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Full text of "Jahrbuch für geschichte, sprache und literatur Elsass-Lothringens;"

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JAHRBUCH 



FÜR 



GESCHICHTE, SPRACHE UND LITERATUR 



ELSASS-LOTHRINGENS 



HERAUSGEGEBEN 



VON DEM 



HISTORISCH-LITERARISCHEN ZWEIGVEREIN 



DES 



VOGESEN-CLUBS 



XXI. JAHRGANG 



STR ASS BURG 

J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL) 

1905 



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Inhalt. 



Seite 
I. Gedichte: Heiroatglück, Feldgang, Ahschied, Meinem 
Jängsten, Lac Lamaix von Christian Schmitt; 
Der Hüselberg-Bloßen und das St. Amarintal yon 

HederaHelix . . 5 

IL Der Ursprung des Klosters Elingental nnd sein Zinshof 
in Büfach von Theobald Walter. Mit einer 

Abbildung 9 

TEL Inventare des früheren Franziskanerklosters von Colmar 

von Dr. August Hertzog- Colmar 23 

lY. Beitrag zur Geschichte des Bathanses in Ensisheim von 

WilhelmBeemelmanns, mit zwei Abbildungen 45 
y. Verein zur Landesrettung, gegründet zu Straßburg 
am Mittwoch nach Matthäi im Jahre 1572. Mitgeteilt 

von Karl Tschamber- Hüningen 59 

Tl. Entehrung Maria durch die Juden. Eine antisemitische 
Dichtung Thomas Mumers. Mit den Holzschnitten 
des Straßburger Hupfuffschen Druckes herausgegeben 

von AdamKlassert 78 

TIE Beiträge von Johannes Bolte- Berlin. 1. Die 
beiden Nebenbuhler zu Colmar. Flugschrift aus dem 
Jahre 1622. 2. Ein Bildergedicht Moscheroschs . . 156 
Tin. Johannes Zschom von Westhofen. Mn Beitrag zur 
elsässischen Literaturgeschichte des sechzehnten Jahr- 
hunderts von WilhelmTeichmann . . . . 161 
IX. Caroline Herder (geb. Flachsland) und ihre Verwandten. 
Urkundliche Mitteilungen von FerdinandZeyer- 

Beichenweier 239 

X. Zur Stelzen. Eine Straßburger Malergeschichte ans 

alter Zeit von ElsaJordan 241 

XI. Eine Urkunde des Konrad Dangkrotzheim von K Herr 256 
Xn. Inschriften im Elsaß von Dr. Kassel-Hochfelden. Mit 

zwei Abbildungen und einer Beilage das Goldene ABC. 265 

XHL Chronik für 1904 .... 348 

XIV. Sitzungsberichte 349 



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I. 



Gedichte. 



i. Von Christian Scliiniti 

Heimatglück. 

Und zog' ich fort bis an das Meer 

Und weiter noch, 

Zur Heimat, ja zur Heimat her 

Bald kam* ich doch ! 

Olanz und Freude müßt* ich hassen, 

1^enn dich, mein Land, mein Trost and Stern, 

Wenn dich ich sollte lassen! 

So lang mir deiner Berge Pracht 

iDas Herz entzückt, 

So lang dein Tal mir blüht und lacht, 

Bin ich beglückt! 

Mit, ihr Wolken, mit den Winden! 

Für mich ist holder nicht ein Platz 

In aller Welt zu finden! 



Feldgang. 

Da draußen vor den Toren, 
Da ist so still die Flur. 
Ich hör*, im Grün verloren, 
Des Windes Stimme nur. 

Er rauscht, und Halm und Aehren, 
Die flüstern mit im Chor; 
Als ob's Gebete wären, 
So klingt es an mein Ohr. 



— 6 — 

Die Sonne, hoQh geschieden, 
Scheint grüßend auf die Welt, 
und alles ruht in Frieden, 
Und alles steht erhellt. 

Mir ist, die blaue Weite, 
Sie sei ein Tempelhaus, 
Und Gott, der Vater, breite 
Die Hand zum Segen aus. 

Die Blumen, seine Kinder, 
Erglühn voll Dank und Lust, 
Und auch mir selbst nicht minder 
Ist tief beglückt die Brust. 

1 

Abschied. 

Ade, du Ueber Lindenbaum,- mein Lindenbaum ! 

Wie bist du so verstört! 

Du wogst im Wind so eigen 

Mit Beugen und mit Neigen 

Und wehrst und winkst up.d winkst und wehrst 

Und winkst mir, daß ich bleiben soll. 

Ach nein, ach nein, es kann nicht sein, es kann nicht sein^ 

Dieweil ich wandern muß! 

Jedoch in deinem Schatten 

Das Häuslein und die Matten, 

Die hüte mir, du lieber Baum, 

Ja, lieber Baum, die »hüte wohl! 

Meinem Jüngsten. 

Du kamst uns spät. Der Schatten stumm Geleit 
Zeigt wachsend schon auf Üebermittagszeit. 

Die Welle flieht. Lang ist's, mein süßer Bub, 
Daß ich das Erste, zart wie du, begrub. 

Wohl trug das Glück ins Haus uns andre zwei; 
Sieh', hier am Wieglein stehn sie mit dabei! 

Ein lieblich Paar, doch groß nun, groß und klug; . 
Noch kurze Frist, so rüsten sie zum Flug. 

Sie gehn, ich weiß: kein Wunsch hält sie, kein Wort;, 
Mns nahm der Tod, sie reißt das Leben fort. — 

Wie einsam war' dann meine Abendruh! 
Das wußtest du, mein Kind, das wußtest du. 



Lac Lamaix. 

r % ■ 

Der Bergn^ind schläft. Es schimmert 
Vom Wald der Mond herein. 
Im tiefen Seegrand flimmert 
Der Sterne blasser Schein« 

Still fließt die Zeit. Die Leuchten 
Des Himmels wandern sacht 
Am Fels, am moostaufenchten, 
Steht schon die Mitternacht. 

Sie stannt. In voller Helle 
Fällt durchs Gezweig das Licht. 
Was starrt vor der Kapelle? 
Ist es ein Tragbitd nicht ? 

Ein Särglein, kranzamkettet — 
Die Matter trag es hin ; 
Bleich liegt and arm gebettet 
Ihr totes Kind darin. 

Es ward ihr weggenommen. 
Ins Leben kaum gereiht, 
Und, ach, zum Frieden kommen 
Kann es nicht angeweiht. 

Doch sieh, was unter Schmerzen 
Die Liebe hofft und wagt 
Mit gläubig reinem Herzen, 
Das wird ihr nicht versagt. 

Leis durch der Stämme Schweigen 
Ein Engel geht zur Flut, 
Die zwischen dunkeln Steigen 
GlanzubeVzittert ruht. 

Am Ufer eine Schale 
Fallt er und trägt sie sanft 
Und sorglich aus dem Tale 
Hinauf zum Hagelranft. 

Und segnend gibt die Taufe 
Dem Kleinen er sogleich. 
Daß er die Seele kaufe 
Für der Erlösten Beich. 

Dann steigt er, aufwärts lenkend, 
.Pfadaus durchs Buschgeäst, 
Am Weg die Blumen tränkend 
Mit seiner Schale Rest. — 

Die Blumen bliihn und lachen 
Beim neuen Tageslauf. 
Zwei Aeuglein schöner wachen 
In Gottes Garten auf. 



— 8 — 

2. Von Hedera Heiix. 
Der Hüselberg-BloJSen und das St. Amarintal. 

Hüselberg-Bloßen, wie oft dein Schädel 

Zeigte sieh mir, so kahl und doch edel, 

Wenn ich, Instwandelnd, vor meiner Klause 

Macht' im Arbeiten eine Pause. 

St. Amarintals Eigenart 

Zeigtest du. mir: am dich geschart 

Berge von Wildenstein bis Thann ^ 

All das sah ich von oben mir an: 

Kirchen, auf den Berg getragen, 

üeber die, wie Biesen, ragen 

Hohe Bücken, in stolzem Schwang, 

Oft noch mit Gletschererinnerang ; 

Da und dort auch Felsenzacken, 

Wachsend aus den hohen Nacken, 

Wälder zwischen Matten geschoben; 

Herdengeläate drunten und droben, 

Schwarze Schleier, wie Schatten schwebend, 

Senkend hier sich^ dort sich hebend, 

Ueberm Tal, wenn sie der Wind 

Nicht zerstreut, zerreißt geschwind. 

Natur und Menschen, sie schaffen fürwahr 

Um die Wette hier, Jahr far Jahr. 

Aus des Waldmantels düsterem Schutz 

Steinerne Blößen blicken voll Trutz : 

Klaffende Wunden am Bergesrücken. 

Die sich des Schutzes erwehren mit Tücken, 

Kiesige Steine sie rasselnd rollen, 

Wo sie die schützende Decke nicht wollen. 

Wo so kegeln die Becken von Stein, 

Kann nicht Menschenarbeit gedeihen. — 

Alles dies andre Täler auch zeigen, 

Aber vor einem müssen sie schweigen, 

Eines hast du ganz allein ; 

Fragt wer vielleicht, was mög' das sein? 

Mitten im Tale, gar trotzig schaut, 

Was da für Wächter sind aufgebaut, 

Wächter, die schon Jahrhunderte steh^ 

Weil sie zur Eiszeit verlernten das Geh'n: 

Bärberg, Merlberg, Wildenstein, 

Tals Wahrzeichen sollt ewig ihr sein ! 



IL 

Der Ursprung des Klosters Klingental 
und sein Zinshof in Rufach. 

Von 

Theobald Walter. 

Mit einer Abbildang. 

U nweit Pfafifenheim liegt am Fuße des vielbesuchten, sagen- 
umwobenen Wallfahrtortes Schauenberg eine wenig beachtete 
Ruine, da sie ihr efeuumranktes morsches Gemäuer im Astwerk 
ausgebreiteter Kastaniengehölze fast vollständig verbirgt. Es 
sind dies die bescheidenen Ueberreste einer ehemaligen Kapelle 
zu St. Lienhard, die Pfaffenheims Burger um 1750 den auf 
dem Schauenberge siedelnden Barfüßern zum Trutze auf einem 
uralten Trümmerfelde hatten aufführen lassen. 

Nur selten stören heute der Menschen Tritte mehr den 
Waldesfrieden, kommen fromme Beter an die stille Gnaden - 
Stätte; denn zu wenig gekannt ist das äußerst einfache, an 
die trotzige Giebelwand gelehnte Altärchen des hl. Lienhard. 
Und doch geht noch die Sage von Mund zu Mund, wie vor- 
dem mächtige Klostermauern dort zu schauen gewesen vvären, 
wie eifrige Nonnen dort treu ihrem Herrn gedienet hätten, 
und wie wilder Kriegeslärm die frommen Siedler vertrieben und 
ihr Anwesen auf den Grund geschlissen hätte. 

Und wahrlich, die geschichtlichen Forschungen haben die 
sagenhaften Vermutungen in ihrem vollen Umfange bestätigt ; 
hat doch an jeuer weltvergessenen Stätte zu St. Lienhard ob 
Pfafifenheim das nachmals so reiche und berühmte Basler 
Kloster Klingental seinen Anfang genommen. 



— 10 — 

Zwar berichten schon die Colmarer kleineren Jahrbücher 
unter dem Jahre 1253 : Die Schwestern des Predigerordens 
von Huserin bei Phaphinetum verheißen ihr Kloster ; jetzt sind 
sie in Klingental. ^ In dem erwähnten Huserin erkannte man 
allenthalben das bei Egisheim, im Schatten der Dreiexen ge- 
legene Rebdörfchen Häusern, und bei dieser Ansicht verblieb 
es auch dann noch, als man in der Bezeichnung P h a p h i n e- 
tum die Ortschaft Pfaffenheim entdeckte. Ja, trotzdem zwischen 
Pfaffenheim und Häusern eine beträchtliche Entfernung besteht, 
trotzdem sich die drei Gemarkungen Göberschweier, Hattstatt- 
Vögtlinshofen und Obermorschweier und der trennende Höhen- 
zug nach dem Ottensbühle hin mit dem uralten Markbach 
zwischen beide Dörfer einschieben, wurde die Sachlage nie ge- 
nauer untersucht, und die gesamte Geschichtsliteratur hielt 
daran fest, äaß Klingental in Häusern bei Egisheim seinen 
Ursprung genommen habe.^ Zwar versuchte man auch dem 
erwähnten Pfaffen heim gerecht zu werden, indem berichtet 
wurde, die Nonnen verließen Häusern schon frühe und ließen 
sich vorübergehend in Pfaffenheim nieder, um dann erst nach 
Klingental weiter zu wandern.» 

Dem ist aber keineswegs so. Die ursprüngliche Heimat 
der Klingentaler Klosterfrauen ist zwar Huserin; doch lag 
dieses Hu serin im Gemeindebanne von Pfaffenheim, an der 
Stelle der heutigen St. Lienhardkapelle, und zwar geht dies un- 
zweifelhaft aus folgenden Tatsachen hervor. 

Ein Zinsrodel des Klosters Klingental aus dem Anfange 
des 14. Jahrhunderts zählt uns die reichen Einkünfte des Gottes- 
hauses in jener Zeit auf ;^ darin ist aber das heutige Häusern 
nur einmal in Verbindung mit Egisheim erwähnt. Dagegen 
lesen wir ausdrücklich: Item IUI schatzze in Pfaffen- 
heim banne, der ligent zwene ze Hvseren . . • . 
Item XII schätze ligent gegen der linden ze 
Hvseren .... Item XXX schätze ziehentnider 
vfze Hvseren gegen der kilchen nider vf an den 
sot.... Dis sint die cjinse ze Pfaffenheim: 



> Vgl. Pertz, Monamenta Germaniae historica, XVn 190 : 
Sorores ordinis Prae d icatorum de Huserin apud 
Phaphinetum recesserunt; modo Clingen thalen ses. 

2 Vgl. u. a. Das Beichsland Elsaß-Lothringen, lU 379. Gran- 
didier-Ingold, Oeuvres in^dites, IV 195. Kindler von Knobloch 
spricht sogar in seinem Oberbadischen Geschlechterbuch n 297 von 
Häusern im B-A. St. Blasien. 

8 Stoffel, Top. Wörterbuch, 228. Burckhardt-Biggenbach, Die 
Klosterkirche Klingental in Basel, 1860, S. 2. ~ Das Beichsland 
Elsaß-Lothringen, m 379. 

* Staatsarchiv Basel. Klingentaler Akten. 



— 11 — 

IUI schatzze ze Hüseren nebent des spi tals ^'ü t 
von Pfaffenheim • . « . IUI schazze an HvsereD 
schleife nebent der schurphesecke gut . . . . 
Uli schätze Hgent och in Pfaffenheim banne 
nebent der Röttelbachi und ziehent oben nider 
uf den Unseren weg .... usw. Soweit die urkund- 
lichen ßelege, die sich noch vermehren ließen. Doch werden 
sie wohl genügen zur Erhärterung der obigen Behauptung.^ 
Aber auch da< Gotteshaus zu St. Lienhard in Husern ist un& 
urkundlich erwiesen; Capeila major de Unseren fili-^ 
aJis de Pfaffinheim ist 1236 unter den Uorbni'ger Patro-^ 
naten verzeichnet,^ und 1245 nimmt Papst Innozenz ausdrucklich 
. . . priorissam ecclesie sancti Leonardi in Uu- 
Sern eiusque sorores...in seinen besonderen 2Schutz> 
Wer die Gründung veranlaßte, läßt sich aus dem über- 
lieferten Urkundenmaterial nicht mehr erweisen. Die Geb- 
weiler Chronik will wissen^ daß vier andächtige Ma- 
tronen von Mülhausen das Kloster 1233 gestiftet hätten;^ 
doch ist auf die Angaben dieser Chroniken gerade für jene Zeit 
wenig Verlaß. Wahrscheinlich ist es, daß kurz vor 1240 sich 
etliche adelige Witwen freiwillig in einer Behausung des ab- 
gelegenen Weilers Uusern zusammentaten, das Heiligtum zu 
St. Lienhard erbauten und unter dem Einflüsse des nahen, 
mächtigen Marbach die berühmte Ordensregel des hl. Augustinus 
annahmen.^ Bedachten doch vornehmlich Witwen des Land- 
adels die junge Gründung mit milden Zuwendungen. 



1 Das Eebgelände EÖ 1 1 1 e oder Eöttlebach liegt noch 
anveit St. Lienhard im Pfa£fenheimer Banne. 

2 Auch das Bnfacher Liber vitae erwähnt S. 75 v. aus dem 
1 3. Ja hrh. : Heinricas dictus Schenke tenetur dare . . . 
XVlil den. ad opus denscadissitis ze Husern iuxta 
Petram zer Bach. — Za demselben Husern gehören dann wohl 
aach folgende Eintragungen : VH kal. feb. obiitVlricus de 
Husern de cuius anniuersario dantur plebano 
XVIil den., sacriste H d., XVI vero den. infirmis in 
hospitaleantiquo propane et vino deagro tendenti 
vf de marteweg parte iuxta dictum Soder. — U kaL 
mai. obiit Sifridus Huseren qui dedit huic ecclesie 
vineas sitasandem Herwege vnderbergen,soluentes. 
annuatim plebano VI den. et duobus soc. VI den. 

3 Aus Dalem. Index litterarum. 

4 (Jrkundenbuch der Stadt Basel, 1 127. 

5 Gebweiler Chronik, neue Ausgabe, S. 9, desgl. Schönenstein- 
bacher Chronik, S. 98. 

« Clauß spricht in seinem «Wörterbuch>, S. 418, von einer 
Bestätigungsurkunde des Bischofes von Basel vom Jahre 1236 und 
bringt die Gründung mit St. Marx in Straßburg in Verbindung. Mir 
ist die Urkunde nicht bekannt; eine Notiz darüber soll in Dalem^ 
Index litterarum zu finden sein. 



— 12 — 

So übergab bereits 1241 Guta Holzweg von Geberschweier 
mit Wissen und Willen ihres Vogtes Dietrich von Schranken- 
fels conventui et eccies ie soro r u m in Huseren 
Hof und Güter in Geberschweier, i Wenige Jahre nachher 
folgte dem edlen Beispiele Hedwig von Falkenstein, die Witwe 
des Walraven, mit Gütern bei Sulz,^ und 1252 Kunigunde, 
die Witwe des Ritters Johann Thosce, mit Gütern bei Huseren 
selbst. Als Papst Innozenz durch eine *äm 19. September 1245 
in Lyon erlassene Bulle Priorin, Schwestern und Kirche in 
seinen besonderen apostolischen Schutz nahm und alle ihre Rechte 
bestätigte,^ war die Stiftung zwar auf festem FuBe ; aber eben 
diese Bulle zeigt uns auch, daß die Nonnen sich bereits ge- 
fährdet sahen und des ausdrücklichen päpstlichen Schirmes 
sehr bedurften. 

Die Zeiten waren aber auch einer friedlichen Gründung 
nicht günstig ; denn von derselben Stadt Lyon aus schleuderte 
der Papst in demselben Jahre 1245 den Bannstrahl gegen 
Deutschlands Kaiser Friedrich H., entsetzte ihn seiner Würde 
und erwirkte die Wahl eines Gegenkaisers. Unsägliches Elend 
zog in die deutschen Gaue, und Krieg und Fehde wollten 
nimmer enden. Auch in den bischöflichen Landen der obern 
Mundat entbrannte die Kriegsfackel, und Rufachs und Colmars 
Bürger, die verschiedener Herren Interesse vertraten, lieferten 
sich manches blutige Treffen, wobei nach Herzenslust verheert 
und geplündert wurde. Erfahren wir doch auch von dem nahen 
Marbach, daß es in jenen Tagen furchtbar unter dem Krieges- 
jammer zu leiden hatte.^ 

Der Papst mußte bald ein zweites Mal zugunsten seiner 
Schutzempfohlenen in Husern eingreifen, und zwar geschah 
dies durch eine Bulle vom 5. Februar 1246, in der er allen 
Gläubigen des Basler Bistums, die Kloster und Nonnen in ihrer 
Notlage unterstützten, einen Ablaß von 20 Tagen verlieh.» Aber 
der Aufruf an das allgemeine Mitleid hatte wenig Erfolg. Des- 
halb erwirkte ein Freund und Gönner des Klosters, ein gewisser 
Walther von Joigny, unterm 11. Juli desselben Jahres eine 
weitere päpstliche Bulle, durch die das bisherige Augustinerinnen- 
kloster in Husern dem mächtigen Predigerorden angegliedert 
und der Aufsicht des Meisters 'desselben Ordens in deutschen 
Landen unterstellt wurde. « 



1 Urkundenbach der Stadt Basel, I 112. 

2 Ebenda, I 163. 

3 Ebenda. I 127. 

* Mitteilungen der Ges. z. Erh. der Altertümer in E.-L., XX 82. 
5 UrkxmdenbTich der St. Basel, I 131. 
^ Ebenda, I 133 



— 18 — 

Doch auch diese Neuregelung^ vermochte des Klosters Wohl- 
ergehen nicht sonderlich zu heben. Mußten doch die Kloster- 
genossen 1248 dem Ritter Peter von Hegenheim, Meliot ge- 
nannt, gezwungener Weise die Güter in Sulz abtreten, i und 
1250 ^alr sich die Priorin Adelheid sogar genötigt, ihre schönen 
Kornzinsen, die ihr kurz zuvor der sterbende Ritter Rudolf 
Holzapfel testiert hatte, an Konrad Waldner von Berweiler lu 
veräußern.^ Und wie dann langsam die kaiserlose, die 
schreckliche Zeit hereinbrach, da war des Klösterieins 
Bleiben nicht R)ehr in dem offenen Weiler an den Vogesen- 
halden. Die Horden, die 1253 Marbach in Asche legten,^ haben 
sicherlich der unfernen Frauenzellen in Husern nicht verschont, 
und so mußten sich die Insassen notgedrungen nach einem 
neuen Heim umsehen. In dieser Not erbarmte srch ihrer ein 
Schwarzwälder Edeling, Walther von Klingen, der indes auch 
in der Mundat begütert war, indem er ihnen 1256 im schönen 
Wehratale auf seinem Eigengute eine neue Siedelungsstätte an- 
bot. Dort schenkte er ihnen nämlich durch Urkunde vom 2. 
September 1250 reiche Güter zum Klosterbau und den Kirchen- 
safz des Ortes Wehr.« Die neue Gründung erhielt nach ihrem 
Wohltäter den Namen Klingental, und Papst Alexander bestätigte 
1257 den Augustinernonnen secundum instituta ordinis 
fratrum Predicatorum viventibus die Gültigkeit der 
althergebrachten Privilegien.» 

Soweit die Urgeschichte des Klosters Klingental « das indes 
auch im W^ehratale die ersehnte Ruhe nicht fand, sondern 
schon zwei Jahrzehnte später nach Kleinbasel übersiedeln mußte.<^ 

Mit dem Jahre 1256 waren demnach die Klosterfrauen aus 
Husern, wo wahrscheinlich nur die vereinsamte Kirche zu 
St. Lienhard wiedererstand, verschwunden. Die reichen 
Schenkungen an Gütern und Zinsen aber gaben sie dadurch 
in ihrer alten Heimal keineswegs auf. Doch machte die Ueber- 
wachung und gründliche Verwertung derselben aus der Ferne 
zu viele Schwierigkeiten. So gründete man denn in dem festen 
Rufach, dem Hauptorte der Mundat, einen sog. Zinshof und 



1 Barckhard-Biggenbach. Die Klosterkirche in Klingental. 
8 Urkundenbach der St. Basel, I 179. 

3 Mitteilungen der Gesellsch. z. Erh. d. Altert., XX 83. 

4 Urkondenbuch der St. Basel, I 227. 

& Ebenda, I 236. Das Gut zu St. Lienhard kam später an das 
KlQSter Maibaeh, welches- p r o p' a t r o n 1 s et f u n d a t o r i b u s in 
dem Kirchlein den Gottesdienst unterhielt und es später an die Ge- 
meinde Pfaffenheim verkaufte (Vgl. Mitteilungen. XX 97) ; heute noch 
ist es als Sonderjgput im Besitze der dortigen Kirchen fabrik. 

ö Zur weiteren Geschichte des Klosters vgl. die schon erwähnte 
Schrift von Burckhard und Biggenbach. 



legte die gesamte Güterverwaltung der Stammlande in die 
Hände eines Klosterschaffners oder Meiers, der dort seinen Sitz 
■aufschlug. 

Schon die bereits erwähnte Schenkung der Guta Holzweg 
■aus Geberschweier, die die älteste nachweisbare Erwähnung 
des Klosters Husern enthält, erfolgte 1241 in der . Stadt kirche 
2U Rufach.i Ob die Frauen damals schon Hofgüter in Rufach 
Ihr Eigen nannten, läßt sich nicht erweisen. Dagegen erfolgte 
kaum drei Jahre später i^lM eine beträchtliche Zuwendung an 
•das cenobiumin Husern durch Heinrich König aus dem 
heute verschwundenen Dörflein Sundheim bei Rufach und durch 
seine Gemahlin Bertha, die sich selbst und all ihr Eigengut 
•den frommen Klosterfrauen widmeten; Hertha nahm selbst 
■später das Ordenskleid, wie uns die Rückseite des noch, er- 
haltenen Pergamentes verrät.8 Die geschenkten Güter sind 
^war nicht aufgezählt; doch war dje Familie der Kunige (re- 
^um) eine der wohlhabendsten Rufacher Patrizierfamilien deß 
13.. Jahrhunderts, die schöne Höfe und Güter in und um 
Kufaphs Mauern besaß, und so dürfen wir denn auch mit Recht 
<lie ; Sehen kung aus dem Jahre 1244 als* grundlegend für die 
I^lingentaler Besitzungen in Rufach gelten lassen. Dem Rufacher 
2inshpf ist ^s,aber auch zu verdanken, daß das Kloster in seiner 
aufgegebeneir Heimat nicht in Vergessenheit geriet. 

Freilich waren die bereits gemeldeten Kriegsjahre und Um- 
züge dem Flusse der frommen Stiftungen und Schenkungen zu- 
nächst .nicht günstig, Doch schon kurz vor 1270 trat wieder eine 
:ge wisse Mechtild von Rufach, wohl eines der letzten Mitglieder 
•dieser Adelsfamilie, in den Orden und überbrachte dem Kloster 
mit ihrer Person die Hütte vnder den krämeruze 
Rufach, do man tücher verkouft.* Der Priester 
Rudeger aber, der um 1280 in Rufach seines Amtes waltete, 
war so erbaut von der stillen Arbeit der Nonnen, zu denen auch 
«eine Tochter Gerina gehörte, daß er der reichen Pfründe 
•entsagte, mit Hab und Gut nach Basel übersiedelte und dort in 
der Klosterkirche einen Altar zu Ehren der hl. Martha stiftete, 
■an welchem er bis zu seinem Tode Kaplaneidienste versah. * 

Auch die Umgegend von Rufach lieferte reiche Spenden.* 



1 Urkundenbuch der St. Bi^sel, I X12. 

s Ebenda, I 124. Die Rückseite trägt: (Bona?) sororis 
Berhta de Bubiaca. 

8 Urkundenbuch der St. Basel, HI 34. 

* Ebenda, IH 215 u. 265. 

^ Zu den nun folgenden Angaben vgl. teils das Basler ür- 
knndenbach anter KHngental, teils die Urkunden selbst im Staats- 
archiv zu Basel. 



— 15 — 

Die Güter und Zipsen in Niederenzen stammen von Ritter 
Köseün von Bergholz und Rudolf von Meienheim 1276, die 
von Orschweier teils von Ita, der Tochter Gerharts zum Burgelin 
von Rufach^ teils von Konrad Glockner 1300. Von Burkhard 
vom deutschen Hause und seiner Gemahlin kommen 1293 
Liegenschaften in Pfaffenheim, Rufach und Orschweier ; und 
Gerina Himapussin, deren Tochter Gerina in Klingental den 
Schleier trug, widmete 1296 Güter in Niederhergheim und 
Bilzheim. Sophie von Klingen, des edelmütigen Stifters Ge- 
mahlin, schenkte GefUlle in Osenbach, Egisheim, Orschweier 
und Ammerschweier. Die Gundolsheimer Besitzungen wurden 
teils von den Edeln Johann von Heitweiler und Konrad von 
Pfafifenheim um 1300 erkauft, teils sind sie eine Zuwendung 
des Gundolsheimer Leutpriesters Burghard Bezelin aus dem 
Jahre 1284. Mithin verfügte der Hof am Beginn des 14. Jahr- 
hunderts schon über viele Einkünfte aus nah und fern ; aber 
deir Gütererwerb kam noch keineswegs ins Stocken. 

Im Mai 1315 kaufte der Klosterschaffner die Schmiede am 
Gewigge zu Rufach von den edeln Damen Elisabeth von Heit- 
weiler und Beiina von Ostheim zu 16 ff und gab sie in Erb- 
lehen. Zwei Jahre später waren es Werner von Isenburg und 
seine Gemahlin Clara, die Grundzinsen käuflich überließen. 
Am 4. April 1323 verkaufte Elisabeth, die Tochter des Edel- 
knechtes Heinrich an dem Werde, Zinsen von der von Stotz- 
heim Haus in Rufach an das Kloster, und im folgenden Jahre 
verzichtete sogar der in Rufach ansässige Jude Abraham von 
Herlisheim gegen eine Entschädigung von 21 flf auf die Güter 
Niblung Hellers in Orschweier zu 4es Klosters Gunsten. 

Im Jahre 1329 erlitt die Hofanlage selbst einen bedeutenden 
Zuwachs. Damals lebte zu Rufach der Klosterschaffner Burchardüs 
Geylfftß. An das Klostergut stieß das Eigentum des Rufacher 
jBürgers Johann Knure, der ein besopderer Freund des Schaff* 
ners war. Als dann Knure 1329 auf das Sterbelager kam, 
übergab er in Gegenwart des Leutpriesters und seines Gesellen 
Haus, Hof und Garten an das Kloster zur Erweiterung des 
Hofgutes.i Das Jahr 1347 brachte allein in Rufach weitere 
60 Schatz R^ben und 5 Häuser und einen Garten in Abhängig- 
keit vom Kloster, das noch 1349 Grundzinsen von Ritter Hart- 
mann von Jungholz erwarb. 

Hören auch von da an die Erwerbungen größtenteils auf, 
so zeigen doch die Zinsrodeln und Urbare j^ner Zeit einen 
recht umfangreichen Besitzstand, und der jeweilige Schaffner 



1 Walter, ürkandeabach der Pfarrei Bufach, 13. 



— 16 - 

hatte sicher Arbeit genug, die vielen Erträgnisse zu bergen 
und zu verwerten. In Geberschweier war ein weiterer größerer 
Hof von Rufach abhängig und in Pfaffenheim sogar der Burg- 
grafen Hof.^ Es waren dies wahrscheinlich die alten Zufluchts- 
stätten aus den schweren Zeiten des Sturmes und des Dranges. 
Zinsen und Zehnten dagegen flössen in HuUe und FöUe aus 
Katzental, Egisheim, Morsch weier, Walbach, Uffholz, Herlisheim, 
Merxheim, Berweiler, Meienheim und Bebeinheim und aus den 
bereits erwähnten Ortschaften der bischöflichen obern Mundat. 

n. 

Wie stellte sich nun der Hof selbst zur Stadt Rufach und 
zur bischöflichen Verwaltung, und welches waren seine fernerea 
Schicksale ? 

Schon die ältesten städtischen Bestimmungen aus dem 14. 
Jahrhundert zählen unter den gefreiten Gotteshäusern 
und Höfe n^ den sog. Klingentaler Hof auf und fügen ergänzend 
bei: Die Höft seint Frohnens, Wachens, Zollens 
und ander Beschwerden frei.. Doch genoJß unser Hof 
keine vollständige Befreiung von jeglicher Auflage. So zahlte er 
dem bischöflichen Grundherrn forden einen Teil des Hofes jährlich 
8 ß Schnitter- und Mäherlohn und dem Rufacher Freihof des 
Domkapitels von Str^ßburg für den andern Teil zwei Kapaunen 
Bodenzins« Als Vogteischutz erhob ein jeweiliger Vogt auf 
Isenburg von dem Schaffner jährlich 1 flf in Münze zu einem 
Paar Stiefel und ein Viertel Korn und der Burgwart 5 ß Portner- 
geld. Der Hofmeier mußte die Wy nfuor» uff das Schloß 
zu Ruffach mit sampt den Amptluten des Unter- 
lindenhofes verschaffen. In Kriegszeiten hatte er zwei Pferde 
und einen halben Wagen (Karren) zu stellen ; und kam der 
Bischof mit seinem Gefolge nach Rufach, so hatte der Meyer 
im hoffad minus 11 kn echte zu halten mit stallung, 
heu und stro und geliger, underweilen drei 
oder vier. Im 16. Jahrhunderte entschädigte der Bischof 
den Meier für Nachtlager und Schlaftrunk der beherbergten 
Dienerschaft durch eine Verehrung und lieferte den Pferden 
den Hafer selber. 



1 Damals lebte in Pfaffenheim Ditschin Bnrggraf von Salzmatt, 
der den Hof wahrscheinlich zu Lehen trug. 

2 Es waren dies außer den Stadtklöstem die Höfe von Esohan, 
von ünterlinden (einer in und einer außer der Sti^dtmaner), von 
Paris, von Marbach, von Klingental und von Wert; letzterer ging: 
später an Lützel über. 

3 Die Zufuhr von Zins-, Zehnt- und Kanfweinen. 



— d7 — 

Die übrigen Verpflichtungen gegenüber der Stadt, die man 
als Entgelt für das sog. Asylrecht auflassen kann, sind kurz 
in folgenden Bestimmungen enthalten. 

Item, wenn man dasGewerf legt,mußder 
Meyer geben uf die Ratstuben 1 omen wißen 
win, dortzu dem Schultheiß, dem St adt seh riber 
und den vier hotten^ alle Jor, wann man das 
Gewerf legt, am Montag dornach oder sonst 
ein bequemer tag einlmbs zum besten, so er s 
haben mag . . . Item, wenn man gemein werck« 
macht, muß der Meyer aber geben so dick und 
soviel 1 omen etwan 2, untz dornach leutdo 
s i n d t.3 

Der Meier oder Schafl'ner unterstand dem Gerichtsstab der 
Stadt und war in Kriegszeiten den Verteidigern der Isenburg 
zugewiesen. Er war Mitglied der Ratszunft, die ihre Stube 
auf dem Rathause hatte ; dorthin zahlte er deshalb auch 6—8 ß 
sog. Stubenrecht oder Stubenhitze. 

Das Kloster Klingental beauftragte meistens einen K o n - 
V e r s e n (Laienbruder), den es nicht besonders zu besolden 
hatte, mit der Verwaltung des Hofes ; so treffen wir dort 1431 
einen gewissen Claus Bireger und 1489 einen Claus Kratzkel. 
Anders aber wurde das Verhältnis als die Reformation aus- 
brach, der die Basler Klöster samt und sonders zum Opfer 
fielen. 

Der Basler Rat, der sich bei seiner Handlungsweise auf 
die ihm zustehenden Rechte der Kastvogtei, der Schirmherrschaft 
und der Oberaufsicht der Stadtklöster stützte, erließ am 13, 
Februar und am 26. September 1525 zwei Verordnungen, durch 
die der Fortbestand sämtlicher Klöster in Basel unmöglich ge- 
macht wurde und das Klostervermögen vollständig in die Ver- 
waltung städtischer Verwalter übergehen sollte. Während nun 
die meisten Klostersiedelungen in kurzer Zeit diesen Maßregeln 
erlagen, hielt sich Klingental noch viele Jahre. Die wackere 
Aebtissin Walpurga von Runß wies jede Verständigung mit dem 
Rate energisch von sich und bewahrte mit treuer Hand Kloster 
und Gut bis zu ihrem am 10. Oktober 1557 erfolgten Tode. 

Auch Ursula von Fulach, die einzige jetzt noch vorhandene 
Klosterfrau, verweigerte zunächst hartnäckig die Herausgabe 
von Schlüssel und Briefen, indem sie geltend machte, die 
Klosterverwaltung stehe nunmehr ihr allein zu. [jErst am 12. 



1 Ratsbote, Herrenbote, Kirchenbote u. laufender Bote. 

2 Ausbesserung von Weg und Steg auf den Allmenden u. dgl. 
8 Stadtarchiv Rufach, BB 2. 

2 



— 18 — 

Januar 1559 ließ sie sich zu einer Vereinbarung herbei ; sie 
wurde mit einer Leibrente abgefunden, verließ Stadt und 
Kloster und damit hatte endlich auch die Klingentaler Kloster- 
genossenschaft zu bestehen aufgehört. » 

Die Stadt Basel vermischte die errungenen Klosterguter 
keineswegs mit ihren gewöhnlichen städtischen Einkünften, 
sondern sie legte die Verwaltung derselben in die Hände be- 
sonderer SchafTner oder Pfleger und verwendete den Reinertrag 
zur Unterhaltung von Kirchendienern und Schulen und zur 
Unterstützung der Armen und Bedürftigen. 2 Doch kehren wir 
wieder zu unserem Rufacher Hofe zurück. 

Im Jahre 1532 wirtschaftete dort ein gewisser Hans N. als 
Meier und Schaffner, der von unbekannter Seite einen Lohn 
von 30 8f bezog. In den folgenden Jahren des Haders und des 
Zankes wurde das gesamte Anwesen so vernachlässigt, daß es 
1560 nicht mehr zu bewohnen war. 

Basel bewerkstelligte zunächst von 1560 an die Neubereinung 
der Güter und Gefälle; und erst als diese Arbeit vollständig 
bewältigt war, erfolgte 1566 die Verpachtung des Hofes mit 
sämtlichen Einnahmen und Auflagen an den damaligen Land- 
schreiber 3 Nikolaus Anshelm und seine Ehehälfte Salomea 
Schultheiß. Die Stadt erließ dem Pächter, der den Namen 
eines Meiers weiter führte, die Pachtsumme von 100 ^ Gulden 
und gewährte ihm überdies einen jährlichen Zuschuß von 20 
Gulden in Geld; dafür mußte er sich verpflichten, in seinen 
Kosten, Haus, Hot', Scheune und Stallung einer vollständigen 
Ausbesserung zu unterwerfen. Sein Einkommen wurde schließ- 
lich noch dadurch vermehrt, daß ihm die Pfafi*enheimer Gefalle 
der ehemaligen Klöster St. Clara und Gnadental übergeben 
wurden, wofür er als einzige Last übernahm, in Niederherg- 
heim jährlich einmal, den Dinghof abzuhalten. Des Gots- 
huß Gl i n gen t al Scha ffne r, Z i n s m e i s t e r. Karrer 
und andere verwanthen waren, so oft sie nach 
Rufach kamen, mit ihren Pferden natürlich frei zu halten.* 

Noch war Anshelm mit den umfassenden Arbeiten nicht 
zu Ende, als er am 23. Mai 1575 verstarb. Basel sicherte 



i Vgl. hierzu Burkhardt-Riggenbach, die Klosterkirche usw. 

2 R. Wackernagel, Das Kirchen- und Schulgut des Kantons 
Basel-Stadt. 

3 Der Landschreiber hatte früher seinen Sitz in Pfaffenheim 
und war den Schultheißenämtern in Pfaffenheim. Geberschweier, 
Gundolsheim und Orschweier für die erforderlichen Schreibereien 
als Schreiber zugewiesen. 

* Staatsarchiv Basel, Klingentaler Papierurkunden. 
3 Walter, Alsatia superior sepulta, Nr. 173. 



Alter Sodbrunnen Im Klingen laier Hole. 

seinem Sohne Hans Jakob die Nachfolge im Hofe, doch nur 
gefiea einen Jahreszins von 220 Gulden. Er erbaute dann 
■1578 den prachtvollen Renaissance-Sodbrunnen, der uns ^rößlen- 
teils heute noch erhalten ist, und an dessen Hauptslück neben 
dem erneuten Wappen von Klingental,' der Glocke, das- 



' Das alte Siegel von Klingental, das Bchon in Husern An- 
-wendang fand, zeigte eine Maria Verkündigung. Tgl. Basler Ur- 
kuudenbuch I, Siegel ab bildungen Nr. 64 n. 65, und Burokhard-Riggen- 
bach. Die Klosterkirche. 9. 39. 



— 20 — 

jenige der Anshelm, zwei gekreuzte Rebhölzer mit oben und 
unten eingefügtem sechsstrahligen Sterne, noch sichtbar ist. 

Als die Schweden ins Land kamen, stand der Hof unter 
der Verwaltung des Rufacher Stadt Schreibers Georg Schlitz weck. 
Trotzdem Gustav Hörn durch ein eigenhändiges Schreiben von 
Kestenholz aus den Basler Herren am 20. November 1632 
Ordonantz und salva quardia wegen ihres 
Klingentaler Hofes zugehen ließ, hinderte das nicht, daß der 
Hof ausgeplündert und mit einem Leutenant^ vier Pferden und 
etlichen Mannschaften als Einquartierung belegt wurde, zum 
großen Schaden von Gut und Schaffner.i 

Im Jahre 1657 gingen Hof und Güter lehensweise an den 
Rufacher Magisiratsherrn Georg Alexander Knechtlin über, 
und dessen Familie wußte sich den Genuß derselben fast 
anderthalb Jahrhunderte zu sichern. Zwar wurden 1709 die- 
jenigen Gefalle, die im Sulzer Amte erhoben wurden, und das 
sog. Gnadentalberein in Pfaflfenheim von Rufach losgelöst und 
ein besonderes Lehen daraus gebildet, das dem damaligen Land- 
schreiber Melchior Schneider aufgetragen wurde ; aber es blieb 
noch immer ein schöner Bestand. 2 

Im Frühjahr des Jahres 1765 verstarb Antonius Knechtlin 
als der letzte seines Geschlechtes. Doch schon zu Lebzeiten 
hatte er der Stadt Basel seinen Vetter Anton Weingand zu 
seinem Lehensnachfolger empfohlen. Und wie dann Hab und 
Gut der Knechtlin an Weingand überging, da folgte auch 
die Basler Belehnung mit dem Hofe und seiner Zubehör auf 
dem Fuße. Nach der am 20. Mai 1765 abgefaßten Urkunde 
bestand der Hof aus zwei Häusern, Stall ung, Waschhaus mit 
Backofen, drei Gärten und einem Sodbrunnen, alles mit einer 
Mauer umgeben; dazu gehörten an Eigengütern 12 Juchert 
Wiesen, 26 Schatz Acker und Reben und 24 Juch Wald ,» alles 
im Rufacher Banne. Die übrigen Gefalle gibt folgende Zu- 
sammenstellung. 



1 Staatsarchiv Basel, Klingental Papierurkunden. 

s Auf diese Weise entstand das sog. Schneidersche Lehen, das 
von Melchior Sehn. 1725 auf dessen Sohn Johann Anton und noch 
1789 an den damaligen Rufacher Amtmann Schneider überging. 
Der Hof in Bufach selbst war vorübergehend an Johann Geschickt, 
den damaligen Deutschorden sschaifner, der die Witwe von Humbert 
Christoph Knechtlin geheiratet hatte, verliehen. 

* Der Wald lag im sog. Niederwald und war in zwei Malen 
angekauft worden ; 1433 von den Brüdern Hans und Burkhard von 
Meienheim und 1439 von Agnes von Meienheim, Heinrich Meiers 
Frau. (Basel, Klingental. Papierurkunden.) 



21 — 




Sonstige Gefälle. 



Enfach 

Heiligkreuz 
Niederhergheim 

Nieder- und 
Ob ereil zen 

Pfaffenheim 



1561 



1738 



1735 



1739 



Geberschweier | 1739 



Gundolsheim 

Munw eiler 

Orschweier 
Bergholz 

Saizmatt 
Westhalten 

Egisheim 
Berlisheim 



1735 
1735 

1561 
1561 
1562 



17 Vierteil 115 flf 14 a 

3 Viertel 

18 Viertel 

4 Viertel' 7flf103 

1 

- ! la' 

6 Vierteil 8ß 

6 Viertel 

4afl2ß 

Uff 14,5 

2!ri3ß 



6 Saum 
2 Ohm 



4 Kapaunen 
2 Bratwürste 
200 Strohwellen 



10 S. 
15i|3Maß 

6 S 
10V«Maß 



32 Regelsbirneni 



4 Saum 



1 Kapaune 



Die se gesamten Einkünfte wurden an Weingand abgetreten 
gegen den üblichen Lehenzins von 102 ff 10 ß in Geld und 40 
Ohmen Wein, mit der althergebrachten Verpflichtung, das von 
Anton Knechtlin fast neuerrichtete Haus fortan in gutem Stande 
zu erhalten. 

Die Revolutionsjahre gefährdeten der Stadt Basel zunächst 
ihren Besitz nicht ; doch brachten sie ihr soviele Schreibereien 
und Unannehmlichkeiten, daB sich das Direktorium der Schafl*- 
neien 1798 entschloß, alle im Elsaß liegenden Güter und 
Ansprüche zu verkaufen. Weingand bot für den Rufacher 
Zinshof unter der Hand 60 000 frs. an, aber Basel wollte nicht 
annehmen. So kamen schließlich sämtliche elsässischen Lehens- 
gefälle usw. am 30. Oktober 1798 in Basel unter den Hammer, 
und der Bartenheimer Bürger Georg Baumann erstand sie zum 
Preise von 114000 frs. 



1 Der Eegelsbirnbaum, der eine kräftige Winterbirne trägt, ist 
im Pfaffenheimer und im Eufacher Banne noch durch wenige Exem- 
plare vertreten. Die Colmarer größeren Jahrbücher berichten schon 
ans dem Jahre 1278: Regelsbiren 40 uno denari^ . . . . 
vendebatur. Pertz. Monumenta, XVm 202. 



— 22 ~ 

In Rufach ist wenig vom alten Zinshofe erhalten geblieben. 
Eine Brandnacht des Jahres 1873 hat das Hauptgebäude 
vernichtet, ohne daß es bis heute wiedererstanden wäre, und 
die Nebengebäude erlitten infolgedessen durch seinen jetzigen 
Besitzer Weingand Isidor einen vollständigen Umbau. Nur der 
seltsame Sodbrunnen steht noch einsam am wirren Trummerfelde 
als einziger Zeuge vergangener Herrlichkeit. Basel aber hat heute 
noch sein sog. Kirchen- und Schulgut, in das der Kauferlös 
von 1798 floß, und das ausschließlich zu Unterrichts- und 
Kultuszwecken Verwendung findet, unter eigener Verwaltung. 



111. 

Inventare des früheren Franziskaner- 
klosters von Colmar.^ 

Von 

Dr. Aug. Hertzog-Colmar. 

V or zwei Jahren habe ich an derselben Stelle die letz- 
ten schicksalsschweren Tage des Colmarer Franzisknnerklosters 
geschildert, dabei konnte ich an Hand zweier vorgefundenen 
Jahresrechnungen, die Bedeutung der damaligen Jahreserträ^'^c 
aus dem Klostervermögen und sonstigen Einkünften des Klosters 
dartun. Wenn schon solche Jahresrechnungen ein Licht auf die 
Lebensweise der damaligen Hausinsaßen werfen konnten, so 
dürfte es nicht minder der Fall sein, für die Inventare des 
Mobiliars sowie der Schätze des im Jahr 1542, durch den Tod 
der letzten Bruder, abgegangenen Klosters. Sofort nach dem 
Aussterben des Colmarer Franziskanerklosters, wurde auf An- 
ordnung der städtischen Behörde, durch den Stadtschreiber 
Humel, in Gegenwart der zwei Klosterschaffner, ein Verzeichnis 
alles vorhandenen Mobiliars des erwähnten Gotteshauses, auf- 
gestellt. 

Dies Inventar wurde damals zimmerweise aufgenommen, 
und so lernen wir dadurch die Namen der zuletzt noch darin 
wohnhaft gewesenen Brüder kennen. Es waren dies nämlich 
der Herr Vize-Guardian Antonius Feist, für welchen zu 
begraben an den Totengräber Gunrat Schefflen, am 
Donnerstag nach Adelphi, 1541, sowie für den Herrn Hans 
Müller, Musiklehrer und Orgfanist, 10 ß bezahlt worden 



J Spitalarchiv Colmar, Fonds II, A, 6. 



— 24 — 

sind. Dann wird darin noch erwähnt die Kammern des jüngeren 
Herrn Jakob sei. und des Herrn Andreas. Werder 
jüngere Herr Jakob war, konnte nicht ermittelt werden, jeden- 
falls hieß derselbe aber so, im Gegensatze zum älteren Herrn 
Jakob, dem den Lesern wohlbekannten letzten Guardian des 
Klosters, Jakob Einfalt, aus Geberschweier. Ich vermute 
sogar, daß es ein naher Verwandter desselben gewesen sei. 
Ueber die Person des Herrn Andreas, konnte ich ebenfalls 
nichts in Erfahrung bringen ; da aber bei dessen Namen das 
Wörtchen seli^ fehlt, so ist anzunehmen, daß derselbe doch 
nicht gestorben war, vielleicht nur in ein anderes Kloster sich 
begeben hatte, wie übrigens in Thann, nach Auflösung des 
Golmarer Klosters, in der Tat, ein früherer Golmarer Franzis- 
kaner erscheint, er hieß Nikolaus Boffler, und starb dort 
am 10. November 1559, als Guardian des dortigen Hauses« 

Wenn wir nun dies Mobiliar-Inventar, wie wir es hier 
veröffentlichen, näher betrachten, so geht daraus hervor, daß 
die Klosterausstattung eine ganz bescheidene gewesen ist, und 
sicherlich in uns nicht den Eindruck erwecken wird, als hätten 
große Reichtümer darin existiert. Auflallig ist das Fehlen jeder 
Bibliothek, und doch wissen wir, daß die Franziskaner von 
Golmaf, zeitweise eine Lateinschule gehalten haben. Wahrschein- 
lich ist die Bibliothek, schon viel früher, beim Aufhören des 
Schulbetriebs, in ein anderes Kloster verbracht worden. Eine 
Ausnahme davon macht das Privatgemach des Provinzials, der 
in letzter Zeit viel und oft in Golmar war. Nur in der Kammer 
des musik beflissenen Bruders, des Herrn Hansen Müllers, 
finden wir ein einigermaßen gelehrtes Inventar ; so ein Gemälde, 
zwei «Klaffen Zimerj) (das Glavicordium), eines davon hatte er 
noch kurz vor seinem Tode gekauft, wie dies aus einer der 
vorerwähnten Jahresrechnungen hervorgeht ; ferner eine große 
Viola, eine Lyra und endlich fünf Bücher ; eine gemalte Tafel 
und einen gemalten Isac. Im Kloster befand sich dann auch, wie 
in allen Klöstern, eine Gastkammer, die schon ein wenig Luxus 
verrät, denn da finden wir unter anderem zwei «heidesch werken 
sergen». Heideschwerk ist aber ein damasziertes Gewebe. Durch 
das Inventar der Wohnung des Herrn Vize-Guardians sei. erfahren 
wir sogar etwas über seine Bekleidung, denn da finden wir ein 
schwarzes Paar Hosen und ein ebensolches Wam_s, einen schwarzen 
Mantel, eine schwarze Kappe, zwei Hüte, grau und schwarz und 
ein Wetschger. Vielleicht dürfte ein Leser des Jahrbuchs uns 
diesen Ausdruck deuten, es war mir nicht möglich festzustellen, 
was darin zu verstehen sei [s. u. S. 38 Anm. 4]. 

In der Kammer des jüngeren Herrn Jakobs sei. finden wir 
einen gefütterten Pelzrock, der einigermaßen auf Komfort hin- 



— 25 — 

deutet. Dieser Bruder muß wohl sich mit einem Studium ab- 
gegeben haben, denn er halte in seinem Zimmer e:dreißig bücher 
ungeverdlich)), friedlich daneben lag c:ein tegen in einer hültzen- 
scheiden». 

Wüßten wir nicht, daß im Franziskanerkloster sich auch 
eine Pensionsansfalt befand, in welche sich Leute gegen Her- 
gabe eines gewissen Vermögens oder Geldes einkaufen konnten, 
so würde uns die Inventarüberschrift ein der Kochin Chamer}!> 
etwas befremden ; denn in einem Kloster durfte keine Köchin 
gehalten werden. Diese Person war in unserem speziellen Falle 
die Haushälterin der Pensionäre und der Gäste des Klosters ; 
darin finden wir auch nur eine geringfügige Fahrendhabe. Wie 
noch heutzutage in vielen bäuerlichen Haushaltungen, finden 
wir im Kloslerinventar einen nicht unbedeutenden Bestand an 
Kölschwäsche. Auch die Serge wird darin oft erwähnt. Die 
Bettausrüstungen überwiegen in dem Verzeichnisse, was nicht 
Wunder nehmen kann, zumal ja zu gewissen Zeiten viele In- 
sassen im Kloster waren, z. B. bei Provinzversammlungen und 
Konventen. 

In des Vize-Guardians anderem Kämmerlein finden wir 
unter anderem eine Glutpfanne, ein Geräte, welches die Jüngeren 
wohl nicht mehr kenneu ; ich erinnere mich aber noch in un- 
serem Elternhause eine Glutpfanne zur Erwärmung der Bette 
gesehen zu haben, in französischer Sprache heißen diese Geräte 
«un Meine» (Mönch), sicher deutet dieser Name darauf hin, 
daß dies Mobiliarstück hauptsächlich in den Klöstern in Gebrauch 
stand. Auch hier sehen wir einen Degen erwähnt. Ein <!cMarien- 
bild in einer tafeb, d. h. eingerahmt, und ein Diurnalbuchlein 
vervollständigt die Ausstattung des stellvertretenden Kloster- 
oberen. • 

In einem Troge finden wir dann viel Zinngeschirr aufbewahrt, 
sowie etliche Messingkannen; darunter zwei Suppen Kerlin, 
deren eins verdeckt. Ich erwähne diesen Eintrag hauptsächlich 
wegen des Wortes «KerHn», das Deminutiv von cKar», soviel 
als Schüssel bedeutend. Das Wort Kar wird heute noch zu 
Geberschweier und in der Umgegend so gebraucht. Hier wieder 
einmal einige wertvollere Bekleidungsgegenstände : «ein alter 
wisser beltzrock mit schwarz überzogen», ein paar doden Hosen)i> 
kuttüert (sie) wattiert. In einem andern Troge begegnen wir 
unter anderer Wäsche «zehn tischlachen und dreien «Servietli» ; 
damals entschieden noch ein seltenes Gebrauchsstück. In einem 
«Stüblin» erscheint sogar ein «Gütschpfülw» , Kutschpfuhl oder 
Kutschenkissen, ein «Bankküssen», denn damals gab es noch 
keine Kanapees, endlich auch ein «Crucifix». Die Seltenheit 
dieses Gegenstandes in unserem Inventare dürfte für ein Kloster 



— 26 - 

auffallend erscheinen, es mußte damals immerhin noch ein 
ziemlich teures Kunstprodukt gewesen sein. 

Wie im Franziskanerkloster zu Thann, und wohl in anderen 
Klöstern dieses Ordens auch, halte das Colmarer Minoritenkloster 
sein Sommerhaus, in dessen Inventar besonders folgende wert- 
vollere Gegenstände auffallen dürften : «ein heidisch werken 
küssen, eine gemalte taffel, 4 messin Liechtsteck, ein kupferin 
Keltkessel (Kühlkessel)» und etliche Bücher. 

Unsere Hausfrauen dürften sicher mit großem Interesse 
das Mobiliarverzeichnis der Küche lesen, welche sehr reich an 
Kupfer-, Messing- und ehernen Geschirrstücken gewesen ist. 
Zur Erklärung des Ausdrucks seien hier nur die darin vor- 
kommenden «sechs zinnin steufflin» erwähnt. Ein «Staufen» 
war eine Art Kelchgefäß, «steufflin» sind demnach kleine 
Trinkkelche aus Zinn. Auch ein Drehbratspieß fehlte nicht. 
Von den Kupfer- und Messinggefäßen, die in der «Spiß Chamer» 
(der Ausdruck noch gebräuchlich) vorhanden waren, dürften 
manche schon eines ehrwürdigen Alters gewesen sein, so das 
«Messen hangend gießfaß» und das andere (rmessen giesfas, ist 
ein Roß». 

Im Keller lagerten noch 16 Fuder Wein, oder 16 X ^^^ = ^^2 
Hektoliter. 

Unter Nummer IV veröffentlichen wir ein sehr interessantes 
Dokument, nämlich das Verzeichnis alles dessen, was im Jahr 
1543 in der Provinzialskammer gefunden worden ist. In jedem 
Hause des Franziskanerordens war für den Provinzial beständig 
ein Gelaß frei gehalten, in dem sich dieser Würdenträger auf 
seinen Reisen durch die Provinz aufhalten konnte. Das Datum 
dieser Urkunde konnte nicht genau festgestellt werden. Daß es 
aber nicht nach 15?t3 aufgestellt worden sein kann, beweist der 
Umstand, daß gewisse Wertgegenstände aus diesem Gelasse 
dem Herrn Jakob gegeben worden sind ; es war dies der letzte 
Guardian, J a kob Einfalt von Geberschweier, der 
am 19. Juni 1543 gestorben ist. 

Um dies Dokument den Lesern noch näher zu führen, 
werde ich an Hand von am Rande angebrachten Bewertungen 
der darin verzeichneten Gegenstände den Wert derselben zugleich 
auch im heutigen Geldwerte angeben. Es sind somit in der Pro- 
vinzialwohnung an Wertgegenständen und Münzen Mk. 10941,95 
gefunden worden. 

Die nachträgliche Notiz über die Ausgaben aus diesem 
Fonds trägt den Vermerk, actum dritt Aprilis des Jors .... 
wobei die Jahreszahl jedoch absolut unleserlich hingekritzelt ist. 
Das Ausräumungsprotokoll der Sakristei ist aber auf Donnerstag 
den dritten Aprilis 1544 datiert, und wir schließen daraus, daß 



- 27 — 

diese nachträglichen ßewertungsnolizen sowie der Ausgabever- 
merk in der besprochenen Urkunde auch von diesem Tage sind- 
Das Inventar selbst muß jedoch noch bei Lebzeiten des Herrn 
Guardians Jakob Einfalt aufgestellt worden sein, also noch vor 
dem 19. Juni 1543 dessen Todestag, weil er gewisse Gegen- 
stände aus der Provinzialwohnung gekauft hat, teilweise auch 
zur Rückerstattung an deren Eigentümer erhielt. 

Wenn ein späterer Archivar aus dem XVII. Jahrhundert 
diese Urkunde mit folgendem Vermerk überschrieben hat : 

«Inventarium des provintials seligen Verlassenschaft be- 
langendt», so will das nicht heißen, daß bei Aufstellung des- 
selben der Provinzial schon tot war, tot war dieser Würdenträger 
schon lange, aber nur für den Archivar, der dies Stück später dem 
Spitalarchiv einreihte. Hier sei noch bemerkt, daß bei Verkauf 
des Klosterwesens das ganze Mobiliar i des Hauses um den 
Preis von 3C0 gld. und 2 Fuder Weins verkauft worden war. 

Aus dem Inventar der Provinzialwohnung im Golmarer 
Minoritenhause geht hervor, daß der Provinzial, damals B a r - 
tholomaeus Herrmann, recht hohe Beziehungen hatte, so> 
rührte ein doppeltes großes übergoldetes Trinkgeschirr, mit 
4 Mark 6 Lot Reingewicht, mit einem jetzigen Geldwerte von* 
Mk. 932,80, von der Kaiserlichen Majestät her. Ein gedecktes 
Waschgeschirr, mit 27 Lot reines Goldgewicht, war ein Geschenk 
des Abtes von Murbach an den Provinzial; so wird wohl auch 
die beschlagene jwertvolle Muschel mit des Bischofs Wappen* 
von Speyer, von diesem Prälaten herrühren. Ein großer Becher, 
in- und auswendig vergoldet, mit einem Reingewicht von 4i|2- 
Mark Golds, wurde dem Provinzial durch des Stifts Konvent, 
d. h. durch die Versammlung der Provinzoberen verehrt. Wenn 
wir in demselben Verzeichnisse silberne Bischofsringe finden,, 
so dürfen auch diese Geschenke von Bischöfen oder auch Ver- 
mächtnisse derselben gewesen sein. Erinnern wir uns noch, 
daß im Verkaufsakt des Klosters an das Golmarer Bürgerspital 
in der Einleitung gesagt wird, als sei das Kloster sehr arm 
und herabgekommen, so reimt sich die ansehnliche Geldsumme 
in Gestalt von Goldmünzen, welche in des Provinzials Kammer 
vorgefunden wurde, nicht mit dieser Erklärung, erklärt sich 
aber dadurch, daß von Rechtswegen das gesamte Mobiliar des 
Hauses dem Provinzial persönlich angehörte, und damals auch 
zu seinem persönlichen Vorteile dem Spitale verkauft worden- 
ist. Bartholomaeus Herrmann hätte aber, so könnte man meinen. 



1 Die Kleinode und der Goldschatz inbegriffen, mit Ausnahme- 
jedoch der Kirehenornatc unä Kleinode in der Sakristei, die dem 
Orden bleiben sollten. 



- '28 — 

mit dem vorhandenen Gelde doch leicht können das Haus wieder 
instandsetzen, so er nur gewollt hätte. Deshalb wird ihm wohl 
nicht ganz mit Unrecht von den Franziskanern zu Tbann der 
Vorwurf gemacht^ als hätte er mit den Klöstern, die er ver- 
kaufte, gewuchert. Auf Grund dessen, was wir über denselben 
aus den Golmarer Spitalurkunden erfahren, möchten wir es 
jedenfalls nicht wagen, ihn von diesem Vorwurfe ganz reinzu- 
waschen. Nur darin durfte er einigermaßen eine Entschuldigung 
finden, daß die Zeitläufte ihn dazu gezwungen haben, und daß 
w6h\ der Golmarer Magistrat ihm zu jeder Zeit Hindernisse in 
den Weg legte, wenn er nur Miene machte einige neue Patres 
dorthin zu senden^ um das Kloster zu versehen. Immer hatte 
der Stadtmagistrat Gründe, um ihn daran zu hindern^ davon 
abzubringen. Schon das alleinige Verbot, ohne spezielle Er- 
mächtigung des Stadtrats weitere Novizen aufzunehmen, mußte 
der Stiftung den Todesstoß geben. 

Aus dem Inventar der Kirchenornate und Kleinode erfahren 
wir, daß einer der Kelche von Dr, Menzer herrührte ; dieser 
Mann war aber in seinem Orden und auch in der Welt so 
hochgeachtet, daß es sich lohnt, demselben hier einige Beach- 
tung angedeihen zu lassen. Dessen Name hatte überall solch 
guten Klang, daß er jetzt noch verdient, rühmlichst erwähnt 
zu werden. Um das Minoritenhaus von Golmar selbst hat er 
sieb dadurch recht verdient gemacht, daß er zugunsten des 
Klosters eine auf die Stadt Golmar lautende ewige Rente er- 
warb, welche zur baulichen Erhaltung des Hauses verwendet 
werden sollte. Auch war er des öfteren und lange Zeit hindurch 
Guardian des Golmarer Franziskanerklosiers. Als solcher er- 
scheint er bereits 4494, dann 1501 und 1502, ferner in den 
Jahren 4507 — 4509, er erscheint wiederum als Hausoberer von 
Golmar in den Jahrgängen 4545, 4516 und 4518. Von Dr. Job. 
Mentzer erfahren wir aus der Ordenschronik, daß er 4483 nach 
der Wahl des neuen Provinzials, Georg Summer, unter den 
Abgeordneten sich befand, welche zum Ordensgeneral nach 
Rom gesandt wurden, um die Bestätigung der Wahl einzuholen 
und zu erwirken. Er war aber damals erst Baccalaureus, noch 
nicht Doktor. 

Als Georg Summer am 31. August 4498, das Zeitliche ge- 
segnet hatte, fungierte unterdessen, bis zur Neuwahl eines 
Provinzoberen, Dr. Johannes Mentzer, der zugleich Gustos 
von Elsaß war, als Provinzvikar, und berief als solcher das 
Wahlkapitel nach Straßburg auf den 16. Oktober des genannten 
Jahres. Er präsidierte auch, als ecutique prudens et circum- 
spectus vir», kluger und allseits umsichtiger Mann, diesem Wahl- 
kapitel. 



— 29 — 

Auf dem zu Frankfurt a. Main^ am Feste des hl. Bartholo- 
mäus (24. August), abgehaltenen Provinzkapitel des Jahres 1499^ 
zelebrierte Mag. Johannes Mentzer, custos Alsaciae, die hl. 
Messe. Unter den Wälilern des Straßburger Wahlkapitels vom 
3. März 1510 erschienen dann vom Colmarer Hause die Brüder 
Johannes Mentzer, Guardian und Christianus Keßler discretus 
des gesamten Klosters. 

Er muß gegen 1519 gestorben sein ; denn auf Montag nach 
St. Agathentag erscheint in den Akten und Verträgen des 
Colmarer Minoritenklosters, ein neuer Guardian, Bruder 
Johannes von Stauffen. Wohl hat er dann bei seinem 
Tode seiner Konventskirche, den im Inventar aufgezeichneten 
Kelch hinterlassen und vermacht. 

Bevor wir nun das Colmarer Kloster verlassen, wollen wir 
nochmals seines letzten Guardians, des Würzburger Dompredigers, 
Jakoh Einfalts von Geberschweier gedenken. In meinem vor- 
erwähnten Aufsatze «Die letzten Jahre des Colmarer Minoriten- 
klosters», äußerte ich das Bedauern, über dessen Eigenschaften 
und Tätigkeit, nichts Näheres mitteilen zu können. Ich kann 
dies heute in etwas nachholen. Seit dem Erscheinen dieser 
kleinen Schrift, an dieser selben Stelle, habe ich im Pfarr- 
archive, das verloren geglaubte, wertvolle, alte Pfarrbuch der 
Kirche, wieder gefunden ; es ist dies Buch ein sogen. Seelen- 
h u c h oder Liber vitae,in welchem alle Seelgerätestiftungen 
eingetragen wurden. Die darin enthaltenen Einträge gehen 
bis in das XIII. Jahrhundert hinauf. Das Buch selbst ist eine 
Abschrift aus dem XVII. Jahrhundert, des alten Buches, 
welches nach darin enthaltenen Notizen, bereits von Maternus 
Berler, zum erstenmale abgeschrieben und anders angeordnet 
worden war. In diesem Seelgeräteregister beßndet sich die 
Obituarnotiz über den Franziskaner Jakob Einfalt, welche in 
zierlichem aber schwulstigem Latein der Zeit geschrieben, von 
Matern Berler selbst verfaßt wurde. Bekanntlich hat Berler 
über fünfzig Jahre in Geberschweier amtiert, wo er wohl im 
Herbst oder Winter 1575, gestorben ist. Berler mußte dem- 
nach Jakob Einfalt persönlich gekannt haben, war er ja einer 
seiner Testamentsvollstrecker. Wir dürfen somit im Urteile 
Berlers über den letzten Colmarer Guardian, etwas mehr er- 
blicken als ein bloßes Höflichkeitsurteil über eine Persönlich- 
keit, welche die Kirche ihres Geburtsdorfes, bei ihrem Tode 
reichlich bedacht halte. Hier erfahren wir den richtigen Todes- 
tag -lies greisen Würzburger Dompredigers, 19. Juni 1543. 
Berler nennt ihn einen Mann größter Gelehrsam keil, einen 
trefflichen Mönch, und gestrengen Lehrer des rechten und 
echten Glaubens. Nach dieser Notiz war er auch Guardian des 



-- 30 — 

. Straßburger Minoritenhauäes, wenn Argentuacensis so übersetzt 
werden kann, und e.s nicht vielleicht «Argentuarensis» heißt, 
•das vielleicht Berler, in archaisierender Tendenz für Golmar 
anwenden wollte. Argentuar hieß bekanntlich Horburg, und 
Horburg konnte ja als die Mutterstadt Colmars angesehen wer- 
den. Urkundlich isl Jakob Einfalt, als Guardian von Straßburg, 
mir nämlich noch nie vorgekommen. Nach dieser Notiz, sowie 
auch nach seinem im Spitalarchiv von Golmar sich befindenden 
Testamente, hat Jakob Einfalt seinen zu Geberschweier und 
Eleichenweiher wohnenden Verwandten (eis. Freunden), welche 
arm waren, aus seinem, durch seine schwere Predigttätigkeit 
erworbenen Vermögen, zweihundert Goldgulden vermacht. Für 
die Abhaltung eines feierlichen Seelgedächtnisses in der Kirche 
seines Geburtsdorfes Geberschweier, gab er dann noch der 
Kirche genannten Dorfes weitere 20 Goldgulden, sowie einen 
reich verzierten goldenen Kelch, mit dem er Zeit seines Lebens 
die Messe gelesen. Bei dieser Gelegenheit nennt ihn Berler einen 
scharfen Vorkämpfer für den guten alten Glauben, «orthodoxae 
priscae ßdei acerrimus propugnator», und lobt besonders seine 
große Liebe zum vaterländischen Boden, zu seinem Geburts- 
dorfe Geberschweier, das seiner nie und nimmer vergessen sollte. 

Ich lasse hier den ausführlichen Text der Obituarnotiz aus 
dem alten Geberschweierer Seelbuche, Seite 98, folgen: 

Anno Domini 1543. 49® die Junii vita defunctus est Herbi- 
.poli, summae eruditionis vir, egregius Monachus, ac absolutissimus 
orthodoxae fidei Theologus, Venerand us Pater Jacobus Einfalt 
de G e b e r s ch w y 1 e r , tum guardianus celeberrimi coenobii 
minorum Argentuacensis (vielleicht Argentuarensis), tum Lector 
et Goncionator cathedralis Ecclesiae Herbipolensis, qui suis egenis 
amicis in Geberschwyler et adjacentibus villis, vitam degentibus 
in eleemosynam legavit distribuendam proprio ac peculio, quod 
annuali acquisierat stipendio, ingenti concionandj labore nacto, 
ducentos aureos nummos, quos mox distributos acceperunt, 
Materno Berler Rubeaquentino et Thoma Schmid Ecclesiae 
ac villae administratoribus erogantibus. Insuper anniversarium 
vperpetuum subsequenti die post conceptionis Deiferae Virginis 
celebrandum vigiliis et missis solemniter et pie persolvendis 
instituit, cum viginti aureorum dotatione annualem in censum 
cedentium, tah distributione fienda, quod templi fabricae media 
floreni pars cedat, ex altera vero Rectori ecclesiastico ob domini- 
-calem sui suoruraque memoriam declamaturam, ut usu convaluit: 
-quindecim denarii, ceteri vero decem solidi, aequaliter praesenti- 
bus singulis presbyteris dividantur, absentes vero carentiae sint 
participes, ni condigna intercesserit excusatio (ein ehehafter 
Orund zum Ausbleiben von Gottesdienste für Einfalt) annualis 



— 31 — 

vero census ab Ecciesiae procuratore distribuendus perhenne 
permaneat ; Idern orthodoxae priscae fidei acerrimus propugnator, 
nativo ex amore erga natalem solum haud sinentem sui esse 
immemorem non tantum hos aureos viginti nummos Ecciesiae 
conliilit, verumeliam eundem Divorum Pantaleonis et Himerii 
templum, calice auro delinito purissimo ingenti praxitelina arte 
sculpto dono decoravit, cumquo sacra perficienda solitus erat, 
cui imprecor caelestibus perfrui mansionibus, fiat. — 

Maternus Berler Rubeaquentinus moderator tunc ecclesias- 
ticus ad Decanus citra Othonis Imperatoris Golles significavit. 

Anno Christi 1544. 

Mit diesem kurzen Einblick und Ruckblick überg^ebe ich 
nun die anliegenden Verzeichnisse der Oeffentlichkeit, in der 
Hoffnung, daß die Leser nicht ohne Interesse, bei deren Lesung 
Sachen und Personen an sich vorbeiziehen lassen werden. Ich 
denke, daß es an Hand solcher Inventare möglich sein dürfte, 
sich ein klares und anregendes Bild der inneren Einrichtung 
und der Lebensweise der Insassen des damaligen Franziskaner- 
klosters von Golmar zu machen. Wir treten damit gleichsam 
in ein Museum mit altertümlichen Möbeln und Hausgeräten 
ein ; wen aber würde ein Besuch in eine solche Sammlung nicht 
gar sonderbar anmuten ? mit Lebhaftigkeit kann man sich dabei 
mit den geistigen Augen, diese Räumlichkeiten von ihren dama- 
ligen Bewohnern belebt, vorstellen. Es dürfte, glaube ich, wenig 
Leute geben die nicht ohne eine gewisse Rührung zu empfinden, 
solche Räume durchschreiten würden. Das aber können wir nun 
auch tun, wenn wir nach Kenntnisnahme dieser Urkunden die 
jetzt noch erhaltenen Baulichkeiten des Klosters in Augenschein 
nehmen, welche zur Zeit den vorderen Teil des Bürgerspitales 
von Golmar bilden, in welchen das Waisenhaus und das sog. 
wälsche Spital untergebracht sind. Als ich noch in Golmar Spital - 
direkter war, konnte ich diese altehrwürdigen Räume nie durch- 
schreiten, ohne der braven Franziskaner zu gedenken, welche 
in der Krankenpflege während des Pestjahres 1541, 1542 
ihren Tod gefunden haben. Ganz besonders fiel mir jedesmal 
der große Saal der jetzt die Badeanstalt und den Passanten - 
saal enthält auf, ein gewölbtes Gemach (im Passantensaal ist 
das Gewölbe durch ein Plafond ersetzt), mit großen steinernen 
quadratischen Säulen und noch zwei gut erhaltenen Fenstern 
mit gewundenen Säulchen, welcher große Raum wohl als 
Refektorium oder Versammlungssaal gedient haben wird. 
Ob welche gemalle Holztafeln, die im Hospital vorhanden sind, 
noch vom Kloster herstammen, ist schwer zu sagen, da im 
Verzeichnis für zwei solcher Tafeln nicht gesagt wird, welches 
Sujet die Gemälde darboten. Vielleicht sind dort die zwei 



— 32 — 

schönen Gemälde der Colmarer Malerschule, die sich im Chore 
der früheren Franziskanerkirche, der jetzigen Spital kapelle, be- 
finden, früheres Eigentum des Minoritenhauses von Golmar 
gewesen, etwa auch noch zwei andere, in Relief gehaltene 
bemalte Holztafeln, die eine die Taufe Christi, die andere 
Elias mit dem Einsiedler Paulus darstellend« Von allen anderen 
noch im Spitale vorhandenen Gemälden, können keine mehr 
dieses Ursprungs sein, da sie alle jünger sind, als 1543, wo 
das Kloster mit aller. fahrenden Habe und Gütern in das Eigen- 
tum des Burgerspitals überging. Da jedoch die Kirche Eigen- 
tum der Stadt wurde, und dieselbe später den Protestanten 
übergeben, eine Zeitlang sogar den Jesuiten gegeben worden 
war, so ist es nicht mehr möglich mit Sicherheit daraus zu 
schließen, ob diese Kunstwerke von den Franziskanern her- 
stammen od^r von jeher dem Spitale gehört haben. Kirchen- 
gemälde sind nämlich keine ins Eigentum des Spitals über- 
gegangen, sondern wurden mit der Kirche städtisches Eigen, und 
das Kirchen mobiliar wurde nicht inventoriert. 

Ob bei Wiedereröffnung des Chores für die Katholiken im 
Jahre 1715, diese Gemälde sich darin befanden, oder durch 
das Spital hineingetan wurden, ließ sich nicht mehr feststellen. 
Zu vermuten ist ersteres, dann könnten sie also wohl schon den 
Franziskanern gehört haben. Bekanntlich ist damals das Chor 
nicht als eigentliche Spital kapelle, sondern als Hilfspfarreikirche 
für das Münster errichtet und von der Kirchenfabrik von St. 
Martin aus, wurde damals die Neuausstattung der Filialkirche 
verwirklicht. Im Verzeichnis der damals durch die St. Martins- 
pfarrkirche gelieferten Ausrüstungsgegenstände der Filiale, welches 
im Fonds der St. Martinskirche auf dem Stadtarchiv sich vorfindet, 
ist von keinen Gemälden oder Tafeln die Rede, so daß es wohl 
möglich wäre, daß dieselben noch vom alten Franziskanerinven- 
tare herrühren. Bei der Revolution wurde dann bekanntlich auch 
die Spitalkirche ausgeräumt, dabei sind dann wohl diese schönen 
Gemälde auf den Speicher gelangt, und dort bis in die 1880er 
Jahre liegen geblieben, wo sie durch den kunstliebenden Oeko- 
nomen Herrn Fol tz und dem derzeitigen Spitalapotheker Herrn 
P fister, aufgefunden wurden. Auf Betreiben einiger Kenner, 
wurde dann beschlossen, dieselben restaurieren zu lassen und 
in der Kapelle wieder aufzuhängen, wo sie jetzt allen Besuchern 
leicht zugänglich gemacht worden sind. 

Von dem alten Geschirre, Zinn, Kupfer und Eisen ist 
weder in Küche noch Haushall irgend etwas erhalten geblieben. 
Es mag wohl manches ganz moderne Zinnstück von diesem 
Zinne^ das sicher oft umgegossen wurde, wie es Sitte ist es 
zu tun, herrühren. Kupferne und eherne Gefäße sind nur 



-^ 33 — 

noch selten im heutigen Kucheninventare des Bürgerspitales zu 
finden und rühren keines mehr von dieser Klosterausstattung her. 

Betten, Truhen und Kästen sind ebenfalls keine mehr vor- 
handen, diese Mobiliarstücke konnten einem so intensiven 
Gebrauch, wie es für ein Hospiz und Krankenhaus der Fall 
ist, nicht lange wiederstehen, wurden notwendigerweise schnell 
verschleißt und durch Neues ersetzt. 

So bleiben vom alten Franziskanerkloster nur noch die 
vorderen Spitalgebäude, die protestantische Kirche und die 
Spitalkapelle übrig. Auch die dem Spitale dienenden Gebäude 
des jetzigen Waisenhauses und der sogen. Wälsche, werden dem- 
nächst verschwinden um Neubauten Platz zu machen. Es mögen 
dann die in der Anlage veröffentlichten Inventare, das Andenken 
an eine alte ehrwürdige Vergangenheit wachhalten. Die Kunst 
der Photographie hat dasselbe schon für die Gebäude getan. 



Anlagen. 

I. 

Verzeiohnus des Barfüßerclosters Kleinetern 

und Kirchen Zierden. 

Signatur: A. L. 1. ad N'' 25. Durchstricben de ao. 1542. 

Anno etc. xlii Mitwoch noch Sanct Jacobs des Apostels tag, 
In bywesen der fürnemen und wysen Herren Cunrat Wickrams 
Stetmeisters, und Hans Stromeyers schultheißens Als vor Rhadt 
geordnete pllegere des Barfüßerclosters sonder oüch In gegen- 
wirtikeit des Ersamen Herren Eüseby Kalbfleischs, Alexander 
Fuchsen Schaffners berürten gotzhüses und Johann Humeis 
Stattschribers, sind obgemelt closters Kelch und Kirchen Zierden 
von Silber und gold Inuentiert und uffgeschriben worden wie 
nochvolgt. 

Erstlich Zehen gemeyner Kelch mit Iren Patenen, us und 
Inwendig vergült ußgenomen ein paten so nit vergült, 

Aber ein großer Kelch mit einer patenen us und Inn ver- 
gült kompt von Doctor Mentzer bar, 

Aber ein Kelch mit einem Silberin füß ein silberin paten, 
und allein der napff vergült, 

Aber ein großen silberin Monstrantz, darin allerlei heiltumbs 
In eim glaß, und oben dorin unserfrowen bild. 

Item ein groß Silberin Crutz, an eim ort mit eim Crütz, 
Am Andern ort unserfrowen bild, 

3 



— 34 — 

Item ein klein Silberin GrAtzlin an eim ort ein Veronica 
Am Andern ort In der mitte Heiltumb mit einem küpflferin fftß, 

Item Zwey Silberin MeJßkentlin, das ein mit eim V. und 
das Ander mit eim A. bezeicht, 

Von obgemelten Kelchen ist dem schaflfner obstot ein Kelch 
sampt der Paten zu teglichem meßhalten uberantwurt, und was 
übriges In ein behalter der Sacrasty verwart worden. 

Item ein gros Gorporal mit Berlin, (Perlen) ^ 

Item Zwey Gorporal mit schwartzem Samat, 

Item ein Gorporal mit Rotem Samat, 

Item ein wiß Damast Ghorkappen 2 

Item ein wiß Damast Meßgewandt 

Item Zwen wiß damast Leviten Reck 

Item aber ein wiß damast meßgewandt. 

Item ein swartz samat meßgewant sampt zweyen swartzen 
samaten leviten reck. 

Item ein goltgel» damaslin meßgewant. 

Item ij Humeral* mit ubergulten buchstaben 

Dis alles obstot ligt In einer Nuwen beslagenen laden mit 
zweyen heidesch werken Küßlen beswert, zu dem ein slüssell 
und . . . Herrn Hans Stromeyern uberantwürt. 

Mer ein grossen hültzen Kopff mit Zweyen gebenden (sie) 
— ^' metalfenen Diademen. Ein Reliquienbehälter: Htzg. 

Item ein silbern becher mit eim fuß, 

Mer 4 kleiner silber becher mit fußlin vergalt. 

Wie vorgeschriben, Ist uff heut Donderstag nach dem 
Sontag Judica 44. In beysein deß Herren Prouincials, und eineß 
Ersameh weysen rhats der Statt Golmar verordnete befunden, 
und darum durch den Herrn Prouincial genommen worden, 
Inhalt eyneß Anderen Inuentariumbß oder verzeichnuß dessenn 



1 Hier ist nicht das eigentliche Corporate gemeint, das von 
feiner Leinwand, ohne Verzierung und Stickerei sein soll, sondern 
der Behälter desselben, die Bursa ein doppelter Deckel aus starkem 
Kartenpapier, dessen drei Seiten so zusammengenäht sind, daß an 
der vierten, offenen Seite das zusammengefaltete Corporate leicht 
hineingeschoben und herausgenommen werden kann. Das Corporate 
selbst dient zum Darauflegen des all erheiligsten Sakraments und 
Aufstellen des Kelches mit demselben. 

2 Soviel wie Chormantel oder Pluviale. 

3 goltgel .= goldgelb. 

4 Hier bedeutet Humeral nicht das weißleinene Schultertuch 
das der Priester bei der Messe umschlägt, sondern das Schulter- 
velum (velum humeral e) von reiner oder mit i&old und Silber 
durchwirkter Seide und der Länge nach mit schönen Borden, an den 
beiden unteren Enden mit Gold- und Silberfransen versehen, das hei 
Segenspendung mit dem Allerheiligsten gebraucht wird, man nennt 
es auch das Segentuch. 



— 35 — 

bezeug Ich Veit Moll Stattschreiber Zu Hagenouw, mit diser 
meiner eigner handtgeschrifft. Dat. ut supra. 

Papierheft von zwei in Längsbälften zusammengelegten 
Blättern. : 

Wasserzeichen: Baselstab. 

II. 
Ausraumungfsprotokoll cier Sakristei. 

Anno etc. 44. Donstags den dritten Aprilis hett Herr 
Prouintial die Sacrasty geraümpt und genomen wie nachuolgt. 

Erstlich 7 gemeyner Kelch mit. Iren patenen, ußgnomen 
ein paten so Silbern und nit vergult, 

Item j großer Kelch mit einer Patejnen uß und Inwendig 
vergalt kompt von Doctor Mentzer her, 

Item j Silberin f an eim ort mit eim f am andern ort 
unser frowen pild, - - 

It. j gros silbern Monstrantz dorin alierley heltums oben 
dorin unser fruwen piltnus, 

Item 2 Silberin meßkehtlin das ein mit V und das ander 
mit eim A. 

llem fünff Corporal ettliche mit Berlin gestickt. In ein Gy- 
pressen- kistlin, ^ ^ 

It. ein gros berlin Corporal 

It. ein par Zinin meßkerilin 

Item ein swartz samathin Meßgwant sampt Zweyen- Sama- 
thin leviten Reck mit funfF Alben 

It. j wiß Parchattis * meßgwand mit 2 Leuiten Reck . und 
4 alben. 

It. j wis schamlotin^ meßgewant^ mit 2 Leuiten Reck,* 
sampt 4 alben und einer chorkapen, ouch schamlotin. 

Item j wiß schamlotin meßgewant 

It. j kußlin druff ein Lemblin mit eim Ifenlin,^ ouch einem 
Vogel, sampt Unten sidin Arbeit (?) 



U J , 



i Barchent, frzs. Futaines, ein geköpertes, dichtes Gewebe aus 
Ganzbaumwolle oder auch, die Kette darini-aus Leinen und der 
Schuß aus Baumwolle. /' 

'^ Schamlotin, Schamelot, Gewebe aus Kamelhaar oder auch ge- 
meinem Ziegenhaar, frzs. camelö.t.S.' Scherz, Glossar. sub.Vo. Schamelot. 

« Die Kasel, casula. •-- 

^, Levitenrock = Dalmatica, ein, dem l^Ießgewand ähnliches 
Gewand, das den zelebrierenden Priester assistierenden Geistlichen, 
Diakonen, eigen ist. Albe, ein vom Halse bis za d^n Fiißen herab- 
wallendes, weißes leinenes Gewand des die Messe zelebrierenden 
Priesters. 

^, Wohl ein Ag^us^ei und ein Pelikan: Stickarbeit. 



^' 



— 3(5 — 

It. j Rott handtzwehelin mit pluvren Schuß 

It. j Rotte eamatin Chorkapp (Pluviale) 

It. j Rot samatin Meßgwandt (Casula) 

It. Sidin meBgwand ist sprickelecbt (mehrfarbig ge&prenkelt). 
Der Ausdruck «Spr^ckelig» jetzt noch gebräuchlich in elsäss. 
Mundart. 

It. etlich alte Anziege und Chorrock dobi. 

Quart papier bogen mit Wasserzeichen : got. P. 

III. 

Mobiliarinventar. 

Inventarium aller gemach und behalter des Barfüßer Closters 

und was dorin durch Johann Humeln Stattschriber In 

bywesen Alexander Füchsen des alten, und Peter 

Eckhen Nuwen Schaffners beschriben den Andern octobris 

AD 42. 

Signataren: S. C: L. 2. durchstrichen; N« 5'/?. durchstrichen; 

A L 1 ad N» 25 durchstrichen. 

Erstlich oben uff dem dormenteri In Herr 
vice guardians seliger chamer.- 

Item vi beter, dorunder zwey mit Ziechen, und die Andren 
plüt, (nacjit, unüberzogen). Der Ausdruck jetzt noch üblich. 

Item ij Küssen mit Ziechen 

Item iiij Küssen un Ziechen (ohne Anzüge). Der Ausdruck 
heute noch gebräuchlich. 

In des Jüngern Herren Jacobs selisrer Chamern 



© 



Item j bett überzogen 

Item j gefüterten beltzrockh 

Item j Zwilichenen Wamast (Wams) 

Item etlich alt Hembder 

Item j swartz Paret 

Item ij alt par hosen 

Item ij alte Wamast (Wams) 

Item V alter librock (Unterkleid) 



Item ij Messing Kannen 
und halbmessing Kann 
Item ij platten 



hier vielleicht mäßig und halb- 
mäßig zu deuten. 



Dormitorium, frz. Dortoir, Schlafgemach der Mönche. 



— 37 — 

Item ij esssch&ßlen 

Item XXX büecher ungeverdlich 

Item j legen In einer hültzen scheiden 

Ilem ein wulien Hembd 

In Herr Andressen Ghamer. 

Item ein ploJß bett (nacktes, nicht überzogenes Bett) 
Item ein wulien wis Hembt 
Item zwen Librock 
Item ein Kapen 
Item ein parchat librock 
Ifem ij swartze paret 
Item ij beltz Ermell 
Item viij Wamast 

Item V lilachen gros und klein (lilachen = Bettücher) 
heute noch üblicher Ausdruck. 

Item ij sloffhüben (Schlafmützen) 

Ilem V Hembder 

Item ij (unleserlich) gürlel 

In der Kochin Chamer. 

Item ij Deckpett 

Item drü Küssen doründer eins ploß und die übrigen zwei 
mit Ziechen. 

In Herrn Hansen Müllers chamern. 

Item j gemalte taffei (auf Holz gemaltes Bild) 

Item ij Klaffen Zimer (Glavicordium, frzs., clavecin) 

Item j große Viola 

Item ein lira 

Item V bücher 

Item ij plechen plettlin 

Item j gemalten Isac (Isaak) 

Item j Bigell (Bügel zum Feueranmachen) 

Item j legen 

Item ij lange messer 

Item j sloffhublin (kleine Schlafmütze) 

Item j Sessel 

Item j trog. 

In der Ghamer Uff dem reiffhus^ 

Item ij better doründer eins ^it der Ziechen 
Item j Deckpett 



1 Das Haus wo die Holzreife und wohl auch alle Herbstgeräte 
aufbewahrt wurden. 



— 38 — 

Item ein kelsche^ Ziechen 
Item ij Küssen überzogen 
Item j Rotte serg (franz. Serge) » 
Item ein Hlachen (Belttuch) 
Item j Nüwe Kutt 

In der Gast Chamern. 

Item ij betladen, ligent uf! der einen zwei bette mit Ziechen 

Item j Deckpet 

Item yj Küssen mit Ziechen 

Item ij Küssen on Ziechen 

Item ij heideschwercken sergen» 

Item j grüne serg 

In der Ghamer dogegen über. 

Item ij betladen ^ 

Item ij bette mit Ziechen 

Item ij bette on Ziechen 

Item V Küssen mit Ziechen 

Item V Küssen on Ziechen 

Item j Ziechen 

Item iij lilachen 

Item j Deckpett ^ 

Item j gros plos Küssen 

Item j Serg. 



, . N 



In Hern vice göardians seliger gemäch. 
In der hindern Ghamer 

Item 1 gros pet bloß 

Item j bloß Küssen 

Item iij alter sergen 

Item alte Kutter 

Item swartz Hosen und wamast 

Item j swartzen Mantel 

Item j swartze Kap 

Item ij Hut grow und schwartz, 

Item j Wetschger, (sie)* 



1 Nach kölnischer Art weiß und blau, oder auch rot gefärbtes 
Linnengewebe, jetzt noch Kölsch genannt. 

2 Seidenes, halbseidenes, baumwollenes, fünf- und siebenbündiges 
Atlasgewebe. 

3 Heidenschwerck, gestickt, mit Blumen bewirkt wie Damast 
vom Orient. 

* Wohl ein Wams. [Eine Reisetasche. Red.] 



— 39 — 

In dem Andern Cämerlin. 

Item ij plosse belt. 

Item j Bloß Küssen 

Item j gros giesfaß 

Item j klein Kusse! in (kleines Kissen) 

Item j glutpfan (franzos. un moine) 

Item j tegen 

Item ein Maria pild In einer tafel 

Item j Diurnal pächlin ^ 

Ein trog und dorinn 

Item ein messing Kann 

Item xj Kleiner kenlin 

Item j Zinin trink fflin (wahrsch. Schüsselin) 

Item ij Zinin fleschlin 

Item 1 Zinin giesfaß 

Item ij Supen Kerlin deren eins verdeckt 

Item iij Eßschüßlen 

Item ij Zinnen becher 

Item j alter wisser beltzrock mit swartz überzogen 

Item j unüberzogener beltz 

Item j swartzer verrißen li brock gefüttert 

Item ein par loden Hosen Kuttiiert (sie)« 

In eim Andren trog. 

Item xj lilachen 

Item vj küssen Ziechen gros und klein, 

Item iij Bett Ziechen 

Item X tischlachen 

Item iij Serüietli (Serviettes) 

Item iij Hembder 

Item ij alt böß Tischlachen 

Item iij klein kelsch Ziechen 

Item j groß kelsch Küssen Ziechen 

Item ij Zwehlen (Handzwellen, Handtücher) 

Im S tüb 1 in. 

Item ein gütscbpfülw (Kutschenkissen) 
Item ein Rote Serg 



1 Büchlein mit den täglichen Gebeten, ein Teil des Bre vieres 
im Gegensatze zum Teile desselben, weicher nur die Nachtgebete 
enthält. 

3 Nach Mitteilungen einer sachkundigen Dame, bedeutet <kut- 
tüieTt> soviel als «mit Watte gefüttert». 




- 40 — 

Item ein banckussen (Bankissen) 
Item etliche büecher 
Item ij Wasser becklin 
Item ein Essichfaß 
Item ein Crucifix 

Im Somer Hüs 

Item iiij Kutten 

Item j gutschen bett (Kutschen bett) 
Item ein Banckpfülwen (Bankpolster oder Kissen) 
Item zwey Sergilin 

Item j heidischwerken küssen (küssen bezieht sich auf 
sergilin und heidischwerken) 
Item j gemalte taffei 
Item iiij messin Liehtsteck 
Item j kupferin Keltkessel (Kühlkessel) 
Item j kupferin Kessel 
Ilem etlich büecher 

In der Ghamer dorin Herr Guardians Trog. 

Item j gros bett überzogen 

Item j langen banck pfulwen ploß (die heute noch vor- 
kommende Ofenhank). 

Item iiij küssen gros und klein überzogen. 

In der Küchen. 

Item iij par großer platten 

Item vj par mynder platten 

Item 1 Zinnen teller 

Item ij zinnin Supen chärlin gros und klein, 

Item ein Supen Kar ist plechin 

Item vij eßschüßlen 

Item vij senff schüßlen 

Item vj Zinnin steüfflin (Zinnbecher) 

Item j Zinnen teller 

Item vj messen liechtsteck 

Item j Zinnin pletli 

Ilem ij Erin heffen (eherne Häfen) 

Item ij küpferin Külkessel 

Item iij küpfern Wasser Kessel 

Aber j Hecht stock 

Item ij pratpfannen ein Küpferin und ein Iserin 

Item j glutpfann 

Item iij messen pfannen (Messingpfannen) 



- 41 - 

Item j messin Sybeckin (Siebbecken) 

Item j kupferin Sybecken 

Ilem j klein messin kesselin 

Item j grosse kupferin pfan (Pfanne) 

Item iiij IBner (sie) pfannen 

Item vj kupfrin bafen Deckel 

Item ij par Hackmesser 

Item ij DrifuB 

Item ij Rost 

Item iij Kessel gros und klein 

Item j Wasser becken 

Item zweh gros Keltkessetl 

Item ij Bibysen (Reibeisen) 

Item iiij Isin protspiß (Bratspies) 

Item j Erin Kiingelstein und j stessell 

Item ij Isen leffeli 

Item j umbgonder protspis (frz. Tournebroche) 

Spiß Cham er. 

Item ij elhälTen (Oelhafen) 

Item j kupferin. hafen mit eim Deckell 

Item vj Erin heffen gros und klein 

Item j Protmesser 

Item j Messen hangend giesfaß 

Item j messen giesfas ist ein Roß 

Item j zwo messige Kann (2 Maß haltende Kanne) 

Item V messig Kannen (ein Maß haltende Kannen) 

Item xvij trinckkenlin 

Item iij kleiner trinckkenlin 

Item zwei meß Kenlin (wohl alte Meßkännchen) 

Item vj Zinnin becher 

Im Keller. 

Item xvj fuder win 

Item j tischlach (Tischtuch). Ausdruck heute noch in Ge- 
brauch. 

Item bese Seck. 

Papierheft von sechzehn in zwei Längshälften geteilten 
Halbbogen. Beschrieben 18 1)2 Seiten. 
Wasserzeichen : Baselstab. 



— 42 — 



IV. 



Inn des Prouintials Chamer gefunden. 

Erstlichs ein großen becher inn und außwendig 
vergult haltet 4 »(2 iwarck So Ime von des StifTt 
Convents verehret worden. 
Heutiger * 4i(2,marck ij lot ; von anderer Schrift. 

Geldwert ** Her Jacob hat daß gelost 52 gl. Wieder 

915,20 Mk. von anderer Schrift. 

Aber ein doppeltes groß ubergulde trinckgschir 
haltet iiij marck vi lot Riert von der Kö° M* 
her. 

* 41/2 marck j lot« die 4 mck. u. j löt gold 
932,80 » sind dz 53 gl. 4 b. 

Item ein verdeck waschgschir vom Abbt von 
Murbach harlangendt thuot xxvij lot 

352,00 )) * Her Jacob (das durch?) 20 gl empfangen. 

It. ein beschlagene (Mustalmiß ?) ^ mit des 
Bischofs von Speyers Wopen. 

* bot gölten. (Wertangabe fehlt hier.) 

Abep. ein verdeckt weschgschir In und auß- 
wendig vergult, hatt ein . . . (unleserlich.) 
haltet xix lot 
255,20 » * 49i|2 lots 

(ünleserl. Namen) bot dieß empfangen 14 1/« gi- 
lt, ein vergulten Leffel dorin ij lot j qu. = quint 
211,20 » * Aus der schalen und Leffel erleßt xij gl. 

Aber ein gedeckts becherlin thuot 14 V2 lo^- 
* Obendarüber geschrieben : Dises becherlin 
387,20 » sambt den Messern (?) hat gölten xxij gl. 

NB. Die Messer, siehe unten! (Herlzg.) 
lt. aber ein verdeckts guld. becherlin uff 
xxiiij lot * thut xvij lot 

It. ein Ledlin ein agnus dei mit Berlin und 
(«edlen» durchstrichen) Gestein verfaßt. 



3053,60 Mk. 



• Von einer zweiten Hand hinzugefügte interlinear-, und Rand- 
notizen. 

** Von einer dritten Hand hinzugefügte Notiz. 

1 Vielleicht eine beschlagene Muschel? 

2 Wo die Gewichtszahlen abgeändert sind, muß das auf n ach- 
trägliche genauere Abwägungen beruhen. 



I 



— 43 - 

3003,60 Mk. 

It. ein guld schnür, 

It. ein berlin bisam KnopfT, (ein Moschus- 
behälter) 

It. ein Ledlin nriit Hüben unnd fatzenetlin ^ 
unnd einem . . . (Letztes Wort anleserlich-;) 
It. ij silberin Bischoffrin^, 
It. ein ledlin dorihn iij silberin («bischof», 
durchstrichen)* und iij Messin groß Insigel 
ligendt. 

It. ij par messer mit silber beschlagen. (Siehe 
obige Not.) (?) 

It. ein unbeschlagen fuoter mit acht großen 
messerin. (siehe obige Notiz) (?) 

It. ij unbeschlagen par fineren messer, (siehe 
obige Notiz) (?) 
lt. j par groß messer, (Siehe obige Not.) (?) 
lt. ein Gonservatorium der gantz Prouinlz » 
It. Inn einem seckel 
2538,90 » Ixxxxj Kronen Venedisch 
669,60 » xxiiij Kronen frantzesch, 
770,40 » xxxVj gold gülden. 

Mher In Kleinen secklin dorin gelegen, 
2666,00 » I. einfach Ducaten Ixxxvj (I = Item) 
434,00 » I. Doppelt Ducaten vij 

I, ein Zvvifachen angeschlagen für iiij ein- 
124,00 » fache ducaten 
107,00 » I. gold guld. V. 

Das alles ist Inn eim beschlagnen Dischlin 
funden worden. 
558,00 » I. ij Khronen ^ * Ist Hn Jacob ge- 

21,40 » I. i golt gl. I liffert worden, solchs 

I. ein klein ledelin > den . . . und Khellerin 
mit alter müntz und l denen eßdo zugehörig, 
prüch Silber / zuzustellen. 

10942,90 Mk. 

In suma Alles gelt so es vorhanden gewesen, ist dem 
Wechßler In beysein des Stattschribers gelifFert worden, sonst 



1 Hauben und Taschentüchern. 

2 Wohl auch Bischofsringe. 

3 Register in welchem die Rechte der Provinz eingetragen 
waren, vielleicht auch ein Musikkompeadium. 

* Von einer zweiten Hand hinzugefügte interlinear- und Rand- 
notizen. 



_ 44 — 

alles Silbergschir verkhaufTt, und daß erloßt gelt auch Im 
Wechßel erlegt worden. 

Außgab. 

It. erfillichs Hern Jacob uberiiffiert vmrdea ffm ff/ig vene- 
dische Khronen («solchs deri), diese zwei Worte durchstrichen) 
(drei Worte unleserlich) actum dritt A.prilis des Jors 1544 (?) 
.Signaturen: SC. L 2. N. 14 A. L. 1 ad Num 25, durchstrichen. 

Nach dem Tode des Provinciais überschrieben : 

Inventarium des prouintials seligen Verlassenschaft be- 
belangendt. 

gehört Zuo des Newen Spithalsschriften. 

Papierbogen mit Wasserzeichen : Krone mit darüber ge- 
stelltem VL. 



IV. 



Beitrag zur Geschichte des Rathauses 

. in Ensisheim. 



Von 

Wilhelm Beemelmans. 

Mit zwei Abbildungen. 



Ai 



Is Erzherzog Ferdinand I. am 17. August 4523 das Regi- 
ment für die vorderösterreichischen Lande in Ensisheim im Ober- 
elsaß errichtete, fehlte es an einem geeigneten Gebäude, um diese 
Behörde unterzubringen. Das «Regiment» arbeitete zunächst im 
alten Rathause. Schon bald wurden in Innsbruck die bittersten 
Klagen über den schlechten Zustand des Rathauses erhoben, es 
sei baufällig und der Aufenthalt darin lebensgefährlich. Am 
2. April 1532 beantragten «Statthalter, Regenten und Räte im 
Oberen Elsaß», Ferdinand, der am 5. Januar 1531 römischer 
König geworden war, möchte ihnen doch gestatten, ein neues 
Rathaus zu erbauen und tausend Gulden dazu gewähren. Dieses 
Geld sollte aus den vierzigtausend Gulden genommen werden, 
welche die vorländischen Stände als Beihilfe zu den Kämpfen 
bewilligt hatten, die Ferdinand zur Befestigung seiner jungen 
ungarischen Krone mit den Türken führen müßte. Das Regiment 
und die Kammer in Innsbruck befürworteten den Antrag und 
wiesen darauf hin, daß die Klagen, nach den Berichten von 
Räten aus Tirol, welche «dafornen» in Ensisheim gewesen 
wären, durchaus begründet seien. Nur eine einzige Stube sei 
benutzbar, di^se könne aber auch nicht geheizt werden, so daß 
es im Winter nicht auszuhalten sei. Am 17. Oktober 1533 
bewilligte König Ferdinand von Wien aus die erbetenen tausend 
Gulden aus der Türkenhilfe unter der Bedingung, daß auch 



_ 4« — 

Adel und Prälaten im Oberelsaß nach Kräflen zum Gelingen 
des Baues beitrögen. 

Pläne und Kostenanschläge wurden offenbar nicht einge- 
fordert und nachdem Gabriel Graf von Orlenbui^, der im Auf- 



trage des Königs die Vorlande bereiste, am ii. Januar 1534 
gemeldet hatte, die Regierung in Ensishelm sei mit den tausend 
Gulden: cunterläniglich gesättigt und zufrieden», wiegte man 
sie h am Hofe und in Innsbruck in den Gedanken ein, mit. dem 



— 47 — 

Bathausbsu sei alles in bester Ordnung. Um so unangenehmer 
wirkte ^echs Jahre später die große Forderung fnr den Etau, 
mit welcher der König überrascht wurde. AU er im Jahr 1540 
— wohl zur Teilnahme an dem Beligionsgespräche vom 25. Juni 



Portal des Treppenturnies am Raihause lu Enstsheim. 

1540 — in Hagenau weilte, sandle das Regiment von Ensisheim 
eine Abordnung zu seiner Begrüßung. Die^e trug vor, der 
Seh ultbeiß Johann Höltzlin habe bereits fünftausend Gulden 
an dem Bathause verbaut und brauche noch eine ansehnliche 
Sum me zur Vollendung des "Werkes. Außerdem legten die Ge- 



— 48 — 

sandten eine Bittschrift des Werkmeisters Stephan Gadmer und 
des Steinmetzen Heinrich Hermann i aus Thana vor. König 
Ferdinand war entrüstet.. Am 12. Juli 1540 forderte er Regenten 
und Kammerräte in Innsbruck zum Bericht auf und verlangte^ 
daß der Schultheiß zur Rechnungslegung angehalten würde. 
Dieser Befehl muß mit Eilboten nach Innsbruck gebracht worden 
sein, denn schon am 24. Juli 1540 sandte die dortige Regierung 
einen eingehenden Bericht an den König ab, dem sie den ganzen, 
auf das Rathaus bezüglichen Schriftwechsel seit 1532 in Ab- 
schrift beilegte, 

Aus dem Schreiben geht hervor, daß der Bau im Jahre 
1537 noch gar nicht begonnen war. Diese Nachricht ist um so 
merkwürdiger, als in der Kunstgeschichte allgemein die Enl- 
stehungszeit des Gebäudes in das Jahr 1535 verlegt wird (s. 
u. a. von Franz Xaver Kraus, «Kunst und Altertum in Elsaß- 
Lothringen», Band ll, Seite 78, und von Lubke, «Geschichte 
der deutschen Kunst», Seite 724, «Geschichte der Architektur», 
Band II, Seite 472). Die Zeitbestimmung rührt daher, daß an 
dem großen Sims, das Erdgeschoß und Oberstock trennt, an 
zwei deutlich sichtbaren Stellen ein Schildchen mit der Jahres- 
zahl 1535 angebracht ist. Offenbar wurden in der Bauhütte alle 
Steine lang vor der Ausführung des Baues bearbeitet. Es wird 
diese Uebung auch in einem Gesuch vom 22. Juni 1541 beson- 
ders angedeutet und auf eine Beihülfe von dreihundert Gulden 
gedrängt, da das Stein werk gesetzt werden müsse, ehe der 
Werkmeister Stephan Gadmer stürbe oder fortzöge. 

Die Regierung in Innsbruck hatte ebenfalls geglaubt, ein 
landesherrlicher Zuschuß von tausend Gulden aus der Türken- 
hilfe wurde ausreichen, da die übrigen Baukosten durch die 
«Hilff, Steur und Roboten» (Robot v. slav. robota Arbeit, 
Frondienst) der Landschaften und der Stadt Ensisheim aufge- 
bracht werden würden. Sie hatte nicht vermutet, daß man an 
einem so kleinen Orte ein so bedeutendes Bauwerk beginnen 
würde. Am 19. November 1540 mußte sie dem Könige berichten, 
es seien schon fünftausendsiebenhundert Gulden für das Rathaus 
ausgegeben worden und bis zu seiner Vollendung mußten noch- 
mals fünf- bis sechstausend Gulden beschafft werden. Die Ent- 
scheidung, ob und wie das Geld gegeben werden solle, sei sehr 
dringlich, denn der Baumeister und der Werkführer wollten 
wissen, ob sie fortgehen oder weiter arbeiten sollten. 

Da eine Antwort vom Hofe nicht eintraf, berichtete die 



1 Dieser Heinrich Hermann ist der Enkel von Stephan Hermann, 
des Vollenders des Nordportals am Münster zu Thann. Vgl. LempMd. 
«Kaiser Heinrich IL am Münster za Thann», Straßburg 1897. Seite 59. 



— 49 - 

Regierung in Innsbruck am 16. Dezember 1540 wieder, der 
Bau müsse gefördert und das Geld bewilligt werden, die vor- 
ländischen Stände könnten aber nicht mehr helfen und auch 
die Kasse der Kammer in Innsbruck sei leer. Dies Schreiben 
fruchtete gleichfalls nichts, so daß die Bitte am 30. März und 
am 22. Juni 1541 wiederholt wurde. 

Es ließ sich nicht feststellen, ob Ferdinand damals über- 
haupt geantwortet hat. Jedenfalls hatte der König in jener so 
stürmischen Zeit kaum Muße, sich um das Rathaus in Ensis- 
heim zu kümmern. 

Im schmalkaldischen Kriege, sechs Wochen vor der Schlacht 
von Mühlberg, genehmigte Ferdinand von Dresden aus am 
42. März 1547, daß das vorgestreckte Geld für den Bau in 
Ensisheim aus dem — - wohl 1544 im Anschluß an den Reichs- 
tag zu Speier von den Ständen bewilligten — Türkenhilfsgelde 
zurückerstattet werde. Hieraus ist zu schließen, daß der Bau 
ina Jahre 1547 beendigt war. 

Die vorstehende Darstellung baut sich auf die im Anhange 
wiedergegebenen Urkunden aus dem K. K. Statthaltereiarchiv 
in Innsbruck auf. Dieselben habe ich, gelegentlich anderer 
Untersuchungen dort gefunden. Wahrscheinlich sind noch 
nnehrere auf den Rathausbau bezügliche Stöcke in Innsbruck 
vorhanden, die ich aber leider nicht entdecken konnte ; doch 
dürfte auch schon diese geringe Ausbeute genügen, um ein 
Bild von der Entstehungsgei^chichte des Baues zu geben und 
ein Streiflicht auf die amtliche Behandlung eines solchen Falles 
im XVI. Jahrhundert zu werfen. Besonders interessant ist dabei 
die Verwendung der Törkenhilfsgelder ! Bei einer solchen Finanz- 
wirlschaft braucht nian sich nicht zu wundern, daß König Fer- 
dinand dem Sultan Soliman gegenüber so geringe Erfolge auf- 
zuweisen hatte und ihm schließlich tributpflichtig wurde ! 

Von den Urkunden aus dem Jahre 1540 — Nr. 6, 7, 8,- 9 
des Anhangs — ist in dem «Jahrbuch der Kunsthistorischen 
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses», Band II, Wien 
1884 unter Nr. 2198, 2200, 2204, 2206 1 kurz der Inhalt oder 
ein Bruchstuck angegeben. Es empfiehlt sich aber des Zusammen- 
hangs wegen hier doch den ganzen Text aus den Kopialbüchern 
mitzuteilen. 

Nachdem der Bau glücklich vollendet war, sah er im Jahre 



1 Lempfrid führt, a. a. 0., Seite 59. Note 1, die Nr. 2206 als : 
«Ürk. und Reg. aus dem K. K. Statthaltereiarchiv zu Innsbruck 
Nr. 2206» an. Diese Note ist irreführend, denn die Urkunde Nr. 2206 
im Statthaltereiarchiv stammt aus der Zeit Kaiser Maximilians I. und 
hat mit dem Bathausbau in Ensisheim nichts zu tun. 

4 



- 50 — 

1562 den Kaiser Ferdinand I. in seinen Mauern. Bis 4636 diente 
er als Regimentshaus und wurde dann ein Jahr lang als Kaserne 
benutzt. jDie Regierung der Erzherzogin Claudia befahl am 
3. Juli 1637 von Breisach aus die Räumung des Hauses durch 
die Truppen und legte denen, die ohne ihre Erlaubnis über den 
Bau verfugt hatten, die Kosten der Wiederherstellung zur Last. 
(Merklen, Histoirede la Villed'Ensisheim, Tome II, 1841, S. 71.) 

Nach dem dreißigjährigen Krieg wurde im September 1657 
der Conseil souverain d'Alsace nach Ensisheim verlegt und hielt 
seine Sitzungen im Regimentshause ab. Im April 1674 ordnete 
Ludwig XIV. an, daß der Conseil souverain nach Breisach um- 
ziehen müsse, weil er dort vor etwaigen feindlichen UeberßLllen 
sicherer wäre. Damit verlor Ensisheim endgültig seine alte Be- 
deutung und sein schönes Rathaus stand leer. 

Durch königliche Ordonnanz vom 26. März 17Ö1 wurde der 
Palast des Conseil souverain der Stadt als Gemeindehaus abge- 
treten. Erst im Jahre 1735 richtete sich die Stadt dort ein und 
setzte das Gebäude wieder instand. Es blieb Stadthaus bis auf 
den heutigen Tag. Die Helden der Revolution gingen noch ver- 
hältnismäßig glimpflich mit ihm um, doch sind noch heute ihre 
Spuren deutlich sichtbar. 

Zu deutscher Zeit wurde das Rathaus anfangs der achtziger 
Jahre sorgfältig erneuert und unter die geschichtlichen Denk- 
mäler eingereiht. Als einer der ältesten Renaissancebauten in 
Deutschland und der hervorragendsten weltlichen Gebäude des 
Elsasses verdient das Rathaus von Ensisheim das lebhafte Interesse 
aller Freunde der Kunstgeschichte. (Bezüglich seines kunsthisto- 
rischen Wertes sei hier insbesondere auf F. X. Kraus, a. a. 0., 
hingewiesen.) Das «Alte Hauss), der Vorgänger des jetzigen 
Rathauses, stand noch zu Merklens Zeiten. Es fiel 1879 dem 
großen Brande zum Opfer und wurde völlig zerstört. 



1. Kopialhuch aMissiuen an Hofy>, i5S''2. 

New Rathaus zu Enshaira 

Allerdurchleuchtigister etc. Weihermassen Eure Kn. Mt. 
Stalhalter, Regenten vnd Rete in Oberm Elsaß vnns verpawung 
halben ains Newen Rathaus geschriben haben, bey Eurer Kn. 
Mt. vermanung zu thun, das hat Eur Kn. Mt. aus Innligender 
Gopey genedigist zuuernemen, vnnd so dann solhs Innhalt Ires 
antzaigens von nöten ist, das solch Rathaus aus den vrsachen 
Ires Schreibens |vernewt werde. So geruech sich Eur Kn. Mt. 
derselben genedigen gefallen, vnnd beruerter notdurffl nach 
genediglich zu entsliessen Inen die Tausent guldin von. dem 



— 51 - 

Rest der Turkenhilflf laut Ires antzaigens zu erpawung aines 
Newen Kathaus, als dann etliche aus vnns solchs vast notdürfftig 
zu sein gesehen haben, genedigklich zu bewilligen, sonderlich 
dieweyl Sy verhelffen solchs bey den stänndn dauorn auch zu 
erlanngen. Vnnd tun Eurer Kn. Mt. vnns vnndtertenigklich 
beuelhen. Datum Ynnsprugg XII tag Apprillis Anno etc. im 
XXXII i«n 

Stathalter Regennten 
Chamer. 

2. Auf Blatt 234 des Kopialbuchs: 

An die Römisch Königliche Majestät» von 1532, 33, 34, 35 
berichten Regiment und Kammer von Innsbruck an König 
Ferdinand am 19. September 1533, die Regierung in Ensisheim 
habe gebeten, 

«das E. Kn. Mt. gnediglich bewilligen wolle, von den 
viertzigtausent gülden der vordem lanndt bewilligten Turggen- 
hilf ain tausendt gnädighklich zu erpawung des Ratshauss zu 
Ennsißhaim, dieweil dasselb gannlz Pawfellig sey vnnd sich 
Ires Lebens darjnn sicher zu sein nit versehen mngen eintziehen 
und verpawen zu lassen». Von tiroler Räten die «verschiner 
Zeit dafornen zu Ennsißhaim gewesst» würden die Klagen der 
Ensisheimer bestätigt und gemeldet : 

«so hab gedacht Rathauss nit mer dann ain Stuben, sey 
ganntz Pauwfellig vnnd mögen sich die Partheyen wynnters 
Zeitien vor Kelte nit enthalten, vnnd vilmalen abwesig in Ire 
herbergen thuen, derhalben die notturfft erfordert, wie die 
Regennten zu Ennsißheim antzaigen, solch Rathauß vnnd dar- 
tzue ain ordenliche Ganntzley darjnn E. Kn. M. Canntzley 
Sachen vnnd Henndl behalten werden mögen, zu pauwen 
demnach vnnser guetbedunken ist. Euer Kn. Maj. gerueche 
Inen die begerten tausendt gülden zu erpauung des Rathauß 
vnnd ainer Canntzley vom bewilligten Hiffgelt gnedigist erfolgen 
zu lassen. So sein wir vngetzweiffelt, wie dann die Regierung 
selbs meidung thuet, die von Prelaten vnd Adl werden in Er- 
pauwung des Alles mit Irer Hilff auch Handreichung thuen». 

3. Kopialhuch: ^Geschäft von Hofj>. Blatt 245 : 

Rathaus zu Enshaim Paw. 

Wolgebornen, Edlen, Ersamen gelert vnd lieben getrewen 
Wir haben Ewer schreiben, des noth im nechstuerschinen 
Monet Septembris ausgeet, dar Innen Ir vnns, auf die schrifflen 
vnnd Articl Inn sich haltenndt was vnnser Rat Gamrer vnnd 
Hawbtmann Zu Görtz, Gabriel Graue zu Orttenburg auf die 



— 52 — 

Instruction Ime von vnns geuerttigt mit vnserer Regierung zu 
Ensißhaim gehanndelt Vnnd für anntwurt erlangt hat, Ewer 
Rat vnnd guetbedunckhen anfzaigt, nnerers Innhalts genedigciich 
verstanden, Vnd geben Euch vnnder annderm auf zwen Articl 
zu genädiger Antwurt. 

Erstlichen alls Ir der menngl vnd Pawfelligkaiten halben, 
so an dem Rathauss zu Ennsißhaim erscheint, Ewer guet be- 
dunckhen dahin stellt, das wir Irem begern vnd antzaigen 
nach die Aintausent guldin Reinisch von dem bewilligten 
Turggenhilffgelt zu erpawung eruolgen lassen .sollen, des wellen 
wir also aus Eurn getzaigten bewegnussen vnd vrsachen gene- 
diglich bewilligt haben. Vnnd ist vnnser beuelch, das Ir solch 
vnnser bewilligung ermelter vnnser Regierung zu Ennsishaim 
in vnnserm namen verkhundet vnd daneben bey Inen Ver- 
ordnung thuet, das zu solichen paw nach gueter notdurfftiger 
besichligung gegriffen Vnd die bestimblen Aintausend guldin 
Reinisch mit dem nutzlichisten verwenndt vnnd angelegt, vnnd 
in sonnders von den Prelaten vnnd Adl daselbst zu solchem 
Paw auch Hilflf vnnd Hanndtraichung gethan werde. 

Geben in vnnser Stat Wienn am XVII tag Octobris Anno 
etc. im XXXIII Vnnserer Reiche, des Römischen im driten 
vnd der anndern im Sibenden 

gez. Ferdinand Ad mandatum dni 

Regis proprium 
gez. W. Graswein 
Registrata H. Praundt. 

4. Kopialbuch ^Geschäfte von Hofi>, i584. 

Graf Gabriel von Ortenburg schreibt am 14. Januar 1534 von 
Ericurt(H6ricourt jetzt D6p. Haute-Saöne) aus an König Ferdinand: 

«Anfanngs ist gedacht Regierung E. Kn. Mt. gnediger 
bewilligung dei* ain Tausend guldin halben zu erpawung des 
Ralhaus zu Ennshaim — vnderthenigklich gesettigt vnd zufriden> 
der Graf bittet in demselben Rriefe daß : «der beuelch von 
wegen der Tausent guldin zu des Ratshauß paw. Innhalt 
Euer Majestät gnedigen bewilligen bei deren Hofcamer mit 
Ehistem geferrtigt vnd Inen zuegeschickht werde». 

