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JAHRESBERICHT
über
die Fortscliritte der classisclieii
Alterthumswissenscliaft
begründet ^
von
Conrad Bursian,
herausgegeben
I^A/^an Müller,
ord. öffentl. Prof. der classischen Philologie an der Universität Erlangen.
Zweiundfaiifzigster ßaud.
Fünfzehnter Jahrgang. 1887.
Dritte Abtheilung.
ALTERTHUMSWISSENSCHAFT.
Register über die drei Abtheilungen.
BERLIN 1889.
VERLAG VON S. CALVARY & CO.
W. Unter den Linden 17.
Inhalts- Verzeichniss
des zweiundfunfzigsteu Bandes.
Bericht über die Litteratur des Jahres 1886, welche sich auf
Encyklopädie und Methodologie der klassischen
Philologie, Geschichte der Altertumswissenschaft und
Bibliographie beziehen (nebst Nachträgen zu den früheren
Jahren). Von Dr. Karl Hartfelder in Heidelberg. 140—268
Geschichte des Humanismus. Zusammenfassende Darstellungen
140. — Italienische Humanisten 151. — Französische Humanisten
154. — Deutsche Humanisten 159. — Erasmus von Rotterdam 173.
— Hütten 177. — Hymni et carmina 190. — Geschichte des Buch-
drucks 191. — Geschichte der Universitäten. Heidelberg 194.
— Neustadter Hochschule 211. — Karlsruhe, Würzburg 215. —
Graz 217. — Giessen , Rostock u a. 218. — Pädagogik 222. —
Monumenta Germaniae paedagogica 224. — Schulgeschiohte, Gym-
nasien 229. — Schulwesen in Frankreich und Belgien 255. —
Geiehrtengeschichte 258. — Reform, Einheitsschule 265.
Die Berichte über Paläographie von Bibliothekar Dr. R. Beer
in "Wien, alte Geographie von Dr R. Frick in Höxter,
Topographie von Attika von Prof. Dr. Ch. Beiger in Berlin,
Geographie des übrigen Griechenlands von Dr. Oberhum-
mer in München, Geographie von Unter-Italien und Sicilien
von Prof. F. V. Duhn in Heidelberg, Geographie von Mittel-
und Ober-Italien, Gallien, Britannien und Hispanien von
Dir. Prof. Dr. D. Detlefsen in Glückstadt, Topographie
der Stadt Rom von Prof. Dr. 0. Richter in Berlin, grie-
chische Geschichte von Prof. Dr. A. Bauer in Graz folgen
später.
Jahresbericht über römische Geschichte und Chrono-
logie für 1886. Von Dr. Hermann Schiller, Gymn.-
Direktor und Universitäts-Professor in Giessen. . 268 — 334
1. Zusammenfassende Darstellungen 269. — 2. Chronologie 274.
— 3. Königszeit und Uebergang zur Republik 284. — 4. Zeit des
IV Inhalts -Verzeichniss.
Ständekampfes und der Eroberung Italiens 289. — 5. Die punischeu
Kriege und die Unterwerfung der Mittelmeerländer 295. — 6. Die
Revolution 297. — 7. Die Zeit der Julier, Claudier, Flavier uud
Antouine 309. — 8. Die Zeit der Verwirrung 327. — 9. Die Zeit
der Regeneration 328.
Die Berichte über griechische Litteraturgeschichte von Dir.
Dr. Volkmann in Jauer, römische Litteraturgeschichte
von Dir, Dr. Bouterwek in Burgsteinfurt, griechische und
römische Mythologie von Dr. Back in Berlin, griechische
Staatsalterthümer von Dr. C. Schäfer in Pforta und grie-
chische Privatalterthümer von Prof. Dr. Iwan Müller
folgen nach.
Jahresbericht über die griechis eben Sacralaltertümer.
Von Prof. Dr. August Mommsen 335 — 378
Vierter Artikel : Athen.
Der Bericht über römische Privat- und Sacralalterthümer
von Prof, Dr. M. Zoeller in Mannheim, sowie jener über
scenische Archäologie von Studienrektor Dr. B. Arnold .
in München folgt nach.
Jahresbericht über die römischen Staatsaltertümer
für 1885, Von Dr. Hermann Schiller, Gymnasial-
Direktor und Universitäts-Professor in Giessen . , . 1—89
A. Allgemeine Darstellungen 1, — B Die Staatsgewalt. 1. Ma-
gistratur 8. — Bürgerschaft 28, — C. Die Staatsverwaltung.
1. Organisation des Reichs 42. — 2. Finanzverwaltung 65. —
3. Militärwesen 68. — 4. Recht und Gericht 87.
Bericht über neuere Pubhkationen auf dem Gebiete der Na-
turwissenschaft, der Technik, des Handels und
Verkehrs im Altertum. Von Prof. Dr. S. Günther in
München 90—139
Geschichtliches 91. — Chemie uud Metallurgie 93. — Mineralogie
98. — Gewinnung und Bearbeitung der Metalle 108. — Botanik
110.— Forstkultur und Jagdwesen 116. — Landwirthschaft 119.
— Zoologie 125. — Nautik 127. — Handelsgeschichte 133.
Die Berichte über mathematische Wissenschaften von Dr.
M. Curtze in Thorn und über antike Medizin von Prof. Dr.
Th. Puschmann in Wien folgen im nächsten Jahrgang.
Jahresbericht über die griechische Epigraphik für 1883
bis 1887. Von Dr. W^ Larfeld in Remscheid. . 379 — 564
Einleitung 379. — I. Allgemeines 380. — Originalpublikationen
griechischer Inschriften 388. — Lexikalisch-grammatische Arbeiten
393. — Kyriacus von Ancona 397. — II. Attica. 1. Allgemeines
Inhalts - Verzeichniss.
398. — 2. Raths- und Volksbeschlüsse; Dekrete 401. — Privatur-
kunden 406. — 3. Tabulae magistratuum 407. — 4. Catalogi 412.
— 5. Musische Inschriften 413. — 6. Ej^heben-Inschriften 416. —
7. Hymnen, Orakel 416. — 8. Ehreninschriften, a) Des Rates und
Volkes 417. — b) Anderer Gemeinschaften 420. — c) Von privaten
und ungenannten Stiftern 426. — 9. Weihinschriften 429. —
10. Grabschriften 434. — 11. Grenzsteine 440. — 12. Varia. Kurz-
schrift 441. — III. Megaris. Megara 443. — Aegosthenae. Eleu-
therae 445. — IV, Peloponnesus. 1. Coriuthus 446. — 2. Argolis
447. — Mycenae 448. — Nemea 449. — Epidauros 449. — Weih-
inschriften von Epidauros 452. — Heilinschriften von Epidauros
457. — Troezen 462. — 3. Laconica et Messenia. Sparta 463.
— 4. Arcadia. Elis 468. — Olympia 469. — 5. Achaia 473. —
V. Boeotia 474. — Acraephia 476. — Chaeronea 477. — Coronea
481. — Plataeae. Tanagra. Thebae 483. — Thespiae 484. —
Via. Phocis. Elatea 490. — Delphi 495 — VIb. Locris et Do-
ris 499. ~ Oeanthea 500 - VIc Thessalia. Lamia 500. — Nar-
thacium 501. — Halus 502. — Pharsalus. Metropolis 504. —
Demetrias 509. — Larisaöll. — Phalauna 522. — Vlia. Aetolia,
Acarnania 524. — Calydon 525. — Thyrrheum 526. — VII b.
Epirus. Dodona 527. — VIII. Illyricum 533. — Salonae 534. —
IX. Corcyra 535. — X. Macedonia et Thracia. Thessalonice 535.
Olynthus 539. — Chersonesus Thracica 540. — Heraclea 541. —
Selymbria 543. Byzantium 544. — Odessus 553. — Tomi 556.
— XI. Sarmatia cum Chersoneso Taurica et Bosporo Cimmerio
560. — Olbia; Chersonesus 561. — Caucasus 563.
Die Berichte zur Litteratur über römische Epigraphik von
Direktor Dr. F. Haug in Mannheim, Numismatik von Dr.
R. Weil in Berlin, vergleichende Sprachwissenschaft von
Dr. H. Ziemer in Colberg, griechische Grammatik von
Prof. Dr. B. Gerth in Dresden, Kyprisch, Pamphylisch
und Messapisch, sowie über lateinische Grammatik von
Direktor W. Deecke in Buchsweiler, Vulgärlatein von
Dr. K. Sittl in München, lateinische Lexikographie von
Prof. Dr. K. E. Georges in Gotha, antike Metrik von
Prof. Dr. B. Klotz in Leipzig und antike Musik von Dr.
H. Reimann in Berlin folgen nach.
Register 565 — 579
I. Register über die besprochenen Schriften 565
II. Register der behandelten Stellen.
Griechische Autoren . . 577
Römische Autoren 578
Jahresbericht über die römischen Staats-
altertümer für 1885.
Von
Dr. Hermann Scliilfer,
Gymnasial-Direktor und Universitäts-Professor in Giefsen.
A. Allgemeine Darstellungen.
Max Zoll er, Römische Staats- und Rechtsaltertümer. Ein Kom-
pendium für Studierende und Gymnasiallehrer. Breslau 1885.
An Kompendien für Studierende und Gymnasiallehrer fehlt es
eigentlich auf dem Gebiete der römischen Altertümer nicht. Wenn man
sich also entschliefst, deren Zahl um ein neues zu vermehren, so mufs
man sich über die Mängel der bisherigen Schriften dieser Art klar
sein. Dieselben liegen meines Erachtens darin, dafs 1. der jetzige Stand
der wissenschaftlichen Forschung in der Regel nicht aus denselben zu
erkennen ist, 2. dafs sie weder Quellen noch Litteratur geben und so-
mit 3. den Studierenden und den Gymnasiallehrer lediglich auf eine
gläubige Hinnahme des gebotenen Stoffes hinweisen, nicht auf eigenes
Nachdenken und auf eigene Arbeit. Letztere kann nur die rechten
Bahnen finden, wenn sie den bisherigen Stand einer Frage in der Litte-
ratur angegeben findet; sonst wird sie häufig unnütz und unbefriedigend
sein. Entspricht das vorliegende Kompendium diesen Anforderungen?
Prüfen wir das an den einzelnen oben gestellten Forderungen.
ad 2 und 3. Quellenangaben enthält das ganze Buch vielleicht 60
bis 65. Von Litteratur werden die gröfseren Werke von Becker, Mar-
quardt-Mommsen, Lange und Madvig regelmäfsig angegeben; auch bis-
weilen die Darstellungen der römischen Geschichte von Momrasen, Ihne,
Schwegler, Neumann und Drumann und des ersteren Römische For-
schungen citiert, selten'^r Herzog und einige andere geschichtliche, geo-
graphische, sprachhistorische und rechtsgeschichtliche Handbücher. Von
Spezialarbeiten wiederholt des Verfassers Latium und Rom, und Soltau
die altrömibchen Volksversammlungen, vereinzelt Lange de patrum auc-
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LU- (1887 HI. 1 1
2 Römische Staatsaltertümer.
toritate, Christensen (ohne Angabe der betreffenden Schrift), Genz das
patrizische Rom, Volqiiardsen die drei ältesten römischen Tribus, Plüfs
die Entvvickelung der Centurienverfassung und Clason zur Frage über
die ref. Centurien, Berns de comit. tribut. et conciliorum plebis discri-
mine, Ihne, rhein. Mus. 28, 37 f. und 21, 161, Willems le senat, Soltau
über den Ursprung von Census und Censur, Lindenschmidt Tracht und
Bewaffnung, Nissen Templum, H. Fulda das Kreuz und die Kreuzigung,
Beloch der italische Bund, Mommsen römisches Münzwesen, Kuhn
städtische und bürgerliche Verfassung etc. Man wird aus dieser etwas
bunten Auswahl nicht den Schlufs ziehen können, dafs der Verfasser
Litteraturangaben in der dem Studierenden und Lehrer nötigen Aus-
dehnung gegeben oder auch nur seine in der Einleitung gegebene Ver-
heifsung erfüllt hat, »dafs die wichtigsten Monographieen am betreffenden
Orte Erwähnung finden sollen«. Man wird auch nicht annehmen dürfen, dafs
in der Einleitung, welche von »Quellen und Litteratur« handelt, dieser
Mangel ausgeglichen werde. Dort erfährt der Leser, dafs die »wich-
tigsten indirekten Quellen« — Livius und Dionysius sind! Von den
älteren Darstellungen, »die heutzutage für den Studierenden wie den
Forscher gleich wertlos sind«, werden angeführt — Graevii Thesaurus
und Risoni antiquitat. R. corpus. Ob wohl Herrn Zöllers Urteil auch
von Perizonius, Vico, Beaufort, Macchiavelli und Montesq^uieu gilt? In
summa — weder Quellenbourteilung, noch Quellenangaben, noch Litte-
raturnachweise entsprechen auch nur entfernt den Anforderungen, die
heute an ein Kompendium für Studierende und Gymnasiallehrer gestellt
werden müssen, selbst dann nicht entfernt, wenn man sich »bei Litte-
raturnachweisen auf das Wichtigste und bei Citaten auf das Charak-
teristischste beschränkt« (S. VI).
ad 1. In dem staatsrechtlichen Teile sowie in den Darstellungen
des Finanz- und Kriegswesens sind Mommsen und Marquardt die Quellen.
Damit soll dem Verfasser nicht etwa ein Vorwurf gemacht werden, son-
dern nach meiner Meinung mufs sich jede Darstellung der römischen
Altertümer an die epochemachenden Arbeiten namentlich Mommsens
eng anschliefsen. Aber wenn dadurch der Studierende und der junge
Lehrer veranlafst werden sollen, sich die gröfseren Werke selbst zuzu-
führen, so mufs die ganze Darstellung des Kompendiums so gehalten
sein, dafs sie ihn in die schwer verständlichen Lehren einführt, so dafs
er, wenn er an die gröfseren Werke geht, weifs, wie er sich derselben
zu bedienen , was er dort zu suchen und wie er das dort Gefundene zu
verstehen hat. Dafs der Verfasser diese Aufgabe z. B. für die Darstel-
lung der Magistratur gelöst hätte, läfst sich nicht behaupten, wie ein
kurzer Nachweis darthuu soll.
In Mommsens Staatsrecht ist sicherlich der erste (allgemeine) Teil
die originellste Leistung; denn hier haben die Grundbegriffe der römi-
sehen Magistratur zum ersten Male eine systematische Darstellung ge-
A. Allgemeine Darstellungen. 3
funden. Und wenn wir der jüngeren Generation einen wirklichen Dienst
erweisen wollen, so müssen wir sie in den Stand setzen, die Richtlinien
in der verwirrenden Mannigfaltigkeit der Einzelheiten, welche die rö-
mischen Magistraturen bieten, fest und sicher zu haben- Einige Gründ-
lichkeit lohnt sich hierbei reichlich, da nicht immer wieder dieselbe
Frage an so und so vielen Stellen erörtert werden niufs. Der Verfasser
hat auf 18 Seiten diese' Erörterung gegeben, und der Raum könnte
schon für diesen Zweck ausreichen. Sehen wir uns aber an, was auf
diesen 18 Seiten steht, so vermissen wir teils ganz wesentliche Dinge,
oder wir finden andere ganz falsch dargestellt. Und doch kommt es
auf die Präcision des Ausdrucks nirgends mehr an, als wenn Grund-
begriffe jungen Leuten klar gelegt werden sollen. Vermifst wird: die
Definition der Promagistratur, von der öfter geredet wird, die Scheidung
des Amtsgebietes domi und miiitiae, die Darlegung des Wesens der
Kollegialität, der Disciplinarstrafgewalt, des Rechtes der Übertragung
der Gewalt und der Vertretung der Magistratur. Muster von unklarer
Darstellung finden sich bei der Behandlung des Imperium und der po-
testas. Da wird zuerst in weitschweifiger Weise auseinandergesetzt,
»das Imperium sei hauptsächlich die mit Kommando und Jurisdiktion
ausgestattete Amtsgewalt oder mit anderen Worten eine militärische und
richterliche, weshalb auch das Imperium in der Regel als ein militärisches
und richterliches Imperium unterschieden wird«. Dann folgt das un-
glaubliche »das erstere kommt hauptsächlich den Konsuln, das letztere
den Prätoren zu«, und 15 Zeilen weiter »das militärische Imperium be-
stand in der Disziplinar- und Strafgewalt, die dem Feldherrn
im Kriege zur Aufrechterhaltung der Disziplin gegen die im Heere
dienenden Bürger zukam , das richterliche Imperium zeigt sich in der
Macht, durch Richterspruch über Leib und Gut der Bürger abzuurteilen
und fand seinen praktischen Ausdruck in der coercitio d. h.
in dem Rechte, Haft, Pfändung und Geldbufsen anzuwenden«.
Wenn der Verfasser seine Schüler solche Dinge lehrt, so ist es
schlimm; was soll mau aber dazu sagen, wenn er solche Unbegreiflich-
keiten drucken läfst? Hätte er Mommseu nur mit einiger Sorgfalt ge-
lesen , so wären er und seine gläubigen Leser vor solchen Inkorrekt-
heiten bewahrt geblieben. Was soll man ferner zu dem Seite 138
stehenden Satze sagen: »die magistratische Intercession kann nur gegen
Magistrate, die eine par potestas haben, nicht aber gegen andere
Beamte oder gar gegen Beschlüsse des Staates (soll wohl heifsen
Senates) oder der Volksversammlungen in Anwendung gebracht
werden«'^ Weifs der Verfasser nichts von dem Verbietungs- und Kassa-
tionsrechte der maior potestas? Und weifs er nicht, dafs die Inter-
cession z. B. der Volkstribunen sich gleichermafseu gegen das magistra-
tische Dekret, die Rogation und den Senatsbcschlufs richten kann, so
lange der Magistrat noch bei dem betreffenden Akte persönlich
1*
4 Römische Staatsaltertümer.
thätig ist? Was wird sich ferner ein Student, meinetwegen auch ein
Lehrer bei folgendem Satze denken: »Während also die magistratische
Intercession ein Ausflufs der potestas ist, ist umgekehrt die tribunicische
potestas begrifflich und historisch erst eine Folge des tribunicischen
Intercessionsrechtes V« Die Aufzählung der Rechte der mit »Imperium
bekleideten« Magistrate ist teils unvollständig, teils unlogisch, wenn
man sie mit der Seite 137 gegebenen Aufzählung der Attribute der
potestas und der Seite 136 gegebenen Definition vergleicht. Falsch ist
die Angabe Seite 143, »später wurde es jedoch Regel, dafs zuerst das
Vigintivirat, dann das Tribunat bekleidet wurde und hierauf der Über-
gang zur Quästur stattfand«. Neun Zehntel der Leser werden hier erst-
lich an das Volkstribunat denken — drei Zeilen vorher ist vom Kriegs-
tribunat gesprochen — , zweitens ist die officielle Folge seit dem sechsten
Jahrhundert häufiger: tribunus militura, XX viri, quaestor, in der Kaiser-
zeit XX viri, trib. mil., quaestor. Neben den durch die Designation
erlangten Befugnissen fehlt die wesentlichste, d. h. das Recht im Senate
an hervorragender Stelle in der Rangklasse zu stimmen, für die der
Betreffende designiert ist.
Unter den von Mommsen gegebenen Darstellungen der Einzel-
Magistraturen ist bekanntlich die der Censur die vollendetste, originellste
und meisterhafteste; keine frühere kann sich mit ihr messen und der
Verfasser eines Kompendiums begeht eine Sünde, wenn er dieselbe
seinen Lesern in der von ihm zu gebenden elementareren Art vorent-
hält. Auch hier ist die Darstellung Zöllers weit von der Klarheit seiner
Quelle entfernt. So wird das Verhältnis der eigentlichen Verwaltungs-
und der sittenrichterlichen Thätigkeit verdunkelt, die bei der Schätzung
eingehaltenen Grundsätze sind gar nicht berührt, ebensowenig die aus
dem Schatzungsgeschäft hervorgehende Aufstellung der Steuerliste und
der Aushebungsrolle. Sehr ungenau sind auch die Angaben über den
Untergang der Censur, wo sich namentlich für die Kaiserzeit ein falsches
Bild ergiebt.
An dem Mommsen'schen Staatsrechte hat jede kompendiöse Dar-
stellung eine Quelle ersten Ranges, und wer dieselbe mit Sorgfalt be-
nützt, wird sicherlich eine Arbeit liefern, welche wissenschaftlichen An-
sprüchen genügen kann. In gewissem Sinne gilt dies auch von Mar-
quardt , obgleich hier manche Teile veraltet und nur mit Vorsicht zu
benützen sind. Sicherlich hätte man jedoch aus dem Stoffe, den Mar-
quardt giebt, etwas anderes machen können als Zöller z. B. in der Dar-
stellung des Finanzwesens gemacht hat. Die scharfe juristische Kon-
struktion, welche gerade für den Studierenden so wertvoll ist, fehlt hier
gänzlich , und mit welchem juristischen Grunde diese oder jene Steuer
auferlegt wurde, erfährt man nicht. Aber auch die Organisation der
Finanzverwaltung ist ganz ungenügend geschildert, und kein Anfänger
A. Allgemeine Darstellungen. 5
erhält eine präcise Vorstellung, wie es damit zu verschiedenen Zeiten
bestellt war.
Noch wertloser ist die Darstellung des Militärwesens. Hier ist die
Darstellung der Manipulartaktik ganz verfehlt, ihre Entwickelung zur
Kohortentaktik nicht klargelegt, die Bedeutung des Manipels gar nicht
erkannt und die der Kohorte mifsverstanden. Gänzlich ungenügend,
meist auch unrichtig, ist die Darstellung des Heerwesens der Kaiser-
zeit; namentlich was über Zahl, Avancement etc. der Centurionen be-
merkt wird, ebenso die Behandlung der Aushebung, des Bestandes der
einzelnen Abteilungen, der Stellung der Signa im Kampfe, der Flotte
— alles ist unzureichend und unrichtig.
Ganz unzureichend ist ferner die Organisation der Selbstverwal-
tung in Italien und den Provinzen dargestellt, und doch ist ohne sie
der antike Staat gar nicht zu verstehen.
An einer merkwürdigen Unklarheit leidet auch die Darstellung
des Rechtswesens; dieselbe wird auf 30 Seiten gegeben; aber über die
Hälfte derselben handelt von dem römischen Privatrecht. Was kann
nun ein Student oder ein Gymnasiallehrer mit diesem Machwerke an-
fangen ? Vielleicht wird sich der eine und der andere einbilden, wenn
er die 16 Seiten durchgelesen hat, wirklich etwas von Obligationen und
vom Erbrechte zu verstehen. Dagegen hätte man, was auch einzig die
Aufgabe der Rechtsaltertümer sein kann, auf 30 Seiten eine präcise
Darstellung der Institutionen geben können, welche der Staat geschaffen
hatte, um die Gerechtigkeit zu handhaben, also der Gerichtsordnung
und des Gerichtsverfahrens.
Ausdrücklich will ich noch beifügen, dafs mit diesen Ausstellungen
das Register des Unbrauchbaren durchaus nicht abgeschlossen ist , son-
dern dafs sich namentlich in der Darstellung der Magistratur und des
Senats noch zahlreiche üngeuauigkeiten und Unrichtigkeiten finden. Das
Buch hat, so viel ich weifs, manche lobende Kritik gefunden: man sieht,
wie bescheiden die Anforderungen auf diesem Gebiete oder die Kenntnisse
der Recensenten sind. Für Kompendien ist Alles gut genug. Hätte ich das
Buch einfach verworfen, so hätte das wie Konkurrenz ausgesehen; so mufste
ich eingehender begründen, warum ich so und nicht anders urteilen mufs.
0 Kariowa, Römische Rechtsgeschichte. Erster Band. Staats-
recht und Rechtsquellen. Leipzig 1885.
Obgleich dieses Buch in erster Linie für Juristen geschrieben ist,
so können doch auch Philologen und Historiker daraus lernen.
Der Verfasser scheidet die drei Abteilungen Königszeit und Re-
publik, Principat und diokletianisch-konstantinische Monarchie. Ihm in
den reichen Stoff eingehend zu folgen wäre unmöglich; ich beschränke
mich daher darauf, das Neue oder das besonders Interessante, welches
das Buch enthält, kurz anzugeben.
6 Römische Staatsaltertümer.
Bei der Einsetzung des Königs hält Kariowa au der inauguratio
fest; das Königtum selbst ist ihm Wahlkönigtum. Dabei wird aber den
Spuren der Überlieferung von einem Erbköuigtum zu wenig Aufmerksam-
keit geschenkt. Das Wesen der Gentilität erblickt Kariowa in der ge-
meinsamen agnatischen Abstammung, ohne welche das römische Intestat-
erbrecht und Vorraundschaftsrecht auf zwei ganz heterogenen Principien
beruhen würde. Bezüglich der Klienten nimmt der Verfasser an, dafs
sie keine gleichartige Masse waren, und dafs, während den Armen ein
Stückchen Land teilweise vom Patron angewiesen wurde, den ange-
seheneren Familien der besiegten Bevölkerung ein Teil ihres Grund-
eigentums belassen oder ihnen andere, neue Grundstücke zu Eigentum
zugewiesen wurden. Die Ansicht Langes über die patres wird zurück-
gewiesen. Sehr eingehend werden die Berichte über die Befugnisse des
Königs, des Senats und der Volksversammlung geprüft. In der Unter-
suchung über die servianische Verfassung ist Belots Ansicht über den
Wert der Asse nicht berücksichtigt; wäre sie von dem Verfasser
auch wahrscheinlich zurückgewiesen worden, so hätte sie doch nicht mit
Stillschweigen übergangen werden sollen. Die Centurien sind dem Ver-
fasser keine wirklichen Heeresabteilungen , sondern Abteilungen von
Grundbesitzern zum Zwecke der wirklichen Aushebung. Den rein pa-
tricischen Charakter der sex suffragia will er aufrecht halten. Dafs der
Tribuswandel die notwendige Folge des Eigentumswandels sei, wird be-
stritten. Das Imperium, welches durch die lex curiata de imperio über-
tragen wird, ist das militärische Imperium im Gegensatz zur bürger-
lichen potestas, deren Bestandteile die legis actio und iuris dictio waren.
Modifi eiert aber wurde das Gesetz, wenn es sich um die Übertragung
an Magistrate ohne Imperium handelte; diese wurden durch die lex erst
magistratus optima lege. Diese ganze Erörterung leidet an Unklarheit.
Dafs das Aushebungsrecht ein Bestandteil des militärischen Kommandos
sei, wird von dem Verfasser bestritten; dasselbe kommt nur dem Konsul
bezw. dem Diktator zu als eine Sache der höchsten bürgerlichen Ge-
walt, dem civis gegenüber seine Militärpflicht geltend zu machen. Durch
die lex Villia annalis scheint eine direkte Fixierung des Lebensalters,
vor welchem die einzelnen Magistraturen nicht bekleidet werden durften,
eingeführt worden zu sein, doch nur für die curules magistratus, nicht
für die Quästur. Gegen Mommsen begründet Kariowa, dafs die Kon-
suln auch nach Einsetzung des Prätors in Rom Recht gesprochen haben
und die iurisdictio ein Bestandteil der konsularischen Amtsgewalt blieb.
Ebenso wird gegen Mommsen verneint, dafs den Tribunen gegenüber
den Konsuln staatsrechtlich eine potestas maior und ein darauf be-
ruhendes allgemeines Verbietungsrecht zukomme. Kariowa begründet
dies durch die Nebeneinanderstellung der plebs und des populus, deren
höchste Beamten man sich nicht in dem Verhältnisse der Über- und
Nebenordnung zu denken brauche; keinesfalls dürfe man aber den
A. Allgemeiue Darstelluugeu. 7
Beamten der hinter dem populus zurückstehenden plebs eine höhere
potestas als den Beamten des populus zuschreiben. Auch schreibt Kar-
Iowa den Tribunen eine iurisdictio zu : sie hatten das Recht, geringere
Rechtshändel zwischen Plebeiern zu schlichten; diese soll sich aus ihrer
polizeilichen Beaufsichtigung des forum entwickelt haben. Die den
Quästoren zugeschriebene provincia aquaria will Kariowa auf die Er-
hebung und Verrechnung des Wasserzinses für das Aerar beziehen, die
dem Quästor zustand, während das Recht, Wasser aus den öffentlichen
Leitungen abzugeben (ius aquae vendendae), den Censoren oder Ädilen
zukam.
Die Aufnahme der Plebeier in die Kurien und die Gewährung des
Stimmrechts in den Kuriatkomitien an dieselben hält Kariowa für eine
der spätesten Errungenschaften in dem Ständekampf, welche vielleicht
gleichzeitig mit der Reform der Centuriatkomitien erfolgt sei. Bezüg-
lich des Ceusussatzes zur Zeit der lex Voconia ist derselbe der Ansicht,
dafs der der ersten Klasse schon damals 100 000 schwere Asse, also
das fünffache des älteren Satzes betrug; man wird daraus auf eine ent-
sprechende Erhöhung der Sätze der übrigen Klassen schliefsen müssen.
Bei der Reform der Centurienverfassung wurden die sex suffragia be-
seitigt.
Für den Priucipat nimmt Kariowa das Aufkommen eines neuen
Begriffes des Imperium an , wogegen die Identificierung der imperatori-
schen und prokonsularischen Gewalt des Princeps verworfen wird. Wäh-
rend das Imperium dem Princeps seine sich auf das ganze Reich be-
ziehenden Befugnisse und die Verwaltung der kaiserlichen Provinzen
gab, bezog das Imperium proconsulare sich nur auf die senatorischen
Provinzen und verlieh die Oberaufsicht über diese. Der Name princeps
soll die erste amtliche, obrigkeitliche Stellung im Gemeinwesen aus-
drücken , deren Fundament die lex de imperio ist. Rechtlich steht die
Begrüfsung durch die Heere als Imperator der Einsetzung durch Senat
und Volk nicht gleich. Die Rechtsgiltigkeit des Principats beginnt erst
mit Verleihung der lex de imp. , die aber bisweilen rückwirkende Kraft
erhielt. Das Privatvermögen der Kaiser (Patrimonium) ist seit dem
Beginn des Principats von dem fiskalischen Vermögen verschieden; nur
über jenes konnten sie testamentarisch verfügen. In der von Septimius
Severus vorgenommenen Scheidung von Privatvermögen und uuveräufser-
lichem Krongute bezeichnet res privata principis das letztere, Patrimo-
nium das erstere. Die verbreitete Annahme, dafs Augustus die den
Ädilen zustehende Specialgerichtsbarkeit den Prätoren übertragen habe,
ist nach Gai. 1, 6 irrig. Die Unterschiede der Bezeichnungen procurator
und a ratioüibus, a libellis, ab epistulis bestehen wohl darin, dafs die
Prokuratoren Vertreter sind, welche statt ihres Vollmachtgebers thätig
sind und auch nach aufsen als solche hervortreten, während die Beamten
ab epistulis etc. Gehilfen sind, welche bei dem eigenen Handeln des
8 Römische Staatsaltertümer.
princeps mitwirken, oder deren vertretendes Handeln doch nicht nach
aufsen als solches hervortritt. Mommsens Annahme, dafs in den Pro-
vinzen die Kriminaljurisdiktiou für die Nichtbürger ordentlicherweise
bei den einzelnen Gemeinden, wie in aufserordentlichen Fällen bei dem
Statthalter gelegen habe, vermag Kariowa für die Kaiserzeit noch we-
niger als für die Republik gelten zu lassen.
Für die diokletianisch- konstantinische Monarchie giebt Kariowa
die erste eingehendere Darstellung der Reichsverfassung seit v. Beth-
mann-Hollweg. Wenn auch die neuere Forschung sich diesen späteren
Zeiten mit geringer Gunst zugewandt hat, so sind doch eine Anzahl
nicht unbedeutender und nicht wertloser Resultate vorhanden, welche
die von Bethmann- Hollweg gegebene Darstellung berichtigen. Kariowa
kennt dieselben und hat sie verwertet, und so wird man ohne Bedenken
sagen dürfen, dafs dieser dritte Teil seinen ganz besonderen Wert hat.
Alle Teile aber zeigen völlige Selbständigkeit der Forschung. Na-
türlich hat sich auch Kariowa durch Mommsens Staatsrecht überall und
wesentlich beeinflussen lassen, und wie könnte dies anders sein? Nament-
lich der Principat hat zum ersten Male durch Mommsen eine systema
tische Darstellung gefunden, die in der Hauptsache für lange mafs-
gebend sein wird und mufs. Aber überall hat auch Kariowa die ein-
schlägigen Fragen durchaus selbständig und unabhängig geprüft, so dafs
man sich unbedenklich und vertrauensvoll seiner Führung überlassen
darf. Grofse Partieen sind wesentlich für den Juristen bestimmt; aber
ich glaube, dafs das Buch unter Philologen und Historikern mehr Leser
finden wird, als unter den engeren Fachgenossen des Verfassers. Denn
es setzt ein Interesse für das römische Staatsrecht voraus, das erst
wieder bei letzteren zu erwecken ist. Dazu ist aber der gelehrte Ballast
des Buches nicht gerade förderlich.
ß. Die Staatsgewalt.
1. DieMagistratur.
Adolf Nissen, Beiträge zum römischen Staatsrecht. Strafs-
burg 1885.
Der Verfasser untersucht die Frage, was eigentlich das Pomeriura
der Stadt Rom sei und kommt dabei auf eine Reihe wichtiger staats-
rechtlicher Fragen.
Zunächst werden die verschiedenen Versuche, die Bedeutung des
Wortes auf sprachlichem Wege zu finden, erörtert und verworfen; der
Verfasser will den umgekehrten Weg einschlagen und den sachlichen
Inhalt aus den Andeutungen der Quellen ermitteln. Bei der Stadtanlage
teilt man von dem umpflügten ager effatus in seiner ganzen Aus-
dehnung ringsum einen Streifen ab, der nach dem sakralen Schema für
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 9
die weltliche Befestigung dienen soll, einen Streifen von solcher Breite,
dafs nicht nur der Raum für eine künftige Mauer mit Graben ausge-
worfen, sondern zugleich dafür gesorgt wird, dafs von innen die städti-
schen Bauten, von aufsen der Landbau sich nicht unmittelbar an die
künftigen Befestigungen hinanlegen können. Diese'r sakrale Streifen ist
nach allen Schriftstellerangaben das Pomerium. Offenbar liegt dieser
Streifen hinter der sakralen Mauer. Der Pomeriumstreifen ist nach
aufsen hin durch den sulcus primigenius, nach innen durch eine Linie
begrenzt, welche den städtischen Baugrund angiebt. Dadurch entsteht
ein doppelter Begriff des Wortes Urbs; es ist einmal der bereits um-
pflügte ager effatus, dieser bildet die sakrale Stadt; Urbs ist aber auch
die Stätte der wirklichen ßesiedelung, des Häuserbaus d. h. die welt-
liche Stadt, welche innerhalb des Pomerium sich aufbauen soll. Zum
sakralen Begriffe Urbs gehörte das Pomerium als Teil; es bildete die
Tesca des Stadttemplum; zur weltlichen Stadt gehörte das Pomerium
nicht, aber sie konnte es nicht entbehren; denn nur durch dieses Pome-
rium als Schutz wurde sie zur Urbs. Das Pomerium wurde von den
Augurn innen und aufsen versteint; die cippi wandten ihre Inschrift der
Stadt resp. dem Lande zu, um der Überschreitung von beiden Seiten
sichtbaren Widerspruch entgegenzusetzen. Die inneren cippi wurden
durch die Erbauung von Häusern überflüssig; vielleicht wurden sie in
diese eingemauert; die äufseren standen in der äufseren Linie des Po-
merium d. h. in der Pflugfurche.
Fortifikatorische Bedeutung hat das Pomerium an sich nicht; es
kann ein Pomerium geben ohne Befestigung und eine Befestigung ohne
Pomerium. Da das Pomerium auf dem ager effatus die Tesca des städti-
schen Templum bildet, so ist die einfache Konsequenz davon, dafs dieses
Templum der einzige Ort ist, auf welchem städtische Auspizien ange-
stellt werden können.
In bezug auf Rom ist die Stelle des Tacitus (Ann. 12, 24) so zu
verstehen, dafs er die Pflugfurche als die äufsere Grenzlinie des Pome-
rium angiebt, was sie in der That ist, während er die innere Grenze
nicht erwähnt. Man darf sie nicht bis an die Mauertrümmer hinauf-
schieben, weil die unausbleibliche Folge wäre, dafs wir den ganzen an
der Mauer nicht umschlossenen Raum des Hügels und seiner Hänge der
Ansiedelung und dem Anbau entziehen müfsten. Am einfachsten ist
wohl die Annahme, dafs die innere Grenze irgendwo am Abhang hinlief
und gleich der äufseren mit Steinen bezeichnet war, von denen man zu
Tacitus Zeiten keine Kenntnis mehr hatte. Die Thore der paiatinischen
Stadt waren keine Thore, sondern nur drei Lücken in der Pflugfurche,
da die palatinische Stadt keine Stadtmauer hatte; ihnen entsprachen
Wege durch das Pomerium. In die Arx durch die Burgmauer führte
nur ein einziger Weg, und noch am Ende der Republik kannte man das
alte palatinische Thor.
10 Römische Staatsaltertümer.
Nach Cicero de divin. 2, 75 hat sich in Rom ein eigenes ius po-
merii ausgebildet, das der Verfasser jetzt zu entdecken sucht. Nach
Laelius Felix ist eine militärische Versammlung im Pomerium ausge-
schlossen. Indem Nissen dies festhält, knüpft er daran die Frage, ob
es im freien Belieben des Magistrats stand, die Bürger extra pomerium
militärisch zu versammeln. Er beantwortet sie mit Cic. de leg. agr. 2, 30,
dafs dies nur dann der Fall ist, wenn er die lex curiata besitzt. Die
bisherigen Ansichten über die Befugnisse, welche die lex curiata ver-
leiht , werden verworfen und in längerer Polemik hauptsächlich gegen
Mommsen der Satz zu erweisen gesucht, dafs die lex curiata dem Ma-
gistrat das Imperium militare überträgt. Dagegen bedurfte es zur
Übung der Jurisdiktion keiner besonderen lex curiata; ebenso wenig
erscheint Nissen die Ansicht haltbar, dafs der Magistrat ohne lex cu-
riata nicht fähig gewesen sei, die auf dem militärischen Imperium
ruhenden Centuriatkomitieu abzuhalten. Also der Konsul als solcher
ist Civilbeamter, der Konsul mit lex curiata ist Militärbeamter. Aber
der Konsul ist überhaupt ein Civilmagistrat, der sich nötigenfalls durch
lex curiata in einen Militärmagistrat verwandelt. Einen Konsul ohne
Militärgewalt kann es geben, einen Konsul ohne Civilgewalt nicht. Auch
der Diktator ist nur Civilmagistrat, der sich blos darin von den anderen
Civilmagistraten unterscheidet, dafs er unumschränkt ist und es gegen
ihn weder Provokation noch Intercession giebt. Res railitares attingere
kann er nur auf Grund einer lex curiata; nur notgedrungen sah man
davon ab und gab dem Diktator in irregulärer Weise durch Curien-
beschlufs vor der Ernennung seine militärische Stellung. In dem Aus-
drucke ut equom escendere liceret erblickt Nissen eine Vulgärbezeichnung
für die lex curiata. Daraus folgt, dafs nicht alle Diktatoren einander
rechtlich gleichstehen, vielmehr ist nur der Diktator mit lex curiata
Heerführer (rei gerundae, seditionis sedandae), und nur für ihn besteht
die aus der alten Dauer des Feldzugs entlehnte Beschränkung auf sechs
Monate. Dagegen erhalten die Diktatoren clavi figendi, ludorum etc.,
nie lex curiata, denn sie haben nichts mit militärischen Dingen zu thun;
ihnen allen wird ein specielles Geschäft aufgetragen und nur für diesen
kleinen Bereich unbeschränkte Macht gewährt. Innerhalb seiner Kom-
petenz war jeder Diktator unbeschränkt; Provokation und Intercession
sind gegen ihn nicht gestattet. Die Könige erhielten ein für alle Mal
durch eine lex curiata das Imperium militare; aber dasselbe auch intra
pomerium auszuüben waren sie nicht befugt. Die Nachrichten bei Gel-
lius 13, 15 und Tacitus ann. 11, 22, dafs auch den magistratus minores
die lex curiata gegeben sei, sucht Nissen so zu interpretieren. Die lex
curiata erteilte dem Führer nicht blos das nackte, unbrauchbare Im-
perium, sondern man gab ihm zugleich die Befugnis, das Personal seines
Stabes und seiner Verwaltung, sowie die Unterführer zu ernennen.
Alles aber bezog sich ausschliefslich auf den militärischen Dienst und
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 11
betraf daher nicht alle magistratus miuores, sondern nur diejenigen,
welche dem Heerführer bewilligt wurden. Dafs schliefslich bei Erlassung
der lex curiata nur 30 Lictoren anwesend waren, kam so. Der Senat
hatte das Geld für die Ausstattung des Feldherrn zu bestimmen; dies
aber wurde allmählich Hauptsache. So verdrängte der eine Teil der
lex curiata, das SC, den andern. Die alte lex curiata wäre völlig ver-
schwunden wenn nicht die Vorschriften des sakralen Rechts ihr ein
künstliches Dasein geschaffen hätten ; das Auspicium war nicht ohne
dieselbe zu erlangen, und die Auguru konnten sich nicht mit den Be-
schlüssen des Senats zufrieden geben, sie mufsten auf einer Curien-
sitzung bestehen, um die erforderliche lex curiata annehmen zu dürfen.
In einer längeren Ausführung erbringt der Verfasser den Nach-
weis, dafs auch noch zu Ciceros Zeit die Konsuln ganz in derselben Art
wie früher während ihres Amtsjahres das Imperium militare übernehmen
konnten.
Die Verwandlung des Civil- Magistrats in einen Militär- Beamten
durch lex curiata war die Voraussetzung des Triumphs; die lex curiata
und Auspizien waren dafür unentbehrlich. Doch war der Triumph kein
Recht des Heerführers, sondern der Senat hatte das Recht, über den-
selben zu entscheiden. Aber es liefs sich nicht ausschliefsen, dafs das
souveräne Volk auch auf diesem Gebiete dem Senate Konkurrenz machte,
so dafs jussu populi auf dem Kapitole triumphieren mochte, wem der
Senat die Bitte bereits abgeschlagen hatte.
Von der Regel, dafs ein römischer Feldherr ein Magistrat war,
der durch lex curiata das Imperium militare erlangt hatte, gab es zwei
Ausnahmen. Die erste bestand darin, dafs man Männern den Heer
befehl liefs, obgleich ihre Magistratur abgelaufen war; mau verlängerte
dann nur das Imperium militare. Es war dies eine Verwaltungsmafs-
regel, welche stets in der Kompetenz des Senates lag. Von hier war
es nur ein kleiner Schritt bis zu dem Verfahren, die Magistrate ihr
Amt als Civilmagistrate zu Ende führen zu lassen, wenn sich aber später
ein Bedürfnis an militärischen Führern herausstellte, auf solche früheren
Magistrate zurückzugreifen, die keinen Provinzialdienst verrichtet hatten,
und sie nachträglich dazu heranzuziehen. In beiden Fällen behandelte
man die betreffenden Exmagistrate bezüglich des Triumphes wie wirk-
liche Magistrate mit lex curiata; ein förmliches Privilegium für den
Triumph wurde nicht gefordert. Dagegen erforderte jeder Triumph eine
Dispensation, und jeder Triumph setzte auch das Itnperium bei dem
Heerführer voraus. Die zweite Ausnahme bildete die Erteilung des Impe-
rium militare an Männer, die eine Magistratur weder bekleideten noch be-
kleidet hatten; man brauchte dafür die Bezeichnung cum imperio esse,
wobei das Fehleu der Magistratsbezeichnung den Unterschied genügend
andeutete; denn diese Heerführer blieben privati. Die Erteilung des Im
periums lag in der Hand des Senats, der aber nicht selten eiueu Ma-
12 Römische Staatsaltertflmer.
gistrat beauftragte nach eigener Wahl einem Privaten das Imperium militare
zu erteilen. Ein solcher privatus hatte nicht die Auszugsauspicien und
konnte nicht die Kriegsauspicien sich selber verschaffen; ebenso wenig
hatte er die lex curiata; darum konnte er auch nicht triumphieren.
Erst für Pompeius wurde eine Ausnahme geschaffen bezw. vom Senate
bewilligt.
Nun kehrt der Verfasser wieder zum lus pomerii zurück: dasselbe
verbietet die Anwesenheit des Militärbefehlshabers innerhalb des Po-
merium; nur das Imperium des Königs ging nicht durch das Betreten
der Urbs zugrunde; aber es ruhte gerade wie das des Diktators in
der Stadt.
Die Beile sind nicht das Zeichen des Imperium militare, sondern
des ius vitae et necis; sie wurden also mit Einführung der Provokation
entfernt. Als Sulla 24 Fasces auch in der Stadt für sich einführte,
legte er sich das Imperium militare auch in Rom bei.
So war das ius pomerii der Grundpfeiler der bürgerlichen Frei-
heit. Die Staatsregierung, der Senat,, war dadurch gegen die Möglich-
keit geschützt, dafs ihm ein Militär gegenüber treten und statt sach-
licher Erwägungen sein Schwert in die Wagschale legen konnte. Aber
auch die Individuen waren dadurch geschützt dagegen , dafs ihnen die
furchtbare Strenge des römischen Militärbefehls intra pomerium be-
gegnete. Anderseits war auch gegen den Misbrauch von Intercession
und Provokation Vorsorge getroffen; wenn sie unerträglich wurden, schob
der Senat sie durch das SC ultimum beiseite und machte die Magistratd
souverän. Aber auch in diesem Falle blieben die Magistrate Civil-
beamte; sie waren weder Heerführer, noch die ihnen folgenden Bürger
Soldaten; das SC ultimum gab nur das ius vitae necisque.
Die Volkstribunen haben die Befugnis, gegen alle Mafsnahmen
der Magistrate Einspruch zu erheben, welche unter den Begriff domi
fallen. Innerhalb des pomerium konnten die Tribunen daher regelmäfsig
mit dem Feldherrn nicht kollidieren, weil er dort materiell nicht existierte;
ausnahmsweise mochte das anders sein; denn galt in der Stadt miiitia,
so war keine Intercession zulässig. Aufserhalb der Stadt geht die Be-
fugnis der Civilmagistrate bis zum ersten Meilenstein; was hier ge-
schieht, ist regelmäfsig domi d. h. es handeln Civilmagistrate in bürger-
lichen Regierungsgeschäften; ihnen gegenüber steht den Tribunen ohne
Bedenken stets die Intercession zu. Man nimmt gewöhnlich an, dafs
über den ersten Meilenstein hinaus die Intercession überhaupt nicht be-
standen habe. Das ist jedoch nicht richtig; die städtischen Geschäfte
können ausnahmsweise über jene Zone hinaus im Felde oder selbst im
Kriegslager vorgenommen werden; das Heer kann sich in Comitien
verwandeln und in dieser Qualität Gesetze beschliefseii oder Wahlen
vornehmen; es ist nichts Weiteres dazu erforderlich, als dafs ein
Magistrat es zu diesem Zwecke loco auspicato beruft. Die Truppe
B. Staatsgewalt. I. Die Magistratur. 13
trat in diesem Falle aus dem militärischen Kommando heraus, die
Soldaten verwandelten sich in Bürger, sie waren frei in ihrer Ab-
stimmung; der Feldherr stand vor ihnen als Civilmagistrat, und
mitten in die militia schob sich eine Handlung aus dem Kreise domi
ein. Aber deswegen war solcher bürgerlichen Handlungen im Feld-
lager nur ein Magistrat mit Imperium militare fähig, während der
blofse Besitz des Imperium nicht ausreichte, da sein Träger sich nicht
in einen Civilmagistrat verwandeln konnte. Gegen solchs im Felde vor-
genommenen Mafsregeln aus dem Bereich domi konnten auch die Tri-
bunen intercedieren (nach Liv. 3, 20, 7); aber ihres Lebens sind sie in
diesem Falle nicht sicher. Auch können sie keinen Schutz gewähren
gegen alle Heerführer, die nicht Magistrate sind; gegen einen Proconsul
und einen privatus cum imperio giebt es keine Intercession, weil sie
überhaupt nicht fähig sind, Amtshandlungen domi vorzunehmen. Die
Provokation dagegen ist schlechthin an die ersten 1000 Schritt gebunden,
ist aber zulässig bei jeder Handlung domi. In diesem Zusammenhang
spricht Nissen die Ansicht aus, dafs Sullas Reform darin bestanden
habe, die Civilgewalt der Konsuln über den ersten Meilenstein hinaus
auf ganz Italien und Gallia togata auszudehnen. Der Ausdehnung der
Civilgewalt folgte die Provokation als notwendiges Seitenstück, und so
drang sie auch in die Provinzen ein, sobald sich die Sitte bildete, über
römische Bürger nicht mehr militärisch abzuurteilen.
Das Pomerium bildete endlich auch die Grenze zwischen der sa-
kralen Urbs und ihrer weltlichen Umgebung. Man durfte nach römi-
schem Rechte das Stadttemplum nicht verlassen, ohne darauf zu achten,
ob die Götter nicht ungefragt warnende oder hindernde Botschaft sandten.
Die Befugnis, von dem. ins pomerii zu entbinden hatte der Senat,
der davon bei Bewilligung des Triumphes Gebrauch machte, sobald eine
Notlage des Staates es erforderte. Dies geschah z. B. als Haunibal vor
Rom lag, wo das Heer von dem ius pomerii entbunden wurde, so dafs
Pomerium und Stadtthore dem Heere geöffnet waren. Ebenso wurde das
ius pomerii sistiert, wenn ein Justitium indiciert wurde; wem in solchem
Falle das Kommando zustehen soll, hat der Senat zu bestimmen.
Zu Livius' Zeit befand sich das Pomerium zu beiden Seiten der
Stadtmauer und war auf der inneren Seite meist schon überbaut. Die
servianische Urbs war kleiner als ihre Befestigung, die weit draufsen
lag; drinnen befand sich die etruskische Urbs mit dem vorschrifts-
mäfsigen Pomerium, welches gleich dem palatinischen keine Mauer trug.
Es war das altbekannte sakrale Tempelquadrat, welches sich an das
palatinische Pomerium dergestalt anschlofs, dafs zwei seiner Seiten ver-
längert und durch gegenüberliegende neue Seiten wieder zum Teraplum
geschlossen wurden. Dieses neue Stadttemplum liefs den Capitolinus
aufsen vor, schnitt den Esquilin und teilte die Subura in zwei Hälften.
Innerhalb der servianischen Urbs lagen, durch Decumanus und Cardo
14 Römische Staatsaltertümer.
geschieden, die vier Tribus: palatina, esquilina, suburana, collina. Sie
bildeten zu Servius' Zeit die eigentliche Urbs quadrifaria; diesen vier
Tribus schlofs sich die Wehrverfassung mit ihren vier Legionen an; auf
ihnen ruhte die Justizverfassung des Centumviralgerichts mit seinen vier
Concilia; um die vier Tribus zog sich das sakrale Pomerium. Zwischen
Poraerium und Befestigung lag ein Vorland, ursprünglich landwirtschaft-
licher Bewirtschaftung überlassen, die sog. pagi, allmählich mit Wohn-
stätten bedeckt -Diese Wohnstätten bildeten nur oppida, lose Siedelungen.
Derselbe Eigenname ist für Pagus und Tribus überliefert; dies erklärt sich
so, dafs das servianische Pomerium das von früherher so benannte Land
in zwei Hälften schnitt. So fand Sulla die Stadt vor. Mitten durch
sie zog sich ein offener Landstreifen, ein willkommener Aufenthalt für
Alles und Alle, die das Licht scheuten. Sulla beseitigte das Pomerium
und führte den Raum der allgemeinen Benutzung zu. Nur dort liefs er
es bestehen, wo es den Verkehr nicht hemmte, also in der Richtung
nach dem Tiber zu und durch das Thal des Circus Maximus; der
Aventin lag von Anfang an innerhalb der servianischen Mauer, aber
aufserhalb der servianischen Urbs. Wenn Livius von dem Poraerium
zu beiden Seiten der Stadtmauer spricht, vermengt er die faktische
Befestigung, die Stadtmauer und den Graben, auf welche man die
militärischen Sätze des alten Sakralrechts übertragen hatte, mit der
sakralen.
In der Kaiserzeit übertrug der Senat dem Princeps das Imperium;
das Recht der Truppen war nicht vorhanden, so oft es auch geübt wor-
den ist; ebenso wenig das Recht der nachfolgenden Anerkennung durch
die Truppen. Augustus erhielt durch einen Senatsbeschlufs die Be-
günstigung, das Imperium nicht durch das Betreten des Pomerium zu
verlieren; es war dies ein Rückgriff auf die gleiche Befugnis der Könige.
Aber er durfte ebenso wenig wie diese das Imperium militare inner-
halb des Pomerium üben. Doch kommen mannigfache Änderungen zu-
tage. So verlor der Princeps sein Imperium nicht, wenn er auch die
Stadt betrat, so war es trotz Senatsbeschlufs ohne seine Erlaubnis nicht
möglich, tpiumphirend in die Stadt einzuziehen, es findet sich endlich
keine Spur mehr von einem Justitium. Auch die tribunicia potestas
verlieh der Senat, es fand nur eine nachträgliche renuntiatio in Schein-
komitien statt, die nichts weiter als eine öffentliche Verkündigung war.
Aber eine Magistratur war der Principat nicht, sondern der Princeps
blieb immer allmächtiger privatus. Die Alleinherrschaft zeigt sich in
drastischer Weise gegenüber dem Volkstribunat, um das die Bewerbung
aufhört. Dem Herrscher gegenüber existiert kein Gesetz, er ist legibus
solutus. Das eigentlich Entscheidende war die bürgerliche Stellung
innerhalb des Pomerium, nicht die militärische aufserhalb, die auch
jetzt nur ausführte, was die in Rom regierende Autorität ihr vorschrieb.
Wenn von einer lex de imperio geredet wird , so ist darunter nichts zu
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 15
verstehen , als die Verleihung des Imperiums durch den Senat und die
Ausstattung mit den einzelnen Attributen, hauptsächlich mit der tribu-
nicia potestas; dies ist der letzte Rest der lex curiata. Von den Vor-
schiebungen des Pomerium in der Kaiserzeit ist nur die durch Claudius
erfolgte Legung des Pomerium um den Aventin bestimmt erkennbar; die
übrigen, von denen man proferre pomerium berichtet, haben nur mehr
oder minder grofse Stücke zu dem bisherigen Pomerium hinzugelegt.
Aurelian gab seiner neuen Mauer kein Pomerium, weil das ius pomerii
seine Bedeutung völlig eingebüfst hatte.
Die Ergebnisse der Schrift sind auf den ersten Anblick gewinnend
und unserer modernen Anschauung zusagend. Trotzdem wird man sie
nur mit grofser Vorsicht aufnehmen dürfen Zunächst ist der Wert der
einzelnen Quellen zu wenig geschieden; dann ist aber die Quellen-
benützung entschieden einseitig. Nissen wirft seinen Gegnern Vorein-
genommenheit vor; sie können ihm diesen Vorwurf reichlich zurück-
geben; denn auch er benutzt nur die Quellennachrichten, die sich seiner
Konstruktion fügen. Werden sie unbequem, so giebt es noch den Aus-
weg der Interpolation. Auch in der Scheidung von Civil- und Militär-
gewalt ist gewifs manch' fruchtbarer Gedanke. Aber die Theorie hat
den Verfasser nach Seite der Trennung leider gerade so zu weit ge-
führt, wie seine Gegner nach der Seite der Einheit. Schwerlich waren
diese Gebiete je so säuberlich geschieden, wie sie die heutige Theorie
konstruiert, und oft genug wird das Herkommen von der Macht korri-
giert worden sein. Dafs eine so weit gehende Trennung, wie sie Nissen
annimmt, irrig ist, zeigen schon die sprachlichen Bezeichnungen; der Kon-
sul heifst auch praetor, eben weil er Feldherr ist, und in der Proraagistra-
tur birgt sich auch die Verwaltung und die Jurisdiktion. Ebenso wenig
wird er Glauben finden, dafs der Kaiser in Rom lediglich Privatmann
war. Denn einem solchen giebt man nicht Jurisdiktion und ius vitae
necisque; ein solcher hat auch nicht das Recht, eine Kohorte vor seiner
Wohnung auf Wache zu halten — und das Alles thut doch unzweifel-
haft der Kaiser. In Mommsens Staatsrecht mag ja auch bisweilen zu
viel Konstruktion sein, aber alle diese Konstruktion stützt sich auf eine
sorgfältige und nach Ausdehnung wie nach Eindringlichkeit einzig da-
stehende Kenntnis aller Zeugnisse des Altertums. Dieser solide Unter-
grund macht das Werk zum sicheren Führer, und man müfste schon
mit tieferen und eindringenderen Studien versuchen es zu berichtigen,
als sie uns hier geboten werden. Immerhin hat das Buch Nissens das
Verdienst, dafs es zur erneuten Prüfung mancher Streitfragen veran-
lassen wird, und seine Erörterung des Pomerium mag eher Anspruch
auf Beachtung erheben als die staatsrechtlichen Konsequenzen.
lg Römische Staatsaltertümer.
Pardon, Die römische Diktatur. Progr, des Luisenstädtischen
Realgymnasiums, Berlin 1885.
Der Verfasser betont, die Diktatur sei ursprünglich eine gegen
die Plebs gerichtete Mafsregel gewesen, woher es sich auch erkläre,
dafs dieses Amt nach der Gleichstellung der Stände selten mehr in An-
wendung gebracht wurde. Sollte es nicht möglich sein, auch wenn man
die Ansicht über die Bestimmung nicht teilt, die seltene Anwendung
daraus zu erklären, dafs mit der inneren Ausgleichung die schlim-
men äufseren Verhältnisse mehr und mehr schwanden, welche dieselbe
einst nötig gemacht hatten? Beispiel der zweite punische Krieg, wo
die Diktatur trotz der Ausgleichung der Stände infolge der kriegerischen
Notlage wieder hervorgeholt wird. Sonst habe ich in der Arbeit nichts
bemerkenswerthes gefunden. Der Verfasser polemisiert in einigen Fra-
gen gegen Mommsen, aber er ist weit davon entfernt, selbst eine so
geschlossene und einheitliche Darstellung wie dieser zu geben.
Heinrich Christensen, Über den Vigiutisexvirat und den Ein-
tritt in den Senat. Festschr. des Wilh.-Gymn. Hamburg 1885. S.81 — 88.
Der Verfasser glaubt nicht, dafs von Sulla die Einrichtung stamme,
nach der die Bekleidung der Quästur ipso iure Anspruch auf einen Sitz
im Senat gab. Er nimmt an, dafs die bekannten Ämter durch Sulla
offiziell unter dem Namen XXVI viri zusammengefafst worden sind, und
ist der Ansicht, dafs diese Annahme mit der allgemeinen Tendenz der
Sullanischen Verfassung im besten Einvernehmen stehe. Dazu kommt
noch folgender Grund. In der republikanischen Zeit konnte vor dem
27. Jahre ein öffentliches Amt nicht übernommen werden; die Gracchen
haben die Quästur im 27. Jahre, bezvv. noch vor demselben verwaltet,
dagegen konnte in den Zeiten nach Sullas Diktatur das Amt thatsäch-
lich im 3!. Jahre übernommen werden. Es mufs also in der Sullaui-
schen Epoche eine Änderung in der rechtlichen oder thatsächlichen
Altersgrenze eingetreten sein. Es liegt nun nahe anzunehmen, dafs diese
Verschiebung eintrat durch die Creierung eines neuen Amtes oder viel-
mehr durch die Erhebung der bestehenden minores magistratus zu einem
ständigen Magistrate.
Bezüglich des Amtes, an welches der Eintritt in den Senat ge-
knüpft war, hat Augustus festgesetzt, dafs mit Bekleidung der Quästur
die Anwartschaft eintrat; damit wurde bestimmt, dafs das laufende
25. Lebensjahr zur Übernahme der Quästur berechtige. Zugleich wurde
aber die Bekleidung des Vigintivirats vor der Quästur obligatorisch.
Da kommt nun eine Notiz Dios (54, 26, 4) in betracht, woraus
hervorzugehen scheint, dafs zu irgend einer Zeit nicht die Verwaltung
der Quästur, sondern die des XX virats zum Eintritt in den Senat be-
rechtigte. Zweifelhaft ist der Zeitpunkt, waim diese Bestimmung in
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 17
Kraft getreten ist. Nun findet sich Cic. in Verr. act. 1, 10, 30 in P. Sul-
picius ein Mann im Senate aufgeführt, der die Quästur noch nicht ver-
waltet hatte. Allerdings kann er zu denen gehören, die Sulla aus eige-
ner Machtvollkommenkeit in den Senat wählte; aber es ist unwahrschein-
lich, dafs derselbe erst nach elf Jahren zu der Quästur sollte gelangt
sein ; vielmehr kam er wahrscheinlich durch Bekleidung des XXVI vi-
rats in den Senat. Dieselbe Vermutung liegt bei M. Crepereius, L. Cas-
sius, Cn. Tremellius vor.
Es wird Sache der Forschung sein, die hiergegebenen Anregungen
zu verfolgen und event. durch weitere Fälle zu stützen. Bis jetzt scheint
kaum mehr als die Möglichkeit der Annahme erwiesen zu sein.
'B. Pick, Zur Titulatur der Flavier. 1. Der Imperatortitel des
Titus. 2. Die Konsulate Domitians als Cäsar, v. Sallets Z. f. Numism.
13, 190. 355.
Der Verfasser giebt von den Cohen Vesp. 46 — 51 angeführten
Münzen, deren Revers Cohen liest: Caes. Aug. f. desig. imp. , Aug. f.
cos. desig. iter. S. C. folgende Lesung: Imp. Aug. f. cos. design. iter.,
Cäes. Aug. f. desig. Er betont dabei, dafs Titus nach Cohens Lesung
als desiguatus Imperator bezeichnet wüx'de, was staatsrechtlich unzulässig
sei, weil die Designation nur statthaft sei für das ordentlich befristete
Amt. Der Imperatortitel sei aber nur ein supplementärer Ehrentitel,
der zu einem ordentlichen und aufserordentlichen Amte hinzutreten könne,
oder bezeichne, wenn er als Teil des Kaisernamens erscheine, eine aufser-
ordentliche Magistratur. Weiter spricht gegen Cohens Lesung, dafs
Domitianus einfach Augusti filius genannt würde, der Zusatz des Vater-
namens ist aber nur als Apposition zum Eigennamen möglich. Endlich
würde Domitian früher zum zweiten Konsulate designiert werden als
Titus, obgleich dieser es im Jahre 72, jener im Jahre 73 bekleidete;
auch dies ist eine Unmöglichkeit. Gegen die von Pick vorgeschlagene
Lesung hat schon Eckhel eingewandt, dafs bei Caesar Aug. f. design.
das Wort Cos. vermifst würde; Pick meint nun zwar, das sei gutes La-
tein ; aber nicht alles was aus den Schriftstellern als gutes Latein kon-
struiert wird, ist in der Münz- und Inschriftensprache jemals in Gebrauch
gekommen. Was Pick im folgenden sagt, ist mannigfach bestechend; aber
man mufs darüber nicht übersehen, dafs diese Interpretation bis jetzt
ohne Beispiel und also nicht minder gewagt ist, als die von ihm ver-
worfenen Interpretationsversuche, die immerhin das voraus haben, dafs
sie sich auf Analogien berufen können. Denn selbst das mit Recht be-
anstandete Ergebnis Aug. f. cos. design. iter. läfst sich mindestens mit
demselben Rechte wie Picks Lesung verteidigen, wenn man das voraus-
geschickte Caes. nicht Caesar, sondern, was in dieser Zeit sehr wohl
denkbar ist, Caesares liest (Vgl. Cohen Vesp. 533 T. et Dom. C; 539
—540. 545. Titus et Domitian. Caes.). Dabei ist wieder nicht zu ver-
Jahresbericht für Alterlhumswisseuschaft HI. (1887. UIj 2
18 Römische Staatsaltertümer.
gessen , dafs die Lesung selbst niclit nur mit den fast durchgehends
festgehalteneu Leseregelo der römischen Münzen im Widerspruch steht,
sondern auch durch die Verteilung der Legende selbst widerraten wird.
Caes. nämlich wird durch einen ziemlich grofsen Zwischenraum und den
breiten Strich, der die Basis für die Gestalten der beiden Cäsaren bil-
det, von den Worten design. iter. getrennt, und niemand, der die Mün-
zen ohne Voreingenommenheit betrachtet, wird auf den Gedanken kom-
men, dafs die Legende anderswo beginnen könne, als bei Caes. Endlich
durfte Pick doch nicht stillschweigend darüber weggehen, dafs bei seiner
Lesung nur Domitian als Cäsar erscheint, nicht aber Titus, der Cäsaren-
titel war aber seiner eigenen Auffassung nach mehr wert als der Impe-
ratortitel; die Caesares Vesp. Aug. fili werden auch auf Münzen (Cohen
Vesp. 52) verherrlicht, und auf andern (Cohen Vesp. 533 535 u. N. 423
N. 4. 5. 12. 14) werden beide Caesar genannt; dafs Titus einfach imp.
Aug. f. genannt würde, ist wohl unter den Münzen Vespasians ebenfalls
ohne Beispiel, und Pick selbst sagt, diese Art der Benennung sehe mehr
dem Imperatornamen ähnlich, und hilft sich mit der Erklärung, es solle
hier nicht der Eigenname gegeben werden, sondern ein kurzer Ausdruck
nominis loco. Wohl ist aber alles in Ordnung, wenn gelesen wird Cae-
sares Aug. f(ilius) design. imp. Aug. f(ilius) cos. design. iter. Wenn
Pick behauptet, bei dieser Lesung würde Domitian früher zum Konsulate
designiert werden als Titus, so ist das nicht richtig: nach Cohen Vesp. 536
Imp. Caes. Vespasian. Aug. P. M. Tr. P. Cos. III. T. Imp. Caesar cos.
des. II Caesar Domit. cos. des. II S. C. sind vielmehr beide in Vespa-
sians drittem Konsulate cos. des. II; und es wäre deshalb noch die Frage,
ob die Worte cos. des. iter. nicht zu lesen sind: cousules designati ite-
rum. Denn so gut Caes., princ. iur. als Abkürzungen auch den Pluralis
auf Vespasiansmünzen bezeichnen, so gut kann cos. design. dies thun. Der
scheinbare Widerspruch, dafs auf diesen Münzen T. imp. und auf jenen
design. imp. heifst, würde sich lösen, wenn man annähme, dafs im Laufe
der Zeit, wo beide Prinzen cos. design. II waren, Titus den definitiven
Imperatortitel erhielt, wie Hofraann dies für die Zeit zwischen April und
30. Juni 71 wahrscheinlich gemacht hat; Chambalu hat nachgewiesen,
dafs die Designation zum Konsulate zwischen 1. März und 5. April 71
fällt, sehr wahrscheinlich aber vor 28. März 71 gehört. Raum für die
entsprechende Mafsregel würde sich also zur Genüge finden.
Von dieser Grundlegung wird die weitere Auslegung Picks natür-
lich beeinflufst. Er sucht zu erweisen, wann Titus den Imperatortitel
erhalten habe. Vespasian hat nach seiner Ansicht ein aufserordentliches
Kommando im jüdischen Kriege gehabt - dabei mufs freilich die be-
stimmte Angabe des Tacitus h. 2, 5 hie Suriae, ille Judaeae praeposi-
tus erat als »nicht viel besagend« kassiert werden; auch b. 1, 76 Ju-
daeicura exercitum zählt nicht — mindestens aber hatte er als Legat
von Judaea für den Krieg eine gewisse Überordnung über die Statt-
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 19
halter der Nachbarprovinzen. Er liefs als Kaiser Titus im Besitze des
sekundären imp. procousulare zurück. Dieses wird nach Pick überall
nur zur Führung solcher Kriege vergeben, die einem Provinzialstatt-
halter nicht übergeben werden konnten, und die der Princeps nicht füh-
ren wollte. Der Imperatortitel ist aber nicht ein Ausdruck dieser Ge-
walt, sondern kann von ihren Inhabern nur wie von den Feldherren
der Republik erworben werden; diese Inhaber sind aber nur als Unter-
feldherren des Kaisers anzusehen. Die Mitregentschaft wird erst -durch
Erlangung der tribunicischen Gewalt erworben; ob der Mitregent vorher
die sekundäre prokonsuJarische Gewalt gehabt hat, ob er in deren Besitz
den Imperatortitel erworben hat oder nicht, ist gleichgültig; wenn er
den Imperatortitel als Teil seines Eigennamens führt, so bezeichnet der-
selbe ihn als Mitregenten im vollen Sinne, und die prokonsularische
Gewalt ist nicht mehr sekundär, sondern der des Kaisers parallel. Der
Imperatorname erscheint somit als der von dem Diktator Cäsar einge-
führte Amtstitel des durch den souveränen Volkswillen mit dem höch-
sten Imperium bekleideten aufserordentlichen Magistrats. Für diese Sätze
verspricht der Verfasser die Begründung in einer besonderen Arbeit. Am
5. August war Titus von den Soldaten zum Imperator ausgerufen worden,
und Vespasian bestätigte den Iraperatortitel, als er selbst November oder
Dezember 70 die fünfte imperatorische Akklamation .annahm. In die-
selbe Zeit will Pick auch eine Stelle aus den Fasten der sodales Augu-
stales Claudiales setzen, wo es heifst: Adlectus ad numerum ex S. C.
T. Caesar Aug. f. Imperator; demnach soll Titus schon in den ersten
Monaten des Jahres 71 Imperator gewesen sein. Aber auch dieser Be-
weis ist nicht zwingend; denn die Einrede Hofmauns, dafs sich in jener
Fastentafel nur consules ordinarii zur Datierung finden, kann nicht durch
die Behauptung Picks beseitigt werden, dieses sei entweder nur Zufall,
oder es sei regelmäfsig die Allection neuer Mitglieder zu dieser Zeit
im Anfang des Jahres vorgenommen worden.
Nach Beendigung des jüdischen Krieges erlosch das prokonsula-
rische Imperium des Titus; aber bei der Heimkehr erwarteten ihn grössere
Ehren, der Imperator uame, die Mitregentschaft und der Triumph.
Die Ehrenrechte der Mitregentschaft - und um solche allein handelt
es sich bei der Mitregentschaft — kamen nur dem Inhaber der tribu-
nicischen Gewalt zu. Sie gewährt dem Mitregenten eigentlich nichts
weiter als die Anwartschaft auf die Nachfolge. Nur in besonderen Fällen
tritt der Mitregent aus seinem otium cum dignitate heraus, namentlich
um den Kaiser in Kriegen, die er nicht selbst führen kann, zu ver-
treten. Die Vertretung des Augustus durch Tiberius seit 13 n. Chr. und
des Hadrian durch Pins geht schon über die Mitregentschaft hinaus,
und dieselben haben gewisserraafsen schon die Nachfolge des zwar noch
lebenden, aber nicht mehr regierenden Kaisers übernommen. Der Inhalt
der tribunicischen Gewalt scheint nicht vom Anfang derselbe gewesen zu
2*
20 Römische Staatsaltertümer.
sein. Agrippa im Jahre 18 v. Chr. und 13 v.Chr., sowie Tiberius im
Jahre 6 v. Chr. scheinen in der tribunicischen Gewalt nur einen hohen
Ehrentitel erhalten zu haben, da ihnen nur eine Vormundschaftsstellung
über Gaius und Lucius Caesar bestimmt war. Nach ihrem Tode ver-
lieh die Erneuerung der trib. pot. mit der Adoption dem Tiberius eine
neue und höhere Bedeutung: die Vorbereitung auf die Alleinherrschaft.
Gegen diese Theorie spricht doch manches. Vor Allem wie konnte die-
selbe Amtsbefugnis, die tribunicia potestas, in einem Falle geringere
und im anderen gröfsere Rechte verleihen? Die tribunicia potestas ohne
dieselbe näher definierende, verringernde oder erweiternde Beschlüsse
war eben die tribunicia potestas, und doch nicht zugleich etwas anderes.
Was beweist es unter diesen Umständen, »dafs es sich nicht nachweisen
läfst, dafs für Agrippa und Tiberius auch nur andere Ehrenrechte mit
der Verleihung verbunden waren?« Was wissen wir denn überhaupt
davon? Aber wenn die Schriftsteller diese Verleihungen und die übri-
gen sämtlich in der gleichen kurzen Weise berichten, so kann doch
daraus nur geschlossen werden, dafs sie in allen diesen Fällen unter
Verleihung der trib. pot. dasselbe verstanden, und nicht im einen Falle
dieses und im andern etwas anderes.
Aber — fährt Pick fort — wenn auch die Mitregeutschaft ihrem
Inhaber nur Ehrenrechte verleiht, so sind dieselben zum Teil doch derart,
dafs sie als der Ausdruck einer wirklichen Gewalt erscheinen, welche
nur ruht, so lange der Princeps selbst seine entsprechende Gewalt aus-
übt; wenn der Princeps dieselbe nicht ausüben kann oder will, so über-
nimmt der Mitregent auch faktisch diejenige Gewalt, deren Ehren allein
er vorher genossen hatte. Was ist dies anders, als was wir vorhin gel-
tend machten und was schon Mommsen in der sekundären tribunicischen
Gewalt zusammengefafst hat? Die trib. pot. verleiht stets dieselben Be-
fugnisse, aber der jüngere Inhaber tritt hinter den älteren bei der Aus-
übung derselben zurück.
Als das wichtigste dieser Ehrenrechte erscheint der Anteil an den
imperatorischen Akklamationen. Die Inhaber der sekundären prokon-
sularischen Gewalt konnten nur für Siege, die in ihrem Amtsbezirke er-
rungen wurden, den Imperatortitel erhalten; dagegen konnten sie nie
auf die Akklamationen Anspruch erheben, welche eigene Siege oder die-
jenigen anderer Unterfeldherren dem Kaiser verschafften. Es ist erst
ein Zeichen der vollen Mitregentschaft, wenn der Mitregent an diesen
Akklamationien den gleichen Anteil erhält, wie der Kaiser selbst. Die
imperatorische Akklamation im Kaisertitel ist nichts als ein supplemen-
tärer Ehrentitel, der zu dem Amtstitel selbst einmal oder öfter hinzu-
treten kann. An welche der kaiserlichen Gewalten knüpft sich der Im-
peratortitel an? Jedenfalls nicht an die trib. pot., nach Mommsen an das
imp. procons. Aber nach Pick besitzt der Kaiser das Imperium über
das ganze Reich als ein aufserordentliches und lebenslängliches Amt,
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 21
wie es unter der Republik bei denjenigen Personen vorhanden war, die
cum imperio bezeichnet werden. Den Prokonsulat übernahm Äugustus
nur für eine Anzahl der wichtigsten Provinzen, die er dann als Prokonsul
durch seine Legaten verwalten liefs. Aber die Erlangung des Imperator-
titels ist doch nicht an dieses allgemeine Imperium geknüpft worden,
»sondern an den Prokonsulat über jene grofse Provinz, welche, sich um
das ganze Reich herumziehend, die befriedeten Provinzen des römischen
Volkes vom Auslande trennte.« Dies soll daraus hervorgehen, dafs der
Kaiser die imperatorischen Akklamationen nur für solche Siege erhielt,
die in seinen Provinzen errungen waren; an dem Imperatortitel des Pas-
sienus Rufus und des Junius Blaesus nahm Äugustus bezw. Tiberius nicht
teil, weil in deren Provinz Afrika der Kaiser wohl ein höheres Imperium
hatte, nicht aber den Prokonsulat. Der Grund, weshalb man den Im-
peratortitel nicht an jenes absolute Imperium knüpfte, scheint darin ge-
sucht werden zu müssen, dafs die Übernahme jenes imperium infinitum
oder, was damit identisch ist, der Antritt des Principats, mit keiner Auspi-
kation verbunden ist; dagegen übernimmt der Prokonsul seine Provinz
nie ohne Auspicien, und dasselbe gilt von dem Kaiser als Prokonsul,
nur dafs freilich für ihn seine Legaten die Auspikation vollziehen. Auch
gegen diese Ausführungen Picks erheben sich doch grofse Bedenken.
Wo und wann existierte denn »jene grofse Provinz, die sich um das
ganze Reich herumzog« ? Bei der Errichtung des Principats 727 erhielt
Äugustus nur Gallien, Syrien und das diesseitige Spanien zur ausschliefs-
lichen Verwaltung; Afrika blieb auch unter der folgenden Regierung
dem Senate, nach Picks eigener Erklärung »war der Kaiser so wenig,
wie in den Senatsprovinzeu, Prokonsul in Ägypten und in den prokura-
torischen Provinzen.« Also wann bestand in den ersten fünften Jahr-
zehnten des Principats »die grofse Provinz«? Dafs die Prokonsuln von
Afrika, die militärisches Kommando hatten, die imperatorische Begrüfsung
erhielten, läfst sich bei Mommsens Auffassung völlig befriedigend er-
klären; übrigens geht schon Tacitus in der Erklärung viel weiter, indem
er berichtet: Tiberius — id quoque Blaeso tribuit, ut Imperator a legio-
nibus salutaretur und Concessit quibusdam et Äugustus id vocabulum ac
tunc Tiberius Blaeso postremum. Wäre die Erwerbung des Imperator-
titels an »den Prokonsulat über jene grofse Provinz« geknüpft gewesen,
wie hätten denn Äugustus und Tiberius die Annahme des Titels ge-
gestatten können in Provinzen, die sie gar nichts angingen? Vielmehr
weil sie das Imperium besafsen über sämtliche Truppen, mufsten sie
diesen gestatten, dem Prokonsul von Afrika die salutatio imperatoria
darzubringen.
Pick wirft nun weiter die Frage auf, worauf die Teilnahme des
Mitregenten an den Imperatortiteln beruhen könne, und findet, dafs bei
Tiberius' III— VII = Äugustus' XVII -XXI Akklamation weder die
Adoption noch die tribuuicische Gewalt einen Anspruch hierauf gewähren
22 Römische Staatsaltfrtümer.
konnten; es müsse vielmehr denselben ein sekundäres oder primäres
Kommando des Tiberius zugrunde liegen, die prokonsularische Gewalt
unter oder der Prokonsulat neben dem Kaiser. Letzteren hat er erst
764 erhalten, er mufs daher gleich nach Übernahme der trib. pot. wieder
ein sekundäres prokonsularisches Imperium erhalten haben. Vermutlich
wurde in dieser Weise wieder ein einheitliches Kommando in den Rhein-
und Donauprovinzen hergestellt. Gerraauicus kam 760 nach Pannonien
in untergeordneter Stellung; als er im Jahre 764 selbst die prokon-
sularische Gewalt über diese Provinzen erhielt, wurde Tiberius das pri-
märe Kommando über das Heer und die Provinzen erteilt und damit
die Mitregentschaft im vollen Sinne des Wortes, wie Velleius und Sueton
berichten; er wurde damit Augustus im Prokonsulat und im Imperium
gleichgestellt. Diese Kollegialität widerspricht zwar dem eigentlichen
Wesen beider Gewalten, dem Princip der Einheitlichkeit; aber Augustus
legalisierte durch Volksschlufs diesen ungewöhnlichen Schritt. Von der
späteren Samtherrschaft ist diese Kollegialität nur durch den Namen
verschieden; beide Einrichtungen laufen in der Praxis auf Sicherung
der Nachfolge hinaus. Diese Verbindung von Imperium und Prokonsulat
mit der trib pot. ist die stehende Form der Mitregentschaft im vollen
Sinne geblieben; zunächst erhielt sie Drusus Tib. f. Dafs er als Mit-
regent den Imperatortitel nicht erhalten hat, erklärt sich daraus, dafs
in der kurzen Zeit seiner Mitregentschaft kein Sieg errungen wurde,
der dem Kaiser selbst eine Akklamation gebracht hätte. Die volle Mit-
regentschaft fand ihren titularen Ausdruck in der Bezeichnung tribunicia
potestate; wie im Titel des Kaisers werden auch hier die Iterations-
ziffern hinzugefügt. Den Imperatornamen hat Tiberius nicht geführt,
natürlich auch Drusus nicht. Seian hat vielleicht den Prokonsulat, aber
sicher weder die eigentliche Mitregentschaft noch die sekundäre pro-
konsularische Gewalt besessen. Auch Nero hat keine von beiden Ge-
walten erhalten, sondern der Ausdruck proconsulare Imperium extra ur-
bem ist als Prokonsulat zu verstehen, wobei es allerdings auffallend ist,
dafs er an den Imperator-Akklamationen keinen Anteil erhielt, vielleicht
wurde dies eben deshalb so gehalten, weil Nero die Mitregentschaft im
eigentlichen Sinne nicht besafs.
Auch gegen diese Ausführungen des Verfassers bestehen Bedenken.
Er behauptet, dafs Tiberius bereits Anfang 11 n. Chr. die volle Kolle-
gialität mit Augustus erhalten habe. Aber dafür giebt es schlechter-
dings keinen Beweis. Der Bericht des Velleius weist erst auf Ende 11,
und der des Sueton sogar auf die Zeit um 11. Mai 14 n. Chr.; denn die
Auskunft Picks, »denn wenn auch Augustus und Tiberius den Census
erst im Jahre 14 vornahmen, so können sie doch, wie Vespasian und
Titus, mehrere Jahre früher dazu designiert worden sein«, wird durch
den Wortlaut lege per consules lata , ut provincias cum Augusto com-
rauniter administraret simulque censum ageret coudito lustro in Uly-
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur, 23
ricum profectus est ausgeschlossen; es ist nämlich nicht denkbar, dafs
in demselben Atem eine sofort und eine erst nach Jahren eintretende
B efugnis beschlossen und durch siraulque verbunden werden; auch können
die Worte condito lustro in 111. profectus est doch nur von einer un-
mittelbar auf den Volksschlufs folgenden Handlung gebraucht worden
sein. Ebenso wenig kann es als erwiesen gelten, dafs Augustus den
ungewöhnlichen Schritt der Kollegialität durch Volksschlufs legalisiert
hat; Suetou weifs nur, dafs dieser Volksschlufs dem Tiberius die Mit-
verwaltung der Provinzen und die Abhaltung des Census übertrug. Weiter
ist es eine reine Hypothese, dafs Drusus mit der trib. pot. zugleich das
imp. proconsulare erhalten habe. Die Worte Tac. ann. 2, 59 auspicia
saltem gentile aput solum inciperet können das nicht beweisen; denn
Pick sagt selbst, dafs der Kaiser die Auspicien durch seine Legaten
vollziehen liefs und nur, wenn er in den Krieg zog, das Recht der
Auspicienanstellung selbst übte. Von Krieg kann aber gar keine Rede
sein; denn die folgenden Worte heifsen: Bellum scilicet aut diverso ter-
rarum distineri, litora et lacus Campaniae cum maxirae peragrantem.
Wie sollte Drusus also als Inhaber des Prokonsulats Auspicien ange-
stellt haben? Schon Mommsen hat darauf hingewiesen, dafs es sich
hier lediglich um eine Redensart handelt. Aber es ist aus anderen
Gründen durchaus unwahrscheinlich, dafs Drusus erst damals das impe-
rium proconsulare erhalten hat. Tiberius redet Tac. ann. 3, 56 von
composita bella und nennt ihn triumphalis. Bekanntlich bezieht sich
das auf die Sendung desselben nach lUyrien im Jahre l7. Tacitus be
richtet ann. 3, 56 Tiberius »incolumi Germanico integrum inter duos
iudicium tenuisset«. 2, 44 se tutiorem rebatur utroque filio legiones
obtinente. Daraus und aus dem 3, lü bewilligten Triumphe mufs man
doch schliefsen, dafs Drusus auch das imp. procons. an der Donau, wie
Germanicus im Orient hatte; in welcher Eigenschaft sollte sonst des
Kaisers Sohn in Illyricum gewesen sein? Bezüglich Seians ist Pick rein
willkürlich verfahren; denn Dio 58, 7, 4 sagt ausdrücklich tyjv dvßu-
TtarixTjv e^ouacav, er macht daraus den Prokonsulat. Ist das denn über-
haupt denkbar, dafs der Senat zu dieser Zeit das eine oder das andere
ohne den Willen des Tiberius gethan haben würde ? Ebenso ist es bare
Willkür, wenn dem Nero das proconsulare imperium abgesprochen wird,
das Tacitus in dieser Fassung ihm dekretieren läfst, natürlich wieder
nur auf Wunsch oder Antrag des Kaisers bezw. der Kaiserin. Dabei
kommt Pick mit seiner Theorie der Akklamationen in Widerspruch,
denn Nero will er wenigstens den Prokonsulat zuschreiben, aber Akkla-
mationen erhält er trotzdem nicht.
Titus — fährt Pick fort — ist seit dem 1. Juli im Besitze der
trib. pot.; es kann ihm also auch nicht der Proconsulat mit seiner not-
wendigen Ergänzung, dem Imperium, gefehlt haben; und in der That
hat er seit dieser Zeit an den imperatorischen Akklamationen seines
24 Römische Staatsaltertümer.
Vaters teilgehabt. Daneben führt er aber seit dieser Zeit auch den Im-
peratornamen. Während die Neubesetzung des Thrones durch den
sich geltend machenden Volkswillen entweder durch den Tod des ge-
wesenen Imperators oder durch Revolution veranlafst wird, erfolgt die
Erteilung des allgemeinen Imperiums in friedlicher Weise, ohne dafs
der Prinzipat erledigt ist, durch die Verleihung der Mitregentschaft auf
Wunsch des Kaisers durch den Senat, während das Heer einen gesetz-
lichen Einflufs auf die Verleihung der Mitregentschaft nie gehabt hat.
Nur im Jahre 764 wurde die Mafsregel auch durch die Komitien be-
stätigt. Für die Annahme des Imperatornamens bedurfte es keiner
besonderen Modalitäten; wer dieses absolute Imperium besafs, hatte,
seitdem der Diktator Cäsar in jenem neuen Sinne Imperator genannt
worden war, rechtlich Anspruch auf diesen Namen. Ob der Kaiser ihn
führen wollte, hing von seinem Belieben ab, ob der Mitregent ihn füh-
ren sollte, wohl von dem Wunsche des Kaisers. Als dies imperii wurde
bei Titus offiziell der 1. Juli 71 festgesetzt, um eine Übereinstimmung
mit Vespasian bezüglich der Eponymie herbeizuführen. Die Verlei-
hung mufs aber schon stattgefunden haben, als Titus sich noch im
Oriente befand; dieses wird aus den Worten des Philostratus V. Apoll.
7, 29. 30 geschlossen; dvapprj&elg de auToxpdrwp, iv rfj P(o[ij} xac
äpiaretwv d^cco&slg toutcuv dni^ec p.ev caop.otprj(T(ov T^g ^PXV^ "^V ''^^'^P'-'
Diese Worte können sich nach Picks Ansicht nicht auf die einfache Be-
stätigung der imperatorischen Akklamation des Titus beziehen, sondern
es mufs die Verleihung der Mitregentschaft damit gemeint sein, und
das Wort abzoxpdzwp kann darum nur für den Imperatornamen stehen.
Es war das erste Mal, dafs diese Benennung als Bestandteil des Eigen-
namens einem anderen als dem Kaiser selbst verliehen wurde , und die
verschiedenartige Stellung des Wortes Imperator im Namen des Titus
zeigt, dafs diese Neuerung einige Verlegenheiten hervorrief. Rechtlich
war es ohne Belang, ob das Wort als Prae- oder als Cognomen geführt
wurde: es bezeichnete in jedem Falle den Träger als den Inhaber des lebens-
länglichen Imperiums. Es scheint auch von vornherein keine Bestimmung
darüber getroffen worden zu sein., welche Stelle im Namen das Wort
einnehmen sollte; daher legte sich Titus im Orient auf seinen Münzen
das praenoraen iraperatoris bei. Auf Senatsmünzen gegen Ende des
Jahres 71 heifst er T. Imp. Caesar; doch kam der Senat von dieser
Form bald zurück, und im Reiche fand sie wenig Nachahmung, freilich auf
einer vermutlich in Caesarea geprägten Silbermünze noch im Jahre
77/78. In den Jahren 72 oder 73 führt Titus auf Goldmünzen, die
aufserhalb Roms geprägt sind, das praenomen imperatoris, während in
derselben Zeit der Senat den Imperatornamen überhaupt ihm nicht giebt.
Schon die sonderbare Namensform T. imp. Caes. zeigt, dafs der neue
Name dem Senate unbequem war, weil den Separat na raen bisher immer
nur ein Mann geführt hatte. Wenn aber Titus hier noch in der unter-
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 25
geordneten Stellung erscheint, wie in der Zeit vor seiner Mitregent-
schaft, nämlich mit seinem Bruder vereint auf dem Revers der Vespa-
siansmünzen, so wurde der Senat im Jahre 72 von der Regierung an-
gewiesen, aufser den Münzen mit dem Kopf des Kaisers auch solche
mit dem des Titus und dem des Domitian zu prägen. Die Namen und
Titel der Prinzen bestimmte der Senat für seine Münzen selbst. Der
Senat scheint bei dem Namen des Titus verfassungsmäfsige Bedenken
gehabt zu haben, denn auf den Münzen des Jahres 72 führt der Prinz
nur den Imperator titel, allerdings an der Spitze der Ämterreihe;
der Kaiser liefs dem Senate seinen Willen. Bald darauf verlieh aber
Vespasian seinem Sohne das Recht der Gold- und Silberprägung und
bestimmte jetzt, dafs Titus den Imperatortitel nur als Cognomen füh-
ren sollte: T. Caes. Imp. Vespasianus, und seit 73 erscheint auch auf
den Senatsmünzen zwischen T. Caesar Vespasianus oder T. Caesar und
der Ämterreihe regelmäfsig das Wort imp. ohne Iterationsziffer. Aller-
dings scheint es hier trotzdem die Bedeutung als Titel behalten zu
haben ; man kann also auch nach dem Jahre 72 auf den Senatsmünzen
das imp. nicht als Cognomen auffassen. Auf den Gold- und Silbermün-
zen führt Titus seit dieser Zeit regelmäfsig den Imperator n amen, auf
den Kupfermünzen den Imperatortitel. Erst gegen Ende der Regie-
rung Vespasiaus trat eine Änderung ein. Auf einer Reihe von Kupfer-
münzen der Jahre 77- 79 bleibt der Imperatortitel Vespasians, während
Titus blos T. Caesar Vespasianus heifst. Auf Gold- und Silbermünzen
derselben Zeit bleibt Imp. bei Vespasian und bei Titus weg, was mit
dem Erscheinen von zwei Privaten im ordentlichen Konsulate beweist,
das Vespasian das monarchische Element seiner Stellung zurück-
treten liefs. Dafür erwies sich der Senat seinerseits dankbar, indem
er Titus den lange versagten Imperator n amen gewährte: T. Caes. Imp.
Aug. f. Auf den kaiserlichen Prägungen tritt dann wieder die frühere
übliche Namensform bei Kaiser und Mitregent ein. Imp. T. Caesar
Vespasianus Aug. heifst es erst auf den Münzen nach seines Vaters Tode.
Pick stellt die Annahme des Imperatornamens als eine völlig
gleichgiltige Sache hin; wenn sie es war, warum wurden dann solch'
feine Distinctionen gemacht, wie er dies bei Titas annimmt? Und ist
es wahrscheinlich, dafs Vespasian in einer solchen Frage einfach dem
Senate die Entscheidung überliefs, und konnte dieser wagen, den Besitz
des Imperatortitels, wenn er ein wesentlicher Faktor zur Mitregent-
schaft war, einfach nicht anzuerkennen? Die Interpretation, welche Pick
der Stelle des Philostratus giebt, ist bezüglich des Schlusses auf den
Imperatornamen reine Willkür, wie namentlich der Zusatz äptazöcutv diccu-
&eis TouTujv beweist.
2. Die Konsulate Domitians als Cäsar. Domitian wurde nie
Mitregent, erhielt aber schon von seinem Väter alle sonst den Mitre-
genten, vorbehaltene Ehrenrechte (Münzbildnisrecht, Lorbeerkranz, Nen-
26 Römische Staatsaltertümer,
nung auf Baudenkmälern, Mitgliedschaft der grofsen Priestcrkollegien,
Aufuahme in die Vota und sieben Konsulate in 12 Jahren).
Vespasian bekleidete in den zehn Jahren seiner Regierung das
Konsulat achtmal; in derselben Zeit erhielten Titus sieben, Domitian
sechs Konsulate; nach 71 werden die ordentlichen Konsulate dem Kai-
ser und dem Mitregenten reserviert, für Domitian bleibt nur die Stelle
eines Suffectus. Bis zum Jahre 71 ist von einem solchen Plane nichts
zu bemerken, aber auch nach dieser Zeit sind einige Abweichungen vor-
gekommen. Im Jahre 73 finden wir Domitian mit einem Privaten, im
Jahre 78 zwei Private als ordentliche Konsuln. Domitian ist schon im
Jahre 71 zu diesem Konsulate designiert. Chambalu (Jahresbericht für
röm. Gesch. 1885), hat die Angabe Suet. Dorait. 2-, dafs ihm Titus
dieses Konsulat abgetreten habe, für falsch erklärt; dieser aber liest
die Münze mit des. irap. falsch, und der darauf gegründete Beweis ist
nichtig (? s. oben S. 17 f.). Dagegen erscheint Domitians zweite Desig-
nation allerdings auf zwei anderen Münzen dieses Jahres. Diese mufs
aber in ' den Herbstkomitien stattgefunden haben , da Domitian an den
Frühjahrskomitien sein erstes Konsulat noch nicht angetreten hatte; im
Herbst war aber Titus in Rom. Auch die Nachricht des Sueton, dafs
Titus auf das ordentliche Konsulat zugunsten seines Bruders verzichtet
habe, ist nichtig. Nur war Titus damals noch nicht, wie Chambalu an-
nimmt, für das Jahr 73 zum Konsul designiert, vielmehr verzichtete
Titus im Herbst 71 auf ein Konsulat, zu welchem er selbst, nach der
allgemeinen Tendenz seines Vaters, erwarten durfte, im nächsten Früh-
jahre designiert zu werden. Dieser Verzicht fand zur Zeit der Herbst-
komitien statt, in denen damals die consules suffecti für das nächste
Jahr gewählt werden sollten. Auch Domitian stand auf der kaiserlichen
Kandidatenliste als suffectus für 72; aber Titus erbat für seinen Bru-
der das ordentliche Konsulat für 73, auf das nun auch Vespasian ver-
zichtete. Die folgenden Konsulate sind auch suffizierte, aber es wurde
ihm dabei die höhere Ehre zu teil, regelmäfsig im ersten Nundiniura
den einen Cos. Ordinarius zu ersetzen. Es scheint diese Mittelform zwi-
schen ordentlichem und suffiziertem Konsulate für Domitian gewählt wor-
den zu sein, weil es sich nicht schickte, dafs, wer wahrer Ordinarius ge-
wesen war, nachher suffectus wurde; natürlich konnte er als Prinz
nicht einem Privaten, sondern nur seinem Vater oder Bruder suffiziert
werden. So wurde er denn nach dem Jahre 73 einmal Substitut des
einen und Kollege des andern im ersten Nundinium und zu diesen Kon-
sulaten auch zugleich mit ihnen designiert. Die vier suffizierten Konsu-
late fallen 75, 76, 77, 79. Chambalu hat behauptel, das von 77 sei ein
Ordinariat. Mit Recht weist Pick diese Annahme zurück, namentlich
auch ihre Begründung (siehe Jahresber. für römische Geschichte 1885),
wobei er auch die schriftstellerische Überlieferung mehr zum Rechte
kommen läfst, als in seinen eigenen Konstruktionen. Regelniäfsig trat
B. Staatsgewalt. 1. Die Magistratur. 27
Vespasian am 13. Januar zurück; im Jahre 77 that dies Titus, und so
erscheint in diesem Jahre Doniitian bisweilen als Kollege seines Vaters.
Von den Konsulaten vor der Mitregentschaft des Titus erklärt sich das
erste von Vater und Sohn durch den Brauch ; das zweite, das Vespasian
mit Nerva bekleidete, beweist keine Zurücksetzung des Titus, sondern
nur eine civile Tendenz dem Senate gegenüber. Wann Domitian zu
seinem ersten Konsulate designiert worden ist, wissen wir nicht; bekleidet
hat er dasselbe jedenfalls April bis Juni 71; ob er es am 1. März oder
1. April antrat, ist unsicher. Für das Jahr 80 waren Vespasian und
Titus zu ordentlichen Konsuln, Domitian wohl zum Substituten seines
Vaters designiert; nach dem Tode des letzteren erhielt er jetzt ein
ordentliches Konsulat. Das Ordinariat des nächstfolgenden Jahres er-
hielten zwei Private. Für 1. Januar 82 mufs Titus designiert gewesen
sein, mit wem, ist unsicher. Möglicherweise hat Domitian ein Konsulat,
für das er nicht designiert war, auf sich übertragen.
Der von Egger gefundene im/xs^rrjg ßapujv (Jahresbericht 1884)
ist durch eine neue Entdeckung von sechs Briefen Julians durch Papa-
dopulos Kerameus in Konstantinopel als beseitigt zu erachten; denn
dort steht im/xa?.sTo Fudpwv d. h. er sorgte für das Wohl der Einwohner
von Gyaros, wo er von Nero verbannt lebte.
H. Bresslau, Die Coramentarii der römischen Kaiser und die
Registerbücher der Päpste. Z. d. Savigny- Stiftung 6, 242—260.
Der Verfasser sucht zu erweisen, dafs, wie der Geschäftsstil der
päpstlichen Kanzlei, so auch die Institution der Registerführung auf
einen Brauch der römischen Kaiserzeit zurückgehe. In den Archiven
können die Koncepte der Einzelabschriften der ausgegebenen Akten-
stücke niedergelegt, es können auch hier Registerbücher über die aus-
gegebenen Erlasse angelegt und aufbewahrt worden sein. Der Verfasser
entscheidet sich für die letztere Annahme. In den Gesetzessammlungen
finden sich Kanzleivermerke, die vollkommen denjenigen entsprechen,
welchen wir in der päpstlichen Kanzlei begegnen; dieselben finden sich
namentlich im C. Theodos. und in den Novellensammlungen (eodem
exemplo, scripta eodem exemplo, de eadem re scriptum edictum, iypd^rj
za laoTomj. u. ä.). Diese Registerbücher enthielten je die Register eines
Konsular-Jahres. Wichtige Zeugnisse für diese Annahme sind Plin. ad
Traian. 65. 66, wo unter den commentarii der früheren principes solche
Registerbände zu verstehen sind, CLL. 3, 411, wo die bnojxvrjiiara
d. h. commentarii Hadrians erwähnt sind; auch Siculus Flaccus spricht
von commentarii; wahrscheinlich hat man an diese zu denken Velleius
2, 60 und Suet Domit. 20, Plin. et Traian. ep. 95. 105, Paulus in Dig.
49, 14, 45; die Beamten, welche diese Registerbücher führten, hiefsen
comnientarienses , sie hatten auch Abschriften daraus zu fertigen.. Die
28 Römische Staatsaltertümer.
comraentarii mögen nach chronologischen, aber wohl auch nach sach-
lichen Gesichtspunkten geordnet gewesen sein. So wird man eigene
commentarii über die Verleihung der kaiserlichen beneficia anzunehmen
haben (C I. L. 6, 8627 — qui fuit custos a commentariis beneficiorura),
vielleicht auch über die kaiserlichen Entscheidungen in Kriminalprocessen
(Tac. h. 4, 90, Suet. Cal. 15, Tac. ann. 13, 43); in späterer Zeit gab
es wenigstens einen eigenen Registerband für die eigentlichen Gesetze.
Ob die Eintragung in die Registerbücher nach den Koncepten oder nach
den Originalen erfolgte, läfst sich nicht entscheiden. Die im weströmi-
schen Reichsarchive befindlichen comraentarii sind jedenfalls in den
Stürmen der Völkerwanderung völlig zugrunde gegangen, von den ost-
römischen ging wohl das meiste unter Justinian bei dem Brande des
kaiserlichen Archivs in Konstantinopel unter.
2. Die Bürgerschaft.
Th. Mommsen, Bürgerlicher und peregrinischer Freiheitsschutz
im römischen Staat. In Jurist. Abhandl. Festgabe f. Georg Beseler,
Berlin 1885, S. 253-272.
Römisches Bürgerrecht und römische Freiheit, welche der Sache
nach zusammenfallen, giebt der Einzelne sich nicht, und in dem ent-
wickelten römischen Rechte kann weder er noch ein Anderer und selbst
der Staat sie ihm nur mit seiner Einwilligung nehmen. Sogar die nur
thätsächliche Unfreiheit kann nach dem entwickelten Rechte nur aus-
nahmsweise auf einem dieser Wege herbeigeführt werden. Von diesen
Sätzen werden folgende Anwendungen gemacht:
1. Der römische Bürger kann nicht durch seinen Willensakt sich
in einen Nichtbürger oder Unfreien verwandeln. In dem entwickelten
Recht ist der Selbstverkauf nichtig, mag er geradezu als solcher auf-
treten oder auch der Freie unter dem Vorgeben, dafs er Sklave sei,
sich durch einen dritten haben verkaufen lassen. Nur wenn er sich in
dem letzteren Falle einen Teil des Kaufgeldes angeeignet hat, wird ihm
nach republikanischem Rechte nicht gestattet, auf dem sonst dafür vor-
geschriebenen Wege die gerichtliche Anerkennung seiner Freiheit zu
bewirken. Die Schuldverpflichtung ward in älterer Zeit als bedingter
Selbstverkauf gefafst, so dafs bei Verfall und Nichtzahlung der Forde-
rung die Freiheit verloren ging. Doch galt dies in vollem Umfange
nur, wenn der Schuldner aus dem latinischen Rechtskreise ausscheidet
und an den Bürger einer Gemeinde veräufsert wird, mit der nur ein
Rechtsverhältnis in der Form des Waffenstillstandes möglich ist. Bleibt
der Schuldner dagegen im latinischen Rechtskreise, so tritt das Ver-
hältnis der blos privatrechtlichen Unfreiheit ein. Der römische Bürger,
welcher in eine andere Gemeinde auch mit deren Einwilligung eintritt,
B. Staatsgewalt. 2. Die Bürgerschaft. 29
gilt nach römischer Auffassung immer noch als solcher, sein Eintritt in
eine andere Bürgerschaft ist also nach römischem Rechte nichtig.
2. Der römische Bürger kann durch keinen fremden Willensakt
in einen Nichtbürger oder Unfreien verwandelt werden. Denn die Kriegs-
gefangenschaft beraubt denselben nur thatsächlich, nicht rechtlich seines
Bürgerrechts und seiner Freiheit. Nach altem, aber nicht mehr nach
entwickeltem Rechte konnte der Vater den Sohn veräufsern, wenn der
Sohn aus dem römischen Rechtskreise ausschied.
3. Der römische Bürger kann auch im Wege des Gesetzes nach
entwickeltem Rechte der Regel nach nur mit seiner Zustimmung das
Bügerrecht und die Freiheit einbüfsen. Nach älterem Rechte kann aller-
dings im Wege der Strafe der Schuldige Bürgerrecht und Freiheit ver-
lieren (incensus, qui nomini non respondet , noxae datio, der auf hand-
festem Diebstahl betroffene Dieb). In den beiden ersten Fällen ist aber
ebenfalls die Ausscheidung aus dem latiuischen Rechtskreise Voraus-
setzung, im dritten sah die ältere Auffassung davon ab; später sind der
Verkauf des incensus und die noxae datio an die fremde Gemeinde an-
tiquiert, die väterliche noxae datio sowie die Addiction des Diebes be-
wirken nur beschränkten Freiheitsverlust. Die Kriegsgefangenschaft zieht
nach älterer Ordnung den Freiheitsverlust nach sich, wenn der nachfol-
gende Friedensschlufs die Rückgabe der Gefangenen ausschliefst (also
ähnlich wie bei der noxae datio. Der Austritt aus der Gemeinde erfolgt
rechtsgiltig, wenn, wie bei dem Exil, die Gemeinde den Entschlufs des
Austretenden sanktioniert oder auch, z. B. bei Gründung neuer Gemein-
den, ihre Bürger unter gewissen durch Gesetz vorgeschriebenen Moda-
litäten zum Austritt veranlafst.
So stehen in der Frage, ob Freiheit und Bürgerrecht verlierbar
oder unverlierbar sind, das ältere und das neuere Recht sich diametral
gegenüber; jenes behandelt sie als verlierbar und verbannt nur den
Freiheitsverlust über die Grenze, diesem sind Freiheit und Bürgerrecht
theoretisch mit geringen Ausnahmen, praktisch fast ausnahmslos unver-
lierbare Güter des römischen Bürgers.
Eine ähuliche Tendenz zeigt sich in Beziehung auf die Rechts-
verhältnisse, welche nicht eigentlich Unfreiheit sind, aber an die Un-
freiheit grenzen und welche sich zusammenfassen lassen als Eigentum
oder Quasi-Eigentum an einer freien Person. Auch diese Entwickelung
zeigt die in dem römischen Rechte waltende Tendenz, den Freiheits-
schutz zu steigern. Hierher gehört die Verflüchtigung der eheherrlichen,
die Abschwächung der väterlichen Gewalt, die causa mancipii mit ihren
zahlreichen Unterarten. Die Betrachtung der letzteren zeigt, dafs die
Unverlierbarkeit der Freiheit und des Bürgerrechts kein geborenes, aber
ein erworbenes Prinzip des römischen Rechts ist. Man darf wohl sagen,
dafs die gewaltige Machtentwickelung der römischen Bürgerschaft nicht
30 Römische Staatsaltertümer.
deutlicher in dem Verzeichnis der Reichsprovinzen sich ausspricht als.
in dieser qualitativen Steigerung des Freiheitsschutzes.
Wie steht es nun aber mit den Peregrinen, denen nur das ge-
meine peregrinische Recht eingeräumt war? Die rechtliche Begründung
der Unfreiheit nach den Grundsätzen der Sachteilung (partus ancillae) ist
civilistisch festgeregelt. Nach dem allgemeinen Grundsatze der Sklaverei
kann jeder Unfreie wie jede andere Sache im Peregrinenverkehr gültig
verkauft und gekauft werden. Auch der Barbar, den ein römischer
Reichsgenosse in irgend einer Weise in seine Gewalt brachte, galt als
dessen Sklave. Aber der dem römischen Reiche angehörige Peregrine war
nicht rechtlos; der Staat schützt wie sein Eigentum, so auch seine
Freiheit. Aber von dem eminenten Schutze, auf welchen der latinische
und römische Bürger Anspruch hat, bleibt doch jener weit entfernt.
Die Ausnahmebestimmungen über den redemptus und den auctoratus
dürfen auch auf den Nichtbürger bezogen werden; das Verbot der Schuld-
knechtschaft kam auch dem peregrinischen Schuldner zu statten; da-
gegen bestand sie für fiskalische Schulden wenigstens in Ägypten fort.
Die Selbstveräufserung wird sich wohl bei einzelnen Völkern, wo sie alt-
herkömmlich war, wie bei Galliern und Germanen, auch unter der römi-
schen Herrschaft erhalten haben; ebenso mufs die Veräufserung des
Sohnes durch den Vater in der Kaiserzeit in bedeutendem Umfange zu-
lässig geblieben sein (namentlich in Gallien und Phrygien).
Danach wird man annehmen dürfen, dafs in der Kaiserzeit der
Übergang aus der Freiheit in die Sklaverei bei römischen Bürgern nur
ausnahmsweise, dagegen bei Nicht-Bürgern in nicht geringem Umfange
rechtlich statthaft war. In dem peregrinischen Kreise betrachtete man
die Knechtschaft, so weit sie zu Recht bestand, nicht als causa man-
cipii, sondern einfach als Unfreiheit.
Die Frage nach der Entstehung der Sklaverei bei freigeborenen
Reichsangehörigen läfst sich auch noch von einer anderen Seite betrach-
ten. Bei dem Sklavenkauf war die Angabe des Heimatsortes üblich und
sogar rechtlich erforderlich. In der gewöhnlichen Sklavennomenklatur
geschieht dies nicht, sondern nur ausnahmsweise zur Unterscheidung
gleichnamiger Individuen und da, wo die Verwendung der Sklaven die
militärische nachahmt. Aufserdem finden sich zerstreut eine Anzahl von
Heimatsangaben bei den Schriftstellern. Diese führen fast ohne Aus-
nahme in die römischen Provinzen. Wahrscheinlich sind diese Heimats-
angaben zu einem grofsen Teile auf den mit Freigeborenen im römischen
Reiche betriebenen Sklavenhandel zu beziehen. Dies bestätigen die An-
gaben über die kaiserlichen Leibwächter, die in der früheren Kaiserzeit
unfrei und den reichsunterthänigen Germanen, vorzugsweise den Bata-
vern entnommen waren. Man darf hier nicht an Leute denken, die in
ihrer Heimat Sklaven waren, sondern an Kinderverkauf und freiwillige
Ergebung in die Gewalt des kaiserlichen Herrn. Überhaupt mufs der
B. Staatsgewalt. 2. Die Bürgerschaft. 31
Sklavenhandel, so weit er freigeborene Provinzialen in seinen Kreis zog,
wesentlich auf dem Kinderhandel beruht haben, neben dem der Selbst-
verkauf noch in betracht- kommt.
In diesem Zusammenhange weist Moramsen die Einwände von
F. Rosenstein (siehe Jahresber. f. röm. Altert. 1884 S. 354 ff.) zurück.
Die Sklavenbezeichnuug armigeri, welche von den Germanischen Leib-
wächtern gebraucht werde, weise auf Unfreie; Gaius Cäsar läfst sie von
Thraeces kommandieren, d. h. von Gladiatoren; collegium wird nie von
wirklichen Soldaten gebraucht — Orelli 4453 ist falsch — sondern beweist
die Sklavenqualität. Von den Germani räumt Rosenstein selbst ein, dafs
sie Sklaven seien, der Unterschied, den er zwischen ihnen und Germani
corporis custodes macht, ist ganz unbegründet. Aber auch die Inschriften
der letzteren ergeben dies Resultat; denn der Vater wird nie darauf
angegeben; dann steht sogar der Genetiv des Herrn dabei.
J. Kappeyne van de Coppello, Abhandlungen zum römischen
Staats- und Privatrecht. Mit Vorwort von Dr. M. Conrat (Cohn).
Heft 1. Betrachtungen über die Komitien. Stuttgart 1885.
Die Angaben Ciceros de republ. 2, 39. 40 verdienen unbedingt
Glauben; den widersprechenden Nachrichten des Livius 1, 43 und Diouys.
(4, 16-23.; 7, 59) kommt keine Beweiskraft zu. Nach Cicero betrug
die Gesamtstimmenzahl in der alten Ordnung der Centuriatkomitien 193
und darnach die absolute Mehrheit 97. Von dieser Zahl hatten die vier
oberen Klassen zusammen 140, wovon Cicero der ersten Klasse nur die
Hälfte, also 70, zuweist. Wenn Cicero den drei folgenden Klassen
gleiches Stimmrecht und 70 Stimmen zuweist, so bleibt nur die An-
nahme, dafs die zweiten 70 Stimmen durch die Stimmberechtigten der
drei Klassen zusammen abgegeben worden sind und nicht jede der drei
Klassen für sich gestimmt hat.
Das Stimmrecht stand mit der Wehrpflicht im Heere in Verbin-
dung. Die Bürger der vier höchsten Klassen dienten als hastati prin-
cipes triarii bei demselben Korps, und die Natur der Sache fordert, dafs
sie dies in vereinigten Gliedern und nach der Stärke der Klasse thaten.
Nun ist es physisch unmöglich, dafs die erste Klasse acht Mann ge-
liefert haben soll gegen sechs seitens der drei anderen zusammen, aber
ebenso unmöglich, dafs jene eine gleich grofse Anzahl stellen mufste
wie diese zusammen. Der Verfasser erklärt dies so, dafs in der mili-
tärischen Organisation die Phalanx, worin die Bürger der vier oberen
Klassen als Kameraden dienten, nicht mehr als 70 Centurien stark war,
während dieselben in den Komitien doppelt zählten, und zwar so, dafs
hier die Stimme dieser Centurien zuerst von den in jede Centurie ein-
geschriebenen Bürgern der ersten Klasse allein abgegeben wurde und
hernach nochmals von dem aus den Bürgern der drei anderen Klassen
zusammengesetzten Reste der Centurie.
32 Römische ötaatsaltertümer.
In der patriarchalischen Periode kämpften die Römer mit ihren
Nachbarn nach der üblichen Art der Hirtenvölker; bei solchen Streif-
zügen besteht die geregelte Kriegsmacht aus. der Truppe zu Pferde.
Wer zu Fufs mitläuft, gewährt als ungeordneter Haufe lediglich Unter-
stützung. So will der Verfasser die Angabe des Dionysius über den
Heerbann des Servius verstehen, dafs derselbe aus Innztg xa\ (ptXoi be-
stehe. Die Aushebung erfolgte nach Kurien. Der ager Romanus wird
territorial verteilt in zwei tribus (Gaue) und jede dieser Landschaften
in zehn Bezirke (curiae), so dafs alle Einwohner in einer dieser Kurien
eingesessen und daher entweder Ramnenser oder Titienser waren. Die
Kurie lieferte für den Bann sowohl der iuniores als der seuiores einen
Haufen (turma) von zehn patrizischen Reitern und 50 Mann Fufsvolk
{(pdoc). Man koppelte nun die Kurien paarweise zusammen, so dafs
stets die Mannschaft derselben zwei Kurien, die eine aus dem einen,
die andere aus dem zweiten Gau gemeinschaftlich diente; so bestand
jeder Bann aus zehn Unterabteilungen (cohortes), jede von 20 Pferden
und einer Hundertschaft (centuria) zu Fufs. Unter Tarquinius Priscus
kam der dritte Gau hinzu, wodurch in der Folge eine Unterabteilung
die Mannschaft von drei vereinigten Kurien umfafste. Die durch Acker-
bau vermehrte Wohlfahrt gab Tarquinius Priscus Veranlassung, die pa-
trizischen Kriegsleute zu verstärken mit einer Doppelzahl berittener
Schildknappen aus den Grofsgrundbesitzern der curia von plebeischer
Herkunft, um auf diesem Wege die turma zu einem Haufen von 30 Pfer-
den zu erhöhen, was seitdem bei der Reiterei die taktische Einheit
blieb. Die patrizische Vorhut hiefs nun priores, die Nachhut aus der
Plebs posteriores oder accensi (Varro 1. 1. 5, 82). Nach dieser Ordnung
umfafste jetzt jede Unterabteilung, bezw. jede zehnte Abteilung drei
turmae Reiter, wozu dann noch eine Kohorte von 1500 Mann Fufsvolk
kam. Zu der latinischen Legion, die mit der römischen zu einer Bri-
gade verbunden war, gehörten darum auch noch später (Pol. 3, 107 12;
6, 26, 7) regelmäfsig 900 Reiter, während die der römischen Legion
vermindert waren auf ein Dritteil oder eine turma für die Kohorte.
