kloaken, SO-Bau am Forum Romanum 14, 20 f.,
25. 29, 30 i-
Knabe, sitzender, T 2gi; kniender betender,
BrStte, Lokri I49
Knochen: Verkleidungsstücke eines Kastens (?)
aus — , Perugia 224
Knotenstock, mit Schleife am oberen Ende 34
Kontürierung mit roter Farbe, auf Reis 5 f.
Kopf vom Artemision in Ephesos, Brit. Mus. 232 f.;
hellenistisch-etruskischer, Nenfro, Vatikan 262 \
»grüne« ägyptische — e des Berliner Museums 263;
alexandrinische — e mit in Stuck ausgeführten
Hinterköpfen, Vatikan 262; — e, M., aus Thasos
298 ff.
Kopfschmuck, Br, Lokri JJJ
Köre, mit Fackeln, Rel in Eleusis 3
Korinth, Forschungen in • — 313 f-
Koroibos, Heros 166
Kreta, Dreifußkessel aus 120; kretische Chronologie
248, Schrift 354 f.
Kreuzgewölbe in der röm. Architektur 32 f.
Krieger, auf oscilla 4o5'; geflügelte, auf Verklei-
dungsstücken aus Knochen, aus Perugia 224;
— s Abschied u. Heimkehr in der griech. Kunst
264 ff.
Kriophoros, Kolossalsta aus Thasos 244; TStten,
Medma l6of.
Kuppelbau, armenischer und seine Ausbreitung
nach Europa 355 /•
Kyniskos des Polyklet 328
Kyparissos, mit Dreifuß i8i5
Kypros, Dreifüße aus — 104 f.
Kyrene, Ausgrabungen 2.^3 /. ; Dreifuß in der — sage
160 f.
Labyrinth, Mos 198
La Garenne, Dreifuß aus 105, 138'
Lampe, mit Ammonkopf als Griff, Br Jjo; - — n,
Medma 164, Syrakus 191; — Untersätze, drei-
beinige, Br 119 f., 1494
Landmann, mit Körben am Tragholz, auf oscillum
34. 41
Landschaft, »hellenistische« J13
Langobardische Gräber, Nocera Umbra 54 f-
Lasttiere, Tn 291 f.
Latium (außer Rom), Funde 117 ff-
Latrine, SO-Bau am Forum Romanum 23; öffent-
liche, Rom 100
hi^rii, Terminologie 144 f.
Leichen, in Pompeji 129, 131; — Verbrennung
bei den »Italikern« 35, 3g, 45, 48, 49, in Lokri
143 f; in Motye 201 f.
13
37«
Register.
372
Leonardo da Vinci J 5^
/.EV/Tofici3Ei; 141 =
Libationstafeln (tahles of offering), krclisch-
mykenische 135 f.
Ligurien, Funde 35 1-
Literatur, ausländische archäologische der Kriegs-
zeit 238 ff.
Liwanhaus in Sendschirli 95 f., 97 f.
Lokri Epizephyrii. Funde I42ff.; TRels aus —
' in Heidelberg 2g2 ff.
Losorakel 179
Löwe, elfenb. 144; Bernstein jS; — nkopf, an
Wandpfeiler 69
Löwenkerbcros 7/.
Lucanien, Funde 137 ff.
Lucera, Dreifuß von in6
Malborghetto, Bogen von 123 f.
Malerei, auf der Rückseite eines oscillums 38;
oscilla in — dargestellt 36*7; ■ — cn in: Ostia 225,
Pompei 12g, Rom 108 f., I16, 224. 225
Mantik der Spätzeit 179
Marsigliana (Caletra?), Funde 6S f.
Masken, aufgehängt 37; auf rechteckigen dekora-
tiven Reis 37, 40; auf oscilla 36'', 40; punische,
aus Tharros 222 f.
Maßstäbe aus Knochen, Syrakus igo
Mauern, Arezzo 84 f.; Syrakus 181 ff.; Tiryns 260.
Vgl. Befestigungen
Medma (Rosarno), Funde I54ff.
Meerwesen, auf oscilla 40*, 40'''
Memnon, Freund des Herodes Attikos, Negerkopf
in Berlin 339
Memphis, Gruppen des Serapeums <S
Mcroe, Haus in 90
Messina, Grabungen 192 f.
Metapont, Dreifuß von 106
Metope, archaische Ton — aus Rhegion (Not. 1886,
243) lyo; — n von .Selinus jyi, iy2, 201 \
Milet, Steindreifüße aus dem Buleuterion 131;
Delphinion 1743
Minerva, sich die Ägis umlegend, auf Reliefkrug J30 1
Mithrasgrotte bei Angera 38; — relief aus Jambol
(Bulgarien) 344 f.; Mithräum unter S. demente, !