5. Kopialbuch fcMiüsiven an Hof». i534, Blatt 44. 

ocBetrefifend den Baw des Rathaus zu Ennsißhaim. denselben 
haben ^ir auf ainen beuelch, der von Eur Kn. Mjt. zu Wienn 
am XVII tag octobris auf vnns ausganngen bey der Regierung^ 
. . . verordnet . . . das alles weiten Eur Kn. Mjt. auf der- 



- 53 — 

selben beuelche vnantzaigt nit lassen vnd thun vnns derselben 
vnnderthßjiiglich beuelchen. Datum Ynsprugg am XXI tag 
Marcij Anno etc. im XXXIIII ten. 

Stathalter, Regenten vnnd Camer». 

6, Kopialbuch (nGeschefft vom Hof». 1540, Blatt 99. 

«Edlen etc. Wir vbersenden Euch hieneben verschlossen 
drej visierüngen aines new angefanngenen Rathaus zu Ennsis- 
haim, vns yetzt alhie von vnnser Regenten daselbst gesandten, 
vberanntwurt, sambt ainem Articl bemeher gesanndten vnd 
Räte begeren, vmb Verordnung ainer ansehenlichen Suma 
gelts zuuolfuerung angetzaigts gepew. Auch Steffan Gadmer 
vnnd Hainrichen Herman von Thann, Stainmetzen vnnd werkh- 
maister desselben angefanngnen gepew beiligennden Supplica- 
tionen, wie Ir sehen vnd vernemen werdet. Vnnd dieweil wir 
aber, vmb disen angefanngnen Paw, aus weß beuelch, zue- 
lassung vnnd bewilligung, dersolb angefanngen. Wo auch die 
funftausent guldin, so bis auf dato daran verpaut vnnd auf- 
:geben, vnnd bisher durch Johann Höltzl, wie wir bericht, be- 
tzalt worden sein, sollen herkumen, vnd anders gar kain wissen 
haben vnd gleich wol ab solcher grossen Ausgab vnnd vbersehen 
^twas befrembdung tragen, demnach ist vnnser beuelch, das Ir 
vnns hierüber Euren bericht, souil Euch vmb die Sachen wissen, 
vnnd alle glegenhait, sambt widersenndung der visierungen mit 
-ehistem zueschreibet, auch förderlichen Verordnung thuet von 
obgedachtem Höltzl, diser vnnd annderer seiner Empfenng 
halben Raittung auftzunemen Vnd wie Ir die Sachen allent- 
halben befindet vnns dasselb sambt Eurem Rat vnd guetbe- 
dunkhen, welchergestalt verrer mit bemeltem gepew furgefaren 
vnd gehandlt werden solle, zueschreibet vnnd berichtet. Daran 
beschicht vnnser ernstliche mainung 

Geben in vnnser vnnd des Reichs Stat Hagenaw am XII 
Tag Juli Anno etc. XL 



gez. Ferdinand 



Ad mandatum dni 

Regis proprium 

gez. G. Kefenhuler 

)) S. TUNKHL 



An Regenten vnnd 

Gamer Räte der 

Oberösterreichischen Lannde 

<A. d. 24 JuU ist der Kn. Mjt., 
auch dem Höltzl derhalb geschriben). 



- 54 — 

7. Kopialhuch: ^Missifen an Hofi^. i540, Blatt iSS. 
€ Rathaus Paw zu Enshaim:». 

Allerdurchleuchtigster . 

Auf Eur Kn. Mt. an vnns ausgaugen beuelch, am Datum 
Hagnaw den XII tag dies gegenwirtigen Monats July belangend 
den Paw des Newen Rathaus zu Ensißhaim etc. fügen wir Eur 
Kn. Mt. gehorsamist zuuernemen, daz vnns durch Eur Kn. Mjt. 
Stathalter Regennten vnd Räte im Ober Elsass am andern Tag 
des Monets Apprilis Anno XXXII geschrieben worden, wie Ir 
Rathaus so paufallig, das Inen darynen Zusitzen beswerHch 
vnd sorgklich sey, laut beyligender Copey mit A. Solichs haben 
wir an Eur. Kn. Mjt. gelangen lassen, die hat vnns darüber 
am XVII tag Octobris des XXXIII Jars vnder annderm beuelch 
than, laut des Artickls mit B, daraus hat Eur Kn. Mjt. gnedi- 
gist zuuernemen, das dieselb Ain tausent gülden von vnd au.s 
dem gelde der Turg'genhilfT in vordem lannden, hiertzue zu 
nemen bewilligt, vnd das vom Brelaten, vnd Adl daselbs zu 
solchem paw auch hilff vnd hanndtraich gethan werden sol. 

Dises haben wir der Regierung zu EnsiBhaim am Sibenden 
tag Nouembris, obberürt XXXIII ten Jars vnnder annderem 
zuegeschriben, laut der Goppey mit C, vnnd solichs Eur Mt. 
Nachuolgends verkhundt, vnd demnach geacht, es solte mit 
beruertem Paw, laut Eur Kn. Mt. bewilligung vnd vnnsers 
Schreibens, nach gueter notturfftiger Besichtigung gegriffen vnd 
die bestimbten Tausent gülden, mit den Nutzlichisten daran 
verwendt vnd angelegt, vnd in sonnders von den Prelaten vnd 
Adl daselbs zu solchem paw, auch hilff vnd handtraichung ge- 
than worden sein, darumb Sy vnns nachfolgends guete lautern 
Raittung gethan haben sollen. So wir aber hernach erfarn, das 
mit dem gepew nit angefangen, haben wir Inen am XVI tag 
Januars des XXXVll'e« Jars, laut beyligender Goppey mit D, 
geschriben. Darüber haben Sy vnns mit überschickhung der 
Pawmaister bericht vom lotsten tag Febrnarii beruerts XXXVll '<^" 
Jars geantwurt, Inhalt beygelegter Abschrifften mit E, darauf 
haben wir Inen am Datum den Zehenden tag Marcij berürts 
XXXVII*«" Jars, laut der Goppey F., geschriben, yedoch vnns 
entlich versehen, der Pawcoslen soll sich vber die vorbewilligten 
Ain Tausent gülden, vnd dartzue vber dere von den Lanndt- 
schafften vnd der von Enßhaim Hilff, Steur vnd Roboten nit 
hoher verlauffen, zu dem wir vnnsers enthalls kain visier 
ainichs höhern anslags empfangen, derhalb vnns solchen Nam- 
hatften paws, sonnderlich an disem Orte sei bs verwundert, 
haben demnach Johann Höltzl diez verpawens vnd darauf ge- 



— 55 — 

thane empfeng, von wem, vnd wie, vmb vnnderricht ge- 
schriben. So vnns der zuekombt, sol der Eur Kn. Mf. vn- 
uerhalteu bleiben. 

Vnd schickhen demnach Eur Kn. Mt. derselben beuelch 
nach die drey Visierungen ;,vnd dabey gelegten seh rifften hiemit 
widerumb zue vnd Ihun vnns derselben Eur Kn. Mjt. hiemit 
vnndertheniglich zugnaden beuelchen 

Datum Ynnsprugg XXIIII lag Julii Anno etc. im XL^en. 

8. Kopialbuch : «Missifen an Hof». J540, Bl. 168. 

Rathaus Paw zu Enshaim. 

Allerdurchleuchtigister etc. Als wir Eur Kn. Mt. auf der- 
selben beuelch am XXIIJI tag July negstuerschinen, mit 
widerumb vbersenndung dreyer Visierungen vnd annderen 
schrifften vnd vnderrichtungen, antreffend den Paw des Newen 
Rathaus zu Ensißhaim, vndertheniglich zuerkhennen geben, 
das wir Eur Kn. Mt. Diener Johann Höltzl des verpawens vnd 
darauf gethanen empfang, von wem, vnd wie die beschehen. 
Auch was der noch bis zu ganntzer aufberayttung vngeuerlich 
gesteen werde, vmb bericht schreyben wellen. Als wir auch 
gethan, vnd wie Er vnns darauf mit antwurt erschinen ist, 
das hat Eur Kn. Mt. aus beyligender Coppey mit A zuuernemen. 
Auf solichs haben wir, seinem guetbedunckhen nach, Eur Kn. 
Mjt. Regiertmg im Obern Elsass vmb erkhundigung vnd bericht 
der Sachen geschriben vnd wie Sy die gestalt befunden, was, 
vnd wieuiel biBher an beruertem Rathaus verpawt. Auch wo 
vnd von wem das Gelt genomen worden, vnd was noch bis 
Zuuollendung desselben Paws darüber vngeuerlich verlaulTen, 
das wirdet aus den Coppeyen mit B und C sambt etlichen 
anndern neben schrifften vnd Supplicationen mit Numeris 2, 3, 
4, 5 vnd 6 nach lengs abgenomen. 

Das aber Eur Kn. Mjt. vnns in obberuertem Irem beuelch 
auflegt, das wir daneben Eur Kn. Mjt. vnnser Rat vnd guel- 
bedunkhen, welcher gestalt verrer mit solchen paw fürgefarn, 
vnd gehanndlet werden, antzaigen sollen, das ist vnns etwas 
beschwerlich, dann wie wol wir achten, das disen paw zuuol- 
faern die notturfft eruorderte, So künden wir doch nit ge^ 
denkhen, dieweyl sich der (vber die fünf Tausent vnd Siben 
hundert gülden, so schon daran verpawt vnd ausgeben sein) 
dem vberschlag nach ob fünf oder Sechstausent gülden ver- 
laufTen würde, wo oder von wannen solche Namhaiite Summa 
genomen werden solle. Es wäre dann Sach, das gemaine 
Lanndtschafi't nochmals vmb das Pawgelt ersuecht, vnd zuerlangen 
vieis fürkert würde. 



— 56 — 

Dann als die Pawmaister vnd werkhmaister in Irem Sup- 
plicieren furderlichs beschaids begern, nemlich der Pawmaister, 
So man Ine bey gemeltem Pawmaister Ambt behalten, ob Jme 
sein besoldung furgeng oder man sich vmb ain zimlich wart- 
gelt mit Ime vertragen, oder wo das nit Ine solichs Ambts 
gnediglich erlassen welle. Vnd dann den Werkhmaister 
widerumb auf der Stainhütten zu Ensißhaim arbaiten zulassen 
oder Ime zu erlauben anndere Arbayt antzenemen. Darauf 
auch des Paws halben, wais sich numer Eur Kn. Mt. Ires 
willens vnd gefaliens wol zu entsliessen vnd gedachter Regierung 
in Obern Elsass oder vnns deßhalben fürderlichen Beschaid 
zuetzeschreyben, Sich verrer darnach zurichten vnd dem Paw- 
maister vnd werkhmaister antwurt zu geben wissen. Datum 
Ynnsprugg am XVIIII tag Nouembris Anno etc. im XLten. 

9, Kopialbuch: aMissifen an Hof:s>. 1540, Blatt 180. 
Schreiben vom 16. Dezember 1540 aus Innsbruck. 

ccAllerdurchleuchtigister etc. 

Mit was antwurt vnns Eur Mt. Regierung im Obern Elsass 
auf das schreyben, so wir Inen, von wegen des Rathaus Paw 
zu Ensißhaim gelhan, erschinen ist, das gerueche Eur Kn. Mjt. 
aus Inligender Goppey Irs schreybens zuuernemen. Vnd so 
dann gedachte Regierung mit der vordem Landschafft weiter 
vmb ainich hilff zu solchem paw^ zu hanndlen für vergeblich 
vnd vmbsonst sein antzaigt. Vnd dann auch dartzue von diser 
Camer mit ainichen Gelt ye nit geholffen mog werden, So 
haben wir Inen diser Zeyt kain anndern Beschaid geben, dann 
das wir solichs furtter Eur Kn. Mt. verkhunden. Als wir 
hiermit thun* Vnd was sich dieselb darüber entschleusst. Inen 
zueschreyben wellen, darauf, auch auf vnnser hieuorig schreyben 
so wir deshalben Eur Kn. Mt. den XVIIII Tag des Monets 
Nouembris gethan, waist sich nu Eur Mjt. verrer Irs gefaliens 
wol zuenschliessen. vnd vnns, oder Inen derhalben beschayd 
zu geben, wie Sy sich weyter darynn halten sollen.» 

10. Kopialbuch: tMissiuen an Hofy>. 1541. 

«Allerdurchleuchtigister etc. 

Eur Kn. Mt. haben wir am XVIIII tag Nouembris nechst 
uerschinen, Goppey ains schreybens, so vnns Eur Mt. Regierung 
im Obern Elsass von wegen des Rathans paw, auch paw- 
maister vnd werkmaisters vnderhaltung halben zuegesandt vnd 
dabej geschriben, das sich Eur Kn. Mjt. darüber Irs willens 



— 57 — 

vnd gefallens entschliessen, vnd gemelter Regierung oder vnns 
desshalben fürderlichen beschaid zueschreyben welie^ Sich 
verrer darnach zurichten vnd dem Pawmaister vnd Werkh- 
maister auf Ir anhalten antwurt zu geben wissen. So aber 
vnns noch gedachter Regierung im Obern Elsass darüber von 
Eurer Kn. Mjt. noch kain beschaid eruolgt vnd vnns die Re- 
gierung abermals solchs Rathaus paws auch Werchmaister 
halben, vmb fürderlichen beschaid angehalten haben, so geruech 
sich Eur Kn. Mt. auf obberuert vnnser vorig schreyben, noch 
zum fürderlichisten gnediglich zuentschliessen vnd beschaid zu- 
geben vnd thun Eur Kn. Mt. vnns etc. 

Dalum XXX Marcy Anno etc. im XLI '««. 

ii. Kopialhuch €Missiuen an Hof^^. i54i, Bl, i22. 

«Allerdurchleuchtigister etc. 

Wie Eur Kn. Mjt. Lanndtuogt, Regenten vnd Rät, in 
Oberm Elsaß Eur Kn. Mjt. vnd nochmals dieselb Regierung 
dem Lannduogt, als der alhie gewest in sonders von wegen 
voltziehung des Newen angefangen Rathaus pew zu Enßhaim 
abermals geschriben vnd vermanung gethan haben, das ge- 
rueche Eur Kn. Mt. aus beyligenden Goppeyen solches Irer 
schreyben zuuernemen. Wiewol wir nu selbst ermessen mügen, 
das solcher Paw zuuolziehen von nöten wäre, vnd sonderlich, 
das daß Stainwerch yetzo Er der Werkhmaister Steffen 
Gadinner mit tot abginge oder sich sonst verziehe gesetzt wurde. 
Darauf man dann yetzo wie vnns gedachter Lanndtuogt daneben 
mundtlich bericht hat, drew hundert gülden zu haben bedurfftig 
were, So wissen wir doch nit, wo nit allain dises sonnder 
das vbrig gelt, Zuuoltziehung des Paws, welcher sich den 
vberschlag nach (Vber die fünf Tausent Siben hundert gülden, 
so schon daran verpawt vnd ausgeben sind) noch ob fünf oder 
Sechs Tausent gülden verlauffen wurde, genomen werden solte. 
dann ye von der Gamer hiertzue kain gelt geraicht werden 
mag, wie dann das Eur Kn. Mjt. aus vnnsern vorigen schreyben, 
sonnderlich denen, so wir Eur Mt. den XVIIII Nouembris vnd 
XYI Dezembris negstuerschinen gethan, nach lenge zuuernemen 
hat, welche vnnsere schreyben wir Eur Kn. Mt. hiemit wider- 
umb erynnert haben wollen, Sich noch darauf auch diz vnser 
yetzig schreyben zum fürderlichisten wissen zu entschliessen, 
vn4 gedachter Regierung in Elsasso der vnns on lengeren Ver- 
tzug beschaid z^igeben. Sich darnach zurichten wissen. 

Datum am XXII Juni im XLI *en Jar. 



— 58 - 

i2. Kopialbuch : (^Geschäfte vom Hof^. 1547, Blatt 31. 

König Ferdinand schreibt an die oberösterreichische Re- 
gierung in Innsbruck : 

«Souil aber das dargestreckht gelt, auf kund tschaft, zerung 
vnd der von Ensishaim gepew belanngt, wiewol dasselb on 
vnnsern beuelch bescheen, So wollen wir doch genediglich zue- 
lassen, das es von dem Tu rggen hilfgelt widererstatl, vnd bezahlt 
werde, Souil haben wir Euch auf angezaigt schreiben, hiemit 
in Eyl nil wollen verhallen vnd es beschicht daran, vnnser ent- 
licher will vnd maynung. Geben zu Dressden, am zwelflten 
tag marci Anno 1547. 



V. 

I 

Verein zur Landesrettung. 

Gegründet zu Straßburg am Mittwoch nach Matthäi 

im Jahre 1572. 

Mitgeteilt von 

Karl Tschamber-Huningen. 

J^LLit dem Abschluß des Mittelalters war auch die bis- 
herige Machtherrlichkeit der großen und kleinen Reichsstädte 
im Elsaß, sowie auch diejenige der dieselben bekämpfenden 
Edelgeschlechter in fortwährendem Sinken begriffen. Sie schien 
auf die Fürstenhäuser überzugehen, um sich zu dem modernen 
Staatswesen umzugestalten. Die Lostrennung von dem. Alt- 
hergebrachten bekundete sich gleichzeitig auch in der religiösen 
Revolution, Reformation genannt, welche jetzt während eines 
ganzen Jahrhunderts alle politischen Verhältnisse beeinflußte. 

Gestützt auf die Freiheitspredigten kam im Frühjahr 1525 
der Bauernkrieg, der durch seine Greuelszenen so düstere Er- 
innerungen im Gedächtnis der künftigen Geschlechter hinter- 
ließ, nach langer Gährung zum Ausbruch. Mit der Niederlage 
der aufrührerischen Bauern bei Scher weiler war der furchtbare 
Aufstand im Blute erstickt. 

Durch die Greuel dieses Krieges und den blutigen Aus- 
gang desselben, erlitt der Fortschritt der Reformationsbeweg- 
ungen eine zeitweilige Hemmung. Auch das Haus Oesterreich, 
welches damals die Landvogtei inne hatte, war beflissen, diesem 
Fortschritt in den zehn zur Landvogtei gehörigen Reichsstädten 
aufs möglichste entgegenzutreten. Auf dem Städtetag zu Hage- 
nau 1526 beschlossen die Städte keine Neuerungen in Religions- 
sachen zu dulden. 



— 00 — 

Diese Zfeit der Verwirrung und des Aufruhrs im ElsaB 
schien endlich Frankreich außerordentlich günstig, um seinen 
politischen Einfluß auf Deutschland geltend zu machen. Es 
kam infolgedessen zwischen dem Hause Oesterreich und der 
Krone Frankreichs bald zu mehreren Kriegszügen und Truppen- 
bewegungen an der elsässischen Grenze, wodurch das Elsaß 
sehr beunruhigt wurde. Der Landvogt, traf daher alle mög- 
lichen Anstalten zur Sicherheit dßs Landes. Im Jahre 1542 
verpflichteten sich die Reichsstädte zu diesem Zwecke 800 Fuß- 
gänger und 10 Reiter zu stellen, wie auch Feldschlangen und 
Feldkanöhlein samt Kriegsmaterial zu liefern. ^ Auf dem Reichs- 
tag in Speyer versprachen die Vereinsstädte dem Reiche im 
Kriege gegen Frankreich i. J.' 1544 nach Möglichkeit beizu- 
stehen. Zur Bekämpfung des schmalkaldischen Bundes sprangen 
diese Städte mit bedeutenden Geldsummen bei.^ 

Trotz dieser großen Opfer seitens der Stände und Städte 
war die Gefahr nicht vom Lande abzuwenden. Bald verbreitete 
sich die neue Schreckenskunde von der Ankunft des französischen 
Königs und seines Verbündeten, des Markgrafen Albrecht von 
Brandenburg. Die Vereinsstädte beeilten sich Söldnertruppen 
zu werben und ihre Festungswerke auszubessern. Zum Schutze 
des gesamten Landes ließ die österreichische. Regierung zu 
Ensisheim auf Befehl des Kaisers zu Straßhurg mehrere Land- 
tage zur Be Werkstellung der Landesrettung zusammen berufen. 
Endlich auf einem Kreistag zu Worms i. J. 1554 wurde der 
schwierigen Zeitläufe wegen beschlossen, das Elsaß mittelst 
einer Anzahl Kreistruppen, welche ihren Sammelplatz zu Ober- 
ehnheim haben sollten, in Sicherheit zu stellen. Die Vereins- 
städte stellten 23 Reiter unter der Anfuhrung des Grafen Wolf- 
gang von Löwenstein. 

Infolge der in Frankreich selbst ausgebrochenen Religions- 
kriege wurde das Elsaß noch weit größeren Gefahren ausgesetzt 
wie bisher. Unser Land wurde auf mehrere Jahre hinaus 
der Schauplatz fortwährender Truppensammlungen. Musterungs- 
plätze, Einquartierungen und Durchzüge der von den Franzosen 
geworbenen Söldnertruppen, Reiter- und Landsknechte, die, 
aus Deutschland denselben zugeführt, alsdann im Elsaß große 
Verheerungen verursachten. Diese Durchzuge und die Massen- 
einquartierungen französischer und lothringischer Truppen an 
der Grenze des Elsasses riefen aufs neue große Unruhe hervor. 

Nachdem der Herzog von Aumale die vom Hauptmann 



1 J. M. Gyss. Geschichte der Stadt Oberehnheim. Straßburg 1895, 
S. 247. 

2 Oberehnheim gab 4000 Florin. ebenda. 



— 61 — 

Lacosche die zu Straßburg für den Prinzen von Cond6 ge- 
worbenen hugenottischen Truppen im Breuschtale überfallen 
und vernichtet hatte, drohten die Franzosen 1568 sich an 
unserem Lande zu rächen. Die schon bis Grendelbruch vor- 
gedrungenen französischen Truppen mußten sich aber wegen 
Veränderung des Kriegsplanes wieder zurückziehen. 

Zu Anfang 1569 besetzte Prinz Wilhelm von Oranien mit 
deutschen und französischen Truppen, die den Hugenotten 
zugeführt werden sollten, fast das ganze Elsaß. Die Landleute 
flüchteten sich mit Hab und Gut in die festen Plätze. Zugleich 
führte auch der Herzog Wolfgang von Zweibrücken ein starkes 
Heer das Elsaß hinauf, den Hugenotten entgegen. Das Land 
hatte unter diesen Truppenzügen schwer zu leiden. 

Inzwischen hatte sich das Heer des Prinzen von Oranien 
wegen Rückstand im Solde aufgelöst. Die führerlosen Banden 
durchzogen jetzt plündernd und raubend das offene Land. Die 
Bürgerschaft stellte sich unter die Waffen, die Stadttürme 
wurden schleunigst mit dem nötigen Geschütz versehen und 
die Bürger durften ohne Erlaubnis nicht außerhalb der Stadt 
übernachten. 

In diesen Tagen der Not versaiiimelten sich zu Straßburg 
i. J. 1572 am Mittwoch nach Matthäi die Stände, Städte und 
Flecken des Landes zur eingehenden Besprechung der Landes- 
rettung. Die Versammlung gründete nach langem Beraten den 
«Verein zur Landesrettung». Mit Rücksicht auf das hohe ge- 
schichtliche Interesse, das derselbe in Anspruch nimmt, erscheint 
eine vollständige Wiedergabe der Verhandlungen dieses elsäs- 
sischen Landtages gerechtfertigt. > 

Zuwissen als jüngsten abscheydt nach die nachbenannten 
Ständt, und Obrigkaiten durch Ire Räth, Bottschaften und 
gesandten zu Straßburg, wider beisamen gewesen, ferner zu 
beratschlagen, und zu bedenkhen, wie und wellicher massen 
ein gethreuef und nachbarliche Vereynigung für ein Lands- 
rettung, zu abwendung eines unversehenen überfahls, Eines 
främbden, zusamen geschlagnen Herrlosen oder andern Kriegs- 
volk, wider deß Rychsordnung, diß Landts zu gefahr und 
nachtheil, gewaltiger wyß durchzuziehen underston würde, 
fuglich fürgenommen und In das werkh zu richten und zu- 
bringen syn sollte. Daß gemeynen Land Elsaß und desselbigen 



' Das Staatsarchiv Basel besitzt eine Abschrift des Landtags- 
beschlusses. Abt. Elsaß, I. Allgemeines und einzelnes 1331—1876. 
Das 28 Seiten umfassende Schriftstück trägt folgende Ueberschrift : 
Begriff was durch die hier einverleibte Stände und Oberkheit zur 
Rettung des Landts auf mittwoch nach Mathey fünfzehn hundert 
Sybentzig und zwey Jar verabschiedet worden. 



— m -^ 

Underthanen luwN^ verwandten zu nutz, wolfahrl und gutlem, 
haben dsifefifiette Ständt und obrigkailen, Rälh, BoUschaften 
u«# gesandten ufF heut dato, nach gehaptem allerhand be- 
dencken und berathschlagungen auch besichtigungen Im 
Anno etc. acht und fünfzigisten derwegen glychfahls uffge- 
richtenen abscheids, sich mit einandern nachvollgender massen 
vertreuHch vereinbaret und verglichen. 

Nämlichen und Erstlichen daß alle Obrigkeit in diser 
Verein benanndt, begriffen, Ire underthanen ufs fürderlichsten 
musteren und bey Inen daran sein sollen, sy ufs beste sy 
möchten zu Irer selbs Rettung bewehret zu machen, Im fahl 
man Iren Irgentz i In künftig bedürftig, daß ein jeder Herschaft 
und Obrigkeiten, die hoste, und hiezu angeschicklichsten, und 
sonderlichen die so etwan krieg gebrucht, und aufs Erst auf- 
gepott die Nachvollgende seyne anzal, wohin er zum Obristen 
ervodert schicken möchte, und soll solliche musterung alle Jar 
ein mahl zum wenigsten beschechen, damit man sicher kenne 
wie man gewehret und gevast ist. 

Und wan also ein jede Obrikheit Ire Unlerthanen ge- 
mustert, soll sy die Anzal Kriegsvoll ks, so Iren Auferleget, In 
fendtlis 2 weiß theilen, auch jedem fendlin ein erfahren man 
zu einem Hauptman und bevelchslüths zuordnen, und den- 
selben järhchen mit einer Pension uf Iren costen erhalten. 

Da aber Eines Standtes uferlegte anzal nicht ein ganz 
fendlin machen möchte, so sollen dieselben zu andern ständen 
Kriegsvolk stossen und Hauptlüthen wie hernach vollgt zuge- 
ordnet werden. 

Und Im fahl die anzal Kriegsvollk, so auf daß erst auf- 
gepott zuschicken geordnet, nit genugsam, sonder der uberfahl 
gewaltiger und In größerer anzal syn wurde, so soll auf ervor- 
dern und gut bedenken der geordneten Obristen und Kriegs- 
räthe ein jeder stand, je nach gelegenheit des überfahls zum 
andern Aufgepott noch halb oder wider fovyl, oder wie eß 
die obliegende nodturft zu jeder Zyt erfordert würd, auß ob- 
genannten gemusterten Volkh ordnen und schicken. 

I. Volgen die hilf zum Ersten ufgebott geleistet 

werden soll. 

Erstlich soll die Fürstliche durchlüchtigkeit Erzherzog 
Ferdinand zu Oesterreich, von wegen der von den Oester- 
reichischen Landen 3000 zu Fuß und 100 zu Pferdt geben. 



1 = auf irgend eine Weise. 

2 = Fähnlein. 

8 = Befehlsleuthe. 



— Ö3 — 

Die Landvoi;>;tey zu Hagenauw soll 800 zu fuß und 50 zu 
Pferd t ^eben. 

Der Bischof zu Straßburg soll sampt seiner Gnaden Thurhb- 
cappittel 2000 zu Fuß und 75 zu Pferdt geben. 

Württemberg soll von wegen der Grafschaft Horburg und 
Herschaft Rychenwyhr 1500 zu fuß und 12 zu Pferdt geben. 

Grav Phillipp der Elter zu Hanauw soll 600 zu fuß und 
50 zu Pferdt geben. 

Grav Phillipp der Jünger zu Hanauw soll 300 zu fuß und 
20 zu Pferdt geben. 

prav Hans Heinrich zu Leyningen soll 40 zu fuß und 4 
zu Pferdt geben. 

Grav Phillipp zu Westerburg soll 50 zu fuß und 8 zu 
Pferqt geben. 

Der Freyherr von Fleckenstein soll 50 zu fuß unc^ 5 zu 
Pferdt geben. 

Gemeine Ritterschaft im undern Elsaß -soll 300 zu fuß und 
30 zu Pferdt geben. 

Die Stadt Straßburg soll 1500 zu fuß und 50 zu Pferdt 
geben. 

Die acht Stett der Landtvogtey sollen 1000 zu fuß und t^O 
zu Pferdt geben. * 

Die vogtey Kaisersperg soll 60 zu fuß und 3 zu Pferdt 
geben. 

Die Herschafl Weylerthal soll 200 zu fuß geben. 

Die Klöster In der obern Regierung Ensisheim sollen 20 
zu Pferdt geben. 

Die Klöster im undern Elsaß gelegen, als Neuenburg, 
Morßmünster,« Altorf, Ebersheimmi^nster, Etenheimmünster, 
Gengenbach, Schuttern und Wartzacb sampt den Stiften Neu- 
weiler und Haßlach, sollen 200 zu fuß und 20 zu Pferdt geben. 

II. ObgemeltFussvollks soll wie nachvolgt fn 

fendlin getheilt werden. 

Erstlichen der fürstlichen durchlüchtigkeit Erzherzog Fer- 
dinanden zu Oesterreich etc. 3000 zu Fuß sollen In fendlin 
getheilt werden, und denen Haupt- und bevelchlüthen, wie 
obgemelt von Inen wie obgemeldet zugeben und mit jährlicher 
Pension bestellt und erhalten werden. 

Der Landvogtey Hagenauw, Sampt den Graven Leyningen, 
Westenburg und deß freyherren zu fleckensteins fußvolks soll 



1 Weißenbarg and Landaa nahmen keinen Anteil an den 
elsässischen Landtagen. 

2 = Maarsmünster. 



— 64 — 

zu zwey fendlin getheilt und darüber Haupt- und bevelchs- 
lüthen geordnet werden, welliche die Landvogtey „Hagenauw 
underhalten solle. 

Deß Bischofs zu Straßburg anzal Kriegs volks soll In vier 
fendlin getheilt und durch Ir. fl. G.} denselben Haupt- und 
bevelchslüth zugeordnet und underhalten werden. 

Würtenberg von wegen Horburg und Reychenweiler auf- 
erlegt fußvolks soll zur Herschaft Weilerthal und vogtey Kai- 
sersperg Kriegsvolk gestossen werden, ein fendlin ufgericht 
und von der Herschaft Reychenweiler ein Hauptmann darüber 
geordnet und erhalten werden. 

Beyder Graven zu Hanauw fußvolks soll In zwey fendlin 
getheilt, auch denen Hauptlüth geordnet und von beiden 
Graven erhalten werden. 

Der Ritterschaft im undern Elsaß fußvolk soll zu der 
Geistlichen fußvolks gestossen, In ein fendlin getheilt werden, 
darüber die Ritterschaft einen Hauptman ordnen, aber durch 
die Geistlichen erhalten werden. 

Der Stadt Straßburg fußvolk soll in drey fendlin getheilt 
und durch die Stadt denselbigen Haupt- und bevelchslüth ge- 
ordnet und erhalten werden. 

Der Slett In der Land vogtey Hagenauw gehörig fußvolks 
soll in zwey fendlin getheilt, auch Haupt- und bevelchslüth 
sampt dem fendlin durch sy darüber geordnet werden. Und 
soll jede Obrikeit so Hauptlüth und fenderich gibt, und den- 
selben die fendlein geben und alßbald gefaßt sein. 

Und sollen die Obrikeiten, die Haupt- und bevelchslüthen 
so sy ordnen, In sonderer bestallung und pflicbtung,. vermög 
dero wegen angestellter form auf- und annemmen. 

Und sollen under jedem fendlin 300 schützen und 200 
spieß und mit kurzem wehren geordnet werden, darunter die 
schützen Ir sturmhüt und andere Ire Rüstung haben sollen. 

Und nach dem über diß kriegsvolks zwen Obrister gesezt 
worden, so sollen dem obristen Jenseit deß Landtsgrabens der 
Fürstlichen durchlüchtigkeit ober Regierung auferlegt fußvolk 
doch deßgleichen der Landvogtey Hagenauw und darein ge- 
hörigen Stetten sambt den Herschaften Reychenweyler und 
Weilerthal und vogtey Kaysersperg fußvolks. So dann deoi 
obristen Hie dißseidt deß Landigrabens deß Bischofs von Straß- 
burg, deßglychen der Stadt Straßburg und der Ritterschaft Inn 
obern Elsaß sampt beder Graven zu Hanauw auferlegt fußvolk 
übergeben werden. 

Es soll auch yede Obrikeit Ire geordnete Hauptlüth, dem 



i Ir. fl. G. = Ihre fürstliche Gnaden. 



— 65 — 

obristen und zugeordneten Kriegsräthen fürstellen sich bey 
Inen zu erzeigen und Inen ge wertig zu sein. 

Und so]] yeder Hauptmann sein Register der Jenigen^ so 
von den Obriltheiten ußget heilet und Im untergeben sind, mit 
sich bringen und dem Obristen Coppey darvon zustellen. 

Sonderlichen aber sollen die Hauptlüth bey den Musterung 
selbs sein und gut achtung haben und daran sein daß gut 
thugentlich^ leüth zum Kriegsvolks gewelet und zum Krieg wol 
gerüst sein. 

Es soll auch bey den Obristen und Iren zugeordneten 
Kriegsräten gut bedunken ston,* die Jenigen so zum ersten auf- 
gepott aufgelegt, Insonderheit besichtigen und mustern zu 
lossen. So oft und wann es liien gevellt und nodt anßcht. 

III. Voigt die a u SS theil ung der Reisigen. 3 

Erstlichen sollen zu der obern Regierung Ensißheim Pferdt 
und Landvogtey Hagenauw, der gleichen Stett und derselbigen 
gehörigen, und der Ritterschaft und Clöster, Hierunder der 
ober Regierung Ensißheim gesessen, so dann der Herschaft 
Rychenweiler und der Vogtey Keisersperg auferlegte Pferdt 
gestossen und denselbigen durch die obern Regierung Ein Ritt- 
meister geordnet underhalten und der Fahn gegeben werden. 

Und soll obgemelter Fl. Dcht.* Regierung zu Ensisheim 
und unser gnediger Herr von Straßburg daran und darob sein 
daß die Inen zugeordneten Stend Ire reisigen bestellt und ge- 
faßt haben. 

Es sollen auch den Obristen und Kriegsräthen gleich fahls 
uf Ire gutaehten Bevelch stehn die Reisigen zur Musterung 
zuervorderen und zusehen, daß yeder stand mit seiner anzal 
wollgefaßt sey, und soll demselben gleichfahls ein verzeichnuß 
der Reisigen und Personen von yedem stand vermög Irer anzal 
durch die Rittmeister mit personlicher erzeigung zugestellt 
werden. 

Es ist auch verners durch gemeyne stand berathschlaget 
und beschlossen worden, obwol die Graven und Herrn auch 
die Ritterschaft wie obgemelt auf ein gewiß anzal Pferdt zum 
ersten aufgepott taxiert worden, daß sy nüt desterminder auf 
den fahl der Erheyschenden und tringenden Nodt und da die 
gefahr deß Vaterlatnds^ je so groß wäre, daß man weither Hilf 
weder daß erst aufgepott vermag haben müestig. Daß sy mit 



1 = tauglich. 

2 = gutdänken. 
8 = Reiter. 

^ = fürstlich Darchlaucht. 



5 



— 66 — 

Iren selbs leiben und Person und mit Pferden und Knechten, 
So weith sich eins yeden vermögen erstreckt auf erfordern des 
Obersten und Kriegsräth auf sein und deß Vaterland erretten 
helfen und sollend auch vollgends gemeine vereinte stand sich 
umb Ire gethreuwe erzeigen und aufgewendten umbkosten mit 
Inen nach erstreckhung der Zeit freund tlij^h und gütlich ver- 
gleichen, da-mit daß fahls gleicheit werde gehalten und sy 
wider ergetzung bekhumben mögen. 

Und wiewol obberörte Stand und obrigkeiten sich Inkraft 
dieser Nachburlichen yereyn uf obgedacht anzahl zu Roß und 
fuß, zu dem ersten aufgepott und yro von nöthen wider halb 
sovyl zemanen vergleichen und vereiniget haben, so stellen sy 
doch die Moderation und bescheydenheit deß ervorderns und 
aufmahnens zu eines yedentheils Obristen und dessen zugeord- 
neten Kriegsräthen, Heim, Wie auch die Stände der Obrikheiten 
solJiches Inen übergeben und zugestellt haben wolle. Je nach 
gelegenheit der nodt und gefahr wie die furfel * sich begibt und 
zutregt. Auch der Obrist und seine Kriegsknecht auß gevsrüsser 
und bestendiger erfahrung sovyl möglich haben mögen, bey 
den nahe gesessenen standen und Obrigheiten an yedem orth 
und finden sich die gefahr undt nodt zutragen die aufmanung^ 
hoch oder gering zuthun. Daran sy dann allen gethreyweii 
und möglichen fleiß anwenden sdle, damit vergeblicher und 
unnöttiger Gosten der Ständen la allweg vermitten und ver- 
hindert PlyJ}e. 

Alsdann der Unterhaltung halben berörter Hilfskriegsvolks 
ist beredet, geratschlaget und bedacht worden, daß einer yeder 
stand und obrigkeit die seinem mit einem ganzen oder halben 
Monat sold wie sy dessen von den Obristen und den Kriegs- 
räthen ermanet werden, sampt Kraut und Lot* auf die schützen 
abfertigen und nämlichen uf ein schützen vier gülden, und ein 
gerister man 3 fünf gülden bezalen soll. 

Und domit diß fahls durch kheinen stand etwaß versäumet 
werde so haben die stand sich mit einanderen verglichen, daß 
yede Obrikheit uf Ir Zeit mit Hilf und zuthun Irer Unter- 
thonen mit dem Monat sold auf Ir anzal Kriegsvolk, so sy zum 
ersten aufgepott sollen schicken und gefast machen, und soll 
solliches gelt an ein gewiß orth, der auf künftig tag auch soll 
bestimpl und erlegt werden, der gestallt, daß beede die Obrikheit 
und Underthanen Ire schlussel dazu haben und daß gelt alleia 
uf obsremelder fahl und nirgens anderswohin verwendt werden. 



1 = Vorfall. 

2 Kr a a t bedeutet Verpflegung und Lot die Munition. 
8 gerist = Reisige = berittener Mann. 



— 67 — 

« 

Es ist verners bedacht und verglichen worden, daß be- 
schwerlich fallen wurde, von wegen forren^ daß zu Zugs Pro- 
viant nach zufuren, daß dann die nechst gesessenen stand und 
Obrikheiten bey Iren Underthonen die notdürftige versehung 
thun sollen, und wällen, damit gegen geburlicher Bezalung 
von dem Ihren dem Haufen Kriegsvolks, wo daß yeder Zeit 
sein wurde, zugefürt werde. Dargegen sollen auch die Obristen 
die fursehung thun und daran sein, daß dargegen gebürliche 
bezallung ervolgt und ob den Jenigen so alß Proviant zufüren 
gehalten werden. 

Und sollen der Obrister diser nachpurlichen Verein undt 
Landsrettung zween sein. Namblichen so sollen die Obrikheiten 
ob dem Landgraben gesessen ein Obrister ordnen und erhalten, 
dessen bevelcb und bescheid alle außgelegte dären Haupt- und 
BevelchslQth sampt Irem untergebenen Kriegsvolk, gewertig 
sein und dahin sy durch denselben bescheydten werden, ziehen 
auch darin von aller Irer Obrigheit wegen, sich Gehorsam er- 
zeigen und bruchen lassen. 

Und dem gemelten Obristen sollen auch alsbald vier 
oder fünf Kriegsräth mit vollkommenem gwalt und bevelch, 
namblichen einer oder zween von der Fl. Dcht. Regierung zu 
£nsisheim, einer von wegen der Herschaft Reichenweier und 
Horburg, einer von den Prelateu, Graven, Herren und Ritter- 
schaft, auch einer von der Reichsstett wegen, zugeordnet 
werden, n^il denen er zuvorderst bedenkhen und berathschlagen 
soll, waß yeder In fürfallenden sachen, die Nodtdurft erheischen, 
und ervordern wird. Daneben auch gute Kundschafift bestellen 
und machen sollen, alles auß gemeinem der Standen, deß be- 
melten bezirks costen, so von hernachgemeltem hinterlegtem 
vorrath genommen werden solle. Und sollen nicht desterminder 
die Obrikheiten für sich selbs auch yeder Zeit notwendig gute 
Kundschaft halten und machen, auch waß sy nodtwendigs er- 
khundigen die obrigkeit unverzug berichten. 

Gleycher gestalten sollen die Obrikheiten under dem 
Landtgraben gesessen, auch ein Obristen erwällen, ordnen 
und erhalten und Im deren außgelegt Kriegsvolks gehorsamen 
und gewertig sein wie obsteht. Demselben sollen auch alßbald 
fünf oder sechs Kriegsräthe, namblichen einer von unserm 
gnädigen Herrn von Straßburg, einer von der Landvogtey 
Hagenauw, einer von den Graven und Herren, einer von der 
RitterschafI, einer von der Stadt Straßburg und einer von den 
anderen Reichsstetten wegen zugeordnet und damit gehalten 



1 förren bedeutet Fuhre, führen. 



— (58 - 

werden," wie oben j?emeldel ist, auß gemeynem aller Stäpd 
nrnbcosfea In diesem bezrrkh under dem Landgraben begriffen. 

Und dieweyl in dieser nachpariichem Verein und Landts- 
rettung sich täglichen begeben und zutragen möchte, daß aller 
Hand ußgäben und umbkosten von not hen, den dann genfjeyne 
stand und obrikheiten insonder getragen sich vereinigt haben, 
So ist bedacht, daß alle obrikheiten beider bezürkhen, ob und 
under dem Landgraben durchauß« damit In disem Werkh ein 
gleicheit gehalten werde und sich keines stand oder obrikheiten 
Underthanen vor dem anderen der . Ungleichheit halben zu 
beschwären hab, auf yede Herdstatt i In Irer obrikheit, die 
seyend geistlich oder wältlich. Edel oder unedel, gefreyet oder 
ungefreyet, niemand außgenommen, gelegen zwölf kruzer« 
schlagen und geben und darunter noch gelegenheit und be- 
scheid jeder obrigkheit, der Reich dem Armen zu Steuer 
kommen, auch sollich gelt hiezwuschen künftig Wienachten,' 
die über dem Landtgraben, in die Stett Colmar und aber die 
stand unter dem Landtgraben gen Straßburg an die Münz^ 
erlegen sollen, zu nodturftigem umbcosten dieser Landtrettung, 
In furfallender außgaben zugeprauchen haben. 

Voii sollichen gelt sollen die verordneten zu Colmar und 
zu Straßburg an der münz gemelten Obristen yeder Zyt uf 
sein ervordern, waß die begeren werden volgen lossen, wel- 
lichs beede Obristen alßdanh zu gemeyner diser landsrettung 
nodtwendigen gescheften außgeben und gemeyenen Landsassen 
darumb hernach gehörende Rechnung geben und thun sollen, 
üß erstgemeltem Vorrath soll auch den Obristen und deren 
zugeordneten Kriegsvolks jährlich besoldung so Ihnen durch 
gemeyne stand geordnet, gegeben werden. 

Und wel lieber stand sein auferlegt Kriegsvolk zum anzug 
mit einem halben oder ganzen monat sold, wie pbgemelt nicht 
gefast abfertiget oder den Vorrath In obbestimt Zeit am ger 
hurende orth nit erlegen würde, so sollen gemeyne stand Ihm 
ein straf nach gelegenheit uflegen und sich der saumnuß und 
Schadens an Im erholen haben. 

So dann der Ueberzug und Im fahl ob oder under dem 
Landgraben» durch wellichen Paß daß war, beschechen würde 
soll derselbig Obrist aißbald man dessen wäre Kundschaft hat 
ohn allen Vorzug an denselben Paß ziehen, den aufzuhalten 
und dem anderen Obristen, da ers für nodtwendig achtet, ohne 



1 Herdstatt = Haushaltung. 

2 Krüzer = Kreutzer. 

s Wienachten = Weihnachten. 
* Münz = Münzstätte. 



— 69 — 

verzu;? zu empiett^n Ihm auch mit seinem Volk eyllandts zu- 
ziehen und rettung thun, Biß daß man In mit Aufmaohung^. 

4 

aller macht im fahl daß sich die gefahr alßo beschwerlich und 
sorglich furfülle und zutring zu Hilf kommen, auch andrer deß 
■Rein lachen und andrer nechsten Kreiß Ständen i\x 2ug er- 
warten möge. 

Nachdem dan Ettlichen stetten ganz beschwerlich sein 
und fallen will, sich mit außlegung Irer burger und man- 
Schäften zu emplössen auch nit Rathsam, daß die noch ge- 
legenheit Irer Pläz Commun an der Manschaften und Irer 
burgern geschwächt werden sollten, so ist auch bedacht, wie 
auch die Stand und obrikheiten sich dessen vereinigt und 
verglichen haben, daß dieselben Ire gebürende Hilf neben 
andern ständen zeleysten * schuldig sein sollen, doch daß den- 
selben hiemit ohne benommen sey In fürfaliend nodt und auf 
mahnen da Inen bedenklich wäre Ire burger auß zulegen und 
auszuschicken^ einander Kriegsvolks noch anzal Irer hilf uf Ir 
underhaltung In Eyl anzunemmen. Damit nüt dester weniger 
gebürende Hilf ein weg* wie den Anderen von Ihnen ohne 
abgang und saumnuß geleistet werden. Doch soll es sonsten 
deß gemeynen Costens halben gehallen werden wie mit anderen 
ständen dieser Landtsrettung. 

Derweyl das Werkh dieser Landtsrettung In zwey abge- 
sonderten theilen Im Zweck vertheilet, so soll sich veder theil 
mit dem aufgelegten geschütz, Munition, Buchsen meister und 
anderer darzu bereitschaft gefast halten, und damit er die- 
selbigen Im fahl der nodt uf ervordern der Obristen schicken 
khünde, doch sollen die Obristen und Ire zugeordnete Kriegs- 
räth außtrückenlichen bescheidenheit brauchen, daß die von 
den stand nicht mehr geschütz begehren oder vorderen. Dan 
sovyl die nodturft von wegen der f urfallenden gefahren, deß 
überfahls oder Überzugs erheischet und da man deß geschütz 
nit alles bedürfe, so soll sollich es timb weniger umbcosten 
willen, von dero nechste gesessenen der Gefahr uf gemeiner 
stand coslen begert werden. Doch daß deß umbcostens halben 
gleicheit gehallen werde. Darinnen sich dann die Obristen und 
Kriegsräth gemeynen ständen und dem Vaterlandt zu gutem 
der billichkeit nach wol wüssen werden zu hallen. 

Demnach sollen die stand und obrigkeit zu versechung Irer auf- 
gelegten Kriegsvolks nachvollgende geschütz und büchsen, Meister 
und aller artillery und Zugehört verordnet und gevast werden. 



I 



Mit Aufbietung alier Macht. 

2 zu leisten. 

3 Dennoch. 



— 70 — 

Der fürstlichen Dt. Regierung zu Ensisheim soll geben 
zwo Falkhaunen und zwey falkonnettlein und zwey halbfal- 
konnetlin, Büchsenmeister oder Zügmeister und anderer zu- 
gehördt. 

Die Landvogtey Hagenauw soll geben zwey halbe fal- 
konnettlin. 

Unser gnediger Herr von Straßburg sampt Irer gnaden 
Thumbcappittel sollen geben ein falkonnen und zwey doppel 
fal kennett lin. 

Die ' Herrschaft Reichenweyer ein doppel Falkennettlin. 

Grave Phillipps von Hanauw der Elter zwey^ Falkennettlin. 

Grave Phillipps zu Hanauw der jünger zwey Falkennettlin. 

Die Stadt Straßburg zwo Falkhonnen und einen Zug- 
meister. 

Die Slett der Landtvogtey Hagenauw zwo Falkhonnen, 
zwey doppel Falkhonnettlin und zwey halb Falkhonneltlin. 

Es soll auch Fl. Dcht. Ober Regierung Im obern Kreiß 
und dann die Stadt Straßburg Im andern Kreiß yeder zeit uf 
begeren der Obristen und Kriegsräth ein anzahl hachen 
Pullveri geben und mit fußvolks, doch der gisstalt, daß von 
gemeynen ständen Iren dafür billiche bezahlung ervolge. 

Ob dann gleichwol zuvor auf Landsrettungstagen zu be- 
schirmung und errettung diser Land ort für nodtwendig gut 
angesehen worden ist, die Paß am gebirg nodtürftiglichen zu 
versehen, wie dann durch ettliche damalen darzu verordnete 
besichtiget worden sind und aber noch beschechner Relation 
sovyl verstanden worden, daß an verhengung und verfellung 
der Paß, daß Gebürgs zu abwendurig einer gemeinen unfahls 
nitt so hoch und vyl gelegen. Jedoch diewyl die Stand und 
Obrikheiten der abwäsenden Räth Pottschaften und Gesandten 
erwogen, daß obgleichwol nit alle, doch etlich Paß deß ge- 
bürgs Irer natur und eygenschaft nach danoch dermassen ge- 
schaflen sind, daß dieses werkh mit fürstechung der Paß nit 
gänzlich zu lassen sey, so wellen vylgemelte Stand und Obrik- 
heiten sollich werkh der Paß den beiden Obristen und Inen 
zugeordneten Kriegsräthen auch heimgestellt haben, die yeder- 
zyt nach gelegenheit fürfallend gefahr Irem rath und gut- 
bedunkhen nach sich haben zugegreufen und für die Hand ze- 
nemmen oder fallen zu lossen, dieweil auch der halben zuvor 
ein Austheilung deß gebürgs und der Paß beschechen, so 
lossend die Stand und Obrikheiten von solchs bey derselbigen 
Austheilung verplyben. 



1 Pulver für Hackenbüchsen. 



— 71 — 

IV. Und ist dass die Ausstheilung. 

Namblichen der Fl. Dcht. Regierung In Obern Elsaß mit 
Hilf der Herschaften, under das Haus Oesterreich gehörig, 
auch der obern Mundat, und den Stetten Colmar, Keysersperg 
nachparen alle Paß von oben herab biß Ins Weylerlhal. 

So dann sollen auch Fl. Dcht. Regierung durch die Unter- 
thanen des Weilerthals mit Hilf deren von Schlettstadt, Kesten- 
holz, Dambach, der Pflag (?), Barr und der Edlen von Andlauw 
auch anderer daselbst umbgesessenen underthanen, die Paß, 
weg und Strossen Inn derselbigen Obrikheiten weilerthals so 
weilh die erreicht verhauwen und versecheii lassen. 

Die Stadt Ober-Enheim, Roßheim, Under-Enheim, Börß i 
und der Edlen von Rathsamhausen underthanen daß Steinthal. 

Unser gnediger Herr von Straßburg, ^ durch die Under- 
thanen oder Aemter Dachstein, Preißlhals^ sampt denen von 
Mutzig, dem Amt Balbrun,8 den Dörfern Dorloßheim,* Dinkels- 
heim,ö Flecksperg,^ Schar-Labrikheim? und anderen darumb 
gesessenen deß Preißthals. 

Item die Grafschaft Dachspurg mit Hilf der gemeinschaft 
Marlenheim und Iren zugehörigen Flecken, auch der Stadt 
Wangen und den Dörfern Odratzheim, W^ßlenheim uijid Al- 
menswyller die Straß und Paß bei Dachspurg. 

Die Aempter fußweiller und Neuweiller, auch die Dörfer 
Densenheim,8 Wyttersweiler, Wynheim mit Iren Nachparen 
daß Zückhalthal und Neuweiller Staig. 

Item das Ampt Neuweiller sampt den Pfalzgrävischen und 
Westerburgischen Dörfern daselbs umb gelegen, die Strassen 
und weg uf Weymnauw zu Ingwyller. 

Es ist auch beredt, daß die Obristen und Ir zugeordneten 
Kriegsräth für gut und nodlwendig ansechen wurde an Et- 
lichen Pässen deß gebörgs mit verfeil ung und verhengung der- 
selbigen fursechung fürzunemmen, daß dann die stand und 
Obrikheiten by Iren underthanen verschaffen und verordnen 
sollen, auf erfordern und begeren der Obristen, daß denen ge- 
horsamst geleistet werde, damit durch die so wiegemelt zu 



1 Börsch. 

2 Breuschtal. 

3 Balbronn. 

* Dorlisheim. 
^ Dangolsheim. 
6 Fiexburg. 

" Scharrachbergheim. Der Ort wird in Urkunden von 1585 
Scharleberckheim genannt. 
8 Dinsheim. 



^ - 72 — 

jedem Paß bestimpt ungeweyert, daßjenig verrichten, waß 
Ihnen von den Obristen yeder Zylt auferlegt wird. 

Doch dem es auch an disen orthen und Pässen vyl ge- 
maurter flecken und Stett, die ohn ein geschülz von der Hand 
nit zu erobern, da dieselbigen In nodiurftigen bauw erhalten 
würden diewyl sich aber Im Werkh und augenschylich be- 
findet, daß man ob gehn die Burgerschaft weder mit Doppel- 
haggen kraut und Lot auch andern gegen wören nit gefast. So 
ist durch gemeye Stand und obrigkheiten abgeordnete Rhät, 
Bottschaften und gesandten für nodtwendig bedacht und be- 
schlossen worden, daß alßbald durch yede Obrikheit so In 
diser verein begriffen, gepürlichs ynsechens i besechen und die 
Underthanen dahin gehalten werden sollten, daß sy mauren 
und wöhren Ire Stett und fleckhen besseren und zurüsten sollen. 

Und da sy sollichs nit verstunden, sollen sy Iren ein oder 
mehr sondere Personen zu ordnen, die Inen hierinnen ünder- 
weysung thun mögen und im fahl sy bauwen wurden, sollen 
Inen die nechsten Dörfer mit der fron zu Hilf kommen. 

Es sollen auch die Stand und Obrigkeiten, deß Bezürkes 
der Unterlhanen In Stetten geschutz, Doppelhaggen und darzu 
gehörig Munition besichtigen wie man damit gefast sey wo 
mangel daran vorhanden, den Unlerthanen uferlegen sich auf 
ein gewisse anzal gefast zu machen, auch demnach alle Jar, 
wann man mustert, daß geschülz und darzu gehörig bereit- 
schaft, besichtigen. 

Es soll auch alßbald da sich obgemelte gefährlichkeiten 
zutragen und gedachte Landsrettung durch die Obristen und 
Kriegsräth fürgenommen, die ober Regierung anstatt der Fl. 
Dcht. und dann unser gnediger Herr von Straßburg, ohn allen 
Verzug deß römischen Kreiß Obristen, vermög des heiUgen 
romischen Rychs Ordnung, umb Hilf und Zuzug ersuchen. * 

Und soll solcher verstand und nachparliche Verein von 
dem tag deß nachgeschriebenen Dalumbs fünf Jar lang 
wären, doch mit der fürnemlichen und außtruckentlichen be- 
scheidenheyt, daß es sich begeben und zugetragen wurde, daß 
der Romisch Kreiß disem Land Hilf thun und zuschicken 
würde, daß dann diese Aufmahnung und Landsrettung auf- 
hören und ein yeder wytters weder er zum Greyß zuschicken 
oder Costen zu leyden schuldig zu thun unverbundeii seyn 
solle. Und soll den ständen diser Verein unbenommen seyn, 
bey den ständen des römischen Kreiß umb erstattung den 
zuvor angewendten Costen über Ire gepür anzuhalten, damit 
sy dessen wider ergenzt werden. 

' = Einsehen. 



— 73 — 

Sollicher verstandt und nachparlicher Verein soll auch 
wythers und anders nit dan defensive werden, und so ein 
frömbter Herlofi oder andere Kriegs volkh war, daß kheiner diß 
Lands Obrigkeiten In dieser Vereynunj? begrififeTi überziehe, 
verderben oder mit durchziehung wider deß Reichs Ordnung 
beschwären wöll, daß man Inhalt deß Ahscheid's einander nach- 
parliche Hilf und Rettung thun soll. Niemandts weß Stands 
oder namen der sey, sonst einiche beschwerden, Nachtheil und 
schaden dardurch zuzufügen. Gleicher gestalt soll auch berürter 
Versland und nachparliche Vereyn verstanden werden, so 
musterplätz In disem Bezürkh wider deß Reichs Ordnung» fiir- 
genommen werden wollten, zu welcher abwendung die Aspec- 
tion und Verordnung deß heiligen Reichs abscheid deß 55^ 
Jars zu Augsspurg ufgericht von den ständen und Obrigkeiten 
gehalten werden soll. So aber ein Standt oder Obrigkeit wider 
denn andern oder andern Reicksständ Theutscher nation wider 
sonderer obrigkeiten diß Landts etwas ansprach zu haben und 
ein Kriegsübung und Überzug 2 fürzünemmen In vorhaben 
schon würden, sollten denn, oder die, so Irs Überzugs In 
sorgen stünden, bey Zeyten und unverzügenlichen so sy ob 
dem Landgraben gesessen der Fl. Dcht. Regierung Im obern 
Elsaß, oder so sy under dem Landgraben gesessen unser 
gnediger Herren von Straßburg ersuchen, die alßdan ohn 
Verzug die Obrigkeit dieser Vereynigung zusammen beschrieben 
sollen, die Ursachen sollichs mißverstands zuvernenimen und 
zubedenkhen oder dergelb fahl In dieser gemeiner Landts- 
retlung erfordern, oder nit, und so man befindt, deß die also 
beschaffen seyen, daß die In diser Landsrettung begriffen 
oder gemeyne . gefahr und weitterung auf sich habe. So soll 
die Rettung hierzu beschechen, wie dann diser abscheid mit 
bringt und ußwyßt* und doch darneben durch, die genachparet 
Standt beschickung und gütlich mittel fürgenommen werden, 
denn anderntheil wo möglich abzuhalten. Wo aber die Sachen 
also befinden würde, daß die Obrikheit so deß Überzugs In 
sorgen stand nit befugt, sollen die versammlelten stand mit 
derselben abermalen sonst fründtlich mittel und weg suchen, 
damit der Überzug vermiten und die zwytracht durch andere 
fügliche mittel durch ordentliche oder unpartheyische Recht 
oder In der gute deß heiligen Reichsordnung hingelegt werde, 
auch yede Obrigkeit für sich selbs und by den Iren die Ur- 
sachen dardurch jemants zu einem sollichen Überzug und In 



1 = Hergelaufene. 

2 = Ueberfall. 

3 = ausweist. 



- 74 — 

fahl bewegt werden möchte verhüten. Wo aber sollichs auch 
über deß Standts, Rechts und gutliche erpitten nit statt haben 
wollte und dann sich auß sollichen uberfahl und angriff be- 
schedigung deß iands und mehr weytterung und gefahr zu 
besorgen, auch der Standen fründtlich Unterhandlung be- 
schickung und abmahnung, bey dem anderntheyl nit statt wolt 
haben, daß man alßdann den Stand In disem bezurks begriffen 
nit lossen solt uf wellichen fah-1 die obristen auch mit Irem 
ufgepoU und anzug gefast sein sollen. Damit aller vorstehende 
gefahr und nachlheil dises Landts furgenommen und verhütet 
werde, da nicht In diser und andern fahlen einiche Obrigkeit 
auf sollich erforderen außpleiben und nit erschynet wurde nüt 
desterminder zu bedenkhen zu beralhschlagen und zu er- 
khennen und zu beschliessen haben, Und waß er khenndt und 
beschlossen wirt von allen Obrikheiten dieser Vereyn erstattet 
werden, ohn alle geverde. 

Und soll hiezwüschen Jüngster zusammen kunft der Fl. 
Dcht. Regierung Clausen von Hattstatt oder Humprecht Störr 
oder einen anderen der sy für guth ansieht^ ob sy sich ge- 
meinem Land zu gutem zu einem Obristen geprauchen lossen 
wölte gleichfahls auch jeder Stand auf ein oder mehr kriegs- 
räth In oben angezogener massen zu ordnen gepürt bedacht 
sein und was sy aufgericht künftig gemeinen ständen ver- 
melden und anzeigen. 

Deßgleichen soll unser gnediger Herr von Straßburg von 
wegen deß anderen bezurks hierzwuschen auch eines obristen 
halben nachgedenkens haben und sonderlich mit dem von 
Mittelhausen. Wylsperg, oder Jerg von Windeckh Handien 
auch ein yeder stand sich mit den Kriegsräthen so Inen uf- 
erlegt gefast machen. 

\^ Und sollen nachgemelte stand und obrigkeiten 
diss vereyn und verstand begriffen sein. 

Der fürstlichen Dcht. Regierung In Obern Elsaß mit allen 
Iren nachgehörigen geistlichen und wältlichen Hir disent und 
jensit Reins berürter Fl. Dcht. Regierung In obern Elsaß be- 
velch und Verwaltung gehörig und weiterst nit. 

Die Landvogtey Im undern Elsaß mit allen Iren zuhörigen 
Dörfern In und usserhalb des Hagenauwischen Forst gelegen. 

Unser gnediger Herr von Straßburg und seiner gnaden 
Thumbcappittel mit allen Iren G.i Emptern underthonen, 
Stetten, flecken, Dörfern under dem Landgraben auch jenseit 
Reinß gelegen. 



1 = Gnaden. 



— 75 — 

Die Herrschaft Reichen weih r und Horburg. 

Beide Graven zu Hanau mit allen Iren Oberkeiten hie 
disseit und jenseit Reinß. 

Grav Hans Heinrich von Leyningen mit der Gravschaft- 
Dachspurg» 

Grave Phillipp zu Weslerburg mit dem Ampt ßansen- 
burg. 

Die Herren von Fleckenslein, Freiherren zu Dachstul mit 
Iren Obrikkeiten und Ampt zu Anfriedt. 

Die Herrschaft Barr. 

Die march Maurßmünster. 

Die Frauw Eptissin zu S». Steffan, 

Die Stett Straßburg, Hagenauw, CoUmar, Schleltstatt, 
Oberehnheim, Keysersperg, Munster, Rosheim, Dürkheim 
sampt Ihren und Ihrer burgern Underlhanen uf dem Lande 
gesessen. 

Die Edlen von Landauw, Landsperg, Rätzenhausen und 
Willsperg auch alle anderen von der Ritterschaft In disen be- 
zürks In obern Elsaß biß an den Hagenauwer forst gestossen 
mit allen Ihren Underthanen, auch alle anderen geistlich und 
wältliche In berurten bezurk gesessen mit Iren Underthanen 
und zugehörigen Benanten und Unbenannten. 

Und waß sich sonst en fürfahl möchten zutragen, es w^r 
mit eroberung eines yngommenen Platz oder Stett In disem 
bezürk begrifTen, oder In all andere wäg soll durch gemeyner 
stände, da sich der fahl zutragen wurde, sampt den Obristen 
und Iren zugehörigen Kriegsräthen, davon zureden und dar- 
under das beste furzunemmen bevorstan. 

Und noch dem der Mumpellgartische Abgesandten begert 
Mümpelgardt sampt den vier dazu gehörigen freyherrschaften 
als Elicourt* und Plamont In dise Vereyn zunemmen gemeine 
Ständt abgeordnet aber sich zuermehren gewist und soUichs 
begeren elvvan mehr lurkommen, aber dessen bedenken ge- 
wesen, die weyl solliche Herrschaft userhalb dem romischen 
Reich gelegen, In diser Verein zunemmen, diewe^l gemeine 
Stand abgeordnete aber dero wegen bevelch haben, so wellen 
sy solliches Irer obern und Herrschaft furbringen und zu 
jüngster Zusammenkunft, deren obern und Herrschaften mey- 
nung hienieden anzeig. 

Sollichen abscheid haben die anwäsenden gemeiner stand 
und Obrigheiten Räth, Gesandten und Boltschaftern von wegen 
Irer Herren und Obern 



J Ellengurt. Elligurt bedeutet das heutige Hericourt. Vgl. 
Basler Chroniken, Bd. 5, S. 580. Hericourt. 



— 76 — 

hindersich zubringen und uf Sonntag den 9ten Dag No- 
vembris nächst künftig gegen Abend, do man allhir diser ge- 
meiner landtsrettung halben wider zusammen kommen soll, 
Entlich zuerklären angenommen und bewilliget. 

VI. Und sind diss die ordnetten^ und gesandten 
so bey disen tagen erschienen. 

Namblichen von wegen der Fl. Dcht. Regierung In Obern 
Elsaß der wohlgeborene Herr Lazaruß von Schwendy, freiher 
zu hochen Landtsperg, und Hans Heinrich von Reinach, Irer 
Fl. Dcht. Rhät In obern Elsaß. 

Von der Landvogtey Hagenauw Friderich von Wangen und 
zu Gerolzeckh am wassigen Schultheiß zu Hagenauw und Görg* 
Streilh Zinsmeister. 

Von wegen unsers gnedigen Herren von Straßburg Görg 
von Wangen zu Gerolzeckh am wassigen, Hofmeister Oth von 
Sulz, Oberschuldtheissen zu Zabern, Doktor Heinrich Schwan 
und Martin Weyterspach, alle Irer Fl. Gnaden räth. 

Im Namen deß Thumcappittels hoche slifl Straßburg der 
ehrwürdig wolgeborene Herr Christof Ladißlaus, Grav zu Mellen- 
burg und Herr zu Thengen Thuraprobsl und Doktor Bernhard 
Rainelein, Advokat. 

Von wegen der Herrschaft Horburg und Reichenweier 
Heinrich Johann Mandolsheim, Oberampt. zu Horburg. 

Von wegen Grav Phillipp von Hanauw deß Eltern Ludwig 
Barklein von Bocklinsauw, Amptman zu ßalbrun. 

Von wegen Grav Phillipp von Hanau deß jüngeren Phillipp 
von Hanauw. 

Von wegen Graven Hans von Leiningen, obgemelt straß- 
bürgische Rät. 

Von wegen Graven Phillipp von Westerburg, Andreß Lang. 
Stadtschreiber zu Oberehnheim. 

Von wegen Herren Ludwig Freyherr zu Fleckenslein Lud- 
wig Böcklin von Bocklinsauw. 

Von wegen gemeyner Ritterschaft im undern Elsaß Hans 
Caspar von Mittelbausen und Hardmann vonlWangen. 

Von wegen der Stadt Straßburg Heinrich von Mülheim, 
alt Stettmeisler, Herr Friderich von Gotzenheim und Doktor 
Bernhardt Botzheim. 

Von wegen der Stadt Hagenauw, Sebastian Schuldtheiß, 
alt Stettmeister. 



» Abgeordneten. 
2 Georg. 



— 77 — 

Von wegen der Stadt Colmar Sebastian Wilhelm Linkh 
und Andreas Sandherr, Gerich tschrey her. 

Von wegen der Stadt Schlettstadt M. Gervasius Frouw- 
mann, Stadtschreiber. 

Von wegen der Stadt Ober-Ehnheim Thiepoldi Schaffner, 
Burgermeister und Andreas Lang, Stadtschreiber. 

Roßheim, obgemelder Stadtschreiber von Ober-Ehnheim. 

Keysersperg, Jakob Hennslin, Stadtschreiber. 

Mänster In Sä Görgenthal* erstgemelter Stadt schreyber 
von Keysersperg. 

Dürkheim, Thomaß Mandreß, Stadtschreyber. 

Aktum Straßburg, Mittwoch nach 
Mathey ApI. (Apostel) Im funfzehen 
hundert, Sibenzig und zweyten Jar. 



1 Theobald. 

* = Gregoriental. 



VI. 

Entehrung Maria durch die Juden. 

Eine antisemitische Dichtung Thomas Murners. 

Mit den Holzschnitten des Straßbarger Hupfaffschen Druckes 

herausgegeben von 

Adam Klassert. 

Die Gründe, die seinerzeit zur Unterdrückung der «Ent- 
ehrung Maria]» geführt haben mögen, fallen heute für wissen- 
schaftliche Kreise weg. Wir sehen in diesem seltenen Straß- 
burger Drucke eine Schrift, die in sprachlicher, literar- und 
kulturgeschichtlicher Hinsicht des Merkwürdigen genug bietet, 
um eine Herausgabe zu rechtfertigen. 

Die Grundlage für die Herausgabe bot das Exemplar der 
Michelstädter Kirchenbibliothek, ^ dem nur das 
letzte 34. weiße Blatt fehlt; hier allein sind also Text und 
Bilder vollständig, während der Text der in Tübingen und 
München erhaltenen Stücke nach W. List unvollständig ist. 
Das Format ist Ap in zwei Abteilungen zu je 8 und drei zu je 
6 Blättern mit den Bezeichnungen a (2 bis 5), b (bis 4), c (3 
und 4), d (bis 4), e (bis 4). Eine bibliographisch genaue Be- 
schreibung des Druckes nebst einer allgemeinen Würdigung 
des Inhaltes, namentlich aber des kulturgeschichtlichen Wertes 
der Holzschnitte verdanken wir W. List,^ der indessen davon 



1 Sammelband E 905. Der Verwaltung, insbesondere Herrn Ober- 
pfarrer Marguth, sei auch an dieser Stelle für die Erlaubnis der 
Herausgabe gebührend gedankt! 

2 Zentralblatt f. d. Bibliothekwesen IV, 1887, 290—93. 



— 79 — 

absah, die Frage nach dem Verfasser und den Quellen der 
Schrift aufzuwerten. Diese Frage zu lösen machte ich mir zur 
Aufgabe, nachdem bei eingehender Prüfung der Schätze der 
Michelstädter Kirchenbibliothek die Schrifl mein Interesse ge- 
weckt hatte. Das von mir zum Teil bereits an anderer Stelle ^ 
veröffentlichte Ergebnis, das in der Ermittelung der fast ge- ' 
wissen Autorschaft Thomas Murners gipfelt, möge hier 
zusammengefaßt werden. 

Die «Entehrung Maria durch die Juden» zerfallt in zwei Teile. 
Auf die Geschichte der Verspottung und Verwundung eines 
Marienbildes durch Juden im Uennegau und der Bestrafung des 
Frevels (V. 1—827) folgt (V. 828-150()) der lehrhafte Teil, 
dem Holzschnitte völlig fehlen. Hier sammelt der Verfasser alle 
möglichen Anklagen gegen die Juden, deren Berechtigung er 
oft mit wenig Logik zu erweisen sucht, und fordert Vertilgung 
der Juden, will also für vermeintliche oder wirkliche Verbrechen 
einzelner die Gesamtheit büßen lassen. Der lehrhafte Teil wird 
durch die Schlußverse (1507 — 1530) mit dem erzählenden — 
wenn auch nur äußerlich — zu einem Ganzen verknüpft. 

Während die Tatsache des Hupfuffschen Druckes auf Straß- 
burg, die Erwähnung Kolmars auf dem Titel auf das Elsaß als 
Entstehungsort hinwies, gemahnte mich auch die Sprache an 
Brant, noch mehr aber an Murner. Dazu wollte aber meine 
Entdeckung nicht passen, daß Pamphilus Gengenbachs e:New 
]ied von fünff juden^s mit dem erzählenden Teile der «Ent- 
ehrung> sachlich vollständig und teilweise auch wörtlich über- 
einstimmt. Sollte das Meisterlied und die eEntehrungx» denselben 
Verfasser haben? Die Frage mußte bei näherer Untersuchung 
verneint werden. Gengenbach hat vielmehr, wie der Augenschein 
lehrt, die cEntehrung)» in skrupelloser Weise benutzt. Er, dem 
seine Nürnberger Herkunft noch nachging, hat manche ihm 
nicht geläufige Ausdrücke des oberdeutschen Verfassers durch 
ihm passender erscheinende ersetzt. s Während er jenen an 
manchen Stellen wörtlich abschreibt (z. B. Gengenbach 3ü3 f. ;^ 
Entehrung 585 f.; mit Gengenbach 367 f. : «Do ward sich funden 
mit dem mer Das solch anclag nit gnügsam war:» vergleiche 



1 A. Elassert, Mitteilungen über die Michelstädter Kirchenbiblio- 
thek, Programm der Realschnle, Michelstadt 1902, S. 18 f. 

2 Goedeke, Gengenbach S. 39—53 (535 Verse in 33 Strophen). 

3 Gengenbach ersetzt das Wort gschür 180 durch ax (^ Axt) 
V. 81, 299, bildung durch bild, sich verwatte 240 durch sich ver- 
g'ange 133, das von dem geistlichen Verfasser der Entehrung 617 dem 
Hesterni quippe sumas et ig^ioramus, qnoniam sicut umbra dies 
nostri sunt super terram der Vulgata (Job 8, 9) nachgebildete «vber- 
nechtig> durch ctödtlichen» (sterblich) 383. 



— 80 — 

man Entehrung 589 f. : «Da wardt sych fanden mit dem mere 
das solch anklag vnsicher werei>, mit Gengenbach 381 : «Vnd 
sprach jr beyder do bystandl» Entehrung 615 «vnd sprach in 
beyder do bystandt»), hat er seine Vorlage an einer Stelle voll- 
ständig mißverstanden. Während nämlich der Dichter der «Ent- 
ehrung» erzählt, der Schmied habe sich gar nicht darüber be- 
ruhigen können, daß die Uebeltat solange ungerächt bleibe, da 
sei ihm, während er in der Nacht keine Ruhe habe finden können, 
durch einen Engel der Auftrag geworden, die Bestrafung herbei- 
zufuhren (V. 252 ff. «Als nun dem schmydt anlag die sach vnd 
er zu nacht lag an gemach (ohne Ruhe!) Erschein ein engel 
vor im ston ermant in . . .) gibt Gengenbach 141 diesen Aus- 
druck wieder : ((Einsmals lag er an sim gemach (in seinem 
Schlafraum ! i). Um den nötigen Reim für sein Meisterlied zu 
erzwingen ersetzt ferner Gengenbach die durch den Holzschnitt I. 
bestätigten Worte der Entehrung 94 : «Der dritt zer reyß vfF 
synen mundt:» durch «der drit zerzart gen ir das bar» V. 39. 
Auch der einzige von Gengenbach zweimal in seinem Meister- 
lied wiedergegebene Holzschnitt 8 ist offenbar — in Federstrich- 
manier — dem Holzschnitt II der Entehrung nachgebildet. 

Erwies sich so Gengen bachs Meisterlied als eine spätere 
Nachdichtung der Entehrung, so führte mich ein allerdings 
ungenauer Vermerk Goedekes^ zu Gengenbachs Fünf Juden auf 
die Quelle für den beiden gemeinsamen Stoflf. Als Ort der 
Handlung geben beide Gedichte (Entehrung 53 : Im Henigaw 
im Osterland ; Fünf Juden 14 Henengowe) den Hennegau an, 
während wir in beiden über die Zeit, in der die -Handlung 
spielt, nichts Genaues erfahren. Doch können die Verse 47 ff. 
der Entehrung den Glauben erwecken, es handle sich um 
ein Vorkommnis aus der Regierungszeit Kaiser Maximilians. 
In Wirklichkeit spielt aber die Legende zur Zeit der Juden- 
verfolgung, die um das Jahr 1322 in Frankreich und im Henne- 
gau wütete.* Dies erhellt zunächst aus Trittenheims Hirsauer 
Chronik zum Jahr 1326, wo erzählt wird, ein von dem Grafen 
Wilhelm von Holland und Hennegau aus der Taufe gehobener 
Jude habe aus Haß gegen das Christentum ein Marienbild 



' Daß Gengenbach es so meint, lehrt sein V. 163, wo er hierauf 
mit den Worten zurückkommt : Dar nach lag ich an miner rft w vnd 
schlieffe. 

* R. Muther, Deutsche Buchillustration der Renaissance, Nr. 1361. 
Ich konnte Gengenbachs «Fünf Juden» aus' der Berliner Königlichen 
Bibliothek (Y d 8251) benützen. 

3 Goedeke, Grundriß I 2, 319. 

4 Eug. Bacha, La Chronique Liegeoise de 1402, Bruxelles 1900, 
283 nota ad a. 1322: Hocsem II, 9. [Vgl. bes. De Vooys middelneder- 
landsche Legenden en Exempelen 19C^. Eed.] 



— 81 — 

durchstochen. Als aus dem Bild Blut geflossen sei, sei der 
Täter entsetzt geflohen, habe aber seine Heuchelei weiter treiben 
können^ bis ihn nach Jahren die Strafe ereilt habe. Einem 
Schmied sei nämlich Maria erschienen, um ihn zu ermahnen, 
den Juden bei dem Grafen zu verklagen und sich zum Zwei- 
kampf mit dem Täter zu erbieten. Im Vertrauen auf seine 
überlegene Körperkraft i habe der verkappte Jude sich auf den 
Zweikampf eingelassen; sei aber von dem Schmied durch Mariens 
Beistand ^überwunden worden, worauf er eines schimpflichen 
Todes am Galgen habe sterben müssen. Genaueres erfahren 
wir über den Ort der Handlung und deren nähere Umstände 
in zwei Druckschriften des 17. Jahrhunderts, die die Geschichte 
der Zisterzienserabtei Gamberon (zwischen Ath und Mons im 
Hennegau) behandeln.« Hier wird der Täter im Jahre 1322 bei 
Gamberon von zwei Zeugen, einem Holzhauer und einem Laien- 
bruder in dem Augenblick überrascht, wo er die verhängnis- 
vollen fünf Stiche in das Bild getan hat. Der Holzhauer wird 
von dem Klosterbruder gehindert, den Täter auf der Stelle zu 
erschlagen, worauf es diesem gelingt zu entfliehen. Eine Klage 
der beiden Zeugen beim Abt von Mons und dem Oberrichter 
des Grafen Von Hennegau bleibt erfolglos, bis nach vier Jahren 
(1326) Maria einem schon sieben Jahre an Paralysis bettlägerigen 
Schmied den Auftrag gibt, den Täter, der mittlerweile wieder 
seinen Dienst als Kriegsknecht des Grafen aufgenommen hat, im 
Zweikampf zu bezwingen. Im Zweikampf, der in der Nähe des 
Parktores von Mons stattfindet, siegt der kranke Schmied durch 
übernatürlichen Beistand, worauf der Graf den Unterlegenen zur 
Richtstatt schleifen und zwischen zwei Hunden verbrennen läßt.* 
Der siegreiche Kämpfer hielt jährlich am 4. Sonntag nach Ostern 
einen feierlichen Umzug, Drei Kirchen, eine in Camberon, eine 
auf dem Kampfplatz in Mons und eine dritte in Estinne, dem 
Heimatdorfe des Siegers, erinnern nach Le Waitte an das Er- 



1 Spem habens in suis viribus quia fortior (stärker !) illo fuit. 

2 Diese beiden, die üeberlieferung von Camberon bergenden 
Schriften: A. Le Waitte, Historia Camberonensis, Paris 1672, und 
W. Caoult, Miracula quae . . . apud Gamberones ... in Hannonia . . . 
effalsere, Duaci 1606 (und Köln 1607) wurden mir von der Berliner 
Königlichen und der Kölner Stadtbibliothek zur Verfügnmg gestellt. 
In dem 1606 in Douay erschienenen Schriftchen von Caoult wird 
auch noch eine französische Ausgabe des Priors Farinart, gedruckt 
Mons 1604," angeführt, der sich wie Abt Le Waitte auf eine altfran- 
zösische Pergamenthan dschrit't als Quelle beruft. 

3 Vgl. Brants Layenspiegel von Tengler, Augsburg 1509, bei 
Hans Otmar, III y, 2 b : Von Juden straff : Den Juden zwischen 
zwayen wütend oder beyssenden Hunden zft der . richtstatt . . 
schlaiffen . . an einen besonderen galgen zwischen die hund nach 
verkerter maß hencken . . 



— 82 — 

eignis. Bis 1467 wurde jährlich,, bis 1500 alle drei, seitdem 
alle sieben Jahre die judaica trag[oedia aufgeführt.^ 

Während die von dem Verfasser der Entehrung benutzte 
Vorlage — vermutlich eine alt französische Chronik des Klosters 
Camberon — die Legende etwa in der eben erzählten ausführ- 
lichen Form« gab, was die Holzschnitte der Entehrung zu be- 
weisen scheinen, hat der Dichter der Entehrung den einen 
Zeugen, den Holzhauer, irrtümlich mit dem Schmied gleichge- 
setzt und damit die Erzählung der eigentlichen Pointe beraubt.^ 
Gengenbach ist ihm hierin kritiklos gefolgt. 

Als Entstehungsjahr des Druckes der Entehrung nahm W. 
List 1510 oder etwas später an, doch läßt sich für diese selbst die 
Zeit genauer bestimmen als aus der auf dem Titelblatt erwähnten, 
1510 eingeleiteten, 1512 durchgeführten Vertreibung der Juden 
aus Kolmar.* Denn gelegentlich — V. 106-115, (962 ff.), 1462, 
1488—1494 — wird der durch die Folter erpreßten Geständnisse 
des wegen vieler Verbrechen am 4. September 1514 zu Halle ver- 
brannten angeblichen getauften Juden 5 gedacht, den der Verfasser 
irrtümlich nach dem Vorgange Huttens und der Reuchlinisten als 
Johannes Pfefferkorn bezeichnet.^ Weil der Verfasser, durchaus 
auf Seiten der Judenfeinde stehend, trotzdem die zur Beschimp- 
fung des getauften Juden Pfefferkorn von Reuchlins Partei 
ausgegebenen «Schmachbüchlein d für bare Münze nimmt, so 
wird die Entehrung nicht nach dem Erscheinen von Pfefferkorns 
«Beschyrmung» veröffentlicht worden sein, denn hätte der Ver- 
fasser diese Widerlegung gekannt, so hätte er sich sicher nicht 
eine solche Blöße gegeben, die den Spott der Gegner heraus - 



1 Le Waitte 33. 

* Von Caoult und Le Waitte werden die tätigen Personen aus- 
drücklich mit Namen genannt. 

3 Ich komme unten darauf zurück. 

* Vgl. darüber X. Mossmann, ;6tade sur l'histoire des Juifs ä 
Colmar, Colmar 1866, p. 19-21. 

» Chronica Von vil namhafftigen geschichten von 903 iar biß 
auff das M.CCCCC.XV. (Augsburg 1515) zum Jahr 1514 (im Sammel- 
band E 905 der Michelstädter Kirchenbibliothek). 

6 Gegen diese ihm zum Schimpf geschehene Benennung des 
Pfaffen Rapp wehrt sich Joh. Pfefferkorn, «den man nyt verbrant 
hat», in seiner «Beschyrmung» 1516, und verwahrt sich im Streit- 
biichlein 1517 nochmals gegen Huttens unehrliches Verfahren, der 
«mit dem blinden Anhang obscurorum virorum» zuerst aufgebracht 
habe, er selbst sei verbrannt worden, dann, es sei sein Bruder, 
endlich, es sei sein Vetter gewesen, während er doch einziger Sohn 
seiner Eltern sei und nie einen Vetter Joh. Pfefferkorn gehabt habe, 
der Christ geworden sei. Vgl. L. Geiger, Joh Reuchlin 374 und 385. 
Die von Reuchlins Partei ausgegebenen Flugschriften über Verbrechen 
und Strafe jenes vorgeblichen Pfefferkorn sind in den Supplementen 
zu Böckings Huttenausgabe abgedruckt oder verzeichnet. 



— 83 — 

fordern mußte. Und einen Niederschlag dieses Speltes finde ich 
im 2. Buch der Epistolae obscurorum virorum im 59. Briefe, 
wo Joh. Gocleariligneus an Ortuin Gratius aus Frankfurt über 
alles berichtet, was er über die zugunsten Reuchlins bestehende 
Verschwörung in Erfahrung gebracht hat; dabei erwähnt er, 
Thomas Murner sei das Haupt dieser Verschwörung ; ein 
Buchhändler habe ihm verraten, Murner habe unum librum de 
scandalis praedicatorum (Jetzerhandel in Bern) geschrieben et 
unum alium in defensionem Reuchlini. Welcher Hohn 
liegt darin, daß die «Entehrung», eine den wütendsten Anti- 
semitismus predigende Schrift, als Verteidigung Reuchlins be- 
zeichnet wird, v^eil dem Verfasser wider Willen das Mißgeschick 
widerfahren war, in dem einen Punkte der Beschimpfung 
Pfefferkorns mit den Reuchlinisten gemeinsame Sache zu 
machen.i Nun begreift man auch das Mißtrauen, mit dem 
man Murner, der ohnedies wegen seiner losen Zunge gefürchlet 
war, nach dieser Leistung 1515 in Trier begegnete. Anderer- 
seits mußte die Bezeichnung des nämlichen Murner, der im 
Brief 63 als unwissender Mönch verspottet und im 68. Brief in 
der unflätigsten Weise beschimpft wird, als eines Judenfreundes 
und Verteidigers Reuchlins den Reuchlinisten ebenso drollig 
vorkommen, wie in Joh. Textors Brief 68, bei dem gewaltigen 
Gegensatz zwischen dem attischen Salz des Erasmus und Brants 
trockener Buchgelehrsamkeit die Bezeichnung des Erasmus als 
des Verfassers «eines Narren schiffs» anstatt des «Lobes der 
Narrheit». So empfiehlt sich die Annahme der Autorschaft 
Murners,2 die unten näher begründet werden soll, und des 
Jahres 1515 für das Erscheinen der «Entehrung-». » 



1 Ueber Murners vermutliches Verhältnis zu dem wirklichen 
Joh. Pfefferkorn handelt M. Spanier im 8. Bande dieses Jahrbuches, 
S. 72 ff. Er nimmt an, Murner habe 1512 zu seinem Passahbuch 
Pfefferkorns drei Jahre früher erschienenes Osterbuch benutzt. Die 
dort von Murner gebrauchten Worte interpres sum, non invector 
stellten dann eine versteckte Polemik gegen Pfefferkorn dar, dem er 
damit wissenschaftliche Unbefangenheit absprechen wolle. Dazu paßt 
auch das wegwerfende Urteil über Pfefferkorn, das im Briefe des 
Magister Stephan Komedelantis Murner in den Mund gelegt wird 
(Epist. obsc. vir. II, ep. 3). 

^ Ist meine Annahme berechtigt, so ist auch die von Charles 
Schmidt, Histoire litt6raire de TAlsace, II, 233, Nr. 79: Ce livre (in 
defensionem Reuchlini) a-t-il existe ? aufgeworfene Frage in bejahen- 
dem Sinne entschieden. K Martin, M. Spanier und L. Geiger, gewiß 
zuständige Beurteiler Murners und Reuchlins, haben meine Vermutung 
ansprechend gefunden. 

3 Dazu würde auch die Tatsache stimmen, daß der Holzschnitt- 
rahmen der Entehrung (Charles Schmidt, Repertoire bibliographique 
Strasbourgeois, V, 1894, Nr. 2, P. Heitz, Elsässische Büchermarken, 
VII, 2, vgl. S. 14, Butsch I, 69) erst während des Jahres 1515 in 
datierten Hupfuffschen Verlagswerken vorkommt. 



— 84 — 

Bei dieser Annahme fällt auch auf ein Erlebnis Murners 
aus dem Jahre 1513 neues Licht. Damals entsandte Kaiser Max 
einen Beamten Hans Mue (oder Mueyg) nach Straßburg mit 
dem Auftrag: «Er soll auch fleißig fragen nach dem Doclor zu 
Straßburg, der das ander Narrenschiif (die Narrenbeschwörung I) 
gemacht hat, und so er den erfahrt, so soll er an Meister und 
Rath begeren, daß sie mit demselben verschaffen, daß er sich 
zu Kayserl. Majestät fueg, dann sein kayserl. Majestät ihne in 
etlichen Sachen l)raucben werde, die ihm auch zu nutzen 
dienen werden.» * Mit Recht vermutete M. Spanier, Max habe 
Murner in ähnlicher Weise wie Melchior Pfintzing (seit 1513 in 
Nürnberg) in literarischen Angelegenheiten verwenden wollen. 2 
Des Rätsels Lösung ist gefunden, wenn wir aus A. Le Waitte, 
historia Camberonensis 127 sq. erfahren, daß Kaiser Maximilian 
1513 als Wallfahrtsgast im Kloster zu Gamberon weilte, beim 
Anblick des Bildes mit großem Unwillen über die Bosheit des 
Missetäters erfüllt wurde und ein Gemälde mit der ganzen 
Judaica tragoedia herstellen, bezw. das alte erneuern ließ ; 
letzteres geschah nach Le Waitte 1514. Was lag näher, als 
daß der in diesen Jahren den Antisemitismus begünstigende 
Kaiser, noch erfüllt von den bei seinem Besuch in Gamberon 
gewonnenen Eindrücken, Murner 1513 durch jenen Beamten 
an den Hof lud, um ihm den Auftrag zu geben, die Geschichte, 
die er gleichzeitig in Camberon » und Kolmar* malen ließ, nun 
auch poetisch zu verherrlichen ? ^ 

Verschiedene Gründe können dazu geführt haben, daß 



1 Wencker, Apparatus & instructus archivorum. Argentorati 
1713, 16. 

2 Beitr. z. Gesch. d. deutschen Spr. u. Lit., 18, 1894, S. 4. 

3 Le Waitte gibt auf einer Tafel die Abbildung eines späteren 
Barockaltars zu Camberon, auf dem das Hauptbild (Darstellung 
Marias mit dem Kinde, verehrt von den drei Königen, wird in 
Gegenwart zweier Zeugen von einem Juden durchstochen) von 
sieben, wie jenes, stark modernisierten Bildern umgeben wird (2.: 
Klage bei dem Abt, 3. . Folterung des Juden, 4. : Erscheinung bei 
dem alten Schmied, 5. : Klage vor dem Grafen^ 6. : Zweikampf, 7. : 
Schleifung, 8. : Verbrennung). 

4 In Kolmar hat sich nichts davon erhalten ; nicht einmal eine 
üeberlieferung. Mag die Bilderreihe .wie in Camberon an einem Altar 
oder an der Kirchhofmauer augebracht gewesen sein, so wurde sie 
spätestens am 29. Nov. 1792 mit allen «angemahlten und steinernen 
Bildern an den Häusern und Kirchen zerstört». "^ F. X. Kraus, Kunst 
und Altertum in Elsaß-Lothringen, II, 1, 243. 

5 Zugleich mag der Kaiser, was Goedeke vermutet hat, Murner 
auch zur Herausgabe seiner üebersetzung von Vergils Aeneis auf- 
ge'tauntert haben, die im Jahre 1515 mit einer vom 15. August da- 
tierten Widmung an Kaiser Max erschien, dessen «geflissenen Caplon» 
sich Murner hier nennt. 



— 85 — 

Murners «Entehrung», wie z. B. auch seine Germania nova 1502, 
einer weiteren OefFentlichkeit gar nicht bekannt würde. Es ist 
gut denkbar, daß die Judenschaft alles daran setzte, um die 
ganze Auflage des gehässigen Buches aufzukaufen und zu ver- 
nichten. Vielleicht hängt hiermit oder mit Schritten, die zum 
Zwecke seiner Unterdrückung beim Rat geschahen, die Reise 
eines Juden nach Straßburg zusammen, der 1515 mit kaiser- 
lichem Geleit mehrere Tage dort verweilte. i Anderseits mußte 
dem Verfasser selbst sehr viel daran liegen, das ihm mit jener 
Verwechslung widerfahrene Mißgeschick nicht weiter bekannt 
werden zu lassen. Wie schwierig seine Stellung seit 1515 
war, ersehen wir aus den Epistolae obscurorum virorum, wo 
er einerseits von den Reuchlinisten als Finsterling verspottet 
Wird, während ihn die Gegenpartei als gefährlichen Reformer, 
freimütigen Verteidiger Reuchlins und rücksichtslosen Kritiker 
rückständiger Maßnahmen verabscheut.^ Die Humanisten be- 
folgten hier Murner gegenüber planmäßig dasselbe Verfahren 
wie im Juni 1517 W. Pirkheimer in seiner im August als Vor- 
rede zu Lukians Fischer erschienenen Apologie Reuchlins, wo 
er als Reuchlinfreunde und aufgeklärte Reformkatholiken u. a. 
neben Erasmus, Job. Franc. Picus von Mirandola, dem Kardinal 
von Gurk, Wimpheling, Staupitz, Spalatin, Oecolampadius, M. 
Piintzing, Cochleus, Luther auch Eck, Emser und M u r n e r 
nennt und auf Erasmus' Vorhalt wegen der ganz ungleichen 
Qualität der Genannten sein Verfahren in folgender Weise zu 
erklären sucht. - Die Gelehrten und Wohlgesinnten habe er 
ehren wollen, die Wohlgesinnten und Einflußreichen, wenn 
auch nicht sehr Gelehrten als Vormauer den Feinden entgegen- 
stellen, die gelehrten, aber minder gut gesinnten oder zweifel- 
haften Bundesgenossen reizen oder befestigen, die Feinde 
aber den Feinden verdächtig machen wollen . Die Absicht 
sei ihm trefflich gelungen. Mehrere Gönner der Feinde habe 
er in Verdacht gebracht,^ und die heiligen Männer sähen sich 
gezwungen, ihren Unwillen zu unterdrücken und das ihnen 
lästige Lob heiter anzunehmen, er könne ihnen ja nutzen oder 
schaden ! 



1 Strubel, Vaterl. Geschichte des Elsasses, III. 495 (Brant, An- 
nalen, Bl. 162). Die Juden waren seit 1388 ständig aus Straßburg 
vertrieben. 

2 Für letzteres gibt Goedeke in seiner Einleitung zu Murners 
Narrenbeschwör ttng XXXVII f. eine gute Zusammenstellung. 

^ Quin inimicorum nostrorum araicissimos fautores quosdam in 
««spiciefiem ingentem et non parvum induxi odium . . . Pirkheimer 
an Erasmus, op. Pirkheimeri 270, vgl. K. Hagen, Deutschlands 
religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter I, 464—70. 



— 86 — 

Wäre UDS Murners von Röhrich in Illgens Zeitschrift ^ leider 
nur im Auszug mitgeteiltes Straßburger Plakat vom 18. August 
1515 vollständig erhalten, so könnte es vielleicht über die Geschichte 
der Entehrung weiteres Licht verbreiten. So mögen die hohen 
Reisekosten, die seine Ordensgenossen ihm als Verschwendung 
zur Last legten, mit den Vorarbeiten für die Entehrung, ins- 
besondere auch mit der BeschafTung der Holzschnitte, in Zu- 
sammenhang stehen. Ob diese nun unmittelbar den nieder- 
ländischen Vorbildern zu Gamberon nachgebildet oder ob es 
Kopien von Gemälden sind, die auf Kaiser Maximilians Befehl 
im Kolmarer Dominikanerkloster ähnlich wie die dortigen Kreuz- 
wegbilder ^ von der auf Schongauer zurückgehenden Maler- 
schule ausgeführt worden sein werden, mag hier unentschieden 
bleiben. 

Daß Murners «Entehrung», abgesehen von jenem versteckten 
Hinweis in den Epistolae obscurorum virorum, in der gleich- 
zeitigen und späteren, auch der weitverzweigten Juden feindlichen 
Literatur so vollständig unbeachtet blieb, daran mag der ent- 
setzlich langatmige, durch einen Idiotismus wie «Bildung» und 
den Druckfehler «Enderung» schwer verständlich gewordene 
Titel die Mitschuld tragen, mit dessen Wahl der Verfasser ent- 
schieden einen Mißgriff getan hat, während sonst M. Spanier 
von dem journalistisch veranlagten Murner in dieser Hinsicht 
das Gegenteil zu rühmen weiß. ^ Um wieviel plastischer hätten 
Titel gewirkt wie etwa «Judenfreveb oder «der Juden Vberlast» 
(nach V. 491). Aber auf dem Titelblatt der «Entehrung und 
Schmach der bildung Marie von de Jude bewissen» usw. sollte 
Kaiser Maximilian und die Stadt Kolmar genannt werden. Einen 
ähnhch schwerfalligen Titel zeigt übrigens auch das Meister- 
lied «Fünf Juden» des ebenfalls journalistisch gewandten Pam- 
philus Gengenbach, dem es immerhin als betriebsamem 
Geschäftsmann doch noch gelungen ist, aus dem unter Murners 
Händen verunglückten StofT Honig zu saugen. 

Haben wir im Vorstehenden unsere Annahme von Murners 
Autorschaft für die Entehrung im allgemeinen zu begründen 
gesucht, so möge im folgenden noch an Einzelheiten gezeigt 
werden, daß in der «Entehrung» wenigstens nichts gegen 
Murnei*s Verfasserschaft, wohl aber sehr vieles dafür spricht. 

1. Im Versbau und in der Behandlung des Reimes findet 
sich nichts, was Murner als Verfasser ausschlösse. Dagegen 



» Illgens Zeitschrift für histor. Theologie 1848, 588 ff. 
* Von diesen betont Mossmann a. a. 0., p. 18, sie seien in ihrer 
Darstellung geeignet gewesen, zum Judenhaß aufzureizen, 
s Im achten Bande dieses Jahrbuches, 1892. 



- 87 — 

findet sich darin eine zu dieser Zeit in dieser Weise sonst nur 
bei Murner vorkommende Freiheit in der Anwendung des 
Drei-, Vier- und Fünfreimes, ebenso geiejrentlich ein für 
sich allein stehender Vers ohne zugehörigen Fieim wie Nb 13, 
94, Bf 3, 6J, Gm 759: Entehrung 14G4-67 : Hett man 
sy verdilket gar so kemen nit degUchen (= taglich) har 
(1466! :) allen tag ein nüwe klag Wie ietz iohannes pfeffer- 
korn . . . 

Neben 617 (618) Zweireimen finden sich in der Entehrung 
unter 1530 Versen 86 (85 + 1 ? V. 1464-66) Dreireime, 7 
Vierreime und 2 Funfreime, also 95 Mehrreime. Scheinbar 
regellos, findet die Verwendung des Mehrreimes vor allem da 
statt, wo der Dichter einen Gedanken in nachdrücklicher Weise 
zum Abschluß bringen will, er häuft ihn an besonders leb- 
haften, eindrucksvollen Stellen, wie z. B. in Vers 314 — 378 
(8 mal!). Dies entspricht den Beobachtungen, die Spanier in 
den Beiträgen z. Gesch. d. d. Sprache und Lit. 1894, 62 ff. 
niedergelegt hat und setzt unser Gedicht, was Reimkunst an- 
geht^ mit fast 6 Dreireimen auf 100 Verse an die erste Stelle. 
In der etwa gleichzeitig (1515) erschienenen Ueberselzung der 
Vergilschen Aeneis von Murner, die Spanier daraufhin nicht 
untersucht hat, finden sich in den ungefähr 20 000 Versen * 
annähernd auf 100 Verse 2 bis 3 Dreireime, sie sind hier am häu- 
figsten im VII, und XI. Buch (60 bezw. 59) und am seltensten 
in den ersten Büchern, während sie in Buch I überhaupt fehlen. 
Danach möchte ich die Uebersetzung des 1. Buches der Aeneis 
und das unter dem Namen von Murners Bruder Johann gehende 
Schriftchen «Von eheliches Stadts nutz und besch werden» « für 
Murners älteste deutsche Dichtung in Reimpaaren halten. War 
diese lehrhafte Dichtung die erste, in der Murner ehebrecherische 
Mönche an den Pranger stellt,» so wird es begreiflich, wenn er 



* Murners Uebersetzung hat ungefähr die doppelte Verszahl 
der Aeneis desVergil und des vonVegius hinzugedichteten 13. Buches, 
insofern er für einen Hexameter gewöhnlich ein Reimpaar einsetzt. 

'^ Von ehelichs Stadts / nutz vnd beschwer- / de durch Johanne 
Murner gedieht / vn gemacht. — auf der Münchener Hof- und Staats-, 
wie auf der Hamburger Stadt-Bibliothek, wo ich die Schrift benutzt 
habe. Aus der Verwendung der unästhetischen Randleiste des Hupf- 
uffechen Druckes der Narrenbeschwörung von 1512 mit der Unter- 
schrift: Eris dz (vgl. Spanier, zu Murner Nb. 14: Bild. Beiträge 
z. Gr. d. Spr. u. L., 18, 6 Anm.) schließe ich auf die Herkunft auch 
dieses Druckes aus der Hupfuffschen Offizin. 

3 Signatur a 3 a ; auch die Art, wie d 3 a eine Ehevorschrift 
aus dem cjuden gsatz» angeführt wird, weist auf Thomas Murner 
als wirklichen Verfasser, ebenso sprichwörtliche Redensarten wie : 
die gemeit m a t muß auch syn bescheren a3 a, vgl. Mühle von 
Schw. 397, die mat die muoß geschoren syn. 



— 88 — 

seine Verfasserschaft durch den Namen seines Bruders, der Laie 
war, verschleierte. Hierin nun fand ich unter 1180 Versen 
nur an drei Stellen den Dreireira statt des Reimpaares. — Auch 
der alemannische Reim : Christen . . mischen 630 f, ist bei 
Murner üblich. 

2. Der Verfasser der Entehrung liebt wie Murner die 
Wiederholung mit scharfem Verseinschnitt : 1103 in m a nt h e m 
landt in mancher statt ; 1063 an allem ort in allen 
stunden ; 1212 in manchem land an manchem ort ; 141)8 
an itianchem ort an mancher statt; 440 dyner eren 
dyner krön. Vgl. z. B. Nb, 64, 44 f. 

3. Wie in Formenlehre und Rechtschreibung spricht auch 
in der Syntax nichts gegen Murner. Vgl. z. B. V. 725 «glich 
vi! der selben d e n z ü mal Stadt» mit Aeneis : nach disser 
künig Latinus redt (Uebersetzung von VII, 274) und «nach 
der von Troi Zerstörung her)» (sagt Diomedes im 11. Buch). 

4. Murnerisch mutet auch der Wortschatz an. Vgl. kurz ab 
(das französische bref), das bei Murner sehr beliebt, nach 
Schmidt, Wörterbuch der eis. Mundart bei Brant fehlt, V, 39 
und 259; sich verwatten V, 240 vfFdas niemants verwatte sich; 
vgl. Gm. 4935 das er zu wytt verwatt sich nit, 4 ketzer gib 
die sich zu tieff do band verwatten, h 2 b wir band vns warlich 
tieff verwatten. Vom Untergang christl. Glaubens (Uhland, Volks- 
lieder Nr 349) Str. 22 ich förcht das ihr verwatten. Murnerisch 
ist der Gebrauch von noch = dennoch V. 9 und 17 und das 

' häufige Vorkommen von «noch dennocht» im Nachsatz nach einer 
Einräumung, ferner der Gebrauch von «streken baß» = foltern 
V. 599 (vgl. Nb. 3, 79 Gm 3437) und von bildung (daneben 
das bilde 81, 251, 511) =Bild (außer im Titel sechs mal), 
womit man vergleiche Nb 74, 43 f. die bildung (Bilder in der 
Kirche) sollent manen mich an (die) die sind im himelrich 
(Gott und die Heiligen !),* Vom Untergang ehr. Glaubens Str. 15. 
Maria zart, die reine, die heiligen allesampt, ir bildung 
allgemeine, die zuckens vnverschampt, aus allen kirchen werffen 
vnd brennen feür damit, wie dz wir ir nit dörffen, vnd sie 
vns helffen nit. Besonders auffallend ist die Uebereinstimmung 
in Wendungen wie 165 sehe hab dir das^ (= habeas 
tibi nach Genesis 38, 23) — und : Nb 64, 58 s e h h a b d i r 
das; heissen liegen 1393, 1454 — und : Nb 95, 92 sowie 



1 Entehrung 932 f. (Bilder)-. . . deren die im hymmel sindt. 

2 Die den Jaden stets vorgeworfene Schmähung der Mutter 
d«s Herrn und ihr«s Sohnes, weg^n ^eren selbst Reuchlin im Augen- 
spiegel die Verbrennung des Buches Nizachon fordert. Geiger, 
Keuchlin 227 f. S. auch Frankl, Der Jude, 1905, 131 f. 



— 89 — 

Aeneis^ Uebersetzung von IV 380 neque dicta refello ich will 
dich letz nit heissen ' liegen ; 1032 Ich weiß w o 1 was vch 
Schelmen brist — und: 4 ketzer f 4a Ich merck wol 
was den schölmen brist, Schelmenzunft, Vorrede V. 7 Ich 
w e y £ was allen schelmen brist; 164 er zuckt den spieß 
(sehr häufig in der Aeneis) ; 148 mich betriegenden 
alle mvne syn — und: Aeneis. Uebers. von VII 273 si 
quid veri mens augurat mich triegendan all meine 
sinn; 1079 f. Sy meynen solchs der tüffel dieg der 
solches blüt bar zu har drieg, 178 der düffel düt das sicher- 
lich — und: Murner, An den Adel . . S. 49 (J 3): (Das aber) 
die Wunderwerk der teüffel dieg ist schühelich zu hören. 

5. Merkwürdig ist auch die Freiheit, mit der der Verfasser 
mit bestimmten Eigennamen umgeht, denen er im Gegensatz 
z. B. zu Brant und Gengenbach sein besonderes Gepräge verleiht. 
So setzt er für Friaul (Forum Julii) das sonst nirgends belegte 
«furgub im V. 1359 ein (im förgul), wogegen Gengenbach im 
Nollhart 1304 in dem Foriul, die Augsburger Chronik 1515 
zum Jahr 1508 in Foriul schreibt. So hat er, während 
Brant und Gengenbach die gebräuchliche Form Pharao schreiben 
(Ns. 57, 49; Nollhart 840) die Schrulle, dafür Parro einzu- 
setzen (Entehrung V. 1145, 1163, 1169, 1206 parro). In der 
.Tat entspricht diese zweisilbige Form ohne Aspirata im Anlaut 
dem hebräischen Urtext (parrhau) entgegen dem Pharao der 
griechischen Septuaginta und der lateinischen Vulgata, sowie 
dem C&apaü)&>]<; des Josephus, auf dessen Zeugnis sich Murner 
an der sogleich zu nennenden Stelle der Gäuchmat beruft. 
Solange man mir diese Schrulle, die offenbar mit Murners 
hebräischen Studien ' zusammenhängt, bei keinem anderen 
gleichzeitigen Schriftsteller nachweist, glaube ich mit gutem 
Recht behaupten zu dürfen, der Verfasser der Entehrung und 
der der Gäuchmat sei dieselbe Person, denn in Murners Gäuchmat 
finde ich in Vers 2450 « ebenfalls die auffallende Form parrho 
(auf das Fehlen des h in der Entehrung braucht hier kein 
Gewicht gelegt zu werden). 

6. Auf Murner als Verfasser der Entehrung weist auch die 
jenem so geläufige Gegenüberstellung des Kollektivums «der 
franizoß» im Gegensatz zu «wir dütschen» V. 890 und 893 ; » ferner 
die Art des Uebergangs zu einem neuen Gegenstand, sowie der 



1 Mit Spaniers Angaben über Murners verunglückte hebräische 
Studien (Jahrbuch 8, 63 ff.) sind zu vergleichen V. 1243 und 1048 
der Entehrung: ein gelerter lud hat myrs geseyt. 

* Josephus, der ein jnde was, hat von Moyse geschriben das, 
das er von parrho was gesandt Ein houptman in das moeren landt. 

3 Vgl. z. B. Nb. 92, 67 f. 



— 90 — 

Rückkehr zu dem Gegenstand, von dem er abgekommen ist 
(944 ff. ; 1411 ff.; 1507 ff.) ; * vor allem aber die ausgesprochene 
Vorliebe für volkstümliche Wendungen: V. 1098 ff. es kumpt 
ein mal der anefang Das man d e d t e r vnd die h u 1 d e n 
straffen wurd mit glichen schulden ; V. 64 was vns (den 
Christen!) liebt (genehm ist), das leydet yn (den Juden).* 
V. 1278 wir ziehen ein schlangen 3 in dem geren der im syn 
gifft nit lassei vsreren.^ 

7. Auf einen Verfasser geistlichen Standes läßt der ganze 
lehrhafte zweite Teil schließen (Transsubstantiation V. 835 u.a. m.). 
Die innige Marienverehrung des Verfassers entspricht ganz dem, 
was wir sonst von Murner wissen. Man vergleiche nur V. 21, 



1 944 fif. : Doch wil ich dar von reden mer, so sich die sach be- 
gibet her: Vom sacrament ist letz myn wort. — 1507 ff. Ich miest 
noch fil bapir verschriben, doch wil ich an dem nechsten belyben 
Vnd vff das selb farnemen kamen, das ich für mich hab genamen. 

2 Vgl. Wander III, 169, lieben 73 : Was einem liebet, das leydet 
dem anderen, ähnlich ist das Wortspiel in Luthers Sprichwörter- 
sammlung hg. von Thiele, Weimar 1900, 237, Nr. 246. Was mir 
liebet, das leydet (verleidet) mir niemand. 

» Vgl. Badenfahrt XVI, 22-25. Ein schlang ist gyfftig von 
der art: darum sein gifft er niemans spart, ob man in wärmt vnd 
zartet schon, Noch mag er nit sein gifften Ion. 

* Der Ausdruck gründet sich nicht, wie man glauben könnte, 
auf Brants Priamel im Ns. 33, 91 ff.: Wer brennend kol in gören 
leit vnd schlangen in sim b&sen treit vnd in sinr teschen zücht ein 
mus — solch gest lont wenig nutz im hus. Während der Spruch 
bei Brant nicht auf die Juden bezogen wird, ist er den anti- 
semitischen Schriften bereits vor Erscheinen des Narrenschiffs ge- 
läufig. Ich fand ihn z. B. in dem tractatus de iudeorum et christia- 
norum communione, Hain 9464, Proctor 755 (Basel bei M. Flach). 
Er taucht wieder auf in Joh. Pfefferkorns Schrift an Kaiser 
Maximilian (Zu Lob und Ere . . .; Augsburg, Oeglein, 1510) auf der 
vorletzten Seite: vnd darumb so ist ainem fromen luden gegen 
ainem Christen zft trauwen vnd zft glauben wie ainer schlangen in 
dem busam setzende, vnd die maus in ainer offne teschen oder 
feurige kolen in der schoß habende. Die Quelle ist in dem ange- 
führten Tractatus angedeutet, nämlich ein Breve des Papstes 
Innocenz III. an den Erzbischof von Sens und den Bischof von Paris, 
aufgenommen in den von Gregor IX. zusammengestellten Teil des 
Kirchenrechtes, das sog. Buch Extra (lib. V, decretalium, tit. VI, de 
Judaeis, cap. 13, Etsi iudeos), in dem es heißt: (Judaei) ingrati 
tamen nobis esse non debent, ut reddant christanis pro gratia 
contumeliam et illam mercedem quam (iuxta vulgare proverbium) 
mus perae, serpens nutrienti in gremio et ignis in sinu 
suo hospiti. Das antisemitische Fortalicium fidei des Alphonsus 
de Spina i Straßburg bei Mentelin, um 1467, Nürnberg bei Koberger 
1494, fol. 179; hat die Variante: serpens in sinu, ignis in gremio 
(Maus im Sack, Feuer auf dem Schoß, Schlange im Busen). Für die 
von Innocenz III. zuerst auf die Juden bezogene Eedensart und 
ebenso für Brants Priamel hat offenbar der erste Teil des Kirchen- 
rechts, Gratiani decretum, als Quelle gedient, wo es causa XIII, 
quaestio 1, § 2 im letzten Absatz von böswilligen Eindringlingen 



N 



- 91 -. 

32 ff., 396—401, 1515 ff. mit den entsprechenden Stellen der 
Badenfahrt (besonders XX3{^V) und den Strophen 15 und 16 des 
Liedes vom Untergang christlichen Glaubens,^ die so röhrend 
dieser innersten Gesinnung des Dichters Ausdruck geben. 

8. Gegen Murner, der bisher — sehr zu Unrecht — fast 
unbestritten als Reuchlinist sans phrase und Judenfreund galt^ 
spricht der judenfeindliche Geist, den die Schrift atmet, durch- 
aus nicht. Murner war hierin, wie mit seinem Hexenglauben, 
wie Luther ein Kind seiner Zeit. Zeigt er auch bezüglich der 
Astrologie eine höhere Einsicht als seine meisten Zeitgenossen ^ 
eine duldsame Gesinnung gegenüber dem damaligen Judentum 
wäre bei dem Sohne des Volkes, der den von Juden und 
Juristen geübten Druck bitter beklagt, geradezu verwunderlich 
gewesen.2 Die Roheit und Rücksichtslosigkeit, mit der der 
heißblütige Mönch im Gewände des Friedensboten zur Vertil- 
gung der Juden auffordert, soll gewiß nicht verteidigt werden, 
aber sie läßt sich psychologisch begreifen.' Im Bestreben, das 



in Pfarrgemeinden heißt: Non facile invenietis, qai tales hospites 
libenter suscipiant. Mus in pera, ignis in sinn, serpens in 
g r e m i male suos remnnerant hospites. ünde in proverbiis dicitnr : 
Qai serpentem in sinn suo nntrit, percntietar ab eo. Der Dreisprach 
ist übrigens keinem der Sammler lateinischer Sprichwörter von 
Erasmus bis Otto bekannt; für die einzelnen Teile vgl. Wander II, 
1458, Nr. 48, III, 542, 809, IV, 222, 14. Den seltensten Aasdrack 
niarem in pera nntrire hat Henr. Bebet, Proverbia germanica ed. 
Saringar Nr. 591. 

1 Str. 16. Ach frumen Christen gmaine, wölt ir der heiigen 
nit, behalten doch allaine Mariam, ist mein bit, nit werft zu weit 
von landen, ob irs bedörffe möcht, vnd laids euch gieng z& hande, das 
ir sie findt filleicht. Vgl. das Gebet, das W. Kaweraa (Schriften des 
Vereins für Beformationsgeschichte Nr. 30. S. 42 f.) aus einer der 
letzten antireformatorischen Schriften Marners anfuhrt: Maria zart, 
man sagt von dir | Groß lob vnd eer, das glaubent wir | Da habst 
gemeine Christenheit / vor yrthum bhiet vnd aach vor leid. Ach 
hilff uns auch za einickeit | Durch din sun Jhesum, reine meyd. 

2 Wo Murner der Juden im Sprichwort gedenkt, zeigt er sich 
nirgends als ihr Freund. Vgl. Nb. 20, 55 vom luden lößt ich ee 
einpfandt, 29, 5 f. iuristenbftch, Jüdscher fundt, 30, 580 gott be- 
hütt vor iüdschem gsftch (Vnd vor des apoteckers bftch), 42, 89 u. 
51, 63 V e r 1 r e n als eins luden sei. — 4 Ketzer g 6 a : Bey dises 
täafften luden (eines gewissen Lazarus, der bei dem Jetzer- 
handel eine Bolle spielt) leer den andren ich glaub wenig mer 
getäuffte luden / örlen holtz die geben gar ein schlechten boltz 
Was sie auch thuon das ist erdicht. . (Vgl. damit Frankl, der 
Jude L d. d. Literatur, S» 57 unten, un.d. Luthers Briefe, Wette V. 180.) 

3 Der Haß gegen die Juden, die <von einem gülden nemen 
dry> (Entehrung 1452), lag dem Bauern wie dem Bitterssohn und 
Fürsten bis hinauf zum Kaiser Maximilian im Blut. Auch bei der 
wollüstigen Grausamkeit, mit der Butten im triumphus Beuchlini 
in Gedanken gegen Pfefferkorn wütet, spielt ein gut Teil Bassen- 
haß gegen den — allerdings getauften — Juden Pfefferkorn mit. 



— 92 — 

Volk von den Peinigern zu befreien und die Juden für die 
ihnen nachgesagten Schändlich keiteiv zu bestrafen — an die er 
persönlich fest glaubt und die er als natürliche Rache der Juden 
an ihren Verfolgern, den Christen, psychologisch zu erklären 
«ucht (V. 87-90; 1114f. ; 1183~i201), vergißt der Verfasser 
völlig die christliche Duldsamkeit und Gerechtigkeit, die er ge- 
legenllich seihst durch den Mund des Richters fordert (557 — 61), 
«nd predigt unterschiedslose Verfolgung der Juden (877 — 81 ; 
1440—50; 1464 — 77), die wenigstens der Gesinnung nach mit- 
schuldig seien an den Schändlichkeiten einzelner (877 ; vnd 
•sindt im herlzen schultig dran ; 1217 : vnd möcht er baß so 
<iett er baß). 

9. An Murner gemahnt auch der dem Verfasser der Ent- 
ehrung mangelnde historische Sinn. Die durch die Folter er- 
preßten Geständnisse angeklagter Juden gelten ihm, wie 1509 
Murner im Jetzerhandel die «Vergicht» der 4 Ketzer Prediger- 
•ordens,! als vollgiltige Beweise. Mit der größten Willkür, mit 



Frohlockt doch dort Hütten, wie Geiger, Eeuckün 374 hervorhebt, 
^ darüber, daß der getaufte Pfefferkorn Jude, nicht Deutscher 
«ei. «Alle hassen in Pfefferkorn den Juden». L. Geiger: Joh. Pfeffer- 
korn, (Jüd. Zeitschrift für Wiss. und Leben, VH, 1869), S. 301. 
Ueber die sozialen Motive zu den Judenverfolgungen, wie sie 
Auch in der Entehrung Ausdruck finden (905-12, i^24— 28; 1113 ff.; 
1450— 57 vgl. noch Mühle von Schwindelsheim 75Ö ff. iüdscheii 
seckel, dar yn er wücher pfenig leyt), hat neuerdings überzeugend 
G. Liebe gehandelt (Das Judentum in der deutschen Vergangenheit, 
Bd. XI, von G. Steinhausens Monographien zur deutschen Kultur- 
geschichte, Leipzig 1903). Eine reiche Stoffsammlung bietet 0. 
Frankl : Der Jude in den deutschen Dichtungen des 15., 16. und 17. 
Jahrhunderts 1905, S. 85—118. Freilich findet man darin über 
Mnrners Stellung zum ludentum nichts Charakteristisches, während 
für Gongenbach S. 95 eine Schrift herangezogen wird, die nicht 
einmal Goedeke diesem zuzuschreiben wagte, und S. 121 — 124 das 
Verbrechen der «fünf Juden» in Gengenbachs Meisterlied als Hostien- 
schändung bezeichnet wird. 