Trotzdem behielt die römische turma ihre Dreizahl Rittmeister, nun
decuriones genannt, als Überbleibsel der Reorganisation des Tarquinius
Priscus.
Das Anwachsen der Ackerbau treibenden Bevölkerung brachte
eine Änderung in der Kriegführung hervor. Die kleinen Staaten mafsen
ihre Kräfte in geregelten Gefechten, wo die Schlachtordnung der ge-
übten und gepanzerten Pikeniers das Haupttreffen wurde. Seit Servius
wurde die Phalanx zwischen Reiterei und leichten Truppen eingescho-
ben. Nach seiner Reform bestand das Fufsvolk der beiden Heerbanne
aus 100 Hundertschaften von zusammen 7000 mehr oder minder gehar-
nischten Pikeniers (quirites), der Schlachtordnung der triarii, principes
und hastati und 300 Schleuderern. (rorarii = (pdul). A la suite der.
B. Staatsgewalt 2. Die Bürgerschaft. 33
100 Kompagnien kamen auf fünf Kompagnien Nichtkombattanten, die
zwei der Sappeurs, das Kontingent der Handwerker oder Stadtgilden,
sodann die zwei der Musikanten und die eine der accensi velati (Mit-
läufer in Hemdsärmeln).
Die Legion eines jeden Bannes hatte sechs Oberoffiziere, ein paar
aus jedem Gau und darum tribuni militum genannt, von denen einer
als Oberstkommandirender das ganze Korps leitete, während jeder der
fünf anderen als Hauptmann über 1000 eine Abteilung von 700 quirites
und 300 rorarii, die gesamten Dienstpflichtigen von stets derselben
Sechszahl Kurien, unter seinem Befehle hatte. Um die Aushebungsdi-
strikte dieser Bataillone zu bilden, mufste Servius Tullius die Kurien
zweier Kohorten ständig zusammennehmen und drei Paar solcher Kurien,
je ein Paar aus einem Gau, zu Untergauen (tribus) zusammenfügen, deren
Verbindung ein Ebenbild der Hauptgaue und denselben ganz ähnlich
war. Doppelkurien dieser Art waren die 15 ältesten, gentilicische Namen
tragenden und das ganze Grundgebiet der Ramnenses, Titienses und
Luceres umfassenden tribus rusticae.
Das Bataillon der sechs Kurien löste sich dann wieder in die
zwei Kohorten auf, an deren jede sich die Reiterabteilung derselben
drei Kurien anschlofs. Auch die Kohorte hatte sechs Offiziere, deren
sechster im Range über die ganze Truppe gesetzt war, während jeder
der fünf anderen über eine Ceuturie von 70 quirites und 30 rorarii ge-
bot. Von den Quirlten hatte die erste Klasse 600 triarii zu liefern, das
Elitekorps der am schwersten Bewaffneten, welche als Reserven in der
Nachhut standen oder zur Bewachung des Lagers zurück blieben. Die
übrigen, autepilani. waren sämtlich principes; da jedoch die der vierten
Klasse nicht bemittelt genug waren, um sich eine Waffenrüstung zu ver-
schaffen, und deshalb ohne irgend welche Leibesbedeckung fochten, wur-
den sie von den übrigen principes als die Vorhut der (nudl) hastati
unterschieden. Da ihre Zahl mutmafslich auf 1200 bestimmt war, blie-
ben für die Wehrpflichtigen der zweiten und dritten Klasse 1700 übrig,
welche im Verhältnis zu ihrer vermutlichen natürlichen Stärke in 750
und 950 zu verteilen sind. Nach diesem Mafsstabe zählte in der Le-
gion des Servius Tullius mit stufenweisem Aufsteigen der Kontingente
nach der Reihe 3, 4, 5, 6, jede Centurie 12 triarii, 15 principes der
zweiten, 19 der dritten Klasse, 24 hastati und 30 rorarii. Indem er
seine Streitkräfte um sieben quirites auf drei rorarii verstärkte, mufste
von ihm nicht allein der ganze Heerbann, sondern zugleich jede seiner
Unterabteilungen, Legion, Bataillon, cohors, centuria zu einer Mehrzahl
der Grundzahl 7 + 3 gemacht werden. Da nun, um sie durch drei zu
teilen, auf die 5000 ein Mann fehlte, hatte abwechselnd in der Cohors
die dritte Kurie, in der Legion der dritte Gau einen princeps der
dritten Klasse weniger. Abgesehen von dieser kleinen Unregelraäfsig-
keit war nach der Formel 3 (4 + 5 +6 Va + 8 f 10) die Centuria aus
Jahresbericht für Aherthumswissenschaft LH (1887. UI.) 3
34 Römische Staatsaltertümer.
gleich viel Ramnenses, Titienses und Luceres von jeder Klasse zusammen-
gesetzt.
Die Grundzüge dieser Organisation sind niemals verschwunden.
Nominell stets .5000 oder mit Sappeurs und Musikanten .5200 stark,
hatte in dem Jahrhundert des Polybios die Legion meist eine Effektiv-
stärke von 4200 römischen Wehrpflichtigen, und die Reform derselben
bestand hauptsächlich darin, dafs man mit der einen Hand die 1500
unbrauchbar gewordenen rorarii abgeschafft und mit der andern die
Pikeniers um 700 vermehrt hatte. Die selbständigen Kontingente der
Klassen waren nach der Einführung des Dienstes um Sold verschwunden,
obschon trotzdem die allgemeine Wehrpflicht aufrecht erhalten wurde,
den Vermögenslosen oder Nicht-Freigeborenen der Dienst in der Legion
entzogen blieb, die Unbemittelten den niedrigsten Rang nicht über-
schreiten durften und die Meistbegüterten über dem Waffenrock ein
teures Panzerhemd trugen. Polybios schreibt dieser Legion 600 triarii,
1200 principes, ebenso viele hastati und eine gleiche Anzahl velites zu.
Da die letzteren leichte Truppen waren und man die triarii um ihrer
besonderen Bestimmung willen als ein Korps für sich betrachtete, be-
stand die Hauptmacht aus den principes und hastati. Das Bataillon
hatte ferner stets seine zwei Kohorten und die Kohorte, an welche sich
eine der Reiterabteilungen anschlofs, ihre sechs Centurionen. Nimmt
man nun wegen der allgemeinen Erhöhung um 700 an, die Pikeniers-
Centurie sei auf 120 gestiegen, die Ziffer der zu dem Bataillon gehören-
den triarii, so hatte nach Abstofsung der rorarii die Legion 35 solche
Abteilungen, manipuli, übrig behalten und bestand die cohors aufser aus
einem ordo oder einem halben Mauipel Triariern aus zwei manipuli
principes und hastati mit einem dazugehörigen manipulus velites. Ob
man sich dann die principes um 500 vermindert denkt und für die 1500
rorarii 1200 velites an die Stelle getreten oder umgekehrt die velites
als Ersatz der früheren hastati, deren Bezeichnung auf die ehemaligen
principes der dritten Klasse übergegangen war, so dafs die ganze Er-
höhung den principes zugute kam , stets bekommt man das Verhältnis
600 1700 (+ 700) 1200, welches für die Bestimmung der Kontingente
der vier Klassen nach dem Plan des S. TuUius benützt wurde.
Jeder Manipel hatte sein Feldzeichen, und da nicht schon die
Kohorte . sondern nur das Bataillon einen ganzen Manipel der Triarier
hatte, war das Feldzeichen dieses Manipels die Bataillonsfahne. Ob-
gleich die Triarier in der Kohorte nur einen ordo, in rechtes und linkes
pilum geteilt, bildeten, wurden dennoch aus ihnen zwei der sechs
Offiziere erwählt, von denen der eine, primus pilus, der Kapitän der
Kohorte, der andere, als sein Lieutenant (subcenturio), der Führer der
triarii der Kohorte war. Die Bataillonsfahne war bei dem ordo der
triarii der ersten cohors und der primus pilus dieses ordo war der
Major oder erste Offizier des Bataillons. Solcher primi ordines hatte
B. Staatsgewalt. 2. Dio Bürgerschaft. 35
die Legion fünf, und sie werden als höchste im Range von den übrigen
Centurionen unterschieden.
Aus dem Fähnlein der principes und ebenso aus dem der hastati
der Kohorte wurden gleichfalls zwei Offiziere angestellt, einer als Haupt-
mann {ro.iiapyog) des Manipels, der andere als Unterbefehlshaber des
zweiten ordo, ohoayüq. Der eine Hauptmann mit seinem Lieutenant
führte das vexillum des rechten, das andere Paar das des linken Flügels
der Kohorte. Ein jeder Flügel umschlofs also die zwei ordines der
principes und hastati mit hinzutretendem ordo der velites, welche mit
denen des anderen Flügels die cohors ohne ihre triarii ausmachten.
Auf jeden ordo, aufser dem der velites, in solchem vexillum kam danach
ein ductor; daher der Ausdruck ordinem ducere für den Dienst als cen-
turio. Das vexillum, in Rotten aufgestellt oder in der Tiefe, bestand
danach aus drei gemischten ordines , und jeder dieser ordines hatte
sechs Glieder von zehn Mann in der Front mit dem Flügelmann (de-
canus) als Unteroffizier, je zwei velites, hastati und principes. Hinter
ihnen stand ein einziges Glied der Triarier. Jeder Flügel der Kohorte
zeigte somit drei gemischte Abteilungen von 70 Mann, so dafs die
Centurienzahl von 50 auf 60 gestiegen war und nun in den drei Ma-
nipeln der Kohorte auch ihre triarii inbegriffen waren.
Die sechs Centurien der Kohorte gruppierte man nach den Ma-
nipeln in drei Paaren, prior und posterior; das erste Paar hatte den
primus pilus nebst Lieutenant zu Centurionen, das zweite den primus
princeps prioris centuriae mit Lieutenant, das dritte den primus ha-
status prioris centuriae und Lieutenant. Ob man also die triarii von
den übrigen trennt oder nicht bezw. die Kohorte in ordines oder in
centuriae einteilt, ändert nichts: die Notiz des Cincius (Gell. N. A. 16,
4, 6) beweist, dafs die taktische Einheit des servianischen Heerbannes
eine aus 70 quirites und 30 rorarii zusammengesetzte centuria gewesen
ist. Auch wenn man die Effektivstärke auf die nominale von 5000 Mann
brachte, hatte dies keinen Einflufs auf die Zahl der triarii, welche unter
allen Umständen 600 Mann betrug. Daraus läfst sich bei dem Haften
am Alten, welches die Römer kennzeichnet, schliefsen, dafs auch dies
auf Servius Tullius, den Stifter der Legion, zurückzuführen ist, und dafs
die Grundzüge der Servianischen Einrichtung auch nach dem Kriege
mit Hannibal keineswegs verloren gegangen, im Gegenteil bei Polybius
und Cincius noch erkennbar sind.
Polybius braucht zdyjj.a und ar.zipa für Kohorte , arjiJ.aia dagegen
bisweilen = manipulus, bisweilen = ordo. Zum Teil werden die da-
durch herbeigeführten Irrtümer durch Liv. 8, 8 beseitigt;, aber im Ganzen
mufs letztere Beschreibung, wo sie von der des Polybius abweicht, un-
beachtet bleiben. In die Grundzüge der durch Servius Tullius festge-
stellten Organisation der wehrpflichtigen Bürgerschaft brachte der Ge-
winn neuer Bezirke auch später keine Veränderung.
3*
36 Römische Staatsaltertümer.
Die Wahl der Anführer (praetores) hatte die gesamte dienst-
pflichtige Bürgerschaft seit Einführung des Konsulats; bei der Ausübung
des Wahlrechts trennte man zwei Gruppen von 7o und 30 Centurien,
d. h. Phalanx und rorarii und gewährte den ersteren eine doppelte
Stimme. Ihre 70 Stimmen wurden nämlich zweimal abgegeben, erst
durch die Elite des Korps, die triarii der ersten Klasse, und hernach
noch einmal von ihren Kameraden, den principes und hastati der drei
folgenden Klassen zusammen und ungesondert. Durch diese Verdoppe-
lung der Stimmen der Pikeniers wuchsen die 123 Compagnieen des
Heerbannes in den Komitien zu 193 Stiramkörpern an.
Die Entwickelung der Rechte der Comitia centuriata aus diesem
militärischen Charakter bietet kaum Neues. Im Verlaufe der Zeit mufste
die Bevorzugung der Phalanx bei der Abstimmung aufhören. Man be-
hielt zur Auszeichnung des Adels und der Eitterschaft als besonderer
ordines die 18 Reitercenturien als erstes Glied bei, und ebenso als
letztes »das allgemeine Stimmbureau der proletarii«. Das zweite und
dritte Glied liefs man verfallen, abgesehen von den 70 Centurienpaaren
aus den juniores und seniores. In jeder Tribus errichtete man ein Paar
dieser Stimmbureaux, worin man von nun an alle Bürger der fünf
Klassen ihr Bürgerschaftsrecht ausüben liefs. Obwohl nuu diese Tribus-
centurien alle Stimmberechtigten der fünf Klassen in ein und derselben
Tribus enthielten, stimmte doch jede Klasse besonders, also jeder Bürger
nach seinem Distrikt, seinem Alter und seiner Klasse. Jede Tribus-
ceuturie war danach geteilt in fünf Unterabteilungen oder Klassencen-
turien, und auch diese Abteilungen rechneten als Stimmeinheiten. Die
Klasseucenturien waren untereinander koordiniert, und die Stimme der
Tribuscenturie wurde nach der Einstimmigkeit von drei Abteilungen
festgesetzt. Durch diese Reform von 513 wurde das Übergewicht der
gemäfsigten und begüterten Bürger gesichert. Denn waren in der Ab-
teilung der fünften Klasse z. B. 1600 und in der der ersten 100 Wähler
erschienen, so warfen 51 der letzteren ebenso viel Gewicht in die Wag-
schale als 801 der ersteren.
Den Widerspruch zwischen Cicero einer- und Livius und Dionysios
anderseits erklärt der Verfasser dadurch, dafs er annimmt, ihre Angabe
gehe auf einen gemeinschaftlichen Berichterstatter zurück, der die zwei-
mal 70 Pikeniersstimmen falsch verteilt hatte. Er begriff nicht, da zu
seiner Zeit die Klasseucenturien streng geschieden waren, dafs in den
ehemaligen zweiten 70 Centurien die drei Klassen ausnahmsweise unter-
einander gemischt gewesen waren, und indem er sie zu trennen ver-
suchte, mufste er einer jeden Klasse 20 Stimmen und die zehn über-
schiefsenden, mit denen er sonst nichts anzufangen wufste, der ersten
Klasse zuteilen.
Unzweifelhaft sind manche Aufstellungen dieses Kapitels berück-
sichtigenswert. Aber zu viel Willkür herrscht sicherlich in den Zahl-
B. Staatsgewalt. 2. Die Bürgerschaft. 37
Verhältnissen der Legion und ihrer Teile, wofür sich kein Anhalt in der
Überlieferung findet; ebenso in dem Verhältnisse zwischen den Heeres-
abteilungen und den Klassen und Centurien der Volksversammlung.
Im zweiten Kapitel wird das Verhältnis von Titienses, Ramnenses
und Luceres untersucht. Der Verfasser geht von der arischen Volks-
einteilung: Krieger, Priester, Handwerker aus und findet die zweiten
in den Titienses, die ersten in den Ramnenses und die Handwerker in
der plebs. Die patres der Stämme waren die geborenen Regenten, und
von den Häuptern der beiden Stämme wird die Gemeinde regiert.
Diese Thatsache spiegelt sich in den poetischen Phantasiegestalten der
vier ersten Könige ab. Auf dem mons Capitolinus haben die Titienses,
auf dem mons Palatinus die Ramnenses ihr Lager. Ein Lucerer, ein
etruskischer Kriegsfürst läfst sich auf dem Caelius nieder und unterwirft
sich die benachbarte Gemeinde. Er zwingt die Titienses und Ramnenses
seinen Kriegsadel, die Luceres, in ihren Verband aufzunehmen. Die re-
ligiösen und bürgerlichen Einrichtungen der Gemeinde erfahren dabei
keine wesentliche Veränderung. Namentlich in die Organisation der
patres bringen die Luceres, eine Verstärkung des ritterlichen Bestand-
teils der Ramnenses, keine Störung; sie sinken vielmehr, sobald die
Gemeinde sich der Fremdherrschaft wieder entreifst, zum Range von
patres rainorura gentium herab. Dieser Lucerer hiefs Vibenna und wurde
nach seiner Heimat' Tarquinius, nach dem Ort seiner Niederlassung
Coelius und im Gegensatz zu Superbus der Alte (Priscus) genannt. Nach
Vibenna bemächtigte sich sein Lieutenant von niedriger Geburt der Ge-
walt und spielte wiederum den patres gegenüber den strengen Meister.
Tarquinius Superbus, der Erbprinz aus dem königlichen Geschlechte der
Luceres, bringt ihn zu Falle. Gegen ihn empören sich die Römer, und
seine Vertreibung verwickelt sie in Krieg mit den Latinern, mit Veji
und schliefslich mit Porsina, welcher sie zu dediticii macht, einer
Schätzung unterwirft, Geiseln stellen läfst und des Waffenhandels be-
raubt. Die konsularische Regierungsform kann erst eingerichtet worden
sein, als die Römer sich wieder von den durch Porsina erhaltenen
Schlägen erholt hatten. Das Zweimännerkollegium weist darauf hin,
dafs damals die Luceres zurückgesetzt und die Macht wieder in die
Hände der Häupter der Titienses und Ramnenses gebracht wurde. Weder
die Stellung des Brutus noch die des Publicola ist beglaubigt. Die
Plebeier gelangen erst in den Senat, als sie in der Eigenschaft von
Kriegstribuuen oder Konsuln dort Zutritt fanden; die patres minorura
gentium der ersten Konsularepoche sind die degradierten Luceres ; sie
standen in den Augen der patres der Titienses und Ramnenses zwar in
militärischer Hinsicht, nicht aber in religiöser gleich. Symbolisch wird
dies Moment der Erniedrigung der Luceres durch die Episode von
Collatinus ausgedrückt. Ist schon diese spätere Zeit durch eine ten-
denziöse Geschichtsfabrikation bis zur Unkenntlichkeit entstellt, so gilt
38 Römische Staatsaltertümer.
dies iü Doch viel höherem Mafse von der früheren. Aus der früheren
Kriegsgeschichte ist der historische Kern der, dafs der Sitz der Ge-
meinde von Alba Longa nach den Ufern des Tiber verpflanzt ist und
die Titienses ' trotz ihres heftigen Widerstrebens durch die Ramnenses
zu dieser Übersiedelung gezwungen sind. Im populus Ronianus Quirites
steht Quirites gegenüber Romanus, nicht als plebs gegenüber patres,
sondern als Phalanx gegen die Reiterei, die selbst zu zweidrittel aus
den plebeiischen posteriores bestand , während nach dem Vorbilde des
L. Tarquinius nichts aufser dem guten Ton einen Patricier bei der
Phalanx zu dienen verhinderte. Hierauf baut die Legende der Titienses.
Zusammen mit der Phalanx werden sie als der edelste Teil des Volkes
den Ramnenses und den Bundesgenossen derselben, den Luceres, gegen-
übergestellt. Die latinische Herkunft der Titienses, obschon eine uralte
Erfindung, ist nicht von besserem Gehalte als die trojanische. Der Unter-
schied von patres und plebs hatte seinen Grund in den religiösen Ein-
richtungen der arischen Gemeinde. Die Eigenschaft von Mitbürgern
haben die patres niemals den Plebeiern bestritten. Sie betrachteten sie
vielmehr als das Volk, dessen geborene Regenten sie waren, auspiciorura
causa. Der Rechtsgrund ihrer Vorrechte fällt dahin, wenn man die re-
ligiöse Wichtigkeit wegdenkt, welche der Volksglaube an die gentilicischen
Sacra heftete.
3. Die coraitia curiata. Mit Recht geht der Verfasser von
der Annahme aus, dafs die Curien Unterabteilungen des ganzen Landes,
nicht specifisch patrizische Einrichtungen waren; sie sind ihm rein geo-
graphische Unterabteilungen der drei Gaue, Distrikte für administrative
Zwecke. Ursprünglich war ein jeder in einer Kurie angesessen und
einheimisch, und zwar da, wo er sein Grundstück liegen hatte. Die
Comitia curiata vertraten also die ganze Gemeinde, die aber mit Gesetz-
gebung und Wahlen noch sehr wenig zu thun hatte, wie dies in der
Kindheit jeder Gesellschaft natürlich ist. Die comitia curiata, welche
zu bestimmten Zeiten stattfanden, hiefsen comitia calata. Die Kurien
konnten keinen Beschlufs fassen, wenn ihnen nicht der Vorschlag von
den Häuptern der Gemeinde vorgelegt wurde. Die lex curiata de im-
perio entstand aus der Sitte, dafs der Anführer, bevor er ausrückte,
die Unternehmung kirchlich einsegnen und bei Übernahme des Kom-
mandos sich von den Männern in Waffen und ihrem Gefolge der Wei-
sung der Priester gemäfs huldigen liefs. Die Plebs hatte in den Kurien-
versammlungen nichts zu sagen; sie bestand aus willfährigen Handlangern
und hungrigen Bettlern. Die sakrale Bedeutung der Kurienversammlung
führt der Verfasser an der Testamentseinsetzung und der Arrogation
durch; ihre bedeutendste That war aber die Verleihung der Auspicien.
Die Notiz des Dionys. 6, 89; 9, 41; 10, 4, wonach die Volkstribunen
bis zum Plebiscit des Publilius Volero in Comitia curiata, seitdem in
comitia tributa gewählt wurden, erklärt der Verfasser so, dafs Volero
B. .Staatsgewalt. 2. Die Bürgerschaft. 39
die Stadtquartiere als stininicude Glieder zugelassen uud damit das
Stimmrecht vom Grundbesitz losgemacht und zu einem allgemeinen ge-
staltet habe, während vorher die Eingesessenen aller 17 tribus zuge-
lassen waren.
4. Auctoritas patrum. Man versteht darunter den Akt, durch
welchen der patricische Senat zu einer bestimmten Handlung seine Zu-
stimmung gab, womit er dann die moralische Verantwortung übernahm.
So lang der Senat rein patricisch blieb, waren Senatsbeschlufs und ße-
schlufs der patres synonym; sobald er durch die Teilnahme der Plebeier
Beamten Versammlung wurde, mufste die auctoritas von seinen patricisch en
Mitgliedern ausgehen. Dieselbe kam vor 1. bei den comitia centuriata.
In der patricischeu Regierung ist es nicht denkbar, dafs der Konsul
ohne vorheriges Einverständnis mit dem Senat irgend einen erheblicheren
Antrag an die Komitien brachte. Der Übergangszeit gehört der Antrag
des Publilius Philo an »ut legum etc. ante iuitum suflfragiura patres auc-
tores fierent«. Derselbe gab thatsäcblich der jetzt für die Aktiousfreiheit
der Konsuln hinderlichen Institution eine Wendung, wodurch sie prak-
tisch unschädlich wurde. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit beim Fehlen
der auctoritas wurde nicht aufgehoben. Es wurde aber unmöglich, dafs
man sich jemals auf sie berufen konnte, indem die patres verpflichtet
wurden, ob sie wollten oder nicht, vor der Beschlufsfassuug ihre auc-
toritas zu verleihen. 2. Bei dem Plebiscit. Einen noch tötlicheren
Schlag versetzte dieser Diktator den patres durch sein Gesetz: »ut ple-
biscita omnes Quirites tenerent«. Das Plebiscit verpflichtete zunächst
nur die plebs; erst mit senatus auctoritas konnte es Gesetz für den po-
pulus werden. Das Gesetz Philos führte das Princip ein, dafs ein
Plebiscit ohne vorgängige auctoritas angenommen werden konnte, nur
dafs es, in der Erwartung hinterher erteilter auctoritas, inzwischen
lediglich als eine auf die plebs beschränkte Verordnung gelten solle.
Das Plebiscit hatte das allgemeine Interesse zum Gegenstande und setzte
gemeines Recht nur mit Entbindung einer kleinen Minderheit. That-
säcblich kam jetzt die auctoritas, obschon zuweilen nur zögernd, hinter-
her. Erst durch die lex Hortensia erlangte das Plebiscit allgemein
verbindliche Kraft. 3. Bei den comitia curiata. An die auctoritas bei
den comitia curiata wagte sich Philo nicht heran, da er sich hier auf
den Boden der Religion begeben hätte; denn selbst bei Verweigerung
der auctoritas für die lex de imperio wurden religiöse Gründe geltend
gemacht. Erst als 582 beide Konsuln Plebeier waren, wurde die auc-
toritas patrum auch für die lex de irap. zu einer blofsen Formalität.
Die lex Maenia bestimmte, dafs künftig die auctoritas patrum für die
lex curiata gewährt werden solle, bevor die Wahl stattgefunden habe.
5. Lex censoria. Die auf die Ernennung der Censoren folgende
lex centuriata, gemeinhin lex censoria genannt, hat mit der lex curiata
de imp. nichts gemein. Sie verfügte die Ausschreibung des Census und
40 Römische Staatsaltertümer,
hatte, wenn gleich lediglich Formalität, soweit es die Gutheifsung durch
die Volksversammlung betraf, einen wichtigen Inhalt, da sie eine Reihe
organischer Bestimmungen enthielt. Für magistratus minores bestand
keine lex curiata. Gegen diese letztere Behauptung spricht manches;
sie kann noch nicht für erwiesen gelten, namentlich da der Begriff der
magistratus minores schwankt.
fimile Morlot, Les comices electoraux ä Rome sous les reis et
sous la republique. Paris 1884.
Der Verfasser erörtert im ersten Kapitel den Ursprung der Stadt.
Eigentümlich sind hier folgende Ansichten. Die Gentilen sind am An-
fange der römischen Geschichte diejenigen Personen, welche man später
in nicht freigeborenen Familien Agnaten nennt; später bezeichnet man
mit diesem Ausdrucke alle Glieder ein und derselben bürgerlichen Fa-
milie ohne Rücksicht auf ihren Ursprung, Alle gentes setzen das Bürger-
recht voraus, und wenn eine Familie Aufnahme unter die gentes Ro-
manae findet, erlangt sie damit das römische Bürgerrecht. Alle später
hinzugekommenen Bewohner Roms haben nicht das Bürgerrecht, bis sie
Servius TuUius in den Staat aufnimmt; erst da setzt sich eine gesetz-
liche Unterscheidung . zwischen den beiden Ständen fest. Die Altbürger
sind die Patricier, die Bürger aus der Zeit des Servius die Plebeier.
Klienten und Plebs sind verschiedene Dinge. Die Klientel ist eine ur-
alte italienische Einrichtung und von den Einwanderern nach Rom mit-
gebracht; die Zahl der von Hause mitgebrachten Klienten wurde ver-
mehrt durch Eingeborene, deren Land okkupiert wurde, durch Einwan-
derer, welche diese Stellung ihrer Isoliertheit vorzogen, endlich durch
die Freilassung von Sklaven, deren Stellung infolge der Freilassung
eine andere als zur Zeit der Republik und ungefähr die der Klienten
war. Dieser politische Charakter der Klientel ging mit Servius verloren
und es entwickelt sich au seiner Stelle ein Schutzverhältnis. Bezüglich
des Ursprungs der Plebs schliefst sich der Verfasser Niebuhr an; auch
ist er der Ansicht, dafs in der älteren Zeit dieselbe keinen Teil des
römischen Volks bildete; sie durfte nicht einmal in der Stadt auf dem
Palatin wohnen, sondern war auf den Caelius und den Raum zwischen
Kapitol und Aventin beschränkt. Vermehrt wurde die Zahl der Plebeier
durch Überführung der Bevölkerung eroberter Städte nach Rom und
durch fremde Zuwanderer. Nachher suchen die Könige bei ihr eine
Stütze und bestreben sich, ihr das Bürgerrecht zu verschaffen.
Im zweiten Kapitel werden die Kuriatkomitien behandelt. In einer
längeren Polemik sucht der Verfasser gegen Mommsen zu erweisen,
dafs es in den Kuriatkomitien nur Patricier, nie Plebeier gegeben hat.
Ich will dem Verfasser nicht in seine Beweisführung folgen, aber ein
Irrtum ist so grob, dafs ich ihn nicht übergehen kann. Er meint, es
sei doch gar nichts Wunderbares dabei, dafs die Patricier ihre Ver-
B, Staatsgewalt. 2. Die Bürgerschaft. 41
sammlungea nur für sich behalten und den Plebeiern keinen Zutritt ge-
währt hätten, da auch die Plebeier ihre eigenen Versammlungen gehabt
hätten. Mit dem kleinen Unterschiede, dafs nach der Überlieferung die
Kuriatkomitien Beschlüsse für den gesamten Staat, die concilia plebis
nur solche in Sonderaugelegenheit der Plebs fafsten. Ebenso ist seine
Behauptung, dafs nur Patricier und Klienten den populus bildeten,
eben — Behauptung. Und von diesem populus hatten nur die Patricier
Stimmrecht, während die Klienten nur eine berateude Rolle spielten!
Der Verfasser raüfste doch irgendwo iu der Welt einmal eine Einrich-
tung finden, iu der ein rechtloser Bevölkerungsteil beratende Thätigkeit
übte. Der Patron konnte nach des Verfassers Meinung die Ansicht der
Klienten einholen, aber er allein stimmte. Je patriarchalischer man sich
die Dinge denkt, desto unmöglicher erscheint eine solche Einrichtung.
Die Berufung durch den rex sacrorum stellt der Verfasser als das Ge-
wöhnliche dar; es war höchstens eine seltene Ausnahme; denn in allen
Fällen, wo sich's um passive Assistenz handelte, berief sie der pontifex
maximus, in denjenigen, wo die lex de imp. gegeben werden sollte, der
Konsul oder Diktator. Das Recht der Königswahl vindiciert der Ver-
fasser den Kuriatkomitien mit grofser Entschiedenheit; ja er weifs ganz
bestimmt, dafs in der Verfassung die Monarchie nicht erblich war, son-
dern einfach auf einen anderen Gewählten überging. Ob diese Frage
sich so leicht entscheiden läfst? Der Verfasser thut bisweilen, als ob
er der Überlieferung gegenüber sehr skrupulös sei. Warum hat er sie
in dieser Frage nicht beachtet und zwischen später Konstruktion und
den Spuren alter Zustände geschieden?
Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Centuriatkomitien. Der Ver-
fasser wendet sich gegen die Ansicht, dafs Servius blofs eine militärische
Reform durchgeführt habe; die Gründe sind weder neu, noch beweis-
kräftig. Die sex suffragia waren nach des Verfassers Ansicht rein pa-
tricisch und öffneten sich erst mit dem Senate den Plebeiern (Mitte des
vierten Jahrb.), und auch dann nur den Söhnen plebeischer Senatoren.
Im Kapitel 4 werden die Tributkomitien dargestellt. Aus der
wenig Neues bietenden, aber gut zusammenfassenden Darstellung will
ich nur wenige Punkte herausheben. Der Verfasser erklärt sich für den
persönlichen Charakter der Tribus, indem er namentlich die Befugnis
der Censoren betont, aus einer Tribus in die andere zu versetzen. Aber
diese Befugnis charakterisiert sich ja gerade als Ausnahme und würde
lediglich die Regel bestätigen. In der Tribus, in der man Grundbesitz
besafs, konnte man ein einflufsreicher Mann sein, sicherlich war man
darin bekannt. Alles dieses fiel weg, wenn mau zur Strafe in eine ver-
setzt wurde, in der man nichts besafs und infolge davon kein Ansehen
und keinen Eiuflufs erlangen konnte. Wenn der Verfasser die Notiz,
dafs die Tribunen ursprünglich in Kuriatkomitien gewählt wurden, ver-
wirft, so bleibt er sich konsequent; aber er hätte sich nicht verhehlen
42 Römische Staatsaltertümer.
sollen, dafs er genau den Fehler macht, den er so oft Mommsen vor-
wirft, dafs er gegen die Überlieferung handelt und im Cirkel beweist;
denn er sagt, diese Notiz kann nicht richtig sein, weil die Plebeier nie
in den Kurien waren. Das ist aber doch mindestens eine Streitfrage,
und der Verfasser hat bei weitem dieselbe nicht entschieden. Übrigens
hat er. Momrasens Ansicht über die Wahl der Tribunen in concilia plebis
nicht verstanden. Zwischen comitia tributa und concilia plebis erkennt
er keinen Unterschied an. In beiden hatten Patricier und Plebeier ganz
gleiche Rechte. Aber die Patricier wohnten anfangs den Tribusversamm-
lungen nicht bei, und die Tribunen konnten sie nicht zur Teilnahme
zwingen, sowenig als sie sie ausschliefseji konnten. Erst als in den
Tribusversammlungen feindliche Tendenzen gegen das Patriciat sich
geltend machten, begannen die Patricier denselben anzuwohnen; sie
konnten es, weil sie auch Mitglieder der Tribus waren. Erst durch die
lex Valeria Horatia von 449 erhalten die Tribusversammlungen eine an-
erkannte Thätigkeit; sie heifsen jetzt comitia tributa; aber beide Aus-
drücke concilia plebis und comitia tributa sind vollständig synonym und
bedeuten die Volksversammlung, Patricier und Plebeier, die nach Tribus
stimmen. Diese ganze Partie ist eine der besten im ganzen Buche.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Reform der Centuriat-Komitien,
die nach des Verfassers Ansicht demokratischen Charakter hat. Bezüg-
lich der Censussummen schliefst er sich Belot an.
Im sechsten Kapitel wird die Kompetenz der W^ahlversammlungen
dargestellt nach den Magistraten, die gewählt wurden, und nach den
Befugnissen der einzelnen Versammlungen zu diesen Magistratswahlen;
alle diese Dinge sind bekannt und werden nur in praktischer und klarer
Weise zusammengestellt. Ebenso wenig bietet der dritte Abschnitt
über die Wählbarkeit zu den verschiedenen Ämtern und der vierte
über Stimmenkauf und die Befugnisse der Komitien -Präsidenten irgend
etwas Neues.
C. Die Staatsverwaltung.
1. Organisation des Reichs.
Alois vonBrinz, Zum Begriff und Wesen der römischen Pro-
vinz. Festrede. München 1885.
Die Folge der devictio d. h. der vollendeten Niederwerfung im
Kriege ist für den Besiegten die Sklaverei und der Verlust seiner Habe
an den Sieger. Die erstere Folge wird abgewandt durch deditio d. h.
zuvorkommende Ergebung; die dediticii behalten persönliche Freiheit,
verlieren aber ihr Eigentumsrecht. Die Freiheit, der dediticii ist die
schlechteste; sie wurden blofs unter die römische Botmäfsigkeit, nicht
in die römische Civität aufgenommen, blieben also peregrini; weil sie
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 4,3
der römischen Botmäfsigkeit rechtsförmlich unterworfen waren, hatten
sie auch nicht den Schein der Selbständigkeit, welcher den föderierten
Peregriuen gewahrt blieb; selbst über ihren Grund und Boden, wenn
er ihnen zurückgegeben war, mufsten sie den populus Romanus als
Herrn und Eigentümer gelten lassen und durch Steuern und Abgaben
anerkennen. Die Föderation ist dem Wortlaute nach keine Unterwerfung;
selbst das »ungleiche Bündnis« wahrt dem Genossen seine souveräne
Selbständigkeit. Allein auch das «gleiche Bündnis« wird zur Unter-
thänigkeit, wo dem gleichen Bündnisse nicht die gleiche Macht entspricht.
Beweis dafür ist, dafs alle Bundesgenossen, welche Rom in und aufser
Italien an sich angeschlossen hatte, im Laufe der Zeit dem römischen
Reiche einverleibt wurden. Von einer italischen Eidgenossenschaft kann
man nicht reden, da die verbündeten italischen Städte wohl alle mit
Rom, nicht aber unter einander verbündet waren und Rom wohl mit
allen gegen jede einzelne, nicht aber jede einzelne mit allen anderen
gegen Rom stand. Unter Reception versteht man die Aufnahme in die
römische Bürgergemeinde, unter Deduktion die Aufnahme in die Kolonieen;
bei der ersteren werden bisher latinische oder schlechthin peregrinische
Gemeinden in den populus Romanus aufgenommen, bei der zweiten
Bruchteile der römischen Gemeinde aus dieser räumlich ausgeschieden.
Reception und Deduktion sind übrigens eine ganz andere Propagation
der römischen Herrschaft als Deviktion und Dedition, ja selbst als Föde-
ration ; durch diese wird das Territorium und die Masse der Unterthaneu
vergröfsert; durch jene wächst umgekehrt das herrschende Volk und
die Befestigung seiner Macht.
Das Wesen der Provinz ist nicht in einer besonderen, bisher noch
nicht genannten Form der Unterwerfung zu suchen. Deviktion und De-
dition haben der Römerherrschaft in den nachmaligen Provinzen genau
so Bahn gebrochen, wie in Italien; föderierte, recipierte und deducierte
Gemeinden und Städte giebt es dort genau so wie in Italien. Aber
nicht nur die Wege, auf denen Rom über Italien und die Provinzen zur
Herrschaft gelaugte, und die Unterschiede der Aktiv- und Passivbürger-
schaften mit ihren Abstufungen sind hier und dort dieselben gewesen;
auch sonst waren Land und Leute in den Provinzen von denen in Italien
nicht wesentlich verschieden.
Als Bestandteile des jus italicum werden seit Savigny gewisse
Qualitäten des Bodens betrachtet; der italische Boden ist steuerfrei,
und er ist dem quiritischen,* wir können sagen dem vollen Eigentum zu-
gänglich. Ebenso sicher ist der Provinzialboden stipendiarisch oder
tributär und Gegenstand einer Art geteilten, dem populus Romanus als
Obereigentümer unterworfenen Eigentums. Man hat nun die Steuer-
freiheit aus dem Volleigentum folgern und so wenigstens der Steuer-
freiheit des italischen Bodens den Anschein innerer Notwendigkeit geben
zu können vermeint; dadurch wird das Gegenteil der Steuerfreiheit von
44 ßömische iStaatsaltertümer.
selbst zum Attribut von Provinzialboden, denu solcher ist ja nicht voll-
eigen. Aber zwischen Steuer und Steuer ist ein Unterschied. Die eine
Art wurzelt im Eigentum, hat die Natur eines Pachtzinses und ist mit-
hin eine nur bei geteiltem Eigentum denkbare, dem Volleigen unmöglich
aufliegende Last. Diese Steuer kann man mit dem in geteiltem Eigen-
tum stehenden Provinzialboden, die Freiheit von ihr mit dem im Voll-
eigentum der Bürger stehenden italischen Grund und Boden in Zu-
sammenhang bringen. Die andere dagegen wurzelt in der Staatshoheit
und ist ein munus d. h. eine Leistung, die dem Einzelnen im Interesse
der Gesamtheit von den Machthabern auferlegt wird. Von dieser ist
principiell keine Person, kein Boden und kein Eigentum ausgenommen;
von ihr ist Italien Jahrhunderte lang belastet, von Rechtswegen wohl
niemals frei gewesen, da das tributum wahrscheinlich nur seit dem make-
donischen Kriege geruht hat und von Hirtius und Pansa lediglich dessen
Erhebung wieder befohlen worden ist. So wenig wie von dieser publi-
cistischen Steuer ist aber Italien von der anderen privatrechtlichen
grundsätzlich frei gewesen. Freilich die Republik hatte, nachdem durch
die agrarische Gesetzgebung der ager publicus bis aufs letzte aufgeteilt
war, in Italien keinen Bodenzins mehr zu verlangen. Allein es gab Ge-
meinden, Stiftungen und Korporationen, deren Grundeigentum in ähn-
licher Weise wie das stipendiarische und tributarische Grundeigentum
des Staates in den Provinzen gegen Bodenzins ausgethan war; vor der
Aufteilung der italischen Staatsländereien aber waren diese gröfstenteils
auch gegen vectigal verliehen und so gewissermafsen auch stipendiarisch
gewesen, nur dafs dieses tributum nicht eingehoben wurde — ähnlich
wie das andere. Es mufs aber auch in Italien dediticische Ländereien
gegeben haben, und Spuren davon finden sich Liv. 8, 11; Tac ann. 11, 22.
Wenn dieselben nicht zahlreicher sind, so erklärt sich dies teilweise
daraus, dafs in Italien mehr Land schlechthin eingezogen, in den Pro-
vinzen überwiegend mehr an die alten Besitzer zurückgegeben wurde.
Die Annahme, dafs es in Italien niemals stipendiarischen, an den po-
pulus Romanus zinspflichtigen Boden gegeben habe, wird durch die
Feldmesser widerlegt, welche den Boden nach seiner rechtlichen Qua-
lität sortiert haben.
So wenig aber wie das italische trug das provinziale Erdreich
eine Eigenschaft an sich, die es mit was immer für einer Bodenart
(agrorum conditio) unverträglich machte. In der ersten Kaiserzeit war
aller Provinzialboden stipendiarisch ; dies läfst sich aus Columella v. v. 3, 3
Agum. Urb. ed Lachm. S. 4 und Gai. 2, 7, 21 folgern. Aber man kann
nicht daraus schliefsen, dafs ihm diese Qualität stets und notwendig
eigen gewesen sei, wenn man bedenkt, dafs noch während des Principats
derselbe wenigstens in Ansehung der Grundsteuer dem italischen Boden
gleichgemacht, dafs durch die bereits von Augustus vorbereitete Capi-
tatio, eine dem Bodeuzins nachgeahmte, als Staatslast aber eingeführte
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 45
Grundsteuer der Boden des ganzen Reichs bedeckt und die stipen-
diarische Eigenschaft des Provinziaibodens aufgesogen wurde. Aber es
ist sehr zu bezweifeln, dafs Columella und Gaius auch nur für ihre Zeit
allen und jeden Boden in den Provinzen als bodenzinspflichtig bezeichnet
haben; sie haben vieiraehr blofs a potiori gesprochen oder ihre Mittei-
lungen von einem engeren Gesichtspunkte aus gemacht haben wollen.
Der Boden der föderierten, der freien und immunen Städte der römi-
schen Municipien und Kolonieen wird an und für sich abgabenfrei zu
denken sein. Der Ausweg, dafs alle innerhalb einer Provinz gelegenen
nicht zinspflichtigen Städte von der Provinz exempt und also Enklaven
derselben gewesen seien, wird durch die direkten Angaben des Cicero
und Plinius widerlegt. Wie mit der Steuerfreiheit verhält es sich auch
mit dem quiritischen Eigentum an Grund und Boden. Gewifs besteht
ein solches an dem Provinzialboden, soweit er an den populus Romanus
zinspflichtig ist, seitens seiner Besitzer nicht. Ebenso sicher erscheint
umgekehrt der fundus Italiens in der klassischen Jurisprudenz als res
mancipi der usucapio und irgend welchen eigentümlichen Kontrakten
unterworfen; allein wenn Volleigen mit dem Provinzialboden unvereinbar
gewesen wäre, wie hätte das ins italicura, in welchem jenes Volleigen
an Grund und Boden enthalten ist, an Provinzialgemeinden verliehen
werden können? Auch hier mufs man zunächst an die römischen Bürger
in den Provinzial-Municipien und Kolonieen denken; sollte deren Boden
geringeren Rechts sein als seine Herren? Umgekehrt ist allerdings zur
Zeit der klassischen Juristen der fundus Italiens durchweg res mancipi
und also quiritischen Rechtes gewesen. Wahrscheinlich wurde zugleich
mit der Civität den noch peregrinischen Italikern quiritisches Eigentum
an ihrem teils freien, teils stipendiarischen Boden, letzterem als Boden-
zinsfreiheit, verliehen. Eben damit ist aber auch gesagt, dafs vor der
Bürgerrechtsverleihung an die Italiker auch der fundus italicus nicht in
der nachmaligen Ausdehnung Bürgerrecht und also ins Quiritium gehabt
haben kann. Die Mancipation, welche ins proprium civium Romanorum
ist, kann unmöglich von jeher allem italischen Boden zugänglich ge-
wesen sein; denn nur allmählich und spät gelangten seine Insassen zum
römischen Bürgerrecht; ja nur sehr allmählich erstreckte sich der Name
Italien über die ganze Halbinsel. Das ins italicum ist also kein Original-
produkt, sondern das der Stadt Rom ursprünglich exklusiv eigene Recht,
das im ersten Schuhe auf das peregrinische Italien, im zweiten auf die
peregrinischen Länder und Völker der Provinzen erstreckt wurde; es
ist ein Symptom herannahender Gleichstellung Italiens mit den Provinzen.
Das Wesen der Provinz und ihr Gegensatz zu Italien erklärt sich,
wenn man die Inhaber des imperium Romanum betrachtet. Man findet
es in der Republik bei Propraetoren und Prokonsuln, in der Kaiser-
zeit bei legati pro praetore und bei Prokonsuln. Schon sprachlich er-
scheinen die Inhaber des imperium als Ableger der Konsuln und Prä-
46 Römische Staatsaltertümer.
toren. Und in der That ist in ihnen das imperium Romanum, verjüngt,
über Italien und die Stamm-Magistraturen des Konsulats und der Prätur
hinaus erstreckt und weiter verzweigt worden. Bevor es zur Aufstellung
der Promagistratur kommt, ist kein unterworfenes Land Provinz. Unter
in formam provinciae redigere versteht man vor Allem Aufstellung dieser
Promagistratur und Abgrenzung und Feststellung ihres* Gebiets. So
definiert Brinz die Provinzen als eine Propagation der römischen
Magistratur. Dafs an ihren Grenzen die Herrschaft der original-
römischen Magistratur aufhört, dagegen so viel Abbilder derselben, als
Provinzen sind, innerhalb ihrer das Szepter führen, macht in der alten
Zeit das Wesen der Provinz aus. Mit diesem besteht sie fort, so lange
nicht Italien selbst zur Provinz geworden und damit die Provinz der
alten Art untergegangen ist; die diokletianischen Provinzen, und schon
früher die provinciae Caesaris sind nicht mehr die alten. Denn die re-
publikanischen Prokonsuln und Proprätoren sind Regenten, die, einmal
gewählt, ihre Macht gleicli Konsuln und Prätoren zu eigenem Rechte
(iure suo) haben; eigenes Recht hat in der späteren Zeit aber nur der
princeps.
Paul Monceaux, De Communi Asiae provinciae {Kocvöv 'Aaiag).
Diss. Paris 1885.
Die Schrift zerfällt in drei Teile; im ersten wird über die Er-
richtung des xoivov 'Am'ag und die in dieser Einrichtung im Laufe der
Zeit eingetretenen Veränderungen gesprochen, während der zweite sich
mit den gemeinsamen Kultstätten, Priestern, Asiarchen, ■ Kassenwesen,
Spielen und Landtagen beschäftigt. Im dritten wird die Auflösung des
xotvov und die Errichtung kleinerer Vereinigungen dargelegt.
Die Erweisung göttlicher Ehren war bezüglich der Stadt Rom
und der römischen Feldherren schon lange Brauch. Augustus gestattete
dieselbe für seine Person nur in Vereinigung mit der Stadt Rom; der
erste Tempel des Augustus und der Roma ist 735/19 v. Chr. in Pergamum
errichtet worden; zu gleicher Zeit wurden Landtage und Spiele einge-
richtet, welche letzteren von Asiarchen geleitet wurden; auch das Com-
mune Asiae findet sich schon auf Münzen des Augustus mit irap. IX
tr. pot. V. Bis auf Hadrian lassen sich wesentliche Änderungen in
diesen Einrichtungen nicht nachweisen; aber dieser Kaiser und Antoninus
Pius erweiterten die Befugnisse des xoivuv^ lockerten aber zugleich den
festen Zusammenhang. Bis auf diese Zeit war der Neokorat Ephesus
für die julische und Smyrna für die flavische Gens zugestanden worden;
unter letzteren beiden Fürsten aber erhalten Cyzicus, Philadelphia,
Sardes, Nysa, Pergamum die Ehre des ersten, Ephesus und Pergamum
die dos zweiten Neokorats, d. h. in allen diesen Städten wurden sodales
Hadrianales eingesetzt; damit wurde aber die Auflösung in selbständige
Provinzen eingeleitet. Am Ende des zweiten und im Anfang des dritten
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 47
Jahrhunderts geht dieser Prozefs weiter und es finden sich in Milet,
Pergamum, Srayrna, Cadi, Thyatira, Trallcs, Sardes, Augusta Caesarea,
Aphrodisias municipale Festspiele zu Ehren der Kaiser eingerichtet.
Wahrscheinlich auf die Verehrung durch sodales Autoniniani beziehen
sich die Verleihungen des Neokorats an Laodicea. Acmonia, Milet,
Tralles (erstes Neokorat), Sardes, Smyrna (zweites Neokorat). Ephesus
und Pergamum (drittes Neokorat) durch Septimius Severus und Cara-
calla. Sardes wird durch Severus, Pergamum, Lampsacus, Cyzicus
durch Caracalla mit dem Ehrentitel metropolis beschenkt. Die Zer-
schlagung Asiens in Provinzen, unter Diokletian durchgeführt, ist seit
Caracalla angebahnt.
Der Neokorat bezog sich nach des Verfassers Ansicht nicht auf
den Provinzialkult des Augustus und der Roma, sondern lediglich auf
die municipale Verehrung bestimmter Kaiser. Bekanntlich haben nur
wenige Städte Asiens das Recht gehabt, sich vEcoxöpot zu nennen; da-
gegen sind Asiarchen und Provinzial- Priester aus Städten bekannt, die
sich nie vewxopot nennen. Und da in Lyon 60 Städte Abgeordnete zu
dem Provinzialkult sandten, so ist nicht denkbar, dafs in dem reich
entwickelten Städtewesen Asiens nur 10—12 Städte dieses Recht ge-
nossen haben sollten. Ebenso wenig hiefsen die Städte vtujxopoc, welche
gemeinsame Stätten des Provinzialkultus in ihren Mauern hatten. Denn
die Städte, welche den Neokorat besitzen, fallen durchaus nicht mit den-
jenigen zusammen, welche die gemeinsamen Spiele in ihren Mauern
feierten; auch hiefsen die betreffenden Städte nie vzcoxopot des Augustus
und der Roma, sondern der Augusti oder eines einzelnen Augustus;
endlich liefse sich bei jener Annahme nicht erklären, .wie Qinige Städte
den zweiten, dritten, vierten Neokorat besitzen konnten. Dazu kommt
die Analogie von Afrika, Spanien und der Hauptstadt, wo überall Mu-
nicipalkulte der Divi bestehen. Auch haben sich schon vor der römi-
schen Eroberung einzelne Städte als vecoxopoc z. B. der Artemis be-
zeichnet, offenbar um dadurch einen eigenen Kult der betreffenden Stadt
anzuzeigen. Der Neokorat wurde durch SC verliehen; im ersten Jahr-
hundert war diese Verleihung selten, im zweiten und dritten wird sie
ziemlich häufig. Der Zahl der Neokorate entsprach die Zahl der Tempel,
was sich besonders deutlich auf den Münzen ausspricht, wo mit olg
vsüjxopojv zwei, mit rplg drei Tempel verbunden sind. Wie der Ver-
fasser in einer übersichtlichen Zusammenstellung erweist, wurden im
zweiten und dritten Jahrhundert die Rechte des Neokorats meist den
Städten bewilligt, in denen die Gerichtstage gehalten und die Cistophoren
geschlagen wurden.
Zu dem xocvov 'Aacag gehörten alle Stadtbezirke (civitates) der
Provinz; die Zahl derselben betrug aber nicht XLIV, wie die Chronik
des Cassiodorius berichtet, sondern wahrscheinlich 144. Jeder Stadt-
48 Römische Staatsaltertümer.
bezirk schickte nach seiner Gröfse einen oder zwei Abgeordnete; die
Zahl derselben berechnet der Verfasser auf ungefähr 200.
Im zweiten Teile weist der Verfasser zunächst nach, dafs es ge-
meinsame Tempel asiatischer Stadtbezirke schon vor Augustus gab; er
vermutet, dafs die Einrichtung von Augustus nur feste Formen erhielt.
Alsdann zeigt er, dafs gemeinsame Tempel der Provinz fast nur in den
Orten errichtet wurden, welche zugleich Gerichtsstätten und Münzstätten
waren. In Lydien sind dies Ephesus, Smyrna, Sardes, Tralles? und
Philadelphia (letztere Stadt hat keine Münzstätte), in Phrygien Laodicea
und Synnada (letztere ohne Münzstätte), in Mysien Pergamum, Cyzicus,
Lampsacus (?) (letzteres ohne Gerichts- und Münzstätte); die meisten
derselben erhielten allmählich auch die Bezeichnung metropolis , welche
nur Tralles und Laodicea fehlt. Wären unsere Nachrichten nicht so
lückenhaft, so würde sich dieser Zusammenhang noch häufiger nach-
weisen lassen. In diesen Städten wurden abwechselnd die Festspiele
und Landtage abgehalten.
Diese Tempel hatten eigene Priester, dp^iepecg 'Amag oder vaou
-Ol) etc xoivou rrjg 'Amag; sie lassen sich nachweisen in Ephesus, Smyrna,
Sardes, Pergamum und Cyzikus; doch werden sie in den übrigen Städten
nicht gefehlt haben. Man darf sie nicht mit dem Oberpriester von
Asien und mit municipalen apyieozlg verwechseln. Sie wurden wahr-
scheinlich vom Provinziallandtage gewählt; vermutlich befanden sie sich
alle in einer gewissen Unterordnung unter der iBpcoaovrj xocvy] rr^g 'Aairxg
oder der dp^cspojcruvrj toTj nav-hg iBvoug. Man berücksichtigte bei diesen
Priesterstellen vor Allem die, welche schon in ihrer Heimat eine Priester-
schaft der Divi bekleidet hatten. Ihre Funktion knüpfte sich an die be-
treffenden Tempel, welche sehr bedeutende Mittel besafsen, und auch
bei den Festspielen waren sie beteiligt. Vielleicht betrug die Amts-
dauer fünf Jahre.
Die Aufsicht über alle Provinzialtempel und Provinzialpriester
hatte der Oberpriester von Asien (Ispujauvrj xotvrj zr^g Aaiag^ dp'/t£puj-
auvrj -zr^g 'Acrcag, dp/capoxTuvr] rou e&voug). Die Bewerbung um dieses
Amt war sehr lebhaft, und jede Stadt sah es als Ehre an, wenn ein
Priester aus ihr zu dieser Stellung erkoren wurde. Doch konnten nur
sehr reiche Leute dieselbe bekleiden, und thatsächlich wurde sie in be-
stimmten Familien erblich. Im dritten Jahrhundert erblickte man in
demselben eher eine Last, und jetzt wurde die Bekleidung des Amtes
für den Gewählten obligatorisch gemacht. Römische Ritter oder ge-
diente Leute mit der honesta raissio, oder Männer, welche die niederen
Priesterämter bekleidet hatten, scheinen den Vorzug erhalten zu haben.
Der Landtag präsentierte dem Prokonsul, später dem Kaiser mehrere
Kandidaten, aus denen diese einen ernannten. Aufser dem eigentlichen
Kulte hatten sie die Oberaufsicht bei den Festspielen, zu deren glänzender
Ausstattung sie erheblich beisteuern mufsten. Bis zum vierten Jahr
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 49
hundert hatten sie auch den Vorsitz im Landtage; auch wurde mannig-
fach die Eponymie auf sie gestellt. In allen auf ihr Ressort bezüg-
lichen Angelegenheiten durften sie dem Konsilium des Statthalters bei-
wohnen; auch wurden sie zu Gesandtschaften an die Kaiser verwandt.
Für ihre Mühewaltung erhielten sie namentlich im vierten Jahrhundert
mehrfache Privilegien. Wiederwahl war zulässig.
Um die Frage zu entscheiden, ob der Asiarcha und der Ober-
priester von Asien identisch waren, erweist der Verfasser zunächst, dafs
die grofsen Spiele der Provinz nur alle vier Jahre gefeiert wurden. Bei
diesen Spielen hatte der Oberpriester Asiens den Vorsitz und heifst in
diesem Falle Asiarcha. Die Asiarchie war die angesehenste Würde in
Asien; deswegen gelangten auch nur Männer aus den reichsten und an-
gesehensten Familien zu derselben. Der Titel wurde lebenslänglich ge-
führt. Von den ungefähr 70 Asiarchen von der Schlacht bei Actium bis
zum Tode Valerians sind ungefähr 50 bekannt, welche der Verfasser
zusammengestellt hat. Zum Oberpriesteramte in Asien gelangte man
erst nach Bekleidung der Municipal-Ämter und Priesterstellen, aber
auch nach Bekleidung der unteren provinzialen Priestertümer; schliefs-
lich schrieben die Kaiser auch hier einen cursus bonorum vor.
Jährlich kamen die Abgesandten der Provinz zu dem Landtage
und den Opfern und Gelübden zusammen yybnkp z^g xoö ^leßaaroo
aiozYjpiag xai bytsiag xal vscxrjg«., alle fünf Jahre strömten dann die
Völker Asiens zu den grofsen Festspielen vxoivä 'Aacag«, die nur da
abgehalten wurden, wo gemeinsame Heiligtümer der Provinz waren
(Ephesus, Smyrua, Sardes, Philadelphia, Tralles, Laodicea, Synnada,
Pergamum, Cyzicus, Lampsakus). Der Vorsitz bei denselben wech-
selte in bestimmter Folge und war der Gegenstand ehrgeizigen Stre-
bens; den Festzug führte der jedesmalige Asiarcha; nach ihm kamen
die agonothetae, gymnasiarchae, xystarchae und Kampfrichter, an der
Spitze der letzteren der npiu&sUrj\^oocxr]g , endlich die übrigen Priester
der Provinz und die Abgesandten der Stadtbezirke, an ihrer Spitze der
TtpwTog 'Aacag d. h. der erste Mann in dem Landtage. Die Festspiele
waren nach dem Muster der olympischen organisiert; man findet er-
wähnt dvdpwv rMyxpdriov, azädcov, dvopiuv oökr/^ov, dysveciuv Tiuyiim,
Ttaloag nu&ixoug, nivza^Xov. Auch Gladiatorenspiele und Tierhetzen fan-
den statt, ebenso kamen Künste und Wissenschaften zur Berücksichti-
gung. Zum Andenken an die Spiele wurden Münzen geschlagen.
Die Tempel waren reich an Grundbesitz aller Art, Statuen, Gold
und Silber, Sklaven etc.; mit der Verwaltung dieses Besitzes waren
eigene Beamte oder Priester betraut, die dem Landtage Rechnung leg-
ten. Zur Bestreitung der Provinzial-Kult-Bedürfnisse bestand eine eigene
Kasse, zu der die einzelnen Stadtbezirke Beiträge leisteten; auch für
diese Kasse gab es ein eigenes Verwaltungs- Personal, {dpyupozaixcag
zrjg 'Aaiag).
Jahresbericht für Alterthumswisseaschafr LII. (1887. HI.) 4
50 Römische Staatsaltertümer,
Der Landtag trat in der früheren Kaiserzeit nur in Ephesus zu-
sammen, später überall, wo sich gemeinsame Tempel befanden; er be-
stand aus den Abgeordneten der Stadtbezirke, deren Rangordnung fest-
stand. Um den Vorrang stritten Pergaraum, Ephesus und Smyrna. Den
Vorsitz hatte der Überpriester von Asien. Der npwzoQ 'Aac'ag ist die
im Landtage angesehenste Persönlichkeit. Die Verhandlungen wurden
durch die Gelübde für den Kaiser eingeleitet, dann kamen die Rech-
nungsablage für die Kulthandlungen und -Anstalten, die Festsetzung
der Beiträge zur Provinzialkasse für das nächste Jahr, die Priester-
wahlen, endlich sonstige Angelegenheiten, wie Ehrenbeschlüsse oder Ta-
delsvota für römische Beamte, Wahl von Gesandtschaften und Bestim-
mung ihrer Aufträge, Bauten u. ä. ; am Schlüsse wurden Schriftstücke
von anderen Landtagen oder Erlasse des Kaisers verlesen.
Im dritten Teile wird die Auflösung der oben geschilderten Ord-
nungen dargelegt. Dieselbe wurde durch die Politik des dritten Jahr-
hunderts herbeigeführt, welche darauf ausging, die grofsen Verwaltungs-
körper in kleinere zu zerschlagen.. Im Laufe dieses Jahrhunderts wer-
den in einzelnen Teilen der Provinz Asien neue Landtage errichtet, in
anderen alte wieder ins Leben gerufen. Dies erweist der Verfasser von
Jonien, Lydien, Karien, Phrygien, Mysien, Lesbos. Aus dem Umstände,
dafs die Städte Asiens, welche im zweiten und dritten Jahrhundert den
Titel einer Metropolis erhielten, meist in Diokletians Zeit Metropolen
der einzelnen Provinzen Asiens wurden, schliefst der Verfasser, dafs in
der Verleihung nicht blos die Befriedigung des Ehrgeizes erstrebt wurde,
sondern dafs hier Beziehungen zu den verschiedenen Nationalitäten
mafsgebend waren. Über die Landtage wissen wir nach dem Ausgange
des dritten Jahrhunderts, aufser dafs sie noch vorhanden waren, wenig;
ebenso sind unter Maximinus und Julianus Priester der Provinzen vor-
handen. Aber beide haben jetzt nichts mehr mit einander zu schaffen,
sondern die einen sind blos für politische, die anderen blos für reli-
giöse Angelegenheiten bestimmt; die Festspiele sind jetzt lediglich Sache
der Landtage. Diese Behauptung möchte indes doch zu weit gehen,
denn das Feriale für Campanien vom 22. November 387 ordnet die Feste
dieser Provinz und ist an den sacerdos Romanus gerichtet (Mommsen,
Ber. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. 1850 S. 62 ff.). Die von dem Verfasser
über die Landtage' angeführten allgemeinen kaiserlichen Edikte enthal-
ten nicht speciell für Asien Interessantes. Ob ein xocvov der Diöcese
Asien bestand, läfst sich nicht entscheiden. Der Verfasser schildert dann
die Versuche Maximins und Julians, eine heidnische Hierarchie der
christlichen entgegenzustellen, ohne Neues zu sagen. Die Adaptierung
der heidnischen Einteilungen an das Christentum will der Verfasser
schon in das zweite Jahrhundert versetzen, wo die Versammlungen der
Bischöfe bereits in den Städten, welche provinziale Tempel des Augustus
und der Roma hatten, stattgefunden hätten; doch scheinen für diese
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 51
Annahme die von ihm erbrachten Beweise nicht auszureichen. Ebenso
wenig wird seine Deutung der Apokalypse, das Tier sei das xoivöv 'Aacag
mit seinen Kaisertempeln, Zustimmung finden. Was er über die Über-
einstimmung der christlichen Einteilung mit der staatlichen sagt, mufs
man ebenfalls mit Vorsicht aufnehmen; denn auch hierfür reicht das
Material nicht aus.
Im Allgemeinen verdient aber die Arbeit wegen ihres Fleifses und
ihrer klaren Zusammenfassung Anerkennung.
Paul von Rohden, De Palaestina et Arabia provinciis Romanis
quaestiones selectae. Berlin. Diss. 1885.
Der Verfasser bespricht zuerst die Namen der beiden Provinzen.
Die erstere hiefs bis auf Hadrian Judaea, von da ab Syria Palaestina;
ansprechend ist die Vermutung des Verfassers, dafs diese Namensände-
rung mit dem jüdischen Kriege zusammenhänge und selbst den Namen
des verhafsten Volkes in Vergessenheit bringen sollte. Um 358 wurde
die Provinz geteilt, und der früher zu Arabien gehörige Teil hiefs P.
salutaris, der Rest behielt den Namen P. ohne Beinamen. Später wurde
dieser letztere nochmals geteilt und das abgetrennte Stück P. secunda
genannt. Seit 409 giebt es drei Provinzen ; das eigentliche Palästina
heifst P. prima, das abgetrennte Stück P. secunda, und P. salutaris
tertia; doch werden alle drei Provinzen mit dem Namen Palästina be-
zeichnet, da sie unter einem dux stehen. Die Provinz Arabia hat nie
den Namen Petraea geführt.
Alsdann untersucht er die Frage, welcher Provinz die Dekapolis
zugehörte. Damaskus kam 64 vor Chr. in die Gewalt der Römer —
nicht erst 106 nach Chr., wie Marquardt und Mommsen annehmen. —
Für diese Annahme werden zahlreiche Schriftsteller- Nachrichten und
auch das Fehlen der Münzen in durchaus überzeugender Weise ange-
führt. Den Schlufs, den Mommsen R. G. 5, 478 A. 2 aus einer in Naba-
teischer Schrift abgefafsten Inschrift auf die Zugehörigkeit zu diesem
Lande machte, darf man durch v. Rohdens Ausführungen als widerlegt
ansehen. Nur unter Gaius Cäsar gehörte vorübergehend Damaskus den
Nabatäern — ähnliche Schenkungen unter diesem Kaiser werden von
dem -Verfasser nachgewiesen — , wurde aber von Claudius wieder mit
Syrien vereinigt. Zu dieser Provinz gehörte die Stadt sicher im zwei-
ten Jahrhundert, im dritten und vierten zu Syr. Phoenic. , im fünften
und sechsten zu Phoenice Liban. (Diese Provinz kann nicht vor 381 er-
richtet sein.) Canatha wurde im Jahre 32 vor Chr. Syria Caele zuge-
teilt, kam dann an die jüdischen Fürsten und 100 wieder an Syrien;
seit Severus Antoninus gehörte die Stadt zur Provinz Arabia. Mit der
Stadt Canata (Kerak) ist sie nicht identisch. Adraa gehörte zu Ara-
bien und nicht zur Dekapolis. Gerasa gehörte bis auf Severus zu Sy-
rien, von da an zu Arabien. Philadelphia gehörte zu Syrien, wurde
4.*
52 Römische Staatsaltertümer.
aber von Severus wohl ebenfalls Arabien zugeteilt. Scythopolis ge-
hörte bis 53 zu Judäa; im Jahre 100 wurde sie zu Syrien, 195 zu Pa-
lästina geschlagen und wurde die Metropole von Palaestiua secunda.
Pella gehörte bis auf Severus zu Syrien, seitdem zu Palästina. Ga-
dara gehörte seit 4 vor Chr. zu Syrien, im vierten Jahrhundert zu Pa-
lästina, im fünften und sechsten zu Palaestina secunda.
Im dritten Abschnitt erörtert der Verfasser den Umfang von Pa-
lästina und Arabia bis zur Zeit des Severus. Judäa wurde 6 nach Chr.
Provinz, die — 41 Idumaea, Judaea, Samaria und die Städte Caesarea,
Joppe, Sebaste, Hierosolyma umfafste. 41 erhielt die Provinz Agrippa,
der wieder das ganze Reich Herodes des Gr. vereinigte; 44 — 53 war
dieses Gebiet wieder Provinz. Von den zehn Städten gehörten Canatha
und Scythopolis zur Provinz, deren Grenzen ungefähr bezeichnen: Cae-
sarea Paneas, Abila, Heibon, el Hit, el Mouschenuef, Hebran, Canata,
Scythopolis, jedoch mit Ausschlufs der Städte: Damascus, Salchat, Bostra,
Adraa, Dios, Hippos, Gadara, Pella. Im Jahre 54/55 erhielt Agrippa H
die Gebiete von Tiberias, Taricheae und Julias, die erst wieder im Jahre
100 zur Provinz Judaea kamen. Jenseits des Jordan hatte diese nur
die Städte Julias und Livias mit ihrer nächsteu Umgebung; Scythopolis
diesseits des Jordan gehörte sogar zu Syrien. Der Umfang von Peraea
ist unbekannt; sicher gehörten Pella, Gerasa, Philadelphia, Esbus und
Medaba nicht mehr dazu; Südgrenze war der Arnon; zu Palästina ge-
hörten Beerseba und Raphia; im Norden bildete der Chorseasflufs oder
der Carmel die Grenze zwischen Syrien und Judaea.
Die Grenze von Arabien lag bis auf Severus zwischen den Orten :
Busan, Hebran, Canata, Abila, Gerasa, Philadelphia, Salchat, Bostra, el
Musefire, Adraa, Esbus und Areopolis. Im Osten bildete das Kastell
Nemara die Grenze; nach Süden besafsen die Nabataeer die ganze Wüste
bis Teima und Leuke Kome.
Kapitel 4 schildert die Gebietsveränderungen durch Severus. Zwi-
schen der Zeit des Ptolemaeus und Eusebius wurde die Grenze Ara-
biens nach Norden vorgeschoben; Waddington schreibt dies Diokletian
zu, nach v. Rohden geschah dies durch Septimius Severus. Denn Cana-
tha gehört unter Caracalla zu Arabien, Hebran und Canata, die im zwei-
ten Jahrhundert zu Syrien gehörten, rechnen 214 nach der Aera von
Bostra, Gerasa wurde zwischen Marcus und Diokletian zu Arabien ge-
schlagen; Philippus Arabs soll Philippopolis (Schoba) in Arabien ge-
gründet haben. Nach Commodus finden sich keine Inschriften in Bata-
naea, Trachonitis und Auranitis auf den legatus Syriae oder auf Sol-
daten der leg. III Gallica und XVI Flavia. Dagegen ist bezeugt, dafs
Septimius Severus 195 Phoenice von Syria Caele trennte und andere Ver-
änderungen in diesen Gegenden vornahm ; freilich die von Eutrop, Victor
und Festus berichtete Einrichtung der Provinz Arabien ist nur auf
Mesopotamien zu beziehen; aber er verlieh Palästina manche Rechte,
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 53
kämpfte in Syrien glücklich und verdiente sich die Ehre eines jüdischen
Triumphs. Die von Waddington für seine Ansicht vorgebrachten Be-
weise, dafs nämlich mehrere Oite, welche im zweiten Jahrhundert zu
Syrien gehörten, auch nach Severus nach Kaiserjahren, nicht nach der
Aera von Bostra gezählt hätten, hält von Rohden nicht für durchschla-
gend. Denn zwei der betreffenden Inschriften sind in der Datierung un-
sicher, die übrigen sechs rechnen aber nach Imperatorenjahren zwischen
Severus und Diokletian. Das hat man so zu erklären, dafs entweder Se-
verus blos den nach Philippopolis gelegenen Teil, Diokletian den Rest
zu Arabien schlug; oder jene Orte folgten der herkömmlichen Art der
Zählung auch noch zu einer Zeit, wo sie die Provinz -Aera hätten an-
wenden müssen. Zu gleicher Zeit, wo die Vorschiebung der Provinz
Arabien nach Norden erfolgte, verlor sie die südliche Hälfte an Palästina.
Auch diese Änderung führt der Verfasser auf Severus zurück, der zu
diesen Einrichtungen vielleicht durch die Einfälle der Sarazenen veran-
lafst wurde. Zu Arabien rechnet der Verfasser: Machaerus, Philadel-
phia, Gerasa, Dium, Adraa, Phaena, Philippopolis, zu Palästina: Areo-
polis, Livias, Pelia, Gadara.
Im fünften Abschnitt wird die Frage erörtert, wann Palästina ge-
teilt worden ist. Aus Libanius wird der Nachweis geführt, dafs Palästina
schon vor 361 geteilt war und in den Jahren 357—361, wahrscheinlich
358 geteilt worden ist. In der Angabe des Veroneser Provinzial Verzeich-
nisses Arabia item Arabia Augusta Libanensis wird mit Bormann »item
Arabia« als späteres Einschiebsel verworfen. Die Subscriptionen der
Concilien sind nicht beweiskräftig genug, um diese Ergebnisse zu alte-
rieren. Die zweite Teilung Palästinas in Palaestina secunda und tertia
erfolgte gegen Ende des vierten Jahrhunderts (395 — 399). Die erstere
Provinz enthielt die Städte: Scythopolis, Pella, Gadara, Abila, Capito-
lias, Hippus, Tiberias, Diocaesarea, Maximianopolis, Gaba; in der letz-
teren lagen Petra, Arindela, Characmoba, Areopolis, Zoara, Elusa, Aila;
Palaestina prima enthielt Judaea und Samaria.
Im sechsten Abschnitt stellt der Verfasser die Provinzial-Beamtea
zusammen. Bis zum Aufstände von 66 nach Chr. war Judaea prokuratori-
sche Provinz; nach Jerusalems Zerstörung wurde der Kommandant der
leg. X Fretensis legatus pro praetore der Provinz; er war bis auf Ha-
drian Prätorier. Nach Hadrian sind diese Legati Konsulare, und diese
Änderung hängt mit der Verlegung einer zweiten Legion in die Provinz
zusammen, (leg. VI ferrata), die sicher bei Pius' Thronbesteigung schon
erfolgt war und wahrscheinlich nach Niederschlagung des Bar-Kokaba-
Aufstandes eintrat. Bei der Teilung blieb nur Pal. prima ein Konsular
(zwischen 383 — 385 proconsul); Justinian hat aber wahrscheinlich auch
die secunda einem Konsular unterstellt, so dafs nur in der tertia ein
praeses war. Der prätorische Legat von Arabien wurde wohl nicht un-
mittelbar nach dieser Legation Konsular; um Mitte des vierten Jahrhun-
54 Römische Staatsaltertümer.
derts scheint Civil- und Militärverwaltung getrennt worden zu sein, im
fünften Jahrhundert gab es nur einen comes et dux oder comes et
praeses; 535 stand die Provinz unter einem dux und einem praeses oder
corrector.
Statthalter von Palaestina l. Procuratoren : Coponius 6 bis ung.
10; M. Ambivius ung. 10-13; Annius Rufus ung. 13 — 15; Valerius
Gratus 15 — 26; Pontius Pilatus 26—36; MaruUus 38-41; Cuspius Fa-
dus 44 bis ung. 46; Tiberius Julius Alexander ung. 46 — 48; Ventidius
Cumanus 48 bis ung. 52; Claudius Antonius Felix 52-61; Porcius
Festus ung. 61- 62; Lucceius Albinus ung. 62 — 64; Gessius Florus
64—66; M. Antonius Julianus 70. 2. Legati Aug. pr. pr. praetorii:
S. Vettulenus Cerialis 70-71; Lucilius Bassus 71—72; L. Flavius Silva
Nonius Bassus 72 — 73; M. Salvidenus c. 80; Cn. Pompeius Longinus
13/5 86; Ti. Claudius Atticus Herodes 107; Q. Pompeius Falco c. 107
bis 110; Tiberianus c. 114; Lusius Quietus 117; Claudius Paternus
Clementiauus; Tineius Rufus 132; S. Minicius Faustiuus Julius Severus
133—135. 3. Legati Aug. pr. pr. consulares: C. Julius C f. Severus
c. 160; Commodus c. 161—166; Flavius Boethus 167; C. Erucius Clarus
c. 171—180; Ulpius Arabianus c. 196; Achaeus c. 260; Flavianus April
303; ürbanus 304 — 307; Firmilianus 308—309; Araxius c. 350; Cle-
matius c. 357 — 358. 4. Consulares, praesides, duces der geteilten Pro-
vinz: Hypatius c. 359-360; Cyrillus c. 361 — 362; Leontius 1/3 363;
Aphobius c. 364. 365; Maximus c 366; Entrechius c. 370; Proculus
c. 375; Eucharius 12/11 383; Agrestius 31/3 383; Florentius 25/8 385;
Hilarius 387; Siburius c. 390; Gaius c. 391; Prisciauus; Sumnius c. 540.
Statthalter von Arabia: Fronto; Geraiuius L. f. Pal. Sextus Flo-
rentinus; L. Aemilius L. f. Cam. Carus; P. Aelius Severianus Maxiraus;
Antistus Adveutus c. 161 — 166; P. Julius Gerainius Marcianus 166 — 169;
[Er]ucius? Severus c. 169 — 180; M. Caecilius Fuscianus Crepereianus
Florianus; Q. Flavius Baibus; P. Plotius Romanus; L. Marius Perpe-
tuus; [Gentjianus 209; C. Allius Fuscianus; Arabianus aut Tuscus aut
Gellius 217; C. Furius Sabinius Aquila Timesitheus; C. Sollemnius
Pacatianus c. 230; Pomponius Julianus 236; Marc .... 239; M. Aelius
Aurelius Theo c. 253—260; M. Petrus 278; Gallonianus; Coc(ceius)?
Eufinus; Flavius Hierocles 343; A. Theodorus 15/10 346; Flavius Sal-
vinianus 351; Sabiuianus c. 355; Belaeus c. 361-363; Maximus; Mo-
destus; Harmonius; Flavius Bonus 392; Flavius Arcadius Alexander 488;
Hesychius 490.
Die Arbeit ist ein wirklich förderlicher Beitrag für die Kenntnis
der betreffenden Provinzen.
Cl. Pallu de Lessert, Les gouverneurs des Mauretanies. Bull,
trimestr. des Antiquites africaines 3, 65 — 88. 141—174.
Der Verfasser stellt zunächst die wechselnden Benennungen der
Statthalter zusammen: procurator Augusti oder Augustorum, selten prae-
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 55
fectus, procurator et praeses, praeses, dux oder comes et praeses Mau-
retaniae, einmal proconsul Mauritaniae Tingitanae; darauf setzt er ihre
Befugnisse auseinander. Bisweilen findet man beide Mauretanien einem
Statthalter unterstellt (procurator utriusque Mauretaniae), einmal begegnet
man sogar einem procurator Aug. pro legato Mauretaniae Tingitanae;
dies erklärt sich durch die exponierte Lage der Provinzen. Zwischen
dem procurator utriusque Mauretaniae und dem procurator Augusti pro
legato Tingitanae will der Verfasser den Unterschied erkennen, dafs der
erstere in beiden Provinzen die Civil- und Militärgewalt vereinigte,
während der andere nur die Militärgewalt besafs. So hätte der proc.
Aug. pro leg. Mauret. Tingit. P. Baesius Betuinianus die Civilgewalt in
Tingitana und aufserdem die Militärgewalt in beiden Provinzen besessen,
wobei der procurator der Caesariensis seine Truppen unter seinen Be-
fehl stellen mufste und nur die Civilgewalt seiner Provinz besafs; man
kann dabei denken, dafs diese Mafsregel durch die Bedrohung der Tin-
gitana veranlafst war. JJoch bezeichnet der Verfasser vorsichtig diese
Aufstellung als »uue simple hypothese«. Der unter Traian erscheinende
sub proc. prov. Mauret. Tingit. wird durch die Ausdehnung der Statt-
haltergeschäfte erklärt.
Mommsen nimmt an, es habe zwischen 240 und 254 n. Chr. keine
procuratores von Mauretanien gegeben, weil nach der Aufhebung der
leg. III Aug. die beiden Mauretanien unter einem legatus Aug. pro
praet. utriusque Mauretaniae (ein solcher findet sich CLL. 9, 4194)
gestanden hätten, der zugleich das Kommaudo über die leg. XXII Pri-
migen, und die Hilfsvölker hatte; Numidien hatte vermutlich während
dieser Zeit einen procurator. Aber gegen diese Annahme sprechen
V. Gord. 23, 4, wo ein procurator noch im Jahre 240 Mauretanien re-
giert, und die Inschrift CLL. 8, 8809, wo zu Ehren der Philippi eine
Inschrift von Semellef meldet: M. Aurelius Atho Marcellus, vir egregius,
procurator Augg. , rarissimus praeses. Der legatus Aug. pro praet.
utriusque Mauretaniae S. Sentius Caecilianus kann eher als der Zeit
Gordians III, Philippus' oder Decius in eine der Kriegsperioden gehören,
wo aufserordeutliche Vorfälle auch gröfsere Kommandos erforderten.
Der Verfasser will Capellianus nach den Schriftstellertexten zum
Statthalter von Mauretanien machen; freilich mufs er dabei annehmen,
dafs die eben dort befindliche Angabe, er sei ein Mann senatorischen
Ranges gewesen, ein Irrtum sei. In demselben Zusammenhang sucht
er wahrscheinlich zu machen, dafs leg. III Aug. schon vor der Erhebung
der ersten Goi'diane aufgelöst worden sei, da man in den Berichten
nirgends dieselbe erwähnt finde. Die Auflösung erklärt der Verfasser
so. Sie habe Maximinus mit geringer Begeisterung gehuldigt. Dieses
soll hervorgehen aus der Tilgung des Namens Maximiniana C I. L. 8, 2675.
Infolge dieser Haltung habe Maximinus dieselbe aufgelöst; die Erklärung
der Afrikaner für die Gordiane sei teilweise dadurch veranlafst worden,
56 Römische Staatsaltertümer.
dafs man ihnen ihre Legion genommen habe. Man kann leicht diese
Argumentation widerlegen mit der Schlufsweise des Verfassers selbst.
Wenn die Legion in dieser Weise aufgelöst worden und ihre Auflösung
Veranlassung zu der unzufriedenen Haltung der Afrikaner geworden
wäre, so würden uns die Schriftsteller sicherlich davon eine. Spur er-
halten haben. Den Einwand, warum Gordian III die Legion nicht wieder
errichtet habe, sucht er zu widerlegen durch die Bemerkung, er sei
noch ein Knabe gewesen, als er ermordet wurde; das ist aber wenig
zutreffend; denn dazu hätten er oder seine Ratgeber wohl die Zeit
finden können.
Für die diokletianisch-konstantinische Verfassung erörtert der Ver-
fasser die Frage, ob der dux et praeses Mauretaniae Caesariensis unter
dem comes militum Africae stand; nach der Notitia mufs man sie ver-
neinend beantworten. Mommsen nimmt aber nach einer Inschrift C. I. L. 8,
9282 an, dafs eine solche Abhängigkeit bestanden habe, da es dort von
einem Mauerbau heifst: ordo cuncta comitum .executus jussa — diese
comites seien aber die comites Africae - und bezieht sich auf die An-
gabe der Notitia, nach der unter dem comes militum Africae drei prae-
positi limitum standen, welche zugleich dem dux Mauretaniae unterstellt
seien. Letztere Angabe beweist aber nicht, was Mommsen daraus ab-
leitet; denn die fünf anderen praepositi stehen allein unter dem dux
praeses Mauretaniae. Pallu de Lessert ist darum geneigt anzunehmen,
dafs es mit jenen drei eine besondere Bewandtnis hatte. Er meint,
dafs zu irgend einer Zeit der Titel des Statthalters von Mauretanien
comes et praeses Mauretaniae Caesariensis gewesen sei; auch könne der
comes castrensis in Afrika gemeint sein. Die ganze Frage kann selbst-
verständlich durch diese Vermutungen noch nicht als erledigt gelten.
Gegen JuUian führt der Verfasser aus , dafs der Statthalter der
Sitifensis keine Militärgewalt besafs, sondern diese der comes Africae
hatte, der sie durch die praepositi limitum übte.
Seit der Vandaleninvasion giebt es keine Statthalter von Maure-
tanien mehr, sondern nur Glückssoldaten, welche nominell die Suze-
ränität von Rom anerkennen.
Als Statthalter von Mauretania Caesariensis weist der Verfasser
nach: M. Licinius Crassus Fragi, den er vor C. Suetonius Paulinus und
Hosidius Geta stellt, C. Suetonius Paulinus, Cn. Hosidius Geta, Vibius
Secundus (vor Ende 60 nach Chr.), Lucceius Albinus, Lusius Quietus(?),
Q. Marcius Turbo Fronto Publicius, M. Vettius Latro (um 128 nach
Chr.), C. Petronius Celer, M. Porcius Vetustinus, T. Varlus Clemens
(um 150), Sextus Baius Pudens, Cl. Perpetuus, Cn. Nunnius Martialis,
P. Aelius Peregrinus Rogatus (um 201 und noch zwischen 209—211),
Cn. Haius Diadumenianus, Q. Sallustius Macrinianus (209-211), C. Oc-
tavius Pudens Caesius Honoratus (209 — 211), P. Flavius Clemens, L. Li-
cinius Hierocles (um 227), T. Aelius Decrianus, T. Flavius Serenus
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 57
(vielleicht unter Alexander Severus?), P. Sallustius Sempronius Victor
(unter Alexander und Maximinus), Capellianus(?), Catellius Rufinus, Li-
vianus (um 342), ein aus v. Gord. 23 bekannter praeses, M. Aurelius
Atho Marcellus, M. Aurelius Vitalis, Flavius Pecuarius, T. Aurelius
Litua (um 292), Ulpius Apollonius, Aelius Januarius, Valerius Faustus
(um 311), Flavius Terentianus (um 319) .... ianus (um 333—337).
Für Mauretania Tingitana sind bekannt: Trebonius Garucianus
(um 68), Lucceius Albinus (proc. beider Mauretanien unter Galba und
Otho), P. Raesius Betuinianus C. Marius Memmius Sabinus (um 102/3),
C Vibius Salutaris, C. Vallius Maximiauus (unter Marcus und L. Verus),
Rufinus (?), Cn. Haius Diadumenianus (209 — 211), Q. Sallustius Macri-
nianus (209-211), Furius Celsus, T. Flavius Serenus, Anastasius For-
tunatus (um 298), Aelius Januarius (unter Diokletian), Flavius Memorius
(zwischen 286-378).
In Mauretania Sitifensis weist der Verfasser nach: T. Aurelius
Litua (vielleicht der erste Statthalter dieser Provinz), Septimius Fla-
vianus, Flavius Terentianus, Flavius Augustianus (vor 337), Jucundius
Peregrinus, Sextilius Agesilaus Aedesius (unter Constantius?), Flavius
Maecius Constans (zwischen 383 — 392).
Unsicher sind: Sextius Sentius Caecilianus, L. Alfenus Senecio,
Tiberius Claudius Priscianus, M. Cornelius Octavianus, C Jul. Maximus
proc. Aug. praepositus limitis, ein Anonymus CLL. 8, 8487, ein desgl.
eb. 9357, Regulus, Claudius Constans, Flavius Hyginus, ein Anonymus
CLL. 6, 1642, Clauda .... udius, T. Atilius, ein Anonymus CLL. 8,
8503, Aurelius Da , Acastus.
S. Reinach, Servius Cornelius Lentulus preteur proconsul ä Delos.
Bulletin de correspondance hellenique 9 (1885), 379 — 387.
Servius Cornelius Lentulus heifst auf dieser von Reinach 1882
entdeckten Inschrift von Delos aTparr^yög äv^ünarog = praetor pro con-
sule. Die griechische Bezeichnung entspricht genau der lateinischen.
Dafs sie sich zuerst hier in Delos findet, erklärt sich aus dem starken
Verkehr, der zuerst zu genaueren offiziellen Bezeichnungen veranlafste.
Sonst verwandte man azpavrjyhg uTiarog (häufig = cousul) und dp^carpaTY}-
yog, die aber wie rj-ysp-ojv und äp-^cuv nur annähernd zutreffende Bezeich-
nungen waren. Der Verfasser ist geneigt, die Inschrift in das Jahr 169
vor Chr., jedenfalls in das zweite Jahrhundert zu setzen. So würde
sich event. um 169 vor Chr., jedenfalls noch im zweiten Jahrhundert vor
Chr., der Titel praetor pro consule im Osten angewandt finden.
G. Radel und P. Paris, Deux nouveaux gouverneurs de pro-
vinces. Bulletin de correspondance hellenique 9 (1885), 433—436.
Nach einer Inschrift von Hadschilar (an Stelle des alten Isaura)
wird festgestellt, dafs Cilicien, Isaurien und Lykaonien unter Antoninus
58 Römische Staatsaltertümer.
Pius zu einer Provinz unter einem kaiserlichen legatus pro praetore
vereinigt worden sind. Derselbe heifst C. Etrilius Regillus Laberius
Priscus, sein Konsulatsjahr ist unbekannt.
Georges Morin, L'administration de la colonie Nimoise ä
l'epoque gallo-romaine dapres les documents epigraphiques. Nimes 1884.
Das Krokodil auf den Münzen von Nemausus ist der Verfasser
geneigt mit Hirschfeld und Allmer aus der Ansiedlung von ägyptischen
Griechen daselbst zu erklären, welche im Heere oder auf der Flotte
des Antonius gedient hatten. Bei dieser Annahme erklärt sich auch die
Thatsache, dafs Nemausus eine latinische Kolonie war; er selbst bringt
noch mehrere inschriftliche Bestätigungen dieser Annahme bei. Aber er
betrachtet diese ägyptischen Ansiedler als wenig zahlreich; sie bildeten
eher den Vorwand zu den Gnadenbezeugungen des Augustus gegen Ne-
mausus, als dafs sie die wirkliche Ursache derselben gewesen wären.
Nemausus wünschte eine Kolonie, und Augustus kaufte für dieselbe im
arekomischen Gebiete die nötige Landausstattung. Die neuen Ansiedler
verschmolzen aber mit der alten Bevölkerung und hinterliefsen nur
einzelne Spuren ihrer ägyptischen Abstammung wie z. B. den praef.
vigilum et armorum.
In der Bevölkerung wiegen die römischen Namen vor; doch giebt
es noch genug Spuren gallischer Elemente, die aber der Romanisierung
nur geringen Widerstand entgegenstellen. Aus dem SC auf den Münzen,
aus der Stellung von Nemausus als Mittelpunkt von 24 Ortschaften der
Volsci Arecomici, der Benennung respublica Nemausensium und den
Ämtern des praef. vigilum et armorum und des undecemvir will der
Verfasser schliefsen, dafs die Kolonie Stadtrecht besafs. Überall aber,
im Rechte und in den Sitten, sind die keltischen Überlieferungen auf-
gesaugt durch die römischen.
In dem Kulte der Stadt finden sich noch gallische Gottheiten:
der Schutzgott der Stadt .Nemausus, Avicantus, Urnia und die Nymphen,
in welche die gallischen Mütter umgebildet sind; der Ehrenplatz ■ ge-
bührt aber auch hier der Kaiserverehrung; allen voran stehen die An-
tonine, namentlich aber Hadriau. Die IV viri hatten die Opfer und die
Oberaufsicht über den Kult, vermutlich auch die Obliegenheiten des
Augurats; oft bekleiden sie auch den Poutifikat; doch dürfte dies auf
freigeborene Leute beschränkt gewesen sein.
Von den Beamtenstellen betrachtet der Verfasser näher die prae-
fectura vigilum et armorum ; sie war eine Anfangsstelle und verlieh das
Bürgerrecht. Der Verfasser vermutet, man habe die ägyptischen Kolo-
nisten militärisch organisiert und diese Stelle geschafi'en , um das militä-
rische Kommando über diese Kolonisten zu führen. Ich halte diese
Konjektur nicht für sehr glücklich. Denn wenn man den Kolonisten eine
militärische Organisation hätte geben wollen, wofür der Verfasser doch
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 59
Analogieen suchen müfste, so wäre die der alexandrinischen vuxzoarpa-
zrjyca sicherlich die unpasseudste gewesen. Denn wie wir aus ihrer Nach-
bildung in Rom sehen, hatte sie den Feuerwehr- und Sicherheitsdienst,
zu dem man doch sicherlich nicht diese Veteranen genommen hätte, na-
mentlich wenn man ihnen, wie der Verfasser meint, nicht recht traute.
In dem undecemvir will der Verfasser eine Art Landanweisungs- Kom-
missär erblicken, aber auch ohne einleuchtende Gründe. In den prae-
fecti fabrum will der Verfasser, da gewesene quattuorviri dieses Amt
bekleiden, ein solches der Reichsverwaltung erblicken, schwerlich mit
Recht, da dies allen bekannten Fällen widerspricht; er will in ihnen
territoriale Militär-Beamte erkennen, die n)it den centonarii Zusammen-
hang hatten, in denen er Militärarbeiter erblicken will — was ebenfalls
schwerlich das Richtige trifft.
L. Ohnesseit, Das niedere Gemeindeamt in den römischen Land-
städten. Philol. 44, 518—556.
Das niedere Gemeindeamt in den Landstädten wird einerseits
durch den Duovirat, anderseits durch die Amtsdienerschaft der Magi-
stratur begrenzt. Dabei werden zwei Epochen auseinander zu halten sein,
die eine von Anfang unserer Kenntnis bis etwa zur Mitte des zweiten
Jahrhunderts nach Chr., die andere von da ab bis Justiuian.
Aus der ersten Epoche sind uns nur bekannt: die Quästoren, die
Ädilen und die Tempel-Kuratoren, ferner die Pontifices und Augurn.
Die Quästur war in Rom ursprünglich ein Hülfsamt des Konsu-
lats, die Amtsgewalt der Quästoren eine mandatarische, ihre Funktionen
lagen allgemein in der Kompetenz des Oberamts. Sie ist aber eine dem
die Grundlage der landstädtischen Verfassung bildenden latinischen Stam-
mesrechte angehörige Lastitution. Sie war in den Landstädten ursprüng-
lich ein nicht raagistratisches Institut des Oberamts, erscheint jedoch in
der ersten Epoche stets als Magistratur. Die Quästoren als Magistrate
werden von der Volksversammlung unter der Wahlleitung der Ilviri
gewählt und haben damit eigene Amtsgewalt (potestas). Ihre Funktionen
sind die Kassenverwaltung und die Aufbewahrung der öffentlichen Ur-
kunden; nach ihrer Amtsführung traten sie in die nächste Rangklasse
der Ratsherrn nach den gewesenen Aedilen ein.
Auch die landstädtische Ädilität ist eine altlatinische Institution
und ein allgemeines Hilfsamt des Oberamts; in den Quellen, die nur
bis an das Ende der Republik zurückreichen , findet sie sich lediglich
als Magistratur. Die Ädilen sind mit thätig bei der Regulierung des
Gemeindehaushalts und beaufsichtigen speziell die städtischen Fronen,
besorgen die geringeren Bauten und haben eine beschränkte Verfügung
über das Gemeiudevermögen. Als Polizeibehörde üben sie die Kontrolle
über die öffentlichen Gebäude und Strafsen und über den Markt, so-
dann besorgen sie die öffentlichen Spiele unter den II viri und nehmen
60 Römische Staatsaltertümer.
Teil an der sakralen Leitungsbefugnis des Duovirats, indem sie neben
demselben die Terapelkuratoren ernennen und beaufsichtigen; endlich
üben sie eine gewisse Jurisdiktion. Die äufsere Ehrenstellung kommt
fast ganz der des "Duovirats gleich; doch fehlen ihnen die Lictoren mit
den Fascen, die Zeichen des Imperiums, und der zu ihnen gehörige
accensus. Ihre Amtsgewalt ist eine potestas,- sie werden von der Volks-
versammlung unter Leitung der Duovirn gewählt. Sie besitzen Juris-
diktion und Disziplinarstrafgewalt. Trotzdem waren sie ein Hilfsamt des
Duovirats, da alle ihre Funktionen zusammen und ihre Amtsgewalt ihre
Einheit nur im Zusammenhange mit demselben finden; auch hat der
Ilvir, wie der Mandatar dem Mandat gegenüber, das Recht, Amts-
bandlungen des Ädilen zu kassieren und ihm die Vornahme derselben
zu gebieten. Später gelangte die Ädilität besonders in der Polizei-
funktion fast zu einer Spezialkompetenz, indem die konkurrierende Kom-
petenz der Ilviri durch Nichtgebrauch in Vergessenheit kam. Auch die
Amtsgewalt ist später etwas selbständiger geworden; die Erhebung der
Ädilität zur Magistratur und ihre Einführung in alle Landstädte wird
man demselben römischen Einflüsse zuzuschreiben haben, der die ver-
schiedenen Formen des latinischen Oberamts etwa um das Jahr 90 vor
■ Chr. zum Duovirat umgestaltete.
Die Tempelkuratoren (magistri ad fana, templa, delubra) sind
ebenfalls eine latiuische Institution. Sie werden von dem Ilvir oder
aedilis unter Mitwirkung des Rates für die Dauer des magistratischen
Amtsjahres ernannt; ihre Weisungen erhalten sie vom Ilvir oder aedilis,
doch bedürfen dieselben der Genehmigung des Rates. Die Kompetenz
der Kuratoren ist eine spezielle, die Besorgung der Opfer (sacrificia)
Prozessionen (pulvinaria) und Schauspiele (ludi circenses). Der Wahl
durch Magistrat und Stadtrat entsprach ursprünglich die freie Ernen-
nung durch den Magistrat. Wie in Rom die magistratische Gewalt durch
die Konkurrenz der Volksversammlung, so wurde sie in den Landstädten
durch die Mitwirkung der Ratsversammlung beschränkt. Aus demsel-
ben Grunde hat ursprünglich den Magistraten das Recht zugestanden,
den Kuratoren Anweisungen zu erteilen. Die Kompetenz war wahrschein-
lich von Anfang an eine spezielle, nämlich eine geistliche, die Amtsge-
walt nie eine potestas, sondern jederzeit eine vom Oberamt abgeleitete,
mandatarische. Ob sie aufser Gemeindesklaven noch Amtsdiener hatten,
wissen wir nicht. Dafs die Institution der Tempelkuratoren keine spe-
zifisch römische ist, geht aus ihrer Stellung in der Gemeindeverfassung,,
insbesondere ihrem Verhältnis zum Duovirat und zur Ädilität hervor,
welche kein Gegenbild in der römischen Verfassung hat und haben kann.
Den Tempelkuratoren zu Urso scheinen gleichartig zu sein die
magistri, die man in Capua zur Zeit der Rechtlosigkeit dieser Stadt
findet. Sie kommen in der Regel in einer Anzahl von zwölf vor und
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 61
wechseln jährlich, führen Bauten auf und richten Spiele aus. Zur Ent-
uahrae von Geld aus dem Gemeinde-Vermögen bei Ausführung der Bau-
ten scheinen sie der Genehmigung der betreffenden Pagusversammlung
bedurft zu haben. Diese magistri sind keineswegs spezifisch kapuanische
Beamte. Mit den magistri ad fana sind ferner augenscheinlich identisch
die curatores fani und curatores templi, die sich allerdings erst aus In-
schriften der Kaiserzeit belegen lassen; ferner gehören hierher vereinzelt
erscheinende VIII viri fanorum.
In den Landstädten gehören in die Kategorie der niederen geist-
lichen Gemeindebearaten die pontifices und augures. Sie sind ursprüng-
lich vom duovir ebenso frei ernannt und beaufsichtigt worden wie Ädili-
tät und Quästur. Die Amtsgewalt ist ebenfalls eine maudatarische.
In der ersten Epoche treten vornehmlich zwei Grundsätze bestim-
mend zutage: absolute Trennung der beratenden und beschliefsenden
von der ausführenden Gewalt, ferner Einheitlichkeit der höchsten Lei-
tungsbefugnis im Duovirat, der zweite Grundsatz freilich zuletzt. mate-
riell erschüttert durch thatsächliche Spezialkompetenzen der Ädilität
und Quästur. In der zweiten Epoche fällt der erste Grundsatz ganz
fort. Ebenso löst sich vom oberen Gemeindeamt und auch vom niede-
ren eine Anzahl von Spezialkompetenzen zu selbständigen Gemeinde-
ämtern los. Auch der Einflufs von Rom aus auf die Verfassung der
Landstädte wird jetzt bedeutender und einschneidender.
A. Weitere Gemeindeämter im Bereich der Quästur.
Die Quästur ist noch in der zweiten Periode in vielen Stadtgemeinden
ohne magistratischen Charakter (munus personale). In den zahlreichen
Inschriften der Kaiserzeit läfst sich freilich nicht bestimmen, ob sie Ma-
gistrate oder Kuratoren sind. Identisch mit der nichtmagistratischen
Quästur, die augenscheinlich sich zur blofseu Kassenbehörde gestaltet
hatte, sind wahrscheinlich folgende Bezeichnungen: quaestor reipublicae,
quaestor pecuniae publicae, quaestor arcae, quaestor arcae publicae,
arcarius, quaestor arcarii, quaestor arcarii arcae publicae, curator aerarii.
Nicht, identisch mit der alten Quästur, sondern wahrscheinlich eine Neu-
schöpfung der Kaiserzeit ist der curator pecuniae publicae, wenn er
auch augenscheinlich die Funktion der Quästur, die Kassenverwaltüng,
ausgeübt hat. Er. ist in der Regel zugleich curator operum publicorum,
so dafs sich seine Verwaltung lediglich auf die dazu gehörigen Fonds
erstreckt haben dürfte.
Ganz ähnlich wie diese Kuration sind die der Kaiserzeit angehörigen
cura pecuniae frumentariae und quaestura alimentorum offenbar eingerich-
tet gewesen; sie waren zur Verwaltung der in den einzelnen Stadtgemeinden
zum Ankauf von Vorräten au Getreide, Öl, "Wein, Salz u. a. vorhandenen
Fonds und derjenigen, welche von den Kaisern seit Trajan und von einzel-
nen Gemeinden zur Alimentierung armer Kinder in Italien gestiftet waren.
62 Römische Staatsaltertümer.
Besondere Kurationen bestanden ferner für die Einziehung von' Pacht-
geldern (reditus) und den zu Gemeindezwecken ausgeschriebenen Steuern.
Ganz aufserordentlicher Natur sind Ursprung und Stellung des
curator calendarii, des Verwalters des städtischen Schuldbuchs; derselbe
wurde anfangs aufserordentlich vom Kaiser oder Statthalter ernannt,
sodann als ordentlicher Beamter von dem Rate gewählt. Wahrschein-
lich wurde in Gemeinden, in denen kein curator reipublicae existierte,
ein curator calendarii geschickt; beide neben einander erscheinen
nirgends.
B. Weitere Gemeindeämter im Bereiche der Ädilität.
Die Tempelkuratoren finden sich auch in der zweiten Periode, ohne dafs
sich feststellen läfst, welche Wandlung mit ihnen vorgegangen ist. Aus
der Stadtpolizei ging die cura annonae hervor, die wahrscheinlich auf
römischem Vorbilde ruht und ein ordentliches Gemeindeamt war.
Dasselbe gilt von der cura frumenti und ähnlichen Ämtern. Der cura-
tor ad siliginem emendam scheint ein aufserordentlicher Beamter zu
sein. Der späteren Zeit gehören an sitones, olearius (cri-ujvca, iXaccuvsa).
Eine besondere, anscheinend ordentliche Kuration bestand für die Ver-
teilung der annona, die cura annonae divisionis. Für die eigentliche
Stadtpolizei, d. h. für Aufsicht darüber, dafs die feilgebotenen Waren
nicht überteuert werden, stehen den Ädilen die episcopi qui praesunt
pani et ceteris venalibus rebus zur Seite. In den griechischen Provin-
zen scheinen an Stelle der Ädilen die äyopavo/noc den Marktverkehr
überwacht zu haben. Für die Strafsen- und Sicherheitspolizei scheinen
sich nur im oströmischen Reiche besondere Kuratorien mit griechischen
Namen und im Anschlufs an griechische Vorbilder zur Geltung gebracht
zu haben. So der daTuvo/xixög, der die städtischen Wege fahr- und
gangbar zu erhalten hat und die Aufsicht führt, dafs die Anlieger die
öffentlichen Wege im richtigen Zustande erhalten. Der Irena rch wird
vom Statthalter auf Präsentation des Stadtrats ernannt oder von letz-
terem gewählt; er hat für Ruhe und Ordnung zu sorgen und zu diesem
Zwecke dtcoyiiTzat xac Irnietg oder xopovrjcpopoi zu Amtsdienern; neben
diesem erscheint der hftrjvdp^rjg und der WKroarparr^yög , letzterer
hauptsächlich in den grofsen Städten des Ostens. Vereinzelt erscheint
der praefectus vigilum et armorum zu Nemausus upd der praefectus
arcendis latrociniis in. Noviodunum. Es scheint, dafs dem Verfasser die
Arbeiten von Cagnat de municipalibus et provincialibus militiis und von
0. Hirschfeld Gallische Studien 3, der praefectus vigilum (Jahresbericht
1881 S. 303 und 1884 S. 323) unbekannt geblieben sind. Neben diesen
neuen Kurationen behielten die Ädilen, was diese von ihrer früheren
Kompetenz übrig liefsen; schliefslich wurde die Ädilität gänzlich von
dem curator reipublicae verschlungen.
C Niedere Gemeindeämter im Bereich des Duovirats.
Die wichtigsten derselben sind diejenigen, welche sich von der censori-
C. Die Staatsverwaltung. 1. Organisation des Reichs. 63
sehen Kompetenz desselben abgelöst haben. Dahin gehören die Für-
sorge für die Wasserleitungen (cura aquarum) und für die öffentlichen
Bauten im allgemeinen (cura operum publicorum), die analog den römi-
schen Ämtern eingerichtet wurden. Wie zu letzteren die curatores
aedium sich verhalten, ist nicht ersichtlich. . Es giebt ferner spezielle
Kurationen für den Bau und die Ausbesserung der kaiserlichen Paläste,
der Schiffswerften, Stationsgebäude, für die Posten (mansiones), Schiffe,
Stadtmauern etc., ebenso für die Aufsicht über die öffentlichen Bäder,
die Stampfmühlen, die Gasthäuser zur Aufnahme der Gastfreunde. Auch
für die eigenen nichtrömischen Chausseen haben einzelne Gemeinden
besondere Kuratoren z. B. viarum steruendarum in Allifae; "auch hier
hat man an stadtrömische Muster zu denken. Endlich finden sich auch
für den Census besondere Kuratoren (acceptandis s. suscipiendis cen-
sualibus professionibus). Zur Ausrichtung der Spiele gab es curatores
muneris publici, die den kaiserlichen Spezialkommissarien zu gleichem
Zwecke nachgebildet sind; mit ihnen sind die munerarii wahrscheinlich
identisch.
Unter die duumvirale Kompetenz der Rechtsvertretung der Ge-
meinde fällt auch das Amt des defensor civitatis oder advocatus reipu-
blicae {i\'8:xog, auvocxog); er hat als Anwalt die Prozesse der Stadtge-
meinde zu führen; wie sich zu ihm der actor stellt, weifs man nicht.
Sollte man nicht bei letzterem an den actor publicus in Rom denken,
der für den Staat Käufe schliefst? Ganz verschieden davon ist der de-
fensor civitatis, plebis oder loci, advocatus reipublicae, der, wie der cu-
rator urbis und calendarii zur Aufhilfe der Stadtgemeinden von Rom
aus eingesetzt wurde.
D. Sonstige niedere Gemeindeämter im Bereich der
städtischen Verwaltung. Das Amt eines Geschworenen (iudex, re-
cuperatores) existiert auch in der ältesten latinischen Verfassung ebenso
wenig als in Rom. Zu Ende der Republik gab es aber auch in den
Landstädten überall Recuperatoren in der Stellung der römischen Ein-
zelgeschworenen. In der Kaiserzeit ist das Amt des iudex, soweit es
sich noch erhielt, munus personale. In der ersten Periode waren die
Gesandten nicht Gemeindebeamte, in der zweiten ist die Übernahme der
Gesandtschaften eine persönliche Gemeindelast (munus personale). Der
Verpflichtete mufs regelmäfsig die Gesandtschaft selbst durchführen und
darf als Vertreter nur seinen Sohn schicken; die Thätigkeit der Ge-
sandten, deren Zahl nicht über drei hinausgehen soll, unterliegt der
Kontrolle des Stadtrates. Öffentlich rechtlichen Charakters ist die Pflicht
des Einzelnen, das Amt des Vormundes und Kurators zu übernehmen,
man hat es hier also auch mit munera personalia, zugleich aber auch
privata zu thun. Ebenso verwalten die Schreiber (scribae, ypanfMarecg)
in der Kaiserzeit ein munus personale; ebenso die Peitschenträger
64 Römische Staatsaltertümer.
ixaaztyoifopot, welche die Kampfrichter bei Wettkämpfen in die Arena
begleiteten.
E. Niedere Gemeindeämter zugunsten des Reiches. In
der zweiten Periode trat die Verpflichtung der Stadtgemeinden, zur
Verwaltung des Reichs beizusteuern, immer mehr in den Vordergrund.
Dazu gehören die Erhebung der Staatsabgaben an Getreide (annona)
und die Erhebung der Kopfsteuer (pecunia pro capitibus); dieselben sind
munera patrimonii, und davon betroffen werden namentlich die decem-
primi, decaproti, icosaproti; der Ursprung dieser Einrichtung ist augen-
scheinlich griechisch. Die Decurionen waren der Reihe nach zur Über-
nahme verpflichtet; die Amtsdauer ist verschieden. Mehrere Kurationen
haben die Besorgung der Transporte im Interesse des Reichs zum Ge-
genstande; dazu gehören die Lieferung von Bedeckungsmannschaften
(producere, prosequi, persequi), die cursus vehicularis sollicitudo, die
angariarum praebitio und die cura ad cogendas angurias. Endlich ge-
hören hierher Kurationen für die Rekrutenaushebung, der temonarius
und die protostasia.
Am Schlüsse giebt der Verfasser einen allgemeinen Überblick.
Danach sind drei Momente allen niederen Gemeindeämtern unterein-
ander und mit dem Oberamt gemeinsam: l. die Unentgeltlichkeit der
Amtsführung, 2. die Pflicht zur Übernahme des Amts, 3. der Grund für
die Berechtigung und Verpflichtung zur Bekleidung der Ämter. Die
erstere Erfordernis scheidet diese Beamten strenge von der freien Amts-
dienerschaft (apparitores); als die scribae schliefslich Magistrate wur-
den, wurde auch ihre Amtsführung eine unentgeltliche. Die zweite Er-
fordernis wird erst mit dem Fortschritte der Kaiserherrschaft strenge
durchgeführt und für die Decurionen erblich. Magistratur und Kuration
galten dabei nicht als unvereinbar. Der Grund endlich für die Berech-
tigung und Verpflichtung zur Bekleidung der Ämter war in der ersten
Periode die Zugehörigkeit zu dem geschlossenen Personalverband der
Bürger einer Landstadt durch Abstammung (origoj, in der zweiten das
Bürgerrecht (origo) und das Incolat (domicilium); später die Zugehörig-
keit zum Ratsherrnstande.
Die Amtsgewalt leiten in der ersten Epoche sämtliche niedere
Gemeindeämter her vom Oberamt, dessen Mandatare sie sind; die Ober-
beamten ernennen die Unterbeamten teils frei, teils durch die Rats-
und Volksversammlung beschränkt und beaufsichtigen sie allein oder in
Konkurrenz mit dem Rate. Die höheren auf iraperium beruhenden Amts-
befugnisse stehen ihnen gar nicht oder doch nur ausnahmsweise zu. Sie
stehen in schroffem Gegensatz zu der Amtsdienerschaft, die ein blofses
Werkzeug der ausübenden Gewalt ist, andererseits zur beratenden und
beschliefsenden Gewalt des Rates. In der zweiten Periode ist das Band
zwischen dem altlatinischen Königtum und der Amtsgewalt der höheren
und niederen Ämter zerrissen. Das Oberamt ist nicht mehr Träger
C. Die Staatsverwaltung. 2. Die Finanzverwaltung. 65
eigener Amtsgewalt und nicht mehr die Quelle der Amtsgewalt der
niederen Gemeindeämter. Seine Amtsgewalt ist jetzt selbst die eines
niederen Gemeindeamtes der ersten Epoche. Die Quelle aller Gewalt
aller Gemeindeämter ist jetzt der Rat, der die Beamten wählt und
beaufsichtigt. Alles ist jetzt aufsernationales, römisches Weltrecht. Der
Gegensatz zur beratenden und beschliefsenden Gewalt, zur Thätigkeit
der niedern Amtsdiener, der Gegensatz zwischen Magistratur und niede-
rem Gemeindeamt ist fortgefallen.
Der Amtskreis zeigt das Princip der Fortentwickelung des allge-
meinen Hülfsamtes zur Spezialkompetenz. Die zweite Epoche kennt nur
die letztere.
In der zweiten Periode werden zugunsten der Gemeinde nicht blofs
persönliche Dienste von den Beamten gefordert, sondern auch ein gleich-
zeitiger Vermögensaufwand. Die Natur des Amtes wird dadurch nicht
geändert, wie man daraus sieht, dafs dasselbe Amt in derselben Epoche
bald Vermögensaufwand erforderte, bald nicht. Trotzdem vermischen
die Juristen der Kaiserzeit die niedern Gemeindeämter, sofern sie Geld-
aufwand erfordern, mit einer ganz heterogenen Institution, den Grund-
lasten (onera patrimonii). Diese letzteren sind von jeher den persön-
lichen Gemeindeämtern gegensätzlich gewesen. Während zu Ende der
Republik die Pflichtigkeit zu den niedern Gemeindeämtern (munera per-
sonalia) sich lediglich nach der Heimatsangehörigkeit (origo) bestimmte,
entscheidet für die zweite Periode für die Heranziehung zu den munera
patrimonii der Grundbesitz allein. Für die Vermischung dieser Unter-
schiede war bei den Juristen mafsgebend, dafs beide Institutionen zu
Vermögensaufwand für die Gemeinde bezw. das Reich verpflichteten.
2. Die Finanzverwaltung.
Th. Mommsen, Der Reclftsstreit zwischen Oropos und den rö-
mischen Steuerpächtern. Hermes 20, 268 — 287.