Rom lOJ
Monte Amiata, Minengänge für Zinnobergewin-
nung im Gebiete des — 63
Mosaiken: Este 227, Giardini 79*^ Rom J07, Ba-
silika von Salemi 204
Motye, Grabungen u. Funde 201 ff.
Münzen: mit Dreifuß 127', 154», 159% 176', ijffi, \
178, i8i4, 183, 184; mit Sarapisgruppe 9, 10. ,
— aus: Alexandria Troas 114, Grotte bei Angera
38 f., Libarna 36; Mtssenc 184; Messina 193, Mo-
tye 202, Pompei 134, 136; aurei des Justinian,
für Halsketten verwendet S4
Münzfunde in Italien 1914 — 20: 228 ff.
-Muscheln als .Amulette 54, 61
Muse, komische, auf oscillum 40*'
Museen: Ancona, Museo NazionaleJ5/7.; Athen,
.\kropolismuseum 325; Berlin, Universität,
Sammlung der Gipsabgüsse I5ff.; Budapest,
Museum für bildende Kunst, thasische Funde
297/7-; Heidelberg. Iniversität 288ff.; Man-
duria, Sammlung Carlo Arno 141 f.; Rom, Vati-
kan, Magazine 261 f. ; Villa Giulia 49, 220, 223
Mütze, spitze, mit Schlinge zum Aufhängen 34
Mykenae, Atreusgrab 260; Forschungen in — 314;
mykcn. Einfluß in Sardinien 206; Nuragen als
Vorstufen zu Mykenischem 2^9 f.
Nägel, apotropäisch, in Gräbern 150 f.; als Grab-
beigaben JrpJ; als Unterschicht für Wandputz 27
Negerkopf, M in Berlin, Memnon 339; Br aus
Ostia 221; als Ohrring 53
»Neuattische« Reis, und oscilla 4Ä
Neumagen, Reis von 5 f.
Niausta, bemaltes Grab 247
Nike des Paionios, Wiederholung des Hertzschen
Kopfes, auf Hermenbüste, Vatikan 262; Sta aus
Kyrene2^; Torso einer Akroter — , aus Tyndaris
198; auf oscilla 4o5'
Nocera Umbra 51 f., langobardische Nekropole
54 f; 245
a\iTiigen2o6fl.,259f.
Obelisken im Serapeum 4
Obsidian, geschnitzte Bruchstücke plast. Figuren
aus — 224
Odeion des Perikles 321; in Catania 191
Odysseus, auf rf. Vb 9$; auf oscillum 4055. Vgl.
Kirke
Ohrringe 53, 8j, 82, 163, 230
Olympia, Kopf des Peirithoos aus dem Westgiebei
324; Kesseldreifüfle 121 £f. ; Nympheion des Hero-
des Atticus 256; Zeusthron :4i'
i\x<f^hj\ in ApoUoheiligtümem 168; Omphalos auf
Rel J95
Opiersuven auf oscilla 40 f.; — tische 147
Orakel, delphisches 161 ff., 168 ff., 53
Ordenskreuz, als Ornament 124'
Orgiasmus, dionysischer 173'
Orphische Liturgie (?), Wgm in Villa Item,
Pompei 137
373
Rejfistcr.
374
Oscillum in Barcelona 33 ff., in Budapest 308;
Oscilla: Verbreitung 35, Datierung 35, Verwen-
dung 36, Darstellungen von — auf Reis und in
Malerei 36, Bestimmung 36, Material 36, Herkunfl
36 ff., verschiedene Bildung des Randes 39, Dar-
stellungen auf — 39 IT., Beziehungen zu »neuatti-
schen« Reis 42 f., zu Gemmen 43, Verhältnis der
Darstellungen auf beiden Seiten zueinander 44
Ostia, Funde 117 ff-, 225, 226; oscilla aus — 35
'J;uH'J;ii'.a bei den Hekatäen 246
Palaikastro, Sima von • — 349ff-
Palsftt, oberer, in Sendschirli 89, in Saktschc Gozü
89, 93, in Hatra 97
Pamphaios, Krater u. Schale, aus Todi 52
Fan, vor Felsaltar, auf oscilla 41
Panzerscheiben, bronzene, mit Kampfszenen in
Rel, aus Rapagnano 60
Paris, TKopf des, aus Arezzo 86; — urteil auf
etrusk. Sp 5J
Parthenon: Fragment des Nordfrieses, in Wien
272; Kopf aus den Metopen, Vatikan 262; La-
pithenkopf aus der VI. Südmetope JJJ /.
Patroklos, auf rf. Vb 94
Pelops u. Oinomaos, Wettkampf, Wgm 108 /.
Pelten in M, u. auf Campanareis dargestellt 36 f., 41
Pergamon, Reste von Steindreifüßen 131
Persepolis, Königsburg 27s'
Persische Tempel 273ff.
»persona« (Maske) 222
Perugia, Funde Soff., 224
Petosiris, Grab des, bei Derwe 262 f.