> Daß die vier Hingerichteten ein Opfer des Betrügers Jetzer 
^nd ihrer eigenen Leichtgläubigkeit geworden sind, hat N. Paulus 
nach den Berner Prozeßakten glaubhaft gemacht. Vgl. dessen 
Arbeit: Ein Justizmord an vier Dominikanern begangen, Frank- 
furt a. M. 1897, R. Steck, der Berner Jeizerprozeß, Bern 1902, 
K. Stooß, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, XV, 1902, 
115—127, E. Steck, die Akten des Jetzerprozesses, Bern 1904. Ein 
Herausgeber von Murners «Vier Ketzer» müßte diese neue Literatur 
berücksichtigen. Uebrigens beziehe ich auf Murners 1509 verfaßtes 
Gedicht : Von den vier Ketzern Predigerordens die Verse 162 ff. im 
«Großen Lutherischen Narren» (erschienen Ende 1522) — entgegen 
der seitherigen, auch von Spanier. Beiträge z. Gesch. d. deutschen 
Sprache und Literatur 18, 65 festgehaltenen Auffassung, die V. 162 f. 
von der 1509 nur begonnenen Narrenbe&chwörung verstehen wollte. 
Meiner Auffassung nach sollte an jener Stelle dem zu beschwörenden 
«großen Lutherischen Narren» und Erzketzer Augustinerordens und 



— 93 -. 

einer nur diesem Historiker eigenen «dichterischen» Freiheit 
springt der Verfasser mit den Quellen um, wobei es ihm auf 
ein paar Jahrhunderte mehr oder weniger und auf Verwechs- 
lung von Personen nicht ankommt. So setzt er — vermutlich 
dem Wohllaut zuHeb — die V. 116 ff. erzählte Legende* vo» 
dem Juden, der in ein Kruzifix sticht^ so daß Blut herausspritzt, 
entgegen den Chroniken, z. B. des Rolevinck, statt in die Re* 
gierungszeit Justinians I. in die des Kaisers Phokas, V, 1118 — 
1140 beruft er sich für den Jüdischen Ritual mord an Oster» 
auf das Zeugnis des Grammatikers Apion, der im Auftrag der 
Einwohner von Alexandria dem Kaiser Caligula eine Denkschrift 
gegen die Juden überreichte, in der die später von Josephus- 
bestrittene Behauptung vorkam, König Antiochus habe bei der 
Einnahme des Tempels darin einen zum Zwecke des Oster- 
Opfers gemästeten griechischen Kriegsgefangenen gefunden^ 
Entgegen den klaren V^orten des Josephus (de antiquitate Ju- 
daeorum contra Apionem Hb. II) setzt hier der Verfasser der 
Entehrung anstelle des vorchristlichen Antiochus den nach- 
christlichen Titus als Eroberer Jerusalems. Mit der Ueber- 
lieferung von Gamberon verfährt der Verfasser vollends mit 
gewohnter Willkür, vielleicht weil er die wallonische Vorlage- 



seinem gefährlichen Anhang gegenüber das Verfahren von 1509 
gegen die vier Ketzer (= Schelme, Narren) Predigerordens als weniger 
wichtig hingestellt werden. Vgl. L. N. 162—165: Ich hab vor 
fierzehn ganzer iaren allein die kleinen närlin be- 
schworen, Jetz wil es an die bnntriemen gan, wie ich die 
grosen beschweren kan. Dabei gebe ich zu, daß der Dichter mit 
den folgenden Versen alle seine vor 1522 vollzogenen Narren- 
beschwörungen : (vier Ketzer, Narrenbeschwörung, Schelmenzunft,. 
Mühle von Schwindelsheim, Entehrung [vgl. V. 1032!], Gäuchmat) 
zusammenfassen will, wenn er fortfährt: Ich mag wol erst von 
vnfall sagen, das ich in meinen alten tagen von dem karren kum 
erst in den wagen. Ich meint, mein beschweren wer 
b es c h e h e n (L. N. 166—169). Daß übrigens Murner nach seinem 
eigenen Zeugnisse 1509 in der Tragödie der vier Ketzer selbsthan- 
delnd auftritt, ist bisher vollständig übersehen worden. Wenn auf 
den Blättern Nr. 7 und Nr. 8 des Gedichtes von den vier Ketzern 
in dem Verfasser das priesterliche Mitgefühl mit seinen unglücklichen 
Mitbrüdern sich regt und im Anschluß daran erzählt wird, auf Ge- 
heiß des Bischofs von Lausanne (Aymo de Montfaucon, aus dem 
Benediktinerorden) habe «ein doctor Barfüßerordens» die Verurteilten, 
zur Bicbtstatt begleitet, so ist darunter nach Lage der Dinge eben 
Murner selbst zu verstehen. 

i Diese Legende, die eigentlich zu Unrecht in mittelalterliche- 
Sammlungen von M ar ien legenden Aufnahme gefunden hat, läßt 
sich wohl zuerst bei Gregor von Tours, Buch II, Kap. 22 des über 
miraculorum nachweisen. A. Le Waitte, Historia Camberonensis^ 
p. 13 verweist auf die Akten des zweiten Konzils von Nicäa (gegen 
die Bilderstürmer im Jahre 787), wo der Vorgang als in Berytos- 
in Phönizien spielend erwähnt wird. 



— 94 — 

nicht verstehen konnte. So müssen die Verse 47 fF. in dem 
Leser den Glauben erwecken, es handele sich hier um eine 
erst in der jüngsten Vergangenheit unter Kaiser Maximilian — 
anstatt im Anfang des 14. Jahrhunderts — spielende Begeben- 
heit. Aus dem getauften, im Herzen Jude gebliebenen Paten 
und Gefolgsmann des Grafen W^ilhelm von Hennegau^ dem 
PseudoChristen und Kryptojuden der Quelle, der aus jüdischem 
Haß dem Marienbild zu Camberon 5 Stiche versetzt, daß 
wunderbarerweise Blut aus dem Bilde spritzt, macht ferner der 
Verfasser in den einleitenden Worten der Entehrung 5 Juden, 
<lie sich gegen Maria vergehen. Der Zweikampf mit dem durch 
die Folter geschwächten Beklagten wird hier von einem robusten 
Schmied, der die Tat gesehen hat, ausgefochten. Der Ausgang 
kann demnach auch ohne übernatürliche Hilfe nicht zweifelhaft 
sein, während diese in der Quelle dadXirch bfegründet erscheint, 
daß ein seit Jahren gichtkranker Schmied, der bisher nichts 
mit der Sache zu tun gehabt, durch einen Engel und Maria 
selbst veranlaßt wird, den Zweikampf mit dem wafFengeübten 
Gegner aufzunehmen. 

10. Gegen die Verfasserschaft Murners spricht auch nicht, 
daß die Entehrung bei Hupf uff verlegt ist, bei dem Murner 
1512 die Narrenbeschwörung, und anonym 1515 die Mühle von 
Schwindelsheim — trotz der 1514 erteilten Verwarnung, nichts 
gegen die «Münch» zu drucken — hat erscheinen lassen (ver- 
mutlich auch 1509 die ebenfalls anonymen «Vier Ketzer», die 
der Buchhändler in den Epistolae obscurorum virorum H, 59 
in einem Atem mit dem Buche in defensionem Reuchlini nennt). 
Die Entscheidung über das Verbot des Druckes der Gäuchmat,i 
die Murner vor seiner Entfernung aus Straßburg 1515 bei 
Hupfuff wollte drucken lassen,« fiel erst 1517, nachdem Verleger 



^ Das Manuskript der Gäuchmat untersuchten die Ratsherren 
Barthol. Barpfennig und Joh. Kochersberg erst 1517 und fanden 
unschickliche Anspielungen auf den Kaiser, das Haus Oesterreich 
und die Eidgenossen — jedenfalls in dem humoristischen, irrtümlich 
noch aus der ersten Niederschrift von 1515 datierten Aktenstück : 
der geuch fryheit (in W. Uhls Ausgabe, Leipzig 1896, S. 189—191). 
DagegeÄ bezieht sich die von ßöhrich, Zeitschrift f. histor. Theologie 
1848, 591 nach Brants Annalen für das Jahr 1514 berichtete Ent- 
sendung der Ratsherren Musler und Hoffimeister zu Hupfuff auf die 
Urschrift der Mühle von Schwindelsheim, deren Erscheinen Murners 
Ordensgenossen zu hintertreiben suchten. Die von Braut an dieser 
Stelle auch für die €Mühle> gewählte Bezeichnung Gäuchmat zeigt, 
daß diese für die Verspottung von Liebesnarren üblich war. 

2 So fasse ich die Worte ante recessum meum in Murners Brief 
an Brant, den Wencker, Collect. Arch. p. 143 und nach ihm, aber 
fehlerhaft, Strobel in seiner Ausgabe des Narrenschiffs S. »Sl unter 
Beifügung der Entscheidung des Rates (Brants Annalen zum Jahr 
1517, fol. 169) mitteilt. 



— 95 — 

und Rat durch die mit der «Entehruugi» gemachten Erfahrungen 
noch vorsichtiger geworden sein werden, so daß Murner die 
Gäuchmat — im Titel auf den neuen Druckort zugeschnitten 
— erst zwei Jahre später in Basel konnte erscheinen lassen. 
Bei der nachgewiesenen Abhängigkeit des Gengenbachschen 
Meisterliedes «Fünf Juden» von Murners «Entehrung Maria», 
halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß Gengenbacb auch 
den Titel der Gäuchmat von Murner entlehnt hat, wenn auch 
zuzugeben ist, daß Gengenbachs Dichtung sich stofflich nicht 
an Murners Gäuchmat anschließt, dagegen die Bekanntschaft 
mit Hans Sachsens Fastnachtsspiel «Hofgesind Veneris» (1517) 
voraussetzt. Daß Murner eine Gäuchmat geschrieben hatte, 
konnte Gengenbach i leicht von dem Formenschneider der Holz- 
schnitte erfahren. Uebrigens ist die Idee der Gäuchmat, eines 
pratum stultorum oder voluptatis auch nicht Murners Eigentum. 
Wer den 7. und 8. «geschworenen Artikel» der Gäuchmat 
(ühl S. 38) mit Poggios Brief an Nicolo Nicoli« aus dem 
Jahre 1417 über Baden bei Zürich und die dortige paradiesische 
Au, pratum oder iiortus voluptatis, schola Epicureae factionis 
vergleicht, dem wird die merkwürdige Uebereinstimmung nicht 
entgehen. 

Zum Schlüsse will ich noch darauf hinweisen, daß der 
Anonymus der Entehrung nicht leicht passender sich als 
Verfasser hätte können bezeichnen lassen als durch den auf 
der Titelleiste angebrachten Narren mit der Kappe und 
dem Dudelsack. 3 Die Titelleisle — erst seit 1515 bei 



1 Die Veröffentlichung von Gengenbachs Gouchmat setzte Jakob 
Bächtold ins Jahr 1521, entgegen Goedeke, der spätestens 1517 dafür 
ansetzte. Polgen wir Bächtolds Annahme — und sie wird nicht 
unbedingt dadurch ausgeschlossen, daß, wie Goedeke (Gengenbach, 
S. 618) betont, die Titeleinfassung der Gengenbachschen Gouchmat 
bereits 1517 in einem Drucke Gengenbachs Verwendung findet — so 
könnte sich immerhin Gengenbachs Polemik in den ersten Versen 
seiner Gouchmat gegen Murners Gedicht mit seiner stellenweise 
doch wenig ernst scheinenden Behandlung geschlechtlicher 
Vergehungen richten (vgl. Nr. 8, der «geschworen Artickel»). Doch 
könnte Gengenbach auch gegen gewisse Wendungen in Sachsenheims 
Moerin ankämpfen, in denen der Venusdienst mit der allgemeinen 
menschlichen Schwäche entschuldigt wird. Gengenbach hätte sich 
dann in bewußtem Gegensatz zu Joh. Adelphus Muling befunden, 
der in der Vorrede zu seiner Ausgabe der Moerin (Straßburg 1512, 
bei Grieninger» dies Gedicht gerade als eine Verherrlichung der 
echten, edlen, himmlischen Liebe preist. 

* fol. 114 a der Straßburger Ausgabe, die Schott 1513 für 
Knoblauch druckte, S. 297 der Baseler Ausgabe von Poggios 
Werken. 

3 Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß die Gruppe der 5 Juden 
auf dem ersten Holzschnitte der Entehrung an die der 5 den Be- 



— 96 — 

Hupfuff * auftauchend — wird eigens für die vorliegende Schrift 
geschaffen sein, ebenso wie die 12 Textholzschnitte.^ In dem 
den Kindern nachstellenden Ungetüm auf dem oberen Rande 
soll wohl das damalige Judentum nach Murnerscher Auffassung 
symbolisch dargestellt sein. 



schwörer vor den Altar verfolgenden Narren auf dem ersten Bilde 
der Narrenbeschwörung erinnert (Spanier S. 6 = N. S. 111 Verach- 
tung d. Dichters.) Auf Gengenbachs Bild zu den Fünf Juden ist der 
fünfte nicht zu erkennen. 

1 Z. B. auf Wimphelings Elegantiae maiores. Straßburg 1515 
bei Hupfuff. Dieser hat es sich gewiß nicht träumen lassen, daß die 
beiden auf dem unteren Band angebrachten Figuren vierhundert 
Jahre später wieder zu Ehren kommen würden. Otto Hupp hat sie 
für die Titelzeichnung zum Münchener Kalender auf das Jahr 1904 
übernommen. 

s Zu der darauf den Juden beigelegten Tracht vergleiche man 
die Belege, die 0. Frankl, a. a. 0., 44 f. aus der Literatur beibringt, 
namentlich für die auf unseren Bildern erkennbaren cjudenringlein», 
die seit Innocenz m. von den Juden in Frankreich, Deutschland und 
den Niederlanden vorn an der Brust in Gold als Abzeichen getragen 
werden mußten. 



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r 



Enterung vn schma 

ch der bildung Marie 

von de Jude be wissen. 

vn zu ewiger gedecht- 

nüß durch Maximili- 

anü den römische key- 

ser zu male verschaffet 

in der löbliche stat kol- 

mer. vö dänen sy ouch 

ewig vertriben syndt. H. I. 

2a ' K^^ richer gott in ewigkeit/ 

/jl Wo scliynet nit dyn barmhertzigkeyt, 

Das so manche schendtlich dadt, 

die menschen frenel hie begadt 

nit glych gestrafft wurdt vff der statt, 
Do das vbel wurdt gethon? 
da hast vns allzytt frist gelon 

Vnd zyt genüg zft Wessen geben; 

noch besseren wir vns nitt darneben. 
^^ verlieren do mit ewigs leben. 
Von jaden sag ich ietz besander, 
von den es mich nympt grosser wnnder, 
Das sy in so fil manchen landen 
begangen haben grusam schänden. 
Doramb sy sindt gebrant, zerrissen, 
das sy on zwyffal sicher wissen; 

Noch blyben sie vf ir damheyt : 

doran sy selten haben freydt, 

das nemmens an far hertzen leydt. 
20 Von irem stam erboren wardt 
maria schon die reyn vnd zart, 
Durch die alß heyll vff erden kam; 
das ist hie von dem iüdschen stam. 
Deß hett der iud groß lob vnd ere, 
io, wen es mit sym wyllen were, 



1 Um das Verständnis des Textes zu erleichtern, hat der Heraus- 
geber Interpunktionszeichen hinzugefügt, die im Original außer den 
schräg gestellten Strichen gänzlich fehlen. Bei Abweichungen vom 
Zweireim wurden die Zeilen eingerückt. 



\ 



- 411 — 

Ynd er ein freyde hett doran, 
das solchs ein judsche meydt hett thaa. 
Nftn das in dienet zft den eren, 
das wöUendt sy nit von vnß hören. 
30 Was wir zft lob in gschetzet handt, a ij 

2 b das selbig achtents für ein schandt, 

Ynd die in möeht hie frieden geben 
vnd dort dar zft das ewig leben, 
ich mein die mftter aller genaden, 
die all ir sündt hatt irff sich geladen, 
Vor gott die selbig z& versprechen, 
wo gott ir sftn die selb wolt rechen, 

das kynnendt sy vß schelligkeyt 

Knrtz ab nit achten für ein freyd 
*o vnd ist ir gröstes hertzen leydt. 
So sy also verstecket sindt 
vnd haltendt fründt für einen findt 
Vnd ir ere / für grosse schmach. 
geschieht darüber nfm eyn räch, ' 

So sindt sy selber schuldig dran 
vnd sol niemandt mitlyden han. 
In keyser Maximilianns landt 
die luden aber begangen handt 
Ein grusam schendtlich missetadt. 
^ dorumb es in so vbel gadt 
vnd meret ir vnfal sich all tag, 
Biß das er kumpt zft niderlag. 
Im henlgaw im osterland 
die bößwicht das getriben handt. 

Wölche lesterliche dadt 

künig maximilianns hatt 

zft kolmer in der werden statt 
Zftn Predigern malen lassen 
vnd in ewige gdechtniß fassen, 
^^ das ein ieder mög verstau, 

3 a Was wir doch an den luden han, 

die do gantz nüt vnderlan 
Ynd handt zft vnß ein solchen syn: 
was vns liebt, das leydet yn. 
Sy ermördent vnsere kindt 
vnd sindt all vnser dödtlich findt. 
Sindt ir fünff im willen gsyn, 
vber feldt wyt wandren hyn, 
Ynd ongefär für ein kirchen gangen ; 
70 do hatt der ein bald angefangen : 
Ach lond vns in die kirchen gon 
vnd sehen /'das wir auch dar von 
Reden kynden sycherlich, 
wes doch der Christ gebruchet sich, 
Was syn glouben sy \ ir dandt 



/ 



-- 112 — 

vnd was sy fär ein wesen handt. i 

Es ist doch niemanß, der das sycht, 

der vns dorumb verriet fyllicht. 

Sy folgten im / vnd gingendt dryn 
^^ vnd stundendt für ein altar hyn, 

Damff ein marien bilde stundt, 

vnd knste das Christus mit dem mnndt. 

Dan das biid gemälet was, 

das Christas vfif der schössen saß 

Vod maria hielt ir kindt. 

ein iud fing an reden geschwindt : 

Das ist das öd verflachte wyb, 

vß welcher bösse wichten lyb 
Erboren ist der falsche man, 
^^ von dem wir allen vnfal han, 

3 b vnd fing das bild zft spawen an. a iij 

Der ander blötzt den hindren dar, 

alß ob er das verspottet gar ; 

Der dritt zerreyß vff synen mundt, 

der fierd sunst do zft spotten stundt, 

Vnd wer die gröste schmach bewiß, 

der selb nam do von in den briß. 

Der ein lieff zft der kirchen vß 

vnd Iftgt ob yemans wcre duß. 
1^^ So bald er niemans dussen fandt, 

zftr kirchen er yn wider rant 

vnd lebten mer den selben spot 

wider mariam vnd euch gott 

Mit schelten / flftchen | vnd euch schweren 

vnd sunst mit schentlichem enteren, \ 

Als Pfefferkorn euch hat gethon, | 

als an der wend er fände ston ! 

Sant cristoffel Christum tragen, 

do fing der bößwicht an zft sagen 
^^^ VflP der hoff Stuben zft perlyn, 

do diß gemalet stunde fyn : 

Du langer schalck, sprach er geschwind, 

du dreyst vfif dir ein hftren kind ; 

Syn mfttter ist ein hftr gesyn 

vnd sytzt ietz in dem hftrhauß dyn. 

Des glych als Phoca keyser Avas, 

ist auch furwor geschehen das. 

Ein iud mit einem spieß durch randt 

ein crucifix by einer wandt, 
1'^ Das wunderbarlich blftt druß ran H. IL 

4 b vnd spritzt denselben luden an. 

Da durch man vff die spüre kam 
vnd den luden gefangen nam. 
Gab im darumb syn verdienten Ion. 
als yetz die luden euch handt thon 



-- 113 - 

In dem gotz hauß lästerlich, 
verspüwet, verspottet schentellch 
Vnd andern Iren mütwyl gelebt, 
do mit vns Christen leüt betriebt, 
"ö Dem sy zft thftn sindt alltzyt gerist, 
was vns leydt im hertzen ist. 

Solch mfttwil wolt got nit vertragen 
vnd ordenet lüt dar, die das sagen 
möchten / vnd das vbel klagen. 

Ein Schmidt dar vngefärlich kam, 

der so Ichs von ferem wäre nam 
Vnd wundret sich von dissen dingen, 
das sie auß der kirchen giengen 
Vnd darnoch wider dorin lieffen. 
i^<> eim brftder er fing an zft rieffen, 

Der ongefar auch gieng die straß: 
sich, brftder, lieber, was ist das? 
Wir wöUendt solchs erfahren baß, 
ob sy Stelen wennt etwas. 
Die man, die in der kirchen sindt, 
die louffent vß vnd yn geschwindt; 
fillicht, das sy all diebe sindt. 
Mich betriegen den alle myne syn, 
syt das ich hie gestanden byn 
150 Ynd hab von ferrem zft gesehen, 
5 a So mftß ichs vff myn eydt veriehen, 

das ich not gftts do kan erspehen. 
Sy gondt nit rechten sachen noch; 
den einer vß den fünffen Hoch. 
Darumb so loß vns heymlich gon 
vnd hinden zft der kirchen ston 
Vnd an eim heymlichen ort 
doch vß erspehen ire wort. 
Sy giengendt mit eynander dar 
160 vnd namendt irer Sachen war; 
do sahen sy den mütwill gar. 
Einer auß den fünffen sprach: 
ich will ietz thftn ein iüdsche sach. 
Er zuckt den spieß, das bild durchstach: 
Sehe hab dir, hftr, das mit dym kindt ; 
du weyst wol, das wir luden sindt. 
Und lebtstu noch all hie auff erden, 
also müst ouch durch stechen werden. 
Myn hertz er kielet ich in mir. 
^"^^ wie ich dyn bild durchstäche dir. 
Doch nym das ietz für dynen Ion, 
das vns dyn kindt vff erd hat gthon. 
Alß er das bild durch die stürnen stieß, 
das rot blftt gwan syn vßher fließ. 
Daran ir ettlich hatten gruwen. 



8 



/ 



- 114 -- 

vnd fieng die dadt sy an geruwen. 

Do sprach der selbig bößwicht glich : 

der düffel dftt das sicherlich. 

Der Schmidt sprang bald her von der thür 
180 vnd zuckt, was er dan trüg, syn gschür a v 

6 a Vnd wolt den iuden han erschlagen ; H. m. 

die andren worent all veriagen. 
Allein was im vff dissen gach, 
der mit dem spieß das bild durchstach, 
der brftder weret im vnd sprach: 

Ach nein, sprach er, nit thü ein mort 

hie an dissem geweichten ort. 

Wir wöUentz anderßwo wol klagen 

vnd der rechten herschafft sagen. 
190 Alß der Schmidt von zorn abstundt, 

der iud gar bald entrynen kundt. 

Als nftn der iud entrunen was, 

der da hatt begangen das, 

Sprach zft dem brftder bald der Schmidt: 

worlich will ichs verschwigen nit. 

Ich will solchs von den iuden sagen 

vnd offen lieh der herschaft klagen. 

Der brüder sprach : nit, lieber fründt, 

solch grosse Sachen mißlich sindt. 
800 Ich weyß dar zfi ein bessern radt, 

das wir beyde gingendt drat 

Für einen apt, den weiß ich wol. 

Das er ist aller, wyßheit fol 

Vnd kan vnß beyde wol berichten 

in disser grusamlicher geschichten, 

So es doch trifft den glouben an; 

doryn er vns wol wyssen kan, 

Was daryn zft handien syge, 

oder oh man dar zu schwyge 
210 Oder das solt wyter klagen 
6 b vnd weltlichen richtern sagen. 

Sy kamen dt för den apt gegangen ; 

der Schmidt zu reden hatt angefangen: 

Würdiger herr, wir klagendt hie, 

das vor vff erd wardt ghöret nie. 

Die iuden handt wir also funden, 

das sy vor einem alter stunden; ^ 

Der ein ein marien bild durch stach, 

Das blftt ich vßher fliessen sach. 
«20 Bald mocht ich mich behalten nit, 

ich lieff her für, sprach sich der schmydt, 
Ich wolt den bößwicht han erschlagen, 
do fieng der brftder an zu sagen, 
ich möcht daran kein eer erlagen. 

Das ich an einem gwychten ort 



i 



- 115 — 

ein menschen selber hett ermort. 
Do mit er mir das hett gewört, 
das ich mich von dem bößwicht kört, 
Biß er z6 letst vns beyden entran, 
230 der selbig schalck boßhafftig man. 
Nun sind wir beyd worden zft radt, 
das wir das sagen vch getradt 
Und ir vns geben ein bericht, 
wie wir doch detten diser gschicht. 
Der apt sprach wider, lieben frindt, 
fürwor das grusam meren sindt, 
Darin man vrteylt nit geschwindt. 
Man mfiß nit gaben in den dingen 
vnd luter solchs zft reden bringen, 
240 Vff das niemants verwatte sich H. IV. 

7 b in solcher sach zu gehelich. 

Ich gloubs / für wor red ich dor von ; 
gott würdts nit vngerochen Ion. 
Dorumb wir ettlich zytt vnd tag 
still schwigen disse grosse klag, 
Ob do zwischen in der zytt 
vns gott fillicht ermanung gytt, 
Was wir daruß sollen machen, 
vnd wie irs halten in den Sachen. 
250 Gott ladts für wor nit vngerochen, 
das sy das bilde handt durchstochen. 
Alß n&n dem schmydt anlag die sach 
vnd er z& nacht lag an gemach, 
Erschein ein engel vor im ston, 
ermant in, das er nit solt Ion 
Vngerochen solche .dadt, 
die er doch selbs gesehen hatt. 
dorumb er in do fründtlich batt ; 
Den es kurtz ab gotts meinung wer. 
260 das solche dadt solt rechen er, 

Die vnzucht vnd die grosse schmach, 
die maria bildung bschach ; 
gott geb im in sein hend das räch, 
hett er gunst vnd lieb im synn 
zft der hymmel künnegin, 
So solt er achten ire scbandt, 
allß ob sy es im bewissen handt; 
maria wurd im thftn bystandt. 
Vnd ob er nit das mercken kundt, 
270 wie er die Sachen vnderstundt, 
8a So solt er das sym pfarer klagen; 

der wirt ym wol bericht dyn sagen, 
Wie er sich dorin halten solt, 
so er die vnere rechen wolt, 
Vor ab so gott im stür verhieß, 



— 116 -^ 

dor zft maria nit verließ. 

Im wurd vff erd schaden kein man, 

so gott «yn stür dor zft hat than ; 

dorunib solt er es griffen an 
280 Vnd doryn nit erschrocken syn ; 

maria dett im hilffe schyn. 

do mit verschwand der engel hyn. 

Der schmydt zft synem pfarer ging, 

vor im zft reden anefing: 

hört, lieher herr, ein grusam ding. 
Ich kam salb ander vff ein zytt 
zft einer kirchen, die do lytt 
Vff dem feld ; dorin ich fandt 
fünff iuden vor eim altar standt, 
290 Die noch fil schmach wort, die sy dedten, 
ein marien bild darch stechen hetten. 
Das das heylig blftt vß ran. 
den wolt ich do erstochen han. 
Das selbig ward mißraten mir 
von eim brftder, der lieff har für 
Vnd weret mir am selben ort, 
Das ich den iuden nit ermordt, 
Biß das der bößwicht mir entran, 
Den ich syt nit gesehen han. 
800 yß radt des brftders bin ich gangen 
9 a vnd hab von einem apt entpfangen H. V. 

Synen radt in disser sachen^ 
was ich vß disser dadt solt machen. 
Derselb hat mir geraten schon, 
das ich ein zytt solt stille ston, 
Ob got do zwischen darch syn giet 
mir selber in der Sachen riet. 
Nftn bin ich gelegen in mym bett; 
Do gott mir hien gesendet hett 
810 Synen engel. der mir sagte, 

das ich die grusam dadten klagte. 
Den got solchs schetlichs durch steche 
mit mynen henden wolte rechen, 

Vnd wolt maria mir by stan. 

ich solts nur dapffer griffen an ; 

gott wolt mich nit in nöten lan. 
Do mit der engel mir beualhe, 
Das ichs vch sagte vber alle 
Vnd ir mir riedten in dem fall. 
320 fürwar ich treib kein spot noch schall. 
Der priester sprach, myn lieber frnndt, 
fürwar das grusam reden syndt. 
Darin nit gftt zft handien ist, 
vorab eim dem wyßheitten brist. 
Ich bin der Sachen vnbericht 






V 



— 117 — 

es ist ein grasamlioh geschieht 
Vnd ein grusam aueklag. 
kumpstu für mit solcher sag-, 
So trifft es lyb vnd leben an, 
330 vnd zu lest will es sich kum beweren lan. 
9 b Du mfists by bringen vff den man, 

der solchs vbel hat gethan. 
Man glaubt nit lychtlich in den dingen, 
kundtstu den das nit by bringen. 
So würstu in glych straffen kumen, 
wie du den luden für batst genumen. 
Darumb bedenk fursichtigklich, 
ee das du dryn ergebest dich, 
an klagen, das ist mysselich. 
3*0 So sindt die luden also behendt. 
so bald dyn anklag sy verstendt, 
Dan strecken sy groß gelt dor an, 
das niemants dan nüt schaffen kan. 
Do mit veriierenß manchen man. 
solchs handt sy offt mit scheue ken than. 
Wo du den sprechst, es were dir 
ein engel gottes kuramen für, 
Der dich zft solchem het erraandt, 
das gloubt man dir dan nit zu handt. 
3*0 Den disse weit ist also gesit, 
' das sy solch ding gelouben nit, 
Was vßwyßt die götlich gschrifft 
oder heylig ding antrifft. 
So grifft man nit den luden an 
vff reden eines eintzigen man, 
wo man nit vor hatt ein argwan. 
Vnd ob man schon in fohen wurdt 
vnd mit pynen fragen fürt, 
Vnd er dan nüt do ward feriehen, 
360 so wer es dan vmb dich geschehen. 
10a Vnd wo maus für ein lügen acht, 

so würd dir selb do straff gemacht, 
dorumb die sach da baß betracht, 
Daryn ich gib ein solchen radt, 
das du verschwygest disse dadt 
Vnd standest still noch ettlich tag, 
ee du fürbringest dise klag. 
Do zwischen hoff vnd trw ich got, 
das er vns bevde wissen lodt, 
870 "Wie wir die Sachen gryfifendt an, 
vff das darin würd recht gethan. 
Gott würdt vns das w^ol wissen lan, 
will er die sach gerochen hau. 
Do zwischen volge du myner lere: 
dyn hertz zft grossem andacht kere 



i 



-- 118 — 

Vnd die zyt zti ynnigkeyt, 
maria zart, die reyne meydt, 
das sy dir sy zu hilff bereyt. 

Den was du mir do hast gesagft 
880 vnd von dem öden iuden klagt, 

Alß ein bichtuatter glaub ich dir. 

wie du mir das hast geleget für. 

So ntin menschliche witz vnd syii 

keyn radtschlag mögen finden dyn, 

So niftß man sich zft gott wol keren, 

das er die sach vns wolle leren. 

Nit klein diß sach ich schetzen kan ; 

den sy trifft lyb vnd leben an 

Vnd räch dar zu vber eine dadt, 
8ö^ darin man öd beflecket hat bij 

IIa Mariam zart die künnegin. H. VI. 

dorumb schick dich zft bichten fyn. 
das sie dyn helfferin wöll syn; 

Das doch den iuden werd ir Ion, 

das sy solch vbels handt gethon. 

Alle hoffnung, die wir tragen, 

so wir vnser sünden klagen, 

Von diser weite scheiden wellen 

oder sunst in vnfal feilen, 
*öO So rieffendt wir mariam an. 

das sy ein mfttter wel by stan. 

Solten wir den lyden diß, 

ein iud ir ere also beschiß ? 

Der schmydt von synem pfarer ging, 

dar zft ein andacht ane fing. 

zft bychten vnd flissig zft betten, 

noch dem sy. im geradten hetten. 

Der apt vnd ouch der pfarer syn, 

vor ab ouch nach des engeis schyn : 
**io T)as got syn bitten wolt erfiUen, 

maria zart ouch iren willen 

Im geben weiten zft verston, 

ob er die sach solt fallen Ion, 

Verschwygen / oder lutbrecht machen; 

er wer zft kündsch in diser Sachen. 

Alß er nftn lag vff ein nacht 

vnd solches wvt vnd hoch bedracht. 

Bald stand er vff vnd knüwet nider 

vnd fing an flyssig bitten wider; 
*2® Maria zart, sprach er mit bitt, biij 

IIb ich bin ein armer schlechter schmydt, 

Dar zft ein einfeltig man, 
der nit so hoch betrachten kan, 
wie ich die sach möcht griffen an. 

Ich han dyn bildung sehen durch stechen. 



- 111) - 

ob ich aber das selb sol rechen, 
Das wöllendt sv mir radten nit 
vnd ziehende ab mich ouch da mit. 
Nftn kan ichs worlich nit bedencken, 
*^ Das ich den iuden des mög schencken 
Vnd solche grusam vbel dadt, 
die man an dir begangen hat, 
So gantz vnd gar so lassen lygen, 
vnd das es blybe gantz verschwigen. 
Ich förcht, gott wurfit das an mir rechen 
vnd mir myn leben drum abbrechen. 
In gyner weit ein lone druin geben, 
der mir dort kummen würd nit eben. 
Dorumb erman ich dich, inngfrow schon, 
440 Dyner eren, dyner krön. 

du wölst mir geben zft verston, 
Wie ich sol th&n in diser Sachen, 
oder was ich druß sol machen. 
Ich hab für wor in alln myn tagen 
ein solch fruiii hertz z& dir getragen, 
Das ich myn lyb vnd alß myn leben 
für rettung dyner ere hett geben, 
Vnd rüwet mich ietz ewigklich, 
das ich die dadt nit räche glich. 
*^ ach got, der brftder hindret mich. 
12 a Zum andren wardt zft mir gesandt 

ein engel, der mich rachs ermandt. 
Noch hatt man mirs alß widerratden, 
das ich nit riclic disse dadten. 
Myn ougen ratden mir das räch 
vnd der engel, den ich sach. 
Allein ich dyner antwurt wart, 
maria rein, du edle, zart. 
Alß nftn der schmydt dett solche redt 
*«ö also knüwendt vor dem betd, 
Erschein im vor syn ougen dar 
maria, die was kummen dar; 
Das blftt ir vß der stiirnen ran, 
do hien der iud den stich hett than, 
vnd iieng also zft reden an : 
Myn dyner vnd du frumer Schmidt, 
Iftg, das du doran zwifelest nit. 
Was dir der engel beuolhen hatt. 
Das selb d&t er vß gottes radt, 
*70 Der im beualhe die selbe sach. 

das du solt thftn ein findtlich räch 
vber disse grosse schmach, 
Die mir vnd mynem lieben kindt 
von iuden hie begegnet sindt, 
Die hie so grossen mfttwil tryben. 



— 120 — 

das nüt doran ist vber belybeii. 
Sy handt verspottet vnd veracht, 
mit Scheltworten vns verlacht. 
Darnach mit einem spieß durchstochen ; 
480 Das selbig sol nftn werden gerochen biiij 

12 b Durch gotts beuelhe / mit dyner handt. 

so wil ich th&n dir ouch bystandt 

zft Ion vnd straff der grossen schandt, 
Das mencklich in der sach muß iehen, 
das wir all ding im hymmel sehen 
Vnd den belonen, der vns eret, 
vnd straffen den, der solches weret. 
Ich bin dyns gangs ein vrsach gsyn, 
das du ongefar bist kummen hyn 
490 Vnd das selb gesehen hast, 
der luden grossen vberlast. 
Biß starck vnd gang der klagen nach, 
den du must th&n das selbig räch. 
Der schmydt, von maria so ermant, 
dradt für den graffen bald z& handt 
Vnd fieng den luden z& klagen an^ 
der den stich ins bild hatt than. 

Er sprach, myn herr. ich mftß vch klagen, 

ein grusam vbeldadten sagen, 
500 die ich nit lenger mag vertragen. 
Ich kam in ein capellen goD, 
heymlich, wolt mich nit sehen Ion, 
Ich vnd noch ein brüder mit, 
gloubt mir, myn herr, sprach sich der schmydt ; 

Da sahendt wir fiinff luden ston 

vor einem bild maria fron, 

dem sy groß schmach handt angethon 
Mit spotten / spüwen vnd verlachen, 
wir namendt war der selben Sachen. 
510 So zuckt ein lud ein grossen spieß, H. VTI. 

13 b den er do in das bilde stieß 

Marie, der hymel künegin, 
oben zft der stürnen yn. 
Ich wolt den bößwicht han erdödt. 
ein brftder mir geweret hett. 
Ich hab des gewichten orts geschont; 
ich hett dem luden sunst gelont. 
Nftn hab ich dor zh radts gepflegt 
vnd gelerte leüt dorumb gefregt. 
520 Die haben mich noch myner frogen 
alle zyt mer vff gezogen. 
Das ich die sach ließ stille ston 
vnd ettlich zyten vmbergon, 
Ob gott do zwischen sandt ein radt, 
wie man doch dett der vbeldadt, 



— 121 - 

Ob gott der herr die grosse schmach 
straffen wolt mit syiiem räch. 
Nun ists in mittler zyt geschehen, 
das ich ein engel hab gesehen. 
5S0 Der mich die sach hett heys^en rechen, 
das kein iud nymraer dörff durch stechen 

Die bildung marie, der reynen meydt; 

noch dennocht hab ich lenger gebeyt 

vnd nieraants von der sach geseyt. 
Biß mir zti lest erschinen sindt 
maria vnnd ir liebes kindt, 
Wie ir bild gemalet was, 
vnd haben mir beuolhen das, 
Das ich von iren wegen rieh 
&*o dissen lesterlichen stich. 
14 a Das will ich, herr, vor vch bcstau 

als ein framer cristen man 

vnnd wilß also geklaget hau. 
Noch ein brftder was by myr, 
der mit mir stundt hinder der thyr 
Vnd hatt das ouch also gesehen, 
wie ich das hie hab verleben 
Des laßt vch edler graf vnd herr 
z& hertzen gan diß kleglich raerr! 
550 Der graf sprach wider, lieber frindt, 

dyn wort myr worlich grusam sindt; 

dorinn ich nüt verstandt noch iindt, 
das ich den laden dorumb fohe 
vnd so ylendts mit yni gohe, 
Das ich in pynlich fraget mere ; 
wenn vor vff in ein arg won were, 
Doch miest er denocht nit syn schlecht, 
ich mftß in blyben Ion by recht, 
Wie wol er ist ein iud geboren, 
5«o noch muß im recht nit syn verloren, 

Ich muß im recht gedyen Ion. 

hett er das n&n nit gethon, 

so wurdt es vber dir vß gon. 
Wo es aber sich erfindt, 
das die luden schuldig sindt. 
Den wolt ich doryn halten mich, 
das mengklich sehe offenlich. 
Das mir die sach z& hertzen gadt, 
wo ich wie recht erfind die dadt. 
570 Dqy schmydt sprach, gnediger herre myn, 
14b ich bin doch nit allein gesyn. 

Es ist ein brftder by mir gstanden, 
der hatt ouch gesehen disse schänden; 
Der selb hilfft mir die sach bezügen, 
das ich für wor das nit erlägen. 



— 12:2 ~ 

Ich bezü^ michs vff den selben man, 
das der iud den stich hatt than. 
Fragt in, der würt mir kuntschafft geben, 
des klag ich vff syn lyb vnd leben 
680 Vnd blyb vff myner klagen hart, 
was mir doch dorumb Avider fart. 

Ich wils also geklaget han, 

wie ich myn reden hab gethan. 

doruff will ich belyben stan. 

Dem graffen lag die sach hert an 

alß einem frumen cristen man. 
Das er besaralet eynen radt. 
mit denen er ein radtschlag dadt. 
Da wardt sych fanden mit dem mere, 
6^ das solch anklag vnsicher were. 

Doch solt man sy berieffen beydt 

vnd hören, was ein yeder seydt; 

das wer zft mercken in sunderheydt. 
Den brftder solt man nemen für. 
Den schmydt Ion ston duß vor der thür, 

Vnd wurden sy dan ein red sagen, 

ouch glych redig vom iuden klagen, 

so möcht der graff den peinlich fragen 

Vnd den iuden streken baß, 
<^oo biß er veriehe alles das, 
15b wie er von in verklaget was. H. VIII. 

Der graffe bald noch dem apte sandt 
vng fing sy fragen an zft han dt 
Vnder inen iedem allein ; 
der ander hört des reden kein. 
Alß man yeden behöret hett, 
wie der brftder hatt geredt. 
Des glych was oüch des schmydtes klag 
vnd feiet nit von des brftders klag. 
610 Noch was es also angeleyt, 

das man in beyde geb ein eydt, 
By dem sy solten behalten das, 
das im so wer, wie es klaget was. 
Der apt ein criitz nam in syn handt 
vnd sprach in beyder do bystandt 
Betracht vch w'ol, ir lieben frindt, 
das wir all vbernechtig sindt. 
Vnd was wir hie vff erde klagen, 
sol syn, alß ob wirs vor got sagen. 
Ö20 By ewiger verdampniß in sym leben 
sol niemans falsche kundtschafft geben. 
Des längsten gerichts ich vch erman, 
so secht das lydeu Christi an. 
Sagt vns by gots heyligen thron, 
ob der iud den stich hab thon 



-- 123 -- 

Vnd an dem bild ein schaldt gewan, 
das von dem bild das blftt vß ran. 
Jo, schweren ir ein falschen eydt, 
es wirt vch, by got, ewig leydt. 
050 Sagt dem luden wie dem Christen: 
16Ia vnder warheit solt kein lügen mischen. 

Hebt vff vnd schwerdt by gottes wunden, 
das ir den luden also habent fanden. 
Das er das heylig bild durch stach 
vnd yeder das mit ougen sach. 
Schwert, vff das irs nit thftnd vß haß, 
sunder das ym also was ; 
Vnd wo ym dan nit also were, 
das an vch straff das gott der herre, 
6*0 Der selbig gott, der mit der dadt 
kein falscheyt vngestraffet ladt. 
Solchs gabendt sy do einen eydt 
vnuerscheydlich alle beyd, 
das es wer, wie sy hattendt geseyt. 
Der graff ließ in der Sachen gohen 
vnd den luden ylents fohen. 
Darnoch er in vff strecken hieß 
vnd hing im stein an seine ^eß ; 
do wytter in den fragen hieß. 
650 Er sprach: lud, ich hab das gelert 
vnd die klag wol vberhört 
In dem grundt mit manchem man, 
das ich nit anders finden kan, 
du habst den stich ins bild gethan. 
Was der schmydt hatt vff dich klagt, 
das hatt der brüder ouch gesagt. 
Ich hab sy von ein ander gelon : 
noch handt sy gliche reden thon ; 
das selb bringt mir vff dich argwon. 
wo Des hab ich gryffen Ion zft dir, 
16 b das du ietzund hie sagest mir, 

Was dich dor zft beweget hat, 
zft thftn ein solche vbeldadt 
Vns Christen lüten hie zft schmach. 
ich mftß der dadten thftn das räch. 
Den luden ließ er vff hyn strecken, 
ob er den handel würt entdecken 
Vnd verleben alles das, 
wie es durch in verhandlet was. 
•70 Der lud riefft ab dem herren zft : 
gnediger herr, mich ab her thft. 
Ich hab ein rede, die will ich sagen, 
verantwurt thftn der falschen klagen. 
Der herr hieß in her abher lassen, 
syn antwurt ließ ein schriber fassen. 



— 124 - 

Do Äug der lud zu reden an : 

herr, das hab ich nit gethan. 

Ich hab gewont in üwerm landt : 

solch ding wardt nie von mir bekandt. 
^80 Ab mir hatt nie geklagt kein kindt; 

disser Schmidt, der ist myn findt 

Vnd hatt mir das zfi leyd gethon, 

das ich argwenig hie mftß ston 

Vnd on myn schuld so mit geferd 

mftß vor vch hie gestrecket werd 
Vnd ward gepyniget an dem ort 
nftr vff syn klag vnd vmb ein wort, 
alß ich hett thon ein grossen mort. 

Ich hett ein schlechtes räch gethan, 
690 solt ich ein byld durch stochen han, 
17 b Das weder leben hatt / noch syn. H. IX. 

wißt, das ich gantz vnschuldig byn. 

Wen ir myn äderen all zerrissen, 

so kan ich doch nüt anders wissen, 

Das ich vnschuldig wurdt gezogen, 

vnd hetts der schmydt vff mich erlogen 

Vnd fälschlich vff mich erdicht 

vnd ein kundtschafft zft gericht. 

Ich bin ein arm gefangen man, 
700 der vff diß mal nit anders kan. 

Wo mir aber Avürd gegundt, 

ich wolt mit handt vnd ouch mit mundt 

Den Schmydt in einem kampff beston, 

das er mir vnrecht hatt gethon. 

Vff solchs anmftten sprach der schmydt: 

iie red mag ich verdragen nitt. 

Ich hab kein lügen hie har brecht 

vnd die dadten nit erdocht. 

Ich habs mit mynen ougen gsehen, 
'10 wie es der brftder hatt verleben, 

Vnd wie ichs selber hab geklagt 

vnd dem herren hab gesagt. 

Noch allem spotten vnd verachten, 

alß ir das marien bild verlachten, 

Hetstu dennocht noch kein verniegen, 

— ich wils vff dich hie nit erliegen - , 

Stachstu nach dem bilde dar, 

das das rote blftt lieff har 

Von der Stirnen der bildung schon. 
'20 du hasts mit dyner handt gethon. H. X. 

18b Wie kanstu bößwicht leugknen das? 

du weist, das ich erzürnt druiii was. 

Vnd wer der brftder nit gesyn, 

ich hett dyr genumen das leben dyn 

Glich vff der selben / den zft mal Stadt, 



- 125 -- 

do da begingst die vbel dadt 
N5n, so da mir das mfitest an 
da wölst mich in eim kampff bestan, 
das ich dich hab gelogen an, 
7S0 Yntj ^{[i jyn leben an mich wogen, 

das ich ein solches hab erlogen 
Vnd vff dich feischlich erdicht, 
vnd sagst, da habsts begangen nicht, 
Oach wilt dich retten mit der handt 
vnd vff mich d rechen dyne schandt : 
Ich hab dich worlich angeklagt 
vnd byn noch nit so gar verzagt 
Vnd nym den kampff mit frcyden an 
vnd wil dich alß ein framer man 

7*<^ mit mandt vnd handt im kampff bestan. 
Jetz denk ich erst der selben wort, 
die ich von maria hab gehört. 
Die mir das selb gesaget hatt. 
ich werd'die selbig vbel dadt 
Rechen mit myner eigen handt ; 
sy wöU mir selb thftn ein bystandt. 
Der graff verwilliget in die ding 
vnd ließ in machen eynen ring 
Vnd gab in beyden glich gewer, 

'50 ließ sandt vnd schrancken fieren her, 
19 a Vnd was gehört zft solchen Sachen, 

Das ließ er alles flissig machen. 
Alß n&n kam der gesatzte tag, 
kam grosse weit, alß ich vch sag, 
Vnd wolten sehen des ein endt, 
wölcher doch den andren schendt. 
Der iad meynt selber ob z& lygen, 
doch was es nit in sym vermögen. 
Den in der schmydt manlich gewan 

^*> vnd warff in gweltig vff den plan 
Er hett sich gentzlich do gerochen 
vnd den luden gar erstochen. 
Doch hett der graf im das gewert 
vnd den schmydt vom luden kert, 
Er mftst darnoch schentlicher sterben 
vnd uit erlich im kampff verderben. 
Der graue, alß vor versprochen was, 
hatt lossen alles ordenen das. 
Das man mit priestern vnd mit herren 

770 fiem schmydt an dädt fast grosse eren, 
Alß dem, der lyb vnd auch syn leben 
für die mfttter gots hett dar gegeben 
In irem dienst biß in den dodt. 
dem sy geholffen hatt vß nott 
Vnd hie vff erd der eren gyndt. 



— 126 - 

— dar zft er dort syn beloDung findt —, 
Vnd dem luden ouch geg:eben, 

wie ers verdienet hatt. do neben. 
Es was versprochen alß vor h5'n, 
780 -^^er vnder in den kampff gewyn, c iij 

20 a Den andren solt man straffen dradt, H. XI. 

alß hett er gethon die vbel dadt. 

Dorumb dem iuden was bereyt, 

das man in vff ein brett hyn leyt 

Vnd schleipfft in zft dem halß gericht 

durch das kott den bösen wicht. 

Darnoch man beyt, biß yederman 

vnd das gericht mocht zamen stan. 

Do hyn kam so ein grosse weit, 
■^ö«) die sich all hatt do hyn gestelt. 

Wer wyt und breytt das hatt vernumen, 

der was vff solchen kampff dar kumen, 

Ouch das sy sahen solches räch 

geschehen vber disse schmach, 

Die vnser frouwen was geschehen; 

sy wolten all das wunder sehen. 

Das vrteyl wardt vom grauen geben, 

das man dom iuden solt syn leben 

Nemen / entfrembt ouch der erden 
800 vnd an syn fieß gehencket werden, 

Ouch neben in zwen grosse hundt. 

do by er wol vermercken kundt, 

Wie man all iuden vnd in acht, 

die solches vbel handt erdacht 

Vnd all tag vnseren glouben schmehen, 

wie wol sy grosse wunder sehen, 

Vnd besseren sich doch nit doran ; 

dorumb solt er die straffen han, 

Verbrenet werden also hangen, 
810 das er das vbel hett begangen. c iiij 

21 a Syn dadt solt also werden gerochen, H. Xu. 

das er die bildung hat durchstochen. 
Das sich in kundtschafft funden hatt, 

— vnd dennocht leugnet er die dadt —, 
Ouch Christen leüt hat vnd erstanden 

zft bringen in die selben schänden, 
Die er selber hatt gethon. 
das was do syn verdienter Ion, 
Das er mftst hangen vnd ouch brennen. 
8*0 do by doch mengklich mög erkennen, 
Wer zft maria der reinen meydt 
ein besundern nyd vnd vngunst dreydt 

Vnd ir der grossen ere nit gindt, 

ir vnd irem lieben kindt, 

Der selb so iil doran gewindt, 



21b 



— 127 - 

Alß disser iud gewannen hatt 
in der schendtlichen vbel dadt. 

Wie die verstopfften iudeii das 
heylig wirdigk Sacramet zu scli- 
,mach dem blöt vergiessen Jliesu 
Christi gegen vnß christe verachte. 

DEr jud hat sich so lag geiebt 
vnd manch christlich hertz betriebt 
830 Mit grossen schmachen vnd mit schänden, 
die er hett thon in manchen landen 
Wider götliche maiestadt, 
der sich by vns verendret hatt 
Durch syn macht vnd grossen gwalt, 
transubstantiert in brotsgestalt. 
Dasselbig ewig hymelbrott, 
alß Christus für vns ging in dodt, 
Vß lieb vnd gots barmhertzigkeyt 
ließ er die letz der cristenheyt. 
MO Dasselbig brot vnd sacrament 

Entpfocht der crist von des priesters hendt, 
wen sy vom leben scheyden wendt, 
Vnd handt ir hoffnung daruff gesetzt, 
das brot für ire hilff geschetzt, 
Wie sy, in krafft des selben brott, 
ein ieder für gots angesicht godt, 
do mit er sich berichten lodt, 
Vnd wie der christ in synem leben 
das selbig brot im offc ladt geben 
850 Ynd war dt geystlich dar von gespißt, 
des glich im dodt er sich ouch flißt, 
Das im des brodts ouch nit zerryn, 

wen syn sele wyl faren hyn. 
Ich gibe mit kurtzer red verstau 

das wir all vnser hoffnung hau 

zfi des brotes sacrament, 

das der öd iud hatt geschendt 
22 a An so manchem ort vff erden. 

wie lang wil es doch vertragen werden? 
8ÖÖ Schlieg ich ein cristen in syn mundt, 

ich würd gefangen vff der stundt. 
Man geb myr myn verdienten Ion; 
die luden ladt man aber gon, 
wen sy schon grössers haben thon 

Vnd handt das sacrament durchstochen. 

dÄSselb londt wir offt vngerochen, 

Vnd ob wir schon das selbig rechen, 

das sy das sacramet durch stechen, 



- 128 - 

So gschit es doch so gschlechteklich, 
870 das ich vff eyd vnd worheit sprich, 
Das ein solches kieles räch 
der cristenheyt bring grosse schmach. 
Was ist es, das man dry verbrent, 
die das heylig sacrament 
Durch stechen vnd enteret handt? 
die andren laßt man gon im landt: 
Vnd sindt im hertzen schnltig dran, 
wie wol sy es sunst nit handt gethan 
Mit der handt vnd mit der dadt. 
S80 die wurtzel, do der sam vß gadt, 
Die solt man einmal gar vß rüten, 
alß man dett in alten zyten 
In franckerich, do sy euch hendt 
enteret do das sacrament 
vnd gott im hymel ob gesehen dt. 
Do hett man sy vertriben gar 
mit hülfen vnd mit grosser schar, 

22 b das keiner mer dar kämmen dar. 

Do by mag mercken iederman, 
890 (]as der franzoß hatt das gethan, 
Alß einer dem zft hertzen gadt, 
wo man enteret gots maiestadt. 

Wir dütschen dündt so kiel zftn Sachen, 
das wir so grusam ding verlachen, 
vß grossem ding gantz nüt draß machen. 
Wie wir gots lieb im hertzen tragen, 
also dAndt wir in solchen sagen, 
dorumb wir kleine ere eriagen, 
Das wir die bößwicht nit gemeyn 
800 vertriben all / vnd lassen keyn 
By vnß Wonnen in dem landt, 
das sy vnß also geschendet handt 
Vnser ere / vnd sacrament, 
dor zft wir all vnser hoffnung hendt. 
Sy möchten vns doch Ion geuiessen, 
das wir die bößwicht ziehen miessen, 
Miessig / vnd sy beschitzen Ion, 
so sy vor vnß spatzieren gon 
Vnd Schelmen vnß das vnser ab, 
810 das mancher kumpt an bettel stab, 
Mit wftcher vnd mit vber nütz, 
kein herr Sprech doch zft innen: drütz! 
Laßt von üwerem spot im landt, 
den ir biß har getriben handt. 
Wölt ir gott nit schuhen dran, 
so sehen doch die menschen an, 
wie wol ir des nit glouben han. 

23 a Noch gloubt der christ ans sacrament : 



- 429 — 

so Ion dt im doch das vngeschendt, 
wo Doramb, das ers in eren dreyt; 

die eer dftndt doch der christenheyt. 

Wöit irs gott nit thftn zftn eren, 

so solt ir doch die Christen hören, 

Die vch fry ledig lassen sitzen 

vnd vch behasen vnd beschitzen. 

Sy gewynnen vch für mit der handt, 

das ir so habt ein fryen s tan dt, 
Ernerent all vch miessig gon. 
Dorumb ir billig selten Ion 
*80 ir heyligkeit vnd bilder ston, 

Die sy allein dar malen lassen, 

das sy in synn vnd dechtnüß fassen 

Deren, die im hymmel sindt 

vnd doben ewig gottes frindt. 

Kein bild noch holtz wir bettendt an, 

als üwer ieder liegen kan 

Vnd das syne kinder leren, 

wie das wir stein vnd höltzer eren, 

Vnd liegendt das in üweren halß ; 
^*^ den wir das malen lassen alß : 
In bedütnngs wyß allein 
dyn Christ, der büget syne bein 
gegen holtz, bild oder stein. 

Doch wil ich dar von reden mer, 

so sich die sach begibet her. 

vom sacrament ist ietz myn wort. 
23 b das ir doch an so manchem ort 

Handt zerstochen vnd zerrissen, 

verbrandt vnd mit den zenen bissen 
950 Ynd andre schandt handt mer gethon, 

das ich nit reden wyl dar von. 

Mich danckt, des schimpffs wer schier gen&g, 

vff hören» hettendt ir g5t fftg. 

Den warlich, würd es lenger weren, 

vnd weiten vns also enteren 

Vns vnd vns er heyligkeyt, 

es würd zftm erst vch werden leyt. 

Das ir aber mir nit diegen, 

alß ir sunst all wegen liegen, 
^ö Ir habendt solches nit gethon, 

so wyll ichs vch bezugen schon. 

Fragt eine gantze statt von hall. 

die werden mir das zügen all. 

Ich meyn das hall in hessen landt. 

die selben do verbrenet handt 

Vnd zerrissen oach mit zangen. 

das ein ind ouch hat begangen. 

Der leyder hatt dry sacrament 



1 



— 130 — 

gestolen mit syn eygner hendt, 
970 Das ein durch stochen vß der mossen, 
das rotes biüt ist druß geflossen. 
Da durch vch gott so wunderlich 
ertzeigt vnd manet vch gieteklich 
Deglich mit wunder zeichen schon, 
das ir von schalkeyt abe ston. 
24 a des sagt ir im ein schlechten Ion. 

Die andren zwey hatt er verholen, 
noch dem er sy vor hatt gestolen, 
Vnd hett sy vch verkoaffet beyd; 
980 des kam er in groß hertzen leyd. 
Das disse dadten sy geschehen, 
das hatt er selber clor veriehen. 
Dorumb ich das bezngen kan 
me dan mit dryssig tusendt man 
(E Des glich hendt ir ouch zft perlyn 
ein schentlich dadten brocket yn, 
Do ir das heylig sacrament 
in ander brot verwürket hendt 
Vnd das z& schmach der cristenheyt 
9»o vff eine hochtzeyt handt bereyt 

Vnd gsagt, do ir sindt nider gsessen, 
ir wölt der cristen hergot essen. 
Do selbs man wol hett kynnen schouwen, 
das yr in nit handt kynt verdouwen 
Vnd sindt kleglich erwürget dran, 
den andren deyl durch stochen hau ; 
des gab man vch verdienten lan. 
Solchs m&ß ich fär ein kundtschafft sagen ; 
den es geschähe in vnseren tagen. 
1000 dorumb wirs billig mögen klagen; 
Den wirs mit ougen handt gesehen, 
so handt ir das ouch selbs veriehen. 
Vnd wie ir sagten in der gicht, 
so feit es vmb ein herly nicht, dij 

24 b Wie ir das veriehen handt, 

noch üwer red es sich erfandt, 
wie ir selber habt bekandt. 
Man hat vch von einander gelon : 
so handt ir glyche red gethon. 
1010 Do mit die worheit funden ist 
vnd lutbar worden üwer list. 
C Die drytte kundtschafft sagt vns vor: 
alß man zalt flerhundert ior, 
Dusendt zwey vnd nüntzig mit, 
do handt ir ouch gefyret nit , 
Vnd einen priester, peter genant, 
ab kouffet in dem beyer landt 
Zwey heylig wirdig sacrament, 






- 131 - 

die ir onch beyd durch stochen hendt, 
>os<) do mit vns Christen lüt geschendt. 

In dem fleck zft Sternenbach 

die selbig grnsam dadt geschack, 

do man das sacrament durchstach. 
Do hatt man üwer fli verbrandt. 
diß ist im beyer landt bekandt. 
Des hab ich disse kundtschafft genummen, 
das ich mög vff die worheit kummen. 
C. Die fierte kundtschafft ich ietz sag, 
das ich vch woriich aneklag 
1030 Ynd vch dieg nit vngerecht, 
alß ir den all zyten sprecht. 
Ich weiß wol, was vch schelmen brist: 
vch wardt nie gn&gsam hie ein Christ, 
25 a Den ir dor zft nit achten gftt, 

das wider vch er kundtschafft dftt. 
Ir wölt allein die weit betriegen. 
vnd miessen vch alle cristen liegen. 
Wir sind vch besser zft eyr worheit, 
den all üwer iudischeyt. 
1040 Findt es sich nit, wie ich sag, 
so thft frölich vff mich ein klag. 
So wil ich selber mit dir brennen, 
wo erbar ieüt das selb erkennen. 
Das ich vch an lieg im mym dicht, 
do sich das selb erfinde nicht. 
Noch cristus gburt MCCCXXXVH ior, 
do handt ir ouch gethon, wie vor. 
Das sacrament handt ir durch stochen 
vnd handts im offen wollen kochen ; 
loso Den ir es darin geworffen handt, 
darnoch, do es do nit verbrandt, 
Do handt ir es vff ein ambuß tragen 
vnd mit hameren druff geschlagen. 
Nftn ist vch in der selben dadt 
worden kundt gots maiestadt; 
Den ir das selb gesehen hendt^ 
Das ir das wirdig sacrament 
Nit möchten letzen vmb ein hör; 
Den es im fcür schwebt ob entbor. 
1060 Zerschlagen habt irs mügen nicht, 
das Stadt alß sampt in üwer vergicht 
Vnd hat sich kundtlich also funden diij 

25 b an allem ort, in allen stunden, 

Wie ir das veriehen handt. 

dorumb hatt man vch all verbrandt 

zft Dockendorff in dem beyer landt. 
Mancher Christ hatt dorab wunder, 
von dem sacrament besunder, 



— 132 — 

Wen solche wunder zeichen gschehen 
1070 vnd die iuden das selb sehen, 

Alß wen sy das zerstochen handt 
vnd das bl&t ist vß har gerandt. 
Woren sy sich doch nit bekören, 
so sy das selbig sehen vnd hören. 
Dem selben gib ich zft verston : 
sy handts gesehen alles schon 
vnd handt kein zwyfal an der gschicht. 
das sy es aber glouben nicht: 
Sy meynen solchs der tuifel dieg, 
1080 der solches blftt har zft her drieg. 

Do mit er alle cristenheyt 

betragt mit syner lüstigkeyt. 

Doraff sy schwierendt einen eydt. 

ein gelerter ind hatt myrs geseyt. 

Den glauben handt sy alte sandt; 

dorumb hett man sy offt verbrandt 

vnd gantz vertriben vß etlichem landt. 
Das sy vom sacrament gesagt 
vnd von den öden iuden klagt, 
1090 Wie sy das teglich endteren 

vnd dennoch vnsere färsten, herren 
26 a Das selb den bößwichten nit werren. 

Vff das man sy doch all vertryb, 
das got vngeschendt von in belyb. 
Wurdt dise klag nit gehört vff erden, 
so wurrdts im hymmel gehöret werden. 
Es stand in worheit kartz oder lang, 
es kumpt ein mal der anefang, 
Das man dedter | vnd die hulden 
^^^ straffen wnrdt mit glichen schalden. 

Wie die jade zft schmach de blut 
vergiesse cristi vn z& räch irer gefeg 
nüß flyssig nocli cristene blftt stelle. 

Nftn k^m ich vff ein andre dadt, 

die der iud begangen hatt 

in manchem landt, in mancher statt: 
Das er so flissig stellen dftt 
mit grosser sorg noch cristem blftt. 
Etlich cristen wollen sagen, 
das sy heimliche kranckheit tragen, 
Dor zft sy cristlich blftt bedörffen. 
Die red muß aber ich verwörffen. 
11^^ Ich halt euch selbs, es sy nit wor : 
sy bedörffens gar mit vmb ein hör 

Zft irer kranckheyt, gloub mir das. 

dorumb verstand die meren baß, 



1 

J 



— 133 — 

das By das dftndt vß nyd vnd haß, d iiij 

26 b Den sy zft vnß Christen tragen. 

den vormalß in alten tagen 

Worendt mancherleye sagen. 
Es was ein man, hieß appion ; 
Der selb hatt solche red gethon, 
iiao Wie das die iuden alle vor 

ein menschen mesten vff ein ior, 
Der do was vß kriechen landt. 
den sy dar noch geopffert handt 
Vff iren heyligen ostertag, 
Dornmb ein kriech gefangen lag 
Zft Jherosalem vor zyten, 
alß die römer den zft mol strytten . 
Vnd tytus iren tempel brach, 
ein kriechen do gefangen sach. 
1130 Alß man den selben vß har dett, 
dem keyser er veriehen hett, 
Wie er ein ior gefangen lag 
vnd sy in vff den ostertag 

Welten do erdödtet han, 

das oster opffer mit im began. 

Die red hett appion gethan. 

Der red wil iosephus nit gestan 

vnd spricht» man lieg die iuden an. 
Er schrieb dry biecher wider das 
1140 vnd sagt, das es erlogen was. 
Doch sy dem allen, wie es mag, 
es ligt gantz Öflich an dem tag. 
Wen sy den ostertag begon, 
27 a Das sy fiU gbet druff lesen Ion 

Wider parro vnd ir findt, 
die vormalß woren / vnd ietzundt sindt. 
Dorumb ist in das cristen blftt 
worlich zft keiner kranckheyt gfit. 
Aber wie sy vormalß dadten, 
UM ir opffer mit eim menschen hadten, 
Der von iren findten was, 
also geloub ich sicher das : 
Wie sy vor hyn mit andren hetten 
opffer / das sy ietzundt dädten; 
Jetzundt cristenliche kindt, 
die noch nit by den ioren sindt — 
Die alten wurden sich ir weren. 
das man erfier die bösen meren — 
Es ist glenblich, was ich vch sag. 
1100 den ir gantzer ostertag 

Allein dorumb ist vff gestifft, 
das er ir find vff erd antrifft. 
Wie parro, der vor was ir here. 



— 134 — 

mit allem volck erdranck im mere 
Vnd sy on letzung durch hyn gingen, 
gyn sytt des meres anh&ben singen, 
Das ir iindt blftt vergossen was, 
des frewten sy sich alles das. i 

So sy nftn kein parro haben, 
ii'O des nemen sy ein Christen knaben, 
Dem sy vergiessen do syn blftt, / 
alß obs ein findt dem andren düt. 

27 b Vnd wens in irem vermügen were, 

so detten sy eim gantzen here 
Vnd vff erd allem irem findt, 
wie sy ermorden do ein kindt. 
Do die Christen noch nit woren, 
vor Christus geburdt in alten ioren, 
Do handt sy das den heyden gethon, 

LI80 ^ie gy es ietz mit Christen begon, 
Alß solches vor sagt appion. 
So n&n das römisch rieh vnd macht 
so manchen luden vmb hatt bracht, 
Genumen hatt das selbig landt, 
das sy von gott entpfangen handt, 
Verloren wider durch ir schuld 
vnd gantz nit handt der römer huld, 
Die sy zerstreuwet handt vff der erd, 
das sy versandet nymer werd, 
^ 1190 Ynd handt sy brocht in hertzen leydt, 
dor zft in ewige dienstparkeyt. 
In solchem iomer vnd in not, 
wie es den in vor^^ougen godt, 
Wie man sy brendt vnd röst vnd südt, 
Dorumb sy tragen zft uns nydt. 
Den, die sie zerstöret handt, 
die fierendt ietzundt cristenstand 
Vnd gantz gar ein heydnischen orden, 
so sy all sampt sindt Christen worden. 

1200 Dorumb der iud in sunderheyt 

syn haß nur zu dem Christen dreyt. 

28 a Vnd wen do kumpt ir oster tag, 

so alle luden fieren klag 
Vff erden vber ire findt 
vnd sy formalß entrunnen sindt 
Vß ktinnig parro dienstparkeyt 
vnd dienendt vnß vß hertzem leydt, 
So kynent sy ir leydTnit klagen 
vnd nyd im hertzen baß vß sagen, 
1210 Pen das sy es zeigen mit dem mordt. 
den ich offt hab von in gehört 
in manchem landt / an manchem ort. 
Zft Samen druncken sy das blftt. 



— 135 — 

alß dan ein findtlichs hertze d&t. 
Das blftt ein ewigs sygel ist 
irs findtlichs rachs wider den Christ. 
Vnd möcht er baß, so dett er baß. 
Das blftt drinckt er vß nyd vnd haß 
Mit fill gebetten, die sy dedten, 

1220 wen sy ir oster zyten betten. 

Sy handt zwen tag im gantzen ior, 

dorin sy klagen, das ist wor. 

Einer ist der lange tag, 

vff dem sie fieren grosse klag 

Yber alles römisch rych, 

das gott zerstöre gehelych. 

Ir kindt, die tragen blitzen schwert, 

biß gott das römisch rieh zerstört. 

In iungen tagen reytzens die kindt, 

12S0 das sy von natur vnß werden findt. 

28 b Er mischt des blftts in synen wyn ; 

wen er es focht an drincken yn, 
So spricht er etlich wort dar zft : 
das gott allen vnseren finden thü 
Vnd vergieß ir blftt do mit, 
wie ich das ietzundt vßhar schtit. 
der meynung bracht er solches bl&t, 
alß den ein findtlichs hertze dftt. 
Doch mftß ers dennocht ouch nit han, 
1240 wie wol sie handt ein freid doran. 
Ein solchen man in eren hatt, 
wer ein solchen mort begadt. 

Ich habs von einem ein verstandt, 
wie das sy g^yn in hyspanier landt, 
do sy das vnder in erkandt, 
In eim concilinm betracht, 
das die laden handt gemacht, 
Das ieder fliß sich, wer do mag, 
das kein iad den ostertag 
J260 Begang / on Christen blftt do by, 
das alle zytt ein zeichen sy 
Allen, die dar syndt gesessen 
vnnd handt matz kftchen do selbst gessen. 
Das sy das Christen blftt erman, 
mit vns ein ewige findtschafft z& han. 
Wölche laden sindt versiendt, 
das sy ein solches morden diendt 
Vnd vmbringen so ein kindt, 
die selben ewig verpündet sindt, 

29 a i*öo AisQ (Jas keiner das nit sagt 

vnd den mordt vom andren klagt. 
Es bhalt oach manchen laden fiirdt, 
das er doramb nit Christen würt. 



- 136 ^ 

Den wen er sich schon deyffen lat, 
ein solchen mordt vff im hat 
Vnd brecht ein solches laster mit, 
man schanokt ims worlich dorumb nit. 
Darnmb in solches blfttes krafft 
bestetiget würdt ir brüderschafffc. 

1270 Der Christen hatt kein grösseren findt, 
den für wor die luden sindt, 
Die vnser blftt all tag begeren, 
das sy gern vnser heren weren. 
Sy durstet alle zytt vnd stundt 
noch vnserm blftt / der recht blftt hundt. 
Dorumb sol maus euch mit in tryben, 
das sy solch schelmen mögen blyben. 
Wir ziehen ein schlangen in dem geren, 
der im syn gifft nit lasset weren. 

1280 Den es sich alle stundt dftt meren 

wider Christum, vnßeren lieben herren. 

Wo die falschen Juden der 
vnschuldigen kinder blut 
vergossen haben. 

29 b Ein kindlin, das was Symion genant, 

geboren vß dem etsche landt 
Vnd zft trient euch vß der statt, 
do gschehen ist ein solche dadt. 
Das selbig kindt handt sy gestolen 
heymelich vnd auch verholen, 
Mit einem apffel zft in gelockt, 
darnoch erWurget vnd erstockt, 
»290 Mit guffen alß durch stechen gar, 
das syn frisch blftt lieflf do har. 
Das selbig sy entpfingendt als 
von sym lyb vnd von dem halß 
Vnd hands zeryßen euch mit zangen, 
von iedem gryff das blftt entpfangen, 
Darnoch syn ermly vßgespreyt, 
mfttwylligklich dor zft geseyt : 
Also dyn gott vß gespannen wardt 
vnd von vns gepyniget hardt 
1300 Yff vnseren heyligen oster tag, 

darumb wir hüt noch fiereu klag ; 
Von synen wegen lydstu das. 
das kindlin stochendt sy noch baß, 
Darnoch zerteylten sy das blftt 
vnd hielten einen fryen mftt, 
alß man zft iren osteren dftt. 
Des blftts sy gossendt in ein wyn 
vnd fingendt an zft schencken yn. 



— 137 - 

Also das ieder drancke das, 
1310 ein wenig' gemischet in eyn g'iaß, 
30 a das drancken sy von nyd vnd haß 

Mit fili gebetten vnd mit Worten, 
das gott vff erd an allen orten 
Also ir findt blftt ließ vergiessen. 
do mit der cristen soite biessen, 
Was er den iuden dadt vff erden : 
also sy solten alle werden 
Erhenckt, ermordet und erstochen, 
das sy an ynen worden gerochen. 
1820 Den ist im, alß man worlich seyt, 
keyn volck vff erden nymer dreyt 
Also grossen haß im mftt, 
alß der ind zftm Christen dftt. 
Es was nit gen&g, das sy das kindt, 
alß ichs in worer kantschafft findt, 
Ermördt handt also klegelich. 
sy mftstens euch verspotten glich, 
Mit Worten geben asft verston, 
das sy es alles haben thon 
1380 Christo ihesum zftn einer schmach 
in findtschaffts wyß in haß vnd räch. 
Vnd das gschahe vff ein ostertag, 
alß Christus ihesus euch erlag 
Vnd hie für vns gestorben ist. 
das lyden mfist der iunge Christ 
Vnd das arm vnschuldig kindt. 
dar zft ich tusendt kundtschafft findt. 
Den kurtzlich ist geschehen das, 
alß Sixtus babst zu rome was, eij 

30 b J340 Der ein barfftsser ist gewesen. 

man findt damoch euch in dem lesen, 
Das keyser was her fryderich, 
geborner fürst vß österich. 

Vß der geschieht man mercken kan, 

was gunsts sy zft den Christen hau. 

noch landt wir sy, die mörder, gan. 

Wer nit geloubet disse dadt, 

der gang gen Trient hyn in die statt. 

Do man sy do verbrenet hatt, 
18F0 Gerädert vnd mit zangen gerissen, 
mit steynen vnd mit kot beschissen. 
Ich will kein cristen man betriegen, 
die gantz statt Trient laßt mich nit liegen. 
Sy werdendt mir ein kundtschafft machen 
in disser grusamlichen Sachen. 
CT Dar noch im M. CCCC. vnd LxxV. ior, 
alß Symons mordt geschähe vor, 
Handt sy des glychen euch gethon: 



"^ 



— 138 ~ 

im fürgal, do sag ich von, 
iseo Ein armes kindlyn ouch erdödt, 
ermordet biß in leiste nödt, 
Grestochen vnd syn blftt entpfangen, 
zerrissen mit gliegenden zangen, 
Das blftt do mit herfarher bracht, 
die bößwicht handts vor nie gemacht 
Vnd handt das handtwerck wo! gelert, 
wie man blftt von kinden rört, 
Das nit ein tropffen blybet dynen ; 
31 a das blftt vergiessen sy wol kynen 

1870 Vnd hants an christo angefangen, 

darnach an manchem Christen begangen. 

Die dry, die begingen solche dadt, 

fürt man gön Venedig in die statt, 

Do man sy gestraffet hatt, 
Mit ysenen zangen zerrissen gar 
vnd darnoch verbrennet har. 
Das ist knndtlich im \^elschen landt, 
das sy* die dadt getriben handt. 
Noch wöUendt sy das nit geston, 
1880 so mans in bücheren lißt dor von 
Vnd noch leüt vff erden sindt, 
die gsehen handt die selben kindt, 
Ein sychre kundtschafft dor von geben, 
die es gsehen handt vnd noch leben. 

Noch dörffen sy hüdt reden das, 

man red ins noch vß nydt vnd has, 

Das nie kein worheit doran was. 
Von Christen dftnt sy solches klagen. 
sy sindt allein die worheit sagen. 
1890 Die bößwicht mördendt vnsere kindt, 
dar zft sindt sy vns im hertzen findt, 
Mit wftcher sy vns dor zft betriegen 
vnd heyssendt dennocht vns onch liegen 
Vnd sprechendt, das wirs dichten alß 
vnd liegendts an in vnseren halß. 
Wer das von eim luden hört 

vnd sich nit zft dem bößwicht kÖrt eüj 

31 b Vnd schlecht in nit in halß geschwindt, 

der selbig ist nit christns fründt. 
1400 Doch red ich vß zornigem mftt: 
ein wyser sy verklagen dftt. 

C Die bößwicht noch ein dadten handt 

zft Norewick in engelandt, 

Do sy ein kindt, wylhelm genant, 
Gekrutziget handt zft schand vnd schmach, 
getriben vß findtlichem räch, 
Vff den Charfrytag, heylig, fron, 
wie sy das Christas ouch handt thon. 



— 439 - 

Ich hab genant ietzondt dry ort, 
uio (]o sy begangen haben mort 

Disse gschrifft erfordert nit, 

das ich ir schalckeyt sag do mit, 

Die sy handt triben anderß wo. 

sy wurdens worlich nymer fro, 

Solt ich sagen alles, das 

myr sicherlichen kundtlich was. 

Ich thftn allein ein knrtze redt, 

die sich worlich erfanden hett 

In dntschem vnd in welschem landt, 
1480 vnserem glonben alß zft schandt. 

Ich hab kein zwyffal, das vff erden 

kartziichen sol gerochen werden 

Das vnschuldig blfit der kinder all, 

die sy handt brecht in dodesfall. 

32a Wie die falschen judeii alle ' 

brünen in dütschen landen 
wolten vergifftet haben. 

Was die bößwipht handt im synn, 

wer ist, der das nit mercken kynn? 

Was ich sag, das lind ich wor, 

das in dem M. ccc. vnd xxxxvii. ior 

Die iuden in dem dütschen landt 
1430 2A\e brunnen wollen handt 
^ Vergifften, das wir dar von stürben 

vnd mit dem g^fft in dodt verdürben. 

Das sindt die bößwioht, die wir behieten, 

die vns ein solchen schaden bieten. 

So fyl.an in erfanden ist, 

so hatten sy das zu gerist: 

Wer vß eim brannen hett gedrancken, 

der wer glych zu der erd gesnncken 

Vnd hett do synen geyst vff geben, 
1440 geendet von dem gifft syn leben. 

So dammer synn wardt keyner nie, 

der das nit kandte mercken hie, 

Was hertzen sie zun cristen tragen. 

man solt sy vß dem landt veriagen, 

Das wir vnd Christas, vnser gott, 

nit von in lydten solchen spott. 

So weren wir sicher vor dem find 

vnd weren behietet vnsere kind, eiiij 

32 b Das sy nit ermordet würden 

1450 vnd sy vff leyten vns kein bürden 

Mit wftcher vnd mit schindery, 

von einem galden nemen dry 

Vnd lont sich dennocht nit beniegen: 



L 



— 140 — 

sy heyssen vnß ins mül yn liegen; 
Wen sy vnß hoch geschediget handt, 
noch blybendt sy in vnserem landt 
vnß zft hoher schmach vnd sch^indf. 
Do sy die brannen woltendt gifften, 
solch grosse mörderyen stifften, 
1480 Das kindt in mftter lyb erdödten, 
das dütsch land alles th&n in nöten, 
Do hett man etlich tusendt brandt, 
die solches gifft erdödtet handt. 
hett man sy verdilket gar, 
so kernen nit deglichen har 
allen tag ein nüwe klag, 
Wie ietz iohanes pfeffer körn, 
vnd wie diß kindlyn sy verlorn, 
Er verbrandt, das kindt erstochen, 
i4'<> alß deglich dan ietz wurdt gerochen. 
Wie sy das heylig sacrament 
klegelich durch stechen hendt. 
Mecht man ein mol der sach ein endt 
Vnd dett, alß man vor hatt gethon, 
do man sy all hett brennen Ion, 
Alß sy die brunn vergifftet hatten 
vnd iren bhieteren solches dadten. 
33 a Solt ich erst den iomer klagen, 

den sy by künig Albrechts tagen 
1480 Habent triben vnd begangen — 
darnmb sy hefftig warden gfangen 
zft nürnberg | wnrtzbnrg | vnd zft hall, 
do selbst man sy verbrenet all. 
Sy ermorden dt vnsere kindt 
vnd sindt all vnser dödtlich findt. 
Gott helff dem armen cristen man, 
der ein iüdschen artzt mftß han. 
Zft hall in hessen ists geschehen, 
vnd hatt das pfefferkorn veriehen, 
1490 Wie er ein artzt gewesen ist 

vnd hab gedödtet dryzehen crist, 
Gifft für einen syrup geben, 
do mit gestolen inn ir leben, 
Den iuden euch verkoufft ein kindt. 
ach gott, die falschen bößwicht sindt 
vnsere ewig gschworen findt. 
Das sych so dick erfunden hatt 
an manchem ort / an mancher statt, 
Das die worheyt lyt am tag 
1500 vnd kein mensch das leugken mag. 
Er wöU dan, wie die iuden sagen, 
was man wider sy dftt klagen, 
Dasselb man alß erlogen hett, 



j 



r 



— 141 — 

vnd wens schon gott selb hett g^credt. 
Aber was mit in ist dran, 
das londt sy für ein worheyt stan. 
33 b Ich miest noch fil bapin verschriben, 

doch will ich an dem nechsten belyben 
Vnd vff das selb farnemen kumen, 

1510 das ich für mich hab g-ennmen. 
Wie sy der bildung handt gethon 
marie, der iunckfrouwen schon, 
Das sy so schentlich handt enteret, 
das iedem grüßt, wer solches höret. 
Dar gegen mag ein ieder mercken, 
wie die mütter gotts dftt stercken 
All, die in irem dienste ston, 
der sy doch keynnen wil verlon 
Vff erdt vnd dort in hymels thron, 

1520 alß sy dem schmydt hett hie gethon, 
Dem man hie batet ewig lob 
vnd hett sy Ion im hymel ob, 
hie. mit freyden | dort mit eren. 
diß history soll billich leren, 
Das wir die schnöden luden myden 
vnd solche stuck nym von in lyden, 
Sunder für mariam fechten, 
mit lyb vnd leben dorumb rechten. 
Sy ist das kleinst hie vff erden, 

1530 da durch wir miessen selig werden. 

A.MEN. 



Folgende Fehler des Originaldruckes sind oben gebessert worden : 
Titel: Enderung; 62 gantz mit; 88 welcher, vgl. 55 wölche; 

157 an ein; 312 durch solchs. durchstechen; 377 du reyne; 454 rüche; 

456 den engel; 548 das laßt; 666 dem luden; 1034 dor zu achten gut; 

1109 f. bedorfifen, verworffen ; 1134 er^oedten han; 1175 allein irem; 

1258 umbrintzen; 1335 myden mftst; 1428 MCCCC vnd LXXV. ior; 

1498 an macher statt; 1510 genomen; 1514 höert; 1522 sy Ion. 

Die Reproduktionen der Holzschnitte verdanke ich der photo- 
graphischen Kunst meines Kollegen, Professor Ernst Neeb in Mainz. 
Die Maße der Holzschnitte sind beim Titelblatt 162/114. bei den 
übrigen 160 bezw. 162, 165, 167/119 mm. 



- 142 — 

Anmerkungen zu Murners Entehrung Maria 

.durch die Juden. 

«Wer die Sitten der damaligen Zeit kennen Tvill, wer die deytsche 
Sprache in allem ihrem Umfange studieren will, dem rate ich die 
Murnerschen Gedichte fleißig za lesen. ...» 

Lessing, Werke (Nachlaß), Hempel XH, S. 718. 

Die für Brants Narren schiff and Murners Schriften angewandten 
Abkürzungen sind dieselben wie in Spaniers Ausgabe der Narren- 
beschwörung, Halle 1894, 294 f., ferner 4 Ke.: Murners Gedicht von 
den vier Ketzern Predigerordens, wovon ich den Originaldruck der 
Königl. Hof- und Staatsbibliothek in München (P. 0. germ. 145 ao, 
aus dem Kloster Wessobrunn) benutzte. Für Murners Gäuchmat ist 
W. Uhls Ausgabe, Leipzig 1896, für seine Schrift u. d. deutschen 
Adel Nr. 153 der Neudrucke (Halle 1899), hg. von £rnst Voss, heran- 
gezogen worden. Schmidt: Charles Schmidt, Histor. V7Örterbuch 
der Elsäss. Mundart, Straßburg 1901 (vgl. dessen Quellenverzeichnis 
S. XII— XV!). Scherz: Glossarium germ. medii aevi ed. Oberlin, 
Straßburg 1781 u. 1784. Ge. 5 Juden: Gengenbachs Meistcrlied in 
Goedekes Gengenbachausgabe S. 39—53. Wi. : Georg Wickrams 
Werke hg. von Joh. Bolte, Bibl. d. Lit. Vereins, 222 f. (I. 11.) und 
229 f. (IIL IV.) 

1) vgl: Bf. 25, 121 Ach reicher got, 11, 62 ach got, du reicher 
Christ, . . 

9) noch = dennoch, wie 17, häufig noch verstärkt durch dennocht: 
533, Nb. 7, 53, 67 : noch dannocht. 

16) zwyffal 1420, zwyfal 1077 entspricht der ahd. Form für 
Zweifel. 

28) nun = nur : was ihnen nur zur Ehre gereicht. Zu den eren, 
bf. 34, 118 gedenckt mein ouch zun eren. 

36) versprechen = verteidigen- Nb. 7, 56; der Leyenspiegel. 
Straßburg, Hupfuff 1510, schließt : Lob sey Got vnd . . . Maria, die 
da ist ein vorsprecherin menschlichs geschlechts, während es im 
«Neuen Layenspiegel,» Straßburg 1518 (zuerst Augsburg 1512) in 
«Der Juden bekanntnuß» (f. 154b -162b) heißt: 
Wir warn mit sichtig äugen blind. 
Doch pitt wir dich (Chrii^tuslj Maria kind 
Du wollest vns yetz gnädig sein, 
Durch die erbärmd vnd miltin dein 
Du pist von vnserm geschlecht geborn, 
Wend von vns dfen ewigen zorn. 

38) in ihrer Verblendung können sie keine Freude daran haben. 
Bf. 16, 20 die schuld ist vnser sehelligkeyt. 

41) verstecket = verstockt. 

58) zun (Vgl. Lauchert, Alemania 18, 145) -=: zu den . . ., im 
Dominikanerkloster. Mü. 1535 zuen predigern ward er (der Esel) 
prior gemacht ; 4 Ke. n 3 a der Prouincial kam. zftn Predgeren in 
sein kloster jn ; n 4 a er hieß sich zun predgeren (zu Costentz) 
vergraben. 

62) gantz nüt: durchaus nichts unterlassen; wie 895, Nb. 27, 8. 

64) Gm. 4295 ich weiß, das es in gantz nit liebt: ihnen durch- 
aus nicht behagt. 

74) wes sich gebruchet: sich bedient Gm. 1974 gebruohent vch 
der zyt ; Adel S. 29 (E. 4 aj künt sich ein ieder dropff der gschrifften 
bruchen. 



— 143 — 

75) ihr Tand, wegwerfend von den christlichen Gebräuchen, 
wie Nb. 20y 46 iürlisthand: Narrenpossen (vgl. Spanier zu Nb. 62); 
begynentandt 4 £e. a 2 a : Frömmelei ; b&bentand L. N. 4461. 

82) das Christus küßte. 

84) Q. Wickram IV Hauptlaster der Trunkenheit V. 125. Er hat 
ein buch aufif seiner schoß. 

88) Wichten fem. zu wicht, sonst nicht belegt, mhd. wihtinne. 

89) erboren Gm. 1886 u. oft. 

92) blötzt: dafür setzt Gengenbach, 5 Juden 88 das ihm ge- 
läufigere blößt. Gm. 1000 entblötzen vnd beropfifen, 4343 entblötzten 
sich, aber Nb. 1715 ir (der gerupften Gans) entblösset ist der halß. 
(Gm. 1847 entblößet.) Passend stünde hier auch bleckt wie Nb. 14,3. 
Lautlich vergleiche man bitz (Schmidt) = Bissen zu beißen (ein 
bitzel parvulum Scherz), Schutz = Schuß in der heutigen Straß- 
burger Mundart zu schießen, Spitz und Spieß, nutzen und genießen. 
Zur Sache vgl. die Schilderung bei Le Wallte, Historia Camberonensis 
35 nudat tergum protenditque cernuo capite. 

94) um däe Zun^e zu zeigen vgl. d. Bild. Gengenbach 39 setzt 
dafür den Lückenbüßer : der drit zerzart gen jr das har. 

97) trug den Preis davon. 

99) f. duß, dussen : draußen, wie 595 Ion ston duß vor der thür, 
Bf. 6, 39 so ladt (läßt> er vns nit dussen stan. 

105) enteren vgl. den Titel cEnterung», 875 (sacrament) enteret, 
Wickram Pilger 2270 kind ... so. gott vnd sein sacrament entehren. 

106) der falsche Pfefferkorn, alias Pf äff Happ, hingerichtet zu 
Halle am 4. Sept. 1514. Hätte Murner sich nicht in den Gedanken 
verbissen, es hier mit dem wahren Joh. Pfefferkorn zu tun zu haben, 
so hätte er auf die m. E. berechtigte Vermutung kommen müssen, 
der in Halle Hingerichtete sei mit dem von Murner in den 4 Ketzern 
erwähnten geistlichen Hochstapler, dem Buchilluministen und ge- 
tauften Juden Lazarus von Andlaw (im Elsaß) dieselbe Person. Daß 
jener Lazarus, als ihn in Halle sein Geschick ereilte, seinen wirk- 
lichen Namen nicht bekannte, darf nicht wundernehmen. Ein Be- 
kenntnis seines Anteils am Jetzerhandel hätte die Aussichten des 
Angeklagten sicher nicht verbessert. Die von ihm bekannten Ver- 
brechen gleichen übrigens den dem Lazarus nachgesagten z. T. auf- 
fallend. Darum möchte ich im Gegensatz zu B. Steck, Akten des 
Jetzerprozesses 495. Anm., dem Valerius Anshelm, der III 158 sagt, 
Lasarus «der mörderisch färber» habe «mit im die unmenschliche 
färb hinweg — doch ins verdient für getragen» (vgl. III 77 ist 
nachmalen zu Lips verbrent worden:, in der Sache Beeht geben, 
wenn er auch Halle mit Leipzig verwechselt hat ; spricht doch auch 
Mumer unten 962 u. 1488 von Hall «im Hessenland», während der 
wahre Joh. Pfefferkorn in seiner Beschyrmung 1516 gar Maydburg 
(Magdeburg) als Ort der Hinrichtung des Pfaffen Kapp nennt. S. 
unten zu 1488 ff. 

107) an der wend (Wand), wie 4 Ke. i 8a der Schultheiß Dießbach 
bekommt Zweifel an der Heiligkeit Jetzers, der sich nicht von der 
Wand nach dem Priester «här vmbhcr kert», um aus dessen Hand 
das Sacrament zu empfangen : denn «fil me ist doch das Sacrament 
dan dz bild so stodt an der wendt ; er fände, über dies von Murner 
häufig dem Wohllaute bezw. dem Verse zulieb eingeschobene un- 
berechtigte e vgl. Lauchert, Alemania 18, 147—151. 

108) tragen = tragend. 

113) dreyst = trägst, auch von Lauchert a. a. 0., 152 belegt. 

116—124) Quelle scheint — den Namen Phokas ausgenommen 
— Bolevincks Chronik, der die Legende im Anschluß an eine andere 
von dem Judenknaben im Ofen unter Justinian einreiht. Beich aus- 
geführt wurde die Legende, fälschlich Athanasius zugeschrieben, 



auf dem 2. NicäniBchen Konzil 787 verlesen ; nach dieser Fassung 
bekehrt sich der Täter mit sämtlichen Jaden in Beirut auf das 
Wunder hin. Die Entstehung der pseudoathanasischen Schrift über 
das Wunder von Berytos (Migne, Patres graeci 28, 795) darf nach 
Wildt, Kath. Kirchen lexikon (Wetzer u. Weite) I«. 1546 nicht früher 
als Mitte des 5. Jahrhunderts angesetzt werden. Daß die Legende 
übrigens nicht unter Phokas (602—610) spielen konnte, ergibt sich 
schon daraus, daß sie von Gregor von Tours (f 994) als bekannt 
erzählt wird. 

130) dem (Christen), der Dichter braucht hier, wie 74 f. unbe- 
denklich den verallgemeinernden Singular neben dem Plural. 

136) von ferem : von ferne, vom Adj. fer (Schmidt) ; von ferrem 
150, Mu. Uebers. von t^erg. Aen. X. 645 sq. Er (Turnus) zuckt von 
ferrem seinen spieß. 

141) ongefar = ongefärlich 135. 

142—144) = Ge. 5 Juden 47-49; ebenso 159-172 z. T. Silbe 
für Silbe ~ Ge. 59-71. 

144) wennt =^ wöllendt 143. 

149) syt : seitdem. 

151) veriehen: bekennen Gm. 3243. 

165) 4 Ke. a 3b des habt euch diß für euren Ion. a 3a so habt 
euch das für widergelt. 

170) stäche : stach, s. oben zu 107; räche (räch): rächte 449. 

172) das: dessen, was. 

174) gewann seinen Ausfluß; Gengenbach 72 f. Mary das blftt 
zur Stirn vß ran. Mit hellen tropfPen thet es vßher brächen. 

180) Statt Axt, die einem Schmied nicht zukommt, aber in der 
Quelle und auf dem Bilde passend dem Holzhauer beigelegt wird, 
setzt Vf. stets gschür (Handwerkszeug), während Gengenbach 81 
die Form ax gebraucht. 

182; Verlagen : verjagt, kühne starke Analogiebildung zu er- 
schlagen 181, während das schwache Partizip verspüwet : verspieen 
neben der starken Form im Mhd. und noch bei Geiler (Jesus ist 
verspeuwet Schmidt 402) bezeugt ist. 

183) gach : eilig, er hatte es nur damit eilig, den Haupttäter 
zu bestrafen. Nb. 4, 76 Zft siner (Adams) büß ist vns nit gach. 

201) drat: schnell, 781 dradt, 232 gedradt. 

204) berichten: unterweisen, Gm. 4933; Wi. IV, Pilger 2530ff 
3Ioses gebott. das man die kinder. Seiner gebott . . . berichten solt, 
damit in das gsatz auch täglich liebt (ihnen lieb wird). 

207) wyssen : unterweisen. 

208) syge: sei, Lauchert 152 sige. 
217) alter: altar 80. 

221) sprach sich, häufig in Sachsenheims Moerin, z. B. 4735. 
sprach sich der Eckart kluog vnd wis. 

225) gwycht, 187 geweichten: geweihten Ort. 

230) schalck : hier, wie auch im Mhd., Adjektiv. 

231) wir haben uns beraten und entschlossen, Wi. III 39, 27 
also wurden sie zft radt vgl. 69, 3. 

234) was wir in der Sache tun sollten. 

238) gaben: eilen. 

239) luter: lauter, klar und vollständig. L. N. 157 luter kunt- 
schafft hon: genau dafür bekannt sein. 

240) sich verwatteii, eigentlich : in den Sumpf geraten. 

241) u. 1226 gehelich : hastig Gm. 1713, 4 Ke. a 2a die Berner 
haben fast 2 Jahre verhandelt cnit gählich in der hitz geeylet.» 

247) gytt : gibt. 

250) ladts: läßt es. 

253) an gemach : ohne Buhe finden zu können. KÖnigshofen 



— 145 — 

379 er lasse sie mit gemache (in Kühe). Ns. 78, 16 wer lieber krieg 
hat, dan gemach (ist ein Narr); Luther An die Eahtherrn Bl. 3b 
da mit ein statt zeytlicli fryd vn gemach habe. Noch Jos. Görres, 
Athanasius 4 A. 1838, 163 : Wie. die weltliche Macht (der Kirche) 
Zwischenräume von Buhe u. Gemach gegönnt, . . Einen ganz 
anderen Sinn hat Ge. 5 Juden 141 in die Stelle gelegt: Eins mals 
lag er an sim gemach (Ge. 163 lag ich an miner rftw vnd schlieffe. 
Zum Ausdruck vgl. Wi. IV Hauptlaster der Trunkenheit 105 kam 
an mein rhu, 421 Holifernes lag an sein rhu.) 

254) ston hier, wie unten 289 standt: stehend. Gm. 550 Ale- 
xander entferbt sich vor ir ston. üeber die Form vgl. ühl S. 203 zu 
diesem Vers. 

259) kurtz ab, wie 39 : um es kurz zu sagen, kurz und gut. Der 
Murner sehr geläufige Ausdruck (franz. bref) fehlt bei Brant (Schmidt). 

262) löschach, bf. 27, 67 beschahe. 

263) u. 0. das räch, Nb. 46, 7. 

270) wie er die Sache angreifen, auf sich nehmen solle, bf. 29, 
38f : got. Vnß zuo heilen vnderstund, 4 Ke. B. 4 b ein solche sache 
vnderston, Nb. 30, 64 (artzt, dem kunst gebrist,) der artzeny wil 
vnderston. 

272; dyn: darin, wie 115. 

275 u. 324 vor ab : zumal, vor allem, stür : Hilfe, bf. 22, 47 f. 
Wo dein macht erlegen ist da bin ich dir zft stür gerist; Virg. c. 
2 a zu hilff vnd tröstung vnd zft stür. 

281) hilffe (hilffes) schein tun: Hilfe, Gnade erweisen, sehr oft in 
Murners Uebersetzung der Aeneis, 4 Ke. a 5a darnoch vns arme 
hilffes schin Solt thftn die früntlich keiserin vgl. badt hilffes 
schein bf. 18, 13 ; 9, 32 dftt dier danokes schein ; 9. 53 thft vns, her, 
deiner gnad»n schin; dftt schin: zeigt Ns. 8, 2. 

284) 405 anefing, bf. 1, 48 ane fing; 1098 der ane fang vgl. 
975 abe ston und Goedeke zu Nb. 1, 6 ane nam, 86, 2 anefang. 

299) sj't: seither. 

315) nur : nur Nb. 6, 134. 

318) über alle : mhd. über al «nichts ausgenommen, alles> Lexer. 

320) treib kein spot noch schall : meine es ernst und führe 
keine leere, unbegründete Klage. Gotfrid von Straßburg 1, 174. So 
werden wir alle. Ze spotte und ze schalle. 

324) der der Weisheit entbehrt. 

331. 334) by bringen (vgl. 330 beweren;: vor Gericht den Be- 
weis erbringen. Scherz 150 Welcher (richter) sin verdechtlichkeit 
(Befangenheit) nit bybringt . . . (der Stadt Freyburg recht, 1520, 
Bl. 10). 

336) für nehmen: vor Gericht fordern Scherz 454. 

339) mysselich : von ungewissem Ausgang, Gm. 477 vnd ist der 
Ion so misselich. 

341) verstendt: erfahren. 

345) mit schencken : mit Bestechungsgeldern. Geiler bei Schmidt 
299: Mieten, Gaben vnd Schencken die verkeren manchen Richter. 
Nb. 71, 8 heimlich gaben, schencken senden. Die Juden sollen nie- 
manden «miete, schenckenoch mietewan geben» Königshofen, Chronik 
1870, Beil. 980. SZ. 14, 21 f. kum ich für herschafft mit der 
schencken, so darff ichs ofPlich nit gedencken, worum ich solche 
gaben büt: 

349) zft handt : sofort, Bf. 31, 32. 

358) fürt (1262 fürdt): dann, vgl. 555 fraget mere (mehr), 649 
wytter (weiter) in fragen hieß. 

369 u. 847 lodt : läßt, vgl. 250 ladts. 

375) zft grossem andacht: Adel J 4a (Voss S. 51). vfif das der 
andacht der h^eiligen messen erlöschete, dennocht bezüg ich mich 

10 






— 14(i — 

mit diser meiner hantgschrifft, das ich in vetterlicher lere des an- 
dachts der messen sterben wil von diser weit, ... 

376) ynnigkeit : Frömmigkeit, 4. Ke., Einleitang : Brant schrieb 
Yerß mit innigkeit. 

37 (j An Stelle von: du reine, was höchstens die Anfangsworte 
des empfohlenen Gebetes darstellen könnte, habe ich eingesetzt: 
die reyne meydt, proleptisch auf das folgende sie hinweisend. 

3^9) feilen : fallen, kühner, nur dem Keim zulieb gewählter 
Gebrauch. 

403) also beschiß =- beflecke 390. 4 Ke. die Dominikaner wollen 
«mit erbsünd ir (Maria!) den kränz beschissen . . . Darumb hat 
vns (Prediger) auch Doctor Brant vnser frawen beschisser genannt. 
Schmidt 33. 

407) noch dem : dem entsprechend, was . . . 

414) lutbrecht, wie 1011 lutbar: vernehmlich, öffentlich bekannt. 
Verg. 1. 8 a gleich so der fluß an die stein schlecht. Vnd macht 
ein murmles gthön lautbrecht (Aeneis XI, 298 fit. murmur;, Wi. III 
89, 1 Also ward bald ein gantz lautprecht geschrey in der statt. 

415) kündsch, wie 325 vnbericht: unerfahren, Nb. 5, 12. Du bist 
z& kindst in disen Sachen (über die gleichwertigen Endungen seh 
und st vgl. Goedeke zu Brant, Ns. 97, 14.^. 

421) schlecht: schlicht. 

430) u. 1268 Rohencken : condonare vergeben, bf. 5, 53 du hetst 
im (Judas!) alles sant geschenckt. Mo. Papsttum G. 3a dagegen 
sehen ckt er (Barfüßer zu Leipzig) dir (Luther) das auch nit vnd 
ruffet dir dein hippen wider vß, du seiest ein. beseßner schlang. 

437) In gyner: jener. Welt, 1166 gyn sytt: jenseits des Meeres, 
Nb. 15, 17 gyns: jenes, 35, 56 in giener weit. 

438) eben: bequem, angenehm Gm. 1245. 4 Ke. 2.*Aufl. N. 4b: 
das war der statt von Bern nit eben. 

443) alß : immerfort, wie noch heute mundartlich. 

454) das ich nit riche: räche, strafe, Konj. Präs. (wie 539 das 
ich . . . rieh) von riehen, Nebenform zum st. V. mhd. rechen, 
Schmidt 280. 

491) vberlast : den unerträglichen, von den Juden geübten Druck. 
Gm. 1636 f. Venus, ... Du schwere bürd vnd überlast, 1988f. Im 
alter bist eyn überlast Vnd. ein vnwerder gast. 

492) Biß: sei! SZ. 21, 35 Biß guter ding. Gang: geh! Scherz 
I, 469. 

500) vertragen : ertragen, hingehen lassen Schmidt 404, 1. 

521) vffgezogen : hingehalten, vertröstet, zum besten gehalten. 

525) wie man das Verbrechen strafen soll. 

533, 787 beyten : warten, Nb. 97, 45 des marcktes nit zu beiten, 
87, 16 myn sun, byt! 

539) ich . . . rieh, Konj. Präs., wie oben 454, des st. V. riehen 
( = mhd. rechen : strafen , vgl. die Formen des Jnd. riebet Nb. 15, 
84, riehst 21, 4. 

541) bestan : beweisen. Scherz I, 138 kennt dazu ^lur das Partizip 
bestanden : überführt. 

548) Des = Darum. 

549) diß kleglich merr: traurige Märe, Geschichte. 

553) fohe : fahe, festnehmen lasse. 

554) gohe Gm. 1761 vgl. gaben 238: zu rasch vorgehen. 

567) schlecht: rechtlos wie ein Sklave gegenüber dem Herrn, 
nicht rechtsfähig. Vgl. Wimpheling Predig Chrysostomi, Straßburg 
1514, 4 a die sehlecten nidern vnd schwachen werden von den ge- 
waltigen überboldert. 

576) Ich bezüg miehs vff: ich berufe mich dafür auf. 

Nach Straßburger Recht hätte der Ankläger mit 2 Zeugen den 



— 147 — 

Juden überführen können. Stat. Arg. (so ist wohl statt Ang. bei 
Scherz I, 152 zu lesen) c. 297 laugnet im der Jude, so sol er in be- 
zeugen selbdrit. Da Murner den Holzhauer und den Schmied der 
Quelle, im Widerspruch auch zu den Bildern, zu einer Person ver- 
schmilzt, bleibt seinem Ankläger als einziger Zeuge der Klosterbruder. 

578) kuntschaft : Zeugnis 1012, 1028, 1337, 1383, bf. 35, 19 des 
gibt vnß kundschafc weib vnd man. 

585) hert: hart, sehr, von Scherz I, 664 neben hertiglich aus 
Königshofens Chronik bezeugt, während Schmidt 170 nur Belege 
für den adjektiv. Gebrauch gibt. 

589) mere: aber, Scherz II, 1029 (vgl. frz. mais aus magis). Aber 
man kam zum Schlüsse. 

593} JQdes für sich besonders. 

594) glych redig: in der Aussage übereinstimmend. Scherz II, 
1281 gibt nur aus Dasypodius redig als üebersetzung von vocalis. 
Ge. 373 Wurden sie dan do albeid ein red sagen . . . 

599) strecken baß: foltern, vgl. noch 4 Ee. n 3a Zeile 13 do 
streckt man jn die selten bas. 

605) hört keine von dessen Beden (Aussagen). 

606) behöret: die Zeugen <vernommen> ; auch vom Abhören 
der Schüler Geiler arb. hum. 13 b wen der schftlmeyster kumpt vnd 
wil sie behören. 

609) feiet nit: weicht nicht ab. 

610) angeleyt: so angelegt. Noch: ferner (hatte man Veranstal- 
tung getroffen). 

612) behalten, wie Nb. 97 c und mhd : vor Gericht eidlich er- 
härten. Sich behalten 220 aber : sich zurückhalten, an sich halten. 

615) Ge. 381 vnd sprach jr beyder do bystandt. 

617) vbemechtig: eigentlich, was nur eine Nacht lang, von 
einem auf den andern Tag dauert. Im 8. Buch von Vergils Aeneis 
317 schildert Euander die niedrige Kultur der Urbewohner Latiums 
neque componere opes norant aut parcere parte, was Murner nicht 
ungewandt wiedergibt : Die legten auch kein reichtumb zamen Nichts 
vbernächtigs wäre namen : sorgten nicht von einem auf den andern 
Tag. So auch Brant Ns. 70, 6. Zu V. 617 vgl. Sanders Erklärung: 
vergänglich, hinfällig. Schmeller, bayr. Wb. 2, 672 das hofleben . . 
als in dem alles ungewiss und übernächtig und stündliche gefahr 
zu bestehen (Zinkgräf 1, 133). Vgl. die oben S. 79 A. 3. aus der Vulgata 
angeführte Stelle bei Luther (Hieb 8, 9) : denn wir sind von gestern 
her und wissen nichts, unser Leben ist ein Schatten auf Erden. 

628) Jo, vgl. Gm. 981,. 4875. 

630) zu sagt ist a. d. Vorhergehenden das Subjekt Gott zu er- 
gänzen. 

630—631 Christen / mischen. Zum Reime vgl. Verg. Aen. HI 
ißt I vermischt, M. S. 668 ff. lyst ( ist, visch, 4 Ke. e 6 a ist / fisch ; 
k. 2 a list I fisch; Nb. 44, 39 f. list / fisch, 13, 68 f. gerist / tisch, 72 f. 
diebsch / liebscht. 

632) hebt vff: die rechte Hand zum Schwur! 

936) Schwert vff das : legt einen Eid darauf ab,* daß . . . 

643) vnuerscheydlich : ohne Unterschied, gleichmäßig. Scherz 
1865, Schmidt 383 unverscheidenlich. 

650) gelert: gelernt, erfahren. 

651) wol vberhört: die Klage genau geprüft. 

652) in dem grün dt: gründlich. 
666) vff hyn strecken : hinaufziehen. 

669) verhandlet, wohl noch in der mhd. Bedeutung: schlecht ge- 
handelt. Aehnlich 4 Ke. n 3 a Dz. sye verjahen alles das . . . Alles 
wie sye es misszhandlet hend. 

670) riefft (ruft) ab: ruft, man solle ihn herabnehmen. 



— 148 — 

671) vgl. Gm. 3455 Ach gnediger herr. laßt mich her ab ! 4 Ke. 
1. 6 a. Ach gott, rüfft er / nü lasszt mich ab . . . 

673) vgl. M. S. F la zft verantwurt kämmen. 

674) her ab her, pleonas tische, Murner sehr geläufige Form. 
Vgl. die von Spanier zu Nb. 27, 55 (hin durch hin) zusammenge- 
stellten Belege. 

675) einen Schreiber. 

680) ab mir: über mich, Nb. 90, 28 ab mir wollt schnurren 
(sich beschwerend Derselbe Gedanke. 4 Ke. n 6b er (Dr. Steffan) 
hatt . . . offlich kein kindlin nit geschediget. 

683) argwenig : verdächtigt, einer der Murner, dem Uebersetzer 
der Institutionen vnd Bearbeiter der Kaiserl. Stadtrechte, so geläu- 
figen Ausdrücke der Rechtssprache. Murner verdeutscj^t in den 
Institutionen, Basel 1519 suspectus: argwenig (Uhl, Exkurs zur 
Gäuchmatt S. 257); Nb. 13, 13; 4 Ke. a Ib Sant Thomas lere 
an -einem ort argwenig. 

684) mit geferd: ungerecht, hinterlistig. 

685) werd : werden. 
688) alß: als ob. 

693) vgl. 4 Ke. a 3 b wo . . . sye euch kein ader hettent lassen 
ston Ein noch der ander vß gerissen. 

695) gezogen =: wohl falsche Analogiebildung zu gelogen von 
züchen: zeihen (beschuldigen Nb. 21, 9; 43, 20), also statt gezigen. 
Aehnlich ist 399 dem Keime zu lieb die transitive Form feilen statt 
fallen gesetzt. 

703) den schmydt besten: überführen. 

705) 727, anmftten: zumuten Scherz 50. 

715) verniegen (1453 beniegen) : gabst du dich immer noch nicht 
zufrieden. 4 Ke. c 8a die predger hette kein vernüge. u. o. bei 
Murner (Schmidt 398). 

716) von erlügen ist heute nur das zum Adj. gewordene Part. 
Prät. erlogen in Gebrauch. 

723) u. 0. gesyn : gewesen. 

735) drechen : scharren, schieben, stoßen Scherz 1664, Schmidt 
358. Conr. v. Dankr.otzheim v. 316 dann triebet man kesten (Kastanien) 
in das für. In der gleichen Bedeutung wie oben : die Schande, Schuld 
auf jemanden schieben : Joh. Murner a 4b min ma vff mich wolt 
trechen Daran ich doch nie schuld gewan; b 3 a die Frau will 
«alles drechen \f£ den man>. 

740) b es tan: überwinden. 

748) ring: den kreisförmigen, von Schranken umschlossenen 
Kampfplatz, vgl. Schmidt 282, 5: Turnierplatz. 

749) glich gewer: gleiche Waffen, wie es im Zweikampf sein 
muß. Murner setzt gewer — waffen auch in der üebersetzung der 
Aeneis z. 4 b : zwei spießlin etliche mit in namen, oder sunst gewer. 

754) grosse weit: viel Volk, vgl. tout le monde. Scherz 1982: 
K. Albrecht sammelte eine grosse weit zu einer grossen heerfart. 

755) des ein endt : den Ausgang des Kampfes. 

757) ob zft lygen: zu siegen. 

758) es ging über seine Kraft. 

759) yn. gewan: überwand, wie mhd., vgl. Lexer. 

760) gweltig, mhd. neben gewaltec geweitig, Scherz 547 geweidig. 
775) gyndt : gönnt ihm Ehre vgl. gindt 823. 

777) Subjekt ist noch : der 771. 

785) schleipfft, mhd. sleipfen. 

786) das kott, mhd. das kot (kät). 

792) dar kumen: dahingekommen. 

793) euch das sy sahen: so daß sie auch die Bestrafung sehen 
konnten. 



— 149 — 

809) hangen: hängend. Zur Sache vgl. noch Ed. Osenbrüggen, 
Alamann. Strafrecht, Schaffhausen 1860, S. 88. Die hier geschilderte 
Strafe wurde noch am 26. August 1642 in Wien au einem Einbrecher 
vollzogen, der nach der Taufe wieder zum Judentum abgefallen war. 
Pawlikowski, Juden neben Christen I, Freiburg 1859, 888. Abbil- 
dungen bei Liebe, Judentum, S. 17 nr. 12 (Schleifen), S. 78 nr. 63, 
(Verbrennung am Galgen mit einem Hund), S. 104 nr. 84 (Schleifung 
und yerl)rennung am Galgen). 

Den 827 Versen der vorstehenden Murnerschen Fassung stehen 
in der Bearbeitung Gengenbachs 585 Verse gegenüber. Während 
Gengenbach vier einleitende Verse genügen, schickt Murner eine 
allgemeine und eine zweite besondere (47—66) Einleitung dem Be- 
ginne der Handlung voraus. Die 33. Strophe von Gengenbachs Lied 
(V. 521—535) entspricht den Schlußworten der Entehrung 820-827 
und 1507-1530. 

Für die folgende Murnersche Zusammenstellung jüdischer Ver- 
brechen habe ich als — allerdings durchaus unkritische — Stoff- 
sammlung das seltene und seltsame Buch von Constantin Bitter 
Choleva von Pawlikowski verglichen : Hundert Bogen über die Juden 
neben den Christen, von dem nur der I. Teil (57 Bogen) 1859 in 
Freiburg erschienen ist. Als Korrektiv gegenüber der Blutbeschul- 
digung kann dienen Hermann L. Strack, das Blut im Glauben und 
Aberglauben der Menschheit. Schriften des Institutum Judaicum in 
Berlin nr. 14, 8. A. München 1900. 

Zu den Versen 833-856 von der letzten Wegzehrung vgl. Bf. 
30, 60—63. Es ist das letste sacrament, daz ich entpfahe von des 
priesters hendt. das all sein krafft vnd all sein macht Das leiden 
Christi im hat bracht. 

833) verendret : verwandelt, 835 transubstantiert vgl. das andere, 
nicht theologische Fremdwort transformiert Gm. 588—595 u. 2632: 
Circe kan den mänen ir g estalt verendren, transformieren. 

839) die letz : als Abschiedsgeschenk. L. N. 106 das Testament. 
Das Christus hat zft letz gelon — am nacht mol mit den jungem 
thon. 

841—869) Vgl. wieder den Wechsel zwischen Singular (der crist) 
und Plural (sy 842. 845). 

847) berichten: mit der letzten Wegzehrung versehen. Nb. 64, 
29 ff. Treit man das heilig sacrament. Wo sy die lüt berichten wendt. 
So laufft der priester nun allein. Luther (Werke, Weimar II, 680 ff.) 
Wie sich ein Christ bereiten soll zu sterben, Druck T, Bl. B. 4 a 
zum 15. Welichem nftn die gnad vnd zeyt verliehen ist, das er beycht, 
absolviert, vnd bericht wirt, der hat wol groß vrsach got zft liebe . . . 

851) sich flißt: sich bemüht. 

852) daß es ihm an diesem Brote nicht fehle. Statt des Genetivs 
steht in der unpersönlichen Konstruktion an : Joh. Murner b 1 a 
wie bald mag einem dan zerrinnen — An IIb, eer, g&t, zeitlicher 
hab. Sonst braucht Murner das Verb persönlich z. B. Gm. 196 das 
mir all witz vnd sinn zeran. 

861) vff der stundt : sofort, sonst: zu stund. 

869) gschlechteklich : milde, Adv. zu geschlacht : glatt, sanft 
Schmidt 136), mhd. geslaht. Eine ähnliche Bedeutung hat schlechtlich. 
Nb. 92, 66 so schlechtlich by im (dem König) ston, Bf. 10, 42; als 
Adj. Gm. 64 ein schlechtlichs (einfaches) liedlin. 

871) kieles räch: kühle, laue, laxe Bestrafung. 

881) ganz ausreuten vgl. 1463 verdilket gar. 

883) In franckerich do: wo. 

885) gott im hymel ob : oben. 

887) mit großer Heeresmacht. 



— 150 — 

888) dar kummen dar : sich getraut, wagt hinzukommen, dar 
praes. (thar zu) getürren, türren, mhd. tar zu turren, Nb. 3, 99; 
40, 8 dem wolff kein ganü nit truwen thar, vgl. Spanier, Glossar 
zu Nb. S. 345. ' . 

890) Zu dem Kollektivum; der frantzoß vgl. noch Gm. 1846. 

897) sagen; in solchen Beden, Fiickreim statt: Sachen. 

899—900) gemeyn. all : allgemein, allesamt. 

902) geschendet: beschimpft; 919 vngeschendt ; bf. 20, 60. 

905) sie solten es uns doch genießen lassen, uns dafür dank- 
bar sein ... 

906) ziehen: ernähren. 

908) spatzieren gon Nb. 11, 57 gat spatzieren. Zur Sache vgl. 
Luther, Von den Juden und ihren Lügen 1543, bei Liebe, Judentum 39. 

909] abschelmen Gm. 1109 f. So gybt sy es wider vff der statt, 
was sy vor ab geschelmet hat. 

911) vber nütz Nb. 67, 13 über nutz. 

912j Sprech drütz*. geböte Einhalt, Nb. 27, 54, 71. Spanier zu 
19, 37. vgl. Schiller, Glocke 316 f. : jeder freut sich seiner Stelle, 
bietet dem Verächter Trutz. 

924) fry ledig : vollständig frei. Scherz 423 frey ledig liber & 
expeditus. 

925) behusen: euch bei sich wohnen lassen vgl. die Rechts- 
formel in der Acht erklärung gegen Luther: daß ihr L. nicht hauset, 
höfet, äzet, tränket noch enthaltet noch ihm . . . keinerlei Furschub 
beweiset, «owie Scherz 682 : husen und hofen. Pallas^ Gebet an 
Herakles per patris hospitium (Verg. Aen. X 460) übersetzt Murner 
i la mein Vater hat behuset dich: beherbergt. 

926) bezieht sich dies darauf, daß die Juden sich am Sabbat von 
Christen Feuer anzünden lassen, oder soll allgemein christliche Gut- 
mütigkeit gegeißelt werden, die für den Juden brennende Kohlen 
(«Kastanien aus dem Feuer») mit der bloßen Hand aus dem Ofen 
hole ? 

928) gon part. praes. 

933) anstatt; die, die im Himmel sind; der Dichter läßt anako- 
luthisch das Objekt zum von dechtnüß abhängigen Genetiv werden. 

934) ,doben : droben. 

939) (ihr) liegendt .das in üweren halß Gm. 3704 vgl. Spanier 
zu Nb. 90, 44 du lügst in hals hinyn. Zum Inhalt von 929—944 
vgl. Nb. 74, 43 f. 

953) ihr hättet allen Anlaß aufzuhören. Uebers. d. Aeneis Y 8 a 
des kriegs band sie vrsach vnd fftg. 

955) wolten (ihr). 

958) das ir nit diegen : Finalsatz, 2. plur. conj. praes., vgl. L. 
N. 563 thüen. 

965) f. verbrenet handt u. s. w. zu ergänzen : einen Juden wegen 
dieses Verbrechens. 

970) vß der mossen: über die maßen, völlig. 

974) 1470 deglich, 1465 deglichen : täglich. . 

976) sagt Ion : dankt. 

985—1010 Ueber den Berliner Hostienfrevel von 1510 enthält 
der Sammelband 905 der Michelstädter Kirchenbibliothek unijiittel- 
bar vor der «Entehrung» einen gleichzeitigen Druck. Klassert, Mit- 
teilungen über die Michelstädter Kirchenbibliothek, Programm 1902, 
S. 18, nr. 23). 

986) brocket yn: zu den anderen Verbrechen noch eingebrockt, 
hinzubegangen. 

988) verwürcket : verarbeitet verbacken. Zell bei Schmidt 405 : 
Ein Handwerker, der vil matery, tftch oder leder, zu verwercken hat. 