Bei Oropos fand sich eine mächtige Basis mit folgender Inschrift :
0 drjfjLog 'i2poj7::üJV Asüxcov hopvrjXiov ^Isuxtou üiov ^oXlav 'E7ta<fp68crov
(wahrscheinlich = dem lateinischen Felix) rhv sauroü awr^pa xac euep-
yixrjv ^Ap.(ptapdiü etc. Weshalb die Oropier den Sulla für ihren Wohl-
thäter ansahen und ihm eine Statue errichteten, erklärt eine am gleichen
Orte gefundene Marmorplatte. Daraus erfahren wir, dafs Sulla, wahr-
scheinlich während der Belagerung von Athen, dem Gott Amphiaraos
in Oropos für den Fall des Sieges ein Gelübde darbrachte, wonach für
diesen Sieg und die Herrschaft der Römer in Zukunft ein jährliches
Fest aus der Gabe gefeiert werden solle. Zu diesem Behufe wurde das
Land um den Tempel in der Ausdehnung von 1000 Fufs ins Gevierte
consekriert und die Bodenabgabe, welche das Gebiet von Oropos an die
Römer zu entrichten hatte, dem Tempel überwiesen, also von der Ver-
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. III.) 5
66 Römische Staatsaltertümer.
Pachtung der Abgaben der Provinz Achaia ausgeschlossen. Diese von
Sulla gemachte Verleihung wurde, um sie vor dem Widerrufe durch
spätere Statthalter zu schützen, im Jahre 674 mit den übrigen gleich-
artigen Anordnungen dem Senate vorgelegt und von diesem bestätigt.
Demzufolge erscheint seitdem in dem Pachtkontrakt, welcher in betreff
der Abgaben Griechenlands mit den Staatspächtern geschlossen wird,
die tralaticische Klausel, dafs ausgenommen sein soll, was ein Senats-
beschlufs oder ein Imperatorenakt rücksichtlich der Instandhaltung der
Tempel und Heiligtümer der unsterblichen Götter in Nutzniefsung ge-
geben oder belassen habe; auch ausgenommen sein solle, was der Im-
perator Sulla wegen der Instandhaltung der Tempel etc. in Nutzniefsung
gegeben und der Senat bestätigt, auch später nicht wieder aufge-
hoben habe.
Dieses dem oropischen Heiligtum und folgeweise auch der Ge-
meinde Oropos selbst gewährte Vorrecht weigern die römischen Publi-
kanen sich anzuerkennen, weil Amphiaraos nicht zu den unsterblichen
Göttern zähle; sie hatten auch eigentlich Recht. Aber da das spezielle
Dekret Sullas und dessen Bestätigung durch Senatsbeschlufs vorlag, so
beschwerten sich die Oropier in Rom, und durch Senatsbeschlufs vom
Jahre 680 wurden die Konsuln beauftragt, die Sache zu entscheiden.
Am 14. Oktober wurde der Rechtsstreit in Rom verhandelt, natürlich
öffentlich vor Richtern und Beisitzern in der porcischen Basilika, und
nachdem die Advokaten beider Parteien gesprochen, das Urteil gefällt.
Die Konsuln hatten für diese Entscheidung 15 Beisitzer zugezogen, ver-
mutlich sämtlich Senatoren. Es wurden die Urkunden vorgelegt, der
Spruch Sullas mit dem ihn bestätigenden SC und der Pachtkontrakt der
Beklagten, und die Göttlichkeit des Amphiaraos wurde im Sinne Sullas
und des Senates anerkannt. Am 16. Oktober legten die Konsuln dem
Senate ihren Spruch vor, der ihn bestätigte.
Diese Entscheidung und der Senatsbeschlufs wurden mit An-
schreiben der Konsuln bald nachher der klagenden Gemeinde zugesandt.
Wir erfahren zugleich, dafs die Urkunde entnommen ist den protokol-
larischen Aufzeichnungen der von dem Konsulargericht entschiedenen
Rechtssachen.
Da das Konsilium am Ende des Jahres dasselbe war, welches im
Anfange desselben fungierte, so wird es dadurch wahrscheinlich, dafs im
Senat für dergleichen Angelegenheiten Ausschüsse bestanden, die für
die Verhandlungen gleicher Kategorie wenigstens das Jahr hindurch
fungierten.
B. Heisterbergk, Name und Begriff des lus italicum. Tü-
bingen 1885.
Der Verfasser legt zuerst die Schlüsse dar, welche von Sigonius,
Savigny, Rudorff, C Hegel und Zumpt aus dem Namen auf den Begriff
C. Die Staatsverwaltung. 2. Die Finanzverwaltung. 67
gemacht wordeu sind. Stimmen seit Savigny alle Bearbeiter der Frage
darin überein, dafs in dem mit ins Italicum bezeichneten Rechte zuerst
ein Italien allein eigen gewesenes Verhältnis, ein Vorzug der italischen
vor den provinzialen Gemeinden bezeichnet werde, der den letzteren nur
später, ausnahmsweise und durch ausdrückliche Übertragung zu teil ge-
worden sei, so durchaus verschieden sind die Ansichten über den
historischen Grund und zeitlichen Ursprung jenes angeblich dem ita-
lischen Boden, den italischen Gemeinden eigenen Sonderrechts. In dem
ersten Abschnitt »Italien und das ius Italicum« werden die verschiedenen
Annahmen einer Kritik unterworfen, und der Verfasser kommt dabei zu
dem Ergebnisse, dafs der Ursprung des ius Italicum nicht in den älteren
Rechtsverhähnissen von Italien, auch nicht in der Erteilung des Bürger-
rechts an die Bundesgenossen zu suchen und somit die Wurzeln des ius
Italicum nicht in besonderen Rechtsverhältnissen Italiens zu finden seien.
In dem zweiten Abschnitte »die römischen Bürgerkolonieen und
das ius Italicum« führt der Verfasser aus, dafs nach Ansicht der meisten
Gelehrten die Kolonie- Eigenschaft einer Provinzial- Gemeinde thatsäch-
lieh die Voraussetzung für die Verleihung des ius Italicum bildet
Streitig ist dagegen, ob dasselbe allen römischen Kolonieen oder nur
einigen verliehen worden sei, während Einstimmigkeit darüber besteht,
dafs dieselben erst das ius Italicum durch besondere Verleihung er-
hielten, es also an sich nicht besafsen. Um die Frage der Steuerfrei-
heit, welche das ius Italicum verlieh, zur Entscheidung bringen zu können,
wird die Frage über die Rechtsstellung der Bürgerkolonie untersucht:
dieselbe als ein Staatsteil kann ihr Gebiet nur zu quiritarischem Rechte
besessen haben, und damit ist die Annahme, dafs dieses Gebiet mit
einer an den Staat zu entrichtenden Grundsteuer belastet gewesen sei,
ausgeschlossen. Die Kolonieen können also das Recht der Steuerfreiheit
nicht erst durch Verleihung des ius Italicum erhalten haben. Da ander-
seits aber feststeht, dafs das ius Italicum das steuerfreie Eigentum am
Boden wirklich verlieh , ja hierin der wesentliche, vielleicht der einzige
Inhalt des ius Italicum bestand, und weiter dafs das ius Italicum sich
stets an Kolonieen geknüpft findet, so bedarf dieser Widerspruch der
Lösung. Diese wird in dem dritten Abschnitt gegeben »Begriff und
Name des ius Italicum«. Die Stelle aus Ulpian de censibus, wonach
Heliopolis von dem Kaiser Severus Italicae coloniae rempublicam er-
halten habe, wird mit Rodbertus so gefafst, dafs die Verleihung der
respublica coloniae italicae sachlich nichts anderes bedeute als die Ver-
leihung des ius Italicum. Dafs aber in der Angabe über die neue Ver-
leihung gleichwohl der Koloniebegriff Platz findet, will Heisterbergk
daraus erklären, dafs der Koloniebegriff' ein inhärierendes Merkmal des
ius Italicum bildet.
In diesem Falle ist aber ius Italicum ein abkürzender Ausdruck
für ius oder respublica coloniae italicae; das ius Italicum verlieh also
5*
68 Römische Staatsaltertümer.
Kolonierechte. Eine colonia Italica ist aber nichts anderes als eine
vollberechtigte römische Bürgerkolonie. Das ius Italicura konnte jeder
Gemeinde verliehen werden, welche fähig war, das Recht einer römischen
Kolonie zu erlangen, also jeder aufser einer vollberechtigten römischen
Kolonie; jede Gemeinde aber, welcher es verliehen wurde, wurde, weil
das ius Italicum das Recht einer vollberechtigten römischen Kolonie
war, durch dessen Verleihung eo ipso eine römische Kolonie. Damit
ist auch der Widerspruch beseitigt, mit dem das zweite Kapitel schlofs.
Wie kam es, dafs die vollberechtigte römische Bürger- Kolonie
italische Kolonie, ihr Recht ius Italicum genannt wurde? Aus den
Münzen von Acci und aus dem Beispiele von Karthago wird bewiesen,
dafs die vollberechtigte römische Bürger-Kolonie nicht mit der deducierten
Kolonie sich deckt, dafs sie also ihren Namen colonia Italica nicht des-
halb erhalten haben kann, weil sie durch Überführung von römischen
Bürgern aus Italien wirklich deducierte Kolonie gewesen wäre. Sie ist
vielmehr die altröraische Bürger-Kolonie im Gegensatz zur Militär-Kolonie
und verdankt den Namen italica, nur dem rein äufserlichen, zufälligen
Umstände, dafs die altrömischen Bürger-Kolonieen — mit Ausnahme
der bald wieder aufgehobenen Kolonieen Karthago und Narbo — that-
sächlich sich nicht über die Grenzen Italiens verbreitet haben. Während
aber das Recht einer colonia italica einzelnen Städten aus besonderen
Gründen verliehen wurde, scheinen die Veteranen der Prätorianerkohorteu
durchgängig nach diesem Rechtsprinzip angesiedelt worden zu sein.
Die Abhandlung ist sehr vorsichtig und streng methodisch durch-
geführt, und man könnte sich mit dem Resultate wohl einverstanden
erklären, da vieles für dasselbe spricht. Aber es ist doch sehr zweifel-
haft, ob damit die Frage entschieden ist. Die Interpretation der wichtigen
Ulpianstellen ist mindestens bestreitbar, die Behandlung der Nachricht
über Cäsarea scheint nicht zwingend zu sein. Wir können also nur
sagen, dafs die Ergebnisse wahrscheinlich, nicht aber dafs sie unum-
stöfslich sicher sind.
3. Militärwesen.
Theodore Reinach, De Tetat de siege, fitude historique et
juridique, Paris 1885.
Von dieser Schrift gehören nur die beiden ersten Kapitel, welche
von der Diktatur und dem Senatus consultum ultimum handeln, in den
Jahresbericht. Sie bilden die Einleitung zu der Studie über das Recht
des Belagerungszustandes in Frankreich.
Betreffs der Diktatur zeigt der Verfasser einige Neigung, den Ur-
sprung derselben bei den Sabinern und Samnitern zu suchen; aber Be-
weise giebt er dafür nicht. Richtiger ist, dafs die Diktatur ursprüng-
lich rein militärischen Charakter hat ; die Patrizier übertrugen sie dann
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 69
auf ihre Kämpfe gegen den inneren Feind. Was sonst über das Amt
vorgebracht wird, ist nicht neu.
Für die Auffassung des SC ultimum weist der Verfasser in einer
kurzen Einleitung auf die Änderung des Verhältnisses des Senats zu
den Konsuln und Beamten überhaupt hin: letztere wurden lediglich
Vollstrecker des senatorischen Willens. Gegen den auswärtigen Feind
reichte dies aus; als die innere Revolution begann, hatte der Senat
keine Mittel, um derselben mit Erlolg d. h. mit Stärke entgegenzutreten.
Die Diktatur war zu gefährlich, da sich zu leicht die Versuchung bot,
die dadurch verliehene Gewalt beizubehalten. Anderseits reichte die ge-
wöhnliche Magistratur nicht aus, da sie innerhalb des Pomeriums kein
Heer verwenden durfte und in der völligen Freiheit des Strafsenverkehrs,
der Heiligkeit des Hauses und der custodia libera unüberwindliche
Mittel des Widerstandes vorhanden waren. Man hätte Rom an allen
vier Enden anzünden, man hätte Mord und Brand überall verbreiten
können, ohne dafs die Magistratur , wenn sie streng gesetzlich verfuhr,
auch nur die Rä delsführer hätte greifen dürfen. Um gegen solche Zu-
fälle gewappnet zu sein, erfand der Senat eine Institution, welche den
Magistraten für den Augenblick diktatorische Gewalt verlieh ohne den
Namen. Der Schutz gegen Misbrauch lag darin, dafs der Senat die
Initiative besafs und die Beamten, welche von der Machtbefugnis Ge-
brauch machten, nur auf ihn rechnen konnten, wenn es galt sich dar-
über zu verantworten. Der Senat behielt die oberste Leitung in der
Hand, und in der That übte er die Diktatur. An den Berichten über
die Unterdrückung Catiliuas sucht der Verfasser seine Theorie zu illu-
strieren.
Der Verfasser stellt dann die verschiedenen Formeln zusammen,
welche sich für die Übertragung dieser aufserordentlichen Gewalt ver-
wendet finden; die bekannteste derselben (videant consules etc.) scheint
die jüngste zu sein. Was die Magistrate betrifft, welchen diese diktato-
rische Befugnis verliehen wird, so ist es bald der eine Konsul, bald sind
es beide; aber auch der Interrex, die Prätoren, Prokonsuln und Pro-
prätoren, welche ein Heer au den Thoren haben, erhalten dieselbe. Die
Benutzung der übertragenen Gewalt ist sehr mannigfaltig: in der Regel
machen die Beamten nur Gebrauch, indem sie sich auf den Senat stützen,
dem sie die Initiative und die moralische Verantwortung für alle ent-
scheidenden Schritte überlassen.
Die wirksamste Mafsregel, durch welche sich der Senat in akuten
Krisen hilft, ist das decretum tumultus; durch sie wurden die gewöhn-
lichen Rekrutierungs-Bestimmungen aufgehoben. Verbunden wurde oft
mit dieser Mafsregel die Verkündung des Justitium, welches den Zweck
hatte, den Magistraten zu gestatten, ihre ganze Kraft der Verteidigung
zu widmen und den Bürgern ermöglichte, sich nur den Zwecken der
Militärverwaltung zu widmen. Auch das Justitium wurde vom Senate
70 Römische Staatsaltertümer.
angeordnet. Diese Ansicht sucht der Verfasser gegen Mommsen und
Nissen zu erweisen.
Während das SC ultimum die Magistrate im Allgemeinen ermäch-
tigte, den Staat von gewissen aufrührerischen Elementen zu befreien,
ist die Erklärung zum hostis durch den Ausspruch contra rempublicam
agi immer gegen einzelne Personen gerichtet.
Der Verfasser erörtert die Frage, ob die Hinrichtung des Grac-
chas, Satuminus und der Catilinarier gesetzlich zulässig gewesen sei.
Er findet dieselbe ungesetzlich, da sie gegen die Provokationsgesetze
verstiefs, der Beklagte sich in jedem Falle der Todesstrafe durch frei-
willige Verbannung entziehen konnte und die Komitien sogar, ebenso
die quaestiones extraordinariae nicht mehr auf Todesstrafe erkannten.
Auch das SC ultimum konnte den Magistraten nicht das Recht verleihen,
ohne Provokation die Todesstrafe zu verfügen; denn es war strenge
untersagt, eine Magistratur ohne Provokation zu schaffen; ebenso wenig
konnte der Senat einzelnen Personen das Beneficium der Provokations-
gesetze entziehen. Aber auch den Senat selbst das Todesurteil verhän-
gen zu lassen, was ängstliche Beamte, wie Cicero thaten, war durchaus
wirkungslos; denn der Senat war dazu nicht berechtigt. In der That
hat die demokratische Partei nie das angebliche Recht des Senats an-
erkannt.
Fr. Fröhlich, Feldherren und Feldherrntum im alten Rom zur
Zeit der Republik. (Abdruck aus dem XVII. Jahresbericht des Vereins
Schweiz. Gymnasiallehrer) Aarau 1885.
Der Verfasser illustriert in der Hauptsache durch ein aus sorg-
fältigem Studium der Alten gewonnenes Material die ciceronianischen
Anforderungen an einen Feldhenn grofsen Stils; wir heben nur einiges
daraus hervor.
Die Generalstabsschule der Römer war der Krieg; doch finden
sich auch Spuren von theoretischen Studien, namentlich der griechischen
Taktiker; zuerst scheint letztere der jüngere Airikanus studiert zu
haben. Die höhere Kriegskunst bestand für den Feldherrn in der Aus-
wahl eines Platzes für das Lager, in der Befestigung desselben, in der
Beschaffung der Zufuhr, in der Sicherstellung des Heeres gegen Hinter-
halte, in der Wahl der richtigen Zeit zum Kampf, in der Aufstellung
der Schlachtordnung, in der Deckung durch Reserven, im Besetzen
entscheidender Punkte und im Abschneiden der Verbindungen des Fein-
des. In der Regel operierte nur ein Heer gegen einen Feind, und da
entschied die Taktik, um die sich der ältere Afrikanus besondere Ver-
dienste erworben hat.
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 71
Alfred v. Domaszewski, Die Fahnen im römischen Heere
Abhandl. d. archäol.-epigr. Seminares der Univ. Wien. 5. Heft. Wien.
1885. Mit 100 Abbildungen.
Diese sorgfältige und interessante Schrift behandelt im ersten
Teile die taktische Bedeutung der Signa. Die entscheidende Waffe des
Legionärs ist das Schwert. In dieser Kampfweise, welche die Schlacht-
linie in eine Reihe von Einzelkämpfen auflösen mufste, ist die eigent-
liche Bedeutung der Signa begründet. Sie bilden während des lang-
dauernden Handgemenges die Stützpunkte der Unterabteilungen, um
welche sich die Kämpfer ordnen, und indem der Feldherr ihre Bewe-
gungen im Gefechte regelt, gelingt ihm die Leitung der Masse nach einheit-
lichem Plane. In der Zeit Cäsars stehen die Signa in dem ersten Gliede; es
ist aber durchaus anzunehmen, dafs die Stellung der Signa nach der tak-
tischen Ordnung der Römer an die Frontlinie gebunden ist. Eine Reihe
von Ausdrücken (signa tollere, movere, ferro, efferre, proferre, consti-
tuere, inferre, conferre, convertere, referre, transferre , promovere , retro
reeipere, ad laevam ferre. obicere, expedire) zeigt, dafs die Bewegun-
gen der Truppen durch die entsprechenden Bewegungen der Signa be-
zeichnet werden. Die Kommandoworte hat man sich meist an die signi-
feri gerichtet zu denken; ja es bestand im römischen Heere eine beson-
dere Klasse von Hornbläsern, welche durch ihre Signale die Bewegun-
gen der Signa zu leiten hatten.
Diese taktische Bedeutung der Signa läfst die Ansicht, dafs die
Signa der Manipeln zur Zeit der Mauipularordnung während des Ge-
fechts hinter der Schlachtlinie standen, als sehr bedenklich erscheinen.
Wenn von Livius die prima acies, also die Manipeln der hastati als
antesignani bezeichnet werden, so hat man hierbei nicht an die Mani-
pelsigna zu denken, sondern neben diesen bestand noch eine zweite
Gattung von Signa, auf deren Vorhandensein bestimmte Spuren der
Überlieferung führen.
Im zweiten Teile werden die Signa im Zusammenhange mit der
Organisation behandelt. Historische Nachrichten über die Signa begin-
nen erst in der Zeit der Manipularordnung; jeder der 30 Manipeln, in
welche die Legion zerfiel, führte ein signum. Die velites, welche zu dem
Manipel gehörten, hatten kein eignes Signum, sondern waren nur für
den Marsch und das Lager unter das Manipelsiguum eingeteilt, wäh-
rend sie in der Schiacht teils selbständig, teils im Vereine mit der Rei-
terei operierten. Bei den Bundesgenossen bildete die Kohorte die Ein-
heit; sie führte deshalb auch ein Signum. Dagegen ist die Legionsko-
horte den Heeres-Einrichtungen der älteren Zeit noch fremd. Die erste
sichere Nachricht findet sich bei Sallust (B. J. 51, 3); danach ist sie
keine Neuerung des Marius.
Auch hier blieb der Manipel als taktische Formation in Geltung,
72 Römische Staatsaltertümer.
während seine Hälften, die Centurien, die administrative Einheit bilde-
ten. Im Laufe der Kaiserzeit verschwand der Manipel aus der römi-
schen Heeresorganisatiou. Daher wird für die spätere Zeit die Angabe
des Vegetius richtig sein, dafs die Centuria ein Signum führt. Dagegen
hat es Kohortenfahnen nie gegeben.
Seit Marius hat die Legion noch eine Fahne, den Adler; dieselbe
ist von lediglich symbolischer Bedeutung, der Ausdruck der Zusammen-
gehörigkeit in der Truppe. Jede von dem Stamme der Legion zu irgend
einem Zwecke losgetrennte Abteilung erhält als Symbol ihrer vorüber-
gehenden Zusammengehörigkeit ebenfalls eine Fahne, und zwar eine
Zeugfahne (vexillum); von mehreren solchen Abteilungen aus verschie-
deneu Legionen, die unter einem Kommando vereinigt wurden, führt
doch jede Abteilung ihr besonderes vexillum; ein Signum haben die-
selben nicht. In der symbolischen Bedeutung findet sich das Vexillum
bei den Transporten der Verwundeten und der Rekruten und bei den
Veteranen verwendet. Bei den aus Infanterie und Reiterei kombinierten
Abteilungen ist das Vexillum jederzeit die charakteristische Reiterfahne
geblieben. Dies gilt sowohl von den equites legionis als den equites der
cohortes equitatae und wahrscheinlich auch von den equites der coh.
praetoriae. Wahrscheinlich hatte bei allen diesen Reitern jede Turme
ihr Vexillum. In den blofs aus Reitern gebildeten Truppen, den alae
und den equites singulares finden sich sowohl signiferi als vexillarii;
doch ist deren Funktion bezw. die Unterscheidung der Feldzeichen noch
nicht klar. Die Prätorianer-Kohorten hatten höchst wahrscheinlich auch
Manipelsigna. Aber als die Manipeln in der Legion aufgehoben wur-
den, wird dies auch in den Prätorianer-Kohorten geschehen sein.
Im dritten Teile wird die Form der Fahnen nach Grabsteinen,
Siegesdenkmälern und Münzen mit grofser Sorgfalt erörtert, a) Der
Legionsadler. Es erscheint meist ein Adler mit aufgerichteten Flü-
geln; es scheint, dafs der Legionsadler, der aufzusteigen im Begriffe ist,
gleich einem glückverheifsenden Augurium der Legion vorausfliegen soll,
um ihr den Weg zum Siege zu weisen. An der Fahnenstange wurden
Orden angebracht, welche der ganzen Legion verliehen worden waren,
b) Die Signa der Legion. Die Fahnenstange ist eine Lanze, die unten
in einen Schuh zum Einstofsen endet. Eine kurze Querstange über dem
Schuh verhindert das zu tiefe Einsinken, während eine Handhabe das
Herausziehen erleichterte. Die Fahnenstange war mit Silber bekleidet.
An der Fahnenstange ist oben ein Querholz befestigt, das an den Enden in
Ringen purpurne Bänder trägt, welche an ihren Enden mit silbernen Epheu-
blättern geschmückt sind; an diesem Querholze war auf einer Silber-
platte die Bezeichnung des Truppenkörpers angebracht. An der Fah-
nenstange sind als stehender Schmuck silberne Scheiben angebracht, die
einen Buckel in der Mitte und einen aufgetriebenen Rand zeigen und
mit den phalerae genau übereinstimmen, wenn diese nicht mit Reliefs
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 73
geschmückt sind. Man hat ebenfalls hierin an ganze Truppenkörper
verliehene phalerae zu erkennen; in ähnlicher Weise wie die phalera
an Fufstruppen wird die torques an Reitertruppen verliehen. Wahr-
scheinlich waren die phalerae so an der Fahnenstange befestigt, dafs
sie heruntergenommen werden konnten, ohne sie zu beschädigen. Welche
Bedeutung die Hand auf manchen Signa hat, ist unbekannt; noch schwie-
riger ist die Erklärung der Tierbilder auf den Signa. Das Tierbild
war an der Stange unter den phalerae befestigt. Wahrscheinlich hat
jede Legion ein eigentümliches Tier; vielleicht sollte die Befestigung
derselben als Apotropaeum wirken, c) Prätorianersigna. Dieselben
haben im Verlaufe der Kaiserzeit vielfache Veränderungen erfahren.
Für die trajanische Zeit läfst sich auf Grund der Trajanssäule folgender
Typus feststellen. Die Fahnenstange ist eine Lanze mit Querholz, an
dessen Enden Bänder mit Epheublättern geschmückt herabhängen; über
dem Querholze sitzt ein Adler. Die übrigen Bestandteile, mit Ausnahme
der Kaiserbilder, sind als Orden aufzufassen. Die Kaiserbilder sind in
der Mitte der Fahnenstange befestigt, getrennt durch eine oder zwei
coronae. Diese Blätterki'änze (Corona aurea, muralis, classica, vallaris)
sind den Prätorianersignen so eigentümlich, wie denen der Legion die
phalerae. Alle diese Bestandteile werden von Gold gewesen sein,
d) imagines und imaginiferi. In der Legion sowohl als in den Auxiliar-
kohorteu finden sich in den Inschriften besondere imaginiferi. Man
kann daraus schliefsen, dafs die imago des Kaisers in diesen Truppen-
körpern an besonderer Stange getragen wurde; die imago war ein Me-
daillon, wie bei den Prätorianern. In den Alen bestand wahrscheinlich
neben den signa der Türmen noch ein Signum der ganzen Ala, und au
diesem wurde das Kaiserbild getragen, e) Signa der Auxilia. Die Form
des Signums ist nach dem Vorbilde des Manipelsignums geschaffen;
auch Corona aurea und phalera finden sich in ähnlicher Weise als Orden.
Manche signa tragen als einzigen Schmuck Tierbilder; dieselben sind
als signa der numeri anzusehen d.h. von Truppen, die auf nationaler
Grundlage zusammengesetzt und organisiert waren, f) Signa der Spe-
culatores. Die Speculatores hatten eigne Fahnen. Über dem Querholz,
an dem Bänder mit Epheublättern hängen, ist ein aufrechtstehender
Kranz befestigt ; unter dem Querholz eine phalera, ein aufrechtstehender
Kranz und ein Schiffsvorderteil, g) Vexilla. Für Reiter und Fufsgänger
ergeben sich bezüglich der Form nicht wesentliche Unterschiede. An
einem Lanzenschafte ist ein Querholz befestigt, von welchem ein qua-
dratisches Stück Zeug niederhängt, dessen unterer Rand mit Fransen
besetzt ist. Über dem Querholz ist eine Hand angebracht; der Schuh
hat die Form eines Dreizacks. Das Vexillum trug den Namen des
Truppenkörpers, aus welchem die Vexillatio ausgeschieden war, und den
Namen des Kaisers. Die älteste Fahne des römischen Heeres ist ohne
Zweifel ein vexillum gewesen. Die Form der ältesten Manipelsigna be-
74 Römische Staatsaltertümer.
stätigt diese Annahme; denn unter den phalerae ist ein kleines vexillum
angebracht, welches die Aufschrift trägt und sich dadurch als die eigent-
liche Fahne kennzeichnet.
Die verdienstvolle Abhandlung möge bald auf ähnlichen Gebieten
Nachfolge finden!
W. Soltau, Die Manipulartaktik. Hermes 20, 262—267.
Gegen Delbrücks Aufsatz (Jahresbericht 1883 Seite 221) wendet
sich Soltau. Die Intervalle bei der Manipularordnung waren zu Anfang
der Schlacht notwendig, so lange überhaupt Leichtbewaffnete über die
einzelnen Manipel verteilt waren d. h. eben bis zu der Zeit, da Marius
die Kohortenstellung einführte. Denn durch sie zogen sich die Leicht-
bewaffneten zurück. Bei Beginn des Kampfes wurde aber die Quincunx-
stellung modificiert und zwar durch das einfache Kommando des laxare
ordines, laxare manipulos = Abstand nehmen innerhalb der Manipel.
Bei einer Verdoppelung des Abstandes jedes einzelnen Legionars von
seinem Nebenmaune mufsten die abstände zwischen den Manipeln aus-
gefüllt werden , wenn anders diese selbst nicht gröfser waren als die
bisherige Manipelfi'ont. In diesem Falle war jede Unordnung ausge-
schlossen; ebenso wenig konnte sich jetzt der Feind flankierend und
umfassend zwischen die Manipeln drängen. Mufsten die hastati weichen,
so zogen sie sich auf die signa manipuli und die vexilla centuriarum(?)
zurück, die zu Beginn der statarischen Schlacht sich hinter die Front
begeben haben. Wenn dabei vorübergehende gröfsere Lücken zwischen
Manipel und Manipel entstanden, so rückten die principes nach und
füllten dieselben. Entweder kamen nun die hastati schnell durch das
Intervall hinter die Front, dann nahmen auch die principes möglichst
schnell gröfseren Abstand und traten als eine neue Schlachtreihe laxatis
ordinibus der feindlichen Phalanx gegenüber. Oder das Manoeuvre ge-
lang nicht; dann nahmen die einzelnen Legionare der Principesmanipel
desto mehr Abstand, je mehr sich die hastati nach und nach hinter die
principes zurückzogen. Selbst wenn manche der hastati, zur Seite ge-
drängt, nicht ihre vexilla (?) und signa durch das ihnen zukommende
Intervall direkt erreichten, konnte es vereinzelten, versprengten, kleineren
Abteilungen möglich werden, durch die weiten Abstände der einzelneu
Rotten der principes hindurchzuschlüpfeu , ohne diese selbst in Unord-
nung zu bringen.
A. Kuthe, Die römische Manipulartaktik. SA. aus der Fest-
schrift des Gymnasiums Wismar zum 50jährigen Jubiläum des Direktor
Nölting. 1885.
Die Schrift ist in der Hauptsache eine Polemik gegen Delbrück
und de la Chauvelays, wobei der Verfasser zu folgenden positiven Er-
gebnissen gelangt.
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 75
Durch Kombination von Liv. 8, 8 und Polybius (18, 28 — 32) hofft
der Verfasser eine Untersuchung über das Wesen der Manipulartaktik
zu ennöglichen. Letzterer hebt die ünbehülflichkeit der Phalanx und
ihre Unbraucbbarkeit in unebenem Gebiete sowie die Unmöglichkeit hervor,
einzelne kleinere Truppenteile oder den einzelnen Mann frei zu ver-
wenden. Die Phalanx könne bei ihrer Abhängigkeit von einem durchaus
ebenen Schlachtfelde die Annahme des Kampfes nicht erzwingen, ja
selbst wenn der Feind den Kampf annähme und nur nicht sein ganzes
Heer zu dem einen Schlage zusammenfasse, sei der Erfolg gefährdet.
Denn auch im Falle des Sieges biete dieselbe, falls sie zur Verfolgung
übergehe, einer feindlichen Reserve die Möglichkeit zu einem Angriffe
in Rücken und Flanke, wodurch es leicht sei, sie zu überwältigen.
Von der Manipularordnung rühmt er, dafs sie sich jeder Örtlichkeit, wie
überhaupt den mannigfachsten militärischen Bedürfnissen anpasse, dafs
sie durch Teilung der Truppen und Aufstellung der Reserve den Vor-
teilen der phalangitischen Stellung begegne und endlich kleinere Truppen-
teile für sich verwendbar mache.
Schon die ältere Manipularordnung des Livianischen Berichts wird
allen drei Forderungen gerecht. Das Heer wird in Abteilungen von
120. richtiger 60 Mann aufgestellt, ist also beweglich, auch auf unebe-
nem Gebiete operationsfähig, überhaupt von der Örtlichkeit unabhängiger;
drei Treffen folgen aufeinander, das Prinzip der Reserve ist also durch-
geführt, und endlich kann der Feldherr über einzelne Teile, seien es
ganze Treffen oder einzelne Manipel, nach dem augenblicklichen Be-
dürfnisse frei verfügen. In Einzelheiten weichen beide Quellen von ein-
ander ab, aber der Grundgedanke ist bei beiden derselbe. Die Triarier
will der Verfasser mit Dionys (5, 15 und 8, 86) aus der Lagerwache
hervorgegangen ansehen, da bei der Phalanx eine Reserve keinen Wert
gehabt habe, welche durch ein von besonders zuverlässigen Truppen ver-
teidigtes Lager ersetzt wurde ; auf diese Bestimmung soll auch die Be-
waffnung mit dem pilum (pilani) hinweisen, da die pila sich ganz be-
sonders zum Wurf von oben eigneten. Bei dieser Annahme scheint
Kuthe ein enger Zusammenhang zwischen der ersten Ausbildung der
Manipularlegion und dem Eintreten der Triarier in die offene Feld-
schlacht sehr wohl denkbar, ja beide Mafsregeln würden sich in gewisser
Hinsicht gerade bedingen.
In dem Berichte des Livius glaubt der Verfasser besonders zwei
Punkte hervorheben zu müssen: 1. den Altersunterschied zwischen den
drei Klassen der Schwerbewaffneten und die dadurch bedingte militärische
Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit derselben und 2. die Verschiedenheit
der Bewaffnung. Es giebt nämlich nach Livius und Polybius drei Klassen
Schwerbewaffneter, die junge Mannschaft der hastati, den Kern der
Wehrmannschaft, die principes, und die Veteranen der Triarier, welche
die Stofslanze führen. Schon hieraus wie aus dem Umstände, dafs ihre
76 Römische Staatsaltertümer.
Zahl auch in der verstärkten Legion nicht vermehrt wurde, ergiebt sich
mit Sicherheit, dafs die Triarier als Reserve anzusehen sind, dafs also
die Legion in eine Offensiv- und Defensivschlachtreihe zerfiel. Dann ist
aber weder die von Rocquancourt, noch die von Guischardt, noch die
von Delbrück angenommene Schlachtordnung denkbar. Zunächst sucht
Kuthe die Frage zu entscheiden, wie viel Raum der einzelne Mann im
Kampfe nötig hatte. Die Pileusalve erfolgte mit geschlossenen Gliedern;
erst nach ihr ziehen sich die Manipel rechts und links auseinander.
Denn zum Schwertangriff brauchte man mehr Raum. Um aber diese
Auseinanderziehuug vornehmen zu können, mufste die Legion in kleinere
Abteilungen aufgelöst werden, und dies sind die Manipel mit ihren
Intervallen, die man darnach als eine notwendige Folge der neuen Be-
waffnung und der dadurch bedingten neuen Fechtweise ansehen darf.
Der Kernpunkt der ganzen Frage ist die Gröfse der Intervalle.
Den Ausdruck modicum spatium von der Breite der ganzen Manipelfront
zu verstehen würde vielleicht bedenklich sein, wenn man sich die Ma-
nipel der ältesten Zeit 120 Mann stark denken müfste und damit zu
einer Frontbreite von 60 Fufs käme. Der Verfasser will aber für die
ältere Manipel nur 60 Mann annehmen, die zehn Mann breit und sechs
Mann tief standen, und meint für eine Entfernung von 30 römischen
Fufs wäre modicum spatium kein befremdlicher Ausdruck. Auch das
Bedenken, dafs beim Vorrücken alle Distanzen verloren gehen würden,
findet er nicht durchschlagend, da es sich einmal überhaupt nicht um
weite Entfernungen handle und weiter das Schwanken bei Abteilungen
von sechs resp. acht Mann Tiefe viel weniger stark sei als bei weniger
tiefen Aufstellungen. Eine geringe Verschiebung der Manipel nach
rechts oder links war aber kein grofser Schaden, wenn die Intervalle
während des Nahkampfes durch das Auseinanderziehen der Truppen
ausgefüllt wurden. Hierin aber lag die eine Bedeutung der Intervalle,
deren weitere Aufgaben dann waren, das Vorrücken und den Rückzug
der leichten Truppen zu ermöglichen, die ganze Truppe beweglicher,
handlicher zu machen und endlich die Ablösung der Treffen und schliefs-
lich das Eingreifen der Triarierreserve zu ermöglichen. Dafs die Ab-
lösung der Treffen nicht so undenkbar war, wie Delbrück behauptet,
versucht der Verfasser zu erweisen; das Fragment des Dionys. 20, IIb
wird zur Bestätigung verwandt. Auch die Triarier standen mit Inter-
vallen, die auf die Manipel der priucipes gerichtet waren. Man nimmt
nun gewöhnlich an, diese Intervalle seien durch die noch kampffähigen
Hastaten und Principes geschlossen und damit die Phalanx hergestellt
worden. Der Verfasser will aber die Liviusstelle: triarii consurgentes
— in hostem incidebant so verstehen: Sobald sich die beiden Vorder-
treffen durch die Intervalle zurückgezogen hatten, schlössen die Triarier
ihre Manipel dicht an einander (comprimere) und sperrten damit die
bisher vorhandenen Wege zum Rückzuge der Vordertreffen. Dafs da-
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 77
durch die Schlachtreihe um die Hälfte verkürzt werden mufste, spricht
nicht gegen diese Auffassung, da es genügte, wenn der feindliche An-
griff an dieser Linie sich brach. Wenn man einwende, es habe an Zeit
und Raum für eine solche Bewegung gefehlt, so sei dagegen zu sagen,
man dürfe an ein wildes ungeregeltes Nachdrängen des Feindes nicht
denken, da auch dieser Ordnung und Zusammenhang zu bewahren suchen
mufste.
Danach prüft nun der Verfasser die Schlachtberichte von Tunis,
Telamon, Canuae, Baecula sowie die Nachrichten über die Schlacht
»auf dem grofsen Felde« und bei Zama. Durch diese Einzelprüfung
der wichtigsten Schlachtberichte glaubt Kuthe gezeigt zu haben, dafs
die im ersten Teile seiner Untersuchung entwickelten Ansichten von der
römischen Manipulartaktik durchaus im Einklänge mit der Überliefe-
rung stehen.
Die Gegner werden schwerlich durch diese Ausführungen über-
zeugt werden; denn dieselben beruhen immerhin auf einer gewagten
Auffassung der Liviusstelle, sind mit Polybius nicht völlig im Einklang
und argumentieren stark mit dem, was wir nicht wissen und nicht wissen
können. Schwerlich werden diese Fragen jemals zu völliger Evidenz
gebracht werden. Bis dahin sind aber alle Versuche, welche der Über-
lieferung keine zu grofse Gewalt anthun, zulässig.
R. Menge, Ein Beitrag zur Konstruktion von Cäsars Rheinbrücke.
Caes. b. G. 4, 17. Philol. 44, 279-290.
Eine Konstruktion der Rheinbrücke mufs nicht nur in den ein-
zelnen Teilen zu den Worten des Textes stimmen, sondern sie mufs auch
den technischen Anforderungen genügen, dafs sie binnen zehn Tagen
nach Anfuhr des Holzes hat vollendet werden können und dafs auf sie
die Worte Cäsars passen: ut quo maior vis aquae se incitavisset, hoc
artius illigata tenerentur. Die erstere Anforderung erfüllen alle die
Pläne, welche blofs Rundholz verwenden lassen, das an den Auflager-
stellen u. s. w. etwas beschlagen wurde; in diesem Falle müssen die
Hölzer keilförmig zulaufende Enden gehabt haben.
Die Verbindung der Pfähle wurde als eine Vorarbeit auf dem
Lande vorgenommen; die kräftigen Rundhölzer wurden an etwa vier
Stellen angekerbt. Darauf wurden etwas dünnere Rundhölzer in Stücke
von ungefähr sechs Fufs Länge zersägt und in den Kerben der paar-
weise nebeneinander gelegten tigna gut befestigt. Der Annahme, dafs
dies etwa mit starken Eisennägeln geschah, steht nichts entgegen. Die
Balkenpaare mufsten an den oberen Enden genau zwei Fufs ausein-
anderstehen; zu dem Zwecke waren sie auf den Innenseiten oben etwas
mit der Axt beschlagen, so dafs sie naturgemäfs etwas keilförmig zu-
liefen. Eingerammt wurden die Pfähle in der Weise, dafs oben über
sie eine Bohle oder ein Balken gelegt und gut befestigt war, auf den
78 Römische Staatsaltertümer.
die Ramme traf, so dafs die beiden tigna sich nebeneinander gleich-
mäfsig bewegten. So wurde auch verhütet, dafs die oberen Enden der
tigna durch das Aufschlagen der Ramme gespalten oder sonst verletzt
wurden. Die Angabe pedum quadragenum ist wahrscheinlich so zu ver-
stehen, dafs auf dem Wasserspiegel die Entfernung der Pfahlpaare von
einander 40 Fufs betragen habe. Die Angabe quantum eorum tignorum
iunctura distabat gehört zu dem unmittelbar vorhergehenden inmissis =
so tief als die Verbindung abstand und ist als vertikale Entfernung zu
fassen. Die Holme lagen demnach beiderseits auf dem obersten der
Querriegel auf, welche die iunctura bildeten - iunctura ist dabei in
konkretem, aber generellem Sinne genommen, wie structura := Mauer-
werk, scriptura = Schriftwerke u. s. w. An diesem Quei-riegel wird die
obere Seite etwas abgeplattet gewesen sein, so dafs das Auflager breiter
wurde; auch war er vielleicht etwas sorgfältiger und tiefer in der Kerbe
befestigt. Da die Berührungsflächen überall beschlagen waren, so lief
auch die Lücke zwischen den oberen Balkenenden, in welche der Holm
eingelassen wurde, nach unten etwas keilförmig zu, und ein grofser Teil
der Last wurde also durch die stattfindende Einklemmung unmittelbar
auf die tigna selbst übertragen. Nachdem die ebenfalls keilförmig an-
gespitzten Holme von oben eingelegt waren, stand der Bock fertig da;
aber schwankende Lasten zu tragen war er noch nicht geeignet. Geriet
nämlich der Holm durch die darüber hinmarschierenden Soldaten in
Schwingungen, so würde er seitlich an den Auflagerstellen weit hin- und
hergerutscht sein; dies zu verringern, dienten die binae utrimque fibulae;
also wurden bei jedem Bocke vier fibulae verwendet, so dafs auf jedes
Pfahlpaar deren zwei kamen; diese zwei fibulae wurden in den Holmen
aufserhalb der tigna übereinander angebracht, um zu verhindern, dafs
der Holm nach der Mitte zu sich herausziehen oder die Pfahlpaare nach
aufsen zurückweichen könnten; fibulae sind Durchstecker, Bolzen. Durch
sie erhielten die Pfahlpaare einen festen Stand. Nach rechts und links
konnten sie sich nicht bewegen, weil sie paarweise eingerammt waren;
dazu kam noch der durchgesteckte Holm, der mit den benachbarten
Brückenböcken durch lange Balken verbunden wurde und so in diesen
Richtungen eine Bewegung unmöglich machte. Aber dies kommt hier
weniger in Betracht als die beiden andern Richtungen, nach der Mitte
der Brücke zu und nach auswärts. Die Bewegung nach der Mitte zu
wurde auf ein Minimum beschränkt durch die keilförmige Gestalt der
Holmenden, die andere durch die durchgesteckten Bolzen. Den Brücken-
belag mit Streckbalken, die mit Stangen und Flechtwerk bedeckt wurden,
wählte er, weil er durch Elastizität die Erschütterung der Böcke ver-
minderte.
Als die Brücke fertig war, neigten sich infolge der starken Strö-
mung die stromaufwärts stehenden Pfahlpaare etwas, schoben dabei zu-
gleich den Holm etwas in der Richtung stromabwärts, hoben das untere
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 79
Pfahl paar und lockerten es im Flufsbette. Um dieser Gefahr zu be-
geguen, mufsten iu der Richtung gegen den Strom Strebepfeiler auge-
bracht werden. Sie wurden hinter dem unteren Pfahlpaare, fluftsabwärts,
eingerammt und cum omni opere verbunden d. h. mit den trabes und
tigna. Sie konnten in dieser Weise angebracht werden: Die Stirnseite
der Holme flufsabwärts wurde schief abgesägt in einem Winkel, welcher
übereinstimmte mit der Richtung, die den Streben gegeben werden
sollte. Diese schiefen Flächen bildeten zugleich mit die Führung für
die einzurammenden Streben. Safsen sie fest im Flufsbette, so wurden
sie oberhalb des Holmes abgeschnitten. Mit dem Holme wurden sie
etwa durch einen dicken Eisenuagel verbunden, der wagerecht bis in
den Holm eingetrieben wurde. Die Verbindung mit den beiden tigna
wurde durch kräftige Holzplatten bewerkstelligt, die mit Nägeln ange-
schlagen wurden.
Her man Haupt. Der römische Grenzwall in Deutschland nach
den neueren Forschungen. Mit besonderer Berücksichtigung Unter-
frankens. Würzburg 1885. (SA. aus d. Archiv des hist. Vereins für
Unterfraukeu und Aschaffeaburg 28 S.)
Nach einer kurzen historischen Einleitung geht der Verfasser auf
die Betrachtung des Grenzwalles über. Am besten konserviert ist das
Stück an der Donau bei Pfahlbronn (Teufelsmauer); die gemauerte
dammartige Anlage aus Stein und Mörtel ist noch heute an einigen
Stellen vollkommen intakt erhalten. Um die bayrische Strecke dersel-
ben (Altmfihl- Mündung — Kipfenberg - Gunzenhausen — Leilenfeld)
hat Ohlenschlager sich grofse Verdienste erworben; noch ungelöst ist
die Konstruierung der diesen Abschnitt deckenden Befestigungen, Wacht-
häuser, Kastelle etc.; ebenso bedarf die Frage nach dem Verhältnis der
»Teufelsmauer« zu der 1V2— 2V2 Stunden hinter ihr liegenden, aus
einer Reihe von Kastellen gebildeten Verteidigungslinie Irnsing — Pfö-
ring — Kösching — Pfünz — Theilenhofen noch der Aufklärung. Den
Anschlufs der letzteren Verteidigungslinie an die Donau, sowie den Flufs-
übergaug deckte das mächtige Castrura zu Eining (Abusina). Die in
Württemberg erhaltenen dammartigen Grenzanlagen zerfallen hinsicht-
lich ihrer konstruktiven Verhältnisse in zwei bestimmt von einander
unterschiedene Linien. Die eine besteht aus einem meist mit vorlie-
gendem Graben versehenen Erdwalle, der von Osterburken über Öhrin-
gen, Murrhardt, Pfahlbronn nach Lorch zieht; die andere wird durch
einen gemauerten Damm gebildet, der in seiner Anlage mit dem baye-
rischen Teile übereinstimmend sich von der bayerischen Grenze über
Pfahlheim, Schwabsberg, Hüttlingen, Alfdorf bis nach Pfahlbronn ver-
folgen läfst. Die Verschiedenheit der Anlage ist durch den Wechsel
der Provinz bei oder in der Nähe von Lorch zu erklären, die östliche
Linie daher.als limes Raeticus, die von Lorch nach Nordwesten gerich-
80 Römische Staatsaltertümer.
tete als limes transrhenanus zu bezeichnen; es ist wahrscheinlich, dafs
beide Linien unabhängig von einander gebaut und erst später in Ver-
bindung gesetzt worden sind.
Von den Kastellen der westlichen Limeslinie (Welzheim, Murr-
hardt, Meinhardt, Öhringen, Jaxthausen) die in einer Entfernung von
durchschnittlich 13 km aufeinander folgen, gehörte, wenigstens in späte-
rer Zeit, zu den bedeutendsten Öhringen (vicus Aurelii); die letzten Spu-
ren desselben gehören in das Jahr 237.
Noch weiter herab geht eine Inschrift des gleichfalls sehr bedeu-
tenden Waffenplatzes zu Osterburken (244—249). Für den Limes von
der badisch-württembergischen Grenze bis zum Main ist durch Conrady
festgestellt, dafs derselbe noch südlicher von Walldürn, bei einem Wacht-
turme im Hettinger »Grofsen Walde« seine bisherige nordwestliche Rich-
tung verläfst, sich auf eine Meile nach Nordosten wendet, nach Um-
schliefsung des Kastells Alteburg bei Walldürn abermals den Lauf nach
Nordwesten bis Reichartshausen einschlägt, denselben alsdann bis 500 ra
nördlich von Wenschdorf in einen nördlichen ändert und nach einer
abermaligen Wendung nach Westen über den Gipfel des Greinberges
hinab nach dem am Maine 2V2 km unterhalb von Miltenberg gelegenen
grofsen Limeskastell Altstadt zieht. Auf der kurzen Strecke zwischen
Miltenberg und Walldürn hat Conrady nicht weniger als 21 Überreste
von in Abständen von 900—1000 Schritten auf einander folgenden Wacht-
türmen aufzufinden vermocht ; aufser dem Kastell von Walldürn hat er
ein bisher unbekanntes kleines Zwischenkastell, die Hasselburg, aufge-
deckt. An mehreren Stellen war der Wall gut erhalten als eine 11 bis
13 m breite gleichmäfsige Bodenwelle, welche an der östlichen, ehemals
dem Feinde zugekehrten Seite noch zu einer Höhe von V2 m sich er-
hebt. An dem über den Greinberg ziehenden Liraesabschnitt wurde ein
Grenzstein mit der Inschrift: Inter Toutonos C. A. H. gefunden. Die zu
Miltenberg gefundenen Münzen reichen in ununterbrochener Reihe von
Nero bis auf Magnus Maximus herab; man wird wohl in Miltenberg das
Fortbestehen einer aus römischen Kolonen bestehenden bürgerlichen Ge-
nossenschaft mindestens bis zum Ende des vierten Jahrhunderts, wenn
auch unter alamannischer Oberhoheit anzunehmen haben. Von Milten-
berg abwärts bildete der Main die römische Reichsgrenze. Duncker er-
kannte Grofs-Krotzenburg als den Punkt, an welchem der von Süden
längs des linken Mainufers herabziehende Limes den Flufs überschritt.
Das Fehlen von römischen Befestigungen im Vogelsberg und Spessart
ist durch Kofler und Haupt erwiesen. Wird Aschaffenburg als römi-
sches Kastell angenommen — Duncker hat dasselbe mit guten Gründen
bestritten — so wäre doch höchstens hier ein Brückenkopf anzunehmen.
Auch der Limesabschnitt von der Einzig bis zur Wetter ist wiederholt
untersucht und sein Anschlufs an die schon früher sicher gestellte vom
Taunus nach Arnsburg ziehende Linie erreicht. In dieser letzteren Linie
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. gl
sind durch v. Cohausen uud Rössel zahlreiche Kastelle konstatiert, wel-
che den Limes in seinem Laufe von der Wetter hoch über den Kamm
des Taunus und nach Überschreitung des Lahn-Sayn und Wiedtales zu
decken hatten. Die Saalburg ist in ihrer grofsartigen und einzigen Be-
deutung für die Kenntnis der Einrichtung eines römischen Staudlagers
immer besser erkannt. Über diesen Teil hinaus läfst sich der Lauf des
Limes von dem mächtigen Castrum bei Niederbiber bis nach Rheinbrohl
deutlich verfolgen; letzterer Ort war vom strategischen Gesichtspunkte
zum Abschlufs des Limes vorzüglich geeignet; der Rheinbrohl gegenüber
mündende Vinxtbach ist die Grenze der ober- uud niedergermanischen
Provinz.
Was die Zeit der Erbauung und die Bestimmung des Limes be-
trifft, so wurde von mehreren Seiten die Mümmlinglinie als wichtiger
Anhaltspunkt für die letztere bezeichnet. Nach den neuesten Forschun-
gen hat man in derselben einen durch grofse uud kleine Kastelle, sowie
durch dazwischen liegende Wachttürme, aber nicht durch einen Wall be-
festigten, mit den Linieskasteilen in Verbindung stehenden Strafsenzug
zu erkennen, welcher über den Rücken des Odeuwaldes und des Plateau
zwischen Main und Neckar durch das Elzthal an den Neckar zog, der
wahrscheinlich bei Guudelsheini erreicht wurde. Es liegt sehr nahe, von
hier an eine Fortsetzung der Linie längs des Neckars, etwa bis Kann-
stadt und eine Verbindung derselben mit dem Donaulimes mittels der
durch das Remsthal nach Lorch ziehenden Heerstrafse anzunehmen.
Dafs der Limes selbst die Bestimmung als Heerstrafse gehabt habe, ist
aus vielen Gründen unwahrscheinlich; die Türme vor allem, welche auf
demselben standen, würden eine Kommunikation nur auf den einzelnen
Teilen der Grenzmaueru gestattet haben. Über die Zeit der Errichtung
gehen die Ansichten noch immer erheblich auseinander; Haupt schreibt
M. Aurel einen erheblichen Anteil an dem südlichen Teile zu. Er sieht
die Bestimmung der Anlage vor allem in der Herstellung des Grenz-
schutzes. Diese tritt z. B. in dem Stücke von Kelheim bis zur Alb klar
hervor, ähnlich in dem von der Lahn bis Rheinbrohl. An anderen weni-
ger wichtigen Abschnitten z. B- zwischen Lorch und Miltenberg mochte
man sich mitunter auch von nicht militärischen Gesichtspunkten, z. B.
von der Rücksichtnahme auf die Zollerhebung, bei der Anlage bestim-
men lassen. Aber selbst in diesem Falle waren die für eine Demar-
kationslinie zu starken Besatzungen der sämtliche Heerstrafsen beherr-
schenden Kastelle, für deren rasche Zusammenziehung die meist gerad-
linige Anlage des Limes wohl am meisten berechnet war, überdies ver-
stärkt durch die Kastellbesatzuugen der in geringen Entfernungen hinter
dem Limes liegenden Etappenstrafsen dazu bestimmt und meist auch
imstande, die Angriffe feindlicher Scharen abzuschlagen. Dafs der Limes
durch eine Pfahlreihe geschützt war, nimmt Haupt gegen v. Cohausen
an, die Verteidigungsfähigkeit wurde durch eine Ödlandgrenze erhöht.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LIL (i887. lU.) 6
82 Römische Staatsaltertümer.
Für die späteren Massenangriffe behielt der Limes die Bedeutung einer
Allarmieruugslinie. DaPs er seioe Sehutzbestimmung erfüllte, beweist die
hinter ihm sich entwickelnde reiche Kultur.
Die anspruchslose Schrift ist recht nützlich und verarbeitet ein
reiches Material.
Georg Wolff und Otto Da hm, Der römische Greuzwall bei
Hanau mit den Kastellen zu Rückingen und Marköbel. Progr. Gymn.
Hanau 1885. Mit vier lithogr. Tafeln.
Zweck der Schrift ist die Mitteilung der Resultate der Ausgra-
bungen, welche der Hanauer Bezirks-Verein 1883 und 1884 am Pfahl-
graben zwischen Kinzig und Main und an den grofsen Kastellen zu
Rückingen und Marköbel vorgenommen hat.
An dem Kastell in Grofs-Krotzenburg wurden Winter 1882/3 die
Fundamente des nördlichen Turmes der Porta praetoria blofsgelegt. Im
Winter 1883/4 wurde eine Ziegelei der coh. IV Vindelicorum gefunden.
Zu gleicher Zeit wurde festgestellt, dafs der Pfahlgraben ungefähr 500 m
vom Kastell entfernt von seiner bisher 14 km weit eingehaltenen süd-
nördlichen Richtung im stumpfen Winkel in eine mehr süd- südöstliche
überging, um so nicht auf die Nordseite des Kastells zu treffen, son-
dern ]0 m von der Nord -Ostecke sich mit einer neuen Abschwenkung
an den äufseren Kastellgraben anzuschliefsen. Die Grofs-Krotzenburger
Ziegelei versah nach Wolff die Mainkastelle bis nach Miltenberg mit
Ziegeln.
Gegenüber der weit auseinandergehenden Ansicht über die Anlage
und Bestimmung des Lin)es untersucht Dahm den Teil zwischen Grofs-
Krotzenburg und Rückingen näher und findet, dafs derselbe auf eine
vollkommene Berücksichtigung der wesentlichsten militärischen Anforde-
rungen, sowie auf ein durchdachtes und konsequent durchgeführtes Sy-
stem hinweist. Nach genauer Darstellung des Terrains, des Grenzwalles,
des Zwischenkastells Neuwirtshaus, der Wachttürme, der Strafsen und
Brücken und der Besatzung kommt der Verfasser zu folgendem Ergebnis.
Bei der Anlage der Wachttürme war man nicht nur auf eine mög-
lichst gleichmäfsige Entfernung derselben von einander bedacht, sondern
trug auch dafür Sorge, dafs eine hinreichende Bewachung des Pfahl-
grabeus an allen besonders wichtigen Punkten desselben ermöglicht
wurde; endlich scheute man keine Mühe, um in zweckentsprechender
Weise durch Anlage von Strafsen, Brücken und Dämmen die Kommuni-
kation der Truppen hinter dem Pfahlgraben sicher zu stellen. Beson-
dere Beachtung verdient die Sorgfalt, mit der man die an die Sümpfe
stofsenden Enden des Grenzwalles gegen Umgehung sicherte, weil man
daraus unbedingt schliefsen mufs, dafs der Pfahlgraben ein sehr wirk-
sames Hindernis bildete; denn andernfalls wären solche Mafsnahmen
nicht erforderlich gewesen, besonders nicht an den Stelleu, die ohnehin
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 83
durch Türme bewacht wurden. Zu dem gleichen Resultate führt die An-
lage eines Spitzgrabens und wahrscheinlich einer Hecke, Anlagen, die
gewöhnlich nur bei Befestigungen vorhanden waren, die verteidigt wur-
den. Von ganz besonderer "Wichtigkeit ist endlich die hinter dem Walle
konstatierte breite Militärstrafse, aus der wir schliefsen dürfen, dafs
nicht nur ein unausgesetzter Patrouillengang, sondern auch gröfsere
Truppenbewegungen au dem Grenzwall stattfanden. Im Frieden mochte
der Grenzwail in der Hauptsache als Zollgrenze und zur Verhinderung
räuberischer Einfälle dienen; für den grofsen Krieg aber bildeten die
obergermanischen Befestigungen in ihrer Gesamtheit eine permanente,
fortifikatorisch gesicherte Vorposteukelte, während die Hauptkastelle
aufserdem die strategische Bedeutung von Grenzfestungen hatten.
Im Jahre 1883 gelang es, ein Kastell bei Rückingen an der Leip-
zigerstrafse aufzufinden. Dasselbe hatte die Gestalt eines länglichen
Rechtecks mit abgerundeten Ecken, dessen Längenaxe von WSW nach
ONO nicht ganz genau senkrecht gegen den Limes gerichtet war. Seine
Länge betrug 180, seine Breite 140 m, so dafs es seiner Gröfse noch
zwischen dem Grofs - Krotzenburger Kastell und der Saalburg in der
Mitte liegt. Der ganze Raum war umgeben von einer Mauer, die nach
innen durch eine 7 m breite Wallanschüttung verstärkt wurde; an der
Aulsenseite begleiteten die Mauer zwei Spitzgräben von je 7 m Breite
und 1,50 ni Tiefe. Das Kastell hat die üblichen vier Thore; die bei-
den Seitenthore sind erheblich nach der feindlichen Seite hin vorge-
rückt. Alle Thore waren flankirt von je zwei nach innen vorspringen-
den rechteckigen Türmen, während sonstige Eck- und Seitentürrae
fehlten. Den breitesten Eingang hatte mit 4,30 in die porta principalis
dextra, während die porta decumana nur 3,30, die porta praetoria nur
3 m Abstand zwischen den Türmen zeigte. Wahrscheinlich war das
erste Thor das Haupt Verkehrsthor. Auch darin zeigt sich etwas Auf-
fallendes, dafs der südliche Turm der porta praetoria mit 4,20 ra Breite
im Lichten alle anderen Türme um mehr als 1 m Breite übertrifft, wäh-
rend der nördliche Turm desselben Thores nur 2,20 m Breite hatte,
also der kleinste von allen war. Die via principalis teilt das Lager in
das dem Feinde zugekehrte Vorderlagcr, Praetentura, und das bei wei-
tem gröfsere Hinterlager, Reteutura. In der letzteren befand sich das
praetorium, im südlichen Teil der Praetentura ein in seinen Fundamen-
ten vollkommen erhaltenes Hypokaustum. Die Besatzung des Kastells
bildete wahrscheinlich coh. 111 Dalmatarum. Die gefundenen Münzen
machen es wahrscheinlich, dafs das Rückinger Kastell nicht über die
Mitte des dritten Jahrhunderts hinaus behauptet worden ist.
Ein wohl erhaltenes Hypokaustum wurde auch in dem Kastell von
Marköbel entdeckt.
6«
34 Römische Staatsal.tertümer.
Jurien de la Graviere, La marine des Ptol^ra^es et la marine
des Romains Tome I: la marine de guerre; Tome II: la marine raar-
chande. Paris 1885.
Die zwei ersten Kapitel stellen die Riesenschiffe der alten Zeit
dar und die Seeschlacht bei Salamis auf Cypern. Erst das dritte Ka-
pitel beschäftigt sich mit dem römischen Seewesen; es schildert die rö-
mische Marine im ersten punischen Kriege und die Kämpfe von Ecno-
mos und den ägatischen Inseln.
Bewundernswert ist die grofse Zahl der Schiffe, welche die Römer
in kurzer Zeit aufbringen, ebenso der Mut des Fufsvolkes, der sich zum
Kampfe gegen den erfahrensten Seestaat bereit finden läfst auf dem ihm
fremden Elemente, die Hartnäckigkeit des Senats, der die Seeherrschaft
Karthago zu entreifsen unternimmt, nicht der Enterhaken des Duilius.
Die Art, wie Regulus und Manlius die Fahrt nach Afrika unternahmen,
ist tadellos. Die 330 Schiffe hatten eine Armee von 140 000 Menschen
an Bord; da stellt sich ihnen die karthagische Flotte, die aus 350 Schiffen
bestand, eutgegen Die Römer formierten vier Geschwader, die zwei,
welche die Konsuln befehligten, fuhren in konvergierenden Linien; die
Spitzen berührten sich, die beiden Reihen bildeten Fächerform, die ein-
zelnen Schiffe fuhren parallel. Ein drittes Geschwader schlofs diese
Dreiecksstellung; es hatte die Transportschiffe bei sich Das vierte Ge-
schwader bildete die Reserve und hielt sich in Frontstellung hinter der
ganzen Aufstellung; dasselbe deckte die Schiffe, welche das dritte Ge-
schwader im Schlepptau hatte, und die Angriffs -Kolonnen, die sich wie
ein Keil in das feindliche Centrum bohren sollten. Das Reserve - Ge-
schwader hatte die Aufgabe, die Flügel im Falle feindlicher Bedrohung
zu unterstützen. Die Karthager hielten dem Stofse der römischen Ge-
schwader nicht stand, sondern öffneten ihre Reihen und liefsen sie durch,
schlössen sich aber sofort rechts und links von ihnen und die römische
Flotte war verloren, wenn die Karthager ihre günstige Situation zu be-
nutzen wufsten. Das dritte und vierte Geschwader waren in der Flanke
bedroht. Wohl hemmten jetzt die Konsuln ihre rasche Fahrt; aber um-
kehren konnten sie nicht; denn die karthagischen Schiffe legten sich
zwischen sie und das dritte und vierte Geschwader: so mufsten zwei
von einander völlig unabhängige Kämpfe geliefert werden. Der kartha-
gische linke Flügel findet einen mutigen Widerstand, während der rechte
unter Hanno mit Ungestüm vorgeht und zwar gegen das vierte Ge-
schwader; sobald der Angriff begonnen hatte, brach eine karthagische
Abteilung aus dem Hinterhalte auf das dritte römische hervor, das so-
fort die Schlepptaue kappt und die Transportschiffe ihrem Schicksale
überläfst; aber trotzdem wird es von den karthagischen gegen das Ge-
stade getrieben. Im Manöverieren waren die Karthager den Römern
bei weitem überlegen ; aber dieses Übergewicht ging sofort verloren, als
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen 85
es zum Nahkampfe kam. Zuerst flohen einige Schiffe Hamilkars; sie
führten den Rückzug Hannos herbei. Unterdessen kam Regulus dem
vierten Geschwader, dann dem dritten zuhilfe. Jetzt ist die Nieder-
lage der Karthager entschieden: 94 Schiffe sind ganz oder teilweise ver-
nichtet, während der Verlust der Römer nur 25 Schiffe betrug.
Mittels seiner reichen Erfahrung führt uns der Verfasser die Un-
glücksfälle, welche die Römer mit ihren Flotten in den nächsten Jahren
erlitten, vor, wobei er stets die modernen Verhältnisse zur Erklärung
beizieht und nachweist, wie viel auch die Neueren aus der Geschichte
des Seewesens bei den Alten noch lernen können.
Die ungünstige Lage der Römer im Seekriege änderte sich erst,
als dieselben anfingen, leichtere Schiffe zu bauen. Am meisten hatte
ihnen die ünbekanntschaft ihrer höheren Offiziere mit dem Meere und
den Winden geschadet; während die Karthager zur rechten Zeit die
deckenden Vorgebirge suchten, gingen die römischen Schiffe durch die
Stürme zugrunde.
Endlich machte eine neue Flotte aus 200 Fünfruderern dem
Kriege ein Ende. Hamilkar hielt sich in seinen Verschanzungen zwi-
schen dem Eryx und Panormos nur durch die karthagische Zufuhr oder
durch Raubfahrten an die italienischen Küsten. Da wurde seine Exi-
stenz durch die plötzliche Ankunft des Konsuls Lutatius bedroht. Kar-
thago schickte ihm unter Hanno eine Kriegsflotte zuhilfe, die zugleich
Getreide brachte. Er ankerte unter der Insel Maritimo, die von den
Römern unbesetzt gelassen worden war. Von hier wollte er mit dem
ersten günstigen Winde zum Lager Hamilkars fahren, seine Fracht aus-
laden und die besten Soldaten an Bord nehmen, um eine Seeschlacht
zu liefern. Lutatius wollte ihn sofort zum Kampfe zwingen und nahm
bei Favignana Aufstellung, wo er Maritimo, Lilybaeum und Trapani be-
obachten konnte. Bald erhob sich ein Hannos Unternehmen günstiger
Westwind, und Lutatius, der die karthagischen Schiffe die Segel hissen
sah, beschlofs ihnen den Weg zu verlegen und nahm zwischen den Kar-
thagern und dem Lande Stellung. Die Karthager, statt weiter zu fah-
ren, zogen die Segel ein und machten sich zum Kampfe bereit. Der
Westwind legte sich und nun waren die Römer überlegen, 70 Schiffe
wurden genommen, 50 sanken; Lutatius fuhr nach Lilybaeum und schiffte
10 000 Gefangene aus. Der Fehler war, dafs Hanno seine erste Auf-
gabe, vor allem seine Getreideschiffe in Sicherheit zu bringen, nicht
durchführte.
Das vierte Kapitel schildert die Kämpfe zwischen Antonius und
Augustus und speciell die Schlacht von Aktium. Antonius hatte 500
Kriegsschiffe, Augustus 250; unter denen des ersteren befanden sich ge-
waltige Schiffsriesen, Okteren, Dekeren; aber sie waren sehr schwer-
fällig und schlecht bemannt. Zu ihrer vollständigen Armierung hätte man
über 100 000 Mann gebraucht. Dagegen waren die Liburner Octavians
86 Römische Staatsaltertümer.
sehr leicht, in zweijährigen Kämpfen geschult und von Agrippa geführt.
Die Flotte des Antonius lag unter dem Vorgebirge Aktium und wurde
von den Feinden überrascht. Die meisten Schiffe hatten noch keine
Bemannung an Seesoldaten. Aber der Kommandant weifs sich zu hel-
fen; er bewaffnet die Matrosen und läfst die Ruder fertig zur Fahrt
machen. Dadurch täuscht er Agrippa, der ein Lager bezieht, aber nicht
angreift. Der beginnende Verrat zwang Antonius einen Versuch zu
machen, den Orient zu gewinnen; er unternimmt ihn mit 360 Schiffen,
die 70 000 Mann Fufsvolk und 2000 Bogenschützen an Bord nahmen.
Aber die Flotte des Antonius hatte für den Angriff eine üble Stellung;
sie konnte sich in der Enge von Prevesa nicht entfalten, an deren Aus-
gang Octavian seine Schiffe aufgestellt hatte. Antonius und Publikola
bildeten die Tete, Coelius die Nachhut, Octavius und Insteius das Cen-
trum; am meisten war der rechte Flügel unter Octavian bedroht, er
machte eine Bewegung rückwärts. Die Schiffe des Antonius kamen in-
folge eines starken Nordwindes, der ihnen entgegen wehte, nur langsam
vorwärts. Wenn sie in die offene See kamen, war für Octavian jede Mög-
lichkeit der Umklammerung verloren. Schon hielt Publikola mit der
Vorhut Agrippa im Schach. Als dieser ihn umfassen wollte, trennte sich
jener vom Centrum. Als Octavian hier den Kampf entbrennen sah, liefs
er den rechten Flügel sofort wieder vorgehen. Der Kampf verlief in der
Weise, dafs drei bis vier leichte Liburner eines der grofsen schweren
Schiffe des Antonius angriffen und mit einem Hagel von Pfeilen, Steinen
und Wurfspiefsen überschütteten. Das Ceutrum des Antonius wurde
heftig bedrängt durch Arruntius; er selbst kämpfte gegen Octavian. Mag
man annehmen, dai's die 60 Schiffe der Kleopatra flohen, als sie die
Spitze von Akarnanien umfahren hatten; sicher ist, dafs Antonius nicht
geflohen ist. Er hatte von vornherein den Plan, mit seinen Segeln,
da er zu wenig Ruderer hatte, die Blokade des Octavian zu durchbre-
chen; der ganze Kampf dauerte vier Stunden. 300 Schiffe ergaben sich
dem Sieger.
Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit der Marine unter den
Kaisern, ohne irgend etwas Neues zu bringen; Kapitel 7 bespricht die
See Expeditionen unter Claudius und unter Septimius Severus; auch hier
ist nichts zu erwähnen, aufser dafs der Verfasser eine kurze Aufzählung
aller mit dem Meere in Verbindung stehenden Unternehmungen in dem
erwähnten Zeiträume giebt. Kapitel 8 schildert die ersten Barbaren-
eiufälle in das Reich und bereitet nur durch eine historische Schilde-
rung der Goteneinfälle das neunte vor »les flottilles des Goths«. Ihre
leichten Piratenschiffe geben dem Verfasser wieder Veranlassung zu
einem heftigen Auslall gegen die moderne Sucht, den Seekrieg mit un-
beweglichen Riesen zu führen. Er ist der Ansicht, dafs der Landungs-
krieg nur dann Aussichten hat, wenn kleine Flotten leichter Fahrzeuge
und mit leicht handhabbaren Geschützen ~ Land- Torpedos - ausge-
I
C. Die Staatsverwaltung. 3. Militärwesen. 87
stattet, tiberall ohne grofse Vorbereitungen hingeschickt werden können.
Kapitel 10 beschäftigt sich nur mit der Frage der Landung für moderne
Heere und Flotten, Kapitel 11 setzt die Erzählung des neunten fort,
die es bis auf Probus führt. Auch hier werden Lieblingsfragen des Ver-
fassers über moderne Marineverhältnisse erörtert. So glaubt er, dafs
in Zukunft man eine doppelte Seemacht haben müsse, eine wissenschaft-
liche und eine praktische, welche eine durchaus verschiedene Bildung
und Behandlung erfordern würden. Kapitel 12 spricht von der Grün-
dung des byzantinischen Reiches. Dieses ist die Zeit, welche die von
den Goten benutzten Flottillen weiter ausbildet, ohne die grofsen Schifie
ganz auszuschliefsen. Im 13. Kapitel spricht der Verfasser von den
Lotsen im fünfte» Jahrhundert nach Chr., indem er die Gedanken Four-
uiers in seiner Hydrographie de la mer und die der von K. K. Müller
aus einer Handschrift der Ambrosiana herausgegebenen griechischen
Schrift über den Seekrieg (Würzburg 1882) einander gegenüber stellt.
Aber das geschieht auf kaum zwei Seiten, während auf den übrigen
zwölf nur von der Bedeutung des Lotsen in der heutigen Marine die
Rede ist. Kapitel 14 les navires eclaireurs spricht in ähnlicher Weise
über eine Vorschrift der byzantinischen Marine, wonach durch leichte
Schiffe ein geordneter Aufklärungsdienst eingerichtet werden sollte, der
sich optischer Signale bediente; aber auch hier sind die Reflexionen
über die modernen Einrichtungen des Sicherheitsdienstes die Haupt-
sache. Kapitel 15 will die Taktik der Byzantiner und die moderne zur
See in Vergleich stellen. Es wird auch ein wenig von den Byzantinern
geredet, aber nur um die modernen Verhältnisse von dieser Grundlage
aus zu erörtern. Das Schlufskapitel bespricht in ähnlicher Weise die
Wahl des Kampfplatzes. Der Verfasser teilt zuerst die Anordnungen in
der von Müller herausgegebenen Schrift mit und wendet sich dann wie-
der zu den modernen Verhältnissen,
Der zweite Band kann hier nicht in Betracht kommen; er bespricht
in ähnlicher Weise die Handelsmarine.
Wer von dem Buche Belehrung über Einzelheiten der antiken
Marine erwartet, wird dasselbe enttäuscht aus der Hand legen. Der
Verfasser benutzt blofs die antiken Verhältnisse, um in der Regel für
seine Ideen Propaganda zu machen. Er hätte deshalb besser einen be-
zeichnenderen Titel gewählt; der jetzige mufs viele Leser irreführen.
4. Recht und Gericht.
A. Zocco-Rosa, L'eta preistorica ed il periodo teologico me-
laficico del diritto penale k Roma. Catania 1884.
Derselbe. Principii d' una preistoria del diritto come propeteudica
alla preistoria del diritto Romano. Milano 1885.
In der ersten Schrift wird in einem allgemeinen Teile die Frage
über die Entstehung und die Stadien des Strafrechts in philosophischer
88 Römische Staatsaltertümer.
Erwägung dargestellt, oft polemisch. Der zweite besondere giebt die An-
wendung der allgemeinen Sätze auf Rom. Als prähistorische Form des Straf-
rechts wird in Rom die Rache, die der Einzelne übt, gefunden; früher
existierte auch die Blutrache, die Pflicht des Geschlechtes war. Ihr
folgte die Stufe der pacio d. h. des Vergleichs, der eine Schadloshal-
tung des Beleidigten erstrebt. Spuren der Rache des Einzelnen zeigen
sich in dem Rechte des Ehemannes, den Ehebrecher und die Ehebrecherin,
welche auf der That ertappt sind, zu töten , und in dem Gerichte, wel-
ches der Hausvater über seine Frau in bestimmten P'ällen halten kann;
Spuren der Blutrache finden sich in Erzählungen bei Gellius, Valerius
Maximus, Ammianus Marcellinus, Cicero und in manchen Gesetzesstellen,
wo von ultus fuerit necem, ulciscenda morte, mortem vindicare, necem
testatoris inultani omisisse gesprochen wird; Spuren der pacio finden
sich in der Bestimmung der Zwölftafeln si membrum rupsit ni cum eo
pacit talio esto. Von gerichtlichem Zweikampf und Gottesurteilen finden
sich in Rom keine sicheren Spuren.
Obgleich es in Rom keine Thebkratie gab, war doch der Einflufs
der Theologie auf das Leben in allen Zeiten ziemlich bedeutend: er
spricht sich in dem fas aus. Die Unzucht der Vestalin, die Entweihung des
Altars, die Verrückung der Grenzen, der Verrat des Patrones am Klien-
ten waren Vergehen zugleich gegen Menschen und gegen Götter; die
sacratio capitis und der horao sacer bezeichneten die Folge solcher Ver-
gehen. Auch die Bezeichnung supplicium verrät eine ähnliche Auffassung,
da nach Isidorus bei dieser Strafe delibatur aliquid deo. Und auf die
Enthauptung und Erdrosselung des Verurteilten folgten supplicationes
und lectisternia. Selbst in den Zwölftafeln zeigt sich noch dieser Ein-
flufs in der Härte der Strafen, in der Weihung des Hauptes des Be-
klagten an die unterirdischen Götter, in der Überweisung seiner Güter
an einen Tempel, in der Härte gegen die Zauberei.
In der zweiten Schrift stellt der Verfasser die Principien einer
Vorgeschichte des Rechts im allgemeinen auf; die Beurteilung desselben
mufs der Rechtswissenschaft überlassen werden.
Alfred Pernice, Volksrechtliches und amtsrechtliches Verfahren
in der römischen Kaiserzeit. In juristischen Abhandlungen. Festgabe
für Georg Beseler zum 6. Januar 1885. Berlin 1885. S. 49 — 78-
Die sogenannte extraordinaria cognitio, die seit Diokletian das ge-
wöhnliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bildet, ist nichts
anderes, als das Verwaltungsverfahren vor dem Beamten, übertragen
auf den Civilprocefs und demgemäfs abgeändert. Die Cognition wird be-
reits in republikanischer Zeit vom Konsul, vom Censor, in bestimmten
Sachen selbst vom Prätor angewendet.
Die Ergebnisse der wesentlich juristischen Untersuchung sind fol-
gende: 1. das volksrechtliche Verfahren wurde in der Stadt (dorai) aus-
C. Die Staatsverwaltung. 4. Recht und Gericht. 89
schliefslich vom städtischen Prätor geleitet, mager das amtsrechtliche Ver-
fahren in einzelnen ihm besonders überwiesenen Fällen daneben noch geübt
haben oder nicht; das letztere ist wahrscheinlicher, 2. Die neuen städti-
schen Instanzen, welche sämtlich nur amtsrechtliches Verfahren kennen,
beeinträchtigen die Stellung des Stadtprätors nicht wesentlich. Sie haben
a) neue im Edikte nicht berücksichtigte Ansprüche zu verhandeln;
b) da wo sie frei konkurrieren, wie das Kaisergericht, wird diese Be-
fugnis mit Zurückhaltung geltend gemacht; c) die Konkurrenz der kai-
serlichen Präfekten hält sich in den Schranken polizeilicher Hilfeleistung.
3. Dagegen haben die Provinzial-Statthalter (militiae) auch bürgerliche
Rechtsstreitigkeiten im Verwaltungsverfahren entschieden, allgemein wohl
erst seit der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts. 4. Unter diesen
Umständen ist der Schlufs nicht gewagt, dafs der ordo iudiciorum nicht
als solcher aufgehoben wurde, sondern dafs er ganz von selbst ver-
schwand, als die diokletianische Staatsordnung dem römischen Stadt-
prätor die Gerichtsbarkeit in Civilsachen entzog.
Bericht über neuere Publikationen auf dem
Gebiete der Naturwissenschaft, der Technik,
des Handels und Verkehrs im Altertum.
Von
Professor Dr. S. G ü n t h e r
in München.
Indem ein ueuer Berichterstatter an seine Aufgabe herantritt, er-
wächst ihm zunächst die Pflicht, die Art und Weise darzulegen, wie er
sich mit der Lösung dieser Aufgabe abzufinden gedenkt. Es versteht
sich von selbst, dafs im allgemeinen der Bericht in demselben Rahmen
sich zu bewegen hat, innerhalb deren er von den früheren Herren Re-
ferenten gehalten wurde, nur nach einer Seite hin ist auf den Wunsch
des Herrn Herausgebers die Grenze nicht unerheblich hinausgerückt
worden.
Alles, was der exakten Naturwissenschaft im engeren Sinne, der
Physik und Astronomie, zugehört, bleibt an dieser Stelle ausgeschlossen,
doch wird es nicht zu vermeiden sein, dafs einzelne Dinge auch hier
zur Sprache gelangen, auf welche vielleicht auch unser verehrter Kol-
lege von der andern Seite Anspruch erhebt, Dinge, welche dem Grenz-
gebiete angehören und auch zu den von uns später zu behandelnden
Gegenständen in der engsten Kausalbeziehung stehen. Wir werden dem-
nach zunächst jene Arbeiten in betracht ziehen, welche für die Geschichte
der Naturwissenschaft im Altertum als solche Interesse bieten. Von
hier aus wenden wir uns der Chemie zu, welcher wir sofort auch die
chemisch-metallurgische Technik zurechnen; daran reiht sich die Mine-
ralogie samt der Technik der Metallgewinnung und Metallbearbeitung,
die Botanik samt Forstkultur und Ackerbau, die Zoologie in Verbindung
sowohl einerseits der mit — nicht spezifisch medizinischen — Anthro-
pologie als auch andererseits mit dem Jagdwesen. Von hier vollzieht
sich der Übergang zu Handel und Verkehr, welche beide namentlich
nach ihrer geographischen Bedeutung gewürdigt werden sollen, und da
die Entwicklung der Schiffahrt eine der unerläfslichsten Voraussetzungen
für die Erstarkung des Völkerverkehrs darstellt, so werden wir nicht
umhin können , auch die antike Schiffahrt und Schiffahrtskunde mit ins
Naturwissenschaft. 91
Bereich unserer Betrachtung hereinzuziehen. — Der Leser wolle jedoch
aus dem, was wir oben hinsichtlich der Technik bemerkten, nicht etwa
schliefsen, dafs er aus diesem Berichte ein Bild von dem gegenwärtigen
Stande unseres Wissens auf dem Felde der griechisch-römischen Tech-
nologie erhalten solle: es wird hier einzig und allein der die Naturkräfte
dem Menschen dienstbar machenden, also der rein naturwissenschaftlichen
Seite der Technik Rechnung getragen , während auf die so wichtige
künstlerische Seite auch nicht andeutungsweise eingegangen werden
kann. Um Beispiele anzuführen, so gehören das bekannte bedeutende
Werk von Blümner über antike Gewerbsthätigkeit, die Monographien
von Ch. Henry und Donner- v. Richter über Wandmalerei nicht in unser
Ressort, während z. B. allerdings Studien analytischer Natur über die
von den alten Künstlern verwendeten Farbstoffe in jenem ihren natur-
gemäfsen Platz finden.
Nach diesen generellen Bestimmungen haben wir uns auch noch
über unsere Auflassung des Wortes Altertum auszusprechen. Es ist bis-
lang in diesem Teile des philologischen Jahresberichtes Sitte gewesen,
jenen Begriff in dem denkbar weitesten Sinne zu fassen, sich also durch-
aus nicht engherzig auf die beiden klassischen Völker zu beschränken,
sondern insbesondere auch die alten orientalischen Kulturvölker voll
und ganz zu berücksichtigen. Wir gedenken an diesem Gebrauche
ebenso wie unsere Vorgänger festzuhalten . und auch von manchem Re-
sultate der modernen praehistorischen Forschung wird Akt zu nehmen
sein — allerdings mit dem Vorbehalte, dafs ein Eingehen auf Fragen,
an denen nur die Anthropologie anteil nimmt, vermieden und stets nach
Möglichkeit auf die Beziehungen zur eigentlichen Antike hingewiesen
werden soll.
Nunmehr sind wir in den stand gesetzt, unsere Berichterstattung
selbst aufzunehmen, und wir beginnen dieselbe mit einer Schrift von sehr
allgemeinem Charakter, welche unsere Einsicht in das naturphiloso-
phische Treiben der ältesten Periode zu vermehren und zu vertiefen
sehr geeignet ist, mit einem alten Bekannten in neuer Erscheinung.
1) H. Ritter -L. Preller, Historia philosophiae Graecae. Pars
prima septimum edita. Physicorum doctrinae recognitae a Fr. Schult-
heifs. Gotha 1886. F. A. Perthes.
Berücksichtigt sind hier die Fragmente von Thaies, Anaximander,
Anaximenes, Heraclit, Pythagoras und seiner Schule (darunter vornäm-
lich Phiiolaus), Xenophaues, Parmenides, Zeno, Melissus, Anaxagoras,
Empedokles, Leucipp, Democrit, Diogenes ApoUoniates, Archelaus (von
Athen oder Milet?) und Hippo (aus Rhegium). Interessant ist u. a. der
Nachweis, dafs Melissus sich als von Heraclit und Parmenides beein-
flufst darstellt; er ist ein Vertreter der Lehre von der ewigen Verwand-
lung der Dinge: ooxsT ok yj/xTv töts hzpjjLOv ^"»xpo-^ ytvta&ai xat ro ^u-
92 Naturwissenschaft.
^pbv ^epfjLÖv , xac rö jidXBaxov axXrjpov xac rö axXrjpov fidXBaxov . . .
Dem Diogenes ist die Identifizierung der unsichtbaren Luft mit der
gleichfalls unsichtbaren Seele eigentümlich. Archelaus war nach dem
Zeugnisse späterer christlicher Schriftsteller, die aber, wie wir seither
besonders durch die gewaltige Forschungsarbeit von Diels erfahren
haben, aus nicht ganz schlechten altern Quellen zu schöpfen in der Lage
waren, ein Schüler des Anaxagoras. Hippo endlich, der den Spuren des
Thaies folgte, liefs das feurige Prinzip vom feucht-wässerigen abstammen.
Mit den Leistungen einzelner hervorragender Männer befassen
sich drei nun folgende Arbeiten:
2) B. Rothlauf, Die Physik Piatos; eine Studie auf Grund seiner
Werke. München 1887. Programm.
Die Tendenz des Autors, sich ein Urteil über die gewählte Vor-
lage lediglich auf der Basis eigener Lektüre zu bilden, führt fraglos zu
einer sehr objektiven Berichterstattung und hat, wie auch des nämlichen
Verfassers ältere Schrift über Plato als Mathematiker erkennen liefs,
entschieden ihr gutes, wenn schon die Nichtberücksichtigung der vor-
handenen Litteratur solchen Arbeiten leicht den Stempel einer gewissen
Einseitigkeit aufdrückt. Jedenfalls hat sich der Verfasser sehr gründ-
lich in den grofsen Philosophen hineingelesen, und es ist zu bedauern,
dafs ihm nicht der Raum vergönnt war, seine Studie jetzt schon zum
Abschlüsse zu bringen. Piatos Naturlehre ist ihm zufolge rein speku-
lativ, zumal Ton- und Sternkunde müssen auf mathematischer Grundlage
aufgebaut werden , wie denn im siebenten Buche der »Republika die
praktischen Musiker verspottet und überhaupt die Empiriker ironisch
den wirklichen Forschern gegenübergestellt werden; dieselbe Idee kommt
in der — wenn nicht von Plato selbst, so doch von einem treuen Schü-
ler ganz in dessen Geiste geschriebenen — »Epinomis« für die Astro-
nomie zur Geltung. Die atomistische Theorie Piatos offenbart sich am
klarsten im »Timaeus«. Der leere Raum wird hier geleugnet, er ist
erfüllt mit den vier Elementen, und diese sind selbst nur wieder Aggre-
gate aus gewissen Fundamentalkörpern, die aus zwei rechtwinkligen
Dreiecken, deren spitze Winkel resp. 60*^ und 30°, 45° und 45'' betragen,
sich bilden lassen. Für das Dodekaeder hatte diese Atomenlehre somit
keinen Platz übrig, die Geometrie wufste es eben noch nicht zu kon-
struieren, da sein Elementardreieck auf dem Satze vom goldenen Schnitt
beruht. Sehr mit Recht behauptet der scharfe Denker, dafs es im
Welträume kein »oben« und »unten« gebe, dafs letzteres vielmehr für
unsere Erde lediglich mit dem Sitze der Schwerkraft zusammenfalle.
Darauf, dafs Plato die Anziehungskraft des Erdkörpers seiner Masse
proportional setzt, scheint Rothlauf zuerst aufmerksam gemacht zu haben.
Dagegen irrt ersterer, wenn er dichten Körpern auch immer eine be-
sonders grofse Härte zuspricht. Interessant sind weiter die Erörterungen
Naturwissenschaft. 93
darüber, ob Plato, als er seine vier regelraäftigen Polyeder nach einer
gewissen Reihenfolge ordnete, bereits den Begriff der Standfestigkeit
kannte oder nicht. Jedenfalls betont derselbe im »Charmides« die Not-
wendigkeit einer »Statik«, das Wesen der Schraubenbewegung, als aus
Translation und Rotation sich zusammensetzend , ist ihm bekannt, und
es werden von ihm acht Bewegungsarten (»Gesetze«) unterschieden, die
sich dann aber wieder auf zwei Grundtypen Bewegung der Körper
selbst und Bewegung ihrer Bestandteile — zurückführen lassen sollen.
Farbe und Wärme scheint dabei wirklich als eine Art von Molekular-
bewegung aufgefafst zu werden.
Die Flüssigkeiten teilt »Timaeus« ein in leicht- und schwerflüssige.
Erstere, z. B. Wasser, können in Luft (Nebel, Wolken) verwandelt wer-
den, und aus dieser Erfahrung werden allerhand Schlüsse meteorologi-
scher Natur gezogen. Dabei treibt Plato in seiner Art Chemie: die
Elementarpolyeder müssen bei einem solchen Urawandlungsprozesse zer-
fallen und sich in anderer als der bisherigen Weise wieder vereinigen,
und das kann auch in der umgekehrten Reihenfolge geschehen, indem
beispielsweise 2V2 Luftkörper einen Wasserkörper ergeben. Das Wesen
des Luftdruckes wird zwar nicht scharf präzisiert, aber eine Ahnung
des richtigen ist doch unzweifelhaft vorhanden , wie die Theorie des
Atmens im »Timaeus« darthut. Sogar magnetische und elektrische
Kraftäufseruugen sollen durch eine Art von Luftdruck ihre Erklärung
finden, und eben damit rechnen auch andere Partien in Piatos Physio-
logie des menschlichen Organismus.
Den weitern Darlegungen des Verfassers über platonische Akustik
und Wärmelehre sehen wir mit Spannung entgegen.
3) K. B. Hofmann, Zur Geschichte der Chemie. Berg- und
hüttenmännische Zeitung, 1885. Nr. 28.
In dem »Haushaltungsbuch« des altern Cato offenbart sich, wie
hier gezeigt wird, ein richtiges, wenn auch selbstredend nur der prak-
tischen Erfahrung zu verdankendes Verständnis für gewisse Naturpro-
zesse. Das Rosten der Metalle und die dagegen zu ergreifenden Schutz-
mafsregeln werden sachgemäfs erörtert, ebenso die Mittel zur Bereitung
von Salzsoolen. Bemerkenswerter noch aber ist eine Vorschrift zur Be-
reitung gewisser breiartiger Speisen (De re rustica, cap. 81): Indito in
hirneam fictilem, eam demittito in aulam aheneam aquae calidae plenam.
Hierin erblickt der Verfasser eine Anwendung des später von dem Ara-
ber Geber rationell verwerteten Prinzipes, durch mittelbare Erhitzung
im Wasserbad zu verhindern, dafs der eigentlich zu erwärmende Körper
über eine gewisse Temperatur hinaus erwärmt werde. Cato hat bestim-
mend auf mehrere spätere Schriftsteller eingewirkt; dies beweist
94 Naturwissenschaft.
4) P. Weise, Quaestionuni Catoniarum capita V, Göttingen 1886.
Inaugural-Dissertation.
Die ersten drei Abschnitte des Schriftcbens sind völlig sprach-
wissenschaftlichen Inhaltes und berühren uns deshalb an diesem Orte
nicht näher, dagegen handelt das vierte Kapitel von dem Einflüsse des
Buches »De re rustica« auf die spätem Römer. Varro und Gellius zi-
tieren dasselbe verhältnismäfsig selten, Columella und Plinius dagegen
ziemlich häufig, zumal das 17. Buch der »Historia naturalis« lehnt sich
betreffs der Baunizucht innig an Cato an. Genannt wird derselbe auch
von Macrobius und von einzelneu der durch Keil gesammelten Gram-
matiker. Die letzte Abteilung verfolgt wieder einen kritischen Zweck,
indem die ursprüngliche Redaktionsform des Buches zu ermitteln ge-
sucht wird.
Indem wir unser Augenmerk jetzt speziell der antiken Scheide-
kunst zuwenden, ziehen zunächst Veröffentlichungen über Alchemie un-
sere Aufmerksamkeit auf sieb.
5) H. W. Schäfer, Die Alchemie. Ihr ägyptisch - griechischer
Ursprung und ihre weitere historische Entwickelung. Flensburg 1887.
Programm.
Wenn man von den unechten Briefen des Manetho absieht, kommt
zuerst bei Tertullian der Name des Hermes Trismegistus vor, dessen
dann hundert Jahre später auch Lactantius erwähnt. Es deutet dieser
Name hin auf den altägyptischen Goit der Gelehrsamkeit, Thoth, den
die Griechen ohne weiters zu Hermes umstempelten. Clemens Alexan-
drinus, ein Zeitgenosse des ersten lateinischen Kirchenvaters, nennt
zuerst die 42 heiligen Rollen der Ägypter »hermetische« Schriften. Dafs
im Nillande die Chemie seit sehr alter Zeit empirisch betrieben ward,
kann keinem Zweifel unterliegen; der unlängst entzifferte Papyrus von
Leyden gehört zwar der nachchristlichen Periode an, scheint aber nur
altbewährte Vorschriften zu enthalten, und seine 65 Regein sind für die
Geschichte der Metallurgie von entschiedener Bedeutung. Anweisungen
zur Herstellung von Legierungen gingen von Alexandrien aus nach Grie-
chenland und Italien über; mufste doch schon 81 v. Chr. ein römisches
Gesetz gegen Falschmünzerei erlassen werden. Kaiser Diocletian liefs
um 296 u. Chr. alle von der Goldmacherei handelnden Bücher verbren-
nen, allein wenigstens für Ägypten brachte diese Radikalkur keine Hei-
lung, denn nach Rufinus betrieben ums Jahr 400 die ägyptischen Prie-
ster nach wie vor die Goldkochkunst in alter Weise, und wir wissen
auch, dafs der byzantische Präfekt Themistus, der dies sein Amt von
362 bis 382 bekleidete, alle alchemistischen Betrügereien für baare
Münze nahm.
Der oben erwähnte, in Theben aufgefundene Papyrus macht An-
gaben darüber, wie aus dem Stoff' »Asem«, einer Legierung, alle mög-
Naturwissenschaft. 95
liehen gold- und silberähnlichen Körper gewonnen wurden. Democrit
und Synesius schildern uns die alchemistischen Tinkturen, welche die
Verwandlung unedler in edle Metalle befördern sollen; Quecksilber und
Schwefel waren die unentbehrlichsten Ingredienzien. Als höchste litte-
rarische Quelle schätzte man ein Werk des Alexandriners Zosiraus in
28 Büchern. Hieraus und aus andern Schriften jener Zeit stammen die
zahlreichen Kompilationen, welche oströmische Alchemisten zu Ver-
fassern haben und sich von einander durchaus nur sehr wenig unter-
scheiden. - Von S. 21 geht unsere Vorlage zu den Arabern über und
damit über den uns hier beschäftigenden Zeitabschnitt hinaus.
6) M. Berthelot, Collection des Alchemistes Grecqs. Introduc-
tion. (Ohne nähere Ort- und Zeitangabe.)
Diese »Einleitung« zerfällt in die folgenden acht Bestandteile:
I. Les papyrus de Leide.
II. Relations entre les metaux et les planetes.
III. La sföre de Democrite et les medecins astrologues.
IV. Signes et notations alchimiques.
V. Figures d'appareils et autres.
VI. Renseignements et notices sur quelques manuscrits.
VII. Sur quelques metaux et mineraux provenant de l'antique
Chaldee.
VIII. Notes de metallurgie, de mineralogie et diverses.
Der Bericht wird bis zum Erscheinen des Werkes selbst ver-
schoben. Erwähnt sei für jetzt nur, dafs einer der in Leyden aufbe-
wahrten Traktate über Goldmacherkunst zu den wenigen Litteraturpro-
dukten dieser Gattung gehören dürfte, welche dem von Diocletian über
jene verhängten Autodafe (s. o.) entgingen.
Nunmehr schliefst sich an eine Reihe von Referaten über die
wissenschaftliche Chemie und Metallurgie der Alten.
7) K. B. Hof mann, Zu Aristoteles' Meteorologie, V, 9, 2 — 5.
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien. 1884. S. 573 — 575.
Das häufig vorkommende Wort rsyxTog pflegt lateinisch, z. B. bei
Ideler, mit humectabilis wiedergegeben zu werden, während zugleich von
Körpern, welche die durch jenes Wort angedeutete Eigenschaft besitzen
sollen, behauptet wird, sie seien im Wasser löslich. Beide Angaben
sind unter einander unvereinbar. Hofmann übersetzt daher zsyyszai
mit »es wird im Wasser weich«. Dann hat der bis jetzt etwas dunkle
Satz einen guten Sinn: ^Earc 8k twv rrjxrätv xal rwv dzTjxrojv rä /xkv
TeyxTa rä 8s äzeyxra. Salze z. B. lösen sich im Wasser, erweichen
sich aber nicht, wogegen Wolle in der Flüssigkeit weich wird, ohne sich
aufzulösen. Es gewinnt den Anschein, dafs Aristoteles den Grad der
96 Naturwissenschaft.
Löslichkeit einer Substanz als durch die Gröfse ihrer Poren bedingt
annimmt.
8) K. B. Hofmann, Über die Schraelzfarben von Teil el Jehüdjie;
offener Brief an Dr. E. Ritter v. Bergmann. Berlin 1885. (Separat
aus der »Zeitschrift für ägyptische Sprach- und Altertumskunde«.)
Wir haben es hier mit einer Prüfung der polychromen Figuren in
einem Ramses III. geweihten Tempel zu thun. Das Material der Ob-
jekte ist nach Semper ofayenzierter Bimstein«, Kieselsäure mit geringen
Zuthaten von Thonerde und Calciumoxyd. An und für sich ist diese
weiche Masse nicht sehr zweckentsprechend, sie wurde auch nur gewählt,
um die bleilose, also wenig dauerhafte Glasur festzuhalten. Dafs die
Glasur kein Blei enthielt, wird erklärlich, wenn man bedenkt, dafs Blei
am Nil etwas sehr rares war und an Monumenten uns nur selten, und
in spärlichen Mengen, begegnet. Der ägyptische Glasüberzug entspricht
durchaus dem, was die Kunstsprache der Porzellanfabrikation heute mit
»Feldspatglasur« bezeichnet, doch wird durch ihn immerhin auch ein
lebhafterer Farbeneffekt hervorgerufen. Die braunrote Paste der Wand-
gemälde erweist sich als Eisenoxyd, die blaue Schmelzfarbe als Kobalt-
smalte, die schwarze Hautfärbung der abgebildeten Neger ward durch
eisenhaltigen Braunstein bewirkt, das violette Pigment endlich ist Mangan,
wie bereits Lepsius herausgebracht hatte. Aufserdem verstanden die
ägyptischen Künstler für Gelb auch den Ocker zu verwenden. Was die
Auftraguug der Pasten anlangt, so mufs hierfür von einer ganz beson-
dern Technik Gebrauch gemacht worden sein, für welche sich anderwärts
ein Analogon nicht findet.
9) K. B. Hofmann, Beiträge zur Geschichte der antiken Legie-
rungen. Wien 1885. (Separat aus Band XVI der »Numismatischen
Zeitschrift«.)
Die zehn Unterabteilungen, in welche diese sehr dankenswerte
Untersuchung zur Chemie und namentlich auch zur Physik des Alter-
tums zerfällt, sollen getrennt besprochen werden.
I. Über Brüchigkeit des antiken Silbers. Diese charakteristische
Eigenschaft wurde sowohl an Münzen als auch au Gegenständen vom
Hildesheimer Silberfunde wahrgenommen. Der Verfasser analysierte, um
die Ursache zu entdecken, ein Tetrabolon von Metapontum, fand ein über-
raschend geringes spezifisches Gewicht und einerseits ein krystalliuisches
Gefüge des Prägemetalles, andererseits eine Beimischung von Hornsilber.
Letzterer Umstand erklärte sich daraus, dafs das Objekt in salzhaltiger
Erde gelegen war. Wann und wie dagegen das Silber krystalliuisch
wurde, läfst sich nicht wohl aufkären, doch steht jedenfalls mit diesem
Umbildungsprozesse die so sehr geringe Dichte (0,812) in Verbindung
II. Über Messing als Münzmetall. Seit Commodus hören die
i
Naturwissenschaft. 97
reinen Messingmünzen mehr und mehr auf und werden durch solche aus
zinkhaltiger Bronze verdrängt. Hofmann teilt einige Analysen von Mün-
zen der spätem Kaiserzeit mit, denen zufolge die Legierung sich stets
weiter und weiter vom Messing entfernt.
III. Über die Bestimmung der Zusammensetzung des Electrums
aus seinem spezifischen Gewichte. Es wird zunächst das bekannte Ver-
fahren des Archimedes beschrieben, welches freilich keine sehr genauen
Ergebnisse liefern konnte, da es auf die beim Legieren eintretende Zu-
sammenziehung der Metalle keine Rücksicht nahm. Nicht unwahrschein-
lich ist es, dafs eben von Archimedes auch jenes zweite Verfahren her-
rührt, mit welchem uns das 209 Verse enthaltende »Carmen de ponde-
ribus« bekannt macht. Dieses Lehrgedicht entstand nach Schenkl um
400 n.Chr., hat mutmafslich einen gewissen Flavius Remnius zum Verfasser
und diskutiert zwei Methoden zur Bestimmung spezifischer Gewichte, nach
deren jeder auch das »Electrum« sehr wohl untersucht werden kann.
Hofmann findet, dafs die Hälfte der von ihm mit allen Kautelen ge-
prüften Hekten einen zwischen 34^/0 und 36°/ü schwankenden Goldgehalt
besitzt; nur die Kyzikener und die Vereinsraünzen weisen einen 40 V«
übersteigenden Goldzusatz auf.
IV. Über die Legierung sizilianischer Goldmünzen. Äufserlich er-
scheinen diese Geldstücke sehr rein; die Prüfung durch den »Strich«
ergicbt wirkliches Gold; weiter innen aber tritt das Electrum zutage.
Die Goldfärbung ist dem Anscheine nach absichtlich, um eine Täuschung
hervorzubringen, durch einen »Zementierungprozefs« hergestellt worden.
V. Über die Legierung kleinasiatischer Elektroumünzen. Sowohl
die mitylenischen, phozaeischen und kyzikenischen Hekten als auch die
lampsazenischen Stateren waren nicht aus eigentlichem Electrum, son-
dern aus künstlichen Legierungen verfertigt.
VI. Über die Legierungsverhältnisse sizilianischer Goldmünzen.
Eine eingehende Untersuchung ergab, dafs der höchste Feingehalt unter
den Königen Agathocles, Hicetas und Hiero II. erzielt worden ist.
VII. Über den Feingehalt der Regenbogenschlüsselchen. Diese
verschieden geprägten Münzen zeichnen sich ebenfalls durch ihre Rein-
heit aus; einige solche, die man bei Kuttenberg in Böhmen auffand, haben
von 97,50*^/0 bis 99,54% reines Gold in sich.
VIII. Goldlegierungen einiger Barbarenmünzen. Bei roh gepräg-
ten Münzen gallischer, mazedonischer und spätrömischer Provenienz ist
der Goldgehalt ein sehr schwankender, oft äufserst geringer (bis herab
zu 8,790/0).
IX. Antimonmünze. Schmuckgegenstände aus Antimon sind uns
durch Virchows Beschreibung (Verhandl. d. Berl. Gesellsch. f. Anthro-
pologie, 1884) bekannt geworden, die erste Münze aus diesem Metalle ge-
langt dagegen hier zur Besprechung. Dieselbe entstammt der augustei-
schen Epoche, ist gegossen und wurde ehedem für eine Bleimünze gehalten.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LII. (1887. III.) 7
98 Naturwissenschaft.
X. Anhang. Der Verfassei' giebt eine Korrektionstabelle zum Ge-
brauche für diejenigen, welche selbst antike Legierungen physikalisch
auf ihren Gehalt an verschiedenen Metallen zu prüfen im Sinne haben.
16) K. B. Hof mann, Zur Geschichte des Zinkes bei den Alten.
Berg- und hüttenmännische Zeitung. 1885. Nr. 46 — 51.
Das Metall »Kadmia« kommt weder bei Theophrast noch in der
peripatetischen Schrift »De mirabilibus auscultationibus« vor, wohl aber
ist dort von Messing und Galmei die Rede. Die metallurgischen Ar-
beiten des Nymphodor und Jolas sind leider verloren gegangen, denn
in ihnen wäre nach Plinius (Hist. nat., lib. XXXV. cap. 22) vielleicht
etwas über xaSixca zu finden gewesen. Beckmann erklärte Kadmia für
zinkhaltiges Erz überhaupt; Dioscorides (lib. V, cap. 84) scheint darunter
nicht sowohl reines Zink als vielmehr Zinkoxyd zu verstehen, und Pli-
nius weicht nur scheinbar von Dioscorides ab. Aus Strabos Notizen ist
nicht recht klug zu werden, während Galenus deutlicher ist. Wahr-
scheinlich ist zu unterscheiden zwischen »künstlicher« Kadmia (Ofen-
galmei) und »fossiler« Kadmia, welche verschiedene, durch die chemi-
schen Gleichungen
CO3 Zn und Si O4 Z«2 -^ ?>H^0
charakterisierte Zinkerze umfafst. Auch die Zinkblende {Zn S) war
wohl den Alten nicht ganz unbekannt.
Hilfsmittel zur genauem Untersuchung sich ähnlich verhaltender
Erze standen dem Altertum nicht zur Verfügung. »Pyrites« und »Chal-
kitis« kannte man hauptsächlich als zinkführende Erze. Was man
unter ixlau und aujpu zu verstehen haben, bleibt unklar; Hofmann denkt
an Schwefelkies, während die als dc^puydg bezeichneten Massen Schlacken
von kupfer- und zinkhaltigen Erzen gewesen sein mögen. »Orichalcus«,
schon bei Homer und Hesiod erwähnt, wird mit Messing identifiziert,
der jedoch damals noch keinen Beisatz von Kadmia hatte, xaaaaspoi
und plumbum candidum bei Plinius sind öfters für Zink ausgegeben
worden, allein es erscheint sicher, dafs es sich hier um Zinn handelt;
wäre doch sonst der Vergleich von Kassiteros mit dem leicht schmelz-
baren Wachs ein ganz unzutreffender. Dafs überhaupt metallisches
Zink den antiken Völkern bekannt gewesen sei, schliefst man einzig aus
zwei Stellen bei Dioscorides und Strabo, allein dagegen spricht der Um-
stand, dafs die Ausscheidung des reinen Metalles aus seinen Erzen nur
durch einen nicht ganz einfachen Destillatiousprozefs zu ermöglichen
ist. Ebensowenig sind aus Zink gefertigte Gegenstände bekannt. Nach
Hofmann ist unser »Galmei« vielleicht nur eine Verstümmelung von
xaSjxca; das indische Zink führte den Namen »Tuttanego«, worin R. Roth
das tamulische tütünägam wiederzuerkennen glaubt.
Naturwissenschaft. 99
11) K. B. Hof mann, Das Blei bei den Völkern des Altertums.
Berlin 1885. C. Habel.
Die Kenntnis des Bleis reicht bis zu den allerältesten Schrift-
denkmälern hinauf, denn es kommt als Tributgegenstand bereits in den
für Pharao Thutmes III. angefertigten Listen vor, und zwar liefern das-
selbe semitische Völker ab. In Ägypten selbst ward es somit nicht ge-
funden, und so ist denn auch seine Verwendung eine sparsame (s. unter
8); dünne Bleiziegel begegnen uns im Tempel Ramses IIL zu Medinet-
Abu (hier irrtümlich Aba geschrieben). In den ältesten Veden ist von
dem Blei noch keine Rede, wohl aber in den späteren; es wurde Men-
nige (als Schminkmittel) daraus bereitet. Dafs die orientalischen Völker-
schaften sich des Bleis als Mörtel beim Festungsbau bedienten, ist be-
kannt, und die Juden (Jesaias) scheinen das Metall auch als Mittel zum
Reinigen edler Metalle benützt zu haben.
Die Hellenen holten ihr Blei aus Bergwerken, und Athen suchte
dessen Förderung zu monopolisieren. Auch Italien war nicht bleiarm,
die Römer betrieben den Bergbau auf der Insel Sardinien, doch bezog
man das meiste Material aus Gallien, Britannien und Nordafrika, und
auch in Germanien liefs man gelegentlich auf Blei schürfen. Die Art
der bergmännischen Gewinnung und der nachherigen Verarbeitung, die
Scheidung des reinen Metalles von den Erzen u. s. w. ist ziemlich gut
bekannt, sie war aber eine so unvollkommene, dafs nach Strabos Bericht
die Schlacken einer nochmaligen Ausschmelzuug fähig waren. Die Ver-
sendung des Bleis erfolgte in Ziegelform, und die Römer prägten auf
diese Ziegel in erhabener Schrift den Namen des jeweiligen Regenten.
Zu Kunstgegenständen war der Stoff nicht sehr geeignet, nur mit
kleinen Blei-Idolen (Heiligenbildern) wurde ein schwungvoller Handel be-
trieben. Technisch ward Blei gern zum Bindemittel gebraucht, Blei-
streifen mufsten vielfach den jetzt gebräuchlichen Draht ersetzen, doch
fand Schlieraann in Hissarlik auch wirklichen Bleidraht auf. Bleistücke
dienten dem Baumeister als Lot, dem Fischer zur Beschwerung seiner
Netze, dem Schleuderer im Kriege als Projektile. Man gofs diese letz-
teren wohl auch in Formen (Eicheln) und versah solche mit einem Stem-
pel. Die Dichter erzählen, dafs solche Geschosse hie und da geschmol-
zen seien; diese Angabe wird vom Verfasser beanstandet, allein sie
erscheint uns, wenn wir uns an den Grundsatz der mechanischen Wärme-
theorie erinnern, nichtsdestoweniger als ganz glaubwürdig, ja sie wird
später von Thomas Aquinas ganz ausdrücklich bekräftigt. Die Faust-
kämpfer liebten es, Bleiknöpfe in die Kampfriemen zur Verstärkung des
Schlages einzuflechtau , Gewichte und (gefälschte) Würfel, Lineale und
sonstigen geometrischen Apparat machte man aus Blei, Bleiröhren spielten
im Kanalbau eine Rolle, bis Vitruvius begründete hygieiuische Bedenken
dagegen geltend machte. Sonst kommen noch als Bleifabikate vor ge-
wisse Tafeln mit Inschrift (»Fluchtafeln«), numidische Münzen, Marken,
7»
1 00 Naturwisaenschaft.
die dem verschiedenartigsten Gebrauche dienten (Visitenkarten). Die
Ärzte hatten das Blei in ihrem Arzneischatze. — Auch der Bronze und den
Bronzemünzen setzte man Blei zu, vermutlich, weil durch solchen Zusatz
die Einschmelzung erschwert wurde, doch verbot Kaiser Tacitus Augustus
dieses Manöver. Eine Legierung von Blei und Zinn verwendete man
beim Löten. Von den chemischen Verbindungen uusers Metalles wufste
man Bleiglätte, Bleiweifs, Mennige und Schwefelblei darzustellen; die
bezüglichen Prozesse werden von Theophrast, Dioscorides und Plinius
erläutert. Solche Stoffe fanden in der antiken Toilettenchemie nur allzu
ausgedehnte Anwendung, wie neben andern die bekannte Stelle im »Haus-
gespenst« des Plautus beweist.
Die letzterwähnte Schrift hat uns bereits aus dem chemisch-metal-
lurgischen Gebiete hinübergeführt in das schlechtweg mineralogische.
Wir gehen deshalb jetzt über zu solchen Publikationen, welche uns mit
dem geschichtlichen Auftreten der einzelnen Metalle bekannt zu machen
bestimmt sind.
12) Much, Die Kupferzeit in Europa und ihr Verhältnis zur Kul-
tur der Indogermanen. Wien 1886. K. K. Hof- und Staatsdruckerei.
Es wird neuerdings von berufener Seite immer stärker betont, dafs
der Gebrauch der Metalle schon in der »Jüngern Steinzeit« ein relativ
weit verbreiteter gewesen sein müsse. Der Verfasser selbst hat um-
fassende Baggerungen im Mondsee vorgenommen und dabei neben vielen
Gebrauchsgegenständen aus Stein und Knochen nicht weniger als 29 Ob-
jekte aus Kupfer (Beile, Dolche, Spiralen von Kupferdraht) zutage
gefördert, und zwar ist der chemischen Analyse zufolge dieses Kupfer
ein sehr reines, von Schwefel fast ganz freies. Ähnliche Funde lieferten
der Attersee und das Laibacher Moos, in geringerer Menge auch die
Pfahlbauten der Schweiz, und so scheint bewiesen, dafs man mit der
Verarbeitung von Kupfer bereits vor dem Auftreten des Nephrits ver-
traut geworden war. Virchow beobachtete ein gleiches für nördlichere
Gegenden (Böhmen, Mähren, Preufsen), und auch für Italien, Portugal
und die normannischen Inseln ist keine Ausnahme zu konstatieren. Die
Thongefäfse aus der in Frage kommenden Zeit sind mit hübschen geo-
metrischen Ornamenten ausgestattet; alle diese Gefäfse, wie nicht minder
die auf Thera und Therasia und in Troas ausgegrabenen markieren die
Grenze zwischen neolithischer und Metall-Periode. Much giebt dann
eine Übersicht über alle jemals gemachten Kupferfunde, mehr denn 200
an der Zahl. Eine chronologische Unterscheidung zwischen den einzel-
nen Formen der Kupferbeile u. s. w., wie sie von Mortillet versucht
wurde, hält der Verfasser für unthunlich, dagegen verraten nach seiner
Ansicht die ausgebohrten Hämmer einen Fortschritt in der Kunstfertig-
keit. Das Volk der Steinzeit verblieb sefshaft in seinen ursprünglichen
Wohnsitzen, lernte aber allmählich den Gebrauch des Schmelztiegels
Naturwissenschaft. 101
kennen, und solcher Scbraelztiegel hat man eine ganze Menge gefunden,
so dafs angenommen werden kann, unsere Altvordern hätten sich mit
der Metallurgie des Kupfers viel beschäftigt. Wir sind in der Lage,
ihr Verfahren bei der Aufbereitung der Erze wie auch beim Schmelzen
zu kontrollieren, da einmal sogar die Auffindung eines wirklichen Schmelz-
ofens geglückt ist. Alte Kupfergruben sind in der Nähe von Bischofs-
hofen (Pongau) und Kitzbüchel (östliches Tirol) nachgewiesen worden;
die Arbeiten wurden sowohl mit steinernen als auch mit kupfernen Werk-
zeugen betrieben, und diese Instrumente wurden anscheinend in unmittel-
barer Nähe des Baus fabrikmäfsig erzeugt. Man irrt, wenn man meint,
die Kupfertechnik sei von der Brouzetechnik mit einem male beseitigt
worden, es bildeten sich vielmehr beide Industrien nebeneinander aus.