Petra, Felsbauten 256
Petrus (?), Wgm JJJ
Pfahlbauten, in Italien 37, J9, 41
Pheneos, und die Dreifußraubsage 165
Pherekydes-Aristogeilon, Kopf im Vatikan 262
Phersumasken 222
Phigalia, korinth. Kapitell von 44 ff., Apollotempel
57 ff., 315
Phintias, Dreifüße auf Vn des — 1264
Phrynichos, Vers aus dem Ephialtes des — , auf V
197
Picenum, Funde 55ß.
Platäisches Weihgesclienk 1275, 130, 145>
Polychromie des antiken Reis 5, 6 f.; im Inneren
des Pantheons 2^6 f.
Polyklet, Kyniskos des — 328
Polyxena, Schlachtung der — , auf etrusk. Sk^o
Pompei, Funde 127 ff-; BrGeräte 258 f.; quer
über das Forum laufende Brinschrift 226; Drei-
füße, Br HO, 117 ff. ; gemalte Dreifüße, aus Casa
dei Dioscuri 130; dreibeinige br. Lanipenuntersätze
119 f.; rechteckige dekorative Reis, auf Pfeilern
aufgestellt 3734; Wgm. in Villa Item 137; iiaclit-
liclie Straßenbeleuchtung in - /.,'.,'
l'opulonia, Funde 64 f.
Porträts, in Griechenland gefundene 338 f.; römi-
sche, aus Thasos 302 ff.; desgl. im Vatikan 262;
— köpf, römischer, aus Rom loo; desgl., Syrakus
187 t.
Prähistorische Forschung in Griechenland 313 f.
I'ratneste, KcsseldreifUUe aus dem Barberinl-
iind Hernardinigrab 1^4 f.
Prästrigiatoren u. Tänzer, Stuckrel, Rom 10=)
I'rcisdreif üße 152 ff.; — der attischen Phylenchörc
182-
Priap, auf oscillum 41
Priesterin, Haube einer — ?, auf Rel 304
Prothesis, im Hof 24s
Punische gemalte Grabstele aus Lilybaion, in Pa-
lermo 173; — Götter, auf Altar aus Sulcis 218;
— Masken aus Tharros 222 f.
Puteal, Madrider 42')
Pygmäen auf der Hasenjagd, sf. Vb 154
Pyrphorie 167, 17P
Pythagoras von Rhegion 15g
Pythia, delphische 162', 170, 171 f.
(^ueWaediculen, Rom lul f.; — kult in der Latrönico-
höhle 137 /., in Sardinien 208, 20g, 25g
Rafael, Skizze vom Inneren des Pantheons, dem —
zugeschrieben 257^
Ramses II., Porphyrpyxis mit dem Namen des — ,
aus Syrakus 17g
Rasiermesser, Typologie 130
L. Rasinius Pisanus, Vn des — gl
Ravenna 47 /•
Reiter, Tn 288, 2gi
Relief: Polychromie des antiken — s 5, öf.; Um-
risse durch Vertiefung des Relicfgrundes hervor-
gehoben 34; doppelseitiges — (oscillum) in Barce-
lona 33 ff.; — von Narbonne, mit Darstellung eines
aufgehängten oscillum 36 -V; verschiedene . — crhe-
bung auf doppelseitigen Reis 38; in Italien 1914
bis 1920 gefundene M.Reis 217 f.; — s von Mar-
mariä 323, von Neumagen 5 f., ägyptische, in
Berlin 263, rechteckige dekorative M — s 37, 40,
41, 42
Rhegion, Grabungen u. Funde 170 j.
Rhodos, Beziehungen der sizilischen Kunst zu —
172
Rimini, Funde -/6 /.
375
Regfister.
376
Rom u. Umgebung, Funde 96 ff.; Atrium Minervae
31; Basilica bei Porta Maggiore 102 ff.; Biblio-
thek des Templum Divi Augusti 31 ; Forum Roma-
num, SO-Bau 8 ff., 186 f.; Horrea Germaniciana
17, 28; kapitolinischer Tempel 65 m. A. 3, 71 f.;
Oratorium der 40 Märtyrer (Forum Romanum)
9, 29 f.; Palatin, Wasserhof 186; Pantheon 24g ff.;
Templum Divi Augusti 31 f.; Templum Minervae
(Reg. VIII) (?) 20, 30
Rosarno-Medma, Funde I54ß.
Rot für Konturen verwendet, an Rcl 5; frühe Ver-
wendung von — 63 *
Sahr, Tempel 281
Saint-Remy, Juliergrabmal 6
Saktsche Gözü, Palast 89, 93
Saloniki, S. Georgskirche 244 f.
Sangall 0, Giuliano da 123, 12 4
S. Anastasia, »Nuragen-Tempel« 20g, 2^g f.
Sappho's Sprung (?), Wgm 104
Sarapisrelief in Hildesheim Iff.