996) den anderen Teil (ihr) durchstochen habt. 



— 151 — 

1003) gicht = 1061 vergicht; Bekenntnis. Substantiv zu jehen, 
verjehen. 

1004) feit es vrab ein herly nicht : durchaus nicht, nicht einmal 
um Haaresbreite, vgl. 1058 nit vmb ein hör, 1111 gar nüt vmb ein 
hör, 4 Ke. D. 3 b jra (Alexander von Haies) sunst das gantze ior jn 
gsütheit brast (fehlte es) nüt vmb ein hör. 

1012—1027) Hostienfrevel zu «Sternenbach in Bayern» im Jahre 
1492. Hier zeigt der Verfasser wieder seine Kritiklosigkeit. An Stelle 
von Sternberg (Sterneberg) in Mecklenburg setzt er die Sternbachor 
Marienwallfahrtskirche i in der Wetterau (Oberhessen, Kreis Fried- 
berg, bei Wickstadt, Post Assenheim) und versetzt sie schlankweg 
nach Bayern, üeber den Sternberger Frevel handelte der Rostocker 
Jurist Nie. Marschalck : de hostia Sternbergensi anno 1492 confossa 
et cruentata (Joh. Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes I, 17. A., 460) 
und ein 1889 in Wien faksimilierter niederdeutscher Frühdruck des 
Mathias Brandis, Lübeck um 1492: Sterneberch. Vä den bösen ioden 
eyn gheschicht s. die Wiedergabe des Titels bei Liebe. Judentum 33.) 

1015) gefyret nit: nicht gefeiert, seid nicht untätig geblieben. 

1028—1066) Frevel zu Dockendorf (Deggendorf in Niederbayern 
im Jahre 1337 (Pawlikowski 636 Anm.). 

1033) wardt. gnfigsam : euch hat noch nie ein Christ heimgezahlt, 
wie ihrs verdient. Das Adj. von Lexer bezeugt. Murner, Uebers. 
von Verg. Aeneis V. 252 sqq. ob das nit gnftgsam wer villicht; 
ebenda Adv. genügsam danken. Subst. Nb. 77, 27 Vnser genügsam 
(Genugtuung für uns) ist von gott; Luther 4, 529 b wo gottes gnade 
in eim richter nicht wonet, so thüt er seim ampt nimer mehr gnügsam. 

1039) indische yt bf. 25, 19; 2, 23 f. Opffer | zehend, fleißig bet 
Die iüdischeit vor zeiten det. 

1044) inmym dicht: Gedicht, myn dicht SZ. IX a, 19; Nb. 97, 
14. 21 ; bf. 34, 52 darumb hab ich dis dicht gemacht. 

1045) do : wo, für den fall daß . . . 

1058) letzen: verletzen Schmidt 220. 2: Geiler: das du nit letzest 
an dem Stein deinen Fuß. 

1061) vergicht : Protokoll über ein Bekenntnis vor Gericht, Nb. 
23, 29; Gm. XXXVI des zunfft meisters vergicht. 4 Ke. 1. 6 a des 
brftders vergicht, n 3 b. Die confessat eüwer vergicht. Die wil ich 
yetzund sagen nicht. 

1062) u. 1377 kundtlich: notorisch, handgreiflich Scherz 843. 
1073) woren : der Sinn verlangt warum, vielleicht ist die 

Form mundartlich zu erklären aus worem = worum. 

1079) dieg(er), wie 1030 (ich) dieg vgl. Nb. 95, 100 ich lüg, 
wie ich im dieg, 11, 22 f. fragen, was der künig zu meilandt dieg, 
conj., praes. mhd. tüeje ; Adel C. 1 a (Voß, S. 12) thüg. 

1092) werren : in Verlegenheit bringen, ist wohl nur Flickreim 
statt wehren, üebrigens führt Scherz 1998 auch ein werren = wehren 
an. 

1099) dedter vnd die hulden : Missetäter und ihre Freunde (mhd. 
holden !) und Begünstiger. 

1105) cristem habe ich ebenso stehen lassen, wie 1207 hertzem 
leydt, 1330 christo jhesura zft schmach. 

1113) verstandt die meren baß: versteh die Erzählung besser. 

1121) mesten: mästeten. 

1134) erdödtet han : getötet haben s. zu 1460. 



1 Ueber diese bis 1803 dem Kloster Arnsburg bei Lieh gehörige 
Kirche und das ausgegangene Dorf Sterren (Sterrin)bach s. R. 
Adamy, Kunstdenkmäler d. Kreises Friedberg, Darmstadt 1895, 284 - 

287. 



- 152 — 

1137) Josephus will die Sache nicht gestehen, zageben. 

1139) in Wirklichkeit nur 2 Bücher. 

1142) öflich, 4 Ke. 1. 4 b heimlich, öfflich an allen orten . . . 
Nb. 69, 17. 

1152) geloub: glaube. 

1155) kindt (zu ergänzen : opfern !) 

1157) sich ir weren : sich ihrer erwehren. 

1165) on letzung! ohne Schaden zu nehmen, L. N. 4 niemans 
zu letzung (zu Leide !}. 

1167. ir findt blftt : ihrer Feinde Blut. 

1168) des alles das : alles dessen. 

1170) des: deshalb. 

1173 ff.) Aehnlich der Gießener Pfarrer Georg Nigrinus im 
Judenfeind (1570) Bl. 10 (B. 2a) V. 9-12 Vnd hettens Volk vnd 
Heeres macht, Wie sie begeren Tag und Nacht. Sie würgten vns 
alle wie tolle Hund. Kein Christen Hebens eine Stund. 21 f£. Da- 
rumb hüt dich vor der Juden schar Ebe wie vor dem Türkisch 
Hund, An in taug weder Haut noch Haar . . . 

1189) werd: werden, wie 685. 

1200) der iud in sunderheit vgl. Bf. 21, 31 f. Der Christ dftt das 
in Sonderheit, das er sein doten erlich leidt (bestattet : ... 35, 33 f. 
Des solt du vnß gemessen Ion, Ach kaiserin in sunderheit. 

1214 u. 1238) vgl. Verg. Aen. VII als dan ein zornig frawe tut. 

1217) könnte er den Christen besser schaden, so täte ers. 

1227) hiltzen : hölzern, vgl. Schmidt 178; hültzin thron, Verg. 
Aen. a 7 a, hültzin spießlin VII., hülzen tafeln Ns. 110 b, 91. 

1241) hatt: entweder kühne Bildung für habendi, j) der springt 
der Dichter in den Singular über; (der Jude) ... in Ehren hält. 

1243) einverstandt : conscius, der um die Sache weiß. Zur Form 
vgl. Ns. 73, 74 u. SZ. 14, 34 Üerstanden lüten wurt geprediget 
(verstehenden). 

1244) sy gsyn : gewesen sei. Wegen Spaniens vgl. Strack, S. 174. 
1250^ begang: begehe. 

1253) matz kftchen : ungesäuertes osterbrot, Schmidt 236, heute 
noch Matzen (Mazzoth). 

1256' versiendt : sonst Bf. 9, 51; 13, 67; 34, 95 versöhnt, hier 
wohl Flickreim statt versenet, mit Sehnsucht erfüllt, so zu tuen 
(Scherz 1773 versenet, versent desiderio tactus, Maness. Hs. «mit 
versentem mut»). 

1257) diendt 3. plur. conj. praes. zu tuen, wie Nb. 35. 24. Ist es 
recht, das sy das dient? (aber 35, 16. Ee sy das gftt verdiegen gar); 
als 1. plur. SZ. 19, 22. So wir nit ej^ner (Pfründe) verniegeu diendt ; 
3 plur. Adel F. 4 b iVoß S. 35) das die vndern das thügen. 

1259) vgl. SZ. 18, 13 f. Du vnd der boß findt Mit hohem eidt ver- 
pündet sind. 

1262) Es bhalt : hält, hält ab, hält zurück, fürdt : fürder, in Zu- 
kunft, beständig. 

1263) Christen: Christ, mhd. kristen. 

1264) deyfPen lat : taufen läßt; heutige Straßburger Aussprache. 
Nb. 2, 42 Soitstu dyn narren teüffen Ion. 

1267) vgl. 430 man schanckt ims nit: man würde es ihm nicht 
schenken, verzeihen, wie Gm. 5165. Er (Christus» wurdts yn (den 
Schändern von Klosterfrauen) worlich schencken nicht. Man beachte 
den Eückumlaut des schwachen Präteritums von schenken und das 
Unterbleiben des Umlautes bei der Bildung des Konj. Prät.. wie 
oben 524 sandt. Zar Form vgl. Gm. 5008 schandtfei : schändete; 
Nibelungenlied (Bartsch) Str. 1668, 3 win schenken, Str. 504, 1 man 
schauet im lüter tranc. 

1275) der recht blüt hundt, Anakoluth: er ist . . . In der Schrift: 



-^ 153 - 

<0b der Künig vß England ein lugner sei oder der Luther» nennt 
Mnrner Luther einen «wütenden und rasenden Bluthund». 

1278) Murner bevorzugt die männliche Form: der schlang Nb. 
56, 31 ; 57, 73 ; L. N. 81 ; Bf. 7, 17 ; 16, 22. - Der gere : Schoß, 
besonders der vordere Teil des weiblichen Kleides von den Hüften 
abwärts. Ns. 33, 91; 77, 25; Gm. Uhl S. 40 Geschworne Artickel, 12 
(e 4 a) onch sol er ir die aglin vß de geren schütteln. 

1279) der im syn gifft nit lasset weren. Vgl. Uebers. Verg. Aen. 
Vn, 752 ff. Umber, . . . der die schlangen kund beschweren vnd 
irem zom vnd giffte weren. 

Nach Pawlikowski 180 beruft sich Thomas Oantipratanus für 
das Auslosen des Ortes, dessen Gemeinde Christenblut zu liefern 
habe, auf das Zeugnis eines gelehrten Konvertiten. Dies ist wohl 
auch die Quelle für V. 1243 ff. Vgl. Strack, das Blut, 194—196, der 
195 f. die Stelle aus dem Bonum universale de apibus II, 29, § 23 
(Douay 1627, 304 f.) des Thomas von Cantimprä (f um 1263) aushebt. 

1289) erstockt = ersteckt : zum Ersticken gebracht 4 Ke. 1. 5 a 
das groß geschrey zu Bern mit sweigen (würde) gäntzlich ersteckt. 

Zum Wechsel zwischen o und e vgl. oben 41 verstecket = ver- 
stockt. Schmidt 90 führt aus Zell e 2 a an : das ir hertz erstocket 
ist; r. 2b steht dieselbe Bibelstelle, aber «ersteckt» statt erstocket. 

1290) guffen: Stecknadeln oder Fibelnadeln. Verg. Aen. k. 8 b, 
z. 8 b. (Vn Camilla war) ir kleidung an der axel fein mit gülden 
guffen gbunden ein. . Zur Sache vgl. das Bild aus Schedels Chronik 
zum Jahr 1475 bei Liebe, Judentum S. 20 Nr. 15. 

1292) vgl. 1295 fingen auf. 

1296) syn ermly vß gespreyt : seine kleinen Arme ausgebreitet. 
Schmidt 389. 

1298) gespannen: die mhd. starke Form, Schmidt 331 führt nur 
das praet. an : als ob einer ein armbrust spien. Brunschwig, Buch 
der Chirurgie 1497, 97 a. 

1305) hielten einen fryen mftt: waren gutes Muts, guter Dinge, 
hielten eine Lustbarkeit Nb. 35, 50 und üeberschrift : mancher halt 
ein fryen müt. Das nympt er von der heiligen gut. 

1321) Vgl. oben 1270-1275. Aehnlich Luther: Von den Juden 
und ihren Lügen (1543), angeführt bei 0. Frankl, S. 41. 

1363) gliegenden; glühenden. 

1365) nie, ironisch, wie die folgenden Verse zeigen. 

1367) rört : vergießt, abzapft. Tränen rören, verrören Nb. 6, 69 ; 1, 9. 

1368) dynen (115 dyn): drinnen, Gm. 4347, dynn; aber Entehrung 
79 dryn: hinein. 

1375) ysenen : eisernen, vgl. mhd. isenin, isnin, Scherz 742 f. 
isen gewant, isenin ferreus. 

1376) har, Flickreim, vielleicht soll es Adv. sein zum mhd. Adj. 
har: herb, aspere. 

1380) Für die Geschichte Simons von Trient (1475) und des 
Knabenmordes in Friaul hat Murner offenbar die deutsche Ueber- 
setzun^ der Chronik Hartmann Schedels (Nürnberg 1493; benützt. 
Man vergleiche zu 1372 f. u. 1356 ff. über fünff jar darnach (nach 
1475) in Älota in Foriaul., darurab warden der täter diser missetatte 
drey gefangen vnd gän Venedig in dye stat gebracht . . . Das la- 
teinische Original hat a p u d Mottara oppidura . . . fori iulii, was 
eher mit der Angabe gleichzeitiger Flugschriften zu vereinbaren ist, 
in denen Porto buffoletto als Tatort genannt wird. * 



^ Federici, MemorieTrevigiane sulla tipografia del secolo XV. 
Venedig 1805, S. 92 f.: c) Martyrium Sebastiani Novelli trucidati a 
perfidis Judaeis, verfaßt von Georg Summaripa aus Verona, Treviso 



L 



— 154 — 

1393 0. 1454) heißen uns lügen, sagen, wir seien Lügner, s. 
Spanier zu Nb. 95, 92 ; vgl. auch 1353 einen lügen lassen. 

1395) anliegen: Scherz 49 de aliquo mentiri : sie zeihen uns 
der Lüge. 

1422) kurtzlichen : brevi, bald. 

Ueber Simon von Trient vgl. Strack, das Blut, 126—131, über 
Wilhelm von Norwich (f 1144) denselben S. 125; der Fall bei Motta 
im Friaul, von Strack übersehen, wird nach Schedels Chronik von 
Pawlikowski 187 u. 679 verzeichnet. 

1425 if) Die Beschuldigung der Brunnenvergiftung durch die 
Juden taucht zum letzten Mal bei Gelegenheit des großen Sterbens 
1348 und 1349 auf. Wenn hier Murner, auf sie fußend, die Verfolgung 
der Juden fordert, so zieht er sich dadurch auf Grund der Bulle 
Clemens' VI. vom 20. Sept. 1348 die Strafe der Exkommunikation zu. 
Vgl. Strack 197. Dieser Tatbestand hat vielleicht für die Einziehung 
der vorliegenden Schrift durch die weltliche oder geistliche Behörde 
den Ausschlag gegeben. 

1453) londt sich nit beniegen : lassen sich nicht zufriedenstellen, 
geben sich nicht zufrieden. Vgl. die Beispiele bei Schmidt 29, der 
übrigens die falsche Erklärung gibt : benügen = sich begnügen. 

1459) mörderyen: Mordtaten. Metzeleien, vgl. Haderei (fränkisch: 
Streit) bei Grimm d. Wb., Schmidt 344 mörderige (mörderey) : Mord. 

1460) erdoedten (1360 erdoedt: getötet, Murner, Papsttum B. 1 b 
den die sie (die marteler : Märtyrer) erdoedten: töteten. Gm. 23.53 
erdoedten Inf. Präs.), steht dem Keim zulieb abwechselnd mit er- 
morden (1361, 1449\ das Murner (z. B. Bf. 5, 42—47 der schecher. 
zfthand ward also rein — als er ermordet hette kein) neben der 
Form ermorden (oben 226 ermort) anwendet. 

1463) handt erdoedtet, kühne Wortbildung für : haben Gift ge- 
mischt, um uns zu morden. 

1464) verdiiget gar: vollständig vgl. 881 und abdilcken Gm. 
422 f. 

1473) mecht man, Konj. Prät. : machte man doch. Wie hier, 3. 
Sing. L. N. 618 damit man vffrürig mecht allein, 2. Sing. Nb. 2, 21 
das du vß wisen narren mecht: machtest, 3. Plur. mechten L. N. 
645. Vgl. Lauchert, Alemannia 18, 152. 

1477 iomer : Jammer. Schmidt 184 iomerig : iammernd. 

1479) Albrecht II. 1438(39 war ein eifriger Judenverfolger. 

1488 ff) beziehen sich wieder auf die Bekenntnisse des falschen 
Pfefferkorn, die 1514 als Flugblätter die weiteste Verbreitung fanden.^ 
Der wahre Joh. Pfefferkorn sagt in seiner Beschyrmung 1516, jener 
in «Maydburg* (Magdeburg, statt: Halle!) verbrannte «Pfaff Eapp» 
sei weder ein getaufter Jude noch Priester gewesen, «hielts mit 
Juden und Christen, pflag wider Juden zu predigen, pflag von Frank- 
furt nach Meiitz auf dem Markschiff zu fahren.» Vielleicht hatte ihn 
Murner auf der Fahrt von Mainz nach Frankfurt (Bf. 5, 10) kennen 
gelernt und einen Widerwillen gegen den Menschen gefaßt. 

1497) dick: oft, Nb. 90, 20. Ich hab offt selbs vnd dick gepi^diget, 
Do ich mit wissen nieman schediget; Noch hab ichs offt vnd dick 



1480. d) Enarratio sententiae latae a sereniss. Venetorum Imperio 
in inüdos Judaeos patratores atque participes Martyrii Beati Sebastiani 
Novelli in Portubuffoletto Tarvisano trucidati, Treviso 1480, von 
Summaripa dem Bischof Jacob Zeno von Padua gewidmet. 

1 Im Katalog 22 Nr. 206 des Antiquars J. Halle (München) wird 
das Doppelblatt angeboten : Die geschieht vad be | kentnuß des ge- 
taufften Juden zu | Halle, vor sant Moritzenburgk auff dem Juden 
Kirchoff / mit glüenden zangen gerissen, darnach gepraten. 



- 155 — 

entgolten. Adel K. 3b (Voß S. 56) die vnbesunnen eyl ist dick ein 
möter der irrung; vgl. Schmidt 64. 

1500) leugken, 721 leugknen, Schmidt 227 lougen, lenken, leuknen. 

1503) alß : alles. 

1505) was sie behaupten. 

1521) bntet, bütet, beut : bietet ; Lexer fährt büten als md. 
Nebenform za bieten an. 

1522) und der seinen Lohn hat. — im hymel ob Gm. 618. 
1526) solche stuck : Sachen, Schelmenstücke. Nb. 36, 31 die bösen 

stuck; Gm. 608. Was meister stuck wir wyber künnen; 3948 das 
böse stuck hab ich gethon. nym (nüm, nimme, nimmen Schmidt. 256) : 
nicht mehr. Nb. 43, 51 Das ir bezalung nym kint hoffen, Gm. 416, 
4345 nym, 459 nüm, SZ 48, 25 nymmen. 

1528) rechten mhd. rehten: vor Gericht streiten. 

1529) kleinoet: Kleinod, Kön. v. England 896 ein kostliches 
kleinat. L. N. 125 das kleinet. 

Zu 1104 ff. findet man zahlreiche Parallelen bei 0. Frankl, a. 
a. 0., 133—138. 

Seite 110 ist in V. 12 nach Bf. 33, 22 zu bessern großes 
wunder. 



VII. 



Beiträge 



von 



Johannes Bolte (Berlin). 
1. Die beiden Nebenbuhler zu Colmar. 

Flugblatt aus dem Jahre 1622. 



D 



en folgenden gereimten Schwank fand ich im Herzog- 
lichen Museum zu Braunschweig auf einem Folioblatte, das 
keinen Druckort nennt und ebensowohl in Straßburg oder 
Speier wie in Augsburg oder Nürnberg entstanden sein kann. 
Vielleicht bewahrt das Colmarer Stadtarchiv noch eine Notiz 
über den hier genannten Meister Ludwig Kleiner auf und 
liefert so eine Stütze für die Glaubwürdigkeit der Geschichte. 
«Schneidrischer lust vnd Buhlerstücklin, so sich kurtz ver- 
schiener tagen dieses nochla«ffenden jahrs zu Colmar im Elsaß, 
in gegenwart eines Apoteckers Gesellen eigentlich begeben vnd 
zugetragen hat.» [Der unter dieser Ueberschrift stehende Kupfer- 
stich zeigt den nackt in einer Badewanne eingeschlafenen 
Schneider, um den sich die Menge auf dem Markte drängt.] 

Hort Wunderding ! Was do, was do ? 
Von einem stoltzen Schneidrio 
und einem Apoteckersgselln 
Wir etwas news erzehlen wöUn, 
5 Ein wahre Gschicht, welch dieser Tagen 
Sich eigentlich hat zugetragn 
Im Elsaß einer Statt bekant. 
Ist weit berftrabt, wird Colmar gnant. 

In diser wolbekandten Statt 
10 Es zimlich viel zu Löfflen hat. 



j 



- 157 — 

Darinnen wohnt ein reicher Schreiner, 
Mit Namen heist er Ludwig Kleiner, 
Der het ein Tochter, hieß Mari, 
War schön und hftfosch, versteh mich hie. 

i& ümb diese buhlt ein Schneiderknecht 
Und ein Apteckr, versteht mich recht. 
Als diese beyde nun allein 
Deß Abends bey dem Monenschein 
So wohl Nachts, da es finster war, 

2« Kamen zu dieser Jungfraw dar 
Und trafifen ofiffc einander an, 
Hört, was der Schneider hat gethan ! 
Dann er gewiß ein rechter Kundt, 
Erdacht derhalben diesen Fundt, 

85 Wie er den Apoteckers-Gselln 

Möcht schamrot machn, in Schand [stelln], 
Ließ derhalbn offt heimlicher weiß 
Einen streichen mit sonderm Fleiß, i 
Die Jungfraw roch diesn Gstanck offt sehr, 

^ Sprach: Wo kompt dieser öruch nur her? 
Der Apotecker sprach mit Zier : 
Hertzliebster Schatz, er kompt von mir. 
Dann er vermeint, die Jungfraw sehr 
Riech den Geruch, damit er wer 

3^ Den gantzen Tag stets mit umbgangn, 
Wust nicht, daß einer wer entgangen 
Dem Schneiders-Knecht, welchs gleicherweiß 
Er offt gethan mit allem Fleiß. 
Die Jangfraw zwar wüst es auch nicht, 

*^ Daß ein so arger Böß wicht 

Der Schneider wer, und glaubts wolan. 
Der Apotecker habs gethan 
Und thets ihr nur zu Spot und Schand. 
Der Schneider drauff Gunst bey ihr fand; 

^ Dann er auch wol bewaschen zwar. 
Auch ein rechter Fatzvogel war, 
Gab immerdar viel Eätzel auff; 
Der Apotecker lösts ihm stets auff, 
Einsmahls der Schneider sprach gar schnell: 

50 Was heiß[t] diß M. L M. D. L. ? 
Der Apotecker sprach : Zu Zeitn 
Kan man es wol und Abel deutn. 
Der Schneider, sprach: Es muß so seyn: 
Mari Ist Mir Die Liebst allein. 

^ Der Apotecker sprach zur Stundn: 



1 Eine noch drastischere List, einen unbequemen Nebenbuhler 
in üblen Geruch zu bringen, schildert ein verbreiteter derber Volks- 
schwank in der Zeitschrift d. V. für Volkskunde 14, 432 (1904) : 
«Der Schweinehirt und die Königstochter». 



— 158 — 

Ich hab darin was änderst gfundn; 
Ließ hinder sich, dich wol besinn: 
Leck Da Mari Im Marß darin! 
Was wolt der gute Schneider machn ? 

^ Er must deß Rücklesens selbst lachn. 
Der Apotecker merckt zuletzt, 
Das ihm der Schneider eins het versetzt 
Und bey der Jungfraw ghawen ein, 
Abr er achtets gering und klein. 

'A Als die Zeit bald verflossen gar 
Und der Schneider ein Breutgam war, 
Gieng er ins Bad in solchen Dingn, 
Wusch sich, daß er nicht möcht zubringn 
Ein grindichtn Schneider seiner Braut, 

■^0 Ließ zwagn und waschen seiu[e] Haut, 
Daß er so plarricht nit möcht sehn, 
Die Blatern nit vol Eyter stehn. 
Daß man ihn möcht dort besser zwagn, 
Leßt er Wein in die Badstub tragn, 

'* Trinckt mit Bader und Baderknecht, 
Sitzt in ein Wann (versteht mich recht), 
Seufft sich blind voll, schiäfft gleichergstalt. 

Der Apoteckr erfährt es bald, 
Der kompt, legts mit dem Bader an, 

80 Bestellt darauff zwen starcke Man, 
Die tragen in fein seuberlich 
Mit sambt der Wann (verstehet mich) 
Auff einer Mistbaren gar argk 
Mitten in die Statt hin auff den Marck. 

w Da setzen sie ihn fein sanfft nieder, 
Seins Wegs gehet wiederumb ein jedr 
Und lassen ihn auch allda sitzn, 
Es mag ihn friern oder schwitzn. 
Als er da steht ein kleine Weil 

öo Mit sambt der Wann, da kombt in Eyl 
Viel Volck, Mann und Weib, jung und alt, 
Jedr wolt gern sehn den Schneidr bald. 
Der Ludwig Kleiners Tochterman 
Solt werden auff dem Thomasplan. 

w Als er von dem Getümmel erwacht, 

Sagt er: Ey, hat dich dann Bocks Macht 
Mit sambt der Wann hieher getragn! 
Mich deucht, das heist gebat, gezwagn. 
Gleichwol waren noch etlich Leut, 
100 Die groß Mitleiden dieser Zeit 

Mit diesem plarrichten Schneider hettn. 
In dem thet einer hinzu trettn, 
Derselb liech ihm ein Mantel bald. 
Drein wickelt er sich gleichergstalt, 
105 Verbarg er sein Angesicht gar; 



— 159 — 

Man sach doch, daß der Schneider war, 
Der Meister Ludwigs Tochter solt nemn. 
Der gute Schneider thet sich schemn; 
Diß thet ihm aber noch mehr Zorn, 

^^^ Die Jungen iieffii hindn und vorn, 
Schrien, spotten, verlachten ihn. 
Also der Schneider zog dahin. 
Die gute Mari zu der Stett 
Hundert Thaler drumb geben het, 

115 Daß sie Bocks Lebr mit gutem Wissn ^ 
Mit diesem Schneider nicht het beschissn. 
Abr es halff nichts, es war geschehn, 
Sie must mit dem Schneider zu Kirchen gehn 
Und muß itzt helffen Hosen Aickn, 

^^^ Sich auch in seine Weiß recht schicken. 
Also habt ihr kurtzlich vernommn, 
Wie ein Schneider in einer Summn 
Zu Colmar ein Schreiners Tochter bekomn. 



Gedruckt im Jahr Christi, 1622. 



2. Ein Bildergedicht Moscheroschs. 

Dem von Erich Schmidt (Zs. f. dtsch. Altert. 23, 79) 
abgedruckten «Köpffkram» Moscheroschs, über den ich oben 
13, 165 gehandelt habe, möchte ich ein weiteres 'Bildergedicht 
dieses Autors anreihen, das die Königliche Bibliothek zu Berlin 
besitzt. Es steht unter einem von dem Straßburger Peter 
Aubry (1596 — 1660) gestochenen, 22,3 X 31,2 cm großen 
Kupferstiche, dessen fehlenden Titel man etwa ergänzen könnte : 
(üDer Tod des reichen Schlemmer sj», und der sich 
offenbar an mittelalterliche Darstellungen des sterbenden Men- 
schen * anlehnt. Rechts sieht man den verzweifelt die Hände 
hebenden Schlemmer in seinem Himmelbette liegen, hinter 
dessen Vorhängen der Tod m^t einem Kopfputze von Pfauen- 
federn, zwei Teufel mit Schweinshaupt und Rüben köpf und 
ein Engel hervorlugen. Links deutet der von der weinenden 
Frau und Tochter und einer mit gefalteten Händen dastehenden 
Magd umringte bärtige Arzt auf den Tisch mit Schüsseln und 
Trinkgefaßen (als die Ursache der Krankheit) hin. Darunter 
stehn die Verse : 



1 Stricker, De düdesehe Schlömer, hrsg von Holte, 1889, S. *15. 
Lahrs, Jahrbuch der k. preuß. Kunstsammlungen 11, 161 (1890). 



— 160 — 

Nun hat sich recht daß blatt gewendet. 

Ein Narr hätt Leib vnd Seel verpfändet, 

Eß müßt der Beiche Seelig sein. 

Aber Schau da, was Noht vnd Pein! 
5 Vnd sieht man wohl an den Geberden, 

Was für ein Tranckgelt ihm soll werden. 

Da Schweben Ihm vor seinen Augen 

Todt, Teuffelß-Larven, Schwein vnd Pfäue, 

Die all ihn zur Verzweiffelung 
10 Vnd ewigen Abpeinigung 

Grausam Verängstigen vnd quelen 

Vnd ihm das Vrtheil her erzehlen. 

Wie Vber-köstlich thewre Sachen 

Must man dem Losen Schlucker mache! 
1^ Doch hilfft es alles nicht ein haar, 

Vnd wann er auch könt tausent Jahr 

Von Doctor Hippocras erkauffen. 

Der Höh wird' er doch nicht entlauffen. 

Fort ! Fort ! du wirst den Lohn empfangen 
'0 Vnd für [dein Näjrrisch Thun vndt prange 

Hin [geh]en ohne Hülfif und Trost. 

Dan[n wer] den Armen von ihm stost, 

Der muß nach solchen Schlämer Jahren 

Verstössen zu dem Teüffel fahren. 
*5 der verdampten Gastereyen, 

Da man mit Wälschen Schleckereyen 

Offt grosser Gut in kurtzer Zeit 

Verschwendet, als sonst tausent Leüt 
%Sich in der gr Osten Noht zu Laben 
80 Nicht in eim Jahr zu hoffen haben. 

J. M. Moscherosch. 



VIII. 



Johannes Zschorn von Westhofen. 

Ein Beitrag zur elsässischen Literaturgeschichte des 

sechzehnten Jahrhunderts. 

Von 

Wilhelm Teichmann. 

JJie Fenster im nördlichen Seitenschiff des Straßburger 
Münsters schmückt eine Reihe von Kaiser- und Königsbildern 
aus dem 43. und 14. Jahrhundert. Wer sie aufmerksam be- 
trachtet, den stören einzelne Stellen inmitten der Farbenpracht : 
Stellen, an denen Beschädigungen der leuchtenden Bilder mit 
nichtssagendem weißen Glas ausgebessert worden sind. Viel- 
leicht ist es nur eine kleine Verzierung, ein nebensächlicher 
Zug, welche so weggefallen sind, aber sie fehlen, wir ver- 
missen sie, und wüßten dem Dank, der das Bild auch in dieser 
Kleinigkeit ergänzte. 

Eine Arbeit solcher Art wollen die nachfolgenden Zeilen ver- 
suchen. In dem großen Bilde des literarischen Lebens am Ober- 
rhein im 16. Jahrhundert ist es aii sich eine nebensächliche 
Einzelheit, daß um 1560 ein Diakonus und Schulmeister zu 
Westhofen im Elsaß sein Kaiserbüchlein gedichtet und die 
Aethiopica Historia übersetzt hat. Sein Name steht in der 
Series diaconorum von Westhofen, und wer sich mit dem be- 
rühmten Roman Heliodors von Emesa beschäftigt, erwähnt auch 
wohl, daß Johannes Zschorn die erste Uebersetzung in unsere 
Muttersprache geliefert hat. 

Die allgemeine Literaturgeschichte hat ihre Schuldigkeit ge- 
ll 



— 162 — 

tan, wenn sie den Namen nennt. Für den Freund der elsässi- 
schen Literatur darf es kein leerer Name bleiben. Das Straß- 
burger Münster ist und bleibt das bauliche Wahrzeichen des 
Elsasses. Aber es tut seinem Ruhme keinen Eintrag, wenn man 
heben ihm die vielen schönen gotischen Kirchen landauf, land- 
ab nicht vergißt und schließlich auch der Martinskirche zu 
Westhofen mit ihrer alten sehenswerten Ghorverglasung ge- 
denkt. So beabsichtigen wir nicht, unserm Johannes Zschorn 
einen Platz in der ersten Reihe der literarischen Berühmtheiten 
des Elsasses zu erkämpfen. Darf er aber nicht neben Sebastian 
Brant, Thomas Murner oder Johann Fischart treten, so doch 
nebei) Hieronymus Boner oder Matthias Holtzwart. Einer muß 
in einer solchen Reihe der letzte sein, aber er gehört hinein, 
sie wäre unvollständig ohne ihn. So darf die elsässische Lite- 
raturgeschichte unseres Erachtens Zschorn nicht übergehen. Er 
selber hat bescheiden über seine Leistungen gedacht. Schließt 
er doch die Aethiopica Historia mit den Worten : 

Weichers yetzt besser machen kan 
Dem günn Ichs gern nur dapffer dran. 



1. Biographisches. 

Was wir über Zschorns äußeren Lebensgang anführen 
können, ist bald gesagt. Seinen Geburtsort gibt er selbst an : 
er nennt sich «Eylenbergensis» oder «Eylenberger», stammt 
also aus Eilenburg in der Provinz Sachsen, damals zu Kur- 
sachsen gehörig. In dieser Stadt ist der Name der Familie 
gut bezeugt. Jeremias Simon, Eilenburgische Chronika 1696 
führt unter den Beamten der Stadt S. 435 den Kämmerer Hans 
Schorn anno 1572, S. 443 den Rats- Verwandten David Zschorn 
1599 auf. Die Kirchenbücher i beginnen mit dem Jahre 1548 
und enthalten mehrere Einträge über die Familie Zschorn. Auch 
der Name Johannes kommt vor. Unser Zschorn kann nie damit 
gemeint sein, da er, wie wir sehen werden, 1548 seine Vater- 
stadt schon dauernd verlassen hatte. 

Urkundlich festgelegt sind nur die letzten Jahre seines Lebens 
durch das Pfarrbuch der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, jetzt im 
großherzoglich hessischen Haus- und Staatsarchiv zu Darmstadt. 2 



1 Gefällige Mitteilung von Herrn Kirchenbachfahrer Weniecke 
in Eilenbarg. 

2 Herausgegeben von Kiefer 1890 s. dort S. 335. — Herr 
Direktor Dr. Schmidt in Darmstadt hat die Güte gehabt, die Stelle 
noch einmal für mich zu vergleichen. 



— 163 — 

Dort ist Fol. 159 seine Ernennung nach Westhofen und sein 
Tod verzeichnet.! 

Weitere archivalische Nachrichten anzuführen sind wir nicht 
in der Lage. Das Gemeindearchiv von Westhofen enthält aus 
dem 16. Jahrhundert nur einzelne für unsern Zweck belang- 
lose Trümmer von Urkunden. Die Kirchenbücher und Rech- 
nungen des Amtes Balbronn-Westhofen für jene Zeit sind nicht 
mehr vorhanden. Gehen wir also dazu über zusammenzustellen, 
welche Aeußerungen über seinen Lebensgang sich in Zschorns 
Werken fmden. 

In der Vorrede zur AeH vom August 1559 schreibt 
Zschorn seinen lieben Vettern, dem würdigen vn wolgelerten 
Herrn Bartholomeo und Ersamen Hansen Zschornen« gebrüdern, 
wohnhafft zu Eylenburg: 

«ich hab euch in 25 jaren oder lenger wenig wasser betrübt 
dieweil ich ausserhalb meines vatterlands darzu zimlich weitt in 
fremden Natione, meines leibs narung vnd wohnnng gesucht, haben 
wir wenig bottschaft vnnd freundschafft zusame suchen können.» 

Aus diesen Worten gewinnen wir die Zeit seines Weggangs 
aus der Heimat. Gegen 1534 hat er Eilenburg verlassen. 

Hiermit verbinden wir, was er über seine jungen Jahre 
sagt in der Vorrede zur ersten Auflage des Kayser-Büchlin. Hier 
schreibt er dem «ErnhafFten Fürnehmen Jonas Graner, burger 
zu Straßburg, seinem insonders lieben freundt vnnd günner» : 



1 Westhoven. Schulmeister so von gemelter Zeitt zu Westhoven 
gewesen. 

1. Joannes Schornn ist Anno 1556 dahier zum Schulmeister an- 
genommen, und ime für seine jarliche Competentz geordnet worden. 

An Gellt 30 gülden 

An Korn 10 Vierthell 

An Wein 3 Fueder 

von Sigristen Ampt. 

und 1 fueder vom Meyer des hohen stiffts von der Oberkirchen 

wegen. 

2. Christophorus Lasius ist nach absterben dieses Joannes Schorn 
so im Augusto Anno 1560 mit todt abgangen volgendts umb Michaelis 
gemelts jars dahien bestellt. 

« Bartholomäus Zschorn ist in W. S. 1532/33 in Wittenberg im- 
matrikuliert und ebenda am 24. November 1540, nachdem er des 
Christoph v. Eanitz zu Talewitz Kinder-Präceptor gewesen, zum 
Pfarramt gen Mörtitz, Diözese Eilenburg, ordiniert worden. S. 
Album Academiae Vitebergensis ed. Förstemann I 1841 und 
G. Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch I, 1894, S. 16. — 
Als Bartholomäus Tzschorn steht er unter den Unterzeichnern der 
Xonkordienformel aus der Superin tendentur Eulenburg. Das Eilen- 
burger Kirchenbuch berichtet seinen Tod als Pfarrer von Gruna bei 
Eilenburg am 30. Dezember 1579. — Sein Bruder Hans kommt 
1548—1569 im Kirch^nbuche vor. 



— 164 — 

cNachdem wir vor etlich jaren als jange gesellen kundschafft 
zasammen gehabt vnnd sonderliche freundtliche gesellschaft in 
Musicalischen Instrumente, Auch fechten vnd anderen holdtseligen 
vbunge (so gut wirs dann köndt haben) Welche jungen gesellen 
baß anston dann schlemmen vnd themmen . . . aber doch zuletst 
von einander zertheilt worden» u. s. w. 

Die Zeit dieses Zusammenseins läßt sich annähernd berechnen. 
Von zwei gleichzeitigen Trägern des Namens Jonas Graner hat 
einer am 26. Januar 1558 ein Söhnlein taufen lassen ^ Da als 
Göttel Aurelia, Andreas Graners Hausfrau, angegeben ist und 
der Vater von Zschorns Gönner laut Vorrede zum KB Andreas 
hieß, dürfen wir ohne Zwang in der Patin die Großmutter des 
Täuflings und in dem Kindtaufsvater denselben Jonas Graner 
sehen, welchem KB gewidmet ist. Das Kind war, als es getauft 
wurde, neun Jahre alt, war also 1548— 1549 geboren. Lassen 
wir für allerhand Möglichkeiten einen Spielraum von mehreren 
Jahren, so werden wir immerhin sagen dürfen, daß die Zeit, 
da Jonas Graner und Johannes Zschorn als junge Gesellen zu- 
sammen waren, ungefähr nach 1540 anzusetzen ist. Zschorn 
war also, als er 1534 Eilenburg verließ, noch jung. Da er, um 
seines Leibes Nahrung und Wohnung zu suchen, kein Kind 
mehr gewesen sein kann, dürfen wir die Jahre um lö20 mit 
einem Scheine des Rechts für seine Geburt in Anspruch nehmen. 

Was er freilich als junger Gesell außer dem Fechten und 
Musizieren getrieben hat, und was er gewesen ist, ehe er 
Schulmeister zu Westhofen wurde, können wir nicht sagen. 
Daß er seines Leibes Nahrung und Wohnung außerhalb seines 
Vaterlandes gesucht, scheint auf ein Handwerk hinzuweisen. 
Von einem späteren Diakonus und Schulmeister sollte man 
allerdings voraussetzen, daß er eine Hochschule besucht hat ; 
doch war dies in der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht unbe- 
dingt erforderlich, besonders bei einem Kirchenwesen, welches, 
wie das hanau-lichtenbergische zu jener Zeit, noch in der 
ersten Einrichtung begriffen war. Noch 1571 wirft Johannes 
Nas in seinem «Bericht von Fratris Joannis Nasen Eseb seinen 
kirchlichen Gegnern vor : 

Bader, Schuster vnd auch Weiber, 
Henker, Schergen vn auch Sewtreiber, 
die daugeu samptlich auff die Cantzel, 



* S. das Taufbuch der Neuen Kirche im Straßburger Stadtarchiv, 
Nr. 213, Bl. 65 b. Der amtierende Geistliche hat dem Eintrag eine 
c^I^* hinzugefügt, um darauf hinzuweisen, daß ein ganz besonderer 
Fall vorlag: Das zu taufende Kind war bereits neun Jahre alt. 



— 165 — 

Wenn sie nur sein fein zungen schnei, 
den Bapst zu schänden bei jedermann, 
dann ist er alles wolgethan. 

Nas, dem seine Widersacher vorzuhalten pflegten, daß er 
es vom Schneidergesellen zum Weihhischof von Brixen gebracht 
hatte, übertreibt und verallgemeinert natürlich, bat aber nicht 
ganz aus der Luft gegriffen. — Jedenfalls finden wir Zschorns 
Namen in keiner der bis jetzt veröffentlichten Matrikeln, obwohl 
mehrere Glieder der Familie studiert haben.. Sie verzeichnet 
die Matrikel von Frankfurt a. 0. 4544 Nr. 51 einen Andreas 
Tzorn Eylebergensis, die Wittenberger 153^ j33 den schon 
genannten Vetter Bartholomäus ; wenn man eine Verschreibung 
beim Eintrag oder falsche Lesung durch Förstemann annehmen 
darf, gehört auch der am 26. IIL 1550 in Wittenberg ein- 
geschriebene Georgius Tschorn Fillenburgensis nach Eilenburg.- 
Unsern Johannes Zschom finden wir nirgends genannt. Somit 
müssen wir uns dafnit begnügen und sagen, daß er sich 
irgendwo und wie gelehrte Bildung angeeignet hat. Schon 
seine Vaterstadt bot ihm die Möglichkeit, den Grund dazu zu 
legen. Eilenburg besaß eine Lateinschule.^ Jedenfalls brachte 
er es soweit, daß er die Gelehrtensprache der Zeil beherrschte. 
Die AeH übersetzte er nach dem Lateinischen. Des Griech- 
ischen ist er wohl nicht mächtig gewesen. Dem geschicht- 
hchen Stoff steht er keineswegs hilflos gegenüber, und auch 
seine Theologie geht nicht darin auf, «den Bapst zu sehenden 
bey jedermann». 

Wenn er AeH 102 erzählt, daß «zu Brun in Moravia 
vnder dem rahthaus ein Crocodill hanget, mit grausamen zene 
vn hartten hörnen schuppen», so hat er diesen «wurm» wohl 
selber gesehen. — Was er KB 86'' von Zäringen sagt: 

Dann Zeringen was ein Hertzogthum 
Da jetzond sind drey heusslin kam 

scheint auch eigene Anschauung zu verraten. Die Sprache weist 
darauf hin, daß Oberdeutschland der Schauplatz seiner Wander- 
jahre war. Hier fanden sie wenigstens ihr Ende, als er mit 
Jonas Graner wieder zusammentraf. 

Er schreibt diesem weiter in der Vorrede zum KB : 

cVnd wie wol wir persönlich von einander gewesen, ist doch diese 
freundtliche vn anmutige geselschaft in vnserm gemüt vn Hertze 
bhben. Vnd das solchs wahr, so hab ich das an euch befanden, 
dan da ich aus langwiriger gehabter kranckheit, beide meines 



J Jeremias Simon, a. a. 0., S. 410 zählt daselbst Schul-Rectores 
auf von 1526 an. 



— 166 — 

gats , krafft vn , stercke , meines leibs entfrembdet, so bald jr 
mein zukunfft innen worden, vngebetten zu mir gesprungen, alle 
zimliche freundtschafffc bewisen, dardurch ewer lieber vatter Herr 
Andreas Graner sampt seinem mitfreundt Herr Hans schätzen deß 
alten mir geneigt worde, zu wolfart meiner gsundheit vngspart» 
fieiß zu dienen vü behilflich sein.» 

Dies klingt so, als sei Zschorn schließlich in Straßburg ge- 
strandet. Hier in der großen Elendenherberge des 16. Jahr- 
hunderts fand er wie mancher andre vor und nach ihm gute 
Leute, die dem ins Unglück geratenen wieder auf die Füße 
halfen . 

Wenn er AeH 30 sagt: «Auch so wird mächer durch freud 
aus einer schweren kranckheit schnell gesund wie ich selbst er- 
fahren x> so dürfen wir diese Worte entweder auf diese Begeg- 
nung oder darauf deuten, daß sich ihm von Straßburg aus 
eine Gelegenheit zur Besserung seiner äußeren Lage bot. 1545 
hatte Graf Philipp IV. von Hanau-Lichtenberg angefangen, in 
seinem Gebiet vorsichtig und schonend die Reformation einzu- 
führen. Nach dem ungünstigen Ausgang des schmalkaldischen 
Krieges wurde zwar das Interim verkündet, die kirchliche Um- 
wälzung auch langsamer betrieben, aber nicht aufgegeben, und 
vollständig durchgeführt, nachdem der Religionsfriede 'einen 
sichern [Rechts boden geschaffen hatte. Aus den Rechnungen 
der Buchsweiler Kirchschaffenei ist zu ersehen, wie sich da- 
mals fort und fort in Buchsweiler, dem Sitz der Regierung, 
Bewerber um eine Anstellung im Kirchen- und Schuldienst 
einfanden. Unser Zschorn gehörte zu den Glücklichen, welche 
nicht, mit einem viaticum aus der Schaffenei abgefunden, ihren 
Stab weitersetzen mußten, sondern angestellt wurden, i 

Seine Fertigkeit in musikalischen Instrumenten empfahl ihn 



1 Der Kirchschaffner von Buchsweiler verrechnet alljährlich 
unter den «Ausgaben insgemein» Posten wie die folgenden ; 

1557/58 : 10 3 6 d. geben einem frembden prediger so vff suntag 
den 3 tag Haugmanat hy geprediget vnd vrab deinst an gesucht 
im zur schenck bef ollen. — 10 3 geben einem armen prediger zu 
stroßburg so vmb deinst angesucht den 20. juli. 

1559/60 : 5 [i 4 d. geben auß befelch einem Schulmeister so 
auß dem weirtenberger landt hyher kumen vnd vmb d schuU zu 
weilstatt angesucht den 6 Hornung ano 60. ,— 

1560/61 ; u. a. 2 ß 6 d. hat der angenumen schullmeister verzert 
zu bußweiler so gen westhoffen kumen sol vff Johannis ao. 61. 

Dieser letzte Eintrag bezieht sich auf Zschorns zweiten Nachfolger, 
Leider ist von den Jahren 1555 und 56 keine Kirchschaffen eirech- 
nung vorhanden, so daß wir Zschorns Anwesenheit in Buchsweiler 
nicht direkt belegen können. Sein Name lautet im Pfarrbuch «Schornn», 
ist also nach dem Gehör niedergeschrieben worden. Er hat sich 
demnach per&önlich und mündlich beworben. 



— 167 — 

für das Amt eines Schulmeisters, i damals auch im Hanauischen 
eine Durchgangsstellung für das eigentliche Pfarramt. Von der 
Oberkirche in Westhofen, welche neben der Niederkirche für 
den neuen Kultus entbehrlich geworden war, wurden die Ge- 
fälle mit Bewilligung der Herren des Hohen Stifts zu Straß- 
bürg als Collatoren zur Erhaltung eines Diakoni und Schul- 
meisters bestimmt, und Zschorn 1556 die Pfründe übertragen. 
Hier, wenn nicht schon früher, trat er in den Ehestand. ^ 
Hier ßchrieb er die Büchlein, welche uns im folgenden beschäf- 
tigen werden. Er dachte wohl mit der Zeit wie andere Diakonen 
zum Pfarramt befördert zu werden, darum unterzeichnete er 
die Vorrede zur AeH : Johann Zschorn, ((diser zeit» Schul- 
meister. Aber die Schwäche seines Leibes, über welche er 
gleichzeitig klagte, ließ es nicht dazu kommen. Im Spätjahr 
1560 ist er «mit todt abgangen». 

2. Zur Aethiopica Historia. 

Zschorns Name ist uns geläufig im Zusammenhang mit 
seiner Uebersetzung der Aethiopica Historia des H e 1 i o d o r von 
Emesa. Dieser Zusammenhang ist allerdings früh unterbrochen 
worden. Als die Geschichte von Theagenes und Ghariclea durch 
immer wiederholte Nachdrucke zum weitverbreiteten Volksbuche 
geworden war, kam zuerst die Widmung an die Eilenburger 
Verwandten, dann Zschorns Name in Wegfall. Erst die philo- 
logische Behandlung des Heliodor seit der Mitte des 18. Jahr- 
hunderts wurde dem ersten deutschen Uebersetzer wieder gerecht. 

Weil Zschorn nur Uebersetzer war, dürfen wir hier davon 
Abstand nehmen, uns mit dem Roman selbst zu beschäftigen. 
Eine eingehende Würdigung hat derselbe bei Erwin Rohde» 



1 Vergleiche ^die Obliegenheiten der Schulmeister nach der «Ki r- 
ch en rdnung, Wie es mit der Lehr und Ceremonien in der 
Graffschaft Hanaw und Herrschaft Lichtenberg sol gehalten werden» 
Straßburg 1573 S. 1. 4. 8. 9. 14. 59. 67. — 

2 Er spricht in der Vorrede zur AeH von Kindern, welche ihre 
Verwandten in Eilenburg mit der Zeit heimsuchen möchten. Dies ist 
doch wohl von leiblichen Kindern zu verstehen. — E. F. Neubauer, 
Nachricht von den itztlebenden Ev. luth. Theologen in Deutschland 
1743, bespricht I, 424—427 einen Pfarrer Johann Hermann Zschorn, 
der sich zufällig ebenfalls mit der Kaisergeschichte beschäftigt hat. 
Wir haben von ihm: Chronologische Tabellen von Carolo Magno 
an bis auf den Kaiser Karl VI. o. J. Dieser J. H. Zschorn wurde 
19. August 1698 als Sohn des Pfarrers Johann Zschorn zu Queck 
in Oberhessen geboren. Leider lieb sich der Stammbaum nicht weiter '^ 
rückwärts verfolgen, so daß wir nicht sagen können, ob ein Zu- 
sammenhang mit unserm Zschorn besteht. 

3 E. Roh de, der griechische Roman 2, 1900, S. 453-498. 



— 168 — 



/ 



gefunden, welcher unseres Erachtens mit vollem Recht die 
Ansicht, daß wir in der AeH das Werk eines christlichen 
Bischofs vor uns haben, bekämpft, derselben vielmehr in den 
Bemühungen des Neupla'tonismus um die Belebung des alten 
heidnischen Götterglaubens ihren Platz anweist. 

Ebenso müssen wir davon absehen, den Gang der AeH 
durch die Literatur zu verfolgen. Eine solche Untersuchung 
hätte an den Namen Heliodors, nicht an den Zschorns anzu- 
knüpfen, wie dies durch Oefteringi auch zuletzt geschehen 
ist. Für uns kommt die Ueberselzung durch den Schulmeister 
von Westhofen einmal deswegen in Betracht, weil sie einige 
Nachrichten über sein Leben enthält. Dann ist sie aber doch 
auch nach Art der Zeit mehr Umschreibung als Ueberselzung. 
Zschorn hat dem Roman Heliodors nicht nur seine Worte 
geliehen. Man spürt, daß die Erzählung, von deren Geschicht- 
lichkeit er wie andre Zeitgenossen überzeugt war, ihn innerlich 
ergriffen hat. Er ist mit Leib und Seele dabei, und gießt den 
fremden Slofl" um in die deutsche volkstümliche Form. Zugleich 
fügt er dies und das aus seinen eigenen Gedanken in Gestalt 
von Randglossen hinzu und läßt uns so zuweilen einen Blick in 
seih eigenes Inneres tun. Wir werden also di« AeH heranziehen, 
um das Bild, welches wir aus KB von unserm Schriftsteller 
gewinnen, zu ergänzen. Einiges wenige ist jetzt gleich über das 
Buch als solches zu bemerken. 

Stellen wir zusammen, was .«?ich bei F. L. A. Schweiger, 
Handbuch der klassischen Bibliographie I, 1830, S. 131 ff., 
S. F. W. Hoffmann, Bibliographisches Lexikon H. 1839, 
S. 197 ff., J. G. Th. Graesse, Tresor HI, 1862, S. 235, 
K. Goedeke, Grundriß H, 1886, S. 474 und Oefterinj? 
a. a. 0. S. 49 findet, so werden uns folf^ende Drucke angegeben : 



a) Straßburg 


• • • 


1554 




H. 






Oe. 


b) » 




0. J. 






Gr. 




Oe. 


c) » 




0. J. 










Oe. 


d) » 




1559 








Goed. 




e) Frankfurt 




1562 






Gr. 




Oe. 


f) » 




1580 


Schw. 


H. 


Gr. 


Goed. 


Oe. 


g) Nürnberg 




0. J. 


Scliw. 


H. 


Gr. 


Goed. 




h) Buch der 


Liebe , 


1581 






Gr. 




Oe. 


i) » » 


» . 


1587 


Schw. 


H. 




Goed. 


Oe. 


k) Leipzig 


. . 


97 






Gr. 


Goed. 


Oe. 


1) Straßburg, 


• • 


1620 






Gr. 


Goed. 


Oe. 


m) )» 


• 


1624 


Schw. 


H. 


Gr. 


Goed. 


Oe. 



1 M. Oeftering, Heliodor and seine Bedeutung für die Lite 
ratur, in : Literarhistorische Forschungen 18. 1901. 



— 1G9 — 

Die Ausgabe a würde unser höchstes Interesse erregen, da 
sie der Ernennung Zschorns nach Westhofen 1556, zwei Jahre 
vorausgehen, unsere beglaubigten Kenntnisse über ihn also 
ebensoweit hinaufrucken wurde. Leider ist diese Ausgabe auf 
deutschen öffentlichen Bibliotheken nicht zu finden, und dürfte 
überhaupt nicht vorhanden sein. Ein Lesefehler wird die Angabe 
verursacht haben. * — Auch b und c sind mit d identisch, 
d ist deswegen als undatiert bezeichnet worden, weil die Jahres- 
zahl nicht auf dem Titelblatt steht. Es ist sicher Editio princeps, 
a — d fallen zusammen. — Dasselbe gilt von h und i. Es gibt 
nur ein «Buch der Liebe», Frankfurt a. M. bei Sigmund 
Feyerabend 1587. — e und 1 habe ich ebenfalls auf öffentlichen 
Bibliotheken nicht gefunden. Doch mögen von dem beliebten 
Roman noch manche Abdrücke veranstaltet worden sein, welche 
sich nicht erhallen haben, oder an entlegener Stelle ein unbe- 
achtetes Dasein führen. Können wir doch den oben verzeich- 
neten Ausgaben zwei hinzufugen, welche bisher auch noch 
nicht bekannt gewesen sind, die unten folgenden 5 und 7. 

Allgemein zugänglich sind zur Zeit folgende Ausgaben : 

l.Aethiopica ( Hi st or i a. | Ein schöne vnnd | Lieblicher 
Histori, von ei- | nem großmütigen Helden aus Griech | enland, 
vnd einer vber schönen Junckfrawen, eines Kö | nigs dochter 
der schwartzen Moren. (der Jung- / ling Theagenes, vnnd die 
Junckfraw Gha- l riciia genannt) darinn Zucht, Erbar- ) keit, 
Gluck vü Vnglück, Freud ( vnd laid, zu sampt vil gu- ( ter 
Jeren beschriben, werden. ) — Aus dem Griechichen ins ( 
Latin, vnnd yetzund new- | lieh ins Teutsch bracht f gantz ) 
kurtzweilig vnnd nutz- | lieh zu lesen. — Am Ende der Vor- 
rede : Datum zu Westhofen im Elsas im Augusto Anno 1559. 
— Am Schluß : Gedruckt zu Straßburg durch Paulum Messer- 
schmidt. — Berlin Kgl. Bibl. Darmstadt. Wolfenbültel. Gießen. 2 

2. Heliodori ) Historia Aethiopica /. Das ist : | 
Eine schöne liebliche Histori, / von dem fürtrefflichen tapfTern 
Hei- j den auß Griechenland, Theagene, vnd der | vber auß 
schönen Jungkfrauwen Chari- ) clia, der schwartzen Moren 
Kö / nigs Tochter. | Darinnen Zucht, Erbarkeit, Glück ) vnd 
Vngluck^ Freud vnd Leyd, vnd son- ( sten vil guier Lehren vnd 
Exempel be- / schrieben werden. ) Erstlich auß dem Griechichen 
ins Latein, ) vnd dann jetzund aufTs neuwe in vnser Teutsche | 



1 Die Widmung von d ist datiert: Westhofen im Elsas im 
Augusto Anno JB^Cfr = 1559. Dieses x ist für Ij gelesen worden. 

3 Es sei mir gestattet an dieser Stelle den verehrten Biblio- 
theksverwaltungen, welche mich durch Beantwortung meiner An- 
fragen und Ueberlassung von Büchern unterstützt haben, für ihre 
Liebenswürdigkeit meinen besten Dank auszusprechen. 



— 170 — 

Sprach mit sonderm fleiß transferirt. Gantz ( kurlzweilig vnd 
nützlich j zu lesen | [Druckerzeichen]. Gedruckt zu Franckfurt 
am Mayn 1580. — Widmunpr an Bartolomeüs Schön kap, Fürstl. 
Würtzburgischen Diener, imterzeichnet ; Datum die Lauretij 
Martyris den 9. Augusti, Anno &c 80 Nicolaus Bassaeus, Typo- 
graphus Francofordiensis ad Moenum. — Am Schluß : Gedruckt 
zu Franckfurt am Mayn, durch Nicolaum Bassee [Druckerzeichen] 
4580, — 76 Holzschnitte, die sich teilweise wiederholen, aus 
andern Buchern entnommen. — Wolfenbuttel. Hamburg. 

Trotz der Versicherung Bassee's, daß er das Büchlein habe 
«widerumb reuidiren)» lassen, wie alle folgenden Ausgaben, 
ein wörtlicher Abdruck von 1 mit geringen orthographischen. 
Aenderungen. Die Vorrede nennt Zschorn als Uebersetzer. ' 

Zur Empfehlung des Büchleins heißt es : da man die 
Getichte von dem Tristrant, Amadiß etc. zu lesen wirdig achtet, 
wieviel mehr usw. Wir sehen die AeH auf dem Wege, den be- 
liebten ünterhaltungsbuchern jener Zeit an die Seite zu rücken. 

3. Diese Einreihung ist vollzogen im Buch der Liebe, 
welches Fol. 479—229 die AeH enthält. Der Titel lautet wie 
der deutsche Titel von 4 bis «... beschrieben werden», mit 
orthographischen Abweichungen, ohne die Ueberschrift Aethio- 
pica Historia. — 4587. 

4. Titel wie 3, mit orthographischen Abweichungen. — 
Holzschnitt: Persina mit der kleinen Chariclia im Arm an 
einem Tische stehend. — Zu Leipzig bey Nicol Nerlich, Anno 97. 
— Celle, Kirch. Min. Bibl. — Kurze allgemein gehaltene Vor- 
rede «An den Christlichen Leser». 

5. Titel, wie 3 und 4. Zu Leipzig bey Nicol Nerlich, Anno 
4604. — Leipzig U. Bibl. — Auch die Vorrede stimmt wörtlich 
mit der von 4597 überein, sogar der Druckfehler «lieblicheit» 
ist beibehalten. 

6. Heliodorus Oder Ein sehr schöne, liebliche, nützliche 
History, von Theagene, einem fürtrefflichen dapfferen Edlen 
Ritter auß Griechenland, vnd der vberauß schönen Jungfrawen 
Chariclia, deß Schwartzen Mohren Königs Tochter. — Darinnen 
Höfflichkeit vnd Tugend, Zucht vnd Erbarkeit, Glück vnd Vn- 
glück, Frewd und Leyd, Gonst vnd Neid, vnd sonsten viel 
guter Lehren, Bericht vnd Exempel begriffen seynd. — Erst- 
lich Griechisch beschrieben, nachmahlen in Latin, vnd Frant- 



1 Wiewol ich auch bedacht gewesen daß vielvermelte Historia 
gar von neuwem hette in vnser Teutsch mögen vertirt werden, habe 
ich es doch bei der vorigen Version, deß Johann Zschorn, gewesener 
Schulmeister zu Westhofen im Elsaß bleiben lassen, damit ich 
nicht . . . deßselbigen Namen obscuriren vnd vnterdriicken wollen. 



— 171 — 

zösisch, vnd jetzo auff das new in Teutsche Spraach mit fleiß 
vbersetzt. — Gantz anmuhtig, kurtzweilig vnd nützlich zu lesen. 
— Gedruckt zu Straß bürg, bey Marx von der Heyden, am 
Kornmarkt, 1624. — 75 Holzschnitte aus verschiedenen früher 
in Straßburg gedruckten Volksbüchern, wie Ecken Ausfahrt, 
Fortunatus, von hörnen Siegfried, u. a. m.^ — Berlin Kgl. Bibl. 
Die Orakeldisticba des Originals, welche Zschorn durch 
die ihm geläufigen achtsilbigen Reimpaare wiedergegeben hatte, 
sind teilweise neu übersetzt. Die Vorrede, datiert Straßburg 
den 3. Januar 1624, ist nach Weise der Amadisbücher gewid- 
met «der Hoch- vnd Wolgebornen Frawen, Frawen A. M. F. 
Z. R. H. V. G. G. G. Z. H. V. Z. Meiner gnädigen Frawen». 
Die 6 letzten Buchstaben können heißen : Gehörnen Gräfin zu 
Hanau und Zweibrücken. Da aus einigen Anspielungen hervor- 
geht, daß die betreffende Dame vor kurzer Zeit in den Ehestand 
getreten war, und 1623 die Vermählung der Gräfin Agathe Maria 
von Hanau mit Georg Friedrich von Rappoltstein, Hohneck 
vnd Gemar stattfand, 2 werden wir in unserm Büchlein ein ver- 
spätetes Hochzeitsgeschenk sehen dürfen. Bezeichnend ist die 
empfehlende Angabe auf dem Titelblatt, daß der Roman auch 
in das Französische übersetzt sei. Die Vorrede stellt ihn hoch 
über «den trawrigen Herrn Tristrant, den geilen Gales, oder 
Frantzösischen Amadis», und empfiehlt seine Lektüre dem 
Adelichen Frawenzimmer als «ein herrlich Mittel, das Gemüht 
zu nützlicheren Geschafften auffzumuntern, auch Mel, Ancken, 
Kol vnd Kleyen abzuschaffen vnd des Creutzlins zu vergessen.» 
Der Herausgeber verbirgt seinen Namen unter dem Pseudonym : 
Hisaias sub Cruce Ath. s 



1 Vgl. P. Heitz, Originalabdruck von Formschneiderarbeiten 
des 16. 17. u. lü, Jahrh. aus Straßbarger Druckereien N. F. 1894 : 
108, 12. 115, 4. 5. 6. 116, 7. 9. 118, 1. 119, 1. 120, 2. 121, 37. 124, 
8. 126, 13. 14. — Schlußfolge 1899 : 127. 128. 138. 

2 S. Röhrich Versuch einer Gesch. der evang. Kirche in der 
ehem. Herrsch. Rappoltstein, in : Protest. Kirchen- u. Schulblatt 2, 
1835, S. 121. — Lehmann, Urkundl. Gesch. d. Grafsch. Hanau- 
Lichtenberg n, 1863 gibt in der Stammtafel 4 den 9. Dezember 1623 
als Hochzeltstag an. 

3 Unter demselben Pseudonym sind 1619 mehrere antirosen- 
kreuzerische Schriften erschienen W e 1 1 e r, Lexicon Pseudonymorum 
1886. S. 258 nennt als Hisaias sab Cruce Ath. einen Simbert Wehe, 
von dem G. Kloß. Bibliographie der Freimaurerei 1844, 2555 und 
Weller, die falschen und fingirten Druckorte 1864, S. 18 sagen, 
er sei lateinischer Schulkollaborator zu Ulm gewesen. Von Bezie- 
hungen Wehe's zum Elsaß haben sich bis jetzt keine Spuren ge- 
funden, seine Indentität mit dem Herausgeber der AeH von 1624 
ist kaum anzunehmen. Letzterer wird ein mit der gräflichen Familie 
von Buchs weiler befreundeter Geistlicher gewesen sein. — «Mel, 
Ancken, Kol vnd Kleyen» ergeben zusammen ; Melancholey. 



— 172 — 

7. Titel wie 4 und 5, auch derselbe Holzschnitt und die- 
selbe Vorrede. Die Druckfehler sind verbessert. — Hamburg, 
In verlegun«,^ Zacharias Dosen, Im Jahre 1641. — Darrastadt. 

8. Heliodorus, das ist, die überaus liebliche und nütz- 
liche Histori, in welcher HöfTlichkeit und Tugend, Zucht 
und Erbarkeit, Glück und Unglück, Freud und Leid, Gunst 
und Neid, mit vielen guten Lehrn, Bericht und Exempeln 
gar anmuthig dargestellt werden. — Sehr kurtzweilig und 
nützlich zu lesen. Mit gantz neuen Figuren gezieret. — Nürn- 
berg, Bey Joh. Andr Endler, und Wolffg des Jüngern Seel. 
Erben, o J. — Der frühere Titel : Die schöne und liebliche 
Histori: . . . beschrieben werden» steht als Untertitel nach 
der Vorrede auf S. 3. — Kurze allgemein gehaltene Vorrede : 
An den Leser. — 74 Holzschnitte, die sich teilweise wieder- 
holen, aber die einzigen, welche wirklich für die AeH ange- 
fertigt worden, nicht aus andern Büchern herübergenommen 
sind. Um so auffallender ist es, daß die Holzschnitte nicht immer 
zum Text passen. So steht z. B. die Feuerprobe der Chariclea 
VII, 3, wo sie nichts zu suchen hat, fehlt aber X, 3, wo sie 
dem Lauf der Erzählung nach stehen sollte. Vielleicht ist ein 
alterer Druck mit denselben Stocken in richtiger Reihenfolge 
vorhergegangen. Die Randglossen sind in [ ] in den Text auf- 
genommen, als Vorlage hat 6 gedient, wie aus der Uebercin- 
stimmung in den Orakelversen hervorgeht. — BerHn Kgl. Bibl. 

Außer diesen nachweisbaren Ausgaben führt Graesse a. 
a. 0. noch auf: Frcf. a. M. 1562 in 12o Ein schön Historia 
von einem groszmütigen Helden aus Griechenland. Aus d. 
Griech. übers v. J. F. Schorn. Letzleres ist sicher J. Zschorn. 
Es kann selir gut ein frühzeitiger Frankfurter Nachdruck vor- 
handen gewesen sein. Ferner erwähnen Graesse und Gödeke 
einen Druck Straßburg 1620. 

Fast ein Jahrhundert lang hat sich Zschorn« üebertragung 
auf dem Büchermarkt behauptet. Georg Draudius Biblio- 
theca 1611 führt es S. 494 unter den «Kurtzweiligen Geschichten» 
an. Die Widmung von 6 zeigt, daß man noch 1624 auf Leser 
in höheren Kreisen rechnete, während die Ausstattung von 7 
die eines für die breitesten Schichten bestimmten Volksbuches ist. 

Ueber die von dem Büchlein ausgehenden Wirkungen läßt 
sich so gut wie nichts sagen. Oeftering S. 131 nimmt an, daß 
die in der Gomoedia von Sidonia und Theagenes vorkommenden 
heliodorischen Namen dem Volksbuch entnommen seien. Sie 
können gerade so gut auf die Schulkomödien Scholvins 
und Brülows zurückgehen. Die Aufführung von Brülows 
Chariclia am Slraßburger Gymnasium 1614 regte vielleicht die 
Abdrücke von 1620 und 1624 an. Wenn der berühmte Mün- 



— 173 — 

sierprediger Joh. Konr. Dannhawer 1664 einen Ver^^leich 
zieht zwischen der Kirche Christi und Chariclia, J so hat er, 
wie die Randbemerkung zeigt, aus der griechischen Ausgabe 
geschöpft. Bei seinen bürgerlichen Zuhörern konnte er eine 
Kenntnis der Erzählung nur auf Grund des Volksbuches vor- 
aussetzen. 

3. Pas Kaiserbüchleiix. 

Aus der Vorrede der AeH erfahren wir, daß sich Zschorns 
schriftstellerische Tätigkeit nicht auf diese eine Arbeit beschränkt 
hat. 2 

Erhalten ist von seinen Opuscula nur eins, das Kaiser- 
büchlein. 3 Der Titel des kleinen Oktavbändchens lautet, in 
Rot- und Schwarzdruck : Chronica ( oder Kay-(ser 
Büchlin ) darinn alle Römische ( Keyser, von dem ersten 
Keyser | Julio, biß auff den jetzt regieren- | den Keyser Fer- 
dinandum ( mit eygentl icher ( abconterfeytung / wie sie auif 
den alten pfen- ( ningen gfunden werden, sampt der zeit jrer 
I Regierung, Leben, Thaten, Auch Wunder ( zeichen, Finster- 
nissen, Cometen, Monslras, so vnder eynem yeden ergangen | 
aus alten | warhafftigen Chronicken, die fürnemisten ( stuck 
gezogen | vffs kürtzst inn Reimen ) gesteh | yedem liebhaber 
der I Historien kurtz weilig ( zu lesen, vormals | nie gesehen. 
Beschriben durch Jo j han Zschornen Eylenbergensem. 

Auf das Titelblatt folgt die « Vorred », gewidmet «dem 
Ernhaiften Furnehmen Jonas Graoer, burger zu Straßburg, 
meinem insonders lieben freundt vnnd günner:» , unter- 
zeichnet: Datum Westhofen im Jenner 4559. Johann Zschorn 
Eylenberger. 

A 3 bis 8 steht das «Register vber die namen der keyser 
nach dem aiphabet, vnd bey yedem einstheils seiner handlung 
verzeichnet.)) Die Reibenfolge ist nicht streng alphabetisch. 
Aufgenommen sind auch einige Namen, welche eigentlich nicht 
unter die Kaiser gehören, wie Basiliskus, Crescentius, Nepos, 
Orestes. Jeder Kaiser außer Ruprecht ist durch einige Worte 
charakterisiert, z. B. : Adrianus ein frever künstler vnnd 



ij. C. Dannhawer Panegyricus Uranius Christi Solis. 
Straßburg 1654. 15 te Predigt. S. 212. 

2 Er schreibt seinen Vettern : Nun hab ich vernummen, das 
etliche Opuscula oder büchlin die ich in vnnd vnder meinem 
nammen hab lassen ausgehn, zu euch oder in mein vatterland 
gefiirt vn verkauft werden. 

8 Exemplare in Aschaffenburg, Bonn, Hannover Kgl. Bibl., 
München Hof bibl., Eostock und Straßburg UBibl. 



— 174 — 

Musicus, halt Jerusalem widergebawen, vnnd sie Helian 
genannt. — Carolus der Vier dt, diser hatt die guldin 
Bull gemacht. — Fridericus derdritt, wurl zu Wien 
in der bürg, von den bürgern bekriegt, aber die Studenten 
haben ihm daruon geholffen. — Nero der edel fogel Scorpio. — 
Phocas, ein grosser Bapstesel. — Probus, re et nomine. 
— Zeno, ein rechter Dromo. — B bis enthalten die eigent- 
liche Chronik. Der Text wird durch die Namen der Kaiser als 
Ueberschriften in 121 Abschnitte geteilt ; beim 78. Abschnitt 
heißt es: Wie und wann dasKeyserthumbandie 
Teutschen kommen ist. Ueber oder unter dem Namen, 
oder auch mitten im Text, wo Platz ist, steht die auf dem Titel- 
blatt verheißene «eygentliche abconterfeytung». Zahlreiche Rand, 
glossen gehen neben dem Text her. — Das letzte Blatt von 
bringt dns Schlußwort: An den günstigen , Leser ; darunter: 
Gedruckt zu Straßburg bey Paulo Messerschmidt. 

Soviel über die äußere Gestalt unserer Schrift. Suchen 
wir ihr nun auch innerlich nahe zu kommen. Dazu müssen 
wir sie mit ihresgleichen zusammenhalten. 

4. Die Kaiserbücher bis 1559. 

Zschorn sagt im Schlußwort : «Es ist nit ohn, daß diser 
handtbüchlein von Keysern Lateinisch vnnd Teutsch vil in 
druck ausgange.D Ebenso ist es <i:nit ohnx>, daß das Aufsuchen 
dieser Handbüchlein nicht ganz leicht ist. Sind sie in deutschen 
Reimen abgefaßt, so finden wir sie bei der deutschen, sind sie 
lateinisch geschrieben, bei der spätlateinischen Literatur. Der 
Titel «Chronica oder Keyserbüchlein» weist sie zu den Welt- 
geschichten. Mit diesen sind sie am nächsten verwandt, bilden 
aber doch eine eigene kleine Gruppe, welche eine gesonderte 
Behandlung verträgt. 

Dieser Anspruch gründet sich nicht auf ihren Inhalt. Die 
Kaisergeschichte findet sich in allen großen Chroniken des 
Mittelalters als festes Gerippe, nachdem die Darstellung von der 
alten Geschichte zur vierten Monarchie durchgedrungen ist. So 
bleibt es auch in der Zeit des Humanismus. Wie Martin von 
Troppau und Werner Rolevinck hat Hartmann Schedel seine 
Linea der Kaiser. Nauclerus hebt den Regierungswechsel der 
Kaiser am Rande hervor. Die ürsperger Chronik, das 
Chronicon Carionis sind viele Seiten lang wesentlich Kaiser- 
bücher. Bei Sebastian Franck ist die Chronica der Kaiser so 
zusammengefaßt, daß man sie ohne Schaden für das übrige 
herauslösen könnte, wie sie denn auch in der Geschichtbibel 
ihr eigenes Titelblatt hat. Wir erkennen die Neigung zu einer 



— 175 — 

Behandlung der Kaisergeschichte, bei welcher der weltgeschicht- 
liche Stoff an die zweite, die Kaiserbiographie an die erste 
Stelle ruckt. Wo diese Neigung zum beherrschenden Gesichts- 
punkt geworden ist, sprechen wir von einem Kaiserbuch. 

Nun liegt das Hervortreten der Biographie gewiß im Zuge 
jener Zeit. Bei den Kaiserbüchern aber kommt zu dem bio- 
graphischen noch ein anderes Interesse. Verfolgen wir die uns 
interessierende Büchergruppe nach rückwärts, so gelangen wir 
schließlich zu dem Humanistenkaiser Maximilian I. Wir sehen 
ihn im Teuerdank und Weißkunig für die Ueberlieferung 
seiner eigenen Schicksale bemüht. Den Stammbaum seines 
Hauses hat er aufstellen und immer wieder verbessern lassen. 
Aber er hat auch derer nicht vergessen, welche vor ihm des 
Kaisertums Würde und Bürde getragen haben. Zu den 
Werken, welche er laut seines Gedenkbuchs aus den Jahren 
1508—15 geschrieben haben wollte, gehört auch «der kaiser 
puech»!. Wie er sich dasselbe dachte, sehen wir aus dem, 
was er, sich selber malend, vom Weißkunig erzählt. 2 Danach 
wünschte Maximilian nicht so sehr Biographien einzelner Kaiser, 
wie etwa des Job. Adelfus Friedrich I. ; es kam ihm mehr an 
auf eine Verherrlichung der ganzen Institution. 

Wir können ihm nachfühlen, warum gerade er ein solches 
Buch wünschte. Sein Geschlecht erlebte einen bedeutenden 
Schritt vorwärts auf der Bahn, welche vom römischen Kaiser 
zum Kaiser von Oesterreich führte. Meist entgehen die einzel- 
nen Stufen, auf denen sich weltgeschichtliche Entwickelungen 
vollziehen, der Beobachtung der Zeilgenossen, und nicht immer 
fmdet sich ein großer Geist, welcher den kleinen Geistern 
sagt : «von heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte 
aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.» Unter 
Maximilian aber gewinnt der Uebergang der Souveränität vom 
Kaiser auf die Fürsten, die Verdrängung der Monarchie durch 
den Bundesstaat sichtbare Gestalt in den Reichsreformversuchen . 
Nicht nur tatsächlich, auch rechtlich sollten dem Kaiser die 
Zügel der Regierung aus den Händen genommen werden. Nun 
wird sich der Mensch des W^ertes seiner Güter erst recht 
bewußt, wenn er Gefahr läuft, sie zu verlieren. Um seine an- 
gefochtene kaiserliche Stellung zu stärken, wünschte Maximilian, 



iLaschitzer, die Genealogie des Kaisers Maximilian, in: 
Jahrb. kunsthistor. Samml. d. allerh. Kaiserhauses VU, 1888. S. 2; V, 
S. XIX. 

* «Desgleichen hat er auch einen jeden Keyser Kunig und 
fursten, die von anfang bisher regiert haben, ine guete täten 
inen zu einer gedächtmis von newem widerumb beschreiben lassen.» 
Vgl. Laschitzer, ebenda Vn, S. 4. VI, S. 66. 



— 176 — 

daß den Zeilgenossen der Gang des Kaisertums durch andert- 
halb Jahrtausende vor Augen geführt würde. Es ging ihm mit 
diesem Wunsche wie mit vielen andern ; er starb, ohne ihn 
erfüllt zu sehen. Aber er hatte einen weiter wirkenden Anstoß 
gegeben. Das Kaisertum als Gesamterscheinung hörte nicht auf 
die Federn der Zeitgenossen zu beschäftigen. Naturgemäß sind 
es zuerst Humanisten, welche die Kaiserbücher schreiben. Ihren 
Erzeugnissen treten allmählich volkstümliche Darstellungen an 
die Seite. 

Werfen wir auf diese Kaiserbüchlein einen kurzen Blick. 
Es handelt sich um Veröffentlichungen, welche zuweilen schon 
in andrem Zusammenhange genannt, vielfach auch da, wo man 
sie hätte erwähnen können, übergangen worden sind. Als 
Einzelerscheinungen sind sie meist unbedeutend. Auch da, wo 
sie einander nicht direkt ausschreiben, haben wir den Ein- 
druck, dasselbe Buch mit anderem Titel zu lesen, weil sie alle 
dieselben großen Chroniken ausziehen. Die Unterschiede in der 
Art, wie ein jeder über die Schwierigkeiten des Stoffes hinweg- 
kommt, sind unerheblich. Außer Hans Sachsjsegegnen wir 
keinem großen Namen, und keiner umfangreichen Darstellung 
außer der des Cuspinian. 

Maximilian hatte das Kaiserbuch ursprünglich Peutinger 
übertragen. Dieser hat auch 1508 daran gearbeitet, ein Ergebnis 
seiner Arbeiten ist aber nicht auf uns gekommen. i 

Die Aufgabe ging auf Cuspinian über, welchem das von 
den kaiserlichen Historiographen in Wien zusammengebrachte 
reiche Material zur Verfügung gestellt wurde. 1512 glaubte er 
so gut wie fertig zu sein. Aber seine vielen Reisen im kaiser- 
lichen Dienste hinderten ihn an der Vollendung des Werkes.« 
Erst nach Maximilians Tode 1522 konnte Cuspinian sein 
Buch iam bene absolutum nennen,^ und auch dann fand es den 
Weg in die OefFent liebkeit nicht. Wenn später von seinen 
Freunden gesagt wurde, er habe mit der Veröffentlichung 
zurückgehalten/ so haben sie aus der Not eine Tugend 
gemacht. W^enigstens bemühte er sich 1526 sein Werk durch 
Pirkheimers Vermittelung in Nürnberg mit Unterstützung des 
Rates drucken zu lassen.^ 



1 Th. Herberger, Conrad Peutinger in'^einem Verhältnisse 
zam Kaiser Maximilian I. 1851, S. 36, Anm. 116. 

2 Cuspinians Tagebuch Fontes rerum Austriacarum I, S. 397 —416 
besteht in der Hauptsache aus Notizen über Abreise, Audienz, Urlaub 
und Heimkehr. 

3 In der Vorrede zum llbellus des Fei. Petancius, s. Aseh- 
b a c h , Geschichte der Wiener Universität ü, 1877, S. 306. 

* Christoph ScheurTs Briefbuch 1867, S. 241. 

5 Briefe Cuspinians in Pirkheimers Opera, 1610. S. 252—257. 



- 177 — 

Ganz druckfertig war es auch damals noch nicht. Nikolaus 
Gerbel, welcher die Arbeit 1540 herausgab, schildert im Vor- 
wort, welche Mähe er mit dem Manuskript halte. Gleichwohl 
würden wir uns freuen, wenn wir damit die Reihe der im Druck 
erschienenen Kaiserbücher eröffnen könnten. Wie ein Riese 
unter den Zwergen stehen Cuspinians Caesares unter den 
anderen, dem Umfange wie dem Inhalt nach. Als Einleitung 
ist die Erzählung aus Herodot III 80 ff. vorausgeschickt, da die 
persischen Großen vor der Erhebung des Darius die Vorteile 
der verschiedenen Regierungsformen gegeneinander abwägen. 
Mit beredten Worten schildert Darius den Vorzug der Monarchie. 
In seinem letzten Willen ordnete Cuspinian an, daß das Werk' 
Karl V. gewidmet werden solle. Wie gut hätte es zu der Pro- 
position gepaßt, mit welcher dieser den Reichstag von 1521 
eröffnete ! i Statt dessen mußte er sich mit einer bescheideneren 
Leistung begnügen. 

Zu den Gelehrten, welche für Maximilians historisch-ge- 
nealogische Zwecke tätig waren, gehörte auch der Freiburger 
Jacob Mennel. Er war mit der Bearbeitung des Stammbau- 
mes der Habsburger betraut worden. « Seine Untersuchung 
führte ihn, da er schließlich bei Rektor von Troja anlangte, 
durch die ganze Weltgeschichte. Außer seiner Hauptaufgabe 
fand er, wie es zu gehen pflegt, Stoff und Lust zu kleineren 
Arbeiten. So stellte er 1513 für Erzherzog Karl, den Erben 
Maximilians, die römischen Kaiser von Julius Cäsar bis Maxi- 
milian zusammen. 8 Als Karl selbst gekrönt werden sollte, wid- 
mete er ihm das Werk, um den Namen des jungen Kaisers 
vermehrt, aufs neue am 17. August 1520. In der Widmung 
nennt er es «diß gegenwärtig Tafeb. In der Tat ist es eine 
Tabelle in 7 Spalten, welche der Kaiser eJarzal, Stammen und 
namen, Eygenschaft, Regiment, Alter, Sterben und Historia» 
enthalten. Auf den ersten Blick macht diese Einteilung den 
Eindruck großer Dürftigkeit. Bei näherem Zusehen erkennt 
man, daß doch das meiste dessen vorhanden ist, was der Zeit 
über die Kaiser als wissenswert erschien. Zum Beschluß spricht 
Mennel die Erwartung aus, Karl werde sich so wissen zu halten. 



1 E a n k e , Deutsche Gesch. im Zeitalter d. Keformation. Werke 
1873, I, S. 312. 

2 S. Über Mennel Th. Ludwig, Die Konstanzer Geschichts- 
schreibung 1894, S. 41 ff. — Laschitzer, a. a. 0., IV, S. 74 ff. 
Y, S. 220 f. VII, S. 11 ff 

8 Laschitzer, a. a. 0., IV, S. 81. — C. Drescher, Studien 
zu Hans Sachs 1891. S. 22 läßt Mennel aus Petrarcas Chronica 
delle vite de pontifici et imperatori Bomani schöpfen. Bei seinen 
langen geschichtlichen Untersuchungen kann man Mennels Quellen 
nicht auf ein einziges Werk beschränken. 

12 



- 178 — 

daß «die heylig Christlich kirch der verlast vnd schaden, so ir 
durch die vnglaubij^en bißher zugefügt sind, ergetzt, vnd das 
heylig Römisch reych der guten frid vfi rechten, deren es durch 
die vngetreuwen vnd boßhafftigen nun eben lang beraupt ge- 
wesen ist, wider eingesetzt» werden, und erinnert ihn an die 
Bedeutung der kaiserlichen Zeichen, Krone, Szepter, Schwert 
und A.pfel. — Als zweites Buch ist eine ebenso angelegte Ueber- 
sicht über die Päpste von Petrus bis Leo X. hinzugefügt, daher 
das ganze Werk den Titel «Keyserall, vnd Bäpstall» führt. 152!2 
erschien es zu Basel im Druck. — Von Konrad IV. weiß 
Mennel : «Er ward nit keiser, kam an daz künigreich Napels, 
da treib er grossen gewalt, thet die muren an vil orten ab- 
brechen, thet auch sunst vil vngeschickts, also hieß im künip^ 
Mauritius das Haupt abschlahen, damit starb das Hertzogthum 
7U Schwaben mitt schilt vnd heim ab.» Konrad und Konradin 
fließen in eine Gestalt zusammen. Als «Eigenschaft« der Kaiser 
nennt er bei Otho : Bößfüß, Seuerus : Gutsold, Heliogabalus : 
widhopfl", Valerian : Fußschemmel, Aurelian : Guldin wagen, 
Friedrich II. : Gut vnd böß, Conrad IV. : Vatterail, Ludwig IV. : 
der pfandtversetzer, Friedrich III. : Andechtig bilger; Julianus 
Apostata ward geschunden, Arnulf von Kärnten stirbt an den 
Hauptwürmen; sonst wechseln bei der Todesangabe je nach 
Verdienst die Noten : menschlich, natürlich, löblich, Christen - 
lieh, seliglich. Seinem kaiserlichen Gönner Maximilian widmet 
er einen warmen Nachruf. ^ 

Karl hatte die kaiserlichen Zeichen überkommen, einen 
Reichstag gehalten und sich wieder in seine Erblande zurück- 
begeben ; wie er, so blieb auch der von ihm erhoffte «gute 
Frid» dem Reiche fern. Auf die kirchlichen Kämpfe folgten 
bürgerliche, auf Sickingens Fehde der Bauernkrieg. In dem- 
selben Jahre 1525 erschien bei Wolfgang Köpfel in Straßbur^ 
das Kaiserbüchlein von Johannes H u 1 1 i c h , Chorkönig am 
Münster. 2 Geschickter als Mennel stellt er kurze Exzerpte z. B. 
für die ersten Kaiser aus Sueton, für die spätere Zeit aus den 
gangbaren Chroniken «laconice magis quam eleganter» zusam- 
men. Durch ein Versehen des Setzers ist Hadrian hinter seinen 
Nachfolger geraten. Selbständig wird Huttich erst gegen das 



1 Ist mit aller tagend die ein theürer fürst an im haben mag, 
beziert, sins libs ein held, in kriegslöffen für andern, vnd säst zu 
allen dingen^ es sei zn schimpff oder ernst, geschickt, darzn ein 
grosser historicus, vnd geiert mit vil geschrifften vnd zungen, vnd 
alweg frölich. 

2 Imperatoram Bomanorum Libellas. Vna cum imaginibus ad 
uiaam effigiem expressis. — lieber Huttich s. J. W. K t h, Johann 
Huttich (1487-1544) in: Euphorion IV, 772-789. 



— 179 — 

Ende der Reihe. Auf Maximilian läßt er Philipp von Spanien 
folgen^ dessen Aufnahme durch eine Schmeichelei gegen seine 
Söhne gerechtfertigt wird. * Ferdinand macht den Beschluß ; 
auch hei ihm hat Huttich das Bedürfnis einer Begründung. ^ 
Gewidmet ist das Buch dem herzoglich sächsischen Rat Otto v. 
Pack, unsehgen Angedenkens. 

Köpfel veranstaltete schon im folgenden Jahre einen neuen 
Abdruck. Im Text wurde wenig verändert, bei Karl V. z. B. 
die Gefangennahme des Königs von Frankreich nachgetragen. 
Gleichzeitig kam eine deutsche Uebersetzung heraus. 3 Dieselbe 
ist wortgetreu, gewandt und geläufig; von wem sie herrührt, 
läßt sich nicht feststellen. Wieder abgedruckt wurde sie nicht. 
Die Zeit für deutsche Kaiserbüchlein war noch nicht recht 
gekommen. 

Dagegen wurde das lateinische fleißig benützt. Im August 
1532 erschien in Basel bei Henricus Petri eine «Historiarum et 
chronicorum mundi epitome velut index», verfaßt von Achilles 
Pirminius Gasser aus Lindau, Arzt in Augsburg,* welcher 
sich auch sonst als Geschichtsschreiber einen Namen gemacht 
hat. Nach Jahren der Welt und Jahren vor und nach Christus 
wird eine kurze Uebersicht der Weltgeschichte von der Schöpf- 
ung bis 1534 gegeben, eingeteilt in 6 Weltalter. In der Vor- 
rede nennt Gasser Huttichs Buch nicht unter seinen Quellen, 
und hat ihm doch viel zu danken. Die Karlsruher Hofbibliothek 
besitzt ein Exemplar des Libellus, welches laut Eintrag auf dem 
Titelblatt: «Sum Achillis P. Gasseri L. 27 Juni 1530» Gassers 
Eigentum gewesen ist. Dasselbe ist voller Einträge von Gassers 
Hand : Ordnungszahlen bei den einzelnen Kaisern, Berechnungen 
ihres Lebensalters und ihrer Regierungszeit, Vergleiche mit 
Hermannus Gontraclus ; Bemerkungen, welche zuweilen in der 
Epitome wiederkehren, z. B. bei Heinrich IL (III) : Gomes fuit 
e Kalb mortuusque etate sua 39 anno in Bothfelden, Saxoniae 
vico = Epitome S. 206|7 : hunc alii comitem de Kalb . . . 
fuisse adserunt, moritur quadragenarius ... in Bothfelden 
Saxonie. Ferdinand ist durchgestrichen. Der Eintrag : «Aquis- 
grani rex Rhomanorum a fratre Carolo designatur 12. Januarij 



1 cuias inter ceteras naturae et virtutis dotes, quibus omnes 
suae aetatis Eegolos excelluit hoc unum satis est fecisse, nobis 
praeclara illa terrarum lumina Carolum et Ferdinandum peperisse. 

2 magni enim quiddam de eo animus praesagiit. 

3 Komische Key j ser abcontraueyt vom | ersten Caio Julie an 
vntz vff den jetzige j H. K. Carolum. Mit kurtzer anzey- | gung 
ires lebens, dapffer thate | vnd Historien. | Gedruckt mit Kayser- 
lieher freiheit. Straßburg bey Wolffen Köppfel 1526. — Tübingen, 
UnivBibl. 

4 W e g e l e S. 391 f. 



— 180 — 

1531» steht fast wörtlich in der Epitome. Wir sehen zugleich, 
daß Gasser nicht allein nach Huttich gearbeitet hat. Von 
Lothar I. bis Heinrich VIT. sind die Handzeichen der Kaiser 
eingetragen nach Urkunden aus Lindau und Pßlters. Bei 
Konrad L steht eine Zeichnung der Kaisergräber im Dom zu 
Speier mit dem ersten der bekannten Hexameter.* 

Wie Gasser haben noch andere Gelehrte jener Zeit 
Huttichs Libellus in Händen gehabt. Aber nicht alle ließen 
sich an dem redlichen Gewinn genügen. 

Gassers Epitome erschien wieder in Basel zu Ostern 1535. 
Die Vorrede ist vom 1. Oktober 1534, das Büchlein bis zur 
Erhebung des Papstes Paul HL fortgeführt, verbessert und mit 
einem Index versehen. Eine dritte, bis 1536 ergänzte Auflajre 
von 1538 ^ibt keinen Druckort an. Derselbe ist genügend 
gekonnzeichnet durch das Signet von Crato Mylius in Straßburg. 
Nikolaus Gerbel Vater und Sohn haben einige lobende lateinische 
Distichen hinzugefügt. In der Vorrede beklagt sich Gasser, daß 
buchhändlerische unredliche Habgier und abscheuliche Frechheit 
seine Epitome nachgedruckt und schändlich entstellt habe. Der 
Missetäter ist der Frankfurter Buchdrucker Christian Egenolf, 
der auch sonst in bezug auf Nachdruck ein weites Gewissen 
hatte.« Er veröffentlichte August 1533 eine «Epitome Chronicorum, 
ac magis insignium Historiarum Mundi uelut Index.» • In der 
Vorrede gibt sich ein Henrichus Sellarius als Verfasser 
an. Seine Arbeit war keine allzuschwere. Wie der Titel des 
Büchleins nur eine Variation des Gasserschen, so ist auch der 
Inhalt einfach aus Gasser herübergenommen. Man vergleiche 
die ersten Sätze *. 



Gasser : 

^ Prima mundi aetas ad di- 
laviam asque per durat . . . 

2 In prinpipio creauit ex nlhilo 
caelnm, terram, mare et omnia 
quae in eis sunt. 

3 Adam et Heua primi homines 
finguntur. 



Sellarius ; 

^ Prima Mundi aetas ad Di- 
iuuium usque est. 
8 Mundum creat Deus. 

s Adam et Heua primi homines 
finguntur. 



So geht es weiter durch das ganze Buch, nur daß ein 
Teil der Gasserschen Angaben weggelassen wird. Eigene Daten 
finden sich erst vom Ende des 15. Jahrhunderts ab, nicht 
immer gerade glückliche, z.B. zu G1512: 1512 Zehmus Tur- 



^ Hiernach ist zu ergänzen, was E. B e r n e r , Zur Verfassungs- 
gesehichte der Stadt Augsburg 1879, S. 5 ff. über Gassers Quellen 
und Arbeitsweise ausführt. 

2 H. Grotefend, Christian Egenolf 1881, S. 16 ff. 



— 181 — 

carum undecimus Imperator, qui Aegyptum subiugaviU der 
Zusatz : Hohenkree arx expugnatur. Wie dieser, so beziehen 
sich die übrigen Zusätze auf den Südwesten des Reiches, zuletzt 
auch auf die Reformationsbewegung. Dieser Tendenz hatte es 
£;:^enolf wohl hauptsächlich zu danken, daß er schon Oktober 
1534 einen zweiten Druck ausgeben durfte.^ Der Name des 
Sellarius fehlt. Vielleicht mochte er das Odium nicht tragen, 
denn es hatte sich noch jemand über sein Plagiat zu beklagen, 
der nicht bis 1538 wartete: Johannes Huttich. Aus dessen 
Libelius sind nämlich seitenweise die Kaiserviten in die Epitome 
des Sellarius hinübergegangen und an der entsprechenden 
Stelle eingeschaltet, mit solchem Ungeschick, daß z. B. von 
Gordianus und Otto IV. die Gassersche Notiz und die Huttich*sche 
vita nacheinander gebracht werden, bei einigen Kaisern noch 
Huttichs Angaben über deren Ellern, Frauen usw. mit auf- 
genommen sind, obwohl sie die annalistische Anlage des Werkes 
durchbrechen. Domitian und Konrad III. sind ganz weg- 
gelassen. Einzelne Viten sind zusammengezogen; bei manchen 
Kaisern des Mittelalters hat sich Sellarius mit der kurzen 
Gasserschen Notiz begnügt. 

Dieses Plagiat hatte Huttich wohl im Auge, als er 1534 
von seinem Kaiserbüchlein schrieb : editus sie libelius principio 
inauspicato et iterum minore librarij solertia quam primitus 
promissum fuerat et tertio authoris nomine penitus 
secluso insertis nonnullis ineptijs alihiad 
questum prostitutum uidimus.^ So lesen wir in der 
Vorrede zur dritten Auflage, welche er seihst und Köpfel 
dagegen ins Feld führten. 3 Größeres Format, breiter^ Rand 
und Zierleisten machen das Buch zu einer Art Prachtausgabe. 
Am Inhalt ist wenig geändert. Hadrian ist an die gehörige 
Stelle gerückt, bei Karl V. und Ferdinand sind die Be- 
gebenheiten seit 1526 nachgetragen. Die Widmung an Otto 
V. Pack ist natürlich verschwunden. — Diese Gestalt behielt 
Huttichs Buch in allen späteren Ausgaben, deren noch drei 
erfolgten : 1550 und 1554 zu Lyon und 1552 zu Straß- 



1 Der Titel desselben ist etwas verändert, er lautet jetzt : 
Ohronicoram mundi epitome in singulos annos curiose digesta. Ex 
probatissimis quibnsqae Authorlbus. 

« Graeße. Tresor III. 1862, S. 402 erwähnt einen Nachdruck 
l}ei Steyner in Augsburg 1533, welchen ich nicht ermitteln konnte. 
Hat er existirt, so könnte sich Huttichs Beschwerde auch auf ihn 
Jöeziehen ; auch könnte sein Libelius durch diese Vermittelung Sel- 
larius vorgelegen haben 

3 Der Titel lautet : Imperatorvm et Caesarvm Vitae, cum 
Imaginibus ad uiuam effigiem expressis. Libelius auctus cum elencho 
et Iconijs Consulum ab Authore. 1534. 



burg.i In der Kaiserliteratur wird Huttich lange nachher ge- 
nannt und benutzt. 

Wir haben uns länger bei Huttich und den von ihm 
abhängigen Schriften aufgehalten, weil ihre Beziehungen nicht 
iiTimer ganz richtig dargestellt worden sind. Bursian^ 
Gesch. d, klass. Phil. I, 1883, S. 166 deutet ihre Zusam- 
mengehörigkeit an, hat sich aber die Art und Weise nicht 
recht klar gemacht. Gassers und Sellarius Epitome hält er 
für im großen und ganzen identisch. Auch Keusch, Index 
d. verbot. Bücher 1883 I, 111 wirft Sellarius und Gasser zu- 
sammen, obwohl die Indices sie ganz richtig aus einander- 
halten. Wegele endlich schreibt S. 214 des Sellarius Epitome 
dem Ursinus Velius zu. Ihn verführte das Titelblatt der oben 
besprochenen zweiten Ausgabe von .1534. 2 Da die Epitome 
anonym auftritt und auch im Vorwort Sellarius nicht genannt 
wird, so kann die Namenangabe auf den ersten Blick irre führen. 
Selbstverständlich will sie nur sagen, daß Ursinus Velius der 
Autor der Monosticha und Disticha ist. 

Schon Huttich halte, wie wir sahen, 1525 auf Ferdinand 
als den kommenden Mann hingewiesen. In Ferdinands Gefoljje 
befand sich Ursinus Velius in Ungarn, als er 1528 die 
Monosticha verfaßte.» Wir erkennen den Freund Cuspinians an 
der Berücksichtigung der orientalischen Kaiser, denen nach 
1453 sogar die türkischen Herrscher zugefügt werden, den 
kaiserlichen Historiographen an der Bevorzugung Friedrichs 
d. Schönen vor Ludwig d. Baier.* Die gedrängte Uebersicht 
gipfelt in den Worten über die habsburgi sehen Brüder: 

Carolus Hesperiis regnat Fernandus Eois, 
Quam bene divisum est fratribus imperium. 

Als eifriger Anhänger des alten Kircheifiwesens gibt Velius 
wie Mennel eine gleichartige Zusammenstellung der Päpste zu. 



1 Mit dem Titel : Romanoram principum effigies. Diese Ausgabe 
besorgte, da Huttich inzwischen gest^orben war, Joh. Sambucus, 
der spätere Hofhistoriograph Maximilians II. 

2 Nach dem eigentlichen Titel der Epitome heißt es weiter: 
Monosticha de uitis Begum Italiae, Albanorum, Romanorum, et 
uirorum illustrium. tum Caesarum, Sommorum item Pontificum ad 
nostram usque aetatem, ('aspare Vrsino Velio Authore. Dis< 
ticha Caesarum. Romanorum eodem Authore. Caesares Germanici 
descripti a Georgio Sabin 0. 

3 G. B a u c h , Caspar Ursinus Velius 1886. Derselbe A. D. B. 39. 
^ Bauch sagt S. 57 : Auffallend ist, daß der Gegenkaiser 

Ludwigs von Baiern, der Habsburger Friedrich der Schöne von 
Oesterreich, gar nicht erwähnt ist. Er hat die Stelle übersehen : 
Henricus Italiae pacauit septimus urbes 
Dissona pars procerum te Friderice legit 
Altera scismaticum Ludouicum secta creavit usw. 



— 183 — 

Dagegen beschränkte er sich auf die Linea der Kaiser in den 
Bist ich a Gaesarum Romanoruni, welche noch in demselben 
Jahre den Monosticha folgten. Ferdinand ließ sie drucken, der 
Gesandte seines Bruders Antonius de Mendoza sollte sie Karl V. 
übergeben. 1 Bauch gibt, a. a. 0., S. 77— 84 ein chronologisches 
Verzeichnis der Werke des Ursinus Velius. Obwohl dasselbe 
naturgemäß nicht vollständig ist,« zeigt es doch schon die 
Beliebtheit und Verbreitung wie der übrigen Arbeiten des 
Velius, so auch seiner Disticha und Monosticha. Gewöhnlich 
treten sie auf in Gemeinschaft mit- verwandten Dichtungen 
des Ausonius, Georg Sabinus und Jakob Micyllus. Der alte 
Ausonius ist mit seinen Merkversen über die sieben Weisen 
Griechenlands, die zwölf Arbeiten des Herkules, den Monosticha 
über die Reihenfolge, Regierungszeit und Todesart der sue- 
tonischen Kaiser, und Tetrasticha über die Kaiser von Julius 
Cäsar an das klassische Vorbild der ganzen Dichtungsart. Der 
Frankfurter Schulmann und spätere Heidelberger Professor 
Micyllus, ein geborener Straßburger, hat die Kaiserverse 
des Ausonius ergänzt und bis auf Ferdinand I. fortgeführt, » 
wie er selbst in der Einleitung sagt.* Da Nikolaus Gerbel sie 
1544 als Unterschriften zu seinen Icones verwendet, dürften 
sie dem zweiten Frankfurter Aufenthalt des Micyllus 4537 — 47 
entstammen, und mit seiner Schultütigkeit im Zusammenhang 
stehen. In der Auswahl geht er noch über Velius hinaus. Hatte 
dieser Pupienus und Balbinus ihr Distichon nicht versagt, so be- 
singt Micyllus auch Konradin und Heinrich Raspe. Dagegen hat 
sich Georg Sabinus-, der Tochtermann Melanchthons, auf die 
Kaiser von Karl dem Großen an beschränkt. » 1532 erschienen 



1 Bauch, a. a. 0., S. 59. 

2 Es wären z. B. nachzutragen die Abdrücke der Monosticha 
und Disticha in der oben besprochenen Epitome des Sellarius 
Frankfurt 1534, der Disticha in den von Gerbel herausgegebenen 
Icones Imperatorum, Straßburg 1544 und bei Nik. Reusner, Impera- 
toruin . . . descriptiones, Leipzig 1572. 

* S. über Micyllus: J. Classen, Jacob Micyllus 1859, und 
den Artikel der A. D. B. von Brecher. Classen erwähnt die 
Kaiserepigramme S. 17 , kommt aber Kapitel 14 : Micyllus ' 
literarische Verdienste , nicht auf sie zurück. Die von Julius 
Micyllus veröffentlichten Gedichte seines Vaters, Jacobi Micylli 
Argentoratensis Syivarum libri V 1564 enthalten S. 381—420 nur 
den Abdruck ohne nähere Angaben. — Die Veröffentlichung durch 
Gerbel zeigt übrigens, daß Micyllus doch nicht ganz ohne Be- 
ziehungen zu seiner Vaterstadt war, wie Classen S. 4 meint. 
^ Addidimus reliqua, et quod defuit illius annis 
Suppletum ad nostros duximus usque dies. 

5 S. über Sabinus: M. Toppen, die Gründung der Universität 
zu Königsberg und Sabinus 1844. Toppen gibt auch eine gute 
Bibliographie, 



— 184 — 

seine Gaesares Germanici, zuerst nur bis Heinrich IL, dann 
bis Ferdinand I. fortgeführt. Beide Büchlein sind dem Kur- 
prinzen Joachim von Brandenburg gewidmet, dem zu Ehren auch 
zwischen Sigismund und Albrecht II. die Kurfürsten Albrecht 
Achilles, Joachim L und Albrecht von Mainz eingeschoben sind, 
mit starken Komplimenten für das brandenburgische Haus, 
dessen Protektion Sabinus suchte. ^ Wir verstehen heute im 
ersten Augenblick die hohe Befriedigung nicht, mit welcher 
die Zeitgenossen alle diese Gedichte aufnahmen .2 In einer Zeit, 
welcher eben das Verständnis für den Begriff «Geschichte» 
aufging, dienten sie den gelehrten Kreisen der Nation als 
Brücke von den sonst allein bekannten, als von jeher bestehend 
angesehenen, für alles den Maßstab abgebenden Zuständen der 
Gegenwart zu der wiederauftauchenden Vergangenheit des 
eigenen Volkes, zum neubelebten klassischen Altertum. In 
dieiser Brücke durfte keine Lücke klaffen. Darum ergänzte und 
vollendete Micyllus das Vermächtnis aus alter Zeit, die Kaiser- 
verse des Ausonius ; darum wurden umgekehrt des Sabinus 
Gaesares germanici zweimal bis zu Julius Cäsar verlängert: 
4543 durch den anonym in Wittenberg erschienenen Catalogus 
Bomanorum Imperatorum in Prosa,3 1572 durch Nikolaus 
Beusner, Imperatorum ac Caesarum Bomanorum descrip- 
tiones, in ebenbürtigen Versen. 

Für Sabinus können wir beinahe Tag und Stunde nennen, 
welche ihm den Gedanken zu seinen Kaisergedichten eingaben. 
1530 durfte er Melanchthon, damals nur erst als sein Schuler 
und Hausgenosse, auf den Beichstag nach Augsburg begleiten.* 
Bei dem feierlichen Einzüge sah er Karl V. als Herrscher, 
die deutschen Fürsten als seine Vasallen und Diener. Hier 



1 Toppen, a. a. 0., S. 29. 

8 NurErasmus spottete ein wenig darüber; s. Bauch, a. a 0.,S. 59. 

3 Diesen Catalogas, welchem des Sabinus Gaesares angedruckt 
sind, meint AVegele wohl S. 216 mit dem <Carmen quod continet 
Cataiogum Imperatorum Komanorum et Germanicorum Caesarum 
von Georg Sabinus», worüber Paul Eber W. S. 1543/44 Vorlesungen 
hielt. Die Bibliothek des Thomasstiftes zu Straßburg besitzt das 
Exemplar des Cyriakus Spangenberg, welcher 1542—46 in Witten- 
berg studierte (Real. Enz. f. prot. Theol. 14 1, S. 469). Die zahl- 
reichen handschriftlichen Bemerkungen zeigen, daß das Buch als 
Leitfaden in einer geschichtlichen Vorlesung gedient hat. Den pro- 
saischen Teil könnte ganz gut Paul Eber selbst zusammengestellt 
haben. Ein anderes Büchlein, über welches Eber S. S. 1513 las, des 
Tacitus Germania, eingeleitet durch Huttens Arminius Wittenberg 
1538, ist mit dem Catalogus zusammengebunden und verrät mit 
seinen Einträgen, daß es gleichfalls im Kolleg benützt worden ist. 
S. C. H. Sixt, Paul Eber 1843, S. 25. 

4 Toppen, a. a. 0., S. 24. 



— 185 — 

muß er einen mächtigen Eindruck davon bekommen haben, 
daß der Imperator der abendländischen Christenheit der deutsche 
Kaiser war.i Ihn feierte er als Erben und Nachfolger einer 
Reihe von Herrschern, an deren Spitzp Karl der Große stand, 
eine Gianzgestalt, um deren Zugehörigkeit 2ur deutschen Nation 
noch nicht lange Wimpfeling mit Murner gestritten hatte, mit 
welcher der zeitgenössische Inhaber der Krone, ebenfalls ein 
Karl, gern zusammengestellt wurde.* Wir verstehen, daß der 
Kaiser und noch mehr der, welcher es werden wollte, Fer- 
dinand, an einer Literatur Wohlgefallen fanden, welche das 
Kaisertum so verherrlichte, mochte sie nun bei Karl dem 
Großen einsetzen, oder bei Julius Cäsar. Wenn es auch nur 
Merkverse waren — , genug, wenn man sich merkte, daß 
Kaisertum und Christentum gleichzeitig in die W^elt gekommen 
waren. 

Neben diese gelehrte Kaiserdichtung tritt jetzt zum ersten 
Mal ein Volksbuch, welches denselben Gegenstand behandelt, 
in der kaisertreuen Stadt Nürnberg geschrieben von Hans 
Sachs: 8 Nicht ungeschickt leitet er die Aufzählung ein: 

Eins tags bat ich ein ehrenholfc, 

Das er mir kartz erzelon solt, 
Aller Römischen kayser nam, 

Wie einer nach dem andern kam 
Za kayserlicher Mayestat 

Wie lang yeder regieret hat, 
Was preyß er hab im reich erworben 

Und wie er endlich sey gestorben. 

Der Ehrenholt willfahrt seiner Bitte und schließt mit 
Glückwünschen für den fünften Carolum, der jetzunt vnser 
zeit regiert : 

Got wöl das er inn ehr vnd rhum 

Erheb das römisch kayserthumb, 
Noch glücklicher, denn Augustus, 

Vnd besser viel dann Trayanus, 



1 Den Einzag selbst besingt Sabinas Eleg. I, 2 : Ad Eobanum 
Hessum de adventa Caroli V Caesaris. 

2 So z. B. auf dem Titelblatt der Karl V. gewidmeten ersten 
Ausgabe von Einhards Vita Caroli. Köln 1521. 

3 All römisch kayser nach Ordnung, wie lang yeder 
-geregiert hat, zu welcher zeit, was sitten der gehabt vnd was 
todtes er gestorben sey, von dem ersten an bis auff den jetzigen 
.großmechtigesten kayser Carolum V, — s. darüber : Karl Drescher, 
Studien zu Hans Sachs, N. F. 1891, S. 21-27. — Bibliographie der 
Kaiserbüchlein des Hans Sachs von E. Goetze in: Bibl. d. Stutt- 
gart Lit. V. 220, 1890. S. 106—110. 



- i8(5 - 

Dadurch sein lob vnd preiß sich mehr, 

Darzu sein kayserliche ehr 
Gedechtnuß wirdig aufferwachs 

Das wünscht zu Nürenberg Hans Sachs. 

Goetze verzeichnet nicht weniger als 14 Ausgaben. Egenolf! 
in Frankfurt druckte das Büchlein 1535 und 1538, Gammer- 
lander in Straßburg 1536 und 1538 nach, beide mit Holz- 
schnitten. Ferdinands Wahl zum römischen König dürfte die 
große Nachfrage hervorgerufen haben. 

Als Quelle dienten Hans Sachs die Tabellen Jakob Mennels^ 
ergänzt aus Hartmann SchedelJ Wenige Jahre später hatte er 
die Wahl unter einer ganzen Anzahl großer und kleiner 
Ghroniken. Eine davon legte er sich noch zu : die Germania 
Sebastian F r a n c k s. 2 

Die Germania, 1538 erschienen, ist in der Hauptsache 
ebenfalls ein Kaiserbuch. Fünf Sechstel des Ganzen umfaßt die 
«Monarchie des Rhömischen Reichs, der Teutschen sach für- 
nemlich belangend». Wir finden darin eine vorsichtigere Neu- 
bearbeitung der entsprechenden Teile des für Franck so ver- 
hängnisvoll gewordenen Buches, mit dem er 1531 zuerst 
selbständig als Schriftsteller aufgetreten war : G h r o n i c a , 
Zeytbuch, vnd geschichtbibel. Schon die drei Namen 
für einen sind charakteristisch: so schreibt ein Mann, der nicht 
Worte genug findet für das, was er sagen will. Franck gibt 
in der Tat eine Zusammenfassung alles dessen, was er bis 
dahin gelesen und erlebt hatte, niedergeschrieben nicht nur 
um auf die Leser zu wirken, sondern vor allem um seinem 
übervollen Herzen Luft zu machen. Den Gesichtspunkt, unter 
welchem er den zweiten Teil, «der KeyserJarbuch^, 
darstellt, bezeichnet die einleitende Betrachtung über das 
kaiserliche Wappentier : wie der Adler ein Raubvogel, so ist 
der Fürst ein Tyrann. In der ganzen Reihe finden sich keine 
zwei guten Kaiser. Man begreift, daß Ferdinand auch über die 
Geschichtbibel mit seinem kaiserlichen Bruder verhandelte. Er 
bewies daraus die Notwendigkeit einer scharfen Zensur. 

Franck steht genau auf der Grenze zweier Abschnitte der 
Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts. Auf den ersten 



1 S. Karl Drescher, Studien zu Hans Sachs. N. F. 1891, 
S. 21 ff. — Hans Sachs' Bücherverzeichnis in : Archiv f. Literatur- 
gesch. 7, 1878, S. i ff. — Die ebendort genannte Augsburger Chronik 
eignete sich weniger als Leitfaden für ein kurzes Kaiserbächlein. 
Ausgaben vor 1530 sind allerdings vorhanden, z. B. : Chronica 
New-Manicherlay Historien . . . biß . . . 1528 Erlengeret. 

^ Die Literjatur über Franck bei A. Hegler, S. F., Eealenz. f. 
prot. Theol. n. Kirche 3, 6, 1899. Dazu: H. Oncken, S. F. als 
Historiker. Sybels Hist Ztschr. 89, 1902, S. 1 ff. 



— 187 ^ 

Blick nur sich selber |?!eich, trägt er Züge an sich, welche wir 
in beiden wiederfinden. Seine anziehenden Kulturschilderungen, 
sein Sprichwörterschatz zeigen den guten Beobachter damaliger 
deutscher Art und Sitte. Wenn seine Eindrücke ihn dazu 
führen, seinen Landsleuten eine Strafpredigt nach der andern 
zu* halten, so sehen wir darin zuletzt nur eine Aeußerung der- 
selben Vaterlandsliebe, welche die ältere humanistische Gene- 
ration bewog, Deutschland und die Deutschen maßlos zu ver- 
herrlichen. Auch mit seiner ausgedehnten Belesenheit steht er 
auf den Schultern seiner Vorgänger. Daß sie ihm eine gründ- 
liche Gelehrsamkeit nicht ersetzen konnte, fühlte er selbst am 
besten. Das Eigenartige seiner Darstellung fließt aus seiner 
religiösen Richtung: einer schwärmerischen Mystik von so 
idealen Anforderungen, daß ihr Träger zur praktischen Mit- 
arbeit an den Aufgaben seiner Zeit untüchtig wurde und nur 
noch überall den Abstand der Wirklichkeit von dem, was 
nach seiner Meinung sein sollte, beleuchten konnte. Man hat 
Franck einen Mann genannt, der seiner Zeit um Jahrhunderte 
voraus gewesen sei. Gerade so gut können wir sagen, daß er 
um Jahrzehnte zurück war. Er blieb in einer Geistesrichtung 
hängen, welche nur der Anfang des jetzt überall, auch in der 
Geschichtschreibung zur Geltung kommenden neuen Prinzips 
gewesen war: der Reformation. 

Die Reformationsbewegung wird im vierten Jahrzehnt des 
16. Jahrhunderts getragen von zwei Kreisen, welche nach vor- 
übergehender Entzweiung einander suchen und finden : den 
Wittenbergern und den Oberdeutschen. In der Historiographie 
begegnen wir denselben Verhältnissen. Der Historiker der 
Wittenberger Jst Melanchlhon.i Unter seinen Auspizien erschien 
1532 zu Wittenberg die «Chronica durch Magistrum Carion 
vleissig zusammengezogen, meniglich nützlich zu lesen», in ihrer 
^Loyalität ein Gegengift gegen die Geschichtbibel Francks, gleich 
dieser in deutscher Sprache. Wie Melanchthon das Büchlein, 
bei dessen Abfassung er schon das beste getan hatte, seinen 
Voilesungen zugrunde legte, so war die Neubearbeitung des- 
selben seine letzte Sorge. Als er bis zu Karl dem Großen ge- 
kommen war, nahm ihm der Tod die Feder aus der fleißigen 
Hand. Sein Tochtermann Peucer führte das Werk zu Ende. 
Außer ihm gehören in diesen Kreis Paul Eber und Georg 



1 Vgl. außer W e g e 1 e I, 5 noch H. Brettschneider, 
Melanchthon als Historiker, 1880. — 0. Wetzstein. Die deutsche 
Geschichtschreibung zur Zeit der Reformation, 1888-89. — Hild. 
Ziegler, Chronicon Carionis. Hallesche Abh. z. neuern Gesch. 35, 
1898. — R. Fester, Sleidan, Sabinus, Melanchthon, Sybels Hist. 
Ztschr. 89, 1902, S. 1 ff. 



— 188 — 

Sabinus, welche wir schon ^(enannl haben, sowie Nicolaus von 
Amsdorf und Paul Prätorius. 

. Natürlich ist für die Wiltenberger, deren Hauptaugenmerk 
auf die kirchlichen Kämpfe gerichtet war, die Geschichte nicht 
Selbstzweck. Auch die Kaisergeschichte wird, wie bei Franck, 
in eigenen Darstellungen dem neuen Gedanken dienstbar ge- 
macht. Der Kampf gegen das Papsttum brachte ein Menschen- 
alter später das Meisterwerk der «wittenberger» Geschichts- 
schreibung, die Magdeburger Centurien hervor. Wie ein Vor- 
spiel dazu veröffentlichte 1534 der streitbare Magdeburger 
Pfarrherr Nikolaus v. Amsdorf, ein Geistesverwandter des 
Flacius, sein Kaiserbuch. ^ Der Inhalt ist mit dem Titel eigent- 
lich schon hinlänglich gekennzeichnet. Als Gewährsmann ist 
absichtlich Nauclerus genommen, «wölcher ainPfaffvnd Propst 
zu Tübingen geweßt, das diß alles nicht von ainem feyndt der 
Pfaffen sondern von ainem rechten Ertzpfaffen selbst geschriben 
ist». Amsdorf entschuldigt sich, daß er auch die ersten Kaiser 
mit hinzunehme, obw(»hI die Darstellung genau genommen erst 
mit Carolo Magno anfangen sollte. Auch sonst bringt er hier 
und da eine Kaiseranekdote, welche mit dem Grundgedanken 
nichts zu tun hat. Der Schluß beleuchtet in starken Ausdrücken, 
wie sie Amsdorf liebte, die Politik Clemens VII. gegen Karl V. 
Dieser und seine Vorgänger sind die «frommen Kaiser». — 
Luther spricht i535 in der Vorrede eines Amsdorf gewidmeten 
Schriftchens seine Zustimmung zu dem «kleinen Chröniklin» 
aus.2 1545, als der Kaiser sich mit Paul III. zur Bekämpfung 
der Ketzer verband, wurde es wieder abgedruckt. 

Blatte Amsdorf für jeden «getrewlichen liebhaber Teütsches 
namens vnd Bluts» geschrieben, so wandte sich das Kaiserbuch 
der Oberdeutschen, welches zeitlich fast in die Mitte zwischen 
die beiden Ausgaben des Auszugs fällt, unmittelbar an^die 
höchste Stelle. 