Man nimmt wohl am besten an, dafs die Ureinwohner das Kupfer nicht
auf dem Handelswege zugeführt erhalten, sondern von sich aus entdeckt
haben, vielleicht dadurch, dafs, was ja gar nicht selten vorkommt, ein
Flötz von Kupferkies in Brand geriet. Was endlich die Rasse der
Kupferleute angeht, so sind es nach allen Anzeichen Arier gewesen, die
ihre Sitze nicht mehr wechselten, denn seit dem Ende der »altern
Steinzeit« hat es keine Nomaden mehr in Europa gegeben. Auch war
allen arischen Völkern für das Kupfer ein und dieselbe Bezeichnung ge-
mein, was wohl erklärlich ist, wenn man sich vergegenwärtigt, dafs
Kupfer ein internationales Produkt war, während Gold, für welches
obiges nicht gilt, in der That auch nur in der südöstlichen Ecke des in
Rede stehenden Territoriums aufgefunden wurde.
Von Osteuropa führen uns nach dem Westen, nach Aquitanien,
und zeitlich wahrscheinlich der klassischen Epoche noch ziemlich nahe
13) Testut-Taillebois, Les tumulus des premiers ages du fer
dans la region sous-pyreneenne. Dax 1885.
Die Herren Testut und Dufounet, unterstützt von Taillebois und
Leonce de Behr, haben eine Anzahl von »Grabhügeln« in den weiten
Ebenen von Ages geöffnet, und es hat sich da wiederum, wie schon bei
früheren Ausgrabungen, herausgestellt, dafs man es hier nicht mit Be-
gräbnisplätzen, sondern mit Wohnungen eines Troglodytengeschlechtes
zu thun habe. Asche und Knochenüberreste fehlen, dagegen sind sehr
eigentümliche Kieselsteinbetten vorhanden, einmal sogar ein zweischläfri-
ges. An andern Orten (Tarbes, Mimbaste u. s. w.) mögen die Wohnun-
gen lebender nachmals in solche toter Menschen umgewandelt worden
sein, die Regel ist dies jedoch nicht. Man nahm früher allgemein an,
leere Tumuli seien ihres Inhaltes durch Beraubung verlustig gegangen,
allein diese Hypothese ist jetzt überflüssig: die Bewohner vertauschten
eben einfach ihren Wohnsitz mit einem andern und nahmen all ihr
Hausgeräte mit. In der Nähe einzelner Hügel stöfst man auf Höhlungen,
102 Naturwissenschaft.
in denen tiefer unten dicke Schichten von Kohle und Asche abwechseln,
jedoch auch da ist nicht an Friedhöfe, sondern nur an Kochplätze zu
denken, welche sich die Bewohner der »Mardelles« anlegten, indem sie
zugleich aus der ausgegrabenen Erde sich ihre »Wohnhügel» aufwarfen.
Drei weitere Abhandlungen sind dem orientalischen Altertum ge-
widmet.
14) G. Bapst, Sur la provenance de l'etain dans le monde an-
cien. Academie des inscriptions et helles lettres; comptes rendus
des s6ances de l'ann^e 1886, 4. serie, vol. XIV. S. 247 — 255.
Die Frage, woher man in alter Zeit das zur Bronzefabrikation er-
forderliche Zinn bezogen habe, ist eine strittige. Französische Forscher
hatten sich zu gunsten des Kaukasus ausgesprochen, Schliemann war
dieser Ansicht nicht abgeneigt, und auch der Verfasser selbst hatte so
lange an derselben festgehalten, bis ihn eine Reise in jenes Gebirge
von deren gänzlicher Unhaltbarkeit übezeugt hatte. Negativ fiel gleicher-
weise das Urteil hervorragender russischer Topographen und Geologen
aus, darunter dasjenige Raddes und Abichs. In allerältester Zeit mag
der Zinnhandel wohl ausschliefslich durch Karawanenverkehr betrieben
worden sein, nach Lenormant vom Hindukusch aus. Hingegen glaubt
Bapst Einsprache erheben zu müssen, da jene Gegend ganz gewifs vor
5000 Jahren nicht minder unzugänglich war, als sie es heutzutage ist.
Ogorodnikoff berichtet von alten und reichen Zinngruben nicht weit von
Meschehed in Khorassan, allein da er selbe nicht mit eigenen Augen
gesehen hat, so ist dieses Zeugnis nur mit Vorsicht aufzunehmen; immer-
hin ist Zinn in Persien und am kaspischen Meere von je her ein sehr
verbreitetes Metall gewesen. Die Behauptung von Sayce, dafs xaaal-
Tepog einen akkadischen Wortursprung aufweise, hat ihre Widerlegung
durch Oppert gefunden, und die mesopotamischen Funde haben auch
wirklich keinerlei Zinnsachen ergeben. Am wahrscheinlichsten sei es
immer noch, an den fernen asiatischen Osten, z. B. an die Halbinsel
von Malakka, zu denken, vielleicht könnte auch Khotan in Frage kommen,
von wo möglicherweise der Jadeit von Hissarlik stamme. Im ganzen
aber gewährt keine dieser Hypothesen vollkommene Befriedigung.
15) J. Havet, Bericht über die Sitzung der »Acad. d. inscr. et
b. lettres« vom 3. Dezember 1886. Revue critique, Annee XX. S. 483.
Der berühmte Chemiker Berthelot (s. 6) teilt die Analysen mit,
welche er an verschiedenen Metallgegenständen assyrischen und baby-
lonischen Ursprungs vornahm. Es fand sich manches merkwürdige; so
kommen z. B. Gefäfse aus reinem Zinn und Antimon (s. 9) vor, ohne
jedweden Zinn -Beisatz, und ein Täfelchen von Khorsabad erwies sich
als ganz aus Magnesiumkarbonat zusammengesetzt.
Naturwissenschaft. 103
16) G. M ehrten s, Das Eisen im orientalischen Altertum. Wochen-
blatt für Baukunde. 8. Jahrgang. S. 306—309. S. 426 — 428. S. 466
-468. S. 486-489.
Dieser Essay ist auf grund der bekannten Werke von Liger, Le-
normant, Day, Beck und Andree gearbeitet und gewährt somit einen
guten Überblick über den gegenwärtigen Stand der Frage. Das erste
Metall, welches dem Menschen wirklich Nutzen verschaffte, war zweifel-
los das Kupfer. Zinn zog erst später, wesentlich als Zinn-Kupfer- Legie-
rung, die allgemeinere Aufmerksamkeit auf sich. Dagegen ist minder
klar, welchen Platz das Eisen chronologisch in der Reihenfolge der Me-
talle einnahm; allzutief wird er wohl nicht gewesen sein, da die Abson-
derung des Eisens aus seinen Erzen zu den metallurgisch leichteren
Prozeduren gehört. Eisenerze sind ebenso häufig als gediegenes Eisen
selten, vielleicht lernte man zuerst das Meteoreisen kennen und be-
handeln. Die Ägypter hätten sich, wird einmal behauptet, den Himmel
als eisernes Gewölbe vorgestellt, von dem ab und zu Stücke zur Erde
fielen, allein es liegt hier wahrscheinlich eine Verwechslung mit der
später für die Meteorite aufgestellten Theorie des Anaxagoras vor, und
schwerlich ist meteorisches Eisen schon in alter Zeit als das anerkannt
worden, was es wirklich ist. Plausibler lauten die Erzählungen von
Strabo und Lucrez, denen gemäfs das Eisen entdeckt wurde, als bei
einem Waldbrande eine zutage liegende Erzader flüssig wurde, denn
das berühmte Zinn der Insel Bangka hat in der That auf diese Weise
erst im Jahre 1710 sein Dasein verraten. Die in Ägypten aufgefunde-
nen Eisenstücke, abgesehen von einem Bruchstücke eines Hammers in
der Cheops-Pyramide, gehören insgesamt der Zeit des »neuen Reiches«
an, allein der salpeterhaltige Boden des Nillandes kann leicht eine um-
fassende Zerstörung eiserner Geräte aus älterer Zeit bewirkt haben.
Die blaue Farbe der auf den Grabdenkmälern abgebildeten Werkzeuge
soll nach Ebers und Lepsius ebenso das Eisen charakterisieren, wie der
Bronze das Rotgelb entspricht. Meifsel und Spitzhämmer, wie sie zur
Ausführung so gigantischer Steiumetzarbeiten erfordert wurden, konnten
nicht wohl von Bronze, sondern nur von Stahl gemacht sein. Jeden-
falls mufsten die Ägypter ihr Eisen aus dem Auslande beziehen, und
thatsächlich unterscheidet ihre Sprache auch zwischen aethiopischem
(men) und semitischem (tehaset).
In China mufs um 2000 v. Chr. der Gebrauch von »weichem Eisen«
und »hartem Eisen« (Stahl?) gang und gäbe gewesen sein, und die chi-
nesische Eisenindustrie, die sich schon sehr früh auch auf Gufseisen er-
streckte, ist uralt, daneben ward aber, wie v. Richthofen bezeugt, die
Bronzefabrikation schon unter den ersten Kaisern der Tschoü- Dynastie
(1766 V. Chr.) schwunghaft betrieben. Serisches Eisen, sagt Plinius, be-
hauptet den Preis unter sämtlichen Eisensorten. — Indien ist mit das
Mutterland des Kunstgewerbes in Kupfer, und nach Lafsen haben von
104 Naturwissenschaft.
dort die westwärts lebenden Völker zuerst ihr Zinn bezogen (s. 14), wo-
mit in Widerspruch steht, dafs Plinius. (lib. XXXIV, cap, 48) die Inder
phönizisches Zinn gegen Perlen und Edelsteine eintauschen läfst. Der
Norweger Worsaae betrachtet Hindostan als die Heimat der Bronze,
allein es läfst sich für ganz Vorderindien keine der Eisenzeit vorauf-
gehende Bronzezeit nachweisen. Auch Eisen ist dortselbst mindestens
gleichzeitig mit dem Kupfer als Gebrauchsmetall aufgetreten, die indische
Eisenbereitung stand vormals auf einer weit höheren Stufe als jetzt,
und indische Stahlgegenstände, die wir aus einer bis 1500 Jahre vor
der christlichen Aera hinaufreichenden Zeit besitzen, erfreuten sich mit
Fug des besten Rufes. Metallurgische Fertigkeiten scheinen aus dem
Hindulande auf die hinterindischen Inseln übergegangen zu sein; es
werden nämlich im Sunda- Archipel die meisten Metalle mit Sanskrit-
Namen bezeichnet, nur Gold, Eisen und Zinn, als die einheimischen, mit
malayischen. — Das alte Zendvolk mufs seinen Überlieferungen zufolge
Eisen, Blei, Silber und Gold gewerbsmäfsig verarbeitet haben, und die
Gräberfunde Turans beweisen, dafs man auch in jenem Lande die Kunst
der Darstellung von Eisen verstand. In Babylon wurde nur wenig Eisen-
geräte ausgegraben, etwas mehr auf dem Boden des alten Niniveh. Hin-
sichtlich des Zinns verhält es sich mit beiden Fundstätten umgekehrt.
Es erhebt sich nun die Frage, ob die Bronze eine chaldäische Erfindung
oder ein Importartikel war; Lenormant entscheidet sich, im Hinblick
auf Strabo, für die letztere Alternative und meint, Bronze sei vom Pa-
ropamisus her eingeführt worden. Von besonderm Interesse war neuer-
dings ein Fund von Place, der in den Ruinen von Khorsabad ein mäch-
tiges Magazin von Eisenstücken in Luppen- und Barrenform entdeckte,
wohl das Arsenal eines altassyrischen Despoten.
Die aus Ägypten auswandernden Juden bemächtigten sich eines
an rohem und verarbeitetem Metalle bereits reichen Landes, und zur
Zeit der Könige scheinen sie geschickte Eisenschmiede gewesen zu sein.
Ihre Propheten sprechen mitunter vom »Eisen des Nordens«, worunter
man ohne Zwang Stahl verstehen kann; derselbe stammte aus Thubal,
dem Lande der Chalyber bei Trapezunt, deren einfache Stahlbereitung
uns das Buch »De mirabilibus auscultationibus« - das der Verfasser
wohl nicht mit Recht als echt-aristotelisch betrachtet — beschreibt. Neben
dem chalybischen Stahle, der sich besonders gut für Zimmermannswerk-
zeuge geeignet haben soll, schätzte man für Feilen, Bohrer, Grabstichel
den spartanischen, für Messer und Raspeln den lydischen. Dies giebt
wenigstens Daimachus, ein Zeitgenosse des grofsen Alexander, au.
Gute Schmieden sollen auch im arabischen Laude am Sinai gestanden
haben, und dafs man von Damaskus aus ehedem vorzügliche Waffen in
den Verkehr brachte, ist eine allbekannte Thatsache. Die Phoenizier be-
sorgten (Hesekiel 27, 12) den Handel mit Metall und Metallwaren und
verschifften neben dem Silber insbesondere auch Bronze. Sie müssen im
Naturwissenschaft. 105
Bronzegufs erfahren gewesen sein (Salomons Tempel) . allein die Erfin-
dung dieser Legierung datiert nicht von ihnen, sondern, wie schon ge-
sagt, aller Wahrscheinlichkeit nach aus Innerasien.
An den Handel und Verkehr mit Metallen reiht sich von selbst
derjenige mit einem im Altertum hochgeschätzten Mineral, dem Bern-
stein. In der italienischen Sprache ist für diesen Stoff ausschliefslich
der im Deutschen minder eindeutige Name »Ambra« gebräuchlich ; darauf-
hin wird der nun folgende Titel verständlich sein:
17) A. Stoppani, L'ambra nella storia e nella geologia con
speciale riguardo agli antichi popoli d'Italia nei loro rapporti colle
origini e collo svolgimento della civiltä in Europa. Mailand 1886.
ü. Hoepli.
Von diesem sehr umfassend angelegten Werke kommt für uns hier
nur der erste, 195 Seiten in sich schliefsende Teil in betracht, welcher
die geschichtlichen Nachweisungen enthält. Zunächst werden natürlich
mineralogisch- chemische Erläuterungen gegeben (Formel C^qH^O). Bei
den Griechen (Homer, Herodot, Plato, Aristoteles, Theophrast, Diodon
Dioscorides) heifst der Stoff rj^exrpov, aber auch die Bezeichnungen
Xiyyoüptov und olibanum kommen frühe vor, während die Römer die Aus-
drücke succinum, amber, ambrum, ambarum hatten. Die Etymologie des
Wortes »Bernstein«, welche der Verfasser namhaft macht (von »brennen«)?
dürfte wenige befriedigen. Die erste antiquarische Abhandlung über
Electrum schrieb der berühmte Gesner (Göttingen 1735). Der Ver-
fasser durchmustert nun selbst die alte Litteratur, wobei er die Unter-
suchungen von Heibig zur Richtschnur wählt. Der Bernstein war schon
tausend Jahre vor Christi Geburt eine Handelsware; Aristoteles bespricht
seine elektrischen Eigenschaften, und aus zahlreichen Andeutungen bei
Plinius erhellt, dafs unter den ersten Kaisern, insonderheit unter Nero,
die Bernsteinindustrie einen lebhaften Aufschwung nahm. Dann ist von
den Aestyern die Rede, allerdings ohne die neueren Forschungen über
diesen Stamm zu verwerten; an diese Aestyer soll der Gotenkönig
Friedrich — offenbar einer der überhaupt nicht seltenen Druckfehler
(statt Theodorich) — zu beginn des sechsten Jahrhunderts unserer Zeit-
rechnung in Sachen des Bernsteinhandels einen Brief gerichtet haben.
Steigen wir in die praehistorische Zeit hinauf, so müssen wir es un-
entschieden lassen, ob der Bernstein bereits in der palaeolithischen Periode
bekannt war. Für die baltischen Gegenden ist dies sehr wahrschein-
lich, für Italien kaum. Auf dem anthropologischen Kongrefs, der 1874
in Stockholm tagte, gab Bellucci bekannt, dafs er in Turin Bernstein-
sachen zusammen mit Objekten aus der Bronzezeit aufgefunden habe,
allein Pigorini trat dem entgegen und plaidierte dafür, dafs der Bern-
stein erst in der Eisenzeit seinen Weg nach der appenninischen Halb-
insel gefunden habe. Heibig erklärte sich, gestützt auf seine bei Pes-
106 Naturwissenschaft.
chiera gemachten Pfahlbaufunde , zu gunsten Belluccis, und damit würde
auch der Umstand stimmen, dafs in skandinavischen Gräbern die Bern-
steingeräte gerade mit der beginnenden Eisenzeit aufhören. Im allge-
meinen werden Ambra und Bronze als synchron anzusehen sein.
In Italien selbst müssen zwei Stämme von Urbewohnern unter-
schieden werden, deren einer wirklich autochthou war, während der an-
dere von auswärts kam und sich wohl schon in der altern Steinzeit in
der Emilia ansiedelte. Diese Eindringlinge waren halbe Troglodyten
(s. 13), nach Chierici den Negern von Assab vergleichbar, doch gehörten
sie zu den Ariern, beziehungsweise zu den Ario-Pelasgern. Nachdem
diese »Ligurer« sich mit den Ureinwohnern zu Einem Volke verschmol-
zen hatten, nahm die jüngere Steinzeit ihren Anfang, in welche auch
die schweizerischen Pfahlansiedlungen zu verweisen sind. Das ganze
Land am Südflusse der Alpen, von Piemont bis Friaul, scheint ziemlich
unter den gleichen Existenzbedingungen gelebt zu haben; Gegenstände
aus Bronze kommen gelegentlich, aber nur spärlich vor. Die Stein- und
Bronzeperiode, durch nahezu gleichmäfsiges Vorkommen beider Minera-
lien gekennzeichnet, ist auf das Eingreifen eines neu auf der Bildfläche
erscheinenden Volkes zurückzuführen, das den Steingebrauch noch nicht
verlernt, aber auch schon anderweite Kenntnis in sich aufgenommen
hatte und mutmafslich von der Donau her übers Gebirge nach dem Po-
lande vordrang. Stoppani erblickt in diesem Vordringen den Anfang
eines »Pelasgerreiches« ; die als »Terramare« bekannten Tumuli der
Umgebung von Mantua signalisieren ihm diese Epoche. Bernstein findet
sich in diesen Denkmälern nur in minimalen Mengen vor, da aber von
einem regulären Bernsteinhandel jetzt noch keine Spur verbanden ist,
so mufs wohl an einen vorübergehenden Tauschverkehr mit einer phoe-
nizischen oder griechischen Kolonie gedacht werden.
Der Bernsteinhandel als solcher ist ein Charakteristicum der etrus-
kischen Epoche. Wer diese Etrusker waren, hat die Forschung noch
nicht endgültig zu ermitteln vermocht; Chierici, Pigorini, Strobel, Hel-
wig, Unsteed nehmen die Existenz eines Einwanderervolkes an, welches
auf italienischem Boden seinen Wohnsitz erst zu einer Zeit aufschlug,
die jünger ist als die prähistorischen Denkmäler der Emilia. Die Unter-
suchung der Nekropole der Tarquinier hat dargethau, dafs es sich hier
nicht um grundsätzlich verschiedene Kulturen, sondern einzig und allein
um verschiedene Eutwicklungsstadien der nämlichen alten Kultur zu
thun hat. Vom Trentino und von den euganeischen Bergen bis in die
Abruzzen hinein haben wir Monumente der gleichen Art vor uns, und
zwar scheint die tuskische Einwanderung seit dem XI. Säkulum vor Chr.
im gange gewesen zu sein. Die Denkmäler palaeoetruskischer und rein
etruskischer Provenienz kündigen ein zweites Bronzezeitalter an, welches
selbst wieder in zwei Perioden zerfällt, und auf deren letztere folgt die
Naturwissenschaft. 107
Eisenzeit. In ganz Europa soll sich diese Periodeneinteilung durchführen
lassen (?).
Die Kunst, Bronze zu verarbeiten, geht seit dem Ende der neoli-
thischen Zeit bis zum Auftreten der Römer stets Hand in Hand mit der
Bernsteintechnik; beide Industrien können also dazu dienen, die allmäh-
liche Ausbreitung der italischen Völker zu kontrollieren. Mit dem Ein-
dringen der Graecopelasger begann nahe gleichzeitig auch die Besied-
lung des westlichen Mittelmeeres durch die Phoenizier, welche im »Ca-
lifornien der Semiten«, den Scilly-Inseln (?), die Zinnausbeute betrieben.
Jetzt erst gelangte auch in Italien die Kunst der Metallausnützung zu
höherer Blüte. Stoppani betrachtet den Zinnhandel mit England als
blofse Hypothese, da ja auch Italien mit Zinngruben gesegnet und so-
mit in den stand gesetzt war, der phoenizischen Beihilfe zu entraten.
Die Etrusker waren bergbaukundig, Praktiker wissen die von ihnen an-
gelegten Minengänge sehr wohl von den römischen zu unterscheiden,
und so war der Tauschverkehr mit den Phoeniziern wenigstens kein ab-
solut gebotener für sie, weder in Zinn noch in Ambra. Allerdings hat
das grofse Handelsvolk des Altertum auch von letzterem Stoffe Gewinn
zu ziehen verstanden, allein es hat Import und Fabrikation desselben
nicht in solchem Umfange getrieben, wie das tuskische. Im Verhältnis
zu der "Widerstandsfähigkeit des Materiales gegen mechanische Eingriffe
ist die Menge des im Etruskerlande aufgefundenen Bernsteines eine
ganz ungeheure, zumal in der Totenstadt von Villanova. Die Arbeiten
von Pigorini (Sepolcretto gallico scoperto nelle vizinanze di Parma,
Bologna 1867) und Crespellani (L'ambra dei sepolcretti e della terra-
mare Modenesi, Modena 1874) haben hierfür sehr wertvolle Abschlüsse
geliefert.
Die Thätigkeit der Phönizier wartet noch vollkommener Klar-
stellung; es ist nicht gewifs, dafs sie direkt aus den Nordmeeren den
Bernstein holten und selbst den Etruskern verkauften, vielmehr ist die
Mittlerschaft anderer Völker gar nicht unwahrscheinlich, Stoppani meint
sogar, dafs eben die Etrusker selbst vielfach die Vermittler gespielt
und in ihren Häfen den Bernsteinhandel lokalisiert gehabt hätten. Die
Italiker verschafften sich den Artikel durch den Tausch aus den nordi-
schen Ländern, welchen sie ihre Fabrikate zuführten. Ganz entblöfst
von Bernstein war auch ihr eigenes Land nicht, denn heute noch findet
man solchen im Appennin, doch kann die baltische Provenienz der meisten
Fundstücke keinem Zweifel unterliegen. Die Ostsee war die Spenderin
des Electrums, noch im vorigen Jahrhundert scheint daselbst die Bern-
steinfischerei in ebenderselben primitiven Weise wie in altersgrauer Vor-
zeit betrieben worden zu sein. Die autochthon- italienischen Ambra-
stücke haben nach Helms Analysen nur wenig Bernsteinsäure, die preufsi-
schen aber um so mehr. Aus Etrurien zogen sich verschlungene Handels-
strafseu nach dem Norden, um deren Aufklärung sich Sadowski ein
108i Naturwissenschaft.
grofses Verdienst erworben hat, und nicht weniger als neun betretene
Wege — nach Nissen dürfte, wie wir beifügen, deren Zahl sogar eine
noch gröfsere gewesen sein - führten über die Alpenkette hinüber.
Wir haben eine genaue Inhaltsanalyse des Stoppanischen Buches
für wünschenswert gehalten, weil es uns mit der Forschungsarbeit und
den Resultaten unserer südlichen Nachbarn trefflich bekannt zu machen
geeignet ist. Ein deutscher Fachmann wird allerdings bedauern, dafs
auf die zahlreichen verwandten Untersuchungen in der Litteratur ande-
rer Völker nicht mehr bedacht genommen ist.
Programmgemäfs wenden wir uns jetzt der Gewinnung und Bear-
beitung der Metalle bei den Alten zu, wovon drei Schriften handeln.
18) Hirst, On the Mining Operations of the Ancient Romains,
London 1885. (Separat aus Vol. XLII des »Journal of the Royal
Archeological Institute of Great Brittain and Ireland«.)
Unserer eigener Bericht mufs sich diesmal auf ein anderes, offen-
bar aber recht gründliches Referat stützen, welches Liebl veröffentlicht
hat (Blätter für das bayer. Gymnasialschulwesen, 22. Band. S. 465 ff.).
Bergwerkbetrieb fand im römischen Altertum hauptsächlich statt in Ma-
zedonien, Dalmatien, Paunonien, Dazien, Südgallien, Britannien, auf der
iberischen Halbinsel und auf Zypern. In Staatsregierungen unter der
Leitung sogenannter Publicani, standen nur die wenigsten Minen, die
meisten waren an Privatunternehmer verpachtet und brachten diesen
um so reichern Gewinn ein, je schonungsloser sie ihre Arbeiter aus-
nützten. Daher das harte Los der »ad metalla damnati«. Die Felsen
wurden beim Mangel energischerer Hilfsmittel mit Eisenkeilen gesprengt,
Pumpräder schafften das eingedrungene Wasser aus den Schachten in
die Höhe, der konische Schmelzofen, teilweise schon mit Kohlen geheizt,
befand sich in unmittelbarer Nähe der Stollenöffnung. Das Wort »ostilis«
übersetzt Liebl mit »Werkholz« ; dergleichen Hölzer durften nicht zur
Speisung der Öfen verwendet werden.
19) H. Haussen, De metallis atticis commentatio prior. Hamburg
1885. Inaugural-Dissertatiou.
Der Inhalt dieser Schrift bietet im allgemeinen dem Archäologen
und dem Historiker des Bergrechtes das gröfsere Interesse. Über die
athenischen Bergwerke ist nach und nach eine stattliche Litteratur an-
gewachsen; der Verfasser hat sich mit derselben vertraut gemacht, kann
sich aber auch auf autoptische Wahrnehmungen an Ort und Stelle
stützen. Man kennt zur Zeit fünf den Bergbau betreffende Inschriften,
welche zum teile in Köhlers bekanntes Werk aufgenommen sind; eine
befindet sich noch im Besitze der Verwaltung der Akropolis, eine im
britischen Museum zu London. Diese Inschriften haben es ausschliefslich
mit administrativen Bestimmungen zu thun, namentlich mit der Aus-
fertigung der Zessionsurkunden. Dem Käufer einer Grube lag nämlich
Naturwissenschaft. ] 09
die Pflicht ob, vor Geriebt deren Örtlichkeit und Eigenschaften auf-
schreiben zu lassen {dTioypd(paaQ^o.i jiizaUov).
20) Paehler, Die Löschung des Stahles bei den Alten. (Eine
Erörterung zu Sophocles' Ajax 650 fif.). Wiesbaden 1885. Programm.
In Vers 651 des genannten Trauerspieles heifst es: ßa^^ atdrjpog
cuQ £&rj)^üvdrjv ar6jj.</., und auch in der Odyssee (IX, 393) kommt das
Ablöschen des vorher durch Feuer erweichten Stahles im Wasser vor.
Die Scholiasten behaupten, dafs das Eisen durch Eintauchen in Öl weich
werde, allein die Technik weifs vom Gegenteil zu berichten: in Öl härtet
sich Metall ebenso wie in Wasser, wenn schon nicht in gleichem Mafse.
Ob von Eisen oder Stahl überhaupt die Rede, ist schwer zu unter-
scheiden, da die rohen Reduktionsprozesse der Alten es wohl vorkommen
liefsen, dafs kohlenstoffarmes und kohlenstoffreiches Metall (Eisen und
Stahl) in demselben Klumpen zusammen sich vorfanden.
Der Verfasser stellt mit Rücksicht auf technisch gebildete Gewährs-
männer, welche er befragt hat, fest, dafs kaltes oder lauwarmes Öl nicht
zur Erweichung, sondern gerade umgekehrt zur Härtung feiner Werk-
zeuge dient. Öl hat eine geringere Wärmekapazität als Wasser und
ist noch dazu ein recht schlechter Wärmeleiter, so dafs die Abkühlung
verhältnismäfsig langsam erfolgt, die Gefahr des sich -Werfens und Sprin-
gens mithin geringer wird. Schölls Meinung, Sophokles habe auf die
Elastizität des Stahles anspielen wollen, findet ihre Widerlegung in der
Thatsache , dafs diese Eigenschaft erst später durch Philo von Byzanz
entdeckt worden ist. Auch Schneidewin-Naucks Vorschlag, »geschmeidig«
statt »elastisch« zu setzen, wird verworfen. Von irgendwelcher Mitwirkung
des Öles könne überhaupt nicht die Sprache sein, nur von dem dem
Altertume bekannten Prozesse des Erweichens im Feuer. Wenn Stahl
im Zustande heftiger Erhitzung plötzlich in Wasser gesenkt wird, so
wird er sehr hart und gleichzeitig sehr spröde; um diese Sprödigkeit
zu mildern, erwärmt man das Metall wieder und kühlt es dann mäfsig ab,
wobei die verschiedenen Oberflächenfarben des »Anlassens« entstehen.
Die Stelle der Antigone, V. 473, erklärt Paehler demnach so : Des Mäd-
chens harter Sinn wird ebenso wie der härteste Stahl gebrochen werden,
wenn er, überhitzt aus dem Feuer kommend, unter den Schmiedhammer
geschoben wird. Schiefslich bringt der Verfasser die wenigstens unter
dem technologischen Gesichtspunkte sehr glückliche Konjektur in ver-
schlag, statt ßa<p^ lieber ßaövjj^ »durch den Glühofen«, zu lesen. Dieses
Wort ist uns von Hesychius überliefert worden.
Ein Anhang handelt von dem lykurgischen Eintauchen des eiser-
nen Geldes in Essig. Stahl, in Essig gelöscht, wird genau ebenso glas-
hart, wie wenn er in Wasser abgelöscht worden wäre, allein die Alten
glaubten dies nicht und schrieben dem Essig eine auflösende Kraft zu,
welche zu haben er weit entfernt ist. Auch auf den Stahl der Chalyber
HO Naturwissenschaft.
(s. 16) kommt der Verfasser anhangsweise zu sprechen und stellt die
Vermutung auf, jene Völkerschaft habe nicht wirklichen Stahl fabriziert,
sondern nur Eisen aus FlufsgeröU ausgeschmolzen und auf diese Art
Roh-Luppen hergestellt, die dann anderwärts erst wieder zu — aller-
dings sehr gutem — Stahle umgeformt worden wären.
Mit dem mineralogischen Teile unserer Aufgabe zu Ende gekommen,
wenden wir uns jetzt deren phytologischem Teile zu.
21) F. Woenig, Die Pflanzen im alten Ägypten, ihre Heimat,
Geschichte, Kultur und ihre mannigfache Verwendung in Kultus, Sit-
ten, Gebräuchen, Medizin, Kunst. Leipzig 1886.
Der etwas sehr detaillierten Einteilung des Werkes in gröfsere
und untergeordnete Abschnitte substituieren wir hier eine mehr zusammen-
fassende, welche den Vorteil hat, die wichtigen Partien einheitlicher
hervortreten zu lassen.
I. Der Lotus. Hiervon lassen sich nach schriftlichen und bild-
lichen Überlieferungen dreierlei Arten in den Gewässern des Nillandes
unterscheiden (die spezifisch ägyptische, die indische und die blaue
Nymphaea). Merkwürdig ist, dafs die Lotuspflanze erst auf relativ
jungen Monumenten uns begegnet, so dafs sie also schwerlich, wie
Ernst Meyer und De CandoUe annehmen, so alt wie die ägyptische
Kultur selbst ist. Erst seit Herodots Zeit erscheint ihr Auftreten
sichergestellt, von da an aber mufs ihre Verwendung zu allen möglichen
— auch gottesdienstlichen — Zwecken ungemein rasch platz gegriffen
haben, und besonders in den Nekropolen spielt sie eine bedeutende Rolle.
n. Die Papyrusstaude. Diese Staude reicht chronologisch weit
höher hinauf und mufs dereinst am unteren Nil ebenso in förmlichen
Schilfwäldern vorgekommen sein, wie sie solche Wälder noch jetzt
in Nubieu und im Senaar bildet. Herodot und Theophrast erzählen
uns, wie äufserst mannigfaltig die Ausnützung des Papyrus sich gestal-
tete; man afs sie geröstet, kaute ihren Saft, verfertigte daraus alle nur
möglichen Gebrauchsgegenstände (sogar Boote). Über die Vorgänge bei
der Ernte sind wir durch ein Grabdenkmal aus der Zeit der V. Dynastie
(3566— 3333 v. Chr.) sehr gut informiert; solche umfängliche Ernten
hatten zunächst ihre Bedeutung für die Papierfabrikation. Wie man
bei letzterer zuwerke ging, ist leider minder gut bekannt, denn die be-
züglichen Nachrichten des Plinius sind doch gar zu neuen Datums, doch
haben die Untersuchungen von Landolina und Seyffarth einiges Licht
über die Sache verbreitet. Es folgen dann noch ausführliche Angaben
über Schriften- und Bibliothekwesen, welche jedoch nichts sachlich neues
zu bieten beabsichtigen. Zum Schlüsse wird noch von dem Verbreitungs-
bezirke der Papyruspflanze gehandelt und dargethan, dafs dieselbe noch
bis ins XVUL Jahrhundert herein in Italien — zumal in Sizilien und
Calabrien — wild gewachsen ist.
Naturwissenschaft. Hl
III. Andere Sumpfpflanzen. Verschiedenen griechischen Zeugnissen
zufolge waren überhaupt die Wurzeln und Knollen der Rohrgewächse
eine beliebte Speise der alten Ägypter. Hierher gehören die Erdmaudel
(Cyperus esculentus L.), das spanische Rohr (Arundo Donax L), gewisse
in der Pharmazie verwendete Grasarten, die Wasserschere (Strasistes
aloides L.), vielleicht auch die Binse, schwerlich aber die jetzt so häufig
dortselbst anzutreffende echte Aloe.
IV. Ackerbau. Schon in den ältesten Sagen treten uns Gottheiten
als Begründer des Zerealienbaus entgegen. Bedingt war der ägyptische
Feldbau allerdings durch die grofse, periodische Überschwemmung, allein
deren Wirkung war durchaus keine so unmittelbaüe, wie Herodot glau-
ben machen will, vielmehr bedurfte es mancher hydrotechnischer Künste,
um auch die dem Gebirge zu beiden Seiten näher liegenden Landes-
teile an jener Wohlthat teilnehmen zu lassen. Pflug und Hacke waren
die gewöhnlichen Ackerwerkzeuge, als Zugtiere dienten nicht Kamele,
sondern Rinder, seltene Pferde, welche einer Rasse mit unschönen,
dicken Köpfen angehörten. Die Art der Behandlung des geschnittenen
Getreides wird durch die monumentalen Abbildungen gut ersichtlich.
V. Brotpflanzen. Die älteste Kulturpflanze war in allen Ländern,
das Reis-essende China ausgenommen, der Weizen; nach Unger wurden
drei Arten desselben im Nilthale angebaut, wozu eine an sich unklare
Notiz des Plinius stimmen würde. Spelt galt für ein geringwertiges
Nahrungsmittel, Gerste ist anscheinend aus dem westlichen Asien ein-
geführt worden und lieferte ein sehr beliebtes Bier, vor welchem schon
in sehr alter Zeit der »Schreiber« Ani die Studenten warnen zu müssen
vermeint. Unsicherer ist, ob Hirse (Durra), die heutige Hauptnahrung
des Fellah, schon zur Pharaonenzeit augebaut ward, keinesfalls war sie
dem alten Ägypter dasselbe, was sie dem Ägypter von heute ist.
VI. Brotbäckerei. Das Wesen dieser Technik bringen Denkmäler
(insbesondere aus der Zeit der XX. Dynastie, um 1200 v. Chr.) zu
unserer Kenntnis. Es wurde auch viel süfses Gebäck als Leckerei
bereitet.
VII. Leinkultur. Nach De CandoUe ist der Lein ein Asiate , die
IV. Dynastie scheint mit seiner Kultur noch nicht vertraut gewesen zu
sein, aber schon die XII. bietet ein Bildwerk mit Flachsernte, Weberei
und Spinnerei. Gewebte Byssusgewänder bildeten späterhin einen wich-
tigen Exportartikel, und die täglichen Bedürfnisse für die Kleidung der
Lebenden sowohl wie der Toten haben es zuwege gebracht, dafs ein
sehr grofser Teil der ägyptischen Gefilde mit Flachs bestanden war.
Hanf dagegen war den Ägyptern wie den älteren Semiten unbekannt.
VIII. Gemüsepflanzen. Knoblauch und Zwiebeln waren beliebt, ja
man widmete ihnen religiöse Verehrung. Der erstere sollte nach der
umlaufenden Ansicht Mut und Stärke verleihen, und es sind deshalb,
wenn Herodot wahr berichtet, die bei der grofsen Pyramide beschäftig-
112 Naturwisseuschaft.
ten Bauleute förmlich mit Knoblauch gefüttert wordeu. Gerne genossen
ward auch die Melone, welche ohnehin afrikanischer Abstammung sein
dürfte. De Candolles Behauptung, der gemeine Flaschenkürbis sei un-
bekannt gewesen, glaubt Woeuig durch den Hinweis auf eine Skulptur
widerlegen zu können. Jedenfalls war die Spargelkultur eine uralte.
Die Bohne war gering geachtet, doch hat sich Samen davon in thebai-
schen Gräbern gefunden, Linsen dagegen afs man gerne und hob sie
gerne für die Zeit der Hungersnot als Reserve auf. Nicht minder
kannte man die Rettige, und auch sonst war kein Mangel an efsbaren
Pflanzen, die teilweise aus Ägypten ihren Weg zu den Römern fanden.
IX. Gewürzpflaiizen. Der Kümmel der Thebais, ägyptischer Anis
und Koriander galten bei allen Völkern der Antike als besonders preis-
würdig, Plinius gedenkt auch des berauschenden Opiums. Sesam, Senf und
Majoran sind nicht direkt als vorkommend nachzuweisen, dürften aber
trotzdem den Ägyptern kaum abzusprechen sein.
X. Gartenbau. Gemälde, die Rosellini reproduziert hat, und die
aus der Zeit der XVHI. Dynastie (um 1600 v. Chr.) stammen, orientie-
ren uns über die sehr ausgebildete Gärtnerkunst der Ägypter. Malve,
Jasmin, Rittersporn, Kornblume, Pfefferminze, Schotenweiderich, Bitter-
kraut kommen in Thebens Grabstätten nicht selten vor. Das Kranzwinden
stellte einen regelrechten und geachteten Kunstzweig dar. Nur die
Rose, jetzt üppig an den Ufern des Niles wuchernd, hat dem Altertum
gefehlt (Uarda?).
XI. Weinbau. Herodot war falsch berichtet, als er den Ägyptern
Kenntnis und Genufs des Weines absprach. Im Gegenteile ist das Nil-
thal ein wirkliches Weinland gewesen, und noch mehr gediehen auf dem
Marschboden des Deltas vortreffliche Sorten, von welchen nachmals
Griechen und Römer schwärmten. Viele Abbildungen gestatten uns einen
Einblick in den Hergang bei einer Lese; für das Keltern gab es das
allen Völkern geläufige primitive Verfahren, aber auch (in Unterägypten)
ein verfeinertes. Athenaeus rühmt, dafs Trunkenheit in Ägypten eine
Seltenheit sei, allein gewisse Szenen auf Bildwerken stehen mit diesem
Lobe leider in Widerspruch.
XII. Bäume und Sträucher im allgemeinen. Bäume, Ziersträucher
und Nutzholz führte man vielfach aus dem Auslande ein. Sehr beliebt
waren Sykomore und Feige, deren Eigenart auf den ägyptischen Reliefs
klarer zum Ausdruck gelangt, als die irgend einer anderen Pflanze. Als
Schattenspender war die Akazie geschätzt. Die Dattelpalme ward wohl
erst seit dem Jahre 2500 v. Chr. in Ägypten kultiviert; leider hat der Ver-
fasser die vorzügliche Monographie über diese Pläne von Th. Fischer unbe-
nutzt gelassen. Granatäpfel dagegen sind uralt-ägyptisch, und ein gleiches
gilt für das sakral gerne gebrauchte Olivenöl. Die Wüstenflora war sonst
wie jetzt, durch die Tamariskensträucher repräsentiert; von Taraarix
gallica bezogen die wandernden Israeliten ihr »Manna«. Baumwolle
Naturwissenschaft. ] ] 3
holte man vermutlich aus dem Quellgebiete des blauen Nil. Gefärbt
wurde mit Saflor und nicht mit dem erst im Verlaufe der alexandrini-
schen Periode bekannt werdenden Indigo. Von Balsamgewächsen hat
Dümichen besonders Myrrhe und Weihrauch textuell nachzuweisen ver-
mocht, doch wurde letzterer, so setzen wir hinzu, in der ältesten Zeit
nicht im Inlande gewonnen, sondern von den tributpflichtigen Puna zu
Schiffe eingefordert. Die Aufsicht des Tempellaboratoriums von Edfu er-
stattet Bericht von wohlriechenden Harzen.
XIII. Heilkunde, medizinische Droguen und Behandlung der Mu-
mien. Dieser Abschnitt bleibe dem Spezialberichterstatter über ältere
Medizin vorbehalten.
XIV. Pflanzenformen im Dienste der altägyptischen Kunst. Hier-
her gehören Holzsäulen mit Lotusblumen — Ornamentik, Säulenkapitäle,
zu deren Dekoration Lotus, Papyrus und Palmblätter dienen mufsten
(Philae, Luxor). Auch das Kunstgewerbe, vertreten durch Stockgriffe
und Parfümeriebüchschen, suchte die heimatlichen Pflanzengestalten
nachzubilden. —
Das Werk von Woenig bietet ein reiches Material in guter Ord-
nung dar. Ein Fachmann der Ägyptologie hat es allerdings nicht ver-
fafst, und so darf es nicht befremden, dafs nach dieser Seite hin ein-
zelne Verstöfse mit unterlaufen (vgl. Erman in der »ßerl. Phil. Wochen-
schrift«, 6. Jahrgang). Der Koruschnitt wurde z. ß. einmal mit dem
Fällen von Bäumen verwechselt. Störend ist auch die häufig mangel-
hafte Rechtschreibung der griechischen Wörter — Seite 237 ist Ein
Wort durch zwei Fehler entstellt — und der Gebrauch, ein und die-
selbe Zeichnung bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder vorzu-
führen. Dagegen hat die Botanik alle Ursache, für diese Gabe dankbar
zu sein, und dafs das Buch auch sprachwissenschaftlich seine Verdienste
habe, hob Abel in seiner Rezension desselben (Nation, dritter Jahrgang)
ausdrücklich hervor.
Inhaltliche Ähnlichkeit mit dem soeben besprochenen bietet das
nun folgende, das Altertum aber nur mehr bei Gelegenheit streifende
und deshalb auch von uns kürzer zu behandelnde Werk:
22) De Candolle, Der Ursprung der Kulturpflanzen, deutsch von
E. Goeze. Leipzig 1884. F. A. Brockhaus.
Es ist dies der 64. Band der von Tyndall und J. Rosenthal ins
Leben gerufenen »Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek«. Der
berühmte französische Pflanzenforscher nimmt seiner eigenen Erklärung
zufolge seine eigene Wissenschaft, ferner die Palaeontologie, die archäo-
logisch-historische Forschung, die Geschichte und die vergleichende
Sprachkunde zuhilfe, um über den Ort, von welchem ein Gewächs her-
stammt, Klarheit zu erhalten. Über die philologischen Kriterien denkt
jedoch der Verfasser wohl etwas zu leicht, wie seine zu weit gehende
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LU. (l887. ÜI.) 8
] 1 4 Naturwissenschaft
Polemik gegen V. Hehn beweist. Das Verfahren des Werkes bleibt sich
durchgehends gleich: jede Spezies wird mit grofser Gelehrsamkeit auf
ihren Ursprung geprüft. Wir können hier selbstverständlich nicht auf
Einzelheiten uns einlassen und bemerken nur in Kürze, dafs eine Ge-
schichte der antiken Botanik bei De Candolle eine Fülle von Belegstellen
für das Auftreten dieser oder jener Pflanze vorfinden würde; erinnert
sei z. B. an die Einführung des »Judeudorns« aus Syrien unter Kaiser
Augustus (Pliüius, lib. XV. cap. 14). Die Übersetzung liest sich gut.
Mit dem Ölbaum haben sich einige Schriftsteller näher beschäftigt :
23) A. Beding er, Der Ölbaum. Sammlung von Vorträgen, her-
ausgegeben durch den deutschen Verein zur Verbreitung gemeinnützi-
ger Kenntnisse in Prag, No. 113.
Der Ölbaum, dieser unvertilgbarste aller Bäume, ist in Palästina,
Griechenland und Italien gleich verbreitet. In Hellas erscheint er, sagen-
haft, erst in der nachhomerischen Zeit; bekannt ist die Anekdote von
dem Milesier Thaies, der eine gute Olivenernte aus physikalischen Grün-
den prognostiziert und dadurch viel Geld verdient haben soll. Nach
Athen scheint sich die Ölbaumkultur von Megara und Salamis aus über-
tragen zu haben. Italien, vorab das Sabinerland, war reich an Öl, und
von Massilia aus wurden Südgallien und Ligurien mit herrlich gedeihen-
den Oliven besiedelt Inselchen von Ölbäumen gedeihen auch an den
oberitalienischen Seen (der bekannte Hain von Torbole), während Theo-
phrast diese Pflanze noch als eine beschrieben hatte, welche nur am
Meeresufer sich wohlfühle. Die richtige Vorstellung vom echten, nicht
blos an ein graues Weidengebüsch erinnernden Olivenwalde erhält der
Reisende aber heutzutage erst auf Corsica oder Corfu, auf welch' letz-
term Eilande Bäume von 15 m Höhe keine Seltenheit sind, und wo es
mehr als 500 000 solcher Bäume geben soll. Vom Oktober ab pflegt
man dort die grüne Frucht zu sammeln, zu essen und einzumachen, ob-
scLou sie ihre volle Reife erst im Dezember erlangt; die Ölmühlen sind
heute meist noch ebenso einfach, wie sie uns die pompejanischen Bilder
vor Augen stellen. Die Olive dient in der verschiedensten Zubereitung
als wichtigstes Volksnahruugsmittel, auch in der Arzneikunde wird sie
viel angewendet, und die Technik weifs dem Ölbaum, dessen Holz der
Drechsler schätzt, alle möglichen brauchbaren Seiten abzugewinnen. Man
unterscheidet den »wilden« und den »kultivierten« Ölbaum; ersterer
(Oleaster) hat seine nördlichste Grenze im tirolischen Sarcathale er-
reicht. Der wohlriechende Ölbaum (Olea flagrans) ist in China und Japan
heimisch. Eine Aphide ist, indem sie Löcher in den Splint bohrt, der
gefährlichste Feind des Ölbaums, doch kommt dieses Insekt glücklicher-
weise liicht überall, in Attika nur seilen und in Südtirol gar nicht vor.
— Litterarische Nachweise wird niemand in dem harmlosen, anregend
geschriebeneu Büchlein suchen.
Naturwissenschaft. 115
24) O.Keller, Zur lateinischen und griechischen Sprachgeschichte.
Jahrbücher für Philologie und Pädagogik, 133. Band. S. 697—708.
Von den verschiedenen Aufsätzchen, in welche diese Abhandlung
zerfällt, berührt uns nur ein einziges, nämlich dasjenige, welches von
der Bedeutung des Wortes iiopiac handelt. Dies sind bekanntlich die
»heiligen Ölbäume« Attikas, allein woher diese Bezeichnung kam, war
bis zur Stunde nicht aufgeklärt. Keller zieht die Worte fiopa (Abtei-
lung), [xopäZetv (abteilen) bei und erklärt so die p.optac als »die vom
Staate an die einzelnen Grundbesitzer ausgeteilten Ölbäume«. Bekannt-
lich dachte man im athenischen Staate von der Olivenkultur so hoch,
dafs man um ihretwillen sogar einer sozialistischen Auffassung Raum
gab und das Recht der freien Verfügung über Grund und Boden teil-
weise suspendierte.
Freunde der Geschichte der botanischen Terminologie werden nicht
ohne Gewinn Einsicht nehmen von der folgenden Schrift:
25) Petzold, Die Bedeutung des Griechischen für das Verständ-
nis der Pflanzennamen. Braunschweig 1886. Programm.
Ein Hauptzweck des an einer lateinischen Realschule wirkendeu
Verfassers ist die Fü hrung des Nachweises, dafs die Nomenklatur der
Naturwissenschaften von dem Schüler auch ohne tiefere Kenntnis der
klassischen Sprachen leicht verstanden werden kann. Wir lassen diesen
Punkt, den wir übrigens in der Hauptsache ebenso wie der Verfasser
beurteilen, an diesem Orte beiseite und halten uns einzig an das Sach-
liche. Besprochen wird nur derjenige Stammstoff, der sich in Garckes
»Flora von Deutschland« (Berlin 1882) vorfindet, und dieser Stoff wird
in zwölf Gruppen abgeteilt. Dann ergiebt sich nachfolgendes: 1,4 ^/o der
Pflanzennamen sind noch nicht erklärte oder aus entlegeneren Idiomen ab-
geleitete Wörter; 1,5 •'/o schreiben sich von Eigennamen, 2,0^0 vom
Stammlande her; 2,1 "/<> beziehen sich auf Nahrungsmittel, 1,1 "/o auf
Verwendbarkeit für Haushaltungszwecke, 4,7 ^/o auf arzneiliche Wirkung,
1,7 7o sind Bezeichnungen allgemeiner Natur (Adoxa, Bryonia u. s. w.);
0,6^0 weisen auf die Jahreszeiten hin, 3,1^0 auf Bodenbeschaffenheit
und Standort; 19,8 Vo enthalten Vergleiche (Aster, Clinopodium u. s. w.);
26,1*^/0 sind Eigenschafts -Bezeichnungen (Polyspermum, Sphaerocarpus
u. s. w.); endlich bei 36 % ist die Deutung unsicher. Die Wiederholungen
einbegriffen, kommen in unserer modernen botanischen Kunstsprache 762
althellenische Ausdrücke vor, von welchen jedoch 170 dem gebildeten Nicht-
Griechen ebenfalls verständlich sind, und der Botaniker hat mit so viel
Gedächtnismaterial zu arbeiten, dafs es auf die wenigen Fremdwörter
kaum mehr ernstlich ankommen kann. Übrigens mufs man auch be-
denken, dafs manche unserer gegenwärtigen Pflanzennamen etwas ganz
anderes bedeuten, als was Theophrast, Dioscorides, Plinius darunter ver-
8»
116 Naturwissenschaft.
standen. Auffallend gering ist die Anzahl der heute noch als offizinell
geltenden Heilpflanzen aus dem reichen Arzneischatze der Alten, eigent-
lich sind es nur noch drei : Althaea, Archangelica und Rhamnus cathar-
ticus (letzteres erst von Alexander Trallianus eingeführt). Wirklich not-
wendig für den botauischen Tagesgebrauch sind nur 88 Namen, von
denen 18 auch dem blos lateinisch Könnenden bekannt sind, und für
die restierenden 70 Kunstwörter bedarf es nur der Kenntnis von 73
griechischen Vokabeln (45 Haupt-, 23 Eigenschafts- und 5 Zahlwörtern).
Wir können nunmehr zu den neueren Arbeiten über antikes Forst-
wesen übergehen.
26) Chloros, Forstwissenschaftliche Leistungen der Altgriechen.
Forstwissenschaftliches Zentralblatt. 1885. S. 15- 20.
Der Verfasser weist mit Recht darauf hin, dafs man wenigstens
in Athen einige Rücksicht auf staatliche Schonung der Baumbestände
nahm (s. 24). Die Priesterschaft schützte die heiligen Haine, ein atti-
sches Gesetz suchte der Forstverwüstung zu steuern. Theophrasts bota-
nische Bücher werden, wohl ein wenig kühn, direkt als »Forstenzyklo-
pädie« angesprochen. Freilich ward befriedigendes nicht erreicht; wie
schonungslos gerade die Griechen die Abholzung betrieben , wird z. B.
in dem trefflichen Werke von Neumann Partsch »Physikalische Geogra-
phie von Griechenland« (Breslau 1885) überzeugend dargethan. Schon
Plato klagte über »das Altern« der Berge.
27) A. Seidensticker, Waldgeschichte des Altertums; ein Hand-
buch für akademische Vorlesungen. Frankfurt a d. 0. 1886. Trowitzsch
u. Sohn. 1. Band. Vor Cäsar. 2. Band. Nach Cäsar.
Dieses stattliche Werk greift seine Aufgabe in sehr grofsem Stile
an, und der Verfasser bringt auch für dieselbe eine gründliche Belesen-
heit in den alten Schriftstellern mit. Was dagegen sein Vorhaben eini-
germafsen beeinträchtigt, das ist das etwas pedantische Schema, nach
welchem er arbeitet; er verfährt gerade so, als sollte er ein modernes
Handbuch der Forstkunde liefern, stellt die einem solchen entsprechen-
den Kapitel und Paragraphen mit den passenden Titeln hin und mufs
dann nicht selten einräumen, dafs zu dem Titel der Inhalt fehle, weil
der gerade behandelte Gegenstand der antiken Welt ganz und gar
fehlte. Auch die Einteilung in zwei Bände ist nicht von Vorteil, weil
durch dieselbe mehrfach Reproduktionen bedingt erscheinen.
Zunächst werden die Quellen aufgezählt, aus denen die Darstel-
lung schöpfen konnte. Der Verfasser lobt (s. 26) auch seinerseits den
Theophrast, weil er die Lehre vom Standorte der Pflanzen, die Holztech-
nologie und Holznutzung gehörig berücksichtigt habe. Stets mit Rück-
sicht auf in grofser Anzahl beigebrachte Belegstellen schildert er uns,
was das Altertum von den Wurzeln der Bäume, von Stamm, Krone und
Naturwissenschaft. 117
Rinde, von Nadeln und Blättern, Früchten und krankhaften Auswüchsen,
Holz und Mark wufste oder doch zu wissen glaubte. Das Wachstum
der Stämme ward eben auch von Theophrast zuerst genauer studiert.
Die deskriptiven Versuche waren unerheblich. Nun folgt eine anschei-
nend sehr vollständige Liste griechischer Baumnamen nebst Angaben
über die Fundorte der Waldpflanzen Bei dem Aschnitte über die Kul-
tur ausländischer Gewächse hätteu wohl die Untersuchungen Hehns mehr
Berücksichtigung finden sollen, dessen Buch erst im zweiten Bande,
und auch da nur sporadisch zitiert wird. Es wird hierauf die Frage
aufgeworfen und besprochen, wie sich die einzelnen Pflanzen gegen Bo-
den und Klima verhielten, worüber Theophrast manch gute Erfahrung
gesammelt hat. Der Verfasser unterzieht sich anerkennenswerter Weise
der Mühe, die Verbreitung der Wälder durch das ganze der alten Welt
bekannt gewesene Ländergebiet hindurch zu verfolgen und zugleich die
verschiedenen Bezeichnungen, welche die Alten für einen mit Bäumen
bestandenen Platz hatten, auf ihre forstliche Bedeutung zu prüfen. Inter-
essant, aber natürlich nicht strenge durchführbar ist der Versuch, das
Waldland nach den »Eigentumsverhältnissen« einzuteilen. Die Alten
hatten öffentliche , als Grenzschutz angepflanzte und deshalb auch vor
Holzschlag sorgsam bewahrte Forste, wie dies Alexander bei seinem
asiatischen Zuge mehrmals zu erfahren bekam, es gab ferner in grofser
Anzahl, bei Heiden und Juden, heilige Haine, und dafs ein Teil der
italischen Gebirgswaldung Staatseigentum gewesen, v.ird von Livius aus-
drücklich bezeugt. Nicht minder besafsen weltliche und geistliche Kor-
porationen Privateigentum an Wald, und die Fürsten des Orients hielten
etwas auf ihre kolossalen Jagdparks. Das Jagdrecht im allgemeinen
war ein uneingeschränktes, soweit nicht religiöse Rücksichten Einhalt
thaten, doch unterschied man schon im alten Rom zwischen Berufsjägern
(venatores) und Dilettanten (Sonntagsjägern, venantes). Erstere besafsen
ebenso wie ihre modernen Nachfolger eine eigene technische Sprache.
Über das Fangen von Vögeln mit der Leimrute wäre wohl etwas mehr
zu sagen gewesen (s. 34). An Jagdtieren war kein Mangel; der Ver-
fasser läfst sich die Mühe nicht verdriefsen, dieselben insgesamt aufzu-
zählen. Danach fährt er fort in seiner Charakteristik der Jagdverhält-
nisse, stellt fest (s. 0.), dafs der Begriff der »Lehnswälder« dem Alter-
tum gänzlich gemangelt habe, und stellt diesem Defekt das Vorhanden-
sein um so gröfserer »Gutsvvaldungen« gegenüber. Rechte zweiter auf
einen in anderem Besitze befindlichen Forst waren fast unbekannt. Die
Römer der Republik verstanden sich nicht auf eine geordnete Wald-
wirtschaft, hatten infolge dessen auch keine Forstbeamten, wogegen die
Orientalen wenigstens in einzelnen Fällen ein richtiges Gefühl für die
Wichtigkeit des ßaumschutzes an den tag legten. Von den Athenern
wird nicht gesprochen, und doch hätten sie (s. 26) einige Anerkennung
ihres Strebens verdient. Dafs nicht alle Teile des Jahres für die Holz-
118 Naturwissenschaft.
nutzuDg gleich geeignet seien, hatte bereits der umsichtige Hesiod be-
merkt; allmählich lernte man auch manche physikalische Verschieden-
heiten des gefällten Holzes hinsichtlich der Härte, der Spaltbarkeit
U.S.W, kennen und nutzbar machen. Unsere Vorlage erzählt ausführ-
lich, wie die Alten das Holz zum Haus- und Schiffbau verwendeten, das
Schneiden der Balken aus dem Rundholz nach festen Regeln vornahmen,
Brennholz besorgten und die Geschäfte des Kohlenbrenners betrieben.
Die Verwertung der Baumfrüchte und Baumsäfte war eine ziemlich ra-
tionelle, den Baumschwamm scheint man nicht beachtet zu haben. End-
lich wird auch noch der Weide, des Viehtriebes und der Streuhebung ge-
dacht, auf welch letztere der ältere Cato ein scharfes Auge hatte. Die
»forstliche Statik« lag im argen, viele Komplexe waren völlig betrieblos,
also »Urwald«, doch hatten die Römer auch ihre arbusta, welche sie im
»Quincunx« anpflanzten, und einzelne regelrecht angelegte Saftwaldungen.
Für das Schneiden, Abästen und Schlagen der Bäume hatten sich all-
mählich Erfahrungsgrundsätze ausgebildet; zahme Bäume standen in
sorgfältig gehüteten Gärten, die Schöfslinge wurden zu bestimmten
Zeiten und in bestimmter gegenseitiger Entfernung eingesetzt, und bei
letzterer Thätigkeit band man sich sogar an geometrische Vorschriften.
»Quincunx« bedeutet im allgemeinen ein gleichmaschiges, lückenloses
Netz von gleichschenkligen Dreiecken, in deren Endpunkte die Wurzel-
stöcke kamen. Bei den Hebräern wurde, wie wohl hätte erwähnt werden
sollen, bei der Anlage von Wein- und Gemüsegärten mit noch mehr
geometrischer Feinheit zu werke gegangen. Eine Tabelle antiker Längen-
und Flächenmafse beschliefst den ersten Band.
Der zweite Band beginnt mit einem Litteratur -Katalog, der jedoch
nicht ganz vollständig ist. So fehlt insonderheit der berühmte Jagd-
schriftsteller Oppianus; später wird er allerdings einige male vom Ver-
fasser zitiert, allein merkwürdigerweise — und gegen die sonstige sehr
achtbare Gepflogenheit des Buches — ohne nähere Angabe der Stellen
(so z. B. S. 193 und 194). Auch das über die Autoren der »Geoponica«
Gesagte bedarf nach Gemolls neueren Untersuchungen (s. 28) mancher
Modifikation. Wie erwähnt, stimmt die Anlage beider Teile des Seiden-
stickerschen Werkes in allen Teilen überein , so dafs jetzt die Hervor-
hebung einzelner besonders bemerkenswerter Punkte genügt. Mit den
anatomischen und physiologischen Grundgesetzen der Pflanzenstruktur
wufste, wie wir erfahren, die nachcäsarische Periode weit besser bescheid
als die vorcäsarische, die Terminologie hat sich entschieden vervoll-
kommnet, und auch klimatologische Fragen wufste man richtiger aufzu-
fassen. Die Eigenart des britannischen Küstenklimas hat übrigens am
schärfsten der Apologet Minucius Felix erkannt. Wie ungleich schärfer
man die Bedingungen für den Anbau berücksichtigte, erhellt u. a. daraus,
dafs in der spätem lateinischen Sprache nicht weniger als 35 besondere
Namen für Waldarten vorkommen, welche mit einer einzigen Bauragat-
Naturwissenschaft. 119
tUDg besetzt waren. Nach langer und nicht recht motivierter Abschwei-
fung auf die Geschicke des Christentums in seinem Jugendalter (S. 163ff.)
kommt der Autor wieder auf den »Gemeindewald« zu sprechen, welchen
einzelne italische Städte besafsen und auch auszubeuten gelernt hatten.
Das Verzeichnis der jagdbaren und gejagten Tiere ist jetzt ein weit
reichhaltigeres geworden. Unter den oströmischen Kaisern begegnet uns
zuerst die früher unbekannte »Bauernholzung«. Den feindlichen Natur-
ereignissen stand man jetzt minder gleichgiltig denn zuvor gegenüber;
so handelt Plinius in seinem 16. Buche ausführlicher die Krankheiten der
Bäume ab. Auch wird die Holznutzung eine immer verzweigtere, na-
mentlich nahm die Pechgewinnung viele Hände in anspruch. Die Ziegen
(S. 359) spielten dem Walde gegenüber auch eine vom Verfasser nicht
genugsam betonte Rolle, sie waren die Waldverwüster xar k^o^ijv, wie sie
es heute noch auf den Alpenmatten sind, und als solche schon von der
alten attischen Komödie anerkannt. Der Sinn des Wortes macchia
(S. 377) wird hier zu enge gefafst; man vergleiche die lebendige Schil-
derung der »Macquis« bei Neuraann-Partsch (S. 214ff.). Die römische
Gesetzgebung zog auch den Wald in ihr Bereich, behandelte Nachhal-
tigkeit im Betriebe, Stockausschlag, Auspflanzung und Wiederaufforstung,
und so konnten unter obrigkeitlichem Schutze auch fixe Regeln der Hau-
barkeit und ein System der rationellen Waldverbesserung {oevdpovo/xcx^
aoffta) sich ausbilden. Pflanzschulen waren zu Coluraellas Zeit nichts sel-
tenes mehr, wie denn dieser Agronom selbst ganz eingehend eine von
ihm selber begründete »Ulmenschule« beschreibt und Theorien der Baum-
veredlung erörtert. Zum Schlüsse werden die Ursachen erwogen, welche
Waldentblöfsungen und Waldvermehrungen hervorriefen. Wir können,
wie erwähnt, das fleifsige Werk als Repertorium für jeden, den der an-
tike Wald interessiert, nur empfehlen. Anhangsweise wollen wir aber
noch bemerken, dafs die Angaben über römische Feldmefskunst in ein-
zelnen Punkten der Berichtigung bedürfen; die Agrimensoreu operierten
nur mit ihrer »Groma« und sicherlich niemals mit dem Mefstisch, der
vielmehr erst gegen das Ende des XVI. Jahrhunderts von dem Altdorfer
Mathematiker Johannes Praetorius erfunden wurde.
Von der Forstkultur ist nur ein Schritt zur Landwirtschaft, mit
welcher sich zwei der in unser Gebiet fallenden Schriften beschäftigen.
28) Gern oll, Untersuchungen über die Quellen, den Verfasser
und die Abfassungszeit der Geoponica. Berlin 1883. Calvary.
Das eigentlich philologische Element mufs hier natürlich aufser
acht bleiben. Die Monographie zerfällt in drei Hauptabschnitte, welche
mit A, B, C bezeichnet werden, und von denen A wieder in vier Unter-
abteilungen zerfällt.
A. I. Es wird gezeigt, dafs manches, was der Sammler selbst aus
1 20 Naturwissenschaft.
eigenem hinzugethan haben will, in Wahrheit entlehnt ist, und zwar aus
Dioscorides, Georgius Pachymeres u. a. Autoren.
A. II. Gelegentlich wird im Zusammenhange hingewiesen auf Ascle-
pius, Homer, Hesiod, Nestor (?), Juba, Pseudo-Orpbeus, den E. Meyers
»Geschichte der Botanik« (I, S. 269ff.) in die Zeit des Ptolemaeus Phi-
ladelphus versetzt, Plato, Philostratus, Plutarch, Theophrast.
A. III. Direkt in den Kapitelüberschriften, nicht aber im Prooe-
mium werden als Quellenschriftsteller namhaft gemacht Aphyrtus, dessen
Tierheilkunde der Kompilator der »Geoponica« übrigens nicht im Origi-
nale vor sich gehabt haben kann, Aratus, von dem auch weniger die
Urschrift als die Scholiensamralung benutzt sein kann, Aristoteles (je-
doch nicht die »Georgica«, wie Val. Rose annahm), Cassianus, von dem
später mehr gesagt wird, Dionysius, den der Sammler wieder nicht di-
rekt, sondern nur aus Varro kannte, Hierocles (ein anscheinend ge-
fälschter Name), Hippocrales, der nach Anatolius zitiert wird, Oppian,
Pelagonius, Ptolemaeus, Pythagoras, wobei möglicherweise an das spät-
pythagoreische Buch »De herbarum effectu« zu denken wäre, Theom-
nestus, für den wiederum Anatolius die Mittelsperson abgegeben haben
mag, endlich Xenophon.
A. IV. Als unmittelbare Quellen führt die Vorrede auf den Afri-
canus, Verfasser der »Kesten«, die in der That mehrfach mit den »Geo-
ponica« übereinstimmen, den Anatolius, Berytius, wohl mit dem vorigen
identisch, den Appulejus, den der Kompilator sicherlich erst aus zweiter
oder dritter Hand kennt, den Democrit, bezüglich dessen jedoch E Meyers
Aussage aufrecht erhalten bleibt, dafs keine Stelle des Werkes recht
democritisch, alles vielmehr nur aus Anatolius herübergenommen sei.
Es reihen sich ferner an Didymus, den der Byzantiner zwar kennt, aber
auch an falschen Stellen nennt, Diophaues, zu dem er im gleichen Ver-
hältnisse steht, Florentinus, dessen Bekanntschaft abermals nur dem Ana-
tolius zu danken ist, Fronto, ein ganz unterschobener Autor, Leontinus,
den Anatolius richtiger Leo nennt, Pamphilus, Paramus, dessen »Geor-
gica« in der »Geoponica« eine bestenfalls spärliche Verwertung gefunden
haben können, die Quintilier, die sicherlich nicht all' das wirklich behauptet
haben, was die Geoponici ihnen zuschreiben, Sotion, dem ein wahrschein-
lich niemals geschriebenes landwirtschaftliches Werk beigelegt wird, Ta-
rentinus, aus dem das abgeschrieben scheint, was angeblich von Julius
Sextus Africanus herrührt, Varro, einer der wenigen wirklich — wenn-
schon mit Unterschiebungen — benützten Autoren, schliefslich Pseudo-
Zoroaster, eine Erfindung des Anatolius. Der Kompilator liefs sich nach
diesen Ermittelungen wesentlich nur von dem »corpus georgicum« des
Anatolius leiten, dessen auch Photius gedenkt, und welches einer an-
nähernden Rekonstruktion fähig zu sein scheint. Anatolius hat die mei-
sten der QuellenschriftsteUer, welche sein Nachtreter unberechtigter-
Naturwissenschaft. 121
weise als seine Vorlagen hinstellt, wirklich gekannt. Original war nur
der »Arbeitsplan« der »Geoponica«, wie im einzelnen nachgewiesen wird.
B. Als Autor des Sammelwerkes ist Cassianus Bassus Scholasticus
(s. 0.) anzusehen; den für diese Hypothese in Niclas' Ausgabe von 1781
enthaltenen Beweisen lassen sich weitere zur seite stellen. Dagegen ist
die bithynische Herkunft des Cassianus nichts weniger als erwiesen, ja
selbst das steht nicht einmal fest, dafs die Arbeit in Konstantinopel aus-
geführt wurde.
C. Die angeblichen arabischen Zitate bei Rasi, Ibn-Al-Awam,
Baithär und Serapion beziehen sich nicht auf die »Geoponica«, sondern
auf ein anderes agronomisches Werk, welches um 900 nach Chr. ein ge-
wisser Castus zusammenschrieb. Dagegen scheint Hedjadj, der 150 Jahre
nach Rasi auftrat, den Cassianus wirklich als Autor der »Geoponica«
zu kennen, und zwischen diese beiden Araber, ins Jahr lOOO ungefähr,
dürfte die Zeit des Entstehens unserer Kompilation fallen.
Gemolls Schrift kann als Muster einer vorsichtigen, tief eindrin-
genden und alle Nebenumstände berücksichtigenden quellenkritischen
Untersuchung gelten. Umso weniger augenehm berührt die herbe Kritik
E. Meyers (vornämlich S. 263), auf dessen Schultern doch alle Forschung
über Pflanzenkunde und Pflanzenbau bei den späteren Griechen steht,
und dem der Verfasser ja selbst an anderen Orten die gebührende An-
erkennung nicht vorenthalten kann.
29) A.Kohl, Abhandlung über italischen Wein mit Bezugnahme
auf Horatius. Straubing 1884. Programm.
Es werden vom Verfasser alle Stellen in den horazischen Gedich-
ten aufgesucht und aufgezählt, in welchen Bacchus eine Rolle spielt.
Daran reiht sich eine kurze Geschichte des altitalischen Weinbaus, der
lange Zeit ein sehr bescheidenes Dasein führte, denn erst seit 121 vor
Chr. (unter dem Konsul Opimius) wufste sich bei den Römern der ein-
heimische Wein neben dem aus der Fremde eingeführten Beachtung zu
verschaffen. Speziell schildert der Verfasser von Weiusorten den Cae-
cuber, Falerner, Albaner, Surrentiner, Massicer, Sinuessaner, Calener,
Formianer, Sejenter und den mareotischeu Wein, dessen Reben man
aus Uuteiägypten (s 21) auf italischen Boden verpflanzt hatte. Nach-
her verbreitet sich die Abhandlung über die Anlage der Weinpflanzun-
gen, über die Aufbewahrung und Behandlung feiner Marken, über das
Keltern der Trauben, über die besonders durch die Schriften des Palla-
dius klargelegte Einrichtung der Keller, über die Zusätze des Weines,
über Abziehen , Etikettieren und Flaschenverschlufs und über die ver-
schiedenen Arten der Weingefäfse, die Schläuche mit inbegriffen. Den
Schlufs bildet die Interpretation von Hör. Sat. H, 2, 123: Statt »culpa«
soll »cupa« — so heifst im »Gastmahl des Trimalchio« der von der
Decke herabhängende Reif — gelesen werden. Nicht übel erscheint die
1 22 Naturwissenschaft.
Übersetzung von »flos candidus« (Plinius, lib. XIV, cap. 21) mit »Feder-
weifser«.
Da, wo von den Versetzungen des Weines mit anderen Stoffen die
Rede ist, hat die Darstellung eine Lücke. Es wird nämlich nur der
Beimischung von Meerwasser Erwähnung gethan, häufiger war aber
wohl noch ein Zusatz von Gips, denn Dioscorides (lib. V, cap. 9) glaubt
vor den schlimmen Folgen des Genusses gegipster Weine für die Ge-
sundheit gar nicht eindringlich genug warnen zu können. —
Der nächste Gegenstand , welcher uns beschäftigt, ist allerdings
nicht der antiken Naturwissenschaft entnommen, wohl aber handelt es
sich um eine naturwissenschaftliche Frage, deren Klärung erstlich in
archäologischer Beziehung nicht unwichtig ist, und zu deren Klärung
zweitens die Argumente grofsenteils dem Altertum entlehnt werden müssen.
30) P. R. Hochegger, Die geschichtliche Entwicklung des Far-
bensinnes. Eine psychologische Studie zur Entwicklungsgeschichte
der Menschen. Innsbruck 1884. Wagner.
Bekanntlich erschien vor wenigen Jahren erst eine analog betitelte
Schrift aus der Feder des bekannten Philosophen Marty, mit deren Ten-
denz Hochegger, wie er selbst angibt, durchaus übereinstimmt. Den
Beginn der vorliegenden Schrift macht eine geschichtliche Skizze, wel-
che mit peinlicher Vollständigkeit die Stimmen für und wider die Hy-
pothese aufführt, dafs menschlicher Farbensinn eine Entwicklungsge-
schichte aufzuweisen habe, darunter gehört auch manches minder be-
kannte. Neu war dem Referenten z. B. die Angabe, dafs J. La Roche
in Linz die Gladstone-Magnus'sche Hypothese auch für die älteren Lyri-
ker und für die Elegiker der klassischen Zeit als giltig nachzuweisen
versucht habe.
Die theoretische Erörterung nimmt ihren Ausgang von einer schar-
fen Definition des Wortes »Farbensinn«, da, wie nicht mit Unrecht be-
merkt wird, der gewöhnliche Sprachgebrauch zwischen Farbenempfin-
dungsvermögen, Farbengefühl und Farbenunterscheidungsvermögen viel
zu wenig scharf zu scheiden pflege. Mit Wundt erblickt der Verfasser
in der Empfindung ein einfaches , in der Vorstellung ein zusammenge-
setztes Etwas, zu welch letzterm die Empfindungen die Elemente lie-
fern. Wahrnehmung und Vorstellung setzeu das Sinuengedächtnis und
die Assoziationsfähigkeit voraus. Somit ist auch die Empfindung der
Farben, als ein mechanischer Reizungsakt, und das Farbengefühl, das
schon auf einem ziemlich komplizierten psychischen Prozesse beruht,
keineswegs einunddasselbe. Das Farbenunterscheidungsvermögen end-
lich fällt dem Urteile zu und steht deshalb auf einer noch höhern Stufe.
Die Frage nach einer »Geschichte des Farbensinnes« zu stellen, hält der
Verfasser für erlaubt, nur genüge — und darin wird ihm jedermann
beipflichten, - die Sprachvergleichung an sich noch nicht zur Lösung.
Naturwissenschaft. 123
Gleichwohl wird vorläufig auch auf die linguistische Beweisführung
eingegangen. Die homerische Farbenterminologie wird, hauptsächlich
nach La Roche und Lorz, durchmustert, und es ergibt sich, dafs Homer
bestimmte Bezeichnungen blos für Rot, Schwarz und Weifs besafs, wäh-
rend alle übrigen Farbennamen ausschliefslich Nuancen bedeuten. In der
That scheinen sich die alten Dichter — vorab auch Pindar und Theocrit
— mehr von Abstufungen des Lichteffektes als von wirklich koloristi-
schen Verschiedenheiten haben leiten zu lassen. Langweilige Farben sind
im Sprachschatze der ludogermanen früher zur lautlichen Fixierung ge-
langt als kurzwellige. Doch habe, das unternimmt der Verf. zu beweisen,
die Menschheit niemals unter allgemeiner Farbenblindheit oder Farbenla-
tenz gelitten. Ägyptische, etruskische, assyrische, altgriechische Denkmäler
lassen häufig blaue Pigmentierung erkennen, und wenn Plinius (lib. XXXV,
cap. 7) es als eine Eigentümlichkeit der griechischen Künstler hervorhebe,
dafs sie mit sehr wenig Farben auszukommen vermocht hätten, so sei das
nur geschehen, um zu zeigen, dafs sich auch mit geringen Mitteln grofses
erreichen lasse. Um solche scheinbare Anomalien zu erklären, brauche
man nicht an eine Änderung der Farbenempfindung, sondern lediglich
an eine solche des Farbengefühls zu denken. Allein damit macht der
Verf. unwillkürlich den Anhängern der Entwicklungs-Hypothese eine ge-
wisse Konzession; das Gefühl ist eben durch fortgesetzte Übung ein ak-
tiveres geworden. Hochegger gibt dies allerdings nicht zu, vielmehr er-
klären sich ihm zufolge die nicht zu leugnenden Sonderbarkeiten des
altgriechischen Sprachgebrauches 1. durch die Planlosigkeit der Sprach-
bildung , 2. aus der Unkenntnis des natürlichen Farbensystemes , 3. aus
unserer unzureichenden Kenntnis der antiken Farbennomeuklatur. Letz-
tere habe gleichen Schritt gehalten mit der Ausbildung der Maltechnik.
Allerdings habe, dies wird eingeräumt, die Charakterisierung eines Ob-
jektes durch seine Farbe für Homer nur einen untergeordneten Wert,
jedoch nur deshalb, weil ihm andere und bessere Hilfsmittel der Kenn-
zeichnung zu geböte stünden. Ein Hauptgrund für erwähnten Mangel
wird auch darin gesucht, dafs der Dichter die Natur rein naiv betrachtet,
während wir dies angeblich vom sentimentalen Standpunkte aus zu thun
gewohnt sind. Hochegger polemisiert gegen die Deutung, welche Glad-
stone und Magnus der unvollkommenen homerischen Aufi"assung des Regen-
bogens geben; unserer Ansicht nach hat er dabei vergessen, dafs auch
Aristoteles, der Rationalist reinsten Wassers, den Regenbogen nur als
»vierfarbig« beschreibt. Diese Übereinstimmung zweier Autoren, die
unter so ganz abweichenden Umständen lebten und schrieben, gäbe doch
zu denken.
Die Betrachtung geht nunmehr auf das psychophysische Gebiet
über. Wenn man im Sinne der Deszendenzlehre das ganze organische
Leben als eine aufsteigende Reihe ansieht, so kann man sich eine Weiter-
bildung entweder als von einer »quantitativ höheren Leistung« hervor-
1 24 Naturwissenschaft.
gerufen oder auch als eine »qualitativ verschiedene Funktion« des Em-
pfindungsvermögens vorstellen. Nach Darwin wäre die Farbenempfindung
ein früh erworbenes, resp. ererbtes Gemeingut des Menschen und seiner
tierischen »Anverwandten«. Sehr viele Versuche sind zur Konstatierung
der Identität oder doch mindestens Analogie von menschlichem und tie-
rischem Farbensinn angestellt worden, welche der Verf. für beweiskräftig
hält, während Magnus, unsers Erachtens nicht ohne Grund, mancherlei
daran auszusetzen hat. Hochegger nimmt in der Hauptsache Partei für
den Amerikaner Grant Allen, dessen Experimente sich allerdings durch
ihre Vielseitigkeit auszeichnen. Weiterhin wendet sich ersterer zu den
von Magnus in Verbindung mit Pechuel-Loesche angeregten ethnologischen
Forschungen. Denselben ist zu entnehmen, dafs sich die Farbenempfin-
dung aller Völker ziemlich innerhalb derselben Grenzen bewegt, dafs
aber doch nicht selten — besonders klar hat dies Almquist bei uord-
sibirischen Stämmen nachgewiesen — eine gewisse Trägheit der Grün-
und Blauempfindung sich bemerklich macht. Die Vorwürfe des Verf.
gegen die bei der Anlage der Magnus'schen Fragebogen befolgte Me-
thode erscheinen uns nicht ganz gerechtfertigt, wenn auch sachlich viel-
leicht eine schärfere Detaillierung der Fragepunkte zu wünschen gewesen
wäre, denn wer den Freiwilligen der Wissenschaft, Missionären, Kolo-
nisten u. s. w. zu viel zumutet, wer von ihnen fordert, dafs sie auf der
einen Seite das Farbenempfindungsvermögen experimentell prüfen und
auf der andern das sprachliche Unterscheidungsvermögen gesondert unter-
suchen sollen, der erzielt vermutlich gar kein Ergebnis. S. 104, Z. 1
v. u. scheint sich ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen zu
haben. Unser Verf. ist der Überzeugung, dafs nur Mangel an Übung
in der Beurteilung, nicht aber organische Minderausbildung die Schuld
trage, wenn bei einzelnen Naturvölkern eine gewisse Reaktionslrägheit
zum Vorschein kommt; kann er es da den Anhängern einer andern Auf-
fassung verübeln, wenn sie diesen Mangel an Übung in ihrem Sinne sich
zurechtlegen? Hochegger nennt Blau und Grün »weniger reizende und
herausfordernde Farben« und glaubt, dafs damit schon das Übergewicht
von Rot und Gelb erklärt sei, allein damit ist nicht ausgeschlossen, dafs
diese Gegensätzlichkeit der Farben von kurzer und langer Wellenlänge
sich schon von allem Anfange an der menschlichen Netzhaut gegenüber
zur Geltung brachte. Seinen Schlufssatz formuliert der Verf. wie folgt
(S. 122): »Es ist überhaupt ein allgemeines psychisches Gesetz: Feinere
Reize werden erst durch dauernde Übung von einander geschieden, ebenso
nahestehende. Beispiele zur Erläuterung dieses Satzes lassen sich aus
allen Sinnesgebieten geben.« Wir erklären uns gerne einverstanden, be-
streiten aber, dafs man in Konsequenz dieses Faktums notwendig zu den
vom Verf. selbst gezogenen Schiufsfolgerungen kommen müsse. — Ein
»Nachtrag« bringt zahlreiche Zitate aus Büchern und Aufsätzen, welche
erst nach Fertigstellung seines Buches dem Autor bekannt geworden
Naturwissenschaft. IO5
waren; die Akribie mag bei dieser Zusammenfassung etwas gelitten
haben, so bei der nicht zutreffenden Charakteristik der Beziehungen, in
welchen Schreiber dieser Zeilen zu Magnus steht. Von entschiedenem
Werte sind die Mitteilungen über Grabers Versuche mit Tieren, ob-
gleich auch sie nicht absolut klar ersehen lassen, ob nicht Veränderun-
gen der Lichtintensität einen mächtigeren Einflufs auf den tierischen Orga-
nismus ausüben als Farbenveränderungen. — Anzuerkennen ist der ob-
jektive Geist, der die Schrift durchzieht, und das in den meisten Fällen
erkennbare Bestreben, auch dem Gegner Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen. Eine um so unerquicklichere Ausnahme macht die Randnote auf
Seite 80.
Mit den Tieren des Altertums beschäftigen sich — unter sehr ver-
schiedenen Gesichtspunkten — drei weitere Schriften.
31) A. V. Edlinger, Erklärung der Tiernamen aus allen Sprach-
gebieten. Landshut 1886. Ph. Krüll.
Hier werden 185 Namen sowohl von Tiergattungen als von Tier-
arten einer etymologischen Prüfung unterzogen; alle möglichen alten und
neuen Sprachen dienen der Vergleichung. Vieles ist gewifs philologisch,
nicht weniges auch naturhistorisch von Interesse, so die Ableitung des
griechischen za.(javopog (Rentier) von gotisch tarnjan, verborgen sein
(Tarnkappe). Es wird nämlich bei Plinius, Aelian und in der »Perie-
gesisa des Dionysius dem Ren eine Art von »Mimicry« zugeschrieben,
kraft deren es seine Hautfarbe nach Belieben der Farbe der Umgebung
anzupassen vermöge.
32) E. Kurtz, Tierbeobachtung und Tierliebhaberei der alten
Griechen. Leipzig. Aug. Neumann.
Homer widmet dem Hunde, dem Leithammel, der Taube, dem Rosse
eigene Verse und entnimmt seine Gleichnisse mit Vorliebe der Tierwelt.
Ajax wird dem Eber, Paris dem ausgeruhten Rosse verglichen, aber
auch den Vergleich mit dem hartnäckigen Esel mufs sich der erstge-
nannte gefallen lassen. Mit Liebe schildert Euripides den Lauf des Rehs,
und die Vögel, besonders die Wandervögel, erfreuen sich bei den atti-
schen Dichtern freundlicher Beachtung. Auch in den hellenischen Sprich-
wörtern kommen vielfach Anspielungen auf Tiere vor. Daran schliefst
sich eine kurze Charakterzeichnung derjenigen Tiere, welche im Haus-
halt des Menschen eine bevorzugte Stellung einnehmen. Pferd, Hund,
Hase — der vielfach, wie der moderne Lapin, eine Art von Kinderspiel-
zeug dargestellt zu haben scheint — , Hausgeflügel, wozu stellenweise
auch Kranich und Wachtel gehörten, gehören in diese Kategorie, weniger
die Katze, deren Stellung als offizielle Mäusevertilgerin im alten Grie-
chenland das Wiesel einnahm. Den Hahn schätzte man der Hahnen-
kämpfe wegen; rhodische und tanagrische Exemplare galten für die streit-
] 26 Naturwissenschaft.
barsten. Auch von den Cicaden ist öfters die Rede (pompejanisches
Mosaik). Gute Behandlung der Tiere war für edlere Naturen selbst-
verständlich, wenigstens bei den Griechen, denn der Römer brachte den
Tieren vorzugsweise ein mehr praktisches — oft nur gastronomisches —
Interesse entgegen.
M. C. P. Schmidt macht in seiner Anzeige vorliegender Schrift
(Wochenschr. f. klass. Philologie, 3. Jahrgang) die treffende Bemerkung,
dafs für das Vorhandensein von wirklichem »Naturgefühl« bei den Alten
sich unter Umständen bei prosaischen Schriftstellern mehr lernen lasse
als bei poetischen. Als Belege werden Pausanias und Curtius angeführt.
33) B. Loren tz, Die Taube im Altertum. Würzen 1886. Pro-
gramm.
I. Die Taube im allgemeinen. Solange das Epos die griechische
Litteratur beherrscht, begegnet uns nur das einzige Wort TziXsia, und
erst bei den dramatischen Dichtern kommen auch andere Taubenbezeich-
nungen hinzu, bei Aeschylus ^a^j bei Aristophanes rpuycüv, bei Sophokles
mpiazepd. Aristoteles endlich kennt noch <pdrza und olvd:^. Die Natur-
geschichte der Tauben war nur wenig erforscht; man stritt darüber, ob
ihnen auch wie andern Tieren Galle und Milz zukamen, und nur über
die Begattung, das Legen und Brüten hatte man genauere Beobachtun-
gen, wenngleich auch da, man denke nur an die bekannten »Windeier«,
Märchen mit unterliefen. Am meisten befafste man sich begreiflicher-
weise mit der r.epiazspd, der coluraba domestica. Die aristotelische (pdrra
ist wohl identisch mit (fdip und unterscheidet sich nicht von unserer Rin-
geltaube, palumbus. olvdg wird mit Hohltaube (unsere gröfste Taubenart)
identifiziert; die neXztdg, dunkelfarbig und mit rauhen Füfsen, ist schwerer
zu bestimmen und war anscheinend eine spezifisch griechische Spielart
der Felsentaube, rpayiuv ist zweifelsohne die Turteltaube, turtur, und
nuppaXcg , nach Aristoteles der Turteltaube feindlich gesinnt, dürfte die
indische Papageitaube gewesen sein. — Allgemein sah man in der Taube
den Typus des Flüchtigen und Furchtsamen, des Reinen und Keuschen,
der Sanftmut und Unschuld, doch werden diese Vögel manchmal auch
als unbesonnen und eitel geschildert. Die Taubenzucht lernten die Grie-
chen von den Semiten, doch war der Taubenschlag, neptazepeJjv , schon
in sehr alter Zeit bekannt. Wie das Taubenhaus später aussah, ist den
Nachrichten der Geoponiker zu entnehmen; es war häufig sehr grofs und
in Einem Schlage befanden sich zu Varros Zeit bis zu 500 Stück. Etwas
anders war der Gewahrsam für die nicht im Hause nistenden Ringel-
und Turteltauben eingerichtet, denn diese waren minder leicht zu er-
langen, und es wurde sogar die Taubenfängerei an einzelnen Orten,
z.B. in Sparta, von gewissen Leuten {olvado&r^pai) gewerbsmäfsig be-
trieben. In der Medizin wurden alle möglichen Teile der Taube als
Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten angewandt. Auch Brieftauben
Naturwissenschaft. 127
gab es ; Aeliaü, Atheoaeus und Plinius berichten von deren Leistungen,
und im mutinensischeu Kriege organisierte selbst der Konsul Hirtius
deren Dienst militärisch. Im Sprichworte spielt die Taube keine ganz
untergeordnete Rolle, und auch die Kunst nahm von ihr Notiz, so bei
Nestors Becher (Ilias XI, 632) und in einer musivischen Arbeit des Per-
gameners Sosus (Pliuius, lib. XXXVI, cap. 25).
II. Die Taube als heiliges Tier. Ausgezeichnet wurden die paphi-
schen und dodoneischen Tauben, letztere als Symbol des wolkensarameln-
den und re^^enspendenden Zeus (auf grund meteorologischer Indizien).
Auch sonst hat dieses Tier im Mythus, sogar im germanischen, eine
eigenartige Stellung, sie war der Unglücksvogel, bei den Goten im be-
sondern der Leichenvogel.
Auch eine kleine aber beachtenswerte Note zum Jagdwesen ist
namhaft zu machen:
34) 0. Crusius, ISETTIKA. Hermes. 2 L Band. S. 487— 490.
Unter den verschiedenen Verfahrungsweisen, den Tieren nachzu-
stellen, nahm der Fang mit Leimruten einen bevorzugten Platz ein; teilte
doch Oppian sein Jagdwerk in die drei Teile xavT^yerixa, aheortxd und
c^su-exä, wovon gerade der letzte verloren gegangen ist. Im 19. Bande
obengenannter Zeitschrift gab nun Zacher einige Aufschlüsse über dies
Verfahren, indem er sich auf die Darstellungen verschiedener geschnit-
tener Steine bezog. Genaueres läfst sich nach Crusius noch aus gewissen
antiken Thonlampen ersehen, über welche 0. Jahn, Birch, C R. Smith
und Wieseler geschrieben haben. Jahn zumal hat in den Stäben, welche
der beutelüsterne Fuchs emporhält, Leimruten erkannt; sie bestanden,
was neu und wichtig ist, aus verschiedenen, zusammengesteckten, hohlen
Röhren, so dafs nur das Ende des obersten Rohres mit Leim bestrichen
zu sein brauchte. Einige schwer verständliche Gedichte der »Anthologie«
lassen nunmehr eine ganz einfache Interpretation zu.
Technik nnd Handel stehen auf unserm Repertoire, wie viel mehr
also die Nautik, welche einerseits eine hoch entwickelte Technik, ande-
rerseits die Grundlage des Welthandels darstellt! Hier liegt nun ein
Buch vor, welches den Namen »Standard work« in ungwöhnlich hohem
Mafse verdienen möchte.
35) A. B reusing. Die Nautik der Alten. Bremen 1886. C. Schüne-
mann.
Einer kurzen Einleitung, in welcher der Verf. den Widersinn der
Annahme, dafs eine ganze Reihe von Ruderbänken, eine über der an-
deren, angebracht gewesen sei, aus physikalischen Gründen (Gesetze der
Pendelbewegung) demonstriert, folgen neun Kapitel.
L Schiffahrt und Steuermanuskunst. Die älteste Schiffahrt war
mit Ausschliefslichkeit Küstenschiffahrt, für welche es einer Steuermanns-
1 28 Naturwissenschaft.
kunst im heutigen Sinne nicht bedurfte. Man hatte Seelotsen, welche
ein Schiff begleiteten, und Hafenlotsen, die jenem entgegenfuhren und
es sicher vor Anker brachten; gefährliches Fahrwasser wurde nach Arriau
nicht selten durch eingerammte Piähle signalisiert, und sonst mufste
gegen Untiefen das Ausbringen des Lotes schützen. Landmarken waren
in den der alten Welt zugänglichen Meeren immer sichtbar; es hätte
z.B. auf das schöne Verzeichnis solcher Gipfelpunkte bei Neumann-Partsch
(S. 148) hingewiesen werden können. Von Leuchttürmen dagegen sind
aufser dem Pharus nur diejenigen von Ostia und Ravenna sicher über-
liefert. Nach Vitruv (lib. V, cap. 12) war man im Bau guter Häfen schon
ziemlich weit gekommen. Auch gab es Hiifsbücher, den späteren »Por-
tulanen« vergleichbar, die den TzapdnXooQ, didnXoug und nepcnXoug genau
verzeichnet hatten und Notizen über den Charakter der betreffenden
Küste enthielten. Ein solcher aradtaanog wird nach C. Müller für die
Küstenstrecke Leptis- Karthago mitgeteilt. An astronomische Beobach-
tungen war auf dem schwankenden Schiffe natürlich nicht zu denken,
der Schiffer mufste sich demgemäfs auf die Ermittlung von Kurs und
Distanz beschränken. Letzteres freilich war nicht leicht, denn Vitruvs
See-Hodometer mit Rädergetriebe scheinen niemals in die nautische
Praxis übergegangen zu sein, und so war die Zeitrechnung um so un-
sicherer, als es bekanntermafsen auch an guten Uhren gebrach. Bei tage
richtete man sich, so gut es ging, nach dem Stande der Sonne, zur Nacht
zeit nach den Sternen. Auch wurde die Wasserfärbuug und der Wogen-
gang als Hilfsmittel der Ortsbestimmung vermerkt, wobei aufgeholte
Grundproben, wie auch jetzt noch, zur Unterstützung dienen mufsten.
Den Schlufs dieses ersten Kapitels macht eine kurze Schilderung der
mathematischen Geographie der Alten und ihrer unvollkommenen Wind-
und Strichrose, wobei jedoch die späteren Verbesserungen von Tiraosthenes
u. s. w. (vgl. Kaibel im 20. Bande des »Hermes«) nicht berücksichtigt sind.
IL Das Schiff. Nahe dem Wasser sind die Werften {yaon^yta) an-
gelegt. Ein »Holgen« {blxög), d. h. eine aus Erde, Mauerwerk oder
Balken hergestellte Unterlage, dient zum Heraufziehen und Hinablassen
der Fahrzeuge. Die rpomdela des Plato und Clemens Alexandrinus haben
wir uns mutmafslich als »Stapelblöcke« vorzustellen. Den Grundbalken
des Schiffsrumpfes bildete der vierkantige »Kiel» {rpom'g), der auf einer
schützenden »Bohle« (^ikoapLo) aufruhte. Der »Vorsteven« hiefs czeTpa,
die Bezeichnung des »Achtersteven« ist vielleicht oXxsTov gewesen, wäh-
rend das »Steuerruder« icpoXxatov genannt wurde. Für die »Spanten«
oder »Rippen« des Schiffes sind allem Anscheine nach verschiedene Ter-
mini technici im Gebrauche gewesen, zumal ^pouy^oi^ wogegen aaviq die
»Beplankung« bedeutete. Um die Spanten an der Verschiebung zu hin-
dern, legte man über sie einen mit entsprechenden Einschnitten ver-
sehenen Balken, die dzuripa rpomg oder »Kohlschwinne«. Die Knie der
beiden Steven waren in den dazu verwendeten gebogenen Wurzeln der
Naturwissenschaft. 1 29
Nadelhölzer von selbst gegeben. Die Nähte der Planken kalfaterte man
mit Werg, Pech und Wachs (Plinius. IIb. VI, cap. 36), aber in einzelnen
Fällen Moschiou erzählt es vom Könige Hiero — wurde die Aufsen-
seite der Schiffe auch durch eine Metallhaut geschützt. Das »Vorderteilo
hiefs TLpöjpa^ das »Hinterteil« vp'jjxva, die »Seitenwand« zol^og, »Steuer-
bord« -olyuq uscuj^', »Backbord« zor/ug e'jiüV'JiJ.og , die »Bugrundung«
Tzapzid, das den Namen des Schiffes tragende Brett r.ruyrj. Der »Raum«
ist identisch mit dem griechischen noßr) vaug oder y.'j-og\ bekam das
Schiff einen »Leck«, so wurde es ')r.ipav:Xog. Aus den zerstreuten An-
gaben über das Ausschöpfen eingedrungenen Wassers ist völlige Klarheit
nicht zu gewinnen, soviel jedoch steht fest, dafs es keine »Pumpen« ge-
geben hat. Die Schiffe hatten zum teile ein auf »Deckbalken« (C^^a)
ruhendes Volldeck, zum teile, wie die homerischen, nur Vorder- und
Hinterdeck. Gegen die Mitte hin war das Schiffsdeck regelmäfsig etwas
eingesenkt und mit einer »Schanze« (txpia) versehen. Hinten befand sich
unter Deck die Vorratskammer {xajXTirjXrj), vorne ein Verschlag für Segel
und Taue, vielleicht auch für Trinkwasser {dppavod^rjxrj^ bopuBrjxri). Ein
Geländer ((fpdjpa) pflegte das Verdeck gegen Wellenschlag zu .schützen.
Die Taue wurden zu ihrer Befestigung um einen »Ständer« {xdnrj^) ge-
schlungen; zum gleichen Zwecke standen am Hafen steinerne »Boller«
(XMfyCuvsg). Die Winden mit wagrechter und senkrechter Welle (»Brat-
spill« und Gangspill«) wurden arpoipsTa und mptrxyujyscs zubenannt. Am
Hinter-^teven brachte man gei'ii Zierraten (Drachenköpfe, Götterfiguren) an.
HI. Ballast und Ladung. »Ballast« (ip/xa) mufste jedes Schiff mit
sich führen, »Ballast einnehmen« war ippazc^scv. Steine wurden ge-
wöhnlich vorgezogen. Die »Ladung« ((^öpTog ä-/^i)og) mufste symmetrisch
im Räume verteilt und ordentlich festgestaut werden; die den Tiefgang
markierende »Ladeliuie« bezeichnet Hesychius als rdoug. »Laden« und
»Löschen« hiefs resp. im(popTiZ,EaB^ai und dnoipopzi^ea^at.. Die Tragfähig-
keit eines Schiffes wurde nach einem nicht näher bekannten dpipopzög
bemessen, wie man jetzt ein Schiff auf so und so viel »Lasten« veran-
schlagt,
IV. Takelung des Schiffes. Nachdem der »Rumpf« (ailp-'i^ axd(pog)
vom Helgen abgelaufen ist, beginnt der Prozefs der Auftakelung. Der
»Mast« (:<T-oV, xardpziüv) sollte aus einem einzigen Holzstücke bestehen
und sich nach oben zu ein wenig verjüngen, der »Maslfufs« {rtzapva) war
in eine »Kohlschwinnvertiefung« {hjvög) eingesetzt und konnte sich in
den rMpo.azdzo.t um eine horizontale, zur Längsachse des Schiffes normal
gerichtete Achse bewegen. Auch war er zum Niederlegen eingerichtet,
und wenn dies geschah, blieb er horizontal in der cazuduxrj (»Mastgabel«
oder »Mastschere«) liegen. Der Mastkorb oder »Mars« {xapyjjaiov) war
von becherförmiger Gestalt, die »Rahe« {i.rJxpcov, xzpala) war nach
Athenaeus , dessen Angabe durch mehrere Abbildungen gestützt wird,
aus zwei Stücken zusammengesetzt und endigte in den »Nocken« {dr.oxi-
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. f 1887 III ) 9
1 30 Natiirwitisenschaft.
pata). Mehrere Rahen konnte ein griechischer Mast nicht haben Die
den Mast haltenden Taue sind die xdhn (»Stagtaue« ). und zwar
ändern sie ihren Namen in npöro'Mn, wenn sie nach vorne führen, was
Boeckh verkannt hat; den nporovoc entspricht das nach hinten führende
»Bugstag« oder STitrovog. Solchergestalt sieht sich Bi'eusing in der Lage,
eine durchaus klare und überzeugende Schilderung vorn Schiffbruche des
Odysseus zu entwerfen. »Wanten« oder Strickleitern waren dem antiken
Schiffe fremd, wohl aber führte vom Verdeck ins Wasser hinab eine
solche Leiter mit Querhölzern {xk^ixa^, arunricvr]). An der Rahe hat man
sich das Segel {laxtüv , latipoq) befestigt zu denken, andere Segel als
dieses grofse Rahesegel hatten auch Handelschiffe nur ausnahmsweise,
Kriegsschiffe überhaupt nicht. Aufgenähte Lederstreifen überzogen und
verstärkten das an sich viel zu schwache Segel, ein Umstand, durch
welchen sich ein schwieriger Passus bei Lucian einfach erklärt. Die
dem Segel zum Halte dienenden Taue sind heutzutage »Schoten« und
»Halsen«, damals waren es Tiödzg und Tifjonuozg . Je nachdem das Schiff
mit einem bestimmten Winde segeln soll, müssen stets auch bestimmte
Taue nachgelassen werden, weshalb auch Odysseus, um auf alles gerüstet
zu sein, immer die »Leeschote« in der Hand behält. Tidvza xdkov xtvsiv
ist einerlei mit »alle Segel setzen«. Wie die Griechen verfuhren, um
das Segel teilweise in Falten zu legen, ist nicht leicht herauszubringen,
weil ihreSchiff'sterminologie viele mehrdeutige Benennungen besitzt. Jeden-
falls wurde bei sehr heftigem Winde die Rahe auf halbe Masthöhe» herab-
gefiert«. Die »Brassen« {'jnipai) hatten den Zweck, die Rahe um ihre
vertikale Achse zu drehen, die »Toppenanten« (c/idvrsg ['?] xspouXxoi)
vermittelten die Bewegung in einundderselben Vertikalebene. Gröfsere
Schiffe waren auch wohl mit zwei Masten, einem längern und kürzern,
versehen, und dieser letztere hiefs dann, wie Boeckh eruierte, larbg
dxdrecog. Auf allen Bildern ist dieser Nebenmast unter sehr spitzem
Winkel gegen das Vorderteil geneigt, ein Segel führte er nur unter be-
sonders günstigen Umständen. Übrigens trug ein Kriegsschiff", was Boeckh
richtig erkannte und Graser mit Unrecht in Abrede stellte, gar keine
Segel, die ihm ja bei schnellen Wendungen nur ein schlimmes Hindernis
bereitet haben würden; Octavian mufste bei Actium auf die Verfolgung ver-
zichten, weil keine Segel aufgezogen waren. Selbst der grofse Mast
ruhte während des Kampfes in seiner Gabel, nur der Vormast blieb
stehen und wirkte wenigstens bei der Verteidigung insofern mit, als
man von seiner Rahe schwere Körper auf die angreifenden feindlichen
Schiffe herabstürzen liefs. Dem Schiffe eine besondere Geschwindigkeit
verleihen zu helfen, dazu war dieser kleine Mast ganz ungeeignet. Unklar
ist der Sinn von dprd/jiujv; Möglicherweise ist darunter eine Vorrichtung zu
verstehen, um Gegenstände aus dem Räume auf Deck zu bringen. Das
Vorsegel war im Altertum viereckig, die »Lateiner« des Mittelalters hal-
bierten es durch seine Diagonale und nannten dieses dreieckige Segel
l
Naturwissenschaft. 131
mezzana, woraus im uiederdeutscbeu »Mesan« und zuletzt »Besan« ge-
worden ist. Gröfsere Kaulfahrer der Kaiserzeit wai-en noch mit einem
dritten Segel ausgestattet, das am Top des Hauptmastes angebracht war,
die Römer bezeichneten es als suppauum (»Topsegel«). Die Zugkraft
richtig zu lenken, bediente man sich der festen Rolle {rpo^/ug)^ das
»Takel« oder der aus festen und losen Rollen sich zusammensetzende
Flascheuzug bewirkte eine erhebliche Ersparung von Muskelkraft. Das
Befestigen oder »Belegen« der freien Enden des Tauwerkes durch Blöcke
(jispuvaC) ist unverändert dasselbe geblieben.
V. Das Rudergeschirr. Das Schlagruder (»Remen«) heifst bei
Homer ipsTfiuv, der Griff xujnrj, das Blatt Tir^Suv, die Ruderunterlage
(»Dollbord«) 7pd<pr^^. Das Rückwärtsfahren ohne Wenden (»über Steuer
streichen«) beschreibt sehr deutlich Cicero (ad Atticum, XHI, 21). Das
Ruder wurde durch einen Lederring {rpoTiog, zpoircu-ijp) am Dollbord fest-
gehalten. Wenn die Ruderer, wie bei Kriegsfahrzeugen, unter Deck
safsen, so steckten sie ihre Remen durch die »Rojepforten« {rpunrj/jLara)
hindurch; wie aber die Sitzplätze der Ruderer angebracht waren, das
ist kaum sicher auszumachen. Das Steuer diente zur Lenkung des Schiffes;
bei gröfsern Schiffen waren zwei Steuerruder im Gebrauche, und es kam
nun darauf an, das jeweils zweckentsprechende zu benützen. So handelt
z. B. Kailides bei Polyaen (V, 43) , indem er stets dem andringenden
Feinde das gepanzerte Vorderteil entgegenzustellen versteht. Beide
Ruder gleichzeitig zu dirigieren, war gewifs kein Steuermann imstande.
Brauchte man die Steuerremen gerade nicht, so hing man selbe »aufsen-
bords« auf und band sie »binnenbords« fest. Manche Fahrzeuge, d/x^c-
npujxvot genannt, waren so eingerichtet, dafs mau das Steuer nach Belie-
ben an diesem oder jenem Orte einzuhängen vermochte, wie denn über-
haupt in alter Zeit der Gegensatz zwischen Vorder- und Hinterteil kein
so scharf ausgesprochener war wie heutigen Tages. Jedes Schiff hatte
zudem lange Stofstangen {xovzuc) an bord, um anzuhalten, fortzuschie-
ben und Zusammenstöfse zu vermeiden.
VL Das Ankergeschirr. Die alten Wikinger halfen sich statt der
Anker mit »Senksteinen«, welche auch die ältesten Griechen als euvac
kannten, dyxopa war wahrscheinlich zuerst nichts anderes als ein ins
Festland eingeschlagener gekrümmter Haken, während der erste wirk-
liche Wurfauker {^puumg) vierspitzig gewesen zu sein scheint. Der
gegenwärtig übliche Schiffsanker {äyxupa, öcarofiog, d/i^eßuXog) soll nach
Strabo von Anacharsis erfunden worden sein. Die »Ankerboje« {aapydvrj)
war auch den antiken Völkern bekannt und bestand aus einem mit Kork-
stücken gefüllten Taugeflechte. Die Ankertaue gingen durch Löcher im
Schiffskörper (»Klüsen«. d^Ba^;xoc) hindurch, und zum Hinablassen des
Ankers war der »Krahnbalken« {erMzcg) da. Für gewöhnlich verankerte
man das Schiff vom Vorderteile aus, doch gab es auch ein schönes tak-
tisches Seeschlacht -Manoeuvre, welches Arrian uns kennen lehrt, und
9»
1 32 Naturwissenschaft,
dessen Nerv eben im Werten der Anker vom Hinterteile aus bestand.
Galt es, das Scbiff genau an einem bestimmten Platze festzuhalten, so
wurden zwei Anker ausgebracht. Diese Anker der Alten waren jedoch
nicht schwer und widerstandsfähig genug, so dafs man stets deren meh-
rere in Reserve zu halten gezwungen war. Nach Caesar (Bell. Gall.,
III, 13) hätten zuerst die Veneter die Kabeltaue durch eiserne Aüker-
ketten ersetzt.
VII. Bewegung des Schiffes nahe dem Strande. Das auf dem Lande
{uil'ou in: (pa/xrJMou:) stehende Schiff mag zuhomerischer Zeit mit den blofsen
Händen ins Wasser geschoben worden sein Den Hergang beim Stapel-
lauf eines gröfsern Schiffes schildert anschaulich Apollonius Rhodius
(I, 367): man höhlte einen der Breite des Fahrzeuges entsprechenden
Graben, mit einer tiefern Furche für den Kiel, aus und schob nun den
auf Walzen ruhenden Schiffskörper mit den Schultern vorwärts, indem
man gleichzeitig durch gespannte Taue eiu allzurasches Fortschiefsen
unmöglich machte. Das Kommaudo beim Abstofsen vom Lande hat uns
Lucian aufbehalten. Zunächst ward der Landungssteg, die dnüßdßpa,
weggenommen, hierauf lichtete man die Anker. Die Haltetaue (»Land-
festen«, np'Jixvr^atd) konnte man im Momente der Gefahr kappen (Odys-
seus bei den Laestrygonen). Die Segel gleich nach dem Abstofsen zu
setzen, war nur ausnahmsweise angängig, meistenteils mufste das Schiff
erst durch die Remen eine Strecke weit fortbewegt werden, wie auch
die Schlagruder nach Streichen der Segel die Annäherung ans Gestade
zu besorgen hatten. -/fninpaaBat war »auf den Strand laufen« ; wollte
man dies vermeiden, so wendete man und warf Anker. War aber ein
längerer Aufenthalt beabsichtigt, so wurde das ganze Schiff »auf den
Strand geholt« (yewXKth).
VIII. Das Blockschiff des Udysseus. Die aj^eoirj, welche sich der
Irrfahrer auf der Insel der Kalypso zimmerte, war von je ein Zankapfel
der Gelehrten. Ein Flofs kann es nicht gewesen sein, darüber hatte
man sich geeinigt. Nunmehr zeigt unser Verf., wie der Held mit den
ihm von der Göttin gelieferten Werkzeugen die Balken zuhieb und ver-
band, den Mastbaum einpafste und das »Zeug« beschaffte. Die Schilde-
rung des Homer verrät gründliche Bekanntschaft mit den seemännischen
Verhältnissen.
IX. Seereise und Schiffbruch des Paulus. Um an einem konkreten
Falle die erläuterten Wahrheiten darzulegen, gibt der Verf. einen de-
taillierten Kommentar zu Kapitel 27 und 28 der Apostelgeschichte. Lehr-
reich ist insbesondere die Skizzierung der Schutzmittel, deren man sich
in der Nähe der gefahrdrohenden Küsten der Insel Kauda bei Kreta
bediente.
An diesen schon so reichen Inhalt reiht sich an ein sehr sorgfältig
gearbeitetes »nautisches Wörterbuch«, ein 566 (!) Stellen umfassender
»Iudex der Zitate« und eine Erklärung der Zeichnungen. Von diesen
Naturwissenschaft 133
sind 15 in den Text selber eingedruckt, und vier gröfsero Blätter am
Schlüsse erläutern einzelne im Verlaufe der Darstellung zu näherer Erör-
terung gelangte Vorkomnisse.
Soviel wir sehen, hat das Breusingsche Buch in den Fachblättern
uneingeschränkte Anerkennung erfahren. Man kann ja wohl einwenden,
dafs es noch manches Bildwerk gibt, das der Verfasser nicht zur Ver-
gleichung herangezogen hat. allein sachlich neue Aufschlüsse wären hier-
von wohl kaum zu erwarten. Einen gleichfalls durch Originalität aus-
gezeichneten Nachtrag zu dem Werke bildet:
36) A. B reu sing, Nautisches zu Homeros. Neue Jahrbücher für
Philologie und Pädagogik. 133. Band, S. 81—90.
Die Ausbildung der Fabel von den Symplegaden erfolgte auf
Grundlage der perspektivischen Wahrheit, dafs eine enge Durchfahrt
vorne und hinten geschlossen erscheint, wenn man sich gerade in der
Mitte befindet. Ebenso ist es bei den Plankten der sizilischen Meerenge
wie auch bei den Säulen des Hercules (Strabo, III, 5). Auch die Ge-
schichte von der schwimmenden Insel des Aeolus mul's einen natürlichen
Hintergrund haben ; Breusing denkt dabei an jene bekannte Erscheinung
der »anomalen« Strahlenbrechung, welche bewirkt, dafs entfernte Gegen-
stände, welche sich über dem Horizonte zeigen, von diesem durch einen
schmalen Luftstreifen getrennt erscheinen. Das Fragment Pindars bei
Strabo (X, 5), wo erwähnt wird, man habe die Insel Delos in der Luft
schweben sehen, erläutert genugsam, wie man dazu kommen konnte, ein
Eiland als »schwimmend« zu bezeichnen. Eine gleiche Bewandnis hatte
es vielleicht mit der vr^ao^ jusrapafrj an der Nilmündung.
Ganz und gar irrig ist die mitunter gehörte Behauptung, Homer
habe nur zwei Himmelsrichtungen gekannt, resp. deutlich unterschieden.
Wahr ist nur so viel, dafs allerdings die Alten, welche nicht auf den
Meridiandurchgang der Gestirne, sondern auf die Beobachtung der Äuf-
und Untergänge ein Hauptgewicht legten, die Ostwestlinie weit mehr
beachteten als die Mittagslinie, während wir es gerade umgekehrt machen.
Damit sind wir von selbst bei dem letzten Gegenstande unserer
Betrachtung, dem Handel, angekommen.
37) 0. Schrader, Linguistisch -historische Forschungen zur Han-
delsgeschichte und Waarenkunde. Jena 1886. H. Costenoble.
Wir führen dieses bedeutende Werk hier an, weil es den Titel-
worten nach zunächst hierher zu gehören scheint. Der Schwerpunkt des-
selben liegt jedoch, wie sich bei näherer Einsichtnahme ergab, nach der
sprachwissenschaftlichen, zumal nach der sprachvergleichenden Seite hin,
und damit erwuchs für uns zugleich die Pflicht, dasselbe an eine der
Sache mehr gewachsene Berichterstattung abzugeben.
1 34 Naturwissenschaft.
38) Lieblein, Handel und Schiffahrt auf dem roten Meere in
alten Zeiten. Nach ägyptischen Quellen. Leipzig 1886. J. C Hinrichs.
Der Aufpenhandel des Pharaonenreiches ist durch zahlreiche Zeug-
nisse der griechischen Schriftsteller konstatiert. Weit höher reichen
dagegen die bezüglichen Schriftdenkmäler des Landes selbst hinauf; ja
die älteste vom Seehandel sprechende Inschrift, gefunden unter 26 Grad
n. Br. im arabischen Grenzgebirge, stammt sogar aus der Zeit der V. Dy-
nastie (2700 V. Chr,). Der Fundort liegt auf der alten Karawanenstrafse
zwischen Koptos und dem roten Meere. Unter den nun folgenden
Dynastien werden die Inschriften immer häufiger und detaillierter; das
Volk, mit welchem sich jene beschäftigen, sind die »Bennu- Leute«, die
Vorfahren und Vorläufer der späteren Phoenizier. Die lange dauernden
inneren Wirren der nächstfolgenden Zeit haben dem Verkehr offenbar
grofsen Abbruch gethan, denn es tritt nunmehr ein längeres Schweigen
ein, und erst unter der XI. Dynastie finden wir wieder Aufzeichoungen
im Thale Hammamat, die von Arbeiten in den dort gelegeneu Stein-
brüchen zu erzählen wissen. Unter dem letzten Könige obiger Dynastie,
Sanck-ka-ra (um 2280 v. Chr.) berichtet dessen Kauzler, dafs er aus-
gesandt gewesen sei, um Schiffe nach dem Lande »Pun« zu führen, da
habe er zunächst Brunnen auf dem Landwege anlegen lassen, sei so
zum Meere vorgedrungen , habe dort Lastschiffe bauen lassen und so
sei es ihm gelungen, die Erzeugnisse des fremden Landes über Kosseir
glücklich heimzubringen. Auch unter der XII. Dynastie kamen Expe-
ditionen nach Pun vor. Die Zeit der Hyksos führt eine abermalige,
längere Unterbrechung herbei; um 1400 aber erscheinen in einem Tempel
Thebens bildliche Darstellungen, auf denen wirkliche Meerschiffe, in der
Bauart scharf von den eleganten Nilgondeln abstechend, zu sehen sind.