Sardinien, Funde u. Forschung 203 ff.
Sarkophag in Budapest, mit roter Konturierung 6;
Blei — , Catania 192; Endymion — 2l8; — aus
Messina: Kentaurenpaare; Gorgonenbild, Panther,
Harpyien 218; — m. Leuchter zwischen Pflanzen
117; Musen — , Palermo IJ3; Riefel — mit Löwen-
köpfen, gemalt 116; polychromer, etrusk., von
Torre San Severo 80; — e bei S. Ciriaco an der
Via Osticnsis gef. 120
Satyr, mit zwei Reibern in einer Reibschale reibend,
Stützfigur eines Kandelabers aus Todi 53; mit
Schlauch, Brunnenfigur, M. 216 ; mit Weinschlauch
vor Krater u. Herme, Rel auf oscillum 34, 41, 43 f.;
— ^n vor Felsaltar, auf oscilla 41
Säule, tuskanische, Vignanello 94; spätantike — ^n,
SO-Bau am Forum Romanum 27; stuckierte,
Positano J27; — nplinthe, trajanische, aus Rom 99
Sch^kaleschi 20g
Schalen, dreifüßige ico f.
Schapl?-dere, Funde aus 346 f.
Schardana 2og, 2ig
Schatten des Patroklos u. Achill, auf etrusk.
SkÄO
Scheren zur Pferdeschur 54
Schiff aus Bernstein, Padula 141; Sarapisgruppe,
auf — stehend (?) 10; — e als Basen von Gruppen
10; — szubehör vom Emporium in Rom 224
Schilde, und oscilla 36 f.
Schildzeichen 39 f.
Schleier hinten auf dem Kopf aufliegend, bei sitzen-
den Figuren 3
Schmied, als Satyr charakterisiert, auf oscillum 42
Schmuck der Frauenleichen in Belmonte Piceno 57,
in Cupra 61 ; — sachen , Nocera Umbra 54, Sar-
dinien 214
Schnabelschuhe, auf Lokrirel 294
Schränke, Abdrücke von — n, Pompei J5^
Schrift, kretische 354 f.; Ausbreitung von — und
Kunst 286 f.
Schuh, Abdruck, Pompei JJO
Schulmeister mit zwei Knaben, Stuckrel, RomJOJ
Schurz, ägyptischer 235
Schwerter 38, 43, S7, 170; Schwertgriffe, sardische
2J2
Seeia-St, Tempel 279 /.
Selinus, Gorgoneia, von den Giebeln des Tempels C
(?) 180 f.; Grabungen 200 f. Vgl. Metopen
Sendschirli, Baugeschichte 853.; Säulenbasen
28p
Seneca (?), auf RelFragment aus giallo antico,
München, Privatbesitz 351 ff.
Serapeen in Alexandria 4 ff.
Sethos I, Rel am Ammontempel zu Kamak 12
Signaturen auf tarentiner Tn 271
Sikuler, BrStte aus Adernö 173
Silbergerät aus Chiusi, Boston 78; aus Pompei
12g; — schätz von Hildesheim, kleiner Dreifuß
119'
Silene, vor Felsaltar, auf oscilla 41; Silenkopf,
Attache eines BrEimers Ig8
Silvanus, Weihung an gg; — , u. Kaiserkult 226
Sima der Tholos von Epidauros 67'; — T, Ferento
222, T, Kaulonia 167; — von Palaikastro 349 ff •
Sinope, Sarapis in 4
Sitzbilder, Tn aus dem Heraion von Argos 289;
Darstellung von Sitzenden in der antiken Kunst
266 f.
Sizilien, Forschungen und Funde 171 ff.; sizilische
Plastik 157, 159
Skarabäen 170
Skopasischer Kopf (heilenist. Herrscher?), T, aus
Arezzo 88
Skulpturen: Statuarische Marmorwerke, 1914
bis 1920 in Italien gefunden 21 5 ff.; ausländische
Mitteilungen über neue — funde 241 ff.
Sky IIa -Gruppe, neue Fragmente, Vatikan 262
snenath (etruskisch = Dienerin) 53
Speisebeigaben, in Särgen, Nocera Umbra 54;
— tische 145 ff.
Spenden, Vertiefungen für — in sardinischen
Gräbern 2J0; Spenderöhren, T, an Gräbern 115,
J35; spendender Knabe, Spiegelgriff, Lokri 147
Sphinxorthostat von Sendschirli 92
377
Register.
378
Spiegel, etrusk. 81 (Itys), 53 (Parisurteil); Hohl-
stand— aus Todi, von Jüngling getragen 55; — -mit
bi jour gearbeiteter RelFigur an Stelle der Griff-
platte 147 f-; Weihung eines — s (EvjjrTpov), auf
Inschrift 195; — , Br, aus Lokri 144 ff.; — stütze:
Mädchen im Peplos, Br 218 f.