1 «Ein kurtzer auszug aus der Chronica Naucleri, wie untreu- 
lich und verreterlich die Bep«te zu Rom mit den Römischen Key^sern 
gehandelt haben.» Eine Art Vorarbeit war schon Hütte ns Flug- 
schrift: Wie allwegen sich die Römischen Bischöff oder Bäpst gegen 
den teütschen Kayßeren gehalten haben 1520 und öfter, s. Hütten, 
Werke ed. BÖeking 5. 1861, 363 ff. Literatur über Amsdorf bei 6. 
Kawerau, N. v. A. Realenz f. prot. Theologie u, Kirche 3, l, 1896. 

2 Luthers Werke, Erl. Ausgabe 55, 1853. S. 90. — Z i e g 1 e r 
vergleicht, um den Fortsehritt zu zeigen, welchen die deutsche 
Geschichtschreibung mit Carlo macht, dessen Chronicon mit 3 «Welt- 
chroniken», darunter auch Amsdorfs Kaiserbuch. Aber dieses will 
keine vollständige Chronik sein sondern nur ein kurzer Auszug mit 
spezieller Tendenz. Der Vergleich, der natürlich zu Amsdorfs Un- 
gunsten ausfällt, ist verfehlt. 



— 189 — 

Den Oberdeutschen fehlt die Geschlossenheit ihrer nord- 
deutschen Glaubensgenossen. Sie haben keine großen Gebiete, 
wie Sachsen und Hessen, kein politisches Haupt, wie den Kur- 
fürsten, noch weniger einen kirchlichen Führer, wie Luther, 
oder einen geistigen Mittelpunkt, wie Wittenberg. Bis zu einem 
gewissen Grade bietet Straßburg einen Ersatz. Die geschicht- 
liche Literatur spiegelt diese Verhältnisse wieder.» Noch ist 
Sleidans Zeit nicht gekommen. Allenthalben ist man vom Nutzen 
der «Hystorien» überzeugt, aber der gute Wille und die emsige 
Geschäftigkeit reichen nicht aus, ein originales Geschichtswerk 
hervorzubringen. Als eine Tat gilt schon die neue Ausgabe der 
Ursperger Chronik mit ihrer Fortsetzung durch Hedio, welche 
freilich gegen das alte Werk sehr abfallt. Sonst betätigt sich 
der schriftstellerische Eifer meist in üebersetzungen, haupt- 
sächlich dazu bestimmt, Waffen zu liefern für den Kampf der 
Geister, dem gemeinen Mann diesen Kampf verständlich zu 
machen und die breiten Massen mit hineinzuziehen. Es ist 
erstaunlich, welche Anzahl stattlicher Folianten Jahr für Jahr 
von Augsburg, Colmar, Straßburg, Hagenau, Mainz, Frankfurt 
aus unter das Volk gebracht werden. In dieser Volksschrift- 
stellerei wetteifern Anhänger des alten und neuen Kirchen- 
wesens. Neben Micyllus und Hedio, Cammerlander und Michael 
Herr heben wir Hieronymus Boner und Heinrich von Eppen- 
dorf hervor, welche sogar einmal beide denselben Autor in 
Angriff nahmen, ohne daß einer von der Arbeit des andern 
wußte. 2 Selbst der alte Murner verwendete die letzten Jahre 
seines Lebens auf eine Uebersetzung der Enneaden des Sabel- 
licus.s Ein Erbteil aus der vorhergegangenen Blütezeit des 
Straßburger Humanismus ist es wohl, daß in diesen Zeiten der 
Gährung und Scheidung am Oberrhein noch eine gewisse Ge- 
meinsamkeit der literarischen Bestrebungen obwaltet. So be- 
sorgte Huttich zur Herausgabe der ürsperger Chronik eine 
Handschrift aus der Bibliothek des Wormser Bischofs Johannes 
V. Dalberg, Beatus Rhenanus erteilte seinen geschätzten philo- 
logischen Rat. Die maßvolle kirchliche Haltung Hedios er- 
leichterte die guten Beziehungen.* Einige seiner Üebersetzungen 



1 8. Lenz, Geschichtsscbreibg. ü. Geschichtsauffassg. im Elsaß 
z. Zt. der Ref. Sehr. d. Ver. f. Kef. Gesch. 49, 1895. 

2 S. G. Wethly, Hieronymus Boner, Als. Studien 4, 1892, 
S. 44. 

3 S. E. Martin, Jahrb. d. Ges. f. Gesch., Sprache u. Liter. 
Els.-Lothr. 9, 1893, 102 ff. 

* Als entschiedener Lutheraner — er wurde z. B. 1536 für 
Frankfurt a. M. ins Auge gefaßt, um den Zwinglianer Dionysius 
Melander zu ersetzen, aU die Stadt sich der Wittenberger Eonkordie 
angeschlossen hatte, s. Steitz, Abh. z. Frankf. Hef. Gesch. 1872, 



— 190 - 

haben mehrere Auflagen erlebt und weite Verbreitung gefunden ; 
so die Chronica der Alten Christlichen Kirchen, njit der er 1530 
zuerst auftrat ; der Josephus, welcher 1531 nachfolgte ; vor allem 
die Uebersetzung der Ursperger Chronik, die Auserleßene Chronik 
1539. Hier knüpfte Hedio auch äußerlich an die Vergangenheit 
an, indem er Sebastian Brants Beschreibung von Deutschland als 
Anbang zu seiner Chronik veröfFent lichte. i Melanchthon begrüßte 
dieselbe mit Freuden. In seinem Vorworte dazu spricht er den 
Wunsch aus, daß Sebastian Franks «schmachbuch» nun aus 
den Händen der Leser verschwinden möge. Dieser hatte in 
seiner Germania der Bemühungen, «mit einem bessern werck 
das seine austhun», gespottet. 2 Wäre Aventins Berufung nach 
Straßburg zustande gekommen, so hätte er seinen Spott wohl 
für sich behalten. 3 

Eine Art von Kaiserbuch lieferte aus dem Kreise der «andern» 
zuerst Heinrich von E p p e n d r f.* In seiner «Römischer 
Historien Bekürtzung» Straßburg 1536 verbindet er eine stark zu- 
sammengezogene deutsche Bearbeitung von Florus, Eutropius und 
Sextus Bufus mit Galeazzo Capellas De rebus in Italia gestis, 
indem er Egnazios drei Bücher von den Römischen Kaisern, 
von Julius bis Karl V., als Bindeglied zwischen alte und neue 
Geschichte hineinsetzt. Von ihm selber stammt nur ein kurzer 
Anhang über die Kriege Maximilians. Daß der Venezianer diese 
übergangen halte, wurmte den deutschen Humanisten. Auch fugte 
er einen gereimten Beschluß hinzu. 1540 sollte die «Bekürtzung» 
wieder erscheinen. Das Inhaltsverzeichnis einer Uebersetzung 
von neun kleinen Türkenschriften unter dem Titel : «Türckischer 
Kayßer Ankunfft, Kryeg vnd Händlungio verspricht als zehntes 



S. 255, — bildete Hedio mit seinem Freunde Gerbel den rechten 
Flügel der Straßburger Beformationsmänner. Der religiöse Katho- 
lizismus fand bei ihm Anknüpfungspunkte. Bei der Bischofswahl 
1541 hielt er, wie ihm als Prediger des Domkapitels zukam, die 
Predigt. 

1 S. darüber C. Varrentrapp, Ztsehr. f. d. Gesch. d. Ober- 
rheins N. F. 11. 1896, S. 288. 

2 Germ. 153i) Vorrede : Nun ich höre gleichwol, das andere 
auch in der arbeit seind, jr Germaniam zu illustrieren, vnnd auß 
dem staub herauß zu schütten, auff die ich nun wol zwei jar ge- 
wart, vnd gern gesehen das sie das eiß hetten brechen, so hett ich 
den vortheil gehabt, das ich jn auff jr achsel gestanden were, vnnd 
also weitter gesehen möcht haben, denn sie vnder mir. Nun aber 
niemant herauß wil, will ich gleich in Gotts namen der waghals 
sein, allen vorgeen, vndersteen. vnd vergönnen, das mir ie'dermann 
auff mein achsel stehe, vnd nur weit über mich außseh, vnd' mit 
einem bessern werck das mein außthu. 

3 Vgl. darüber Lenz, Ztsehr. f. Gesch. des Oberrheins. N. F. 9, 
1894, S. 029 ff 

^ S. Scherer, H. v. E., A. d. B.. 6, 1877. 



— 101 — 

Sluck : Römischer Königen, Burgermeistern, vn Keyßeren kryegß- 
händel vnd Geschichten bitz ynschlyeßlich vfF den yetzt re- 
gyerenden Keyßer Carolum. Das neunte Stück, eine Ueber- 
setzuDg nach Paulus Jovius, hat sein eigenes Titelblatt mit dem 
Bilde Karl V. : Türckischer Kayßer Ankunfft, vnd Kryegßhand- 
lung wider die Christen. Zu Eeren vnd wolgefallen Keyß. Mt. 
Carolo dem FünfFten beschriben. Mit diesem neunten Stück 
endigt das Buch. Karl V. und die übrigen römischen Könige 
und Kaiser fehlen. Eppendorf konnte sich wohl deshalb nicht 
entschließen, sie mit abzudrucken, weil er sich überholt sah 
durch die Caesares Cuspinians, welche 1540 endlich heraus- 
g^eben wurden. 

Das Lob, welches der Herausgeber Nikolaus Ger be 1 ^ 
dem Werke spendet, ist verdient. Statt der überall wider- 
kehrenden kurzen Notizen bietet Cuspinian ausgearbeitete 
Lebensbilder. Seine Quellen, unter- denen wir den neuent- 
deckten Tacitus für Tiberius, Ammianus Marcellinus für 
Julian, Prokop für Justinian L, die Ürsperger Chronik, Sige- 
berl, Hermann von Reichenau, Otto von Freising für das 
Mittelalter hervorheben, sind nicht ausgeschrieben, sondern 
verarbeitet. Daß auch der von Trithemius erfundene Hunibald 
mit unterläuft, wollen wir verzeihen. Sind doch dafür auch 
Denkmäler und Urkunden herangezogen worden. Pellikan wurde 
durch das Buch so gefesselt, daß er es in drei Tagen auslas.* 

Aber es war nicht allein für die wissenschaftliche Welt 
bestimmt. Christoph Scheurl, welcher das Manuskript von 
Cuspinians Erben erhalten und weiter gegeben hatte,» erfüllte 
den letzten Willen des Verstorbenen, indem er das Werk 
Karl V. zueignete. Aber er benützte zugleich die Gelegenheit, 
dem Kaiser, der das Religionsgespräch zu Worms vorbereitete, 
Milde und Versöhnlichkeit zur Herstellung des innern Friedens 
anzuempfehlen,* damit der Orient die Kraft des geeinten 
Reiches verspüre. 



1 S. C. Varrentrapp, Nikolaus Gerbel, in: Festschrift z. 
46. Vers, deutscher Philol. u. Schulmänner in Straßburg 1901. 

s S. B. Eiggenbach, das Chronicon des Kourad Pellikan 
1877, S 166. 

3 In Christoph Schenrls Briefbuch II, 1872, S. 240-244 
steht der Entwurf der Widmung. Der dort S. 244 als Herausgeber 
genannte Camerarius, damals in Tübingen, früher in Nürnberg, 
hat wohl nur zwischen Scheurl und Mylius Gerbel in Straßburg 
vermittelt. Aus seinen Briefen ergibt sich, daß er mit Gerbel ver- 
kehrte und im Juni 1540 selbst in Straßburg war, s. Camerarii 
Epistulae 1595, S. 128. 137. 160. 162. 

* Ranke, Sämtl. Werke IV, 1873, S. 139 hört aus Scheurls 
Worten nur das Verlangen auch der Altgläubigen nach der kirch- 



^ 1^2 — 

Als Sprecher einer Gesandtschaft aus diesem Reich hatte 
Scheurl einst in Spanien vor Karl gestanden, um den gegen 
den päpstlichen Willen erwählten als Kaiser zu begrüßen. 
Jetzt widmete er ihm ein Buch, welches mit warmem vater- 
ländischem Gefühl geschrieben, bei aller Anhänglichkeit an den 
alten Glauben die Hoheit des Kaisertums über dem Papsttum, 
sein gutes Recht in den kirchlichen Kämpfen der Vergangenheit 
nachdrücklich hervorhob. i Hatte Amsdorf einen 1510 verstor- 
benen Probst als Zeugen für die Mißhandlung des Kaisertums 
durch die Päpste aufgerufen, so verschafften Scheurl und 
Gerbel einem kaiserlichen Geschäftsträger, der ebenfalls der 
Zeit vor der Kirchenspaltung angehörte, das Wort zu ähn- 
lichen Ausführungen. Daß sich zu dieser posthumen Ver- 
öffentlichung Anhänger beider kirchlichen Richtungen zusammen- 
taten, verdient auch bemerkt zu werden. 

1541 machte Hedio die «Caesares» Cuspinians durch eine 
deutsche Uebersetzung weiteren Kreisen zugänglich. Gerbel 
behandelte den Stoff ein zweites Mal in poetischer Form, 
indem er 1544 die Bilder der Kaiser mit den schon erwähnten 
Versen des Ausonius, Micyllus und Ursinus Velius herausgab.* 
Schon Guspinian hatte viele Lebensbilder mit Tetrastichen 
geschlossen, soweit es ging nach Ausonius, dann mit Versen 
eigener Arbeit.» Hierdurch ist Gerbel wohl auf den Gedanken 
seines kleinen Kaiserbüchleins gekommen. 



liehen Eeformation heraus, und vermißt den Zusammenhang dieses 
Gedankens mit dem nachfolgenden Werk. Dieser Zusammenhang* 
scheint doch nicht ganz zu fehlen. 

1 Die Papstgeschichte der ersten Jahrhunderte tritt bei Gus- 
pinian sehr zurück. Von Diocletian sagt er (S. 108 der Ausg. von 
1561) : er ließ sich die Füße küssen, wie heutzutage unsre heiligen 
Päpste; bei der Translatio Imperii, S. 215: Man glaubte damals, die 
Entscheidung über das Kaisertum stehe dem heiligen Stuhl zu, 
früher dagegen, es werde von Gott gegeben. Die nicht päpstlich 
gesalbten Kaiser zählen manche nicht als solche, mit Unrecht. 
Rudolf von Rheinfelden ist ihm ein Tyrann, S. 353, Gregor nicht 
legitimer Papst, da er der kaiserlichen Bestätigung entbehrte, S. 352. 
Ebenso steht er zu Friedrich I. und II. : Die Schmeichler der Päpste 
behaupten, daß diesen alles freistehe, daß sie beide Schwerter 
haben, und die Kaiser ihre Knechte seien S. 420. Bei Gelegenheit 
greift er die Italiener Blondus, Piatina, Sabellicus an, daß sie den 
Taten der Deutschen nicht gerecht würden : seine deutschen Quellen 
seien eben nichts für ihre zarten Magen gewesen, S. 427. Maximilian 
wünscht er eine würdige Biographie aus deutscher Feder. 

2 Icones Imperatorum et breves uitae, atque rerum cuiusqae 
gestarum indicationes : Ausonio, Jacobe Micyllo, Ursino Yelio 
authoribus. Arg, Crato Mylius 1544. 

s Von Zeno bis Karl d. Gr, fehlen die Testrasticha, ebenso von 
da ab bei den byzantinischen Kaisern. Guspinian drückt vielleicht 
durch das Tetrastichon eine Art Anerkennung aus. 



— 193 — 

Wie er nur früher schon veröffentlichte Dichtungen zu- 
sammenstellte, so haben wir für die nächstfolgenden Jahre nur 
Wiederabdrücke älterer Kaiserbüchlein zu verzeichnen. Der 
schmalkaldische Krieg und was ihm nachfolgte war nicht 
geeignet, für das Kaisertum zu begeistern. Das Interesse 
erwachte erst wieder, als Karl V. seiner Würde entsagte und 
Ferdinand Kaiser wurde. Für einen großen Teil der Nation 
hatte er schon längst als solcher gegolten. Wir haben seit 
Huttichs Libellus 15^25 Kaiserbüchlein, in denen nicht Karl, 
sondern sein Bruder die Reihe abschließt. Mit Karl zusammen 
in einem Rahmen steht er bei Hubert Gholtz von Würzburg, 
Maler zu Antwerpen, der sich als Münzsammler wie als 
Fälscher einen Namen gemacht hat*; für sich allein, aber nur 
im Register als Kaiser, im Text als römischer König auf- 
geführt, bei Diethelm Keller, Bürger zu Zürich. 2 Keller über- 
setzte nur die «Epitome Thesauri Antiquitatum h. e. Impp. 
Rom. Iconum» des Jacob de Strada von Maniua, zu Lyon 
1553 erschienen, zu Zürich 1557 wiederholt, dessen Text 
seinerseits auf Guspinian fußt. 

Gholtz wie Strada legen weniger Wert auf den Text als 
auf die Abbildungen. Diese sind übergegangen in die deutsche 
Uebersetzung des letzten Kaiserbüchleins, welches wir zu 
nennen haben, von Paul Prätorius.» 

Paul P r ä t or i u s, ein lutherischer Geistlicher aus Bernau 
in der Mark und Freund des Sabinus, ist dadurch bekannt, 
daß ihn Kurfürst Joachim II. von Brandenburg mit der 
Erziehung seiner früh verstorbenen Söhne Friedrich und Sigis- 
mund, beide nacheinander postulierte Erzbischöfe von Magde- 
burg, betraute. Was Prätorius im Geschichtsunterricht den 
Prinzen über das Kaisertum vorgetragen hatte, arbeitete er 
später für den Druck aus, und widmete das Werk dem hohen 
Vater seiner Zöglinge. Als Leitfaden diente ihm Carios kleine 
Chronik. Es versteht sich, daß die Nutzanwendungen für Re- 
genten nicht gespart sind und auch der brandenburgischen 
Geschichte gedacht wird. Bei Ferdinand macht Prätorius halt. 



' Lebende Bilder aller Keysern, Anttorf 1557. — Vgl. Zeitschr. 
f. Numism. 10, 1883, S. 141. — 19. 1895, S. 251 f. 

'^ Künstliche vnd aigendtliche bildtnussen der Rhömischen 
Keyseren, Zürich 1557. — Das Buch ist Bürgermeister und Rat der 
Stadt Mülhausen gewidmet 

3 Caesares Romani, Frankf. a. d. Oder 1559. — lieber P. Prä- 
torius, 8. R. Sehwarze, A. D. B. 26, 1888, wo freilich unser 
Büchlein nicht erwähnt wird. - Die «Vitae Caesarura quot & quem ad- 
modum apud Suidam jnveniuntur», Frankf. a. M., 1557 von Herrn. 
"Witekind, dem Bekämpfer der Hexenprozesse, glaube ich über- 
g-ehen zu dürfen. 

18 



— Iü4 — 

An Karl V. wird g^eiobl, was g^elobt werden kann ; daß er die 
Evangelischen mit den Waffen bekämpfte, war eigentlich gegen 
seinen Willen ; er war ein Muster von Keuschheit und Mäßig- 
keit. Um so schlechter kommt das Papsttum weg. Die Päpstin 
Johanna fehlt nicht, — Eine deutsche üebersetzung ^ von Jakob 
Eysenberg, Prediger an der Schloßkirche zu Wittenberg, 
erschien 1561. Johann Episko pius von Würzburg benätzte 
Prätorius zu seinem gereimten «cKeyserbuchleini», das bis zum 
Regierungsantritt Maximilians II. reicht. 

Gleichzeitig mit Prätorius war auch Zschorns Kaiserbüch- 
lein erschienen. Ihm wenden wir jetzt wieder unsere Auf- 
merksamkeit zu. 



5« Die Quellen des Kaiserbüchleins. 

Unser Zschorn blickte auf eine stattliche Reihe von Vor- 
gängern zurück, als er im Schlußwort des KB sagte, daß dieser 
Handbüchlein von Kaisern lateinisch und deutsch viel in Druck 
ausgegangen seien. Vermutlich hat er einige der älteren Kaiser- 
büchlein selbst gekannt. Er hätte sich darauf beschränken 
können, eins davon herauszugreifen und seiner Arbeit zugrunde- 
zulegen, etwa so, wie Hans Sachs nach Mennels ocKaiserall)!» 
arbeitete. Da er wie der Meistersinger von Nürnberg in Reimea 
schrieb, hätte er sich immer rühmen können, den Stoff in 
einer Form bearbeitet zu haben, welche dafür seit einend 
Menschenalter nicht verwendet worden war.« 

Er begnügte sich nicht damit, sondern ging weiter, wenn 
auch nicht zu den Quellen, so doch zu den besten Darstellungen, 
welche seiner Zeit zur Verfügung standen. Er dachte sich sein 
Büchlein, wie er in der Widmung sagt, «als ein ynleytung in 
andere Chronicken, daraus ichs dann gezogen». Einen Teil 
davon nennt er selbst im Beschluß : «So vil die jarzal belangt, 
vnnd mit etlichen Handtbüchlein nicht stimmet, so besihe 
Cronicam Abbatis Vrspergensis, Nauclerum, Garionem, so 
würstu es finden». Diese von Zschorn selbst genannten Werke 
werden wir zunächst als seine Quellen ansprechen. — Ein 
weiterer Hinweis findet sich bei Karl V. S. 101 r : 



1 Chronica | darinaen der Röraischea Keiser Historien / vom 
ersten Keiser Julie / bis aoff Caroiam den fanfften Vnd jre Bieldnis 
gefunden werden. Wittenberg J561. 

2 Burkhard Waldis, Ursprung und Herkommen der zwölff 
ersten alten Köni^ vnd Fürsten Deutscher Nation 1543 ist ebenfalls 
gereimt, behandelt aber die phantastischen «fönige» Tuiscon, Wan- 
dalus, Ariovist u. s. w., von den Kaisern nur Carolus Magnus. 



— 195 — 

Was Carolas mehr hatt gethan 
Zeigt dir das buch Schieydani an. 

■Gemeint sind natürlich die Kommentare. — Dagegen hat es 
nichts lu sagen, daß es von Vespasian heißt S. 9 v : 

Jerusalem gewonnen wirdt 
Durch JQ vnd Titnm seinen son 
Wie dann Josephns schreibt daraon. 

Die Anfuhrung des Josephus findet sich an dieser Stelle auch 
in den Chroniken und ist wohl aus diesen übernommen. — 
Noch weniger Gewicht werden wir darauf legen, daß bei Rudolf 
von Habsburg S, 90 r zu den Worten : 

Er wolt nit in Italiam 

Zog allweg dise fabel an, 
Zum Lewen giengen gar vil thier 

Der fuchs sah keins kummen herfier 

«die Randglosse steht : Vom krancken Lewen in Esopo. Aesop 
war ebenso verbreitet wie Josephus, und Zschorn hat kaum 
^rst die Fabel nachgeschlagen, ehe er obige Worte schrieb. 

Ueberhaupt wäre es gewiß nicht richtig, wenn wir für 
jedes Wort und jeden Zug im KR. eine bestimmte Quelle nach- 
weisen wollten. Wir mußten uns in diesem Falle den Ver- 
fasser in bezug auf geschichtliche Kenntnisse wie ein unbe- 
schriebenes Rlatt denken, als er sich anschickte, alle Römischen 
Kaiser zu schildern. Das trifft nicht einmal um 1530 zu für 
•einen Handwerker wie Hans Sachs, geschweige denn 30 Jahre 
später für einen Schulmeister und Diakonus. Vielmehr ist die 
Kaisergeschichte ein Stuck der allgemeinen Bildung, wenn nicht 
als zusammenhängendes Ganze, so doch als Kaiseranekdote. 

Wir wählen als Beispiel einen Mann, der, ohne Gelehrter 
zu sein^ doch an der Rildung seiner Zeit Anteil hatte, und 
aber dessen Kenntnisse wir aus seinen zahlreichen Schriften 
ein Urteil gewinnen können : Dr. Martin Luther.i Durchgehen 
wir in der Erlanger Ausgabe seiner Werke das Sachregister, 
dessen jetzt nicht mehr beliebte Rreite uns schnell orientiert, 
so finden wir Anekdoten von 16 Kaisern angeführt.« Einen 



1 Vgl. die Zusammenstellung von Luthers bescheidenen Bemer.- 
kungen über sein V^issen beiZweynert, Luthers Stellg. z.humanist. 
Schule und Wissenschaft 1895, S. 13 fP. 

« Julius Cäsar 19, 209. Augustus 20. 270. Caliguia 5, 531. 45, 
126. Nero 26, 62 f. Trajan 51, 410. 52, 98. Diocletian 57, 28. Kon- 
stantin 17, 13. 26. Julian 9, 62. 45. 121. 49, 259. 59, 34. Theodosius 
9, 316. 46, 242. 59, 156 f. Karl d. Gr. 26, 225. Otto HI. 26, 226 f. 
Heinrich ü. 16, 152. Heinrich IV. 24. 214 f. Friedrich L 32, 358-396. 
Ludwig der Baier 41, 305. Sigismund 60, 325; außerdem zahlreiche 
kürzere Anführungen. — Näheres über Luthers geschichtliche 
Kenntnisse bei E. Schäfer. Luther als Kirchenhistoriker 1897. 



— 196 — 

ähnlichen Stamm von geschichtlichen Kenntnissen dürfen wir 
bei unserm Zschorn voraussetzen, ohne ihn sonst dem großen 
Reformator gleichzustellen. Irgendwie muß ihm der Ertrag des 
aufblühenden historischen Studiums zu ^ute gekommen sein, 
und der Trieb, sich weiterzubilden, wird ihm auch nicht gefehlt 
haben. Ein Mann, der die AeH durchstudierte, hat gewiß 
vorher auch andres gelesen. 

Die Kaiseranekdote trat ihm ja in Büchern entgegen, zu 
denen zu greifen sein Beruf ihn nötigte. Schlagen wir nach, 
in welchem Zusammenhange die oben genannten Kaiser- 
geschichten bei Luther vorkommen, so finden wir sie außer 
der großen Abhandlung «Pabst- Treue Hadrians IV. und 
Alexanders III., gegen Kaiser Friedrich Barbarossa geübt» i 
in den Tischreden, Schriftauslegungen und Predigten. Die 
Predigt kann des Beispiels nicht entbehren, und es ist bekannt, 
daß vor und nach der Reformation an Beispielsammlungen für 
das Bedürfnis des Predigers kein Mangel war. 2 In den Exempel- 
büchern und Promptuarien finden wir die Kaiser wie die 
großen Männer des Altertums und die Gestalten der biblischen 
Geschichte, sie dienen in Schulbüchern der Belehrung, in 
Facetien- und Schwanksammlungen der Unterhaltung, und 
Zschorn wäre gewiß in Verlegenheit gekommen, wenn er hätte 
sagen sollen, woher er gerade diesen oder jenen Zug hatte. 
Manche Ungenauigkeiten seines Büchleins lassen sich durch die 
Annahme erklären, daß er hier und da eine Sache sicher zu 
wissen glaubte, und in den Büchern, nach denen er arbeitete, 
nicht noch einmal nachschlug. 

Gehen wir nun dazu über, sein Verhältnis zu diesen 
seinen Quellen werken zu beleuchten. 

Wir begmnen mit der Cronica' Ahbatis Vrspergensis, 
welche Zschorn im Schlußwort an erster Stelle nennt. » Er 
verstand darunter wohl den schon erwähnten Druck des Crato 
Mylius in Straßburg.* Von Hedio bis 1537 durch die «Para- 



' Erl. Ausg. 32; S. 358-396. 

2 Edw. Schröder, die Tänzer von Kölbigk, Zeitschr. f. 
Kirchengesch. 17, 1896, S. 94 ff. gibt ein anschauliches Beispiel der 
Wanderung beliebter Geschichten durch die oben genannte Art Lite- 
ratur; ein andres Fr. Gundelfinger, Cäsar in d. deutsch. Lite- 
ratur, Palästra 23, 1904, S. 1—28. Die eine oder andere Kaiser- 
anekdote z. B. Domitians Mückenfängerei in ähnlicher Weise zu 
verfolgen, würde nicht das gleiche Interesse bieten. 

3 S. Wattenbach, Geschichtsquellen II, 1894, S. 189— 197. 
448—450. — Breßlau, Bamberger Studien, in: Neues Archiv 21, 
1896, S. 139-234. 

'»Chronicum Abbatis Vrspergensis a Nino rege 
Assyriorum magno usque ad Fridericura II . . . per studiosum 
historiarum . . . recognitum . . . Paraleipomena rerum memo- 



I 



— 197 — 

leipomena^ ergänzt, als o^Außerleßne Chronick» übersetzt und 
bis 1543 fortgeführt, von Melanchthon in beiden Sprachen 
bevorwortet, bot diese Chronik, «das vollendetste Werk dieser 
Art aus dem Mittelaller», dem 16. Jahrhundert den über- 
lieferten geschichtlichen Stoff in einer Darstellung, welche den 
Protestanten durch die kirch lieh -politische Haltung Frutolfs 
und Burchards so willkommen als wichtig sein mußte. Ueber 
■die Entstehung hat sich Zschorn wohl kaum den Kopf zer- 
brochen, sondern das ganze Buch als Einheit angesehen. Auch 
•die Randbemerkungen, in denen Hedio nachtrug, was er ver- 
mißte, z. B. S. 225 die Einrichtung des Kurfürsten kollegiums, 
wird er mit zum Texte gereclmet haben. 

U ist das einzige Werk, welches Zschorn geradezu als 
Quelle anführt : 

Julius Cäsar KB. Iv. 
Eylffhundert Neuntzig zwey tausindt 

Wie man in Vrspergensi findt, 
Durch Julij volck erschlagen wardt. 

Wenige* Zeilen weiter heißt es : 

Zweyhundert sechtzig in dem rhat 

Schwuren zusammen Julium 
Den Helden frey zu bringen vmb. 

Dabei steht die Randbemerkung: Alij 60. Nun hat gerade 
U 2(30 Verschworene, andere, wie Nauc^erus, Guspinian, 
Franck, nur 60. Diese sind also die «andern», U der eine, 
welchen er den alij entgegensetzt, und welchem er folgt, seine 
Hauptquelle. 

Das ist ü nicht allein für diese Stelle, sondern für die 
^anze Kaisergeschichte. Um das festzustellen werden wir nicht 
so verfahren, daß wir nachsehen, wo überall die lierichteten 
Tatsachen vorkommen, und dann schließen : die und die Züge, 
welche in KB stehen, finden sich nur bei U, also müssen 
sie hieraus entnommen sein. Dazu wäre die zu berück- 



rabilium a Friderico II usque ad Carolum V. Augustum h. e. ab anno 
1230 usque adannum 1537 . . . per eundem studiosum annexa. — 
Cum iconibus Imp. et Principum ad uiuum expressis. Anno 1537. — 
wiederholt 1540. — Die Uebersetzung : Ein außerleßne 
Ohronick von anfang der weit bis auff das iar . . . 1539 . . 
durch Caspar Hedio Doctor auß dem Latin ins Teutsch gebracht, 
zusamen tragen, vnd beschriben. Straßbnrg 1539. — wiederholt 
1543 und 1549, von Michael Beut her neu herausgegeben 1566.— 
Abweichungen der einzelnen Ausgaben nur gegen Ende. Ich zitiere 
nach der lateinischen von 1537, welche die Seiten fortlaufend zählt; 
die Uebersetzung nach der letzten Ausgabe von 1549. Abkürzungen: 
Vrspergensis - U, Außerleßne Chronick -- AChr. Es wird das Ver- 
ständnis erleichtern, wenn immer auch die Kaiser genannt werden, 
jzvl deren Geschichte die zitierten Stellen gehören. 



\ 



- 198 — 

sichtigende geschichtliche Literatur bis 1559 zu umfangreiche 
Vielmehr werden wir fragen, welche Darstellungen Zschorr^ 
am nächsten lagen, und untersuchen, ob mit diesen autfalleDde 
Uebereinstimmungen im Sprachgebrauch, sowie in der Anord- 
nung des Erzahlten vorkommen, ob insonderheit Irrtümer und 
Fehler sich am besten durch die Benützung dieser oder jener 
Vorlage erklären. 

Die sprachliche Vergleichung ist allerdings so gut wie aus- 
geschlossen bei den lateinischen Chroniken. In dieser Bichtung 
können wir höchstens bei den Uebersetzungen auf Ergebnisse- 
hoffen. Doch gibt uns Zschorn selbst einen andern Anhalts- 
punkt. Er spricht ja im Beschluß, wie wir sahen, von der 
Jahrzahl, und nennt dabei U an erster Stelle, daneben Nau- 
clerus (N) und Cario (C). Vergleichen wir die chronologischen 
Ansätze und was damit zusammenhängt, die Kaiserlisten von 
N, C, U und KB, so ergibt sich folgendes. 

N. hat die Kaiser durchnumeriert von 1, Julius Cäsar, bis- 
111, Karl V.i Galba — Otho — Vitellius werden jeder für sich 
gezählt, später haben die gleichzeitig regierenden Kaiser nur 
eine Nr. Er zählt nicht mit ; Didius Julianus, Augustulus,. 
Heracleonas, Leo IL, Tiberius IL, Wilhelm v. Holland und 
Ludwig d. Baier,« dagegen zählt er mit : 26 Pupienus, 27 Bai- 
binus, 35 Quintilius, 42 Maxentius, 78 Karl d. Kahlen. Bei 
17 Kaisern gibt er keine ausdrückliche Jahreszahl des Regierungs- 
antritts. 21 Zahlen 'weichen von KB ab. 

C. hat zwei Zählungen : bis zur Translatio Imperii von 1 ,. 
Julius Cäsar, bis 71, Konstantin VI., dann die deutschen Kaiser 
von Karl d. Gr. bis Ferdinand, 1 bis 40. Galba — Otho — Vitel- 
lius rechnet er nicht mit.' Pupienus, ßalbinus, Quintilius, 
Maxentius und Karl d. Kahle gelten ihm nicht als Kaiser^ 
wohl aber Didius Julianus, Heracleonas, Leo II , Tiberius IL, 
Wilhelm v. Holland und Ludwig d. Baier, neben diesem 
Friedrich. Dagegen zählt er Augustulus nicht mit. Seine Zahlen 
sind 36 mal anders als im KB. 

U zählt im Text die Kaiser von Auguslus ab bis Nr. 104, 
Otto IV. Daneben zählt Hedio am Rande die deutschen Kaiser 
bis Nr. 38, Maximilian, so daß Karl V. wie bei G der 39. ist. 
Galba zählt mit als 6. von Augustus, Otho und Vitellius nicht,. 
ebenso fallen aus Didius Julianus, Galienus, Constantius und 



1 Da 58 zweimal verwendet ist, für Jastinian I. und Justinus 11.^ 
sollte Karl V. 112 haben. 

2 Friedrich d. Schönen aber auch nicht. Beide heißen Caesares, 
nicht Imperatores. 

3 «Diese drey haben wollen Keiser sein nach dem tod Ncronis.> 



- iÖ9 — 

Galerius, Augustulus, Heracleonas, Karl d. Kahle. Die Zahlen 
stimmen bis auf i4 mit KB überein. 

KB hat eine Zählunor erst von Karl d. Gr. an, wie C und ü, 
aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, wen er unter die 
Kaiser der ersten 8 Jahrhunderte rechnet: er setzt ihre Namen 
als üeberschriften über die einzelnen Abschnitte, und ihre 
Jahreszahl an den Rand. Vergleichen wir, wie oben geschehen, 
N, G und U mit KB, so ergibt sich die geringste Zahl der 
Abweichungen bei U. Sklavisch hat sich Zschorn allerdings 
auch an diesen nicht gebunden, er hatte den Ehrgeiz, als 
selbständiger Arbeiter gelten zu wollen. > Ueber die Gründe, 
welche ihn bewogen, zehn mal den Ansatz von C, zwei mal 
den von N vor U zu bevorzugen, zwei mal eigene Zahlen zu 
geben, haben wir kaum Vermutungen. Auch die Möglichkeiten 
eines Druckfehlers oder undeutlicher Schreibung kommen in 
Betracht.' 

Da Zschorn U, wie wir sahen, sicher gelesen hat, und 
seine Kaiserliste und Chronologie hauptsächlich nach dieser 
Chronik richtet, wird es gestattet sein anzunehmen, daß auch 
diejenigen Tatsachen und Züge in KB, welche mit ü über- 
einstimmen, aus U oder dessen Uebersetzung entnommen sind. 
Die namentliche Berufung auf U, sowie dessen Bevorzugung 
den Alij gegenüber haben wir schon angeführt. Folgende 
Stellen dürften sich am einfachsten durch eine Benützung von 
U erklären.» 



1 Beschluß : vnnd ob da mehr oder minder Keyser in disem 
büchlin, dann bey anderen beschriben finde würdest, das laß dich 
nicht irren, vmb diser vrsach willen, dan etlich Historiens^hreiber 
beschreiben allein die Imperatores, oder Cesares die das regimet 
etlich jar lang gefürt haben. Die andern setzen hienzn die auch 
ein knrtze zeit im regiment gewesen. Die dritten lassen in der zal 
der Keyser sein, die nicht mehr dann erweit worden sindt. sie haben 
regiert oder nicht. Solchen ihren zwitracht hab ich mich nit hindern 
lassen, sonder dise so ich in glaubwürdigen Cronicken gefanden, 
hab ich allhier verzeichnet. 

^ Es dürfte wohl auf undeutliche Schrift zurückzuführen sein, 
daß KB 25 in der üeberschrift «Valerimus» steht, während es im 
Text und Register richtig «Valerian» heißt. — KB 92 r steht 
«Albertus der erst, vnd zwey vnnd zwentzigest Teutsche Keyser». 
Da Adolf der 28., Heinrich VII. der 30. in der Reihe ist, muß im 
Manuskript ein undeutliches «29» gestanden haben. 

ä Ich bemerke für dieses und alle folgenden Zitate, daß ich 
dafür in den übrigen als Quellen von KB anzunehmenden Chroniken 
keine genügende Unterlage gefunden habe. Wenn man sich erinnert, 
in welchem Maße ü's Material in spätere Geschichtswerke über- 
gegangen ist, wird man es begreiflich finden, daß trotz vielfacher 
üebereinstimmung zwischen U und KB der Fälle, in denen wir 
eine Stelle von KB nur aus U oder AChr ableiten können, nicht 
allzuviele sind. 



— 200 — 

Nero Darzu ein strahl vom himmel schoß. 

6r. Vber tisch neben Neronem. 

ü 62 : Ante mensam Neronis fuline cecidit. — AChr. 112 : . . . 
hat der hagel für den tisch Neronis geschlage. 

MarcAurel Ward kranok starb in einer onmacht. 

15 r. 

Bandbem. : Am schlag Apoplexia. 
U 70 : . . . ictus casu morbi. quem Graeci ctTcdzXYj^tv uocant. 

Gommodus Da das gifft an ihm was zu schwach 

16 r. Er ihn auff seinem beth erstach 

U 71 sagt, wie alle Chroniken ; eunn strangulari fecit. 
AChr 127 übersetzt: . . . jn lassen erstöcken=: ersticken. Dies 
muß Zschorn für «erstechen» genommen haben. 

Philippus Vor Dietrichs Bern vmbkummen ist, 

24r. Das ihm den kopff vor diser statt 

Ein kriegsman halb gespalten hatt 
Randbem. : Sein kopff ward jme ob den zencn abgeschrotten. 
AChr 135:... der vatter zu Dietrichs Bern, dem sein kopff ob den 

zänen mitten durch abgehawen ward. 

Leo IL Der Keyser ihm uff sein hals trat 

55r. Sprach ich trit ein Basiliscum 

Legt wider ein Leontium 
Randbem. : Sonst Leo genannt. 
U 164 Randbem : Leo siue Leontius. — A Chr. 284 : Leo oder 
Leontius. 

Wilhelm v. Das keyserthum hatt lang vaciert . . . 

Holland Kein Fürst sichs vnderwinden wolt 

89r : Sie warden auch nit eins der wal 

A Chr 563 : Doch waren sye der Sachen nit eins 

Rudolf V. der keyser eins mals in der schantz 

Habsburg Pletzt sein hosen vnd wammes gantz 

91r: 

AChr 574 hat er etwan ein gebletzt wamasch an tragen. 

Endlich müssen wir noch darauf hinweisen, daß KB mit U 
und AChr eine Aeußerlichkeit gemein hat : die «eygent- 
lichen abconlerfeytungen», die Kaiserbilder. i Wenn auch KB 
nicht lediglich als Text zu einem neuen Abdruck dieser Bilder 
geschrieben worden ist — es berücksichtigt viele Icones nicht, 
zu denen Stöcke in Messerschmidl's Händen waren, während 
für eine Anzahl Kaiser die Bilder fehlten — so kann die 
Absicht, das Büchlein mit den Illustrationen auszustatten. 



* Die Bilder finden sich außerdem nur noch in Cuspinian (Cu) 
und dessen Uebersetzung, sowie in Gerbeis Icones. Letztere kommen 
nicht in Betracht; von Ca als Quelle von KB s. unten. 



— 201 — 



Zschorn nicht unbekannt geblieben sein. Er macht im «Beschluß» 
auf die Icones ausdrücklich aufmerksam, kannte sie also, und 
doch wohl nicht von den Stöcken, sondern aus den Büchern, 
in welchen sie früher erschienen waren. Das waren aber vor 
allem U und AChr. So kommen wir auch von hier aus zu 
der Annahme, daß ü wenn nicht die, so doch eine hauptsäch- 
liche Quelle von KB ^^ewesen ist. Eine kürzere Erzählung 
möge uns zeij^en, wie der Inhalt von U durch AChr in KB 
übergegangen ist. 



KB 10 v 



Dorn! ti an US Cäsar 



Anno 83. 



Domitianas kam ins reich 

Aaff Titum seinen bruder gleich / 
War erstlich from darzu gantz milt 

Darnach Tyrannisch vnd sehr wilt / 
Verfolgt, ließ martern vil Christen 

Keiner vor ihm sich kundt fristen / 
Man mußt ihn nennen einen Gott 

Bey leibs straff er das selbst gebott / 
Ließ vil vom Adel vmb bringen 

Gantz faul vnd laß inn sein dingen / 
Sein kurtzweil das er fliegen stach 

Hien vnd wider in seinem gmach / 
Das auch ein Sprichwort draus endtstund 

Kein fliegen man beim Keyser fund / 
Sein volck ihn selbst erschlagen hat 

Darzu sein weih gab rhat vnd that / 
Ward schandtlich bey nacht begraben 

Die Rhömer befolen haben / 
Sein namen austhun an alln endt 

Das er nim Keyser werdt genent / 
Regiert fünffzehen jar sechs monat 

Gar mit keim nutz sonder mit schadt. 



Christen wer- 
den gemar- 
tert 

Keyser laßt 
sich ein 
Gott nennen 

Mucken 
faher 



Schelmenschin- 
der begraben 
den Keyser 

Sein wapen 
werden auß 
gekratzt 



AChr 117 



Die Jar Domitiani. 



Als man zalet nach der gepurt Christi 83 ... iar, 
ist Domitianus, Vespasiani vnnd Domicille son, deriünger 
bruder Titi, nach Augusto der 9 keyser worden, hat 
15. iar vnnd 6 monat regieret. Diser hat erstlich sich 
angenommen, als ob er barmhertzig vnd bescheyden 
wäre, aber bald hernach ist er dem Tyberio vnnd Caligula 
oder Neroni gleicher gewesen, dann seinem vatter oder bruder. In 
allerhand lister hat er hefftig zugenommen, also, das er, als der 
ander, zu einer hauffung aller laster, die Christen veruol- 
gete, der erst nach Nerone. In welcher veruolgung er Johanneni 
den Apostel vnd Euangelisten, vonn wegen der predig Göttliches 
Worts, in die insel Pathmos verwisen, vn Flauiam Domicillam, die 
tochter der Schwester des Flauij Clementis, in die insel Pontum 
mit vilen andern in dz eilend geschickt hat. vnd vil der Edlen 



— 202 — 

Römer hat er erwürgt. Diser Domitianos beualch, 
man soit jn nennen vnd Bchreyben, E y n Herrn vnd Gott 
vnnd ließ nit zu das man jm in dem Palast zu Rom aynig bild 
stellete, es wäre dan galdin oder silberin. Er ist in so grosse 
tragkeit seines gemüts gefallen, das er meniglich von 
jm heyssen gehen, vn er allein in dem palast den mucken 
nachiagete. Als nun au ff eyn zeit eyner fragte, ob 
yemandt inn dem küniglichen pa l as t war e, w a r d 
geantwortet, Auch keyn muck nit. Dieweil er aber von 
seinen allen verhaßt wäre, ist er von seinen, die zusamen 
geschworen, inn dem palast erschlage worden. Sein weih 
Domitia die hat darzu radt vnnd that geben, vmb liebe willen zu 
Paride dem lotterbuben, als Domitianus alt was 35. iar. Sein 
todter leib ward von den todtengräbern mit grosser 
schand außgetragen, vnd unehrlich begraben, vnd erkandt der 
Senat zu Born, man solte seinen nammen cAkratzen, vnd 
außtilcken, vil daß jn heyner keyser nennete. Diser was in dem 
schiessen so erfaren, das er eynem menschen, der von weitem 
stund, vnd seine finger außgestreckt hielte, dadurch schiessen kundte. 

Natürlich gibt es nicht viele Abschnitte, von denen man 
jeden Zug in U wörtlich oder tatsächlich nachweisen kann. 
Es finden sich Stellen, an denen U fast nur durch die Chrono- 
logie bemerkbar wird. 

Aus einer Vergleichung Zeile für Zeile ergibt sich, daß 
bis zu Karl d. Gr. zwei Drittel, von da ab die Hälfte des 
Inhalts von KB auf U zurückzufuhren ist. Der Wechsel tritt 
etwa an der Stelle ein, wo in U mit Beda der ruhige Fluß 
der Erzählung aufhört. Von da ab werden die Abschnitte über 
die einzehien Kaiser ungleichmäßig. Die kurzen Worte über 
Otto II. und III. z. B. boten Zschorn zu wenig, die langen aus 
Einhard und Widukind genommenen Lebensbeschreibungen 
Karls, Heinrichs I. und Ottos I. zuviel. Hier, sowie da, wo 
Frutolf, Ekkehard und Burchard als Zeitgenossen berichten, 
mußte Zschorn gewaltig zusammenziehen, wenn er den Rahmen 
eines Büchleins nicht überschreiten wollte, und nur durch 
Zufall konnte vielleicht ein besonders charakteristisches Wort, 
welches ihm im Gedächtnis haftete, die Spur davon bewahren, 
daß er auch hier U gelesen hatte. i 

Die wenig sagenden annalislischen Stellen wie die aus- 



^ Unter Heinrich IV. KB 81 v heißt es gelegentlich der Belagerung 
von Mainz durch Heinrich V. : 

Darumb vngschafft zogen daruon 

ü 257 hat : Hie inacte discedens, A Chr 432 : Also ist Heinricus 
der fünfft ongethan wider heym zogen. N 728 : sie infecta re abcessit. 
Meiner Empfindung nach stammt das «vngschafft» aus U. 



— 203 — 

gedehnten Berichte werden es ihm nahe gelegt haben^ auch 
noch andere Darstellungen heranzuziehen. 

Um diese festzustellen, scheint es der ge^^iesene Weg zu 
sein, daß wir die beiden andern Chroniken vornehmen, welche 
Zschorn noch im Beschluß nennt, Nauclerus und Cario, und 
untersuchen, ob sie nicht für alles, was wir nicht aus U 
ableiten können, die Quellen gewesen sind. Wirklich finden 
wir in beiden Werken manche Begebenheiten belegt, bei 
Cario auch die so wichtigen Anklänge im Ausdruck, aber — die 
Rechnung geht noch nicht ohne Rest auf. Das cbuch Schley- 
dani» kommt erst zuletzt in Betracht. Wir denken an die 
älteren Kaiserbüchlein. Die kleinen können es nicht sein, sie 
enthalten meist weniger als KB. Scheiden wir sie aus, so 
haben wir noch zwei große zu vergleichen : Cuspinian und 
Franck. 

Um es kurz zii sagen : Die Vergleichung ergibt zunächst 
eine ganze Reihe Berührungen mit Fr anc ks Ger mania.^ 
Einige Beispiele folgen hier : 

Augasttts Des fridens tempel nider fiel 

2y Der doch ewig zu stehn hatt ziel 

G 17 V : der tempel des frids, daran stand : der tempel 
des frids bleibt ewig, fiel auff einen hanffen. 

Caligola Regiert drey jar zehen Monat 

4r Sein Hauptmann ihn erstochen hat. 

G 19v: vn ward zu letst von seinem eygen Haupt- 
man erstochen. 

MarcAarel Lucius stirbt ihm vndern henden 

15 r G29r: vermeinten er würde jn vnder den Henden 

geheling vergehen. 

Caracalla Wie der Tyrann der noturfft nach 

18 V Abstig vom roß da kam die räch 

Vber ihn. auch erstochen wardt 
Von seim leibswarter auff der fardt 
G 31r: Zu Carris bei der statt Edessa stig er von 
seinem pferd sein notturfft zu thun, ein 
kriegßman folget jm nach als sein leibs- 
warter,2 der erstach jn, damit ward sein 
tyrannei . . . gerochen. 



* Ich lege den Anführungen die Ausgabe von 1538 zugrunde, 
und nehme wieder Stellen, für welche ich in den übrigen Quellen 
keine Unterlage finde. 

2 cLeibswarter» kommt im Grimmischen Wörterbuch überhaupt 
nicht vor, die üebereinstiramung in diesem seltenen Wort ist also 
höchst bezeichnend. 



— 204 — 

Maximinas Ihr leib warff man ins wasser vor 

22 V Verbraudt die köpff vff Campoflor 

G 34 V : jr cörper wurffen sie in das wasser den 
fischen zur speiß, jr häubter aber brachten 
sie ghen Rom, vnd verbrennten die auff dem 
Campo Flor vor allem volck. 

Julianus Es schlug der donder vnd der strahl 

35 V In ihr gebew gantz vberall | 

Das himmels fewr verbrannt die stein 
Als wann es nur pech wer gesein 
G 47r: Den nechsten tag fiel ein feur vom Himmel, 
verprennet auch das eisen an der kirchen, die 
stein branten wie bech. 

J ustinus I. Diser ein kühhirt auch sawhirt 

46 r Eandbem. : Justinus ein sawhirt vnd holtzhawer. 

G 57 v: Justinus etwa ein sewhirt, der von jugent 
auff der scw, darnach der ochsen gehüt hat, 
darnach eins holtzhawers knecht. 

C onstantin V. Ward aussetzig gar vor seim endt 

58 V Sanct Antoni fewr ihn hart brent | 

Das er hatt groß marter vnd quel 
Schrey er ses lebend in der hell 
G 76 r : Zu letst als er außsetzig war, schlug dz wild 
feuer darzu, das er entznndt wütend schrie, 
ich brin lebendig in der hei. 

Carolus Magnus Leo entschuldigt sich gantz rein 
62 V Aller bescheidt vnd missethat 

Randbem. : Wie der hundt der flöhe Im Äugst. 
G 80 v: also purgieret sich der Bapst mit einem eydt 
von aller klag, vnd ward vnschuldig, als 
der hundt der flöhe im Äugst. 

Cal'olus Crassus Als Caluus yetzt war hiengericht 

68 r Noch wolt der Bapst ablassen nicht / 

Er krönet Ludwicum Balbum 
Mit seinem gwalt zum Keyserthum. 
G 90r: Noch ließ Joannes nit ab, sonder vnderstund 
sich mit macht Ludouicum Balbum Caroli 
suu zum keyser zu krönen. 

KB 73 v bringt im Anschluß an das Leben Heinrich l. 
die zwölf Turnierartikel. G 74 v hat in demselben Zusammen- 
hang : «Artikel wer in Thurnier sol oder mög reitten, vnnd 
wem des verbotten sei.» Zschorn wird sie angesichts dessen 
auch nicht aus Rüxner entnommen haben. — 75 v steht als 
Randbem. zu einer Anekdote : Ein schön natürlich keyserlich 
vrthel. G 99 V zu derselben Anekdote : das kan ein fein vrteil 
sein. 



- 205 — 

H e i n r i c h IL Er zieret Bamberg wol die statt 

78 r Ein Bistam vnd Canonicat 

Clöster vnd pfründen hatt gestifft, 
G 104 r: Anno 1008 hat er Bamberg mit einer mauer 
vmbfangen, das Bistum dargestifft, viel Cano- 
nicat, clöster vnd pfründt inner vnd ausser 
der statt gestiifcet. 

KB 83 r bringt hinter Lotharius Saxo sechs Wunder- 
geschichten. G 172 r hat sie an derselben Stelle unter der 
Ueberschrift : Sonderliche thaten vnd fäll zur zeit Lotharij 2. 
sich begeben. 

Rudolf V. Es war ein abenteuwerer 

Habsburg In einem stettlin gnant wetzfler 

90 V Er sprach er wer Keyser Fridrich . . . 

Er lies ihn fahen da zu handt 
Den nasen Keyser er verbrandt 
Kandbem.: Ein Mänsterischer König. 
G 201 v: Zur zeyt Rudolfi warflf sich ein abentewrer . . . 
auff, gab für, er were Keyser Friderich, hielt 
sich in einem Stettin Wetzflar genannt . . . 
weil nun disser geschrauift kundt vnnd naß 
gesell sein sach so hoflich . . . fürgab . . . 
(kan gedencken, er sei ein gesell gewesen, wie 
der künig von Münster zu vnseren zeitten. 
91 V Deßhalben er gehn Straßburg ritt 

Er hielt ein tag vnd ward da kranck 

Gehn Speyr hat er sein gedanck 
Gsegnet die Herren vnd burger 
G 202 r : Da zoh er zurück wider ghen Straßburg in 
seinn / tag, ward da kranck gesegnet die 
Herrn vnnd burger. 

Diese Beispiele dürften genügen, um zu zeigen, daß Germ 
für KB benützt worden ist. Die Vergleichung Zeile für Zeile 
ergibt, daß die Benützung sehr weit ging. Eine vollständige 
Scheidung der auf U und der auf Germ zurückzuführenden 
Stellen ist allerdings nicht durchzuführen, da ja Franck U 
selber reichlich ausgebeutet hat. Wir werden Germ neben U 
als die zweite Hauptquelle für KB bezeichnen. i 

Francks kompilatorischj Tätigkeit erschwert es auch, zu 
bestimmen, welcher Anteil an KB Nauclerus und Cario zukommt. 



1 Germ als erste Hauptquelle anzunehmen, wozu die vielen 
sprachlichen Berührungen reizen könnten, verbieten die größeren 
Abweichungen der Kaiserliste und der Chronologie. Germ hat nur 
zahlreiche Züge zur Ergänzung des aus U gewonnenen Rahmens 
geliefert. Daß so viele Redewendungen des sprachgewaltigen Franck 
bei Zschorn haften blieben, kann daher rühren, daß Germ erst kurz 
vor der Ausarbeitung von KB gelesen wurde. 



— 206 — 

Auf N verweist er alle Augenblicke und C hat er seitenweise 
übernommen* Da Carlo deutsch geschrieben ist, können wir 
uns wieder aus Uebereinstimmungen im Ausdruck ein Urteil 
bilden.^ 

Alexander Als nnn der hauff auf ihn 2 sehr drang 

S 6 ner u s Alexander für ihn da sprang 

21 V Randhem. : Das ist ein Färstlich stuck. — C an derselben 

Stelle: Dis ist ein recht schön Eeisarlich 
Exempel. 

€onstantin Ihm ward alzeit auch vorgefürt 

d. Große Ein buch der Euangelion 

33 V An statt der Eeyserlichen krön. 

C. er hat das heilig Euangelium also geehret, das 
er jhm allezeit zu eim Zeugnis seines glaubens, 
öffentlich ein Euangelienbuch hat lassen vor- 
füren. 

Honorius Das die Gotthen mit grosser macht 

41 r Fielen in gantz Italiam 

Badtgast war ihrs Königes nam 
C allein nennt ihn Hadgast, die andern Badagasus und 
Hadagaisus. 

Justinianl. Zu seiner Zeit hatt man gesehn 

47 V Vil zeichen an dem himmel stehn 

Fewrig schlachten Commeten klar 

Darzu wuchs die Tiber so gar 

That grossen schaden in der statt 

Künfftig vnglück bedeutet hat. 

Bandbem. : Haben die zukunfft Machometi bedeut. 

C: Zu disen zeiten hat man viel greulicher zeichen am 
himel jnn Italia gesehen, feurige schlachten, 
Cometen, Auch hat die Tiber Rom schier 
erseuffe. Diese zeichen haben den fahl des 
Bömischen Beichs vnd der Kirchen bedeut, 
der geuolget ist, denn es wird Mahomet bald 
nu komen. 

Oarolus Orassus Crassus war yetz vnuermöglich 

69 V Deshalben er vom Beich abwich 

C : Im Mehrer Krieg war Crassus vnuermöglich, darumb 
verlies er das Begiment. 



1 Es sei daran erinnert, daß nur das alte Chronicon Carionis 
von 1532 in Betracht kommen kann. Die Neubearbeitung durch 
Melanchthon war 1559 erst bis zum Ende der dritten Monarchie 
gediehen, hörte also da auf, wo KB anfing. Ich wähle wieder solche 
Stellen, welche sich nur aus C belegen lassen. 

* Ulpian. 



— 207 — 

Fridericus Eagellandt vnd Franckreich die krön 

Barbarossa Waren beid da eigner person 

75 r G : denn die andern zween König, Franckreich vü Eng- 
land, waren anch ja eigner person ankörnen. 

Es unterliegt nach diesen Stellen wohl keinem Zweifel, 
daß auch Carlo zu KB beigetragen hat. 

U, Germ und C zusammen reichen aus, um die Herkunft 
von neun Zehnteln von KB zu erklären. Es bleiben uns noch 
zwei Anekdoten und eine Anzahl kleiner Angaben meist bio- 
graphischer Art, endlich der Schlußabschnitt c:Ferdinandus». 

Bei den kleinen Angaben über Krankheit und Tod der 
Kaiser u. dergl., für welche die bisher festgestellten Quellen 
nicht ausreichen, brauchen wir nicht mehr zu fragen : woher 
müssen sie stammen? sondern nur: woher kann Zschorn 
diesen Zug haben ? Welche Bücher können ihm bekannt 
gewesen sein? — Hier bieten sich uns zwei große Repertorien, 
von denen Zschorn eins, wie schon gesagt, im Beschluß nennt, 
von denen das andere durchaus in seinem Gesichtskreis lag : 
Nauclerus und Cuspinian. 

Bei N versagt unser bisheriges Verfahren, sprachliche 
Anklänge aufzusuchen, da er nur lateinisch vorlag.^ Auch 
brauchen wir ihn nur zweimal heranzuziehen. Auf Cu mußte 
Zschorn in Straßburg aufmerksam werden, wenn er sich nach 
Handbüchern für seine Arbeit umsah. Die wenigen Stellen, 
welche wir auf Gu zurückzuführen haben, — es sind zwölf, 
und wie bei N nebensächliche Züge — , enthalten keine auffallenden 
Ausdrücke. An andern sachlichen Uebereinstimmungen fehlt es 
natürlich nicht. Erinnern wir uns noch einmal, daß ü für N, 
Cu, G und Germ als Vorratskammer diente, daß N wieder für 
C und Germ, G für Germ eine geschätzte Vorarbeit war. Bei 
dieser engen Verwandtschaft muß die Frage, woraus KB eine 
Erzählung oder einen Zug entnommen hat, welche sich auch 
in andern der nachgewiesenen Quellen finden, eine offene 
bleiben. Wenigstens läßt sich kein solcher Beweis führen wie 
-da, wo wir sprachliche Anhaltspunkte haben. 

Einige Angaben Zschorns erklären sich als Fluchtigkeiten 
oder Mißverständnisse z. B. bei Neros Ende 6 v : 

Lieff schnell selb drit in grosser eyl 
U und N geben 4 Begleiter an. 

1 h Drey mal im stritten vnder t&g 

7v Alle Quellen reden von 3 Siegen Othos. 



> In zwei Ausgaben, 1515 und 1544. 



— 208 - 

Marc Aurel Ward kranck starb in einer onmacht. 

15 r Randbem. : Am schlag Apoplexia. — Die Quellen berichten 

dies von Lucius Verus, KB von Marc Aurel. 
— Das Commodus «erstochen» statt «erstickt» 
wird, ist schon erwähnt. 

Alexander Die kriegsknecht redet ernstlich an 

S euer US Was du von eira andern wilt han 

21 V Das thu jm auch vnd anders nicht 

Die Quellen haben nur die negative Fassung. 

Diocletian Auff zwentzig jar was er Keyser 

32 r Alt acht vnd achtzig ohn gefehr 

Alle Quellen geben das Alter Diocletians mit 68 Jahren 
an. Dazu hat Zschorn die 20 Jahre Regierungszeit hin- 
zugezählt, oder wieder undeutlich geschrieben. 

Constantius Constantius in Orient 

vn Galerius Gailerius in Occident 

32 r Regiert ein jeder da sein theil 

Schlimmer hätte sich Zschorn niclit verschreiben 
können. 

Ludwig Er gab Carle Calvo seim son 

d. Fromme Judit ein Schwäbin vberschon 

64 V Darmit Burgundt vnd Schwabenlandt 

Das verdroß die brüder all sampt 
Beruht auf flüchtiger Lesung von Germ 87 v : Zu 
diser zeit gab Ludouicus Carolo Caluo seinem sun, 
' den er mit Judith der Schwäbin hatt, das Schwaben- 

land, Burgund, vn Rhetiam. daß verclroß Lotharium 
vn andere seine stieffbrüder. 

HeinrichIV Rudolph in Bayern ward erweit 

80 V 

Randbem. : Rudolph Hertzog zu Bayern. -- Wieder ein 
böses Versehen! 

Conrad III Geht vnd holen als was ihr wolt 

84 r Kleinot, golt. sylber vnd auch golt, 

Doch ziehendt in ein ander landt. 
Die Weiber von Weinsberg und die Belagerung von 
Crema sind zusammengeflossen. 

Karl IV Fiel von eim roß. das war sein endt 



96 r 



ü erzählt so das Ende von Karls Vorgänger Ludwig. 



In diesen Fällen handelt es sich meist um einzelne Zeilen. 
Es bleiben aber noch zwei größere Anekdoten zu besprechen. 
Die erste erzählt die Legende der Kaiserin Richarda. 

69 r CarolusCrassus 

Hielt im argwöhn sein ehelich weib 
Das sie mit ihrem schönen leib / 



— 209 -^ 

Den ehebrach trib mit eim Bischoff 

Der heimlichst rhat ans Eeysers hoff / 
Sie sprach sie wer ein reine magt 

DarzQ zwölff jar niemandt geklagt / 
Von ihrem mann in solchem stat 

Der sie noch nie berüret hat / 
Thet an kleydt mit wachs bereit 

Darinn sie in ein fewr schreit .' . 
An ihr ward da gantz nichts versert 

Damit ihr vnschuldt hoch bewert / 
Lies sich scheyden von ihrem man 

Vnd thet gleich geystlich kleyder an / 
Gieng in das Gloster gnant Andlaw 

Darinn erstarb ein geystlich fraw ( 

U, N, G und Germ erwähDen die Scheidung Richardas 
von ihrem Gemahl überhaupt nicht. Gu bringt sie, sagt aber 
nur, daß sich die Kaiserin zum Gottesurteil mit glühenden 
Pflugeisen erboten habe. An die Kaiserchronik i ist schon des- 
wegen nicht zu denken, weil sie das Wachshemd an allen vier 
Enden angezündet werden und ein einer lutzelen stunden)» auf 
dem Leibe der Kaiserin verbrennen läßt. Dagegen findet sich 
die Legende etwa ebenso wie in KB bei Kö n i gsh o f e n *, 
sogar mit wörtlichen Anklängen : 

«Zu den selben ziten hatte dirre keyser einen argwon uf sein 
wip sant Bichart, das sü solte ir e gebrochen haben mit dem 
bischove von Verzolle, wan sü ime h e i m e 1 i c h was. do ent- 
schuldige te sü sich, das sü weder des keysers, bi dem sü 12 j or 
was gewesen, noch keines andern mannes wip were ie worden, und 
das sü noch eine reine maget were. und das bewerte sü domitte, 
das sü ein gewichsset hemede ane dat und domit ging in ein 
für und bleip unversert in dem füre.> 

Die sprachlichen Berührungen machen es wahrscheinlich, 
daß die Anekdote aus Königshofen entnommen ist. Die Ghronik 
lag gedruckt vor.^ Der Druck oder auch eine Handschrift könnte 
Zschorn in Straßburg zugänglich geworden sein, wie früher 
Sebastian Franck. Damit hätten wir eine weitere Quelle für 
KB anzusetzen, und wieder eine, welche aus U schöpft und 
für Germ benützt worden ist. Eine Verwendung für KB ist nur 
an dieser Stelle nachzuweisen. 

Weniger befriedigend ist, was wir über die zweite Anekdote 
zu sagen haben. KB 97 v berichtet nämlich von einer Rede 
Sigismunds auf dem Konzil von Konstanz : 



1 S. Mon. Germ.. Deutsche Chroniken I, 1, 1892. S. 361. 

2 Chroniken d. oberrhein. Städte I, 1870, S. 414. 
» Vgl. Potthast 112, S. 1077. 

14 



— 210 — 

Wie maii hielt die erst session 

Da fieng Sigmundt zu reden an / 
ihr Hochgelerten in gemein 

Ich hitt lassen euch bfolen sein / 
Der Kirchen mängel alle sant 

Ein schlechten Leyen an mir handt / 
Das erman ich euch bey dem Gott 

Der todt vnd marter glitten hatt / 
Das euch die sach anglegen sey 

Was ihr darnach erkennen frey / 
Will ich bestetten krefftigklich 

Vnd gieng mir druff mein Königrich / 
.Mt solchen >y orten sie anredt 

Das schier yederman wainen thet. 

Die Akten des Konzils sagen nichts von einer solchen 
Ansprache Si^isteutMisv ebensowenig Aschbach in der Geschichte 
dieses Kaisers oder fferfele in seiner Konziliengeschichte. Auch 
in der Literatur des 16. Jahrhunderts über Huß und das 
Konzil haben wir vergeblich danach gesucht, auch da, wo man 
eine Anspielung erwarten könnte, wie in Melanchthons 
«De Sigismundo Imperatore Declainatio» i, oder B u 1 1 i n ge r, 
Von den Conciliis. Andererseits kann Zschorn die Geschichte 
nicht aus der Luft ge^^riffen haben. Wir wissen zur Zeit keine 
andre Erklärung als folgende : 

Hedio hat U 396 in den Paraleipomena einen Abschnitt 
von 17 Zeilen, «Concilium Constantiense» über- 
scbrieben. Er beginnt mit der bekannten Erzählung, daß Sigis- 
mund am Weihnachtsabend in Konstanz eingezogen sei, und 
in der Missa in nocte als Diakonus das Evangelium gesungen 
habe. Sechs Zeilen weiter wird berichtet, daÄ Johann XXIIL 
in der ersten Session eine Ansprache gehalten habe : Synodum 
alloquutus, ut omnes medilarentur, et solerter insisterent pro 
pace Ecclesie, peritos literarum sacrarum in primis alloquitur, 
ut expendant errores. Diese Stelle könnte allenfalls^ mit andern 
Erinnerungen vermischt, als Unterlage für Zschorns Erzählung 
angenommen werden. « 

Noch haben wir den Abschnitt über Ferdinand zu unter- 
suchen. Er ist so groß wie die von Karl d. Großen und 
Rudolf V. Habsburg handelnden Teile, obwohl Ferdinand erst 
ein Jahr regierte, und macht den Eindruck, als sei er 



1 Corp. Ref. XI, 316 ff. 

2 Das Weinen berichtet Stumpf, des grossen Conciliums zu 
Costentz beschreybung 1541, S. 32 v gelegentlich des Rücktritts 
Johannes XXIIL — Ich gestehe übrigens von dieser Erklärung 
selber wenig befriedigt zu sein, kann aber nach meiner jetzigen 
Kenntnis der Literatur keine bessere geben. 



— 211 — 



ursprünglich nicht beabsichtigt gewesen. Karls V. Greschichte 
ist im vorletzten Abschnitt bis zur Krönung in Bologna geführt. 
Die großen Quellen begannen zu versagen : Cu ging bis 1519, 
C bis 1532, Germ bis 1538, AChr bis 1543. Je näher Zschorn 
der eignen Zeit kam, um so mehr durfte er auch die Ereignisse 
als bekannt voraussetzen. So schloß er denn ab : 

Was Carolns mehr hatt gethan 
Zeigt dir das bach Schleydani an / 

Er ist selbst abgstanden vom Reich 
Gerayset in Hispaniam gleich / 

Darinnen er in kurtzer frist 
Gstorben, ehrlich begraben ist. 

Das wäre ein Schluß für das Kaiserbüchlein gewesen, 
aber kein schöner« Darum griff Zschorn noch einmal zur 
Feder, und beschrieb ausführlich die zwei großen Ereignisse, 
unier deren frischem Eindruck er wahrend der Abfassung des 
Kaiserbüchleins stand : die Thronentsagung Karls und die 
Erhebung; Ferdinands. Sein Leitfaden war das <Kbuch Schley- 
dani^^j auf welche« er vorher verwiesen hatte, von Michael 
Beuther übersetzt und bis 1558 fortgefdhrt.i In welcher Weise 
er es ausgeschrieben hat, möge folgende Gegenüberstellung zeigen: 



KB 101 v. 

AU Carolas vor Metz zog ab 

Ins Niderlandt war sein vorhabf 
Nach schwerem zug ergetzen sich 



Sein leben schliessen rüwigklich 

102 r 

Ynd sind gewesen die Herren 
Wilhelm Printz von Vranien / 

Doctor Jörg Sigmundt Selten 

lehrer 
VndlSecretari Wolff Haller. 



Sl 348 V. 

DerKeyser muste sich . . . die Statt 
Metz zu gewinnen erwegen, 
vnd zöge . . . daruon ab . . . vnd 
von dannen ins Niderland. 

Forts. B 14 r. 

... er seine tage volgends mit 
ruhe zn beschliessen. 

20v 

Wilhelmen Printzen von Vra- 
nien, Graif zu Nassaw, . . Jörg 
Sigmundt Seiden Lehrer der 
Bechten, auch Wolff Haller 
vnser Secretarij. 



1 Johannis S 1 e i d a n i Wahrhaftige Beschreibung aller Händel, 
80 sich in Glaubens Sachen vnnd Weltlichem Regiment vnter . . . 
Carle dem Fünfften zugetragen . . . auß dem Latein inn recht- 
geschaffen Teutsch gebracht . . . Daran : Ordentliche Verzachniß [!| 
allerley Sachen vnnd Händel so sich . . . vom 1555ten Jar an, biß 
auff die zeit als Keyser Karl der Fünfft die Eeyserliche Hoheit . . . 
vbergeben lassen, . . . zugetragen. Durch Michaelem Beut her. 
Frankfurt 1559. — • Der von Th. Paur, Joh. Sleidans Kommentare 
1843, S. 133 erwähnte erste Druck der Beutherschen Fortsetzung 
von 1558 war mir nicht zugänglich. 



— 212 — 



103 r: 



Demnach entpfieng Pfaltzgraff am 

Hein 

Den andren tag die Lehen sein / 
Von Ferdinando dem Eeyser 

In der Eeyserlichen kammer / 
Hertzog von Sachsen lobelich 

Empfieng sein Lehen tngentlich | 
Vnder dem freyen Himmel schon 

Wie sein vorältern han gethon f 
Von Brandenburg dem Churf ürsten 

Sind bestätigt seine Lehen / 
Am dritten tag ist geschehen 

Mit allen Ceremonien. 



22 r. 



Am nachuolgenden tage emp* 
fingen von Eeiserlicher Maiestat: 
zwen Churf ürsten nach altem ge- 
brauch jhre vom Reich tragende. . .. 
Lehen, der Pfaltzgraue am Rhein 
in der Eaiserlichen Eammer, der 
Hertzog von Sachssen öffentlich 
vnder dem Himmel | wiedenn auch 
der Churfürst von Brandenburgs 
am andern tage hernach gleicher 
weise mit gewönlichen herrlichen 
Ceremonien | so im Reich also- 
herkommen, gethan. 



Mit einem Segenswunsch, wie Beuther, schließt auch< 
Zschorn sein Buch. 

Einige Züge der Erzählung über Ferdinands Proklamaiioa 
sind nicht aus Beuther entnommen, finden sich aber z. B. i]> 
Dionysius Dre y t weins Eßlingischer Chronik. i Man vergleiche :. 

EB 103 r. 

In Franckfort war ein groß geleut 
Aus manchem stuck da schoss man freudt / 

In Troiheten gestossen würt 
Dem newen Eeyser Triumphiert. 

Dreytwein S. 185, 29 ff. 

{Als aber ire keiserliche Mayestett ist dahin provysirrtt worden- 
zu remschen keiser, hatt man darnach angefangen zu singen <Te> 
deum laudamus» nachvolgend die trometten, herbucken, auch alles- 
geschitz abgeschosenn, auch ale glocken angezogenn und gelitten » 

Vermutlich ist über die Wahl Ferdinands zu Frankfurt 
eine Relation oder Neue Zeitung verbreitet worden, welche dein 
Eßlinger Torschließer wie dem Westhofener Diakonus in die* 
Hände kam. 

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich : Zschorn 
hat nicht eine ihm zusagende Chronik ausgezogen und ver- 
sifiziert, wie es vor ihm Hans Sachs mit Mennel, wie es bald 
nach ihm Episcopius mit Prätorius getan haben. Wenn er auch 
keine archivalischen Untersuchungen anstellte, so hat er sieb- 
doch der besten Hilfsmittel bedient, welche seine Zeit ihm dar- 
bot. Er hat dabei zu Werken gegriffen, deren Namen auch in- 
unsern Tagen noch guten Klang haben, obwohl wir einen, 
andern Maßstab anzulegen, sie auch anders zu verwerten 



J Stuttg. Lit. Verein 221, 1901, S. 185 f 



— 213 — 

gelernt haben als dies im 16. Jahrhundert möglich und 
ȟblich war. 

Gehen wir nunmehr, nachdem wir ZscHorns Quellen kennen, 
<iazu über zu untersuchen, wie er den dargebotenen Stoff ver- 
wendet, und welche Bedeutung seine Arbeil für uns hat. 



6. Zschorn als Schriftsteller. 
1. Bestimmung des Kaiserbüchleins. 

Der Name «Chronica oder Keyser Büchlin» erregt zunächst 

Kien Gedanken, daß wir es mit einer geschichtlichen Darstellung 

:zu tun haben. Das ist KB auch bis zu einem gewissen Grade. 

Wenn wir sehen, daß der Verfasser eine ganze Anzahl anerkannt 

-wertvoller Quellen zu Rate zieht, die Zahlen und wohl auch 

andre Angaben vergleicht, also Kritik übt, so werden wir ihm 

zugestehen, daß er selbständig arbeitete und sein Werk für 

jene Zeit einen gewissen Wert haben konnte. Auch für uns 

können solche Schriften von Interesse, selbst von Wichtigkeit 

werden, wenn der Schreiber auf seine Zeit oder auf seine 

engere Heimat zu sprechen kommt. Wir werden uns aus der 

kleinen Reimchronik, welche 153(3 zu Straßburg bei Hans 

Schott erschien,! nicht über die Einnahme von Konstantinopel 

oder die Kriege Karls d. Kühnen unterrichten, aber es wird 

uns interessieren, von der «steynstroß», der «Krutenaw», der 

«Decktenbruck», der «Zeitglock auf dem Münster» zu lesen. 

Die Ortsgeschichte wird beachten, was Hedio in AChr von 

Feuers- und Wassersnot zu Ettlingen, vom reichen Herbst 1539, 

-vom heißen Sommer 1540, vom großen Sterben zu Straßburg 

1542 erzählt. 

Im KB suchen wir vergebens nach-solchen Lokalnachrichten. 
Wo Zschorn auf das Elsaß zu sprechen kommt, — er hat die 
Alemannenschlacht JuHans, die Stiftung des Klosters Andlau, 
•die Königspfründe zu Straßburg, Rudolfs Beziehungen zum 
Elsaß, die Botschaft der Herren von Straßburg an Heinrich VII., 
u. a. m. — , wird er nicht wärmer, als wenn er von Franken, 
Meißen, Böhmen erzählt. Kein Wunder! Hedio wurzelte am 
•Oberrhein, sein Leben spielte sich bis auf einige Ausflüge 
zwischen Basel und Mainz ab. Zschorn kam von Eilenburg 
öach Westhofen, wahrscheinlich nicht auf dem kürzesten Wege. 
In der alten Heimat war er fremd geworden, in der neuen 
>noch nicht heimisch. Er konnte von dem Krokodil zu Brunn 



' Kurtz viler Historien H a u d t B ü c h I i ii. 



— 2^14 — 

erzählen, von dem Ensisheimer Aerolithen wuß(e er nichts» 
Hing sein Interesse für das Kaisertum vielleicht damit zusammen, 
daß er nicht mehr der Sohn einer bestimmten Landschaft, da^ 
er nur ein Deutscher war? Jedenfalls mußte er darauf ver- 
zichten, interessante Einzelheiten aus der Zeitgeschichte auf- 
zunehmen, als er sich entschloß, auf wenigen Seiten cdie 
fürnemisten stuckji> aus der Geschichte von 1500 Jahren «ina 
Reimen zu stellen». 

Er wußte aut^h, daß er keiji wissenschaftlich hochhedeut- 
sames Buch schrieb. Er hatte einen andern Zweck im Auge. 
Hören wir, was er darüber in der Vorrede sagt : «ich hab euch 
diß klein werklin . . . zuschreyben vn eignen wollen. Auch 
auß diser vrsach, dieweil ihr ein sondern lust haben Historie^ 
zu lesen, vnd keynen kosten sparen die selbigen bücher zu 
bekommen, Darzu ist diß handtbüchlin vonn den Keysern, al& 
ein ynleylung in andere Chronicken, daraus ichs dail gezogen. > 
Diese Worte zeigen uns einen straßburger Handwerker des 
16. Jahrhunderts von demselben Lesebedurfnis, man möchte 
sagen Bildungshunger erfüllt, welcher heutzutage vielfach in 
Arbeiterkreisen herrscht. Solchem Streben wollte Zschorn 
dienen. KB ist ein Volksbuch. 

In dieser Hinsicht kennzeichnet es schon die Sprache. Nach 
den Anschauungen der Zeit eignete sich für wissenschaftliche 
Werke nur die internationale Gelehrtensprache, das Latein. 
Man wutiderte sich, wenn ern gebildeter Mann deutsch schrieb.* 
Karl V. hatte nichts dagegen, daß die Augsburgische Konfes- 
sion lateinisch vorgelesen würde. Gegen den deutschen Vortrag" 
wehrte er sich, wie der straßburger Magistrat und Sleidan 
selbst gegen die deutsche Uebersetzung der Kommentare.* Es 
war ein Unterschied wie etwa heutzutage zwischen der Ver- 
öffentlichung in einer Fachzeitschrift und der in der Tagespresse^ 

Als Volksbuch kennzeichnet KB weiter die Widmung. In den 
Vorreden anderer gleichzeitiger Druckwerke begegnen wir ge- 
wöhnlich der besten Gesellschaft : Kaisern und Königen, Kur- 
fürsten, Bischöfen und Herzogen oder mindestens deren Räten 
und Dienern. Wer ist daneben Jonas Graner? Ein «ernhaffter 
fürnemer burger» zu Straßburg, aber doch nur ein einfacher 
Handwerker. In diesen Kreisen dachte sich Zschorn seine 
Leser. Er erhielt für seine Arbeit keine Verehrung ; aber er 
fand ein dankbares Publikum. 



1 Biggenbach, das Chronikon des Konrad PeUikan 1877, 
S. 171: Gerardas legendos praebuit suos tractatus plnres, doctos et 
atiles quamvis germanicos. 

^ H. Baumgarten. Sleidans Briefwechsel 1881, S. 307—318. 



— 215 — 

Einige Jahre später hat noch ein andres Glied der Familie 
Graner ein Büchlein dedizierl bekommen Wolfgan<( Hagen, 
Bärger zu Tübingen^ hatte auf seiner Wanderschaf! zu Straß- 
burg seitens einer Frau Susanna G r a n e r i n (^vil Ehr, liebs 
und gnts]> erfahren. Zum Dank widmete er ihr eine kleine 
Dichtung.^ In der Widmung nennt er sie eine Liebhaberin 
des Meistergesangs und Dichtens. Dürften wir annehmen, 
daß diese Liebhaberei schon den älteren Familiengliedern 
eigen war, so hätten wir die Erklärung, warum Zschorn für 
sein Kaiserbüchlein auf die Form zurückgrifF, welche einst 
Hans Sachs für denselben Gegenstand verwendet hatte : die 
kurzen achtsilbigen Reimpaare pder den Knittelvers. Wenn 
sich der Geschmack der Gebildeten von diesem alleinheim- 
ischen Versmaß abwandte, so war man seiner in den 
breiten Schichten der Bevölkerung noch nicht ütierdrüssig 
geworden. So kennzeichnet auch die äußerliche Form KB als 
Volksbuch. 

An diese Bestimmung von KB werden wir auch erinnert, 
wenn wir uns das Büchlein auf seinen Inhalt hin ansehen. 
Gewiß, wir finden den ganzen Apparat einer Einleitung in 
andre Chroniken : eine Kaiserliste mit Jahreszahlen, -Re- 
gierungszeiten und Lebensaltern, Kriege, Schlachten, Wunder 
und Zeichen, Mord und Totschlag. Aber Zschorn ist un- 
zufrieden, wenn er weiter nichts zu berichten hat, als 
folgendes : 

p i 11 u 8 Diser keyser ward gleich erweldt 

Macrinns Von den kriegsleuten in dem veldt / 

19 r Regiert mit seinem sune zwar 

Beide nicht lenger dann ein jar / 
Warden erstochen alle beidt 
Nicht sonders von jn- würt geseidt. 

Wo es geht, sucht er aus seinen Vorlagen einen Zug 
herauszunehmen, aus dem sich etwas machen läßt, und führt 
denselben weiter aus. So nehmen in dem geschichtlichen 
Rahmen die Anekdoten einen breiten Raum ein. Wir können 
kurz sagen : KB schreibt oft nicht Geschichte sondern er- 
zählt Geschichten. Gewiß die Form, in welcher dem 
Volke die Gestalten der Geschichte am ersten nahe zu 
bringen sind. 



1 Das Apostolisch Syrobolom in Reimen weiß gestelt. Tubingen 
1580. — Ich glaubte das Schriftchen auch deshalb erwähnen zu 
sollen, weil wir so wenig Nachrichten über den straßburger Meister- 
gesang vor Spangenberg haben. 



— 'il6 — 

•2. Aus dem Inhalt des (j^aiserbüchleins. 

Streifen wir den Rahmen ab, den sich Zschorn so fleißige 
zusammengestellt hat, so bleibt uns folgende Sammlung voa 
Kaiseranekdoten : ^ 

Julias Gesa r. — [Spurinnas Warsagang. Oalpuriiias Traum]. 

T i b e r i u s. — Glas laßt sich arbeitten wie goldt; 

Claudius. — Der Keyser wärt mit herten stücklin brodt ge- 
worffen. 

Vespasianüs. — Vespasianus thet gutes vmb böses [An 
Yitellius Tochter und Mettius Pompusianus]. 

Domitianus. — Muckenfaher. 

Traianus. — [Briefwechsel mit Plinius über die Christeu. 
Trajanssäule]. 

Antoninus Pius. — Besser frid dann krieg. Ein schidma. 

Comodus. — Ihm ist gifft gebe worden vnd vber das erstochen. 

Caracalla. — Papinianus ein frommer Jurist. 

He lioga b a 1 US. — Den frawen ein Ehathaus. Leno. Saß 
nacket im wagen. 

Alexander Seuerus. — Ein Fürstlich stuck [die Bettung 
Ülpians]. 

Philippus. — Disen menschen hat kein kurtzweil können 
zu lachen bewegen 

Valerianus Licinius. — Ein fortel bloch* [,von dem aus 
Sapores auf sein Roß stieg]. 

Claudius. — Hier hat KB 27 v keine eigentliche Anekdote, 
aber eine nicht uninteressante Bandbemerkung: «Gotthen sind 
Teutsche gewesen, die sollen noch in Littaw vnd Lifland auch bei 
Constantinopel ihr teutsch reden». Es ist nicht daran zu denken, 
daß Zschorn auf seinen Beisen in fremden Nationen diese Tatsache 
erfahren habe. Er folgt auch hier lediglich einer seiner Quellen, 
Germ. 37 v : cGotthi sind Gete, auß Gothland, so die alten Cymbros^ 
die Griechen Cimmerios haben genennt ... die haben allweg teutsch 
geredt . . . jr Fürsten haben sich biß auff vnsere zeit, wie Biblibaldus 
Birckeymerus anzeygt, die Fürsten von Mankupp genent . . . 
haben auch ein Ländlain vmb Constantinopel eingenomen. Joannes 
Carion zeugt, man sag das sie noch heut alda teutsch reden . . . 
Es ist Liffland vnnd Littaw noch von Gotthis gemischt volck» . . . 
Die ganze Nachricht geht über Cario-Melanchthon auf Pirck- 
heimer zurück.^ 



1 Berücksichtigt werden im ff. nur die weiter ausgeführten 
Anekdoten, nicht auch die, welche nur mit kurzen Worten berührt 
oder angedeutet werden. 

^ Vgl. zu dem Ausdruck Dan. Martin, Le guidon allemand 
1663, S. 139: Oü est le montoir? — wo ist der vortheil? 

8 s B. Loewe, die Beste der Germanen am schwarzen Meer 
1896, S. 41 ff. 117 ff. — Loöwe legt m. E. zu großes Gewicht auf 
einzelne Worte M's. «Ac ho die Gottia nominatur regio vicina 
Colchicse» und «Audio in Chersoneso Taurica hocnostrotempore 



-~ 217 -- 

Aurelianas. — Straff des ehebrachs vä not zwangs. 
Probus. — Die kriegsleut solten arbeitten. 
Diocletianns. — Nachdem sie frid hatte marterten sie die 
Christen. ^ 

Julianus. — Die Juden bawen ihren tempel wider aber mit 
grossem nachthayl. Gallilee uicisti. 

Theodosius. — Die obren beicht verbotten. Sanct Ambrosius 
Avert dem Keyser in die Kirchen zu gehn. 

Justinusl. — Justinus kumpt mit listen an das Reich. 
Justinianusl. — Justinianus lohnt untre wlich seinen Hauptleute. 
Tiberius IL — Ein grosser schätz ligt vnder einem kreutz 
in einem stein gehawen. 

Mauritius. — Mauritz erkennt dz recht vrtheil Gottes. 
ConstansII. - Ein kirchen rauber. 
Leo IIL -— Man verbredt die schiff vnder, vn im wasser. 
Leo IV. — Diser vertrawet weder seinem sun noch seinen 
vnderthane. 

Wie vndwann dasKeyserthumb andieTeutschen 
kommen ist. — Der Bapst rufft Carolü Magnü vm hilff an. Carolus 
Magnus geschlecht sindt Teutsche gewesen, haben auch in Gallia 
all teutsch geredt. -~ Als Beweis führt Zschorn Otfrid I, 1, 113— 
114 an: 

Die Fränckisch zung gewesen ist 

Gar Teutsch wie man in büchern list / 
Das ich dir hie will zeigen an 

Vnd ein wenig schreiben daruon / 
Wie maus Reimweiß beschriben hatt 

In eim Euangelibuch statt / 
Nu wil ich scriban unser heil 

Der Euangeliono deil / 
So wir nu hiar begunnon 
In vnser Fränckisga zungon. 
Randbem. : Solches Teutsch habe sie geredt, vergleicht sich 
etwas mit der Sächsischen sprach.— Natürlich hat Zschorn Otfrids 
Evangelieubuch nicht gekannt. Er folgt Germ 81 v, wo Franck 
Beatus Rhenanus ausschreibt. Interessant ist es zu sehen, wie KB 
den alten vierhebigen Vers zum achtsilbigen ergänzt. 

Carolus Magnus. — Hier beginnt die Zählung der deutschen 
Kaiser. Der Abschnitt ist mit 100 Versen einer der größten und 
gibt ein ganz hübsches Bild von Karl d. Gr. nach folgender Dis- 
position : «Garolus würt Keyser. C. macht frid mit den Keysern 
im Orient. Andre Könige fürchteten ihn und schickten ihm Kleinote. 
Cs. Tugenden im Trinken, Essen, Lesen; Hochschulen, Clöster ; ist 



restare Gotthorum reliquias» braucht nicht auf verschiedenen gleich- 
zeitigen mündlichen Berichten deutscher Kaufleute zu beruhen. Wie 
KB auf Franck, dieser auf Carlo zurückgeht, und jeder die Nachricht 
im Präsens erzählt, so hat wohl auch Melanchthon 1559 Carlo 1532, 
iL h. sich selbst wiederholt, und die ganze lieber liefer ung geht auf 
Pirckheimers Gewährsmänner zurück. 



— 218 — 

in vil sprachen wol beredt gewesen ; Rheinbracke bei Mainz, hohes- 
Stifft zQ Ach ; Familienleben ; Vorzeichen seines Endes ; Alter, Tod 
and Beg^-äbnis. — Die kriegerischen Taten Karls sind im vorher- 
gehenden Abschnitt anfgezählt. 

^ Carolas Galans. — Ein schlacht bey Andernach. Flandera 
wirt ein graffschaft darch ein ehrlichen anfang. 

Carolas Crassas. — Die keyserin wirt ein Closterfra w. 

Conradas I. — Ein galden halsbäd. 

Henri cas I. — Hertzog in Bayern wer gern Eeyser. Zwölff 
artickel helt der tarnier, vnnd darinn wirt löblicher adel erkent. 

Ott ho I. — Es werden etlich hnndert armer leat inn einer 
schewren von einem Metzischen Bischoff verbrant. Ein historia von 
einem gefangenen. — Darch diese beiden Geschichten kommt der Ab- 
schnitt aaf 84 Verse. 

1 1 h II. — Die Frantzosen vberfallen Otthonem za Ach. 

Henricns IV. — Radolpho ward ein handt abgehawen. 

Conradas III. — Ein histori so bey Weinsperg geschehen. 

Henricns VI. -— Ein keyserin gebiert im feldtleger. 

Philippas IL — Ottho von Witelspach [erschlägt Philipp], 

Fridericas IL — Laßt seinen san in der gefäncknas sterben. 

Rudolf V. Habsbar g. — Eyn vberans wolfeyle zeit Ein 
Münsterischer König. Diser Keyser pletzet hosen. Ein seltzame 
Histori [von einem Bischof, der lateinisch redet]. — Dank der vielen 
Anekdoten hat dieser Abschnitt 102 Verse. 

Henricns VIL — Straßbarger schickten ein botschafft zam 
keyser. Dem keyser wärt in dem Sacrament von eim Prediger- 
münch vergebe. 

LndowicasBaaaras. — Ein stattschreyber will keyser sein. 

Rupertas. — Tamerlan ein Tarter. 

Sigismand. — Ein oration Keyser Sigismnndts [auf dem. 
Konzil]. 

Fridericas III. — Die Armoniacken oder arme Jecken. 

3iaximilian. — M. wärt inn Flandern zn Brack gefangen 
von seinen vnderthanen. 

Carolas V. — Franciscas König in Franckreich ward gefangen. 

F e r din an das.— Carolas will vom Reich abston. Die krönnog 
Ferdinandi. 

Dies sind etwa die Anekdoten, welchen Zschorn im KB eine 
größere Anzahl von Versen eingeräumt hat. Als Inhaltsangaben 
konnten wir meist die Randbemerkungen verwenden, mit denen 
er die Erzählung begleitet. Hätte er auf den historischen 
Rahmen und die metrische Form verzichtet und noch einige 
unterhaltende Geschichten hinzugefugt, wie sie ihm, nach der 
Aethiopica Historia zu schließen, zu Gebote standen, i so wäre 



^ Seine Leser wußten jedenfalls, was mit folgenden Anspielangen 
gemeint war : AeH 16 r : da ist der schaler vber den meister. laaff 
hencker lanfp. 58 r : Einem die käs abrahte. 98 r : Calasiris lanfft 



— 219 — 

eine Sammlung entstanden, welche wir neben das «Rollwagen- 
büchlein]E> oder die ticGartengesellschaftji> stellen könnten. Aber 
er erzählte nicht für uns, sondern für sich und seine Zeit. 

3. Zschorn als Erzähle^. 

Der Beruf eines Schriftstellers beeinflußt gewöhnlich auch 
seine Schreibart. So wundern wir uns nicht, daß Zschorn an 
einigen Stellen als Diakonus und Schulmeister spricht. Er sägt 
von Galienus KB 26 v : Ein verlorner sun; von Karls d. Kahlen 
Drohung, daß sein Heer den Rein austrinken werde KB 67 v : 

Er meint er wer Moses gesell 
Vnd sein volck wer gantz Israhel. 

von Arsaces Selbstmord AeH 159 v: A. name ein frölichen 
abscheid wie Judas ; vom Streit der Söhne Ludwigs d. Frommen 
KB 66 r: das vierdt gebott wirt hie der kinder straff. Ebenso 
fließt ihm ein Katechismuswort in die Feder AeH 136 v: 
Woh kein eyfer, da ist auch kein rechte liebe, das ist gewisslicb 
war. Sonst ist seine Ausdruckswei^ nicht besonders kirchlich 
gefärbt. Daß er die Nachricht von Mahomets Auftreten KB 51 v 
mit dem Stoßseufzer schließt: 

Herr Gott thu vns Tentschen beystan 
Durch Jesam Christam deinen son 

erklären die Zeitumstände. In AeH moralisiert er etwas mehr. 
Doch sah er darin den Nutzen dieses Büchleins.^ 

Für gewöhnlich denkt er sich aber seinen Platz nicht in 
der Kirche, sondern vor der Kirche, und spricht, als ob er am 
Sonntagabend bei den Nachbarn unter der Linde säße. Voll 
Eifer begleitet er die Erzählung mit seinen Erklärungen, die 
auf die wichtigen oder interessanten Punkte aufmerksam 
machen: KB 3v: Die erst krön. 15 r: Zu gleich zwen Keiser 
vnd war das erstmal. 20 r : Den frawen ein Rathhauß. 23r : 
Vier Keyser kernen vmb. 24 r : Der erst keyser ein Christ 
worden. 25 v : Hie reissen sich vier vmb das regiment bis sie 
drvß" gehn. 35 r: Aus einö Christen wQrt ein Mammeluck» 
41 v : Es kumpt ein Königreich vnd ein Landt nach dem 



vmb wie der teufel auff dem gevüst; 136 r: Sie kam eben rechte 
vmb (= bei) ein junckfraw seiden vnd vmb gäns habern zu 
kauffen; 137 v: Die alt war vnmüssig wie der tenfel zu. Schiltach; 
143 v: Es waren wolffs freundtstück (vielleicht eine Anspielung auf 
Beinecke Fuchs); 171 v: Oroondates ist zu gach mit der geiss aa£f 
den marckt; 189 r: Hydaspes lasst die milch nieder. 

1 Vorred : Für das ander, das dise Poetische Histori, souil 
schöner Moralia in sich hatt, welche hohem vn niderm stand, Alten 
vn Jungen, ihre tugend vnd iaster anzeigen vnnd gute lehr geben. 



— 220 — 

andern von dem Römische reich. 43 r: Der Keyser entpfacht 
die Keyserlich krön von einem Bischoff zum ersten mal. 59 v: 
Ein weih regiert das keysertum. 66 v : Diser Hertzo;? nam 
zwey Eheweiber. 77v: Die Ghurfürsten thun die erste wal. 
85v: Ein keyserin gebiert im feldtleger. 91 r: Diser Keyser 
pletzet hosen. 95 r: Ein stattschreiber will keyser sein. 

Ebenso ist er in AeH ganz bei der Sache : 4v: Hie spuret 
man rechte Irew. 34 v: Er henckt den manlel. 46 v: Ein 
Mor. 59 r : Da wäre auch ein klag vmb hilfF. 65 r : Er ver- 
meint sie also warm zu haben. ^ 91 r : Ein new vnglück, 101 r: 
Da werden sie gefangen wie inn dem anfang gemeldet worden. 
123 r: Ihr kreid oder losung. 127 r: welche ein alte 
schälckin. 142 r: Das was ein rechter pfeil vff das armbrost. 
161 r : Hier aber ein newer lermä. 175 r : Der Neydhart wäre 
auch da. 189 r: Das war tapflfer eingeschenckt. 200 r: Das 
ist ein recht stucklin. 204 r: Hie lernen die zwen einander 
wider erkennen usw. 

Wie er gelegentlich von seiner Krankheit und seinen Reise- 
erlebnissen berichtet, so wendet er sich auch geradezu an den 
Leser : KB 81 r : Die ertz böswicht haben solch mirackel nit 
zu herlzen gefast wie du gleich hören wärst. AeH 11 r : Lug 
wie sich der teufel kan schön mache. 

Derbheiten fehlen nicht, obgleich Zschorn die Schicklichkeit 
nicht aus den Augen verliert ; « auch kommt bei der volks- 
tümlichen Redeweise ein gewisser Humor zu seinem Recht. So 
heißt Claudius KB 4 v: Ein foller zapff, Phocas 50 r: Ein 
rechter Pabstnarr. 43 v : Zeno fleucht wie ein has. 56 r ent- 
spricht ganz der Ausdrucksweise des Volkes : 

Philippicus auch sein feind was 
Erschlug ihn mit der stumpffen nas. 

Ebenso 63 v, bei Karl d. Großen : 

Er sprach woh kindt, da ist aach glück 
Solchs spürt ein baur all augenblick. 

Sein gutmütiger Spott trifft natürlich auch die kirchlichen 
Gegner. So 63 v : Im stiff"! zu Ach da haben sie Josephs hosen.» 
70 r : Hie hatt der Bapst vergessen den beltlern eine Patrone zu 
setzö für die leuß kranckheit, sunst wer Arnolphus auch heilig. 



1 Das heutige «ase warm». Ebenso 138 v : Du must sie also 
frisch haben. 

2 z. B. KB 38 v : Zu schreyben sichs nicht zimen will. 

3 Dieses Heiltum erregte 1486 auch die Aufmerksamkeit Reuch- 
lins, s. E. Schneider, Joh. Reuchlins Berichte über die Krönung 
Maximilians I. Zeitsch. f Gesch. d. Oberrh. N. F. 13, 1898. S. 551. 



— 221 — 

74 V : ßttho verbindt sich mit dem eydt dem Bapst gehorsam 
zu sein, dz habö noch*, alle Keyser thun müssen, oder den 
teufel im glas sehen. 81 v : Di Bischöff Ionen dem Henrico, 
wie der teufel dem, der ihm auch ein liecht zu ehrö brennet* 
94 r : Dem keyser würt in dem Sacrament von eim Prediger- 
münch vergebe | des müssea sie zu ewiger schäd ihre Herrgott 
mit der linckö band inn das maul schiebe. — 

In AeH hat er eine scherzhafte Erzählung, welche ihm 
besonders gefiel, sogar in den Text aufgenommen.* Wie er es 
hier für nötig hält, auf die Pointe aufmerksam zu machen, so 
erklärt er auch sonst, was ihm außerhalb des Gesichtskreises 
seiner Leser zu liefen schien. Von seinen Erläuterungen 
griechischer Altertümer genügt es, wiederzugeben, was er AeH 
104 r ad vocem Phoenicopterus bemerkt : Es dörfften wol geuch 
gewesen sein. — Auch im KB bemüht er sich, die Vergangen- 
heit durch Vergleiche mit der Gegenwart verständlich zu machen. 
Sehen wir zum Schluß, wie sich seine Zeit in seinen Worten 
spiegelt. 

4. Streiflichter auf Zeit und Umgebung. 

Wenn Geistliche Gelegenheit haben, vor ihren Zeitgenossen 
Vergleiche mit der Vergangenheit zu ziehen, so kommt die 
Gegenwart meist schlecht weg. Bei Zschorn tritt der Gedanke 
der «guten alten Zeit» nicht hervor. Wo er frühere und gleich- 
zeitige Ereignisse vergleicht, will er das Verständnis erleichtern : 
KB 31 r: Die zeit war auch ein pauren krieg. 80 r: Berengarius 
der ketzer Zwinglischer meynung. 90 v : Ein Münsterischer König. 
Nur Gharicleas exemplarisches Verhalten reizt ihn dazu, einen 
Vergleich zum Nachteil der Jetztzeit anzustellen.« 

Ueberhaupt hat er für die Schwächen der Weiber ein 
scharfes Auge. Behaglich schildert er das Frauenrathaus 
Elagabals KB 20 r : 



I Calasiri gienge es mit dem alten | wie einem Edelmann mit 
einem Panren der aus einer statt heim gieng / Der Edelmann redet 
ihn an | Peurlin was hats geschlagen ? Der Paur antwort / Juncker 
ich hab tuch kaufft. Der Edelman J Ich frag welche zeit es sey. Der 
Paur / Es ist schön blaw die el kostet xij batzen. Der Edelmann / 
Ich mein du hörst nicht wol. Der Paur | Mein dochter will biß 
sontag hochzeit haben / ich döi*£ft das gelt sonst wol an zehen ort. 
Der Edelman / Du bist ein Narr, Gott geh dir drüs vii beul. Der 
Paur / Ach lieber Juncker Gott geh euch dreymal souil / ihr sind 
sein wol wert / Der Paur verstund glück vnd heil. — S. 90 r. 

2 AeH 49 v: So verachtet sie alle liebe so von Venere kompt, 
alle hochzeit, hoffart vnnd stoltzen pracht. Randbem. : Vnsere 
junckfrawen sind auch des sinns ja hindersich. 



— 222 — 

Da ward gehandiet bey der peen 

Wie jede solt gekleidet gebn / 
Wie ein müßt der andern weichen 

Neigen sich vor jn dergleichen. 

Boshaft heißt es von Heracleonas' Mutter KB 52 r : 

Der muter man die zung ansschneidt 
Sie war schwätzig vnd gar verschreit. 

"So auch AeH 19 r : Ein frawenbild mag wol in der gemein 
reden ihr ehr zu bewaren, sonsten sollen sie den Schnabel nit 
in allö Dreck stossen. 149 r : An weyber zeheren, krämer 
^schweren soll man sich nit keren. 20 v: 

Der erst vnd schneller frawen rhat 
Hat offtmals gbracht mer nutz dan schad 

Wann sie die sach lang bedencken 
So geht ihr anschlag an bencken. 

i09 v : Ein weih wann sie gen himmel sihet, so hatt sie ein 
list erdacht ; 60 r : Wie noch die jungen Döchler etwa in der 
kirchen verzauberet werden, das sie der predig nicht vil achten ; 
126 v : Woh der teufel nicht hien kuruen darff, da schickt er 
«in alt weib mit einem pater noster dahien. Andrerseits ist er 
voll Anerkennung für Galpurnia und Julia Mammäa, Richarda, 
Kunigunde und die Weiber von Weinsberg. 

Den Bauern stellt er kein ganz gutes Zeugnis aus. AeH 
41 V : Vnder grobö wildö bauren vnd wilden thierö ist ein 
kleiner vnderscheid. 95 r : Wann man ein Pauren bitt ( so 
gesch wellen jm die obren. Doch tröstet er sie auch 143 r : 
Tyrannische herrS müssen mehr in sorgen stan dan ein armer 
baur. — Schlimme Erfahrungen muß er mit den Junkern 
gemacht haben. AeH 56 v: Der hecken Junckern kenne ich 
auch so einer nicht bescheid thut jres gfallens wollen sie einem 
"die gläser ins angesicht werffen. Zum 10. Turnierartikel KB 74 r: 

Das zehend öffentlich ehebrecher 
SoUn sich machen vom thurnier ferr 

•bemerkt er trocken am Rand : Oho ! 

Von den Landsknechten heißt es KB 29 : Vnser pflugamslen 
lauffen liebet vfif der gart | dreschen seckel vmb den dritten 
Pfenning. Doch tadelt er den Uebelstand, der ja damals in 
manchem entscheidenden Augenblick verhängnisvoll wurde, daß 
die Knechte ihren Sold nicht erhielten KB 49 r : Es ist so ge- 
mein dz man es für ein wolslandt vnd ehr hatt, und hebt be- 
sonders hervor AeH 123 v: Thiamus dancket seim kriegsuoick 
vnd bezalBt sie auch. Recht aus der Seele des Volkes ist 
seine Bemerkung gelegentlich eines Zweikampfes zwischen zwei 



— 223 — 

Heerführern 119 r: Sollen die grossen heupter vnd Herren 
des krieges alle also thun, so würde guter frid in aller weit 
sein. 

An den Höfen tadelt er die Völlarei AeH 71 v: Bey vns 
hat mä vil lieber gute volle zapfen zu hoff. Die Christen Ver- 
folgung unter Trajan hat ein Hauptmann (Plinius) verschuldet 
KB 12 V : Es sind zu vnsern Zeiten vil Fürsten vli Herren 
•durch solche ohren bioser also verfürt worden. Auf die fran- 
zösischen Kriegsdienste deutscher Fürsten geht wohl AeH 120 r : 
Yetzündder gilt es gleich der vatter ist Frantzösisch | der sun 
Keyserisch, also auch die brüder. — Auch das Alamodewesen 
geißelt er 39 v : Klaider geben zu erkennen was landes der mä 
ist, aber nicht bei den Teutsohen äffen. 

Wie in diesem harten Wort, so spürt man durch das ganze 
KB eine starke Vaterlandsliebe. So oft die cTeutschen]» in der 
•alten Geschichte auftreten, macht er besonders darauf aufmerk- 
sam. Karl d. Gr. und seine Ahnen nimmt er entschieden als 
Deutsche in Anspruch KB 61 r : Carolus Magnus geschlecht 
^indt Teutsche gewesen, haben auch in Gallia all teutsch geredt. 

Das sie aber Begieret band 
Galiiam vDd andre land / 
'Das han sie gwannen mit dem seh wert, 

So verweilt er auch gern bei der Schlacht von Andernach und 
Ottos U. Zug vor Paris. Der höchste Ruhmestitel ist ihm aber, 
daß cdas Keyserthumb an die Teutschen kommen isiiö. 

Die Begeisterung für den Kaiser durchzieht das ganze KB ; 
allerdings eine Begeisterung, wie sie nur im Volke möglich ist. 
Zum Kaiser gehört für Zschorn prächtiges Auftreten, Mut und 
Tapferkeit, womöglich eine stattliche Gestalt, immer aber große 
Taten. Der Kaiser muß legitim sein, entweder «erwöK», -^ 
^uch Julius Cäsar — , oder durch Erbfolge zur Regierung ge- 
kommen. Daß Probus KB 29 v Eins gartners sun, Diocletian 
31 r Eins schreybers suu, Justinus 1. 46 r ein sawhirt vnd 
holtzhawer waren, fällt ihm sehr auf. Der Kaiser hat von 
Oonstantin an den rechten Glauben zu schirmen und das Recht 
zu handhaben ; eine Gerichtsszene unter Otto I. umfaßt 32 Zeilen 
und die Bemerkung : Ein schön natürlich keyserlich vrthel. 
Auch soll der Kaiser eine offne Hand haben. 

TiberiusII. Was Justinus aus grossem geyt 
48 V. Alweg hatt zusamen geleit / 

Das gab reichlich der Keyser aus 
Dem armen voick von haus zu haus. 
Basdbein. : Ein Keyser für arm ieut, der sind leyder wenig 
gewesen. 



— 224 — 

Einmal macht er einen Ausfall gegen die Juden : 

CarolusCaluus Ein Jud genant Sedechias ' 

68 r Der was sein Artzt wie er was kranck ' 

Vergab ihm mit gifft in eim dranck. 
Randbem. : Bei der Juden Adonay ich wolt daß sie jedem also 
theten der ine vertrawen. 

Vorurteilsfreier zeigt sich Zschorn, wenn er gegen die Folter 
protestiert AeH 152 v: Hie sollö die peiniger ein Exempel 
nemmen, dann mancher aus marter bekennet, das er nie ge- 
dacht noch müglich gewesene. Vorzeichen und Prodigia verachtet 
er nicht, doch hält er wenig auf Traumdeutungen AeH 17 r : 
Solcher narren findt man noch vil dievfftrenm halten, deutens 
vii legens jn selber aus vn treffens beim ars an kopff. 

Mißbräuche in der eigenen Gemeinde veranlaßten ihn wohl, 
St. Urban und Bacchus gleichzusetzen AeH 179 v ; Sanct 
Vrban ehrt man auch im Morenland.i 

Damit haben wir das kirchliche Gebiet betreten. 

Zschorn hat es vermieden, aus der Kaisergeschichte eine 
Kirchengeschichte zu machen. Nur mit wenigen Worten be- 
richtet er zu Augustus von Christi Geburt, zu Tiberius von 
seinem Tod, zu Nero, Doraitian, usw. von den Christenver- 
tblgungen, die ihrer gerechten Strafe nicht entgehen : 

De eins Zu Tyrannisieren fieng an/ 

24 v Vnder den Christen wie ein hundt 

Deßhalb ihn Gott straffet zn standt . . . 
Diocletianus Erstach sich selbst dann billich solt / 
31 V Ein solcher mensch nemmen ein endt 

Der Gott darzu die Christen schendt. 

Lieber sind ihm die günstigen Nachrichten über Trajan, 
Julia Mammäa, Philippus. Constantin und Jovian. Von hier ab 
merkt er gelegentlich das Wachstum der Kirche an, die Be- 
kehrung der Sachsen, Dänen, Böhmen, Ungarn, die Türken- 
gefahr, den Fall Konstantinopels. Nicht viel höher als Mahomet 
wertet er die Ketzer, vor allen Arius : 

Valens Ein grosser Arrianer war 

37 V Darumb strafft ihn Gott also bar/ 

Dem feindt in ein dörfflin entran 

Das wardt angzündt darinn verbran / 
Drey jähr nach seines bruders todt 
Im rauch für zu Arriani Gott. 



^ S. über das Verbot der St. ürbansfeier zu Westhofen 1551 
Kiefer . Pfarrbuch 1890, S. 341. - Auch der Bischof von Straßburg^ 
war auf der DiÖzesansynode 1549 gegen die St. ürbansfeier vorg"e- 
gangen, s. Acta Synodi Argentinensis Jlpiscopi Erasmi 1566, Kap. 19^ 
S. 79 V. 



-. 225 - 

Sein eigner Standpunkt ist ^ut lutherisch. Er zählt die 
Gebote nach dem kleinen Katechismus und lehnt Zwingiis 
Abendmahlslehre ab Kß 79 v : 

Zu seinr zeit Berengarius 

In seim ampt ein Diaconas / 
Hat grosse mißler angestifft 

Lies von ihm aus ein solches gifft / 
Das da nit vnder brot vnd wein 

Der leib Christi vnd blnt solt sein / 
Sander schiecht wein darzu schlecht brot 

Zwingli solchs anch geleret hat. 

Man spurt die Jahre, da Vermigli und Zanchi in Strasburg 
der Boden zu heiß wurde. — An die gleichzeitigen Bemühungen 
um Einführung einer geregelten Kirchenzucht gemahnt die 
ausführliche Schilderung KB 39 v : Sanct Ambrosius wert dem 
Keyser in die Kirchen zu gehen, 18 Zeilen mit der Bandbem. : 
Das ist der recht ban. — Von Luther wird nur die Geburt 
erwähnt, etwas mehr von Huß KB 96 v : 

Johan Hnß die Zeit gwesen ist f 
Welcher Christum hatt recht bekent 
Deshalb zu Costentz ward verbrent. 

Von der Reformation sagt Zschorn kein Wort; aber er steht 
überall auf dem Boden der neuen Erkenntnis. Kritisch be- 
handelt er Petri Aufenthalt in Rom KB 5 r ; 

Es sagen etlich offenbar 

Gilt gleich erlogen oder war / 
Petrus zu Rhom gwesen sey, 

ebenso seinen Märtyrertod, während der Tod Pauli zu Rom 
nicht angefochten wird KB 6 r ; 

Die Christen ließ er martern sehr 
Sanct Paulum tödten vnd noch mehr/ 

Man sagt Petras sei da getödt 
Etlich die haltens für ein gspött. 

Das Mönchtum ist ein überwundener Standpunkt : 

AnastasiusII Das er thut vom Eeyserthum stan 
56 V Vnd legt ein grawe kutten an / 

Dienet da seinem lieben Gott 
Seiner meinung biß in den todt. 

Carolus Magnus Darzu hat er der Clöster vil 

63 r Gestifftet wie man sagen wil / 

Zur Zucht vnd guter Policey 

Nicht zur faulkeit vnd schelmerey . . . 
Sein Horas hatt gesungen wol 
Wann es zur selgkeit helffen sol. 

15 



— 226 - 

Die Art und Weise, wie er den Nutzen der Möncherei dahin- 
gestellt sein läßt, klingt fast wie Toleranz. Wo er gegen 
Klerus, Bischöfe und Papst polemisiert, wie bei Otto I., Hein- 
rich IV. und V., Konrad IV., geschieht es weniger aus kirch- 
lichen als politischen Beweggründen, nach dem Amsdorfschen 
Gedanken : wie untreulich die Päpste zu Rom mit den röm- 
ischen Kaisern gehandelt haben. Darum bleibt auch seine Aus- 
drucksweise, so derb und roh sie uns erscheinen mag, weit 
hinter dem zurück, was die kirchliche Polemik jener Tage auf 
beiden Seiten zu leisten pflegte. An der einzigen Stelle, wo 
er gegen die Messe schreibt, entschuldigt er sich vorher förm- 
lich KB 102 V : 

Ich schreib gar kindisch avIc ein thor 

Muß auch strecken ein Eselsohr / 
Es wundert mich vil, nit wenig 

Das vil Keyser darzu König / 
Ghalten haben für hellisch pein 

Ohne ein meß bestätigt sein / 
Vnd haben doch erfaren zwar 

Das hindrem Bapst steckt groß gefar | 
Mein ohr zuck ich gern hindersich 

Ist vergebens dann man kent mich. 

Sein Verfahren erklärt sich durch die kirchliche Lage um 
1559.1 Die Grafschaft Hanau -Lichtenberg war am 28. Mai 1545, 
also zu einer Zeit, da der erste Sturm der Reformation schon 
vorüber war, in mildester Form auf die evangelische Seile 
hinübergeführt worden, ohne daß Graf Philipp IV. erheblichen 
Widerstand gefunden hätte.« Die Sliftsherren von Neuweiler 
machten keine ernstlichen Schwierigkeiten, obwohl sie in 
einigen hanauischen Pfarreien die Kollatur besaßen. In den 
Aeußerlichkeiten des Gottesdienstes wurde nicht viel ge- 



1 Vgl. zum ff. Röhrich, Gesch. d. Reform, im Elsaß. II, 1832, 
S. 229 -232. Ders., Mitteilungen II, 1855, S. 65 ff. - N. P a u 1 u s , 
die Straßburger Reformatoren u. d. Gewissensfreiheit, in : Straßb. 
theol. Studien II, 2 1897, S. 67 ff. — L. A. Kiefer, Pfarrbuch 
1890 passim. — Röhrichs Angaben werden von Kiefer an vielen 
Stellen ergänzt und berichtigt. 

2 Einige der alten Geistlichen, welche die Veränderung nicht 
mitmachten, finden wir noch einige Jahre im Genuß einer Pension 
als Einwohner ihrer frühern Gemeinden, wie Hrn. Sorgus von 
Gottesheim, oder in der Nähe, wie Hrn. Fridericus von Dunzenheim, 
der nach Gugenheim zog. Vielleicht hängt eine mehrtägige Turm 
strafe, welche der Leutpriester Nikiaus Leyn von Ernolsheim 1550 
zu verbüßen hatte, mit seiner kirchlichen Unfügsamkeit zusammen, 
da der Kirchschaffner schreibt, er habe etliche Mal des Interims 
halber nach Ernolsheim gemußt; S. dazu Röhrich. Mitt. II, S, 83. 



— 227 — 

ändert.^ Nur die fehlenden Bilder erinnerten daran, daß man im 
Gebiet der süddeutschen Reformation war.« Zschorns nächster 
Vorgesetzter, der Pfarrer Marx Hörn von Westhofen, hatte bis 
1545 seine Messe gesungen^ Zschorn selbst aß das Brot des 
Domkapitels von Straßburg. Zur Polemik lag kein rechter 
Grund vor, eher zu dem Gefühl, daß das Papsttum zurück- 
gehe. 1556 war die Reformation in den kurpfälzischen Teilen 
des Elsasses zur Durchführung gekommen. Zwischen dem 
Grafen Phihpp V. von Hanau -Lichtenberg und der Erbtochter 
des katholischen Grafen Jakob von Zweibrücken— Bilsch war 
eine Heirat im Werke, welche die Aussicht auf eine Reforma- 
tion der zweibruckischen Hälfte der Grafschaft Lichtenberg 
eröffnete. Dazu lief am 23. November 1559 der zehnjährige 
Schirmvertrag der Stadt Straßburg mit dem Bischof ab. Am 
19. November wurde im Münster die letzte Messe gehahen. 
Der Vikar Michel Schwan, welcher das letzte Amt gesungen 
hatte, wurde später selbst lutherisch. s Zschorn konnte nicht 
ahnen, daß er in den Anfängen der Gegenreformation lebte. 



7. Die zvreite Ausgabe des Kaiserhüchleins. 

Wir erinnern uns, daß Zschorn in der Vorrede zur AeH 
sich rühmen konnte, daß seine Opuscula bis in sein Vaterland 
geführt und verkauft wurden. Auch in Straßburg wurde KB 
beachtet. Das ersehen wir aus der Vorrede einer zweiten Aus- 
gabe, welche 1561 erschien, sowie aus der Tatsache dieser 
zweiten Ausgabe selbst.* 



^ Lateinischen Gesang sieht noch die Hanauische K. 0. von 
1659 vor S. 4. Die Ausgabe für Waschen und «Ausstreichen» 
(Bügeln) des Chorrocks, d. h. der Albe kehrt öfter in der Kirch- 
schaffneirechnung wieder. 

^ Am 27. November 1560 wurden z. B. laut Kirchenrechnung 
die «kyrchenthaffelen» und «getzen» von Eeitweiler in Buchsweiler 
abgeliefert. 

3 s. K. Reinfried, Der bischöflich- straßburgische General- 
Vikar Dr. Wolfgang Tucher und seine Zeit (1542—1568) in: Frei- 
burger Diöz. Archiv 26, 1898, S. 15. 