Wir erblicken auf dem zweiten Bilde die Zusammenkunft des ägypti-
schen Anführers mit dem Fürsten Parohu von Pun und dessen — ganz
nach Art moderner Negerinnen — unförmlich dicker Gemahlin Ati. Das
dritte Bild führt uns in eine durch ihre eigentümliche Flora erkennbar
gemachte Landschaft von Pun ; auf dem vierten Bilde werden die Schiffe
beladen und rüsten sich zur Abfahrt, das fünfte zeigt den Vasallenfürsten
zu Füfsen der Königin Makara, welche auf dem sechsten den mitge-
brachten Tribut mustert, bestehend in Gold, Elephanten, Leoparden-
feilen, Straufseneiern, Rindern von nubischem Schlage, Elfenbein, Perl-
mutter, Ebenholz, Sykomoren und Weihrauch von Pun. Die Giraffe ge-
hörte nicht, wie Lepsius annahm, zu den Tributgegenständen Puns, son-
dern zu denjenigen Äthiopiens. Auf dem siebenten Gemälde endlich
übergibt Gott Amon-Ra der Königin feierlich das Land Pun. Dieses
bleibt nun tributpflichtig, es wird als solches auch unter der XVIII. und
XIX. Dynastie registriert, und unter Ramses II. sehen wir den »Nagas«
von Pun, was Lieblein mit dem heutigen »Negus« von Habesch identi-
fiziert, an religiösen Zeremonien teilnehmen. Wiederum erscheinen unter
Naturwissenschaft. I35
Ramses III, punische Fürstensöhne am Königshofe als Begleiter eiuer
aus ihrem Laude, wohiu sie ägyptische Produkte gebracht hatte, heim-
kehrenden Expedition. Die Ptolemaeer führten fort, was die Pharaonen
begonnen hatten, und begegneten sich in ebendenselben Zielen, denn
Strabo bezeugt ausdrücklich, dafs Ptolemaeus Philadelphus durch Graben
von Brunnen und Strafsenbau die Verbindung seines Landes mit dem
Südosten neu begründet habe, und schildert Koptos neben Mioshorraos
als das grofse Eniporinm für indischen, arabischen und äthiopischen
Warenbezug.
Wo aber lag nun Pun? Brugsch sucht es im südlichen Arabien,
Mariette an der Küste des Somali-Landes, Dümichen spricht sich dafür
aus, dafs es sich zu beiden Seiten der Babelmaudeb-Strafse hingestreckt
habe. Lieblein hält dafür, dafs Pun uranfänglich ein rein asiatisches
Land war, sich aber späterhin allerdings auch nach Afrika hinüber aus-
dehnte. Es hiefs auch »das göttliche Land« und nach ihm das rote
Meer »das Meer des göttlichen Landes«. Genauere Nachrichten über
die in der Stadt Adulis hauptsächlich kursierenden Handelswaren ge-
währt der - von Fabricius herausgegebene — »Periplus des erythraei-
schen Meeres«, dessen Angaben durchaus mit dem stimmen, was uns
auch die hieroglyphischen Inschriften lehren; nicht minder spricht der
Bericht des Agatharchides dafür, dafs Pun, welches ägyptisch »Pfort-
land« bedeutete, zu beiden Seiten der Meerenge gelegen war. Die Be-
wohner sind ohne jeden Zweifel identisch mit den späteren Phoeniziern;
Herodot sagt aus, dafs diese letzteren von den Ufern des erythraeischen
Meeres zu ihren späteren Wohnplätzen vorgedrungen seien, und Lassen
hat diese Aussage gegen Movers vollständig gerechtfertigt. Auch Lepsius
stimmt dieser Ansicht zu. Selbst das Sanskritwort Pani scheint auf Pun
(Puni, Poeni bei den Römern) hinzudeuten.
Indem die Puner nördliche Handelswege aufsuchten, konnten sie
1. über Mioshormos und Koptos in das ägyptische Nilthal,
2. auf ebendieser Strafse an die Landenge von Suez,
3. über den aelamitischen Busen nach Edom,
4. nordöstlich an den persischen Golf und nach Mesopotamien
gelangen. Phönizische Handelskolonien raufs es in der Nähe von Koptos
gegeben haben, z. B. Ha-Bennu, d. h. »Haus des Phoenixvogels«. In Mem-
phis durften jene ein eigenes Stadtviertel bewohnen; von da drangen sie
ins Delta ein , und von da wieder war es nicht mehr weit zur syrischen
Küste. Durch den Isthmus von Suez führte der Kanal, an welchem
Pharaonen, Achaemeniden, Ptolemaeer, Caesaren und Kalifen arbeiten
liefsen , und welcher nach Lieblein schon zu Ramses' IL Zeit befahrbar
gewesen sein mufs. Wahrscheinlich war mit dem Kanalbau zuerst unter
Amenemha III. angefangen worden. In der Nähe des Timsah- Sees lag,
wie namentlich auch das antoninische Itinerar beweist, die Stadt He-
roüpolis, und zwar im Westen, und die Bitterseen betrachtete man als
1 36 Naturwissenschaft.
äufsersten Ausläufer des roten Meeres. Die Punleute fanden sonach um-
soweniger eine Schwierigkeit für ihren Weg ins Mittelmeer, als die Zunge
des roten Meeres sich damals weiter als gegenwärtig ins Land einbohrte.
Im Papyrus Ebers ist ein phönizischer Arzt genannt, der in Byblos
wohnte; solche Notizen gewähren Uns ein Bild von der befolgten Etappen-
linie. Die rote Farbe, welche die heilige Schrift den Bewohnern Edoms
zuschreibt, ist charakteristisch für die Puner, so dafs es nicht ferne
liegt, an das Vorhandensein punischer Ansiedlungen auch im Edomiter-
lande zu denken. Von Elat und Elion-Geber, wo man zuerst festen Fufs
gefafst hatte, zogen die Karawanen weiter nach Palaestina und Syrien.
Das »Ophir« der Bibel ist wahrscheinlich nichts anderes als Pun gewe-
sen, obwohl die Angaben spätgriechischer Reisender, in erster Linie des
Kosmas Lidopleustes, jenes sagenhafte Land mehr ins Innere von Afrika
zu verlegen scheinen. Vielleicht ist die Danakilenküste gemeint gewesen;
die Danakil nennen sich selbst »Afer«, und als »Afer« sind dieselben
auf den ägyptischen Denkmälern verzeichnet (Afri der Römer?) Die
Ophir- Waren weisen allerdings zum teile auf das Innere, etwa auf Dar-
fur, hin. Was den oben erwähnten vierten Invasionsweg anbelangt, so
wird er vom Verfasser nicht weiter besprochen ; dafs Kuschiten auf ihm
bis an den persischen Meerbusen gelangt seien, wird übrigens von Lep-
sius für sehr wahrscheinlich gehalten. Dieser berühmte Ägyptologe hat
selbst den folgenden Satz ausgesprochen: »Die Bun-Pun, welche uns die
ägyptischen Denkmäler kennen lehren, waren die Ur-Phoeniker, die in
den Babelmandeb -Ländern den ältesten Welthandel und die Kultur-
elemente vermittelten und, indem sie, immer Handel treibend, gegen
Norden zu nach dem Mittelmeer vorrückten, legten sie in Ägypten und
anderswo verschiedene Handelskolonien an.«
Dieser Satz des Altmeisters ist durch Liebleins Schrift in ein ganz
neues Licht gerückt und mit wertvollen urkundlichen Beweisen versehen
worden. Diese Schrift zeichnet sich ebenso durch die Sauberkeit und
die lichtvolle Art der Darstellung, wie auch durch die Behutsamkeit aus,
mit welcher der Verfasser Hypothese und feste Errungenschaft ausein-
anderhält. Das Beweismaterial ist vollständig beigebracht und verwertet,
und so wurde denn auch das für die ältere Handelsgeschichte hochwich-
tige Resultat gewonnen, dafs es ganz irrig ist, die Ägypter als ein von
jeher die Isolierung liebendes und in starrster geographischer Abgeschlos-
senheit dahinlebendes, höchstens auf politische Unterdrückung der Nach-
barvölker ausgehendes Volk zu bezeichnen.
39) L. Manzi, II commercio in Etiopia, Nubia, Abissinia, Sudan
ecc. Dai primordi alla dominazione rausulmana. Rom 1886. Fratelli
Centenari.
Das Buch Manzis schliefst sich seinem Vorwurfe nach dem soeben
besprochenen unmittelbar an, es ist jedoch die Absicht, welche der Ver-
I
Naturwissenschaft. J37
fasser erreichen will, insofern eine verschiedene, als es sich nicht um
die Klarstellung antiquarischer Fragen, sondern um die aus der histo-
rischen Forschung für gewisse moderne Zwecke entfliefsenden Nutzan-
wendungen handelt. Die Veranlassung zu den vom Verfasser unter-
nommenen Studien gab nänilich der volkswirtschaftliche Gedanke, für ita-
lienische Exportartikel neue Absatzgebiete in Afrika ausfindig zu machen.
Es wird zunächst von den Beziehungen Salomos zur Königin von Saba
gehandelt, wobei Saba als einerlei mit Tigre in Abessynien angenommen
wird (?); so habe dieses Land noch zu Beginn des XVI. nachchristlichen
Jahrhunderts nach den Berichten portugiesischer Missionäre und italieni-
scher Handelsleute geheifsen Manzi hält eine Eroberung Äthiopiens
durch die arabischen Sabaecr für gewifs, welch letztere über Assab ins
Innere eingedrungen sein sollen. Saba I. und II. (dieser 7.37 698 v.Chr.)
seien die ersten Herrscher gewesen, die Hauptstadt habe gleichfalls den
Namen Saba geführt, und erst seit Kambyses sei dieser Name in Meroe
übergegangen. Als das Äthiopien der ägyptischen Monumente habe das
jetzige Nubien mit Senaar und Kordofan zu gelten; das mag wohl richtig
sein, allein es reimt sich mit der Zuteilung des Zwischenstromlandes
schlecht der weitere Satz (S. 29) : »La frontiera meridionale nou doveva
oltrapassare quella parte, dove confluiscono i fiumi Bianco e Azzurro.«
Das wäre also bei Chartum.
Der Name »Troglodyten« ward allen Völkern westlich vom süd-
lichen Teile des roten Meeres beigelegt ; nach Curtius sind unter diesen
Höhlenbewohnern zumeist arabische Stämme zu verstehen. Noch heute
liebt man in Assab und an der Danakilenküste solche Höhlenwohnungen
(S. 17). Mit der See waren die Troglodyten vertraut, ja sie waren an-
scheinend sogar Seeräuber, und erst später milderten sich unter dem
Einflüsse lebhaften Handelsverkehrs ihre Sitten. Was die Ansicht des
Verfassers betrifft, dafs schon im frühen Altertum italische Völkerschaf-
ten den Weg bis ins erythraeische Meer oder doch bis an die ägypti-
sche Küste gefunden hätten, so scheint uns dieselbe etwas zu sehr vom
Patriotismus diktiert zu sein. Jedenfalls jedoch hatten in späterer Zeit
die Griechen ihr Emporium in der Delta-Stadt Naukratis , deren Stätte
durch die Ausgrabungen von Flinders Petrie wiedergefunden ist. Auf
dem roten Meere hatte wohl zuerst Eainses III., der Sesostris der Grie-
chen eine Flotte; so nimmt der Verfasser an, wir aber haben von Lieb-
lein erfahren, dafs ägyptische Schiffe jenen Golf schon ein Jahrtausend
früher durchkreuzt haben.
Im sechsten Kapitel seines Buches erörtert Manzi die älteren
Durchbohrungen der Landenge von Suez. Ein Kanal mufs bereits unter
der XIX. Dynastie existiert haben, Darius und die Ptolemaeer vervoll-
kommneten nur die schon vorhandenen Anlagen. Die Kenntnis der Rö-
mer von ägyptischen und äthiopischen Dingen war im allgemeinen eine
ziemlich eingeschränkte ; Plinins und der Manrctanier Juba nahmen noch
138 Natuiwisseaschaft.
die Identität des Nil mit dem im westlichsten Afrika eutspringenden Niger
an. Genauer war über den Nilursprung Ptoleraaeus unterrichtet, nach-
dem freilich schon lange vorher Herodot das richtige geahnt hatte. Als
Schriftsteller über Äthiopien werden uns Bion und Aristocreon, Basilides
von Milet und Simonides genannt, allein es sind das für uns leider blos
leere Namen. Kaiser Nero sandte eine Expedition zur Erforschung der
Nilquellen ab, welche 890 Milien jenseits Meroes auf undurchdringliche
Sümpfe gestofsen sein soll. Ptolemaeus Philadelphus begründete beson-
dere Speditionsplätze für den Handel mit Elfenbein, z. B. Ptolemais
(Ras Muedum). Viele Lokalitäten jedoch sind strittig, z. B. der Sinus
ignotus (vielleicht die Bucht von Hawakil).
Über die Art des äthiopischen Ausfuhrhandels kann man sich durch
die Nachrichten der alten Autoren und durch die Gräberfunde ein Ur-
teil bilden. In erster Reihe standen Steine und Steingeräte aller Art,
darunter auch edle Steine; eine gewisse Varietät von Rubin bezeichnet
Plinius ausdrücklich als äthiopisch. Später, in der Kaiserzeit, entwickelte
sich ein schwunghafter Tierhandel nach Rom und Italien überhaupt, an
welchen viele der bei^ den späteren zoologischen und geographischen
Schriftsteller in allzu reicher Menge sich vorfindenden Tierfabeln afri-
kanischer Provenienz gemahnen. Daneben wurden auch die Korallen
des roten Meeres, Gewürze und Medizinalpfianzen ins Ausland ver-
frachtet; Arrian nennt uns die Hauptstapelorte für die einzelnen Pro-
dukte. Weiterhin geht der Verfasser auf die Schicksale des christlichen
Habesch ein und verläfst damit den von uns hier einzuhaltenden Boden ;
nur dessen wollen wir noch gedenken, dafs Justinian einen gewissen Nonnus
mit einer die Anbahnung freundlicher Beziehungen bezweckenden Mission
zu den Äthiopiern schickte. Der Erfolg der Sendung war ein prekärer,
und Nonnus kehrte un verrichteter Dinge zurück. Der letzte Grieche,
der diese Gegenden selbst sah, war der ebenso weitgereiste als aber-
gläubige Kosraas Indopleustes.
40) W. Richter, Handel und Verkehr der wichtigsten Völker
des Mittelmeeres im Altertume. Leipzig 1886. E. Seemann.
Das Buch stellt sich dar als erstes Bändchen der in jenem Ver-
lage erscheinenden »Kulturbilder aus dem klassischen Altertume«. Neues
zu bringen, ist nicht der Zweck des Unternehmens, doch ist das Gege-
bene den besten Quellen entnommen und gut zusammengestellt. Es be-
ginnt mit der Handelsthätigkeit der Phoenizier, alsdann wird die kolo-
nisierende Thätigkeit der Hellenen im Pontus Euxinus behandelt, und
der dritte Abschnitt ist den griechischen Pflanzstädten im allgemeinen
gewidmet. Es folgt die Geschichte der Übertragung des gemünzten
Geldes aus dem Orient nach Griechenland, woran sich eine Darstellung
der antiken Geld- und Wechselgeschäfte reiht. Ob der Verfasser nicht
zu weit geht mit der Annahme, dafs die griechischen Kaufleute wirklich
Naturwissenschaft. 1 3g
ihr »Soll« und »Haben« immer auf besondere Blattseiten gebucht hätten,
wollen wir dahingestellt sein lassen, denn damit wäre ja schon eine ra-
tionelle Buchhaltung angebahnt gewesen, wie sie bisher unbestritten für
eine Erfindung des spätem italienischen Mittelalters gegolten hat. Sehr
ausführlich und ansprechend wird ein athenischer Wochenmarkt geschil-
dert. Hiernächst sehen wir uns von Athen hinübergeführt nach Kar-
thago, das mit Rom schon frühzeitig (348 v. Chr. nach Mommsen) einen
Handelsvertrag abgeschlossen hatte und wesentlich durch seine Monopo-
lisierungstendenz den Groll der andern Republik herausforderte. Mit
Alexander und der Gründung der neu -ägyptischen Metropole beginnt ein
neues Zeitalter des Weltverkehrs. Jetzt ist es möglich, von »Kapital-
anlage und Spekulationsgeschäft der römischen Geldaristokratie« zu
sprechen. Das Zollsystem Roms war in seinen Grundzügen ein so ver-
nünftiges, dafs mancher Staat der Jetztzeit davon lernen könnte; not-
wendige Lebensbedürfnisse waren von Zoll und Steuer gänzlich frei.
Für den Import sorgte der vom Verfasser eingehend gekennzeichnete
Grofshandel, für Strafsen- und Marktverkehr waren im alten Rom, wie
viele bildliche Darstellungen ausweisen, gute Veranstaltungen getroffen.
Ein Exkurs auf Wolle und Wollenmannfaktur ist sehr belehrend; korin-
thische und phrygische Erzeugnisse waren am meisten gefragt. Auch
Handelsreisen wurden im Becken des mittelländischen Meeres zahlreich
unternommen, obwohl die Seefahrt noch mit manchem jetzt unbekanntem
Hindernisse zu kämpfen hatte, während zu lande das vortreffliche römi-
sche Landstrafsensystem seine guten Dienste that. Unseres Dafürhal-
tens hätte letzteres, zumal soweit es die Alpenstrafsen angeht, einer
noch umfassenderen Besprechung würdig befunden werden sollen. Zum
Beschlüsse wird noch eine Charakteristik des Reichspostwesens in der
Kaiserzeit gegeben. Viele gute Bilder und eine allerdings zu kleine
Karte — vielleicht wäre an Stelle letzterer ein römisches Original -Iti-
nerar vorzuziehen gewesen - sind dem instruktiven Werkchen beigegeben.
Es wird niemand wunder nehmen, wenn der nunmehr zu Ende ge-
brachte Bericht trotz des emsigen Suchens des Referenten und trotz
der eifrigen Mitwirkung der Verlagshandlung noch sehr an Unvollstäu-
digkeit leidet. In der Folgezeit wird sich diesem Mangel mehr und
mehr abhelfen lassen, besonders wenn die Herren Autoren die Redaktion
oder den Berichterstatter durch Zusendung ihrer Schriften resp. von
Separatabzügen sonst nicht leicht erhältlicher Abhandlungen zu unter-
stützen sich bereit finden liefsen. In der That liegt für den nächstfolgen-
den Bericht bereits ziemlich viel Material vor.
Bericht über die Litteratiir des Jahres 1886,
welche sich auf Encyklopädie und Methodologie
der klassischen Philologie, Geschichte der Alter-
tumswissenschaft und Bibliographie beziehen
(nebst Nachträgen zu den früheren Jahren).
Von
Dr. Karl Hartfelder
in Heidelberg.
Die Arbeiten allgemeinen und zusammenfassenden Charakters über
unser Gebiet waren im Jahre 1886 nicht sehr zahlreich. Voran möge
eine Rede stehen.
Richard Foerster, Professor der klassischen Altertumswissen-
schaft. Die Philologie der Gegenwart. (Rede zum Antritt des Rektorats
der Königlichen Christian-Albrecht-Universität zu Kiel am 5. März 1886).
Kiel 1886. Lex. 8» 25 S.
Der Redner, welcher über die klassische Philologie der Gegenwart
als Wissenschaft und als Gegenstand des akademischen Unterrichts spre-
chen will, würde zufrieden sein, wenn recht viele seiner Zuhörer seine
Ausführungen zwar nicht für neu, wohl aber für wahr halten wollten.
Verglichen mit dem Stande, welchen die klassische Philologie zur
Zeit August Böckhs aufwies, ist jetzt zunächst eine grofse Erweite-
rung ihrer Grenzen festzustellen. Die Fragen, welche die verglei-
chende Sprachwissenschaft und ihre jugendlichen Töchter, die verglei-
chende Religions , Sitten-, Rechts-, Kunstgeschichte, mit einem Worte
die vergleichende Kulturgeschichte, stellte, mufsten auch von der klassi-
schen Philologie berücksichtigt werden. Insbesonders aber berührte sich
diese mit der orientalischen Philologie, weil man über die ältesten,
durch Ausgrabungen gewonnenen Funde künstlerischen Charakters Auf-
schlufs suchte.
Zugleich erweiterte sich die Kenntnis der klassischen Stät-
ten: mau denke an Troja, Mykenä, Tiryns, Orchomenos, Olympia, Samo-
thrake, Athen, Pergamum, etruskische Nekropolen, das römische Forum
und vieles andere. Die Ausgrabungen an diesen Orten förderten zugleich
eine Fülle herrlicher Kunstwerke zu Tage.
R. Foerster, Die Philologie der Gegenwart 141
Damit war verbuuden eine Vermehrung der Inschriften, die
zum Teil wichtige Aufschlüsse gewährten : »Das Corpus der griechischen
Inschriften von Böckh enthielt noch nicht ganz 1000, das neue unvollen-
dete Corpus inscriptionum Atticarum bereits über 5700 attische Inschrif-
ten; im Corpus inscriptionum Latinarum sind bisher mehr als 72000
lateinische Inschriften bekannt gemacht, und beinahe ein Drittel harrt
noch der Veröffentlichung.«
Die Litterat ur ging ebenfalls nicht leer aus: wenn auch kein
vollständiges bedeutendes Litteraturwerk zu Tage gekommen, so fanden
sich doch zahlreiche Bruchstücke von Alkmau, Sappho, Euripides, Ari-
stoteles u. a.
Die Zahl der durch alle diese Funde neu angeregten Fragen ist
aufserordentlich grofs.
Die Endgrenzen der Wissenschaft wurden ebenfalls erweitert,
indem man das Mittel- und Neugriechische, die Schriftsteller des unter-
gehenden Roms etc. heranzog und dadurch neue Beziehungen zur roma-
nischen Philologie, zur Kirchen- und Rechtsgeschichte gewann.
Der Erweiterung nach aufsen entspricht eine Vertiefung nach
innen. «Man darf der klassischen Philologie der Gegenwart unbedenk-
lich das Zeugnis ausstellen, dafs sie sich nicht nur viel schwierigere Auf-
gaben und höhere Ziele steckt, sondern auch viel entsagender arbeitet
als vordem.«
Dies wird nun im einzelnen nachgewiesen auf dem Gebiete der
Lautphysiologie, Semasiologie, Epigraphik, Paläographie, Editionsthätig-
keit. Für die Emendation sind die Ziele höher gesteckt. »Das Inter-
polationsgespenst, welches lange Zeit umging, ist wenigstens in sehr vie-
len Fällen glücklich beschworen worden. Und die einstmalige Panacee,
Schwierigkeiten einer Stelle dadurch zu heben , dafs mau dieselben für
untergeschoben erklärte, hat man als das, was sie ist, als Scheiukur er-
kannt.«
Andererseits aber hat die energische Analyse des Inhalts und
Gedankengangs den Glauben an die Einheitlichkeit mancher Werke
für immer beseitigt. »Lachmanns Methode ist ein Erbe der klassischen
Philologie geworden.«
Auf diesem Wege gelangte man zu einer wahrhaft kritischen
Litteratur- und Kunstgeschichte. Einen Fortschritt in methodi-
scher Strenge weisen auf die historische Kritik, wie die Archäo-
logie. »Auch die Mythologie, das Schmerzenskind der Philologie, ist
zu guter Letzt zur Mündigkeit gelangt.« Aber wenn auch noch manche
wichtige Fragen, wie die Lösung des etruskischen Rätsels, ein attisches
Staatsrecht, eine historische Syntax, ein griechisches und lateinisches
Lexikon, der Zukunft harren, so ist unbestreitbar, dafs die klassische
Philologie zu keiner Zeit so mächtige Fortschritte gemacht hat.
Im grellsten Gegensatz dazu steht die Thatsache, dafs zu keiner
142 Encyklopädie, Mfthodologie etc.
Zeit mehr Klagen über die Beschäftigung mit dem klassischen Altertum laut
wurden als gegenwärtig. Ein angesehener junger Philosoph habe seiner vor
kurzem erschienenen Geschichte des höheren Unterrichtes eine Schlufs-
betrachtung beigefügt, die darin gipfelt, »dafs er den Tag nicht mehr ferne
sieht, wo der Unterricht in den klassischen Sprachen vom Gymnasium ziem-
lich verschwinden, wo Deutsch und Philosophie an deren Stelle treten
werden«. Hier müssen wir übrigens Pauisen - nur dieser kann mit dem
angesehenen jungen Philosophen gemeint sein — gegen Foerster in Schutz
nehmen. Das hat Pauisen in seiner Schlufsbetrachtung nicht gethan. Er
unterscheidet vielmehr zwischen Griechisch und Lateinisch; für jenes
stellt er keineswegs ein vollständiges Verschwinden, sondern nur ein
Fakultativwerdeu in Aussicht. Derselbe sagt S. 780: »(Die Schule) könnte
für die erforderliche Kenntnis der griechischen Sprache etwa durch An-
gebot besonderer Kurse sorgen, wie es gegenwärtig die Gymnasien für
das Hebräische thun; das eigentliche litterarische Studium müfste sie
freilich dem Privatfleifs und dem folgenden Universitätsstudium über-
lassen; womit übrigens keineswegs der Ansicht Ausdruck gegeben sein
würde, dafs die Kenntnis der griechischen Sprache nicht sehr viel grö-
fseren Wert und ausgebreitetere Anwendung als die der hebräischen
habe. Das Griechische wäre damit zu der Stellung zurückgekehrt, die
es im vorigen Jahrhundert an den Lateinschulen einnahm , nur freilich
mit dem L^nterschied, dafs damals die Künftigen Theologen mehr als die
Hälfte, jetzt weniger als ein Viertel der Schülerzahl ausmachen.« Vgl.
dazu noch die hohe Anerkennung des Griechischen unten auf S. 774.
Bezüglich des Lateins aber ist Pauisen der Meinung, dafs es durchaus
unentbehrlich sei. Indem wir diese thatsächliche Berichtigung hiermit
abschliefsen, begnügen wir uns au dieser Stelle mit der objektiven
Wiedergabe.
Den Kern der Klagen über die klassische Philologie sieht Foerster
darin, dafs die klassische Altertumswissenschaft an ihrer Bedeutung als
Humauitäts- Studium, wie Goethe schon sagte, merkliche Eiubufse er-
litten habe. Diese ist aber entstanden durch das »Ueberwuchern der
Spezialisierung«, deren grofse Gefahren für den Beruf des Lehrers
eindringlich geschildert werden. Deswegen aber darf der Spezialisierung
doch nicht der Krieg erklärt werden, und ebenso verderblich wäre es,
die philologischen Universitätsstudieu nur für den praktischen Zweck
einzurichten. Wohl aber soll jeder besonnene Forscher den Blick auf
das Ganze gerichtet halten, und andererseits soll auch der zukünftige
Gymnasiallehrer wissenschaftlich arbeiten lernen. Dadurch wird das Ge-
fühl der Schaffensfreudigkeit, der Sinn für Wahrheit und Wissenschaft
geweckt.
Als Mittel aber gegen das Aufgehen in der philologischen Technik
sagt der Verfasser: »Lieber alle SpezialStudien sei gleichsam als Weihe
ausgegossen die Versenkung in den Geist der Antike, als den Geist
R. Foerster, Die Philologie der Gegenwart. 148
reinster Humanität, den Geist edler Einfachheit und stiller Gröfse, tiefer
Frömmigkeit, besonnener Mafshaltung , strenger Zucht, harmonischer
Entfaltung der körperlichen und geistigen Kräfte. In diesen Geist die
künftigen Lehrer edler dentsclier Jugend nicht das eine oder andere
Mal einzutauchen, sondern wirklich einzuweihen, muCs das A und ß der
Thätigkeit des akademischen Lehrers sein und bleiben in Vorlesungen,
Uebungen, Anweisungen, wie bei festlichen Gelegenheiten.« Besonders
geeignet dazu sind die Werke der Poesie und Kunst, welche deshalb
den Mittelpunkt des philologischen Unterrichtes bilden müssen. Daneben
aber soll die klassische Philologie dafür sorgen, dafs ein Teil der Semi-
narübungen für schulmäfsige Erklärung der Schulschriftsteller und zur
Anleitung im Unterrichten verwendet wird, wie dies z. ß. die Rostocker
Seminarstatuten, welche von Gottfried Hermann verfafst sind, verlangen.
»Sie sorge dafür, dafs wenn dann »der heilige Frühling« junger philo-
logischer Mannschaft aus dem Heim der alma mater auszieht, er an
gereifte und erfahrene Lehrer gewiesen werde, welche sich ihrer als
ältere Freunde annehmen.« Die klassische Philologie der Gegenwart
wendet sich ab von der Zügellosigkeit und Selbstsucht mancher italieni-
schen Humanisten; »sie glaubt, dafs die Hingabe an die grofsen mensch-
lichen Ideen durch die von Christus gewollte Gesinnung verklärt werde,
indem sie erfolge in Demut und aus Liebe, als dem Abbilde der gött-
lichen Liebe.«
L. v. Urlichs Grundlegung und Geschichte der klassischen Alter-
tumswissenschaft (Iwan Müllers Handbuch der klassischen Altertums-
Wissenschaft I S. 30 -126 b).
Für unsere hier gestellte Aufgabe kommt nicht die »Grundlegung«,
sondern nur der zweite Teil, die »Geschichte der klassischen Altertums-
wissenschaft« in Betracht. Zum richtigen Verständnis dieses kurzen Ab-
risses sind die für das Unternehmen Iw. Müllers gezogenen Grenzen zu
beachten, welche die Vorrede zum ersten Bande in folgende Worte
kleidet: »Einerseits gilt es den verschiedenen Anforderungen der Leser
entgegenzukommen: wissenschaftlich ausgebildete Philologen wie an-
gehende Jünger der Wissenschaft und sonstige Freunde des Altertums
sollen in dem Werk die gewünschte Orientierung und Belehrung finden;
andererseits soll von den einzelnen Disziplinen ein anschauliches Bild
nach dem dermaligen Stand der Forschung, wenn auch in gedrängter
Darstellung, gegeben worden. Der Ausführung beider Gesichtspunkte
begegnen unverkennbare Schwierigkeiten. Abgesehen von den hohen
Ansprüchen, die mau an den stellt, der aus der gewaltig angewachseneu
monographischen Litteratur sichtend und ordnend ein überschaubares
Ganzes zu gestalten sucht, ist der Mafsstab dessen, was als bekannt,
was als nicht bekannt vorauszusetzen ist, was der blofsen Andeutung,
was der Ausführung bedarf, je nach dem Stand der Kenntnisse, mit dem
144 Encyklopädio, Metliodologie etc.
der Leser an das Werk herantritt, ein höchst verschiedener etc.« Nach
diesen Worten wird niemand in der Arbeit von Urlichs eine erschöpfende
Geschichte der klassischen Philologie erwarten, ein Nachschlagewerk, in
dem man sich für alle Fälle Rats erholen kann. Es ist vielmehr eine
Übersicht über den Gang der Entwickehing, in die nnr so viel biogra-
phisches Material aufgenommen wurde, als nötig war, um die charak-
teristischen Richtungen und Züge zu beleuchten.
Abschnitt I behandelt »das Altertum«. Wir werden kurz einge-
führt in den Gegensatz der alexandrinischen und pergamenischen Gram-
matikerschule, der Schulen des Aristarch und Krates von Mallos. Der
letztere wurde das Bindeglied zwischen griechischer und römischer Wis-
senschaft: 159 v. Chr. wandert er nach Rom und läfst sich daselbst nieder.
Unter den römischen Philologen zeichnet sich zunächst M. Terentius
Varro aus, der »als das Muster eines Philologen dem Umfange seiner
Kenntnisse und der Fruchtbarkeit seiner vielseitigen Schriftstellerei nach«
gelten kann (S. 33). Didymus, Apollonios Dyskolos und Herodianos
werden kurz gewürdigt. Aus den Gelehrten des kaiserlichen Rom ragt
besonders Quintilian hervor mit seinen Büchern de institutione oratoria,
»eine Schrift, der die griechische Litteratur kein gleiches an die Seite
setzen kann« (S. 35).
Von der Schriftstellerei der letzten Jahrhunderte der Kaiserzeit
sagt Urlichs, dafs sie in demselben Grade äufserlich zunahm, wie ihr
innerer Wert zurückging. Der Afrikaner Martianus Capella und Theo-
derichs ausgezeichneter Staatsmann Cassiodorius Senator stehen an der
Schwelle von Altertum und Mittelalter und wirken bestimmend auf das
letztere ein.
Der zweite Abschnitt »das Mittelalter« ist etwas dürftig geraten.
Auf nicht ganz zwei Seiten werden uns einige Angaben über Isidorus
von Sevilla (570- 636), Alkuin, Rhabanus Maurus, Beda, auch einige
Byzantiner gemacht. Die Armut dieses Kapitels hätte aus dem Werke
von A. Specht (Geschichte des Unterrichtswesens in Deutschland. Stutt-
gart 1885) bereichert werden können. So lassen sich auch zu den S. 38
aufgezählten lateinischen Historikern, die man im Mittelalter las, noch
manche andere hinzufügen.
Inhaltsreicher ist Abschnitt III: »Die Wiederbelebung der klassi-
schen Studien, die italienische Periode.« Die ganze Epoche wird damit
charakterisiert, dafs ihre guten Seiten, das Streben nach besserem Latein,
das Aufsuchen und Bekanntmachen von alten Handschriften etc. hervor-
gehoben, zugleich aber bemerkt wird, dafs die Konzentrieruug einer phi-
lologischen Wissenschaft späteren Geschlechtern vorbehalten geblieben.
Nach Petrarka, den berühmten Florentiner Humanisten, Poggio etc. fin-
den auch weniger bedeutende kurze Würdigung, wie der Grieche Ma-
nuel Chrysoloras, der ältere Guarino, Cyriacus oder Ciriaco Pizzicolli,
der wifsbegicrige Kaufmann von Ankona, »ein älterer Schlieinann«, und
ürlichs, Geschichte der klassischen Altertumswissenschaft. 145
viele andere. Auch der canis grammaticiis Fr. Robortelli (1516-1566),
der aucli ein giündliclier Hellenist war, ist nicht vergessen. Der Ab-
schnitt schliefst: »Im ganzen darf man sagen, dafs die Studien der An-
tike seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts mehr rück- als vor-
wärts gingen.« (S. 48.)
Im vierten Abschnitte »französisch- belgische Periode« werden aus
der grofsen Zahl französischer Philologen im 16. Jahrhundert die wich-
tigsten hervorgehoben: Dionysius Lambinus, der bekannte Gegner der
Scholastik au der Pariser Universität, Wilhelm Bude, der Verfasser des
Coniinentarius linguae Graecae (I52ü), Peter Danes oder Danesius, Adrian
Turnebus. sodann die Gelehrten und Buclidnicker Stepliani oder Estieiine,
ferner das glänzende üreigestirn Josef Scaliger, Isaak Casanboims,
Justus Lipsius, »denen in einigem Abstand als vierter Claudius Salmasius
sich anreiht«. Auch die gelehrten Jesuiten des 16. und 17. Jahrhun-
derts, wie l'etavius und Sirmond, sind niclit vergessen.
Als Unterabteilung des vierten Abschnittes ist »Deutschland« auf-
geführt, wobei bis auf die deutsche Frührenaissance. Männer wie Peter
Luder von Kislau, znrückgegriti'en wird Wilibald Pnkheimer {warum
nicht Pirckheimer?) und ein anderer Nürnberger, tiartmann Schedel, der
gelehrte Koniad Peutinger in Augsburg, ein umsichtiger Sammler von
Münzen und Inschriften, Konrad Celtis, der Finder der Tabula Peutin-
geriana, Desiderius Erasmus werden genannt, sowie seine drei tüchti-
gen jihilologischen Schüler uud Freunde ßeatus Rhenanus, Sigmund
Gelenins und Heinrich Glareanus, von denen übrigens der fleif-.ige Her-
ausgeber Rhenanus doch derbedeutendste sein dürfte. Wenn aber sodann
J. Canierarius und Micyllus kurz skizziert werden, so sieht man nicht
ein, wesiialb nicht vor allem Melanchthon. der Lehrer dieser beiden und
vieler andern dazu, gcliührend gewürdigt ist. Nicht richtig ist es.
wenn auf S. 62 Rudolph (warum nicht besser Rudolf?) Agricola und
Jakob Wimpfejing (so und nicht Wimpheling ist walirsclieinlich die rich-
tige Schreii)ung) als die Stifter des Heidelberger Humanismus bezeichnet
werden. Heidelberg hatte schon in den 50er und 60er Jahren eine
humanistische Blütezeit erlebt: damals waren Peter Luder, Matthias
Widniann von Kemnat und ihre Freunde die Vertreter des neuen Geistes
in der schönen Neckarstadt. Vgl. darüber meinen Aufsatz: »Heidel-
berg und der Humanismus« in d. Zeitschrift f. Allgem. Gesch etc. 1885.
Heft 3, S. 177 — 195. — Aber die späteren deutschen Philologen hatten
keine grofse Achtung im Auslande. Der gröfste der damaligen Philo-
logen, nämlich Scaliger, sagte: Germani liodie valde fatui sunt et in-
docti. Die Elsässer und Heidelberger Philologen, Johannes Freinsheira
und seine Schule, schliefsen den Abschnitt ab.
Die »niederländisch- englische Periode«, der fünfte Abschnitt, schil-
dert jene Blütezeit der klassischen Philologie, welche durch die Namen
Hugo Grotius, Nikolaus Heiusius, Gronovius, Gerhard Joh. Vossius etc.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LII. (1887. III.) \Q
1 46 Geschichte d^r klassischen Altertumswissenschaft.
iü den Niederlanden und besonders Bentley bezeichnet wird. Letzterer
ist »der zweite Fürst der Wissenschaft«. Kurz läfst sich von ihm sagen:
»Er ist der erste und gröfste Kritiker gewesen und geblieben« (S. 77).
Gerühmt werden an ihm die wunderbare Leichtigkeit, womit die scharf-
sinnigsten Konjekturen ihm entströmen, die tiefe Gelehrsamkeit, die ihn
zum ausgezeichnetsten Wortkritiker macht, die völlige Beherrschung des
Stoffes, vor allem aber seine neue und mafsgebende Methode. Von seinen
Werken werden besonders hervorgehoben seine Epistola ad Millium in
der Ausgabe des Johannes Malala, die meisterhaften Streitschriften über
die falschen Briefe des Phalaris (wobei S. 78 der unangenehme Druck-
fehler »unentbehrliche« für »entbehrliche« vorkommt), die Behandlung
des Kallimachus in der Ausgabe des Graevius, die Ausgabe des Teren-
tius mit den Fabeln des Phädrus, bei dem das vorangedruckte Sche-
diasma de metris Terentianis eine schöpferische Leistung war. Gegen
einen solchen Stern (velut Stella inter ignes minores) treten Markland,
Davies, Tyrwhitt, Porson, Elmsley u. a. weit zurück. Selbst auf die er-
mattete holländische Gelehrsamkeit wirkte Bentleys Einflufs belebend und
reinigend zurück: Beweise dafür sind Tiberius Hemsterhuis, Caspar Lud-
wig Valckenaer und David Ruhnkenius. Der Schlufs dieses Abschnittes
wird durch zwei kurze Mitteilungen über die italienischen und franzö-
sischen Philologen des 17. und 18. Jahrhunderts gemacht.
Der sechste Abschnitt ist »die deutsche Periode«. Der Verfasser
findet, dafs es keine Anraafsung ist, wenn man der Philologie des 19. Jahr-
hunderts diesen Namen gebe. Unter dem Einflufs verschiedener Um-
stände erstarkte die deutsche Philologie: der Wetteifer der jungen Uni-
versitäten Halle und Göttingen mit Jena und Leipzig, die Blüte der
Nationallitt eratur, eine ideenreiche Philosophie. Die Namen Lessing,
Winckelmann, Herder, Goethe, Schiller sprechen deutlich. Dazu kommt
»das Erbteil der Deutscheu, der Fleifs« und der forschende Ernst. Zu-
nächst ist blofs der Fleifs an den deutschen Philologen zu rühmen. Joh.
Albert Fabricius, der sächsische Schulmann Hederich, dessen Lexicon
mythologicum »bis auf die neuere Zeit manchem Archäologen als eine
verschwiegene Fundgrube gedient hat«, Heusinger, Kortte, Damm, beson-
ders Joh. Math. Gesner und Joh. Aug. Ernesti, von denen der erstere der
bedeutendere ist, und dessen Schriften nach pädagogischen Gesichts-
punkten zu beurteilen sind. Von Ernesti wird geurteilt: »Als Kritiker
flach, in der Erklärung verständig, ist Ernesti lange überschätzt worden.
Er war ein gewandter Latinist und hatte sich einen guten Begriff der
Latinität aus Cicero gebildet; seine Exegese ist dürftig: was die Hol-
länder, unter denen er Ruhnken besonders schätzte, zu viel, das that er
zu wenig, und vor der divinatorischen Kritik hatte er eine heilige Scheu
etc.« Sein Schüler ist Christ. Gottlieb Heyne aus Chemnitz, 1762 nach
Göttingen berufen, der eine Reihe von Jahren allgemein verehrtes Schul-
haupt war und den Ruf des gröfsten deutschen Philologen genofs. Die
Urlichs, Geschichte der klassischen Allertumswissenschaft. 147
Ausgaben von Vergil und Ilias sind seine bedeutendsten Arbeiten. Aber
bedeutender als die Leipziger Schule ist der wunderliche Autodidakt.
Job. Jak. Reiske, beachtenswert als Gräzist und Orientalist.
Der erste Student und Professor der Philologie war Friedrich
August Wolf aus Haynrode bei Nordhausen (1759 — 1824). Epoche-
machend waren seine Prolegomena zur Ilias, welche die Konsequenzen
ans den von Villoison veröfl'entlichten Venetianischen Homerscholien zogen.
Seine Fehde mit seinem ehemaligen Lehrer Heyne in den Briefen au
diesen (1797) und die Fortsetzung der Fehde durch Vofs und Eichstädt
veranlafste Heine, sich auf andere Gebiete zurückzuziehen. Wolfs Blüte-
zeit ist die Thätigkeit in Halle. »Er hat die deutsche Philologie von
dem Übergewicht der holländischen befreit; er hat der methodischen
Kritik durch seinen Homer den Weg gewiesen; er hat endlich seine
Bemühungen vorzugsweise den edelsten Werken der Litteratur zuge-
wendet.« (S. 101).
Die Darstellung der Geschichte der deutschen Philologie ist sodann
unterbrochen durch einen kurzen Überblick (S. 101- 107) über die gleich-
zeitigen Philologen in den Niederlanden (Wyttenbach, Hofmann -Peerl-
kamp, »durch gelehrte und geistreiche Hyperkritik merkwürdig«), Frank-
reich (Villoison, Boissonade, Thurot, Miliin etc.), Elsafs (Brunck, Schweig-
häuser) und England (Porson, Elmsley, Gaisford, Clinton, Dodwell etc.).
Hierauf kehrt der Verfasser im »zweiten Abschnitt'* wieder zu den
Deutschen zurück (S. 107- 126 bj.
Zu den Gegnern Heynes gehörte sein eigener Schüler Job. Hein-
rich Vofs (1751 — 1826), welcher den Lehrer mit grimmigem Hasse ver-
folgte, und der, auch von seinen dichterischen Verdiensten abgesehen,
für die Philologie viel gethan hat (Mythologische Briefe, sachliche Er-
klärung der Georgica, Entdeckung des Lygdamus etc.). Doch Heyne
hatte auch dankbare Schüler, wie Jacobs, Schneider, Thiersch u. a., die
kurz geschildert werden.
Auch Wolf zerfiel mit manchen Schülern, wie z. B. mit L. Hein-
dorf. Auf andere dagegen wirkte er noch lange bestimmend ein, z. B.
Imm. Bekker; auch Schleiermachers Platostudien waren nicht ohne Wolfs
Anregung, wiewohl das Beste daran der Theologe selbst gethan hat.
Wolfs Einflufs dauerte auch mittelbar fort, als sich »unter einem
ebenbürtigen Nachfolger eine neue philologische Schule gebildet hatte«:
Gottfried Hermann aus Leipzig (1772—1848) war der gefeiertste Lehrer
einer zahlreich zusammenströmenden Jugend, auf dem Katheder durch
jede Art von Vorzügen glänzend, seit 1801 auch in dem engeren Räume
einer philologischen Gesellschaft wirksam. In seinen vielfachen Fehden
vielleicht nicht immer billig, ist er stets bemüht, die reine Philologie,
wie er sie anffafsfe, vor den Trübungen der Neuerer zu schützen. »In
der Kritik leistet Hermann das Höchste, was ohne die diplomatische
Wertschälzuug der Handschriften erreicht werden kann.«
10»
148 Geschichte der klassischen Altertumswissenschaft,
Seiu grofser Gegenpart war August Böckh aus Karlsruhe ( 1785
bis 1867), ein Schüler Wolfs in Halle, der nach kurzer Lehrthätigkeit
in Heidelbeig 1811 nach Berlin berufen wurde, das neben Schleiermacher
und Hegel seinen Ruhm hauptsächlich ihm verdankte. Mehr als 50 Jahre
als Lehrer thätig, hat er mit unermüdetem Fleifse gewirkt und Tau-
senden von Zuhörern sein besonnenes Urteil und seine umfassende Ge-
lehrsamkeit mitgeteilt. »Man darf ihn als den Meister preisen, welcher
die realen Disciplineu der Altertumswissenschaft auf die gleiche Höhe
mit der Kritik und Hermeneutik gehoben hat.« (S. 116).
Neben Nicbuhr, Eckhel, Naeke erhält besonders Gottlieb Welcker
(1784—1868) eine eingebende und pietätsvolle Würdigung. Gerühmt
wird sein »Blick auf das Ganze, der dem sinnreichen und sinnenden
Forscher den Beinamen eines weisen Sehers erworben hat«. In seiner
Fehde mit G. Hermann über die Tetralogieen hat er schliefsHch in der
Hauptsache Recht erhalten, wie Hermann selbst zugibt.
Ebenfalls mit G. Hermann kämpfte Karl Ottfried Müller aus Brieg
(1797 — 1840), Böckhs fähigster Schüler, als akademischer Lehrer in
Göttingen geliebt und bewundert, Historiker und Philologe zugleich, der
neben dem älteren Lenormant auf dem Kolonos ein würdiges Grab ge-
funden, ein Opfer seines glühendenden Eifers.
Neben dem bescheidenen Göttling finden achtungsvolle und aner-
kennende Erwähnung Hand, Nipperdey, Preller, Gruppe, Schoell, Lobeck,
Meineke, Bergk, Ahrens, Schneidewin, ßamberger u. a. Eine besondere
Bedeutung hat der fiüh verstorbene Karl Reisig (1792 - 1829), Her-
manns genialster Schüler, dessen Vorlesungen über lateinische Sprach-
wissenschaft von Haase herausgegeben wurden.
»Wenn Reisig nur einen Schüler gebildet hätte, würde man seinen
Einflufs hoch anschlagen müssen: Friedrich Ritschi aus Grofs-Vargula
in Thüringen (1806 - 1876).« Nachdem er sich 1829 in Halle habilitiert,
1832 aufberordentlicher und 1833 in Breslau ordentlicher Professor ge-
worden, wurde er 1839 nach Bonn versetzt, ging 1865 infolge widriger
Streitigkeiten mit 0. Jahn nach Leipzig, ȟberall mit gleicher Kraft
und gleichem Erfolge als akademischer Lehrer« wirkend. Bezüglich des
Streites mit Jahn sagt Urlichs »Mit beiden Parteien befreundet, enthalte
ich mich über jenen traurigen Streit, dessen Verlauf man in 0. Ribbecks
Buche über seinen Lehrer nachlesen mag, eines Urteils; den Entschlufs
Ritschis, sein Amt in Bonn aufzugeben, darf ich männlich und mutig
nennen. Seine Veidienste um die Tragiker, besonders Aeschylos, Plautus,
die Inschriften , die Geschichte der lateinischen Sprache, um das Ver-
ständnis des Saturniers etc. werden in Anerkennung dargelegt und zugleich
bemerkt, dafs Ritschi alles, was er anfafste, entweder zum Abschlufs oder
doch einen tüchtigen Ruck vorwärts brachte.
Karl Lachmann aus Braunschweig (1793—1851), der eine uner-
schütterliche Theorie der diplomatisch-historischen Kritik aufstellte und
Urlichs, Geschichte der klassischen Altertumswissenschaft 149
an mehreren Schriftstellern auch ausübte; Otto Jahn aus Kiel (1813 Ms
1869), der Rivale Ritschis, gründlicher Exeget und methodischer Archäo-
loge, mit ihren Schülern schliefsen die Reihe der Norddeutschen ab.
Die süddeutschen Hochschulen mit ihren zum Teil auch aus dem Norden
stammenden Schulhäuptern erfahren zum Schlüsse noch kurze Würdi-
gung: in Bayern Friedrich Thiersch, Spengel, Döderlein, Nägelsbach, in
Heidelberg Fr. Creuzer und sein Schüler Kayser, in der Schweiz Rremi,
Orelli, Köchly, dessen Thätigkeit »auch in Heidelberg lehrreich und
anregend« war. Eine nur zu kurze Zusammenstellung der Litteratur
schlieft das Ganze ab.
Wenn die lebenden Philologen, von denen manche doch auch schon
einen historischen Namen besitzen, fragen, warum sie fehlen, so erklärt
der Verfasser am Ende, dafs er sich grundsätzlich versagt habe. Mit-
lebende zu erwähnen. Nur diejenigen, deren Thätigkeit durch den Tod
abgeschlossen, erhielten eine Stelle in dieser Geschichte der Philologie.
Wohithuend an Urlichs Darstellung ist die leidenschaftslose Ruhe,
mit der das 19. Jahrhundert behandelt wird. Statt der Schwächen und
Unzulänglichkeiten berichtet der Verfasser lieber von den guten Eigen-
schaften, die jeder der Philologen aufzuweisen hat. Keiner Partei un-
bedingt augehörend, seine Fäden nach verschiedenen Seiten spinnend,
sucht er in objektiver Weise allen gerecht zu werden.
Was die Gruppierung des Stoffes betrifft, so war der Gedanke,
die verschiedenen Richtungen, im Anschlufs an die litterarischen Fehden
Gottfried Hermanns zu skizzieren, vielleicht nicht sehr glücklich. Eine
mehr sachliche Einteilung hätte den Vorzug gröfserer Übersichtlichkeit
gehabt. Auch hätten in verschiedenen Perioden die allgemeinen Zeit-
und Kulturverhältnisse, auf deren Boden die Gelehrten erwuchsen, aus-
giebiger geschildert werden sollen. Es würde der Darstellung gewifs
genützt haben, wenn die biographische Anordnung des Stoffes etwas zu-
rückgedrängt worden wäre. Die Lektüre des Buches wird dadurch er-
schwert, dafs Urlichs vielfach die Einschachtelung des weniger Wich-
tigen in das Wichtigere anwendet und dadurch den ruhigen Flufs der
Darstellung aufhält.
Im einzelnen sind wenig Ausstellungen zu machen: S. 58 wird
Peter Luder »wunderlich« genannt, jedenfalls ein sonderbares Prädikat
für den lebenslustigen und leichtfertigen Pfälzer Humanisten. Die Be-
zeichnung Elsässer »Schulmann« für den bekannten Jakob Wimpfeling
(S. 62) ist jedenfalls unrichtig. Denn Wimpfeling hat meines Wissens
nie einer eigentlichen Schule vorgestanden. Er hat an Universitäten
gelehrt, auch Zöglinge privatim erzogen, und nur seine Theorie bezieht
sich auf die Schule. Sodann könnte man nach S. 62 annehmen, der Ver-
fasser meine, Rudolf Agricola sei Lehrer an der Universität Heidel-
berg gewesen. Das ist bekanntlich nicht der Fall. Agricola hat in
Heidelberg gelehrt, ohne irgend welche offizielle Beziehung zur Univer-
150 Geschichte der klassischen Altfitumswissenschaft.
sität, deren Lehrkörper er nicht angehört hat. — Ein störender Druck-
fehler ist S. 119 Gottfried für Ottfried Müller.
Im übrigen aber verdient diese knappe Geschichte der Philologie
warme Empfehlung Sie erfüllt gewifs ihren eigentlichen Zweck, d.h.
sie führt schnell und sachgemäfs in den Stoff ein , wenn auch der Stil
oft etwas schleppend ist.
Dagegen hat die am Schlüsse angehängte Bibliographie in dieser
dürftigen Form kaum irgend welchen Wert. Die Mehrzahl der Mitarbeiter
am Handbuch hat auch viel reichere und ausgiebigere bibliographische
Angaben. Aus den wenigen Büchertiteln, die hier ohne rechtes Prinzip
zusammengestellt sind, läfst sich keine rechte Orientierung gewinnen.
Dr. Franz X. von Wegele, Geschichte der deutschen Historio-
graphie seit dem Auftreten des Humanismus. Auf Veranlassung Sr.
Majestät des Königs von Bayern herausgegeben durch die historische
Kommission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Mün-
chen und Leipzig. 1885. VH. und 1093 S.
Das umfassende Werk ist Band 20 der Geschichte der Wissen-
schaften, welche die Münchener Akademie veranlasst hat, und deren
19. Band Bursians Geschichte der Philologie ist. Obgleich dasselbe unser
Gebiet nur streift, verdient es doch eine kurze Berücksichtigung an dieser
Stelle. Manche Abschnitte berühren sich an vielen Punkten mit den
entsprechenden Abschnitten bei Bursian. So gibt z. B. Kapitel 2 des
ersten Buches (S. 30-90) eine Schilderung der historischen Leistungen
des deutschen Humanismus. Nachdem die hervorragendsten italienischen
Historiker humanistischer Richtung im 15. Jahrhundert vorgeführt sind
und deren Einflufs als ein wohlthätiger und befruchtender bezeichnet ist,
werden die deutschen Humanisten, soweit sie zu der Geschichte Beziehung
haben, dargestellt. Der Verfasser beginnt mit dem Heidelberger Huma-
nistenkreis und bespricht besonders eingehend die Frage nach jenem bis
jetzt nicht wieder aufgefundenen Geschichtswerk, das für Kurfürst Phi-
lipp von der Pfalz aus den Alten zusammengestellt worden war. Hart-
maun Schedel (so ist S. 48 der Druckfehler zu verbessern), Johannes
Nauclerus, Konrad Celtis, Johannes Trithemius werden skizziert und dann
die Bedeutuug des Kaisers Maximilian I. für die deutsche Kultur ge-
schildert. - Aus dem zweiten Buche (Zeitalter der Gegenreformation
und des Stillstandes) sind für die Geschichte der Philologie von beson-
derem Interesse die Abschnitte: die Historiomathie und die Chronologie
(S. 344 ff.), aus dem dritten Buch der Abschnitt: »die historischen Hilfs-
wissenschaften« S. 542-562. Aus dem letzten Buch ist von besonderer
Wichtigkeit die Charakteristik B. G. Niebuhrs S. 995 ff., den Wegele
sehr hoch stellt: »Als der eigentliche Reformator unserer Gechichts-
schreibung gilt B. G. Niebuhr. Ihm gegenüber zu treten, heifst das Herz
höher schlagen machen, ihn der Nation in erschöpfendem Mafse in das
Fr. N. Wegele, Goschichte der deutschon Historiographie. 151
Gedächtnis zurückrufen zu dürfen , mag als eine beneidenswerte Aufgabe
erscheinen.« Selbstversändlich hat Wegele für die mehr philologischen
Abschnitte seines Werkes die Arbeit Bursiaus eingehend benützt.
Immer zahlreicher werden in den letzten Jahren die Arbeiten, welche
sich mit der Geschichte des Humanismus beschäftigen. Beginnen
wir, dem Laufe der Geschichte folgend, mit dem italienischen Hu-
manismus.
E. Abel, Isota Nogarola ( Geigers Vierteljahrsschrift I 323 — 355.
440-473).
Zu den bemerkenswertesten Gestalten der italienischen Renais-
sance gehört die geistvolle Isota Nogarola, aus einer der ältesten Adels-
familien Ober-Italiens. Wenn der Ahnherr dieser Familie schon im Ge-
folge Karls d. Gr. nach Italien gekommen sein soll, so hätte Abel dazu
bemerken dürfen, dafs sehr zahlreiche Adelsfamilien ihren Ursprung auf
Karl d. Gr. und seine Zeitgenossen zurückführen wollen. Die diplo-
matischen Nachweise fehlen aber in der Regel so vollständig, dafs auch
eine nur oberflächliche Prüfung das Luftige solcher Ansprüche nachweisen
kann. Die Familie der Nogarolas brachte eine Reihe hervorragender
Namen hervor: ein Giovanni Nogarola dichtete italienische Sonette und
Canzonen; Leonardo Nogarola, der Bruder Isotas, veröffentlichte theolo-
gische Schriften; Girolamo Nogarola ist ein eleganter lateinischer Dichter
etc. Die Männer werden durch die Frauen des Hauses fast noch über-
troffen : da sind zu nennen die gelehrte Antonia Nogarola und die noch
berühmtere Angiola Nogarola, die Tante Isotas, von der lateinische Ge-
dichte, Briefe etc. erhalten sind, ferner Nostra, Lucia, Laura, Guilia im
15. und Caterina im 16. Jahrhundert. Der gröfste Stolz der Familie
aber sind die Schwestern Zenevera und Isota.
Da der Vater Leonardo früh starb, wurden sie von ihrer Mutter
Bianca erzogen, die mit Cornelia, der Mutter der Graccheu, gelegentlich
verglichen wurde. Der Unterricht der beiden Mädchen wurde dem Vero-
neser Humanisten Martin anvertraut, welcher vielleicht Rixenius mit
Zunamen geheifsen hat. Der Erstlingsversuch Isotas im Gebiet der la-
teinischen Humanistenepistel dürfte ein Brief an Ermolao Barbaro sein,
worin sie ihm zur Erhebung zum apostolischen Protonotar Glück wünscht.
Der erste sicher datierte Brief ihrer Sammlung ist ein vom 1. Februar
1436 datierter Brief des Humanisten Giorgio Bevilacquas, mit dem Isota
und ihre Schwester die gleiche geistige Richtung teilten. Auch mit andern
Humanisten werden briefliche Verbindungen angeknüpft, z. B. mit Giacomo
Foscari, dem Sohne des Dogen Francesco Foscari, in Venedig, und dem
berühmten Guarino, der aber im Antworten sich etwas spröd zeigte.
Um so eifriger bemühten sich andere humanistisch gebildete Män-
ner, mit den Schwestern, die bald zu Ansehen und Ruhm gelangten, eine
lebhafte Korrespondenz zu unterhalten, z. B. Girolamo jGuarino, der
152 Geschichte dps Humanismus.
Sohn des berühmten Guarino, der Veroneser Lodovico Cendrata, Nic-
colo Veniero, Antonio Cassario aus Palermo, Feltrino Boiardo. Niccolo
Barbo u. a.
1438 flüchtete Isota vor dem Kriegsgetümmel und der in Verona
wütenden Pest nach Venedig, wo sie drei Jahre im Hause ihres Ver-
wandten Antonio Borromeo verweilte. Zenevera dagegen heiratete 1438
Brnnoro Gambnra. einen vornehmen Brescianer, und verschwindet vom
litterarischen Schauplatz. In die Zeit von lo^^tas venetianischem Aufenthalte
fällt die Korrpspondenz mit Damiano dal Rorgo. dessen Briefe an Isota
lebens- und inhaltsvoller sind als die Antwortschreiben der Adressatin.
1441 dürfte Isota wieder nach Verona zurückgekehrt sein, und
damit beginnt ein neuer Abschnitt in ihrem Leben. Sie zieht sich von
ihren humanistischen Freunden zurück und widmet sich ausschliefslich
theologischen Studien Dem Beispiel ihres Bruders Leonardo folgend,
hatte sie schon in früher Jngend Interesse für die Kirchenväter gehabt.
Zahlreiche Freier aber wies sie ab, um ganz ihren Studien leben zu
können. 14.'iO, im Jahre des grofsen Jubiläums, unterbrach sie ihre
Studien, um nach Rom zu pilgern. Hier wurde ihr die unerwartete Ehre
zu teil, vor dem Papste Nikolaus V. . bekanntlich einem gebildeten Hu-
manisten, eine lateinische Rede halten zu dürfen, deren feine Eleganz
die Zuhörerschaft entzückte.
1451 wurde sie mit Lodovico Foscari, dem venetianischen Statt-
halter in Verona, bekannt. Eine Frucht ihres geistigen Verkehrs war
der Dialog über den Sündetifall Adams und Evas, worin Isota für Adam
Paitei ergreift Die 1.563 im Drucke erschienene Rezension des Dialogs
ist eine- Fälschung, für einen bestimmten festlichen Anlafs zurecht ge-
macht. Der Verkehr Isotas mit Foscari dauerte (durch Briefe) auch
fort, als dieser Verona verliefs.
Später ergab sich Isota immer mehr religiösen Übungen und Betrach-
tungen neben ihren Studien, und nur selten unterbrach sie ihr weltflüch-
tiges Leben, wie im Jahre 1453, wo sie den vom Papste zum Bischof
von Verona ernannten Ermolao Barbaro mit einem lateinischen Briefe
begrüfste.
Auf Wunsch eines gewissen Paters Victor de Rosatis hielt Isota
ihre noch erhaltene Rede über den heiligen Hieronymus. An Papst
Pins II. richtete sie zur Zeit des Konzils von Mantua (1459) eine latei-
nische Epistel, worin sie mit begeisterten Worten zu einem Kreuzzuge
gegen die Türken aufforderte. 1461 schrieb sie ihren berühmten Trost-
brief an Jacobus Antonius Marcellus über den Tod von dessen achtjäh-
rigem Sohne Valerio. 1466 ist sie schon krank und wahrscheinlich bald
nachher auch gestorben.
Abel erklärt Isota für so bedeutend, weil sie unter den gelehrten
und schriftstellernden Frauen der Zeit allein eine prononcierte litterari-
sche Individualität sei, deren Entwickelung man von der Jugend bis an
E. Abel, Isota Nogaroia. 153
ihr Lebensende verfolgen könne. Ihre Hauptstärke liege in der ge-
schickten Handhabung der lateinischen Form. Wenn ihren Werken auch
kein absoluter Wert beiwohne, so seien dieselben doch von den Zeit-
genossen bewundert und sie selbst um dieselben beneidet worden. Der
Verfasser glaubt deshalb Isota Nogarola unter die interessantesten Ge-
stalten der Frührenaissance einreihen zu müssen.
Dieser Aufsatz ruht auf dem soliden Fundamente des folgenden
Werkes:
Isotae Nogarolae Veronensis opera quae supersunt omnia.
Accodunt Angeiac et Z^noverae Nogarolae epistolae et carmina. Col-
legit Alexander comes Apponyi. Edidit et praefatus est Euge-
nius Abel. Vindobonae apud Gerold et socios 1886. — Vol. I.
S. CLXXII und 269. Vol. II. S. 477.
Graf Apponyi. dessen Grofsmutter eine Nog.arola war, scheint die
Handschriften aufgesucht und Abel die eigentliche Editionsthätigkeit be-
sorgt zu haben. Der Inhalt der sehr schön ausgestatteten und mit einem
Bilde Isotas versehenen zwei Bände ist folgender: l. Eine lateinisch ge-
schriebene Vita der Isota von Abel. S. I ~ CLV. — 2. Bericht über die
Handschriften, aus denen die Ausgabe geschöpft ist. Beispielsweise seien
genannt ein Codex Vindobonensis 3481, Veronensis 2.56, Vaticanus 5127,
3194, Riccardianus 779, Arundelianus 138, Basileensis T. VIII 18, Pari-
sinus 8.580 u. a. — 3. Isotae Nogarolae Codex Epistolaris Pars I.
5. 3-269, enthaltend den Briefwechsel von 1433 (-36?) bis 1441.—
4. Pars II in Bd. II mit den Briefen von 1442 bis 1466. — 5. Isotae No-
garolae de Pari aut Impari Evae atque Adae Peccato Dialogus. —
6. Quaestio, utrum Adam an Eva magis peccaverit. — 7. Eiusdem Elegia
de laudibus Cyanei ruris. — 8. Reden Isotas; Oratio ad Hermolanra
Barbarum Praesulem Veronensem und Oratio in hiudem beati Hieronymi.
An die Werke Isotas schliefsen sich die litterarischen Denkmäler
von zwei anderen berühmten Frauen der Familie: 1. Gedichte und Briefe
von und an Angela Nogarola. — 2. Vier Briefe von Zenevera Nogarola.
Eine Appendix enthält zumeist Schriftstücke über Isota Nogarola,
z. B. lo. Marii Philelphi Soneti ad laudem Isotae Nogarolae, Philippus
Bergomensis de Isota Nogarola, ferner Omniboni Leonicensis oratio fu-
nebris pro Elisabetha de Nogarolis etc.
Einige Tafeln mit Faksimiles der benutzten Handschriften sowie
ein leider sehr mangelhafter Index der Namen macht den Schlafs des
sonst verdienstvollen und nützlichen Quellenwerkes. Abel hätte sich noch
gröfseren Dank verdient, wenn er auch die zahlreichen Citate aus Pro-
fanschriftstellern und der Bibel nachgewiesen hätte.
Da Isota einen ausgedehnten Briefwechsel mit hervorragenden Ver-
tretern der Renaissance unterhielt, so ist diese Ausgabe ihres Codex
epistolaris eine wichtige Quelle für die Geschichte des Humanismus in
154 Geschichte des Humanismus.
Italien während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Aus der Menge
beachtenswerter Namen mögen nur einige hervorgehoben sein : Omai-
bonus Leonicensis, Georgias Bevilacqua, Jucobus Foscarus, Guarinus
Verouensis, Leonellus Estensis. Damianus Burgus, Andreas Contrarius
und andere.
Remigio Sabbadini, Briefe des Guarino von Verona (Geigers
Vierteljahrsschrift I 103—116. 504—518.)
Der als fleifsiger Herausgeber von Humanistenbriefeii bekannte
italienische Gelehrte benützte für diese Publikation neben zahlreichen
italienischen Handschriften (aus Venedig, Mailand, Rom, Neapel, Ferrara,
Mödena) auch Material aus Münchener Codices, bei dessen Erliinguug
ihm A. Wilraanns und Th. Stangl behilflich waren. Die erste Serie
der mitgeteilten Briefe, denen Anmerkungen mit sachlichen Erklärungen
beigegeben sind, enthält sechs Nummern von 1414 bis 1439. Dieselben
sind gerichtet an; Viilesius, Antonius Corbinelli, Thomas aus Fano und
Zeno Othobellus, Joann( .s Lamola, Jacobus Foscari, Leonardo Giustiniano
und Andrea Giuliano. Interessant ist besonders Brief Nr. 2, worin
Guarino die Ehe gegen Corbinelli verteidigt: Mulieres magno philoso-
phantibus impedimento esse dicis, quod quam verum sit, uon intellego . . .
Quodsi hasce propter res nuptias iucrepas, quia laborem, curam, sollici-
tudiuem afferunt, cave ne virtutem quoque increpare cogaris, und nun
folgen echt humanistische Gründe: auch Cato, Gracchus, Scipio, Cicero,
Brutus, Caesar, Sokrates, Solon, Plutarch (eine schöne Reihenfolge!) seien
Beweise für Guarinos Ansicht; denn sie hätten sich, obgleich Ehemänner,
im Krieg und Frieden ausgezeichnet. Auch Chryosoloras , doctissimus
ac prudentissimus hac aetate homo, sei in die Ehe getreten. — Die zweite
Serie enthält 19 Briefe Guarinos au Flavio Bioudo und andere Gelehrte
von 1422—1428, welche die 1879 erschienene Monographie von Alfied
Masius über Flavio Biondo erfreulich ergänzen. Den Schlufs bilden
vier Schriftstücke (darunter ein Brief des Flavio Biondo), in denen Nach-
richten über Biondos Geschichtswerk enthalten sind. — Als Druckfehler
habe ich mir notiert S. 103, Anm. 1: in den Guarinos Briefen. S 106,
Zeile 11 von unten ac für ae.
Vom italienischen Humanismus wurde zunächst der französi-
sche befruchtet.
Ludwig Geiger, Studien zur Geschichte des französischen Huma-
nismus. I Publio Fausto Andreiini aus Forli. IL Ein lateinisches
Epos über die Jungfrau von Orleans. III. Tardif als Poggioübersetzer
(c. 1490). (Vierteljahrsschrift für Kultur u. Litteratur der Renais-
sance I S. 1—48. 297-322. Nachtrag zu I S. 533—539).
Von den drei Aufsätzen kommt hier eigentlich nur der erste in
Betracht, insofern ei einen Humanisten behandelt, der auch als Lehrer
!
L. Geiger, Studieu zur Geschichte des franz Humanismus. 155
aufgetreten ist. Public Fausto Andreiini wurde 1450 zu Forli geboren
und studierte zuerst in Bologna Jurisprudenz als Zwangswissenschaft,
während ihn seine Neigung zu den Humaniora zog. Früh kam er nach
Rom, wo er der Schüler des Pomponio Leto wurde und bald die Dichter-
krone erlangte. Hier begann er auch zu lehren; 1488 ging er nach
Paris und wurde 1489 Professor der Rhetorik und Poesie an der Uni-
versität. Geiger bespricht nun die lateinischen Gedichte Andrelins, auch
die ungedruckten, welche sich in einer Pariser Handschrift finden. Sein
Streit mit Baibus, in dem sich auch deutsche, besonders Elsässer Hu-
manisten ereiferten, findet eingehende Darlegung. Von den Deutschen
war Beatus Rhenanus nahe mit Andreiini befreundet; Sebastian Murrho
d. J., Ottmar Nachtigall (Luscinius) und Matthias Ringmann genossen
seinen Unterricht. Gegen die Urteile des Erasmus über Andrejini wer-
den Bedenken geäufsert. Dessen Bedeutung wird hauptsächlich in den
Anregungen gesucht, die er auf eine zahlreiche Zuhörerschaft ausübte:
»er war ein begeisterter Freund des Altertums, ein eifriger Verehrer
der Dichtkunst, ein thätiger Lehrer, dem die aus allen Ländern nach
Paris strömende Jugend mit Begierde lauschte. Das eine Verdienst
bleibt ihm unbestritten, dafs er den Eifer für das Studium des Alter-
tums in vielen entzündet und dafs er längere Zeit allein, später in Ge-
meinschaft mit andern, wacker und unermüdet die Sache des Humanis-
mus verteidigte.«
Bonaventure Des Periers, Sa vie, ses poesies par Adolphe
Chene viere, docteur de la facult6 des lettres de Paris. Paris, Plön.
1886. S". H und 261 S.
Dieses Buch, das ein Stück französischer Litteratur- und Kultur-
geschichte enthält, behandelt seinen Stoff in vier Teilen: Biographie
S. 1 104, Poesies S. 105—157, Prosodie de Des Periers S. 159—172,
La langue poetique de Des Periers, Grammaire et Syntaxe S. 173 215.
Daran schliefst sich ein französisches Glossar zum Verständnis der be-
sprochenen Dichtungen S. 215—229 und der Nachtrag S. 260 - 261. Eine
Bibliographie du recueil des oeuvres S. 231 — 239, eine Appendix über
Les discours non plus melancoliques que divers (Poitiers 1557), welches
seltene Buch Charles Nodier ebenfalls auf Des Periers zurückführen
wollte, und ein Verzeichnis der Eigennamen beschliefst die Schrift. —
Nach der Meinung des Verfassers ist das Geburtsjahr Des Periers nicht
1498, wie auf einer Tafel des angeblichen Geburtshauses zu Arnay-le-
Duc steht, sondern c. 1510. Des Periers spielt dann eine Rolle durch
seine Beziehungen zur bekannten Margareta von Navarra. Für die Ge-
schichte der Philologie würde er noch wichtiger, wenn er der Verfasser
der oben erwähnten Discours wäre, die z. B. unter anderm folgende
Kapitel enthalten: De nos historiens qui cherchent l'origine des Gaulois
et des Frangois; Histoire d'Hercule, Pyrene, Böbrix, Brettan, Celtine,
156 Geschichte des Humanismus.
Gelte, Gaule celtique; Du nom de la riviere d'Arar, qui s'appelle au-
jourd'hui la Saöne etc. Aber Cheneviere hält die Verfasserschaft Dos
Periers für unwahrscheinlich und glaubt das Buch, wenigstens teilweise,
Vinet und Peletier zusprechen zu müssen (S. 247).
fitudes historiques sur le XVIe et le XVIIe siecle en France
par Gabriel Hanotaux. Paris. Librairie Hachette et C*«- 1886. 8°.
Vll und 350 S.
Von diesem Buche, welches aus einzelnen, für Tagesblätter ge-
schriebenen Aufsätzen erwachsen ist, kommt für uns eigentlich nur das
letzte Kapitel: »L'enseignement public en France avant 1789« in Betracht.
Dasselbe zerfällt in die Abschnitte: L'enseignement primaire, le maitre
d'ecole, l'enseignement secondaire — les Colleges de jesuites. Der Ver-
fasser, welcher frei ist von einseitiger kirchlicher Befangenheit, schildert
mit französischer Eleganz den Gang, welchen der Unterricht in Frank-
reich genommen hat. Von der Bildung des Mittelalters hält er trotz der
Paradoxen eines M. Simeon Luce nicht viel. Er sieht erst in der Re-
naissance den Anfang einer besseren Zeit: »Qui niera la barbarie du
moyen äge? Les paradoxes de M. Simeon I^uce ne feront pas que
l'^poque des Montfort ou des Jean le Bon ait ete le siecle des lumieres.
La Renaissance, malgre tout, reste la Renaissance, et nous pouvons dire
que c'est avec la Reforme que se propagea le premier mouvement favo-
rable ä l'education des classes inferieures.« (S. 344.) Luther erhält ein
kurzes Wort der Anerkennung; das bildungsfreundliche Streben des Pro-
testantismus wird als durch seine Entstehung begründet nachgewiesen:
C'est par les livres. c'est par la lecture, c'est par les ecoles que le pro-
testantisme s'etablit. Les pays protestants prirent des lors, en
fait d'instruction primaire, une avance qu'ils ont conservee
jusqu'ä nos jours. Doch auch die Katholiken blieben nicht zurück,
und besonders das Konzil zu Trient verlangte energisch die Einrichtung
von Schulen und die Bestellung von Lehrern. Immer aber bleibt der
Aufschwung des Unterrichts mit dem Erscheinen des Protestantismus ver-
bunden. Die Protestanten unterrichteten, um anzugreifen, die Katho-
liken, um sich zu verteidigen. Die Art und Weise, wie die katholische
Kirche sich während des 16. Jahrhunderts in Frankreich in den Besitz
der Schule zu setzen suchte, wird durch eine Episode zwischen dem Erz-
bischof von Cambrai und der Stadt Valeuciennes veranschaulicht, wobei
S. 318 der sinnzerstörende Druckfehler 1504 in 1564 zu verbessern ist.
Der Verfasser kommt zu dem Resultat, dafs trotz des grofsen Einflusses
des Jesuitenordens der Geist Frankreichs nicht jesuitisch geworden ist:
II y a chez nous un ressort, une gaiete, une bonne humeur gouailleuse
qui est comme la reserve, la ressource de la liberte. L'ironie, l'epi-
gramme moqueuse eclatant tout ä coup, deroutent le saint homme et
Is. üri, FranQois Guyet. 157
le decouvrent. L'ennui aussi et le pedantisme le perdent. Oa n'est
pas gai, quand on ment etc.
Un cercle savant au XVII« siecle. Frangois Guyet (1575 — 1655)
d'apres des documeiits inedits parlsaacüri ancien eleve de la facuUe
des lettres de Paris, agrege de l'universite. docteur es lettres. Paris.
Librairie Hachette et C« 1886. XI und 264 S.
Die Eugene Benoist gewidmete Schrift, welche auch unter dessen
und Alfred Croisets Auspizien gearbeitet zu sein scheint, ruht auf dem
Fundamente einer ausgedehnten Belesenheit, die neben zahlreichen am
Anfange verzeichneten Druckschriften auch Manuscripte der National-
bibliothek (besonders Briefsammlungen), des Archivs des College de ßour-
gogne. des Archivs von Angers und die im Britischen Museum befind-
lichen adversaria literaria von Ismael Bullialdus benutzte.
Die Einleitung »Un cercle savant au XVII ^ siecle« S. 1—63 ver-
sucht es, den Untergrund zu zeichnen, aus dem Fr. Guyet emporgewach-
sen ist. Nur so begreife man die Bedeutung dieses grofsen Philologen,
»qui est plus d'une fois cite par les philologues allemands«. Ohnedies
sei dieser Abschnitt der französischen Gelehrtengeschichte so gut wie
unbekannt: nous nous y sommes arrete d'autant plus volontiers que nous
avons rencontre lä un coin absolument inexplore de l'histoire de l'eru-
dition en France. Unter deu Quellen S. 3 war neben Bernhardy jeden-
falls auch zu erwähnen: G. Voigt, Die Wiederbelebung des classischen
Altertums oder das erste Jahrhundert des Humanismus (Berlin 1880 und
1881, 2 Bände).
In der Skizze der philologischen Entwickelung vor Guyet wird zu-
nächst geschildert, wie die Philologie in Italien geboren wurde. Methode
aber kam erst mit Bude und Turnebe. Mit Denis Lambin beginnen
sodann die beachtenswerten Ausgaben lateinischer Schriftsteller: Le Cice-
ron, le Lucrece, le Piaute de Lambin sont restes des modeles du genre.
Gelegentlich J. Just. Scaligers wird auch Bernhardys und Bursians Ur-
teil angeführt. Sodann werden wir belehrt über: Le Cabinet Du Puy,
Jacques de Thou, Claude Du Puy, les freres Du Puy etc Im ganzen
aber erhält dieser Gelehrtenkreis von 1600 — 1650 kein günstiges Urteil
von rein philologischem Stanpunkt aus. Bei der aesthetisierenden Art,
das Altertum zu behandeln, entfernte man sich von der guten Tradition
eines Scaliger, Causaubonus und Turnebus. Man folgte darin nur dem
Einflufs der Jesuitencollegia: on chercha moins ä eclairer, par une dis-
cussion approfondie des textes, les teraoignages des anciens qu'ä faire
sentir les beautes de leur style.
Zu dem Kreise der Du Puy gehörte auch Frangois Guyet (Uri
entscheidet sich für diese Schreibweise und gegen Guiet), der 1575 in
Angers geboren wurde. Der Geburtsort war trotz archivalischer Nach-
forschungen nicht festzustellen. Die Guyets waren eine der ältesten und
158 Geschichte des Humanismus.
angeseheusteu Familien in Anjou. In früher Jugend verlor Frangois
seine Eltern nnd kam unter Vormünder, welche ihn um sein ohnehin
schon bescheidenes Vermögen vollends betrogen. Über die ersten 25 Jahre
des grofsen Philologen weifs man sonst beinahe nichts. 1599 entschlofs
er sich nach Paris zu gehen, wo er eine ganze Gesellschaft von Gelehrten
und Bibliotheken mit kostbaren Handschriften fand, besonders aber das
Haus des Präsidenten de Thou , in dem unter Leitung von Pierre und
Jacques Du Piiy sich die ausgezeichnetsten Köpfe zusammenfanden; hier
schuf sich der junge Philologe bald eine geachtete Stellung: il piit
aussi, gräce ä ses grandes qualites, se creer dans cette societe des
amities puissantes et acqu^rir une influence qui devait grandir de jour
en jour.
Aber bald ging er auf Reisen, besuchte Italien, wo er in den Buch-
laden und Akademien schnell heimisch wurde, ferner Oesterreich, Bayern
und kehrte über Strafsburg zurück, zu spät, um den inzwischen gestor-
benen Scaliger noch zu treffen. Von den Beobachtungen und Erfahrun-
gen dieser Reisen pflegte er auch später noch gerne zu erzählen.
Er erhielt nun zunächst eine Stelle als Erzieher des dritten Sohnes
des Herzogs d'Espernon, eine Thätigkeit, die für Erzieher und Zögling
gleich nützlich war. Die Einkünfte eines Priorats verschafften ihm später
die Möglichkeit, sich in das College de Bourgogne zu Paris zurückzu-
ziehen: il y vecut en homme qui aime Tantiquite et fait des ecrivains
anciens les compagnons de son existence, pour qui, en un mot, le fond
de la vie c'est un abandon complet aux lettres, sans ambition personelle,
Sans autre passion que celle d'embellir et d'epurer son intelligence (S. 81).
Lange von fester Gesundheit, wurde er 1636 von einem Steinleiden be-
fallen, das eine Operation nöthig machte, die er in würdigster Weise
überstand. Den 13. April 1655 starb er, umgeben von philologischen
Freunden, wie Ismael Boulliau und Menage.
Kapitel II »Guyet et ses amis« schildert zunächst den Charakter
Guyets und seine Freunde Menage, Balzac, Nicolas Bourbon. Luillier.
Saumaise, le P. Petau et le P. Sirmond, Gabriel Naude. Unter den
Eigenschaften Guyets werden besonders hervorgehoben richtiges Urteil,
lebhafter Geist und bedeutendes Wissen. Von Hugo Grotius trennte
ihn die Verachtung des Bieres, das der Niederländer ebenso begeistert
in lateinischen Versen feierte, wie es Guyet in lateinischen Hexametern
als Gift für seine Kelten erklärte.
Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit den Leistungen
Guyets und gibt in einem ersten Abschnitt den Tableau bibliographique,
um sodann zu einer eingehenden Würdigung seiner Leistungen über-
zugehen. Seine Kritik wird als kühn, ja verwegen bezeichnet: vir ille
aij&dorjg in literis Graecis latinisque versatissimus, sagt Ismail Boulliau
von Guyet. Unter den weiteren Zeugen über diesen finden wir auch
Schoemann bezüglich des Hesiod (S. 155) und Ritschi wegen Terenz und
R. Förster. Lucian in der Renaissance. 159
Plautus. In seinen Terenzarbeiten ist Guyet Vorläufer Bentleys, der
aber gegen ihn nicht, gerecht ist. In der Horazkritik ist er ein Vor-
läufer von Hofmann Peerlkamp: apres Lucien Müller, Teuö'el, Eckstein,
apres Keller et surtout apres M. Benoist et M. Boissier, il peut pa-
raitre superflu de refaire la critique de cette methode qui consiste ä
retrancher d'Horace et ä considerer comme interpole tout passage qui
est juge indigne du genie de ce poete (S. 171). Bezüglich der zahlrei-
chen Aenderungen des Terenz- und Plantustextes wird betont, dafs sie
auf einer ungenügenden Kenntnis der prosodischen und metrischen Ge-
setze beruhen, und Ritschis Urteil citiert, der von Bothe und Guyet sagt :
In quibus Ingenium et acumeu, ars non fuit et disciplina. Praecipuae
autem eis fraudi metricnm genus omne fuit etc.
In einem weiteren Abschnitt wird Guyet als Linguist geschildert.
Besonders grofs war sein Eifer für die Etymologie. Aber ohne eine
wissenschaftliche Erkenntnis der Sprachenverwandtschaft, wie sie erst
durch die Sprachvergleichung kam, sind seine Etymologien doch nur
Einfälle mit negativem Resultat, wofür Belege aus der Handschrift
Nr. 11,271 der Bibliotheque nationale mitgeteilt werden, von denen bei-
spielsweise folgendes hier stehen mag: Torvus. ^rp£<pco, avpo<p6g, arpo-
ßog, Topßog, torvus (S. 201).
Betrachtungen über den Dichter und Stilisten Guyet, sowie ein
Anhang mit allerlei Aktenstücken , wie Briefen philologischen Inhalts,
Mitteilungen aus den ungedruckten Arbeiten Guyets und einem Namens-
register beschliefsen das lesenswerte Buch.
Auch der deutsche Humanismus ist in seinen ersten Stadien
durchaus von Italien abhängig. Die Verbindung der Arbeiten über ita-
lienischen und deutschen Humanismus mag eine Arbeit bilden, die sich
auf beide Gebiete erstreckt:
Richard Förster, liucian in der Renaissance. (Aus einer Rede,
gehalten zu Kaisers Geburtstag am 22. März 1886, durch Zusätze und
Anmerkungen vermehrt, Archiv für Litteraturgeschichte XIV (1886)
337 — 363)
Obgleich Lucian einer Zeit entstammt, welche nicht mehr fähig
war, Ideale aus sich hervorzubringen, so wird er doch der eigentliche
Lieblingsschriftsteller der Renaissance, seitdem ihn «die von Findersehn-
sucht nach Konstantinopel getriebenen Entdeckungsreisenden, wieAurispa
und Filelfo« nach Italien gebracht hatten. Zunächst übersetzte man
einzelne Schriften ins Lateinische; zuerst geschah dies durch die Ita-
liener wie Guarino, Rinucci, Poggio und Lago, dann auch durch Deutsche,
wie Rudolf Agricola, Erasmus, Wilibald Pirckheimer, Petrus Mosellanus,
Ottomar Luscinius, Philipp Melanthon; auch durch den Engländer Tho-
mas Morus. Den lateinischen Uebersetzungen folgten deutsche von Niklas
von Wyle. Dietrich von Plenningen und anderen.
160 Geschichte des Humanismus.
Noch häufiger, als die Uebersetzungen, sind die Nachahmungen
Lucians, z.B. durch Celio Calcagnini, Pirckheimer, Moltzer oder Mi-
cjilus (Apelles in Ägypten oder die Calumnia), Hans Sachs, besonders
Ulrich von Hütten (Phalarismus, Aula, die Anschauenden, Arininius),
Erasmus, Morus (Utopia). Rabelais.
Auch für die bildende Kunst der Zeit lieferte Lucian Stoffe und
Motive, wie z. B. für Botticelli, Albrecht Dürer, Michel Angelo etc. —
Zu S. 357, Anm. 9 sei bemerkt, dafs man über 0. Luscinius sich jetzt
am besten aus Ch. Schmidt, Histoire litteraire de l'Alsace, belehrt.
Weiteren Stoff für dieses Thema findet Förster sodann in dem von Hora-
witz und mir herausgegebenen Briefwechsel des Beatus Rhenanus (vgl.
Register).
Der ältere deutsche Humanismus, der besonders im süd-
westlichen Deutschland seinen Sitz hat, steht zwar dem italienischen
noch nahe, geht aber in manchem doch seine eigenen Wege, wie fol-
gende Arbeit zeigt:
L. Buschkiel, Nationalgefühl und Vaterlandsliebe im älteren
deutschen Humanismus. Abhandlung zum Programm des König!. Gym-
nasiums zu Chemnitz für das Schuljahr Ostern 1886 bis Ostern 1887.
Chemnitz. 1887. 4. (Progr. Nr. 496).
Der Verfasser hat sich mit Rücksicht auf den ihm zu Gebote ste-
henden Raum auf die älteren deutschen Humanisten beschränkt (der Pa-
triotismus der Jüngern, z. B. Ulrichs von Hütten, ist unbestritten), und
unter diesen hat er wiederum Konrad Celtis aus Raummangel fast über-
gehen müssen. Trotzdem ist seine Arbeit ein dankenswerter Beitrag zur
Geschichte des Humanismus, den er gegen die Anklage in Schutz nimmt,
er verachte die deutsche Muttersprache. Das widerlegen schon die zahl-
reichen Übertragungen klassischer Autoren ins Deutsche, welche durch
deutsche Humanisten, wie Reuclilin, Werner von Themar und Dietrich
von Plenningen und andere angefertigt wurden. Dieselben rühmten gegen
den Hochmut der Italiener Deutschland und seine Maciit, besonders
Kaiser Maximilian, der fast überscliwenglich gefeiert wurde als ein zweiter
Alexander oder Kail d. Gr. Der Patriotismus führte zur Pflege der deut-
schen Geschichte, teils durch Abfassung besonderer Geschichtswerke, so
Wimpfeling und Trithemius, teils zur Edition mittelalterlicher Quellen-
schriftsteller, wie die Werke der Nonne Roswitha, Gesta Henrici IV, Lam-
bert von Hersfeld, Liudpiand und vieler anderer. Besonderen Wert legte
man darauf, dafs die Erfindung der Donnerbüchse (bombarda) und der
Buchdruckerkunst durch Deutsche gemacht worden. Bald glaubte man
sich den übermütigen Italienern, die geringschätzig auf die deutschen
»Barbaren" herabsahen, auch in der Dichtkunst gewachsen. Daraus er-
wuchs auch die gegenseitige Beweihräucherung und überschwengliche Ver-
herrlichung mancher Humanisten.
G. Knod, Jacob Wimpfeling. . 161
Damit nicht zufriedeu, wollte man auch in den bildenden Künsten
eine hervorragende Stelle einnehmen. Wimpfeling verwies stolz auf das
Strafsburger Münster und die Gemälde Martin Schöns, Celtis aber preist
das Spiel und den Gesang einer gewissen Anna. Besonders aber fühlte
man sich den Welschen sittlich überlegen, indem man die deutschen
Charaktereigenschaften mit den Farben des Caesar und Tacitus malte.
Andererseits aber klagte man aus Patriotismus doch auch wieder über den
Verfall Deutschlands, über den Rückgang seiner Macht, die Sittenlosig-
keit seiner Bewohner. Einer der gröl'sten Patrioten ist der allzeit streit-
bare Jakob Wimpfeling. — Ein ganzes Arsenal ähnlicher Gründe des
Patriotismus findet Buschkiel in der Exegesis Germaniae von Franciscus
Irenikus, die 1518 in Hagenau bei Thomas Anshelm zum ersten Mal er-
schienen ist. — Zu S. 5 Anm. 1 sei bemerkt, dafs die beste Biographie
Wimpfelings jetat die in der Histoire litteraire de l'Alsace von Charles
Schmidt enthaltene ist. Ferner ist zu S. 8 zu bemerken, dafs Dalberg
auch sehr häufig unter dem Namen Camerarius erscheint.
Jakob Wimpfeling, dem Pädagogen unter den älteren Huma-
nisten, gelten mehrere Publikationen des unermüdlichen und sorgfältigen
G. Knod:
Gustav Knod, Jakob Wimpfeling und Daniel Zanckenried. Ein
Streit über die Passion Christi (Archiv für Litteraturgesch. Bd. XIV
(1886) 1-16.
Aus einer neuerdings durch die Strafsburger Universitätsbibliothek
erworbenen Handschrift mit Wimpfelingiana, werden zehn Aktenstücke mit-
geteilt, die sich auf einen in Heidelberg geführten theologischen Streit
beziehen. Daniel Zanckenried hatte gepredigt, Christus habe nackt, ohne
jede Bekleidung, am Kreuze gehangen, und war deshalb von Wimpfeling
ebenfalls in einer Predigt augegriffen worden, der eine solche Äufse-
rung unschicklich und, weil nicht in den Evangelien stehend, unnötig
fand. Die Universität Heidelberg mufste sich mit dem Streite beschäf-
tigen; aus den Aktenstücken geht aber nicht hervor, wer Recht behalten.
Humanistisch ist Wimpfelings Meinung insofern, als er von den späteren
ausgeschmückten Legenden auf die Quelle der Evangelien zurücklenkt.
F. Falk, Zu Daniel Zangenried (Archiv für Litteraturgeschichte
XIV (1886) S. 442).
Die Notiz macht auf eine Schrift Zangenrieds (Corapendiosus trac-
talulub de Forma absolvendi) aufmerksam, sowie auf die Thatsache, dafs
der bekannte Nikolaus Ellenbog zu Heidelberg bei Zangenried wohnte.
Gustav Knod, Wimpfelingiana (Birlingers Alemannia 1885/86.
S. 227 — 237).
Aus einer Basler und einer Strafsburger Handschrift teilt Knod
zehn Briefe Wimpfelings mit, von denen Nr. 1 Aufschlufs über die lange
Jabreibericht für AltertbumswisaeoBCbaft LII. (1887. III.) H
162 Geschichte des Humanismus.
Vorarbeit Wimpfelings zu seiner Epithoma Germanorum, Nr. 2-6 über
die von Sebastian Murr vorbereitete Ausgabe des als Lehrbuch viel ge-
brauchten Baptista Mantuanus geben. Brief Nr. 8 enthält einige dan-
kenswerte Notizen zu dem Streite über die unbefleckte Empfängnis
Mariae, der um die Wende des 15. Jahrhunderts die Gemüter der ober-
rheinischen Humanisten erhitzte. Brief Nr 10 erweitert unsere Kenntnis von
der Biographie Wimpfelings insofern, als er wahrscheinlich macht, dafs der-
selbe auch Pfarrer in Sulz im Elfafs gewesen ist. S. 229 mufs 29. Februar
geschrieben werden, weil 1496 ein Schaltjahr war. In der Wiedergabe
des Textes scheint mir Knod zu ängstlich zu sein. Besonders erschwert
die unsinnige Interpunktion, die getreu nach der Handschrift gegeben
ist, das schnelle Verständnis. So konnte auch S. 234 oben das völlig
unmögliche assque in absque geändert werden; indicati einige Zeilen
spä'er ist Druckfehler für indicati. Das mittens falcem in messem stammt
wohl aus Apokal. 14, 15. Uniuersitatis Friburg. S. 235 wird schwer-
lich richtig sein.
Gwstav Knod. Zwei annoyme Schriften Wimpfelings (L. Geigers
Vierteljahrsschrift II (1887) S. 267-28 2).
Der ohnedem sehr umfassende Index bibliographicus Wimpfelings,
welchen K. Schmidt in seiner Histoire litteraire d'Alsace veröffentlicht
hat, wird hier durch zwei weitere anonym erschienene Schriften des El-
sässer Humanisten ergänzt. Die erste: Carmina Prosae et Rithmi edit.
in laudeni pudicicie sacerdotalis contra Prosam excusare conantem scan-
dalosissimum Concubinatum. S. 1. e. a. (Arg. 1511) nimmt Teil an dem
litterarischen Kampfe, welchen Wimpfeling gegen im Konkubinat lebende
Priester führte. Die zweite: Concordata Principum Nationis Germanicae
Cum Argumentis siue Summarijs iam iam additis etc. (Argentinae 1513)
bezieht sich auf die kirchlichen Reformpläne Wimpfelings, durch welche
er der mafslosen Ausbeutung der deutschen Kirche durch die Geldgier
der römischen Kurie abzuhelfen suchte. Knod hat durch seine kenntnis-
reiche Beweisführung die im Thema ausgesprochene Vermutung sehr
wahrscheinlich gemacht.
A. Birlinger, Erinnerung an Geiler von Kaisersberg (Birlingers
Alemannia XIV (1886) S. 59-- 61).
Aus einer Neresheimer Handschrift (16-, 17. Jahrh.) und zwei sel-
tenen Büchern werden einige Aussprüche des berühmten Elsässer Huma-
nisten und ein Datum über den Tod seines Vaters, das aber schon be-
kannt war, mitgeteilt.
G. Knod, Jacob Spiegel. 163
Dr. Gustav Knod, Oberlehrer. Jacob Spiegel aus Schlettstadt.
Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Humanismus. Beilage zum
Programm des Realgymnasiums, resp. Gymnasiums zu Schlettstadt.
Strafsburg. Buchdruckerei von R. Schulz u. Cie. 1884. 4° (Progr.
Nr. 480), 59 S. - Zweiter Teil 1886 (Progr. Nr. 472) 31 S.
Der Inhalt dieser sorgfältigen und verdienstlichen Monographie,
welche auch bereits den anerkennenden Beifall Ludwig Geigers, des Kenners
auf dem Gebiete der Renaissance, gefunden hat, gehört nur teilweise in den
Rahnien unserer Aufgabe. Die Arbeit zieht gedruckte und ungedruckte
Materialien heran und ist eine wertvolle Ergänzung zu den Bildern El-
sässer Humanisten, welche Ch. Schmidt in seiner zweihändigen Histoire
litteraire de TAIsace vor einigen Jahren verötfentlicht hat.
Jacob Spiegel wurde Ende 1483 oder Anfang 1484 zu Schlettstadt
als Sohn des Bürgers Jakob Spiegel und der Magdalena Wimpfeling,
der Schwester des bekannten Humanisten Jakob Wimpfeling, geboren.
Seine ersten Kenntnisse erwarb er sich in der berühmten Schlettstadter
Lateinschule, welche schon durch den Westfalen Dringenberg hohes An-
sehen erworben hatte, und die seit 1477 Crato Hofmann aus Udenheim
leitete. In dieser Schule herrschte der Geist der niederländischen Iliero-
nymianer: »Erziehung zur Sittlichkeit war höchste pädagogische Weis-
heit, Einfailiheit und Natürlichkeit das Geheimnis der Methode«. Unter
seinen Mitschülern haben sich viele später einen Namen gemacht, Ja-
kob Villiiigcr, Matthias Ringmann Philesius, Matthias Schürer, Hierony-
mus Gebwilei», Paulus Phrygio, Beatus Rhenanus und Beatus Arnoaldus.
Neunjährig, siedelte Spiegel nach Speyer über, um daselbst unter Lei-
tung seines Oheims Wimpfeling seine Studien fortzusetzen. 149« zog er
nach Heidelberg, wo er aber eist den 7. Oktober 1497 immatrikuliert
wurde. Trotz des zahlreichen Humanistenkreises in der Stadt war die
Universität noch ganz in den Händen der Scholastiker; so fand der
junge Spiegel in Heidelberg »eitel mittelalterliche Barbarei auf dem Ka-
theder«. Als im Jahre 1497 im Hause Dalbergs die Scaenica progym-
nasraata aufgeführt wurden, war Spiegel einer der Mitspielenden, welche
nach der Darstellung von dem liberalen Camerarius bewirtet und mit
goldenen Ringen und Münzen beschenkt wurden.
Auch in Freiburg und Tübingen hat Spiegel studiert; doch fehlt
sein Name in der Matrikel der ersteren Universität, obgleich er den
Freiburger Juristen Zasins sehr häufig seinen Lehrer nennt. 1504 ist
er bereits Candidatus aulae; die Aufnahme in die kaiserliche Kanzlei
dürfte er seinem etwas älteren Jugendgenossen Jakob Villinger von Schö-
nenberg verdanken. Durch diese Stellung wurde er der Kollege einer
grofsen Zahl humanistisch gebildeter Männer.
Sein Amt führte ihn nach Wien und damit in die Nähe des huma-
nistischen Kreises, der sich in der fröhlichen Donaustadt um den »deut-
schen Erzhumanisten« Kourad Celtis gesammelt hatte. Dessen Freunde
11*
164 Geschichte des Humanismus.
und Schüler werden auch seine Freunde: nur beispielsweise seien ge-
nannt Joachim von Watt, bekannter als Vadianus, von St. Gallen, Niko-
laus Gerbel aus Pforzheim, Georg Collimitius etc. Überhaupt treffen
wir ihn in den nächsten Jahren im innigen Verkehr mit den besten Na-
men unter den deutschen Humanisten.
Der Tod des Kaisers Maximilians I. brachte ihn zunächst um seine
Stelle in der Kanzlei. Den I.März 1520 ist er aber wieder als regius
a secretis bezeichnet: er war in den Dienst des neuerwählten Karl V.
übergetreten.
Das Verhältnis Spiegels zu den Mitgliedern der Schlettstadter So-
dalitas litteraria, welche mit Ausnahme des merkwürdigen Erasmianers
und späteren Wiedertäuferfreundes Paulus Volz alle die Schule Schlett-
stadts durchlaufen hatten, wird kurz beleuchtet. Mit dem Oheim Wim-
pfeling , der auch zur Sodalitas gehörte, teilte er die »von Wirapfeling
der ganzen oberrheinischen Humanistengruppe eingeimpften pedantisch-
beschränkten Anschauungen über Poesie und Poeten«. Schon 1512 em-
pfahl er in seinem Kommentar zu Reuchlins Scaenica progymnasmata
die carmina castiori eloquio descripta, wie Prudentius, Rhabanus, Joannes
Picus iunior etc.
Für unser Thema ist es von Bedeutung, dafs Spiegel im Jahre 1522
auf Bitten seines ehemaligen Lehrers Florentius von Venningen, der in-
zwischen kurfürstlich pfälzischer Kanzler geworden war, ein Gutachten
über die dringend notwendig gewordene Reform der Universität Heidel-
berg ausgearbeitet hat Welchen thatsächlichen Einflufs dasselbe ge-
habt, werden wir freilich erst dann beurteilen können, wenn wir die einst-
weilen verlorene Heidelberger Reformation der zwanziger Jahre wieder
aufgefunden haben.
Der Sturz des Kauzlers Ortenburg trieb auch Spiegel im Jahre 1526
aus dem habsburgischen Dienst, in dem er 21 Jahre gestanden hat. Nur
mit einer kleinen Pension bedacht, zog er sich nach Schlettstadt zurück.
Nur sehr lückenhaft sind wir von da an über sein Leben unterrichtet,
das er im Laufe des Jahres 1547 beschlossen haben dürfte. Bezüglich
Spiegels religiöser Stellung sagt Kuod : »Von Hause aus in religiöser
Hinsicht im innersten Herzen indifferent, ist sein Interesse an der grofsen
religiösen Bewegung seiner Zeit trotz seines gelegentlich mit Osten-
tation getragenen theologischen Mäntelchens lediglich politischer Natur.«
Früher für Huttens und Stromers Pläne eingenommen, wollte er sich
später mit einer erasmischen Reform der Kirche begnügen. Den gröfsten
Mangel seines Wesens sieht sein Biograph in der mangcluden sittlichen
Energie des Charakters, »welche allein der Persönlichkeit des Menschen
ihren ethischen Wert verleiht«.
Unter den »Beilagen« ist zunächst zu erwähnen ein sorgfältiger
Index bibliographicus mit 22 Nummern, aus welchem besonders hervor-
gehoben sein mögen: Joannis Reuchlin Phorcensis Scaenica progymnas-
Horawitz und Hartfolder, Briefwechsel des Rhenanus. 165
mata. hoc est ludicra praeexercitamenta, cum explanatione Jacobi Spiegel.
Tubing. 1512. — Isocratis de regno gubernando, ad Nicoclem über a
Martine Philetico interprete. Argeut. 1514. — Die Abteilung B. ent-
hält 12 Briefe von und an Spiegel, in welchen mancherlei Notizen über
Vadiau, Wimpfeling, Beatus Rhenanus und andere Humanisten enthalten
sind. — Ein gut gelungener Holzschnitt, welcher das Wappen Spiegels
wiedergibt, ist dem ersten Teil beigefügt.
Möchte der unermüdliche Verfasser seine Bemühungen um die Ge-
schichte des Humanismus im südwestlichen Deutschland, speziell im Elsafs,
in der bisherigen Weise auch in Zukunft fortsetzen.
Ebenfalls zu den oberdeutschen Humanisten gehört der bedeutende
Philologe Beatus Rhenanus:
Briefwechsel des Beatus Rhenanus. Gesammelt und herausgegeben
von Dr. Adalbert Horawitz und Dr. Karl Hartfelder. Leipzig.
Teubner. 1886. 8". XXIV und 700 S.
In den Sitzungsberichten der Wiener Akademie hatte in den Jahreu
1872—1874 Ad. Horawitz eine aus vier Teilen bestehende Monographie
des berühmten Elsässer Humanisten Beatus Rhenanus veröffentlicht. Die-
selbe behandelte sein im ganzen sehr einfach verlaufendes Leben, seine
Stellung zur Reformation, der er anfangs als Erasmianer freudig zu-
jubelte, um sich dann in den zwanziger Jahren kühl von ihr zurückzu-
ziehen, seine zahlreichen litterarischen Leistungen, zum Teil in Klassiker-
und Kirchenväter-Ausgaben bestehend, die meist in Basel erschienen,
sowie sein für das 16. Jahrhundert epochemachendes Werk über die
deutsche Geschichte: Beati Rhenani Selestadiensis Rerum Germanicarum
libri tres (Basel bei Frohen 1531). Horawitz hatte für seine Arbeiten
den Reichtum der handschriftlichen Brieflitteratur des Rhenanus wenig-
stens eingesehen und teilweise benutzt. So gewann er die Ueberzeugung,
dafs dieser Schatz von wertvollsten Materialien durch eine Publikation
auch anderen gelehrten Arbeitern zugänglich gemacht werden sollte.
Auf seine freundschaftliche Aufforderung schlofs ich mich ihm als Mitheraus-
geber an, und in dem oben erwähnten umfangreichen Bande liegt nun das
Resultat viejjähriger gemeinsamer Arbeit vor, die um so mühsamer war,
als wir uns blofs brieflich verständigen konnten. Nur bedeutende Opfer
an Zeit und Geld ermöglichten die Fertigstellung der Briefsammlung,
deren grufser Wert für Geschichte der klassischen und germanischen
Philologie, der Buchdruckerkunst, der deutschen Alterturaskunde, der
Kirchengeschichte, der Historiographie, der Profangeschichte etc. bereits
von verschiedenen Gelehrten wie L. Geiger, G. Kawerau, AI. Schulte,
H. Hagen, G. Voigt, Erichson, G. Knod, B. Kubier, H. Holstein,
Th. Brieger unter andern anerkannt wurde.
Der Inhalt der Briefsammlung besteht aus folgenden Teilen:
1. Wiederabdruck der Vita Beati Rhenani von dem berühmten
166
Geschichte des Humanismus.
Strafsburger Schulrektor Johannes Sturm, die in ihrem eleganten Latein
einen zuverlässigen, leider nur zu kurzen Abrifs von dem Leben des
berühmten Gelehrten bietet.
2) Briefe von und an Rhenanus S. 12—576. Dieselben zerfallen
in zwei Klassen, in datierte und undatierte. Die ersten umfassen die
Jahre 1507—1546, bis zum Todesjahr des Rhenanus. Die 413 Nummern,
welche der Mehrzahl nach hier zum ersten Mal im Drucke erscheinen,
stammen meist aus der städtischen Bibliothek zu Schlettstadt, in welche
die Bibliothek des Rhenanus mit ihrem Schatz von Handschriften und
alten Drucken übergegangen ist. Aber auch andere Handschriften haben,
wenn gleich in geringerem Grade, beigesteuert, so die Briefcodices des ehe-
maligen Basler Kiichenarchivs, die jetzt in die dortige Universitätsbibliothek
übergegangen sind: einige Briefe stammen aus der Hamburger Stadt-
bibliothek, aus dem Münchener Codex latinus 4007, welcher die Korre-
spondenz des früh verstorbenen Humanisten Michael Hummeiberg aus
Ravensburg enthält, aus dem haudschriitlichen Thesaurus B.uimianus in
Strafsburg und aus Codex palatinus Nr. 8457 in Wien. Eine ziemliche
Anzahl ist alten Drucken entnommen, besonders den Ausgaben des
Rhenanus, welche meist mit sogenannten Dedikationsepisteln versehen
sind, worin olt wichtige Nachrichten über Persönlichkeiten und Hand-
schriften niedergelegt wurden.
Die undatierten Briefe, S. 556-576, entstammen denselben Quellen.
Wenn irgend möglich, wurde eine ungefähre Datierung versucht, die
wenigstens bei einigen eine nahezu sichere Bestimmung herbeiführte.
Wir hielten es für das angemessenste, überall die Briefe in ex-
tenso zu geben und auch da nicht zum Regest überzugehen, wo schon
ein vollständiger Druck vorlag. Eine auszugsweise Wiedergabe mag
bei Urkunden in den meisten Fällen, besonders wenn noch die Zeugen
mit angegeben werden, den Abdruck im ganzen entbehrlich machen.
Anders liegt die Sache bei Briefen. Je mehr ein Brief das ist, was er
wirklich sein soll, nämlich der momentane Ergufs der Gedanken und
Gefühle des Schreibers, und keine stilisierte Abhandlung, die nur in
Adresse und Unterschrift die Form des Briefes festhält, desto weniger
kann ein Regest denselben ersetzen. Gerade die gelegentlichen Einzel-
bemerkungen, die Grüfse am Schlufse und dergleichen, die doch keine
Aufnahme in ein Regest finden könnten, sind für manche Zwecke das
Wichtigste in solchen Schriftstücken. Trotzdem wir diese Gedanken in
der Einleitung darlegten, glaubte Ludwig Geiger in seiner Besprechung
unseres Buches (Vierteljahrsschrift für Kultur und Litteratur der Re-
naissance Bd. n, S. 119) ein entgegengesetztes Verfahren empfehlen zu
müssen. Nicht blofs die gedruckten Briefe sollten blofs in Regesten
mitgeteilt werden, »man hätte noch weiter gehen und selbst von diesen
handschriftlichen zwar ein vollständiges Verzeichnis des Inhalts mit ein-
zelnen Proben des Textes, aber doch nur eine Auswahl der Briefe selbst
Horawitz und Hartfelder, Briefwechsel des Rhenanus. 167
geben können.« Und weshalb das? »Man mnfs das Wichtige auslesen
und vollständig darbieten, das Unwichtige andeuten und ganz beiseite
lassen.« Aber da liegt die Schwierigkeit: der Begriff des Wichtigen ist
nicht absolut, sondern sehr relativ. Vieles, was Geiger, dem fleifsigen
Arbeiter auf dem Felde der Geschichte der Renaissance, sehr wichtig
erscheint, wird dem Kirchenhistoriker sehr unwichtig erscheinen und
umgekehrt Wer eine Geschichte der klassischen Philologie schreibt,
legt den Wert auf ganz andere Angaben, als wer aus unserer ßriei-
sammlung Materialien zur Geschichte der germanischen Philologie oder
deutschen Historiographie Sucht. Wir mufsten aber verschiedenen Be-
dürfnissen entsprechen. Was nützt eine Publikation, die beständig auf
haudsciiriftliche Vorbigen oder auf Bücher hinweist, die beinahe ebenso
selteu sind als Handschriften? Das heifst die gelehrte Arbeit nicht er-
leichtern, sondern erschweren. Wie unpraktisch das von Geiger em-
pfohlene Verfahren ist, kann man am besten aus dessen Publikation des
Reuchlinschen Briefwechsels sehen. In diesem Werke wurden die schon
früher gedruckten Briefe nur in Regestenform verzeichnet, so dafs man
jetzt statt eines Buches deren immer mehrere braucht, darunter solche, die
wegen ihrer Seltenheit in vielen Bibliotheken nicht vorhanden sind. Ein
erschöpfendes Namenregister kann in diesem Falle auch nicht beige-
geben werden, wie ein solches auch bei Geiger fehlt. Welch eine Eiu-
bufse das für Arbeiten über die Zeit der Renaissance ist, weifs aber
jeder Kundige.
Der Inhalt der Briefe ist sehr mannigfaltig. Wir erhalten da
Mitteilungen zur Gelehrtengeschichte, zur Geschichte der Buchdrucker
kunst. des Unterrichtes, der Philologie, der Historiographie etc., von denen
manche schon benutzt, viele aber auch bis jetzt unbenutzt sind. Aus
den Namen der Adressaten mögen einige hervorgehoben sein: Johannes
Aventinus, Sebastian Brant, Dcsiderius Erasmus, Faber Stapulensis,
Johannes Froben, Johannes Herwagen, Wolfgang Lazius, Willibald Pirck-
heimer, Georg Spalatinus, Jakob Spiegel, Jakob Wimpfeling, Ulrich Zasius
und Ulrich Zwingli. Die meisten derselben kommen auch als Briefschreiber
vor; aufserdem aber auch noch einige andere, wie Bruno Amerbach, Ra-
dius Ascensius, Albert Burer, die beiden Hummelberg, Ulrich von Hütten,
Konrad Peutinger, Aegidius Tschudi und viele andere. Der Kreis des
Erasmus ist am stärksten vertreten, aber auch andere fehlen nicht.
Aufserdem sind sämtliche Dedikationsepistelu des Rhenanus in
vollständigem Abdruck beigegeben, welche für die Geschichte der Philo-
logie von besonderem Interesse sein dürften. Sie geben Auskunft über
die benutzten Handschriften , über die befolgte Methode der Edition,
über die von den Zeitgenossen dem Schriftsteller zugemessene Wert-
schätzung und vieles andere. Dem Abdruck der Briefe sind erklärende
Anmerkungen beigegeben, die manchen wegen der litterarischen Nach»
Weisungen erwünscht sein dürften.
168 . Geschichte des Humanismus.
3. Ein Nachtrag von 18 Nummern enthält diejenigen Briefe, welche
mir erst während des Druckes der anderen bekannt wurden. Während
nämlich alles Frühere gemeinsame Arbeit mit Horawitz war, ist Nr. 3
bis zum Schlufs alleinige Arbeit von mir, für die ich auch die Verant-
wortung allein zu tragen habe.
4. S. 590 und 591 enthält einen bisher unbekannten Brief Erbs
über den Tod des Rhenanus, welcher zeigt, dafs derselbe den Evan-
gelischen keineswegs so fern stand, wie man bisher annahm.
5. Ein Index bibliographicus von 68 Nummern, zu dem Knod und
Horawitz tüchtige Vorarbeiten geliefert hatten. Unter den von Rhenanus
herausgegebenen Büchern seien hier folgende verzeichnet: Opera Pom-
ponii Laeti (Argent. 1510), Decretum Gratiani (Basel 1512), Gregorius
Nyssenus (Argent. 1512), C Plinii Secundi Epistol. libri X (Argent.