Sprache der »Euganeer« 43
Springbrunnen (?), SO-Bau am Forum Roma-
num 25; — in Triklinien, Poropei 131
Stadtanlage: Mens Falernus 56/.; Motye 203
Statuen, freistehende, als Kesselträger 139; — des
Juppiter u. der Juno, auf Fercula getragen, RelJ25
Steatittalel aus Tharros mit Amonra, Mut u.
Chonsu in Rel 218
Steindreifüße 132; archaische 135 ff.
Steinmetzzeichen, Kaulonia l6y
Stele des Aristion 8 Anm.; Bruchstück einer atti-
schen — , mit Mädchenkopf, Berlin 73; — des
Diskophoros 8 Anm.; archaische attische in New
York 7 £.3; — von Sunion 326 ff.; punische, aus
Hadrumetum 28p; — eines Gerbers 92; — des
Massalioten Xenokrates, Syrakus 185; phalloide
— n, auf Männergräbem in Caere 68; — n in Sar-
dinien 211; — n als Ehrendenkmäler 328 ff. Vgl.
Grabstele
Stempel, aus Lilybaion 204; spindelförmige, Syra-
kus 186 f.; »Annus longus« 22y
Stipes votivae mit T in Medma ISjff.
Stockbekrönung, tönerne, mit umbrischen Köpfen
50 f.
Streitwagen s. Wagen
Stuckreliefs am Grabe des Ceius Labeo in Pom-
pei 132 ; in der »Basilika « bei Porta Maggiore lo^j.
Stützfigur in Cambridge, mit ägypt. Schurz 235;
weibliche — -en an Dreifüßen 136 ff.
Sulla, 65, 71; Belagerung von Arezzo durch — 8^
Sunion, Stele J26 /?.; Tempel JJ*
Sür, Tempel 281
Susa, Tempel 2^6 ff.
Symposion, etrusk. Grabgemälde in Chiusi yy
Syrakus, Funde u. Forschung lySff., 245
Syrien: altsyrische Baukunst 285
Tammuz-Adonis, TStten, Medma 164
Tanz im etruskischen Totenkult y^; — probe eines
Mädchens vor einem Jüngling, italiot. Vb 154
Tänzerin, Marmorkopie der herkulanensischen — ,
Rom, Amerik. Akad. 216; Torso aus Kyrene 244;
BrStte, Lokri 14^
Tarentiner Tn 26yff.
Täuben, auf Gefäßrand sitzend, auf messapischem
Becher 141
Tegulae hamatae 29
Telesterion von Elcusis, auf Theatermarke dar-
gestellt 323
Tempel, Kaulonia l6y f.; Kyrene 243; Megara
Hyblaea 194; Ostia JJÄ; Positano I2y; — (?),
röm., bei Ravenna 46; des Antoninus u. der
Faustina, Rom lOl; des kapitolinischen Juppiter
y6; Syrakus iy8; Velletri 124; persische — 2y3ff.
— modeile, T aus Medma 138
Templum Divi Augusti s. Rom
Terni, Funde 4gff.
Terrakotten. Funde in Italien 1914 — 20: 221 ff.
Figürliche — : archaische Gruppe aus Veji yiff.,
23y; aus Lokri 132 f., Medma ISyff., 160, 164,
Syrakus l8y, im Mus. v. Syrakus u. Palermo iy2 f. ;
kleinasiatische Stte eines fettleibigen Mannes, in
Berlin 236 f. ; — aus dem argivischen Heraion, in
Heidelberg 288 ff.; kopflose — , als Muster, aus
einer athen. Töpferei 2g6 f. AUärcken (arulae) s. d.
Architektonische — : Medma 15S, Syrakus J75, 180,
Velletri 124. Geometrische Dreifüße 105; Köpfe
(von einem Parisurteil?), aus Arezzo 85 ff.; Kopf
einer Göttin, Syrakus iy2; Karikatur eines Kahl-
kopfes, ebda. l8g. HiniatUTtebeies, Tiryns 1523;
Metope, archaische, aus Rhegion Not. sc. 1886,
243) lyo; — n, Este 42; Puteale, römische, aus
Vetulonia pr; —reliefs: aus Ak-Alan, Budapest
303; archaische, Velletri 124; Platte mit Reiter,
aus Vignanello 93 f. ; Votive in einer Höhle bei
Corchiano 95; desgl., weibl. Gottheiten, Selinus 200
Tharros, punische Masken aus 222 f.
Thasos, kolossaler Kriophoros aus 244; thasische
Funde, im Budapester Museum 2<)yff.