4 Der Titel lautet ; Newe Cronica oder / Keyserbüchlein. Jetz- 
under vff ein new / es widerumb vberlesen, gemehrt / vnd gebessert, 
darinen auch alle Römische Key / ser, von Julio dem ersten Keyser 
an. biß auff / den yetzigen Keyser Ferdinandum. mit eygent- j 
lieber abcontrafaitung / wie sie auff den alten / pfennigen, gefunden 
werden, sampt der zeit jrer / regierung, leben, thaten, auch wunder- 
zeichen / finsternüssen, Monstras. so vnder yedem Key / ser, im 
lufft, am himmel, auch auff erdtrich, gese / hen worden vn beschehen 
sind / Aus alten war / hafftigen Cronicken. die fürnemisten stuck / 



— 228 — 

Die Vorrede ist gerichtet von Jeorg Messerschmidt, Buch- 
drucker vnd Burger zu Straßburg, an den Gunstigen leser, und 
datiert vom dritten Martij. Anno 1561. Die letzte Seite zeigt 
das Druckerzeichen Messerschmidts : Fortuna auf der Kugel 
mit einem aufgespannten Segel in den Händen, darin drei 
gekreuzte Schwerter oder Messer. 

Mit Recht heißt die Gronica auf dem Titelblatt «gemehrt» : 
sie ist von 103 Blättern auf 149, von 3234 Versen auf 5121 
angewachsen. Dieses Wachstum rührt her einmal von der 
Aufnahme neuen Stoffes, dann von der Anwendung neuer 
metrischer Grundsätze. 

Stofflich ist KB 2 noch zwei Seiten reicher als KBl. Wir 
hatten bemerkt, daß in diesem die Kirchengeschichte wenig 
hervorträte. Hierin müssen einige Leser einen Mangel erblickt 
haben. So ist denn in KB 2 die heilige Geschichte ausführlich 
behandelt, ebenso die Ausgänge der Apostel, einige Martyrien 
und die Christen Verfolgungen, letztere jedesmal mit eigener 
Ueberschrift. 

Aus dem Zuwachs an weltlichem Stoff treten vier Gruppen 
hervor : Notizen über die Gründungsjahre deutscher Städte^ 
Nachrichten über die zur Zeit der einzelnen Kaiser blühenden 
Dichter, Gelehrten und Schriftsteller, kleine biographische 
Einzelheiten zur Kai sergeschichte, endlich eine Anzahl neuer 
Anekdoten. Wir unterlassen es wieder, die kleinen Züge auf- 
zuzählen. Folgende größere Geschichten sind neu hinzu- 
gekommen : 

Tiberius. — [Christi Leben, Leiden und Sterben]. 

Caligula, — Sprichwort des Kaisers : hätten sie nur 
einen hals. % 

Claudias. — Der Keiser wärt von der muter für ein narre 
geacht. Sanct Jacob enthaapt. 

Nero. — Die erste Verfolgung der Christen vnder Nerone. 
Gsicht Neronis [die Seelen der Getöteten]. 

Vitellius. — Wann ein magdt ein fraw, ein knecht ein 
herr vn ein manch weltlich wärt ist kein glück mehr da. 

Vespasian. — Die letst Zerstörung zu Jerusalem. Antichrist. 

T i t u 8. — Titi bruder ein lecker. 

Domitianus. — Die ander groß Verfolgung der Christen, 
vnder Domitiano. Johannes der Euangelist kumpt zu Cerintho 
ins bad. 



gezogen, vnd in reimen gestelt / mit den Historien vnd rei- / men 
gebessert, vnnd / kurtzweilig zu / lesen. Beschriben durch Jo- / 
hann / Zschornen Eylen- / bergen sera. — Vorhanden in Hamburg, 
Nürnberg Stadtbl., Rostock, Würzbarg. 



- 229 — 

Traianus. — Die dritt Verfolgung der Christen, vnder 
Traiano. Simon. Ignatius. 

Adrianus. — Bencochab filius stellae. Die vierd Verfolgung 
der Christen vnder der Juden Messia. Bencozba ülius mendacij. 

Marc Aurel. — [Begegnung Polycarps mit Marcion]. 

Didius Julianus. — Julianus kaufPt das Keiserthumb. 

Seuerus. — Pescenius. Menschenfleisch vor hunger gessen. 
Die fünfft Verfolgung der Christen unter Seuero. 

Caracalla. ~ Bassianus ermördt Gel am sein bruder, der 
muter in dem geren. 

Opilius Macrinus. — Straaff der frawen sehender. 

Alexander Seuerus. — Thurinus im rauch ersteckt. 
Weissagerin [sagt dem Kaiser seinen Tod an]. 

D e c i u s. -• Die sibend grosse Verfolgung vnder dem Keiser 
Decio. Babilam [!] Ein gehertzte Christin. 

Valerianus. — Die achte Verfolgung der Christen vnder 
Valerianus. Menschen geopffert. Ceremon. Der luflft tregt zwey 
alter eheleut. 

Aurelia n. — Manes der kätzer warde geschunden. 

P r b US. — Bonosus erhenckt. Amphora pendens. 

C a r u s. ~ Neun eheweiber [des Carinus]. 

Diocletianus. — Die zehend harte Verfolgung der Christen 
vnder Diocletiano vnd Maximiane. Die Bestien zerrissen die hencker. 
Constantinus. — Concilium Nicenura. 

Valentinianus. — Grausame schlacht im Cathelaunische 
feld. Valentinianus ersticht Etzelinum. 

Justinianus I. — Teraplum Sophiae. 

Heraclius. — Erlegt den Küng Cosdram, nimpt all sein 
schätz. 

Leo IV. — Name die krö aus sanct Sopheienkirchen. 

Carolus Crassus. — Die Nortmanner werden gezwügen, 
vnnd getaufft. 

Otto I. — Hat die Vngern bestritten. Drey Künig all gehenckt. 

Fridericus Barbarosa. — Ein Meerfart in das heilig 
iand. Barbarossa ertrijickt. 

Rudolphus. — Küng Ottacker nider lag. 

Albertus I. — Herzog Has ersticht den Keiser seine vettern. 

Friedrich III. — [Reise nach Jerusalem. Kaiserkrönung]. 

Wir sollten nun eigentlich für diese Anekdoten, über- 
haupt für den ganzen Zuwachs den Quellennachweis fähren. 
Ehe wir uns dieser FvR^e zuwenden, haben wir aber einen 
andern Nachweis zu führen, welcher jenen ersten für diese 
Arbeit mehr oder weniger überflüssig macht. Es ist die 
Frage, ob KB 2 überhaupt mit Johannes Zschorn etwas zu 
schaffen hat. 

Allerdinfjs heißt es auf dem Titelblatt wie bei KB 1 : Be- 
Ächriben durch Johann Zschornen Eylenbergensem. Am Schlüsse 



— 230 — 

des Büchleins steht zuerst wörtlich der Beschluß von KB 1 (pit 
der Ueberschrift : An den gunstigen Leser. Nach einem kleinen 
Zwischenraum geht es in der 1. Person weiter: cAls ich diß 
Keiserbüchlin erstlich in druck schreib / hat ich nit so vil 
weil I solchs gnugsamlich, wie ich mir furnam zu volbringen, 
dann es was mir vii dem drucker die zeit zu kurtz, darumb 
ich dann etliche Keiser mit wenig Worten beschriben hab | vti 
vil vnderlassen müssen. Derhalben ichs widerumb von newem 
besichtiget, corrigiert, vnd an vil orten ( sonderlich bei den 
Teutschen Keisern mit lieblichen historien | vnd seltzamen ge- 
schichten erlengert vnd gebessert, wie man sihet, so das erst 
exemplar gegen disem. gelesen würt. Hiemit vil guter zeit 9» 
Soweit wäre alles in Ordnung. . Aber nun kommt das Datum : 
«Datum im herbstmonat | Anno 1560.» Der Herbstmonat ist 
doch der September, und Zschorn ist im August «mit todt ab- 
gangen». 

Aus der Vorrede ist keine größere Klarheit zu gewinnen. i 
Messerschmidt sagt uns nicht, durch wen er das Büchlein be- 
sichtigen, die Reime korrigieren und mit andern hat bessern 
lassen. Wir sind also auf innere Merkmale angewiesen. 

Nun unterscheidet sich KB 2 von KBl nicht allein durch 
den vermehrten Stoff, sondern auch durch die veränderte po- 
etische Technik. 2 Vergleichen wir KBl und KB "2 nach dieser 
Richtung, so ergibt sich folgendes: 



1 . Vom Reim. 

KB 1 umfaßt 3284 Zeilen oder 1617 Reime. Alle Reime 
sind stumpf. 

Länge und Kürze der Reimsilbenvokale sind nicht be- 
achtet. Auch sonst sind manche Reime nicht einwandsfrei. In 
62 Fällen beruht der Einklang nur auf Assonanz, 21 mal auf 



1 Dieweil dan ich hieuor das klein handtbuchlin der Keyser | 
sampt seinen Contrafaitungen vnd Iconijs / So durch wiland den 
Ehrnhafften Johann Zschornen säiiger gedächtnüß / aus etlichen 
Cronicken zusammen gesucht / in druck ausgehn | doch aus gutter 
freund rhat / ich das gemeldet büchlin / auff ein newes besichtigen / 
vnnd die reimen corrigieren | auch mit vnd noch vil vnd mehr | 
andern weitern ergangnen Historien / Geistlicher vnd Weltlicher 
geschichten | so vnder yeglichem Keyser in sonderheyt / sich ver- 
loffen vnd zugetragen | mehren / Vnd bessern hab lassen ; Hat mich 
nit für vnnützlich angesehen | das selbig ( auff ein newes / durch 
den druck ( wider bei meniglichem bekant zu mache. 

2 Vgl. zum ff J. Minor, Neuhochdeutsche Metrik «, 1902, be- 
sonders S. 333 ff. 



— 231 — 

vokalischer, 41 mal auf konsonantischer. Die eine oder andere 
Dissonanz mag auf Rechnung der Setzer kommen, welche be- 
kanntlich damals den Manuskripten ziemlich frei gegenüber- 
standen. Auch sei an die Möglichkeit einer undeutlichen 
Handschrift Zschorns erinnert. Wir dürfen natürlich nur im 
Notfall zu diesen Auskunftsmitteln greifen, und müssen uns an 
den Text halten, wie er im Druck vorliegt. 

Manche Assonanzen erschienen sicherlich Zschorns Ohren, 
die an den elsässischen Dialekt gewöhnt waren, fast als Ein- 
klang. Ist doch an einigen wenigen Stellen der Dialekt selbst 
in den Reim gedrungen. Zweimal * entsteht ein Reim über- 
haupt nur, wenn man die Reim Wörter dialektisch ausspricht. 
Zschorn hatte offenbar angefangen sich sprachlich nach seiner 
Umgebung zu richten. 

Nicht ganz selten ist der Sprache und Rechtschreibung zu- 
gunsten des Reimes Gewalt geschehen, so daß Reime für die 
Augen entstanden, wo sprachlich kein Einklang zu erzielen war.« 
— Reiche Reime fehlen fast gänzlich. 

Wir sagten eben, die Reime seien alle stumpf. Wir müssen 
dies Wort etwas einschränke^. Es kommen auch klingende 
Reime vor, aber sie sollen stumpf reimen. 

Zschorn gehört, wie wir sehen werden, zu den silben- 
zählenden Dichtern. Er sucht in KBl die achtsilbige Zeile 
durchzuführen. Auch die anscheinend klingenden Reime ge- 
hören zu achtsilbigen Reimzeilen. Bei den vierhebigen Zeilen 
muß aber der normale klingend reimende Vers 9 Silben haben. 
Verkürzte Zeilen können zufallig und ausnahmsweise vor- 
kommen. In einer Dichtung, welche die Regelmäßigkeit der 
Silbenzajil so peinlich innezuhalten sucht wie KBl, wären sie 
sehr auffallend. 

Auffallend wäre ferner, wenn KB 1 weibliche Reime be- 
absichtigt hätte, daß dieselben da nicht gebildet worden 
sind, wo sie so nahe lagen, wie in den öfter vorkommen- 
den Versschlüssen : farn : warn, hern : ehrn, bgern : schwern, 
Bancketiern : verfürn, geborn : erkor n, hörn : im gehrn, 
u. a. m. 

Endlich sind verhältnismäßig zahlreich die Zeilenpaare, deren 
eine Zeile wohl die Hälfte eines klingenden Reimpaares bilden 



< Julianus : grichtet aus, und : saul : bui. 

2 Z. B. tausindt : findt, Nero : Galbo, wurdt : vmbgfurt, marter 
vnd quel: in der hell, koch: im groch, getödt : genöt, fründt: ge- 
gündt, biß gehn Pareyß : sig vnd preyß. 



- 232 — 

könnte, deren andere Zeile aber stumpf ausgeht. i Diese Reime 
beweisen, daß Zschorn die tonlosen Endsilben auf Tonsilben 
reimte. Sie führten ihn weiter dazu, Wörter mit ganz ver- 
schiedenen Tonsilben, aber gleichklingenden unbetonten End- 
silben reimen zu lassen, z. B, : Franck^n : Sachsen, und es ist 
nur Zufall, wenn ihm auch einmal Wortpaare mit unterlaufen, 
wie betten : nöten, welche für uns richtige klingende Reime 
bilden. 

Anders KB 2. Zunächst fallt ins Auge, daß jeder Abschnitt 
mit einem Dreireim schließt. Dann sind die Reime durch das 
ganze Buch, wie der Titel sagt, gebessert worden. Der khngende 
Reim ist neben den stumpfen Reim getreten, vielfach so, daß 
die Zeilen von KBl, welche scheinbar klingend ausgehen, auf 
Silben gebracht wurden. Wo KB 1 . betonte und tonlose 
Silben reimte, ist fast durchweg gebessert worden, meist durch 
Umschreibungen, indem für jede Reimhälfte ein besser passen- 
des Reim wort gesucht, somit die Zeilenzahl verdoppelt wurde. 
Hierdurch ist das Anschwellen von KB 2 um 4887 Verse mit 
verursacht worden. 

Von den 341 weiblichen Reimen findet sich die größere 
Hälfte in den nach KBl umgearbeiteten Teilen, die kleinere 
in den neu hinzugekommenen Stellen. Der stumpfe Reim be- 
herrscht immer noch 4780 Zeilen, also die weitaus über- 
wiegende Mehrzahl. Daß KB 2 auf Anwendung des klingen- 
den Reimes nicht erpicht war, zeigen Versschlusse wie 
regiern : vexiern, warn : jarn, habn : begrabn, wehin : er- 
zehln u. a. m., welche leicht hätten klingend gemacht werden 
können. 

Ganz ein wandsfrei sind auch die Reime von KB 2 noch 
, nicht. Wir begegnen sogar noch einem neuem Fall, daß eine 
tonlose Endsilbe auf eine betonte reimt : zauberer : sehr. Wir 
finden ferner neue, teilweise starke Beispiele von nur konso- 
nantischer Assonanz, breite Anwendung von Dialektworten, und 
einige neue erzwungene Reime. 

Wir bemerken einstweilen, daß KB 2 die Reime von KB 1 
an vielen Stellen verbessert hat. Aus den neuen Teilen von 
KB 2 ergibt sich indes, daß die Verbesserung der Reime nicht 
ausschließlich sein Ziel war. Ein Teil der Fehler, welche in 



1 Beispiele : wer : Keysör, sehr ; Trier, gefel : himm61, zwen : 
Meiss6n, lehr : büchör. nacht : zwiträcht, laß : Elsaß ; Persien : Je- 
rusalem, König: glück. Fürsten: vnbequem, Statthalter: sehr, blut- 
girig: glück, Bapsttüm : rhum. — S. über die Entstehung dieser 
Eeimtechnik Ch. Au. Mayer, Die Rhythmik des Hans Sachs, in ; 
Paul u. Braune, Beitr. 28, 1903, S. 466' ff. 



— 233 — 



KB 1 angemerkt worden waren, sind in den neuen Teilen von 
KB 2 wieder begangen worden. 

2. Vom Versmaß. 

Von den 3234 Zeilen, aus welchen Kß 1 besteht, sind 
3098 oder 95 1/2 <*(o achtsilbi«^. Dies Zahlen verhähnis berechtigt 
uns anzunehmen, daß Zschorn ein gleichmäßiger Vers von acht 

! Silben als Ziel vorschwebte. 

! Drei Verse sind zweifelhaft. 133 haben Abweichungen, 

nach oben wie nach unten. Es sind, wenn wir richtig gezählt 
haben, zwei sechssilbige, Ol siebensilbige, 68 neunsilbige, zwei 

I zehnsilbige Zeilen. 

Von den sechssilbigen Zeilen enthält KB 1 80 v Latein : 
Petra dedit Petro. — Hier war Zschorn gewiß zufrieden, daß 
er überhaupt einen leidlichen Vers herausbrachte. 

\ Von den 61 siebensilbigen lassen sich 29 sofort auf acht 



I 



L. 



Silben bringen, wenn wir in Wörtern, bei denen der übrige 
Sprachgebrauch von KBl dazu berechtigt, ein e einfügen. 
Umgekehrt haben wir in 35 der 68 neunsilbigen Zeilen 
nur ein e, welches auch in anderen Fällen synkopiert oder 
apokopiert wird, zu streichen, um das Achtsilbenmaß herzu- 
stellen. 

Auch in einer der zwei zehnsilbigen Zeilen lassen sich 
zwei, in der andern eine streichen. 

Es handelt sich 20 mal um die Vorsilbe ge oder be, 11 mal 
um das Wort «Ehe» mit seinen Ableitungen — ehlich ehbruch — 
6 mal um Zusammensetzunj^en mit «zehn» oder «zehen». Da 
ist es erlaubt, die bessernde Hand anzulegen. 

Für die 67 Zeilen, welche nach diesen Veränderungen 
noch von der Achtzahl der Silben abweichen, — 2,1 oJq der 
ganzen Zahl — unterlassen wir es Konjekturen aufzustellen. 
Ein Druckfehler ist jedenfalls KB 1 69 r : 

Thet an^ kleydt mit wachs bereit 

Ein andrer Druckfehler wird uns noch beschäftigen. 

In den drei zweifelhaften Versen handelt es sich um die 
Geltung des Diphthongs au. Es heißt KB 39v. : 

Zu Emauß in Jüdischer art 

Die Bibeldrucke bis 1560, welche wir einsehen konnten, haben 
Luk. 24,13 oft Emmahus, so daß an der dreisilbigen Aussprache 
des aus dem Evangelium auf den Ostermontag geläufigen 



Ergänze : ein. 



— 234 — 

Namens nicht zu zweifeln ist. Doch kommt auch die zwei- 
silbige vor. Das Gesangbuch der böhmisch -mährischen Brüder ^ 
reimt 4531 : 

Darnach yhr zweyen vor emaas 
vnd den legt er die Bchriefften aus. 

Wie Zschorn gesprochen hat, müssen wir dahingestellt sein 
lassen. Dasselbe gilt von den Namen Wenceslaus KBl 96 v. 
und Vladislaum 99 r. 

Um die Achtsilbenzahl herauszubringen, müssen wir in 
den Eigennamen und einigen Fremdwörtern lateinischer und 
griechischer Abstammung i vor Vokal bald vokalisch, bald kon- 
sonantisch aussprechen. Dicht nebeneinander stehen Verse wie 
KBl 2v: 

Durch Jalij volck erschlagen wardt 
und : 

Schwuren zusammen Julium. 

Von den Hilfsmitteln der Synkope und Apokope hat Zschorn 
reichlichen Gebrauch gemacht. Wenn irgendwo, so hat auch 
hier der Setzer nachgeholfen. Einige starke Fälle von Wort- 
verkürzung sind KB 1 31 v : 

Liessen sich anbetten wie Gött^ 
Weichers nicht thet ward getödt 

&B 1 33 r : Darnach Constant. allein regiert 

Es ist die Rede von Constantin d. Gr. 

KB 1 57 v : Er lies tragen alle bild zusam. 

S4r: Er zog wider die Saracen 

Umgekehrt sind viele Zeilen durch Wortverlängerung 
ausgefüllt worden. Wir treffen das paragogische e, wie 
KBl 8v: 

Vespasianus der Heide; 
Das e zwischen r und n KB 1 74 r : 

Sunst wtirt man sie aus musteren; 

volle Formen, etwas altertümlich und ungebräuchlich, aber zur 
Vervollständigung der Silbenzahl gut zu gebrauchen : Daselbest. 
ernstlichen, zu ersten. DeBhalben. christenlich. zum Hertzogen. 



IS. Wackernagel, das deutsche Kirchenlied III, 1870, 
S. 269, Nr. 302. 

2 Der Plural «Gott» kommt zwar in straßburger Drucken des 
16. Jahrhunderts vor, Zschorn sagt aber sonst immer «Götter». 



— 235 — 

artzet. wammes. Münich. — Ein Seitenstfick zu Constant. ist der 
Acc. zu Irene KB 1 60 r : 

Ireneam die Fürstin hoch. 

Am häufigsten sind die Verbalformen wie schreibet, ge- 
schwechet, erwölet usw. Doch tritt die Wortverlängerung vieF 
seltener ein als das Gegenteil. 

KB 2 hat auch das Versmaß verbessert. Von den abweichend 
langen Zeilen aus KB 1 sind in KB 2 übergegangen : zwei 
siebensilbige, 13 neunsilbige, von denen eine nunmehr in einem 
weiblichen Reim steht. Eine zehnsilbige steht neunsilbig im weib- 
lichen Reim. Die übrigen sind richtig gestellt oder ersetzt und» 
umschrieben. 

Aber die neuen Verse sind auch nicht alle normal. 

Die klingend reimenden Zeilen sollten neun Silben ent- 
halten. Wir zählen eine siebensilbige, sieben achtsilbige, acht 
zehnsilbige. Allerdings scheint KB 2 117v: 

Der Hertzog von Lothringen 

der Name «Gottfrid» versehentlich weggelassen zu sein. 

Von den stumpf reimenden Zeilen sind in KB 2, die aus- 
KB 1, beibehaltenen Fälle eingerechnet, 18 siebensilbig, 67 neun- 
silbig, eine zeJmsilbig, zusammen 86 Zeilen, oder 1,8 o/q voa 
4780 stumpf reimenden Zeilen. 

Das Verhältnis ist günstiger als in KB 1. Immerhin sehen* 
wir, daß KB 2 nicht sein Interesse darauf konzentriert hat. 
die Veränderungen vorzunehmen, welche wir bisher festgestellt 
haben : Einführung des klingenden Reims, strengere Durch- 
führung des Gleichmaßes der Silbenzahl. Es muß noch eii> 
andres Bestreben obgewaltet haben, von dem jene Veränder- 
ungen nur mehr nebenbei mithervorgerufen sind. 

Der achtsilbige Vers reizt zum Skandieren. Lesen wir eine- 
beliebige Stelle von KBl, indem wir den Ton beachten, so 
sehen wir sofort, daß wir nur imstande sind, mit schwebender 
Betonung zu lesen. In KB 1 gehen Versakzent und Wortakzent 
meist auseinander. 

Lesen wir dieselbe Stelle in KB 2, so empfinden wir ein 
Gefühl der Erleichterung : Versakzent und Wortakzent stimmea 
meist zusammen. Diese Uebereinstimmung herzustellen, war 
die Absicht, von welcher der Bearbeiter von KB t geleitet 
wurde. 

Kann dies Zschorn gewesen sein? Zu Neujahr 1559 erschien 
KBl, im August 1559 AeH. Hier sind in den wenige» 
metrischen Stellen dieselben Unvollkommen heiten zu bemerken 



— 236 — 

wie in KB1. Zschorns Sprachgefühl und Geschicklichkeit müßte 
also im Winter 1559/60 eine Umwandlung erfahren haben, 
wenn er KB i zu KB 2 umgearbeitet hätte. 

Daß er dies nicht getan hat, zeigt folgende Erwägung. 
KB 1 50 r heißt es in der Geschichte des Kaisers Mauritius : 

Aber Phan erschnappet ihn 
Wer ist Phan ? — vier Zeilen vorher steht : 

Alles kriegsuolck dem Phoca schwur. 
Vier Zeilen später heißt es : 

Vom schwerdt Phoce er auch verdarb 

Der ganze Abschnitt handelt vom Aufstand des Phocas gegen 
Mauritius. «Phan» ist ein durch Zschorns undeutliche Schrift 
veranlaßter Druckfehler für «cPhoca». 

Wenn Zschorn das KBl durcharbeitete, so mußte er, an 
dieser Stelle angekommen, sich über den Setzer oder über 
seine schlechte Handschrift ärgern, und wiederherstellen : 

Aber Phoca erschnappet ihn. 

^Statt dessen steht KB 2 77 r : 

Doch aber Phan erschnappet ihn. 

Der metrische Mangel, daß die Zeile nur sieben Silben hatte, 
ist gehoben. Der Unsinn ist stehen geblieben. 

Der Bearbeiter hatte kein Interesse an der Geschichte, er 
hatte nur Sinn für den Wohlklang des Verses und Spracl^- 
gefühl. Darum hat er auch die Flüchtigkeit stehen lassen, 
welche Zschorn in die Feder geflossen war, und die er unbe- 
dingt hätte ändern müssen, wenn er KB 1 neu bearbeitete : 

Constantius im Orient 
Galerius im Occident. 

Sie ist ruhig beibehalten worden wie die übrigen weniger 
schwerwiegenden Fälle. 

Zschorn war mit der Geschichte zu gut bekannt geworden, 
als daß wir ihm die Beibehaltung solcher Fehler zutrauen 
möchten. Wenn wir ihm auch die metrische Revision von 
KBl absprechen müssen, so hindert doch nichts, in ihm den- 
jenigen zu sehen, der das neue Material für KB 2 oder 
wenigstens einen Teil davon herbeigeschafft hat. 

Eine Quellenanalyse von KB 2 Zeile für Zeile ergibt 
nämlich, daß dafür wesentlich dieselben Werke benützt worden 
sind, wie für KBl. Namentlich Cu ist stark herangezogen 



— 237 — 

worden, aber auch Francks Germ hat wieder manches bei- 
gesteuert. Was wir aus den alten Quellen nicht J^elegen können, 
vermögen wir auf einige wenige Werke zurückführen, welche 
1559 vorhanden und in Slraßburg jedenfalls zugänglich waren : 
Die Geschichte Christi, der Apostel und Märtyrer auf das Neue 
Testament, Eusebius, und besonders L. Rabus, Historien 
der Heyligen Außerwölten Gottes Zeugen, Straßburg, Emmel 
1552. 54. 55. Drei AuQagen in vier Jahren beweisen eine 
starke Verbreitung des Buches. Die Nachrichten über die Er- 
bauung einiger oberdeutscher Städte weisen neben Germ auf 
Sebastian Münsters Cosmographie. Für einige Kaiser- 
anekdoten können wir Herodian, Dio Ca'ssius und 
die Scriptores historiae Augustae heranziehen . 
Diese finden sich mit Herodian in einem Bande zusammen in 
den 1533 von Erasmus herausgegebenen Scriptores historiae 
Romanae ; der lateinische Dio Cassius des Xiphilinus, 1558 und 
59 bei Oporinns in Basel erschienen, gehörte zu den Neuig- 
keiten des Büchermarktes. 

Wir denken uns den Hergang so, daß Zschorn nach Be- 
endigung von AeH, vielleicht auch schon früher, daran ging, 
Stoff für eine zweite Ausgabe von KB1 zu sammeln. Er no- 
tierte sich allerhand, was ihm bei der ersten Arbeit ent- 
gangen war, arbeitete einzelnes aus, gestaltete diese und jene 
Stelle um. Die guten Freunde in Straßburg, von denen 
Messerschmidt spricht, werden ihre Desideria ausgesprochen, 
vielleicht auch Literatur beschafft haben. Zschorn machte — 
wenn er es war — dabei den wichtigen Fortschritt, daß er 
auch für die alte Geschichte die Quellen in die Hände bekam. 
Ein endgültiges Ergebnis hatten seine Studien nicht mehr. 

Als er «mit todt abging», hinterließ er ein Handexemplar 
von KB1 mit Ausstreichungen, Notizen, Hinweisen, Zetteln und 
dergleichen Zubehör eines Handexemplars. KB 4 war gut ge- 
gangen. So hat es Georg Messerschmidt «nit für vnnützlich 
angesehen, das selbig aufF ein oewes durch den druck wider 
. . . bekant zu machen». Wenn er sagt, er habe es mehren 
und bessern «lassen», so kann darin eine Anerkennung von 
Zschorns letzten Bemühungen enthalten sein ; vielleicht ist es 
auch nur eine Umschreibung für das, was er selbst getan hat. 
Im Schlußwort läßt er dann ebenso den Verfasser der ersten 
Ausgabe zu uns reden. 

Für die allgemeine Literaturgeschichte ist KB 2 nicht ohne 
Wert. Die Bemühungen seines Bearbeiters, Wortakzent und 
Versakzent in Uebereinstimmung zu bringen, lehren uns einen 
bisher unbekannten elsässischen «Opitzianer vor Opitz» kennen, 
dem nachzugehen sich verlohnt. Für uns liegt es jedenfalls 



— 238 — 

^ufierhalb des Rahmens der gegenwärtigen Untersuchung. KB 2 
«ist so, wie es gedruckt vorliegt, nicht von Zschorn, 'sondern 
verarbeitet dessen Werk, und eröffnet die Folge der gereimten 
Kaiserküchlein, welche an Zschorn anschließen. 

Nur wenige Jahre später veröffentlichte M. Johann E p i s- 
•c p i u s oder B i s c h o f f von Wurzburg a:Ein schön new 
•lustigs Keyserbuchlein», von Romulus bis zum Regierungs- 
antritt Maximilians IL, wie wir schon bemerkten, eine Versi- 
cfikation von Prätorius, Markgraf Greorg Friedrich von Branden- 
i'burg gewidmet. Er sieht in der Widmung hoch herab auf die 
«Memorial von den Keysern}), die allenthalben «sehr viel vnd 
ad Nauseam -außgehen». KB braucht den Vergleich mit ihm 
* so wenig zu scheuen, wie mit seinen nächsten Nachfolgern : 
Johann Ha.sentödters Chronica Königsberg 1569 und 
Christian Bertholds kleiner Keiser Chronica, Brandenburg 
1579, von späteren zu geschweigen. Sie alle ahmen nur das 
^ispiel nach, welches Zschorn, Hans Sachs' Anregung folgend, 
gegeben hat. 

Wir dürfen unserm Johannes Zschorn von Westhofen 
•nachrühmen, daß er die populäre Darstellung der Kaiserge - 
schichte in die Form gegossen hat, auf welche noch Bernhard 
Hertzog am Ende des 16., und der vielgelesene Michael Sachse 
im 17. Jahrhundert nicht glaubten verzichten zu dürfen. Ebenso 
hat er in seiner AeH zur Unterhai tun gsliteraiur ein Volksbuch 
beigesteuert, welches ein Jahrhundert hindurch von Hoch und 
Niedrig gern gelesen wurde. Sein Name ist früh verklungen. 
Besser so, als wenn seine Schriften spurlos vorübergegangen 
wären. Nachgedruckt und nachgeahmt zu werden ist auch 
eine Anerkennung. 



IX. 



I 

Caroline Herder (geb. Flachsland) 
und ihre Verwandten. 

Urkundliche Mitteilungen 

von 

Ferdinand Zeyer in Reichenweier. 

Reichen-weierer Gemeinde- Archiv. 

1, Tauf 'Register i735— 'i758. Seite i40 

1750. Maria Carolina 

war gebohren den 28. Januarii und den 30. getauft. Parent ; 
H. Johann Friedrich Flachsland, Hoch fürstlicher Schaffner all- 
hier und Fr. Rosina Catharina Mauritiin. 

Conj. Test. Bapt. : Heinrich Friedrich Binder, Superinten - 
dens, fl. Christoph Mauritii, Professor eloquentiae auf dem 
Gymnasio zu Carlsruh und H. Peter Joseph Bregentzer, wohl- 
besteliter Hochfurstl. Forstmeister, Fr. Anna Maria Bregentzerin, 
gebohrene Jaquin, Fr. Maria Barbara Hoffmännin, gebohrene 
Mittnachtin und Fr. Charlotta Catharina Hoffmännin, wittib, 
gebohrene Mauritiin. 

9. Tauf-Register S, 224. 

1755. Johann Heinrich Ludwig 

war gebohren den 11. aprilis und den 13. ejusd. getaufft. Die 
Eltern sind: S. F. H. Johann Friedrich Flachsland hochfurstl. 
Schaffner allhier und Fr. Rosina Catharina Mauritiin, seine Ehe- 
liebste. Zeugen waren : ich Heinrich Friedrich Binder, Superin- 
tendens allhier, S. F. H. Johann Balthasar Binder ordent- 
lich evangelischer Pfarrer in Beblenheim, S. F. H. Johannes 



— 240 — 

Kiener ordentlicher Subdiaconus allhier ; Frau Anna Maria 
Bregentzerin, Fr. Anna Maria Heimelin und Fr. Maria Barbara 
Hoffmännin. 

F. Flachsland als Vater. 

Heinrich Friedrich Binder Superintendens. 

Johann Balthasar Binder, Pfarrer. 

Jo. Kiener, Subdiac. ■ 

A. M. Breffentzer nee Jacquin de Bethoncourl.i 

Anna Maria Heimelin geborne Binderin. 

Maria Barbara Hoffmännin. 

H. F. Binder Superintendent und Stadtpfarrer. 

S. Todten- Register von il3o—il6'^. Seite 114. 

1755. H. Johann Friedrich Flachsland Hoch fürstlicher, 
wohlbestellter amt- und Kirchenschaffner der Grafschaft Hor- 
burg und Herrschaft Reichenweier, starb am Friesel den 18 
aprilis und war den 20. christlich zur Erde bestättigt, seines 
alters 39 Jahr 6 monath, weniger 8 Tage. 

Bregentzer, Brauer, Pfr. zu Hunaweyer, Job. Balt. Binder, 
Pfr. zu Beblenheim, Heinrich Friedrich Binder, Superintendent 
und Stadtpfarrer. 

4, ebd. Seite 118. 

1756. Jungfrau Francisca Friderica.Flachslandten 
weyland S. F. Herrn Johann Friedrich Flachslands gewessten 
Hochfürstl. Amt- und Kirchen SchatTners wie auch S. F. Fr. 
Catharina Rosina Mauritii eheliche ledige Tochter, starb an aus- 
zehrender Krankheit den 25. Januar und war den 27. ejusd : 
christlich zu Erde bestättigt ihres alters 18 Jahr 3 monathe 
und 2 Tage. 

Nota. Diese Schwester von M. C. ist nicht in K. geboren. 

Jean Fr^deric Flachsland : 1750 Sousreceveur de Horburg, 
1751 Receveur particulier, 1753 — 1755 Receveur g^n^ral des 
revenus des comte d*Horbourg et seigneurie de Riqueveir. 

(Sakmann, Voltaire-Correspondenz, Stuttg. 1899, p. 1.) 



1 Bethoncourt: Dorf bei Montb6liard. 



X. 



Zur Stelzen. 

Eine Straßburger Malergeschichte aus alter Zeit. 

Von 

Elsa Jordan. 

Uas war auf der Stube zur Stelzen in der Münstergasse, 
dem Heim der ehrsamen Zunft der Goldschmiede und der Schilter 
oder Maler, da ging es diesen Abend hoch her. 

Die kunstbeflissenen Trinker saßen um die runden Tische, 
sprachen über flandrische Kunst und die neugegründete 
schwäbische Schule; über Politik und lokale Verhältnisse, wie 
es gerade kam. 

Im Ofen mit den bauchigen, grün glasierten Kacheln 
knistern die Buchenscheite, es ist Anfang des Jahres und 
draußen herrscht grimme Kälte. Hat es sich doch acht Tage 
zuvor, am Schwörtag vor dem Münster ereignet, daß sich einer 
*der Stättmeister während der lange dauernden Zeremonie die 
Nase erfror. 

Hier drinnen aber ist's gut warm. Die Lichter flackern hell 
vom Gehörn des Leuchterweibebens herab über Krüge und 
Humpen, locken funkelnde Reflexe hervor und spiegeln sich in 
der mächtigen Zunfikanne, welche erhöht auf dem Milteltische 
steht. Das muß besondere Bewandtnis haben, wenn dies Pracht- 
stück der eisenbeschlageffim Schatzlade entnommen worden ; 
bei den Zusammenkünften tat es sonst ein einfach Gießfaß. 
Die Becher kreisen, Red und Gegenred fliegen hin und 
wieder. 

Da sitzen beisammen Baidung Grien, der Schüler und 
Grehulfe Dfirers, mit dem ihn noch jetzt innige Freundschaft 
verbindet, Johann Wächtlin, der Kupferstecher und Forni- 

16 



— 242 — 

Schneider, dessen Stiche, besonders seine Helldunkelblätter weit- 
hin geruhnnt sind, daneben der alte Veitin Zypffel, der Karten- 
maler, Hans von Metz, Peter Schwin, Erhard Schlitzoc und 
Jakob Wormser, ein Nachkomme der berühmten Straßburg^er 
Wormser, die Kaiser Karl nach Prag berief, ihm den Karl- 
stein mit Fresken zu schmucken. 

Ja, es ;(ab tüchtige Künstler in der Stelze und die Maler- 
zunft war zur Zeit (anno 1512) eine der vornehmsten der 
Stadt. 

Manchmal stockte das Gespräch, man^ sah horchend nach 
der Tür. Es wurde heute noch Besuch auf der Stube er- 
wartet. Schon zweimal hatte der Wächter vom Münsterturm 
herab den sogenannten Judenbloß gehürnet, als sich draußen 
zahlreiche Schritte näherten, Schnee ward von den Füßen ge- 
stampft, alles erhob sich von den Plätzen. 

Da öffnete sich die Tür und herein trat der Ammeister, 
den pelzgesäumten, weißen Amtsmantel über den Schultern, 
hinter ihm die alten Herrn des Stadtregiraentes. 

Das wollte der Brauch so, daß das neugekürte Stadthaupt 
eine Woche nach Amtsantritt bei den Zünften vorsprach, ein 
gesegnet Neujahr wünschte,^ den Ehretitrun k annahm und dann 
eine kurze Ansprache an die Versammelten hielt, sie zu Treu 
und Gehorsam in guten und bösen Zeilen zu mahnen und 
dem zur Zunft gehörenden Büttel seine Pflichten einschärfte. 
Bei der herrschenden Kälte den Rundgang durch sämtliche 
Stuben zu machen und überall sein Sprüchlein herzusagen, 
war gewiß keine Kleinigkeit für die hohe Obrigkeit, wie denn 
auch mancher Blick der alten Herrn sehnsüchtig an dem warmen 
Ofen hing. 

Der Zunftmeister drehte das Hähnlein unten an der Kanne 
und ließ den Rebensaft in silbernen Becher rinnen, den er 
dem Ammeister bot. Nach ihm tranken auch die Uebrigen* 
und verabschiedeten sich sodann wie üblich mit Händedruck 
von jedem einzelnen. 

Nur einer der Herrn, des Rates und der Stadt Schreiber, 
ein hageres Männlein mit klug blickenden Augen und dünnem 
Haarwuchs, zog, als er an Baidung Grien kam, die Hand zu- 
rück und warf dem Künstler einen bösen Blick zu. 

Der lächelte spöttisch und wendete sich, als habe er es 
nicht bemerkt. 

Noch einige Abschiedsworte, dann verließen die Ratsherrn 
die Stube, um beim Scheine vorangetragener Fackeln ihren 
Rundgang fortzusetzen. 

Als die hohe Obrigkeit fort und man wieder unter sich 
war, da wurde es er^t gemütlich in der Stelze, man rückte 



— 243 — 

zusammen, die Becher kreisten, die vorher unterbrochenen Ge- 
spräche wurden weitergesponnen. 

Das große Wort am Tische aber führte wie gewöhnlich 
Hans Hagen, seines Zeichens Briefmaler, doch wurden in seiner 
Werkstatt auch W^appen, Sättel und Gerät mit buntem Schnörkel- 
werk geziert. Hagen war eines Baders Sohn, dies entschuldigte 
sein Maulwerk, er selbst aber hatte keine Lust zu Schaum- 
becken und Schabeisen verspürt, er wollte höher hinaus, wollte 
Künstler sein, endlich setzte er es denn auch durch, in die 
Malerzunft aufgenommen zu werden. Manch Einer wunderte 
sich wohl, daß er das vorgeschriebene Meisterstück zuwege 
gebracht ; aber wie dem auch sei, der Hagen war nun einmal 
zünftig und seinen eigenen Reden nach sogar ein bedeutender 
Künstler. Wie ein Ohrwurm verstand er es, sich überall ein- 
zudrängen, seinen Vorteil wahrzunehmen und sich voranzu- 
stellen., 

Er kannte alle Größen der Malerei, war mit ihnen vertraut 
oder behauptete sie wenigstens gesehen und gesprochen zu haben. 

Vor kurzem war er von Brügge heimgekehrt, wo er im 
Auftrage des Straßburger Buchdruckers Grüninger für dessen 
Offizin auf der Weihnachtsmesse Drucksachen und Stiche 
feil hielt. 

«Brügge. Ja Freunde, da ist's ein ander Leben wie hier, 
<lort ist die Kunst noch estimiert! Und ratet, wen ich auf 
•der Messe dort getroffen habe? Einen guten Bekannten. Euch 
Hans Baidung soll ich einen Gruß ausrichten, nun ratet mir, 
von wem ?» 

Grien sah flüchtig auf, er hatte kaum auf den Schwätzer 
gehört. 

«Was ist — ? Wer?» 

«Einen Gruß von — nun Ihr ratet es doch nicht, von dem 
Nürnberger Meister, dem Dürer !» 

«Den hättet Ihr gesehen und in Brügge ?j') 

«Freilich I Habe ihn öfters in seinem Stand besucht, der 
nicht weit von meinem vor dem Hallenturm stand. Auch vom 
Schäuffelein und von Euch hat er Sachen jum Verschleiß dabei 
gehabt. Pub I Vor Euren Hexen, die sich zum Säbbat schmücken, 
haben die flandrischen Mädchen die Augen niedergeschlagen, 
aber die Passion hat ein Klosterbruder für seine Kirche ange- 
kauft, ei' wird's redlich mit Euch verrechnen, soll ich Euch 
sagen. 

Er selbst der Dürer hat gar gut Geschäft gemacht, seine 
Bank war umdrängt von Schau- und Kauflustigen. Da wird 
er der Frau Agnes einen schönen Batzen heimbringen, die 
sitzt derweil zu Frankfurt auf dem Markt und halt sein Bild- 



— 244 — 

werk feil. Er war gut gelaunt; die flandrischen Weiber 
schienen ihm wohl holdseliger zu gefallen, denn das schlimme 
Grespons das er daheim hat.» 

«Haltet die Zunge im Zaum, Hagen, wenn Ihr von dem 
Nürnberger sprecht, auch seine Hausehre ist nicht halb so» 
schlimm, wie unnütze Lästermäuler ihr nachsagen \p 

Hagen zog vor nichts zu erwidern, mit dem Grien war 
nicht zu spassen, war ihm schon oft übers Maul gefahren, so- 
sprang er denn gewandt auf ein ander Gebiet über. 

«Habt Ihr auch davon gehört ?j» meinte er geheimnisvoll. 
«Habt Ihr es gehört? Böse Zeichen beut die Natur. Im loth- 
ringischen ward ein Kind mit zwei Köpfen geboren und zu 
Colmar soll man nächtlicher Weile auf dem Lügenfald, da wo 
Kaii^er Ludwig von seinen Söhnen verraten worden, groß Kampf- 
getöse gehört haben. Noch immer, wenn sich der Spuk hat 
vernehmen lassen, ist ein Unglück geschehen.» 

BedenkHch schüttelte der alte Zypffel den Kopf: «Gott ver- 
hüte, daß wiederum Krieg ins Land kommt, man hört so> 
mancherlei, auch der Türk soll sich wieder rüsten !» 

cMan sagt aber auch,» flüsterte der von Metz, «Kurze 
Zeit, ehe Carolus IV. das Zeitliche gesegnet, wären die nächt- 
lichen Kriegsscharen gleichfalls erschienen.» 

Die Männer sahen sich scheu an. — «Ihr denkt doch nicht 
etwa — schlagt ein Kreuz und schweigt von solchen Sachen f 
Gott behüte unsern Kaiser Herrn Maximilianus !» 

«Aberglaube und Hirngespinst ist solch Geschwätz !» schrie 
Wormser dazwischen, die Faust auf den Tisch schmetternd. 

«So ? Aber wenn gar solch ein gelehrter Herr wie unser 
Stadtschreiber Brant die Sache gar bedenklich findet und da- 
rüber ein lateinisch Carmen aufgesetzt und dem Kaiser über- 
sendet hat?» 

«Ach ja der Brant — He Baidung, was war das vorhin 
mit Euch beiden? Unser Herr Doktor hat Dir ja einen Blick 
zugeworfen, als wollt er Dich verschlingen ?» 

«Haben halt Spähn miteinander gehabt, was tut's?» meinte 
Baidung gleichgültig. 

Aber der Buchdrucker Grüninger (die Buchdrucker und 
Verleger gehörten auch zur Stelze) rief: «Kann's ihm nicht 
verdenken, wenn er dem Baidung gram ist, denn unser Dr. 
Brant, oder Magister Titio, wie er sich nach gelahrtem Brauch 
gern nennen hört, ist gewaltig eitel, trotzdem er selbst am 
meisten über alle Narretei zu Feld gezogen. Wenn Ihr durch 
die Pippernanzgasse (Zimmerleutgasse) geht, so wird Euch die 
Fassade an dem Orthus aufgefallen sein, so dem Konstoffler 
B«rpfenning i?ehört. Ist kürzlich frisch verputzet worden und 



- 245 — 

von dem Grien mit artlichem Bildwerk neu gezieret. Ein Toten- 
tanz, M^ie man sie jetzt hat, ziehet sich über die ganze Breite, 
rechts ober der Tür aber, stand zum Beschluß des Reigens, 
-den der Knochenmann mit Arm und Reich, Groß und Klein 
vollführet, auch unser Doktor in der Reihe, im Arm einen 
Stoß Bücher, die ihm entgleiten, da er mit den Händen zugleich 
seine Tasche zuhält und so mit kläglich verzogenem Gesichte 
•dem Klappermann vorschreiten muß, der ihn mit einem Gänse- 
kiele antreibt. War so kehnflieh unser Kanzler, daß ein jedes 
Straßburger Kind mit Fingern auf ihn wies!» 

<s:Ha, ha, ha! Ein launiger Einfall!» 

«Und das erfahrt man erst hier, da müssen wir gleich 
morgen gehen, den Brant mit dem Kuochenmanne tanzen zu 
■sehen h riefen und lachten die Künstler durcheinander. 

«Den Weg mögt Ihr sparen», meinte Grien kurz. «Das Zeug 
4st längst übermalet, da es seinen Zweck erfüllt. ]s> 

«Wie so? Welchen Zweck?» 

«Was hast Du eigentlich mit dem Brant?» meinte Wächtlin 
•dem Freunde näher ruckend. «Es ist nicht klug Dir den Mann 
zum Feinde zu machen. Bedenke, was gilt er bei den Herren 
-auf der Pfalz, im Kreise der gelehrtön und geistlichen Herrn. 
Ja selbst unser Kaiser Maximilianus hält den Doktor hoch in Ehren 
•und hat ihn zu seinem Rate bestellt. Auch meint ich, Du selbst 
schon hättest für den Brant gearbeitet und ihm Bildwerk zu 
seinen Büchern gemacht?» 

Baidung schien nicht gern über die Sache zu reden, aber 
«dem Drängen der übrigen nachgebend, meinte er endlich, halb 
ärgerlich, halb lachend : «Der ganze Handel lohnt sich wohl 
der Worte nicht. Als der Brant noch als Magister zu Basel an 
•der hohen Schule lehrte, hatt ich manch Blatt für ihn gezeichnet. 
Es war just sein Satirbuch, das NarrenschifF, erschienen, ein 
Buch, wie es nicht leicht ein zweites gibt, und des Brant Name 
war in aller Mund. Deshalb schaffte ich auch gerne für ihn, 
iiabe ihm auch hernach noch etliches für seinen «Freidank» in 
Holz geschnitten. Damit war der Doktor wohl zufrieden, lobte die 
Arbeit und stellte mir weitere Aufträge in Aussicht. Aber ge- 
kehrte Herren haben zerstreute Gedanken und der Herr Titio 
ist ein großer Dichter, aber ein schwacher Zahler. 

Als ich nach Straßburg kam, um mich nun dauernd in der 
Heimat niederzulassen und darum das Bürgerrecht erwarb, war 
•der Brant hier inzwischen Stadtadvokat geworden. 

Bald nach dem Umzug ehelichte ich meine Margaret, des 
Domherrn Härlin Schwester. Dies alles hatte mir viel Unkosten 
gemacht und als mich nun der Stadtschreiber vor etlichen 
Wochen zu sich entbieten ließ, war ich froh, da ich nichts 



— 246 — 

anderes meinte, denn er wolle die Basler Schuld endlich be- 
gleichen. 

Da ich aber nun bei ihm bin, führt er mich in seine^ 
ßucherei und holt etliche Zeichnungen zu seinem von ihm be- 
arbeiteten «Virgib herbei. Die Bilder hat er selbst entworfen^ 
und schien er gewaltig stolz darauf zu sein. Es war schrecklich 
verhauenes Zeug. Ich aber dachte mir : Ei Meister Sebastian, 
bist ein großer Dichter, warum willst Du durchaus auch Maler 
sein ? Mir aber mutete er zu, die Skizzen ganz genau so wie- 
seine Entwürfe da auszuführen. Dazu hatte ich natürlich übel 
Lust, überdies verdroß mich recht sein gönnerhaft, hochfahrend» 
Wesen. Freilich, er ist ein Ratsherr und sitzt im Stadtregiment, 
was bei den' Herrn ein Künstler gilt, das wißt Ihr selbst. — Von. 
dem schuldigen Gelde kein Wörtlein ! In mir stieg der Unmut 
auf. Ich brachte zur Entschuldigung vor, ich sei mit Vorstudien, 
zu größerem Auftrage beschäftigt und lehnte die Arbeit ab. 

Das mag ihn verdrossen haben und entließ mich der Doktor 
ziemlich ungnädig. ( 

So verging wieder eine Zeit und ich sann, wie ich zu» 
meinem Geide kommen sollt, als ich nun des Konstoffler Haus- 
zu malen hatte, kam mir die Lust an, dem vergeßlichen Herrn 
Doktor eine Lehre zu geben und so malt ich ihn in den Totentanz. 

Ist ihm auch alsbald hinterbracht worden. Darauf hat er 
den Fall vor unsere Herren gebracht und bewirkt, daß mir eia 
Mahnschreiben .des Rates durch den Zunftmeister zugestellt 
ward — das ärgerliche Bild sei sofort zu übermalen, bei schwerer 
Pönitenz im Weigerunijsfalle I 

Nun gut ! Den Zweck hatte ich ja doch erreicht, denn an> 
Tage zuvor brachte mir ein Bote den schuldigen Betrag und 
forderte mir den Schein zurück. — Also verschwand auch der 
Doktor von des Konstofflers Haus, der selbst den größten Spaß» 
bei der Sache gehabt hatte \it 

Alle lachten, nur Hagen meinte spitzig: ccEr könne gerade 
keinen Witz darinnen finden, sich gegen einen vom Rat der- 
gleichen herauszunehmen. Das müsse natürlich bei den Herrei> 
auf der Pfalz übel vermerkt werden, führe zu Missehelle mit 
der Stelze und schädige das Ansehn der Zunft 1» 

«Halt's Maul, Hagen, mit solchem Geschwätz !» rief ihm. 
Veit Issen über den Tisch zu. «Ueberall hast Du doch drein- 
zureden. Verhalt Dich bescheidener, sonst kannst Du eine 
andre Meinung hören, wer hier das Ansehn unsrer Stube 
schändet. ]!> 

Wie eine Natter fuhr das Meisterlein in die Höhe und 
kreischte mit überschnappender Stimme : «Das soll mir gelten ? 
Wer erfrecht sich zu behaupten — » 



— 247 - 

«Daß es eine Schande ist, wenn solch ein Stümper und 
Nichtskönner in der ehrsamen Zunft sitzt und sich als Meister 
aufspielt — das sa^re ich, Veit Issen. Sieh, Hagen», fuhr er 
gleichmütig fort, während jener wortlos nach Luft schnappte : 
«Für einen dummen Kerl haben wir Dich immer gehalten, Du 
bist aber auch ein schlechter Kerl, da hat mich der Zufall 
hinter saubre Sachen gebracht. — 

Kürzlich war ich im ccDummeloch]» (jetzt Thoraannsgasse 
bei Jung St. Peter), da liegen, wie Ihr alle wißt, die Siechen, 
Aussätzigen und Landstreicher, die nirgend sonst Unterschlupf 
finden. Ist unter den Sondersiechen ein früherer Knecht meines 
Vaters, der Aussatz hat ihn gepackt, drum steckten sie den 
Alten ins Dummeloch. Zuweilen suche ich ihn heim und bring 
ihm etliches, um Gottes Lohn ! Da draußen traf ich denn auch 
einen, den ich von früher her kannte, er war da Zudiener 
unsrer Zunft und als solcher eingeschrieben. Erinnert Ihr Euch 
seiner, Herr «Meister»? Christmann HufF nannte er sich. Er war 
ein geschickter Bursche und hätte es zu was bringen können. 
Auf einmal aber war er verschwunden, wußte niemand, wo er 
hingekommen. Das war um die Zeit, als der Hagen die von 
unsrer Zunft vorgeschriebenen Stücklein machen sollte, um sein 
Anrecht auf den Meistertitel zu beweisen. Er legte denn auch 
die drei gemalten Proben unserem Gerichte vor und ward von 
ihm nach der festgesetzten Formel beschworen : «Daß er solches 
alles allein mit seiner Hand gemacht hat, ohne alle Gefährten, 
frei und visieret ohn alle Kunststücke, sondern von eigner Ver- 
ständnis und Können !» 

Das hast Du beschworen, Hagen, und Dir die Aieineidige 
Zunge nicht abgebissen. ; 

Nicht Du — der Ghristmann hat das Bildwerk für Dich 
verfertigt. Er war ein armer Bursch und hatte sein Herz an 
eine Dirne gehängt. Um ein gut Stück Geld hat er seine Ehr- 
lichkeil verkauft und seiner Hände Werk verschachert. In dem 
Lügengeld hat aber kein Segen gesteckt ; denn mit dem Christ- 
inann ging's abwärts. Bei einem Geraufe wurde ihm die Rechte 
durchstochen und blieb lahin. Dann hängte er sich an lieder- 
liche Dirnen und Vaganten, ward überm Falschspiel ertappt, 
ausgestäupt und ihm ein Mal durch die Backe gebrannt. 

Trotzdem er damals hat Schweigen geloben müssen, hat 
mir der Elende unter Tränen dies alles gestanden, auch dies, 
Mvie er in der Verzweiflung es versuchte, Hilfe von dem zu er- 
langen, der sich durch seiner Hände Kunst emporgeschwungen 
hat, aber der ist Meister, hat Werkstatt und Gesellen, die für 
ihn die Arbeit tun, der wollte den Elenden nimmer kennen 
und hetzte ihn mit Hunden davon. Halb verhungert und erstarrt 



— 248 — 

fand ihn so ein Scharwächter und brachte ihn ins Siechenhaus, 
doch dem armen Teufel war nicht mehr zu helfen. Mit einem 
Fluche für Dich, Hagen, ist er hinüber. Gott sei der armen 
Seele gnädig!» — — 

Eine Pause lautlosen Schweigens. — Aller Blicke waren 
auf Hagen gerichtet, der mühsam die Fassung zu wahren sucht, 
wiewohl ihm dies kaum gelingen will, bei den letzten Worten 
Issens aber horcht er auf, seine alte Frechheit erwacht. Noch 
ist nichts verloren, wenn der Zeuge seiner Schuld tot ist. Jetzt 
nur dreist sein, sich heraus reden : «Lüge, erbärmliche Lüge!» 
kreischt er, «an den Pranger mit dem Lügner. Man soll mir 
doch etwas nachweisen, he, wo sind Deine Beweise — ?» die 
Luft ging ihm aus. 

Wirr tönte es durcheinander: «Werft ihn doch hinaus, 
den elenden Kerl. Hinaus mit dem Bönhasen I» 

«Das Zunftgerichl wird über die Sache entscheiden müssen,» 
sprach der ernste Wächtlin. . «Wenn dieser sich wirklich auf 
unehrliche Weise den Meistertitel erschlich, so darf er unter 
ehrbaren Künstlern fürder nicht geduldet werden.» 

«Ehrbare Künstler, ha ha ha» schrie Hagen, während ihn 
schon kräftige Fäuste der Türe zu bewegten. «Ehrbare Künst- 
ler! Der dort ist einer der nicht hierhereingehört. Fragt ihn 
doch wer sein Vater war. Du Bastard ! Du Pfaffensohn!» 

Wächtlin erbleichte, seine Faust krampft sich, beschwichtigend 
legt Baidung seine kühle Hand auf die fieberisch zuckende. 

Daweil herrscht nach Hagens unfreiwilligem Abgänge in 
der Trinkstube erregtes Durcheinander. Alle sind sie empört 
über das Vorgefallene — doch fällt auch manch- scheuer Blick 
auf den finster in sich gekehrten Wächtlin. «Hm, ja das 
ist schon wahr — ehrliche Geburt, die verlangt die Zunft von 
jedem, der zu ihr dienen will und man hatte da doch so ver- 
schiedenes gehört. — Aber der Zunftmeister hatte ihn trotzdem 
aufgenommen, um seiner trefflichen Werke willen. Ja ein 
rechter Künstler war er wenigstens, das mochte wohl niemand 
bestreiten und doch . . . 

Es war inzwischen spät geworden, die vorgeschrittene 
Stunde gebot die Heimkehr. 

Baidung Grien hatte sich dem jungen Formschneider an- 
geschlossen, durch den knirschenden Schnee schritten sie 
schweigend vorwärts. Plötzlich aber blieb Baidung stehn und 
stampfte zornig mit dem Fuße : «Solch ein Lumpenkerl ! Hans, 
lieber Hans, laß Dich's nicht kränken, sprich doch! friß den 
Aerger nicht so in Dich hinein». 

«Kränken !» wiederholte der andere bitter. 

«Warum soll ich gekränkt sein. Er sprach ja die Wahr- 



— 249 — 

heit. Baldun«^ schüttelte ihn derb am Arm. «Kannst Du 
dafür? Nein! Du hast doch keine Schuld daran. Ich dächte 
Du hättest bewiesen, daß Du auch ohne das — andere — 
was rechtschaffenes geworden bist ; nimm es doch nicht so 
schwer, ein Künstler muß sich über' die Verhältnisse hinweg- 
setzen, innerlich frei werden. Solch erbärmlicher Kerl wie 
dieser Hagen wagt es sich über Dich zu erheben, ein Stümper, 
der unsre heilige Kunst schändet, da er ihr anzugehören be- 
hauptet. Solch ein Geschwür am gesunden Leib, das das Blut 
vergiftet und verseucht. 

Aber daran krankt unsere Kunst, daß wir hier wie Hand- 
werker unter Vormundschaft gestellt werden. Wie lähmend 
und bedrückend auf jede Schaffensfreude wirkt dies zünftig 
steife Formelwesen. Soweit darfst Du gehen, nur ja nicht 
eigne Wege wandein, über das Ziel sich hinauswagen. Ist 
denn der Künstler ein Gerät das man nach Launen formen 
kann? War es früher so? Nein! Schau nach Griechenland, 
nach Italien. Warum also sollen wir uns fügen und ein- 
zwängen lassen? Wenn die Kunst nimmer frei sein darf, ver- 
kümmert sie und wird zur Künstelei ! 

Wahrhaftig, ich bin froh, daß ich eine Zeitlang hier aus 
den kleinlichen Verhältnissen heraus und fort komme h 

Ueberrascht blieb Wächtlin stehn : «Du gehst fort vonhier?Ä 

«Ja, Freund. Nach Freiburg. Ich habe einen großen Auf- 
trag vor mir. Du sollst der Erste hier sein, mit dem ich da- 
von spreche. 

Im Dom zu Freiburg ist ein W^andelaltar geplant mit 
reicher Malerei die der zu Isenheim nicht nachstehen soll. 
Mein bestes Können will ich daran setzen, es soll gelingen,, ob 
auch Jahre darüber hingehenii>. — 

«Du Glücklicher. Wie bist Du zu beneiden. Kannst 
Deinem künstlerischen Drange folgen, unabhängig schaffen. 
Mir ward es nicht so gut. In enge Verhältnisse gezwängt, ab- 
hängig von den Launen anderer, muß ich Stichel und Schneid- 
messer handhaben. 

Freund, ich sage Dir, oft lasse ich mutlos die Hände 
sinken, wofür arbeite ich, bin ich denn überhaupt ein Künst- 
ler, habe ich ein Recht auf diesen Namen?» 

«So sprichst Du Johannes, so kleinmütig und kommt Dir 
in Deinen Werken doch kein Meister gleich. Aber Du mußt 
Dich aufraffen. Dich frei machen. Sieh Freund, da wir davon 
reden, es schmerzt mich das Verhältnis enger Abhängigkeit 
mit anzusehen, in welchem Dich der Knoblouch hält. Ein 
Formschneider und Kupferstecher wie Du findet überall sein 
Brot. Der Grüninger und der Hupfuff, auch die beiden Flachs 



— 250 — 

sie alle würden Dich mit tausend Freuden aufnehmen, wenn 
Du für ihre Offizin arbeiten wolltest, w^ozu erträgst Du also so 
{j^eduldig die Launen des knickrigen Alten ?j» 

Wächtlin nickte. «Du hast Recht, gewiß — aber trotz* 
dem würde es mir doch schwer fallen, aus des Knobloucbs 
Hause zu ziehen.» *- Er schwieg jäh, aber etwas in dem Ton 
seiner Stimme mußte Baidung aufgefallen sein, denn er pfiff 
leise durch die Lippen. Jst's jung Hilda des Druckers Töchter- 
lein, die den Faden hält, der Dich dort fesselt !^ wollte er 
scherzend fragen, aber sein Zartgefühl hielt ihn zurück, sich 
vorwitzig in des andern Vertrauen einzudrängen. Der gute 
arme Mensch, so tüchtig und strebsam, aber verbittert und 
darum scheu in sich selbst zurückgezogen, für den wäre Hilde, 
das muntere Ding just die Rechte — aber der Alte, der 
protzige Geizhals? -— Zum mindesten würde es harte Kämpfe 
geben!» Herzlich drückte er dem Freunde zum Abschied 
die Hand. «Gute Nacht, Johannes. Wenn es Dir recht ist, 
suche ich Dich in den nächsten Tagen heim. War lange 
nicht bei Dir, möchte doch sehen, was Du inzwischen ge- 
schaffen hast !» 

Baidung schritt rasch vorwärts durch das Dunkel, es war 
bitter kalt und sein junges Weib sorgte sich wohl um sein 
langes Ausbleiben. 

Eben bog er um die Ecke der Brandgasse, als er anhielt 
und horchte. Ein Stöhnen, ein dumpfer Ruf klang ihm ans Ohr. 

«Jemand hier?» rief er laut und suchte die Finsternis mit 
den Blicken zu durchdringen. 

«Hier! Ach hier!» tönte ihm die Antwort auf seinen Ruf 
entgegen. Vorsichtig tat er ein paar Schritte. Eben trat der 
Mond flüchtig durch zerrissenes Gewölk — die Gasse vor ihm 
schien leer, kam denn der Ruf aus dem Erdboden? Ja, dies 
war der Fall und als Baidung noch einen Schritt vorwärts tat, 
strauchelte er und beinahe wäre es ihm nicht besser gegangen 
wie jenem andern, der über einen der in die Gasse vorspringenden 
Kellerhälse gestolpert war und nun hilflos drunten hockte in 
dem zum Glück nicht tiefen Aufbewahrungsraum für Rüben, 
Fässer und allerlei Gerumpel. 

. Er saß so richtig in einer Mausefalle, denn die Leiter die 
von außen zum Hinabsteigen diente, war beiseite gerückt und 
im Dunkeln nicht aufzufinden. 

Baidung kniete am Rande nieder und angelte mit der 
Hand ins Dunkle hinab. 

«Wo seid Ihr denn, könnt Ihr mich nicht erreichen?» 

Der unten gab sich alle Mühe, reckte und streckte sich 
und stöhnte dabei zum Erbarmen : «Mein Jesus ! steh mir bei^ 



— 251 -" 

nur ein Weniges fehlt, und ich könnte Euch erfassen. Au, 
meine Kniescheibe, o weh, wie bin ich so zerschunden!» 

«Ich will die Leute hier wecken, daß sie mit Licht kommen 
und Euch heraushelfen, das wird das Beste sein h 

«Beileibe nicht U rief die Stimme von unten hastig. «Da- 
mit ich morgen dem Spotte des gemeinen Volkes ausgesetzt 
bin, das wurde sich für mich übel schicken. Oh liebster Freund 
versucht es doch noch einmal. Ich fühle hier etwas wie ein 
Faß, darauf will ich versuchen zu klettern o — o mein Bein, 
mein Bein h jammerte der Unsichtbare. Die Stimme kam dem 
jungen Maler bekannt vor, doch war dies jetzt Nebensache : 
«Wartet!» rief er hinab. «Vielleicht geht es so!» Rasch löste 
er den Gurt, an dem ihm das kurze Schwert zur Seite hing, 
— die zur Stelze dienten, durften es .als Künstler tragen — 
schlang ein Ende um die Faust und ließ das andre hinab- 
baumeln. Da, nach manch vergeblichem Versuch, ward der 
Riemen erfaßt. «So haltet fest da unten!» Er stemmte die 
Knie, umklammerte mit dem freien Arm den Stein und zog 
an. Es war kein klein Stück Arbeit bis er den Mann endlich 
oben hatte. Einige Augenblicke saßen beide erschöpft und 
heftig atmend, nebeneinander auf dem Boden. Dann sprang 
Baidung lachend auf. «Es geht kalt durch» meinte er und 
klopfte den anhangenden Schnee von sich: «Kommt in die 
Höhe, so hoppla!» er schob dem andern die Hände unter die 
Schultern und half ihm gleichfalls auf. «Hoffentlich habt Ihr 
Euch nicht ernstlich Schaden getan, nichts gebrochen, nein? 
Macht Euch jetzt Bewegung und trappt heim, ist schon verteufelt 
spät geworden.» 

Der andre tastete im Dunkel nach der Hand seines Retters. 
«Mein lieber Freund, wer Ihr auch seid, Ihr habt mir da aus 
einer sehr mißlichen Lage geholfen. . diese elenden Keller- 
hälse. Die Türe offen zu lassen ! Solch ein Frevel. Das Ge- 
nick hätte ich sofort abstürzen können. Ist nicht erst kürzlich 
strenge Verordnung gegen solchen Unfug erlassen worden ? 
Aber ich werde dafür sorgen. Sofort müssen mir alle diese 
tückischen Kellereingänge abgeschafft werden, bei schwerer 
Pönitenz für den, der sich weigert dem Gesetze Folge zu leisten. 
Mir muß so etwas passieren, mir dem Ratschreiber und Dr. 
der Rechten. Es ist unerhört ! Doch nicht wahr, mein lieber 
Freund», fuhr er mit etwas verlegenem Räuspern fort, «hoffent- 
lich, kann ich darauf rechnen, daß Ihr dies kleine Abenteuer 
nicht unter die Leute bringt, es ist nur des Ansehens wegen 

und » Verblüfft hielt er inne, denn der «liebe Freund» 

lachte so herzlich und andauernd, daß der würdige Stadt- 
schreiber die Brauen runzelte. Ehe er sich aber noch von 



— 252 — 

seinem Erstaunen über diese unziemliche Fröhlichkeit erholt, 
tönte es neben ihm «0 Herr Dr. Brant, wie leid tut es mir, 
daß Ihr in Eurer Not gerade an mich geraten mußtet. Doch 
wahrlich, nicht ich trage die Schulä daran. Wäre nicht eine 
andre Verordnung auch überschritten worden und brannte dort, 
wie es Vorschrift, an der Ecke im Korb die Pechfackel, dann 
hättet Ihr mich erkannt und wäret nicht in die Verlegenheit 
gekommen, mir die Hand entgegenzustrecken». 
• <rWer seid Ihr denn?» lautete es ganz erschreckt. 

«Hans Baidung heiße ich, doch nennt man mich den Grien ly 

Eine Pause tiefsten Schweigens. 

«Meine Anwesenheit dürfte Euch, nun Ihr meinen Namen 
kennt, wenig Freude machen, darum gute Nacht, Herr Doktor !i> 

Er wendete sich zum Gehen, da hörte er hinter sich einen 
stöhnenden Laut, sofort war er umgekehrt und stand neben 
dem alten Manne. «Was ist, fehlt Euch etwas?» «Nicht fort- 
gehen», ächzte jener, «ich will — ich — o — ich kann nicht 
mehr», angstvoll fühlte Baidung seinen Arm uniklammert, fühlte 
das Beben des Körpers, der sich schwer gegen ihn lehnte. Die 
Kälte, die ausgestandene Angst hatten dem armen Doktor schlimm 
zugesetzt. Da stieg warmes Mitleid in Baidung auf und wischte 
den Groll hinweg. Er schlang den kräftigen Arm fest um den 
W^ankendöti. «So stützt Euch tüchtig. Wie Ihr zittert! Am 
Pfennigturm wohnt Ihr? Das ist viel zu weit in Eurem Zustand. 
Das Beste ist — Ihr kommt mit mir, steckt Euch ins warme 
Bett und trinkt was Heißes. Ihr könnt Euch ja kaum mehr 
auf den Beinen halten.» Wirklich war Brant einer Ohnmacht 
nahe, ohne Widerstreben ließ er sich halb tragen, halb fähren. 
Zum Glück waren sie bald an des Künstlers Behausung. 

Frau Margaret hatte noch keinen Schlummer gefunden, 
angstvoll spähete sie am Fenster nach dem Gatten. Da hörte 
sie am Haustor endlich seine Stimme. Er war nicht allein? 
Sie nahm eilends ein tönern Lämplein, das auf dem Tische 
brannte und schlüpfte über die Stiege hinab den Riegel zurück- 
zuschieben. Erstaunt wich sie zurück, da sie den Stadtschreiber 
erkannte. Doch Baidung ließ ihr nicht Zeit zum Fragen : «Flink, 
Grittel, ich bring uns einen Gast heinri, möchtest Du heißen 
Trank bereiten? doch siehe zu, daß Du die Mägde nicht weckest, 
Du selbst aber gehst dann zur Ruhe, Kind ; halt, ehe Du 
gehst, reiche mir vom Bortbrett dort das Büchslein heilsamer 
Salbe. Ist's oben noch gut warm?» 

«Freilich», nickte sife, xda Du doch morgen früh zur Arbeil 
wolltest, ließ ich das Feuer schon am Abend anfachen.» 

Während sie ohne viel Fragen zu tun (und gewiß war sie 
neugierig, was dies zu bedeuten habe) hinaushuscht, geleitet 



J 



— Sj53 — 

Baidung den Ratsherrn in seine Arbeitsstube, die behaglich 
durchwärmt, ist. Er stößt die entzündete Kerze auf den Dorn 
des Leuchters und wirft neues Holz in das Kamin. 

An der Längswand das Spannbetl mit Polstern und Fellen 
belegt, nimmt den Erstarrten auf. ßaldung tut ihm Zofendienste, 
hilft ihm aus dem Gewände und reibt die steifen Glieder, um 
den Blutlauf neu anzuregep. 

Leiäe klopft es. Grittel harret draußen mit dem dampfenden 
Glühwein, Baidung nimmt ihn, drückt verstohlen hinter dem 
Schutz der Türspalte einen raschen Kuß auf den roten Mund 
und flüstert : «Geh nur und schlafe ; wir werden jetzt ohne 
Dich fertig!» 

Dann sitzt der Maler auf dem Bettrand, den Arm stützend 
um den hagern Körper des Doktors geschlungen und flößt ihm 
schluckweise das belebende Getränk ein. 

Brant spricht kein Wort, er weiß selbst nicht, wie ihm 
zu Mute ist, beschämt — unbehaglich — nein unbehagHch 
eigentlich nicht, abec daß er gerade diesem Menschen zu Danke 
verpflichtet ist — wahrlich er hat's ihm nicht vergessen, wie er 
ihn — den berühmten Gelehrten — dem Spott des Pöbels aus- 
gesetzt. Ihn als Knicker, als GeizhaJs hinzustellen — über ihn 
war gelacht worden, den Verfasser des Narrenschiffes, den 
kaiserlichen Rai und Doktor der Rechte. Mit jäher Gebärde 
wies er den freundlich gebotenen Becher zurück und drehte 
sich gekränkt zur Wand. 

«Ihr seid müde, recht so, seht daß Ihr schlafen könnt ! 
Doch Euer Knie? Soll ich noch heilsame Salbe — ? nicht — 
nun gut, so laß ich Euch allein. Halt, noch eins. Mit dem 
frühesten werde ich Eurem Sohne Onofrius einen Boten senden, 
daß er und Eure Töchter nicht Sorge um Euch tragen. Nun 
Gott befohlen, der Herr gebe Euch seinen Frieden h 

Brant war allein ! Unruhig wälzt er sich auf der Lagerstatt 
umher. — Er grollt seinem Wirt, sich selbst, vor allem aber 
dem tückischen Geschick, dem er diese peinliche Lage verdankt. 

Nach beendigtem Rundgang bei den Zünften, hatte er sich 
von den übrigen Ratsherren getrennt, um, mißlaunig über die 
langwierige Zeremonie und seine verkürzte Nachtruhe, heim zu 
kommen. 

Mochte es nun sein, daß ihm, dem sonst so Mäßigen, der 
reichlich genossene Wein den Kopf schwer und die Füße un- 
sicher machte, und er ein bischen zu nahe den Häusern hin- 
schwankte — auf einmal stolperte er und da lag er unten. Ein 
Glück, daß er nicht allzuhart gefallen, nur das Knie schmerzte 
heftig. 

«Ja, ja, die längst verpönten Kellerhälse — er sann nach 



— 254 — 

— wann war doch das Gesetz dagegen herausgekommen ? 

ehe ihm dies noch einfiel, fielen ihm die Augen zu 

und Dr. Sebastian Brant schnarchte im Bett seines Feindes so 
friedlich wie daheim in der Wohnung am Pfennigturme. 

Er schlief bis spät in den Tag hinein und als er im fremden 
Raum erwachte, mußte er sich erst auf die Ereignisse der Nacht 
besinnen. Er befand sich in Baidungs Arbeitsraum, seiner 
Kunst Werkstatt. Die zwei Fenster waren bis zur Hälfte mit 
Tüchern verhangen. Kecke phantastische Entwürfe, Heiligen- 
bilder und Landschaften, üppig gemalte Frauenges tal{en in 
hüllenloser Schönheit, dies alles hing, lag und stand durchein- 
ander. Wände, Tisch und Mappen füllend. Eilends griff der 
Doktor nach seinem Gewand, die Glieder waren ihm noch etwas 
steif, das Knie schmerzhaft, doch es mußte gehen, nur schnell 
fort von hier. 

Da fesselte ein großer Entwurf seinen Blick, eine der Skizzen 
für die Freiburger Altargemälde — die Flucht nach Aegypien. 

Unwillkürlich blieb er stehen. Welch lebenswahre anmutige 
Darstellung. Neben dem Grautier schreitet Joseph, nicht der 
hinfällige Greis, der kraftvolle, gereifte Mann. Mit liebevollem 
Blick umfaßt er Weib und Kind. Ein feines, flirrendes Gold- 
licht geht von dem göttlichen Kinde aus, die Mutter mit ver- 
klärend. 'Lächelnd ^greift es nach den Früchten, die ihm feiste 
Engelbüblein vom Dattelbaum herabreichen. Vögel und kleines 
Getier beleben die vordere Landschaft. 

Dies alles nur in flüchtigem EIntwurfe hingesetzt, wie es 
der Künstler im Geiste empfunden und geschaut, aber eben 
dieser Reiz des Ursprünglichen wirkte so packend. Dr. Brant 
stand und schaute. Vergessen war, daß er fortgewollt, daß es 
sein Feind, der dies geschaffen. — Das war schön, war die 
Offenbarung einer echten Künstlerseele. 

Und von diesem Meister hatte er Anerkennung seines eignen, 
stümperhaften Könnens erwartet? Daß dies nicht geschehen, 
war es ja, was seine Eitelkeit härter, getroffen hatte als der 
lose Schalksstreich, den ihm Baidung mit dem Totentanz gespielt. 

Leise öffnete sich die Tür, Hans Baidung kam, nach seinenfi 
unfreiwilligen Gaste zu sehen ! 

Brant drehte sich um, sein Auge glänzte feucht, mit raschem 
Impuls bot er dem Maler beide Hände: a:Bei Gott, Ihr seid ein 
Künstler, Baidung, ein gottbegnadeter Künstler! Und Euch 

zürnte ich weil doch nichts mehr davon, lasset alles 

bisherige vergessen sein, seid mein Freund, wollt Ihr?» 

Baidung wußte sich zwar diesen Umschwung in Brants 
Stimmung nicht recht zu erklären, schlug aber gern in die 
ihm dargebotene Hand. 



— 255 — 



Der Gelehrte zog ihn mit vor die Staffelei : «Das was Ihr 
da geschaffen», sprach er prophetischen Blickes, «das wird 
Euren Namen weit durch alle Lande tragen und wenn man 
die Besten und Größten des Elsaß nennt, dann wird ein Name 
nicht fehlen : «Baidung Grien». 



Und er hat recht behalten, der Kanzler Straßburgs I Die 
alte Zunftstube zur Stelze ist verschwunden^ nur das Artikelbuch 
der Schilter und Goldschmiede ist uns erhalten und verrät noch 
so manches aus jener Zeit. Da ist unter andern ein Bericht, 
daß Johann Wächtlin einer der sieben ehrbaren Meister war, 
die beim Rat für ihre Zunft eine neue Meisterstückordnung 
durchsetzten, daß ein gewisser Hagen aus der Zunft ausge- 
stoßen worden — und dann eine andre Notiz. Als Hans 
Baidung hochgeehrt aus Freiburg zurückkehrte, wo sein großes 
Altar werk im Dom noch in unsern Tagen beredtes Zeugnis von 
der Kunst des Meisters ablegt, wurde ;er von den Straßburger 
Zunftgenossen zum Ratsherrn gekürt, als welcher er auch ge- 
storben ist. 

Jetzt sind die Künstler nicht mehr zünftig, die Sehnsucht 
Baidungs ist erfüllt — kein Formenwesen engt mehr künstle- 
risches Schaffen ein — jeder mag heutzutag seinen eignen Weg 
gehn ; — denn mit der Zunft, die alle Meister, die zu ihr ge- 
hörten, vereinte — ist auch der Geist der Zusammengehörigkeit 
dahingeschwunden . 

Sie hatte doch auch ihr Gutes, die alte Zunft zuk* Stelzen 1 



XL 



Eine 
Urkunde des Konrad Dangkrotzheim. 

Von 

E. Herr, evang. Pfarrer. 

V or Jahren schon entdeckte ich im Archiv der ehemaligen 
hanau-lichtenbergischen Kirchschaffnei Ingvveiler eine ziemlich 
große Anzahl Pergamenturkunden, welche ehemals wichtige 
Belege für die Einkünfte und Vermögensverhältnisse der Schaffnei 
gewesen und deshalb von Jahrhundert zu Jahrhundert aufbewahrt 
worden waren. Bei einer kürzlich veranstalteten genaueren 
Durchsicht fand ich, daß dieselben viel historisch und kultur- 
historisch Interessantes enthielten und wert seien, aus ihrem 
moderigen und staubbedeckten Dasein ans Licht des Tages ge- 
zogen zu werden. Die älteste Urkunde ist eine Urkunde des 
Straßburger Bischofs Heinrich vom Jahre 1212, die jüngsten 
stammen aus dem 18. Jahrhundert, und sie erstrecken sich 
über die Verhältnisse sämtlicher Dörfer, mit welchen die Kirch- 
schaffnei Ingweiler jemals in Verbindung stand, so daß sie als 
ein nicht unwichtiger Beitrag zur Ortsgeschichte des ehemals 
hanau-lichtenbergischen Landes, ganz besonders aber zur Ge- 
schichte der alten Ortsnamen gelten können, von welch letzteren 
sich manche bisher unbekannte Form findet. Wie sich von Ur- 
kunden einer Kirchschaffnei von vornherein vermuten läßt, sind 
es meist Verkaufs- oder richtiger Schuldurkunden ; doch finden 
wir auch sehr viele wichtigeren Inhaltes, Fundationen und In- 
korporationen, Streitigkeiten der Gemeinden unter sich oder 
mit ihren Pfarrern, Uebertragungen von Patronats- und Kolla- 
turrechten u. a. enthaltend, so daß wir daraus sehen können, 
wie zur Zeit der Gründung der Kirchschaffnei unter Lichten- 
bergischer Herrschaft alle Urkunden, welche nur irgendwie die 



j 



-257 — 

Rechte einer der SchafTnei unterstellten Gemeinde betrafen, 
sorgfaltig im Schaff neiarchiv niedergelegt wurden. Ein Orts- 
bistoriker würde da gar mancherlei ihm Fremdes entdecken. 
Besonders auf das Verhältnis von Mutter- und Filialkirchen 
und die Zuständigkeit der letzteren werfen einige Urkunden 
für einzelne Orte ein helles Licht, welches manchen einge- 
wurzelten Irrtum zerstreuen dürfte. 

Es war ursprünglich geplant, die Urkunden in Regesten- 
form im Jahrbuch zu veröffentlichen. Doch nahm die Arbeit 
einen solchen Umfang an, daß sie allein ein Jahrbuch gefällt 
hätte. Denn wenn es ein Beitrag zur Ortsgeschichte sein sollte, 
muBte, abgesehen natürlich von dem mittelalterlichen Formel- 
und Klauselkram, alles Wissenswerte an Orts-, Personen- und 
Flurnamen auch aus den weniger wichtigen Urkunden ge- 
geben werden, und dies überstieg naturgemäß den Umfang 
eines Beitrages für das Jahrbuch. Hoffentlich bietet sich 
aber Gelegenheit, die Sammlung als Sonderwerk zu veröffent- 
lichen. 

Dem Jahrbuch möge vorläufig nur die eine Urkunde ein- 
verleibt sein, welche wegen des an ihrer Spitze stehenden 
Namens, weniger wegen ihres Inhaltes, allgemeineres Interesse 
beanspruchen dürfte, und welche mir Veranlassung gibt, den 
Lesern des Jahrbuchs etwas über einen der größeren Anzahl 
derselben unbekannten Dichter des Mittelalters mitzuteilen. Es 
mögen zunächst die notwendigen einleitenden Notizen folgen, 
darauf die Urkunde in ihrem vollständigen Texte, und endlich 
eine Erläuterung derselben, soweit sie für das Verständnis der 
Urkunde dienlich ist. 



Cuonrat Dangkrotzheim wird im Verzeichnis der Kolmarer 
Meistersinger erwähnt, und ein Meistersinger ist er auch ge- 
wesen. Dies bezeugt uns das von ihm verfaßte theilig nam- 
buoch:»y ein in Verse gesetzter kirchlicher Festkalender, welcher 
zu jedem Monat die Fest- und Heiligen tage gibt, umrahmt 
von geschichtlichen Notizen über dieselben und durchsetzt 
von landläufigen Wetterregeln und fromWn Vorschriften.* 
Das ganze Büchlein atmet eine kindliche Frömmigkeit, wie 
allein schon die Anfangs- und Endverse zeigen, welche ich 
hier anführe : 



1 Vgl. K. Pickel, das heil. Namenbuch von Konrad DangkrotE- 
heim. Eis. Lit.-Denkmäler L 1878. 

17 



— 258 — 

Jhesus, Marien liebes kint, 

dem himel und erde gehorsam sint, 

der von dem vatter wart gesant 

in die jungfrowe vorgenant 

und von dem heiigen geiste enphangen: 

in des namen angefangen 

habe ich dis büechelin betraht 

und jungen kinden das gemäht, 

das sü darinne leren, 



Ich wil hie enden alle ding 

mit dem namen, als ich anefing, 

die vornen im buooh geschriben sint, 

das ist JhesuSy. Marien kint, 

das von dem vatter wart gesant. 

Alle lieben heiligen vorgenant 

und des heiligen geistes flamen 

schirment uns vor allem übel! Amen. 

Wir ersehen aus diesen Versen auch, daß das Buchlein 
zum Unterricht für Kinder bestimmt war. Es ist deshalb wohl 
als sicher anzunehmen, daß der Verfasser ein SchuUebrer war, 
wie es Pickel i auch aus anderen Kennzeichen in seinem Namen- 
buche höchst wahrscheinlich macht. Pickel hat leider nichts 
darüber erwähnt, ob das Lehramt seine einzige Beschäfti- 
gung war. Nur an der Stelle, wo er erwähnt, daß Dangkrotz- 
heim wahrscheinlich als ein aus den Handwerken gewählter 
Schöffe ins Hagenauer Schöffenkollegium gekommen sein werde, 
könnte man etwa einen Hinweis darauf finden, daß er auch 
ein Handwerk trieb. Wenn wir uns aber in die Art jener Zeit 
des beginnenden 15. Jahrhunderts verselzeji, so kann uns dies 
gar nicht zweifelhaft sein. Ein Schullehreramt war damals nur 
eine Nebenbeschäftigung, welche allein ihren Mann nicht er- 
nähren konnte. Wer um des Brotes willen Lehrer war, trieb 
noch ein Handwerk, welches ihm zugleich die Ueberwachung 
einer Anzahl Schüler gestattete. Schneider, Weber u. a., welche 
bei ihrer Beschäftigung an einem bestimmten Flecke still sitzen 
konnten, treffen wir in jenen Zeiten und bis tief in die neuere 
Zeit hinein als Lehrer an. Diese Beobachtung dürfte auch für 
Dangkrotzheim zutreffen. Daß er offenbar, wie noch zu zeigen 
ist, aus einem altem Geschlechte stammte, beeinträchtigt die 
Annahme eines Handwerks für Dangkrotzheim nicht; denn wie 
mancher edel Geborene hat sein Leben in einem bürgerlichen 
Geschäftsbetrieb fristen müssen, in einer Zeit, in welcher es 



i a. a. 0., S. 8. 



J 



— 259 — 

«die Geschleichter genug gab, welche Schulden über Schulden 
verbriefen und ihr Erbteil versetzen mußten, um nicht zugrunde 
zu gehen. 

Konrad Dangkrotzheim war ein Elsässer und lebte zu Ha- 
genau. Dort bekleidete er lange Jahre das Amt eines Schöffen. 
Er muß demnach eine geachtete Persönlichkeit gewesen sein. 
Hierüber geben uns nur einige wenige Urkunden Nachricht, 
welche von Dangkrotzheim als Schöffen in Hagenau ausgestellt 
und besiegelt sind. Wir erfahren aber aus denselben auch nur 
diese Tatsache ; sie stehen zu ihm selbst in keiner näheren Be- 
ziehung. Zwei dieser Urkunden hat Mone i veröffentlicht, meh- 
rere andere sind verloren gegangen <; dazu kommt dann unsere 
bisher unbekannte Urkunde aus dem Ingweiler Kirchschaffnei- 
Archive. Diese Urkunden stellen, soweit sie uns bekannt sind 
oder waren, nichts weiter fest, als daß Dangkrotzheim in den 
Jahren 1410 — 1431 als Schöffe amtierte. Ob er aber dieses Amt 
bis zu seinem Tode bekleidete, wie Pickel ^ annimmt, ist nicht 
nachweisbar. 

Das Geburtsjahr des Dichters setzt Pickel nicht nach 1372.* 
Als Todesjahr gibt das Ghronicon des Bernhard Hertzog das 
Jahr 1444 an, welche Angabe wir mangels anderer Beweise 
als richtig annehmen müssen. 

An die Herkunft des Dichters haben sich mannigfache Er- 
örterungen geknüpft. Er selbst nennt sich m den Urkunden 
C Unrat Dangkrotzheim y und genau ebenso erscheint seine Selbst- 
bezeichnung an zwei Stellen des Namenbuches. Auf seinem 
Siegel, welches Mone an den von ihm abgedruckten Urkunden 
nur defekt vor sich hatte (er liest : S . CONADI . S . . . 
EA . . . NKRAZEM), welches aber an unserer Urkunde 
sehr schön erhalten ist, liest man: § • ^ORJIÖI * 

S€h€Jii • D • DHKRHZ^m • d« der 

Rand des Siegels abgegriffen ist, so sind die über dem des 
Goradi un.d dem ersten A des Dakrazem ehemals vorhanden 
gewesenen Abkürzungsstriche (Göradi, Dakrazem) nicht mehr 
sichtbar ; sicher haben wir seinen Namen aber zu lesen 
Conradus de Dankrazem. Das Siegel zeigt in einem Schilde 
eine heraldisch nach rechts oben gekehrte Pfeilspitze. Wir 
haben es hier also ganz sicher mit dem Nachkommen eines 
alten Geschlechts von Dankrazeim zu tun, welches als Wappen- 
bild die Pfeilspitze führte. 



1 Zeitschr. f. d. Gesch. des Oberrheins, Bd. II, 1851, S. 323 ff. 
« Pickel, a. a. 0., S. 3. 
2» Ebenda, S. 9. 
4 Ebenda, S. 7. 



— 260 — 

Ob nun dieses Dankgrotzheim, Dankrazeim sein Geburlsort 
ist, kann naturlich nicht nachgewiesen werden. Sicher aber 
stand dort die Wiege seines Geschlechtes. Die Frage ist nur 
die, wo wir diesen mit Dangkrotzheim, Dankrazeim bezeichneten 
Ort zu suchen haben. Schon im Jahre 1827 hat Ströbele in 
diesem Orte Dangolsheim im Kreis Molsheim erblickt. Mone * 
hat darin aber Dengeisheim im Kreis Hagenau, nördlich von 
Drusenheim, sehen wollen, hat damit aber leider die Unter- 
suchung auf eine ganz falsche Fährte gelenkt, und Pickel J^ 
scheint sich auf Mones Seite zu stellen. Mone geht davon aus, 
daß das Kloster Schwarzach einen Dinghof in einem Orte hatte, 
welcher in den Schwarzacher Urkunden Z)ancÄratz/ietm und 
Dankrotzheim genannt wird. Er nimmt nun offenbar an, daß 
dieser Ort in möglichster Nähe des Klosters gelegen haben 
müsse und findet ihn deshalb in Dengeisheim, welches dem 
Kloster Schwarzach gegenüber auf der linken Rheinseile liegt. 
Er behauptet dann weiter, daß das Kloster Schwarzach in 
Dangolsheim dagegen nie begütert war. Nun ist es aber Tat- 
sache, daß die Besitzungen der Klöster im Mittelalter oft sehr 
weit entfernt und zersteut lagen. Wie weit erstreckten sich 
z. B. die Besitzungen des Klosters Weißenburg, davon uns 
dessen traditiones Kunde geben ! Ferner ist es Tatsache, daß 
das Kloster Schwarzach grade in der Gegend Molsheim-Wasseln- 
heim-Zabern Güter besaß und daß besonders in Dangolsheim 
bis auf die Revolution ein Schwarzacher Dinghof bestand. 
Grimm* hat das Weistum des Dinghofes von Danckrotzheym 
ganz richtig auf dieses Dangolsheim gedeutet, und Mone bestreitet 
dies mit Unrecht. In diesem Weistum wird Danckrotzheym 
als ein richs dorff bezeichnet. Nun läßt sich ohne weiteres 
annehmen, daß Dangolsheim, als im alten pagus Tronin- 
gorum, dem Königsland, gelegen, ursprünglich ein Reichsdorf 
war, was wir aber auch bestimmt daraus schließen können, 
daß es noch im 13. Jahrhundert zum Teil zum Reich gehörte. 
Von Dengeisheim läßt sich dies aber nicht nachweisen. Ent- 
scheidend sind endlich die alten Namen der beiden fraglichen 
Dörfer. Dangolsheim erscheint in &en trad. Wizenb. als than- 
caradesheim (a. 760) und tha7icrate8hei7nouilla(ai. 779), während 
Dengeisheim nnt dhancleohahaim (a. 775) erscheint. Die Güter- 
urkunden der Abtei Maursmünster bestätigen, daß diese Deu- 
tung von thancaradesheim in den trad. Wizenb. richtig ist. In 

J A. W. Strobel, Beitr. zur deutschen Literatur usw., 1827, 
S. VIII. 

z a. a. 0., S. 323. 

3 a. a. 0., S. 5. 

* Weistümer I, S. 736. 



— 261 — 

«iner solchen, angeblich vom Jahr 828, welche aber nur in 
zwei sehr verstummelten Abschriften erhalten ist, und welche 
Grandidier^ ins Jahr 1128 verweist, heißt es einmal (Exemplar 
in einem Manuskript der Univ.-Bibl.) Danratesheim, das 
andere Mal (Exemplar von Grandidier) Dankratzheim. Die 
große echte Güterurkunde auä dem Anfang des 12. Jahr- 
hunderts hat Dancratesheim, ebenso auch die Guterbestätigung 
durch Papst Alexander III. aus dem Jahre 1179, welche uns 
in einem Vidimus von 1437 erhalten ist. In diesen Urkunden 
Maursmünsters kann nur Dangolsheim gemeint sein. Und in 
einem liber specificationum des Frauenhauses vom Jahr 1351, 
welches Pickel anführt, erscheint dieses Dorf unzweifelhaft als 
Danckratzheim. Dengeisheim dagegen erscheint spater nur 
als Teckelsheim (a. 1359). Wir müssen deshalb mit vollem 
Recht auf Dangolsheim als die Wiege des Geschlechtes 
unseres Dichters hinweisen. Pickel läßt die Frage leider unent- 
schieden, ja scheint sich eher der falschen Anschauung Mones 
zuzuneigen. 

Wir können also feststellen, daß sich nach Dangolsheim 
ein Geschlecht nannte, welches eine schräggestellte Pfeilspitze 
im Wappen führte, und daß diesem Geschlechte Cünrat Dang- 
krotzbeim angehörte. 

Mone, welcher die eine Verwirrung mit Dengeisheim ange- 
richtet hat, möchte noch eine zweite anrichten. Er bemerkt, 
daß auf der ihm vorliegenden einen Urkunde Dangkrotzheims 
auf dem Pergamentstreifen, an welchem das Siegel hängt, der 
Name €Clohelouch» steht. Derselbe ündet sich auch bei unserer 
ingweilerer Dangkrotzheim-Urkunde, aber er findet sich auch 
auf anderen Urkunden der Ingweiler SchafFnei, welche nicht 
von Dangkrotzheim gesiegelt oder erlassen sind, piese «Clobe- 
louch)»-Urkunden zeigen alle dieselbe Schrift, wie auch alle 
anderen Urkunden, welche einen andern Namen auf den 
Streifen tragen, alle dieselbe, aber eine andere Hand erkennen 
lassen. Da hat sich nur der Urkundenschreiber verewigt; weiter 
bedeuten diese Namen nichts. Mone aber stellt diesen Namen 
mit dem Aussteller der Urkunde in Verbindung und läßt durch- 
blicken, es könne vielleicht Dangkrotzheim zu der altbekannten 
elsässischen Familie der Clobelouch gehört haben. Er geht 
offenbar davon aus, daß manchmal bei Urkunden, welche mit 
mehreren Siegeln versehen wurden, auf der Rückseite derselben 
an den Siegelstreifen die Namen derer, welche siegeln sollten, 
hingeschrieben wurden, damit die Siegel in richtiger Reihen- 
folge angehängt würden, und wendet dies auf die Dang- 



J Hist. d'Alsace, p. justif., Nr. 611. 



krotzheim — Urkunde an. Es ist eigentümlich, wie Mone^ 
welcher doch einer der bewandertsten Urkunden forscher war, 
dies so mißverstehen konnte. Natürlich können, was Pickel i 
dagegen anHührt, weder die Siegelumschrift mit dem Namen 
Globelouch, noch auch das Wappenbild mit demjenigen der 
Clobelouch stimmen, denn beide haben nichts miteinander 
zu tun. 

Nun handelt es sich noch lim einen, meines Wissens bis 
jetzt nur von Clavß « erwähnten Punkt. Was soll das Wort Schean 
in der Siegelumschrift bedeuten ? Mone und Pickel haben sieb 
darüber nicht äußern können, weil ihnen die Umschrift nicht 
vollständig bekannt war. Clauß erklärt es für Jean ^=z Johann, 
Doch gibt es wohl kaum hierfür eine Parallele. Dem Mittelaller 
ist in deutschen Landen ein Name wie Jean ganz fremd. Der- 
selbe ist erst unter französischem Einfluß im Elsaß bekannt 
geworden. Wir können also dieser Auslegung nicht beitreten. 

Wenn der letzte Buchstabe des Wortes als ^][^ = M gelesen 
wird — der Querstrich des JJ ist nicht deutlich ausgeprägt, es 
macht den Eindruck eines JX^, bei welchem der vorderste Strich 
in der Mitte verdickt ist — , könnte man vielleicht mutmaßen, 
daß es SCh • €1 • l]ß = Schabini et Militis heißen solle. 
Jedoch ließe sich nicht gut erklären, warum im Siegel 
dieses M so anders als das M [in Dankrazem beschaffen wäre. 
Es bleibtj uns nur übrig, in dem Schean einen Beinamen 
zu sehen, dessen Bedeutung uns heute nicht mehr bekannt 
ist. Die einzelnen Glieder edler Geschlechter unterschieden 
sich oft durch solche Beinamen, welche ihnen zum Teil als 
Spottnamen von ihren Gegnern oder auch eigenen Anver- 
wandten gegeben wurden, welche ihnen zeitlebens blieben 
und welche sie dann auch auf ihren Siegeln anbrachten.* 
Es möge nunmehr der Text der Urkunde folgen. 



1 a. a. 0., S. 6. 

^ J. M. B. Clauß, hist.-topograph. Wörterbach des Elsaß^ 
1895 fif., unter dem Artikel «Dangolsheim». 

3 Herr Geh. Archivrat Prof. Dr. Wiegand hat mir gegenüber 
die Vermutung ausgesprochen, daß in dem Schean vielleicht der 
eigentliche. Familienname des Dichters gegeben sei und er nur einem 
bürgerlichen Geschlecht angehört habe, welches sich nach Dangols- 
heim nannte. Leider war die Urkunde nicht mehr zur genaueren 
Prüfung des Siegels erhältlich, so daß diese Vermutung nicht weiter 
verfolgt werden konnte. 






— 263 — 



Ich Cünrat Dangkrotzheim^ fchoffen zu Hagenowe, vergihe,^ 
das vor mich kom Cünen Claus von IJberoche > vnd hei verkouft 
vnd gegeben zu koufie' reht vnd redeHchen jn fougtz^ wife 
von Eilfen vnd Vtilien,^ Geftenheintzels feligen kinde wegen 
von überoche, Der wiffenthafter « fougt er ift, als er fprach, 
vnd vür die felben kinde vnd ir erben, Cüntzen, Heintzeman 
Sniders füne, gefelTen zu Pfaffenhofen, Schaffener der Heiligen ^ 
zu PfafTenhofen, der es enpfing von Tante Peters ^ wegen do- 
felbelt, als er vor mir veriach,» Vier fcheren lo maten mit allem 
begriffe vnd zügehörungen, als lü gelegen fint jn dem Banne 
zu Nidermater ii jn der Rülins maten nebent Cünen Hans feligen 
erben von Nidermater vnd anderfite Cante Peter, zinfet einen 
halben vierling wahsV« fante Johans'3 zft Nidermater. Vnd ift 
dirre koufF gefcheen vmbe dru pfunt >* zweyer intze ^5 pfennige 
mynre Strafburger pfennige genger vnd geber, die er bar von 
dem egenanten*« fchafifener enpfangen vnd in der obegenanten 
Eilfen vnd Vtilien beffern nutz gekert hat gar vnd gentzlichen , 
als der vorgenant verköiffer vor mir veriach. Vnd darumbe fo 
hat er euch globet" reht vnd redelichen jn fougtz wife von der 
obegenanten kinde wegen vnd vür die felben kinde vnd ir 
erben, zu werende*» den egenanten fchaifener vnd fine nach- 
komen von wegen des vörgenanten Heiligen, der obegenanten 
vier fcheren maten jemermei» ewiclichen vür vnd gegen aller 
menglich, vngehündert, vnd vnuerwidemet,^« fry, lidig, eigen, 
vnuerfetzei vnd vmbekümbert,** vfgenommen das egenant wahs. 
Wer es aber,«* das den obegenanten fchaifener oder fine nach- 
kommen jemans jrrete, hunderte, anfpreche oder bekümberle^i 
von der egenanten vier fcheren maten oder kouffs wegen, Nu 
oder hie nach, mit geiftlichem oder mit weltlichem, gerihte. 
Was fchaden er oder fine nachkommen von des obegenanten 
Heiligen wegen des nement, Den füllent yn^a der obegenant 
fougt jn fougtz wife von der egenanten kinde wegen, vnd 
diefelben kinde vnd ir erben ouch allen uffrihten «* one 
Widerrede. Vnd haruff fo hat der felbe fougt jn fougtz wife 
von der obegenanten kiude wegen fich verzigen 35 aller triheite, 
aller helffe, fchirme, gerihte vnd rehte, geiftlicher vnd welt- 
lichen, Domitte er oder die vorgenanten kinde vnd ir erben fich 
behelffen oder befchirmen möhtent wider difen kouif oder wider 



— 2(54 



üt,M das in difem briefe gefchriben Hat. Vnd des zu vrkünde 
fo han jch der vorgenant fchöffen myn jngefygel gehencket an 
difen brieff, der geben wart vff des Heiligen Crützs tag als es 
funden wart,«^ des jares do man zalte von gottes gebürle vier- 
tzehenhundert vnd zwentzig Jare. 



Erläuterungen: 

1 Bekenne, bezeuge, s Ueberach, Kr. Hagenau, Et. Nieder- 
bronn. 3 Verkaufen und zu Kauf geben ist eine in sämtliclien Ver- 
kaufs- und Schuldurkunden des Mittelalters angewandte stereotype 
Formel. Dieser Gebrauch igeht bis in die neuere Zeit hinein. ^ Vogt, 
Vormund. ^ Klse und Ottilie. ^ gewissenhafter. ? Heiligenschaffiner, 
Heiligen pfleger, Heiligenmeier hießen die Verwalter des Vermögens 
der Kirche, des Almosens und der Stiftungen. Alles, was einer Kirche 
durch Kauf, Tausch oder Schenkung zufiel, wurde als Eigentum des 
oder der Schutzheiligen derselben angesehen. Die Heiligenpfleger 
verwalteten das Vermögen des H e i 1 i g'e n , sie nahmen Zinsen auf 
oder kauften Güter «von des lieben Heiligen wegen», oder 
«dem lieben Heiligen N. N.» EinEest dieser Anschauung findet 
sich noch in dem-ete ässischen -Wt>Tte « Helj e > für das in der Kirche 
geopferte Almosen, aus welchem die Bedürfnisse der Kirche bestritten 
werden. » Schutzheiliger der PfaffeYihofener Kirche. 9 Bekannte. 
10 Schere oder Schar ist die Breite, welche ein Mäher in einem 
Hingang auf der Wiese abnäht. Vier Scheren Matten = eine Wiese, 
welche vier Scharen breit ist. ii Niedermodern, Kreis Zabem, Kt. 
Buchsweiler. '* "Wachs. J* Schutzheiliger der Kirche zu Niedermodem. 
**1 Pfand Pfennig = 240 Pfennig. Die Bezeichnung kommt daher, 
daß das Geld ursprünglich gewogen wurde. Das erste gemünzte Geld 
erhielt von der durch einseitige Prägung etwas hohlen, pfännchen- 
artigen Form den Namen «Pfennig», welcher dann später zur Be- 
zeichnung der Einheitsmünze angenommen wurde. ^^ 1, Unze 
Pfennig = 20 Pfennig. Auch Unze ist eine Gewichtsbezeichnung, 
iö üeberall, wo das Wort «vorgenant, egenant, obegenant» in unserer 
Urkunde vorkommt, ist es abgekürzt geschrieben: vorgen, egen, 
obegen. >' Gelobt, versprochen. ^8 Wehren, schützen in den durch 
den Kauf erworbenen Hechten. ^^ Immer. **^ Nicht zu einem Pfarr- 
gut geschenkt. Diese Klausel mit allen dabeistehenden Parallel- 
bezeichnungen soll ausdrücklich festlegen, daß auf dem verkauften 
Gute keine Last ruht und daß niemand einen Anspruch darauf hat, 
besonders also, daß es nicht heimlich einer Kirche vermacht ist. 
*» Bekumbern, wovon unser «bekümmern» (= Sorgen und Mühsal 
bereiten), bedeutet in der mittelalterlichen Eechtssprache soviel wie: 
durch richterlichen Spruch, beschlagnahmen lassen. Es heißt aber 
auch allgemein soviel wie : belästigen, und diese Bedeutung hat das 
Wort, wo es nachher nochmals vorkommt. 22 Wäre es aber = wenn 
es aber der Fall wäre, daß. *3 ihnen. 24 Ersetzen. ** Verzicht 
leisten auf etwas. Diese Verzieh tleis tun g wie die derselben in der 
Urkunde vorausgehende Gewährleistung sind notwendige Stücke 
einer rechtsgültigen Urkunde. Im 15. Jahrhundert sind beide noch 
mäßig im Umfang, im 17. Jahrhundert erreicht die Verklausulierung 
einen hohen Grad und nimmt den größten Raum in einer Urkunde 
ein. 26 üt = etwas, Gegensatz ist nüt ^= nichts. 27 Kreuzes Er- 
findung, am 3. Mai. 



XII. 

Inschriften im Elsaß, 

Von 

Dr. Ka88el in Hochfelden. 

Mit 2 Abbildungen. 




Di 



4e Sitte, Häuser und Gerätschaften in augenfälliger Weise 
mit Inschriften zu versehen, gehört für das bürgerliche und 
bäuerliche Elsaß einer verhältnismäßig jüngeren Zeit an. Wäh- 
rend andere Volksgebräuche sich weit im Mittelalter verlieren 
oder in ihren Wurzeln im grauen Altertum nachweisen lassen, 
konnten die Inschriften erst zu einer Zeit aufkommen, als die 
Schrift größtenteils Gemeingut der beteiligten Bevölkerungs- 
schichten geworden war. Welchen Sinn hätte es auch haben 
können, allerlei Gebrauchsgegenstände mit Zeichen auszustatten, 
die weder ihren Besitzern bekannt, noch dem Gaste und Wan- 
derer verständlich, ja nicht einmal dem Verfertiger geläufig 
waren? So kommt es, daß, während die gebildeten Kreise, in- 
sonderheit die Vertreter des Adels und der Kirche, schon Jahr- 
hunderte lang Inschriften anwendeten, für die besitzende Volks- 
menge in Stadl und Land die Inschriften im weitesten Wort- 
sinne erst mit dem 46. Jahrhundert an Verbreitung und Be- 
deutung gewannen. Da wo das Bedürfnis oder die Laune da- 
für 'bestand, machte man ehedem die Häuser durch einfache 
bildliche Darstellungen und Hauszeichen leichter kenntlich. 
Noch bis tief in das 19. Jahrhundert brachte der elsässische 
Bauer an Besitztum und Geräten sein Hofzeichen an, und nicht 
wenige Häuser tragen noch heute, von mehr oder weniger 
kunstgeübter Steinhauerhand verfertigt, Gruppen von Handwerks- 
zeug der verschiedensten Art. Ja Hofzeichen und Dorfzeichen 
werden vielfach noch in unseren Tagen verwendet. Aber seit- 



— i66 — 

dem die Kunst des Lesens und Schreibens auch in die länd- 
lichen Gehöfte und Häuser drang, kam immer mehr die Sitte 
auf, Haus und Hof und zahlreiche Gegenstände des Alltagslehens 
mit dem Namen des Besitzers und dabei wohl auch noch mit 
Inschriften und Sprüchen mannigfacher Art zu versehen. 

Die Aufmerksamkeit und der Sammelfleiß vieler Forscher 
hat sich seit einigen Jahrzehnten im gesamten deutschen Sprach- 
gebiet den Inschrifien und Haussprüchen . zugewandt. Schon 
Radowitz^ und Riehl^ gedenken der Bedeutung der Haus- 
sprüche. Die erste zusammenhängende Arbeit veröffentlichte 
1860 Sutermeister^ über die Hausspruche der Landschaft Zürich. 
Es folgten für Stadt und Herzogtum Altenburg Hase^ und 
Löhe^. Das ganze deutsche Sprachgebiet behandelt eine präch- 
tige Sammlung .eines ungenannten Verfassers <^ und eine andere 
von Draheim^. Siebenbürgen findet einen trefflichen Bearbeiter 
in Haltrich^, Schwaben in Doll^. Einen mehr gedrängten Ueber- 
blick gibt Lucae^^y während v. Hörmann Oberbayern, Tirol" 
und die Alpen 12^ Freund ^^ die Umgebung Marburgs, Buhlers^* 
Hildesheim und Umgegend behandeln, r. Padherg »Sund Dreselly^^ 
bieten uns wieder zwei treffliche Arbeiten über ein größeres 
Gebiet, und endlich sind von zwei ungenannten Verfassern", 
sowie von Krakowizer i« kleinere Abhandlungen über Tirol und 
Oesterreich erschienen. Vereinzelte Mitteilungen über Inschriften 
sind in zahlreicihen Zeitschriften und Tagesblättern zerstreut. 
Draheim und Dreselly geben in ihren Büchern noch weitere 
Quellennachweise an. Die meisten Hausinschrit'ten scheinen in 



1) Badowitz^ Die Devisen und Motto des späteren Mittelalters. 
Stuttgart und Tübingen, Cotta, 1850. — 2) Eiehly Naturgeschichte 
des Volkes. Stuttgart und Augsburg, 1855. III, 187. — 3) Suter- 
meister, Schweizerische Haussprüche. Zürich, Höhr, 1860. — 4) Appel- 
lationsgerichtsrat Dr. Hase im Altenburgischen Hauskalender f. 1866. 
— 5) Lobe, Hausinschriften aus dem Ostkreise des Herzogtums Alten- 
burg. Altenburg, Pierer, 1867. — 6) Deutsche Inschriften an Haus 
und Geräth. Berlin, Hertz, 1880 (3. Aufl.>. — 7) Draheim, Deutsche 
Reime. Berlin, Weidmann, 1883. — - 8) Haltrich, Zur Volkskunde der 
Siebenbürger Sachsen. Wien, Gräser, 1885, S. 409 ff. — 9) Dott in 
Alemannia, 1880, S. 241 ff. — 10) Luca^e^ Aus deutscher Sprach- und 
Literaturgeschichte. Marburg, Elwert. 1889, S. 221 ff. — 11) t7. Hör- 
mann, Grabschriften und Marterlen, 3 Bändchen. Leipzig, Liebeskind, 
1889—96. — 12) V, Hörmann, Haussprüche aus den Alpen. Leipzig, 
Liebeskind, 1896. - 13) Freund^ Hausschriften aus Marburgs Um- 
gebung, 1891. Sonderabdruck aus dem Marburger Tageblatt. — 
14) Zeitschrift des Harzvereins 1891, S. 425 ff. ; 1892, S. 423 ff. ; 1893, 
S. 415 ff.; 1894, S. 210 ff. - 15) t?. Padherg, Haussprüche und In- 
schriften in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Paderborn, 
Schöningh, 1898. — 16) Dreselly, Grabschriften, Sprüche usw. Salz- 
burg, Pustet, 1898. — 17) Marterl, Votivtafeln usw., 2 Bändchen. 
Kegensburg, Stahl 0. J. — Deutsche Haussprüche aus Tirol, gesammelt 
von W, 0., Innsbruck, Wagner, 1871. — 18) Krakowuer, Inschriften 
und Aufschriften im Lande ob der Enns. Linz, Mareis, 190J. 



j 



— 267 — 

Siebenbürgen vorzukommen, sowie in Westfalen, wo fast jedes 
Bauernhaus seinen Spruch hat. 

Was das Elsaß betrifft, so besitzen wir eine vortreffliche 
Arbeit von Mündel ^y nachdem bereits Stöbert einige In- 
schriften mitgeteilt hatte. Vereinzelte Mitteilungen finden sich 
im «Elsässischen Samstagsblatt» 1858, S. 116, über \yesthofen, 
im «Vogesenblatt» 1897 Nr. 5 über das Hanauische, 1899 (August- 
nummer) über Rufach, 1900 Nr. 13 über das obere Illtal, so- 
wie bei Höhe^ über den Kochersberg. 

Die meisten Arbeiten, so auch die Mündeische, sind trockene 
Aufzählungen von mehr oder weniger merkwürdigen, aus- 
gewählten Inschriften, ohne Erklärung und Würdigung und 
ohne verbindenden Text. Ein richtiger Begriff vom Wesen der 
Inschriften läßt sich aber nur dann gewinnen, wenn man ihre 
Gesamtheit in einem größeren abgeschlossenen Gebiet betrachtet. 
Ich habe daher die Gegend zwischen Rhein und Vogesen, 
zwischen der Breusch mit dem Haselbach und der Pfälzergrenze 
planmäßig nach Inschriften abgesucht und die 351 Ortschaften 
dieses Gebiets in den Jahren 1890 — 1905 auf dem Rade be- 
sucht und durchforscht. In meinem engeren ärztlichen Wirkungs- 
kreise von etwa 30 Dörfern hatte ich außerdem den Vorzug, 
auch das Innere der Häuser in meine Untersuchungen einzu- 
schließen. Ich maße mir nicht an, alle Inschriften gefunden 
zu haben, viele dürften aber gewiß nicht fehlen. Manche werden 
auch seitdem verschwunden sein. Ich habe es ferner für not- 
wendig gehalten, nichteine Anhäufung von sonderbaren, drolligen, 
einzigartigen oder möglichst alten Sprüchen zu geben, sondern 
eine Sammlung von allem, was sich vorfand. Nur so kann man 
in den Geist eindringen, der das elsässische Volk bei der Ab- 
fassung und Anbringung der Sprüche geleitet hat. Uebrigens 
wäre es auch schwer, eine genaue Grenze bezüglich der Her- 
kunft der Inschriften zu ziehen. Ein Vergleich mit den aus 
andern Ländern deutscher Zunge veröffentlichten Inschriften 
soll außerdem ihren wissenschaftlichen Wert vervollständigen. 
Hierzu' wurden außer den bereits erwähnten Abhandlungen noch 
die Sammlungen von Simrock *, Hoffmann v. Fallerslehen » 



1) Mündel, Haassprüche und Inschriften im Elsaß. Straßburg, 
Bull, 1883. 76 Seiten. — Auf Mündel ist bloß bei den Inschriften 
hingewiesen, die ich nicht mehr gesehen habe, die also zwischen 
1883 und 1904 verschwunden sind. - 2) Alemannia, 1879, S. 232 ff. 
— 3) Höhe, Das Kochersbergerland. Straßbürg, Müller, Uerrmann 
u. Co., 1895. S. 100 f. — 4) Karl Simrock, Die deutschen Sprich- 
Wörter. Frankfurt a. M., Brönner, o. J. — 5) Hoffmann v. Fallers- 
leben, Spenden zur deutschen Literaturgeschichte, I. Leipzig, Engel- 
mann, 1844. S. 3—82. — Derselbe, Findlinge. Leipzig, Engelmann, 
1860. I, S. 434-463. 



- 268 — 

und Schulze^ herangezogen. Unter den 13000 Sprichwörtern 
Simrocks fanden sich bloß 28 im Elsaß vorkommende Inschriften- 
sprüche. Auch Wackernagel^ gibt einige alte Spruche. 

Was das Alter der Inschriften betrifft, so stammt die Mehr- 
zahl aus dem Zeitraum zwischen 1770 und 1830. Recht zahl- 
reich sind auch die Inschriften, die uns sonst noch aus dem 
18. Jahrhund^t erhalten sind. Es ist daher nicht unmög- 
lich, daß die Blütezeit des Inschriften wesens viel ausgedehnter 
war, als man heule ermessen kann, denn aus dem Zurüqk- 
gebliebenen läßt sich nicht unbedingt auch auf den Umfang 
des Dagewesenen schließen. Aus dem 17. Jahrhundert sind 
mir — in dem angegebenen Gebiete und mit den noch zu er- 
wähnenden Einschränkungen -— nur 14 Inschriften bekannt 
(Nrn. 108, 181^ 247 k, 33, 221—224, 38 b, 18 b, 191, 247 g, 
51, 119). Aus dem 16. Jahrhundert kenne ich drei, die in 
Balbronn (Nr. 247 i von 1530), Zabern (Nr. 287 von 1564) und 
Westhofen (Nrn. 18c und 264 von 1584) zu finden sind. Die 
älteste Inschrift weist die Zaberner Stadtmühle auf, sie trägt 
die Jahreszahl 1415 (Nrn. 9 und 16 k). Ein Zusammenhang des 
Inhalts und der Häufigkeit der Inschriften mit den großen 
kriegerischen und politischen Ereignissen im Elsaß, insbesondere 
mit dem 30jährigen Krieg, der französischen Revolution und 
dem Kriege von 1870|71 läßt sich nicht nachweisen. Sicher 
ist, daß die Inschriften in den 1850er und 1860er Jahren als 
in der Zeit, wo das elsässische Volkstum seine höchste Blüte 
erreichte, den Höhepunkt bereits überschritten hatten. Neue 
Inschriften werden aber noch bis in unsere Tage angebracht. 

Inschriften kommen in katholischen und protestantischen 
Dörfern vor, allerdings bei weitem am häufi^äslen in protestan- 
tischen Ortschaften und namentlich im Hanauerland, wo man 
noch fast in jedem Dorfe Inschriften antrifft. Man begegnet 
ihnen vorwiegend an Bauernhäusern, aber auch in Städten, so 
in Straßburg, Zabern, Weißenburg, Buchsweiler, wenngleich 
seltener, denn der fortschreitende Verkehr ist ein Feind der 
Inschriften wie allen Volkstumes. 