1514), C. Plinii De viris illustribus (Argent 1514), L. Annaei Senecae
De morte Claudii Caesaris (Basil. 1515), Aeneas Platonicus de immor-
talitate animae (Basil 1516), Curii Lanciloti Pasii de arte grammatica
(Seiest. 1517), Quintus Curtius (Argent. 1518), Cornelii Taciti historia
(Basel 1519), Prudentius (Schlettstadt 1520), Ausgabe der Panegyrici
(Basel 1520), Vellejus Paterculus (Basel 1520), Terenzausgabe (Basel
1521), Tertuliian (Basel 1521), Autores historiae ecclesiasticae (Basel
1523), In Plinium (Basel 1526), Opera L. Annaei Senecae (Basel 1529),
Procopius (Basel 1531), Epitome grammaticae Graecae (Basel 1532),
Cornelius Tacitus Annales (Basel 1533), Livii Decades tres (Basel 1535),
Origenes (Basel 1536), Gesamtausgabe der V\^erke des Erasmus
(Basel 1540).
6. Eine Anzahl lateinischer, von Rhenanus verfafster Inschriften
auf Glieder seiner Familie sowie auf hervorragende befreundete Männer,
wie Thomas "Wolf d. j.. Geiler von Kaisersberg, Matthias Ringmann
(Philesius), Jakob Win)pfeling, Hieronymus Gebwiler.
7. Sechs Gedichte des Rhenanus, meist aus seiner frühesten Pe-
riode stammend, die er als Freundesgaben zu Büchern beisteuerte.
8. 19 Epigramme auf Rhenanus, meist in Versen, gedichtet von
Sapidus, Ursinus Velius u. a.
Den Abschlufs bilden drei Register: ein Register der Briefschreiber,
ein zweites der Adressaten und ein Namenverzeichnis, das, von S. 643
bis 700 reichend, auch die Adjektiva der Eigennamen und die verschie-
denen Namensformen berücksichtigt. Es möge gestattet sein, hier einige
Verbesserungen zu demselben nachzutragen: S. 640 ist Harzbach in
Heresbach zu ändern, zu Job. Mains ist 396 nachzutragen und S. 641
Joannes Chraius zu tilgen. — S. 644 ist Agricola, Job. in Georg zu ver-
bessern; S. 648 ist bei H. Baidung 586 für 486 zu setzen. — S. 650
Bliensweiler ist nicht als ausgegangen zu bezeichnen. — S. 652 ist Bur-
borus in Burlerus zu ändern. — S. 653 ist Chraius zu tilgen. — S. 656
ist Darus in Davus zu verbessern. — S- 657 bei Egerinus ist zu ver-
Ad. Bücble, Der Humanist N. Gerbel. 169
weisen auf Melchior. — S. 661 ist bei Kasp Fry 265 einzusehalten. —
S. 679 ist Nymwegen ganz zu streichen.
Einige wertvolle Ergänzungen wurden gegeben von G. Kawerau
(Theol. Literaturbl. 1886 Nr. 41, S. 383) und besonders Gustav Knod
Centralblatt für Bibliothekweseu 1887, S. 305-315).
Demselben Kreise, wie Khenanus, gehören auch Gerbel und Reuchlin
an, die ebenfalls mit zwei Arbeiten vertreten sind:
Adolf ßüchle, Der Humanist Nikolaus Gerbel aus Pforz-
heim. Dem Karlsruher Gymnasium zur dritten Säkularfeier zuge-
eignet. Durlach 1886. (Beilage zum Programm des Pro- und Real-
gymnasiums Durlach Nr. 567).
Gerbel gehört zu jenen Humanisten, welche die grofse Entwickelung
der deutschen Geschichte aus dem Humanismus zur Reformation, von
Erasmus zu Luther durchmachten, und verdient als ein vielgenannter
Name, als tüchtiger Gelehrter und fieifsiger Editor in der That
eine monographische Behandlung. Der Verfasser hat seinen Stoff in
vier Abschnitten behandelt, deren erster die Entwickelung und seine
rein humanistische Zeit behandelt. Geboren c. 1490 in der Stadt Reuchlins,
die im 15. und 16. Jahrhundert erstaunlich reich an Talenten war, be-
suchte er vermutlich dieselbe Schule wie dieser, nur etwas später. So-
dann wendet er sich nach Wien, wo er mit dem humanistischen Kreise
des Konrad Celtis befreundet wird und 1502 z. B. der Dichterkrönung
des Stabius beiwohnt. 1504 ist er Mitglied der sodalitas litteraria des
Celtis. 1506 (vielleicht bis 1508) ist er in Köln, von wo er eine Ver-
bindung mit dem gelehrten und humanistischen Abte Trithemius an-
knüpft. Nach einem vermuthlich kurzen Aufenthalt in der Heimatstadt
verweilt er 1508-1512 in Tübingen, und 1513 finden wir ihn abermals
in "Wien, wo er am l. November bei der Ueberführung der sterblichen
Reste Friedrichs HI. aus der Stephanskirche in das Mausoleum zugegen
ist. Sodann holt er sich in Italien, dem Lande der Sehnsucht für jedes
echte Humanistenherz, und zwar in Bologna, den juristischen Doktorhut.
Ende des Jahres 1514 aber ist er schon wieder am Oberrhein, in leb-
haftem Verkehr mit den dortigen Humanisten und Buchdruckern. Natür-
lich fehlt ein solcher Mann nicht im exercitus der Reuchlinisten. Mafs-
gebend dürfte die schon von Wien aus mit Strafsburg angeknüpfte Ver-
bindung gewesen sein: in der 1513 bei Schurer in Strafsburg erschie-
nenen Ausgabe der Oden des Celtis steht auch ein Epigramma Nicolai
Gerbelii Phorcensis, das Büchle S. 7 mit Recht ganz abdruckt.
Der zweite Abschnitt belehrt uns über Gerbeis Stellung zur
Reformation und seinen Verkehr mit hervorragenden Theologen der
neuen Kirche, wozu er in Strafsburg, von jetzt an bis zu seinem am
20. Januar 1560 erfolgten Tode sein dauernder Aufenthaltsort, reichlich
Gelegenheit hatte. Obgleich ein Süddeutscher und in der Burg des
170 Geschichte des Humanismus
süddeutschen Protestantismus wohnend, steht er mit seiner Sympathie
doch auf Luthers und Melanchfhons Seite, mit denen er in dauerndem
Briefwechsel bleibt. Dadurch wird er freilich den Strafsburger Theo-
logen verdächtig und vereinsamt in dem reichen Getriebe der grofsen
Stadt. Gegen den Vorwurf, dafs Gerbel ein Intrigant und Zwischen-
träger gewesen, nimmt Büchle seinen Gelehrten in Schutz: »Er war eine
stille Gelehrtennatur, dem Kampfe der Parteien nicht gewachsen; dem
hohen Flug der Strafsburger Reformatoren konnte er nicht folgen. Das
Mysteriöse der Religion war ihm Bedürfnis« (S. 14).
Ein dritter Abschnitt behandelt seine litterarische Thätigkeit, die
zum Teil Hand in Hand mit seiner Lehrertliätigkeit an der Strafsburger
Schule geht. Er ist der Herausgeber vieler Texte, aber auch Darsteller,
z. B. in seinem bedeutendsten Werke, der descriptio Graeciae, die 1550,
in sieben Büchern abgeteilt, erschienen ist. »Man lernt daraus einen
für die Heimat des Humanismus begeisterten Gelehrten, aber auch einen
Schriftsteller von Ge schmück kennen, welcher die trockene Materie frisch
und lebendig zu behandeln weifs. Denn er gibt kein langweiliges Re-
gister von Ländern und Städten, Bergen, Flüssen und Meeren, sondern
verknüpft die Beschreibung des Landes mit Sitten und Lebensweise der
Bewohner, mit der Geschichte der Völker, mit den Sagen des Mythos
und der Dichtung.o (S. 17).
Der vierte Abschnitt behandelt seine Familienverhältnisse und
einige seiner Freundschaftsverbindungen. Zu den Freunden gehörte
unter andern auch Michael Hummelberg (so und nicht Hummelberger
lautet der eigentliche Name, wie aus dem Eintrag der Heidelberger Ma-
trikel hervorgeht).
Der Anhang I enthält eine chronologische Übersicht seines weit-
verzweigten Briefwechsels. Aus den 112 (eigentlich 114) verzeichneten
Briefen, die durch Datum und Anfangsworte bezeichnet sind, ergiebt
sich, dafs er mit Reuchlin, Erasmus, Luther, Melanchthon, Hütten, Schürer,
Hummelberg, Biitzer, Justus Jonas, Schwebel, Spalatin, Vadian und
anderen Gelehrten in Verbindung gestanden hat.
Anhang H gibt ein 34 Nummern enthaltendes Verzeichnis von
Schriften, bei deren Veröffentlichung Gerbel mehr oder weniger beteiligt
war. Aus dieser Zahl mögen, gemäfs dem Zwecke des Jahresberichtes,
folgende hervorgehoben sein: G. Simier Vimpinensis observationes de
arte grammatica (Tübingen 1512), Poraponins Mela (Wien 1512),
M. Bernardus Pergerius Grammatices institutiones (Wien 1513),
P. Ovidii Metamorphoseon libr. XV (Strafsburg 1515), Flavii Phi-
lostrati de vitis Sophistaium (Strafsburg 1516), Cicero de amicitia,
de senectute, paradoxa tSirafsburg 1516), L. Apuleius Madauiensis
Florid. libri quatuor (Strafsburg 1516), Gellii Noct. Attic. (Strafsburg
1517), Sali US t (Strafsburg 1517), Novura Testamentum Graece (Hagenau
Ad. Büchle, Der Humanist N. Gorbel 171
1521). Terentianae comoediae sex (Strafsburg 1521), Institutio
puerilis literarum Graecarum Phil. Me larich thonis (Hagenau 1525),
Grammatica graeca a Pliil. Melanchthone (Basel 1538), Appian (Strafs-
burg 1539), Lykophron (1542), Joannis Tzetzae variar. historiarura
über (Basel 1546), Sophiaui libri septeni (Basel 155U) u. a. — Zu der
im Jahre 1519 bei Sdiurer in Strafsburg erschienenen Ausgabe der
Fabulae sei bemerkt, dafs auch eine Ausgabe desselben Buches vom
Jahre 1520 existiert, die in Löwen gedruckt wurde, und welche z. B.
die Heidelberger Bibliothek besitzt. Bei manchen dieser Schriften scheint
übrigens seine Mitwiikung sehr gering gewesen zu sein.
Der Verfasser hat es verschmäht, seine Darstellung durch fort-
laufende Citate unter dem Texte zu belegen. Dafür stellt er S. 21 und
28 seine Quellen nur summarisch zusammen. Eine Nachprüfung vieler
Einzelheiten hat mir nun die Zuverlässigkeit seiner Angaben ergeben,
und ich mufs es daher bedauern, dafs er es den Benutzern seiner
fleifsigen und ansprechend geschriebenen Schrift so schwer gemacht hat.
Nichts destowe niger wii'd sich das Material über Gerbel noch etwas ver-
mehren lassen, wenn auch dem Verfasser kein Vorwurf daraus gemacht
werden soll, dafs er neben sehr zahlreichen Büchern, aus denen er das
zerstreute Material sammeln mufste, noch einige weitere hätte benützen
können. Beispielsweise sei auf die von mir gemeinsam mit Adalbert
Horawitz besorgte Ausgabe des Briefwechsels von ßeatus Rhenanus
(Leipzig 1886) verwiesen. Da erfahren wir aus einem Briefe vom Jahre
1515 (S. 80), dafs Gerbel mit Sebastian Braut, Hieronymus Gebwiler,
Jakob Sturm und andern zur Straf^burger sodalitas litteraria gehörte.
Nach S. 200 ist er 1520 mit dem bekannten Feuergeiste Otto Brunfels
befreundet, eine Freundschaft, die nach S. 253 auch noch weiter ange-
dauert hat. 1523 mufs der später getrübte freundschaftliche Verkehr
mit dem Strafsburger Reformator Martin Butzer nach S. 320 noch leb-
haft gewesen sein etc. - Eine weitere Notiz findet sich bei Ed. Winkel-
mann, Urkundenbuch der Universität Heidelberg (Heidelberg 1886)
L 218; darnach wurde Gerbel unter den ehrendsten Ausdrücken von
dem bekannten Humanisten J. Spiegel als Lehrer des Lateinischen und
Griechischen für die zu reorganisierende Universität Heidelberg vorge-
schlagen Die Worte lauten: Grecam et Latinara lecturam unus obire
potest. Nicolaus Gerbelius doctor, qui nunc Argentine agit, meo iudicio
conducendus esset. Vir est multe erudicionis, inculpate vitc et magni
Hominis apud exteros etc. Vergl. auch G. Knod in der Zeitschrift für
die Geschichte des Oberrheines. Bd. 40 (N. F. Bd. 1) S. 335. Freilich
ist aus dieser Berufung nichts geworden. — Das gute Verhältnis zu
Melanchthon hat bis in die spätere Lebenszeit Gerbeis angedauert. Ein
Brief Melanchthons an den berühmten Strafsburger Pädagogen Sturm vom
Jahre 1542 (Corp. Reff. IV 905) schliefst: Salutem opto D. Gerbelio,
D. Sapido et Oratoni nostro. und ein andii •; von 1553 (Corp. Reff.
172 Geschichte des Humanismus.
VIII 48): Salutem vobis omnibus opto, D. Jacobo Sturmio, D. Johanni
Sturmio, D. Gerbellio.
Ludwig Geiger Ftinf Briefe Reucblins (Geigers Vierteljahrs-
schrift I 116- 121).
Diese Briefe Reucblins an Sebastian Brant in Strafsburg waren
Geiger bei der Ausarbeitung seiner Reuchlinbiographie und bei der
Sammlung des Reuchlinschen Briefwechsels unbekannt geblieben Sie
stammen aus zwei Strafsburger Archiven, aus denen sie schon Gh. Schmidt
für seine gelehrte Histoire litteraire de l'Alsace benützte. Von den
zwei ersten Briefen (Baden 1503) ist der zweite von Interesse wegen
der scherzhaften Bemerkung über Reucblins Frau. Die drei letzten aus
den Jahren 1513 und 1514 beziehen sich auf den Reuchlinschen Handel
wegen der Judenbücher und sind eigentlich Werbungen, um die Teil-
nahme der Elsässer Humanisten für Reuchlin zu gewinnen. Zu Brief II
sei bemerkt, dafs der Ausruf: »o tempora, o mores« von Cicero stammt,
der sich desselben wiederholt bedient. Vgl. Verrin. IV 56. Catil I, 2.
Pro dom. 137. Pro Deiot. 11, 31.
Karl Hartfelder Analekten zur Geschichte des Humanismus in
Südwestdeutschlaud (Geigers Vierteljahrsschrift für Kultur und Litte-
ratur der Renaissance I 121—128. 494-503).
Gedichte, Urkunden, Regesten, Einzelnotizen aus verschiedenen
Bibliotheken und Archiven. Sie beziehen sich auf folgende Männer:
1) Jakob Wimpfeling, besonders dessen Verhältnis zu Matthias Widman
von Kemnat, dem Verfasser der bekannten Chronik über Friedrich den
Siegreichen von der Pfalz, sowie sein Verhältnis zur Universität Heidel-
berg betreffend. — 2) Dietrich von Plenningen. von R. Agricola in
Plinius latinisiert, welcher kurfürstlicher Rat zu Heidelberg war und
sich durch Uebersetzungen klassischer Autoren ins Lateinische bekannt
gemacht hnt. Die Urkunden umfassen die Jahre 1488—1494. —
3) Matthias von Kemnat. Meist Gedichte dieses humanistisch gebildeten
Historikers, welche Hofman nicht in den Abdruck von Matthias' Chronik
in den »Quellen und Erörterungen zur baierischen und deutschen Ge-,
schichte« aufgenommen hat. Eine Notiz aus Cod. Heidelberg 358 gibt
den 1. April 1476 als Todestag des Matthias an. — 4) Pallas Spangel,
ein humanistisch gebildeter Theologe, der ein Freund R. Agricolas und
später der Lehrer Melanchthons in Heidelberg war. — 5) Adolf Occo,
ein humanistisch gebildeter Friese aus dem Freundeskreise des Agricola
und Konrad Celtis, der auch vorübergehend Leibarzt des Kurfürsten
Philipp von der Pfalz war. — 6) Johann Vigilius (eigentlich Wacker)
von Sinsheim, ein humanistischer Jurist an der Universität Heidelberg,
ein Freund von Celtis, ein Mann von grofsem praktischen Geschick. —
7) Johannes Tolhopf (Tolophus), ein Freund des Celtis aus geistlichem
Ad. Horawitz, Über die Colloquia des Erasmus. 173
Stande. - 8) Werner von Themar, humanistischer Dichter in Heidel-
berg und Lehrer an dortiger Universität. — 9) Hartmaun Schedel, der
bekannte Nürnberger Arzt, der vorübergehend auch im Dienste des Kur-
fürsten Philipp gestanden. — 10) Johannes Oekolampad, der spätere
Reformator Basels, welcher 1506 zum Pädagogen der kurfürstlichen
Prinzen in Heidelberg bestellt wurde.
Der gröfste unter allen erwähnten Humanisten ist Desiderius
Erasmus :
Adalbert Horawitz, Über die »Colloquia« des Erasmus von
Rotterdam (Hist. Taschenbuch, VI. Folge, Jahrg. 6. S. 51—121).
Gewifs ein Vorläufer der grofsen Arbeit über Erasmus, welche
Horawitz in Aussicht gestellt hat. Der Verfasser will dieses viel-
gepriesene und doch nur selten gelesene Buch durch eine Analyse be-
kannter machen. Er gibt zunächst eine Geschichte der Entstehung des
Werkes, dessen Anfänge bis in die Jahre 1498 oder 1499, in die Zeit
von Erasmus' Pariser Aufenthalt, hinaufreichen. Er hatte damals eine
Reihe lateinischer Floskeln, wie man sie für den täglichen Verkehr
brauchte, zusammengestellt und seinem Freunde , dem Augustiner Aug.
Caminadus, übergeben. Diese für den gelegentlichen Gebrauch ange-
legte Sammlung war nicht zur Veröffentlichung bestimmt; trotzdem
wurde sie ohne Wissen und Willen des Erasmus gedruckt. Es ist das
wohl eine Pariser Ausgabe vom Jahre 1518, welche Horawitz nicht
erwähnt, und welche im Repertoire des ouvrages pedagogiques
dn XVI^ siecle (Paris 1886) S. 227 verzeichnet ist: Parisiis. H. Stephanus.
1518 in — 4°, 63 feuillets. Horawitz erwähnt sodann, dafs Beatus Rhe-
nanus, der Vertraute und Liebling des Erasmus, im Jahre 1518 bei
Johannes Frohen in Basel eine Ausgabe der Colloquia veranstaltet habe
und zwar nach einem Manuskripte, das Frohen von Lambertus Hollonius
erhalten hatte. Aber diese Ausgabe erregte, wie es scheint, das Mifs-
fallen des Erasmus, welcher sofort eine neue Ausgabe veranstaltete,
deren Vorrede vom l. Januar 1519 datiert ist. Die Ausgabe des Jahres
1524 war sodann sehr erweitert. Erst dieser sehr vermehrten Form
des Buches legt Horawitz »eine grofse pädagogische Tendenz« bei: »es
sind auch Kabinetsstücke satirischer Darstellung, aber stets dem Zwecke
der Volkserziehung und Volksverbesserung dienend.« Als Vorbilder
werden Lukian und Lorenzo Valla angegeben »Ganz falsch aber ist
die Beschuldigung des älteren Scaliger, Erasmus habe ein Gespräch aus
dem venetianischen Schriftsteller Nicolaus Leonicenus Thomäus ge-
nommen, einfach schon deshalb, weil dessen Dialoge erst nach denen
des Erasmus erschienen« (S. 62).
In einem zweiten Teile führt Horawitz den in der That sehr
mannigfaltigen Inhalt des Buches vor. Manche Gespräche, wie Monita
paedagogica , Convivium religiosum, Virgo ixcaüyaixog, werden ausführ-
174 Geschichte des Humanismus.
lieber wiedergegeben; wieder andere wie das Convivium poeticum, Con-
vivium fahulosum, Eclio, nur kurz skizziert. Am Schlüsse erhalten wir
Mitieihiiigen über die weiteren Schicksale des vielgelesenen und weit
verbreiteten Schulbuches. Obgleich auf den Index gesetzt, wurde es in
mehrere Sjiracben übertragen. Mehrmals hat Erasmus für sein ange-
griffenes Werk das Wort ergriffen, gewifs ohne seine Gegner, die Mönche
und »Sophisten«, die er so unbarmherzig in dem Buche gegeifselt hatte,
überzeugen zu können. Wenn aber Horawitz am Schlnsse seines an-
ziehend geschriebenen Aufsatzes meint, die eigentliche Opposition gegen
das Werk aus dem Umstände erklären zu müssen, dafs es noch Mil-
lionen Menschen gebe, die in jedem berechtigten Tadel einen Angriff
auf die römiscli-katbolische Kirche sehen, so trifft das die Sache doch
nur halb. Gewifs ist das Werk wegen seiner Angriffe auf die damalige
verweltlichte Kirche auf den römischen Index gekommen. Aber das
Buch erregt auch sittliche und pädagogische Bedenken, wie Horawitz
selbst zugibt: man denke z. B. an die Gespräche »Die Wöchnerin« und
»Das Gespräch des Jünglings mit der Dirne«. Melanchthon, welcher
das Buch als Schulbuch für die evangelischen Schulen empfahl, wünschte
es doch nur mit Auswahl gelesen. In der Visiiationsordnung von 1528
sagt er: »Man sol aus den Colloquiis Erasmi welen, die den kin-
dern nützlich und züchtig sind« Vergl. Corpus Reformat. Bd.
26, 92. Auch der Protestant Raum er (Geschichte der Pädagogik F l!0)
sagt: »Wie man nur ein solches Buch in unzähligen Schulen einführen
konnte!« »Was sollten die Knaben mit Gesprächen über so viele Gegen-
stände, von denen sie nichts verstehen, mit solchen, in denen Lehrer
verspottet werden, mit Unterhaltungen zweier Weiber über ihre Männer,
eines Freiers mit einem Mädchen, um welches er wirbt, und gar mit
dem colloquium »Adolescentis et scorti.«
Die Brücke zwischen dem ober- und niederrheinischen Huma-
nismus bildet der Friese Rudolf Agricola:
Karl Hartfelder, Unedirte Briefe von Rudolf Agricola. Ein
Beitrag zur Geschichte des Humanismus (Festschiift der badischen
Gymnasien. Gewidmet der Universität Heidelberg zur Feier des
500jährigen Jubiläums. Karlsruhe 1886. 4°. S. 1-36).
Ich habe die 26 Briefe einer Stuttgarter Handschrift entnommen,
deren Inhalt Fr. Pfeiffer schon 1849 im Serapeum verzeichnet hatte, und
auf die neuerdings Karl Morneweg wieder aufmerksam machte. Die
Adressaten der Briefe sind Johann von Dalberg, gewöhnlich Camerarius
genannt, Bischof von Worms und Kurator der Universität Heidelberg,
sodann sein und Agricolas J>eund, Dietrich von Plenningen, geminnt
Plinius, kurfürstlich pfälzischer Rat und Humanist, dessen Bruder
Johannes von Plenningen, Kanonikus in Worms, Albert Goyer, Adolf
Occo, ein Friese mit humanistischer Bildung, der Arzt in Augsburg und
Liessem, Hermann van dem Busche. ]75
später Leibarzt des Kurfürsten von der Pfalz war, der Strafsburger
Buchhändler Adolf Rusch, gewöhnlich Ruscus genannt, dem Agricola
Bücherbestellu'igen nach Frankfurt mitgab, ferner Johannes Vredewolt
und Walter Woudensis.
In der Einleitung stellte ich biographische Notizen über diese
Männer zusammen und verband dieselben mit einer kurzen Würdigung
Agricolas, die sich hauptsächlich auf die Aussprüche des Desiderius
Erasmus und Philipp Melanchthon stützt.
Die Biiefe, welciie au verschiedenen Orten Italiens, wie Pavia und
Ferrara, auch Deutschlands, wie Dillingen, Heidelberg, Köln, Koblenz,
Germersheim etc. geschrieben sind und in die Jahre 1469-1485 füllen,
führen uns in das eigentümliche humanistische Treiben der Zeit ein und
geben mancherlei Aufschlüsse über die Beziehung( n Italiens zu Deutsch-
land. Sie geben Mittbeilungen über das Leben Agricolas in Italien,
die mannigfaltigen litterarischen Interessen der Gelehrten, Zustände in
Heidelberg und anderes. — Zu den S. 3 zusammengestellten Notizen
über Werke Agricolas füge ich jetzt noch hinzu: W. Senguerdius, Jac.
Gronovius, Joann. Heymann, Catalog. biblioth. publ. univers. Lngduno-
Batav. (Lugdun. Batav. 1716) steht S. 382: Plinii secundi epistolae,
adscribitur in fine rubrica: Rodolphus Agricola Phrisius Ferrariae ab-
solvit Anno Christi MCCCC° LXXVIIIo kl.' Decembr. Lector perpetuum
vale. In chart. — Zu Raimundus S. 32 vergl. J. Janssen Geschichte
des deutscheu Volkes P 983. Fr. Paulseu Geschichte des gelehrten
Unterrichts S. 80.
Oberlehrer Dr. Liessem, Hermann van dem Busche. Sein Leben
und seine Schriften Teil 1— III. (Beilage zum Programm des Kaiser
Wilhelm -Gymnasiums zu Köln. Köln 1884-1886. 4°.) Auch im
Buchhandel erschienen.
Der Verfasser bietet hier eine verbesserte Erweiterung seiner im
Jahre 1866 erschienenen Arbeit: De Hermanni Buschii vita et scriptis
commentatio historica. Bonnae 1866. Hermann van dem Busche, latini-
siert Hermannus Buschius, entstammte einer alten Familie, die gegen
Ende des 15. Jahrhunderts Schlofs Sassenburg im Müiisterlande besafs,
woselbst auch Hermann 1468 geboren wurde. Seine Scbulkeuntnisse
sammelte er unter dem Domprobst Rudolf von Langen in Münster und
unter Alexander Hegius in Deventer. Akademische Studien machte er
in Heidelberg, Tübingen, Italien bei Pomponius Laetus und Köln. Un-
zufrieden mit dieser letzteren Stadt begann er eine Wanderung durch
Norddeutschland, wobei er nach Hamm, Münster, Osnabrück, Bremen,
Hamburg, Lübeck, Wismar und Rostock kam. Streitigkeiten mit Til-
mann Heuerling vertrieben ihn von letzterer Universität nach Greifswald
und hierauf nach Wittenberg, wo er an der neu gegründeten Schule vor-
übergehend lehrte. Länger blieb er in Leipzig. Ein kampflustiger Poet,
176 Geschichte des Humanismas.
lag er auch bald hier im Streit mit den Vertretern der Scholastik, wo-
durch er veranjafst wurde, 1507 die Hochschule zu verlassen und sich
wieder nach Köln zu wenden. Ein von ihm selbst verfafstes und nach
jonischer Melodie gesungenes Loblied auf die Stadt Köln hat ihm später
sogar das Lob des Erasmus eingetragen, welch letzterer es erst durch
Glareau kennen gelernt hat. Das Lob aber, welches Glarean und
Erasmus der »Flora« — so heifst das Loblied - spendeten, findet in
Liessem einen scharfen Kritiker (S. 31-41). Neben seinen huma-
nistischen Studien trieb Busch auch juristische, und seine im Jahre 1503
zu Leipzig vollzogene Promotion zum Baccalar des Civilrechte.s wurde
1508 in Köln anerkannt. Aber Herzenssache blieben ihm doch die Hu-
maniora und nicht die Jurisprudenz. In Köln bekämpfte er auch das
Doktrinale des Alexander de Villa dei, des üblichen scholastischen Lehr-
buches für den Lateiuunterricht. In der nächsten Zeit schlofs er mit
dem italienischen Juristen Petrus von Ravenna, der vorübergehend in
Köln lehrte, Freundschaft, den auch Ortvinus Gratius in seinem Critico-
mastix verteidigte. Aber die Vertreibung des Petrus von Ravenna und
andere Umstände zerstörten die Freundschaft Buschs mit Ortvinus
Gratius. Ueberall sind die Werke Buschs an der ihnen chronologisch
zugehörigen Stelle sachgemäfs besprochen. Eine Beilage (S. 58 - 70)
bringt sehr dankenswerte, aus den Akten der Kölner Universität ge-
schöpfte Mittheiluugen über jene feierlichste Form der mittelalterlichen
Disputation, die man quodlibetische nannte.
Aus der sorgfältigen und kenntnisreichen Arbeit gewinnen wir
manche wertvolle neue Erkenntnisse über die Geschichte des Huma-
nismus. Trotzdem möchten wir aber zunächst auf mehrere Einzelheiten
aufmerksam machen, die vielleicht anders zu gestalten waren. So isi
z. B. der Wittenberger Aufenthalt Buschs (S. 10) zu aphoristisch ge-
halten. Hier konnten gewifs aus den Quellen noch weitere Angaben
gewonnen werden. Sodann ist die Schilderung der Universität Leipzig
am Ende des Mittelalters (S. 22 ff.) viel zu günstig. Aus den von B.
Stübel veröffentlichten Akten und Urkunden (Urkundenbuch der Uni-
versität Leipzig von 1409 - 1555 als Bd. XI des Codex diplomaticus
Saxoniae) ergibt sich, dafs Leipzig um 1500 tief gesunken war. Die
Lehrstühle waren mit Männern besetzt, die zum Teil gar nicht in
Leipzig wohnten, sondern sich Jahre lang anderwärts aufhielten. Die
anwesenden aber waren faul oder unwissend, in beständigem Streit unter-
einander, bestechlich und neidisch, die Studentenschaft roh, faul und
unwissend, wenigstens einem grofsen Teile nach. Statt zahlreicher Be-
lege verweisen wir nur auf Nr. 252, 276, 278, 282 und 299 des ge-
nannten Urkundenbuchs, durch die wir den Eindruck eines vollständigen
Verfalls der ehemals blühenden Anstalt gewinnen. — In der Auseinander-
setzung über den Streit des Petrus Ravennas (S. 52 ff) werden die
eigentlichen Anklagepunkte gegen Petrus nicht recht deutlich, so aus-
G. Bauch, Hutteniana. 177
führlich sonst der Streit dargestellt ist. Was aber die Auffassung des
Humanismus überhaupt betrifft, so ist Liessem abhängig von Job. Janssen
und Friedr. Paulsen. Was wir z. B. S. 31 ff., 37 ff. und sonst lesen, sind
nur Variationen der Töne, welche die beiden genannten Gelehrten an-
geschlagen haben. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, wie weit
dieselben berechtigt sind. Aber auffallend bleibt immer, wie man bei
einer im Grunde so geringschätzigen Meinung wenigstens von den spä-
teren Humanisten sich doch einen solchen Mann zum Gegenstand einer
Monographie erwählen kann. Denn eine Satire wollte der Verfasser doch
nicht schreiben. Eine Monographie soll ja kein Panegyrikus sein, aber
der Monograph mufs sich doch mit Liebe und Freude in seinen Stoff
versenken können. Unmöglich aber kann Liessem Freude an dem von
ihm behandelten Helden haben, wenn er doch im Grunde so gering von
den Männern denkt, zu deren bedeutendsten Hermann van dem Busche
gehört.
Neuerdings findet zahlreiche Freunde wie Gegner Ulrich von
Hütten:
Gustav Bauch, Hutteniana (Geigers Vierteljahrsschrift I 486
bis 494).
Erweiterungen zu der prächtigen Ausgabe der Werke Huttens von
Böcking, bestehend in: 1) einer Mittheilung aus der Matrikel der ehe-
maligen Universität Frankfurt a. 0. über Hütten und seine geistes-
verwandten Freunde, z. B. Arnold Glauburg von Frankfurt, Johannes
Hütten, Hermann Trebelius von Eisenach und andere. — 2) Zwei Briefe,
von denen der erste (Hütten an Petrus Mosellanus 4. Juni 1520) den
Druck bei Böcking verbessert, der zweite (Rudbertus Moshamer und
Paulus Geraeander an Hütten l. Februar 1521) bisher ungedruckt war.
— 3) einer Stelle über Hütten aus der überaus seltenen Schrift: »Ad
principes christianos de religione ac communi concordia» von dem huma-
nistisch gebildeten Georg Sauermann, der wieder zur katholischen Kirche
zurückkehrte: »Von keinem zeitgenössischen Gegner wird die schreck-
liche Krankheit des unglücklichen Ritters so rücksichtslos ausgebeutet,
um Ekel gegen ihn zu erwecken,« wie von Sauermann.
Georg Ellinger, Ueber Huttens Charakter (Geigers Vierteljahrs-
schrift I 244—247).
W. Maurenbrecher hat neuerdings in seiner »Geschichte der
katholischen Reformation« über Hütten so abfällig geurteilt, dafs er den
patriotischen Humanisten einen Mann ohne Charakter nannte. Ellinger
sucht nachzuweisen, dafs die drei Gründe, worauf Maurenbrecher sein
Urteil gründet, nicht stichhaltig sind. Insbesonders weist er den Vor-
wurf zurück, als ob Hütten im Jahre 1521 eine Pension im Betrage von
400 Gulden von Kaiser Karl V. angenommen, um dafür in dem luthe-
rischen Handel zu schweigen. Ellinger behauptet, dafs Maurenbrechcr
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft Lü. (1887. III.) 12
178 Geschichte des Humanismus.
eine Stelle in der Schrift des Otto Brunlels, welche dieser nach Huttens
Tode gegen die Spongia Erasmi gerichtet, niifsverstanden, dafs die
400 Gulden zwar Hütten angeboten, von diesem aber abgelehnt wor-
den seien.
Einer der gröfsten unter den humanistisch gebildeten Männern
wird immer bleiben der Nürnberger Patrizier:
Will bald Pirckheimer als Geschichtschreiber. Inaugural-
Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt der hohen
philosophischen Fakultät der Universität Basel von Otto Markwart.
Zürich. Meyer & Zeller. 1886. 8«. X und 173 S.
Nur wegen der grofsen Bedeutung, die Pirckheimer als Humanist
hat, mufs diese gründliche und sorgfältige Schrift auch an dieser Stelle
besprochen werden: ihrem Hauptinhalt nach ist sie ein Beitrag zur Ge-
schichte und zur Geschichte der Historiographie. Pirckheimer nahm
als Anführer des Nürnbergischen Kontingentes 1499 Auteil au dem so-
genannten Schwaben-, wie die Schweizer, oder Schweizerkrieg, wie die
Deutscheu sagen, durch den die Schweiz faktisch vom Deutschen Reiche
unabhängig wurde. Seine Erlebnisse, die er tagebuchartig aufgezeichnet
haben mufs (er hat übrigens an keiner grösseren Schlacht des Krieges Teil
genommen), verarbeitete er mit anderen Quellen kurz vor seinem Tode,
1530, zu einer lateinisch geschriebenen Monographie des Krieges, das
bellum Suitense, dessen Besprechung und kritische Zergliederung den
Hauptinhalt von Markwarts Dissertation bildet. Sonst kommen von
Pirckheimer als historische Arbeiten nur noch in Betracht: sein Brief
an B. Egnatius über die deutschen Städte, ein kleines Fragment über
die römischen Altertümer in Trier und die 1530 erschienene Germaniae
ex variis scriptoribus perbrevis explicatio, welch letztere eine Art
»Deutsche Altertumskunde« in lateinischer Sprache, ein Seitenstück zu der
Exegesis Germaniae des Franciscus Irenicus ist.
Wir besitzen von Pirckheimer weder eine genügende Ausgabe seiner
Werke noch eine den heutigen Anforderungen entsprechende Biographie.
Die von Goldast herausgegebenen Opera sind nicht blofs unvollständig
und ungeordnet, wie Markwart hervorhebt, sondern auch sehr unzu-
verlässig im Text, besonders in den Briefen. Die Herstellung einer Aus-
gabe wie einer monographischen Behandlung hat aber grofse Schwierig-
keiten, weil der litterarische Nachlafs Pirckheimers, der keinen Sohn
hinterliefs , in englischen Privatbesitz übergegangen ist, so dafs seiner
Benützung vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstehen.
Übrigens glaube ich ergänzend versichern zu dürfen, dafs eine sehr sorg-
fältige Durchsuchung der handschriftlichen Schätze unserer deutschen
Bibliotheken schon manches Material liefern würde.
Aus der kurzen Biographie Pirckheimers (S. 8 ff.) erfahren wir, dafs
derselbe in Padua drei Jahre und in Pavia vier Jahre studierte. Seine
0, Markwart, W. Pirckheimer. 179
humanistische Schriftstellerei begann er erst c 1511, und für die Ge-
schichte der Philologie komraen besonders seine Übersetzungen klassischer
Autoren ins Lateinische und Deutsche in Betracht. An dem Reuchlin-
schen Handel nahm er begeisterten Anteil als Reuchlinista; später ver-
höhnte er den Gegner Luthers, den bekannten Johann Eck, in seinem
Eccius dedolatus, verkehrte freundschaftlich mit vielen Humanisten, wie
Konrad Celtis, Beatus Rhenanus, mit dessen Studien sich seine eigenen
begegneten, mit Erasmus, auch mit Melanchthon, selbst dann noch, als
er, ein kränklich gewordener Greis, sich verstimmt von den Evangelischen
zurückzog.
Sehr ansprechend für die Würdigung des deutschen Humanismus
sind in Markwarts Schrift die Abschnitte: Der patriotische Zug, nämlich
der deutschen Humanisten, S. 37 — 55, Anfänge der Kritik, S. 55—64,
Sprachliches, S. 64 — 76, Etymologien, S. 76 78, Pirckheimers spezielle
Verdienste, S. 79-86.
An manchen Stellen hätte der Verfasser seine Darstellung durch
Heranziehung weiterer humanistischer Litteratur bereichern können.
So würde z. B. S 37-55 noch inhaltsreicher geworden sein, wenn Mark-
wart die Geschichte der germanischen Philologie von Rudolf von Raumer
(München 1870) gekannt hätte. Auch hätte Bezolds schöne Arbeit über
Celtis in Sybels Historischer Zeitschrift und die Arbeiten von Adalbert
Horawitz über Beatus Rhenanus in den Sitzungsberichten der Wiener
Akademie treffende und charakteristische Data geliefert. Für das Ka-
pitel über den Patriotismus der Humanisten ist seitdem eine Mono-
graphie von Buschkiel (Chemnitzer Programm), welches oben S. 160
besprochen ist, erschienen, die sich in den Grundanschauungen mit
Markwarts Arbeiten deckt. Beachtenswert ist die Behauptung S. 65,
dafs der deutsche Humanismus, ähnlich wie Hütten, sich wahr-
scheinlich der deutschen Sprache zugewandt hätte, wenn er in
seiner Entwickelung nicht gestört worden wäre. Als sehr zu-
treffend müssen die Bemerkungen über Pirckheimers lateinischen Stil,
S. 68 ff. bezeichnet werden, die auf die meisten Humanisten übertragbar
sind. Doch würde vielleicht Markwart besser den Ausdruck »Pirck-
heimers legere Darstellungsweise« vermieden haben. — Zu S. 21 Anm.
sei bemerkt, dafs eine Wiedergabe des Dürerschen Bildes von Pirck-
heimer sich auch bei L. Geiger, Renaissance und Humanismus (Berlin
1882) S. 377 befindet.
Eine Verbindung zwischen den Humanisten im Osten und Westen
Deutschlands repräsentiert Rhagius Aesticampianus:
F. Falk, Zu Bauch, Ragius Aesticampianus (Archiv XII, 321)
[Archiv für Litteraturgeschichte XIV (1886), S. 441 und 442|.
Zu der gründlichen und sorgfältigen Arbeit Bauchs fügt Falk
einige kurze Notizen, welche Jakob Merstetter aus Ehingen, Job. Monster,
Theoderich Gresemund und Johannes Huttich betreffen.
12*
180 Geschichte des Humanismus.
Gustav Bauch, Caspar Ursinus Velius der Hofhistoriograph Fer-
dinands I. und Erzieher Maximilians II. Budapest. Friedrich Kilian.
1886. Lex.-80. 84 S.
Mit einer kleinen Apologie des Humanismus beginnend, sagt der
durch mehrere gediegene Arbeiten auf diesem Gebiete bereits bekannte
Verfasser: »Für Neuschöpfungen ergeben sich drei Gebiete literarischer
Thätigkeit, in welchen die Form am meisten zur Geltung kommen kann,
die Poesie, die Kunstrede und die aktuelle Geschichtsschreibung. Diese
Gebiete alle drei hat der Mann angebaut, mit welchem sich die folgen-
den Zeilen beschäftigen sollen, Caspar Ursinus Velius.« (S. 4.) Er ge-
hört zu jenen Humanisten, welche für den österreichisch-ungarischen
Osten die Vermittler zwischen Früh- und Spätrenaissance sind. Als
eigentlicher Name des Humanisten wird mit Wahrscheinlichkeit Bern-
hard nachgewiesen. Velius soll er heifsen, weil er während seines Auf-
enthaltes in Rom in dem ehemals Velia genannten Stadtteile gewohnt
hat. 1503 zu Schweidnitz in Schlesien geboren, macht er Studien zu
Krakau, sodann in Leipzig, wo er Rhagius Aesticampianus hörte und
selbst schon als Lehrer des Griechischen auftrat. Sodann nahm er
Dienste bei dem humanistisch gebildeten Bischof von Gurk, Matthäus
Lang, dem Staatsmann des Kaisers Maximilian I., mit dem er weit
herumzog, auch nach Italien kam. In Rom wurde er mit dem bekannten
Mäcenas Coritius bekannt, den er, wie viele andere Humanisten, in
lateinischen Gedichten pries. Auch mit deutschen Landsleuten verkehrte
er in der ewigen Stadt, von denen Christoph von Suchten, Stephanus
Rosinus aus Augsburg, Petreius Aperbach und andere genannt sein
mögen. Hier dichtete er auch heroische Lobgedichte auf Kaiser Max I.
und Heinrich VIII. von England. 1514 im Spätherbste verliefs er Rom
und trat wieder in den Dienst des Mathäus Lang zurück, in dessen
Begleitung er sodann von Augsburg nach Wien reiste, wo er sich 1515
an der Universität immatrikulieren liefs. Hier wurde er von der herr-
schenden Modekrankheit der Syphilis befallen, mufste aber im nächsten
Jahre in die ihm immer weniger zusagende Stellung bei Lang zurück-
kehren.
Ohne sein Wissen veröffentlichte der mit ihm befreundete Georg
von Logau eine unvollständige und unkorrekte Sammlung seiner latei-
nischen Gedichte zu Wien im Jahre 1517. Die Güte des Mäcenas
Thurzo, der ihm ein Kanonikat in Breslau verlieh, ermöglichte ihm end-
lich, den unfruchtbaren Dienst des unterdessen zum Kardinal erhobenen
Lang zu verlassen. Er scheint in der nächsten Zeit der Sekretär des
freigebigen Gönners gewesen zu sein. Bei seiner Rückkehr nach Wien
vermifste er besonders den ihm früher lieb gewordenen Vadian aus St.
Gallen, welcher in sein Vaterland zurückgekehrt war und bald ein Vor-
kämpfer der Reformation wurde, während Ursinus katholisch blieb.
Parallel mit seinen zahlreichen Reisen geht beständig die poetische
G. Bauch, Caspar Ursinus Velius. 181
Produktion. Gröfsere und kleinere lateinische Gelegenheitsgedichte ver-
schiedensten Inhaltes für Gönner und Freunde erscheinen da und dort
im Druck, unter denen z. ß. ein Epithalamion für die Hochzeit Ferdi-
nands I. mit Anna von Ungarn erwähnt sein möge.
Die Pest des Jahres 1521 vertrieb unsern Poeten aus Wien an
den Oberrhein. In Basel gewann er sich Beatus Rhenanus und die
Brüder Amerbach zu Freunden, bis er endlich auch den abgöttisch ver-
ehrten Erasmus in genannter Stadt begrüfsen durfte. Derselbe würdigte
ihn sogar seiner ausgezeichneten Freundschaft. 1522 siedelte Ursinus
sodann nach Freiburg über, wo er den 1. Februar immatrikuliert wurde
und sich an Zasius anschlofs. Eine Frucht dieser Verbindungen war es,
dafs 1522 seine Gedichte (Poematum libri quinque) bei Frohen in Basel
gedruckt wurden.
Die mit dem Fortschreiten der deutschen Reformation verknüpften
Unruhen trieben den Dichter wieder nach Italien, wo er aber im Rom
Hadrians VI. sich nicht mehr so beglückt fühlte wie bei seinem ersten
Aufenthalte. 1524 übernahm er den Lehrstuhl für Rhetorik an der
Wiener Hochschule, eine Thätigkeit, die ihn aber nicht ganz befriedigte.
1526 begleitete er König Ferdinand als offizieller Historiograph in den
Krieg nach Ungarn, woselbst er von früher her schon viele Verbindungen
hatte. Später mit dem ehrenvollen Amte eines Erziehers der Kinder
Ferdinands betraut, rafft ihn den 5. März 1539 ein rätselhafter Tod
(Bauch findet einen Selbstmord nicht unwahrscheinlich) plötzlich hinweg,
so dafs er das Hauptwerk seines Lebens, eine Geschichte Ferdinands L,
als Torso hinterläfst. Das beigegebene chronologische Verzeichnis der
Schriften des Ursinus zählt 60 Nummern. Die sorgfältige Arbeit ist
zum Teil auf handschriftlichen Quellen aufgebaut. Doch hätte Bauch
es den Benutzern etwas leichter machen und bei den zahlreichen citierten
Briefen auch den Fundort angeben sollen. Im übrigen wird kein Leser
die Arbeit ohne reiche Belehrung aus der Hand legen.
Mit Bauchs Arbeit über Caspar Ursinus Velius berührt sich durch
den römischen Aufenthalt des Ursinus folgende:
Ludwig Geiger, Der älteste römische Musenalmanach (Geigers
Vierteljahrsschrift I 145—161).
Mit dem ältesten römischen Musenalmanach ist die im Jahre 1524
in Rom erschienene kleine Schrift Coryciana gemeint, die ihren Namen
von dem in Rom lebenden Luxemburger Johann Goritz (gewöhnlich
Corycius genannt, mit Beziehung auf Vergil Georg. IV 127) erhalten hat.
Derselbe bekleidete die Stelle eines päpstlichen Notars und war von
Gelehrten und Beamten hoch geachtet; zugleich Mittelpunkt eines Kreises
begabter und humanistisch gebildeter Männer, zumeist Italiener, auch
einiger Deutscher, die sich während ihres römischen Aufenthaltes an-
schlössen, wie Petrus Aperbach, Janus Hadelius, Ulrich von Hütten,
]82 Geschichte des Humanismus.
Cajus Silvanus, Seb. Sprenz, Job. Cbr. Suchthenius und Kaspar Ursinus.
Von den italienischen Genossen erhalten wir eine eingehendere Schilderung:
Pietro Bembo, Baldassare Castiglione, M. A. Flaminio und Paolo Giovio.
Eine besondere Hochschätzung genofs in diesem Kreise eine Marmor-
gruppe der heiligen Anna und Madonna mit dem Jesuskinde, welche
Goritz 1512 bei Sausoviuo bestellt hatte, und die jetzt noch — freilich
sehr unvorteilhaft aufgestellt — sich in einer Kapelle der Kirche
S. Agostino zu Rom befindet. Corycius wurde ein Opfer der im Jahre
1527 erfolgten Einnahme Roms durch die Deutschen , die ihn aus der
ewigen Stadt vertrieb. Auf der Flucht nach Deutschland starb er arm
in Verona.
Gustav Bauch, Johannes Hadus-Hadelius. Ein Beitrag zur
Geschichte des Humanismus an der Ostsee (Geigers Vierteljahrs-
schrift I 206-228).
Nach Konrad Celtis, Hermann van dem Busche und Ulrich von
Hütten ist Hadus der vierte Wanderprediger des Humanismus an der
Ostsee. Wahrscheinlich Hadeke ursprünglich heifsend, latinisiert er sich
seit 1513 in Hadus und seit 1517 in P. Janus Hadelius. Vielleicht
stammt er aus Stade. Seine Studien begann er unter dem italienischen
Humanisten und Poeten Riccardo Sbruglio aus Friaul in Leipzig, dem
er 1508 nach Wittenberg folgte, nachdem er schon in Leipzig als Lehrer
aufgetreten war. Nachdem 1513 Sbruglio, schon früher durch Konrad
Mutian an den kurfürstlich-brandenburgischen Rat Eitelwolf von Stein
empfohlen, an die neugegründete Universität Frankfurt a. 0. über-
gegangen, folgte ihm Hadus auch dorthin. Aber bereits 1514 wurde er
Lehrer der humanistischen Disziplinen an der pomraerschen Universität
Greifswald. Nur ein Jahr hielt er in dieser ziemlich unsicheren Stellung
aus, dann wandte er sich nach dem nahen Rostock, wo er ohne Gebühr
1515 in die Matrikel eingetragen wurde. Magister Egbert Harlem,
Baccalar der Theologie, der einst Hütten freundlich aufgenommen hatte,
nahm auch den neuen humanistischen Ankömmling in sein Haus auf,
und an dessen Tisch wurde er mit anderen angesehenen Universitäts-
lehrern bekannt, so dafs er festen Fufs an der Universität zu fassen
hoffen konnte. Aber die Gegnerschaft des Magisters Heinrich Cother
verleidete ihm den Aufenthalt in Rostock, so dafs er 1516 sich von
neuem auf die Wanderschaft begab. In Frankfurt a. 0. fand er alles im
Schrecken von der in der Stadt mächtig wütenden Pest, was ihm den
Anlafs zu seinem besten Gedichte: Elegia ad Rambertum clariss.
Rostochii medicum quiddam de pestilentia mirum gab. Von da zog er
über Breslau nach Krakau, dessen Universität damals auf dem Höhe-
punkte ihrer Blüte stand, und wo er trotz der hier ebenfalls wütenden
Pest vorerst blieb. Als er aber auch hier nicht fand, was er suchte,
wandte er sich nach Wien, wo er 1517 von Kaiser Max L zum Dichter
G. Bauch, Johannes Hadus-Hadelius, 183
gekrönt wurde. Schon 1518 aber ist er auf dem Wege nach Italien,
wo er in Rom in den Kreis des Luxemburgers Goritz aufgenommen
wurde, wie wir aus der Elegie »In statuas Corycianast in der Coryciana
sehen. Weiter aber können wir seine Spur nicht verfolgen. »Ob er
überhaupt wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist, bleibt uns ganz
unbekannt; in Rostock, wohin er von Italien wieder seine Schritte lenken
wollte, ist er jedenfalls niemals wieder aufgetreten. Und so schliefst
für uns sein Leben wieder, wie es begonnen, im Dunkel.«
Professor Dr. Adalbert Horawitz, Zur Geschichte des Huma-
nismus in den Alpenländern. I. Wien. C. Gerolds Sohn. 1886. 8°.
52 S. (Separatabdruck aus Bd. 111. Heft l. S. 331 der Sitzungs-
berichte der Wiener Akademie, phil.-histor. Cl.).
Die Publikation enthält 32 ungedruckte Briefe in lateinischer
Sprache mit kurzer Einleitung. Dieselben beweisen, dafs im Anfang
des 16. Jahrhunderts die humanistische Bildung auch in die stillen
Klöster der Alpen Oesterreichs ihren Einzug gehalten hatte. Aller-
dings sind die meisten Briefe keine specimina eruditionis, manche
wimmeln im Gegenteil von Germanismen und sonstigen Fehlern, so dafs
man den guten Willen für die That nehmen mufs. Die Briefe stammen
zunächst aus zwei Salzburger Handschriften, deren erste aus der Salz-
burger Studienbibliothek »Scrinioli Georg Commentarii in Jonam et
Ecclesiasten« katalogisiert ist, deren zweite dem Stift St. Peter in Salz-
burg angehört. Einzelne Briefe sind wertvoll als Belege für das hohe
Ansehen , das der bekannte Kardinal Matthäus Lang von Augsburg,
'einer der gefeiertsten Patrone der Humanisten, auch in den Kreisen der
Klosterbrüder genofs. Die Briefschreiber sind zumeist sonst unbekannt,
die Gegenstände, worüber sie sich unterhalten, wenig bedeutend.
Im einzelnen ist zu bemerken, dafs das Citat S. 4. Anm. 2 genauer
sein mufste. - S. 11. Zeile 11 ist das Komma hinter tempus als sinn-
störend zu tilgen. — S. 22 in der Mitte scheint Jonah Druckfehler
für Jonam. — In der zweiten Hälfte von S. 24 sind entweder mehrere
Druckfehler oder der Verfasser schreibt sehr schlecht lateinisch. —
S. 27. Z. 6 von unten ist ipe offenbar Druckfehler für ipse. — S. 32 ist
bei Brief Nr. 12 das Datum vergessen. — S. 33 in Brief Nr. 12 ist
Valle wohl in valde zu verbessern. — S. 33. Anm. 2 war nicht von
Grafs »Schrift«, sondern »Aufsatz« zu reden, da diese Arbeit in der
Niednerschen Zeitschrift für historische Theologie erschienen ist. — S. 34
am Ende von Brief XIII ist Silispone vermutlich Druckfehler für Salis-
pone etc.
Dr. Reinhard Kade, Studien zum Freiberger Chronisten Andreas
Möller (Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein , herausgegeben
von H. Gerlach. Heft 23. 1886. S. 1- 20).
Diese Arbeit mufs hier kurz erwähnt werden, weil Möller, Kon-
rektor am Freiberger Gymnasium (1624-1637) bei einer öffentlichen
184 Geschichte des Humanismus.
Aufführung des Plautus Aulularia benutzte, allerdings Anfang und Ende
für seinen Zweck zurecht machte, lateinische Prologe und Epiloge hinzu-
dichtete und die Zwischenakte durch ein selbstgefertigtes deutsches Lust-
spiel ausfüllte.
Alex. Kolbe, Was haben wir an Bugenhagen? Festrede am
24. Juni 1885. (Programm des Bugenhagenschen Gymnasiums zu
Treptow an der Rega. Treptow a. R. 1886. 4°. 12 S).
Eine zum Jubiläum Bugenhagens gehaltene Festrede in biblischem
Tone, die aber keine Förderung zur Bugenhagenforschung bringt. Wert-
voll dürften vielleicht die alten Bugenhagen-Bilder sein, auf welche der
Redner hinweist, die sich in dem Schularchiv gefunden haben.
Georg Mäcropedius, Ein Beitrag zur Litteraturgeschichte des
sechszehnten Jahrhunderts. Von Dr. Daniel Jacoby, Oberlehrer.
Berlin. 1886. 4*^. (Beilage zum Programm des Königstädtischen Gym-
nasiums. Ostern 1886. Programm Nr. 63.) 31 S.
Der Verfasser hat in dieser fleifsigen Schrift seinen Artikel »Mä-
cropedius« in der Allgemeinen deutschen Bigraphie vervollständigt und
besonders mit einer wertvollen Bibliographie des Mäcropedius ausge-
stattet. Danach hiefs Georg Mäcropedius, geboren 1474 oder 1475 in
Gemerten bei Herzogenbusch, eigentlich Lankveld oder Langhveldt.
Nach Vollenduug seiner Studien trat er in die Genossenschaft der Brüder
vom gemeinsamen Leben oder Hieronymianer, auch Gregorianer genannt,
und leitete deren berühmte Schule zu Herzogenbusch, dann die Schule
von Lüttich, die im Anfang des 16. Jahrhunderts als die beste aller
Brüderschulen galt, dann die Schule zu Utrecht bis 1552; den nach
Herzogenbusch Zurückgekehrten raffte 1558 ein hitziges Fieber hinweg.
Der als Lehrer hochgeschätzte Mann hatte trotz seiner Gewissen-
haftigkeit und seines Fleifses in der Schule noch Zeit zur Abfassung
zahlreicher Lehrbücher und lateinischer Dramen. Aus seiner Schule
gingen beinahe alle bedeutenderen Männer Hollands in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts hervor, von denen nur einige genannt sein
mögen: Joannes Sasgert (Saskerides), Estius, Haräus, Heure, W. Ganter,
bekannt durch seine Anmerkungen zu Aeschylus und Euripides, Cor-
nelius Valerius, eigentlich Wouters etc.
Die Bibliographie des Mäcropedius enthält Schulschriften und
Dramen. Aus der ersten Klasse, die Jacoby nur verzeichnet, nicht be-
spricht, weil er blofs den Dramatiker würdigen will, seien hervorgehoben :
Graecarum Institutionum Rudimenta. Busciducis. Hatard, 1535, Insti-
tutiones Grammaticae (welcher Sprache?) ebendaselbst 1538, Syntaxeos
Praecepta (wohl für Griechisch?) ebendaselbst 1538, Nominum et Ver-
borum Quae in Institutionibus Grammaticis G. Macropedii Exeraplorum
loco passim assumuntur Germanica interpretatio. Antv. 1552, Funda-
mentum Scholasticorum. ültraiecti 1538, Prosoedia G. Macropedii. Antv
D. Jacoby, Georg Macropedius. 185
1550, Simplex disserendi Ratio. Buseid. 1536, Methodus de Conscri-
bendis Epistolis. Dilingae 1561 etc.
Nach Jacobys Ansicht besitzen wir von Macropedius nur 12 latei-
nische Dramen, da derselbe weder eine »Susanna« noch »Passio Christi«
geschrieben hat. Von den Dramen werden aus Maugel an Raum nur
drei besprochen: Asotus, eine Bearbeitung des Gleichnisses vom ver-
lorenen Sohn, Petriscus und Josephus.
Als Dramatiker ist Macropedius abhängig von Reuchlins Dramen
Henno und Sergius, wie er selbst angibt, übertrifft aber sein Vorbild in
mancher Beziehung. Seine Figuren werden schon durch die Namen
charakterisiert: Der fleifsige Jüngling Philomathes, der Taugenichts
Clopicus, der gutmütige Eumanius etc. Vielleicht behandelt Jacoby die
humanistische und pädagogische Bedeutung des Macropedius in einer
Fortsetzung, wobei freilich die Anschauung, dafs derselbe der bedeu-
tendste Gramatiker seiner Zeit sei (S. 5), modifiziert werden müfste.
Gustaf Leithäuser, Hans Holbein der Jüngere in seinem Ver-
hältnisse zur Antike und zum Humanismus. Hamburg. 1886. 4". 31 S.
(Programm-Beilage des Johanneums).
Ausgehend von der zweibändigen Arbeit Alfred Woltmauns »Hol-
bein und seine Zeit« (2. Aufl. 1874—1876), die als »ein unvergleich-
liches Werk« bezeichnet wird, sucht der Verfasser, noch eingehender als
Woltmann, das Verhältnis Holbeins zur Antike zu bestimmen. Unter
den Humanisten haben der Baseler Mäcenas Bonifacius Amerbach, der
berühmte Desiderius Erasmus und der Engländer Thomas Morus die
"innigsten Beziehungen zu dem Maler gehabt, der besonders auch für
die Titelblätter der Baseler Drucke des Erasmus seine Kunst angewendet
hat: »Wie viel geistige Förderung aber mufste der Maler hierbei aus
dem persönlichen Verkehr mit einem Manne gewinnen, der mit über-
legenem Wissen den Zauber herzgewinnender Liebenswürdigkeit ver-
band« (S. 3). Der Verfasser bekämpft nun bei einer ganzen Anzahl von
Holbeinschen Bildern, besonders den cyklischen Gemälden, die Deutung
Weltmanns — wie mir scheint — mit Erfolg. Sicherlich hat er mit
der Polemik S. 10 Recht, wenn er erklärt, dafs die Gegenüberstellung
des klassischen Altertums und der Bibel nichts Befremdliches hat. Das
ist vielmehr bei den meisten deutschen Humanisten die Regelj, dafs
eine biblische Theologie und eine mafsvoUe Kultur der Renaissance im
innigsten Bunde stehen. Wenn aber der Verfasser die Latinisierung
Amerbach in Amorbach für Bonifaz Amerbach besonders bezeichnend
findet (S. 7), so ist zu bemerken, dafs diese latinisierte Form auch bei
den andern Amerbachen, Johann, Basilius und Bruno die übliche
Namensform ist, wie sich z. B. aus dem von Horawitz und mir edierten
Briefwechsel des Beatus Rhenanus ergibt. — Eine wertvolle Bereicherung
seiner Arbeit findet Leithäuser jetzt in dem S. Vögelinschen Aufsatz
(Repertorium für Kunstwissenschaft. Band X. S. 345).
186 Geschichte des Humanismus.
Johann von Äntoniwiecz, Zur Geschichte des Humanismus und
der Renaissance in Polen (Münchener Allgemeine Zeitung. 1886. Bei-
lage Nr. 327. 328).
Der Verfasser bandelt gelegentlich eines Werkes von Kazimiers
Morawski (1884) über den polnischen Humanisten Andreas Patricius
Nidecki (Andrzej Patrycy Nidecki 1522—1572), welcher auch vielfach
mit deutschen Humanisten und Gelehrten verkehrt hat. Zugleich macht
er auf eine Spur aufmerksam, wonach sich handschriftliche Briefe des
genannten Humanisten früher in Eichstädt befanden, und die jetzt in
einem bayerischen Kreisarchiv in unbeachteter Verborgenheit schlummern
dürften.
Philippi Me'lauchthonis studia philosophica, quam rationem et
quid moraenti ad eins theologiam habuerint, quaeritur. Dissertatio in-
auguralis philosophica quam consensu et auctoritate amplissimi philo-
sophorum ordinis in universitate Fridericiana Halensi ad summos in
philosophia honores rite capessendos etc. publice defendet auctor
Otto Riemanu, pastor ecclesiae evangelicae. Halis Saxonum 1885.
80. 57 S.
Der Verfasser verbreitet sich kurz über den Bildungsgang Me-
lanchthous und zeigt, wie er kurz nach seiner Berufung nach Wittenberg,
unter den Einflufs Luthers kommend, Aristoteles gering schätzte, bald
aber die feste Überzeugung gewann, dafs die Theologie der Philosophie
nicht entbehren könne. Ilias raalorum est inerudita theologia, heifst
sein charakteristischer Ausspruch, dem er bis an das Ende seines Lebens
treu geblieben. Riemann sucht nun nachzuweisen, inwiefern die Dia-
lektik, Physik oder, wie man damals sagte, die Physiologie und Ethik
sich zu seinen theologischen Ansichten verhalten haben. Leider hat sich
der Verfasser sein Ziel nicht sehr hoch gesteckt. Insbesonders hat er
es unterlassen, sich mit der ausgedehnten Litteratur über den behan-
delten Gegenstand bekannt zu machen. Man darf wohl mit Recht fragen,
wozu alle geistige Arbeit dienen soll, wenn die Nachfolger es nicht der
Mühe wert erachten, die Vorgänger zu studieren, ehe sie sich selbst ver-
nehmen lassen. Wenn jeder die Sache wieder von vorn anfängt, so be-
kommen wir von der geistigen Thätigkeit das Bild einer Sisyphusarbeit.
In der nahezu gänzlichen Nichtbeachtung der Vorgänger liegt denn auch
der Grund, weshalb Riemann die hier in Frage kommenden Probleme
nicht gefördert hat. Statt aller weiteren Beispiele will ich nur auf
eines aufmerksam machen. In dem Abschnitte über Ethik mufsten min-
destens folgende zwei Arbeiten berücksichtigt werden: Schwarz, Me-
lanchthon als Ethiker (Theologische Studien und Kritiken 1853. S. 17)
und Chr. E. Luthardt, Melanchthons Arbeiten im Gebiet der Moral.
Leipzig. Universitätsschrift 1884. Was soll man ferner dazu sagen,
dafs Riemann nicht einmal die wichtigste Arbeit über den von ihm bear-
0. Riemann, Ph. Melanchthonis studia. 187
beiteten Gegenstand, das Buch Herrlingers über die Theologie Me-
lanchthons, das schon 1879 (Gotha. Perthes) erschienen ist, beige-
zogen hat?
Ein fernerer Mangel des Schriftchens besteht darin, dafs der Ver-
fasser nicht den Nachweis versucht hat , wie die späteren Bearbeitungen
der Melanchthonschen Bücher in der Regel einen nicht unwesentlich
veränderten Standpunkt aufweisen. Insbesondere wäre zu zeigen ge-
wesen, wie Melanchthon mit zunehmenden Jahren der Theologie einen
immer gröfseren Einflufs auf seine philosophischen Ansichten gestattete.
Dies dürfte freilich in der Physik und Ethik deutlicher nachzuweisen
sein als in der Dialektik.
Aufserdem wäre vielleicht auch die Rhetorik Melanchthons bei-
zuziehen gewesen, schon deshalb, weil Rhetorik und Dialektik bei ihm
fast unzertrennlich sind, wie schon bei früheren Humanisten, von denen
nur Rudolf Agricola angeführt sein soll. Wenn ferner Riemann am
Schlüsse die Friedensliebe Melanchthons hervorhebt (S. 52), so ist das
schon richtig; nur dürfte das gewählte Beispiel, das Verhalten gegen
Hütten (1523), nicht besonders glücklich sein. Denn die Urteile über
Huttens Streit mit Erasmus hatten ihren letzten Grund in andern Rück-
sichten. Die Wittenberger wollten sich damals den einflufsreichen Hu-
manistenkönig in Basel nicht zum Feinde machen. Man darf eben
solche briefliche Äufscrungen nicht aus ihrem natürlichen Zusammenhang
reifsen, wenn man nicht das richtige Verständnis zerstören will. — Das
Latein des Verfassers ist nicht frei von Germanismen: ich erinnere nur
an saepius für öfters, wo saepe stehen müfste. -- S. 13 hat Riemann
nach Corp. Reff. XI 17 citiert: et qui alioqui Graecis obscurus, xal xh
Xo^ta similis videtur, was gar keinen Sinn hat; es mufs vielmehr xal
Tip Ao$c'(/L heifsen.
Ernst Koch, Magister Stephan Reich (Riccius). Sein Leben und
seine Schriften (1512—1588). Mit Reichs Bildnis in Lichtdruck.
Meiningen 1886. 40 S.
Unter den Schülern Melanchthons, deren Name auch in der Ge-
schichte der Philologie genannt werden mufs, nimmt Reich (oder latini-
siert Riccius) einen hervorragenden Platz ein. Geboren 1512 zu Kahla
(im heutigen Sachsen-Altenburg), besuchte er die Lateinschule zu Jena,
wo Franciscus Mohr und Andreas Misenus seine Lehrer waren. 1529
begann er seine Studien in Wittenberg, 1533 ging er nach Posen, wo
er im Hause des Niederländers Stratius eine Stellung fand. 1535 nach
Wittenberg zurückgekehrt, studierte er noch ein Jahr, um dann 1536
oder schon 1537 das Rektorat der Stadtschule in Jena anzutreten. 1540
siedelte er in gleicher Eigenschaft nach Saalfeld über. Hierauf ging er
ins geistliche Amt über, und nach vorübergehender Thätigkeit in Langen-
bchade und Kahla findet er dauernde Stellung als Pfarrer der zum Amte
188 Geschichte des Humanismus.
Weifsenfeis gehörigen Lissen. Von den zahlreichen Schriften des fleifsigen
Mannes sind hier zu erwähnen: Übersetzung der drei olynthischen Reden
des Demosthenes 1540 (Cod. chart. A. 588 zu Gotha), Übersetzung der
beiden Reden des Demosthenes gegen Aristogeiton 1542 (Cod. chart. B.
439 in Gotha), Quaestiunculae in Eclogas Virgilii (Frankfurt 1546), Ar-
gumenta in M. Tullii Ciceronis epistolas familiäres (Nürnberg 1556),
Argumenta seu dispositiones rhetoricae in eclogas Virgilii (Weifsenfeis
1565), Kommentar zu sechs Komödien des Tereuz (Weifsenfeis 1566),
eine deutsche Übersetzung der Bucolica Vergils (1568), eine deutsche
Übersetzung der von Sturm getroffenen Auswahl von Ciceros Briefen
(1568), ein Kommentar zu ausgewählten Reden Ciceros (1568), deutsche
Übersetzung des ersten Buches von Ciceros Briefen an seine vertrauten
Freunde (157o gedruckt). Der Schwerpunkt der Kochschen Arbeit, deren
zweiter Teil hoffentlich bald erscheint, liegt in der genauen Bibliographie
der Reichschen Schriften. Übrigens hätten manche Citate mit Rücksicht
auf das Corpus Reformatorum kürzer gefafst sein können. Der Brief
an Stratius (Oktober 1533) S. 7 steht schon Corp. Reff. II 681, der
nächste ebendaselbst (Wittenberg 1533) 1. 1. 693, der nächste, anfangend
Spero ad. te, 1. 1. 688, und der am Ende der Seite S. 689. Möchte es
dem Verfasser möglich sein, seine fleifsige Arbeit mit einem zweiten
Teil, der eine Charakteristik der Reichschen Leistungen enthält, zu
Ende zu führen.
W. Crecelius, Ein Brief von Johann Sturm (Birlingers Ale-
mannia XIV (1886) S. 52 und 53).
Der Brief des berühmten Strafsburger Pädagogen, datiert Strafs-
burg den 7. Januar 1570, ist an Georg Ludwig Hütten gerichtet und
entstammt dem Cod. Pal. 1902 der Vatikanischen Bibliothek. Derselbe
bezieht sieh auf einen gewissen Biotins, dessen Eigenschaften gerühmt
werden.
Wilhelm Crecelius, Johann Leonhard Weidner, Rektor der
Lateinschule zu Elberfeld, Fortsetzer von Zincgrefs Apophthegmata.
(Beilage zum Programm des Gymnasiums zu Elberfeld. 1886. Programm
Nr. 401.) 20. S.
Diese inhaltreiche kleine Arbeit des auf dem Felde der Gelehrten-
geschichte rühmlich bekannten Verfassers ist der dritte Teil zu: »Die
Anfänge des Schulwesens in Elberfeld. Nebst Nachträgen zu Bouter-
weks Geschichte der Lateinischen Schule.« J. L. Weidner wurde als
Sohn eines Pfarrers den 11. November 1588 zu Ottersheim bei Dirm-
stein in der Pfalz geboren, besuchte seit 1600 das Gymnasium und
später die Universität Heidelberg, wo er Schüler des berühmten Janus
Gruterus war, wurde 1612 Lehrer zu Neuhausen bei Worms, 1615 — 1619
Rektor der Lateinschule zu Elberfeld, 1619—1622 in der gleichen
Stellung zu Montjoie, 1622-1623 Konrektor der reformierten Schule zu
W. Crecelius, Job. Leonh. Weidner. 189
Düsseldorf, 1623—1636 Rektor zu Duisburg, 1636—1648 Konrektor zu
Nymwegen, 1648-1650 Rektor zu Maastricht, 1650— 1655, wo er starb,
Rektor des ueuorganisierten Gymnasiums Heidelberg. Durch seine Apo-
phthegmata (1644) ist er auch nicht unwichtig für die deutsche Litteratur.
Zugleich behauptet er eine Stelle unter den lateinischen Poeten der
Deutschen.
Aus dem zweiten Bande der Töpkeschen Matrikelpublikation lassen
sich einige Ergänzungen zu Crecelius' Arbeit beifügen. Wenn daselbst
S. 240 zum 17. Mai 1608: »Joannes Leonardus Weisnerus Ottershe-
raiensis Palat.« steht, so ist Weisnerus gewifs in Weidnerus zu ver-
bessern. Über Julius Ziucgref findet sich S. 237 zum 5. Oktober 1607
der Eintrag: Julius Wilhelmus Zinckgräf, licentiati Laurentij filius,
Heidelbergensis. Zu Friedrich Lingelsheim (S. 3) vergl. S. 235 : Fride-
ricus Lingelsheimius, doctoris Georgii Michaelis consiliarij electoralis
Intimi filius 25. Juni 1607; zu Werner Teschenraacher vergl. S. 234:
Wernerus Teschenmacher, Elverfeldensis Montanus den 10. April 1607.
Ein Petrus Täschenmacher , Elverveldomontensis wurde den 30. Sep-
tember 1606 in Heidelberg immatrikuliert , und nach S. 475 machte
Werner Teschenraacher den 16. Februar 1609 sein Examen als Ma-
gister artium.
W. Crecelius, Zu Zingrefs Briefen an Gruter (Archiv für
Litteraturgeschichte XIV (1886) S. 317 und 318).
Aus Cod. Pal. 1907 der Vatikana , welcher einen Teil der Korre-
spondenz von Janus Gruter aus den letzten Jahren vor der Einnahme
Heidelbergs durch die Bayern enthält, werden einige Lesarten zu den
in Band VHI derselben Zeitschrift veröffentlichten Briefen mitgeteilt.
Max Lossen, Briefe von Andreas Masius und seinen Freunden
1538-1573. Leipzig. Dürr. 1886. XX und 537 S. (Band H der Publi-
kationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde).
Obgleich diese wertvolle Veröffentlichung ihren Hauptwert durch
den mannigfaltigen geschichtlichen Inhalt hat, so mufs sie doch auch an
dieser Stelle erwähnt werden. Das Vorwort (S. VII— IX) gibt Auskunft
über die Editionsgrundsätze, die nur wenig von den von Menzel für
die Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde auf-
gestellten abweichen. Wenn der Herausgeber sagt: »Die lateinische
Orthographie ist in Originalbriefen regelmäfsig nach der Vorlage bei-
behalten; in blofsen Kopien ist mitunter von Wilhelm Brambachs Hülfs-
büchlein für lateinische Rechtschreibung Gebrauch gemacht,« so scheint
dies nicht berechtigt. Denn Brambach wollte die urkundlich richtige
Schreibweise der alten Römer feststellen, nicht aber die sehr veränderte
Orthographie des Mittelalters und der Humanisten. In dem Falle, dafs
nur Kopien und nicht Originalien vorlagen, mufste vielmehr nach der
Analogie der Originale verfahren werden. S. X— XIII wird über die
Fundstätten der gedruckten und nicht gedruckten Briefe berichtet. Von
190 Geschichte des Humanismus.
sieben Orten hat Lossen sein ungedrucktes Material bezogen. Den
Briefen selbst ist ein kurzer Überblick über das Leben des Masius vor-
angestellt, die nur wenig erweiterte Reproduktion des Lossenschen Ar-
tikels für die Allgemeine deutsche Biographie. Nur die Anekdota sind
in extenso abgedruckt, und auch diese nicht immer, die gedruckten
werden inhaltlich verzeichnet. Ein ausführliches Sach- und Namen-
register beschliefst den stattlichen Band, der aber eine reichere Aus-
beute für die Geschichte der orientalischen Sprachstudien, welchen sich
Masius eifrig zugewendet hatte, als für die Geschichte der klassischen
Philologie enthält. Die Publikation zeichnet sich durch die gediegene
Gelehrsamkeit der Anmerkungen aus, obgleich da noch ab und zu einiges
zu bessern ist. So sollten z. B. die klassischen Citate regelmäfsig nach-
gewiesen sein. Im Register fehlt Hubrecht 206, und dabei sollte auf
Leodius verwiesen sein, denn Hubrecht ist sicher Hubert Thomas Leo-
dius, der bekannte Sekretär des Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz.
Unter Melanchthon im Register ist 227 in 226 zu ändern. Die Be-
merkung S. XVII: »Während seines Aufenthaltes in Rom war Masius
auch von Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz mit gewissen nicht genau
bekannten Geschäften beauftragt,« findet jetzt durch Ed. Winkelmann,
Urkundenbuch der Universität Heidelberg I 249. 250 eine erfreuliche
Erklärung.
An Drucken mittelalterlicher und humanistischer Poesie ist noch
zu verzeichnen:
Gustavus Milchsack, Hymni et Sequentiae cum compluribus
aliis latinis et gallicis nee non theotiscis carminibus medio aevo com-
positis, quae ex libris impressis et ex codicibus manuscriptis saecu-
lorum a IX usque ad XVI partim post M. Flacii Illyrici curas con-
gessit variisque lectionibus et nunc primum in lucem prodidit. Pars
prior. Halis Saxouum. Sumptibus Maximiliani Niemeyer Bibliopolae.
Lipsiae in officina G. Drugulin typis Impressum MDCCCLXXXVI.
8». 224 S.
Schon der Titel dieses Buches, der in seiner Länge an die ehr-
liche und umständliche Breite eines Schriftstellers etwa aus dem 17.
Jahrhundert erinnert, gibt dem Leser allerlei Rätsel zur Lösung auf.
Wenn die Hymnen zum Teil aus gedruckten Büchern stammen, so ist
das »nunc primum in lucem prodidit« unbegreiflich. Auch nach den auf
dem Titelblatt angekündigten variae lectiones sieht man sich im Buche
vergeblich 'um, oder sollen sie erst in der pars posterior folgen? Das
Buch hat gar keine Prolegomena, so dafs mau über die grundlegenden
Fragen keine Auskunft erhält. Von keinem einzigen Gedicht erfahren
wir, woher Milchsack es entnommen hat, ob aus einem Druck oder einer
Handschrift? Wir werden auch darüber nicht belehrt, ob die aus Hand-
schriften entlehnten Hymnen vielleicht nicht trotzdem schon gedruckt
G. Milchsack, Hymni. 191
sind. Ebenso wenig wird darüber Aufschlufs gegeben, nach welchem
Prinzip die Hymni geordnet sind. Das ganze Buch macht den Eindruck,
als ob es ein Dilettant für asketische Zwecke zusammengestellt hätte.
Im übrigen aber mufs anerkannt werden, dafs sowohl unter den
Hymnen auf Heilige, welche den ersten Teil bilden, wie unter den Car-
mina vagorura des zweiten Teiles einzelne von seltener poetischer Schön-
heit in Sprache und Inhalt sind.
Möchte der Verfasser sich entschliefsen, in seiner Pars posterior
das im ersten Teil Versäumte nachzuholen und wie Fr. X. Mone in
seiner Hymnensammlung auf alle erwähnten Fragen genügende Aus-
kunft geben.
Lyra Doctorum. Carmina lyrica a viris doctis recentiorura tem-
porum composita elegit Joannes Draheim. Lipsiae in aedibus
B. G. Teubneri. 1886. kl. 8*. 210 S.
Eine Anthologie neulateinischer Dichter aus der Zeit des Huma-
nismus bis zur neuesten Gegenwart. Die kleine Schrift ist in drei
Bücher eingeteilt, von denen das erste 47, das zweite 26 und das dritte
wieder 47 Nummern hat. Alcäische und sapphische Oden wiegen vor,
doch sind auch andere Versmafse vertreten. Von den Verfassern seien
beispielsweise genannt: P. Bembus, Jan. Broukhusius, K. Celtis, Petr.
Crinitus, Des. Erasmus, H. Grotius, Gottfried Hermann, Helius Eobanus
Hessus, Ulr. von Hütten, Just. Lipsius, Petrus Lotichius Secundus,
P. Melissus, Muretus, Poggius, Ang. Politianus, Scaliger, Maur. Seyffertus,
G* Vossius. Besonders möge auf die Gedichte von Ernst Ranke, da-
runter eines an seinen Bruder Leopold, aufmerksam gemacht sein. Den
Schlufs des Buches machen: Nomina poetarum (alphabetisch geordnet),
Initia carminum und eine kurze Aduotatio. Für eine neue Auflage
möchte ich drei Wünsche äufsern : mit dem Namensregister der Dichter
möchten ganz kurze biographische Daten verbunden werden; dann sollten
kurz die Schriften verzeichnet werden, welchen die Gedichte entnommen
sind, und scbliefslich wären ganz kurze sachliche Erklärungen am Ende
beizufügen, wenn nicht vieles unverständlich bleiben soll.
Die Geschichte des Buchdrucks, welche immer mit der Geschichte
der Wissenschaft im allgemeinen und des Humanismus im besonderen
in Verbindung gestanden hat, möge durch einige Publikationen hier
vertreten sein :
Le Livre. L'illustration — la reliure. ]&tude historique som-
maire par Henri Bouchot, ancien eleve de l'ecole nationale des
chartes, attache au departement des estampes de la bibliotheque natio-
nale. Paris. Maison Quantin. 8°. 320 S. (Bibliotheque de i'enseigneraent
des beaux-arts, publiee sous la direction de M. Jules Comte).
Ein ansprechendes und nützliches Buch. Der Verfasser hat es
keineswegs darauf abgesehen, viel neue Entdeckungen zu macheu, son-
192 Geschichte der Buchdruckerkunst.
dem er will das vorhandene Material einem weiteren Leserkreis in
ansprechender Form vorführen. Ab und zu teilt er auch neue Be-
merkungen mit. In neun Kapiteln führt er die Geschichte von den
ersten Anfängen der Druckkunst herab bis zur Gegenwart. Die letzten
Abschnitte sind der Behandlung von Typen, Druck, Papier, Drucker-
schwärze, Einband, Bibliothek noch ganz besonders gewidmet.
In der zur Zeit viel verhandelten Frage der Priorität der Er-
findung des Buchdrucks — ob der Deutsche Gutenberg oder der Nieder-
länder Coster? — sagt Bouchot S. 16: »Junius, on le voit, attribue ä
Laurent de Coster la premiere Impression du speculum (der genaue
Titel des Buches ist: Speculum humanae salvationis) , non plus l'ira-
pression purement xylographiqne des donats k composition' fixe, mais
Celle dejä plus avancee eu caracteres mobiles. Pour dire vrai, ce livre
eut au moins quatre editions semblables par les gravures et le corps
de lettres, mais differant par le texte. II faut donc admettre la fönte
dejä repandue, et l'imprimerie decouverte, car la meme police ue pou-
vait convenir ä plusieurs langues etc.« und S. 22: »Sans doute, comrae
bien d'autres, il avait eu eutre les malus un des ouvrages iraprimes de
Laurent de Coster, et l'idee lui etait venue de s'appropier un proced6
dans l'enfance.«
Mit der deutschen Litteratur über seinen Gegenstand scheint der
Verfasser nur mäfsig bekannt zu sein. Auch sind manche Einzelheiten
in dem Buche zu berichtigen; so z. B. S. 154: der berühmte Christophe
Plantin in Antwerpen ist nicht in Tours, sondern zu Moutlouis bei Tours
geboren. Vergl. L. Degeorge, La Maison Plantin (Paris 1886) S. 5.
Auch wären noch manche Zusätze zu machen. Auf S. 314 raufste unter
den berühmten Bibliotheken Deutschlands im 17. Jahrhundert notwendig
neben der zu Wolfenbüttel auch die herrliche Palatina in Heidelberg
genannt werden, welche freilich dann nach Rom geschleppt wurde. Auf
S. 317 war bei München der seltene Handschriftenreichtura dieser Biblio-
thek und die im höchsten Grade zu rühmende Liberalität in der Be-
nutzung zu erwähnen.
Einen besonderen Wert verleihen dem Buch die sehr zahlreichen
und meist wohlgelungenen Facsimiles, von denen einige hier genannt
sein mögen: fipreuve de Donat tir6e sur un xylographe original con-
serve ä la Bibliotheque nationale, Figure xylographique de l'Ars mo-
riendi, Figure de l'ecole de Martin Schongauer tiree du Rationarium
evangelistarum de 1505, Lettres d'indulgences de 1' Edition dite de 31
lignes , imprimee ä Mayence 1454, Fragment de la Bible Mazarine,
Signature du Catholicon presum6 imprime par Gutenberg und viele andere.
F. M., Zur Methodik des Sammeins von Incunabeln. Wien. Ver-
lag der »Österreichischen Buchhändler-Correspondenz.« 1886. 8^. 15 S.
J. Köhler, Die Handschriften- und Incunabelndrucke. 193
langt zwei Klassen von Katalogen: Notwendige Kataloge und wünschens-
werte Spezialkataloge. Zu den ersten gehören: 1) Alphabetischer Haupt-
katalog als Zettelkatalog. 2) Topographisch -typographischer Katalog.
3) Chronologischer Katalog nach Jahrgängen. 4) Inhaltlicher (Real-)
Katalog. 5) Verzeichnis der Drucke mit Holzschnitten.
J. Köhler, Die Handschriften- und Inkunabelndrucke der
Rastatter Gymnasiumsbibliothek. Beilage zum Programm des Grofs-
herzoglichen Gymnasiums zu Rastatt für das Jahr 1886. Rastatt.
40. 24 S.
Die Anstalt besitzt 14 Handschriften theologischen Inhalts, 131
Inkunabeln lateinischer und griechischer Drucke und 22 deutsche In-
kunabeln. Unter den lateinischen und griechischen Inkunabeln sind viele
Nummern, die auch für die Geschichte der Philosophie von Wert sind,
wie z. B. Aesopus grecus per Laurentium Vallensem (in latinum ser-
monem) traductus (Norimbergae s. a. 4^), Aristotelis Physicorum libri
octo. De celo et mundo libri quatuor etc. Nova translatio ab Averoi
commentata. Impressum per Andream de Asula. (Venetiis 1483. 2°),
Sebastian Brant Carmen de moribus et facetiis (1490), Seb. Brant Faceti
über, docens mores iuvenum (Basil 1499), Diomedis, Phocae, Capri,
Agraetii, aliorum grammaticorum de arte grammatica Libri (Venet. 1500),
JcoaxopcSau, fhoaxcoo ' Ava^apßscug, Uspl uhjg lazpixrjg ßcßXta kvvsa etc.
(Venet. 1499), 'F-uiioXoycxov ixiya (Eve~. 1499), Marsilii Ficini epistolae
(1497), Gellius (Ven. 1500) etc. Unter den Druckorten ist Augsburg,
Basel, Strafsburg und Venedig am häufigsten vertreten. Neben der
Theologie stellen die römischen und griechischen Schriftsteller die
meisten Nummern.
Leon Degeorge, La Maison Plantin ä Anvers. Monographie
complete de cette imprimerie celebre, documents historiques sur Tim-
primerie, liste chronologique des ouvrages imprim4s par Plantin de
1555 ä 1589. Troisieme edition dounant la Genealogie de la famille
Plantin-Moretus, le Portrait et la Marque du grand imprimeur, d'apres
Wiericx et huit dessius de M. Maurice Degeorge. Paris. Firrain —
Didot et Cie. 1886. 8«. IX et 212 p.
Es ist ein schönes und ehrendes Zeugnis für den französischen
Büchermarkt, dafs eine Monographie über die Schätze der Plantin-
Sammlung zu Antwerpen drei Auflagen erleben konnte, wobei freilich
nicht verschwiegen werden soll, dafs die Empfehlung des Werkes als
für Schulpreise geignet durch das belgische Unterrichts-Ministerium diesen
Erfolg wesentlich mitbefördert hat. 1875 kaufte die Stadt Antwerpen um
die Summe von 1200 000 Francs das Haus, in welchem einst der welt-
berühmte, aus einem Dorfe bei Tours stammende Buchdrucker Chri-
194 Geschichte der Universitäten.
bibliographischen und sonstigen Schätze dieser jetzt zur städtischen
Sammlung erhobeneu Maisou Plantin sind allerdings unvergleichlich. Sie
repräsentiereu ein bedeutungsvolles Stück Kunst- und Kulturgeschichte.
Die ersten Abschnitte des Buches geben Auskunft über Plantiu und
seine Familie; ein Stammbaum reicht bis zur neuesten Gegenwart, frei-
lich nicht mit dem Namen Plantin, da der einzige Sohn des Buch-
druckers früh starb und nur vier Töchter von den Kindern übrig blieben.
Eine Anzahl der bei Plantin erschienenen Werke findet eine Bespi'cchung.
Besonders hervorzuheben bleibt die Polyglottenbibel, über welche übrigens
aus dem von Lossen herausgegebenen Briefwechsel des Andreas Masius,
der an den ersten Abschnitten noch mitgearbeitet hat, noch mancherlei
zu gewinnen gewesen wäre. Von S. 134—212 reicht das chronologische
Verzeichnis der bei Plantin gedruckten Bücher, wofür Degeorge gute
Vorarbeiten hatte. Viele von den hier verzeichneten Büchern sind bibio-
graphische Seltenheiten, so dafs mir dieMöglichkeit einer genauen Kontrolle
maugelt. Trotzdem sind mir einige Druckfehler und Verstöfse aufgefallen:
S. 186 bei Evangelia adversaria ist emendatoria vermutlich zu verändern in
emendatiora; S. 210 bei Officium -diurnum ist concili Tridentinii zu ver-
ändern in concilii Tridentini; S. 212 unter Bellarminus ist der Flaccus
Ilyricus wahrscheinlich zu verbessern in Flacius lUyricus, wie der be-
kannte lutherische Streittheologe geheifsen hat. Wenn wir bedenken,
dafs Lipsius und Divaeus bei Plantin drucken liefsen, so erhellt daraus
auch der Wert der Publikation für die Geschichte der Philologie. Ohne-
dem wimmelt es in dem Verzeichnis von Klassikerausgaben.
Einen reichen Ertrag für üniversitätsgeschichte warf das
500jährige Jubiläum der Universität Heidelberg ab. Die wichtigsten
Festschriften, die unser Gebiet streifen, mögen hier knrz besprochen
werden.
Aus der Fülle von Festbeschreibungen, welche Tagesblätter und
periodisch erscheinende Zeitschriften über das Heidelberger Jubiläum
brachten, sei besonders hervorgehoben:
S(amuel) Br(andt), Das fünfhundertjährige Jubiläum der Uni-
versität Heidelberg den 2. 7. August 1886 (Berliner Philologische
Wochenschrift. VI. Nr. 39 und 40).
Hier werden besonders die für Philologen bemerkenswerten That-
sacheu zusammengestellt. Unter den eingeladenen Vertretern fremder
Hochschulen werden auch folgende philologische Namen aufgezählt: Brunn,
Dittenberger, Rieh. Foerster," Geizer, Hagen, Hartel, Kuhn, Gust. Meyer,
Mommsen, Ribbeck, Rud. Scholl, Schwabe, Urlichs, Usener, Ussing,
Windisch. Aus den Festschriften, mit welchen die Universität gefeiert
wurde, hebt Brandt diejenigen hervor, welche in irgendeiner Beziehung
zur Philologie stehen. Nicht eigentliche Festschrift, wenn auch der Uni-
versität am Festtage als Geschenk überreicht, siiid die Bände des Hand-
S. Brandt, Das fünthundertjährige Jubiläum der Universität. ] 95
Schriften- imd Druckschriften -Katcalogs über die ehemalige, nach Rom
geschleppte Palatina, die übrigens noch nicht ganz abgeschlossen sind.
Aus der grol'sen Zahl von Adressen und dergleichen wird als die Krone
aller Elogia die von Momrasen im Auftrag der Universität Berlin ver-
fafste lateinische Inschrift auf einer Broncetafel im Wortlaut mitgeteilt.
Der Verfasser schliefst seinen schönen Aufsatz: »Werfen wir einen Blick
rückwärts auf die Heidelberger Universitätsjubiläen, so weit solche ge-
feiert worden sind, so ist noch nie dieses Fest auch nur im entferntesten
unter gleich günstigen und frohen Auspizien begangen worden wie heute.
Hoffen wir darum, dafs, wenn nach hundert Jahren eine andere Gene-
ration sich zusammenfindet, um die Tage zu feiern, die, wie der Herold
bei den römischen Säkularspielen ausrief, nee spectasset quisquam nee
spectaturus esset, ihr die Jubelfeier des Jahres 1886 als die Inaugu-
rierung eines glücklichen Jahrhunderts erscheinen und ihr selbst der
Eintritt in ein noch glücklicheres verliehen werden möge, innerlich stark
durch die Macht des deutschen Geistes, kraftvoll nach aufsen unter dem
Banner des deutschen Reiches.«
Eduard Winkelmanu, Urkundenbuch der Universität Heidel-
berg. Zur fünfhundertjährigen Stiftungsfeier der Universität im Auf-
trage derselben herausgegeben. Heidelberg. Winter. 1886. Bd. I. Ui'-
kunden. XIV und 496 S. - Bd. II. Regesten. 405 S.
Unter allen Jubiläumsschriften steht unstreitig das Urkundenbuch
a» der Spitze. Dasselbe ist mehrere Jahre durch den bewährten Her-
ausgeber Winkelmann und seinen Schüler, Dr. A. Koch, auf das sorg-
fältigste vorbereitet worden. Die Archive und Bibliotheken zu Heidel-
berg, Karlsruhe, München, Amberg, Speier, Würzburg, Darmstadt,
Stuttgart, Frankfurt und Strafsburg steuerten ein reiches, zum Teil noch
ganz unbekanntes Material, das entweder in extenso abgedruckt oder in
Regestenform mitgeteilt wurde. Auch schon gedruckte Stücke wurden
in zuverlässiger Form nochmals gegeben, wenn dies nötig schien. Beiden
Bänden ist ein sorgfältiges Namen- und Sachregister beigegeben.
Der Inhalt des 2. Bandes ist mit grofser Mühe aus sehr zahlreichen
gedruckten und ungedruckten Quellen gesammelt. Trotzdem hätte sich der-
selbe besonders aus den Briefsammlungen von Gelehrten des 16. Jahrh.
noch mannigfach durch belangreiche Stücke erweitern lassen, wie ich an
einem Beispiel zeigen will. In Band II sind in den Regesten Nr. 1007 bis
1010 die Stellen aus Melanchthons Briefwechsel (Corpus Reformatorum,
ed. Bretschneider) zusammengestellt, welche sich auf dessen Berufung
nach Heidelberg im Jahre 1557 beziehen. Dabei aber sind zwei Stellen
übersehen, von denen die erste (Corp. Reff. IX 121 folgendermafsen
lautet: »ludicio autem et hoc tibi (sc. H. Langueto) significandum esse,
me literis Palatini Electoris in patriam vocari; quo si proficiscerer,
maxime velim te mecum esse, quia prudentiam tuam et fidem sperarem
13»
196 Geschichte der Universitäten.
ibi mihi usui fore et facile in aula Palatiua locum inventurus esses. Non-
clum autem de profectioue decrevi, quia et nostrae aulae cognoscenda
est Yolimtas. « Die Stelle ist dadurch wichtig, dafs sie schon im März
1557 geschrieben, also das früheste Zeugnis für die Berufung ist, aufser-
dem Melanchthon nicht gerade abgeneigt zur Annahme der Berufung
zeigt. Noch wichtiger ist die zweite Stelle, aus einem Briefe vom
18. April 1557, an den kurfürstlichen Rat Mordeisen, welche die ent-
schiedene Zusage enthält, in Wittenberg bleiben zu wollen und die
Gründe dafür angibt. Vergl. Corp. Reff. IX 137. - Von einem Plane
des Kurfürsten Ottheinrich, 40 weitere Stipendiatenstellen in Heidelberg
schaffen zu wollen, berichtet Corp. Reff. IX 743. — Sodann konnte über
den Abendmahlstreit an der Universität Corp. Reff. IX 959 und 960 ff.
als Regest unter dem 1. November 1559 verzeichnet werden. — Ganz
übersehen ist ferner, dafs Melanchthon schon 1553 einen Ruf nach
Heidelberg hatte. Vergl. den Brief vom 18. Jnni 1554 an D. Chyträus:
Expecto a te literas de vocatione Palatini Friderici (es ist Fried-
rich IL). Corp. Reff. VIII 110. Dafs diese vocatio so und nicht anders
zu verstehen ist, ergibt sieh sodann aus einem Briefe an Milichius vom
13. August 1553, worin wir lesen: Senex Palatinus Elector literis me
benignissime scriptis vocat in patriam etc. (VIII 137) und weitere Er-
läuterung finden die zwei Stellen durch den Brief an Chyträus vom
17. August 1553 (VIII 140): Cum ante octiduum haue epistolam Elect.
Palatini, quam nunc tibi mitto, inclusam huic pagellae, accepissem, res-
pondi subito ac misi Palatino tuas epistolas duas ad me scriptas, ut
tuam voluntatem ex eis cognosceret etc. Auch die Verbesserung (Ur-
kundenbuch I 310. Nr. 203) von Melanthonis in Melanchthonis ist nicht
richtig, denn seit 1531 schreibt sich Melanchthon selbst stets ohne eh.
— Zur Berufung des Micyllus nach Heidelberg konnte noch die Stelle
Corp. Reff. III 389 aufgenommen werden. — Wenn die Urkunden oder
Regesten schon gedruckt sind, so ist das in der Regel angegeben. Über-
sehen wurde, dafs die beiden Briefe der Regesten Nr. 1265 und 1266
(II 147) schon gedruckt sind, und zwar bei Alb. Müller, Daniel
Tossanus' Leben und Wirken (Flensburg. Progr. 1882) S. 4. — Tanta-
retos I. S. 215. Zeile 6 mufs verbessert werden in Tartaretos und Be-
redanos 1. 1. in Buridanos, welche beiden Fehler auch ins Register über-
gegangen sind. Vergl. dazu Hutteni opp. ed. Böcking. suppl. II 320
und 483. Das daselbst stehende Uuisores ist jedenfalls auch falsch ;
doch kann ich zur Zeit das Richtige nicht angeben. — Bei manchen
Namen sind Erörterungen hinzugefügt, die vielleicht reichlicher bemessen
sein konnten. So hätte vielleicht der Alexander I. 217 (Zeile 25), der
übrigens auch im Register fehlt, als Alexander de villa dei, der Haupt-
grammatiker des ausgehenden Mittelalters, erklärt werden können. Auch
zu Gregorius Carthusiensis war vielleicht zu bemerken, dafs es der be-
kannte Karthäuserprior Gregor Reisch von Freiburg, der Verfasser der
Ed Wiukelmauu, ürkuudenbuch der Uuiversität Heidelberg. 197
viel gebrauchten Margarita philosophica, ist, über den jetzt L. Geiger,
Renaissance und Humanismus (Berlin 1882) S. 499, nachzusehen ist.
Trapesuntius S. 215 ist der bekannte Grieche Georg Trapezuntius.
Raum er, Geschichte der Pädagogik I 38. Der angebliche Caesar Ju-
lianus I 215 ist vielmehr der bekannte Gelehrte Johannes Caesarius,
über den Hütten i opp. ed. Böcking suppl H 333 nachzusehen ist. In
den beiden Registern (Sach- und Namenregister), die ausführlich und
zuverlässig sind, sind mir aufser den erwähnten nur folgende kleine Ver-
sehen aufgefallen und zwar in Band H: bei Johannes Dozierius Leont.
mufs es 966 statt 965 heifsen; bei Esrom dürfte vielleicht bemerkt sein,
dafs Esrom Rüdiger gemeint ist. Bei Jakob Wimpfeling ist Reg. Nr.
588 vergessen.
Gustav Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg von
1386 bis 1662. Erster Theil von 1386 bis 1553. Heidelberg. In
Commission bei Carl Winter. 1884. — Zweiter Teil von 1554 bis 1662.
Heidelberg 1886.
Unter den historischen Arbeiten, mit welchen das 500jährige Ju-
biläum der Universität Heidelberg gefeiert wurde, ist neben Winkel-
manns Urkundenbuch der Universität unstreitig das monumentalste Werk
die Ausgabe der Matrikel durch Gustav Töpke. Wie hoch die akade-
mische Köperschaft diese litterarische Ehrengabe schätzte, ergibt sich
aus der Thatsache, dafs der Herausgeber durch den philosophischen
Ehrendoktor ausgezeichnet worden ist. Die zwei stattlichen und schön
ausgestatteten Bände enthalten nicht blofs die Matrikel bis zum Jahre
1662, sondern noch folgende wertvolle Beilagen: Calendarium acade-
micum vom Jahre 1387, Juramenta intitulandorum, Vermögensverzeichnis
der Universität vom Jahre 1396, Accessionskatalog der Universitäts-
bibliothek von 1396 bis 1432 im ersten Band, und im zweiten Band
Matricula universitatis 1663-1668, Album magistrorum 1391—1620,
Matricula Alumnorum juris 1527 — 1581, Catalogus promotorum in jure
1386—1581. Matricula studiosorum theologiae 1556-1685, Promotiones
factae in facultate theologica 1404 — 1686, Sy Ilabus rectorum universitatis
1386-1668, nicht zu vergessen die 74 Seiten starke Einleitung zum
ersten Band, die jeden wünschenswerten Aufschlufs über die hand-
schriftlichen Vorlagen, die Immatrikulation selbst und anderes erteilt.
Durch dieses Werk ist der Syllabus rectorum Heidelbergensium von
Schwab antiquiert, besonders auch durch die grofse Sorgfalt und Akribie
in der Wiedergabe der handschriftlichen Vorlage. Ich habe viele Seiten
der Handschrift (des zweiten Bandes) mit dem Drucke kollationiert und
kann konstatieren, dafs nur ganz selten ein Versehen mitunterläuft. Welche
Fülle wertvollsten Stoffes für die Universitätsgeschichte aus dem Werke
zu gewinnen ist, zeigt der ebenfalls zum Jubiläum erschienene erste Band
der Geschichte der Universität von August Thorbecke, dessen Dar-
198 Geschichte der Uuiversitäten.
Stellung sich zum Teil auf der Töpkeschen Matrikel aufbaut. Vergl. die
Anmerkungen, besonders auch S. 49. Aber auch die Adels-, Gelehrten-
uud Kirchen geschichte erhält reichlichen Zuflufs. Ich habe eingehend
die Jahre 1460 - 1520 auf diesen Gesichtspunkt hin durchgesehen und
will nur kurz hier zusammenstellen, was für Ergänzungen und Verbes
serungen vorhandener Darstellungen sich mir dabei ergaben: S. 303 (1460)
Pallas de Noua ciuitate ist gewifs P. Spangel und Ergänzung zu Bey-
schlag, Versuch einer vollständigen Lebensbeschreibung Brentii (Hall
1735) I 259. - S. 337 Conradus Summenhart de Calw 24. April 1472
ist Ergänzung zu Fr. X. Linsenmann Konrad Summenhart. Ein Kultur-
bild etc. (Tübingen 1877) S. 3. — S. 323, 324 und 364 finden sich un-
benutzte Angaben über Johannes Wacker von Sinsheim, den seine
humanistischen Freunde Vigilius nannten. — S. 338 Bernhardus
Adelman, canonicus ecclesie Eystetensis 30 (?) Juni 1472 ist Ergänzung
zur Arbeit Liers in der Zeitschrift des historischen Vereins für
Schwaben und Neuburg VII 87. — S. 343 Jeronimus ßaldung de Ga-
mundia August. 24. Mai 1474 ist eine dankenswerte Angabe über den
späteren kaiserlichen Rat und Nachfolger des Zasius in Freiburg.
H. Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg I 83. S. 343
Johannes Sauffensteiu de Schwanfeit 27. Juni 1474 ist ein Beitrag zur
Erklärung des Codex epistolaris des Celtis, da Werner von Themar und
Celtis über diesen Edelmann unterhandeln. - S. 353 Nicolaus de Ni-
densteiu professus in Schenaugia XII April 1477 ist Ergänzung zu meiner
Arbeit über Werner von Themar (Karlsruhe 1880) S. 12. — S. 367
Martinas Ergershem de Schlettzstadt 4. September 1481 ist Ver-
besserung zu Horawitz und Hartfelder, Briefwechsel des Beatus
Rhenanus (Leipzig 1886) S. 72. — S. 376 Adam Wernher de Themar
Erpipelensis dioc. 1. Oktober 1484 ist Ergänzung zu meiner Arbeit über
diesen Humanisten S. 2. — S. 383 Laurencius Truchsesz, canonicus
maioris ecclesie Wormaciensis 19. Juni 1486 ist Ergänzung zu Asch-
bach, Die früheren Wauderjahre des Conrad Celtis S. 121. Anm. 7. -
S. 388 Thomas Rapp de Durlach Spir. dyoc. 31. Oktober 1487 ist der
bekannte Freund des Erasmus und Beatus Rhenanus. S. 403 Con-
radus Leontorius Mulbronuensis Spirensis dioc. IX Kai. Jul. 1492 ist
Ergänzung zu mehreren Darstellungen über diesen humanistisch gebil-
deten Cisterzienser. — S. 411 Ottmarus Nachtgall de Argentina Wormac.
dioc. XV Kai. Aug. 1494 ist Ergänzung zu Ch. Schmidt, Histoire
litter. de l'Alsace II 175. — S. 422 Johannes Botzheym de Saszbach
dyoc. Argent. 23. Oktober 1496 ist Ergänzung zuWalchner, Johannes
Bozheim (Schaffhausen 1836) S. 4. - S. 425 Nicolaus de EUenbog de
Memingeu August, dyoc. XII Jul. 1497 verbessert L. Geiger, Nikol.
Ellenbog, ein Humanist und Theologe (Wien 1870) S. 8. — S. 429
Joannes Meyer de Eck August, dioc. XIV Kai. Jun. 1498 berichtigt
Wiedemann Dr. Job. Eck S. 4. — S. 433 Theodericus Gresmondus
G. Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg. 199
Spirensis, legum doctor, IUI Kai. Junii erglänzt die Arbeit im Archiv
für Litteraturgeschichte XII 348. — S. 442 Mihael Hummelberg de
Rauenspiug Constanc. dioc. 7. September 1501 rektifiziert den Namen
und ergänzt Ad. Horawitz, Michael Hummelberger (Berlin 1875) S. 9.
— S. 452 Joannes Symler Wympinensis Wormat. dioces. 12 Kai. April
1504 ergänzt Ad. Horawitz, Griechische Studien (Berlin 1884) S. 14.
— S. 472 Philippus Swartzerd de Brethenn (Melanchthon) Spir. dioc.
XIIII Okt. 1509 verbessert alle Darstellungen über Melanchthon, die ich
eingesehen habe, so auch zuletzt C. Schmidt, Ph. Melanchthon (Elber-
feld 1861) S. 6. — S. 482 Fr. Joannes Svreblin ex Phortzheym dioc.
Spir. 21. Juli 1511 ergänzt den Artikel Neys in der Theologischen Real-
encyklopädie 2. Aufl. XIII 736. — S. 484 Erhardus Sclmepff ex Heyl-
pronna dioc. Herbipol. 11. Dezember 1511 ergänzt den Artikel Wagen-
manns im gleichen Werk. — S. 434 die Angabe, dafs Oekolampad den
26. Mai 1501 zu Heidelberg baccalaureus und zwar via antiqua wurde,
verbesset die Angabe Herzogs im gleichen Werk X 709.
Bezüglich einiger kleiner Ausstellungen an der Edition verweise ich auf
meine ausführliche Rezension, welche in Sybels Historischer Zeitschrift
N. F. Bd. 21 (1887) S. 546—549 erschienen ist. Es fehlt jetzt noch
der dritte Band, welcher die Register bringen soll, allerdings eine
schwierige, aber sehr wichtige Aufgabe. Bei der gegenwärtigen Betrieb-
samkeit auf dem Felde der Gelehrten- und Unterrichtsgeschichte wird
die Heidelberger Matrikel eine vielen willkommene Quelle sein.
August Thorbeck e, Geschichte der Universität Heidelberg im
Auftrage der Universität dargestellt. Abteilung I. Heidelberg. Koester.
1886. 8". 116 S. und 94 S. Anmerkungen.
Neben dem Urkundenbuche veranlafste die Universität Heidelberg
zu ihrem 500jährigen Jubiläum noch die Abfassung einer Geschichte der
Hochschule und beauftragte damit August Thorbecke in Heidelberg.
Zwar hatte man schon seither das zweibändige Werk von Hofrat Hautz
über denselben Gegenstand, aber dasselbe genügte den Anforderungen
in keiner Weise. Es waren mehr Materialien zu einer zusammen-
hängenden Darstellung als eine solche; auch entbehrte es der notwen-
digen Zuverlässigkeit. Thorbeckes Werk zeichnet sich nun ebenso sehr
durch eine ansprechende Darstellung wie durch gründliche Benutzung
der gedruckten und ungedruckten Quellen aus.
Der Verfasser behandelt in dieser ersten Abteilung nicht ganz das
erste Jahrhundert der Hochschule in drei Kapiteln: 1) Die Gründung.
2) Äufsere Geschichte der Universität von Ruprecht I. (1886) bis zum
Tode Ludwigs IV. (1449). 3) Die Organisation der Universität und der
Lehrgang in den Fakultäten. Den Schlufs machen sehr reichliche An-
merkungen.
Der Gründer der Hochschule ist Kurfürst Ruprecht I. von der
200 Geschichte der Universitäten.
Pfalz. »Auf der Höhe des Lebens, ein 77jähriger, der schon vor Jahren
die Möglichkeit seines Todes bedacht' hatte, fafste er den Beschlufs, die
kriegerische Arbeit seiner bewegten Regierung durch ein Werk des
Friedens zu krönen: er führte 1386 den Gedanken aus, dem Beispiele,
das Prag und Wien ihm zeigten, zu folgen und auch seiner Residenz-
stadt am Neckar den Vorzug eines Generalstudiums zu schenken.« (S. 5).
Es traf sich glücklich, dafs um diese Zeit in Folge der Wirren, welche
durch das päpstliche Schisma die Universität Paris ergriffen, eine An-
zahl Lehrer diese Hochschule verliefsen, welche sodann von dem Kur-
fürsten für Heidelberg gewonnen wurden. Der bedeutendste derselben
war Marsilius von Inghen, von Geburt ein Niederländer (aus Inghen in
Geldern), der eigentliche Organisator der neuen Schule, für welche Paris
das Muster wurde. Mit Marsilius eröffneten Reginald und Heilmann als
erste Lehrer die Schule den 18. Oktober 1386 durch eine feierliche
Messe in der Heidelberger Heiliggeistkirche.
Als des Marsilius Rektorat 1387 zu Ende ging, zählte man bereits
16 Lehrer, darunter 12 Artisten, von welchen zehn ihre akademischen
Grade in Prag, drei in Paris erworben hatten. Auch die Zahl der
Studierenden wuchs schnell : schon nach Jahresfrist waren 482 Namen
im Matrikelbuch eingetragen. Die Richtung der Schule war gegen den
schismatischen Papst von Avignon und für Urban VL in Rom, der auch
die Bestätigungsbulle für das neue Generalstudium ausfertigte.
Zum Glücke blieb die junge Schule in den ersten 60 Jahren ihres
Bestehens von schweren Krisen verschont. Die offene Hand der Kur-
fürsten und die wichtige Gunst der Kirche liefseu sie schön aufblühen
und ruhig sich ausgestalten. Bekannte Namen unter den Lehrei'n vei'-
schafften der Hochschule Ruhm und zahlreiche Schüler, hauptsächlich
aus dem Gebiete des Mittel- und Oberrheines und aus den Maingegenden,
während allmählich der anfängliche Zuzug vom Niederrhein nachliefs.
Besonders wichtig war die Organisation des Heiliggeiststiftes vom Jahre
1413, dessen 12, bald 13 Kanonikate mit den Professuren der Univer-
sität in der Weise verbunden wurden, dafs sie den drei Lehrern der
Theologie und des kanonischen Rechtes, dem einen Doktor der Medizin,
drei lesenden Magistern der Artistenfakultät, den Predigern von St. Peter
und Heiliggeist, die wo möglich Baccalarien der heiligen Schrift sein
sollten, zufielen. Gelegentlich des Konstanzer Concils trat die Hoch-
schule dem neu gewählten Papst Martin V. ohne Widerstreben bei, nach-
dem ihre Vertreter in dem grofsen Kampf für Reform in erster Linie
gestanden. Auf dem Basler Concil machten sich die Heidelberger in
keiner Weise bemerklich. Die Lehren von Hufs und Wykleff hat Hei-
delberg auf das entschiedenste verdammt.
Das dritte Kapitel schildert zunächst die Organisation der Univer-
sität, deren oberste Instanz die Versammlung der Doktoren und Magister
war, wobei Doktoren zumeist die Höchstgraduierten der drei oberen Fa-
A. Thorbecke, Geschichte der Universität Heidelberg. 201
kultäten. der Theologen, Juristen und Mediziner, und Magister die Höchst-
graduierteu der philosophischen oder Artistenfakultät bezeichnen. Ihre
Stellung untereinander und zum Rektor wird eingehend geschildert.
Die Funktionen des letzteren waren sehr mannigfaltig, polizeiliche, richter-
liche und finanzielle. Wir erhalten sodann Aufschlufs über den Akt der
Intitulatiou, wie man früher für Immatrikulation sagte, und deren Be-
dingungen; mit dieser war die Deposition verbunden, welche Thorbecke
mit Hilfe des von Zarncke wieder veröflentlichten Manuale scholarium
beschreibt. Der von der Depositiou zu unterscheidende Pennalisraus,
der seit der Verrohung des 30 jährigen Krieges blühte, hat in Heidel-
berg keine Aufnahme gefunden. Das Leben und Treiben der Scholaren
wird nach den Gesichtspunkten Lehre und Zucht behandelt.
Bezüglich des Lehrstoffes waren die Universitäten des Mittel-
alters von denen der Neuzeit wesentlich verschieden. Wenn die jetzigen
Universitätslehrer ihre Hauptaufgabe darin sehen, die Forschung weiter
zu führen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, so waren dagegen
die mittelalterlichen Professoren bemüht, den als vorbanden ange-
nommeneu Stoff des Wissens ihren Zuhörern methodisch beizubringen.
Die Dogmen der Kirche, der Inhalt der kirchlichen und kaiserlichen
Rechtsbücher (ins canonicum et civilc), die Lehren der griechischen
Ärzte und ihrer arabischen Kommentatoren, die Bücher des Aristoteles
mit ihren Erklärungen enthielten die Substanz des Wissens, dessen Be-
reich zunächst keiner Erweiterung bedurfte; vielmehr war dessen Be-
festigung im Geiste und Gedächtnis der Schüler die Lehraufgabe, die
durch Vorlesung (lectio) und Übung (disputatio) erreicht wurde.
Ja die letztere übertraf an Bedeutung die erste.