Theater, Libama 56, Syrakus l8g; — maschinist
(auf Inschrift) 228
Themis, mit Dreifuß 182
Thermen bei Civitavecchia <)I\ an der Via Portuen-
sis, Rom icyy; bei Talamone pr
Thermopoliura, Pompei 133
Tiere, TVotive, Medma JÖJ/.; — auf oscilla 42*"
Tierkämpfe, Mos 203
Tiryns, Rundbau in der Burg 260
Tisch6«W, figürliche hellcnist.-römische 115 ff;-
— dreifüße 114 ff., 145 f.
Tivoli, Hadriansvilla 233
Todi, Funde 32 f.
Tombe dei Giganti, in Sardinien 210
Tonnengewölbte Räume, Entwicklung in der röm.
Architektur 32
Töpferwerkstatt, Motye 20.7
torcular (Weinpresse) 92
Torques, silberner JA
379
Register.
380
Torre San Severo, polychromer Sarkophag aus
— 80
Totenkult, etruskischer Jg
Totenmahlreliefs 3, 4, io6', 115, 302
Tränenkarunkel, rosig getönt, an Bronzekopf JjS
Tripodiskos, Gründungssage von — 165 f.
Tpt7;o5(3xo; 141; Tpteo'j; 142 ff.; Tpfco;, TpindoTj;
145; TpiT:d5tov 146; TpfcoÄE? orupot u. ^(jiTrjpififjTai
143 f.; ivL Tpf-oo« Xiyeiv 178 f.; Tpfcou; oeX-^ixi^;
148; tripus, tripoda 145
Tripodophorie 167 £.
Triumphbogen von Malborghetto 123 f.; Pola u.
Triest 44
Troermord an Patroklos' l/cichenfeier, auf elrusk.
SkSo
Trophäen, Wgm, Pompei J32, 133
Tuffperiode, Toreutik der 2^9
»Tumuli«, rechteckige, stuckiert und rot bemalt,
Messina 193
Tür des Nurago von öta Anastasia 260
Turscha 2jo
Tympana, aufgehängt 42
Tyro, Rel einer arula J57
Ulrichs, H. N., Nachlaß 357
Umbrien, Funde 4S ff.
Untersätze, niedrige dreibeinige ggf.
Unterweltsdarstellung, auf etrusk. Sk 80
Uräen, an Dreifüßen und Altären in
Urbulanenses, pagus der, außerhalb Pompejis 128
Urkundenreliefs 3, 4; Umrahmung bei — 2'
Urne, etrusk.: Kampf um Achilles' Leiche &; Iphi-
genienopferung & ; Troilosabenteuer <Sj; mit mehr
Namen als Figuren ^2;^ — n, Holztruhen nachah-
mend 83
Vasen : in Italien 1914 — 20 gefunden 223; ausländ.
Literatur über antike Keramik 247 f. ; »dynamische
Symmetrie« in der attischen Keramik 314 f.;
Listen verschollener Vasen 248; rf. — , als Aschen-
gefäße verwendet l94t-\ Berlin, Fw. 2258, 2325:
327
Fundorte: Arezzo (schwarzgefimißte) Ä5; Bel-
nionle Piceno (Buccheri, Att., Korinth., Protokor.,
Apul.-Messapisches) 6o\ Bologna (neolith.) 46;
Catania 191; Croccia-Cognato (Lukanien) I39\
Corchiano 96; Este 41; Francavilla 141 ; Gram-
michele J96; Industiia (Lezoux- Keramik) ^5;
Kaulonia (kor., protokor.) j6Ä, 169; KenturipeJ7J;
Lanuvium (altlatinisch) 121; Latrönicdhöhle (ae-
neolith.) 138; Leontinoi (spätsikulische) 173;
Lokri Epizephyrii JJJ /. ; ManduriaJ^; Medma-
Rosarno 162, 164 f.; Megara Hyblaea 194; Motye
202; Nuceria (hellenist.-röm.) J70; Perugia 80,
82 f. ; Poggio rosso bei Paternö iy6 f. ; Rhcgion
(rhodisch) Ijo; Santa Scolastica (Campanicn)
(prähist.) 123 /.; Selinus 200; Sesto Cremonese 38',
Syrakus 181, 184, 188; i'alamonc (»südgallische«)
91; Tifernum Tiberinum (arretiner) ^4; Todi 32 ;
Trefontane bei Paternö J76 /. ; Vellctri J2^; Vigna-
nello 94 f.
Gattungen und Formen : Arretiner 5^, 188 f. ;
»Calenische« 270 f.; Dipylon-Kratere in New York
245 f-\ Dreifußvasen loi ff. ; »ephyräische« JJJ;
etruskische Buccherokelche, mit Stützfiguren 137;
faliskische 9^; Fisch teller, apulischej65; Gnalhia
141; italiotische I54\ Kothone 102 f.; messapische
141; panathenäische Amphora, Lokri 153; picen-
tisch einheimische 60; vormykenische des Fest-
landes, Perioden 247 f.