Die Inschriften sind angebracht an den übertünchten Wänden 
des Bauernhauses bis hoch hinauf in den Giebel, am Wohn- 
haus, an der Scheune, am Stall und sogar auf dem bedeckten 
Gange des Stalles, ferner über der Haustür, in und über der 
Eingangstür, über dem Hoftor, an Längs- und Querbalken, 
auf rautenförmigen Tafeln (entsprechend dem Fach werk), auf 
Ziegeln, sodann über der Stubentür, auf der Stubentür draußen 



1) Schulze in Herrigs Archiv 56, 59—90; 57, 17—40; 58, 321- 
344. — 2) Wackernagelf Deutsches Lesebuch 



J 



- 269 — 

oder drinnen, am Getäfel in der Stube, in allerlei handschrift- 
lichen Büchern, an Hausgeräten, namentlich an der Bettstelle, 
am Ofen, am Eckschrank, auf dem Handbesen, auf dem Ziffer- 
blatt der Wanduhr, der Kammscheide, auf Fensterscheibe, 
Laterne, Schussel, Faß, Wasserflaschen, Trinkgefäßen, endlich 
auf handgemachten Losungsscheinen, kunstvoll verzierten Spruch- 
tafeln (größtenteils Gewinnen aus ländlichen Lotterien) und An- 
deiiken verschiedener Art. Ich habe nicht gezögert, von den In- 
schriften der letzteren Gattung eine sorgfältige Auswahl zu geben, 
denn sie bedeuten für das innere Heim dasselbe wie die Haus- 
inschriften draußen an der Wand oder am Giebel. Der Bauer 
sieht sie noch heute p:ern eingerahmt in der Stube und erbaut 
sich an ihrem religiösen oder tief gemut vollen Inhalt. Zu einer Zeit, 
wo die Photographie und die kunstvollen Erzeugnisse des Drucks 
noch nicht bis in das Dorf gedrungen waren, bildeten sie einen 
wichtigen und notwendigen Zimmerschmuck. Gerade weil sie 
nicht für die breite Oeffentlichkeit bestimmt waren, sind sie 
für das beschauliche Gefühlsleben, die innige Empfindung und 
die altväterliche Lebensart, wie sie die ländliche Abgeschlossen- 
heit weitester bäuerlicher Kreise in der cguten alten Zeitji) er- 
zeugen mußte, ungemein bezeichnend. Namentlich ist hervor- 
zuheben, daß zu französischen Zeiten, etwa von 1830—1870 
die Losungsnummer eingerahmt mit kunstvollen Verzierungen 
und auch mit religiösen Inschriften, besonders mit dem Kon- 
ßrmationsspruch versehen wurde i. Das Andenken an die 
Musterung wurde hierdurch bei aller Fröhlichkeit gewissermaßen 
verklärt und veredelt. Diese handgemachten Sachen werden 
allmählich selten, und es ist erfreulich, daß schon viele von ihnen 
im Elsässischen Museum Unterkunft gefunden haben. 

Nicht berücksichtigt sind die Inschriften an und in Gottes- 
häusern und auf Grabsteinen. Letztere wurden vorwiegend aus 
ländlichen Friedhöfen von dem leider zu früh verstorbenen 
Stiflsdirektor D, theol. Erichson zu Straßburg gesammelt, sind 
aber bis jetzt nicht veröffentlicht worden. Einige ältere und 
merkwürdige hat Mündel erwähnt. U\e verschwundenen Straß- 
burger Inschriften finden sich bei Mündel, Wegen der In- 
schriften auf Oefen verweise ich auf meine Einzelschrift». 

Uebergangen sind ferner die handgemalten Göttelbriefe, 
Konfirmations-, Hochzeits- und Leichentexte und sämtliche ge- 
druckten Sachen, z. B. : der göttliche oder christliche Haussegen, 
sonstige Haussegen, der Segen des Herrn, verschiedene goldene 



1) Vgl. auch Kassel, Volkskunde im Hanaaerland. im «Jahrb. für 
Geschichte, Sprache u. Literatur Els.-Lothr. XI (1895), S. 187 f. — 
2) Kassel, Plattenöfen und Ofenplatten im Elsai5, mit 145 Klischees 
und 31 Zeichnungen. Straßburg, Staat, 1903. 



— 270 — 

Sprüche, der goldene Hausfreund, die häuslkheu Tugenden, das 
Vaterunser, das Ave Maria, «zum Hochzeilslag», die verschiedenen 
stände und die Stufenleiter des menschlichen Lebens, der breite 
und der schmale Weg, der Irr^arlen, das ungerechte Geritht, 
dirr Baum der Liebe. Alle diese Sa<^en werden in goldenen und 



Qehofc ins Roßhansen za Tasenhaneen. 

farbigen Buchslaben ixler mit Bildern auf Jahrmärkten feil- 
geboten und von Landleuten gern gekauft. 

Was die Feldkreuze betrifTl, so sind ihre Inschriften im 
Elsaß nach einem gewissen Muster abgefaßt. Nur die älteren 
von ihnen haben kurze, übrigens auch einförmige Inscbriflen, 



— *>71 - 

z. B. «dieses Kreuz (diesen Bildslock) hat machen lassen N. N., 
Golt zu Ehr», «Jesu zu Liehi>, «uaserer heben Frauen zu Ehr», 
«der Heben Mutler Gottes zu Ehren» — oder mit dem Zusatz 
adein Golt Genade», d. h. {gnädig sei. Von Inschriften launiger 
Art,- wie sie auf Grabsteinen, Bildstöcken und Eeldkreuzen, auf 



MdPterlen, Laichen- und Totenbretlern, in Totenkapellen und 
Arinenseelen- und Voli\tal'eln in Bayern, Oeslerreich und der 
äcliweiz üblich sind, ist im Elsaß keine Spur. Eine solche 
Vereinigung von Frömmigkeit und Witz sag;l dem elsässischen 
Geschmack nicht zu. Ja e« ist nicht -einmal Sitte, zur Er- 
innerung an ein stailgebabtes Unglück einen Gedenkstein reli- 



1 



— 272 — 

giösen Inhalts außerhalb des Friedhofs zu errichten. Nur zwei 
solcher Gedenksteine, die zum Andenken an einen plötzHch 
Vepstorhenen errichtet wurden, sind mir bekannt geworden. 
Der eine steht ao der Straße zwischen Pfaffenhofen und Uhr- 
weiler und weist folgende Inschrift auf: 

1 Donnenwirth Johann von Uhrweiler, 32 Jahre alt, fand an 
diesem Ort den 30. Juli 1858 durch einen unglücklichett Tritt 
den Tod unter seinem Wagen. 

Es ist ein einfacher, meterhoher Stein mit eingehauenem 
Kreuz. Auf dem anderen, einem großen, atattlichen Feldkreuz 
in den Beben zwischen Sässolsheim und Ingenheim, liest man: 

2 Zum frommen Andenken an nnsem hier am 14. Juli 1900 
schnell verstorbenen, thenern Vater Amandas Ulrich. Mein 
Jesus, Barmherzigkeit. Die trauernden Kinder zu Sässolsheim. 

Die Mehrzahl der Inschriften findet sich an Häusern, und 
in alten Zeiten waren viele Häuser von unten bis oben damit 
geschmückt. Das schönste Inscbriflenhaus war froher das des 
Stabhaltersbauern in Kirrweiler. Es wurde mehrmals von franzö- 
sischen Künstlern abgemalt und brannte leider am 20. Dezember 
1893 nieder. Auch die malerischen Inschriften des Hansädels* 
hofs zu Uhrweiler sind bedauerlicher Weise seit 1903 bis auf 
eine durch einen neumodischen Spritzwuif verdeckt worden. 
Ebenso sind die schönen Inschriften ins Rosinen zu Oifweiler, 
ins Perus zu Morschweiler und ins Wolfen zu Fürdenheim über- 
tüncht worden« Das schönste Inschriftenhaus ist jetzt ins Roß- 
hansen zu Issenhausen, weniger eigenartig ins Brunehansen 
in Eckwersheim und der Stall ins Gangloffs in Mietesheim. 
Solche malerischen Häuser erregen natürlich die Aufmerksam- 
keit und Neugierde der Fremden, und sogar die Soldaten werden 
durch ihren Anblick gefesselt, so daß es beim Durchmarsch 
regelmäßig eine Stockung gibt. Wo viele Inschriften an dem- 
selben Hause vereinigt sind, findet man dem Inhalte nach ein 
buntes Durcheinander. Für die vorliegende Arbeit wurden 
natürlich die einzelnen Inschriften getreaat und nach ihi^ia 
Inhalte zusammengestellt. Die Inschriften selbst heißen im 
Volksmunde «Gsetzle» oder cRimle». Im allgemeinen muß 
man sagen, daß sie nicht immer in Beziehung stehen zu der 
Stelle oder dem Gegenstand, den sie schmücken. Die meisten 
werden ohne Wahl da oder dort angebracht, viele nehmen aber 
auch Bezug auf den Gegenstand oder die beigefügten Malereien. 

Was nun die Ausfuhrung der Inschriften betrifft, so sind 
sie entweder mit Farbe gemalt oder in Holz geschnitzt oder in 
Stein gehauen. Die Inschriften an Häusern, auf den sogenannten 
«Spiegeln» des Fachwerks, sind mit grüner, gelber und schwarzer 



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• — 273 — 

Farbe auf dem weißgetunchten Untergrund gemalt. Diese Art 
der Inschriften ist wie geschaffen für leichte, derbe und scherz- 
hafte Sprüche, die ohne Schaden wieder entfernt werden können, 
während die Entfernung steinerner Inschriften größere Zer- 
störungen verursachen würde. Es ist merkwürdig, wie sich 
solche gemalten Inschriften viele Jahrzehnte lang in Wind und 
Wetter erhalten haben. So kann man in Bosseishausen mehrere 
Inschriften vom Jahre 1740, in Geisweiler von 1764, in Alt- 
eckendorf von 1770 sehen. In Morsch weiler hielten sogar wohl 
erhaltene Sprüche von 1711 bis 1902 aus. Gemalte Inschriften 
werden heute wohl nur noch sehr selten gemacht, man zieht ge- 
schnitzte und in Stein gehauene vor. Jedoch waren diese auch 
schon früher gebräuchlich. Auch die geschnitzten Inschriften 
werden oft gemalt, in weißer, schwarzer, blauer oder grüner 
Farbe, manchmal abwechselnd schwarz und rot oder grün und 
blau, bisweilen schwarz auf grünem Untergrund ; die in Stein 
gehauenen in Schwarz oder Gold. 

Sie werden fast durchweg in deutschen Schriflzeichen dar- 
gestellt, nur selten trifft man französische Buchstaben. Dabei 
werden an älteren Inschriften keine Zwischenräume zwischen 
den einzelnen Worten, und am Ende der Zeile auch keine 
Trennungszeichen gemacht. Die Schreibweise ist häufig an die 
mundartliche Aussprache angelehnt und auch sonst fehlerhaft. 
Besonders deutlich ist das in folgenden Sprüchen, um bloß 
diese "wenigen zu erwähnen (Nrn. 305, 161, 271): 

Gott förchten macht selig*^ 

Wein trinken macht fröhlich: 

So förchten Gott und trinken Wein, 

So können ihr fröhlich und auch selig sein. 

Bleib mit deiner Genad darin, 
Weil ich schonst verlassen bin. 

. . . dennen sie ich fier ein Narren an, 
Bitz er mirs besser zeien kann. 

S. auch Nrn. 142 u. 244. Ich habe daher alle Sprüche ins Hoch- 
deutsche übertragen. Unter den Inschriften finden sich außerdem 
aber auch eine Reihe von lateinischen, einige französische und 
griechische, eine englische, eine hebräische. 

Bei vielen Hausinschriften findet sich mannigfaches Bei- 
werk, allerlei gemalte und geschnitzte Gegenstände, oft scherz- 
hafter und drolliger Art, die zu den Inschriften gehören und 
ihnen ein ganz eigenartiges Gepräge verleihen. So sieht man 
verschiedene Verzierungen : das Auge Gottes, Kreuze, Rosietten, 
Kreise, Fahnen, die Umrisse eines Hauses, ein Herz ; ferner 
landwirtschaftliche und Hausgeräte, eine Kelter, ein Faß, ein 

18 



— 274 — • 

Sländel, eine Pflugschar, Hacke, Karst, Rebmesser, Riedel, 
Sache, oft ein ganzes Ackerwesen an einer einzigen Wand dar- 
gestellt. Sodann fand ich ein ZifTerblatt, eine Hose, ein paar 
Stiefel, einen Schuh, einen Pantoffel, einen Stuhl, drei Erlen, 
wirkliche und erdachte Blumen, teils einzeln, teils zu Gruppen, 
in Körbchen und Töpfen vereinigt, Tulpen, Morgenstern und 
Lilien, die drei Lieblingsblumen des elsässer Bauern. Die Lilien 
mußten während der Revolution 1848 als Sinnbild der Königs- 
würde entfernt werden. Ferner bemerkt man häufig Hopfen- 
und Rehranken, Trauben und Rebblätter, Aehren und allerlei 
Früchte, bald zu Kränzen vereinigt, bald im Füllhorn, oder 
auch einzeln, auch Lorbeer- und Eichenkränze. Auch Tiere 
sind häufig abgebildet, z. B. ein Hahn, ein Pfau, eine Wild- 
ente, ein Rabe, zwei Störche, ein Storch mit einer Schlange, 
zwei liehkosende Tauben, ein Vogel auf dem Baum, ein Hund, 
ein aufrecht gehendes Schwein, eine Kuh, drei Pferde, ein 
Reh, ein Hirsch, ein Affe, zwei Löwen, ein Löwe mit einem 
Riedel, Fische. Von Menschen finden wir dargestellt : vor allem 
den Bauer selbst mit bespanntem Pflug, den dreschenden 
Bauer, den Bauer mit Rückkorb und Ständel, den Bauer mit 
der Sense, die Bäuerin in alter Tracht mit Ackergeräten, den 
Schuster an der Werkbank, den Küfer am Faß, den Schneider 
mit dem unvermeidhchen Bock, den Hirt, mehrere Reiter, 
eine bespannte Prachtkutsche mit Insassen und dem Kutscher 
aiuf dem Bock, einen zweiräderigen Karren mit Pferd und Reiter, 
einen französischen Infanterie- Soldaten, einen französischen 
Grenadier, einen Spießsoldat, einen Nationalgardisten mit Käppi 
und Säbel zu Pferd, einen Kanonier. Einzelne einfache Figuren 
werden auch mit weißer Tünche auf Mörteluntergrund an ab- 
gelegenen Wänden angebracht. 

Die Herkunft der Inschriften ist verschieden. Ein großer 
Teil von ihnen ist der Bibel und dem Gesangbuch oder anderen 
religiösen Büchern, vereinzelte den Werken deutscher Dichter 
entnommen oder nachgeahmt. Bei weitem die meisten sind 
Erzeugnisse mehr oder weniger gelehrter und gebildeter Volks- 
kreise. Der Reim liegt auch manchmal so nahe, daß er un- 
bedingt aus dem Volksmunde herauskommen muß, so z. B. 
Gottes Hand — bin ich genannt — Feuer und Brand (Nr. 247 a), 
Bauen — Vertrauen (Nrn. 119, 120, 122, 124), das Bauen ist 
eine Lust — kostH — nicht gewußt (Nr. 272) u. s. w. Viele 
von diesen sind daher Gemeingut des deutschen Volkes und 
können nach ihrem Ursprung ebensowenig bestimmt werden 
wie z. B. manche Volkslieder. Eigentümlich ist es, daß zahl- 
reiche elsässischen Inschriften mit solchen in Altdeutschland 
gleichlautend sind und zwar in einer Zeit, wo das Elsaß 



— ^275 — 

politisch noch zu Frankreich gehörte. Wenn wir bedenken, daß 
die überwiegende Mehrzahl der Inschriften aus der französischen 
Zeit stammt, so müssen wir staunen, wie zahlreich und eng 
•die Fäden gewesen sind, welche das Elsaß mit anderen Teilen 
des deutschen Sprachgebietes verbanden. Wie viele Inschriften- 
«prüche mögen wohl durch Pfarrer, Soldaten und Handwerks- 
burschen, besonders auch durch Stammbücher, von jenseits des 
Rheins herübergebracht worden* sein ! Wie viele auch vom 
dem Elsaß dort hinüber ! 

Eine eigene Bewandtnis hat es mit dem sogenannten Gol- 
denen ABC. Man versteht darunter eine Sammlung von ge- 
reimten religiösen upd Kernsprüchen, von denen jeweils die 
«rste Zeile der Reihe nach mit den einzelnen Buchstaben des 
ABC beginnt. In der ehemaligen Grafschaft Hanau-Lichtenberg 
genießt das Goldene ABC noch heute eine große Verehrung, 
obwohl nur noch vereinzelte Sprüche im Volksmunde haften 
geblieben sind. Daß es gerade dort einen sicheren Hort und 
Ireue Pflege fand, wird den Kenner der Verhältnisse nicht be- 
fremden, denn der größte Teil der geistigen Nahrung der alten 
Hanauer bewegte sich vor und nach der französischen Revolution 
auf religiösem Gebiet. Ich kenne zwei verschiedene Goldene ABC. 

Das häufigere, das oft an der Innenseite der Stubentür 
oder des Känsterle aufgeklebt war, ist in einer Beilage wieder- 
gegeben. Es ist anscheinend um 1820 gedruckt bei J. Ludwig 
Kößler, der von 1810—1840 Buchdrucker und Buchhändler in 
Hagenau war. Er lebte von 1773—1841. In den «Vorschriften», 
•die der Ackerer Christmann Wendung (1790 — 1862) von Ringen- 
dorf (s. u. S. 278) kunstvoll anfertigte, ist es von den Buch- 
staben A bis H wortgetreu wiedergegeben. Da sich Wendling 
•dabei selbst als c6coIier» bezeichnet, wird es wohl um die Jahr- 
hundertwende, jedenfalls lange vor dem Kößlerschen Druck, ge- 
schrieben worden sein, und wir gehen nicht fehl, wenn wir 
annehmen, daß es bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts im Gebrauche war. Ueber die Art der Entstehung dieses 
Goldenen ABC fehlt jeder Anhaltspunkt. Es läßt sich nicht ein- 
mal mit Bestimmtheit sagen, daß es elsässischen Ursprungs ist, 
denn einerseits ist eine ganze Reihe von Sprüchen Allgemein- 
l?ut des deutschen Sprachgebiets, andererseits ist der Q-Spruch 
sicher außerhalb des Elsaß entstanden, er enthält nämlich das 
niederdeutsche Wort quad = böse. Eine Wechselbeziehung 
zwischen den Hausinschriften und den Sprüchen des Kößlerschen 
Goldenen ABC scheint mir wahrscheinlich, so zwar, daß Haus- 
inschriflen zu seiner Herstellung dienten und andererseits auch 
wieder aus ihm entnommen wurden. Uebrigens enthält das Blatt 
mit dem Kößlerschen ABC nicht nur die 24 ABC-Sprüche, 



, — "276 _ 

sondern außerdem noch 34 Sprüche gleichen Inhalts, so daß 
die ganze Sammlung 58 kostbare Sprüche aufweist, und zwar 
6 Sechszeiler, 51 Vierzeiler und einen Zweizeiler. Davon wurden 
19 als Inschriften im Elsaß verwe)idet, etwa ein Dutzend 
fand ich in Inschriften- und « Spruchsammlungen außerhalb- 
des Elsaß. 

Das andere Goldene ABC scheint eine geringere Verbreitung^ 
gefunden zu haben und ist gedruckt bei Ludwig Franz Le Roux 
«auf dem Münsterplatz, Nr. 17» in Straßburg, lieber die Zeit 
seiner Entstehung vermochte die Firma F. X. Le Roux u. Comp, 
keine Auskunft zu geben. Auch bei Seyboth (Das alte Straß- 
burg, 1890) findet sich kein sicherer Anhaltspunkt. Es scheint 
mir aus derselben Zeit zu stammen wie das Kößlersche und 
hat gleichfalls 24 Vierzeiler, von denen jedoch bloß der H-, I- 
und R-Spruch mit den Kößlerschen Spruchen Aehnlichkeit 
haben, während alle andern verschieden sind. Auch die An- 
ordnung de» Le Roux'schen ABC ist die gleiche wie die des= 
Kößlerschen. Mit den beigegebenen Sprüchen hat es im ganzen 
44 Vierzeiler, 1 Sechszeiler, 1 Zweizeiler und ein Gedicht von 
4 Vierzeilern «Vom Ehestande». Nur 7 dieser Sprüche finden^ 
sich in Inschriften und außerelsässischen Spruchsammlungen: 
wieder. 

In der Literatur stoßen wir auf 5 ähnliche Spruchsamm-^ 
lungen, die aber alle nur Zweizeiler haben. Die älteste findet 
sich in Heihers Syliabierbüchlein * von 1593 und heißt «Das 
alte Geistliche ABC». Es ist auch — fehlerhaft — in KöfferW 
Namenbüchlein « wiedergegeben und später von Draheim » ab- 
gedruckt. «Ein gülden ABC», das einen Hausspruch darstellt, 
gibt Sutermeister ^ aus EIgg in der Schweiz von 1810. Zwei 
ABC, ein güldenes und ein silbernes finden, sich bei Claudius^. 
Der Geist, aus dem diese Sammlungen entsprossen sind, kenn- 
zeichnet sich am treffendsten aus der Ueberschrift des Helber- 
schen ABC: 

Ein ieder Schueler Christi soll 

Dises ABC lernen wol 

und nicht minder aus der Ueberschrift des Kößlerschen: 

Im Namen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit. 
Das Goldene ABC für Jedermann, 
Daß er mit Ehren wohl bestehen kann. 



1) Sebastian Heihers Teutsches Syliabierbüchlein, heran&g. v.. 

Röthe. Tübingen, Mohr, 1882, S. 28f. - 2) ZoJerZs Namenbüchlein. . 

Nürnberg, 1570, B 7 b ff . — 3) Draheim 114. - 4) Sutermeister 38, 

— 5) Claudius in den Werken des Wandsbecker Boten, heransg. von 

Redlich. Gotha, Perthes, 1879. II, 161 fP. 



- 277 — 

und des Le Roux'schen: 

Im Namen der allerheiiigfsten Dreifaltigkeit 
Neu verfaßt für Jedermann 
Daß er mit Ehr* bestehen kann. 

In diesem Geiste hat auch der treffliche Ghristmann Wend- 
ung von Ringendorf in seinem «Schreib- und Lehrbuch» von 
1824 aus Bibelsprüchen ein eigenes ABC zusammengestellt und 
«lit kunstvollen Anfangsbuchstaben ausgezeichnet. Die merk- 
würdige Sammlung besteht aus folgenden Spruchen : A : Sir. 1, 
i —4. A (nochmals): Ps. 78, 6. 7 (mit dem Eingangswort «Ach») ; 
79, 9. i3. B: Ps. 34, 14-18. B (nochmals): Ps. 37, 37. 39. 
40. G : Rom. 4, 25 (mit dem Eingangswort «Ghristus») ; 5^ 
1—3. D: Sir. 35, 21-24. E: Rom. 3, 23—25 (das Eingangs- 
wort «Denn» ist ausgefallen). F: Sir. 18, 30—33; 19, 1. 4. 
•G : Ps. 143, 2—6 (das Eingangswort «und» ist ausgefallen). 
•H : Ps. 73, 25—28 (mit dem Eingangswort «Herr»). H (noch- 
mals) : Ps. 9Ü, 1—5. 1: Ps. 66, 1—5. 8. 9. I (nochmals): 
Ps. 118, 5-9. K: Ps. 95, 1—6, K (nochmals) : Ps. 145, 4—9. 
L : Ps. 103, 1—6. L (nochmals) : Sir. 18, 19-23, M : Sir. 
-21, 1—5. N: Sir. 25, 9—14. 0: Sir. 41, 1-5. P: Ps. 34, 
4-8. Q: Altes Hanauer Gesangbuch von 1780, Lied 378, V. 1 ; 
-Ps. 119, 174—176. R: Sir. 8, 6—10. R (nochmals): Sir. 13, 
-30-32; 14, 1. 2. S: Ps. 39, 6-10. T: Ps. 119, 17—22. U : 
Ps. 90, 10-13. V : Ps. 62, 11— 13; 63, 2. W: Ps. 86, 11—13. 
15. Z : Ps. 119, 33—37. Z (nochmals) : Ps. 119, 152—157. 

Endlich gibt Claudius^ noch Bruchstucke einer «Universal- 
historie des Jahres 1773 oder silbernes ABG». 

Obwohl nun die Herkunft vieler Spruche nicht erforschbar 
ist, ist es mir doch gelungen, für eine Anzahl derselben den 
Verfasser, für andere den Verfertiger festzustellen. Es war das 
ikeine leichte Arbeit. Trotzdem ich in Volkskreisen kein Un- 
bekannter bin, ist gerade auf diesem heikein Gebiete die länd- 
iiche Verschlossenheit, ja ein gewisses Mißtrauen doch mächtig 
.zutage getreten, sonst hätte sich wohl noch mehr herausbringen 
lassen. Die um das Volkstum verdienten Männer sind durchweg 
Leute, die auch sonst über das Mittelmaß hervorragten und die 
auf andern Gebieten, durch Anfertigung von Leichentexten, 
Scherzgedichten, Liebes- und Hochzeitsliedei-n, «Trauerarien», 
•oder als Musikanten eine gewisse dichterische Ader erkennen 
ließen. Unter ihnen sind auch einige Lehrer, die früher ein sehr 
geringes Diensteinkommen hatten und sich daher durch ihre 



1) Matthias Claudius Werke I, 6. Aufl. Hamburg, Perthes, 1841. 
.«. 96. 



— 278 — 

Kunstfertigkeit manchen Nebengroschen verdient haben mögen^ 
denn Dichter und Künstler waren oft ein und dieselbe Person. 
Hier also alles, was ich in Erfahrung bringen konnte : 

1) Jakob Wundy Glaser in Wasselnheim, 4829—36, Ver^ 
fasser von Nr. 226 u. 227. 

2) Strohly Gerber in Schweighausen, Inschriftendichter der 
1830er Jahre. 

3) Johann Georg Kleiriy Schullehrerin Schweighausen 1834^ 
Dichter und Künstler der Inschrift Nr. 364. 

4) Jakob Leonhardt in ßischweiler 1835, verfaßte den Sprucb 
Nr. 125. 

5) Daniel Lix, Pfarrer in Hördt, f ^867, Verfasser der In-- 
Schrift Nr. 80. 

6) Lorenz Kaltenheißer, Lehrer in Hönheim 1845, frucht- 
barer Dichter und Künstler. Verfasser der Inschrift Nr. 195^ 
Verfertiger der Inschriften Nr. 48 u. 220 auf Tafeln. 

7) Christmann Wendung Vater, der «Gartenjockeis Christ- 
mann», Ackerer in Ringendorf, 1790—1862, Verfertiger von- 
«Vorschriften» (1811), eines künstlerischen «Schreib- und Lehr- 
buchs» (1824) mit einem selbst zusammengestellten geistlichen 
ABC (S. 277), Schreibkünstler und Dichter, Verfasser einer 
Landwirtschaftlichen Chronik (seit 1804) i. Er war ein alter 
Hanauer von echtem Schrot und Korn und wurde bei Neu- 
bauten weit und breit zugezogen, um religiöse Inschriften und 
Kernsprüche zu liefern. Verfasser der Inschriften Nr. 131 u. 173,. 
die er im Verein mit seinem Sohn (s. u. 25) nebst anderea 
Inschriften in seinem eigenen Stalle gemalt hat. 

8) Martin Lorentz, geb. 10. 11. 1802 in Geudertheim, war 
zuerst acht Jahre Lehrer in Bietlenheim und dann lange Jahre 
Weber in Geudertheim. Schon als Lehrer war er ein gesuchter 
Clarinettist und in Musikkreisen weit und breit als «der Bietler 
Schulmeister», später als «der Martin von Geuderte» bekannt. 
Er verfertigte in den 1840er und 1850er Jahren eine große 
Zahl wirklich kunstvoller Tafeln*, verfaßte auch Inschriften, so- 
Nr. 378. Er selbst nannte sich auf den Tafeln anfangs «Musi- 
kant in Geudertheim», später «Weber, Hänfer und Musikant 
in Geudertheim», Als Hänfer zog er von Dorf zu Dorf, um 
auf den Speichern der Bauern den Hanf zu hecheln. Die 
mühsame Arbeit begann schon am frühesten Morgen, um 3 Uhr 
oder noch früher. So kam er auch am 3. Februar 1860 nach 



1) Von mir im Neuen Zornthal-Boten 1899, Nr. 18-32 ver- 
öffentlicht. — 2) Vgl. Kassel, Zur Volkskunde im alten Hanauerland 
im Jahrb. f. Gesch., Spr. u. Lit. 1895. S. 188 f., wo auch eine An- 
zahl anderer Dorfkünstler aufgeführt ist. 



— 279 — 

Gimbrett, Nachdem er bis 8 ühr morgens fleißig gehechelt 
hatte, sagte er zu seinem Gehilfen : Wir wollen ein Lied an- 
stimmen. Und mit heller Stimme sangen die beiden das schöne 
Kirchenlied : Himmelan geht unsere Bahn. Plötzlich platzte 
ihm eine Krampfader am Unterschenkel, und er verblutete in 
kurzer Zeit. So waren Religiosität und Kunst bis zum letzten 
Stündlein die Begleiter dieses seltenen Mannes, eines biederen 
Vertreters des alten Dorfschulmeister tu ms, jenes heutzutage 
undenkbaren Gemisches von ehrlichem Handwerk und Wissen- 
schaft. Seine Leiche wurde nach Geudertheim gebracht, und 
Pfarrer Caspari ließ beim Begräbnis eben jenes ergreifende Lied 
singen: Himmelan geht unsere Bahn. Ehre dem Andenken 
dieses um das Elsaß hochverdienten Mannes ! 

9) Johann Lienhardtj Ackerer in Dunzenheim 1851, hat 
in seinem Heimatsdorf viele schöne Tafeln gemalt, Verfasser 
der Inschrift Nr. 383. 

40) Ganter^ Maurer und Steinhauer in Niefern, gestorben 
1852, hat viel Bildhauerei geliefert. Verfasser der Inschrift 
Nr. 392 und Verfertiger derselben in Niefern und Uttweiler. 
Seine Spuren finden sich heute noch an zahlreichen Bildhauer- 
arbeiten im nördlichen Hanauerland. 

11) Zimber, Maurer in Huttendorf, 185üer Jahre. Verfasser 
scherzhafter Inschriften, u. a. der Nrn. 365 u. 366. 

12) Andreas Schultz, «der Briedls Andres», Küfer und 
Musikant in Obermodern, 1816 — 1872, Verfasser und Verfertiger 
der Nrn. 373 u. 385. 

13) Theodor Heiligenstein, geboren 1828, 1861—1869 
Lehrer in Romansweiler und Wickersheim, 1875—1900 Mit- 
arbeiter des «Eis. Journals» und des «Straßb. Wochenblatts», 
an dem er sich durch seine scherzhaft geschriebenen Monats- 
chroniken in Straßburger Mundart bekannt gemacht hat. Ver- 
fasser der Nr. 163. Verfertiger schöner farbiger Tafeln. 

14) Johann Moser, Ackerer in Breusch wickersheim, 
1829—1905, Verfasser von Grabinschriften, Gedichten und 
Reimen, u. a. der Nrn. 454 u. 455. 

Als Gelegenheitsdicbter seien genannt : 

15) Oberarzt Dr. Fischer im Infanterie- Regiment Nr. 99 
zu Zabern, 1899, Verfasser der Inschriften Nrn. 289 u. 300. 

16) Roethinger, Orgelbaumeister zu Scbiltigheim, lÖOl, 
Verfasser der Inschrift Nr. 281. 

Eine nicht minder verdienstvolle Rolle kommt denjenigen 
Männern zu, die Inschriften ausgeführt, gemalt, ausgehauen, 
geschnitzt haben. Maurer, Zimmerleute und andere Hand- 
werker schrieben auf Geheiß des Bauherrn passende Inschriften 



— 280 — 

ji demselben oder einem Nachbardorf ab und brachten sie dann 
in entsprechender Weise an. Manche hatten auch geschriebene 
Spruchsammlungen. Ihnen ist daher das Verdienst der Ver- 
breitung der Inschriften größtenteils zuzuschreiben. Einige 
von ihnen sind bereits erwähnt. Ich nenne weiter: 

17) Ignaz Daeachler, Maurer in Scherlenheim, 1781. 

18) Franz Anton Schwetterle, Maurer in Kirrweiler, 1808, 

19) Gull, Zimmermann in Hördt, um 1820. 

20) Martin 0hl, Zimmermann in Hördt, 1829, gestorben 
in Neumühl bei Bischweiler. 

21) Simon, Maurer in Olwisheim, um 1830, 

22) Franz Josef Michel, Ackerer, Lehrerssohn in Lixhausen, 
Rätseldichler, 1834. 

23) Michel Wolff, Ackerer in Gottesheim, 1839, wanderte 
nach Amerika aus. 

24) Heinrich Balzli in Imbsheim, 1848. 

25) Michel Scheer in Eckbolsheim, 1845. 

26) Ghristmann Wendung Sohn, Ackerer in Ringendorf, 
1817—1887, Schreibkünstler, beliebter Verfertiger von Göttel- 
briefen und Leichentexten. Er wurde, gleich seinem Vater 
(s. 0. 7), beim Anbringen von Hausinschriften weit und breit 
zu Rate gezogen. 

27) Franz Josef Lang, Maurermeister in Schwindratzheim, 
1781-1858. 

28) Georg Schiny, Uhrmacher in Zutzendorf, lebt noch, 
etwa 60 Jahre alt, Schnitzkünstler. 

29) Johann Schultz, «der Zimmerhänseb, Schreiner in 
Obermodern 1833—1896, Zeichen- und Malkünstler. 

30) Johann Kaercher, Maurer und Bennenmacher in Gim- 
brett 1865, hatte bloß ein Bein. 

31) Johann Heinrich Rohitzer, 1797 — 1863, Lehrer in 
Schalkendorf 1818— 1846, später Landwirt, Zeichenkünstler und 
Verfertiger vieler prächtiger handgemalter Sachen im Nord- 
hanauischen, im Volksmunde der «Schalkendörfer Schul- 
meister». 

. 32) Margarethe Kärcher aus Alteckendorf, 1837—1880. 
Stickte eine große Zahl von Buchzeichen, Tafeln mit Sprüchen 
und anderen religiösen Sachen für Pfarrer und Freunde. Unter 
anderem verfertigte sie die große Tafel auf dem Neuenberg, 
«Zur Erinnerung an das 1. Jahresfest 1879». Nr. 101 stammt 
von ihr. Sie machte sich auch als Verwundetenpflegerin im 
Kriegslazaretl zu Alteckendorf 1870 verdient. 

33) Nikolaus Meyer, der «Rüdi-Klaus», Maurer in Forst- 
heim, geboren 1837. Er kam viel im Elsaß herum und ver- 



— 281 — 

* 

fertigte unzählige Inschriften, u. a. erneuerte er die des berühmten 
Stabhallerhofs in Kirrweiler. 1902 lebte er noch. 

34) Der «Weberlipsen Seppeb, Maurer in Kirrweiler, 1830 
bis 1860er Jahre, Verfertiger der schönen Inschriften ins Roß- 
hansen in Issenhausen. 

35) Jakob ümecker, Volkskünstler und geübter Zeichner, 
1865, Verfertiger schöner Tafeln (eine befindet sich im Eis. 
Museum) lebte noch 1894 in der Mauergasse zu Straßburg. 

36) Johann Carhiener • aus Meisheim, 1867, jetzt Barbier 
in Straßburg, Kinderspielplatz. 

37) Jakob Dutty Glaser in Obermodern, 1883, malte Losungs- 
scheine und Kammscheiden. 

38) Emil Lohstein^ Schreiber ins Baumanns Mühle zu 111- 
kirch, schrieb in den 1890er Jahren «Trauerarien» für Dunzen- 
heim. 

Endlich ist noch zu betonen, daß in den 1820 er bis 
1850er Jahren die Uhrmacher aife dem Schwarzwald herr- 
liche gemalte Zifferblätter für Wanduhren und ähnliche Sachen 
mit Inschriften anzufertigen pflegten, die sich einer großen 
Beliebtheit erfreuten. (Vgl. die Inschriften Nr. 375 und 376.) 

Ueber die Umstände, unter denen Inschriften angefertigt 
werden, mögen hier einige Vorkommnisse Aufschluß geben. 
Der Tagner ßurkhardt in Wickersheim erzählte mir, daß er 
nach Erbauung seines Hauses die Bibel ^ur Hand genommen 
und einen Psalm herausgesucht habe, der ihm besonders 
gefiel. Er wählte Ps. 15, 4 und ließ ihn auf einer Steinplatte 
anbringen. 

Die bejahrte Großmutter ins Bayerjockeis zu Bischholz 
teilte mir mit, daß sie lange krank gewesen sei und dabei den 
Spruch Klagel. 3, 26 besonders lieb gewonnen habe. So sei 
für sie das Bedürfnis gekommen, diesen Spruch immer vor 
Augen zu sehen, und ein. malkundiger Bube habe ihn in ihrem 
Auftrage auf eine Tafel gemalt. 

Witwe Ottmann in Bietlenheim erzählte mir folgendes. 
Beim Neubau des Hauses habe ihr Vater mit den Zimmer- 
leuten am Tische gesessen. Es sei die Rede gewesen von 
einem Hausspruche. Da habe der Vater seine Schnupf- 
tabaksdose herausgenommen und einen darauf befindlichen Vers 
als passend befunden, die Zimmerleute hätten dann während 
des Essens noch ein paar Verse selbst dazugemacht. Dann 
habe sie, Witwe Ottmann, die Verse aufgeschrieben und 
beim Steinhauer Kugler in Schiltigheim eine Platte bestellt. 
Die Steinplatte mit der Inschrift ist noch heute zu sehen 
(Nr. 218). 

Eine junge Frau, die nicht mit Namen genannt sein will. 



— 282 - 

verlor durch einen unerbittlichen Tod zwei herzige Buben, ihre 
einzigen Kinder. Da setzte sie sich hin und stickte mit kunst- 
geübter Hand zwei'Tafeln (Nrn. 69 u. 99), und manche heiße 
Zähre gab der feinen Arbeit die Weihe des Mutterherzens. Die 
schönen Tafeln schmücken jetzt die Wohnstube des vereinsamten 
Hauses, ein schlichtes Denkmal des Schmerzes, der Ergebung, 
der Gottesfurcht und treuer Elternliebe. Gottes Segen über 
ein solches Haus! 

Zweifellos handelt es sich bei den Inschriften um eine ver- 
gehende Sitte . Früher waren sie , besonders an Häusern , 
viel häufiger als jetzt. So fehlten sie in den 1850er Jahren 
zu Mietesheim, Schillersdorf, Prinzheim fast an keinem Haus. 
In Vendenheim gab es 1870 noch 15 Häuser mit vielen In- 
schriften, heute sind es noch vier mit vereinzelten Sprüchen. 
Besonders bezeichnend ist es aber, .daß ich von den Inschriften, 
die Mündel 1883 anführt, 15—20 Jahre später mindestens 25 
nicht mehr fand. 

Die Ursachen des Abkommens sind verschiedene. Was die 
gemalten Hausinschriften als den Hauplstock der Inschriften 
betrifft, so sind sie überhaupt schwer zu erhalten, und es muß 
wirklich Wunder nehmen, daß sie so lange aushalten konnten. 
Es liegt auf der Hand, daß es schwierig ist, beim Neutünchen der 
Wände die Inschriften so zu behandeln, daß sie nicht in ihren 
Umrissen beschädigt werden, oder sie gar nachzumalen. Die 
Maurer fuhren mit ihrem Pinsel dazwischen durch, so daß die 
alte unsaubere Tünche inmitten der neuen zu sehr abstach. 
Wenn nach einigen Uebertünchungen der Unterschied zu grell 
war, wurde der Besitzer schließlich überdrüssig und ließ ein- 
fach alles entfernen, oder der Maurer fuhr aus eigenem Antrieb 
mit dem Pinsel darüber. Man mag als Freund des Volkstums 
die Erhaltung der Inschriften für erstrebenswert halten, aber 
man muß auch zugestehen, daß solche unsauberen Inschriften, 
wie sie hie und da noch vorkommen, das Auge des Vorüber- 
gehenden beleidigen. Schön sind sie gewiß nicht. Werden 
die Wände aber nicht von Zeit zu Zeit neugetüncht, so fällt 
der Mörtel samt der Inschrift ab, und die Inschrift wird nicht mehr 
erneuert, weil die ländlichen Maurer immer seltener werden, 
die das Verständnis und die nötige Fertigkeit zur kunstgerechten 
Erneuerung besitzen. Oder die Malerei fällt dem Zahn der 
Zeit zum Opfer, sie verblaßt und verschwindet. Die mit In- 
schriften gezierten «Spiegel») sind zwar malerisch, zur Erhaltung 
der Inschriften jedoch nicht geeignet. Nicht selten wurden 
Inschriften entfernt, weil sich der Besitzer ihres derben In- 
haltes schämte, oder weil die Leute sich wegen ihres unfrei- 
willigen Geständnisses ärgerten. Dies geschah z. B. ins Eberles 



— 283 — 

und ins Jörgmichels zu Dunzenheim wegen der Inschrift Nr. 
242 a. In Obersulzbach wurde die Inschrift Nr. 233 mit einem 
Geschäftsschild zugedeckt. Mit Wehmut sah ich die prächtigen 
Inschriften und Malereien des Hansädelshofes zu Uhrweiler 
verschwinden. Als ich 1904 dort war, um sie für die vorliegende 
Arbeit photographisch aufnehmen zu lassen, kannte ich mich 
anfangs nicht mehr aus. Der Besitzer hatte sein Wohnhaus 
und die Straßenseite des Stalles durch Spitzwurf verschönern 
lassen, und an Stall und Scheune im Hof war alles überpinselt. 
Nur eine einzige Inschrift (Nr. 374) blieb am Stalle stehen, sie 
ist allerdings häßlich, und so waren die anderen leider auch! 
Einige hatten schon 1866 durch einea Blitzschlag gelitten. 
Auch die schönen Inschriften ans Perus in Morschweiler 
wurden überpinselt, und es sind bloß noch einige Geräte 
und Blumen zu sehen, die mit dem Maurerpinsel leicht zu 
umgehen sind. Recht rücksichtslos handelte endlich der Neu- 
bauer zu Kirrweiler, indem er mitten durch eine Inschrift 
einen Taubenschlag ausbrechen ließ. Auch ins Bietlers zu 
Ringendorf ist eine Inschrift am Stall zur Hälfte in das Hühner- 
haus geraten. 

Neue Häuser mit Fachwerk und weißgetünchten Wänden 
werden nicht mehr gebaut, die Neubauten geschehen alle 
in Backsteinen. Daher beschränken sich die Inschriften in 
solchen Fällen, falls überhaupt welche angebracht werden, 
auf kleinere Steintafeln und werden darum spärlicher und 
kürzer. 

Aber ein Hauptgrund für das Abkommen der Haus- 
inschriften und der Inschriften überhaupt liegt in der rohen 
Lebensauffassung unserer Zeit. Der Bauer fühlt weniger Be- 
dürfnis zur Betätigung einer edeln Regung. Seine Sinnesrichtung 
hat andere Wege eingeschlagen. Im Zeitalter des Verkehrs, 
der Zeitungen, der sozialen Gesetzgebung mit ihren den 
Bauer so sehr belastenden Bestimmungen ist der Reiz des 
Ehrwürdigen und Schönen verblaßt. Der Bauer von heute 
hat andere Sorgen, kurz gesagt : er hat weniger Geld für 
Inschriften als sein Vater und Großvater. Der Maurer oder 
Maler verlangt zwei oder drei Mark dafür, das ist für man- 
chen zuviel. Der Bauer hat eine bessere Verwendung für 
sein Geld. 

Und die malerischen Geräte, die mit Inschriften versehen 
waren, werden allmählich alt und unbrauchbar : sie müssen 
anderen Zwecken dienen, der Inschriften achtet man nicht. 
So sah ich in Schwindratzheim einen zierlichen Kinderschlitten, 
der aus dem Kopfstück einer Bettlade mit der schönen Inschrift 
Nr. 358 gezimmert war. Ebenfalls aus dem Kopfbrett einer 



— 284 — 

Bettstelle mit Inschrift wurde zu Meisheim ein luftiger Kaninchen- 
käfig gebaut. Und zu Dunzenheim wurde eine etwas morsch 
gewordene Tur mit den prächtigen Inschriften Nr. 41 und 159 a 
(1777) ausgehoben und fand Verwendung zur Hälfle als tur 
eines Gänsestalls, zur Hälfte als Deckel einer Sauerkrautbutte. 
Sic transit gloria . . • 

Doch nun zu den Inschriften selbst I 

Die einfachste Art der Hausinschrift ist die Anbringung 
des Namens des Erbauers und seiner Frau nebst der Jahres- 
zahl ohne weiteren Zusatz. In der neuesten Zeit nimmt diese 
Art immer mehr zu, während die Ausstattung des äußeren 
Hauses mit anderen Zusätzen von Jahr zu Jahr abnimmt. Solche 
Zusätze, welche, so gering sie auch sein mögen, dennoch ein 
Zeichen der Zeit bilden, sind : ccerbaut von ...:»; «dies Haus 
(Tor, Stall, Scheuer, Durchfuhr, Bau, Gebau, Hof, Trott usw.) 
baut(e)^ hat gebaut, hat gehauen, hat lassen bauen, hat lassen 
machen, hat aufrichten lassen, ward erbaut durch 9 — folgten 
die Namen der Eheleute. Das Zeitwort «hat gebaut» steht 
immer in der Einzahl. Vor dem Namen der Frau steht 
manchmal €und sein Weib» oder «und seine Ehefrau». Nicht 
selten trifft man hinler dem Namen der Erbauer den Zu- 
satz «als Bauherr); oder «als Baufrau», manchmal auch den 
Namen des Zimmermeisters. In der Rheingegend bei Selz 
bis nach Aschbach und Schönenburg sind die Hausinschriften 
sehr selten. Um so malerischer stechen daher die Namen 
der Erbauer, die in großen farbigen Buchstaben auf dem 
Balken über dem Fenster, auf einem Brett oder Balken an 
der Scheune angebracht sind, weithin sichtbar hervor. Als 
Abkürzung ist dort DHB = «dieses Haus baut» allgemein ge- 
bräuchlich. 

Die Jahreszahl wird entweder ohne weiteres oder mit dem 
Zusatz «Anno», «im Jahre», «im Jahre des Herrn», «im Jahre 
Anno», «geschehen Anno», «im Jahre nach Christi Geburt 
Anno» hinzugefügt. In den Pfarrbüchern von Dunzenheim 
findet sich eine offenbar beabsichtigte Abwechslung bei der 
Bezeichnung einzelner Jahre, wie folgt : Im Jahre Christi 
1685. Anno 1086—1690. A. C. (anno Christi) 1691. A. 0. R . 
(anno orbis redempti) 1692, 1694. Anno Salutis 1695. Anno 
recuperatae graliae 1696. Anno Christiane 1697. Anno t^q 
Xptaio-jfoviai; 1698. Anno Salvatoris 1699. Anno Domini 1702. 
Anno Epoches Christianae 1705. Anno aerae Christianorum 
1717. 

Bemerkenswert sind einige Inschriften, die hier wörtlich 
wiedergegeben werden und uns zugleich die Schreibweise solcher 
ländlichen Erzeugnisse veranschaulichen : 



— 285 — 

3 Beim grienen Baum. — Alhier in Griesbach ist des Gast- 
gebers haus nämlich georgius deisch wie auch seine hausfraa 
ana margreta teischin Anno 1746. 

4 RENNOVADUM DVRCH lOSEPH BECKENN VND MARIA 
MAGDALENNA GEBOHRNB STEFERINN IHM lAHR ANNO 
DOMNI MDCCLXIII. 

Am alten Gymnasium zu Buchsweiler liest man : 

5 lüVENTUTI • RELIG • CHRIST • DO 
CTRINA • MOR • LING • ET • ART • INFOR 
MANDAE • ILLUST • ET • GENEROS • 

D • D • lOAN • REINH • COM • IN 
HANAU • ET • ZW • ETC . DOMUM 
HANG • EXTRUXIT • ET . COSEC • 
DIRECTORIBUS -DD- CHRI • 
GREMP • A • F • G • M • FLACH • A 
S • H • OSTRINGER • L • ET • CAS 
SCHMID • M • lOA • WESTER 
FELD • SUPERINTEN • ET • lOA 

GÖL • • • RECT • 

(Inventuti religionis Christianae doctrina, moribus, lingua et 
artibus informandae illustrissimus et generosissimus dominus^ dominus 
Joannes Reinhardus, comes in Hanau et Zweybrücken etc., domum 
hanc extruxit et consecravit, directoribus dominis Christophoro* 
Gremp aulico fabro, G. M. Flach aulico sculptore, H. Ostringer 
lapicida et Casimiro Schmid malleatore, Joanne Westerfeld super- 
intendente et Joanne GöUer rectore.) 

An einer Scheune zu Fürdenheim ins Brünehansen steht 
auf einer Tafel : 

6 Anno 1781 hat diese Scheuer bauen lassen ein hochlöbliches- 
Stift Alt St. Peter in Strassburg und sein die Bauherrn ge- 
wesen H Labbe Dormer Custos, H Labbe Zaepffel promotor 



Bei der Angabe der Fundstellen sind, wo irgend möglich, 
die Haus- oder Hofnamen gewählt, da sie weniger veränderlich sind 
als die Familiennamen und die Hausnummern. Sprachlich ist zu 
bemerken, daß der Kürze halber das Verhältniswort mit dem Ge- 
schlechtswort weggelassen ist. so daß ' der Hausname im Wesfälle 
stehen bleibt. Ich setze also statt «ins Grünbaumwirts (nämlich 
Gehöft)» einfach c Grünbaum wirts». 

3) Griesbach (Kanton Niederbronn), Grünbaumwirts, Hauswand, 
1746. — 4) Griesbach (Kanton Buchsweiler), Eberjoekels, Scheunen- 
wand, 1763. - 5) Buchsweiler, Steintafel über der Eingangstiir 
«riaiSsüatf; T(bv vsü)Tspo)v» im Hofe des alten Gymnasiums, 1612. Von 
der aus großen deutschen Anfangsbuchstaben zusammengesetzten 
Jahreszahl gleicht der dritte Buchstabe eher einem L als einem C. 
so daß jeder Uneingeweihte MDL— XII lesen muß. Aber das Jahr 
1(^12 als Gründungsjahr des Gymnasiums steht fest. Vgl. Lehmann, 
IJrkundl. Geschichte der Grafschaft Hanau- Lichtenberg. Mannheim^ 



— -286 — 

H Gilig' Schaffner et Jacob North der Stiftsmeyer mit Catharina 
Diemert desen eheliche Hausfraa. Vivant in aeternum filius (?). 

Am alten Kornspeicher zu Weißenburg liest man, in die 
Mauer eingelassen, zwei Inschriften, die vom Bürgermeister 
Anseimann 1846 wiederhergestellt wurden : 

7 Ano dni MCCLXXXVill Edelinus quadragesimus qointns 

abbas Wizenburgens hanc domum construxit et alia plura 
edificia. 

Darunter steht in kleinerer Schrift : 

Haec inscriptio destrncta 1793 rest. 1846 a dmno Anseimann. 

S Anno domini DCXXIII dominus Dagobertus rex Francorum I 

fundavit monasterium Wizeburgense cui idem rex plures £o- 
manorum pontiiices imperatores exemptionis et alioram liber 
tatnm privilegia contulerunt. 

Manchmal ist auch nur angegeben, wann der Bau be- 
gonnen wurde. So auf dem Torbogen der Zaberner Stadtmühle: 

9 Anno düi MCCCCXV do wart die gebüwe angehabe — vi 
volbrocht. 

An einem Haus in der Salzgasse zu Weißenburg, in Stein 
gehauen : 

10 MDLXVI ward diser Baw angefagen. 

Merkwürdig ist eine Inschrift rings um die Präparanden- 
schule zu Lauterburg. Sie besteht aus großen eisernen Buch- 
staben, die zugleich als Klammern dienen und beim Bau 1716 
gleich eingefügt wurden. Das Gebäude diente damals als Sommer- 
wohnsitz des Bischofs Heinrich Hattardus von Speier, nachdem 
das alte Schloß 1708 zerstört worden war. 

11 H. H. E. S. P. W. JJ. 0. S. R. J. P. A. 1716. 

(Henricus Hattardas, episcopus Spirensis, praepositas Wissen- 
burgensis et Offenbachensis, Sancti Eomani Imperii princeps, 
anno 1716.) 

Ob folgende Inschrift 

12 M. (1692) A. V. S. H. F. R. A. 

ebenfalls eine Abkürzung des Namens des damaligen Besitzers 
(etwa: Michel A. und seine Hausfrau Roth H. A.) oder 
eine alte Beschwörungsformel ist^ ließ sich nicht ermitteln. 
Nur zweimal teilt das Haus selber dem Vorübergehenden mit : 

13 Mich hat gebaut ~ 

und 



Schneider, 1863, II 491. — 12) Bossendorf, Rothebüren, Balken über 
dem Scheunentor, 1692. — 13) Morschweiler, Perus, Hauswand, 



— 287 — 

H Bei den drei Erlen bin ich genannt. 

Eine fehlerhafle französische Inschrift lautet : 

15 Bätit par Jean Carbiner et Ifarg^erith Andres 1865. 

In früheren Zeiten war es häufiger als jetzt üblich, zu 
dem Namen des Erbauers einen frommen Zusatz zu machen : 

16 a Erbaut in Gottes Namen — 

16h Mit Gottes Hülfe — mit der Hülfe Gottes 
16 c Durch Gottes Gnade, 

seltener 

16 d Mit der Hilf und Beistand Gottes — mit Gottes Hilf und 

Beistand 
16 e Unter Gottes Schutz allein 
16 f Alles zur größeren Ehre Gottes 
16 g Gott gebe ihnen Gesundheit und ein langes Leben. 
16 h Zum Andenken meinen Kindern. 

Ein einziges Mal fand ich eine tadellose französische In- 
schrift : 

16% Cette porte et cette maison ont et6 bätiee avec l'aide de 
Dien. 

Die Sitte, einen frommen Zusatz zu machen, ist alt. Von 
1415 stammt die Inschrift am Torbogen der Zaberner Stadt- 
mühle : 

16 k Mit Gottes hilef ame. 

Ein Engel trägt sie auf einem Brustschild. Uebrigens kommt 
die Sitte in der letzten Zeit wieder mehr auf, in größerem 
Umfang z. B. in Issenhausen und Alteckendorf. 

Wenn wir nun nach der Herkunft der Sprüche fragen, 
so stammen viele von ihnen aus der Bibel. Sie werden fast 
ausnahmlos von Protestanten gewählt, und noch heute pflegen 
die Hanauer Bauern Neubauten mit Vorliebe mit einem Bibel- 
spruche zu versehen. IJeberhaupt sind es die Hanauer Bauern 
allein, die jetzt noch mit Bewußtsein, Verständnis und Empfin- 
dung religiöse Inschriften neu anbringen lassen. Die betreffende 
Bibelstelle ist in der Regel nicht angegeben. 

1711. — 14) Lobsann. Hirzels, Hauswand, 1798. — 15) Meisheim, 
Eehmhansen. Steinplatte am Haus, 1865. ~ 16 a) Ingenheim, Müller, 
Steinplatte am Haus. 1859. - 16 b) Kirrweiler, Stabhalters, Haus- 
"wand. 1798, f. — Geudertheim, Dieboldenhansen, Steinplatte am 
Haus, 1891, and viele andere. — 16 c) Zutzendorf, Reebhansen desgl., 
1881. — 16 d) Ettendorf, Schmitts, Hauswand. 1801. - Bosselsh&usen^ 
Neubüren, Durchfuhr, 1740. — 16 e^ Straßburg, mittlere Zommühle, 
Steinplatte. 1834. — 16f) Dauendorf, Bertschis, desgl.. 1867. — 
16 g) Bersthbim, Neubüren, Eckbalken am Haus, 1848. — 16 h) Dunzen- 
heim, Backen, große H^ztafel mit prächtigem Bkim6Bkr«nz über 
der Hoftür, 1834. — 16 i) Meisheim, Stabhalters, Steinplatte an der 



— 288 — 

Aus dem alten Testament sind folgende Sprüche zu er- 
wähnen. 

17 a Der Herr segne und behüte each. 4. Mos, 6, 24. 

Letzterer Vers kommt auf handgemachten Tafeln vor, die 
in den 1860 er Jahren von einem wandernden Künstler in den 
Hanauer Dörfern, besonders in Alteckendorf, massenhaft abge- 
setzt wurden. Er umrahmt den in Gold eingefaßten Namen des 
Familienvaters. 

Derselbe Spruch ist in bezug auf das Haus oder dessen 
Besitzer ergänzt : 

17 h Der Herr segne und behüte dies Haus. 

17 c Gott segne und behüte Michel Mahler und Catharina Geb- 

hardt. 

18 a Soli Deo gloria. 5. Mos, 32, 5. 
18 h Gott allein die Ehre. 

Dieser Spruch findet sich auch mit einem Zusatz : 
18 c Alain . Gott . die . Er 

UNND . SUNST . NIEMANT . MER . 1584 

18 d Gott allein die Ehr» 

Sonst keinem andren mehr. 

19 a Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen. Jos, 24, 15, 

Eine sonderbare Erweiterung dieses bekannten Verses ist 
die folgende : 

19h Wer zu diesem Tor will eingehn, der soll sich wählen, 
welchem er dienen will; ich und mein Haus wollen dem 
Herrn dienen. 

20 Bis hieher hat uns der Herr geholfen. 1, Sam, 7, 12, 



Durchfuhr, 1860. — 17 a) Schwindratzheim, Strohevels, prächtige 
handgemalte Tafel, 1880. — Wilshausen, Jacobis, Steinplatte am 
Haus, 1892. - 17 b) Wilshausen, Mehlenhansen, desgl. 1888. — 
17 c) Alteckendorf. Götzen, desgl. 1878. — 18 a) Niedermodem, Schul- 
haus über der Tür, 1847. - 18 b) wie 18 a) — Dahlenheim, Nieder- 
sten, Erker mit Wappen, 162 ? — Gingsheim, Eerrmann, Branntwein- 
flasche, 1740, mit Lilien, Maiblumen und einem springenden Hirsch, 
1815 im deutschen Lager bei Pfulgriesheim gefunden, f, jetzt im 
Eis. Museum. - Breuschwickersheim, Kiefeijörgen, Steinplatte am 
Haus, 1849. - 18 c) Westhofen, Ochsen, Steinplatte, 1584. — Doli 
243. — 18 d) = 435. — - Ringendorf, t Vorschriften» des Christmann 
Wendung, 1811. — Eckwersheim, Brünehansen, Durchfuhr, 1817. — 
Gottesheim, Schniedermichels, Steinplatte am Haus, 1884. — 19 a) 
Handschuhheim, Kaufmanns, Steinplatte am Giebel, 1870. — Schwind- 
ratzheim, Kuhns, gemalte Tafel mit Blumen, 1871 ; Strohevels, desgl., 
1882; Schneider Dudt, desgl., 1883; Fixhänsels, Steinplatte über der 
Hoftür. 1877. — Alteckendorf, Kopps, Steintafel am Haus, 1893; 
Trogs, desgl., 1904. — Wickersheim. Schollerdiebölden, Tafel über 
der Stubentür, 1890. — 19 b) Quatzenheim, Schulzen, .Steinplatte am 
Haus, 1844. — 20) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand, 1798, f, — 



— 289 - 

Recht häufig werden die Psalmen zu Inschriften ver- 
wendet, 

21 Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein Da, 
Herr, hilfst mir, daß ich sicher wohne. Fs. 4, 9. 

Dieser Spruch insbesondere auf Bettladen. S. Nr. 355. 

22 Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Fs. 23, 1. 

23 Er weidet mich auf einer grünen Aue and führet mich zum 
frischen Wasser. Ps. 23, 2. 

24 Ich habe mir vorgesetzt, ich will mich hüten, daß ich nicht 
sündige mit meiner Zunge, ich will meinen Mund zäumen, 
weil ich muß den Gottlosen so vor mir sehen. Ps, 32, 2, 

25 Herr, du hilfst beiden, Mensch und Vieh. Ps, 36, 7, 

26 Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn ; er wirds 
wohl machen. Ps, 37^ 5, 

27 Rufe mich in der Not, so will ich dich erretten. Ps, 50^ 15, 

28 Wirf dein Anliegen auf den Herrn; der wird dich versor- 
gen und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen. 
Ä. 55, 23, 

29 Fällt euch Reichtum zu, so hänget das Herz nicht daran. 
Ps, 62, 11, 

30 Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle. Ps, 65. 10, 

31 Es segne uns Gott und alle Welt fürchte ihn. Ps. 67, 8. 

32 Weise mir, Herr, deinen Weg, daß ich wandle in deiner 
Wahrheit ; erhalte mein Herz bei dem Einigen, daß ich deinen 
Namen fürchte. Ps, 86, 11, 

Eine von Hand gemachte schöne Tafel mit diesem Spruch 
gewann der Ackerer Andres von Meisheim in einer Volks- 
lotterie zu Gimbrett 1865. Der Zufall wollte es, daß der Spruch 
auch der Konfirmationsspruch seiner Braut war, einer Waise, 
die ihren Konfirmationsschein längst verloren hatte. Die Freude 
der Braut läßt sich denken, als sie in ihr neues Heim einzog 
und diesen nicht gerade geläufigen Spruch unter Glas und 
Rahmen fand. Das sonderbare Zusammentreffen wurde als der 
Finger Gottes und als glückverheißend angesehen. So ist die 
Tafel auf das innigste mit dem Leben der Familie Andres ver- 
wachsen und wird noch heute in Ehren gehalten. 



22) Meisheim. Schreiner Reiss, Tafel in Goldrahmen, um 1820; Stein- 
klopfer Lemmel, desgl., 1867. — 23) wie Nr. 22, Lemmel. — 24) 
Menchhofen, Steihansen, Scheunenwand, 1803. — 25) Alteckendorf, 
Kiefers, Steinplatte am Stall, 1898- - 26) Schillersdorf, Wirths- 
Jörgen, Stallwand, 1819. — 27) Ringendorf, Nonnen Jockeis, Alkoven, 
1798. — 28) wie 26. — 29) Waltenheim, Strohjörgen, über dem 
Känsterle, 1783. - 30) wie 24. — 31} wie 25, Steinplatte am Haus» 

19 



— 290 — . 

33 Dominas scutum nostrum. Fe. 89, 19, 

34 Herr, Gott, du bist unsere Zaflucht für und für. Ps. 90, 1, 

35 Fraget nach dem Herrn und nach seiner Macht, suchet 
sein Antlitz allewege. Ps, 105, 4. 

36 Wohl denen, die das Gebot halten und tun immerdar recht. 
P«. 106, 5. 

37 Der Herr sprach zu meinem Herren : Setze dich zu meiner 
Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Fuße 
lege. P8, 110, 1. 

38a Der Herr behüte deinen (— unsern, euern, — ) Ausgang 
und Eingang, von nun an bis in Ewigkeit. Ps, 121^ 8, 

Dieser in ganz Deutschland verbreitete Spruch konomt mit 
verschiedenen Aenderungen vor, z. B. 

38b Gott bewahr^ den Ein- und Ausgang! 

und ist manchmal verschmolzen mit 4. Mos. 6, 24, z. 6. 

38 c Der Herr segne unsern Ausgang und Eingang 

oder 

38 d Der Herr segne und behüte unsern Aus- und Eingang. 

39a Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst 
die daran bauen Ps. 127, 1. 

Im Anklang hieran findet sich der Vers 

39b Wo Gott zum Bauen nicht gibt seine Gunst, 
Da arbeitet man und bauet umsonst. 

mit oder ohne den Zusatz (nach demselben Psalmvers) 

39 c Wo Gott den Baa nicht selbst bewacht, 

So ist umsonst der Wächter Wacht. 

1889! — 33) Weißenburg, Haus im Vorderbruch, Steinplatte über der 
Tür, 1611. — 34) Schwindratzheim, Bruckenwebers, gestickte Tafel, 
1899. -- 35) Wickersheim, Burkhardt, Steintafel am Haus, 1895. — 36) 
Bingendorf, Kern, Losungstafel, 1861: Bauer mit einem Hund hält 
die Losungsnummer hoch, rechts und links Säule und oben Betthim- 
mel, alles mit Blumen bekränzt. — 37) Fürdenheim, Wolfen, Scheunen- 
wand, 1784, f. — 38 a) Geisweiler, Metz, Stubentür innen, 1832 ; 
Strickers, Steintafel über der Hoftür, 1895. — Zutzendorf, Wend- 
lings, desgl. 1888. — Alteckendorf, Adeshansen, Steintafel am Haus 
1888. - 38 b) Berstheim, Klausen, Balken über der Tür, 1628..- 
38 c) Furchhausen, Riehlen, 1878. - Gottesheim, Lanzen, 1879. — 
Wickersheim. Kleinhansen, 1878; Dennimichels 1886. — Alt^ckendorf, 
Kieferhansen, 1876; Meierjockeis, 1895. — 38 d) Zutzendorf, ^eebhan- 
sen, .1881. — Vgl. auch Nr. 82. — 39 a) Wickersheim, Arzenhansen, 
Steinplatte über der Hoftür, 1887. — Haltrich 63. — 39b) Alkeckendorf, 
Fuchsenhansen, Hauswand, 1770. — Kirrweiler, Gitzen, Hauswand, 
um 1800, mit der Abweichung «... und weißt (= tüncht) umsonst.» — 
Aehnlich: Lobe 15 (1580j. Padberg 73. Sutermeister 2 (nach einem Kir- 
chenlied des Joh. Kohlros, f 15^). Krakowizer 5 (1585). Haitrich 64. 
Hörmann, Alpen 107. Draheim 87. Deutsche Inschriften 4. Ztschr. 
der Harzvereins 27, 226. — 39 c) Ringendorf, Gartenjockeis, Stall- 



— 291 -. 

Frei nach Ps. 137, 6, dessen Schlußworte das 3., 4. u. 5. 
Wort bilden. 

41 Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit 
Ernst annifen. Er tnt, was die Oottesfarchtigen begehren and 
höret ihr Schreien und hilft ihnen. Ps. 145, 18. 19. 

42 Lobet den Herrn in seinem Heiligtum, lobet ihn in der 
Feste seiner Macht. Lobet ihn in seinen Taten, lobet ihn in 
seiner großen Herrlichkeit. Und alles, was- Odem hat, lobe 
den Herrn. Ps. 150, 1. 2. 6. 

Soweit die Psalmen. Fernere Bibelsprüche sind : 

43 Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe. 8pr. 10, 22. 

44 Gib mir, mein Sohn, dein Herz nnd laß deinen Aagen meine 
Wege gefallen. 5|)r. 23, 26. 

45 Durch Weisheit wird ein Haus gebauet, und durch Ver- 
stand erhalten. Durch ordentliches Haushalten werden die 
Kammern voll aller köstlichen lieblichen Reichtümer. 8pr. 
24, 3. 4. 

46 Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, ich bin 
dein Gott, ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte 
dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit. Jes. 41^ 10. 

47 Denn gute Arbeit gibt herrlichen Lohn und die Wurzel 
des Verstandes verfault nicht. Weish. Säl. 3, 15. 

48 Dein Lebenlang habe Gott vor Augen und im Herzen, und 
hüte dich, daß du in keine Sünde willigest nnd tuest wider 
Gottes Gebot. Tob. 4, 6. 

Der Ackerer Schäfer (Christmännel) zu Issenhausen besitzt 
"eine'prächiige schwarze Tafel mit Goldbuchstaben, die sein Valer 
in den 1840 er Jahren anfertigen ließ. Sie gibt einen Teil der 
Absebiedsrede wieder, die der damalige Lehrer Mensch seinen 
Schülern hielt und die allgemein gefiel. Die Rede lautete unter 
freier Benutzung von Job. 7, 33 und Ps. 143, 10 : «Liebe 



^and, 1833..— Haitrich 64. Draheim 266. — 40) Hochfelden, Salle 
d'asyle (früheres Judenhaus), über der Tür, um 1840; Eisenhandlnng 
Bicart, über einer Tür im Hof, 1867. — 41) Dunzenheim, Eberles, 
auf einer Tür, 1777, f. — 42) Schillersdorf, Wagner michels, Stall- 
^and, 1787, ~ 43) Prinzheim, Schneiders, Stallwand, 1757, f- — 
Wickersheim, Kleinhansen, am Stallgang, 1808. — Uttenhofen, 
•Stoffels, Scheune. — Simrock 9445. — 44) Handgemalter Musterungs- 
«chein des Michel Felden in Dettweiler, gezogen den 10. 3. 1859, 
mit Blumen und Fahnen, jetzt im Elsässischen Museum in Straß- 
burg. — 45) Kohlhütte, «zum grünen Berg», Hauswand. 1815. — 
Wolfisheim, Mehnlenzen, Steinplatte, 1894. — 46) Issenhausen, 
Hoßhansen. kunstvolle Andenkentafel, um 1850. — 47) ftingendort 
Togeis, Andenkentafel, 1835. — 48) Waltenheim, Staathen, Tafel, 



-- 29-2 — 

Kinder ! Ich bin noch eine kurze Zeit bei euch, alsdann mu^ 
ich euch wieder verlassen. Aber der Gott des Friedens sei mit 
euch, er möge euch durch seinen guten Geist leiten und fuhreD 
auf allen euern Wegen. Euer Leben lang usw. wie obei> 
Tob. Ay 6.» Dieses unscheinbare Vorkommnis gewährt uns einei> 
tiefen Einblick in das gottesfürchtige und dankbare Gemöt 
jenes alten Hanauers, und der jetzige, ßesitzer bewahrt die 
Tafel wie ein kostbares Kleinod zur Erinnerung an seinen treu- 
mahnenden Lehrer auf. Der schöne Spruch wurde gewisser- 
maßen zum Hausspruch. 

Der weise Sirach läßt sich in mehreren Spruchen vernehmen r 

49 Des Vaters Segeft baaet den Kindern Häuser. Sir. 3, 11, 

50 Was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz. 8ir^ 
3, 24. 

51 . Den Frommen gibt Gott Güter, die da bleiben. Sir. 11^ 15^ 

52 Die Farcht des Herrn ist ein gesegneter Garten und nichts- 
so schön als sie ist. Sir. 40, 28. 

Bemerkenswert ist, daß an einem gewissen Gehöft der 
Besitzer, um die heißblütige Nachbarin zu ärgern, mit der er 
in Feindschaft lebte, mehrere Verse aus dem Buche Sirach ai> 
der Hinterwand der Scheune so anbrachte, daß sie die böse 
Nachbarin zu ihrem Aerger tagtäglich sehen und lesen mußte. 
Der böse Nachbar verzog, und jener Besitzer ließ sofort die 
Sprüche entfernen, da sie dem neuen Nachbar gegenüber keine 
Berechtigung mehr hatten. Trotzdem hat mich der Besitzer ge- 
beten, weder den Namen des Dorfes noch des Gehöfts zu ver- 
öffentlichen. Ich erfülle hiermit das Versprechen. Die Verse 
aber lauteten : 

53 Es ist kein Kopf so listig als der Schlangenkopf, und ist 
kein Zorn so bitter als der Frauen Zorn. Ich wollte lieber 
bei Löwen und Drachen wohnen, denn bei einem bösen Weibe^ 
Wann sie böse wird, so verstellt sie ihre Gebärde und wird 
so scheußlich wie ein Sack. Sir. 25, 21—23. 

54 Alle Bosheit ist gering gegen der Weiber Bosheit; es g-e- 
schehe ihr, was den Gottlosen geschieht. Sir. 25, 25, 

55 Ein böses Weib macht ein betrübtes Herz, traurig Ang^e- 
sieht und das Herzeleid. Sir. 25, 30. 



1845. — Issenhausen, Christmänneis, Tafel, um 1840. — Mels- 
heim, Steinklopfer Lemmel, Tafel, 1867. — 49) Mittelhausbergen^ 
Walters, Steinplatte am Haus, 1820. — 50) Wickersheim, Kiefers^ 
Handbesen. — Simrock 298. Sehtdze in Herrigs Archiv 58, 334. — 
51) Buchsweiler, Hauptstraße 23, Erker, 1673, f. — 52) Losung^s- 
schein aus ZÖbersdorf, 1843, mit Blumen reich geziert, jetzt im £1- 



^ 293 — 

^6 Die Sande kommt her von einem Weibe, und um ihret- 

willen müssen wir alle sterben. Sir. 35, 32, 

■67 Wenn einer ein böses Weib hat, so ist es eben als ein an* 

gleiches Paar Ochsen, die nebeneinander ziehen sollen. Wer 
sie kriegt, der kriegt einen Scorpion. dir. 26, 9. 10. 

Von ähnlichen Gedanken ist übrigens der bereits erwähnte 
Spruch Ps. 32, 2 eingegeben worden. Auch dort mag sich der 
händelsüchtige Nachbar ordentlich geärgert haben. 

^8 Geduldig sein nnd auf die ^fe des Herrn hoffen. Kl. Jer. 

. 5, 26. 

Weniger zahlreich sind die dem Neuen Testament ent- 
nommenen Inschriften. 

^9 Trachtet am ersten nach dem Beich Gottes und nach seiner 

Gerechtigkeit, so wird euch das übrige allein zufallen. Matth, 

1, 33. 

50 Selig sind, die da Leid tragen, sie sollen getröstet werden. 
Matth. 5, 4. 

Dieser Spruch steht in einem Hause, das vielfach durch 
Todes- und Unglücksfälle heimgesucht wurde. 

51 Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch be- 
kennen vor meinem himmlischen Vater. Matth. 10, 32. 

Dem Sinne nach ist Matth. 26, 74. 75 wiedergegeben in 
«inem Spruch, der neben einem Hahn steht : 

•62 Da der Hahn kräht, gedacht Petrus an den Bund. 

•63 a Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den 
Menschen ein Wohlgefallen. Litk. 2, 14. 

S3b Gloria in excelsis Deo. 

54 Herr, bleibe bei uns. denn es will Abend werden. Luk. 24^ 29. 

55 Friede sei mit euch. Luk. 24, 36. 

56 So ihr bleiben werdet an meiner Bede, so seid ihr meine 
rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen und die 
Wahrheit wird euch frei machen. Jdh. 8, 31. 32. 



-sässischen Museum. — 58) Der Zettel mit der Angabe des Fundorts 
ist mir verloren gegangen. ~ 59) Menchhofen, Steihansen, Scheunen- 
wand, 1803. - 60) Wickersheim, Schollerdiebölden, Tafel über der 
Stubentnr, 1890. — 61) Alteckendorf, Fuchsenhansen, Hauswand, 
1770. — Obersulzbach, Wilings, 1849. — 62) Geis weiter, Heitzen, 
^cheunenwand, um 1800. — 63 a) Dunzenheim. Schuhmacherhansen, 
Gangfenster, 1829. — Busweiler, Eunzen, Steintafel an der Durch- 
fuhr, 1864. — 63 b) Pfaffenhofen, Schuhhansen, Holzgiebel, um 1830. 

— 64) Wickersheim, Peters, Känsterle, um 1866. Dabei eine Dar- 
:Stellung des Gangs nach Emmaus, zwei Jünger wollen Jesus fest- 
iialten. — 65) Geisweiler, Spack. Steinplatte am Haus, um 1860. 

— 66) Losungsschein des Friedrich Kichert aus Alteckendorf, 1848 



— 294 — 

67 Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du und dein 
Haus selig. Ap, Gesch, 16, 81. 

68 Wenn Gott für uns ist, wer mag wider uns sein? Born. 
8, 31, 

69 Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an 
am Gebet. Böm. 12, 12. 

70 Die Gnade unsieres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gotte» 
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. 
Amen. 2. Kor. 13, 13. 

71 Gott ist der rechte Vater über alles, was da Kinder heißet 
. im Himmel und auf Erden. Uph. 3, 15. 

72 Sehet zu, daß ihr vorsichtig wandelt. Eph. 5, 15. 

73 Der Friede Gottes sei mit euch. Fhil. 4, 7. 

74 Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christum Jesum,. 
so wandelt in ihm. Kol, 2, 6. 

75 Seid ihr mit Christo auferstanden, so suchet das, was droben 
ist, da Christus ist. Kd. 3, 1. 

76 Honneur et gloire au Dien tout-puissant. ' i. Tim. 1, 17. 

77 Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorget für euch. 
1. Fett. 5, 7. 

78 Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr tut wohl,, 
daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheinet in 
einem dunkeln Ort. 2. Petr. 1, 19. 

79 Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünf- 
tige suchen wir. Ebr. 13, 14. 

Endlich seien hier noch zwei Sprüche angeführt, die den 
Stempel von Bibelsprüchen tragen und von denen der eine 
einen Pfarrer (Lix in Hördt) zum Verfasser hat, während der 
andere wahrscheinlich einem Gebetbuch entnommen ist. 

80 Wohl denen, die im Segen Gottes ihr Haus bauen, sier 
werden sich nähren von ihrer Hände Arbeit, und Glück, Segen 
und Frieden wird ihnen blühen ihr Leben lang. 

verfertigt, jetzt im Elsässischen Museum. — 67) Schwindratzheim, 
Schuler, prachtvolle Tafel, 1855. — Prinzheim, Schneiders neuer 
Hof, Steinplatte über der Tür, 1888. — 68) Fürdenheim, Hansen, 
Tafel über dem Fenster, 1899. — 69) Auf Bitten des Besitzers nenne 
ich den Fundort nicht, 1895. — 70) Offweiler, Bürs, Hauswand, 1862. 

— 71) Zoebersdorf, Gitzen, Tür der Stallkammer, um 1840. — 72) 
Waltenheim, Schriners, Andenkentafel, um 1870. jetzt im Eis. 
Museum. — 73) Alteckendorf, Wolf, 1852. - Ringeldorf, Ades, 1856. 

— Ettendorf. Dresehertonien, 1857. — Dauendorf, Kleinclausen, 
1866, überall Steintafeln über der Hoftür. — TA) Alteckendorf, Fuchsen- 
hansen, Hauswand, 1770. — 75) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand,. 
1798, f. — 76) Meisheim, Stabhalters, Steinplatte an der Durchfuhr, 
1860. - 77) Wickersheim, Schollerdiebölden, Tafel über der Stuben- 
tür, 1890. — 78) wie 74 und 75. — 79) Wickersheim . Staath, Stein- 
platte am Wohnhaus, 1877. — 80) Hördt, Gottliebs, Holztafel über 



— 295 — 

81 Die auf den Herrn hoffen, die werden nicht fallen, sondern 
ewiglich bleiben wie der Berg Zion. Um Jerusalem sind Berge , 
und der Herr ist nm sein Volk her von nnn an bis in Ewig- 
keit. 

Neben der Bibel ist es das Gesangbuch, dem eine ganze 
Reihe von schönen Spruchen entnommen ist. Sie kommen 
erklärlicher Weise ausschließlich an protestantischen Häusern 
vor. Am häufigsten begegnet man dem bekannten Schenckschen 
Verse : 

82 Unsern Eingang segne Gott, 

Unsern Ausgang gleichermaßen, 
Segne unser täglich Brot, 
Segne unser Tun und lassen, 
Segne uns mit seligem Sterben, 
Und mach' uns zu Himmelserben. 

Ferner sind folgende Verse von Paul Gerhardt zu erwähnen : 

83 Befiehl du deine Wege 

Und was dein Herze kränkt 
Der all er treusten Pflege 
Des, der den Himmel lenkt. 
Der Wolken, Luft und Winden 
Gibt Wege, Lauf und Bahn, 
Der wird auch Wege finden, 
Wo dein Fuß gehen kann. 

84 Und ob gleich alle Teufel 

Hie wollten widerstehn, 

So wird doch ohne Zweifel 
Gott nicht zurücke gehn. 
Was er ihm vorgenommen 
Und was er haben will. 
Das muß doch endlich kommen 
Zu seinem Zweck und Ziel. 

85 Ich bin ein Gast auf Erden 

Und hab' hier keinen Stand, 
Der Himmel soll mir werden. 
Dort ist mein Vaterland. 



der Tür, 1831. — 81) Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. 
— 82) Konferenzgesangbuch von 1850 Nr. 519. — Schwindratzheim, 
Niklausenjockels, Küchentür, 1797. — Meisheim, Wagner Wendling, 
Holzgetäfel der Wohnstube, 1800. — Obersulzbach, Muckehenneris, 
1857; Paules, 1861. — Schalkendorf, Hässigs, 1865; Großjockeis, 
1866. — Ringendorf, Kleinenkiefers, 1872; Schriners, 1888. — 83) 
Altes Hanauer Gesangbuch von 1780, Nr. 31, Vers 1. — Schillers- 
dorf, Wirtsjörgen, Stallwand, 1819. — 84 > wie 83, V. 5. — Kohl- 
hütte, Wirtschaft zum Grünen Berg, Hauswand, 1815. — 85) Ge- 
sangbuch für Christen Augsb. Konfession, 1884, Nr. 379, V. 1. — 



— 296 — 

Weiterhin seien angeführt : 

86 Noch leV ich. Oh ich morgen lebe, 

Oh diesen Abend, weiß ich nicht. 
Wohl mir, wenn ich piit Gott ergebe, 
Dann thn* ich redlich meine Pflicht 
Und bin durch seines Geistes Kraft 
Bereit zu meiner Rechenschaft. 

87 Mein Gott, das Herz^ bring ich Dir 

Zur Gabe und Geschenk. 

Du forderst solches ja von mir, 
Des bin ich eingedenk. 

88 Nun, du mein Vater, nimm es an 

Mein Herz veracht^ es nicht. 

Ich gebs, so gut ichs geben kann, 
Ganz sei es dir verpflicht. 

Die beiden letzteren Verse sind in sinniger Weise in einem 
von Blumen gebildeten Herzen gemalt. 

Allgemein bekannt sind die erste Zeile des Chorals von 
Nikiaus von Hofe (1526) : 

89 Allein Gott in der Höh' sei Ehr 
und die Eingangsworte des Lutherliedes 

90 Ein' feste Burg ist unser Gott. 
Ferner nenne ich : 

91 Ich bin mit dir, mein Gott, zafrieden 

Und halte dir in Demut still. 

Was deine Güte mir beschieden. 
Mit dem vergnüget sich mein Will'. 
Mein Will' ist zwar nicht ferner mein, 
Dieweil er dein begehrt zu sein 

92 Meine Lebenszeit verstreicht. 

Stündlich eil' ich zu dem Grabe, 
Und was ist, was ich vielleicht 
Hier annoch zu leben habe ? 
Denk, o Seele, an den Tod, 
Säume nicht, denn eins ist. Not. 



Eckwersheim, Lorenzen, Stall wand, 1830. — Waltenheim, Schnieder- 
jekels, Holztafel über der Hoftür. 1855. - 86) wie 83, Nr. 802, 
V. 1. — PfulgriesheiiM, Bilgers, Steinplatte über der Hoftür, 1836; 
Lenzen, desgl., 1837. — 87) u. 88. wie 83, Nr. 401, V. 1 u. 3. - 
Waltenheim, Strohjörgen. Getäfel in der Stube, 1783. — 89) Wickers- 
heim, Dennimichels, Steinplatte am Haus, 1876. — Busweiler, 
Wagners, 1883. — 90» Wickersheim, Schollerdiebölden, an der 
Stubentür innen, um 1880. — 91) wie 83, Nr. 527, V. I. — Schillers- 
dorf, Dennis, Scheunenwand, um 1830. — 92) wie 83, Nr. 506, 



— 297 — 

Häufig dienen dem Hanauer zwei Verse eines alten Liedes 
als Hausinschrift : 

93 Gott ist gut, was will ich klagen, 

Wenn die Welt es böse meint? 
Weiß ich keinen Freund zu sagen, 
Gott im Himmel ist mein Freund. 
Laß die Falschen immer gehn, 
Gott wird treulich bei mir stehn. 

94 Gott ist reich, er kann mir geben, 

Was mir gut und selig ist. 

Ich will nicht nach Reichtum streben, 
Welcher uns das Herze frißt. 
Der hat alles in der Welt, 
Wer nur seinen Gott behält 

Endlich ist der 7. Vers des bekannten Liedes «Wer nur 
den lieben Gott läßt walten» zu erwähnen : 

95 Sing', bet' und geh' auf Gottes Wegen; 

Verriebt' das deine aus getreu, 

Und trau' auf seinen reichen Segen, 
So wird es bei dir werden neu. 
Denn welcher seine Zuversicht 
Auf Gott setzt, den verläßt er nicht, 

Ob folgender Vers ein verstümmelter Gesangbuchvers oder 
ein wohlgemeintes eigenes Erzeugnis eines Hausbesitzers ist, 
ließ sich nicht ermitteln : 

96 Seinen blassen Mund erstirbt. 

So sterb' ich auch jetzund, 
Jesu, du hast weggenommen 
Meine Schulden durch dein Blut. 

Aus deutschen Dichtern sind folgende Verse : 



D' 



97 Arbeit ist des Bürgers Zierde, 

Gottes Segen ist der Preis. 
Ehrt die Großen ihre Würde, 
Ehret uns der Hände Fleiß. 

und mit kleinen Aenderungen : 



V. 1. — Bischholz, Bayerjockeis, Scheunenwand, um 1840. — 93) 
wie 83, Nr. 2, V. 1. — Menchhofen, Steihansen, Scheunenwand, 1803. 

— Schillersdorf, Wirths, Stallwand, 1803. — Obermodern, Decker- 
hansen, Hauswand, 1805. — Uhrweiler, Löschers, Hauswand, 1812, 
dabei drei Kanoniere mit einer Kanone und der Inschrift ARTILEEIE 
GAB . . . -Obersulzbach, Sümejockels, Stallwand, 1849. — 94) wie 83, 
Nr. 2, V, 3. — Menchhofen, wie 93. — Schillersdorf, wie 93. — Ober- 
modern, wie 93. —95' Alteckendorf, Fuchsenhansen, Hauswand, 1770. 

— 96) Wick^rsheim, Kleinhansen, Stallgang, 1808. — 97) aus SchiUers 



— 298 — 

98 Ueb' Treu' and Bedlichkeit 

Bis an dein kühles Grab, 
Weich* keinen Finger breit 
Von Gottes Wegen ab. 

99 Es ist bestimmt in Gottes Bat, 

Daß man vom liebsten, was man hat, 
Maß scheiden. 

Aber zu Inschriften religiösen Inhalts verwendete das Volk 
nicht nur bekannte und fertige Spruche, es fühlt auch den 
Drang, selbst solche zu dichten. Mit besonderem Stolz schmückt 
es Haus und Grerät mit solchem eigenen Gewächs, das tief aus 
seinem Innern entsprossen ist und seine relijgiösen Empfindungen 
unverfälscht und lebenswahr wiedergibt. Wir haben es hier oft 
mit wahren Perlen der Dichtkunst zu tun, die, mögen sie auch 
manchmal rauh und ungeschliffen sein, gewiß würdig sind^ 
den Giebel oder die Hoftür als Widmung zu zieren« Nicht 
selten sprudeln solche Inschriften von religiösen Gefühlen ver- 
schiedendster Art, so daß ihre Einreihung dem Inhalte nach 
Schwierigkeiten bietet. Möglicherweise entpuppt sich der eine 
oder der andere Spruch als alter Gesangbuchvers oder als 
sprichwörtliche Formel. Denn bei aller Vorsicht ist es nicht 
ausgeschlossen, daß hie und da ein Spruch dem sichtenden 
Auge entgeht. 

Die bekannten Sprüche 

100 Gott mit uns 



101 


Nur selig 

und 


102 


Gelobt sei Jesus Christas 



seien ebenso kurz erwähnt. 

Anfang und Ende mit Gott, dieser Gedanke wird in 
mehreren Sprüchen ausgedrückt. 

103 Mit Gott thn' alles fangen an. 

So wirst da Glück and Segen han ; 
Menschenfleiß gar nicht gelingt, 
Wo Gott nicht seinen Segen bringt. 



<Glocke>. — Wolfisheim, Baaers, Steinplatte an der Hoftür, 1850. — 98) 
Nach £02^^ «Der alte Landmann an seinen Sohn». — Alteckendorf, Bare- 
diewels, Kammscheide. 1883. — 99) Gedicht yon-J?. v^Feucbterahausen* 
Auf Bitten des Besitzers nenne ich den Fundort nicht, 1896 (vgl. S. 282). 
— 100) Alteckendorf, Koppjockeis, über der Hoftür, 1901. — Zabern, 
Haus Mühlhäaser, Dragonerschanze 67. — Vgl. Ps. 46, 8 a. BÖm. 8, 31. — 
101) Alteckendorf, Kärchers, gestickte Tafel. 1879. — 102) Ingenheim, 
Schwitzers, Steintafel an der Scheune, 1865. — 103) Issenhaasen, 



— 299 - 

104: Mit Gott fang' an, mit Gott hör' auf, 

Das ist der schönste Lebenslauf. 

106 Laß Gott in allen Dingen dein 

Den Anfang nnd das Ende sein. 

106 In Gottes Namen fang ich an, 

Was mir zu tnn gebühret. 

107 Das ist das Fundament vom Haus, 

Wenn Gott darin geht ein und aus. 

Das Gebet zu Gott, seine Verehrung und die Anrufung 
seiner Hilfe ist Christenpflicht und wird empfohlen. 

108 Posui Denm adjutorem qui vivit et juvat. 

109 Gott meine Hilf. 

110 Bet' und arbeit'. 

So hilft Gott allezeit. 

lU Bete rein, 

Arbeit' fein, 

Dein' Sach' laß Gott befohlen sein.' 

112 Wer Gott und seinen Nächsten ehrt, 

Baut auf dem Grund, der ewig steht. 

US Euf Gott in allen Nöten an, 

Er wird gewißlich bei dir stahn, 
Er hilft einem Jeden aus der Not, 
Der nur nach seinem Willen tut. 

114 Gott, du bist barmherzig, gnädig, 

Voller Gut', Geduld und Treu', 
Hilf, daß mich ja nichts beschädigt, 

Eoßhansen, Hauswand 1837. — Bossendorf, Rothebüren, Balken 
über der Hoftür, 1779. — Mietesheim, GanglofiOs, Scheunenwand, 
1785. — Issenhausen, Zixen, Stallwand, 1809. — Obersulzbach, 
Willinffs, Haus, 1849. — Kösslers ABC. — SutermeiBter 1. Deutsche 
Inschriften 3. JDreseUy 530. Ddl 249. Aehnlich: Draheim 280. — 
104) Dauendorf, Reebs, Scheanenwand, 1826. — Simroek 4007. 
Deutsche Inschriften 3. — 105) Weißenbnrg, Haus Sengenwald, 
Holztafel am Giebel, 1896 (Wahlspruch der Frau Sengenwald, geb. 
V. Schätzeil). — 106) Ringendorf, Vogels, handgemalte Tafel, 1835. 
107) Höhe 100: «Giebel eines evangelischen Hauses des Kochers- 
bergs.» — 108) Weißenburg, Teutsche Gasse 94, über dem Fenster 
im Erdgeschoß, 1602. — 109» Weißenburg, Haus neben dem «Schwan», 
über der Tür, 1711. — 110) Schwindratzheim, Thorbüren, Stein- 
platte über der Hoftür, 1894. — Simroek 986. Haltrieh 235. — 111) 
Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. — Verwandt : Bra- 
hefm 96 u. 335. Deutsche Inschriften 79. HaUrich 236. Zeitschrift 
des Harzvereins 27, 219. — 112) Obersulzbach, Faules, Steintafel 
über der Hoftür, 1861. — 113) Ringendorf, Gartenjockeis, Stallgang, 
1833. — Kösslers ABC. Aehnlich: Hörmanny Alpen 25. Die zwei 
ersten Zeilen : Draheim 347. Die erste Zeile : Le Roux' ABC. — 
114) Berstett, Ifermichels, Steintafel über der Hoftür, 1832. — 



-« 300 — 

Stärke deinen Knecht aufs Neu*. 
Gott, ein Zeichen ta* an mir, 
Daß ich deinen Segen spär\ 
Daß alle sehen* die mich hassen, 
Daß du mich nicht wirst verlassen. 

il5 Das Herz schmeckt fromme Freude 

Und Trost in allen Leiden, 
Wngt es, Gott frei zu bitten 
Und sich ihm auszuschütten. 

116 Der Ackersmann ist Tag und Nacht 

Auf Saat und reiche Ernt* bedacht. 
Ersuche Gott um seine Gaben, 

Du wirst sie zu genießen haben. 

117 Heil, wenn sich Mann und Weib und Kind 

In eines Glaubens Sinn verbindet, 

Zu dienen ihrem Herrn und Gott 

Nach seinem Willen und Gebot. 
I 

118 Ach Gott, hilf mir erwerben, 

Christlich zu leben und selig zu sterben. 
Christlich gelebt und selig jgestorben, ^ 
Ist genug auf Erden erworben. 

Das Vertrauen auf Gott und die Liebe zu ihm werden in 
mehreren Sprüchen gepriesen. 

119 Wer Gott vertraut. 

Hat wohl gebaut. 

120 a Auf Gott da ist zu trauen, 

Auf Menschen nicht zu bauen. 

120 b Auf Gott, da will ich trauen, 

Mit meiner Hand stets bauen. 



115) Schillersdorf, Wagner michels, Stallwand, 1787. — 116) Dunzen- 
heim, Rehmhänsels, Balken überm Hoftor. 1805. — 117) Vendenheim, 
Schloßbüren, Holztafel am Stall, 1849. ^ Lampertheim, Möbsen, 
Steintafel über der Hoftür. 1850. — 118) Dauendorf, Reebs, Scheunen- 
wand, 1826. — Gottesheim. Kieferjockeis, Hauswand, 1836. — 
Kesslers ABC. SuUrmeister 30. Fadher g 116. Aehnlich : Simrock 6697. 
H, V, FaUersleben, Findlinge 34, 35. Hörmann, Grabsohriften 11 108. 
Nur zwei Verse, ähnlich : Draheim 228. 252. — Vgl. auch SchuUe 
bl, 17. -- 119) Weißenburg, Vorderbruch 115, über der Tür, 
XVn. Jahrhundert. — Simrock 3856, Schulze in Herrigs Archiv 58, 338. 
Draheim 100 u. 347. Doli 262. Ztschr. d. Harzvereins 27, 217. Mit 
•dem Zusatz cim Himmel und auf Erden» : Draheim 269 u. 274. Suter- 
meiater 12. Ztschr. d. Harzvereins 24, 447. — 120 a) Vendenheim, 
Schottedrehjers, Haus wand. — Itteuheim, Menzermichels. Steinplatte 
über der Hoftür, 1829. — Ittenheim, Stabhalters, desgl., 1834. — 
Herstett, Lützen. desgl., 1834. — 120 b) Ittenheim, Menzermichels, 



— 301 — 

121 Wer Gott über alles liebt and ehrt, 

Baut auf den Grund, der ewig stellt. 

122 Allein auf Gott setz* dein Vertrauen« 

Auf Menschenhilf sollst du nicht bauen, 
Gott ists allein, der Glauben hält, 
Sonst ist kein* Glaub* mehr in der Welt. 

123 Leb* fromm in dieser Welt 

Auf Gott setz* dein Vertrauen, 
So wirst nach dieser Zeit 
Die Herrlichkeit dort schauen. 

124 Höret ! Wenn man Gott nicht traut 

Und auf sein Geld alleinig baut, 
So läßt Gott solche Geldnarren 

In die Erde bald einscharren. 

Zu wahren Episteln ist die Mahnung zur Gottseligkeit in 
folgenden Inschriften angewachsen. 

125 Sieh*, o Seele, welch ein Leben, 

Das zum Himmel ist gericht*t, 
Preis sei Gott, der uns gegeben 
Diesen Trost und Zuversicht. 
Diese Hof&iung, diesen Glauben 

Kann kein Feind und Welt uns rauben ; 
Sie steht fest und wanket nicht, 
Wenngleich £rd* und Himmel bricht. 
Diese Freude zu erlangen. 
Heißet hier ein Kämpfer sein. 
Wer dort will in Wonne prangen. 
Darf hier keine Trübsal scheu'n. 
Uebersch wen glich will Gott lohnen 
Wahre Streiter dort mit Kronen, 
Kämpf und ringe nur darnach 
Freu' dich auf den Jnbeltag. 

126 In Gottes Namen fang* ich an. 

Was mir zu tun gebühret, 
Mit Gott wird alles wohlgetan 
Und glücklich ausgeführet. 

Er ist, der das Vermögen schafft, 
Was Gutes zu vollbringen, 

desgl., 1829. — 121) Bischholz, Solden. Tafel an der Scheune. 1846. 
— 122) Bingendorf, Schniedermichels. Stubentür, 1806. — Zöbers- 
dorf, Michels, Scheunenwand, 1819. — Kesslers ABC. Haltrioh 370. 
Freund 18. Hörmann, Alpen 25. Z. 1 u. 2, ähnlich : Haltrich 47. 
Hörmann, Alpen 87. Verwandt: H v. Fallersleben^ Findlinge 29 
(1587). — 123) Alteckendorf, Bürediewels, Kammscheide, 1883. — 
124) Alteckendorf, Fuchsenhansen, Hauswand. 1770. — 125) Ringen- 
dorf, Vogels, handgemachte Tafel, 1835. — 126) Alteckendorf, Wald- 
hansen^ handgemachte Tafel. 1835, jetzt im Eis. Museum. Darauf 



— a»2 — ^ 

Er gibt nns Segen, Mut und Kr^ft 
. Und läßt das Werk gelingen. 
Wer erst nach seinem Beiche trachtet 
Und bleibt auf seinen Wegen, 
Der wird von Gott auch wohlbedacht 
Mit dieser Erden Segen. 
Bedenke wohl in allen Sachen, 
Die du hast in der Welt zu machen 
Und glaub', daß Gott, der alles sieht, 
Auch schaue, was von dir geschieht. 
Drum mußt du auch von Tun und Leben 
Am jüngsten Tage Rechnung geben. 
Denk' oft und viel ans Lebensziel, 
Sterben ist kein Kinderspiel. 

Gott erweist dem Menschen seine väterliche Fürsorge. 
Seine Güte, seine Liebe und Treue und sein Beistand vergehen 
nicht. Dies besagen uns folgende Sprüche : 

i^7 Gottes Lieb' und Treu' 

Ist alle Morgen neu. 

128 Gottes Güte gibt Fruchtbarkeit und Regen, 

Unserm Leib Speis', Gesundheit und Segen. 

129 Wo, Herr, dein Wort uns nicht beschützt, 

Dein Beistand uns nicht unterstützt. 
Dein Blick nicht väterlich bewacht, 

So hilft uns keine Klugheit, Fleiß und Macht. 

130 Fried' und Freud' mög' Gott dem geben, 

Die in diesem Hause leben, 

Daß sie sich bemühn auf Erden, 
Ewig glücklich einst zu werden. 

131 Hast du Gott zum Führer, so scheue keine Gefahr. 

132 Was unser Gott erschaffen hat, 

Das will er auch erhalten. 
Darüber will er früh und spat 

folgende Verzierungen: Das ABC; eine altertümliche Kutsche, von 
einem Hirsch gezogen, ein Engel auf dem Bock, ein fliegender Engel 
schiebt hinten, auf der Kutsche ein Rabe ; oben sind die Buchstaben 
mit Engeln, einem Dorf und phantastischen Tieren verziert; rechts 
und links ein Apfelbaum mit der Schlange, die den Apfel im Munde 
hält, daneben Adam und Eva ; unten beiderseits ein Postament, 
links erschlägt Kain den Abel, rechts die Geißelung Christi mit der 
Inschrift auf einem Altar : Ecce homo ; beiderseits ein phantastischer 
Vogel. — 127) Dunzenheim, Schuhmacherhansen, Fensterscheibe, 
1836. - Vgl. Klagel. Jerem. 3, 23. S. anch Nr. 265. Draheim 278. 
Padberg 108. — 128) Zöbersdorf, Gitzen. Türe der Stallkammer, um 
1810. — 129) Schillersdorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. - 
130) Breuschwickersheim^ Schulzjörgen, Steinplatte über der Hoftür. 
1844. - 131) Ringendorf. Gartenjockeis, Stallgang, 1833; «Vor- 
schriften» des Christmann Wendung, 1811. — 132) Fürdenheim, 



Mit seiner Güte walten. 
Mit seinem Gut und Reich 
Ist alles recht, ist alles gfleich, 
Wenn wirs nicht ungleich machen. 

133 Tu mihi Jova salns, qnid mihi facit homo. 

134 Verdienest deiner Leiden Lohn 

Vielleicht in diesem Leben schon, 
Vielleicht daß, eh^ du ausgeweint, 
Gott mit seiner Hilf erscheint. 

In eigenartiger Weise wird Gottes Allmacht im Vergleich 
zu der Nichtigkeit des Menschen ausp^edrückt. 

135 Das Blumenmalen ist gemein, 

Gott gibt nur den Geruch allein. 

Der Segen Grottes ist aber ein erstrebenswertes Ziel. Ihm 
gilt eine ganze Reihe tief empfundener Sprüche. 

136 An Gottes Segen 

Ist alles gelegen. 

137 An Gottes Segen und Gut 

Ist alles gelegen, wers glauben tut. 

138 Sei bei uns auf allen Wegen, 

Liebster Gott, mit deinem Segen. 

139 Sprich deinen Segen aus, 

Herr, über uns're Hütten, 
Und kröne dieses Hans 
Mit einem steten Frieden. 

140 Alles ist an Gottes Segen, 

Was wir immer tun, gelegen. 
Arbeit ist des Menschen Pflicht, 

Der Faule hat den Segen Gottes nicht. 



Heitzenhansen, Stall wand, 1848. — 133) Mundolsheim,. Villa Fernando, 
Haus wand, 1901 (verunglückter Pentameter?). — 134) Schillersdorf, 
Wagnermichels, Stallwand, 1787. — 135) Kirrweiler, Neubüren, 
Scheunen wand. 1747. — Aehnlich: Deutsche Inschriften 20. Doli 
250. Padberg 88. — 136) Schwindratzheim, Kipperhänseis, Hauswand, 
1780, f ; Hansgroßen, Scheunenwand^ 1806. f ; Schöffeis, über der 
Hoftür, 1898. - Ringendorf, Marzloffs, Stallwand, 1829. — Altecken- 
dorf, Bürediewels, Scheunen wand, 1901. — Simrock 3860. Deutsche 
Inschriften 121. JDraheim 288. — 137) Kirrweiler, Stabhalters, Haus- 
wand, 1798, f. — Issenhausen, Zixen. Scheunenwand, 1809. — 
Sutermeister 13. — 138) Wicker sheim, Staathenmichels, Durchfuhr, 
1805. — Lixhausen, alten Schulmeisters. Stallwand, 1834. — Fürden- 
heim, Brünmichels, Steinplatte über der Hoftür, 1839. — Reit- 
weiler, Stoffels, Hoftorflügel, 1882 (ausgebessert). — Kösslers 
ABC. — 139) Handschuhheim. Geisten, Steinplatte am Hausgiebel, 
1811. — 140) Kirrweiler, Neubüren, Scheunenwand, 1747. — Le 



— 304 — 

141 Der Segen Gottes in dem Hans 

Gibt mehr als alle Arbeit ans. 

Zu diesem Spruch gibt es zwei Zusätze : 

143 Wer ihn hat, 

Ist glucklich an alle Ort. 

und die etT^as schiefe Fortsetzung 

143 Wenn sie hingegen friedlich leben, 

Wird Gottes Segen um sie schweben. 

Dieser Spruch findet sich auch aliein mit dem Schluß 

144 Gott stärke sie in Kreuz und Leid 

Und nehm' sie dann ein zur Himmelsfreud'. 

Fernere Spruche, die den Segen Goltes rühmen, sind fol- 
gende : 

145 Gott, streck' aus deine milde Hand 

Und segne alles, Leut' und Land. 

146 Mein Glück beruht, o Gott, auf deinem Segen. 

Vertrau' ich dir und geh' auf deinen Wegen, 

So wirst du mir auch ohne Sorgen und Kränken, 
Was nützlich scheinet, immer schenken. 

147 Wohl dem, der Gott verehrt, 

Auf seinen Wegen geht: 

Zu dessen Tor einkehrt 
Der Segen früh und spät. 

148 Mit meiner Hand will ich stets bauen 

Die Sättigung des Lebens, 

Dazu wird Gott seinen Segen geben. 

Auch die irdische Vergänglichkeit findet Ausdruck in 
mehreren Inschriften. 

149 Properamus ad larem patrium. 

150 Wir eilen aus der Erden 

Zu einem andern Vaterland. 

Einer der häufigsten Sprüche, wovon mehrere Abweich- 
ungen vorkommen, ist der folgende : 

Eoux' ABO. — 141) Gottesheim, Kolben, Scheunenwand, 18^)7. — 
Le Boux' ABC. — 142) Prinzheim, Karbiners, Soheunenwand, 1832. 
— 143) Prinzheim, Kernhansen, Stallwand, 1828. — Le Boux' ABO, 
Z. 13 u. 14 des Gedichts «Vom Ehestande. > — 144) Büsweiier, 
Büren, Tafel, 1835. — 145; Prinzheim, Schneiders neuer Hof, Wand 
des alten Stalls, 1757, f. — 146) Schillersdorf, Dennis, Soheunenwand, 
nra 1830. — 147; Breuschwickersheim, Philippen, Steinplatte über 
der Hoftür, 1840. — 148) Ittenheim, Stabhalters, desgl., 1834. — 
149) u. 150) Wolfisheim, nene Kirchhofsmauer. Der Stein wurde 



161 a Wir sind nur fremde Gäste 

Und bauen doch so feste., 
Und wo wir sollten ewig sein. 
Da bauen wir ganz schlecht hinein. 

151 b Wir sind allhier nur' fremde Gäste 

Und bauen unsere Gebäuder feste, 
Und wo wir sollen ewig sein, 
Da bauen wir gar selten ein. 

151 e Wir bauen Häuser und Palläste 

Und sind darin nur fremde Gäste, 
Und allwo wir sollten ewig sein, 
Da bauen wir gar wenig ein. 

151 d Wir bauen unsere Häuser also fest, 

Darinnen wir sind fremde Gast', 
Und da wir sollten ewig sein, 
Da bauen wir gar wenig ein. 

152 Die Zeit ist kurz und ungewiß, 

Der letzten Stund' ja nicht vergiß. 

153 Hin geht die Zeit, her kommt der Tod, 

Mensch, tu' recht und furchte Gott. 

154 Dann gehn wir unserer Heimat zu 

Und legen uns sanft in die Ruh', 
Daß wir mit Gottes Hilf aufstehn 
Und morgens an die Arbeit gehn. 
Dann tröst' uns, Gott, in aller Not 



von einem Gebäude aus Wolfisheim (1738) entnommen. Vgl. Ebr. 
13, 14. — 151) Alter deutscher Hausspruch. Quellennachweise bei 
Sutermeister 65 und HäUrich 149. Im Einzelnen: 151a) Kohlhutte,. 
«Zum grünen Berg», Hauswand, 1815. — Baden-Baden, Erker, 
Zähringerstraße 3, o. J. — Aehnlich : H. v, FäUersleben^ Spenden 31 ;. 
Findlinge ill7. TT. 0.. Tirol 21. Lobe 18. Vgl. auch Wackemagd, 
Deutsches Wörterbuch I, 5. Aufl. Basel, 1873. S. 1168, 27. — 151 b) 
Schillersdorf, Matzen, Scheunenwand, 1846. — 151c) Schillersdorf, 
Wirtsjörgen, Stallwand, 1819. - Sutermeister 65. — 151 d) Danen- 
dorf, Kandels, Durchfuhr, 1803. — Aehnlich : Drdheim 139 u. 263, 
auch 21. Zeitschr. d. Harzvereins. 24,446 (für mehrere Städte belegt).. 
JJaU 244. Hältrich 145—149. Padberg 95. Deutsche Inschriften 16. 
Dreaelly 352. Hörmann, Alpen 124. — 152) Lauterburg, über einer Tür 
des Schlosses (Alsatia 1854)55, 255). — 153) Dunzenheim, Eberles, 
Balken über der Haustür, 1719. — Ittenheim, Trensenhansen, Haus- 
wand, 1739. — Meisheim, Kiefers, Stubentür, 1781, f» jetzt im Eis. 
Museum. — Eörmann, Grabschriften I 27 (Grabstein des Pfarrers 
Goliy in Buscheisdorf in Steyermark, f 1578) ; n 10. Sutermeister 46^- 
Deutsche Inschriften 105. HaUrich 520. Zeitschr. d. Harzvereins 27, 
218. DreseUy 789, ähnlich 479. Krakowizer 9. Die erste Zeile in einem 
Kirchenlied der Gräfin Emilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, 
Altes hau. Gesangbuch von 1780, Nr. 815, V, 1, Z. 2 (1686). Schulze 
57, 34. — 154) Ringendorf, Gartenjockeis, fliegendes Blatt aus. 

20 



— 30(5 — 

Und steh' uns bei bis in den Tod, 
Und führe uns ans dieser Zeit 
Zn dir in deine Herrlichkeit ! 

155 Wer Freuden sich erwirbt 
Mit dieser Erd« Gaben, 

Der wird, auch wenn er stirbt, 
Des Himmels Freundschaft haben. 
Und au^enommen dort 
In Gottes ewigen Hätten 
Wird er nach Gottes Wort, 
Wann er sein Heil erstritten. 
Drum werde ewiges Heil 
Durch Liebe uns zuteil. 

156 Bedenke, Mensch, dein Ende, 
Bedenke deinen Tod, 

Der Tod kommt oft behende . . . 

Auch des Erlösers Jesus Christus wird in einigen, doch 
verhältnismäßig wenigen Inschriften gedacht. 

167 Wer Jesum liebt, 

'Kein Kreuz betrübt. 

158 Der süße Name Jesu mein 

Soll mir allezeit in meinem und allen Leuten ihrem 

[Herzen sein. 

159 a Wer will Jesum einquartieren, 

Der muß sein Herz mit Glauben zieren. 

159 b oder — mit Tugend zieren. 

160 Wohl dem, der Jesum bei sich führt, 
Schleußt ihn ins Herz hinein, 

So ist sein ganzes Tun geziert 
Und er wird selig sein. 

161 Jesus, wohn^ in meinem Haus, 
Weiche nimmermehr daraus, 
BleiV mit deiner Gnad darin, 
Weil ich sonst verlassen bin. 
du großer Segensmann, 
Komm' mit deinem Segen an. 
Gib. daß Friede, Glück und Heil 
Werde meinem Haus zuteil. 



dem Nachlaß des Spjuchdichters Christmann Wendung, um 1850- 

— 155) Hangenbieten, Heiden, Steintafel über der Hoftür, 1829- 

— 156) Obersulzbach. Sümejockels, Stallwand, 1849 (verstümmelt). 

— 157) Kohlhütte, «Zum grünen Berg», Hauswaifti, 1815. — 158) 
Morschweiler, Perus, Hauswand, 1711. — 159 a) Dunzenheim, Eberles, 
Stubentür, 1777, +. — 159 b) Prinzheim. Schneiders neuer Hof, alter 
Stall, 1757, t. — Deutsche Inschriften 10. DreseüySlS. — 160) Schillers- 
dorf, Wagnermichels, Stallwand, 1787. — 161) Meisheim, Mehlensimmes, 



- 307 — 

76^ Kein' besser* Treu' auf Erden ist 

Denn nnr bei dir, Herr Jesu Christ. 
Ich weiß, daß da mioh nieht verläßt, 
Dein' Zusag' bleibt mir ewig fest. 
Dti bist mein ewig trener Hirt, 
Der ewig mich behüten wird. 

i«3 WUlst du die Tr&nen stillen 

UmL fliehn der Sünde Beiz, 
So kndpia dttnen WiUen 
An Jesn Ankerkrei«. 

164 Vater aller Menschenkinder, 
JesQS, Mittler aller armen Sünder, 
Jesus, der uns helfen kann, 
Höre unsre Fürbitt' an! 

165 Jesus weint. 

Ich bin ewig, ihr suchet mich nicht; 

Ich bin allmächtig, ihr ehret mich nicht . . . 

166 Gottlob! auch diese Nacht ist hin, 
Es bricht hervor der helle Morgen. 
Zu diesem auch ich fertig bin 
Und lasse Jesus sorgen. 

Wie er mich führt, so ist ... . 

Noch seltener als die Jesusinschriften, sind die Marien- 
inschriflen. Ich kenne deren bloß vier bei Marienbildern in 
Nischen. 

167 Mater amabilis. 

168a Maria, ohne Sünden empfangen, bitt' für uns. 

168b Heilige Maria, bitt' für uns arme Sünder. 

169 Meine Liebe ist gekreuziget worden. 



Stubentür, 1800. ^ Duuzenheim, Metzgejrhansen, Stubentür, 1808. 
— 162) Ettendorf, Tagner Weiß, Loäiingsschein, 1850, f, jetzt Eis. 
Museum. — 163) Wilshauseii, Staath, 1868 und Geisweiler, Jacob, 
1869, handgemalte Tafeln, |n der Mitte ein «Ankerkreuz». — 164) 
Offweiler, Eosinen, Durchfuhr. 1825. — 165) Fürdenheim, Wolfen, 
iScheunenwand, 1784. Die erste Zeil6 soll die üeberschrift sein; die 
beiden letzten Zeilen der verstümmelten Inschrift finden sich ähn- 
lich auf einer alten Tafel im Lübecker Dom (Deutsche Inschr. 149, 
Z, 8 u. 11), der letzte außerdem biei Oerok, Predigten n, 681, Z. 10. 
Dort hat der vollständige Sinnspruch 13, hier 12 Zeilen. Vgl. auch 
Luc. 19, 41. — 166) Fürdenheim, Heizenhansen, Stallwand, 1848 (ver- 
stümmelt).— 167* Scherlenheim, Mengus,über der Hoftür, 1900. — 168a) 
Bosseudorf, Bürgermeister Eränner, über der Hoftür 1896. — 168 b) 
Dangolsheim, Bastians, über der Hoftür, um 1895. — 169) Bossen- 
dorf. Blasen. Stein in der Mauer an der Straße, um 1800. Dabei 
eine weinende Maria, Bruchstück eines alten Feldkreuzes (?). — 



.-. 908 ^ 

Inschriften, die sich auf Heilige beziehen, sind mir in> 
ElsaB nicht bekannt. Insbesondere wird der Hl. Florian als 
Schutzheiliger gegen Feaersbrunst nicht angerufen. 

Nächst den Inschriften rein religiösen Inhalts sind die Kern- 
und Sittensprnche hervorzuheben. Sie enthalt^ allgemeine 
Lebenswahrbeiten uod Vorschriften, teils in ernstem, schlichtem 
Gewände, teils in heiterem, gemütlichem, drolligem Ton, teilV 
in witziger, beißender, ja derber Form. Der gesunde Volks- 
witi kommt neben ruhrseligen Ergössen von Lebensweisheit 
aus verschiedenen Lebenslagen zur Geltung und wird teils in 
einfachen I\eimereien, teils in ganzen Heihea anmutiger Spruche 
niedergelegt, so daß si^ giewisaeronaßen eine klein'e Muerliche 
Sittenlehre darstellen. Auch diese Reimsprüche gewähren einen 
tiefen Einblick in die Weltanschauung des elsässer Land- 
bewohners. Es sind Aeußerungen der Volksseele, die uns in 
unverfälschter Weise kundgeben, wie der Landbewohner denkt,, 
fühlt und empfindet. Dabei ist oft der gute Wille, einen ge- 
lungenen Beim zu erzielen, hinter dem gediegenen Inhalte der 
Sprüche zurückgeblieben, aber der Stempel des Ländlichen und 
Urwüchsigen trägt gerade dazu bei, sie frischer und wertvoller 
zu gestalten. Wenn bei ihneq der nämliche Gedanke in den 
verschiedensten Gegenden immer aufs neue, wenn auch in 
anderer Form, wiederkehrt, so ist das eben ein Beweis, daß er 
volkstümlich ist. 

Wohl der häufigste Spruch, ein Spruch, der in ganz 
Deutschland und in mehreren Abweichungen als Hausinschrift 
Verbreitung fand, ist der folgende : 

170a Dies Hans ist mein und doch nicht mein; 

' Wer nach mir kommt, wirds aach so sein. 

170 b Dieses Haus gehört mein und auch nicht mein; 

Wer mir nachfolget, bleibt aach nicht drein. 



170) Drdheim 405 (3 Abweichungen). Deutsche Inschriften 13- 
(4 Abw.). Hörmänn, Alpen 127 u. 128 (3 Abw.). W. 0., Tirol 23 
(verwandt 24, 25). Padberg 88. Fretmd 8. Lobe 18. Lucae 236. 
DoU 247. DreseUy 330, Im Einzelnen :'-. 170 a) Wilshausen, 
Musers, Stnbentür, 1801. — Meisheim, Jekels, Hauswand, um 1810, f. 
— Eckwersheim, Brünehansen, Durchfuhr, 1817. — Schnersheim. 
Gassenmichels, Hauswand, o. J,, f* — Graßendorf, Jacquen, Stein- 
platte über der Hoftür, 1829. — Mittelhausen, Hammen, Holztafei 
am Stall, 1833. ^ Lampertheim, Bilgers, Platte über der Hoftür,. 
1844. — Schweighausen. Strohl, Sandsteinplatte, o. J. — Laubacb. 
Grässen, Hauswand, um lS60. — 170 b) Kohlhütie, «Zum grünen 
Berg», Hauswand, 1815. — Zutzendorf, Kebhansen, in Stein an der 
Hoftür, 1820. — Steinburg, «Löwen», Steinplatte über der Haustür^ 
1824. — Obersulzbach, Schäfermichels, Steinplatte am Öiebel, 1877. — 



— -309 _ 

170 c Dies Haüi» ist mein und auch nicht mein ; 

Nach • mir 'kiiinlnt ein andrer, ist anch nicht sein. 

170 d Dieses Haas ist für mich und nicht für dich; 

Wer nach mir kommt, der bet^ für mich. 

171 Am Anfang bedenke das £nd\ 

So wird dir die MähV nicht geschändet. 

172 Glück und Glas, 

Wie bald bricht das! 

173 Handle immer so, als watest da mit Zeagen nmgeben. 

Der Bauer klagt über die böse Welt, in die er sich freilich 
selbst einschließt. Er geißelt Haß, Mißgunst und Neid. 

174: Tran, schaa, wem. 

175^ Allen Menschen recht getan. 

Das ist ein' Eanst, die niemand kann. 

176 Ta\ was recht and wahr ist getan. 

Ob dich schon nicht lobt jedermann, 
Es kanns doch keiner machen so, ■■ 
Daß es jedermann gefallen ta*. 

177 Wenn Haß und Neid tat brennen wie Feaer, 

So war' das Holz hier nicht so teaer. 

178 Laß Neider neiden, laß Hasser hassen, 

Was Gott mir gönnt, maß man mir lassen. 
Und wenn der Neider noch so viel, 

So muß 's doch gehn, wie 's Gott haben will. 

179 Wer einen guten Freund will finden, 

Der muß bei Tag das Licht anzünden. 