Die wichtigste aller Disputationen war die jährlich wiederkehrende
grofse »Disputationsschlacht« (disputatio de quolibet, quotlibetaria, quot-
libetaris, cyclica), die mehrere Tage dauerte und mit einem heiteren
Nachspiel, der bekannten akademischen Scherzrede, quaestio accessoria,
endete. Für deren Darstellung hätte Thorbecke noch einiges aus Lies-
sems dritten Programm über Hermann van dem Busche (Köln 1886)
S. 58 gewinnen können.
Die zahlreichsten Schüler hatte die philosophische oder Artisten-
fakultät, welche die Vorbereitung für die drei oberen besorgte, und deren
Lehrer zugleich Schüler in der oberen waren. Der Lehrgang war durch
die Erwerbung der Grade, die aber von vielen vernachlässigt wurde,
streng geregelt. Die verschiedeneu Stufen der akademischen Würden
oder Grade, Baccalar, Magister, Liceutiat, Doktor, wurden durch Prü-
fungen, bei denen der Eid eine wichtige Rolle spielte, gesucht und
meistens in einer entsprechenden Feierlichkeit erworben. x\m wenigsten
ausführlich handelt der Verfasser von der medizinischen Fakultät, weil
die Akten derselben, die noch im 30jährigen Kriege gerettet worden
waren, verloren gegangen sind. Bei dem durchaus kirchlichen Charakter
202 Geschichte der Universitäten.
der mittelalterlichen Universitäten (die Lehrer waren alle, einen einzigen
Mediziner ausgenommen , Geistliche) war der theologische Doktor die
höchste akademische Würde und konnte nur nach langjähriger Vor-
bereitung, aber ohne eigentliches Examen, erreicht werden. »Wem es
gelungen war, diese höchste Stufe gelehrten Lebens zu erreichen, hinter
dem lagen Jahre voll mühsamer und eigentümlicher Arbeit, eine Arbeit,
so ganz anders, wie die wissenschaftliche Welt einer späteren Zeit sie
denkt und pflegt, und doch wohl geschaffen, der Auffassung, die jene
Epoche erfüllte, zu dienen.« Es ist ein schönes Bild geistigen Strebens,
was der Verfasser vor unseren Augen entrollt. Aber es darf nicht ver-
gessen werden, dafs er uns nur das Ideal gezeichnet hat. Zwischen
Ideal und Wirklichkeit gähnte ofr, besonders am Ende des Mittelalters,
eine tiefe Kluft. Möge dem Verfasser vergönnt sein, uns recht bald den
Schlufs seiner Arbeit im Drucke vorzulegen.
Heidelberger Erinnerungen. Am Vorabend der fünften
Säkularfeier der Universität Von Georg Weber. Stuttgart. Cotta.
1886. 80. VIII und 310 S.
Diese Schrift des bekannten Verfassers der »Allgemeinen Welt-
geschichte« ist aus Aufsätzen erwachsen, welche zuerst in der Allge-
meinen Zeitung erschienen sind. Nach einer kui'zen Vorrede, worin der
Verfasser seinen Standpunkt darlegt, folgen fünf Abschnitte: 1) Aus der
Geschichte Alt-Heidelbergs. 2) Heidelberg und die Ruperta in drei
Jahrhunderten. 3) Heidelberg und die Ruperto-Carola in den Jugend-
tagen ihrer Regeneration. 4) Heidelberg und die Universität in den
vierziger und fünfziger Jahren. 5) J. C. Bhmtschli und seine Denk-
würdigkeiten. So anziehend die zwei ersten Abschnitte geschrieben sind,
wie das von dem Heidelberger Historiker nicht anders zu erwarten ist,
s6 können doch nur die drei letzten Abschnitte einen selbständigen Wert
beanspruchen. Der hochbetagte Verfasser mit seinem guten Gedächtnis,
der hier selbst zur Geschichtsquelle wird, teilt aus seinen Erlebnissen
und Beobachtungen manchen charakteristischen Zug mit, der sonst der
Geschichte verloren gegangen wäre Er selbst sagt darin in der Vor-
rede (S. VIII): »Kleine markante und scherzhafte Farbentöne in der
Lebenserscheinung einzelner Persönlichkeiten möge man mit Nachsicht
aufnehmen. Sie sollten das Gesamtbild mit einigen heitern Zügen be-
leben.« Wer in den harmlosen Späfscheu oder in den ironisch-humo-
ristischen Zügen, die hie und da eingestreut sind, schlimme Gedanken
oder lieblose Absichten erblicken wollte, dem möchten wir den Spruch
des ritterlichen englischen Königs ins Gedächtnis rufen: »Hony soit qui mal
y pense.« Die lange Reihe glänzender Gelehrten, welche seit 50 Jahren in
Heidelberg wirkten, kannte der Verfasser fast alle; mit manchen pflegte er
sogar vertrauten freundschaftlichen Verkehr, so dafs er eine Fülle wert-
voller Notizen darbieten kann. Für die Geschichte der Philologie kommen
(j. Weber, Heidelberger Eriunerungeu. 203
in Betracht die ScLilderuDg Creuzers (S. 111 ff.), welche zu der be-
kauuten Rede Bernhard Starks über diesen Gelehrten manchen ergän-
zenden Zug hinzufügt, von Johann Heinrich Vofs (S. 145 ff.), der
zwar nicht der Universität Heidelberg augehörte, aber doch von seinem
stillen Gelehrtenhaus, das er fast nie verliefs, einen bestimmenden Ein-
flufs auf die Besetzung der Lehrstühle ausübte, des Historikers Schlosser
(S. 160 flV), dessen pietätsvoller Schüler G. Weber selbst ist. Die wissen-
schaftliche Bedeutung dieser Männer wird zwar ebenfalls gewürdigt, aber
der Schwerinmkt des Buches liegt in der anschaulichen Schilderung der
Persönlichkeiten , ihrer gesellschaftlichen Stellung und Lebensgewohn-
heiten. Der Geschichtsschreiber der Universität Heidelberg wird hier
manchen wertvollen Baustein für seine Zwecke finden.
Festrede zur fünfhundertjährigen Jubelfeier der Ruprecht-Karls-
Hochschule zu Heidelberg, gehalten in der Heiliggeistkirche den
4. August 1886 von Dr. Kuno Fischer, Grofsh. Bad. wirkl. Geh.
Rat etc. Heidelberg. Winter. 1886. 8^. 08 S.
Der Stoff der Rede, welche bekanntlich den grofsen Rede -Akt
des Jubiläums darstellte, ist in 15 Abschnitte gegliedert und gibt
eine Geschichte der Universität von ihrer Gründung bis zur Gegen-
wart. Der Redner verschmähte die Beigabe eines gelehrten Appa-
rates, aber der Kundige fühlt, dafs die Darstellung auf zuverlässigem
Fundamente sich erhebt. Kein Versäudiger erwartet von einer solchen
Festrede, dafs sie neue Einzelaugaben bringt oder die bisherigen Dar-
stellungen durch neue Aufschlüsse aus den Quellen berichtigt Fischer
setzte sich zur Aufgabe, das Leben und die Eutwickelung der schick-
salsreichen Hochschule in ihren charakteristischen Momenten darzu-
stellen mit steter Beziehung auf die allgemeine Geschichte und Bildung
der Zeit. Darum haben diejenigen Abschnitte, in welchen die eigen-
tümliche Bildung einzelner Epochen veranschaulicht wird, besonderen
Wert. In edler Sprache, frei von Polemik und immer auf die Sache ge-
richtet, werden die bunten Schicksale der alten Universität charakterisiert.
Ab und zu erhebt sich die Rede zu fast dichterischem Schwünge, wie z. B.
in der Schilderung von Heidelbergs paradiesischer Lage und seiner herr-
lichen Schlofsruine, »dieses grofse Epos in Stein, an dem die Zeitalter
dreier Jahrhunderte, jedes in seiner Art, nach den Bedürfnissen und
dem Kunstsinn seiner Herrscher gleichsam rhapsodisch fortgebaut und
fortgedichtet haben, und das nun verlassen, ein Denkmal der Ver-
gangenheit, dasteht wie kein zweites in Deutschland. Seine Ruinen
sind die Wunden und Narben, die uns täglich und stündlich den Text
predigen: Heidelberga deleta! W^unden und Narben sind auch Ehren.
Du Stadt an Ehren reich etc.« (S. 11). Gelegentlich wird die Darstellung
204 Geschichte der Universitäten.
unterbrochen durch geistvolle Beobachtungen und Reflexionen, wie z. B.
S. 90, wo bezüglich der Reorganisation der Hochschule durch Karl Fried-
rich von Baden bemerkt wird, »dafs in der Verwaltung einer Universität
die Hauptsache nicht ist, was auf dem Papier steht, sondern was auf
dem Katheder steht.«
Almanach der Universität Heidelberg für das Jubiläums-
jahr 1886. Herausgegeben von Dr. Paul Hintzelmaun, Uuiver-
sitätsbibliothekar. Mit zwei Bildnissen, einer Tabelle und einem Plan.
Heidelberg. Winter. 1886. V und 269 S.
Ein nützliches Buch zum Nachschlagen, das folgenden Inhalt hat:
Kalender für 1886 mit Angabe der für die Universität Heidelberg wich-
tigen Gedenktage, Chronik der Universität, das 13. Organisationsedikt
Karl Friedrichs vom Jahre 1803, Verordnungen über die Organisation
der Universität Heidelberg vom 22. Mai 1862, 27. November 1865 und
28. Dezember 1871, akademische Vorschriften vom Jahre 1868, Frequenz
der Universität seit 1803, mit Tabelle in graphischer Darstellung, Ver-
zeichnis sämtlicher Rektoren und Prorektoren seit 1386, Verzeichnis der
Professoren und Privatdozenten seit 1803 (mit Ausschlufs des gegen-
wärtigen Lehrerpersonals), jetziges Lehrerpersonal: Biographien mit
Angabe der Hauptschriften und der Vorlesungen der einzelnen Dozenten,
Stipendien und Stiftungen, akademische Preisverteilung, Habilitations-
Ordnungen, Universitätgebäude, Universitätsinstitute, wissenschaftliche
Vereine, Statuten des Ausschusses der Studentenschaft, studentische Ver-
einigungen, Index.
Das Stift der Königlichen Kapelle zum Heiligen Geist und die
Universität Heidelberg in ihrer Verbindung von 1413. Original-
stiftungsurkunden des Kurfürsten Ludwig III. zur fünfhundertjährigen
Jubelfeier^der Hochschule veröffentlicht von Dr. Nicolaus Thoemes.
Heidelberg. C. Winters Universitätsbuchhandlung 1886. 8^. 23 S.
Aus einem Aktenbande, der die Schriftstücke der Kurpfälzer Re-
gierung »von 1719 über die Streitigkeiten des Jahres 1719 um den Be-
sitz der Heiliggeistkirche enthält« (leider sagt Thoemes nicht, wo sich
dieser Aktenband befindet) , veröffentlicht der Herausgeber zwei Akten-
stücke, welche eine Ergänzung zu Winkelmanns Urkundenbuch enthalten.
Sowohl der lateinische wie der deutsche Text scheinen mir sehr moder-
nisiert, wie ich an vielen Stellen vermute. Ob diese Modernisierung
dem Herausgeber oder seiner Vorlage zur Last fällt, kann man nicht
entscheiden, da der Herausgeber sich darüber ausschweigt. Übrigens
wäre es gewifs nützlicher gewesen, nicht blofs die einfachen Abdrücke
zu liefern, sondern auch erklärende Erläuterungen beizufügen.
Th. Palatinus, Heidelberg und seine Universität. 205
Heidelberg und seine Universität. Von Theodor Palatinus.
Freiburg i. B. 1886. VIII und 172 S.
Der Pseudonyme Verfasser gibt in der Vorrede den Grund an,
der ihn zur Abfassung seines Buches veranlafst bat. Die bisherigen
Schriften scheinen ihm »den innigen Zusammenhang der »xilma Ruperta«
mit der katholischen Kirche und deren Instituten, in welchem sie die
längere Zeit ihres Bestandes lebte, in ihren Darstellungen mehr oder
weniger aufser Acht zu lassen.«
»Auch die von Professer Kuno Fischer gehaltene Festrede er-
gänzte nicht den Mangel , der sich in jenen Jubiläumsschriften fühlbar
macht. Von den wesentlichen Verdiensten der Päpste um die Neckar-
hochschule erwähnte diese dreistündige Rede fast nichts; der reichen
und fruchtbaren Wirksamkeit der Ordensleute an der Heidelberger Uni-
versität gedachte der Festredner mit keinem Wort.« Ich weifs nicht,
ob der, nach dem Stile seiner Schrift zu urteilen, jedenfalls noch ziem-
lich jugendliche Verfasser die massenhafte ältere Litteratur über die
Universität Heidelberg so gründlich durchgearbeitet hat, dafs er zu einem
solch absprechenden Urteil berechtigt ist. Nach der vorliegenden Probe
seiner Gelehrsamkeit müfste ich dies sehr bezweifeln. Aber der Ver-
fasser soll Recht haben; hat er nun selbst die ihm gestellte Aufgabe ge-
löst? Gehen wir auf das Einzelne ein.
Da ist schon der Titel zum mindesten schief. »Heidelberg und
seine Universität« läfst erwarten, dafs wir irgend etwas Nennenswertes
und Neues über die Geschichte Heidelbergs, worüber in der That noch
viel zu sagen wäre, erfahren. Diese Erwartung aber wird bei der Lek-
türe getäuscht. Was von Heidelberg gesagt wird, ist nebensächlich und
aus abgeleiteten Quellen geschöpft, und der Titel müfste richtiger heifsen:
»die Universität Heidelberg mit gelegentlichen Seitenblicken auf die Ge-
schichte der Stadt.«
Der Verfasser hat seinen Stoff in 16 Abschnitte geteilt, wovon der
letzte (»Schlufswort«) auch Wünsche des Verfassers vorträgt. Bei jeder
historischen Arbeit fragt man mit Recht nach den Quellen? Was für
Quellen hat der Verfasser benützt? Da citiert er ab und zu auch hand-
schriftliche, aber eine aufmerksame Nachprüfung zeigt, dafs weitaus das
Meiste aus gedruckten Büchern geschöpft ist. Aber auch daraus wollen
wir ihm keinen Vorwurf machen, wenn man gleich erwarten konnte, dafs
dann Palatinus etwas weniger scharf über Vorgänger urteilte, deren
Bücher er so fleifsig ausbeutet.
Leider aber ist das, was nun der Verfasser selbst bietet, durchaus
flüchtig und oberflächlich gearbeitet. An vielen Stellen verrät derselbe
eine Nachlässigkeit der Arbeit, die seine Schrift für nachfolgende Ge-
lehrte unbrauchbar macht. Ich könnte dies an den meisten Abschnitten
nachweisen. Aus Mangel an Raum will ich dies nur an einem Kapitel
zeigen. Ich greife Abschnitt III heraus, der die »Glanzperiode der Hoch-
206 Geschichte der Universitäten.
schule und ihr rasches Sinken in Folge der Reformation« überschrieben
ist. Unter »Glanzperiode der Hochschule« versteht der Verfasser die
humanistische Zeit, und da werden als Repräsentanten »des europäischen
Rufes« von Heidelberg genannt; Dalberg, Pleuningen, Agricola, Celtis,
Wimpfeling, Trithemius, Reuchlin und Pirkheimer. Analysieren wir ein-
mal diese Aufzählung: da fällt zunächst Plenuiugen auf. Derselbe war
allerdings kurfürstlicher Rat in Heidelberg, hat aber mit der Universität
nie etwas zu thun gehabt. In dem zweibändigen Urkundenbuch Winkel-
manns kommt nicht einmal sein Name vor. Doch weiter zum folgenden:
Agricola. Der Friese Rudolf Agricola hat ein, vielleicht auch zwei
Jahre in Heidelberg als Freund Dalbergs gelebt, in dessen Haus ab und
zu auch einen Vortrag gehalten, aber mit der Universität hatte er keine
amtliche Verbindung und wollte auch keine haben. Doch weiter zu
Celtis! Derselbe war allerdings Student in Heidelberg, aber die Gelehr-
samkeit der Studenten macht die Hochschulen nicht berühmt, und als
er später noch einmal für kurze Zeit nach Heidelberg kam, da hatte er
mit der Universität nichts zu thun, sondern er war Erzieher im kurfürst-
lichen Schlosse. Ganz ähnlich verhält es sich mit Trithemius und Johann
Reuchlin. Beide waren zwar Freunde des Kurfürsten Philipp, aber mit
dem Lehrkörper der Universität standen sie in keiner offiziellen Be-
ziehung. Ganz kurios aber nimmt sich Wilibald Pirckheimer (so hätte
Palatinus schreiben sollen) an dieser Stelle aus. Meines Wissens ist
derselbe niemals in Heidelberg gewesen! Der Verfasser hat Heidelberg
und die sodalitas litteraria Rhenana verwechselt, welch letztere aber
ihren eigentlichen Sitz gar nicht in Heidelberg hatte. Aber auch in
dieser Form ist die Aufzählung zu beanstanden; denn Agricola und
Wimpfeling haben nie zur Sodalitas gehört. Damit aber nicht genug!
Die vom Verfasser angeführten Namen passen gröfstenteils gar nicht;
dafür sind ihm aber die Namen, die er hätte anführen müssen, meist
unbekannt: ich will hier einige von den Lehrern mit humanistischer
Bildung nennen : der Jurist Johann Wacker, genannt Vigilius, besonders
Adam Werner von Themar, anfangs Artist, dann Jurist, der hochge-
achtete Theologe Pallas Spangel aus Neustadt, der Gräcist Dionysius
Reuchlin, der Bruder des berühmten Johannes, sodann der Theologe
Joannes Scultetus Pruthenus und andere. Ebenso unzuverlässig ist
nahezu aber alles, was noch auf S. 25 steht.
Doch davon genug. Schlagen wir das Blatt herum. Da lesen wir
auf der nächsten Seite, dafs die Hochschule am Ende des 15. Jahr-
hunderts sehr geblüht, dafs sie aber im zweiten Teil des 16. Jahrhunderts
rasch verwelkte. Prüfen wir einmal diese Angaben mit Hilfe der Töp-
keschen Ausgabe der Heidelberger Matrikel, welche Palatinus kennt und
mit reichlichem Lob bedenkt. Aufs Geradewohl greife ich da die Jahre
1491 — 1495 heraus. Dieselben weisen folgende Zahlen von Immatriku-
lationen nach: 98, 90, 173, 144 und 211. Vergleichen wir damit die
Th. Palatiuus, Heidelberg und seine Universität. '207
Zahlen gerade hundert Jahre später, 1591—1595, so ergeben sich da-
selbst 176, 246, 196, 193 und 161. Ich dächte, diese Zahlen sprechen
für sich selbst. Wenn der Verfasser überhaupt gründlich mit der Ge-
schichte der Hochschule vertraut wäre, so würde er wissen, dafs, abge-
sehen vom 19. Jahrhundert, Heidelbergs Hochschule nie schöner geblüht,
nie mehr Studenten und berühmtere Lehrer gehabt hat als in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zum 30jährigen Krieg. Immatrikulationen,
die sich zwischen 200 und 300 bewegen, gehören nicht zu den Selten-
heiten und, was sehr charakteristisch ist, darunter Studenten von weit her
und aus aller Herren Länder. Daraus mag sich jeder den Grad der Zu-
verlässigkeit von Palatinus' Angaben abnehmen.
Von der Art und Weise, wie Palatiuus arbeitet, noch eine be-
zeichnende Probe! Ab und zu liest man unter dem Texte Verweisungen
auf die nur handschriftlich vorhandenen Annalen der Universität, welche
auf der Universitätsbibliothek aufbewahrt werden. Der Leser soll ver-
mutlich dadurch dgn Eindruck gewinnen, als ob der Verfasser tiefe hand-
schriftliche Studien für seine Schrift gemacht hat. Was aber von diesen
Citateu zu halten ist, will ich an einem Beispiel zeigen, zu dem ich nur
aus Rauniersparnifs keine weiteren füge. Da lesen wir z. B. S. 27:
»Damals gab es Jahre, wo in Heidelberg nur 14 oder 25 Studenten im-
matrikulirt wurden, wie dies anno 1520 uud 1529 der Fall war. An.
Un. T. F. 129. a.« Da mir diese Zahl unwahrscheinlich vorkam, so
schlug ich Töpkes Matrikel auf, was auch Palatinus hätte thun soUen;
denn dieses Buch stand ihm ebenso gut zu Gebot, wie mir. Da finde
ich denn zunächst, dafs beide Zahlen total falsch sind. Laut Matrikel
wurden 1520 in Heidelberg nicht weniger als 174 Studenten und im
Jahre 1529 noch 57 Studenten immatrikuliert. Palatinus gibt 14 und 25
an! Da ich nun nicht annehmen konnte und mochte, dafs der Verfasser
sein Citat aus den Fingernägeln gesogen hat, so begab ich mich auf die
Bibliothek, um der Sache weiter nachzugehen. Da erfahre ich denn
zunächst, dafs eine solche handschriftliche Bezeichnung, wie Palatinus
angibt, gar nicht existiert, dafs aber nach dem Inhalt des Citats der
Band Annalen, welcher 362, 5 bezeichnet ist, gemeint sein müsse. Ich
schlage nun Fol. 129 auf, finde da zwar die Klage, dafs es in den 20er
Jahren des 16. Jahrhunderts übel in Heidelberg aussah, dafs es bald
mehr Professoren als Studenten gäbe, aber von den Zahlen des Palatinus
keine Spur. Sapienti sat! Wir fragen zum Schlüsse, wie darf man bei
solcher Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit es sich herausnehmen, über
Häufser und andere Gelehrte in der absprechendsten Form zu urteilen?
Gustav Knod, Wimpfeliug und die Universität Heidelberg (Zeit-
schrift für die Geschichte des Überrheins Bd. 40 (N.F.Bd. 1)S.317— 335).
Während die Mehrzahl der akademischen Lehrer am Ende des
15. Jahrhunderts der Scholastik treu blieb, hat Jakob Wimpfeliug aus
208 Geschichte der Universitäten.
Schlettstadt »in 14jähriger Lehrthätigkeit eine ganze Humanisten-
generation erzogen; im Kampfe gegen den Heidelberger Scholasticismus
vornehmlich ist Wimpfeling zum Vater des oberrheinischen Humanismus
geworden« (S. 318). Schon als Student hatie Wimpfeling 1469 die Uni-
versität Heidelberg aufgesucht und war mit dem humanistisch gebildeten
Matthias von Kemnat bekannt geworden. 1471 wurde er Lehrer der
Heidelberger Artistenfakultät, wahrscheinlich ohne sofort in neuen Bahnen
zu wandeln. Für die Kenntnis seiner ersten Lehrthätigkeit von 1471
bis 1483 ist die von Knod unter I mitgeteilte Oratiuncula pro bacca-
laureatu Ulrico de Rotuila conferendo, 1479 (S. 325 — 328) ein dankens-
werter Beitrag. 1483 durch die Pest aus Heidelberg verscheucht, kehrt
er nach einem längeren Aufenthalt in der elsässischen Heimat und in
Speyer erst 1498 als Lehrer nach Heidelberg zurück; dieses Lehramt
legte er 1.501 von neuem nieder. Von besonderem Werte sind unter
den urkundlichen Beilagen Nr. V, ein für den Kanzler Florentius von
Venningen bestimmtes Gutachten Wimpfelings von 1521, wie die Uni-
versität Heidelberg in humanistischem Siune reformiert werden könne,
und Nr. VI ein Gutachten des Schlettstadter Humanisten Jakob Spiegel
gleichen Inhalts, zwei Stücke, die auch in Winkelmanns Urkundenbuch
der Universität Heidelberg zu gleicher Zeit gedruckt wurden. Eine Ver-
gleichung der beiden Drucke ergibt, dafs Knod zwar das e des Genetivs
und Dativs der ersten Deklination in ae auflöst, auch sonst die Ortho-
graphie modernisiert, aber die Interpunktion der handschriftlichen Vor-
lage, die oft unsinnig ist, unverändert wiedergibt. Wenn die Texte aber
leicht benutzt werden sollen, müssen sie mindestens durch unsere heutige
Interpunktion verständlich gemacht werden. So müssen z. B. die Worte
S. 332 (gegen Ende des Textes) so interpungiert werden, um recht ver-
ständlich zu werden: Is verba summatim repetiit, ad orania respondens
et subiungens: »Vadatis et discatis melius.« Oder einige Zeilen später:
Magnae faraae theologus non potuit legere haec euangelica verba: »Me
oportet minui, illum autem crescere,« et diu intra submurmurans tandem
me cubito pupugit, sciscitans, quomodo legeret hoc verbum, puta »minui.«
Die Stelle, welche der berühmte Theologe nicht kannte, ist Ev. Joh. 3,30.
Der Alexander S. 333 ist wohl Alexander de villa dei, der gewöhnliche
Grammatiker des ausgehenden Mittelalters. — Es ist neuerdings üblich
geworden, die mittelalterlichen Universitäten auf Kosten der reorgani-
sierten und reformierten des 16. Jahrhunderts zu loben. Für Anhänger
dieser Meinung ist es sehr nützlich, das Urteil eines so ernsten und gut
katholischen Mannes, wie Wimpfeling, der Feind Luthers, war, zu lesen,
über das Knod S. 322 referiert. Im übrigen ist auch dieser Aufsatz
ein rühmliches Zeugnis von den Kenntnissen und der Sorgfalt ihres
Verfassers.
H. Hagen, Briefe von Heidelberger Professoren. 209
Hermann Hagen, Briefe von Heidelberger Professoren und Stu-
denten verfafst vor dreihundert Jahren. Der Universität Heidelberg
zur Feier ihres 500jährigen Bestehens im Auftrag der Universität Bern
dargebracht. Heidelberg. Carl Winter. 1886. 4». 127 S.
Hagens Arbeit gehört zu den nicht sehr zahlreichen Festschriften,
aus denen der Geschichtschreiber der Universität Heidelberg ein reiches
Material gewinnen kann. Sie zerfällt in Einleitung (S. 1 - 24), Abdruck
von Briefen (25-98), Anmerkungen (S. 99- 122) und Namen- und Sach-
register (S. 123—127).
Die Einleitung gibt zunächst darüber Aufschlufs, dafs die zahl-
reichen Briefe, von denen bis jetzt nur zwei und auch diese nur unge-
nügend gedruckt waren, vier Berner Handschriften entstammen: Nr. A.27,
A. 30, Hist. Helv. UI 196 und Hist. Helv. HI 200. Aus diesen wurde
nur eine Auswahl gegeben, bestimmt durch den Zweck der Schrift, in-
dem nur solches aufgenommen wurde, das die Beziehungen zwischen
Heidelberg und Bern erläuterte. Die Handschriften enthalten viel mehr,
so z. B. Hist. Helv. HI 196 65 und Hist. Helv. III 200 wenigstens 40
Briefe, deren Briefschreiber, Adressaten und Daten S. 7 — 9 angegeben
werden. Daran schliefsen sich Personalnotizen über die in den abge-
druckten Briefen vorkommenden Persönlichkeiten: die Heidelberger
Professoren Daniel Tossanus, Thomas Erastus, Simon Grynaeus, Johann
Jakob Grynaeus, David Pareus und Georgius Sohn, die Berner Pfarrer
und Professoren Wolfgang und Abraham Musculus, Johannes Haller,
Petrus Hybuer, Valentin und Wolfgaug Ampelauder (der deutsche Name
war Rebmann) und Johann Jakob Forer, die Berner Studenten Jakob
und Rudolf Ampelander; Huldreich Trog und Wolfgang von Erlach.
Diese Personalnotizen sind der schwächste Teil der Schrift. Die
von Hagen benutzten Quellen, wie z. B. Hautz (Geschichte der Univer-
sität Heidelberg in zwei Bänden), sind nicht immer zuverlässig, und so
bedarf der Abschnitt einer gründlichen Revision. Diese ist jetzt mit
zwei anderen Werken, die ebenfalls zum Jubiläum erschienen sind, und
die also Hagen noch nicht benützen konnte, nämlich mit Eduard Winkel-
manns Urkuudenbuch der Universität Heidelberg und Gustav Töpkes
Ausgabe der Heidelberger Matrikel, unschwer vorzunehmen. Vergl. dazu
auch meine Besprechung in der Berliner philologischen Wochenschrift
1887 Nr. 30/31. Interessant sind die Mitteilungen aus dem auf der Berner
Stadtbibliothek befindlichen und handschriftlich erhaltenen Stammbuch
des Studenten Johann Rudolf Arapelander. Unter den vertretenen Namen
mögen erwähnt sein: Jacobus Kimedoncius, die lateinischen Dichter Jo-
hannes Posthius und Paulus Melissus und besonders der berühmte Hen-
ricus Stephanus, dessen Eintrag vom 6. Mai 1588 lautet: Cogitare prin-
cipem oportet, quam sit propinquus xopaxt b x6Xa$, quum unius
tautum literae sit discrimen. ^0 xuXa$ zou xupaxog kvl /xovov yprinftan
dta(pifjBt.
Jahresbericht für Alterthumswissenschafr LU. (1887. HI.? 14
210 Geschichte der Universitäten.
Der zweite Teil, der eigentliche Kern der Arbeit, enthält den Ab-
druck von 54 lateinischen Briefen aus den Jahren 1561—1589, die in
folgende Klassen zusammengeordnet sind: I. Briefe von Heidelberger
Professoren (18 Nummern). II. Briefe von und an Jakob Ampelander
(8 Nummern). III. Briefe von und an Johann Rudolf Ampelander (12
Nummern). IV. Briefe von Huldreich Trog (14 Nummern). V. Briefe
von Wolfgang von Erlach (2 Nummern). Hagen hat durch seine sorg-
fältige Textbehandlung, durch Inhaltsangaben über jeden einzelnen Brief
und reichliche Anmerkungen deren Benutzung sehr erleichtert. Was den
Inhalt der Briefe betrifft, so streift er vielfach Profan- und Kirchen-
geschichte, für welche er nicht uuverächtliche Beiträge enthält. Mit
Recht hat ein Rezensent gesagt, dafs die Briefe der studierenden Söhne
interessanter seien als die der besorgten Väter. Aus den Studenten-
briefen erfahren wir vielerlei über das innere Leben der Hochschule
Heidelberg, über das Leben in dem berühmten Sapienzkollegium etc.
S. 39 werden vier Anschlagszettel mitgeteilt (zwei von Daniel Tossanus
und zwei von Georgius Sohn). S. 75 gibt ein Professoreuverzeichnis aus
dem Jahre 1585. Andere Briefe berichten von akademischen Disputationen,
von den Preisen im damaligen Heidelberg u. s. w. Diese Dinge haben
einen mehr als lokalen Wert, wenn wir bedenken, dafs in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts Heidelberg eine der glänzendsten deutschen
Universitäten gewesen, an welcher auch zugleich sehr zahlreiche Nicht-
deutsche studierten.
Unter den Anmerkungen ist S. 119 aus Cod. Bern A 27. Nr. 19
ein ausführlicher Originalbericht über einen Studentenkrawall in Witten-
berg, datiert von 3. Februar 1545, mitgeteilt, bei welchem Melanchthon
eine wichtige, aber höchst achtungswerte Rolle gespielt hat, und der
meines Wissens anderweitig nicht bekannt ist (auch Hagen bringt keine
sonstigen Nachweisungen). Dadurch erläutert sich nun sehr erfreulich
ein Schriftstück, das Corpus Reformatorum, ed. Bretschneider V 671 ab-
gedruckt ist und bis jetzt ziemlich in der Luft hing. Andererseits er-
sehen wir aber auch aus diesem wieder, dafs der Student, dessen Ge-
fangensetzung den Anlafs zum Krawall gegeben hat, vermutlich ein
Hamburger gewesen ist.
Der beigegebene Index, von dem wir nur wünschten, dafs er die
Seitenzahl und nicht die Zahlen der Briefabteilungen geben möchte, ist
zuverlässig und befördert die Benutzung der ansprechenden und dankens-
werten Publikation.
Der Züricher Professor Johann Heinrich Hottinger in Heidelberg
1655—1661. Von Dr. Heinrich Steiner, Professor der Theologie
in Zürich. Zürich. Schulthefs 1886. 4«. 61 S.
Eine sehr gehaltvolle, aus guten Quellen geschöpfte Arbeit über
den bekannten Schweizer Gelehrten. Die S. 38-61 enthalten den Ab-
J. Leyser, Die Neustadter Hochschule. 211
druck archivalischer Beilagen. Im übrigen mufs hier auf eine genauere
Wiedergabe des Inhalts verzichtet werden, da Hottinger als Theologe
aufserhalb der uns hier gestellten Aufgabe ist.
J. Leyser, Die Neustadter Hochschule. (Collegiura Casimi-
rianum.) Eine Festgabe zur fünften Säcularfeier der Ruperto-Carola.
Neustadt a. H. A. H. Gottschick- Witter. 1886. 41 S.
Der Sieg der Reformation in der Kurpfalz vollzog sich durch die
im Jahre 1556 erlassene Kirchen-Ordnung des Kurfürsten Ottheinrich,
der aber schon 1559 starb. Unter seinem Nachfolger Friedrich III. ent-
stand ein heftiger Streit über die Abendraahlslehre zwischen dem streng
lutherischen Tilemann Heshusius und dem zum Zwinglianismus neigenden
Diakonen Kiebitz. Der Kurfürst setzte die beiden ab und ein nach-
träglich eingeholtes Gutachten Melanchthons rechtfertigte das Verfahren
des Kurfürsten. Vom Philippismus schritt der Kurfürst in den nächsten
Jahren zum Calvinisraus fort. Aber bei seinem im Jahre 1576 erfolgten
Tode erfolgte eine Reaktion, indem sein lutherischer Nachfolger Lud-
wig VI. mit allen Mitteln den Calvinismus zu beseitigen suchte. Da
hierdurch auch die Universität Heidelberg in lutherische Hände kam,
so errichtete Pfalzgraf Juhann Casimir, der jüngere Bruder Ludwigs VI.,
welchem durch das väterliche Testament ein kleines Stück Land zuge-
fallen war, im Jahre 1578 in Neustadt a. H. eine neue Hochschule mit
Pädagogium rein calvinischen Charakters. Die Stiftungsurkunde, welche
Leyser S. 17 — 23 abdruckt, weist so bedeutende Mittel für die Schulen
an, dafs ohne beträchtliche Gelder aus Frankreich die Schulen nicht zu
halten gewesen sein würden. So waren z. B. 60 Stellen in der Burse
vorgesehen. »Wir entnehmen aus der Stiftungsurkunde, dafs die neue
Akademie zu Neustadt, was ihre reiche Dotierung betrifft, der älteren
Schwester zu Heidelberg fast gleich kam« (S. 23). Übertroffen hat sie
dieselbe jedenfalls an Glanz durch den Ruhm ihrer theologischen Lehrer,
unter welchen Zacharius Ursinus, Daniel Tossanus, Hieronymus Zanchius
und Franciscus Junius hervorgehoben sein mögen, über welche Leyser
biographische Daten gibt. Die Zahl der Lehrer mehrte sich besonders
seit 1580, wo man von den Lehrern der Heidelberger Hochschule die
Unterschrift der Concordienformel verlangte. Die meisten Professoren
verweigerten dieselbe und erhielten nach ihrer Entlassung Stellen in
Neustadt. Aber der hohen Schule war nur ein kurzes Dasein beschieden.
Als 1583 Ludwig VI. gestorben und Johann Casimir Administrator der
Pfalz wurde, rief er die Lehrer aus Neustadt wieder in ihre alten Stellen
nach Heidelberg zurück. Ein Pädagogium war das einzige, was von der
Universität der Stadt Neustadt verblieb. — Die ansprechend geschrie-
bene Schrift bringt im Grunde recht wenig Neues. Der Verfasser scheint
auch die einschlagende Litteratur nicht genügend zu kennen. So beruft
er sich für Friedrich III. wiederholt auf die gänzlich antiquierte Arbeit
14*
212 Geschichte der Universitäten.
Wundts. Dagegen die wichtigen Publikationen Kluckhohns über denselben
Fürsten schienen ihm unbekannt oder wenigstens von ihm nicht benützt
worden zu sein. Das Gleiche gilt bezüglich der Hauptperson der ganzen
Schrift, dem Pfalzgrafen Johann Casimir. Über diesen Fürsten darf nie-
mand schreiben , der nicht seinen durch Friedrich von Bezold im Auf-
trage der Münchener Akademie herausgegebenen Briefwechsel gründlich
studiert hat. Leyser scheint dieses wichtige Werk nicht einmal gekannt
zu haben. So gehört seine Arbeit zu jenen heutzutage leider sehr zahl-
reichen Schriften, die das behandelte Problem nicht fördern, weil sie
ohne genügende Kenntnis der Litteratur unternommen werden. Die bei-
gegebenen hübschen Bilder sind keine Entschädigung für die wissen-
schaftliche Mangelhaftigkeit der Schrift.
HeidelbergerStudentenlebenzu Anfang unseres Jahrhunderts.
Nach Briefen und Acten von Dr. Ed. Heyck, Heidelberg. Winter.
1886. 80. 94 S.
Eine ansprechend geschriebene kleine Schrift, die zum Teil Pa-
pieren der Vossischen Familie entstammt. Der Stoff ist in folgende Ka-
pitel verteilt: Wiederherstellung der Universität durch Karl Friedrich
von Baden und Heranbildung einer neuen Studentenschaft, Auszug nach
Neuenheim, Streit mit den Handwerksburschen, Thibauts erstes Pro-
rektorat, studentisches und geselliges Leben, Landsmannschaften und
Korps, das Erwachen des nationalen Gedankens, die Heidelberger Bur-
schenschaft. Für die jetzt noch vorhandenen Lobredner des gänzlichen Ver-
falls der Universität unter Karl Theodor in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts ist es lehrreich, die aus den amtlichen Akten geschöpften Be-
merkungen auf S. 2 zu lesen. So heifst es z. B.: »Durch Äufserlich-
keiten wollte man das schon in den Kern gedrungene Übel heilen. So
war, um ein Beispiel zu geben, geraten worden, durch eine von den
Studierenden auf der Brust zu tragende Medaille mit dem Bildnisse
Karl Theodors der Universität eine gröfsere Anzahl Jünger zuzuführen
und durch dasselbe Mittel der letzteren Leben und Treiben auf eine
höhere sittliche Stufe zu heben« (!).
Karl Hartfelder, Der Humanismus und die Heidelberger
Klöster (Festschrift zur fünfhundertjährigen Stiftungsfeier der Univer-
sität Heidelberg, veröffentlicht von dem historisch-philosophischen
Verein zu Heidelberg (Leipzig 1886) S. 3—20).
Ausgehend von dem Gedanken, dafs keineswegs alle Mönche dem
neuen Lichte der humanae litterae so feindlich gegenüber standen, wie
mau dies nach den Schriften des Erasmus und seiner Anhänger denken
sollte, suchte ich das auf einem bestimmten Punkte, an den Heidel-
berger Klöstern nachzuweisen. Da finden wir zunächst am Ende des
15. Jahrhunderts das den Cisterziensern gehörige St. Jakobsstift, in
K. Hartfelder, Der Humanismus etc. 213
welchem der bekannte Werner von Themar die Zöglinge zu den huma-
nistischen Wissenschaften anleitet. Dem glänzenden Dalbergschen Kreise
gehören der Cisterzienser Konrad Leontorius aus Maulbronn und der
Prämonstratenser Dracontius an. Die 1501 in Heidelberg abgehaltene
Disputation über die unbefleckte Empfängnis Mariae erregt ebenso sehr
die Teilnahme der Humanisten wie Scholastiker, und der im Heidelberger
Dominikanerkloster befindliche Bruder Martin Butzer aus Schlettstadt
ist ein unbedingter Erasmianer während seiner Klosterzeit. Herr Pfarrer
Falk macht mich noch auf seine in den Histor.-polit. Blättern (Bd. 78,
924) erschienenen Mitteilungen aufmerksam.
Eine ganze Anzahl populär geschriebener und zugleich auf tüch-
tiger Sachkenntnis beruhender Aufsätze über einzelne Abschnitte aus
der Geschichte der Heidelberger Universität brachte die von Karl Bartsch
herausgegebene Festchrouik Ruperto-Carola:
1) Adolf Koch, Die Gründung der Heidelberger Universität.
S. 13—15. 24—27.
Ausgehend von den allgemeinen Zeitverhältnissen des 14. Jahr-
hunderts schildert der sachkundige Verfasser (er war Mitarbeiter Winkel-
manns beim Urkundenbuche der Universität) die Gründung der Hoch-
schule durch Ruprecht I., Kurfürsten von der Pfalz, der, obgleich nur
seiner deutschen Muttersprache kundig, doch den Wert einer umfassenden
wissenschaftlichen Bildung zu schätzen wufste: »Ruprecht hat selbst
einmal in einem Briefe an König Karl V. von Frankreich ausgesprochen,
dafs er allein seine Muttersprache verstehe und keine gelehrte Bildung
besitze. Aber er mochte in den vielverschlungenen diplomatischen Ver-
handlungen jener Zeit wohl mehr als einmal bitter fühlen, welchen Vor-
teil es gab, des Lateinischen mächtig und mit der gelehrten Bildung
vertraut zu sein.« An der Hand der ältesten Urkunden wird sodann die
anfängliche, sehr einfache Einrichtung geschildert. Die Zahl der Lehrer
war nur klein, als den 18. Oktober 1386 das Studium generale durch
eine feierliche Messe in der Kirche zum heiligen Geist eröffnet wurde.
Marsilius von Inghen las summo mane über Logik, Magister Reginald
um acht Uhr über den Titusbrief und Magister Heylmann eine Stunde
nach Mittag über die Physik des Aristoteles. Dem Aufsatz ist ein ver-
kleinertes Facsimile der Stiftungsurkunde beigegeben.
2) Karl Obser, Die Universität Heidelberg unter der Re-
gierung Karl Friedrichs (1802—1811). S. 21—24. 41—43.
Der Markgraf und spätere erste Grofsherzog Karl Friedrich von
Baden ist tbatsächlich der Neubegründer der Universität Heidelberg,
die im Laufe des 18. Jahrhunderts und durch die Stürme der Franzosen-
zeit tief herabgekommen war. 1802 fiel die rechtsrheinische Pfalz an
Baden und die dem gänzlichen Untergange nahe Hochschule erhielt nun
216 Geschichte der Universitäten.
Friedrich Karl von Schönborn 1731 und 1734, welche das Griechische
und Deutsche empfahlen. Die Aufhebung des Jesuitenordens brachte
keine gröfsere Veränderung hervor , da die jetzigen Exjesuiten ihre
Stellen behielten ; unter den neuangestellten Weltgeistlichen befand
sich auch Professor Specht als Lehrer des Griechischen. Beim Jubi-
läum 1782 wurde Würzburg als die beste katholische Universität nach
Wien gepriesen. Neben dem Physiker Egell las der auch als Schul-
mann geschätzte Andres über Lessings Laokoou; seine Chrestomathia
Quinctiliana, kritisch ohne Wert, ist zweckmäfsig ausgewählt. Auf Be-
treiben von Franz Ludwig erschienen damals in Würzburg eine Reihe
Klassikerausgaben, freilich mit mangelhafter Hermeneutik und Kritik.
Als der Freund des Bischofs, der Rektor Dalberg, wegen der
eventuellen Einführung der deutschen Sprache Umfrage hielt, waren
blofs die Theologen dafür. Die Mediziner meinten, »lauter deutsche
Schriften würden in der Religion nichts bilden als Schwärmer, in der
Jurisprudenz politische Kannengiefser und in der Medizin Pfuscher.«
Am Ende des Jahrhunderts herrschte in der philosophischen Fa-
kultät das System Kants, vertreten durch den scharfsinnigen P. Reufs.
1794 erfolgte die Scheidung der philosophischen Fakultät und des Gym-
nasiums, wobei das letztere um zwei Klassen vermehrt wurde, nicht ohne
dafs es zu allerlei Reibereien zwischen Reufs und den Lehrern des Gym-
nasiums gekommen wäre. Auch nach Reufsens Tod behauptete die kan-
tische Philosophie ihre Herrschaft durch die Berufung von Andreas Metz,
dem Verfasser einer Schrift »Kurze und deutliche Darstellung des kan-
tischen Systems.« Was die Lehre der Fakultät betrifft, so war sie »nicht
ungenügend, aber dürftig bestellt; die Litteratur bestand gröfstenteils
aus Rezensionen in den achtungswerten gelehrten Anzeigen und latei-
nischen Lehr- und Handbüchern, die Wissenschaft wurde mehr fortge-
führt als gefördert.«
1803 erfolgte die neue Organisation der Universität, aus welcher
der allmächtige Graf Thürheim ein zweites Göttingen machen wollte.
Trotz mancher Mifsgriffe brachte er neues Leben in die Anstalt durch
den Grundsatz der gelehrten Freizügigkeit, das System unterschieds-
loser Berufungen berühmter Gelehrter, das Prinzip der Lehrfreiheit und
die Begründung des Privatdozententums , »der Pflanzschule bewährter
Universitätslehrer.« Die Seele der Fakultät wurde der schon damals
hochberühmte Schelling, der von seinen Bamberger Freunden empfohlen
worden. Der glänzende Besuch seiner Vorlesungen nahm später etwas
ab. Sonst unbefangen gegen Personen und Sachen, ertrug er keinen
Widerspruch gegen sein System, und doch fand dasselbe viele Wider-
sacher an Wagner, Berg, Metz und andern. Graf Thürheim mufste ihn
an sein Versprechen erinnern, sich der Polemik enthalten zu wollen.
Am schlimmsten stand es mit der Philologie. Man sprach von
Creuzer und J. H. Vofs, aber beide verlangten die Gründung eines philo-
L. V. Urlichs, Die philosophische Fakultät in Würzburg. 217
logischen Seminars und Vofs auch noch die Leitung des Gymnasiums.
Fr. Schlegel, der sich selbst anbot, fand blofs durch seinen Gegner
Schelling Unterstützung. Schleiermacher war 1804 berufen worden, hatte
aber abgelehnt. Die Theologen und der Gymnasialprofessor Blümm
mufsten aushelfen.
Unter den Philologen der nächsten Zeit ist besonders zu nennen
Richarz, der 1835 Bischof wurde, und sein Nachfolger Lasaulx, »mit
allen Gaben des Universitätslehrers ausgestattet, tiefes religiöses Gefühl,
reine Begeisterung für die Gedanken und die Formen des Altertums,
Bekanntschaft mit dem Stande der Forschung, eine gebietende Persön-
lichkeit und natürliche Beredsamkeit.« Seine Ergänzung fand er in dem
Grammatiker Reuter.
Redner preist sodann den jetzigen Zustand der Fakultät, die 15
Ordinarii, 4 aufserordentliche Professoren, T Privatdozenten und 1 Ad-
junkten zähle. »Jeuer zänkische Neid, welcher in früheren Zeiten in den
Hallen der Wissenschaft sein Wesen trieb, ist überwunden; er hat einem
einträchtigen Wetteifer Platz gemacht ; unsere Fakultät hat, als es einen
Schimmer der Hoffnung gab, in Ritschi einen Meister der Philologie
zu gewinnen, nicht daran gedacht, dafs sein Glanz andere verdunkeln
könnte.« Die Fakultät sucht nicht blofs theoretisch in die Wissenschaft
einzuführen, sie will auch durch die Berücksichtigung der Aufgaben und
Bedürfnisse der Mittelschule ihre Leistungen für das Leben fruchtbar
machen. »In ihrem Scliofse haben beide Methoden des Unterrichts, die
in den Mittelschulen einander den Vorrang streitig machen, gleich-
mäfsig Raum.«
F. V. Krones, Zur Geschichte des Grazer Studentenlebens in den
Zeiten der Jcsuitenhochschule 1586-1773 (Zeitschrift für Allgemeine
Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte IH (1886) S. 106
bis 113. 212-223).
Auf Grund der Universitätsmatrikel und von Akten des steierra.
Statthalterei-Archivs gibt der Verfasser eine Schilderung der Jesuiten-
schule zu Graz, die 1585/86 entstanden war, aber nur die zwei Fakul-
täten der Theologie und Philosophie hatte. In der Stadt selbst (Steier-
mark hatte damals noch viele Protestanten) war man den »Jesuiten-
studenten« nie besonders geneigt. Trotz des überwiegend kirchlichen
Geistes der Jesuitenhochschule waren ihre Studenten lustig und lebens-
froh, was aus den mancherlei Excessen derselben sich ergibt. Ein be-
sonderes Aufsehen erregte der »Depositions-Tumult« des Jahres 1726,
bei dem es sogar Tote und Verwundete gab, und der unter anderra
auch die Folge hatte, dafs von da an die Deposition nur noch ein be-
scheidenes Dasein innerhalb der Schulräume fristete.
218 Geschichte der Universitäten.
Kleiue ueue Beiträge zur älteren Geschichte der Hochschule
GieFseu. Yon Professor Dr. 0. Buchner. (Festschrift zur Be-
grüfsuiig der 38. Versammhiiig Deutscher Philologen und Schulmänner,
dargebracht von dem Grofsh. Realgymnasium und der Realschule zu
Giefsen. Giefsen 1885. S. 27-48).
Der Verfasser, welcher erklärt, eine ausführlichere Geschichte der
Universität Giefsen sei trotz der Arbeiten von Nebel, Crome, Klein,
Hesse und anderen noch nicht geschrieben, will einige Beiträge liefern,
wobei besonders der schriftliche Verkehr zwischen Landesherrn und
Universität ins Auge gefafst ist. Die Materialien sind nach folgenden
Rubriken geordnet: Die Professoren, Hilfslehrer: Fechtmeister, Tanz-
meister, Bereiter, Sprachmeister, Pedellen (Ministri publici oder acade-
mici) und Praeceptores classici, d. h. Lehrer am Pädagogium, welche
häufig zu Lehrern an der Hochschule aufrückten.
Die Matrikel der Universität Rostock. L Michaeli 1419 bis
Ostern 1425. Herausgegeben und dem Verein für mecklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde zum 12. Juli 1886 gewidmet von
Dr. Adolph Hofmeister, Custos der Grofsh. Universitäts-Bibliothek.
Schwerin. Sandmeyersche Hofbuchdruckerei. 1886. 4°. 20 S.
Zu den deutschen Universitäten, deren Matrikeln bis jetzt unge-
druckt sind und^war zum grofsen Schaden unserer Kenntnis des geistigen
Lebens im nördlichen Deutschland, gehört auch Rostock, obgleich »die
Bedeutung dieser Hochschule für den ganzen Norden Europas, dessen
einzige Universität sie beinahe ein halbes Jahrhundert hindurch war,
allseitig gewürdigt worden.« Wir erhalten aber nun die Mitteilung, dafs
wir in den nächsten Jahren eine Ausgabe der Matrikel, welche Hof-
meister mit Staatsunterstützung veranstaltet, zu erwarten haben. Die
kleine Schrift ist nur eine vorläufige Probe. Zu Grunde liegen dabei
die Matrikeln der Universität und der philologischen Fakultät, zwei
Pergamenthandschriften, die S. IV und V beschrieben sind.
Bezüglich der Editionsweise sagt der Herausgeber, dafs die für
das mecklenburgische Urkundenbuch aufgestellten Grundsätze mafsgebend
gewesen seien: »Sämtliche Eigennamen sind buchstabengetreu wieder-
gegeben, doch ist an Stelle des öfter am Anfang der Namen vorkom-
menden Ff ein einfaches F gesetzt. Ferner sind u und n, rai und nu
etc., c und t, mitunter auch o und e in der hier allein in Frage kom-
menden ersten Hand des Originals nur sehr schwer oder gar nicht zu
unterscheiden, so dafs Irrtümer wohl kaum vermieden werden konnten.
Wo der hier vorliegende Text von den früher veröffentlichten Auszügen
im Rostocker Etwas, bei Krabbe, Krause, Böthführ und anderen ab-
weicht, geschieht es mit Vorbedacht, weshalb auf eine besondere Her-
vorhebung dieser Abweichungen verzichtet ist etc « Die Benutzung wird
in dankenswerter Weise dadurch erleichtert, dafs die Namen gezählt
Ad. Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock. 219
sind, wofür die Ziffern am Rande stehen. Am Schlüsse der Namen,
welche jeweils in einem Semester als neu immatrikuliert eingetragen
wurden, folgen dann die Namen aus der Matrikel der Artisten in klei-
nerer Schrift. Gerade diese Mitteilungen dürften, als bisher fast ganz
unbenutzt, von besonderem Werte sein.
Ebenso verdient es Zustimmung, dal's der Herausgeber für eine
Anzahl sehr häufig vorkommender Worte, die in der handschriftlichen
Vorlage selbst willkürlich wechselnder Abbreviatur unterliegen , eine
Reihe feststehender Abkürzungen verwendet hat. Solche Worte sind
z. B. baccalarius, dyocesis, licenciatus, mngister, pauper, dominus etc.
Hoffen wir, dafs es dem Herausgeber gelingen möge, sein nütz-
liches Werk zur baldigen Vollendung zu führen.
Arnold Luschin von Ebengreuth, Balthasar Weydacher. Ein
Studeutenabenteuer zu Padua (Zeitschrift für Allgemeine Geschichte
HI (1886) S. 805—817).
In Padua studierten noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts viele Deutsche; die 1546 begonnene Matrikel der deutschen
Juristen enthält in den ersten 25 Jahren über 1600 Einträge, die frei-
lich nicht alle auf Studenten gehen , da auch durchreisende Staats-
personeu eingetragen wurden. Unter den Deutschen waren viele Nicht-
Katholiken, die man aber stillschweigend duldete, wenn sie sich nicht
bemerklich machten. Unter den Deutschen war seit 1570 auch Bal-
tbasar Weydacher aus Mühldorf in Bayern, der als Erzieher fünf junge
Freiherrn von Herberstein begleitete und der Ketzerei verdächtig wurde.
Der Bischof liefs ihn festnehmen und gab ihn trotz Verwendung der
deutschen Studentenschaft beim Dogen in Venedig nicht frei. Erst eine
Erklärung Weydachers vor der Inquisition, an die er ausgeliefert worden,
liefs ihn der drohenden Gefahr entgehen.
Aus dem deutschen Universitätsleben des sechzehnten Jahrhunderts.
Von Johannes Janssen. Frankfurt a. M. und Luzern. 1886. 31 S.
Der Verfasser dieser Broschüre ist derselbe Janssen, welcher die
bekannte »Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des
Mittelalters« geschrieben hat. Die Leser dieses streng katholischen Ge-
schichtswerkes dürften aus unserer Broschüre nicht viel Neues erfahren.
Dieselbe entrollt ein Bild der gröfsten Roheit und Gemeinheit, wie sie
nach Janssens Meinung unter Professoren und Studenten an den pro-
testantischen Universitäten Deutschlands im 16. Jahrhundert geherrscht
haben. Ausgehend von Aussprüchen Luthers und Melauchthons, in wel-
chen die damaligen Universitäten mit scharfen Worten verurteilt werden,
wird die Reformation für den angeblichen Verfall der Schulen verant-
wortlich gemacht. Es werden eine grofse Anzahl protestantischer Schrift-
steller angeführt, die beweisen sollen, dal's die gleiche sittliche Ver-
218 Geschichte der Uuiversitäteu.
Kleiue neue Beiträge zur älteren Geschichte der Hochschule
Giefsen. Von Professor Dr. 0. Buchner. (Festschrift zur Be-
grüfsuug der 38. Versanmilung Deutscher Philologen und Schulmänner,
dargebracht von dem Grofsh. Realgymnasium und der Realschule zu
Giefsen. Giefsen 1885. S. 27-48).
Der Verfasser, welcher erklärt, eine ausführlichere Geschichte der
Universität Giefsen sei trotz der Arbeiten von Nebel, Crome, Klein,
Hesse und anderen noch nicht geschrieben, will einige Beiträge liefern,
wobei besonders der schriftliche Verkehr zwischen Landesherrn und
Universität ins Auge gefafst ist. Die Materialien sind nach folgenden
Rubriken geordnet: Die Professoren, Hilfslehrer: Fechtmeister, Tanz-
raeister, Bereiter, Sprachmeister, Pedellen (Ministri publici oder acade-
mici) und Praeceptores classici, d. h. Lehrer am Pädagogium, welche
häutig zu Lehrern an der Hochschule aufrückten.
Die Matrikel der Universität Rostock. L Michaeli 1419 bis
Ostern 1425. Herausgegeben und dem Verein für mecklenburgische
Geschichte und Alterthumskunde zum 12. Juli 1886 gewidmet von
Dr. Adolph Hofmeister, Gustos der Grofsh. Universitäts-Bibliothek.
Schwerin. Saudmeyersche Hofbuchdruckerei. 1886. 4''. 20 S.
Zu den deutschen Universitäten, deren Matrikeln bis jetzt unge-
druckt sind und >zwar zum grofseu Schaden unserer Kenntnis des geistigen
Lebens im nördlichen Deutschland, gehört auch Rostock, obgleich »die
Bedeutung dieser Hochschule für den ganzen Norden Europas, dessen
einzige Universität sie beinahe ein halbes Jahrhundert hindurch war,
allseitig gewürdigt worden.« Wir erhalten aber nun die Mitteilung, dafs
wir in den nächsten Jahren eine Ausgabe der Matrikel, welche Hof-
meister mit Staatsunterstützung veranstaltet, zu erwarten haben. Die
kleine Schrift ist nur eine vorläufige Probe. Zu Grunde liegen dabei
die Matrikeln der Universität und der philologischen Fakultät, zwei
Pergamenthandschriften, die S. IV und V beschrieben sind.
Bezüglich der Editionsweise sagt der Herausgeber, dafs die für
das mecklenburgische Urkundenbuch aufgestellten Grundsätze mafsgebend
gewesen seien: »Sämtliche Eigennamen sind buchstabengetreu wieder-
gegeben, doch ist au Stelle des öfter am Anfang der Namen vorkom-
menden Ff ein einfaches F gesetzt. Ferner sind u und n, rai und nu
etc., c und t, mitunter auch o und e in der hier allein in Frage kom-
menden ersten Hand des Originals nur sehr schwer oder gar nicht zu
unterscheiden, so dafs Irrtümer wohl kaum vermieden werden konnten.
Wo der hier vorliegende Text von den früher veröffentlichten Auszügen
im Rostocker Etwas, bei Krabbe, Krause, Böthführ und anderen ab-
weicht, geschieht es mit Vorbedacht, weshalb auf eine besondere Her-
vorhebung dieser Abweichungen verzichtet ist ctc « Die Benutzung wird
in dankenswerter Weise dadurch erleichtert, dafs die Namen gezählt
Ad. Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock. 219
sind, wofür die Ziffern am Rande stehen. Am Schlüsse der Namen,
welche jeweils in einem Semester als neu immatrikuliert eingetragen
wurden, folgen dann die Namen aus der Matrikel der Artisten in klei-
nerer Schrift. Gerade diese Mitteilungen dürften, als bisher fast ganz
unbenutzt, von besonderem Werte sein.
Ebenso verdient es Zustimmung, dafs der Herausgeber für eine
Anzahl sehr häufig vorkommender Worte, die in der handschriftlichen
Vorlage selbst willkürlich wechselnder Abbreviatur unterliegen, eine
Reihe feststehender Abkürzungen verwendet hat. Solche Worte sind
z. B. baccalarius, dyocesis, licenciatus, miigister, pauper, dominus etc.
Hoffen wir, dafs es dem Herausgeber gelingen möge, sein nütz-
liches Werk zur baldigen Vollendung zu führen.
Arnold Lusch in von Eb engreu th, Balthasar Weydacher. Ein
Studentenabenteuer zu Padua (Zeitschrift für Allgemeine Geschichte
HI (1886) S. 805—817).
In Padua studierten noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts viele Deutsche; die 1546 begonnene Matrikel der deutschen
Juristen enthält in den ersten 25 Jahren über 1600 Einträge, die frei-
lich nicht alle auf Studenten gehen, da auch durchreisende Staats-
personeu eingetragen wurden. Unter den Deutschen waren viele Nicht-
Katholiken, die man aber stillschweigend duldete, wenn sie sich nicht
bemeiklich machten. Unter den Deutschen war seit 1570 auch Bal-
thasar Weydacher aus Mühldorf in Bayern, der als Erzieher fünf junge
Freiherru von Herberstein begleitete und der Ketzerei verdächtig wurde.
Der Bischof liefs ihn festnehmen und gab ihn trotz Verwendung der
deutschen Studentenschaft beim Dogen in Venedig nicht frei. Erst eine
Erklärung Weydachers vor der Inquisition, an die er ausgeliefert worden,
liefs ihn der drohenden Gefahr entgehen.
Aus dem deutschen Universitätsleben des sechzehnten Jahrhunderts.
Von Johannes Janssen. Frankfurt a. M. und Luzern. 1880. 31 S.
Der Verfasser dieser Broschüre ist derselbe Janssen, welcher die
bekannte »Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des
Mittelalters« geschrieben hat. Die Leser dieses streng katholischen Ge-
schichtswerkes dürften aus unserer Broschüre nicht viel Neues erfahren.
Dieselbe, entrollt ein Bild der gröfsten Roheit und Gemeinheit, wie sie
nach Janssens Meinung unter Professoren und Studenten an den pro-
testantischen Universitäten Deutschlands im 16. Jahrhundert geherrscht
haben. Ausgehend von Aussprüchen Luthers und Melanchthous, in wel-
chen die damaligen Universitäten mit scharfen Worten verurteilt werden,
wird die Reformation für den angeblichen Verfall der Schulen verant-
wortlich gemacht. Es werden eine grofse Anzahl protestantischer Schrift-
steller angeführt, diu beweisen sollen, dafs die gleiche sittliche Ver-
220 Geschichte der Universitäten.
wilderuDg und Gemeinheit an allen protestantischen Hochschulen ge-
herrscht hat: namentlich genannt sind Wittenberg, Jena, Marburg, Frank-
furt a. 0., Königsberg, Rostock, Helmstädt, Giefsen, Tübingen. Wenn
man nun fragt: wie sah es an den katholisch gebliebenen Hochschulen
schulen um dieselbe Zeit aus? so werden wir S. 8 folgenderraafsen be-
lehrt: »Auch an den katholisch gebliebenen Hochschulen, wie in Cöln,
Freiburg im ßreisgau und in Ingolstadt traten die Wirkungen der all-
gemeinen Zerrüttung sowohl in dem Verfall der Wissenschaften als der
Sitten oft in greller Weise hervor.« Damit wird die Reformation also
selbst für den Verfall der katholischen Universitäten verantwortlich
gemacht !
Der Jahresbericht für Alterthumswissenschaft hat nicht die Auf-
gabe, die Sache irgend einer Konfession gegen die andere zu führen. Wir
können also an dieser Stelle aus prinzipiellen Gründen auf den Streit
Janssens mit seinen protestantischen Gegnern nicht eingehen. Diese letz-
teren haben vielmehr die Aufgabe, sich mit eigener Hand der Angriffe
auf ihre Sache zu erwehren.
Aber über den kirchlichen Interessen steht ein höheres, das rein
wissenschaftliche, was ausschliefslich der Wahrheit dienen will. Von
diesem Standpunkte aus müssen wir Janssens Aufstellungen als einer
konfessionellen Polemik und Tendenz dienend zurückweisen. Aus Mangel
an Raum ist es hier nicht möglich, auf die Schwächen der Janssen-
schen Darstellung genauer einzugehen; vielleicht finde ich Zeit und An-
lafs, dies an einer anderen Stelle zu thun. Aber auf einige Punkte
darf doch in aller Kürze hingewiesen werden. Zunächst ist es voll-
kommen richtig, dafs Luther gleich in den ersten Jahren seines öffent-
lichen Auftretens die Hochschulen in ihrem damaligen Zustand »Moloch-
tempel« und »Mördergruben« genannt hat. Aber an den meisten
damaligen Universitäten scheinen auch in der That Zustände geherrscht
zu haben, welche diese harten Worte rechtfertigen. Sehen wir einmal
von dem gänzlich verwerfenden Urteil der Humanisten, denen man zu
wenig Objektivität zutraut, vollständig ab, aber auch amtliche Schrift-
stücke, z. B. über Leipzig und Heidelberg, bestätigen den tiefen Verfall
dieser Hochschulen, und hätten wir über die andern Hochschulen ein
ähnliches gedrucktes Quellenmaterial zur Verfügung, das Urteil würde
schwerlich anders ausfallen. Wir verweisen auf S tu bei, Urkundenbuch
der Universität Leipzig (Bd. XI des Codex diplomaticus Saxoniae) S. 333.
378, 379 und an vielen andern Stellen. Da erfahren wir, wie es an der
noch katholischen Hochschule aussieht: die Lehrer sind faul, unwissend,
zum Teil Jahre lang abwesend von Leipzig, streitsüchtig, schmutzig hab-
gierig, lassen sich bei Promotionen bestechen, manche auch unsittlich
trotz ihres geistlichen Charakters. Die Studentenschaft ist noch trauriger
beschaffen: manche können nicht lateinisch schreiben, schwänzen der
Art, dafs sie gar nicht wissen, wo gelesen wird, laufen mit unanstän-
Job. Janssen, Aus dem deutschen Universitätsleben. 221
diger Kleidung herum, die manchmal sogar die Geschlechtsteile nicht
verhüllt, trinken sich voll, liegen in beständigem Hader mit den Hand-
werksburschen und den Bürgern der Stadt u. s. w. Doch genug. Diese
Züge liefsen sich mit Leichtigkeit verzehnfachen. Wer diese Dinge
kennt, kann ehrlicher Weise nicht vod einem Rückgang der Hoch-
schulen durch die Reformation sprechen.
Was sodann die Berichte über Wittenberg betrifft, so hat Janssen
nur Gravierendes angeführt. Sehr schöne und anerkennende Berichte, die
jetzt durch den Druck jedem zugänglich sind, scheinen ihm unbekannt
geblieben zu sein.
Wenn er ferner S. 4 das Urteil des Glareanus aus dem Jahre 1550
citiert : »Die jetzige Jugend ist durchaus so schlecht, dafs sie Sodoma
und Gomorrha nahe ist,« so geben wir Janssen zweierlei zu bedenken.
Dieses Urteil mufs doch zunächst auf die katholische akademische Jugend
eingeschränkt werden; denn nur diese kannte der Freiburger Lehrer,
der ein heftiger Gegner der Reformation war. Ein verständiger Mensch
wird unmöglich die Reformatoren wegen der Verwilderung der akade-
mischen Jugend Freiburgs ums Jahr 1550 anklagen. Sodann aber urteilt
derselbe Glareanus schon im Jahre 1514, also drei Jahre vor Beginn
der Reformation, aufs trostloseste über die Zeit. Er fürchtet, dafs alle
Wissenschaften mit den klassischen Sprachen zu Grunde gehen möchten.
Vergl. H. Schreiber, Glareanus (Freiburg 1837) S. 16.
Was aber die Zeugnisse betrifft, so ist nicht jeder Zeitgenosse ein
Zeuge der Wahrheit. Der Wert der von Janssen angeführten Stellen
ist sehr verschieden. Es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die
übertreiben oder geradezu gegen die Wahrheit verstofsen. Die Aus-
sprüche der verschiedensten Menschen, oft ohne Beachtung der Ver-
anlassung ihrer Aussprüche, in Reih und Glied als gewichtige testes
veritatis aufmarschieren zu lassen, ist zum mindestens ein angreifbares
historisches Verfahren , mögen noch so viele Anführungszeichen zur Er-
zeugung des beliebten Quellen- und ßrunnengeschmacks gesetzt sein.
Ein fernerer Mangel dieser Darstellung besteht in dem Umstand,
wie die Quellen herangezogen worden. Für die Methode ist es sehr
bezeichnend, dafs das Schriftchen Mohls über die Sitten der Tübinger
Studenten im 16. Jahrhundert eine seiner Hauptquellen ist. Diese kleine
Schrift ist ein Auszug aus den Kriminalakten. Welches schiefe Bild
erzeugt man, wenn man blofs solcher Quellen sich bedient. Zur Ver-
deutlichung wollen wir einmal diese Frage auf heutige Verhältnise über-
tragen: wenn z. B. von 1000 Studenten einer Hochschule c. 100 mit den
akademischen Gesetzen in Konflikt kommen und deren Vergehen akten-
mäfsig werden, so hat ein späterer Historiker daran ein schätzbares
Aktenmaterial. Aber von dem Fleifs und den guten Sitten der 900
anderen Studenten berichten die Akten nichts; denn sie sind mit der
akademischen Gerichtsbarkeit nicht in Konflikt geraten. Wer also, wie
222 Pädagogik und Schulgeschichte.
Molil, blofs die Skandale der Krimiilalakten zusammenstellen wollte,
würde doch offenbar dem wahren Thatbestand nicht gerecht werden.
Die Menge lateinischer Dichter und tüchtiger Gelehrter am Ende des
16. und Anfang des 17. Jahrhunderts vor 1618 beweist aber am besten,
dafs die deutschen Studenten der protestantischen Hochschulen im
16. Jahrhundert nicht blofs getrunken, renommiert und noch Schlimmeres
getrieben haben. So können wir in der Janssenschen Schrift nur eine
einseitige Tendenzschrift sehen, welche dem objektiven Thatbestand durch-
aus nicht gerecht wird.
Den Übergang zur Pädagogik und Schulgeschichte möge ein
wichtiges französisches Werk machen :
Repertoire des ouvrages pedagogiques du XVI« siecle.
(Bibliotheques de Paris et des departements). Paris. Imprimerie
nationale. 1886. 8. XVI und 733 S.
Ein sehr nützliches und wertvolles Buch, das für alle Arbeiter auf
dem Felde der humanistischen Pädagogik zu einem unentbehrlichen Nach-
schlagewerk werden wird. Die Vorrede ist ein Rapport ä M. le ministre
de l'instruction publique de beaux-arts et des cultes, in welchem
F. ßuisson, l'inspecteur general, Directeur de l'enseignement primaire,
der eigentliche Herausgeber des Werkes, dessen Entstehung erzählt.
Er rühmt die grofse Gefälligkeit und den Eifer der Vorstände zahl-
reicher französischer Bibliotheken, ohne deren Unterstützung das Werk
unmöglich gewesen wäre. Das Buch besteht aus den Titeln pädagogischer
Schriften des 16. Jahrhunderts, die nach den alphabetisch geordneten
Verfassern verzeichnet sind. Bei jedem Werk ist die Bibliothek ange-
geben, wo sich dasselbe findet. Aufser dem übrigens oft nur summarisch
verzeichneten Titeln ist Jahreszahl, Druckort und Format angegeben.
Unter den Namen der Verfasser stehen in der Regel einige biogra-
phische Daten und manchmal eine Verweisung auf die wichtigste Litte-
ratur über den betreffenden Gelehrten. Von S. 687-709 folgen die
anonymen Werke.
Ein Index Rerum (S. 723—733) gibt die Materien der Lehrbücher
an, so dafs man z. B. alle historischen oder alle mathematischen Lehr-
bücher wieder alphabetisch geordnet beisammen hat.
Beim Studium des Werkes fiel mir auf, wie zahlreich die franzö-
sischen Nachdrucke deutscher Werke sind, so dafs sich aus diesem Re-
pertorium mit Sicherheit ergibt, dafs schon die Franzosen des 16. Jahr-
hunderts reichlich von der geistigen Arbeit ihrer geringgeschätzten
östlichen Nachbarn gezehrt haben. Insbesouders müssen die Bücher
Melanchthons in Frankreich einen ausgedehnten Benutzerkreis gefunden
haben; sonst würde man nicht verstehen, weshalb sie so häufig und zwar
an verschiedenen Orten in Frankreich nachgedruckt werden konnten.
Repertoire des ouvrages pedagogiqueg 223
Die sonst sehr sorgfältige Bibliographie der späteren Bände des Corpus
Reformatorum läfst sich deshalb aus diesem Repertoire nicht unwesent-
lich erweitern.
Nachdem wir den Wert des Buches anerkannt haben, müssen wir
aber auch darauf hinweisen, dafs im einzelneu viele Versehen und Fehler
mit untergelaufen sind, ven denen hier einige angeführt sein sollen. S. 88
steht bei Brassicanus »ne ä Wittemberg.« Der Herausgeber verwechselt
also die Universität Wittenberg mit dem damaligen Herzogtum Würt-
temberg! Denn nur das letztere konnte er meinen. Freilich ist neuer-
dings wahrscheinlich gemacht worden, dafs der in Württemberg thätige
Brassicanus gar nicht aus diesem Lande, sondern aus der Reichsstadt
Konstanz stammte. - S. 115 steht unter Joachim Camerarius, geb. 1534,
eine Ausgabe von Epigrammata graeca et latina (Basel 1538) verzeichnet,
so dafs der Verfasser also vier Jahre alt gewesen wäre, als er Epi-
gramme edierte! Das Rätsel löst sich dadurch, dafs hier der Vater
und Sohn Camerarius verwechselt sind. — S. 558 ist das Todesjahr
Reuchlins falsch mit 1521 statt 1522 angegeben. - S. 428 wird Schwarz-
erde als deutscher Name Melanchthons angegeben. Das ist falsch; denn
nur die Formen Schwarzerdt und Schwartzerdt sind nachweisbar. —
S. 12 ist unter den Schriften des Humanisten Rudolf Agricola eine Rede
de miseriis paedagogorum augegeben. Schwerlich ist das richtig. Ver-
mutlich liegt hier eine Verwechselung mit der so betitelten Rede Me-
lanchthons vor. - S. 435 wird ein Kölner Drucker Hero Fuchs ange-
geben, was vermutlich ein Irrtum für Hieronymus Fuchs ist. — S. 437
werden Tabulae astronomiae von Melanchthon angeführt, die in Nürn-
berg 1551 gedruckt sein sollen. Es ist kaum glaublich, dafs Melanch-
thon ein solches Buch geschrieben hat. Vermutlich ist das eine Ver-
wechselung mit dem gleichnamigen Werke des Nürnberger Mathematikers
Schoner, zu welchem Melanchthon eine Praefatio geschrieben hat. Vgl.
dazu Corpus Reformatorum HI 115. — Ganz ähnlich verhält es sich mit
dem Tractatus de sphaera S. 437. Einen solchen hat Melanchthon nicht
geschrieben. Es ist das vielmehr , der Liber Joannis de Sacro Busto de
sphaera, zu welchem Melanchthon 1531 eine an Simon Grynäus ge-
richtete Vorrede geschrieben hat. Vergl. dazu Corp. Reff. H 530.
Was sodann die Litferaturangaben betrifft, so zeigt sich Buisson mit
der deutschen pädagogischen Litteratur sehr wenig vertraut. So ist z. B. zu
Rudolf Agricola S. 10 nichts als die kleine wertlose Schrift von Bossert
angeführt. Von der viel umfassenderen deutschen Litteratur (ich habe
dieselbe in der Festschrift der badischen Gymnasien zum Heidelberger
Jubiläum S. 3 zusammengestellt) ist nichts genannt. Bei Job. Sturm
S. 611 fehlen die beiden Schriften von Kückelhahn und Laas, bei Blon-
dus S. 70 die Arbeit von Masius; bei Erasmus S. 227 ist von den zahl-
reichen Arbeiten von Ad. Horawitz nicht eine einzige angeführt. Diese
Beispiele liefsen sich noch sehr beträchtlich vermehren.
224 Pädagogik und Schulgeschichte.
Monuraenta Germaniae Paedagogica.
Mit obigem Titel führt sich ein litterariscbes Unternehmen ein,
das nicht blofs für Geschichte, Kirchengoschichte etc , sondern auch ganz
besonders für die Philologie, speciell die Geschichte der Philologie von
grofser Bedeutung werden dürfte. Der Urheber des ganzen ausgedehnten
Planes ist Dr. Karl Kehrbach, rühmlichst bekannt als Herausgeber
von Herbarts und Kants Schriften. Als Veranlassung zur Herausgabe
der Monumenta Germaniae Paedagogica bezeichnet derselbe die wieder-
holt ausgesprochene Beobachtung, dafs unsere Geschichtswerke der Pä-
dagogik einen nur ungenügenden Einblick in die deutschen Unterrichts-
und Erziehungsverhältnisse vergangener Zeiten gewähren. »Der Grund
dieser offenkundigen Thatsache liegt in der mangelhaften Heranziehung
des bezüglichen Quellenmaterials, die selbst da sich zeigt, wo die Ge-
schichtschreiber der Pädagogik mit gröfserer Sorgfalt und Vorliebe ge-
arbeitet haben, wie z. B. bei Raumer in den Artikeln über Melanchthon
und Sturm.« Diese Quellen sollen nun zugänglicher gemacht, insbeson-
dere die schon gedruckten vermehrt werden durch Aufspürung und Her-
beiziehung solcher, die bis jetzt in den Archiven und Bibliotheken unbe-
nutzt geruht haben.
Der ausgearbeitete »Plan«, in welchem Kehrbach über den Umfang
und die Einteilung des Unternehmens Bericht ei-stattet, beweist, dafs
Sorgfalt und Umsicht dabei nicht fehlen. Zahlreiche Gelehrte haben
direkt oder indirekt ihre Mitarbeiterschaft an den Monumenta zu-
gesagt; für die Leser dieser Zeitschrift dürften unter den zahlreichen
Namen folgende von Interesse sein: Oberstudienrat Dr. von Dillmaun
in Stuttgart, Schulrat Dr. Dittes in Wien, Schulrat Dr. Eberhard in
Braunschweig, Professor Dr. Eckstein in Leipzig, Professor Dr. Eucken
in Jena, Direktor Professor Dr. Frick in Halle a. S., Dr. Galland in
Strafsburg, Geh. Rat Professor Dr. Giesebrecht, Professor Dr. Grafs-
berg er in Würzburg, Professor Dr. von Hartel in Wien, Professor
Dr. Heinze in Leipzig, Gymnasial-Direktor Dr. Ho che in Hamburg,
Professor Dr. Horawitz in Wien, Professor Dr. Huemer in Wien,
Prof. Dr. Kawerau in Magdeburg, jetzt Kiel, Direktor Dr. Koldewey
in Brauuschweig, Professor Dr. Krause in Zerbst, Professor Dr. Jürgen
Bona-Meyer in Bonn, Professor Dr. Masius in Leipzig, Professor
Dr. Schaarschmidt in Bonn, Professor Dr. Sehen kl in Wien, Dr.
Schepfs in Würzburg, Professor Dr. Schiller in Giefsen, Gymnasial-
Direktor Dr. Stier in Zerbst, Professor Dr. Uhlig in Heidelberg und
viele andere. Der Herausgeber hat die mitgeteilten Ratschläge reiflich
erwogen und viele in seinem Plane schon berücksichtigt.
Die Einteilung der Monumenta paedagogica ist nun folgende:
Abteilung 1 soll enthalten die Schulordnungen kirch-
lichen, staatlichen und gemeindlichen Charakters nebst den internen
Kehrbach, Monumenta Germaniae Paedagogica. 225
Schulgesetzen, Visitationsprotokollen, Ordenskonstitutionen, Bestallungs-
briefen etc.
Abteilung 2 die Schulbücher der betreibenden Zeitabschnitte
und zwar für verschiedene Fächer. Kehrbach hat zu dieser Abteilung eine
wertvolle Vorarbeit geliefert in dem »Versuch einer Liste der Schulbücher,
die zur Zeit des Humanismus im engern Sinne, d. h. von der Mitte des
15. bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts in den Schulen Deutschlands
gebraucht worden sind,« welche Zusammenstellung dem Plane beigefügt
ist. Die Abteilung »Latein« umfafst Vokabularien, Grammatiken, latei-
nische Übungsbücher, Artes versificandi et metrificandi und übertrifft
alle bisher vorhandenen ähnlichen Zusammenstellungen an Vollständigkeit
bei weitem.
In der dritten Abteilung »Pädagogische Miscellanea« sollen
diejenigen Dokumente pädagogischen Inhaltes ediert werden, welche in
die zwei ersten Abteilungen nicht passen, also Abhandlungen zur Päda-
gogik, pädagogische Theorien, pädagogische Gutachten, Selbstbiogra-
phisches, Schulreden, Tischzuchten, Akten über Erziehung und Unterricht
einzelner Personen, Briefwechsel unter Schulmännern, Schulkoraödien und
dergleichen.
Die vierte Abteilung soll sodann zusammenfassende Darstel-
lungen geben.
Von einer chronologischen Aufeinanderfolge der Publikationen ist
aus zureichenden Gründen abgesehen. Natürlich wird die gröfste Sorg-
falt auf die Texte verwendet werden. Jedem Schulbuch geht eine fach-
wissenschaftliche, pädagogische, textkritische und bibliographische Ein-
leitung voran. Sämtliche Varianten von sachlichem Werte werden unter
dem Texte gegeben. Namen- und Sachregister fehlen bei keinem Bande.
Aus der grofsen Zahl von Arbeiten, die bereits in Angriff ge-
nommen worden, mögen nur einige hervorgehoben werden:
1) Direktor Dr. Köldewey ediert die hervorragenden Schulord-
nungen Braunschweigs.
2) Professor Dr. Teutsch die Schulordnungen Siebenbürgens.
3) Staatsrat Professor Dr. Teichmüller die Schulordnungen der
Ostseeprovinzen.
4) Dr. Kehrbach das Visitationsbüchlein Melanchthons.
5) Dr. Reichling das Doctrinale des Alexander Gallus (de villa
dei, Villedieu).
6. Professor Dr. Huemer das Scholarium fundamentum des Re-
migius von Auxerre.
7) Direktor Dr. Uhlig die griechischen Grammatiken von Chry-
soloras, Theodorus Gaza, Laskaris und anderen.
8) Dr. 0. Franke charakteristische Schulkomödien.
lahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. lU.) 15
226 Geschichte des Schulwesens.
9) Professor Dr. Horawitz schreibt eine zusammenfassende Dar-
stellung über Desiderius Erasmus von Rotterdam.
10) Professor Dr. Hartfelder eine solche über Melanchthon.
Nach mehrjähriger Vorbereitung hat nun das Unternehmen mit
seinen Publikationen begonnen. Bd. I hat folgenden Titel:
Monumenta Germaniae Paedagogica. Schulord-
nungen, Schulbücher und pädagogische Miscellaneen aus den Landen deut-
scher Zunge. Unter Mitwirkung einer Anzahl von Fachgelehrten herausge-
geben von Karl Kehrbach. Bd. I. Braunschweigische Schulordnungen 1.
Berlin. A. Hofmann & Comp. 1886. — Daneben der zweite oder Separat-
Titel: Braunschweigische Schulordnungen von den ältesten Zeiten bis
zum Jahre 1828 mit Einleitung, Anmerkungen, Glossar und Register.
Herausgegeben von Professor D. Dr. Friedrich Koldewey. Erster
Band. Schulordnungen der Stadt Braunschweig. CCV und S. 602.
Die Einleitung gibt eine auf den besten Quellen beruhende Schul-
geschichte der Stadt Braunschweig, die bis 1671 beinahe so frei war wie
eine freie deutsche Reichsstadt. Im Mittelalter existierten daselbst zunächst
die beiden Stiftsschulen zu St. Blasien und zu St. Cyriaci nebst der Kloster-
schule zu St. Aegidien, wozu dann im Laufe des 15. Jahrhunderts noch
zwei städtische Schulen hinzukamen: das Martineum und Katharineum.
Wie wenig diese Schulen gegen Ende des Mittelalters billigen An-
forderungen entsprachen, sowohl in den Lehrgegenständen als in der
Stellung der Lehrer, zeigt sich auch hier wie fast allerorten in Deutsch-
land, obschon Koldewey diese Fragen fast mehr als schonend behandelt.
Die Reformation brachte sodann durch Johann Bugenhagen eine Wieder-
aufrichtung des in Verfall geratenen Schulwesens im Bunde mit der üm-
wandelung der Kirche. Freilich blieb auch hier trotz mannigfacher
Verbesserungen, z. B. der Besserstellung der Lehrer, noch eine grofse
Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit, was die immer sich wieder-
holenden Reformversuche am besten beweisen, und obgleich hervor-
ragende Namen, wie Medier, Chemnitz, Frischlin unter den Leitern des
Schulwesens auftreten. Eine bessere Zeit für die Schule brach an mit
Karl L, dem Bundesgenossen Friedrichs des Grofsen. Besonders die
Pädagogik des Hallenser Pietismus hat auch in Braunschweig bedeut-
same Leistungen aufzuweisen. Eine kurze Geschichte des Carolinums,
dessen Seele eigentlich Jerusalem war, veranschaulicht die Einrichtungen
und den baldigen Verfall dieser vielgenannten eigentümlichen Schule.
In einem vierten Abschnitte wird sodann die Geschichte des Braun-
schweigischen Schulwesens bis 1828 herabgeführt: aus dem Carolinum
ist das Braunschweiger Polytechnikum geworden.
In dem Abschnitt II (Textgestaltung) gibt Koldewey Auskunft über
die Grundsätze, wonach er den Text gestaltet hat, und die etwas ab-
weichen von den im »Plan« in Aussicht genommenen. Dieselben sind
Fr. Koldewey, Braunschweigische Schulordnungen. 227
übrigens blofs für die Koldeweysche Publikation mafsgebend, und es ist
damit nicht ausgeschlossen, dafs in andern Bcänden nicht nach den Grund-
sätzen des »Plans« verfahren wird. Nur sollte von einer urkundlich ge-
nauen Wiedergabe der Orthograjihie des 16. und 17. Jahrhunderts mit
ihrer unsinnigen Konsonantenhäufung ein für allemal abgesehen werden.
Daran schliefsen sich textkritische und bibliographische Erläu-
terungen zu den einzelnen Stücken des folgenden Abschnitts. Darnach
zu urteilen, hat es Koldewey, wie es sich für eine solche Publikation
auch gehört, sehr genau genommen: er verbessert selbst neuere als gut
anerkannte Textausgaben einzelner Aktenstücke. Dann folgen die Akten-
stücke selbst, chronologisch geordnet, von Koldewey mit besonderen
Überschriften versehen; eine sachliche Ordnung würde grofse Unzuträg-
lichkeiten im Gefolge gehabt haben, wenn sie überhaupt durchführbar
gewesen. Diese Aktenstücke sind in der Einleitung schon alle ver-
wertet; die letztere baut sich ganz auf diesem Materiale auf. Der
Leser hat also die Möglichkeit einer fortlaufenden Kontrolle.
S. 529— 5Y4 folgen sodann erklärende Anmerkungen zu den Akten-
stücken, die über schwierige Ausdrücke, Personalien etc. berichten. Be-
sonders sei auf die Erklärung von lupus S. 548 und von Partikular-
schulen S. 552 aufmerksam gemacht. Ein Glossar zum Verständnis der nie-
derdeutschen Urkunden, ein Verzeichnis der mehrfach erwähnten Schriften
und ein Inhaltsverzeichnis beschliefseu die schöne Publikation, welche das
ganze Untern ehmen in würdigster Weise eröffnet hat. Vollständige Beherr-
schung des Stoffes, gründliche Kenntnis der weitschichtigen Litteratur
und solide Arbeit vereinigen sich in dieser litterarischen Leistung zu
erfreulicher Harmonie, wobei nicht vergessen werden soll, dafs ein
warmer Lokal Patriotismus, der aber niigends einseitig oder aufdringlich
ist, dem Verfasser die Feder führte.
Durch den ersten Band der Monumenta Germaniae Paedagogica
ist eine andere Arbeit desselben Verfassers:
Friedrich Koldewey, Die Verfassung der Realschule im Hoch-
fürstl. Grofsen Waisenhause zu Braunschweig 1754. Braunschweig.
1886. 4*^. 30 S. {Programmbeilage des Herzoglichen Realgymnasiums
zu Braunschvveig Ostern 1886). Programm 1886. Nr. 631.
vollständig antiquiert, da sie ihrem wesentlichen Inhalte nach in die
Monumenta, deren Vorläufer sie gewesen, aufgenommen worden.
Fr. Schmidt, Bivium. Ein Beitrag zur mittelalterlichen Päda-
gogik (Jahrbb. f. Philol. u. Pädagog. Bd. 134, 549-555).
Dafs es neben dem allbekannten Trivium und Quadrivium auch
ein Bivium gab, dürfte wenig bekannt sein. »Bivium erstreckt sich
auf die sittliche Bildung des Menschen und auf die in der Jugend vor-
15'
228 Geschichte des Schulwesens.
zunehmende Entscheidung über den Lebenswandel.« Diese Entscheidung
ist derselben Art, wie sie der Sophist Prodikos aus Keos in seiner
Allegorie vom Herkules am Scheidewege beschreibt, die in Xenophons
Memorabilien II, 1, 21 überliefert ist. Der Verfasser stellt die Beleg-
stellen aus einer Anzahl mittelalterlicher Schriften zusammen, wie
Chronicon Hugonis, Vita Conradi archiepisc. Trever., Chronik Thiet-
mars von Merseburg etc. Von bivium wurde gebildet biviator = qui
ambulat duabus viis (Glossar, med. et inf. latiu. ed. L. Favre, tom. I).
Oberlehrer Wilhelm Bötticher, Des Johann Amos Comenius
Didactica magna und deren neueste Übersetzungen (Beilage zum Pro-
gramm des Realgymnasiums und Gymnasiums in Hagen. Hagen. 1886.
4. 16 S.).
Der Verfasser gibt zunächst eine kurze Übersicht über das Leben des
Comenius (1592 — 1671), beschreibt sodann genau die Ausgabe von Comenii
opera didactica (Amsterdam) und behandelt die grofse Unterrichtslehre
desselben in der Art, dafs er auf die Fehler der in der letzten Zeit er-
schienenen Übersetzungen aufmerksam macht. Er kommt zu dem bereits
in der Philol. Rundschau ausgesprochenen Ergebnisse, dafs die schon in
vier Auflagen erschienene Übersetzung Beegers (Leipzig. Hesse) schlecht,
dagegen die von C. Th. Lion (Langensalza) und von G. A. Lindner
(Wien. Pichler) empfehlenswert seien.
August Ziel, Johann Raues Schulenverbesserung. Ein Beitrag
zur Geschichte der Pädagogik des 17. Jahrhunderts (Beilage zum Pro-
gramm des König 1. Gymnasiums zu Dresden-Neustadt. Dresden 1886.
40.) 31 S.
Raue wurde im Januar 1610 zu Berlin geboren als Sohn des Diakonus
Kaue an der Nikolaikirche, eines streng orthodoxen Lutheraners und
Poeta Laureatus Caesareus. Auf dem Gymnasium zum Grauen Kloster
vorgebildet, bezog er c. 1626 die Hochschule Wittenberg, die da-
mals noch ihren Ruhm behauptete, zum Studium der Philosophie und
Theologie. 1631 Magister geworden, geht er 1632 nach Erfurt, wo
er 1634 die Professur Historiarum et Eloquentiae an der Univer-
sität erhielt und Lehrer am Ratsgymnasium wurde. In seinem 1635
erschienenen Nepos sind die Lehrer als »hostes adolescentiae« be-
zeichnet. Stellungen in Rostock, Soröe in Dänemark, Danzig fesseln ihn
nicht allzulang. 1654 wird Raue »General-Inspektor aller Schulen« in
der Kur-Mark; aber schon 1659 wird der unstete Mann Bibliothekar,
t 1679.
Der zweite Teil der Arbeit (S. 13—31) behandelt das pädago-
gische System Raues, das ihn als Geistesverwandten von Männern wie
Ratichius, Comenius und Schupp erweist. Bezüglich der Auswahl der
A. Ziel, Joh. Raues Schulverbesserung. 229
Schulschriftsteller sei bemerkt, dafs er z. B. Nepos, den er selbst auch
herausgegeben hat, und Caesar, »epistolae selectae und Excerpten« von
Cicero empfiehlt, aber Plautus und Terenz verwirft. »Wenn Raue auch
nicht zu den bahnbrechenden Führern der Reform gehört, so bildet
er doch ein Glied in der Kette der Männer, durch deren Bestre-
bungen neue Formen des gelehrten Unterrichts in Deutschland herbei-
geführt sind.«
Oberlehrer Dr. Carl Ackermann, Die pädagogische Litteratur
für unseren Regierungsbezirk (Beilage zum Programm der Realschule
zu Cassel für das Schuljahr 1885/86. Cassel. 1886. 4». 14 S.).
Veranlafst ist die Arbeit durch den Wunsch der Centralkommission
für wissenschaftliche Landeskunde in Deutschland, Vorarbeiten zu einer
Bibliotheca geographica Germauiae zu erhalten. Der Stoff ist nach
folgenden Rubriken geordnet: I. Universitäten. II. Academien. III. Gym-
nasien, Realschulen, Gewerbeschulen, l. Allgeraeines. 2. Die höhereu
Schulen der einzelnen Städte, a. Cassel. b. Fulda, c Hanau, d. Hers-
feld, e. Marburg, f. Rinteln, g. Eschwege. h. Schlüchtern, i. Wettern.
IV. Höheres und niederes Schulwesen vereinigt. V. Seminarien. VI. Volks-
schulen. VII. Waisenhäuser, Taubsturamen-Anstalten, Rettungshäuser.
Die Zusammenstellung scheint mir auch in dieser erweiterten Ge-
stalt noch immer erweiterungsfähig. So ist z. B. bei I. vergessen: Bruno
Hildebrand, Urkundensammlung über die Verfassung und Verwaltung
der Universität Marburg unter Philipp dem Grofsraütigen. Marburg.
1848. — Ferner: W. Du lieh ins. De urbe et academia Marburgensi,
herausgegeben von Julius Caesar als Marbnrger Universitätsschrift 1863/64.
— Ferner: J. H. Schminke, De origine et fatis academiae Marbur-
gensis 17 17, und andere Schriften, die bei Hildebrand citiert sind.
Indem wir zur Schulgeschichte im engeren Sinne übergehen,
wollen wir mit Norddeutschland den Anfang machen:
Geschichte des Königlichen Gymnasiums zu Marienburg während
der Jahre 1860 — 1885. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens
der Anstalt als Gymnasium von Ernst Schmidt, Gymnasial -Ober-
lehrer. Marienburg. 1885. 4°. (Programm -Beilage für 1886. Pro-
gramm Nr. 35). 24 S.
Marienburg hatte schon früher eine Lateinschule, die seit 1798
Gelehrteuschule hiefs. 1816 wurde dieselbe in eine höhere Bürgerschule
verwaudelt ohne Prima und Sekunda. Der Versuch, daraus eine Real-
schule erster Ordnung zu machen, der nach 1836 augestellt wurde, schei-
terte, und so wurde 1860 ein Gymnasium mit Realklassen g^chaffen.
Direktoren der Anstalt waren: Theodor Breiter, Fr. Joh. G. Strehlke,
Michael Hayduck und Richard Martens. Die Zahl der seit 1860 thäti.u'
gewesenen Lehrer beträgt 53; die Ursache dieses sehr grofsen Wechsels
230 Geschichte des Schulwesens.
ist besonders die geringe Besoldung. Programmabhandlungen sind 23
erschienen, deren Verfasser und Titel aufgezählt werden. Die Zahl der
Abiturienten beträgt bis jetzt 224.
Geschichte des Königlichen Gymnasiums zu Conitz seit seiner
Neubegründung im Jahre 1815, von Direktor Professor Dr. Robert
Thomaszewski. Beilage zum 65. Jahresbericht des Gymnasiums zu
Conitz. Conitz. 1886. 4P. (Programm Nr. 33) 69 S.
Direktor Goebel hatte einst eine Geschichte des Gymnasiums ver-
sprochen, war aber durch seine Ernennung zum Proviuzialschulrat daran
verhindert worden. Thomaszewski löst nun dieses Versprechen ein und
behandelt, auch auf Grund von Akten, die Geschichte der Anstalt in
den Abschnitten: 1. Die Eröffnung und Entwickelung des Gymnasiums
zu Conitz. 2. Verzeichnis der Direktoren und Lehrer von 1815—1886.
3. Gymnasialgebäude. 4. Frequenz. 5. Die Abiturienten. 6. Die finan-
ziellen Verhältnisse, 7. Legate, Stiftungen, Unterstützungen. 8. Die
Bibliotheken und Sammlungen des Gymnasiums. 9. Die Programme und
wissenschaftlichen Abhandlungen. ,10. Pädagogische und discipliuarische
Einrichtungen.
Als Staatsminister von Massow 1802 eine Revision der Schule zu
Conitz vornahm, fand er zwei Klassen mit 48 und 24 Schülern mit zwei
Lehrern, und selbst diese Schule ging während der Franzosenkriege ein,
indem die Schulzimmer in Lazarete verwandelt wurden. Die 1815 neu
gegründete Anstalt wurde 1821, nach einer durch den Regierungsrat
Jachmann vorgenommenen Revision, den übrigen Gymnasien Westpreufsens
für ebenbürtig erklärt. Die Zahl der bisherigen Direktoren beträgt acht,
der Lehrer 116. Gesamtzahl der Schüler in den Jahren 1884-86 war
422, 365 und 343. Unter den bisherigen Abiturienten waren 155 katho-
lisch, 133 evangelisch und 61 jüdisch.
Oberlehrer Dr. Robert Schmidt, Beiträge zur ältesten Ge-
schichte des CoUegium Groeningianum (1633 — 1714) (Beilage zum
Programm des Königl. und Gröuing'schen Gymnasiums zu Stargard in
Pommern. Stargard. 1886. 4. Programm Nr. 127. 50 S.).
Der Verfasser, der mit Umsicht gedruckte und ungedruckte Ma-
terialien herangezogen hat, konnte doch wegen Lückenhaftigkeit des
Materials nur »Beiträge« und keine eigentliche Geschichte geben. Das
Collegium hatte seineu Namen von seinem Stifter, dem Bürgermeister
Peter Groening, der mitten in den Schrecken des 30jährigen Krieges
die damals sehr namhafte Summe von 20000 Gulden stiftete »zu An-
und Aufrichtung eines so Christ- und löblichen Collegii den wahren
Armen zum Besten.« Die Anstalt, zu deren Leiter »der berühmte Gram-
maticus« M. Johannes Rhenius berufen, konnte aber in solcher Zeit
nicht recht gedeihen. 1635 brannte ihr Auditorium, zusammen mit dem
R. Schmidt, CoUegium Groeningianum. 231
gröfsten Teil der Stadt Stargard, uieder. Der Verfasser schildert sodann,
wie sich die Stadt bemühte, die Anstalt wieder erstehen zu lassen.
1668 konnte sie von neuem eröffnet werden. Das Rektorat bekleidete
M. Christophorus Praetorius bis zum Jahre 1677. Neben ihm wirkten
Jos. Christ. Neauder, Christian Schmidt der Conrector, Gabriel Schultze
Subrector und Samuel Vivenest, Direktor der Musik des CoUegii. Die
Art und Weise, wie man den dienstuntauglich gewordenen Praetorius
behandelte (S. 18), ist ein trauriges, aber leider häufiges Kapitel
der deutschen Schulgeschichte. 1677-1704 war sodann Nikolaus Bene-
diktus Pascha (geboren zu Zittau in der Lausitz, früher Adjunkt der
philosophischen Fakultät zu Wittenberg) und 1704- 1714 Joachim Fried-
rich Schmidt Rektor des Collegiums, das eine Art von einfacher Uni-
versität war. 1714 wurde die Anstalt sodann »illustriert«. S. 39 — 50
enthalten einen Anhang von nicht unwichtigen Aktenstücken.
Hugo Holstein, Geschichte der ehemaligen Schule zu Kloster
Berge (Jahrbücher für Philologie und Pädagogik. 2. Abteilung. Bd.
132. S. 508—518. 588 — 606. Bd. 134. S. 153—168. 201 213. 249
—264. 297—309. 345-357. 393-410). Auch als Separatausgabe
erschienen.
Kurz vor dem Jahre 968, wo das von Kaiser Otto I. gestiftete
Moritzkloster in Magdeburg Sitz des Domstiftes wurde, waren die Bene-
diktinermönche von St. Moritz in das für sie neu gebaute, vor der Suden-
burg im Süden der Stadt Magdeburg (in suburbio civitatis Magdebur-
gensis) gelegene, dem heiligen Johannes dem Täufer geweihte Kloster ein-
gezogen. Weil es in monte prope muros Magdeburgenses erbaut war,
wurde es später Kloster Berge genannt. Die Zeiten des Mittelalters und
der Reformation werden nur in allgemeinsten Umrissen skizziert. Der
letzte katholische Abt des Klosters war Petrus Ulner; er trat zur luthe-
rischen Konfession über und hielt 1565 in der von ihm erbauten Kloster-
kirche die erste lutherische Predigt im Kloster. Schon 1563 wird eine
von Uluer im Kloster eingerichtete Schule erwähnt.
Die Geschichte dieser Schule umfafst die drei Perioden: l. 1565
bis 1686, die Blütezeit von 1686— l762,gdie dritte Periode, die des Ver-
falls bis zur Aufhebung 1810.
Die erste Periode ist inauguriert durch den erwähnten Ulner, der
1523 zu Gladbach im Herzogtum Jülich geboren war. Nach seinem
Übertritt zum Protestantismus machte er Kandidaten der evangelischen
Theologie zu Mitgliedern seines Konventes, so dafs eine Art Prediger-
seminar aus seinem Kloster wurde, aus dem viele tüchtige Geistliche
hervorgingen. Die beneficia des Klosters verwandte er zur Errichtung
einer Schule, in der »gelehrte, sittsame und mit guten ingeuiis begabte
Studiosi« aufgenommen wurden. Lehrer an dieser Schule waren Martin
Gallus aus Bunzlau, Heinrich Faulhauer, Lambert Dionysius, Hieronymus
232 Geschichte des Schulwesens.
Bardenius aus Osterwieck, Joachim Schwerin aus Salzwedel, Peter Lepper
aus Gladbach etc.
In diesem Kloster wurde 1577 die Formula concordiae, das soge-
nannte bergische Buch, verfafst.
Auf Abt Ulnar folgte Clemens Strathusen (1595 — 1621), unter dem
Kaspar Lilienzweig und Johann Sommer als Lehrer wirkten. Unter den
Nachfolgern machte sich der 1660 zum Abt erwählte Sebastian Göbel
hoch verdient um die Wiederherstellung der verwüsteten Klostergebäude,
Er wurde auch Mitglied der mit der Inspektion der Kirchen und Schulen
des Magdeburger Landes betrauten Kommission. Die Scbule zählte da-
mals nur sechs Knaben, zu deren Unterricht die Konventualen heran-
gezogen wurden.
Die Zeit von 1686 — 1762 ist die Blütezeit der Anstalt, indem sie
durch tüchtige Äbte und Rektoren zu einer der vorzüglichsten Bildungs-
anstalten Deutschlands erhoben wurde. Von den Lehrern, die das Unter-
richten zu ihrem Lebensberufe machten, werden Benjamin Hederich und
Werner Jakob Clausius erwähnt. Der letzte, welcher 1705 — 1709 als
Lehrer in Kloster Berge wirkte, schrieb unter anderem auch: De artium
cultura, praesertim de matheseos utilitate (1706) und De eruditione et
pietate Job. Pici Mirandulaui (1707).
1709 wurde Joachim Justus Breithaupt, Professor der Theologie
und Direktor des theologischen Seminars zu Halle, Leiter, der Anstalt,
um hier die Grundsätze des vom Hofe protegierten Pietismus einzu-
führen. Während seiner Amtsführung sind 181 Zöglinge aufgenommen
worden. Da die Akten über diese Zeit verloren gegangen sind, so wissen
wir nichts unbedingt Sicheres über die in dieser Zeit befolgte Methode.
Doch nehmen wir gewifs mit Recht an, dafs sie sich nicht wesentlich
von der unterschied, die Francke und die anderen Pietisten befolgten.
Unter Breithaupts Nachfolger, Johann Adam Steinmetz, nahm die
Anstalt derart zu, dafs jährlich 40-50 Schüler aufgenommen wurden.
Die Anstalt hatte meist mehr als 150 Schüler zu gleicher Zeit, und
während der 30jährigen Amtsführung des Genannten wurden im ganzen
930 Schüler recipiert. »In ganz Deutschland galt die klosterbergische
Schule für eine der besten Erziehungsanstalten, und wenn sie auch
als eine Pflanzstätte des Pietismus bekannt war, so wurde sie doch von
allen Seiten begehrt, weil man wufste, dafs kein gewaltsamer Bekehrungs-
zwang ausgeübt wurde.«
Unter den Schülern war auch Chr. Martin Wieland von 1747 bis
1749, der daselbst nach Goethes Ausspruch »in allen concentrierten ju-
gendlichen Zaiigf'fühleii gewandelt, zu höherer litterarischer Bildung den
Grund gelegt.»
Abt Steinmetz, der sich mit ganzer Kraft der Anstalt widmete,
zeichnete sich durch Umsicht und Klugheit aus. Kein Freund von vielen
Schulgesetzen, verlangte er um so strengere Beobachtung der wenigen,
Holstein, Geschichte der Schule zu Kloster Berge. 233
die wir aus der »Kurzen Nachricht von der gegenwärtigen Verfassung
der klosterbergischen Pädagogii« vom Jahre 1752 kennen lernen. Cha-
rakteristisch ist, dafs § 1 von den Lehrern verlangt, sie sollten »mit
allem ersinnlicheu Fleifs dahin arbeiten, dafs die Schüler zu einer wahren
Hochachtung der göttlichen geoffenbarten Religion gebracht, Christo
ihrem Heiland zugeführt und im Glauben an denselben gegründet wer-
den.« Die Redeakte wurden mit besonderer Vorliebe und Sorgfalt ge-
pflegt.
Die Tages- und Stuudenordnung war genau geregelt. Die Lehr-
stunden des genau detaillierten Lehrplanes waren folgende: wöchentlich
3 Stunden Religion, 3 Stunden Griechisch, 10 Stunden Latein, 3 Stunden
Hebräisch, 2 Stunden Fraiizösich, 3 Stunden Anleitung zur Philosophie,
2 Stunden Mathematik, 2 Stunden deutsche Oratorie, 4 Stunden Ge-
schichte und Geographie, 2 Stunden Antiquitäten. »Die Nichtgriechen
wurden im Französischen unterrichtet.« Dieser Lehrplan stimmt im
wesentlichen mit dem Halleschen. Beachtenswert ist, dafs das Griechische
am N. T. erlernt wird Latein war das Hauptziel des Unterrichts, wie
man auch aus dem von R. Hoche voröffentlichteu Schulhefte Wielands
ersehen kann. Ein günstiges Bild von den Zuständen der damaligen
Schule gibt die Selbstbiographie Köpkens, der es dankbar anerkennt,
dafs er im Kloster Berge den Grund zu seiner ganzen Bildung gelegt
habe. Nur Geschichte und Geographie scheinen weniger gut gegeben
worden zu sein: »Mir schwärmten eine Menge von Namen und Be-
gebenheiten im Kopfe, aber ich konnte sie nicht ordnen.«
Ein dritter Abschnitt behandelt das »Pädagogium in seinem Nieder-
gange unter Hahn, Frommann, Resewitz und Schewe bis zu seiner Auf-
hebung (1762-1810).« Als Steinmetz starb, zählte die Anstalt trotz
des siebenjährigen Krieges noch 90 Zöglinge; bald waren es aber nur
noch 22. Der von Hahn aufgestellte Lehrplan war nur dann durchführ-
bar, wenn die Lehrfächer in pietistischem Sinne gegeben wurden. So
wurde die griechische Sprache nur am N, T. gelehrt, aber zum sprach-
lichen Element trat das erbauliche hinzu. Hahn suchte es dahin zu
bringen, dafs alle Gegenstände im Lichte des Evangeliums gegeben wur-
den. »So löblich dies Streben an und für sich war, so trug es doch
den Keim zu dem Verfall der blühenden Anstalt in sich.« Die unter
Hahn von Rektor Jona verfafsten wissenschaftlichen Beilagen von 1763
bis 1765 gehören zu den besten Programmen, welche bis dahin aus dem
Lehrerkollegium hervorgingen. Bezüglich der gesunkenen Frequenz der
Anstalt, die sogar Friedrichs des Grofsen Aufmerksamkeit erregte (es
waren 1768 nur 23 Schüler) tröstete sich Hahn mit Sturm: mea refert
non quam plurimos sed quam optimos habeam discipulos. Der König
Friedrich war mit der Entschuldigung nicht zufrieden und verlaugte vom
Minister die Beseitigung des pietistischen Direktors. ;Er wünschte an
seine Stelle »einen andern gelehrten Schulmann, welcher dem Pietismo
234 Geschichte des Schulwesens.
nicht ergeben, sonst aber die Jugend zur Tugend und nützlichen Glie-
dern des Staats ohne Kopfhengerey zu bilden fähig ist.«
Eine Kommission, zu der Spaldiug und -Sulzer gehörten, nahm
eine Inspektion vor, bei welcher der Rektor Kinderling eine gute Censur
bekam. Die Kommission arbeitete auch eine Instruktion für den Unter-
richt aus, wonach für das Latein alle ausschliefslich grammatischen
Stunden abgeschafft wurden. In der Geschichte wurde erwähnt, dafs alle
»unnötigen Specialia« abzuschaffen seien. Der Abt Hahn aber wurde ab-
gesetzt und verliefs Januar 1771 die Anstalt, um dann später eine ge-
segnete Thätigkeit zu Aurich in Ostfriesland als General-Superintendent,
Konsistorialrat und Scholarch bis 1789 auszuüben. Der interimistische
Rektor Kinderling trat schon 1771 aus, hat aber durch litterarische Ar-
beiten über die Geschichte des Klosters sein fortdauerndes Interesse
bestätigt.
Die Berufung des berühmten Heyne auf die erledigte Stelle schei-
terte schliefslich an dessen Abneigung, »Präzeptor über Präzeptoren« zu
sein trotz der 2000 Thaler Gehalt. Direktor wurde der von Teller
empfohlene Erhard Andreas Fromniann, welcher bisher Direktor des
Gymnasiums in Koburg gewesen. Als er eintrat, fand er noch 22 Schüler
vor. Bald waren es 130, diese hohe Zahl war aber auf künstliche Weise
zu Stande gebracht worden. Für den abgehenden Kinderling wurde der
frühere Rektor Jona wieder berufen, der zwar eine reiche Erfahrung be-
safs, aber zu nachsichtig gewesen sein dürfte.
Nachdem Frommann, der ein guter Lateiner war, Oktober 1774
gestorben, blieb die Abtsstelle bis 1775 unbesetzt. Über die damaligen
Zustände haben wir einen Bericht des Dichters Friedrich von Matthison,
der nicht besonders günstig lautet. Die jungen Herren (als solche
spielten sich fast alle Schüler auf) wollten sich, wie sie sich ausdrückten,
»von keinem Präzeptor etwas bieten lassen.« Um die Abtsstelle hatte
sich übrigens Basedow beworben, konnte sie aber wegen seiner Lebens-
art nicht erhalten. Statt seiner wurde Rcsewitz, Pastor der deutschen
St. Peterskirche in Kopenhagen, Verfasser des Buches »Von der Er-
ziehung des Bürgers«!, berufen, nachdem ihn Nikolai dem Minister Zed-
litz empfohlen hatte. 1729 zu Berlin geboren und auf dem Joachiras-
thalschen Gymnasium gebildet, ist er einer der pädagogischen Haupt-
reformer im Geiste der Aufklärung. 1775 führte er die von ihm neu
bearbeiteten Schulgesetze ein, die ein charakteristisches Zeugnis seiner
doktrinären Art sind. Unter den Unterrichtsgegenständen erscheint auch
Englisch und, was ein Kavalier verstehen mufste. Tanzen und Reiten.
Unter den Lehrern ist der Dichter Friedrich Schmit aus Nürnberg be-
sonders zu nennen, der aber ebenso wie der philologisch tüchtige
Perschke, einer der besten Schüler Heynes, mit dem herrischen Resewitz
nicht auskam und deshalb bald die Anstalt verliefs. Die Sitten der
Zöglinge verbesserten sich in auffallender Weise, aber Matthison, der
Holstein, Geschichte der Schule zu Kloster Berge. 235
damals Schüler war, sucht den Gruud nicht in der veränderten Leitung,
sondern in der Lektüre der drei Romane »Werther«, »Siegwart« und
»Sophiens Reise«. Trotzdem rief das burschikose Leben mancher Schüler
allerlei Strafverbote hervor.
Unter Resewitz wurde Joh. Gottfried Gurlitt 1778 als Oberlehrer
berufen, der 1797 zum Direktor aufstieg. Die tüchtigen philologischen
Kenntnisse dieses Mannes sowie seine sonstige ausgebreitete Gelehr-
samkeit übten einen günstigen Einflufs, der nur durch die Streitigkeiten
mit dem Abte gelähmt wurde. Die Reformbestrebungen des Ministers
von Zedlitz fanden auch im Kloster Berge Eingang. Ein Kabiuets-
schreiben vom 15. März 1780 verlangte, dafs das Griechische für alle
Schüler obligatorisch sein solle: »ohne Ausnahme müfsten alle, die zum
akademischen Studium bestimmt seien, Griechisch lernen, Ausländer und
Landeskinder. Auch könne man den übrigen, die das eigentliche Studium
nicht zum Hauptzweck hätten, zu dieser Sprache Lust macheu teils durch
die leichte Methode des Unterrichts teils durch die wahrheitgemäfse An-
preisung etc.«
Aber mit der Schülerzahl sah es bedenklich aus. Ein Aufsatz von
von Friedrich Schulz in Wielands »Deutschem Merkur« beging die In-
diskretion, der Welt mitzuteilen , dafs die Anstalt fast so viele Lehrer
wie Schüler habe. Resewiiz war manchen Angriffen ausgesetzt. Eine
wenig günstige Beurteilung fand die Schule und ihr Leiter auch in
einem Gutachten Cramers aus dem Jahre 1778 , wo die Anstalt noch
59 Schüler zählte, das aber erst neuerdings bekannt wurde. Zu den
litterarischeu Mitarbeitern von Resewitz, die für seine pädagogische
Vierteljahrsschrift Beiträge lieferten, gehören Prediger Villaume in Hal-
berstadt, H. M. F. Ebeling und Joh. L. Taue.
Unter dem neuen Minister Wöllner wurde der Abt Resewitz zu-
nächst in Folge einer Untersuchung zur Zahlung einer Geldsumme ver-
urteilt und zwar wegen übler Wirtschaft. Zugleich eröffnete der Konvent
des Klosters unter der Leitung des gelehrten Gurlitt eine Agitation gegen
den Abt Resewitz. In Berlin dachte man au eine gänzliche Aufliebuug
des Pädagogiums. Eine Visitation des Jahres 1794, welche sich auch
auf das Privatleben von Resewitz erstreckte, dem man das Kartenspielen
zum Vorwurfe machte, legte die im ganzen unerfreulichen Zustände des
Klosters offen dar. und hielt eine »schleunige und reelle Verbesserung«
für notwendig.
1795 wurde durch das General-Reglement für das Kloster Berge
ein Curatorium eingesetzt und diesem wichtige Befugnisse eingeräumt.
Eine neue Opposition des Konvents wurde durch »eine fulminante Ver-
fügung« Wöllners, die alle Urbanität des Tones, in dem sonst deutsche
Behörden verfügen, gänzlich vermissen läl'st, niedergeschlagen. Abt Re-
sewitz, der in seinen Einkünften und der Stelle belassen wurde, verlor
236 Geschichte des Schulwesens.
jedoch die Leitung der Schule, die au den Prediger Schewe übergiug.
Gurlitt aber wurde zweiter Direktor und Professor.