Darstellungen: rf. Stamnos, Abschiedsspende des
Achill für Patroklos 94 f. \ rf. Kolonettekrater,
Amazonenkampf J95; rf. Kraterfragmente,
j\thenageburt 1^4 ; Caeretaner Busirishydria, Wien
II ff. ; rf . Pelike aus Schapl^-dere, Epheben 346 ;
weißgrundige Glaukosschale 178; rf. Scherbe,
Jüngling, Opferschale über einen Altar haltend 95;
rf. Kylix, dem Kachrylion verwandt, Kampf-
szenen 94; rf. Scherbe, Maim mit Blume 96;
rf. Krater, Satyr u. Maenade, Wien 336 f. ; rf . »fa-
lisldsche« Schale, Silen, Satyr u. Maenade 80 f.;
dreibeinige Untersätze auf Vbn 100; ff. brettisch-
griech. (?) Krug, Viergespann 154.
Figürliche Vasen : Frauenkopf, attisch, aus Med-
ira 162 ; Sau, mit sf. Pygmäen auf der Hasenjagd
154; Silen- u. Frauenkopf, Kantharos aus Todi5J;
Reliejvasen: Krug: Minerva, sich die Ägis um-
legend, zwischen zwei tanzenden Hierodulen, Pom-
pei 130; »megarischer Becher«, Lokri JJJ. Vgl.
die einzelnen Vasenmaler und -fabrikanten.
Veji, Funde 70 ff.; TGruppe 7J;?'., 2J7
Velletri, Funde 124
Veneto u. Veneter J9/., 41
Venus, aus vergoldetem Pseudo-Alabaster, Pom-
pei JJJ
Verbrechergrab im Phaleron 246 f.
Verfluchungen: Fieber — für Grabfrevler, auf
Sarg aus Fiano Romano 92
Vetulonia: Topographie des römischen — 9^
Victorien mit Waffen, Wgm, Pompei JJ2
Viergespann für den Sieg über Böoter u. Chal-
kidier, Athen JJ7; — , von Tritonen geleitet, Rel.
114 f.; sf. Vsb 154
Villa der Domitii bei Asciano 9J; imter S. Se-
381
Register.
382
bastiano, Rom zj6; t— des Gordian« an der Via
Prenestina 122 f. ; des PoUius Felix (?), Villazzano
(Sorrento) 126; Villen am Albaner See 121
Villanovaurnen aus Fermo in Piceno 62
Vließ, Raub des goldenen — es, Stuckrel, Rom J05
Vogelleib, Br. (Feldzeichen?) 37
Votiv pinakes, T aus Medn a 161; — reliejs: Arndt-
Amelung Nr. 1241 : 4; an die Dioskuren, Verona ./J;
Fragment mit Farbspuren, Eleusis i ff.; — s und
rechteckige dekorative Marmorreis 37
Vulca von Veji y6
Vulci, Dreifüße aus 106
Wagen, ägyptischer 13; in Gräbern von Belmonte
Piceno 57; in Gräbern von Cupra 61 \ mit figür-
lichen Bronzenbeschlägen, Populonia 6^; — lenker
von Delphi J59; — züge bei der Prothesis 245
Wandmalerei: »Landschaftsbild« aus Hercula-
neura 43; Reiter gegen einen Barbaren anspren-
gend. Grab v. Niausta 247; Ostia 118 f.; Pompei
130,13^,137; SO- Bau am Forum Romanum 25;
Grabanlage am Viale Manzoni, Rom 112 ff. ; »Ba-
silika« bei Porta Maggiore, Rom 104
Wasserkult 95
Wasserspende auf den Gräbern, in Lokri 148
Webstuhl, Wgm 113
Wegweiscrinschrift, oskische, Pompei 128
Weihgeschenkträger, Kaulonia 168
Weihrelief, griech., aus Thasos J02
Weihwasserbecken, archaische steinerne 137
Weinbau in Lukanien 139 f.; — presse (torcular) 92
Weisen, Dreifuß im Sagenkomplex der sieben —
158 ff.
Weißdorn (^»'(jlvo;) bei der Bestattung 246
Wickelkinder, T 93
Widder, Br, Palermo lyi
Wölbung der Decke in Sendsehirli (?) 96
Wollene Gewänder in Gräbern von Belmonte Pi-
ceno 5y
Yalovatch, Porträtstatue der KORNELIA 306
Zauberapparate 179 f.
Zelt bei' der Prothesis 245 f.
7^eus, mit Dreifuß 183 f.
Ziegel, faliskische Loculiverschlüsse 9^; lydische
84; — Stempel, Este 42, Messina 227, Rom 10,
18, 20 f., 23, 24, 25, 29, 187, 107; oskischer
— Stempel JJ^
Zikade, Glasfläschchen in Form einer 224
Zographos-Stiftung 357
Zukunftserratung, in Lokri 1^0
Zweige bei der Prothesis 246
II. INSCHRIFTENREGISTER.
Die Spaltenzahlen des .archäologischen Anzeigers sind kursiv gfcdruckt.