170 c) Weißenbarg, Peters Haus in der Tentschengasse, Steinplatte über 
•der Tür im Hof, 1715, erneuert 1829. — Issenhausen, Eoßhansen; 
Haaswand, 1887. — 170 d) Die Aufzeichnungen über den Fundort 
sind mir leider verloren gegangen. — 171) Maürsmünster, Haus 
gregenüber dem Kirchhof (itfiende/ 42). — 172)Daaendorf,Eandels,Darch- 
fahr, 1803. —Simrock 3734, — 173) Ringendorf. «Vorschriften» desChrist- 
mann Wendling, 1811 ; Gartenjockels. Stallgang, 1833.-174) Ittenheim, 
Menzermichels, Steinplatte über der Hoftür. 1829. — 175) Waltenhelm, 
Jiljörgen, Schrank. 1833. - Sutermeister 24. HcUtrich 376. DoU 259, 
Padberg 90. Deutsche Inschriften 36. Dreselly 470. — 176) Menchhofen. 
Steihansen, Scheunenwand, 1803. — 177) Handschuhheim, Klausen- 
hansen, 3teinplatte über der Hoftür. 1788. — H. v. FaXUrsUhen, 
Spenden 29. Simrock 7490, 2255 i^ «Falschheit»). Sutermeister 31 
mit Quellennachweisen, 59. Draheim, 182. Hältrich 336. Deutsche 
Inschriften 39. Padberg 89 u. 62 («wie Kohlen»). DreseUy 604. 
— 178) wie Nr. 177. — Z. 1 u. 2: Simrock 7492 a. Sutermeister 27. 
Draheim 346. Hältrich 355. Deutsche Inschriften 33. Padberg 83. Lucae 
237. Marterl, Eegensburg, 4. — Z. 3 n, 4 : Deutsche Inschriften 26. 
Alemannia VH 233. H, v. FaUerikben, Findlinge 136. - 179) Dunzen- 



^ 310 — 

180 Wenn jemand mit dir zanken will, 

So hüte dich, daß, da schweigst still 
Und ihm nicht folgest auf die Bahn, 
Da er gern wollt* ein* Ursach* han. 

181 Wer über nuch urteilt ohn* Sehen, 

Was wohl an mir für Mangel sei, 
Der rieht* gleich ihn mit dabei, 
Ob er dann gar ohn* Tadel sei. 

182 Die Leute sagen immer, 

Die Zeiten werden schlimmer; 
Die Zeiten bleiben immer, 
Die Leute werden schlimmer. 

183 Treu und Glauben sind aus der Welt gezogen. 

Die Wahrheit ist gen Himmel geflogen. 

184 Ach, wie gehts auf der Welt zu, 

Da£ die mich hassen, denen ich nichts tu*! 
Die mir nichts gönnen und nichts geben, 
Die müssen mich doch lassen leben. 
Wenn sie meinen, ich bin verdorben. 
Müssen sie für sich selber sorgen. 

185 Alle, die mir nichts gönnen und nichts geben,. 

Müssen doch sehen, daß ich kann leben. 

186 Es tut ein mancher für mich sorgen, 

Er kann mir weder lehnen noch borgen. 
Ei, so laß doch das Sorgen sein, 
Sorge nur für dich allein. 

187a Allen, die uns kennen. 

Denen wünschen wir, was sie uns gönnen. 

heim. Die weis, Laterne, 1821. ~ 180) Lixhausen, alten Schul- 
meisters, Stallwand, 1834. — Vgl. auch Simroek 10370. — 181) 
Weißenburg, Anselmannstaden 53, in Stein gehauen über den beiden 
Treppenfenstem des ersten Stockes. Der Stein (1605) stammt vom 
alten Gasthof «Zum Sternen». — 182) Meisheim, Mehlensimmes, 
Getäfel in der Wohnstube, 1800. — HaUrich 374. W. 0., Tirol 29. 
Deutsche Lischriften 52. Hörmann^ Alpen 111. DreUüy 427. — 
188) Daselbst. — Draheim 177. Aehnlich: HaUrieh 368. Simrock 
2430. — 184) Dunzenheim, Eberles, Getäfel in der Kleinstube, 
1724. — Bosseishausen, Neubüren, Durchfuhr, 1740. — Issen- 
hausen, Eoßhansen, Hauswand, 1837. — Eösslers ABC. Suter' 
meister 26. Draheim 286. 240 und 371 ohne die zwei letzten Zeilen. 
HaUrich 322, verwandte Sprüche 319—321. Ztschr. d. Harzvereins 
24, 445, dabei noch zwei Schlußzeilen. Freund 16 ohne die zwei 
letzten Zeilen. Mündel 14. Deutsche Inschriften 31 mit zwei anders 
Anfangszeilen. Hörmann^ Alpen 99. — 185) Dunzenheim, Backen, 
Durchfuhr, 1803. — 186) Schwindratzheim, Meyerlüxen, Stallwand, 
1804. — Waltenheim, Strohlüxen, Stallwand, 1810. — Nur Z. 1 u. 2 : 
Schillersdorf, Matzen, Schennenwand, 1846. — LÖbe 36. Deutsche 
Inschriften 44. HaUrich 315. Alle drei haben Z. 3 u. 4 anders. — 

187 a) Hohengöft, Schreiner Sonnen drücker, Balken am Haus, 1888v 



— 3H — 

187b £fi wünsch' mir einer was er, will, 

So geb' ihm Gott zwei Mai so viel. 

All diesen menschlichen Leidenschaften gegenüber iTverden 
Redlichkeit, Fleiß und Sitte, Ehrbarkeit, Friede und Bescheiden- 
heit gepriesen. Diese Tugenden stehen dem Menschen gar 
wohl an. 

188 Wer seinem Feinde Gutes tut, 

Der zeigt den größten Edelmut. 

189 Dem Großen weich* ! AchV dich gering, 

Daß er dich nicht ins Unglück bring' ! 
Dem Kleinsten auch kein Unrecht tu*, 
So bleibest du in. guter. Ruh'! 

190 Das Band der Redlichkeit 

Und unverfälschter Treu' 
Verliert die Farbe nicht 
Und bleibet allzeit neu. 

191 Der Mensch ist weis' und wohigelehrt, 

Der alle Ding' zum Besten kehrt. 

192 Wer etwas kann, ist lobenswert, 

Und der nichts kann, niemand begehrt. 

193 Du bist mir stets verehrungswert, 

Das beste Glück sei dir beschert. 

194 Schieb ja nichts gutes auf. 

Der heut'ge Tag ist dein, 
Denn was du hast versäumt, 
Das holst du nimmer ein. 

195 Wenn Geschwister fromm und weise, 

Nachsichtsvoll und gütig sind, 
Wenn in ihrem stillen Kreise 

Stets des Friede;ns Quelle rinnt, 
dann ruht auf ihnen allen 
Gottes Blick mit Wohlgefallen. 

Er fand den Spruch in der «Alten und Neuen Welt>- — 2. Zeile 
«Gebe Gott, was sie uns gönnen >: Haltrich 325 und 326. DraJteim 
93 u. 256. Deutsche Inschriften 26. Padberg 79. Hörmann, Alpen 15. 
IhreseUy 605; verwandt: H, v, FäUersleben, Findlinge 137. — 
187 b) Ruprechtsau, Wand im Speisezimmer des Schlosses, neu (III. Eis. 
Rdsch. 1905, 11 47). — 188) Gimbrett, Kärcher, Bettlade, o. J. —189) 
Ringendorf, Gartenjockeis, Stallgang, 1833. — Kösslers ABC. — 190) 
Gottesheim, Kolben, Hauswand, 1837. — 191) Dahlenheim, Nidersten, 
Erker mit Wappen, 162? — Simrock 976 ; verwandt: 1855, 11513. 
JB. V. FaUerslebenf Findlinge 169. Wcmkernagel^ Deutsches Wörter- 
buch I, 5. Aufl. Basel, 1873. S. 1167, 24. HältHch 407. - 192) Wingers- 
heim, Seilers, Scheunenwand, 1809, f« ~- Simrock 5397 (Z. 2: Den 
Ungeschickten). — 193) Wickersheim, Kiefers, Handbesen, 1883. — 
194) Alteckendorf, Bürediewels, Kammscheide, 1864. — 195) Walten- 



-^ 312 — 

Alles Unrecht vnil ich hassen, 

Flieh'n, was^ leicht dazu irerfiihrt, 

Jedem g^eben, jedem lassen 

Das, was ihm als sein gebührt, 

Selber lieber Unrecht dulden, 

Als durch Unrecht mich verschulden. 

196 Christ^ sei der Rache nicht ergeben! 

Der Zorn verbittert nur das Leben, 
Und wer den Feinden gern verzeiht, 
Genießt schon hier die Seligkeit. 

197 Alle Menschen Brüder nennen, 

Alle lieben wollen wir, 

Keine Meinung soll uns trennen, 
Duldung wohn* im Hause hier. 

198 Rieht' nicht mich und die meinen, 

Sondern dich und die deinen, 
Schau auf dich und nicht auf mich, 
Tu ich loben dich und mich. 

199 In den Herzen muß allein 

Treu' und Lieb' beständig sein. 

200 Freundschaft macht die Menschen 

Gottes Engeln gleich, 

Macht sie frqh im Kummer 
Und in Armut reich. 

201 Glücklich, w«r den Frieden findet 

In dem Strom der Welt, 

Wen mit zarter Mutterhand 
Die Natur erhält. 

202 Trag' nichts herein, trag' nichts heraus, 

So bleibt der Friede stets im Haus. 

203 Wer in sein eignes Herze sieht, 

Der spricht von niemand Böses nicht, 
Denn an sich selbst find't jedermann 
Gebrechen g'nug. wers merken kann. 



heim, Staathen, Tafel, 1845. — 196 1 Büsweiler, Gaßhansen, Scheunen- 
wand, .1845. — 197) Wolüsheim, Fischerbasches. Steinplatte über der 
Hoftür, 1851. — 198) Forstheim. Winds, Scheunenwand, 1804. Das 
Zeitwort in der letzten Zeile ist unleserlich. Es ließe sich auch 
«lieben, ehren, achten» ergänzen. ^ Hörmaiui, Alpen 97 mit anderer 
Schlußzeile. Verwandt : Simrock, 1557. — 199) Dunzenheim, Diewels, 
Laterne, 1821. — 200) Schwihdraizheim, Henches, Tafel. 1856 ; jetzt 
Eis. Museum. - 201) desgl. -.202) «Hanauerdorf > (Vogesenblatt 1897, 
Nr.. 5). — Deutsche Inschriften 22. Dreselly, 316. ~ ^03) Lixhausen, 
alten Schulmeisters, Staliwand, 1834. — Gottesheim, Kolben, Haus- 



— 313 — 

S04 Ein Mann, der mit Vernunft, 

Durch Bedlichkeit und Fleiß 
Zeit, Welt, Glück, Ehr' und Lust 
Kennt und zu brauchen weiß : 
Der keinen Menschen drückt 
Und nichts aus Stolz verschenkt, 
Gott, seinen Schöpfer, ehrt 
Und seiner wohl gedenkt. 

JSOö Nächsteniieb' ist eine Tugend, 

Die sehr hoch zu schätzen «ist. 
Man empfehle sie der Jugend, 
Uebe sie zu jeder Frist. 
Du sollst Frenndschaffc auch erweisen 
Jedem, der nur Mensch tut heißen, 
Sei er Jud\ Türk» oder Heid\ 
Und du sollst vor allen Dingen 
In der Not ihm stets beispringen, 
Ihme dienen jederzeit. 

J206 Die Arbeit ist des Menschen Pflicht, 

Der Träge hat den Segen Gottes nicht. 

207 Die Arbeit ist des Menschen Pflicht, 

Wer niemals säet, der erntet nicht. 

J^08 Arbeit macht das Leben süß. 

209 Beten und arbeiten, das ist die beste Kunst 

Wers fein übt, der isset nicht umsonst. 
Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen, 
Merkts, ihr Faulen, tuts nicht vergessen ! 

J210 Erheb' dich nicht mit stolzem Mut, 

Wenn du bekommen hast ein großes Gut. 
Es ist dir nicht darum gegeben, 
Daß du dich sollst mit Stolz erheben, 

In das Gewand einer erdichteten Erzählung ist folgender 
schöne Spruch gekleidet 

211 Ich kam einst in ein fremdes Land, 

Da stand gesehrieben an der Wand: 
Sei fromm und auch verschwiegen, 
Was nicht dein ist, laß du liegen. 

wand, 1837. — Kösslers und Le Roux' ABC. — 204) Breusch wickers- 
heim, Lorenzenmichels, Steinplatte über der Hoftür, 1808. Ueberschrift: 
Der wahre Menschenfreund. — 205) ebenda. Kieferhansen, 1801. — 
206) Issenhausen, Roßhansen, Hauswand, 1837. — 207) Prinz- 
heim, Kernhansen, Stallwand, 1828. — Le Roux' ABC. — 208) 
Schwindratzheim, Schwebeis, über der Tür des Schweinelstalls, 1904. 
— 209) daselbst, Scheunenwand, 1806. — <Hanauerdorf> (Vogesenbl. 
1897, Nr. 5). - Kösslers ABC. — Z. 3 : Le Roux' ABC. Simrock 41S. — 
210) Dunzenheim, Eberles, Stallwand, 1790. — Kösslers ABC. Haltrich 
418. — 211) Vendenheim, Langenjockels, Hauswand, 1790. — Geisweiler, 



— 314 — 

Unter diesen ernstgemeinten Sprüchen finden sieb auch 
einzelne, die uns ein philosophisches Fragezeichen abnötigen. 

212 Einigkeit 

Besteht in der Znfriedenheit. 

213 Heil und Frieden 

Gibt Segen in allen Nöten. 

214 Das Erenz des Herrn gebieret Weisheit und Erfahrung, 

Erfahrung gibt dem Glauben Mut und Nahrung. 

216 Schau^ auf dich und nicht auf mich. 

Tu' ich Unrecht, so hüte dich. 
Denn glückselig ist der Mann, 
Der sich an anderer Schaden machen kann. 

Recht wirkungsvoll ist eine Anzahl knapp gefaßter Kern- 
spruche, die in ihrer Kürze besonders schön und wertvoll 
erscheinen. 

216 Red' wenig, mach es wahr, 

Borg' wenig, bezahl es bar. 
Laß einen jeden, wer er ist. 

So bleibst du auch, wer du bist. 

217 Frisch und fröhlich, 

Fromm und ehrlich. 
Treu von Gemüt, 
Ehrlich im Geblüt: 
Diese Tugend 
Ziert die Jugend. 

218 Viel betrachten, wenig sagen, 

Seine Not nicht jedem klagen, 
Viel anhören, nicht antworten, 
Bescheiden sein an allen Orten, 
Sich in Glück und Unglück schicken, 

Ist eins von den größten Meisterstücken. 



Heitzen, Scheunenwand, 1800. — Prinzheim, Carbiners, Scheunenwand, 
1832.— Gottesheim, Kolben, Haus wand, 1837. — Obersulzbach, Deckers 
Hauswand, 1845. — Kösslers und Le Roux' ABC. Sutermeister 54. 
Deutsche Inschriften 96. Haltrich 338 b. Dreselly 482, 713 (nur Z. 3 
u. 4). Freund 22. W. 0., Tirol 33. Hörmann, Alpen 105. Simrcck 
1524 (nur Z. 4). — 212) Pfettisheim, Kornelis, Steinplatte über der 
Haustür, 1856. — 213) Hoerdt, Gasseschireis, Eckbaiken am Wohn- 
haus, 1805. — 214) Schillersdorf, Dennis, Scheunenwand, um 1830. 
— 215) Geisweiler, Schweyers, Hauswand, 1810. — Kösslers ABC. 
wo das Zeitwort in der 4. Zeile «spiegeln» lautet. — 216) Alt- 
eckendorf, Fuchsenhansen. Hauswand, 1770. -- Geisweiler, Schweyers, 
Hauswand, 1810. — Lixhausen, alten Schulmeisters, Stallwand, 
1834. — Kösslers ABC. — Aehnlich : Le Eoux' ABC. — 217) 
Lixhausen, alten Schulmeisters, Stallwand, 1834; — Kösslers 
ABC. — 218) Bietlenheim, Ottmanns, Steintafel am Haus, 1857. — 



— 315 — 

219 Ich liebe Gott, und Geld 

Ist Meister in der Welt. 

220 Alles Tan anf Gott gebaat, 

Keinem Mensehen recht getränt, 
Bedlich aber und gerecht. 

Niedrig und doch nicht gar zu schlecht. 
Nicht zu groß und nicht zu klein, 
Höflich und doch nicht zu gemein, 
Nicht zu blöd* und nicht zu frei, 
Still und doch beredt dabei, 
Viel Geduld und wenig Geld, 
Kommt man fort in aller Welt 

Die beiden letzten Zeilen kommen auch allein vor. 

Hier ist wohl der Ort, die Sprüche des alten Buchsweiler 
Gymnasiums zu erwähnen, die naturlich keine Erzeugnisse des 
Volks, sondern von Gelehrten verfaßt, möglicherweise alten 
Schriftstellern entnommen sind. 

221 'EcpdSiov yj TcatSeia. 

222 AuoxoXa xd xaXd. 

223 Honos alit artes. 

224 Honos et virtus praemium diligentiae. 

Auch Sprüche harmloser Art, gemütliche Plaudereien aus 
dem bäuerlichen Anschauungskreis im Gewände eines Reimes 
sind zu Inschriften sehr beliebt. 

225 Ich bin ein Bauersmann so genau, 

Ich nähr' mich von dem Ackerbau. 
Wenn ich den Acker recht fahren tu'. 
So bringt er mir auch Frucht genu'. 

226 Am Tisch sowohl als auf dem Feld 

Schuf Gott den Mensch in dieser Welt. 



219) Eckwersheim, Brünehansen, Durchfuhr, 1817. — 220; Altecken- 
dorf, Fuchsen, Getäfel in der Kleinstube, 1787. Abweichung in der 
ersten Zeile: Alles Gut. — Wickersheim, Staathen, Durchfuhr, 
1805, mit derselben Abweichung. — Zoebersdorf; Mehlen, Stuben- 
tür, um 1810. Z^ 6 lautet : Nicht zu stolz und auch nicht zu ge- 
mein. — Mundolsheim, Baasen, Steinplatte über der Hoftür, 1828. 
Z. 5 u. 6 fehlen. — Eckwersheim, Baus Nr. 116 (Mündel 38) ; nur 
Z. 1—6 : Schuljorgen, Steinplatte über der Hoftür, 1834 ; Bartheis, 
desgl., 1834 ; ohne die zwei letzten Zeilen : Brünehansen, Durch- 
fuhr, 1817; Bührels, Steinplatte über der Hoftür, 1825. — Lobe 
32, äteiich 33. Deutsche Inschriften 53, Z. 3 u. 4, 7 u. 8 fehlen. 
Freund 19. — 221)— 224) Buchsweiler, Steintafel über der Ein- 
gangstür CTuatSeuoti; Tu)vv8(oxepa)vd im Hofe des alten Gymnasiums, 
1612. Wegen der Jahreszahl vgl. Nr. 5. Zu Nr. 222 vgl. Mündel 51 : 
DifÜcilia quae pulchra (Schlettstadt). Nr. 223 : Cicero, Tuscul. 1, 2. — 
225) Schwindratzheim, Meyerlüxen, Stallwand, 1804. — 226) Dunzen- 



^ 316 ~ - 

Ji27 Wer bei dem Pflügen reicli will bleiben. 

Muß selber tahren oder treiben. 

^28 Wenn der Pflng im Feld nicht geht, 

So ist es umsonst, daß die Scheuer da steht. 

J229 Wenn einer weit will reiten oder gehn, 

So darf er nicht halten oder bleiben stehn. 

J230 Das beste Wappen in der Welt, 

Das ist der Pflug im Ackerfeld. 

J231 Jetzt geht die Sonne klar und munter 

Am Abendhimmel unter, 
Bald aus des Morgens Himmelstor 
Steigt sie mit neuem #lanz hervor. 

^32 Die Ungelehrten sprechen frei, 

Daß Schreiben keine Arbeit sei. 
Ob ich gleich mit drei Fingern schreib', 
So arbeitet doch der ganze Leib. 

Der Name des «gelehrteni^ Maurers ließ sich leider nicht 
«rmitteln. 

Natürlich ist die Frau, die in dem geplagten Leben des 
Landmannes eine so wichtige Rolle spielt, auch in der In- 
schriftendichtung nicht übergangen worden. Schon der Bursche 
gesteht uns in Sehnsucht : 

^33 Ein jeder, der keinen Schatz mehr hat, 

Der geht Tag und Nacht, bis er wieder einen 

[gefunden hat. 

Der Weibersprüche aus dem Buche Sirach wurde bereits 
bei den Bibelsprüchen (Nrn. 53—57) gebührend gedacht. Ein 
anderes Mal heißt es ganz allgemein : 

^34 Der Himmel bewahre dich vor einem falschen Weibs- 

geschlecht. Das lehrt uns Sirach. 

Und ein anderer alter Spruch klagt : 

J235 Auf Erden ist kein' größ're Pein, 

Als wo die Weiber Meister sein. 

Die betreffenden Frauen — der Spruch kommt zweimal 
vor — scheinen ihn nicht sonderlich übelgenommen zu haben, 
denn sonst wäre er nicht so lange stehen gebHebeti. 

heim, Schuhmacherhansen, 2 Fenster, 1829 u. 1836. — 227) Dauen- 
dorf, Eeeben, Scheunenwand, 1826. — Dunzenheim, Schuhmacher- 
liansen, Fenster. 1886. — 228) Menchhofen, Steihansen, Scbeunen- 
wand, 1803. - 229) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand. 1798, f. - 
230) «Hanauerdorf» (Vogesenblatt 1897, Nr. 5). — 231) Schillers- 
dorf, Matzen, Seheunenwand, I8i6. — 232)-3chiHersdorf, Schäfer- 
Jörgen, Stallwand, 1799. — 233) Obersulzbach, Deckers, Haus. 1845. 
durch ein ^eues Schild verdeckt. — 234) Waldhambach, Schreiner 
Bieber, Ziegel, 1810. — 235) Schwindratzheim, Meyerlüxen, Stallwand, 



- 317 — 

Das Gegenteil von einem solchen Hauswuterich war gewiß 
die Frau jenes Ghlcklichen, von der es heißt : 

236 Diese Scheuer hat gebaut Lucas Bichert und Barbara 

[seine Hausfrau; 
Was er wünscht das wünscht sie wl. 

Jedenfalls handelt e^ sich hier . um einen willig ange- 
nommenen gereimten Scherz des Zimmermanns, der die Inschrift 
1740 in den Balken geschnitzt hat. 

Ein anderer Spruch meint : 

287 Die ist ein kluges Weib, 

Die nach der Ehitandspflicht 
Za Banse luchts versäumt 
Und ihre Treu' nicht bricht. 

Ausführlich erfahren wir aber die guten Eigenschaften einer 
tüchtigen Bäuerin in folgender prächtigen Inschrift : 

2BS £in' brave Frau, die mit Verstand 

Ein ganzes Haus regieret, 
Die stets mit Klugheit allerhand 
Im Haus anordonnieret, 
Ein' schöne Frau, sanft wie der Tau, 
Die stets mit Liebesproiien 
Zu jeder Zeit den Mann erfreut: 
Die ist gewiß zu loben. 

In den 1890 er Jahren standen einmal zwei Leutnants im 
Manöverquartier vor dieser ehrwürdigen Inschrift. Als sie sie 
nicht gleich entziffern konnten, sagten sie : cAch was I dummes 
Zeug I» und gingen weiter. 

Einer beliebten Wirtin galt ein Spruch, der sich auf einem 
kostbaren Trinkglase findet: 

239 Lieb^ du mich 
Wie ich dich, 

So bleibt die Lieb* beständiglich. 

Glashändler, die in dem Hause zu übernachten pflegten, mach- 
ten es ihr 1765 zum Geschenk, und sie schrieben dazu noch : 

240 Solle leben die ehrsame Margreta Michlerin. 

Leider verstümmelt fand sich nachstehende Inschrift, die 
nicht übel gewesen sein mag : 



1804, f. — Schillersdorf, Kiefers, Scheunenwand, 1811. — 236) Ält- 
eckendorf, Meyerlüxen, Balken am Stall, 1740. — 237) Oottesheim, 
Kolben, Hauswand, 1837. — 238) Eolbsheim, Peters, SteinpUtte 
über der Hoftür, 1819. -^ 239) Dunzeuheim, Matzen, Wasserflasche, 
1765, mit prächtigen Blumen, Chrysanthemen, Tulpen, dabei ein 
Storch mit einer Schlange und ein springender Hirsch. ^ 240) da- 



— 318 — 

Mtt MMkih mm. MMma Aoßea Mund, 

Da „ . auch weBT gtmat. 

Ü9d Gott noch D bfind 

Und die f[ran dem] man gehorsam .... 

Aus dem Gebiete des mutwilligen, kecken Scherzes stammen 
mehrere Inschriften. In schalkhafter Weise wird aus dem 
Herzen des Vorübergehenden gesprochen : 

fi42 a Ich Äff 

Steh^ hier nnd gaff. . 
Dieweil ich hier steh\ 
Könnt* ich weiter gehn. 

^42 h ich alter ASP 

Steh hierher und gaff! 
Alleweil ich daher steh'. 
Könnt' ich einfach weiter gehn! 

U2 e Ach ! ich Äff' 

Steh' so lang' daher und gaff*. 
Allweil ich da stehe zu gaffen, 
Kann ich den Weg fortmachen. 

2424 Ich Narr 

Steh' daher und starr'. 
Ich steh' daher gar za dämm, 
Daß alle Lente lachen drum, 
Lachen ha ha ha ha. 

Der Affe und der Narr sind in folgender Inschrift vereinigt: 

242 e Wad stehn ihr daher nnd gaffen, 

Wie Narren and Affen. 
Alleweil ihr daher stehn, 
Können ihr noch weiter gehn. 

Recht derb sind auch die nachstehenden Sprüche: 

243 Esel, was guckst? 
Gnck vor dich! 



selbst. — 241) Kirrweiler, Stabhalteiir, Haaswand, 1798, f. — 
242 a) Gambrechtshofen-Niederbronn, Bichertshansen. Haaswand, 
1700. *- Prinzheim, Schneiders neuer Hof, alter Stall, 1757, f- - 
Danzenheim, Jörgmichels, Haaswand. 1759. — Mietesheim, Oang- 
loffs, Scheanenwand, 1785. — Obersalzbach, Kihmen, Haaswand, 
um 1800. Ks waren auch zwei Affen dabei dargestellt. — Suter- 
meister 23. Deutsche Inschriften 33, Abweichung 27. — Lueae 235. 
— 242b) Eeitweiler, Stoffels. Hoftorflügel, 1882. — Höhe 101 (un- 
genau). Spruch an einer Scheune in Württemberg: ich dummer 
Äff* Steh dato hier nnd gaff' nsw. (mündliche Mitteilung des 
Ingenieurs Deitelmoser). ^ 242 c) Eckwersheim, Brünehansen, 
Durchfahr, 1817. — DreseUy 447. Marterl. Regensburg n, 13. — 
242 d) Obersulzbach, Deckers, Haaswand, 1845. ~ 242 e) Morsch- 
weiler, Perus, Hauswand. 1711. — > 243) £ckwersheim, Brünehansen, 



— 319 — 

ML Wanr es wir in meinem Landgebiet, 

Daß man allen H .... die Nas' abschnit, 
So müßt* ein mancheriieher Mann 
Seine Frau ohne Nase han« 

^45 Könnt* ich krähen als wie ein Hahn, 

So müßt' ich sein aller Weiber Mann. 

A.uf ein besonderes Vorkommnis mit einem Notar spielt 
dieser Spruch an : 

246 Dem Schreiber gehört ein Hafen 

Und dem Herr ein Dreck auf die Nas. 

Während nun die bisher erwähnten Sprüche auf verschieden- 
artigen Gegenständen angebracht wurden und eigentlich keine 
Beziehung zu ihnen hatten, kommen wir jetzt zu einer Reihe 
von Inschriften, die dem Inhalte nach unmittelbar mit dem 
Gegenstande zusammenhängen, den sie schmücken. Ich be- 
ginne mit dem Hause selbst. Gleich einer Widmung versieht 
der Bauer die Wand seines Hauses mit der frommen Inschrift, 
der häufigsten von allen : 

J247a Dieses Haus (Bau, Hof, Scheuer) steht in Gottes Hand, 

Gott bewahr' es vor Feuer und Brand. 

Dazu kommt als dritte Heimzeile: 

247 b Und das ganze Vaterland — oder 

Auch unser ganzes Vaterland — oder 

247 c Und bereiche das ganze Vaterland. 

Einmal fand ich anstatt dessen : 
247 d Und das ganze Unterland. 

Abweichungen der zweiten Reimzeile: 



Durchfuhr, 1817 {Mündel 38). t — 244) Minversheim, Balzers, 
irdene Platte, 1805. - 245) Wickersheim. Tagner Burkhardt, irdene 
Platte, um 1820. — 246) wie 242 e. — 247 a) Eoppenheim, Wirts- 
michels, Balken am Haus, 1731. - Weyersheim, Ads, 1751 
(«behüf» es). — Ettendorf, Felixen; 1765. — Prinzheim, Schuh- 
machers, 0. J. — Schweinheim, Gabriels, o. J. — Dunzenheim, 
Backen, 1834. - Schillersdorf, Matzen. 1846. — Forstheim, Messer- 
jacoben, um 1870. — Sutermeister 6 mit zahlreichen Abweichungen 
und verwandten Insehriften (vgl. hierzu die flgd. Nrn. bis 250). Mündel 
20 (Reichen weier 1603). Deutsche Inschriften 47 f. nebst einigen 
Abweichungen. — 247 b) Bosseishausen, Neubüren, Durchfuhr, 1740. — 
Kirrweiler, Neubüren. Scheunenwand, 1747. — Forstheim, Winds, 
1804. — Wickersheim, Staathen, 1805. — Obermodern, Jungen, 1823; 
Eckkiefers, 1836 («dazu das ...>). — Issenhausen, Boßhanseuj 
1837. — Uttenhofen, Stoffels unbewohnter Hof, 1837. - 247 c) Ringen- 
dorf, Bietlers, Stallgang, um 1810. — 247 d) Meisheim, Kiefers, 1781 . 



- 320 - 

247 e Gott bewahr^ ihn vor Ungläck und Brand ^ 

247 f Oott bewahr' ihn vor Feuer, Wasser and Brand» 

Andere Fassung desselben Spruches: 

247 g Das Haiu «Zum Ochsen> genannt 

Steht in Gottes Hand. 

247 h Dieses Hans steht in Gottes Hand, 

Er bewahr« es für Feuersbrand ! 
Für Feuer und Wassersnot 
Bewahr' uns der liebe Gott! 

Es ist dies der in vielen Abweichungen früher übliche Spruch, 
der in manchen Dörfern noch bis vor kurzem beim Richt- 
feste vam Zimmermann mit gewichtiger Stimme als Feuer- 
schutz gesprochen wurde. Möglicherweise sind noch andere 
Inschriften zugleich alte Zimmermannssprüche. 

Hierher gehört auch die Zweitälteste mir bekannte Inschrift 
von 1530 mit folgendem Wortlaut: 

247% Dis hus stot in gottes gewalt. 

Den erbem lütten von Balbum ist es bekant 
Mattern Ziegeller der Werkmeister ist, 
Johannes WolJff das seit on argen liest. 
Schultheiß vnd gemein sagt ueh für wor, 
Als man that zahlen MV und drissig johr, 
Wan diesses hus vf^ericht enbor. 
Amen das ist wor. 
Lob vnd ere sie got dem hern. 
I H S Maria, sprich amen. 

Sie befand sich bis vor einigen Jahren an einem Balken der 
alten Laube von Balbronn. Der Schreiner Wickersheimer« 
der die Laube auf Abbruch ersteigerte, ließ den Balken an 
seiner neuen Scheune anbringen, wo sie noch zu sehen ist. 
In einer anderen alten Inschrift spricht das Haus als Person 
selbst zum Vorübergehenden: 

2471c ALÖIE . STE . ICH . IN . GOTES . HÄD. 

THOMEN KAVFER WOLBEKAD. 
GEBAVET . IN . GOTES EHEEN 
DER VNS ALLE THVOT EBNEREN. 

Weitere Sprüche sind : 

248 Behüt' Gott diesen Bau vor Unglück und Schaden. 

— 247 e) Grassendorf, Gallois', 1849. - 247 f) Lixhausen, alten 
Schulmeisters, 1834, — 247 g) Buchsweiler, Hauptstraße 23, Er^er, 
1673, t— 247 h) Lobsann, Hirzels, 1798 — 247i) 4. Zeile = Johannes 
Wo (ff das sagt ohne Arglist. — 247 k) Dahlenheim, Simmes, Tafel 
am Haus, 1607. — 248) Alteckendorf, Wambachs, Eckbalken der 



— 321 — 

249 Theobald Litt, Eva Littin, geb. Freisinn 
Gott woir erhalten diese beid\ 

Bis sie der Tod von hier wegscheid^t. 

250 Vor Feuer, Feind und sonstiger Not 
Bewahr* ans ferner, Herr und Gott. 

251 Gott ist Schöpfer der Natur, 
Menschen machen Tor und Riegel» 
Aber du gibst Kraft dazu. 

Du bist Schöpfer für und für. 
Alt und Jung, die hier eintreffen, 
Möchten nur dich, Gott, gebeten. 
Du wirst schließen auch die Tür 
Und hilfst wohnen auch allhier. 

252 Der Erde schönstes Gut 
Sind Haus und Vaterland, 
Wenn in denselben Ruh' 

Und Frieden herrscht und wohnt« 

Halt' über beiden stets, 

Gott, deine Vaterhand, 

Daß Wetter, Strahl und Brand 

Und wilder Krieg sie schont. 

253 Wo Gott der Herr das Haus nicht baut, 
Ist alle Müh' vergebens. 

Wo man auf seine Hilfe traut, 
Da hilft der Fürst des Lebens 
Und führt uns sicher ein und aus, 
Bis wir ererben jenes Haus 
Dort bei den ewigen Hütten. 

254 Durch Menschenhand' und Gottes Kraft 
Ist dieser Bau in den Stand gebracht. 
Gott, behüte ihn in deiner Hand, 

Er ist dir allein anvertraut! 

255 Wo Gott der Herr das Haus nicht baut, 
Da richtet Menschenfleiß nichts aus. 
Und wer auf seine Arbeit traut, 
Treibt allen Segen gar hinaus. 

256 Gott halt' in Gnaden treue Wacht 
In diesem Haus bei Tag und Nacht. 

Scheune, 1848. — 249) Berstett, Modebüren, Holztafel am Haus, 1788. 
- 250) Breuschwickersheim, Marzolffs; Scheune, 1894. — 251) Lampert- 
heim, Dennien, Steinplatte über der Hoftür, 1831. — 252) Mittel- 
hausbergen, Walthers, Steinplatte am Haus, 1820. - Eckwersheim, 
Girmes, Steinplatte über der Hoftür, 1830. — 253) Breuschwickers- 
heim, Kiefeijörgen,. Steinplatte über der Haustür, 1849. — 254) 
Eckwersheim, Denniebüren, Steinplatte über der Hoftür, 1830. — 
255) Griesbach (Kanton Buchsweiler), Lipsen, Hauswand, 1870. — 
Vgl. Ps. 127, 1 . — 256) Straßburg. Bäckerei Ecke Broglieplatz und Gieß- 

21 



— 322 — 

357 Qib Gedeihn zu nnseru Saaten, 

Vater, da Allgütiger! 

Ufid bewahr vor jedem Schaden 
Diese Scheuer, Alimächtiger! 

358 Gott, nnter deinem Willen and Beistand 

Ist das Tor, Allmächtiger, in deiner Hand, 
Behüt' das Haas vor Feuer und Brand. 
Der liebe Gott wolle das alles geben, 

Damit wir seliglich leben und selig sterben. Amen. 

359 Durch Gottes Gut* und Treu* 

Wird's Haus morgen neu. 

Aber das Bauen hat auch seine Schattenseiten. Es kostet 
vor allem viel Geld, und wer selbst einmal gebaut hat, kennt 
die Sorgen und Plagen des. Bauherrn. Dazu muß er oft den 
Spot^ von Tadlern, Krittlern und Neidern über sich ergehen lassen. 
Diese Gedanken finden in zahlreichen Inschriften Ausdruck. 

360 Wer will bauen an die Gassen und Straßen, 

Muß die Herren reden und die Narren tadeln lassen. 

361a Wenn einer bauen will, 

So gibts der Tadler viel. 
Ich bau', wie mirs gefällt. 
Es kostet mich ja mein Geld. 

361b Wenn einer bauen will, 

So gibts der Tadler viel. 
Es kost mich ja mein Geld, 
Und wenn es mir gefällt. 
Für das hab Ichs gestellt. 



hausgasse, Haaswand, 1897. — 257) Quatzenheim, Lobsteins, Brett an 
der Scheune, 1820.^ 258) Daselbst, Steinplatte über der Haftftr, 1820. 
— 259) Dunzenheim, JÖrgmichels, Hauswand, 1759, f. -* Aenderung 
von Nr. 127. Vgl. Klagel. Jer. 3, 23. — 260) Prinahdm, Schneiders 
neuer Hof, alter Stall, 1757, f. — Vendenheim, Diewels, Steinplatte 
am Hof, 1776 («die Ungescheidten» statt «Narren»). — Mietesheim, 
Laube, f {Mündd 43). — Weitbruch, Adami, fialken über der Durch- 
fuhr, 1790. — Kirrweiler, Stabhalters, Haflswand 1798, f. — Meisheim, 
Jekels, Hauswand, 1800. — Dauendorf, Eandels, Durchfuhr, 1803. — 
Kohlhütte, «zum grünen Berg», Üauswand, 1815. — Eckwersheim, 
Brünehansen, Durchfuhr, 1817. ^ Weitbruch, Berstmichels, Durch- 
fuhr («die Herren gehn und die Narren reden lassen»), 1827. — 
Eckwersheim, Brüneveltes» Steinplatte über Hoftür, 1829 ; Lenzebüren, 
desgl., 1829; Schmittsbansen, Holztafel über der Hoftür, 1849 («die 
Ungescheidten» statt «Narren»). — Draheim 344. HaUrich 133 u. 355. 
Aehnlich: Simroek 9951. Alemannia VII 233. Freund 13. — 261a) 
Yeiidenheim, Sehottedrehjers, Hauswand, 1835. — 261b) Ittenheim, 
Stabhalters, Steinplatte über der Hoftür, 1834. ^ Berstett, Lützen, 



— 323 — 

■ 

J262 Kein Mensch lebt hier aaf dieser Welt, 

Der banen kann, daß 's jedermann gefällt. 
Ob es schon nicht gefällt jedermann, 
So hab' ich doch meine Frend' daran. 

^63 Wem diese Banart nicht gefällt, 

Ban' sich ein andres für sein Geld. 
Ich hab' gebaut nach meinem Sinn, 
Und mir gefällt es wohl darin. 

^64 Welcher will bauen auf freier Straßen, 

Der soll sich vexieren, nicht irren lassen. 
Denn so geschickt ist kein Mann, 
Der jedem nach seinem Gefallen bauen kann. 

:265 Hier steht vor Gottes Angesicht 

Ein schönes Tor neu aufgerichtet 
Von Steinen ans der Erden. 
Doch wird es, wie pflegt zn geschehn. 
Von vielen Menschen, die es sehn, 
Gewiß getadelt werden. 
Jedoch anch noch König, Kaiser,' 
Schlösser, Hänser, 
Schon geadelt 
Werden oftmals anch getadelt. 

26$ Hier steht ein schönes Tor von Steinen, 

Nach neuer Bauart angestellt; 
Jedoch der Bauherr darf nicht meinen, . 
Daß es a«ck jedermann gefällt. 
Allein dazu wird er nur lachen. 
Denn er hat es für sieh allein 
Und für die Seinen lassen machen, 
So schön als möglich konnte sein. 

JS67 Klugen Tadel soll man ehren, 

Denn der leitet uns zur Pflicht, 
Aber auf die Spötter hören, 
Fördert unsre Werke nicht. 

J^68 Wer mein Gebäude tut verachten 

Und es mir nicht besser machen kann, 
Den seh* ich für ein'n Narren an. 



daselbst, 1834. — 262) Vendenheim, Diewels, Steinplatte am Hof, 
1776. — Eckwersheim, Lenzebüren, Steinplatte über der Hoftür, 
1829; Brüneveltes, desgl., 1829 (nur Z. 1 u. 2); Schmittshansen, 
Holztafel über der Hoftür, 1849. — 263) Sulz u. W., Postgebäude, 
iiber der Hintertür an der Hohweiler Straße, 1886, von Postmeister 
Schwarz frei zusammengestellt nach Deutsche Inschriften 27. An- 
klänge an Nr. 261-263 außerdem: Draheim 410c. HcHtrich 112. 
Padberg 86. — 264) Westhofen, Ochsen, Steinplatte, 15«4. — 265) 
Kolbsheim, Schulzen, Steinplatte über der Hoftür, 1818. — 266) Kolbs- 
heim, Peters, Steintafel über der Hoftür, 1819. -- 267) Lembach, 
«weißes Boß», Steintafel über der Haustür, 1822. — 268) Prinzheim, 



/ 



% 



Mit einem frommen Vergleich ist folgender Spruch ver» 
banden : 

269 Die Menschen bauen sich oft Häuser nnd Paläste, 

Die gleich als wie ein Turm zu Babel prächtig stehn, 
Und sind nur auf der Welt Pilgrlm' und Gäste, 
Die dnrclt das Jammertal in Himmel sollen gehn. 
Wer £ra^ nach Haus und Hof auf dieser schnöden Erde^ 
Wenn ich nur dermaleinst ein Himmelsbürger werde. 

Und eine derbe Abfertigung liegt in dieser Inschrift : 

270a Wer über diesen Bau weiß Hohn und Spott, 

Der steck' sein' Nas* in ein ander Ort. 

270b Wer vorübergeht, treibt Hohn und Spott 

Der stoß* sein' Nas' in ein ander Ort 

270e Wer diesen Bau hoch entspott't. 

Der steck' sein' Nas' an ein ander Ort 

Auch der Maurermeister läßt sich hören : 

271 Wer meine Arbeit tut auslachen 

Und sie nicht kann besser machen, 
Den seh' ich für ein'n Narren an, 
Bis er mirs besser zeigen kann. 

Aber der Bauherr hat für den Bau schweres Geld zahlert 
müssen : 

272 Das Bauen ist eine Lust, 

Daß es aber so viel kost't, 
Hab' ich nicht gewußt. 

Schließlich hat er aber doch seine Freude daran : 

273 Es ist gestellt mit ganzem Fleiß, 

Kurz, lieblich und auch reimenweis'. 

274 Des Hauses Schmuck ist Reinlichkeit, 
' Des Hauses Glück Zufriedenheit, 

Des Hauses Segen Frömmigkeit. 



Carbiners, Schennenwand, 1832. — 269) Buchs weiter, Grabengasse 1. 
Steinplatte über dem Schaufenster, 1750. — 270 a) Eriegsheim. 
Gänsemartes, Balken am Haus, 1732. — Minversheim, Burgs, Balken 
über dem Tor, 1801. — Weitbruch, Berstmichels, Durchfuhr, 1827. 
— 270 b) Vendenheim, Dürrenhansen, Eckbalken am Haus, 1724. - 
270c) Bietlenheim, Schniederjacoben, Holztafel am Haus, 1820. — 
271) Kirrweiler, Stabhalters, Hauswand, 1798, f. — Issenhausen, 
Boßhansen, Hauswand, 1837. — S. auch Nr. 268. — 272) Dunzen- 
heim, Jörgmichels, Hauswand, 1759, f. — Mühlhausen, Haberrüschers^ 
Hauswand, o. J., f. Der betreffende Erbauer hat sein ganzes Ver- 
mögen verbaut. ~ Sutermeister 5. Deutsche Inschriften 45. Draheim 303. 
W. 0., Tirol 21. HaUrich 124. Lucae 232. Hörmann, Alpen 11. Padberg 
83. Breseüy 342. Aehnhch : Simrock 777. Li^e 24. — 273) Issenhausen. 
Boßhansen, Hauswand, 1837. - Kösslers ABC. — 1. Zeile: Le Boüx^ 
ABC. — 274) «Hanauerdorf. (Vogesenblatt 1897. Nr. 5). — Sog. 



— 325 — 

;275 Besser klein und ohne Schulden, 

Als groß mit geliehenen Gulden. 

JH76 Ist es auch arm, 

Ist es doch warm. 

^77 Klein, 

Aber mein. 

Ji7d Ost und West, 

Zu Haus das best'. 

^9 Trautes Heim, 

Glück herein. 

Noch kürzer als diese vier Worte besingt ein Rentner sein 
neues Haus, der längere Zeit in England zugebracht hat: 

^80 Sweet home. 

Sogar an einem ausgebesserten Hause kann man seine 
Freude haben. 

^81 Lasset uns am Alten, 

So es gut ist, halten, 
Aber auf dem alten Grunde 
' Neues wirken jede Stunde. 

Aber schließlich bleibt man auch nicht ewig da : 

Ji82 Mit großer Müh' und Plagen 

Erbaut' ich dieses Haus, 
Und niemand kann mir sagen. 
Wie bald ich muß heraus. 

Und so wie der Bauer sein Haus und sich selber dem 
Schutze des Allmächtigen unterstellt, so gilt ihm auch die Gast- 
freundschaft als Gottes Gebot. Jeder Gute ist ihm willkommen, 
der Schlechte aber soll dem Hause fern bleiben. In diesem 
Sinne heißt es : 

:283 Alle, die gehn aus und ein, 

Sollen Kinder Gottes sein. 

^84 Was hier gehet aus und ein, 

Laß ich Gott befohlen sein. 



«Häusliche Tugenden», finden sich in vielen Bauernhäusern gedruckt 
als Zimmerschmuck. DreseUy 372, nach Z. 2 cdes Hauses Ehr' Gast- 
freundlichkeit>. Padberg 109 mit 3 Schlußzeilen. — 275) wie 274. — 
Deutsche Inschriften 42. — 276) wie 274. — 277) wie 274. — Deutsche 
Inschriften 41. Pariberg 107. — 278) wie 274. — Simrock 147. Deut- 
sche Inschriften 40. — 279) Hattmatt, Eriegersjörgen, Steintafel über 
der Hoftür, 1895. — 280) Hochfelden, Haus Kieffer, über der Haustür, 
1902. — 281) Schiltigheim, Haus des Orgelbaumeisters Böthinger, 
1901. — 282) wie 274. — 283) Obersulzbach, Muekehenneris, über 
dem Tor, 1857. — 248) Handschuhheim, Treuters, Steinplatte über der 



— 326 — 

285 Wer da will gehn aus and ein. 

Der muß aach treu und redlich sein. 

286 Wer in das Hans will gehn aus und ein. 

Dem soll Gott der Herr gnädig sein. 

287 In Gottes Namen geh^ herein, 

Der will mein guter Gönner sein. 

288 Was gute Freunde sein, 

Die sollen stets willkommen sein. 

289 Groß' Gott! Kommt's eini, 

Seid^s lustig, bleibt's da! 

290 Wer hier will gehen aus und ein, 

Muß Gott und seinen Nächsten lieben, 
£r soll auch treu und redlich sein, 
Das ists, worauf er sich soll üben. 
Dieses ist die schönste Pflicht, 
Welche man soll nie vergessen, 
!Penn mit welchem Maß ihr meßt, 
Wird Gott euch einst wiedermessen. 
Gott ja bitten wir allein, 

Dies Haus möchte gesegnet sein. 

291 Alle, die dahier in diesem Haus gehn aus oder ein,. 

Sie mögen reiten oder fahren. 

Die wolle Gott der Herr bewahren. 

292 Dem Redlichen wird die Türe stets offen stehn, 

Den Freund bitten wir, hier nicht vorbei zu gehn,. 
Er wird in diesem Haus willkommen sein, 

Der Gott des Friedens schenk' ihm Segen und Gedeih'n. 

Auf dem Durchmarsch durch Hördt 1870 fragte ein 
deutscher Offizier, ob er auch willkommen sei. Der Bauer ant- 
wortete ihm mit echt elsässischer Gastfreundschaft zum Fenster 
hinaus : Allerdings sei er willkommen, wenn er einkehren 
wolle ! Der Offizier kehrte aber nicht ein. 

Ich nenne weitere Sprüche : 

293 . Wers redlich mit uns meint, 

Der kehre bei uns ein. 
Ein wahrer guter Freund 
Wird stets willkommen sein. 

Hoftür, 1833. — Hürtigheim, Müllers, 1834. — 285) Mundolsheim, 
Schönenbergers, Steinplatte an der Scheune. 1840. — 286) Morsch- 
weiler, Perus, Hauswand. 1711, f. — 287) Zabern, Haus Bloche 
Kirchgasse 91, über der Haustür, 1564. — 288) Ittenheim, Menzer- 
michels, Steinplatte über der Haustür. 1829. — 289) Zabern, Gar- 
nisonlazareth, Zimmer des Arztes. 1899. — 290) Ittenheim, Letzen^ 
Steinplatte über der Hoftür, 1819. - 291) Kolbsheim, Karohers^ 
Steinplatte am Wohnhaus, 1776. — 292) Ittenheim, Neubüren, Stein- 
platte über der Hoftür, 1825. — Hördt, Gottliebs, Steinplatte am Haus, 
1842. — 293) Ittenheim, Firnen, Steinplatte über der Hoftür, 1821 ; 



- 327 — 

294 Mein Tor soll jedem Frommen offen stehA, 

Und gern will ich ihn za mir kommen sehn. 
Ich will ihn speisen, tränken and erfreuen. 

Ein Menschenfreund, ein Freund des Guten sein. 

Wie selig warst du, frommer Abraham, 

Als so ein Gast an deine Türe kam! 

Gewiß er wäre nicht zu dir gekommen, 

Hätt^ er dich nicht gekannt als Freund der Frommen. 

295 Wer will in unser' Wohnung gehn, 

Der soll zuvor all' Bosheit fliehn. 
Wer Bosheit nicht will lassen sein, 
Per soll bei uns nicht kehren ein. 

296 Wer geht zu diesem Tor hinein, 

Der muß eines guten Willens sein, 
Und wer dies nicht im Herzen ist. 
Der bleibe draußen, wo er ist. 

297 Hier gehen Gute aus und ein. 

Böse sollen draußen bleiben, 
Mein Haus soll gesegnet sein 
Und darunter stehen bleiben. 
Hier soll nichts als Friede sein, 
Wer das will, geh' aus und ein. 

298 Ich gehe aus oder ein, 

So steht der Tod und wartet mein. 

299a Wer will mausen, 

Der bleib' nur draußen! 
Denn wir haben ein' Katz', 
Die kann uns selber mausen. 



Ohlmeshansen, desgl., 1828 (erwähnt bei Dreseüy 441). — Bläsheim, 
Schangshansen, desgl., 1830. — Vendenheim, Schottendrehjers, Haus- 
wand, 1835. — 294) Berstett, Pfrimmers, Steinplatte über der Haus- 
tür, 1832. — Mittelhausbergen, Freyßen, Steinplatte über der Hoftür, 
1861. — 295) Willgottheim, Matterns Wirthei, Durchfuhr, 1791, f. — 

296) Quatzenheim, Lobsteins. Steinplatte über der Hoftür, 1820.. — 

297) Eckwersheim, Backen, Balken über der Hoftür, um 1800. — Itten- 
heim, Weberies, Steinplatte über der Hoftür, 1817. — Quatzenheim, 
Heitzjockels. desgl., 1818. — Berstett, Schottmichels, desgl., 1826. — 
Eckwersheim, Bührels, desgl., 1825; Strubbüren, desgl., 1829. -- 

— Olwisheim, Pfrimmers, desgl.. 1826 (Z. 3 u. 4 fehlen). — Geudert- 
heim, Happels, Holztafel am Haus. 1829 (Z. 4 u. 5 fehlen\ — Fürden- 
heim. Brünehansen, Steinplatte an der Durchfuhr, 1830. — Reitweiler, 
Schmitthansen, Steinplatte (1830^ des abgebrannten Hauses über der 
neuen Hoftür. — Quatzenheim, Schotten, Steinplatte an der Mauer, 
1839. — 298) Dunzenheim. Eberles, Balken über der Haustür, 1719. 

— Meisheim, Kiefers, Stubentür. 1781, f, jetzt im Eis. Museum. — 
Zoebersdorf. Moßlerhansen, Hoftür, 1834. — H. v. Fällersleben, 
Spenden 12 (1605). Doli 249. Haltrich 170, ähnlich 166. Deutsche In- 
schriften 31. Freund 8, Dreaelly 454. ^ 299 a) Morschweiler, Perus, 



— 328 - 

299b Wer da auf and ab greht 

Und sein Sinn zum Stehlen steht. 

Der bleib^ draußen, 

Unsere Katzen können selber mansen. 

300 Wems nicht behagt in meiner Klanse, 

Der bleib^ ein andermal zu Hanse. 

Eine besondere Abart von Huus- und Zweckinschriften 
bilden die Wirtshausinsehrifteu. Gleich anderen Gegenden 
leidet auch das ElsaB keinen Mangel an ihnen. Sie behandeln 
naturgemäß die zwei Hauptpunkte, worauf es dem Wirt an- 
kommt : viel trinken und gleich bezahlen. Gewöhnlich sind sie 
im Inneren der Wirtsstube angebracht, entweder an die Wand 
oder auf einer mehr oder weniger kunstvoll ausgestatteten 
Tafel oder auf den Tisch gemalt. Mehrmals fand ich auf alten 
Tafeln recht hübsche, von Hand gezeichnete Abbildungen von 
Zechgenossen. Sellener findet sich der Spruch an der Außen- 
seite des Wirtshauses, an der Wand oder auf dem Schild. 
Einige der Inschriften sind auch anderwärts bekannt, manche 
wohl schon alt, manche auch sicherlich von Gästen aus höheren 
Ständen ersonnen, aber für das Volk berechnet. 

301 Komm' herein, 

Hier ist gut sein. 

302a Trink und iß, 

Aber Gott nicht vergiß ! 

In diesem bekannten Spruch setzte der Wirt Schott zu 
Wingersheim statt «Gott» seinen eigenen Namen, und so lautet 
dort der Spruch nicht ohne Witz : 

302b Trink und iß, 

Aber Schott nicht vergiß. 

Vorsichtiger druckt sich eine andere Aufforderung zur Ein- 
kehr aus : 

303 Komm herein, da edler Gast, 

Wenn da Geld im Beatel hast. 



Hanswand, 1711. — 299 b) Kirrweiler, Stabhalters, Hanswand, 
1798. f. — Offweiler, Rosinen, Durchfahr, 1825, f. — Prinzheim, 
Carbiners, Scheunenwand, 1832. — Issenhausen, Anstett, Hoftür, 
1832 ; Christmänneis, Hoftür, 1835 ; Ohristmann, Getäfel in der Stube, 
0. J. — Herlisheim, Hück, Mauer. — Obermodern, Eckkiefers, 
Scheunen wand, 1836. — Aehnlich: Lobe 44. Draheim 347. Deutsche 
Inschriften 52. Hältrieh 380. — ,*300) Zabern, Garnison lazarettj Zimmer 
des Arztes, 1899. — 301) Wingersheim. Schott, Wand, 1888. — 
302 a) Der Spruch bildet die erste Zeile eines Vierzeilers im Kösslerschen 
ABC und eines größeren Spruchs bei Draheim 295. Ferner ist er der 
Anfang eines Dreizeilers in der Alemannia VII 229 i Steher j und 
eines Tierzeilers bei 'Hältrich 182. ,— 'Simrock 3883, 10483. H". v, 
Fällersleben, Spenden 4. Hörtnann. Alpen 155. Padberg 50. DreseUy 
589. — 302b) wie .301. - 303) Schillersdorf, Wagnermichels, Stall- 



— 329 — 

Hast du Geld, so setz dich nieder, 
Hast du keins, so geh gleich wieder. 

304 Gesegnet sei dein Eingang, wenn du Geld hast, 

Und dein Ausgang, wenn du bezahlt hast. 

305 Gott fürchten macht selig, 

Wein trinken macht fröhlich. 
Drum fürchte Gott und trinke Wein, 

So wirst du fröhlich und auch selig sein. 

306 Dieses Haus steht in der Sonnen 

Wer kein Geld hat, der geh' an den Bronnen. 

Hat man Geld in der Hand, 

So kann man fahren ins Weinland. 

307 Heute ums Geld, 

Morgen umsonst. 

In einem neu erbauten Taozsaal prangen folgende beiden 
Inschriften : 

308 Quält dich ein Kummer, quält dich ein Schmerz, 

Trinke 12 Seidel, und leichter wird's Herz. 

309 Willkommen, ihr Gäste, bei Bier und Wein, 

Und dabei immer recht lustig sein. 

Aehnlich lautete eine Inschrift am Verschlag, der beim Neu- 
bau des Schiffes der Schwindratzheimer Kirche 1904 am Chor 
angebracht war« Im ausgeräumten Chor wurde Küche gehalten, 
und so schrieb ein Maurer in wenig passender Weise mit Kreide : 



wand, 1787. — Kohlhütte, «zum grünen Berg», 1815. — Offweiler, 
Bosinen, Durchfuhr, 1826, f — Mit nebensächlichen Abweichungen 
Sutermeister 53. Deutsche Inschriften 97. HcUtrich 472. Breselly 618. 
Hörmann^ Alpen 159. Marterl, Regensburg 11 9. Z. 1 u. 2 : Steuer in 
der Alemannia VII, 229. W, 0. Tirol 37. Z. 3 u. 4 : Simrock 3277. — 
304) Offweiler, Rosinen, Durchfuhr. 1826, f. — Statt «Geld» - 
«Durst» : Pcidberg 57. Hörmantf, Alpen 161. Aehnlich : Deutsche In- 
schriften 95. — 305) Wolfisheim, Siegristen, Hauswand, 1782. — 
Wickersheim, Staathen, Hauswand, 1805. — Ringendorf, Bietlers, 
Stallgang, um 1810. — Zoebersdorf , Michels, Scheunenwand, 1819 ; 
Adams, Hauswand, 1826, f. — Ofifweilers, Rosinen, Durchfuhr, 
1826, f. — Ruprechtsau, Wand im Speisezimmer des Schlosses, 
neu (111. Eis. Rdsch. 1905, U, 47). — Ueberall «lieben» statt «furch- 
ten» : W. 0., Tirol 36. Don 248. Haltrich 471. Deutsche In- 
schriften 99. Dreseüy 586. Fadberg 50. Hörmann. Alpen 156. «Bier» 
statt «Wein» : Deutsche Inschriften 68. — 306) Zoebersdqrf, Adams, 
Hauswand, 1826, f. — Marterl, Regensburg I 3, Z. 3 u. 4 lauten : 
Mit der Kreide an der Wand kann ich nicht fahren ins Wein- 
land. Sonst ist nur Z. 1 u. 2 mit unbedeutenden Aenderungen be- 
kannt: Sutermeigter 52. DcU 249. Draheim 181. Deutsche Inschriften 
95. Breseüy 580. — 307) Kohlhutte, «Grüner Berg», flauswand, 1815. 
— Stöber in der Alemannia VII 229. — 308) Dunzenheim, Wirtschaft 
Harter, Wand des Tanzsaals, 1898. — Breselly 669 (dort wird aber 
bloß ein Liter zur Erleichterung empfohlen). — 309) wie 308. — 



— 330 — 

310 Reine Küche, guter Wein — 

. Wer mag da nicht lustig sein ? 

Hier noch eine Reihe, teils bekannter, teils neuer Sprüche. 

311 Frohen Mutes komm^ herein, 

Sorgen die laß draußen sein ! 

312 In Wintlm Weritas (so ! \ 

313 Trink was klar ist, 

Iß was rahr ist, 
Bed' was wahr ist. 
Bezahl' was bar ist. 

314 Heraus mit dem Wort, wenns wahr ist; 

Hinab mit dem Trunk, wenn er klar ist. 

315 Edler Wein und guter Sinn 

Steck' im Haus und Keller drin. 

316 Halt Maß in allen Dingen, 

Nur nicht im Trinken und Singen. 

317 Vom Durst dich niemals quälen laß, 

Im Keller liegt noch manches Faß. 

318 Ein böses Weib und sauer Bier, 

Behüt', Himmel, mich dafür. 

319 Gutes Bier und Weib 

Lieb' ich zum Zeitvertreib. 

320 Euch, durstige Seelen, grüß' ich alle. 

Bekomm's euch wohl in meiner Halle! 

321 Wer nicht Hebt, trinkt und singt. 

Es nie zu wahrer Freude bringt. 

322 Bier im Becher — 

Sorgenbrecher ! 

323 Frischer Mut 

Trinkt gut. 

324 Ein guter Trunk 

Macht alte jung. 



311) Zabern. cKette», Wand, neu. — 812) Ettendorf.. Bahnhof- 
wirtschaft, Glasfenster, 1890. — 313) Scherlenheira, Dangeisers, 
Decke. 1901. — Z. 2 «gar> statt «rahr» (?!), in anderer Reihenfolge : 
Simrock 5254, 11124. Deutsche Inschriften 114. Lucae 246. — Z. 1 
u. 3: Wingersheim, Schott, Stubenwand, 1888. — 314W 316) Wörth, 
Weizsäcker. Tische, 1894. - 317)— 319) Gingsheim. «Pflug». Wände, 
1894. — 320) Kriegsheim. Schmied. Wand, 1896. — 321)- 324) 
Weiler bei Weißenburg, «Hirsch», Wände, 1882. Nr. 324: Simrock 



— 331 — 

3^5 Werd* ich melancholisch heute, 

Setz' ich mich an's Wirtes Tisch, 
Dort trink ich mich, liebe Leute, 
Wieder munter, wieder frisch. 

326 Wein und Bier g:ibt Mut und Kraft, 

Drum, ihr Brüder, schenket ein! 
Das gute Bier, der Rebensaft 

Tut selbst ein krankes Her^ erfreuen. 

327 Frischer Mut und volle Flasche 

Und in meiner Hosentasche 
Immer recht viel bares Geld, 
Dann gefällt mirs in der Welt. 

328 Die Liebe die wärmste wird kalt, 

Der Durst aber wächst mit Gewalt. 

329 Trinken ist das allerbest' 

Schon vor tausend Jahr gewest. 

330 Hier finden tüchtige Biertrinker immerwährende 

[Beschäftigung. 

331 Fürs Geld gibt der Wirt gern Wein, 

Lieber als er tut aufschreiben. . . 

332 Gut ist für Gast' und Wirt, 

Wenn gleich bezahlet wird, 
Dem Wirt bei vollen Bänken 
Gäbs gar viel zu denken, 
Und, trauter Gast, auch du 
Erbaust dich so in größerer Ruh'. 

333 Rede wenig, rede wahr. 

Was du zehrest, zahle bar. 

334 Traubenblut 

Schafft frohen Mut.* 

335 Erst mach' dein' Sach', 

Dann trink' und lach' ! 

336 Trink' brav und fest. 

Zuerst die Blume und dann den Rest. 

337 Hopfen und Malz — 

Gott erhalt's ! 

338 Lieber Gast! 

Schilt und fluch^ nicht in meinem Haus, 



10503. Deutsche Inschriften 116. Lucae 246. — 325)- 327) Lampert- 
heim. cRappen», Wände, 1887. - 328)— 330) Scherlenheim, Dangei- 
sers, Decke, 1901. — 331) Eckwersheim, Backen, früher Wirtschaft, 
Balken über der Hoftür, um 1800 (verstümmelt). — 332) Hangen- 
bieten, «Sonne», Tafel. — 333) Mittelhausen, Lienhardt, Wand, 
1903. — 334W337) Dinsheim. «Grüner Baum». Wände, 1899. Nr. 
335 ähnlich: Tadberg 60. — 338) Bremmelbach, Fath, "fafel, 1880. — 



— 332 — 

Geh^ mir lieber zur Tür hinaus, 
Denn es möchte Gott im Himmelreich 
Verfluchen dich und mich zugleich. 
Wann du willst sitzen an diesem Ort, 
Brauche nicht unzüchtig Wort, 
Tu* auch nicht schimpfen und nicht schwören, 
Sondern nach deinem Vermögen zehren. 
Und wer dies nicht tun will und kann, 
Der zahl' sein* Zech* und geh* alsdann ! 

339 Solche Gäste liebe ich, 

Die ehrbar diskurieren, 
Essen, trinken, zahlen mich 
Und friedsam abmarschieren. 

340 Die Kose blüht, 

Der Dorn der sticht, 
Wer gleich bezahlt, 
Vergißt es nicht. 

341 Es ist nicht möglich aufzuschreiben, 

Wir wollen gute Freunde bleiben. 
Meine Ferren und Gäste, ich bitte euch, 
Seid so gut und zahlet gleich. 

Im cOchsen» zu Lichtenberg ist eine auf beiden Seifen 
beschriebene Tafel. Auf der Vorderseite liest man : 

343 Rat* einmal, was hinten steht? 

Die Rückseite gibt die Antwort : 

Bezahlen soll man, eh* man geht. 

Ich glaube, diese Inschrift auch > im Hotel Prinz Karl zu 
Heidelberg gesehen zu haben. 

Im «Pflug» zu Gingsheim ist an der Wand gemalt (1894) : 

342Ä Hier wird nicht gepumpt, — dabei eine Pumpe ; 

Aber da wird gelumpt! — dabei die Wirtschaft selbst. 

Eigenartig nimmt sich folgender Spruch aus : 

343 Lieber Gast, ich will ja wohl sagen dir. 

Maul- und Fußsalat bekommst du hier, 
Dazu auch wohl noch Schnaps, Wein und Bier. 

339) Ofifweiler, Rosinen, Durchfuhr, 1826. — Vendenheim, Hägy, 
Tafel, um 1830, darauf zwei trinkende Gäste unter zwei Obst- 
bäumen, der Wirt bringt eine Platte. — Stöber, Alemannia VII 
230. W. 0., Tirol 37. Dreselly 654. Deutsche Inschriften 94 
(Z. 4 : frühsam abspazierend — 840) Eingendorf, Backen, Tafel, um 
1860. — Scherlenheim, Dangeisers, Decke, 1901. — Padberg 57. 
Dreselly 609 (DieEose riecht). — 341 ) Meisheim, Michel Hatt, Tafel, 
1839, f, mit Zechgesellschaft, jetzt im Eis. Museum. — Dreselly 
^61, umgestellt. — 343) Wimmenau, «Sonne», Tafel, 1895. — 



- 333 ^ 

Als Spoltspruch auf die Bierbrauer ist zu nennen : 

344 ' Hopfen und Malz z' nehmen, 

Ist 'n Branern viel z' dumm. 

Sie nehmen 's Stroh von der Gerst 

Und rühren mit der Hopfenstang' drin *riuaa. 

Gegen den Vorleil des Wirts selber sind folgende Spruche i 

345 Arbeit und Genügsamkeit 

Ziert nnd schützt vor Not nnd Leid. 

346 Mäßig trinken, Lieder singen 
Hilft, uns stets zu guten Dingen. 

Des Katzenjammers ^^edenkt nur eine Inschrift : 

347 Mancher trägt abends einen Affen nach Haus, 

Doch merkt er erst morgens, daß ein Kater ward draus. 

Von einer Kegelbahn stammen folgende drei Inschriften : 

348 Diogenes im leeren Faß tut sehr nüchtern leben, 

Und wenns rumpelt ihm im Bauch, tut er 'rin sich legen. 

349 Als Jonas aus dem Walfisch kam, trank er vor Freude eine, 
Und weil es ihm so gut bekam, gleich hinterher noch nenne ;. 
Doch anders es beim Spieler ist, wenn er nicht fehlt die Kegel: 
Ein guter Wurf mit allen neun macht Freud ihm in der EegeL 

350 Eichtig aufgesetzt die Kugel! 
Sonst gibts Sandhas oder Pudel. 
Doch ein jeder merke sich die Eegel: 
Nicht immer jede Kugel trifft ein' Kegel. 

Und endlich heißt es mit Bezug auf die Wirtshansspruche- 
selber : 

351 Einer achts. 

Der andre verlachts, 
Der dritte betrachts, 
Was machts? 

An einem Bäckerladen fand ich die Inschrift: 

352 Wer täglich kauft allhler sein Brot, 
Der schützt sich selbst vor Hungersnot. 

In einer Mühle steht geschrieben : 



344) Truchtersheim, «Krone», Balken an der Decke, 1899, vom» 
Ortseinnehmer Fischer verfaßt. — 345) u. 346) Weiler bei Weißen- 
burg, «Hirsch», Wand, 1882. — 347) Zabem, «Kette», Wand, neu. 
— 348)- 350) Zabem, «Hof&iung», Kegelbahn, neu. — 351) Wörth, 
Weizsäcker, Tisch, 1894. — Draheim 31 (1492). Deutsche Inschriften 
85. Lucae 234. Ztschr. d. Harzvereins 25, 265 (statt Z. 4 : der vierte^ 
veracht's). Drtselly 494 (Eingangszeile : der erste macht's, Z. 3 fehlt).. 
Ohne Z. 3 : H, v. FaUershben, Spenden 72. — 352) Straßljurg, 
Bäckerei Ecke Gießhausgasse und Broglieplatz, Hauswand, 1897. 



— 334 — 

353 Der Mühlarzt oftmals wird g^esch ölten, 

Mich wanderts, daß er es kann erdulden. 

Es ist kein einziger Mühlarzt anf der Welt, 

Der machen kann, daß 's allen Leuten gefällt. 

Ich mahle gut für jedermann, 

Wenn es die Frau nur gut verbachen kann. 

Kann es die Frau nicht gut verbachen, 

Tut sie die Schuld auf den Mühlarzt machen. 

Von allen Hausgeräten ist die in die Che mitgebrachte 
Bettlade dasjenige, das man am häufigste^ mit Inschriften ver- 
gehen antrifft. Im Hanauerland begegnete man noch bis vor 
^ Jahren fast in jedem Haus^ einer jener alten ehrwürdigen 
Hochzeitsbettladen, welche die Inschrift in gelber Und roter 
Buntschrift auf braunem Grunde und zwar an dem dem 
Schlafenden zugekehrten Kopfende oder vereinzelt am Bett- 
himmel aufwiesen. 

Mein Leben steht in Gottes Bssd. 

Das ist die verbreitetste Inschrift. Außerdem ist noch die 
folgende beliebt,, die dem 4. Psalm, Vers 9 entnommen ist 
und mehrere Abweichungen hat, manchmal auch mit denn 
Hauptsatze schließt. 

355 a Ich ruhe und schlafe ganz im Frieden, denn der Herr 

ist mein Schutz, daß ich sicher wohne. 

355 b Hier liege ich und schlafe ganz mit Frieden, denn 

allein du, Herr, hilfst mir, daß ich sicher wohne. 

Oder frei nach demselben Gedanken 

356 Ich liege und schlafe und erwache, denn der Herr hält mich. 

357 Allhier an diesem Ort wollen wir mit Gott vergnügt und 
ruhig schlafen ein. 

Ansprechend ist folgender Spruch nebst einer weniger ge- 
lungenen Nachahmung. 



— 353) Hochfelden. Mühle, Papptafel an der Tür, neu, von zwei Mühl- 
J,rzten verfaßt. Vgl. auch Nr. 262. — 354) Wilshausen, Siesen, 1806. 

— Ringendorf, Bietlers, 1819, f, jetzt im Eis. Museum. — Schwind- 
ratzheim, Norths, 1825. — Wickersheim, Staathen, 1825. — Altecken- 
4orf, Wwe. Mehl, 1830. — Meisheim, Wagners, 1832. — Wilshausen, 
J^orths, 1852 — und viele andere. — 355) Schwindrfitzheim, Andresen, 
1720. ^Dunzenheim,Peterkäthel, 1797.— Hohfrankenheim, Schneiders. 
1803 u. 1835. — Wickersheim, Yeltenspeters, 1817. — Ingenheim, 
H^rdel» 1833. — Alteckondorf, Hirten in Altdorf, 1839; Kapellen, 
1840 ; Pfender, f , jetzt im Eis. Museum. — Ingenheim, Götzen- 
iiansen, 1856. — Bingendorf, Großjörgen, 1859 — und viele andere. 

— 356) Waiteuheim, Wagners, 1829. — 357) Hordt, Gottlieb Philipps, 



— 336 - 

358 Ich schlafe, wache du. 
Ich schlaf in Jesn Namen. 
Sprich du zu meiner Ruh^ 
Ein kräftig Ja und Amen, 
Und also stell' ich dich 
Zum Wächter über mich. 

359 Nun, ich lege mich zur Buh' 
Aber, Herr, in deinem Namen. 
Sprich, großer Gott, dazu, 
Sprich dein süßes Vater- Amen. 
Du bist meine Stärk' und Macht, 
Sei es auch in dieser Nacht! 

Recht gut gemeint sind endlich folgende Reime : 

360 Die Sach' und Ehr', Herr Jesu Christ, 
Nicht unser, sondern dein ja ist. 
Darum so stehe denen bei, 

Die sich auf dich verlassen frei. 

Aber nicht allein der gottesfürchtige Sinn tritt uns aus den 
ßettladeninschriften entgegen, auch Lust und Schere aebanes 
aus ihnen heraus : 

361 Hier liegen wir bbI Freuden in guter Ruh'. 

36a Ich liege Ider und schlaf 

Bei neinem Schaf. 
Wenn einer mich tut wecken, 
Tu' ich ihn erschrecken. 

363 Die Bettlad' ist von Holz gemacht, 

Und wenn sie bricht, der Schreiner lacht. 

Neue Bettstellen mit Inschriften, werden nicht mehr ge- 
macht. Das Kopfgestell kommt auf dem Lande ab und mit 
ihm naturlich die Inschriften. Alte Betthimmel aber gehören 
zu den großen Seltenheiten. 

Hier sei ein herzliches Gedicht angeschlossen, das auf 
einer handgemachten Tafel steht. 

364 Der Abend. 

Laß mich diese Nacht empfinden 
Eine sanft' und süße Btth\ 
Alles Uebel laß verschwinden, 
Decke mich mit Segen zu. 



1849. — 358) Dunzenheim, Petersmöjrers, 1826. — Schwindratzheim, 
Schwebeis, 1827 ; Habers, 1837 ; Schmitthansen, o. J. — Doü 246. 
Fadberg 127. — 359) Wickersheim, Brumters, Betthimmel, 1790, f, jetzt 
im Eis. Museum. — 360) Meisheim, Bartels, um 1840. — 361) Hoch- 
felden, Winkels in der Entenlach, 1830. — 362) Ringendorf, münd- 
liche Mitteilung des Ackerers W. — 363) Wickersheim, Harter, 1837. 
r- 364) Wickersheim, Tagner Burkhardt, Tafel, 1834 von Gottfried 



-: 336 — 

Leib und Seele, Mut und Blut, 
Weib und Kinder, Hab und Out, 
Freunde, Feind' und Hansgenossen 
Sefn in deinen Schutz geschlossen. 

Ferner fand ich auf einer Steinplatte neben der Treppe : 

36ö Putz' die Schuh' ab. 

Dabei eine Hand, die auf das Kratzeisen zeigt. 
Im Kellerschalter : 

366 Hier ruht man beim Glas. 

Auf einem FaB: 

367 Faß und junge Weiber 
Die haben gleiche Leiber, 

Bald sein sie voll, bald sein sie leer. 
Das alles kommt vom Herrn her. 

Auf einer zerbrochenen Platte : 

368 Draußen steht ein Brocken im Ofen 
laut kocht ihn doch. 

An einer Stubentür draußen : 

369 Ha ha! kommst, Schmarotzer? 
Und an einem gewissen Ort : 

370 Hier laßt maus laufen. 

Hierher gehören auch mehrere Inschriften, die an einen 
^^emalten Gegenstand oder an ein Bild anknüpfen. Darunter 
sind einige witzige und wirklich reizende Verse. So lesen wir 
bei Blumen, Rosen und Topfpflanzen : 

371 Drei Blüm lein an einem Stiel 

Schad't keine der andern viel. 

372 Jungfrau, wenn sie will Kosen brechen, 

Gib du Sorg\ daß dich die Dornen nicht stechen. 

373 Es soll für dich in deinem Leben 

Nur Kosen ohne Dornen geben. 

374 Das sind die Blumen aus meinem Garten, 

Damit will ich den Schatz erwarten. 



Strohl, Eothgerber in Schweighausen gemalt, mit Blumen und 
Säulen. — 365) u. 366) Wittersheim, Mathisen, um 1850. — 367) 
Waltenheim, Franzen, 1840, vom Käfermeister Müller in Ingweiler 
verfertigt und angeblich gedichtet — 368) Meisheim, Wwe. Bastian, 
1862. — 369) Meisheim, Kiefers, f, jetzt im Eis. Museum. — 370) 
Laubach, Grässen, um 1850. —371) ührweiler, Adejörgen, Scheunen- 
wand. 1806. — 372) Morschweiler, Perus, Hauswand, 1711, f. 
— Aehnlich : Ddl 263. — 373) Obermodern, Eckkiefers, Scheunen- 
wand, 1836. — 374) Uhrweiler, Hansädels, Stallgang, 1804. — 



— 337 — 

375 Wir blähen auf und fallen ab, 

Wie ihr Menschen in das Grab. 

376 Wir Blumen sind euch Menschen gleich, 

'Wir sind arm und werden reich. 

377 Der schönen Blumen Pracht 

Vergeht wie Tag und Nacht. 

In einem prächtigen Blumenkranz findet sich auf einer 
handgemachten Tafel folgender Vers : 

378 Behalte dies Sträußchen auf immer f&r dich 

Und denke im Anblick im Stillen an mich. 

Darüber stehen die Worte : «Andenken an Jobann Georg 
Berger, reisete den 5. Oktober nach Amerika und lieB seiner 
Schwester dieses folgende Verseben zurück, im Jahr 1853: . . . 
(s. o.)>. Darunter liest man : «Ja, lieber Sohn und Bruder^ 
unser Sinn und Blick ist immer nach dem gerichtet und dazu 
vergiß du uns auch nicht:». Der alte Hansjörg bat sein Glück 
in Amerika gemacht und ist längst gestorben, sein Andenken 
aber bleibt in der Familie lebendig. 

Zwei Vögel werden so besungen : 

379 Die Vögel sind auf grüner Heid* 

Und loben Gott in Ewigkeit. 

Ein Hahn und ein Huhn sind mit nachstehendem Vers 
bedacht : 

380 Die Huhn sagt zum Hahn : 

Komm du zu mir, mein lieber Hahn. 

Von einem Vogel auf einem Baume beißt es : 

381 Ich bin ein Vogel allerding, 

Weil er alle schöne Liedlein singt. 

In zwei mit der Spitze einander zugekehrten Herzen steht 
geschrieben : 

382 ' Zwei Herzen - ein Leben 

Sein schön zu ergeben, 
Ein Segen zu sein. (!) 

Auf einer gemalten Tafel mit Fruchten und einem Distel- 
fink heißt es : 



375) Hochfelden, cWeißer Hahn», ölgemaltes Brett, um 1820 von einem 
Schwarzwälder Uhrmacher gemalt ; Achemers, desgl., um 1820. Nebst 
dem folgenden war es ein Hochzeitsgeschenk der übernachtenden 
Uhrmacher. — 376) Hochfelden, Achemers, wie Nr. 375. - 377) Prinz- 
heim, Carbiners, Scheunenwand, 1832. - 378) Schwindratzheim, Horns,. 
Tafel. 1854. — 379) Forstiieim, Winds. Scheunenwand, 1804. - 380) 
Prinzheim, Carbiners, Scheunenwand, 1832. — 381) Gottesheim, Kolben^ 
Hauswand, 1837. - 382) Waldhambach, Schreiner Bieber, Ziegel, 1810. 

22 



- 338 - 

383 Die Aepfel-, Zwetschen-, Trauben-, Nüß- und Pfirschezeit 
Ist des Herbstes Lieblichkeit. 

Auf einer l^unstvoll verfertigten Tafei, deren Buchstaben 
von Bildern aus dem Landleben darg'estellt werden, wird der 
ehrenwerte Bauernstand wie folgt besungen : 

384 Ein Bauer ist ein Ehrenmann, 

Er bauet uns das Feld. 

Wer eines Bauern spotten ^ann, 

Ist mir ein schlechter Held. 

Noch eh' die liebe Sonne kommt, 

Geht er schon seinen Gang 

Und tut, was allen Menschen frommt, 

Mit Lust und mit Gesang. 

Und darum ist der Bauernstand 

Uns aller Ehren wert, 

Denn kurz and gat : wo ist das Land, 

Das nicht der Bauer nährt? 

Neben einem Fasse steht der Spruch ; 

385 Es spinnt von den Hügeln die freundliche Bsbe, 

Sie sendet herrlichan goldenen Wein. 

Ach, daß er nach Jahren Freude noch gebe, 
So maehen wir Fässer und schließen ihn ein. 

Zwei Fässer und ein Herbstständel werden, wie folgt, be- 
sungen : 

386 Wenn man will den Herbst heimfahren^ 

Muß man Faß und Ständet haben. 

Das Bildnis eines Hirten ist durch diese Reime erläutert : 

387 Frei von Sorgen fährt der Hirt 

Am Morgen seine Herd' ins Feld, 
Wenn die Vöglein singen 

Und die Schäflein springen. 

Einen Schuster an der Werkbank, daneben ein Stiefelpaar, 
begleitet folgender Vers : 

388 Der Schuster macht kein'n guten Schuh, 

Wenn er das Pech ersparen tut. 



- 383) Dunzenheim, Kaufmanns, Tafel, 1851. — 384) Waltenheim, 
Diebolden, 1840—50. ~ Bingendorf Weberleschniders, handgemalte 
Tafel, 1839, f , jetzt im Eis. Museum. In der Mitte ein Trachtenbild. 
Die 4 letzten Zeilen fehlen, Z. 3 u. 4 stehen am Ende. Die Buch- 
staben der ersten und der letzten Zeile bestehen aus gemalten 
Bildern. — Doli 256, nur die vier ersten Zeilen. Haitrich 262, 
Z. 1—6, 11 u. 12, dazwischen eingeschoben: «Die Städter hätten 
ohne Bauern nichts >. — 385) Obermodern, Eckkiefers, Scheunen- 
wand, 1836. — 386) Uhrweiler, Adejörgen, Scheunenwand, 1806. — 
387) Menchhofen, Waberhansen, .Scheunenwand, 1844. — 388)— 391) 



— 339 — 

Und eine Hose nebst Wams erinnert durch nachstehenden 
Vers an ihren Verfertiger: 

389 Der Schneider ist ein böser Mann, 

Da er den Zwilch nicht stärken kann. 

Von beiden zusammen aber heiJßt es an dem nämlichen Bau : 

390 Diese Handwerkslent', 

Wie sie hier abgemalet seid, 

Die braucht der Bauer zu jeder Frist, 

Wenn er ein rechtei* Hauswirt ist. 

Und liiiiten daran findet sich der Bepfleitvers : 

391 Ich habe noch etwas zu machen, 

Worüber alle Leute lachen. 

DaiMiben ein Schneidiar mit einem Bock. 

Wöttn ich hier eine fikr manchen anstößige l^schriff an- 
führe, so ist es einmal deshalb^ weil sie im ganzen Hanauerland 
bekannt ist und also eine Lacke ^tstände, wenn ich sie nicht 
berücksichtigen woHie, und dann, weä sie ein ungemein kenn- 
zeichnendes Beispiel voa der derben Art des Bauernwitzes dar- 
stellt. Sie kommt in Uttweiler und in Niefern vor und ist 
beide Male in Sandstein mit einer entsprechenden Szene und 
anderem Zierwerk ausgehauen. In Niefern sehen wir einen 
Ziegenbock mit einem Reiter. Eine andere Person^ vielleicht 
«in Geburtshelfer, zieht mittels einer Zange den Schneider mit 
Schere und Bügeleisen hinten heraus. In üttweiler ist der Vor- 
gang noch gröber dargestellt. Die Inschrift kutet: 

392 Was Teufels hat der Geisbock gespeist, 

Daß er nichts als Schneider seh . . . ? 
Er speist Kraut und Kuben, 

Darum seh ... er nichts als Schneidersbuben. 

Der Grundsatz «Naturalia non sunt turpiam in allen Ehren, 
aber es ist doch ein starkes Stück, daß die beiden Inschriften 
über ein halbes Jahrhundert lang unbehelligt an der offenen 
Landstraße geduldet wurden und noch bestehen. 

Auf Tafeln, die als Hochzeitsgeschenk gestiftet wurden, 
treffen wir folgende Wünsche: 

393 Die Liebe gibt Freude, die Jugend gibt Ruh\ 

Drum wähle sie beide, wie glücklich bist du! 

394 Euer Leben sei der Kose im Tale gleich 

Und jeder eurer Tage an Freude reich. 

ührweiler, Hansädels, Durchfuhr, 1804, f. — 392) üttweiler, Hansen, 
in Stein gehauen um die Hoftür herum, 1848. — Niefern, Henneris, 
ebenso, 1849. — 393) Schwindratzheim, Henches, Tafel, 1856, t» 
jetzt im Eis. Museum. — 394) u. 395a) desgl., andere Tafel, 1856, f. 



-- 340 =- 

S9öa Lebet gläcklich, geht aaf Rosenwegen, 

Reizend sei euch jedes Morgenlteht, 
Immer blühe each der beste Segen 
Und dabei ein Vergißmeinnicht. 

395h Geliebter Frennd ! Wandle auf Rosen nnd 

Vergißmeinnicht. 

396 Znm Glück und Feste wünsch' ich euch hent' 

Alles, was das I^erz erfreut. 

Und darauf gewissermaßen die Antwort : 

397 Znm Angedenken nehmen wir dies an 

Und haben immer Frend* daran. 

Hier mö^en die Buchinschriften der alten evangelischen 
Pfarrbücher gebührende Erwähnung finden. Manche Pfarrer 
hatten früher die Gepflogenheit, in den Tauf-, Heirats» und 
Begräbuisbüchern der Jahreszahl als Ueberschrift einen Spruch 
hinzuzufügen, der dem ganzen Jahre gewissermaßen als Sinn- 
und Weihespruch dienen sollle. Hierbei kam natürlich vor allem 
die Eigenart des Pfarrers in Betracht. Von acht Pfarrarchiven, 
die ich durchgesehen habe, fand sich im Dunzenheimer eine 
größere Zahl solcher Sprüche, die der aus Ungarn gebürtige 
Pfarrer Andreas Führnstieih (i685-«^i719) eingetragen hat. 

398 1685. Das walt' Gott. 

I. N. D. N. J. C. (In nomine domini nostri Jesn Christi V 

399 1686. Cum Deo. 

400 1687. Q. D. B. V. (Quod Dens bene vertat I; 

401 1688. Jova Java! 

402 1689. Faxit Dens. 

403 1690. Sab SS. Triados nnmine. 

404 1691. Aaspicio Domini. 

405 1692. Dominas nobiscam. 

406 1693. Divina favente gratia. 

407 1694. Proposito faveat Dens et det vota secanda. 

408 1695. Immanael ! 

409 1696. Christo saeram ! 

410 1697. a-o) Feliciter! 

411 1698. Arrideat vnlta namen coeleste sereno. 

413 1699. Jesa 1 A and ! Wohl wende 

Dieses Jahrs Anfang and Ende! 

413 1700. Omnipotens bene eoepta secandet. 

414 1701. Adjatore Deo uao in trino et trino in uno. 



jetzt im Eis. Maseam. Sehr schön. — 395b)— Ö97) Dieselbe Tafel; 
außerdem aaf einer weiteren prächtigen Tafel des Sattlers Lobstein 



^ 341 - 

415 1702. Det meliora Deas, lacrymosam avertat in hostes 

Belli omen ! 

416 1703. Jesu propitio! 

417 1704. Adspiraate divitii numiais aurä ! 

418 1705. Affluente divina grAÜA, 

419 1706. Jesa hilf in diesem Jahr 

Wieder gnädig aus Gefahr! 

4J^0 1707. Christo sacrum. 

4^1 1708. A. Q. 

422 1709. Deo in nnitate trino, in unitate uni dicati et sacrati. 

423 1710. Nos Pater atque Patris proles, nos Spiritus aimus 

Protegat, exaitet, salvet, honoret, amet. 

424 1711. Soli Deo sit g^loria per seculorum seeula. 

425 1712. H. H. H. (Heilig, heilig heilig! — oder: Herr, Heiland, 

hilf!) (?) 

426 1713. Gott allein die Ehr 

Und sonst keinem mehr! 

427 1714. Festus ! 

428 1715. Christo Jesu sacrum! 

429 1716. Von Gottes Gnaden durch Christum in Kraft und 

Beistand des H. Geistes. 

430 1717. Quod felix faustumque sit. 

431 1718. Herr, hilf! Herr, laß wohl gelingen! 

432 1719. Unsere Hilfe stehet im Namen des Herrn, der Himmel 

und Erde gemacht hat. 

Der Nachfolger Fuhrnsteins, Johann Mollher aus Wetzlar, 
gebrauchte nur in seinem ersten Amtsjahre einen JahressprucU 
und zwar im Taufbuch und Begräbnisbuch von 1720 gleichlautend : 

433 Bono cum Deo. 

iin Heiratsbuch 1720 : 

434 Auspice Christo. 

Ob er wohl schon mit seinem Latein zu Ende war? 

Haltrich (a. a. 0., S. 485 fT.) zählt unter der Bezeichnung 
dcSchreibersprüche» 51 Sprüche aus Rechnungs-, Zunft-, Nach- 
barschafts- und Hausbuchern, sowie aus Ratsprotokollen Sieben- 
bürgens vom 16. — 18. Jahrhundert auf. Ich habe in den von 
mir aus Anlaß anderweitiger Studien benützten Urkunden des 
17. und 18. Jahrhunderts, namentlich in unzähligen Stadt- und 
Dorfrechnungen, in notariellen Inventarien, Gülerverzeichnissen, 
Lohnbüchern usw. nichts derartiges bemerkt. Hoffmann 



in Mittelhausen, gleichfalls im Eis. Museum, 1848. — 415) Mit 
Bezug auf den Spanischen Erbfolgekrieg, der auch das Elsaß 
und die Pfarrei Dunzenheim - Winzenheim - Nordheim in Mit- 
leidenschaft zog. - 419^ S. Nr. 415. — 426) = Nr. 18 d. — 



— 342 — 

V. FaUersleben führt unter seinen «Spruchen des 46. und 
17. Jahrhunderts!» auch eine Anzahl an, die aus Druck- und 
Handschriften jener Zeit entnommen sind. Und so ist es nicht 
unangebracht, auch einige bemerkenswerte Sprüche hier wieder- 
zugeben^ die in den «Vorschriften», einem sauber geschriebenen 
Heft des mehrfach erwähnten Christmann Wendung aus Ringen- 
dorf vom Jahre 1811 stehn. Es findet sich darunter auch ein 
halbes Dutzend fraozteisGhöi» «Sinnsprüche. Wenn auch d iese Buch- 
inschriften keine weitere Verwendung gefunden zu haben scheinen^ 
so ist doch die Tatsache, daß in jener Zeit ein hanauischer Bauern- 
sohn von französischen Sprüchen Vermerk nahm, bemerkenswert 
genüge um hier nicht übergangen zu werden. Bekanntlich 
drang die französische Sprache im Hanauerland erst viel später 
und nur langsam in den Volks- und Schulgebrauch ein. 

435 Willst du weise werden, so lerne dich selbst kennen. 

436 Wer niemals selbst viel ausgestanden hat, wird selten 
eines wahren Mitleides fähig sein. 

437 Man kann ohne adelige Geburt eine edle Seele und 
ohne hohen Stand einen großen Geist haben. 

438 Ruf an deinen Gott, 
Halt sein Gebot, 

* Sei geduldig in Not, 
Gib Armen Brot. 

439 Ein Freund in der Not, 
Ein Freund im Tod, 

Ein Freund hinter dem Rücken, 
Das sind drei starke Brücken. 

440 Nous sommes plus pr^s d'aimer ceux qui nous hai'ssent 
que ceux qui nous aiment plus que nous ne voulons. 

441 La bonne gräce est au corps ce que le bon sens est ä Tesprit. 

443 Les esprits m6diocres condamnent d^ordinaire tout ce qui 

passe leur port6e. 

443 Si nous n'avions pas tant de d6fauts, nous ne prendrion& 
pas tant de plaisir ä en remarquer dans les autres. 

444 Le mal que nouafaisona ue uous attire pas taut de pers^L- 
cution et de haine que nos bonnes qualites. 

445 L*6ducation que Ton donne d'ordinaire aux jeunes gens. 
est un second amour-propre qu*on leur inspire. 

446 Präge, o liebreicher Gott und Vater, gute Gedanken und 
Weisheit in die Herzen unserer Kinder tief ein, daß sie die 
Vorschriften deiner Lehre wohl bemerken und erlernen, die* 
selbe bis an ihr Ende behalten mögen. Dazu verhelfe ihnen 
Gott der Vater, Sohn und Heiliger Geist! 



438)Kössler8 ABC. — 439 j- Kesslers und Le Roux' ABC. — Simroch 



— 343 - 

Aus dem «Konto- oder Schreibbuch:» des Schreinermeisters 
Johann Michel von Mittelhausen (1785 — 1794) ist ebenfalls ein be- 
merkenswerter Spruch zu erwähnen. Der Meister halte wahr- 
scheinlich unliebsame Bekanntschaft mit den Gerichten gemacht. 
In erdichteter Todesahnung schrieb er nun mit heiterem Hohn 
in sein Buch : 

M7 Ihr Herren Advokaten und Te^ufelsgesellen, 

Habt Ihr etwas in die Hölle zu l^estellen? 
Hier an diesem Ort 
Wird bald einer reisen fort. 

Endlich seien noch einige Hausinschriften angeführt, die von 
einer Feuersbrunst Kunde geben. Sie sind verhältnismäßig selten. 

US Abgebrannt den 12. Jänner 1879. 

449 Dieser vorige Gebau ist verbrennet 1814. 

450 Das Feuer brannte in der Nacht, 
Verzehrte Haus und Gut, 

Da hat noch Gott an uns gedacht. 
Gerettet Fleisch und Blut. 

451 Gottes Zorn riß es nieder, 
Gottes Güte baut es wieder. 

452 Ach Gott, behüte uns vor Donner und Blitz, wie es ge- 
schehen ist im Jahr 1835, da Haus, Scheuer und Stallung ver- 
brannt ist zu Asche samt den Früchteuv und Heu. 

453 Diesen Hof hat bauen lassen Franz Joseph Veiten, Maria 
Anna Lux 1851. Sie sind verunglückt worden durch 
einen grausamen Feuersbrand, dass Haus, Stall und Scheuer 
in trauriger Asche lag im Jahre 1850 den 1. Wintermonat. 

454 Zerstört durch Frevlers Hand am 28. Dezember 1893. 

455 Am jüngsten Tag wird offenbar, 
Wer der verruchte Täter war. 

In der alten Schreibart ist folgende Inschrift gehalten : 

456 1870 Jahr 

Nach dem Evangelium, 
Als die 26. Mainacht war, 
War hier die Verwüstung. 



2730. H, V. Fallerslebeny Spenden 19. — 447) Mittelhauseu, Familien- 
papiere ins Hornecker-Michels. — 448) Donnenheim, Kappen, Stein- 
platte über der Hoftür. — 449) Berstheim. Balken über der Hoftür. 

- 450) «Hanauerdorf» (Vogesenbl. 1897, Nr. 5). - 451) daselbst. 

— Deutsche Inschriften 18. Verwandt: JDraheim 289. — 4.52) Gottes- 
heim, Kiefer Jockeis, Stallwand, 1836. — 453) Schnersheim, Wurms, 
Holztafel am Stall. — 454) u. .455) Breuschwickersheim, Marzloffs, 
Scheune, 1894. — 456.) Olwisheim, Wolfen, Holztafel über der Hof- 



— 344 — 

Hier hat eines Bösewichts Hand 
Haus und Hof granz abgebrannt. 
Doch bleibt der gerechte Samen 
Immer grün and ewig. Amen. 

Die folgenden Inschriften nehmen Bezug auf die Kriegs- 
ereignisse vor Straßburg in den Jahren 1793 und 1815. 

457 SiebenzehnUandert dreiundneunzig 
Nach dem Evangelium, 

Da der 18. Oktober war, 
War der Ort der Krieger Ruhm, 
Hier durch Rauben, Mord und Brand 
Ganz verwüstet durch ihre Hand. 
Doch bleibt der gerechte Samen 
Immer grünend ewig. Amen. 

458 Veränderung, du Leser, schau, 
Was Gott und Krieg kann machen, 
Es lieget an der Zeit der Bau 
Und Gott führt alle Sachen. 

Bei all diesen vielen und verschiedenartigen Spruchen ver- 
missen wir eins: Das Vaterland. Nur in Nr. 252 ist ein Anklang 
an das Vaterland, der Spruch klingt aber religiös aus. Auch in 
Nr. 247b u. 247c ist das Vaterland kurz erwähnt. Nur in 
zwei Fällen ist des Herrschers gedacht, das eine Mal am Gemeinde- 
haus zu Gambsheim, wo am Eckbalken, hoch oben unter der 
Königskrone zu lesen ist : 

459 VIVE LE ROI. 1823. 

das andere Mal auf einem Gedenkslein im Banne von Litten- 
heim^ an der Straße Saessolsheim — Altenheim: 

460 Zur Erinnerung an die Anwesenheit Seiner Majestät des 
Kaisers Wilhelms I. bei Gelegenheit des Manövers am 
22. September 1879. 

Vom diesem Steine aus zeigt sich dem Auge ein herrlicher 
Ausblick auf die Perle des Elsaß, das schöne Hanauerland mit 
seinen lachenden Auen und gottgesegneten Fluren. 

Und nun die Zukunft der Inschriften ? 

Die gemalten Hausinschriften werden sich auf die Dauer 
nicht behaupten können, da die festen Backstein- und Stein- 
wände keine Gelegenheit dazu bieten. Zwar fehlt es nicht an 
erneuerten Inschriften, und mit aufrichtiger Freude habe ich in 
den letzten Jahren einige erfolgreichen Versuche beobachtet, die 



tür, 1870. — 457) Eckwersheim, Brünehansen, Steinplatte über der 
Hoftür, 1817. - Mundolsheira, Dietschen, desgl., 1818. Z. 1 u. 3 
geben das Datum des 28. Juni 1815 an — 458) 5lundolsheim, Seiler- 
hansen, Steinplatte über der Hoftür, 1830. 



— 345 — 

alten zu erhalten. So wurde ins FJaasen zu Mundolsheim eine 
prächtige Inschrift (Nr. 220) von 1828 aufgefrischt, vergoldet 
und schön eingefaßt. Das gleiche geschah ins Schniederjekels zu 
Waltenheim mit einer Inschrift (Nr. 85) von 1855, sowie ins 
Happels zu Geudeitheim mit einer solchen (Nr. 297) von 1829. 
Der A.ckerer Lickel zu Alteckendorf ließ 1904 an seiner Scheune 
hübsche Wandmalereien mit der Inschrift «An Gottes Segen ist 
alles gelegen» von 1830 durch den Malermeister Mugler von 
Pfaffenhofen erneuern. Und seine Nachbarin Witwe Fuchs 
ließ 1902 die alten ehrwürdigen Wandinschriflen in der Klein- 
stube (Nr. 220) neu malen und lackieren, so daß sie wieder 
auf lange Jahre aushalten werden. Der Ackerer Berst (Schuh- 
macherhans) zu Diinzenheim ließ vor einigen Jahren einen 
Fensterflügel mit Inschriften von der Wetterseite nach einer 
besser geschützten Stelle verlegen, nachdem ein anderes Fenster 
vom Hagel zerschlagen worden war. Vergeblich waren aber 
alle Bemühungen des Wolfenbauern zu Fürdenheim, seine 
schönen Inschriften zu erhalten. Ein Spiegel nach dem andern 
fiel heraus und begrub die herrlichen Sprüche und Malereien 
mit sich. Gewiß bestand und besteht auch sonstwo die Neigung 
zur Erhallung der allen gemalten Inschriften, die ja dem Sinn 
und dem Geschmack der weitesten Volkskreise so sehr zu- 
sagen. Aber — es kostet Geld, und so werden wohl die wenigen 
aufgefrischten Inschriften in absehbarer Zeit dem Schicksale 
ihrer untergegangenen Schwestern folgen. Mit ihnen sind die 
Kern- und Sittensprüche einem sicheren Untergange geweiht. 

Auch für holzgeschnitzte Inschriften fehlt am neuzeitlichen 
Hause der Raum. Nur die in Stein gehauenen haben Aussicht auf 
ein längeres Bestehen, und es muß rühmend hervorgehoben werden, 
daß es noch eine stattliche Zahl solcher steinernen Urkunden gibt, 
die, mit zahlreichen Verzierungen ausgestattet, wahre Pracht- 
slücke der Volkskunst darstellen. Sie sind so recht die Träger des 
Hausspruches, d. h. des Spruches, unter dessen Schutz das Haus 
und Gehöft steht. Weißenburg, Mundolsheim, Eckwersheim und 
Ittenheim seien eben nur kurz erwähnt. Aber auch die Steinplatten 
sind vor dem Untergange nicht sicher. Wurden doch zu Eckwers- 
heim in den letzten Jahren nicht weniger als vier Steinplatten 
einfach übermauert, offenbar da man sich die Kosten der Auf- 
frischung der unleserlich gewordenen Inschriften ersparen wollte. 

Für die Gebrauchsgegenstände des Alltagslebens, die fast 
ausnahmslos fabrikmäßig angefertigt werden, sind die Inschriften 
so gut wie verloren. Aber das Empfinden und die Sinnesart 
des Volkes sind dieselben geblieben, und wir sehen nun, wie 
seit einigen Jahrzehnten alle die Bibelsprüche, die liebgewordenen 
Verse und Reimereien in neuzeitlichem Gewände in die Stuben der 



— 346 — 

Barger und Bauern wieder eingezogen sind. Der Gewerbfleiß hat 
sie in unendlicher Abwechselung auf gedruckten und gestickten 
Wandtafeln festgebannt und mit kunstvollen Bildern^ Blumen, 
Landschaften und Darstellungen aus der heiligen Schrift ver- 
sehen. Pfarrer, Sammler und Bücherausträger für kirchliche 
Zwecke, Buchhandlungen und Jahrmarkthändler vertreiben sie 
mit regem Eifer. Es gibt schon jetzt Bauernhäuser, wo solche 
Tafeln nach Dutzenden in allen Ecken und Wänden hängen. 
So haben sich die verwelkenden Blüten sinnigen Volkstums 
aufs neue erschlossen und erfüllen mit ihrem dichterischen 
Dufte das gemütliche, trauliche Heim. 

Eine gewisse Zukunft gebührt sicherlich den Wirtshaus- 
inschriften, die den Verhältnissen entsprechend immer wieder 
verbessert und ergänzt werden und stets von neuem den Bei- 
fall der Wirte und Gäste wie die Empfehlung der pinselge- 
waltigen Künstler finden werden. 

Möge auch diese Arbeit dazu beitragen, das elsässische 
Volkstum in seiner einfachen, unverfälschten Art zu zeichnen. 
Gleichwie die Volkslieder erzählen uns die Inschriften aus alter 
und neuer Zeit, nicht nur was dem Elsässer lieb und heilig i.st 
und was seinen edelsten Seelenregungen entsprang, sondern auch 
was sein Herz ergötzt, was dem Stolze des Bauern und seinem 
kernigen, biederen, grundehrlichen Wesen schmeichelt, und auch 
was seine Leidenschaften erregt, Hohn und Spott, Neid und Bos- 
heit, Falschheit und Tücke. Neben glänzenden Füttern findet sich 
auch lauteres, gediegenes Gold, — mehr als man denken mag. 



Zusammenstellung der Inschriften nach 

dem Fundort. 

Alteckendorf 17c, 19a, 25, 31, 38a, 38c (2), 39b, 61, 66 t. '^3, 
74, 78, 95, 98, 100, 101, 123, 124, 126 f, 136, 194, 216, 220, 236, 248, 
354, 355 (3). BaXbrmn 2471. Berstett 1J4, 120 a, 249, 261b, 294, 
297. J?m<Äetm 16 g, 38 b, 449. Btf«e«Äcim 218, 270 c. Bischholz 92, 
121. Bläsheim 293. Bosseishausen 16 d, 184, 247 b. Bossendorf 12, 
103, 168 a, 169. Bremmelbach 338. Breuschwickersheim 18 b, 130, 147, 
204, 205, 250, 253, 454, 455. Buchsweüer 5, 51, 221-224, 247g, 269. 
Büswetler 63 a, 89, 144, 196. BaMenheim 18 b, 191, 247 k. JDangols- 
heim 168b. Bauendorf 16 f, 73, 104, 118, 151 d, 172,227, 260. Bett- 
weüer 44 f. Binsheim 334—337. Bonnenheim 4^S, Bunzenheim 16 h, 
41, 63a, 116, 127, 153, 159a, 161, 179, 184, 185, 199, 210, 226 (2^ 
227, 239, 240, 242 a, 247 a, 259, 272, 298, 308, 309, 355, 358, 383, 
398-434. Eckwersheim 18 d, 85, 170a, 219, 220 (5), 242 c, 243, 252,- 
254, 260 (4), 262 (3), 297 (3), 331, 457. JSttendorf 16 d, 73, 162 f, 
247 a, 312. Forstheim 198, 247 a, 247 b, 379. Fürdenheim 6. 37, 68, 
132, 138, 165, 166, 297. Furchhausen 38 c. Gambsheim 459. Geis- 
Weiler 38 a, 62, 65, 163, 211, 215, 216. Geudertlieim 16 b, 297. Gim- 



— 347 — 

hrett 188. Gingsheim 18b f, 337-319, 342A. Gottesheim 18d, 38c, 
118, 141, 190, 203, 211, 237, 381, 452. Graasendarf 170a, 247 e. 
Griesbach (Kanton Bachsweiler) 4, 255. Griesbach (Kanton Nieder- 
bronn) 3. Gumbrechtshofen-Niederbronn 242 a. Handschuhheim 19 a, 
139, 177, 178, 284. Hangenbieten 155, 332. Hattmatt 279. Heriis- 
heim a. d. Zorn 299 b. HocMelden 40 (2). 280, 353, 361, 375 (2), 376. 
Hördt 80, 213, 292, 357. Mohfrankenheim 355 (2;. Hohgöft 187 a. 
Hwrtigheim 284. Ingenheim 16 a, 102, 355 (2). Issenhausen 46, 48, 
103 <2;, 137, 170 c, 184, 206, 247 b, 271, 273, 299 b (3). Ittenheim 
120 a (2), 120b, 148, 153, 174, 261b, 288, 290, 292, 293 (2), 297. 
KirrweHer 16 b, 20, 39 b, 75, 78, 135, 137, 140, 247 b, 260, 271, 299 b. 
KoMhüUe 45, 84, 151a, 157, 170b, 229,241,260,303,307. Kdbsheim 
238, 265, 266, 291. Kriegsheim 270 a, 320. Lampertheim 117, 170 a, 
251, 325-327. Laubach 170 a, 370. Lauterburg 11, 152. Lembach 
267. Lichtenberg 342. Littenheim 460. Lixhausen 138, 180, 203, 216, 
217, 247 f. Lobsann 14, 247 h. Maursmünster 171. Meisheim 15, 16 i, 
22 (2), 23, 32, 48, 76, 82, 153 t, 161, 170 a, 182, lö3, 247 d, 298 t, 
341 t, 354, 360, 368, 369 t- Menchhofen 24, 30, 59. 93, 94, 176, 228, 
387. Mietesheim 103, 242 a, 260. Minversheim 244, 270a. Mittel- 
hausbergen 49, 252, 294. Mittelhausen 170 a. 333, 447. Morschweiler 
13, 158, 242 e, 246, 286, 299 a, 372. Mühlhausen (Kanton Buchsweiler) 
272. Mundölsheim 133, 220, 285, 457, 458. Niedermodem 18 a, 18 b. 
Niefern 392. Obermodem 93, 94, 247 b, 299 b, 373, 385. Obersutz- 
bach 61, 82 (2), 93, 103, 112, 156, 170b, 211, 233, 242a, 242 d, 283. 
Offweiler 70, 164, 299 b, 303-305, 339. O/trisÄeim 297, 456. Pfaffen- 
hofen 63 b. PfeUisheim 212. Pfulgrieshetm 86 (2). Pnnzheim 43, 67, 
142, 143. 145, 159 b. 207, 211. 242 a, 247 a, 260, 268, 299 b, 377, 380. 
Quatzenheim 19 b, 257, 258, 296, 297 (2). BeitweiUr 138, 242 b, 297. 
Bingeldorf 73. Bingendorf 18d, 27, 36, 39 c, 47, 82 (2), 106, 113, 
122, 125, 131, 136, 154, 173, 189, 247 c, 305, 340, 354 t, 355, 362, 
435—446. Boppenheim 241 eL, BvprechtsaulSlh, SOb. Sässolsheim 2. 
Schalkendorf 82 (2). Scherhnheim 167, 313, 328-330, 340. Schillers- 
dorf 26, 28, 42, 81, 83, 91, 93, 94, 111, 115, 129, 134, 146, 151b, 
151c, 160, 232, 235, 247 a, 303. Schütigheim 281. Schnersheim 170 a, 
453. Schweighausen 170 a. Schweinheim 247 a. Schwindratzheim 17 a, 
19 a (4), 34, 67, 82, 110, lb6 (3), 186, 200 t, 201 1, 208, 209, 225, 
235, 310, 354, 355, 358 (3), 378, 393 t— 397 t- Steinburg 170 b. 
Straßburg 16 e, 256, 352. Elsässisches Museum : 18 b, 44, 52, 66, 72, 
126, 153, 162, 200, 201, 298, 341, 354, 355, 359, 369, 393-397. 
Sulz w. W, 263. Truchtersheim 344. Uhrweiler 1, 93, 371, 374, 
386, 388-391. üttenhofen 43, 247 b. üttweiler 392 Vendenheim 
117, 120 a, 211, 260, 261a, 262. 270 b, 293, 339. Waldhambach 234, 
382. Waltenheim 29, 48, 72 t» 85, 87, 88, 175, 186, 195. 356, 367, 
:584. Weiler bei Weißenburg 321—324, 345, 346. Weißenburg 7, 
8, 10, 33, 105, 108, 109, 119, 170 c, 181. Weitbruch 260 (2), 270 a. 
Westhofen 18 c, 264. Wef^ersheim 247 a. Wickersheim 19 a, 35. 38 c (2 ), 
39 a, 43, 50, 60, 64, 77, 79, 89. 90, 96, 138, 193, 220, 245, 247 b, 305, 
354, 355, 359 t, 363, 364. Wiügottheim 295. Wilshausen 17 a, 17 b, 163. 
170a, 354 (2). Wimmenau 343. Wingersheim li)2, 301, 302b, 313. 
Wittersheim 365, 366. Wörth 314-316, 351. Wolfishetm 45, 97, 
149, 150, 197, 305. Zabem 9, 16 k. 100, 287, 289, 300, 311, 347- 350. 
Zöbersdorf 52 t, 71, 122, 128, 220, 298, 305 (2), 306. Zutzendorf 16 c, 
38 a, 38 d, 170 b. 



Xlll. 



Chronik für 1904. 

22. April stirbt in Straßburg Albert Grün, geb. 31. Mai 
1822 zu Lüdenscheid in Westfalen, seil 1849 in Slraßburg, 
zuletzt als Professor der höheren Töchterschule. 

28. April : Kaiser Wilhelm II. auf der Hohkönigsburg. 

1. Mai : Enthüllung des Goethedenkmals von Ernst Wägener 
vor der Universität in Straßburg. 

11. — 14. Mai : Kaiser und Kaiserin in Straßburg und Metz. 

2(5. Juni bis Ende Juli Kunstausstellung in Straßburg. 

5|6. August : lirand des Waisenhauses und der Magdalenen- 
kirche in Straßburg. 

31. August stirbt in Weißenburg der Volksschriflsteller 
Oberlehrer Johann Westenhöffer, ^eh. 23. Juni 1847 in Weißen- 
burg. 

25. September bis 25. Oktober Schmuckausstellung in 
Straßburg. 

1(2. Oktober: XXXIV. Hauptversammlung des deutschen 
Vereins für Volksbildung in Straßburg. 

4. Oktober stirbt in Paris der Bildhauer Friedrich August 
ßurtholdi, geb. 2. August 1834 in Golmar (von ihm die Cpl- 
marer Denkmäler von Rapp, aufgestellt 1856, Schongauer 1863, 
Bruat 1864,Rebmannsbrunnen 1869, Rösselmann 1888, Schwendi 
1897 ; ferner der Löwe von Beifort 1880, die Statue der Frei- 
heit am Hafen von New-York 1886, Elsaß und Helvetia, Basel 
18^5, Reiterstatue der Vercingetorix 1903). 



XIV. 



Sitzungsberichte. 



1. Vorstandssitzung 

am 13. November 1904, vormittags 10 »/a Uhr, im ger- 
manistischen Seminar der Universität. 

Anwesend die Herren Harbordt, Kassel. Lienbart, Luthmer, 
Martin, MuAdel, Stehle, Wiegand. — Entschuldigt die Herr^ 
Euting, Francke, Lempfrid, Renaud, von Schlumberger. 

Unter Hinweis auf die Verdienste unsres langjährigen 
Vorstandsmitgliedes, des Staatsrates Dr. von Schlumberger, 
Exzellenz, schlägt der Vorsitzende die Ernennung desselben 
zum Ehrenmitglied des Vereins vor, vi'omit sich der Vorstand 
einstimmig einverstanden erklärt. 

Abgelehnt wird eine Einladung zum Beitritt zum Verein 
für deutsche Volkskunde wejren der Höhe des Beitrags, sowie 
zur Beteiligung am Museum für Volkskunde in Dresden. Einer 
Aufforderung zur Mitarbeit an einer Sammlung von Flurnamen 
erklärt sich Herr Menges für den Bereich der Westhälfte der 
Kreisschulinspektion Zabern bereit, tunlichst nachzukommen. 
Der Verein an und für sich ist nicht in der Lage, dabei mit- 
zuwirken. 

Nach dem Dafürhalten des Vorsitzenden empGehlt es sich, 
den bisherigen Vorstand von 15 Mitgliedern enlsprech«nd der 
Zunahme und dem wachsenden Umfang der Vorstandsgeschäfte 
der Zahl nach zu erweitern. Herr Wiegand schlagt 21 vor; die 
allgemeine Sitzung soll darüber entscheiden. 

Die für das nächste Jahrbuch bereits eingelaufenen Arbeiten 
werden besprochen und dann zur Durchsicht und Beurteilung 
an einzelne Vorstandsmitglieder verteilt. 

Es folgt darauf die 



— 350 — 

Allgemeine Sitzung. 

Der Vorsitzende begrüßt, die VersaoimtttDg und erstattet 
Bericht über das abgelaufene GeacUJlsiahr. Es geboreft dem 
Vereine, z. Z. 2705 Mitglieder an, und es sind Arbeiten, sowie 
Aufforderungen und Einladungen von auswärts eingrelattten, die 
beweisen, daß unser Verein überall in dem besten Ansehn 
steht. Die Rechnungsablage, welche vor Beginn der Sitzung 
geprüft wurde, hat sich als richtig erwiesen, so daß dem Schatz- 
meister Entlastung erteilt werden konnte. 

Mit dem Beschluß des Vorstandes, Se. Exzellenz den Herrn 
Staatsrat Dr, von Schlumberger zum Ehrenmitgliede zu 
ernennen, ist die Versammlung einverstanden. 

Zu dem Punkt der Tagesordnung betr. Neuwahl des Vor- 
standes dankt Herr Geheimrat Hering dem bisherigen Vorstande 
zunächst für seine Mühewaltung im abgelaufenen Geschäfts- 
jahre und schlägt der Versammlung vor, den Gesamtvorstand 
durch Zuruf wieder zu wählen. Da ein Gegenvorschlag nicht 
gemacht wird, nimmt der Vorsitzende im Namen der übrigen 
Vorstandsmitglieder die Wiederwahl dankend an. Darauf wird 
«ach den Darlegungen des Vorsitzenden der Beschluß gefaßt, 
die Mitgliederzahl des Vorstandes um drei zu erhöhen und 
es werden die Herren Dr. v. Borries, Christian Schmitt und 
Theobald Walter hinzugewählt. 

Der Vorsitzende zeigt sodann an, daß er am 3. Dezember 
im Zweigverein Straßburg des Allgemeinen Deutschen Sprach- 
vereins einen Vortrag über Karolitie Herder zu halten gedenkt, 
wozu er den Verein freundlichst einladet. 

Zum Schluß hält Herr Kassel den angekündigten Vortrag 
<Meßtigebräuche im Hanauerland». 

Schluß der Sitzung 12*5. 



2. Vorstandssitzung 

am 1. März 1905, nachmittags 2 Uhr, im germanistischen 
Seminar der Universität. 

Anwesend die Herren v. Borries, Francke, Harbordt, Lena- 
pfrid, Lienhart, Luthmer, Martin, Mündel, Walter, Wiegand. 
— Entschuldigt die Herren Kassel, Menges, Renaud, Schnaitt, 
Stehle. 

Nach der Bejj^rüßung der neu zugewählten Mitglieder von 
Borries und Walter legt der Vorsitzende ein Schreiben von 



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Exz. Dr. von Schlumberger vor, laut welchem derselbe die 
Ehrenmitgliedschaft des Vereins dankend annimmt, und berichtet 
sodann über dessen diamantene Hochzeitsfeier in Gebwcäer 
am 22. Februar ds. Js., wozu er ein GlückwmKwhwIii'uiben des 
Vereins überbrachte. Der Vorstami ttimint Kenntnis von dem 
noch am gleichen Tage eio^rianfenen Dankestelegramm. 

Nach einem SctoeSben Sr. Exzellenz des Herrn Staats- 
sekretärs wo Kößer vom 26. November 1904 hat Se. Durch- 
laudrt der Forst Statthalter wiederum den herkömmlichen 
BetraiT von 300 Mark zu den Kosten des Jahrbuchs bewilligt. 

Die für das nächste Jahrbuch vorliegenden Arbeiten werden 
im einzelnen besprochen, ein Ueberschlag des Umfangs des- 
selben wird aufgestellt und die Reihenfolge der Beiträge fest- 
gesetzt. Darauf verliest der Vorsitzende die in das Jahrbuch 
aufzunehmende Chronik für 1904, und zum Schluß teilt Herr 
Wiegand den Inhalt eines Schreibens aus Reichenweier mit, 
in welchem vorgeschlagen wird, das dortige sog. Rotbuch im 
Jahrbuch abzudrucken. Der Vorstand ist grundsätzlich damit 
einverstanden, schlägt indessen vor, das betr. Buch vorher zur 
Einsicht auf das Archiv einsenden zu lassen. Nach erfolgter 
Befürwortung eines Abdrucks soll dasselbe in das Jahrbuch 
aufgenommen werden. 

Schluß der Sitzung: 3 Uhr. 



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