Arvaltafeln 226; Bauinschrift von Castcl di Sangro
226 f.; Bustrophedon- Inschrift, Syrakus 179;
»euganeische«. Magre 43 j-\ hieroglyphische
Weihung aus Tharros 218; metrische 227; Inschrift
in Reliefbuchstaben, auf Plinthc einer Frauen-
figur, Medna 163; Ergänzungsstück zu CIL XIV,
2983: 225 f.; Ziegelstempel: CIL XV 78: 23, 24;
259: 10; 319: 23, 24; 500: 23; 635: 10; 638: 10,
21; 999: 10, 29; 1000, 1006: 10; 1094, 1095: 10,
21; 1096: 10; 1097: 10, 21; 1290: 10; 1346: 10,
18, 21, 25; 1362; 10, 21; 1449, 1907: 10. — Not. sc.
1918, 1383.: 125. T914 — 20 in Italien gefundene
Inschriften 225 ff.
Griechische Inschriften aus: Akrai J95, At' en
(BCH. 1879, S. 70) 168, älteste attische (Dipylon-
krug) ebendaher 340 ff., Medma 163 f., Pompei
136 (Dipinti), Thasos 302, Vignanello g6 (Vase).
Lateinische Inschriften aus: Como 38, Este 42 f.,
Montalcone 44, Ostia 218, 224, Rom gg, lOI, 108 f.,
Syrakus 188, 189, Thasos 306, Via Clodia 217
Oskische Inschriften aus Pompei 128 (Wegweiser-
inschr.), 134 (Ziegelstempel)
a) Griechische Inschriften,
'A8r|Voi 225
rXaüxo« (Vase) 96
MYSAflffi (epa<JutiK8T(?]) 163 f.
Ka'saavipo; (Weihrel) .302
oi(päv, oitpstv 136
. . YS (Zeus) (Weihrel) 302
383
Register.
384
l>) I-atcinisclie, etriiskische, oskische Inschriften.
Cn. Accius Claudjanus lOl
Achle (etr. Urne) 82
Aidilis lustralis 22y
akiu 36
Annus longus (Stempel) 227
Apolausti niaioris condiscipulus, Apolausti junioris
doctor 92
Apollinis parasitus g2
Atticus Naevi (auf arretin. Becher) 188
Calisna (etr. Urnen) 82
canibus tricipiti et bicipitibus (Defixionstafel) 42 j.
Civitates Barbariae 228
Ti. Claudius Aug. 1. Pardalas 9^
concinnator a scaena 228
F. Cubuld (osk. Ziegelstempel) 134
Curatores op. publ. et aed. sacranim gg
EGO (Gladiatorentesseren) l8g
eksuk amvianud 128
Eufrosynus posuit donum deo aram et deum 228
Euryalus (Wgm) 108 f.
T. Faesellius Onager 46
A. Flavius Longinus gg
Flavius Optatus 22y
fonti d. d. 102
pro incolumitate Augustorum gg
Ippodamia (Wgm) lOg
Ippodamus (Wgm) lOg
Juno Palosticaria 225
Laribus vicinis sacrum 218
magistri quinquennales 102
Mefira 128
Myrtilus (Wgm) 108
0. Oppius Natalis (Ziegelstempcl) 10, 18, 20, 21,
Neieas (?) (Wgm) log
Nutrix (Wgm) loi^
Oenomaus (?) (Wgm) log
Onager 46
C. Orcevius 22^
Orcus pater (Defixionstafel) 42
tr. Papiria 99
parasitus g2
Paris (etr. Urne) 82
patci = pater sacrorum lOI
Pelops (?) (Wgm) log
L. Petronius L. f. Pal. patronus faber argentarius 21J
P. Plinius Patemus L. f. Ouf. Pusillienus 38
Pluto (Defixionstafel) 42
posuit lOl
Proserpina (Defixionstafel) 42
L. Pupid. 128
Mr. Puril. Mr. 128
Sabinus gg
Salvis amicis felix hie locus (Mos.) 22J
C. Saufeius Sabinus 22^
M. Servilius Paratus concinnator a scaena 228
Sic tibi contingat seraper fforere, Sabina, Contingat
forma(e), sisque puella diu 22y
snenaolurn (auf etr. Spiegel) 53
Solomon (br. Amulettscheibe) 224
Techri (etr. Spiegel) 53
Terentius Junior 99
tiurri Mefira 128
tosillaria 22y
Illvir Augustalis 22y
Urblanenses, Urbulanenses 128
Urubla 128
Utzte (etr. Urne) 82
veru Urubla 128
Fl. Vibia Sabina (Statuenbasis) 306
viu Mefira 128
Zenodorus, corrector Lucaniae et Bruttiorum 22J.
3 1151 00053 9035
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