1798 wurde Wöllner entlassen. Doch der Frieden kehrte noch
nicht wieder in Kloster Berge, indem der Lehrerkonvent von neuem seine
Rechte geltend machte. 1799 wurde durch ein Regierungsreskript die
Rechtmäfsigkeit von gewissen Forderungen desselben anerkannt, aber die
1809 erfolgte Aufhebung der Schule liefs dieses Zugeständnis, das für
die Zukunft gegeben worden, illusorisch werden.
Als nach Resewitzens Beseitigung Schewe an dessen Stelle trat,
gab es bald neuen Streit zwischen diesem und Gurlitt, da die Rechte
beider nicht genau abgegrenzt waren. Doch besserte sich dieses Ver-
hältnis in den nächsten Jahren, und auch die Frequenz der Anstalt stieg
in erfreulicher Weise. Dies war hauptsächlich das Verdienst Gurlitts,
dessen Kenntnisse und Gewissenhaftigkeit durch die neue Organisation
sich besser bethätigen konnten. Besonders die Prima gewann ein »vor-
akademisches Gepräge.« Die kunstgeschichtlichen Abhandlungen aus
Gurlitts Feder fanden besonderen Beifall, wie z. B. die Notiz über Job
Winckelmann 1797, über antike Köpfe, Hermen und Büsten 1799 etc.
Michaelis 1802 folgte derselbe einem Rufe als Direktor an das Johan
ueum in Hamburg. Die preufsische Regierung machte keine Versuche
den tüchtigen Mann zu halten, trotzdem dafs sich Gleim für ihn ver
wandt hatte. Derselbe schied übrigens ohne feindselige Stimmung von
der Anstalt.
Sein Nachfolger wurde Professor Job. Gottl. Friedr. Strafs aus
Grüneberg in der Neumark, der seit 1791 Gouverneur des Kadettenkorps
in Berlin war. Schewe stellte demselben ein sehr günstiges Zeugnis
aus: »er weifs Ernst und Liebe glücklich mit einander zu verbinden.«
1805 erschienen neue »Gesetze des Pädagogiums zu Kloster Berge bei
Magdeburg.«
Verhängnisvoll für Berge sollte die Katastrophe Preufsens von 1806
werden. Im Oktober wurde der Klosterhof verschanzt. »Die herrliche,
mehr als 500 Schritt lange, der »Poetengang« genannte Allee von zwei-
bis dreihuudertjährigeu Eichen und Ulmen fiel unter den Äxten der be-
lagerten Besatzung.« Die Anstalt schien trotz der durch den Krieg
veränderten Verhältnisse einen neuen Aufschwung nehmen zu wollen, da
wurde durch Dekret der westfälischen Regierung vom 10. Dezember 1809
die Anstalt aufgehoben.
Nach den Freiheitskriegen wurde die Schule nicht wieder aufge-
richtet, sondern ihr Vermögen für die Universität Halle und andere
Schulzwecke bestimmt.
Der Verfasser schliefst seine lehrreiche Darstellung mit folgenden
Worten: »So erinnert die klosterbergische Stiftung, wenn auch kein
monumentales Zeichen mehr auf das reiche Benediktinerkloster mit seiner
berühmten Schulanstalt hinweist, noch fort und fort an eine denkwürdige,
Holstein, Geschichte der Schule zu Kloster Berge, 237
an historischen Momenten reiche Vergangenheit und wirkt noch heute
segensreich für hervorragende Bildungsstätten der Provinz Sachsen, indem
sie der Universität Halle alljährlich bedeutende Unterhaltungszuschüsse
zuweist und fünf Gymnasien mit ansehnlichen Stipendien für solche
Schüler der drei oberen Klassen versieht, welche zum Studieren cut-
schlossen sind und durch Anlagen, Fleifs und Betragen sich ihren Leh-
rern empfehlen.«
Oberlehrer Dr. Hugo Kühlewein, Mitteilungen zur ältesten Ge-
schichte der Klosterschule (Beilage zum Jahresbericht über die Königl.
Klosterschule zu Ilefeld 1885 — 1886. Nordhausen. 1886. 4. 36 S.).
Ilfeld hat wegen seines berühmten Rektors Neander von jeher
die Geschichtschreiber der Pädagogik sehr beschäftigt. Der Verfasser
gibt in diesen »Mitteilungen o eine Reihe wertvoller, meist unbekannter
Aktenstücke, die aus den Archiven zu Stolberg, Wernigerode, Ilfeld,
Rudolstadt und besonders Weimar geschöpft sind. Wenn aber S. 2 uud 3
der Förstemannsche Druck einer päpstlichen Bulle von 1408 nach dem
benützten Weimarer Kopialbuche emeudiert werden soll, so ist das Um-
gekehrte das Richtige. Förstemann hat an fast allen abweichenden
Stellen das Richtigere. So sind gewifs die Genitivformen beate Marie,
dicte etc. das Urkundliche, dagegen die Formen mit ae von dem Ab-
schreiber modernisiert. Ebenso verhält es sich mit den Namen: Swarz-
parg, Obelacker, Steyn, Radulpho etc. Sie sind die urkundlich richtigen
und Schwartzburg, Abelacker, Stein und Rudolphe die modernisierten.
Die mitgeteilten wichtigeren Aktenstücke sind: I. Conventliste vom
Jahre 1482 und die vita des Prämonstratensers Augustinus Gruber.
n. Indicatio eorum, qui discipuli fuerunt Neandri Ilfeldae ab anno 50,
30. Juni quo die venit Ilfeldam. Das Verzeichnis reicht bis 1629, wo
die Schule zerstreut wurde. HI. Leges scholae Ilfeldensis. Anno 1580.
4. Julii. — Möge der Verfasser seine so erfolgreichen Nachforschungen
auch weiter fortsetzen.
R. Boxberger, Briefe von Karl David Ilgen an C. A. Böttiger
(Jahrbücher für Philologie und Pädagogik. Jahrg. 1884. S. 463 ff-
569 ff. — 1885. S. 317 ff. — 1886 S. 476 ff. 632 ff.).
Wertvolle Mitteilungen unter anderem über die Geschichte von
Pforta, von denen die letzten aus den Jahren 1803 — 1805 stammen.
Auch Briefe der Frau Ilgen sind dabei. Ilgen sieht in den Fürsten-
schulen das Palladium der Humaniora und verlangt darnach die Be-
setzung der Lehrerstelleu. Er betont ferner, dafs die eigentümlichen
Verhältnisse der Anstalt es verlangen, dafs der Lehrer hauptsächlich
Pädagog sei. Ganz unschuldige Dinge, die auch Ilgen dafür hält, geben
in Pforta Anstofs und müssen deshalb vom Lehrer unterlassen werden,
wie z. B. das Schlittschuhlaufen, eine Dame auf dem Stuhlschlitten zu
238 Geschichte des Schulwesens.
fahren, ihr bei Spaziergängen den Strickbeutel tragen, beim Schlitten-
fahren hinter ihr auf der Pritsche sitzen und dergleichen. In demselben
Briefe (S. 636) sagt er ferner: »Mir ist schon das unangenehm, wenn
die Lehrer im Winter keinen Schritt aus der Stube thun, ohne die Che-
nille anzuziehen; mit der Chenille in die Lektionen, zur Visitation, zu
Tische gehen; den Schülern ist es verboten, und ich habe zu diesem Ver-
bote meine guten Gründe; aber was hat es für eine Wirkung, wenn sie
die Lehrer beständig in der Chenille sehen?«
Schacht, Die Lemgoer Schulgesetze vom 'Jahre 1597 (Beilage
zum Jahresbericht des Gymnasiums zu Lemgo 1885/86). 4*'. 9 S.
Der Herausgeber hat im städtischen Archive zu Lemgo eine bisher
unbekannte Sammlung von Schulgesetzen entdeckt, »welche den Verlust
der so oft genannten Leges vom Jahre 1631 völlig verschmerzen läfst,«
und die in Lemgo 1597 gedruckt worden sind. Der Redaktor ist der
damalige Rektor der Lemgoer Schule, Martin Hopingk, der vorher in
Soest gewirkt hatte. Die »Leges Scholae Lemgoviensis, authoritate, et
decreto Senatus promulgatae, et nunc recognitae« sind eingeleitet durch
eine an die Schüler gerichtete Praefatio und bestehen aus: L Tabula de
cultu Deo praestando. — IL Tabula de Studiis. — III. Tabula de Ac-
tiouibus moralibus. — Sanctiones. Bezüglich des Inhaltes sagt der
Herausgeber: »Die Zeit war eine rauhe und rauh waren auch die Mittel,
deren Anwendung man für die Heilung der Schäden derselben für not-
wendig erachtete. So darf es uns nicht wundern, wenn wir statt einer
Disziplinarordnung einen Strafcodex vor uns sehen, der aber charakte-
ristisch ist für den moralischen Standpunkt der Zeitperiode, welcher er
entstammt« (S. 5).
A. Pannenborg, Zur Geschichte des Göttinger Gymnasiums. Bei-
lage zum Jubelprogramm des Königl. Gymnasiums und Realgymnasiums
zu Göttingen 1886. Göttingen. 1886. Programm Nr. 282. 4». 59 S.
Der Stoff dieser inhaltreichen Arbeit ist aus gedruckten und unge-
druckten Quellen geschöpft. Seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts
hatte Göttingen eine lateinische Stadtschule, deren Rektor von dem Rate
angestellt wurde. Die Reformation brachte sodann neue Förderung.
Über den Charakter der reformierten Lateinschule gibt eine bisher unbe-
nutzte Schulordnung aus der Mitte des 16. Jahrhunderts Auskunft, deren
Inhalt S. 2—4 mitgeteilt wird. — 1542 wird sodann ein Pädagogium
errichtet und an dasselbe drei Erfurter und ein Witteuberger Magister
als Lehrer berufen. Dieselben zogen aber 1544 wieder ab, als der be-
kannte lutherische Streittheologe Morlinus nach Göttingen berufen wurde.
Auch später noch hatten die Lehrer unter den Anfeindungen der Geist-
lichkeit zu leiden. Neues Leben erhielt die Anstalt durch die Berufung
von Henricus Petreus aus Hardegsen, der früher in Frankfurt a. M. ge-
Pannenborg, Zur Geschichte des Göttinger Gymnasiums. 239
wesen, im Jahre 1584. Aus seiner ^^xtaypuipca (Frankfurt 1586) werden
S. 6 ff. wichtige Mitteilungen gemacht. Ein Index praelectionura et exer-
citationum von 1586 wird S. 10 12 mitgeteilt.
1612 wurde der bekannte Georg Andreas Fabricius aus Herzberg
berufen, der von 1612-1626 und von 1633—1645 an der Anstalt wirkte.
Seine grofsen Verdienste, zu denen auch die Auiführung von Schuldramen
gehören, werden eingehend gewürdigt. Sehr drollig ist die Erzählung
von dem Poltergeist, der sich schliefslich als die Dienstmagd Martha
entpuppte (S. 27). Einen weiter entwickelten Zustand der Schule zeigt
sodann der Catalogus Lectionum von 1647 (S. 30). Der letzte Rektor
des Pädagogiums war Christoph Heuraann (1717 — 1734). 1734 wurde
sodann die neue Stadtschule errichtet, die bis 1798 gedauert hat. Deren
Mängeln suchte 1797 der bekannte Philologe Heyne durch eine neue
Verfassung abzuhelfen, von welcher Pannenborg sagt: »Sie war ein
genialer Versuch, den verschiedenen Anforderungen des bürgerlichen
Lebens und der Wissenschaft zugleich gerecht zu werden.«
Professor Dr. Heinrich Milz, Geschichte des Königl. katho-
lischen Gymnasiums an Marzellen zu Köln. Erster Teil die Zeit von
1450—1630. (Beilage zum Programm dieser Anstalt. Köln a. Rh. 1886.
4. Programm Nr. 394. 21 S.)
Der Verfasser benutzte neben gedruckten Quellen auch ein Ma-
nuskript: Historia gymnasii novi trium coronarum soc. Jesu Coloniae
per annos Christi digesta ab anno 1555 (S. 4), ohne aber anzugeben,
wo sich dasselbe zur Zeit befindet. Die Geschichte der Anstalt knüpft
an die bursa Cucana au , so genannt nach dem Stifter Johann Kuick
(c 1450), die z. B. in den epistolae obscurorum virorum eine Rolle spielt.
Dieselbe teilte das Schicksal der Hochschule Köln, die in der Refor-
mationszeit in Übeln Verfall geriet. Der Rektor Jakob Leichius aus
Kochem a. d. Mosel, Vorstand der Cucanenburse, verband seit 1551 mit
der Burse eine Lateinschule mit acht Präceptoren, mufste aber 1556
weichen, weil er zum Luthertum neigte und geheiratet hatte. Dadurch
erlangten die Jesuiten, die schon seit 1543 in Köln arbeiteten, eine will-
kommene Gelegenheit, Jugendunterricht in der Stadt zu erteilen. Der
Stadtrat und ein Teil der Bevölkerung (1552 gab es sogar einen Volks-
auflauf gegen die Jesuiten) war aber dem »energievollen Orden« abge-
neigt. Die Universität wurde erst nachgiebiger, als der Jesuit Johann
von Reidt beruhigende Versicherungen gegeben hatte. Den 1. Februar
1557 hielt der Orden seineu Einzug in Köln und weihte sein Haus der
Maria. »Die Verpfändung seines Ehrenwortes hinderte Johann Rhetius
keineswegs, bald nach dem Einzug ein vollständiges Jesuiten-Kollegium
einzurichten.« (S. 10). Die Anstalt, unter deren Lehrern auch Theo-
dorus Canisius Neomagensis, ein Stiefbruder des Canisius, war, blühte
schnell empor. Es entstanden dadurch Streitigkeiten mit der Universität,
240 Gedichte des Schulwesens.
deren Artistenfakultät verödete. Trotz der Abneigung vonseiten der
Universität und des Domkapitels dehnten sie ihre Macht immer weiter
aus. Der Unterricht wurde nach Normen, die Rhetius aufgestellt hatte,
erteilt. Zu ihren pädagogischen Verdiensten gehört unter anderen auch
die Beseitigung der quodlibetauischen Disputation mit ihren Auswüchsen.
Seit 1570 beherrschten sie das ganze Unterrichtswesen der Stadt, und
das Unglück des KolJegiumbrandes 1621 erweckte nur die Teilnahme
und Opferfreudigkeit der Kölnischen Bevölkerung für den Orden.
Die Eutwickelung des höheren Schulwesens der Stadt
Mülheim (Ruhr) in den Jahren 1835 — 1885. Aus den Akten
dargestellt von Dr. C. Zietzschmann. Beilage zum 33. Jahresbericht
des Realgymnasiums zu Mülheim (Ruhr). Mülheim (Ruhr). 1886. 4.
Programm Nr. 443. 39 S.
Der Verfasser stellt seinen Stoff nach der Rektorenreihe geordnet
zusammen: Kerlen, Gallenkamp, Kern, Kruse, Gruhl, Henke, Zietzsch-
mann. Anhang 5 gibt die Namen aller Lehrer, welche an der Anstalt
jemals thätig gewesen sind, in chronologischer Folge.
Otto Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden bis zur Einführung
der Reformation (1539). Heft 7 der Mitteilungen des Vereins für Ge-
schichte und Topographie Dresdens und seiner Umgebung. Dresden.
Kommission bei Carl Tittmann. 1886.
Der Verfasser dieser kleinen Schrift hat sich schon durch zwei
frühere Beiträge zur Geschichte der Kreuzschule bekannt gemacht (Eine
Ordnung für das Alumnat der Kreuzschule aus der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. — Über dramatische Aufführungen an der Kreuzschule.
Dresden 1883). Wenn seine Darstellung die älteren von M. Christian
Schöttgen, J. Chr. Hasche und H. M. Neubert übertrifft, so beruht dies
auf der Benutzung eines reicheren urkundlichen Materials in Bd. 5 des
Codex diplomaticus Saxoniae regiae und zweier Archive in Dresden.
Der erste Abschnitt handelt von der »Entstehung und Art der Schule«.
Der Anfang kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. 1300 kommt
urkundlich ein Cunradus rector puerorum in Dresden und 1334 ein Her-
mannus rector parvulorum in Dresden vor. Ihren Namen hat die Schule
von dem Verhältnis zur Kapelle zum heiligen Kreuz erhalten. Von 1370
an fliefst dann in den Rechnungen des sogenannten »Brückenamtes« eine
ergiebigere Quelle zur Geschichte der Schule. — Abschnitt 2 handelt von
dem Schulgebäude.« 1491 durch den grofsen Brand Dresdens in Asche
gelegt, begann erst Frühjahr 1493 der Neubau. — Abschnitt 3: »Lehre
und Kirchendienst, sowie die aus ihnen fliefsenden Einkünfte der Lehrer
und Schüler« konstatiert zunächst als gebrauchte Schulbücher: Donat,
Regulae pueriles Remigii, Doctrinale Alexandri, Disticha Catonis. Schon
0. Meltzer, die Kreuzschulc zu Dresden. 241
humanistische Einwirkungen beweist Lektüre paulinischer Briefe, des
Valerius Maximus und Betreibung des Griechischen. Die Besoldung der
Lehrer bestand aus dem Schulgeld und besonders kirchlichen Acci-
denzien. Bei der Einführung der Reformation bekam der Rektor 120 fl.,
der Supremus, später Konrektor 60 fl. und der Kantor wie Infimus je
50 fl. — Der 4. Abschnitt stellt die Lehrer zusammen: Cunradus 1300,
Hermannus 1334, Franz von Dippoldiswalde (spätestens 1407), Peter von
Dresden c. 1412, 1421 als Ketzer verbrannt, Magister Friedrich, Gelfryt
Weifse 1430, Paul Koppel 1440, Nikolaus Becherer 1447, Nikolaus Ple-
tener oder Platener 1448 bis vielleicht 1456, vielleicht M. Johann Geda
c. 1459, M. Lorenz Meifsner, M. Anton Hondorff 1479, M. Ludwig Götz
oder Götze Werdensis oder de Werdis 1485 bis mindestens 1489 , über
dessen Bibliothek wertvolle Mitteilungen gemacht werden, Nikolaus
Ihener 1500, Kilian Kotzschberger c. 1510, M. Job. (Knesmaert) 1511.
Um diese Zeit kam auch der bekannte Thomas Platter an die Dres-
dener Schule, die er als »nit vast ein gutte schul« bezeichnet. Von 1516
bis 1522 war M. Georg Döring Lehrer, sodann M. Dietrich Lindemanu
und M. Johann Scheffel. — Ein fünfter Abschnitt berichtet über Schüler-
bestand und Schulzucht. Der erste bleibt aus Mangel an zuverlässigen
Quellen gänzlich ungewifs. Die Schulzucht verhinderte gelegentliche
Extravaganzen, wie sehr ernste Prügeleien, einen Kampf mit den Schuei-
dergesellen, nicht. Vor der Stadt hatte die Schule einen Spielplatz
(»Schimpfhaus«). Anhang I beschäftigt sich mit den Schicksalen des
Schulmeisters Peters von Dresden, der in die hussitische Bewegung mit
verflochten ist. Weitere Litteratur dazu fludet Meltzer bei A. Thor-
becke, Geschichte der Universität Heidelberg (Heidelberg 1886) L An-
merkung S. 30. Nr. 118. Anhang II verzeichnet die noch erhaltenen
Bücher aus der Bibliothek des oben erwähnten Götz. — Hoffentlich be-
schenkt uns der Verfasser bald mit einer ebenso sorgfältigen Fortsetzung
seiner Arbeit.
Auch Süddeutschland hat einige tüchtige Arbeiten über Schul-
geschichte aufzuweisen :
Carl Engel, Das Schulwesen in Strafsburg vor der Gründung
des protestantischen Gymnasiums 1538. Strafsburg. J. H. Ed. Heitz
(Heitz und Mündel) 1886. 76 S. (Beilage zum Programm des Pro-
testantischen Gymnasiums zu Strafsburg).
Der Verfasser, welcher für seine gründliche Arbeit neben der aus-
gedehnten gedruckten Litteratur besonders das Archiv von St. Thomae
und das Stadtarchiv zu Strafsburg benutzte, geht bis auf die ältesten Zeiten
zurück. In dem ersten Abschnitt vom 6.-13- Jahrhundert (Stifter und
Stiftsschulen) stellt er die dürftigen Notizen für diese Zeit zusammen, er-
wähnt die Anfänge der später reichen Strafsburger Stiftskirchen : Münster,
Thomaskirche , Alt- und Jung St. Peter. Von den alten Strafsburger
Jahresbericht für Alterthumswisseoschafr LH. (1887. UM 16
242 Geschichte des Schulwesens.
Bischöfen machten sich um den Unterricht Heddo, Adeloch, Uto III.,
Erkanbold, Werinhar oder Wernher und Wilhelm verdient. Von 824—826
leitete der bekannte Dichter Ermoldus Nigellus, Abt von Aniane in Lan-
guedoc, welchen Ludwig d. Fr. nach Strafsburg verbannt hatte, daselbst
den Unterricht. — Die zweite Periode vom Anfang des 13. Jahrhunderts
bis 1440 behandelt: »Die Stiftsschulen, Bettelorden, Universitäten und
Lehrhäuser«. Von den Bettelorden wurden zuerst die Predigermönche
oder Dominikaner durch den Bischof Heinrich von Veringen 1224 nach
Strafsburg berufen. In ihrem Kloster lehrte eine Zeit lang Albertus
Magnus, der doctor universalis; sodann lebten daselbst die berühmten
Mystiker Meister Eckart und Tauler. Aber auch das Franziskaner-
kloster (seit 1230 in Strafsburg) hatte daselbst eine »Universität, da
neben dem Studium der sieben Künste auch in der heil. Schrift gelesen
und öffentlich disputiert wurde«. Ferner werden Klosterschulen erwähnt
bei den Wilhelmitern , Augustinern, Johannitern und Karthäusern. In
diesen Schulen dürften als Lehrbücher gebraucht worden sein: Doctri-
nale des Alexander de Villa dei, Gemma gemmarum, Graecismus, Flo-
rista, Cisio-Janus, Disticha Catonis, Aesop. — In den Stiftsschulen, deren
es seit 1398 vier gab, wurde aus den Schülern auch der Kirchenchor
(die chorales) gebildet. Der Unterricht war aus Mangel an Büchern
sehr mühsam. Denn Bücher waren teuer und selten, wenn auch jedes Stift
und Kloster eine Bibliothek besafs. Freilich waren diese nicht grofs:
das St. Thomaskapitel z. B. hatte 50 Bände.
Am Schlüsse der Periode erscheinen sodann die ersten Privat-
schulen, von denen die für den Elementarunterricht Lehrhäuser, geleitet
von Lehrmeistern und Lehrfrauen, heifsen, während die Lateinschulen mit
dem Namen Schulen und ihre Lehrer als Schulmeister bezeichnet werden.
Die dritte Periode (von der Erfindung der Buchdruckerkunst bis zur Re-
formation 1440- 1517) behandelt folgende Gegenstände: »der Humanismus.
Geiler und Wimpfeling; ihre Bemühungen um das Schulwesen in Strafsburg.
Verbesserung des Unterrichtes in den Stiftsschulen. Fortschritte der allge-
meinen Bildung«. Später als in manchen Nachbarstädten, wie Freiburg,
Basel und Schlettstadt kam in Strafsburg der Humanismus in Blüte. Wäh-
rend an den Schulen der drei Städte der neue Geist schon gesiegt hatte,
galt von Strafsburg noch der Spottvers: Doctis atque bonis esse no-
verca solet. Bessere Zeiten beginnen, seit mit dem Jahre 1478 Geiler
von Kaisersberg durch Peter Schotts Bemühungen Prediger am Münster
geworden. Nicht als ob alle Bestrebungen des beredten und hochgebil-
deten Mannes geglückt wären (vgl. z. B. S. 24). Besonders suchte er
die zügellosen Schülerfeste, die Feste des heil. Nikolaus und des heil.
Gregorius, die sog. Königreiche in die richtigen Grenzen einzuschränken.
Von der gröfsten Bedeutung für das geistige Leben Strafsburgs
war die im Jahre 1500 erfolgte Berufung Sebastian Brants, des Ver-
fassers des Narreuschiffes, zum Strafsburger Stadtschreiber und der im
C. Engel, das Schulwesen in Strafsburg. 243
Jahr 1501 beginnende Aufenthalt Jakob Wim pfelings im Strafsburger
Wilhelmitenkloster. Der letztere, welcher Zöglinge annahm, darunter
den später hochberühmten Stettmeister Jakob Sturm , legte dem Stadt-
rate den Plan zur Errichtung eines Gymnasiums, d. h. einer zwischen
Lateinschule und Universität in der Mitte stehenden Anstalt vor, dereu
Zustandekommen vielleicht der bekannte Barfüfser Thomas Murner hin-
tertrieben hat. Für die Kinder der Handwerker war eine solche Schule
freilich kein Bedürfnis: diese wurden in die deutschen Schulen geschickt,
deren von 1461 — 1466 fünf nachgewiesen werden (S. 33).
Aber wenn auch der Rat sich teilnahmslos verhielt, so gelangte der
Humanismus doch zum Sieg in den Strafsburger Schulen. Nach den
Versuchen von Johann Gallinarius und Matthias Ringmann, genannt
Philesius , ist von entscheidender Bedeutung, dafs 1509 Hieronymus
Gebwiler von Kaysersberg, der seit 1501 die Schlettstädter Schule ge-
leitet hatte, an die Strafsburger Domschule berufen wurde, obgleich er
verheiratet war. 15 Jahre war er »nobilissimae Argentinae ecclesiae
ludi literarii praefectus«. Er suchte seine Schule dem Ideale des mit
ihm innig befreundeten Wimpfeling möglichst anzuähnlichen. »Die grie-
chische Sprache und zum Teil auch der griechische Geist hielten ihren
Einzug in Strafsburg mit Ottmar Nachtigall (Ottomarus Luscinius)«,
der 1514 seinen Aufenthalt im Strafsburger Johanniterkloster auf dem
grünen Wörth nahm und auch an der Domschule Griechisch lehrte.
Von Bedeutung für die Studien war auch die von Wimpfeling präsidierte
sodalitas litteraria, welche gelegentlich Erasmus und Beatus Rhenanus
sehr auszeichnete. Ein Verzeichnis der dem Verfasser bekannt gewor-
denen Lehrer in Strafsburg von 1116 bis 1517 schliefst diesen Ab-
schnitt. — Die vierte Periode (1517—1538) behandelt: »Reformation.
Verfall der Stifts- und Klosterschulen. Anfänge einer Hochschule. Volks-
schulen. Drei neue lateinische Schulen. Gymnasium«. Die auch über
Strafsburg hereinbrechende Reformation führte zunächst zu einer Auf-
lösung der bisherigen Schulen: Gebwiler zieht fort, um in Hagenau den
Rest seines Lebens zu verbringen. Die Domherren verlassen gleichfalls
meistens die Stadt. Der Stadtrat nimmt jetzt die Schulorganisation in
die Hand und bestellt eine Viermännerkommission. Das Werk schreitet
jedoch wegen der grofsen Schwierigkeiten nur langsam vorwärts. Einen
dürftigen Ersatz gewähren einstweilen die im humanistisch- reformato-
rischen Sinne geleiteten Privatschulen des Lukas Hackfurt (genannt Ba-
thodius) und Otto Bruufels. In dieselbe Zeit fallen die Anfänge der
Strafsburger theologischen Fakultät, hervorgehend aus Vorlesungen der
reformatorischen Prediger Martin Butzer, Wolfgang Capito, Kaspar
Hedio u. a.
Bedeutungsvoll war die 1528 erfolgte Ernennung der drei Schul-
herren oder Scholarchen, denen zwei Prediger, Visitatores, beigegeben
wurden. Zu den ersten gehörte besonders Jakob Sturm von Sturmeck.
16*
244 Geschichte des Schulwesens.
Die zwei von den Schulherren eröffneten Lateinschulen wurden von Brun-
fels, der aber 1533 nach Bern ging, und Johann Witz (latinisiert Sa-
pidus), der 1525 aus dem katholisch gebliebenen Schlettstadt nach
Strafsburg übergesiedelt war, geleitet.
1530 beschlofs der Rat die Reformierung der Lehrhäuser, d. h.
der deutschen Schulen und die Errichtung von besonderen Schulen für
Knaben und Mädchen. 1534 wurde von den Scholarchen »eine Ordnung
der Lehrmeister« veröffentlicht, welche Engel im Anhang abdruckt, und
wonach der deutsche Unterricht unter die Aufsicht der weltlichen Be-
hörde gestellt ist. — Für arme Studenten der Theologie wurde durch
ein Internat und Stipendien gesorgt.
So gliederte sich also das Strafsburger Schulwesen vor dem Be-
ginn von Sturms Thätigkeit in drei Stufen, der höhere Unterricht im
Predigerkloster, eine Art von kleiner Universität, an der z. B. sogar
Jurisprudenz gelehrt wurde, sodann die Lateinschulen und die Lehr-
häuser, d. h. die deutschen Schulen oder eigentlich Volksschulen. Über
sämtliche gibt der Verfasser bezüglich der Lehrer, Lehrgegenstände,
Schülerzahl etc. aus handschriftlichen Quellen wertvolle Aufschlüsse.
Im Januar 1537 siedelte sodann Johann Sturm aus Paris nach
Strafsburg über, um zuerst als Lehrer am CoUegium Praedicatorum
gegen ein Gehalt von 100 (bald 150) Gulden zu wirken. Aber schon
im nächsten Jahre wird ihm die Gründung des Gymnasiums übertragen,
dessen Entstehung Engel noch kurz beschreibt. Die Arbeit schliefst: »So-
wie in den Sagen die Götter bevorzugten Heroen bei ihrer Geburt die
schönsten Gaben bringen, so haben dem Gymnasium der Humanismus
die erneute Antike, die Reformation das geläuterte sittliche und reli-
giöse Ideal, Strafsburg selbst seinen gereiften praktischen Sinn als An-
gebinde dargebracht; ja selbst das Mittelalter hat ihm seine Gabe nicht
vorenthalten : es hat ihm die von den Dominikanern zu ganz anderen
Zwecken erbauten Räumlichkeiten und die von den Barfüfsern ange-
sammelten Geldmittel überlassen«,
Ganz kurz seien hier einige Kleinigkeiten notiert, die dem Werte
der Schrift keinen Eintrag thun. Die Schlacht der Franken S. 5 war
nicht bei Tolbiacum (Zülpich), sondern vielleicht im untern Elsafs. —
Die richtige Schreibung des Namens des Apostels der Deutschen ist
nicht Bonifacius (8. 6), sondern Bonifatius, weil er von boni fati abzu-
leiten ist. - Die Vermutung, dafs auch die weltlichen Töchter adeliger
Familien im Frauenstift St. Stephan Aufnahme und Unterricht fanden
(S. 9), wird sich schwerlich bestätigen. — Der Herausgeber der Ency-
klopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichtsweseus (S. 10) heifst
nicht Schmidt, sondern Schmid. — »Mit Brief und Siegel beglaubigte
Urkunden« (S. 11) ist Tautologie, denn Brief bedeutet im Mittelalter
Urkunde. — Das angebliche »Oberhaupt der mystischen Gottesfreunde«,
mit welchem Rulman Merswin in Verkehr gestanden haben soll (S. 19),
C. Engel, das Schulwesen in Strafsburg. 245
dürfte nach den Forschungen des P. Denifle in das Gebiet des Mythus
zu verweisen sein. Vgl. dazu P. Mehlhorn in den Jahrbüchern für pro-
testantische Theologie IX 159. — Das Gutachten Jak. Sturms (S. 45)
ist jetzt zugänglicher bei E. Winkelmann, Urkundenbuch der Uni-
versität Heidelberg I 214.
Ein unangenehmer Druckfehler ist 1570 (S. 50) für 1530. — Die
Arbeit ist ein wertvoller Beitrag zur Geschichte des Schulwesens und
der solide Unterbau für die Arbeiten über Sturm.
A. Lange (Schrader), Schule zu Schlettstadt (Schmids Ency-
klopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens 2. Aufl.
(Leipzig 1886) VIL Teil 2. S. 119-128).
Schrader hat Langes Artikel über die wichtige Schlettstadter Schule
einer Durchsicht unterzogen und die Litteratur ergänzt. Leider ist ihm
Strüvers Dissertation und die noch wichtigere, zwar kleine, aber wertvolle
Arbeit G. Knods »Zur Schlettstadter Schulgeschichte« (Strafsburger Stu-
dien IL 4. S. 431— 439) unbekannt geblieben, der feste chronologische
Daten gefunden hat. Darnach leitete Dringenberg die Anstalt von 1441
bis 1477, Crato Hofmann von Udeuheim 1447-1501 u. s. w.
Überblick der Geschichte des Gymnasiums (in Karlsruhe) von Di-
rektor Dr. Wen dt (Festschrift zur 300 jährigen Jubelfeier des Grofsh.
Gymnasiums in Karlsruhe. 22. Nov. 1886. Mit 3 Tafeln. Karlsruhe.
1886. S. 1 — 38).
Auf Grund der älteren Arbeiten K. F. Vierordts und H. Funcks
gibt der derzeitige Direktor der Anstalt eine übersichtliche Geschichte
des Gymnasiums in anziehender Form. Die Schule, 1586 als Gymna-
sium illustre in Durlach gegründet, wurde 1721 wenigstens zum Teil
nach dem neugegründeten Karlsruhe verlegt. Besonderes Interesse
wandte ihr der Markgraf und spätere Grofsherzog Karl Friedrich und
der jetzige Grofsherzog Friedrich zu. In den Veränderungen der An-
stalt seit 150 Jahren kann ein kundiges Auge alle wichtigen Stadien
der Pädagogik der Zeit erkennen. Die letzten Partien, worin der Ver-
fasser die Darstellung Vierordts erweitert, berichten über Lehrer, Stiftun-
gen, Schulfeiern etc. seit 1859 und geben das Bild einer in schönster
Blüte begriffenen Schule.
Mit der Geschichte der gleichen Anstalt beschäftigt sich auch
Heinrich Funck, Über den Rheinländischen Hausfreund und Jo-
hann Peter Hebel (Festschrift zur 300jährigen Jubelfeier des Grofsh.
Gymnasiums in Karlsruhe. (Karlsruhe 1886) S. 39—88).
Eine gut geschriebene Arbeit, auf archivalischen Studien beruhend,
in welcher gezeigt wird, wie Hebel, der von 1791 — 1824 Lehrer und
schliefslich Direktor des Karlsruher Gymnasiums gewesen ist, dazu kam,
246 Geschichte des Schulwesens.
seine vielbewunderten Kalendergeschichten des »Rheinländischen Haus-
freunds« zu schreiben. Die Anstalt besafs nämlich seit 1750 durch
Markgraf Karl Friedrich das Privilegium impressorium für die in der
Markgrafschaft zu druckenden Schriften. Nach mancherlei Wechsel-
fällen, wobei das Privilegium sich nicht als sehr nutzbringend erwiesen
hatte, wurde 1807 Hebel mit der Abfassung des in Baden privilegierten
Kalenders betraut, der sich durch seine populäre Haltung und köst-
lichen Geschichten rasch einen Namen machte. Leider zog sich Hebel
bald verstimmt von dieser Thätigkeit zurück, und 1823 wurde das Ka-
lender-Privilegium durch die Regierung der Schule entzogen.
Professor Dr. Otto Schanzenbach, Aus der Geschichte des
Eberhard-Ludwig-Gymnasiums in Stuttgart (Festschrift zur Jubelfeier
des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums in Stuttgart. Zugleich Programm
zum Schlüsse des Schuljahres 1885—1886, Stuttgart. Liebich. 1886.
40. S. 1-104).
In bescheidener Weise nennt der Verfasser seine umfangreiche
Arbeit »Skizzen«, da er nur für einen erkrankten und später verstor-
benen Kollegen, welcher zu dem Jubiläum der Stadt eine Geschichte
der Anstalt schreiben sollte, eingetreten ist.
Abschnitt I. »Aus alten Zeiten« berichtet von der ältesten Schule
Stuttgarts, die im Anfange des 14. J ahrhunderts zuerst nachweisbar ist
und im sog. Schulhofe lag. Als rectores scholae sind bekannt Pfaff
(Pater) Burkhard Spiefs (f 1378), Mangold von Klübern, N. Beutelspach,
Joh. Wagner, Leonhard Mäder von Cannstatt. Die Einrichtung der
Schule wird erläutert mit Hilfe der 1501 erlassenen »Ordnung der Schul
halben in Stuttgarteu« (S. 6 — 8). Es war eine Vorbereitungsanstalt für
den Kirchendienst oder den gelehrte Bildung erfordernden Staatsdienst.
Der Verfasser meint, das ganze Schulleben in diesem düsteren Hause,
wo eine pedantische Zucht geherrscht, sei freudlos gewesen.
Der zweite Abschnitt »Mehr Licht« (S. 9 — 15) schildert, wie durch
den Geist des Humanismus, der an der 1477 gegründeten Hochschule Tü-
bingen b edeutende Vertreter zählte, ein neues Leben in die Schule gekommen.
Dieses geschah besonders durch den gelehrten, talentvollen und fleifsigen
Alexander Marcoleon (Märklin) von Marbach. Auf den Humanismus
folgte die Reformation. Herzog Christoph von Württemberg ordnete
1559 durch die mit den Ständen verabschiedete und der Kirchenordnung
einverleibte »Schul Verfassung und -Ordnung« das Schulwesen im pro-
testantischen Sinne so, dafs dieses »Werk aus Einem Gufs, aere peren-
nius, in den Grundzügen« noch den jetzigen Verhältnissen zu Grunde
liegt. Deutsche und lateinische Schule wurde getrennt, und letztere
in ein Pädagogium von fünf Klassen verwandelt. Eine sechste Klasse
fügte sodann Christophs Sohn Ludwig hinzu. Der Pädagogarch dieser
Anstalt hatte bereits das bekannte, heute noch bestehende Laudexamen
0. Schanzenbach, Aus d. Geschichte d. Eberh.-Ludw.-Gymn. 247
zu leiten. Der 30jährige Krieg liefs die Schule in tiefen Verfall ge-
raten. Die Zahl der Schüler ging sehr zurück, und für die verhun-
gernden Lehrer wurde durch Magistratspersonen in der Stadt Geld ge-
sammelt.
Abschnitt III »Die Weisheit bauete ihr Haus und hieb sieben
Säulen« (S. 16 — 23) erzählt, wie das Pädagogium durch den Herzog in
ein Gymnasium verwandelt und 1685 der Grundstein zu einem neuen
Gebäude gelegt wurde, auf das man den die Überschrift bildenden
Spruch Salomouis anwandte. An diesem Gymnasium illustre, wie die
Anstalt fortan hiefs , wurden und zwar speziell am Obergymnasium im
Winter nur vier und im Sommer fünf Vorlesungen gehalten. Gemütlich
klingt es, wenn der Pädagogarch zwei Monate die Nachmittagsschule
aussetzt »ob aegrotantem Paedagogarchae servulama.
Abschnitt IV »Still und bewegt« behandelt die Zustände der An-
stalt im 18. Jahrhundert. Zuerst werden S. 24 in einer lebendigen Schil-
derung die Lehrer und Lehrgegenstände der einzelnen Klassen vorge-
führt. Auffallend ist die grofse Zahl der Lehrer und die Reichhaltig-
keit der Fächer. Wenn man bedenkt, wie schwer auch Württemberg
durch die Franzosenkriege heimgesucht wurde, so wird man sich über
den Verfall der Disziplin, die »Exorbitantion«, nicht wundern. Nicht
blofs über Unfleifs und Schwänzen der Lektionen, sondern sogar über
Buhlschaften wird geklagt. Bedeutungsvoll war die Ernennung des un-
garischen Edelmannes Michael Bulyowsky de Dulicz, eines Polyhistors,
im Jahre 1696 zum Professor an der Anstalt, dem freilich das Rektorat
das bekannte non multa, sed multum entgegenhielt.
Abschnitt V »Frohe Feste« (S. 33—36) berichtet über Festtage
der Schule, woran das Stuttgarter Gymnasium nie arm war. Das
älteste Schulfest, von dem erzählt wird, ist aus dem Jahr 1690, wo
der nach Tübingen abgehende Schüler Burk die glückliche Wiederkehr
des Herzogs Eberhard Ludwig aus Wien feiert. Der gröfste Freuden-
tag aber war die erste Jubiläumsfeier am 13. September 1786, über
welche der Bericht der Schwäbischen Chronik von Professor Eiben mit-
geteilt wird.
Abschnitt VI »Humanismus und Realismus«. Eine gefährliche Kon-
kurrenz für das Gymnasium wurde die durch Schillers Leben allbekannte
Karlsschule, die den veränderten Zeitanschauungen und Zeitbedürfnissen
Rechnung trug, während es dem Gymnasium immer noch an einem durch-
gehenden Gesamtplan mangelte. Der Lehrplan vom Jahre 1794 ist die
»reichste, aber seltsamste Musterkarte«, die zugleich zeigt, wie wenig
die weitverbreitete Vorstellung von dem früheren Überwiegen der klas-
sischen Sprachen am Gymnasium der Wirklichkeit entspricht. Doch
war das Latein der solide und feste Kern, an den sich das Übrige an-
setzen konnte. Aus dieser Schule ging trotzdem eine geistige Kern-
natur hervor wie der Philosoph Hegel, »der berühmteste Schüler der
248 Geschichte des Schulwesens.
Anstalt« überhaupt. Ein charakteristisches Aktenstück ist die von dem
Direktor Hang verfafste Abhandlung De Galantismo litterario eruditioni
periculoso, aus der ein grofser Abschnitt mitgeteilt wird. Wenn man
aus dieser Veröffentlichung des Rektors nichts von dem Flügelschlag
einer neuen Zeit merkt, so ist das um so mehr in den Abschiedsreden
der Schüler um die Wende des Jahrhunderts der Fall.
Abschnitt VII »Embarras de richesse et richesse d'embarras« (S. 44
bis 59). Der Tod des Herzogs Karl Eugen brachte die Aufhebung der
Stuttgarter Karlsschule und damit die Beseitigung einer lästigen Kon-
kurrenz, zugleich aber einen starken Zudrang von ehemaligen Karls-
schülern und Lehrern der Karlsschule. Gleichzeitig klopfte der Realismus
an die Pforten der Anstalt. 1794 und 1795 wurde die Einrichtung des
untern und obern Gymnasiums geschaffen, die für jene Zeit einen ge-
waltigen Fortschritt bezeichnete. 1796 wurde denn auch die Realschule
abgezweigt und eröffnet. 1818 erhielt das Gymnasium eine neue Orga-
nisation, auf der die jetzt noch bestehende Einrichtung im wesentlichen
beruht. 1867 wurden realistische Abteilungen an der Schule eingeführt,
und 1871 wurde das Realgymnasium als selbständige Anstalt konsti-
tuiert. Der fortdauernde Zudrang führte im Jahre 1881 zu einer Tren-
nung in zwei Gymnasien, das Karls-Gymnasium und Eberhard-Ludwigs-
Gymnasium.
Abschnitt VIII »In die Weite, in die Tiefe, in die Höhe« hat seine
Überschrift davon, dafs im Unterricht ein Fortschreiten in diesen drei
Richtungen statt fand. Der Verfasser verweist hierfür auf den Aufsatz
»Ein süddeutsches Gymnasium« von Rektor Schmid. Ein klassisches
Zeugnis für diesen Fortschritt enthält eine Schilderung des bekannten
Schulmannes Karl Ludwig Roth, in der Licht und Schatten gerecht ver-
teilt sein dürften. Als charakteristische Merkmale des in diesem Zeit-
raum herrschenden Geistes werden Schulreden, Programmbeilagen und
anderes beigezogen und betont, dafs die jetzige Schule längst aufgehört
hat, einseitig das Altertum zu feiern, dafs daneben die Liebe zu dem
vaterländischen Boden, die Anhänglichkeit an die engere und weitere
Heimat, der Stolz auf vaterländische Gröfse gepflegt wird.
Abschnitt IX »Quod munus reipublicae afferre maius meliusve pos-
sumus quam si docemus atque erudimus iuventutem (Cic. de Divin.)«.
S. 75-90 ist der kurzen Charakteristik einer Anzahl eigentümlicher
und bedeutender Persönlichkeiten unter den Lehrern gewidmet: »Was
ist eine Schule ohne Männer und Meister der Schule?« Den Reigen er-
öffnet K. L. Roths Schilderung seiner Lehrer Joh. Andr. Werner, Chr.
Fr. Roth und Friedr. Ferd. Drück. Ein weiterer Abschnitt gilt Gustav
Schwab, der Dichter und gefeierter Lehrer zugleich war. Es folgen
noch kurze Schilderungen von August Pauly, Holzer und Borel.
Abschnitt X »Wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone
des Ruhms? (1 Thess. 2, 19)« handelt über die Schüler der Anstalt;
0. Schanzenbach, Aus d. Geschichte d. Eberh.-Ludw.-Gymn. 249
denn »eine Schule, die ihre Geschichte schreibt, darf auf ihre Lehrer
nur hinweisen als auf Vorbilder für spätere Geschlechter, ihrer Schüler
aber rühmt sie sich wie eine Mutter«. Der Verfasser betont das gute
Verhältnis der Schule zum Haus, wie z. B. manche Schenkungen be-
weisen. Sodann werden knappe Skizzen über hervorragende Schüler
gegeben : wie Hofprediger J. R. Hedinger, Johann Jakob Moser, den Ju-
risten Karl Georg von Wächter, Hof- und Domänenrat J. G. Hartmann,
den Orientalisten Martin Haug, den Dichter Christian Gottlob Barth.
Ein aus den Schülerlisten gezogenes Verzeichnis hervorragender
Schüler, bei dessen Aufstellung Professor Julius Hartraann behilflich war,
war, und eine Zusammenstellung der benutzten Quellen beschliefsen die
nützliche und gut geschriebene Schrift, die ich mit wachsendem Inter-
esse gelesen habe.
Prof. Cölestin Stampfer, Chronik des k. k. Gymnasiums zu Me-
ran bis zum Jahre 1850 (Progr. des k. k. Ober-Gymnasiums zu Meran.
Meran 1886). 58 S.
Die Arbeit will eine Ergänzung der von Dr. A. Jäger 1851 er-
schienenen Geschichte der Anstalt sein und »das innere Leben der An-
stalt, den jeweiligen Lehrkörper, die Schülerzahl und besonders die mehr
(sie!) hervorragenden Männer, welche aus dem Gymnasium hervorge-
gangen, zur Kenntnis bringen«. Im Anfang des 18. Jahrhunderts, nach-
dem die »wahre Reform auf kirchlichem Gebiete in Tirol durchgedrungen
war«, habe sich das Bestreben geregt, Schulen zu gründen und Bildung
zu verbreiten. Durch die vereinten Bemühungen des Abtes im Bene-
diktinerstift Marienberg und der Stadt konnte die Anstalt 1725 eröffnet
werden. Annalistisch werden Lehrer und Schüler zusammengestellt, bei
den letztern jeweils die Zahl der Romanen verzeichnet. Die Prädikate,
welche den Schülern erteilt worden, machen den Eindruck, als ob die
Beurteilung sich von dem Grundsatze gröfster Milde leiten liefs. Unter
den Schülern des Jahres 1841/42 steht S. 49: »Ignaz Zingerle von Me-
ran : üniversitätsprofessor in Innsbruck, Dichter und ein in Deutschland
angesehener Germanist«.
Lebenserinnerungen und Amtserfahrungen von Dr. L. Wiese,
Wirkl. Geheim. Ober-Regierungsrat a. D. Zweite Auflage. Berlin,
Wiegandt und Grieben 1886. S^. Bd. L VI und 350 S. - Bd. IL
IV und 224 S.
Ein wichtiges Werk, das kein dem höheren Lehrerstande Ange-
höriger ungelesen lassen sollte. Der Verfasser ist der langjährige ein-
flufsreiche und sachkundige Leiter der preufsischeu Mittelschule, dessen
Erlebnisse ein Stück preufsischer und damit deutscher Schulgeschichte,
ja deutscher Kulturgeschichte sind. Wir schulden ihm warmen Dank,
dafs er nach seinem im Jahre 1875 erfolgten Ausscheiden aus dem Mi-
250 Geschichte des Schulwesens.
nisterium sich auf vielseitiges Auraten entschlossen hat, seinen Lebens-
abend zu Aufzeichnungen über seine weitreichende Thätigkeit und seine
lehrreichen Erfahrungen zu benutzen. Aus dem ganzen Werke tritt
uns eine klare und zielbewufste Persönlichkeit entgegen, die zu dem
gewählten Lehrerberuf wie geschaffen erscheint, und die sodann die
selbst gesammelten Erfahrungen in einem so bedeutenden Kreise ver-
werten kann, wie er nur selten einem tüchtigen Pädagogen zufällt.
Den 30. Dezember 1806 zu Herford in Westfalen, der Heimats-
stadt seiner Mutter, geboren (sein Vater stammte aus Pommern), wur-
zelt Wiese noch ganz in der Zeit der Freiheitskriege, in dem dadurch
bedingten Aufschwung unseres Volkslebens. 1814 zu Verwandten nach
Kolberg gebracht, hörte er den alten Nettelbeck seine Geschichten und
Späfse erzählen. Das Jahr 1816 führte ihn nach Berlin, und schon der
kleine Knabe fafste hier den Entschlufs, dermaleinst Lehrer zu werden.
In der Garnisonsschule, in der er später unter Leitung des Predigers
Bernhardi lernte, wurde er einstens durch den inspizierenden Gneisenau
ausgezeichnet. Als Schüler der Plamannschen Anstalt war ihm ver-
gönnt, »wenigstens noch den Nachsommer einer pädagogischen Begeiste-
rungo zu erleben, die einstens Pestalozzi entzündet hatte. Unter den
Lehrern imponierte ihm der Thüringer Kritz, als er sah, wie dieser
während des Essens »bisweilen nebenher und ohne irgend ein Hilfs-
mittel zur Hand zu haben, die Korrekturbogen des Böckhschen Pindar
für die Druckerei las und berichtigte«.
1822 ging Wiese in das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium über, wo
ihn der Direktor Spilleke, dessen Schwiegersohn er später wurde, als
wohl vorbereitet erklärte und nach Obertertia aufnahm. Spilleke, einem
geborenen Schulmanne, und dem ihn gut ergänzenden Dr. Yxem werden
S. 21 ff. Worte dankbarer Anerkennung gezollt. Besonders genufsreich
wurden Winterabende, an denen unter Yxems Leitung Wiese mit einigen
Mitschülern platonische Dialoge lesen durfte.
1826 bezog er die Universität Berlin, wo er sich unter Marhei-
nekes Rektorat als Theologe inscribieren liefs; denn Theologie und
Philologie wollte er miteinander studieren. Von den Philologen der
Berliner Hochschule werden geschildert Karl August Böckh, der das
Leben des Altertums sehr anziehend darstellte, Lachraann, Immanuel
Bekker, der zahlreiche Zuhörer weder zu erwarten noch zu wünschen
schien, Zumpt, der in seinen Vorlesungen auf das Bedürfnis des zu-
künftigen Schulmanns Rücksicht nahm; an den Übungen des philolo-
gischen Seminars beteiligte er sich unter Leitung von Buttmann, Bern-
hardy. Lachmann und Böckh. Durch Mullach erwarb er sich einige
Fertigkeit im Neugriechischen. Im Böckhschen Seminar wurde auch
die Bekanntschaft Heinrich Abekens gemacht, aus der eine Freundschaft
fürs Leben wurde.
Im August 1829 promovierte er zu Berlin mit einer Dissertation:
L Wiese, Lebenserinnerungen 251
De Val. Messallae Corvini vita et studiis doctrinae, auf die ihn längere
Beschäftigung mit Tibull geführt und deren Wahl Lachmann gebilligt
hatte. Böckh und Hegel waren durchaus humane und entgegenkom-
mende Prüfungskommissäre, und Prof. Bopp gab dem neuen Doktor den
üblichen Kufs nach der Promotion.
Die Lehrerthätigkeit Wieses kann hier nicht im einzelnen verfolgt
werden: Probekandidat am Friedrich -Wilhelms -Gymnasium zu Berlin,
Konrektor am Gymnasium zu Clausthal, Prorektor am Gymnasium zu
Prenzlau, Professor am Joachimsthalschen Gymnasium zu Berlin etc.
Seine Lehrerthätigkeit wurde ab und zu durch Reisen unterbrochen,
nach Italien, nach Württemberg, nach England, von denen besonders
die letztere einen wertvollen litterarischen Ertrag für die Pädagogik
gebracht hat.
Januar 1852 wurde Wiese zum Kultusminister Raumer beschieden,
der ihm einige Aufträge, Inspektionen, in der nächsten Zeit zukommen
liefs. Wiese hat nie erfahren, wem er die Empfehlung zu danken hatte.
Der bisherige Referent für höhere Schulen, GORR Kortum, der sich
durch die an Wiese erteilten Aufträge tief gekränkt fühlte, nahm seine
Entlassung, und so wurde im Juli 1852 dieser zum Regierungs- und
Schulrat und im August desselben Jahres zum Geh. Regierungs- und
vortragenden Rat im Kultusministerium ernannt. In dieser Stellung ver-
blieb er unter vier Ministern, v. Raumer, v. Bethmann- Hollweg, von
Mühler und Falk, Jeder dieser so verschiedenartigen Männer wird ge-
schildert. Es sind das wertvolle Mitteilungen eines gut unterrichteten
Zeitgenossen, der zwar einen festen prinzipiellen Standpunkt hatte, aber
es verstand, gut zu beobachten und auch gegen andere gerecht zu sein.
Die Mitteilungen dieser Abschnitte sind ein wichtiges Stück preufsi-
scher und damit auch deutscher Schulgeschichte, und keine Frage, welche
seit drei Dezennien unsere Schulen und deren Lehrer tiefer beschäftigt
hat, bleibt unberührt: Revision der Lehrpläne, Prüfuugs-Reglement, ün-
terrichtsgesetz, Realschulfrage, Berechtigungswesen, Bundes- und Reichs-
schulkommission, Abiturientenprüfung, Konfessionalität der Schulen, Re-
gelung der deutschen Orthographie etc., über alle diese Fragen er-
halten wir bedeutungsvolle Aufschlüsse, die als Äufserungen einer durchaus
ideal gerichteten und geschäftstüchtigen Persönlichkeit auch demjenigen
Achtung abnötigen, welcher sachlich nicht zustimmt. Gerade in diesem
Abschnitte finden sich viele Beispiele, dafs der Verfasser sich bemüht,
gerecht zu sein, wie er auch in der Einleitung S. V sagt: »Möchte ich
von dem dh^&züsiv iv dydrirj, das ich mir vorgesetzt, nirgend abge-
wichen sein!«
Der Verfasser nahm einen dem Minister Falk entgegengesetzten
Staudpunkt ein. Um so beachtenswerter sind deshalb folgende Worte
über denselben (II l): »Von den etwas mehr als sieben Jahren von
i'alks Wirksamkeit als Kultusminister sind es die ersten vier, während
252 Geschichte des Schulwesens.
welcher ich unmittelbar Zeuge seiner Thätigkeit gewesen bin. Bei einem
vergleichenden Rückblick raufs ich sagen, dafs er von den vier Mini-
stern, denen ich gedient, der konsequenteste und durchgreifend thätigste
war. Von vorn herein stand klar und bestimmt vor seiner Seele, was
er wollte und sollte, ebenso ein umfassender und durchdachter Plan
der Ausführung.« Sein Ziel war, das ganze Gebiet der Kirchen- und
Schulverwaltung zu revidieren, »nach neuen Principien zu ordnen, und
schliefslich durch Specialgesetze innerlich zu sichern und fest zu um-
grenzen. An diese gewaltige Arbeit hat er mit bewunderungswürdiger
Ausdauer seine rüstige Manneskraft und die ganze Energie seines
Geistes gesetzt.« Später (S. 62) lesen wir nochmals: »Vergegenwärtige
ich mir den Minister Falk und seine Wirksamkeit, so erfüllt mich die
aufrichtigste Hochachtung vor der Geradheit und Festigkeit seines Cha-
rakters, vor der Humanität seiner Gesinnung und vor der Tüchtigkeit
seines ganzen Wesens. In der vollen Hingebung an die Aufgaben des
Amts und in der energischen und ausdauernden Art des Arbeitens
konnte er allen seinen Räten ein Vorbild sein; keiner erreichte ihn
darin. Seine grofsen Verdienste um das Schulwesen nach der mate-
riellen Seite durch Besserung der äufsern Lage der Lehrer an den
niederen und höheren Schulen, ebenso des Einkoramens vieler evange-
lischen Geistlichen sowie der Emeriten und der Witwen, werden unver-
gessen bleiben.« Die Schwäche von Falks Thätigkeit findet Wiese in
dem Umstand, dafs derselbe zu einseitig Jurist war. Die Vorgänger
Falks hätten zuerst in Verwaltungsämtern gestanden, Falk nur in ju-
ristischen. »Er war und blieb durch und durch Jurist, und dies cha-
rakterisierte seine principielle Auffassung und Behandlung aller Gegen-
stände.«
Ein »Anhang« (S. 137—221) enthält eine Anzahl von Kapiteln,
deren Inhalt aus der langjährigen Praxis des Verfassers sich ergeben
hat. Dieselben sind überschrieben: Provinzielle Verschiedenheiten, Aus
der Schulverwaltung, Directoren, Lehrer, Aus dem Unterricht. Der letzte
Abschnitt handelt u. a. vom Unterricht im Deutschen, der philosophischen
Propädeutik, Mathematik, Naturgeschichte, Geschichte, neuereu Sprachen,
Religion. In diesen letzten Kapiteln steckt eine Fülle pädagogischer
Weisheit, die durch Einstreuung humorvoller Züge und Anekdoten eine
für den Leser ansprechende Form gewinnt. Ein Kapitel über Schul-
disziplin beschliefst das lehrreiche Werk, das kein Lehrer an höheren
Schulen ohne den gröfsten Nutzen lesen wird.
An die deutsche Schulgeschichte mögen sich hier einige Arbeiten
über französische Schulgeschichte anschliefsen, womit freilich
kein Anspruch auf Vollständigkeit gemacht werden kann. Viele Publi-
kationen über dieses Thema wurden mir nicht zugänglich.
L. Massebieau, Schola Aquitanica. 253
Louis Massebieau {maltre de Conferences ä la facult^ de th^o-
logie protestante de Paris et ä l'ecole des hautes etudes) Schola Aqui-
tanica. Programme d'ötudes du College de Guyenne au XVP siöcle.
Reimprimö avec une pr^face, une traduction fran^aise et des notes.
Paris 1886. 77 S. (Fascicule nr. 7 von Memoires et docuraents sco-
laires publies par le Mus6e pedagogique).
Das College von Guyenne, die Schola Aquitanica zu Bordeaux,
ist eine der bedeutsamsten Anstalten Frankreichs im 16. Jahrhundert.
Das in dieser kleinen Schrift veröffentlichte Programm der Anstalt hatte
Elie Vinet, ein Mathematiker und Historiograph des 16. Jahrhunderts,
über den S. 55 der Schrift weitere Aufschlüsse gegeben werden, im
Jahr 1583 drucken lassen. Aber dasselbe verdient nach des jetzigen
Herausgebers Massebieaus Meinung noch weiter bekannt zu werden, um
so mehr, als die Angaben daraus in M. J. Quicherats sonst trefflicher
Histoire de Sainte-Barbe ungenau und unvollständig seien.
In der Vorrede (S. V— XV) ist zunächst die geschichtliche Ent-
stehung des Aktenstückes dargestellt: im Jahre 1534, »avant la reforme
des etudes ä Strafsbourg, ä Geneve, ä NImes,« wandte sich der Rat von
Bordeaux an Andre de Gouvea, »sans comparaison le plus grand prin-
cipal de France,« wie ihn sein Schüler Montaigne nennt, der damals
das College von Sainte-Barbe in Paris leitete, wegen seiner Schule.
Bordeaux besafs eine Universität, an die sich das College anschlofs.
Rat und Gouvea einigten sich über die Einrichtung der Schule, wobei
vonseiten Bordeaux's nur die Bedingung gestellt wurde, dafs die Neu-
organisation nach Pariser Vorbild erfolgen müsse. Gouvea benutzte für
sein Programm die Ratschläge von Maturin Cordier und Claude Budin.
Am Ende der Vorrede teilt der gelehrte Verfasser mit, dafs er
demnächst eine Geschichte der Universität Paris von 1500 bis 1530 ver-
öffentlichen will: J'essaierai, dans un petit livre dont les materiaux
sont reunis et qui paraltra aussitöt que mon activite quotidienne dans
l'enseignement m'aura permis de le rediger, de caracteriser et d'ap-
precier, au moyen des ouvrages des Sylvius, des Jean Pellisson et des
Cordier, cette periode qui merite d'etre mieux connue, parce qu'elle me
paralt tout ä I'honneur de l'üniversite de Paris.« Richtig angefafst,
könnte diese Arbeit auch für die deutsche Gelehrtengeschichte von Be-
deutung werden; denn zahlreiche Deutsche holten am Ende des 15. und
Anfang des 16. Jahrhunderts ihre Ausbildung in Paris: man denke z. B.
an Heinrich Glareanus oder Beatus Rhenanus.
Von S. 2—37 folgt sodann der Wiederabdruck des erwähnten
Statuts in der Weise, dafs links der lateinische Originaltext und rechts
die französische Übersetzung steht. Voran geht eine epistola des Elias
Vinetus an den Leser (Burdigalae Cal. Jul. 1583) und einige einleitende
Worte. Die docendi ratio in ludo Burdigalensi ist nach den zehn or-
254 Geschichte des Schulwesens
dines gegeben: zuerst kommt der decimus ordo, (kssen Schüler Alpha-
betarii oder Abecedarii heifsen : Pueruli sunt et minores etiam septem
annis pueruli, ut Fabius placuit , unter welchem Fabius nach der üb-
lichen Ausdrucksweise der Zeit Quintilian zu verstehen ist.
Hierauf folgen die Abschnitte: Doctores, Publicae praelectiones,
Statuta gymnasii Aquitanici, Festi dies civitatis Burdigalensis, et quibus
divis sacri sunt, deren es nicht wenige sind (im Januar z. B. allein sind
es fünf Tage, natürlich abgesehen von den Sonntagen. Die Notes S. 55
bis 76, welche über die erwähnten Gelehrten und über Sachen weitern
Aufschlufs geben, beschliefsen das nützliche und lesenswerte Schriftchen.
E. Veuclin, Notes historiques sur l'instruction publique avant la
revolution dans la ville de Bernay et les environs. Premiere partie
d'un Memoire presente au Congres des Societes savantes, ä la Sor-
bonne, en 1885. Bernay. V. E. Veuclin. 1886. 30 S.
Der Verfasser, welcher sich durch eine beträchiliche Anzahl kleiner
Arbeiten zur Geschichte der Normandie bekannt gemacht hat, gibt in
dieser auf sehr schlechtem Papier, gedruckten kleineu Schrift chrouik-
artige Notizen über Geschichte des Unterrichts in der Stadt Bernay an
der Eure vor 1789. Dieselben sind gröfstenteils archivalischen Quellen
entnommen. Der Zweck der Zusammenstellung ergibt sich aus einem
vorgedruckten Satze: Pour la periode anterieure ä 1789, M. Veuclin a
constatö que l'autorite religieuse encourageait l'instruction, ein Satz,
der, in den richtigen Grenzen verstanden, von keinem Verständigen in
Deutschland bestritten wird.
E. Veuclin, L'ancien coUege de la ville de Bernay. Bernay. V.
E. Veuclin. 1886. 50 S.
Die Gründung eines College zu Lisieux 1571 durch den Bischof
daselbst erweckte das Verlangen nach einer ähnlichen Anstalt auch in
Bernay. König Heinrich HI. gab 1586 die Erlaubnis dazu. Aber die
Wirren der Hugenottenkriege und andere Notstände liefsen die Ver-
wirklichung des Planes erst am Ende des 17. Jahrhunderts zu. Die
Arbeit Veuclins gibt die wichtigsten Daten der Anstalt im Anschlufs an
die Leiter und Lehrer derselben.
E. Veuclin, Les petites ecoles et la revolution (1789 — 1799)
dans les districts de Bernay et de Louviers. Documents locaux iü&
dits. Bernay. V. E. Veuclin. 1885. 126 S.
Der Verfasser gibt in der Vorrede an, dafs er folgende fünf
Punkte erläutert habe: 1. Ce qu'etaient les primitives ecoles et les Pre-
miers educateurs du peuple. — 2. Limportance que l'on attachait, des
11 y a plusieurs siecles, ä l'instruction primaire. — 3. Sa Situation ge-
nerale, en 1789. 4. Ce que la premiere Republique fit ä son 6gard;
E. Veuclin, Les petites ecoles et la revolution. 255
le sentiment des populations sur les ecoles nationales; les resultats ob-
tenus. — 5. Que le programme actuel d'enseigneraent primaire n'a rien
innove, quant au fond. Der letzte Punkt allein schon verrät, dafs der
Verfasser nicht rein historische Zwecke verfolgt. Doch dürfte seine
Arbeit durch die ira Drucke mitgeteilten Aktenstücke von Wert für die
Schulgeschichte der Normaudie sein.
Von dem gegenwärtig in Frankreich und Belgien tobenden Kampfe
um die humanistischen Schulen handeln folgende Arbeiten:
La question du Latin de M. Frary et les professions liberales
par A. Vessiot, ancien membre du Conseil superieur de l'Instruc-
tion publique, Inspecteur d'academie ä Paris. Deuxieme edition.
Paris. Librairie H. Lecene et H. Oudin. 1886. 71 S.
In Frankreich wird zur Zeit, wie man aus dieser kleinen Streit-
schrift ersehen kann, die Frage der klassischen Sprachen, in specie des
Lateins mindestens ebenso heftig erörtert wie in Deutschland. Es dürfte,
entsprechend dem Charakter der Romanen, die Debatte noch mit einem
gröfseren Aufwand von Rhetorik geführt werden als wie bei uns. Als
Beispiel dafür mag eine Stelle unserer Schrift, die M. Frary bekämpft,
dienen; nachdem angeführt ist, dafs Frary von einer aristocratie des
producteurs spricht, fährt Vessiot fort: »M. Frary nous declare que le
producteur seul est fecond, corame du reste son nom l'indique assez, et
que les professions dites liberales, sans doute parce qu'elles sont enne-
mies de la liberte, sont steriles. Aristocratie, c'etait dejä trop; mais
aristocratie sterile, cela crie vengeance et, corame dit l'auteur, »il est
temps de remettre ces geus-lä ä leur place.« Pour ma part, je suis
effraye du nombre d'aristocrates qui viennent tout ä coup de se reveler
ä moi, et dont je ne soupQonnais pas l'existence. Je m'en sens entoure,
presse, enveloppe. Medecins, — aristocrates! Avocats, avoues, — aristo-
crates! Juges, procureurs, — aristocrates! Professeurs de tout rang,
de tout ordre etc., -- aristocrates, aristocrates! Ah mais, j'y pense, et
moi, moi-meme, ne suis- je pas un aristocrate? Ce qui me console un
peu, c'est que M. Frary, lui aussi, est aristocrate, au premier chef etc.«
Was die sonstigen Gründe und Gegengründe betrifft, so unter-
scheidet sich die französische Opposition dadurch von der deutschen,
dafs sie mehr die politischen und national-ökonomischen Gesichtspunkte
betont, während wir Deutsche mehr mit Gründen der Geschichte, Litte-
ratur, Philologie und Logik kämpfen. Man vgl. z. B. S. 21, wo vier Ge-
sichtspunkte national-ökonomischer Art als Ausgangspunkte für den An-
griff auf die alten Sprachen aufgezählt werden.
Mit den vergangenen und gegenwärtigen Verhältnissen Deutsch-
lands scheint der Verfasser nicht sehr vertraut zu sein. Sonst hätte
er S. 70 kaum schreiben können: »Ni les Anglais, ni les Allemands
n'out Jamals souge k proscrire les langues grecque et latine; rien n'in-
256 Geschichte des Schulwesens.
dique qu'ils y songent, au contraire. II n'est pas jiisqu'au peuple ame-
ricain, le producteur par excellence, qui ne travaille ä propager chez
lui la culture de ces langues, que l'auteur veut extirper chcz nous.«
Wer in Deutschland lebt, wird kaum begreifen können, wie man obige
Behauptung so schlankweg aufstellen kann.
La Question des Humanites par Jos. Keelhoff docteur en Philo-
sophie et lettres. Bruxelles. J. Lebögue et C'® , imprimeurs-6di-
teurs. 70 S.
Diese kleine Schrift, welche zeigt, dafs der Krieg gegen die alten
Sprachen in Belgien und Frankreich mit gröfserer Heftigkeit geführt
wird als in Deutschland, ist eigentlich die erweiterte und mit Anmerkun-
gen versehene Gestalt eines Artikels, welcher ursprünglich in der Revue
de Belgique erschienen war, um einen Artikel derselben Revue »De
rinutilite des fitudes humanitaires« zu bekämpfen.
Der Verfasser geht von einer Bemerkung aus, mit welcher Patin
1833 seine Vorlesungen eröffnet und worin er über die Geringschätzung
der klassischen Sprachen geklagt hatte. Seitdem hätten die Feinde des
klassischen Unterrichtes noch an Boden gewonnen. Gegen den Vor-
wurf, dafs das Studium der alten Sprachen nicht nützlich sei, wird be-
merkt: L'utilite est une fort belle chose, mais le tout est de s'entendre
sur la notion de l'utilite: teile chose est utile ä Tun, et teile ä l'autre;
teile est utile au point de vue materiel, teile autre au point de vue
intellectuel.
Nach den Auseinandersetzungen von S. 12 scheint es, dafs man
in Belgien noch keine Realschulen hat, sondern eine Art von Gabelung
in den Schulen eintreten läfst: eu Belgique, l'enseignement professionnel
existe dans les athenees au meme titre que les humanites, et on ne
voit donc pas de quoi peuvent se plaindre les adversaires des langues
anciennes, puisque les parents ont le choix et que, pour aucune fonc-
tion, les humanites ne sont exigees.
Der Verfasser sucht nun zunächst zu beweisen, dafs die klassi-
schen Sprachen den Geist besser entwickeln und für die höheren Stu-
dien, selbst für die technischen, besser vorbereiten als die Realien, les
^tudes professionnelles. Der Beweis wird mit Hilfe von Autoritäten
geführt, unter denen auch K. A. Böckh, Tilscher vom Prager Polytech-
nikum, der berühmte Liebig u. a. genannt sind. — Den zweiten Vor-
teil der klassischen Bildung sieht Keelhoff in der Vertrautheit mit der
klassischen Litteratur, deren Wert sogar M. Frary anerkannt, wenn er
sagt: La nature peut reproduire un Homere: l'art ne peut reproduire
une Iliade et une Odyssee. Diese Vertrautheit ist aber nur durch die
Kenntnis der Sprachen zu gewinnen, worin diese Werke geschrieben
sind. In diesem Zusammenhang erscheint ihm sogar die Erneuerung
der Übungen in lateinischer Versifikation nicht so übel.
J. Keelhoff, La Question des Hutnanites. 257
Ferner aber ist eine wissenschaftliche Erkenntnis des Französischen
ohne Lateinisch unmöglich. Wenn man dagegen einwendet, dann müsse
man im Grunde Sanskrit studieren, so ist das falsch; denn La sanskrit
n'est pas le pere du grec et du latin, c'est un frere aine de ces deux
langues.
Ein vierter Abschnitt beweist, dafs die Humaniora auch für juri-
stische und medizinische Studien nützlich sind, obgleich das Gegenteil
behauptet werde. Denn das römische Recht ist im Grunde kein frem-
des und kein totes Recht, und für die Medizin ist der Zusammenhang
mit den antiken Medizinern von Wichtigkeit. Der Verfasser ist aber
weit entfernt, die Berechtigung anderer Schulgegenstände, wie der neue-
ren Sprachen, der Geschichte und der Geographie zu bestreiten.
Zwölf Thesen am Ende formulieren die Forderungen des Ver-
fassers, aus welchen Th. VI noch angeführt sein mag: Pour les auteurs
grecs, on s'en tiendra strictement aux auteurs attiques; Lucien et Plu-
tarque auront ä disparaitre des programmes. Ou ne commencera Ho-
mere et Herodote qu'en seconde, alors qu'on sera suffisamment farailia-
rise avec les formes attiques.
Institution des Chartreux. De I'etude du Grec Discours pro-
nonce ä la distribution des prix le 29. Juillet 1886 par M. l'Abbe
Rivoyre Frofesseur-Adjoint de Rhetorique. Lyon. Imprimerie Schnei-
der freres. 1886. 32 S.
Der Verfasser, zu dessen Zuhörern auch zwei Bischöfe gehörten,
führt in rhetorischer Weise sein Thema durch. In der Einleitung wird
der Begriff Fortschritt in einer Weise charakterisiert, dafs man in
Deutschland dafür Radikalismus setzen würde: Qu'il s'agisse de poli-
tique, de liiterature ou de religion, le progres consiste dans la ruine
de tont ce qui a exist^ jusqua nous. Der Fortschritt darf jedoch im
Unterricht nicht zur Beseitigung der klassischen Sprachen führen: la
nature morale et intellectuelle de l'homme et l'esprit particulier d'une
nation ne chauge pas. — In dem ersten Teil wird nun die Behauptung
verfochten, dafs unter allen Völkern der alten und neuen Zeit keines
dem französischen ähnlicher ist als das griechische: Si nous cherchons,
parmi les peuples anciens et modernes, la nation qui rappeile le mieux
les traits essentiels de l'esprit frangais, l'equilibre eutre les facultes, la
justesse du goüt, la delicatesse des seutiments, la superioritö de la rai-
son, nous n'en trouvons qu'une: c'est la nation hellenique. Die Beweis-
führung dafür, gröfstenteils geschichtlich, ist sehr angreifbar und dürfte
deutsche Leser schwerlich überzeugen. Zwei Eigenschaften legt er
den beiden genannten Völkern in besonderem Grade bei: le courage
militaire et l'amour de l'eloquence. Das Zeitalter des Perikles und
Ludwig XIV scheinen ihm besonders ähnlich und die Empfänglichkeit
Jahresbericht für Altertbumawissenschaft LH. (1887. III.) 17
258 Gelehrten- und Schulgeschichte.
für geistige Leistungen bei Griechen und Franzosen gleich lebhaft. Im
zweiten Teil der Rede wird die Notwendigkeit und der Nutzen der klas-
sischen Sprachen für die Erziehung bewiesen. Das Griechische ist eine
geistige Gymnastik für die Jugend, die weder durch das Englische,
dessen Aussprache so schwer ist, noch durch das Deutsche ersetzt wer-
den kann; L'allemand n'a rien ä envier au grec pour les difficultes,
mais les flexions pauvres, ä sonorite indecise, de ses decliuaisons sont
plutöt des signes orthographiques, destines h empecber les erreurs ma-
terielles dans l'explication dune phrase peu claire etc. und später: La
phrase en allemand est sans mobilit^ süffisante: sa marche lourde et
uniforme deroute notre esprit dout l'allure est vive et prompte. Notre
instinct de logique et de clarte est choque par ce jeu de patience et
ces artifices de pieces ä rapporter qui nous exasperent dans les periodes
germaniques. Also das Deutschlernen ruiniert den Esprit und die Logik
der Franzosen! Die Gründe, mit denen der beredte Franzose seinen
Xoyos imdecxTcxog schliefst, sind zu rhetorisch, um eine wirkliche För-
derung des Problems zu bieten.
In die neue und neueste Gelehrten- und Schulgeschichte
führen folgende Arbeiten:
Giuseppe Biadego. II P. Mansi e il P. Maraachi (Aneddoto
Muratoriano) aggiuntavi la bibliografia delle lettere a stampa di L. A.
Muratori. Verona. F. Geyer. 1886. 44 p.
Gemeint ist eine gelehrte Abhandlung von P. Mansi »sopra il
codice dell' Anonirao autore veronese publicato da Scipione Maffei« mit
kirchengeschichtlichem Inhalt (Verona 1738); dieselbe fand den Beifall
Muratoris, wie sich aus einem Briefe desselben an Mansi vom 28. Jan.
1747 ergiebt, der S. 6 im Wortlaute mitgeteilt wird. Dagegen schrieb
jedoch der Predigermönch Mamachi »bibliotecario e teologo della Casa-
natense« in zwei Artikeln im Giornale di Roma (1747). Der Brief, wel-
chen Muratori darauf an Mamachi schrieb, ist S. 8—10 aus einer Hand-
schrift [der bibl. Casanatense abgedruckt. Die Bibliographie umfafst
S. 19—44.
Karl Knortz, Gustav Seyffarth. Eine biographische Skizze. New-
York. E. Steiger & Co. 1886.
Nur durch lose Fäden hängt der Inhalt dieses kleinen Buches mit
unserem Thema zusammen. Der bescheidene Verfasser selbst bezeichnet
dasselbe als einen Vorläufer für eine wissenschaftliche Biographie, deren
Abfassung er von einer anderen Feder erhofft: »Vorliegende Schrift«,
sagt die Einleitung, »ist nicht für Fachgelehrte, am allerwenigsten aber
für Spezialisten auf dem Gebiete der Ägyptologie geschrieben, sondern
sie soll nur zur Erinnerung an einen Mann dienen, der sein ganzes
K. Knortz, G. Seyffarth. 259
langes Leben in den Dienst der Wissenschaft stellte«. Der Inhalt zer-
fällt in folgende Abschnitte: 1. G. Seyffarths Lebensgeschichte. 2. Aus-
züge aus Seyffarths Briefen an seine Eltern 1826 — 28. 3. Die For-
schungen Seyffarths. Anhang: I. Aus einem Vortrag Seyffarths über
den Obelisken im New-Yorker Central-Park. IL Ein paar Stimmen aus
älterer Zeit für die Richtigkeit von Seyffarths System, a. Ein Aufsatz
von Prof. Dr. Heine. Wuttke. 185G. b. Eine Kritik aus der Deut-
schen Allg. Zeitung 1843: »Seyffarth und de Briere«. III. Chronolo-
gisches Verzeichnis der Schriften und Abhandlungen G. Seyffarths.
Seyffarth, geboren den 13. Juli 1796 zu Übigau bei Torgau als
Sohn eines streng lutherischen Pastors, besuchte die Fürstenschule zu
Meifseu, um dann die Universität Leipzig zum Studium der Theologie,
Philologie, Philosophie etc. zu beziehen. 1824 doktorierte er mit einer
Arbeit : De sonis literarum Graecarum tum genuinis, tum adoptivis libri
duo. Accedunt commentatio de literis Graecorum subinde usitatis, dis-
sertationes, index et tabulae duae, wozu der Lehrer Gottfried Hermann
eine epistola schrieb. Nachdem S. sich in Leipzig habilitiert hatte,
veranlafste ihn ein Auftrag bezüglich der Herausgabe des litterarischen
Nachlasses des Aegyptologeu Spohn sich speziell der Aegyptologie zu-
zuwenden. Dabei wurde er der Gegner Champollions und seiner Schule.
Nach grossen Reisen wurde er 1830 Professor der Archäologie, welche
Stelle er 1854 freiwillig aufgab, um 1856 nach Amerika zu gehen.
1856 — 1859 war er Lehrer am lutherischen Predigerseminare in St. Louis.
Zum grofsen Leidwesen der Beteiligten gab er diese Stellung auf und
siedelte nach New- York über, wo er mehr wissenschaftliche Hilfsmittel
für seine Studien hatte, und wo er 1885 gestorben ist. Mehr und mehr
hatte er sein ausgedehntes Wissen in den Dienst der Theologie gestellt,
wie an seinem Grabe gerühmt wurde: »All sein Forschen und Arbeiten
verfolgte den Zweck, zu beweisen, dafs die heilige Schrift reine lautere
Wahrheit sei.« Seine Abschriften zahlreicher Papyrushandschriften (15
Bände) hat er der New- York Historical Society vermacht. Sein übriger
Nachlass, bestehend aus einer sehr ausgedehnten Korrespondenz und
den Manuskripten zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten, kommt viel-
leicht auf die Leipziger Universitätsbibliothek.
Der Hauptwert der Schrift besteht in der Mitteilung der Briefe,
die einen schönen Einblick in das wissenschaftliche Leben der zwan-
ziger Jahre gewähren. Interessant ist z. B. Seyffarths Disputation mit
Champollion zu Rom über das System der Entzifferung hieroglyphischer
Texte.
Im einzelnen wäre manches zu berichtigen: die Aufrichtung der
sächsischen Fürstenschulen (S. 8) ist kein Werk Friedrichs des Weisen,
sondern erst Moritzens von Sachsen. Der Unterricht auf diesen Schulen
(S. 9) war nicht vorzugsweise religiöser Natur, sondern man trieb alle
Fächer der Lateinschule. Der Magister Artium und Doktor der
17*
260 Gelehrten- und Schulgeschichte.
Philosophie (S. 9) ist nichts Verschiedenes, sondern dieselbe Würde
unter verschiedener Bezeichnung. Auch die Erklärung (S. 9), warum
die Meifsener Fürstenschüler so gut lateinisch sprachen, ist nicht ge-
nügend etc.
Notice sur £mile Egg er, Professeur ä la faculte des lettres de
Paris, membre de l'institut (Academie des inscriptious et belles-lettres).
Sa vie et ses travaux par Anatole Bailly professeur au lycee d'Or-
leans, membre du conseil acadömique de Paris. Paris. G. Pedone-
Lauriel, editeur. 1886. 242 S.
In den einleitenden Sätzen wird von Egger gerühmt, dafs der be-
rühmte Gelehrte auch ein gutes Herz hatte und der Mensch nicht we-
niger Achtung verdiente als der berühmte Schriftsteller. Die Schrift er-
hebt auch nicht den Anspruch eine ausreichende Würdigung des Mannes
zu geben, sie will nur eine einfache Auseinandersetzung (le simple ex-
pose) sein, das auch in dieser Gestalt genüge, den Leser für Egger zu
interessieren. Mit Vorliebe wird darauf hingewiesen, wie derselbe auch
für Gegenstände und Fragen Interesse bewies, welche nicht direkt mit
der klassischen Altertumswissenschaft zusammenhängen, so dafs er z. B.
wiederholt zur Sammlung von Provinzialismen in der Gegend von Or-
leans anregte: Un peu orleanais par ma uaissance (et j'aime ä m'en
faire honneur), nous disait-i), je ne parcours pas ce pays saus y relever
dans la bouche du peuple quelques - uns de ces mots qu'ou regrette de
voir tomber d'usage parrai les gens du monde poli (S. 3).
August Emil Egger, geb. den 18. Juli 1813 zu Paris, stammte aus
einer Familie, deren ursprüngliche Heimat in der Nähe von Klagenfurt
in Kärnthen ist. Ein Freund des Hauses prophezeite dem talentvollen sie-
benjährigen Knaben eine Pairsstelle, welche Weissagung sich nur in über-
tragenem Sinn erfüllt hat. Seit 1823 besuchte er das College Saint-Louis,
zu dessen ausgezeichnetsten Schülern er bis 1830 gehörte. Trotz des To-
des seines Vaters, welcher für die Familie ein schwerer Schlag war, ge-
lang es ihm seine Studien fortzusetzen, und den l. August 1831 wurde er
bachelier. Ungeachtet der Unterrichtsstunden, die er aus Mangel an Mitteln
geben mufste und zwar in Latein, Griechisch und Französisch, machte er
doch seinen Studieuweg ziemlich schnell: licencie 27. Juli 1832, docteur
27. Juli 1833, agrege 12. September 1834. Bei dem letzten Akte siegte
er mit einem lateinischen Gedichte in Hexametern: Songe d'Ennius, dessen
Originalität den besonderen Beifall des Präsidenten Villeraain erntete und
S. 127—129 des Anhangs abgedruckt ist. Für das Doktorexamen, das
er entgegen der bestehenden Übung vor der agregation machte, hatte
er als these frangaise gewählt: £tude sur l'education, et particulierement
sur l'education litteraire chez les Romains, depuis la fondation de Rome
jusqu'aux guerres de Sylla, und als lateinische These: De Archytae
tarentini, pythagorici vita, operibus et philosophia disquisitio. Er fand
A. Bailly, Notice sur Emile Egger. 261
sodann Verwendung am College Saint- Louis. 1838 bekam er »la rbe-
torique supplementaire« am College Henri IV. Trotz des kleinen Ge-
haltes legte er jetzt schon den Grund zu seiner später so überreichen
Bibliothek.
Der fleifsig weiter studierende Gelehrte besuchte in den folgenden
Jahren eine von M. de Lasteyrie präsidierte Societe des Methodes d'en-
seignement, in der man nach seiner scherzhaften Erzählung in wenig Jah-
ren 80 Methoden des Lesens behandelte. Durch die Verniittelung von M.
Dubois wird er Mitarbeiter des Journal general de Tlnstruction publique.
Besonderes Interesse gewannen ihm die Vorträge von Hase und Boisso-
nade ab, von denen der erste damals an der £cole des langues orien-
tales Neugriechisch lehrte und der zweite damals (1833) seine Publi-
kation der Anecdota vollendete. Beide Männer haben einen bedeuten-
den Einflufs auf Egger geübt.
1844 wurde er suppleant der zweiten Lehrkanzel im College Saint-
Louis. Ein grofser Concours desselben Jahres verschaffte ihm nach
Ozanam die zweite Stelle, während Berger die dritte erhielt. Das
Urteil lautete: M. Egger, qu'un prix remporte ä l'Academie des inscrip-
tions et belles-lettres et des Services distingues dans les Colleges de
Paris avaient Signale de plus pres ä notre attention, est avant tout un
philologue tres savaut et tres habile; mais la rapidite de sa pensee, la
vivacite de sa parole, et l'immense avantage qu'il a obtenu dans la com-
position frangaise qui a fait partie de ce concours, prouvent qu'il est
appele ä joindre au merite de savoir beaucoup le talent d'etre ecoute.«
Bis 1844 ist er ebenso sehr Hellenist wie Latinist, seitdem wendet er
sich mehr dem Griechischen zu. An der Sorbonne las er wöchentlich
einmal eine legon d'analyse philologique und eine de critique litteraire.
Gegen politische und andere Streitigkeiten verhielt sich unser Gelehrter
ablehnend; obgleich er sich über die Tagesereignisse unterrichtete, blieb
er doch seinem Berufe als Gelehrter treu: homme de science il se re-
servait pour la science.
Durch seinen Essai sur l'histoire de la critique chez les Grecs,
womit er eine Ausgabe der Poetik des Aristoteles verband, bahnte er
sich 1854 den Weg in die Akademie oder das Institut, die Anstalt, wo-
nach die stille Sehnsucht jedes französischen Gelehrten geht. 30 Jahre
lang war er ein aufmerksamer Teilnehmer bei den Sitzungen, in denen
seine ausgedehnte Gelehrsamkeit ihm oft Anlafs zur Beteiligung bot.
Allmählich galt er bei seinen Kollegen als der erste und vorzüglichste
Philologe, besonders unter den Gräzisten: dans le doraaine special des
etudes de grammaire et d'antiquites , il allait devenir comme le chef
reconnu de toutes les fondations et de tous les travaux. Das Jahr 1870
vertrieb ihn nicht aus Paris; obgleich beinahe 60 Jahre alt, liefs er sich
in die Liste der Veteranen einschreiben, denen man die Bewachung des
Innern von Paris anvertraute. Als sodann nach dem Kriege die Repu-
262 Gelehrten- und Schulgeschichte.
blik daran ging, ihr ganzes Unterrichtssystem umzugestalten, war Eggers
Name einer der schwerwiegendsten unter den zahlreichen Projekten-
raachern.
In dem Schlufs rühmt der Verfasser unter andern guten Eigen-
schaften Eggers besonders sein Pflichtgefühl, seinen Mut im Ertragen
von Leiden des Geistes und des Körpers. Der sehr umfangreiche An-
hang (S. 125 — 242) hat einen sehr maunichfaltigen Inhalt: Arbeiten
Eggers, darunter auch sein Concours pour l'agregation des facultes
(1840), welcher über die Oraisons funebres de Bossuet handelt, zahl-
reiche Briefe, darunter einer von Doctor juris Th. Mommsen aus Altena
vom 6. Juni 1844, worin wir Mommsen bereits mit dem Plane des Cor-
pus inscriptionum latiuarum beschäftigt finden. Man glaubt sich in die
Zeiten des Camerarius und Melanchthon zurückversetzt, wenn man da
liest, wie Boissonade und Egger sich griechische Briefe schreiben. Von
deutschen Philologen ist noch Wilhelm Freund, der bekannte Verfasser
des lateinischen Lexikons, vertreten, der sich bereit erklärt, in dem
von der französischen Akademie geplanten Corpus inscriptionum latina-
rum die Inschriften aus Ober-Italien, Deutschland, Britannien und ein
Lexikon epigraphicum zu übernehmen. Auf eine Auswahl aus Eggers
griechischen und lateinischen Poesien folgt eine umfangreiche Biblio-
graphie seiner Arbeiten, welche auch die sehr zahlreichen Aufsätze in
Zeitschriften und Zeitungen verzeichnet. Von den gröfseren Werken,
welche mehrere Auflagen erlebten, mögen erwähnt sein : Essai sur l'Hi-
stoire de la Critique chez les Grecs, suivi de la Poetique d'Aristote etc.
(zwei Auflagen), Notions elementaires de grammaire comparee, pour ser-
vir ä l'etude des trois langues classiques, conformeraent au nouveau Pro-
gramme officiel. Paris 1852— 1880 (acht Auflagen), Aristote. Poetique
avec des extraits de la Politique et des Probleraes. Texte grec, avec
commentaires en fraugais (sechs, resp. vier Ausgaben), Observations et
reflexions sur le developpement de l'intelligeuce et du langage chez les
eufants (vier Auflagen), Histoire du livre depuis ses origines jusqu'ä
nos jours (vier Auflagen). Reden und Nekrologe Eggers beschliefsen
das lehrreiche Werk, das auch mit seinem Bilde geschmückt ist.
Oscar Sommer, Gottfried Semper. Vortrag gehalten in den
Versammlungen des Architekten- und Ingenieur- Verein (sie) in Frank-
furt a. M. am 23. XL und 24. XII. 1885. Sonderabdruck aus der Zeit-
schrift für Bauwesen. Berlin 1886. Verlag von Ernst & Korn (Wil-
helm Ernst). Lex. 8. 45 S.
Obgleich ein für Techniker bestimmter Vortrag, verdient derselbe
trotzdem wegen der grofsen Bedeutung Sempers für die Altertumswis-
senschaft auch an dieser Stelle kurze Erwähnung. Die Bedeutung Sem-
pers wird S. 7 so formuliert: »Als echter Reformator verwarf er nicht
das Vorhandene, sondern knüpfte an die Weise an, welche im Volke die
0. Sommer, Gottfried Seraper. 263
tiefste Wurzel geschlagen hatte. Unbeirrt durch die herrschenden Moden
und die Liebhabereien einzelner Kreise der Gebildeten tritt er aus in-
nerster Überzeugung ein für die Überlieferung des Altertums.
Er erkennt das daraus entstandene wahrhaft Grofse, sieht aber zugleich,
dafs der edle Kern bis zur Trockenheit erstarrt und jeder Eigenart ver-
lustig gegangen ist.cr
Von seinem Leben werden nur die wichtigsten Thatsachen mitge-
teilt: 1803 in Hamburg geboren, studiert er in Göttingen Mathematik
und Archäologie und geht sodann nach Paris. 1830 führte ihn eine
Studienreise durch Südfrankreich nach Italien bis nach Rom, wo er
länger bleibt. Sodann geht es über Sicilien nach Griechenland, wo er
mit seinem Freunde Gonry die Tempel auf ihre farbige Bemalung unter-
suchte und überraschende Entdeckungen machte. Die Farbe wurde ihm
zum Schlüssel für das Verständnis griechischer Baukunst. Gleich nach
seiner Rückkehr nach Deutschland entstand sein Werk: »Bemerkungen
über vielfarbige Architektur und Skulptur bei den Alten«. Direktor
der Bauakademie in Dresden geworden, schafft er eine grofse Anzahl
hervorragender Werke, darunter auch die Bühnendekoration zur Anti-
gene. Die Revolution des Jahres 1848 trieb ihn ins Ausland, bis er
1855 an das Polytechnikum nach Zürich berufen wurde. Als seine wich-
tigste That in dieser Stadt wird sein Buch »der Stil oder praktische
Ästhetik« bezeichnet. Schon 68 Jahre alt, wird er 1871 als Oberbau-
rat zum Neubau der Hofmuseen und des Hofschauspielhauses nach Wien
berufen. 1879 starb er in Rom. »Semper machte auf jeden, der ihn
kennen lernte, den Eindruck einer bedeutenden Persönlichkeit. Es
paarte sich in ihm ein eigentümliches Gemisch von Herbheit und Lebens-
frische ; oft war er hypochondrisch, stets leidenschaftlich und bis in sein
hohes Alter voll künstlerischen Feuers und schöpferischer Kraft«.
In einem zweiten Abschnitte »Sempers Anschauungen und Lehr-
ansichten« wird eine Übersicht derselben gegeben. Ausgehend von dem
Gedanken, dafs der Einflufs der Antike auf alle unsere Verhältnisse eine
unbestrittene Thatsache ist, fragt er, welche Wege einzuschlagen seien.
Die Antwort darauf ist deshalb nicht so einfach, weil man auf das Klima
und selbst die Sitten des Landes Rücksicht nehmen mufste. In jedem
Werke der Baukunst sah er noch etwas mehr als ein blofses Baugerüst;
er sah in demselben »eine Wesenheit, die wie eine Pflanze als etwas Ge-
wachsenes erscheinen mufste.«
Eine besondere Bedeutung hat die Stillehre, deren Gegenstand
das Entstehen des Schönen in der Kunst ist. Stil bei einem Kunst-
werke heifst: 1. Das Erreichen des Zweckes durch die Kunst gedanken.
2. Das Anpassen der Grundgedanken an den Stoff in Beziehung auf
die waltenden Naturkräfte. 3. Die organische Gesetzmäfsigkeit der
Elemente oder einzelnen Teile und das Zusammenpassen und entspre-
chende Bei- und Unterordnen derselben. 4. Die dem Stoff angemessene
264 Gelehrten- und Schulgeschichte.
Behandlung durch die technischen Hülfsmittel bei Verkörperung des
Gedankens.
Eine klare Zusammenfassung der Semperschen Gedanken findet
Sommer deshalb schwierig, weil dessen schwerfällige, zopfige Schreib-
weise einem solchen Bestreben trotz der Folgerichtigkeit des Inhaltes
im Wege steht.
Die beiden nächsten Abschnitte: »Welche Schlüsse zog nun Sem-
per aus dieser seiner Lehre für uns und für die Zukunft unserer Bau-
kunst?« und »Sempers Einflufs« liegen aufserhalb der hier gestellten
Aufgabe.
Caroli Julii Caesaris vitae memoria a Leopoldo Schmidtio
conscripta (Index lectionum der Universität Marburg für das Winter-
semester 1886 auf 1887. 4). 16 S.
Für die Kenntnis des früheren Lebens von Caesar druckt Schmidt
das Curriculum vitae ab, mit welchem Caesar 1837 sich um den Doktor-
grad und die Venia legendi in Marburg bewarb. Darnach ist er 1816
in Cassel geboren, absolvierte das Lyceum Fridericianum und studierte
seit Frühling 1833 in Marburg, anfangs Theologie und Philologie, später
nur Philologie, unter Leitung von K. Fr. Hermann, Hupfeld, Kling,
Sengler etc. 1835 ging er nach Göttingen und hörte bei Müller,
Leutsch, Herbart und Jakob Grimm. 1836 bestand er das Examen als
Kandidat des höheren Lehramtes und erhielt 1837 die Venia legendi
an der Universität Marburg, nachdem K. Fr. Hermann geurteilt hatte,
Caesars Dissertation »als glänzendes specimen eruditionis und rühm-
lichen Beweis gesunden Urteils und gründlichen Forschens unbedingt zu
approbieren«. Nach einem Jahre, das er mit Studien beschäftigt zu
Cassel verbrachte, trat er seine Lehrthätigkeit 1838 in Marburg an.
1842 wurde er extraordinarius , 1853 Gehilfe des Direktors des philo-
logischen Seminars, 1863 Ordinarius und im gleichen Jahre auch Di-
rektor des philologischen Seminars. Schon seit 1848 war er auch an
der Bibliothek thätig, seit 1882 Oberbibliothekar. Zugleich war er im
Laufe der Jahre Mitglied verschiedener Kommissionen.
Sodann bespricht Schmidt eine Anzahl Arbeiten Caesars, unter
denen neben den eigentlich philologischen sich auch einige auf die Uni-
versitäten und ihre Geschichte bezüglichen finden: Die Universität als
Genossenschaft (1865), die Universität Marburg als Stiftung Philipps des
Grofsmütigen (1867), Christian Wolff in Marburg (1879). Ein vollstän-
diges Verzeichnis der Arbeiten Caesars ist, wie Schmidt ausdrücklich
bemerkt, nicht beigegeben. Der Abdruck der Adresse, womit die Uni-
versität Marburg im Jahre 1886 den 70. Geburtstag Caesars feierte, be-
schliefst das kurze pietätsvoll geschriebene Lebensbild.
G. K{inkel), Erinnerungfln an H. Köchly. 265
G. K(inkel), Erinnerungen an Hermann Köchlys Thätigkeit in
Zürich ( Zürcher akademisches Taschenbuch für 1886/87. Nach offi-
ziellen Quellen bearbeitet von Rudolphi und Klemm. S. 1 — 10).
Dieser kurze Aufsatz eines Schülers des bekannten Philologen
giebt eine knappe Übersicht über Köchlys Thätigkeit von 1849 bis 1864,
d. h. von seiner Berufung nach Zürich bis zu seiner Übersiedelung nach
Heidelberg. Erziehungsdirektor Alfred Eschers Verdienst bleibt es, den
tüchtigen Mann aus der grofsen Zahl von Bewerbern um die Professur
Orellis herausgetunden zu haben. Es hätte der Arbeit K.'s nicht zum
Nachteil gereicht, wenn er auch Einiges über die vorzüricherische Pe-
riode seines Lehrers gesagt hätte, die keineswegs so unbedeutend war,
wie man nach dem Schlufs des Aufsatzes vermuten könnte. Wir ver-
weisen den Verfasser dafür auf die letzten Abschnitte in Paulsens Ge-
schichte des höheren Unterrichts.
"Wenig erfreulich ist S. 2, wo es K. für notwendig erachtet, die
badischen Seminaristen, ihre philologische Vorbildung und ihre Tüchtig-
keit herabzusetzen, um die Züricher Seminaristen, zu denen der Ver-
fasser natürlich selbst gehört hat, in einem desto helleren Lichte er-
scheinen zu lassen. Wedn daselbst angeführt wird, dafs »Bentley und
Hofmann Peerlkamp offenbar unbekannte Gröfsen in diesen Kreisen«
waren, so darf man fragen, was er mit diesen Kreisen meint. Etwa die
eben von der Schule gekommenen Füchse des Seminars? Oder viel-
leicht die gereifteren Schüler Kaysers, Bährs und Starks? Dafs die
ersteren die bekannten und um Horaz hoch verdienten Philologen nicht
kannten, beweist nur, dafs ihnen Horaz auf der Schule so ausgelegt
worden, wie es für dieselbe schicklich ist. Wenn aber ein Ignorant,
der bei Kayser hörte, Bentley und Horaz nicht kannte, dann ist es
jedenfalls unberechtigt, weitere Schlüsse allgemeinerer Art daraus zu
ziehen.
Wenn uns aber K. glauben machen will, dafs solche Versehen
»in Zürich absolut nicht vorkommen«, wie er sie karrikierender Weise
aus dem Heidelberger Seminar berichtet, so wird er uns vielleicht
einige Zweifel gestatten. Der Schreiber dieser Zeilen gehört zu den
dankbaren Schülern Köchlys aus seiner Heidelberger Zeit, die in Baden
nicht so ganz selten sind, und bedauert, dafs Kinkel diesen Nachruf
benützte, um allerlei über die Heidelberger Thätigkeit Köchlys zu
behaupten , was zum mindesten sehr anfechtbar ist. Eine gröfsere
Objektivität wäre dem Aufsatz gewifs ebensosehr zu statten gekom-
men, wie wenn der Verfasser seine Darstellungsweise etwas besser ab-
gerundet hätte.
Aus der Flut von Litteratur, welche der gegenwärtige Kampf
auf dem Gebiet des höheren Schulwesens erzeugt, wurden mir
folgende Schriften zugänglich:
266 Gelehrten- und Schulgeschichte.
Rektor Dr. Herapfing, Die grofse Zahl der Abiturienten der
höheren Lehranstalten und die viel gröfsere Zahl der Schüler, welche
den Kursus nicht vollenden, nötigen bei den gegenwärtigen wirtschaft-
lichen Verbältnissen unseres Volkes zu einer andern, auch pädago-
gisch zweckmäfsigeren Folge der fremden Sprachen ira Unterricht.
(Beil. z. Progr. des Realprogymnasiums zu Marburg. Marburg 1886.
Progr. No. 384. 28 S.).
Der Verfasser, welcher sine ira et studio schreiben will und eine
ziemliche Litteratur der Frage beherrscht, schildert die gegenwärtig
herrschenden Zustände und kommt zu dem Resultate, dafs 96 Prozent
der gegenwärtigen Schüler nach einem Lehrplan unterrichtet werden,
bei welchem auf ihren späteren Beruf keine Rücksicht genommen wird.
Von den vorgeschlagenen Mitteln zur Abhilfe weist er aufs entschieden-
ste den ab, »dafs nur derjenige Schüler die Berechtigung zum Einjährig-
Freiwilligen -Militärdienst erhalten soll, welcher das Maturitätsexamen
bestanden hat«. Dadurch würde die ohnehin schon hohe Zahl der Stu-
dierenden noch erhöht und dem praktischen Leben manche tüchtige
Kraft entzogen werden. Er sieht das Heil vielmehr in einer andern
Ordnung des fremdsprachlichen Unterrichtes: Sexta und Quinta nur
Französisch, in Quarta kommt das Englische hinzu. In Tertia tritt
Latein mit acht bis neun Stunden ein, während Französisch und Eng-
lisch jetzt einige Stunden verlieren. Untersekunda verschafft das Reife-
zeugnis wie bisher. Erst nach Abgang der NichtStudierenden beginnt
sodann mit Obersekunda das Griechische.
S. Die Reform unserer Gymnasien nach jesuitischer Anschauung
(Preufs. Jahrbb. Bd. 57 (1886) S. 138-166).
Der Aufsatz ist eine scharfe und eingehende Kritik der Schrift
des Jesuitenpaters G. M. Pachtler »die Reform unserer Gymnasien«
(Paderborn 1883). Bezüglich der vorgeschlagenen Urawaudelung des
Lehrplans kommt der anonyme Verfasser zu dem Resultate: »Fassen
wir die Ergebnisse unserer Ausführungen in kurzen Worten zusammen,
so erscheinen als die charakteristischsten und zugleich abstofsendsten
Züge des Bildes, welches Pachtler nach dem Modell der Jesuitenschuleu
von dem Gymnasium der Zukunft entwirft: der dürftige Religionsunter-
richt, die vollständige Vernachlässigung der deutscheu Sprache und
Litteratur, ferner in der Geschichte die gedächtnifsmässige Behandlung
auf den unteren Stufen und der Mangel des vaterländischen Gesichts-
punktes, endlich die mechanische Dressur des Gymnasiasten zur cicero-
nianischen Eloquenz und des Lyceisten durch die scholastische Philoso-
phie.« Ebenso lehnt der Kritiker die Vorschläge Pachtlers über die
Heranbildung der Lehrer ab.
P. Otto, Die höhere Einheitsschule 267
Oberlehrer Paul Otte, Die höhere Einheitsschule, eiu Rückblick
auf die seit 1873 gemachten, in Plänen niedergelegten Vorschläge
und Versuche (Beil. zum 32. Jahresbericht des Realgymnasiums zu
Potsdam 1886. 4. 16 S. Progr. No. 103).
Die Arbeit ist eine Ergänzung zu der bei Heuser in Neuwied er-
schienenen Broschüre »Das Gesamtgymnasium« vom gleichen Verfasser.
Er will wenigstens die wichtigsten und mit ausführlichen Plänen ver-
bundenen Vorschläge durchmustern und auf ihre praktische Brauchbar-
keit hin prüfen. Der Deutlichkeit halber sind diese Pläne durch Über-
sichtstabellen veranschaulicht. Die vorgeführten Vorschläge rühren her
von Eduard von Hartmann, Laas, L. Vieweger, Reisacker, Fritsche,
Ostendorf, Vollhering und Nohl.
Direktor Lang hoff, Beitrag zur Klärung des Urteils über die
höheren Schulen in Preufsen und Deutschland und ihre Berechtigun-
gen (Beil. zum vierten Jahresbericht der städtischen Ober-Realschule
zu Potsdam. Potsdam 1886. 4. 20 S. Progr. No. 104).
Der Verfasser, welcher S. 20 versichert, seine Gedanken seien
das Ergebnis langjähriger Erfahrungen, Beobachtungen und Reflexionen,
bespricht im ganzen in ruhiger Weise folgende Schulen : Gymnasien,
Real -Gymnasien, Ober-Realschulen und die höheren Schulen mit sechs-
bis siebenjährigem Kurs. Bezüglich der Gymnasien kommt er zu dem
Resultate, dafs man ihre Berechtigungen beschränken müsse, da sie
für manche Fächer keine genügende Vorbereitung zu geben vermögen.
Aber auch das Streben der Real -Gymnasien nach vollständiger Gleich-
berechtigung mit den Gymnasien scheint ihm aus dem gleichen Grunde
ungerechtfertigt. Die Ober-Realschulen können sich nur dann erhalten,
wenn ihre Berechtigungen wesentlich erweitert werden. Durch eine
Ergänzungsprüfung im Latein (!) sollen sie alle Berechtigungen des
Realgymnasiums erlangen können. — Vgl. dazu Berliner Philol. Wochen-
schrift VI (1886) No. 11. S. 323.
Prof. Dr. Buchen au, Die höheren deutschen Knabenschulen.
Bedenken und Wünsche (Beilage zum Progr. der Realschule beim
Doventhor zu Bremen. Bremen 1886. Progr. No. 659. 23 S.).
Der Verfasser vertritt den Gedanken der Einheitsschule, zuerst
dreijährigen Elementarunterricht, dann Beginn des gelehrten Unter-
richts mit Französisch (drei Jahre sechs bis acht Stunden), dann erst
Lateinisch oder Englisch nach Wahl der Eltern; »aller übrige Unter-
rieht bleibt gemeinsam«. Diese Schule, die eigentliche Einheitsschule,
giebt die Berechtigung zum Einjährig- Freiwilligen-Dienst. In ihr soll
von Überbürdung nicht die Rede sein können. An die Einheitsschule
schliefsen sich für die, welche eine höhere Bildung erstreben, Schulen
268 Gelehrten- und Schulgeschichte.
von dreijähriger Dauer: Das sprachliche Gymnasium mit Latein und
Griechisch und ein bis zwei Stunden Französisch, das Realgymnasium
mit Latein, Französisch und Englisch, und die Oberrealschule (ohne
neue Fremdsprache) mit Mathematik, Naturwissenschaften, Zeichnen.
Wenn der Verfasser weiter fährt: »Welche Lust müfste es sein, in sol-
chen Schulen zu unterrichten, welche nur strebsame junge Leute ohne
alle »Berechtigungsjäger« als Schüler zählen!« so dürfte vermutlich auch
im Falle der Verwirklichung dieses Planes Ideal und Wirklichkeit immer
noch auseinander liegen.
Jahresbericht über römische Geschichte und
Chronologie für 1886.
Von
Geh. Obersrhiilrat Dr. Hermann Scliiller,
Gymuasial-Direktor und Universitäts- Professor in Giefsen.
1. Zusammenfassende Darstellungen.
Edw. A. Freeraan, The chief periods of european history. Six
Lectures, With un essay on Greek cities under Roman rule. Lon-
don 1886.
Der Verfasser ist bestrebt in England, wo noch vielfach, nament-
lich auf dem Gebiete der mittelalterlichen Geschichte, recht veraltete
Anschaiumgen bestehen, richtigere zu verbreiten. Von den sechs Vor-
lesungen, welche in dem Buche enthalten sind, gehören in den Jahresbe-
richt nur die zweite bis sechste. In der zweiten wird in grofsen Zügen
geschildert, wie Rom das Haupt Europas wurde; mau wird nichts We-
sentliches von den Ergebnissen der neueren Forschung vermissen, aber
auch kaum Neues finden; das Verdienst liegt in der prägnanten und
pikanten Zuspitzung. Am besten ist die dritte Vorlesung, welche Roms
Verhältnis zu den nun in der Geschichte auftretenden Stämmen, vor
allen zu den Germauen, schildert. Mit der Lösung der Frage, wann
der Verfall des Reiches beginnt, kann man sich wohl einverstanden er-
klären — nicht 476 — , doch wird zuviel bei dem Leser vorausgesetzt.
Die Bedeutung der Kirche in diesem Prozesse ist nicht klargestellt. Be-
züglich der Wirkungen der germanischen Invasionen wird zu wenig ge-
schieden zwischen den Aufsenlandschaften und den alten Kulturländern,
wo doch die Wechselwirkung ganz verschieden war. Bei der in der
vierten Vorlesung erörterten Reichsteiluug ist das staatsrechtliche Ver-
hältnis des vierten und fünften Jahrhunderts nicht so scharf geschieden,
wie wir dies Dank Mommsens Arbeiten gewohnt sind. Auch vermifst
man ungern eine Erörterung der mutmafslichen Ursachen, welche die
prinzipiell festgehaltene Reichseinheit vernichteten. Die Autschlüsse,
270 Römische Geschichte und Chronologie.
welche in der vierten Vorlesung über die Nachwirkungen des römischen
Reiches gegeben werden, sind nicht befriedigend, namentlich wird die
Zeit, wann man im Westen , wann im Osten die letzten Nachwirkungen
anzusetzen habe, nicht in irgend fruchtbarer Weise entschieden. Inter-
essant ist die Zusammenfassung der Nachwirkungen selbst, wo wieder
die pikant parallelisierende Darstellung äufserst anziehend ist. Die
letzte Vorlesung schildert an dem Stande der modernen Welt die grofsen
Wandlungen, welche die römische durchzumachen hatte, ehe sie in jene
überging. In einem Anhang wird die Lage der griechischen Städte
unter dem römischen Regimente betrachtet, nach Marquardt nur eine
Nacharbeit ohne wissenschaftlichen Wert.
V. Casagrandi, Lo Spirito della storia d'occidente. Parte I,
Medio evo. Genova 188G.
Von diesem Buche gehören nur die drei ersten Kapitel in den
Jahresbericht. Besonders tiefe Erfassung des Geistes der abendländi-
schen Geschichte zeigt der erste Satz gerade nicht: L'Evo Medio inco-
mincia con la caduta dell Impero d'Occidente ncl 476 e termina con
quella dell' Impero d'Oriente nel 1453. Ist schon der erste Termin von
V. Gutschmidt, Ebert u. a. als unzutreffend erwiesen worden, so gilt
dies noch beinahe in höherem Mafse von dem zweiten. Und was soll
sich Jemand dabei denken, wenn er erfährt, dafs im Altertum absolut
die physische Gewalt herrscht, die danach strebt, unbegrenzte Räume
zu umfassen, während im Mittelalter auch die physische Gewalt heiTscht,
aber nicht absolut, weil sie schon mit dem Geiste kämpft, der sich der
absoluten Herrschaft über weite Räume widersetzt? Im zweiten Kapitel
wird der Einflufs dargelegt, den Germanen- und Imperatorentum auf
einander übten , ohne dafs man irgend Neues erfährt. Das dritte Ka-
pitel giebt die Geschichte der ersten Epoche des Mittelalters (476 bis
800) — die Versuche der Reichsrestauration durch die Barbaren. Auf
die Invasion der Heruler folgt zunächst 14 Jahre lang Ruhe, da die
Germanen ihre Eroberungen gegenseitig respektieren; Ostrom hält sich
notgedrungen ruhig , giebt aber seine Ansprüche auf den Westen nicht
auf. Durch das römische Papsttum wird der Gedanke des Ersatzes
der physischen Vereinigung der Staaten durch eine geistige geschaffen,
deren Leitung Rom haben soll. Dazu trug Odovakar bei, indem er den
römischen Bischof als Haupt aller Kirchen anerkanute ; der Verfasser
wird schwerlich in der Lage sein, diese so generell hingestellte Behaup-
tung zu erweisen; darum ist auch sein Schlufs unrichtig. Eher kann
man den zweiten Teil seiner Ausführungen gelten lassen, dass Odovakar
mit seinen Eroberungen in Dalmatien, Pannonien und Norikum die alte
Vorstellung des Universalreiches wieder belebt habe. Der grofse Theo-
derich erkennt, dafs diese Weltherrschaft ohne Mitwirkung Roms und
Italiens nicht möglich ist; aber er bedachte nicht, dafs eine solche Mit-
1. Zusammenfasseude Darstellungen. 271
Wirkung das Natiönalgefühl lebhaft erwecken mufste; daraus entstanden
die Kämpfe, welche der Ostgotenherrschaft ein Ende machten und dem
oströmischen Kaiser ermöglichten seine Pläne einer Weltherrschaft zu
verwirklichen. Die Ost- und Westgoten, die Franken, die Burgunder
zeigen zwar noch die Wirksamkeit des alten Prinzips der physischen
Gewalt, aber sie ordnen sich doch der römischen Kultur unter und ge-
wöhnen sich im römischen Bischof das Haupt der Kirche zu sehen. Am
längsten widerstanden die Longobarden der latinischen Civilisation, wel-
che sie zwei Jahrhunderte von sich fern zu halten vermochten. Aber
gerade dadurch trugen sie zur Befestigung des Papsttums bei, das in
dieser Zeit sein Programm feststellte: 1) ein weltliches Herrschaftsge-
biet, 2) die geistige Ei'oberung der Welt, 3) Erhaltung der alten Supre-
matie Roms, 4) Übergang der Weltstadt und der Suprematie an die
Päpste.
Das Buch wird zunehmend interessanter und stellt die geschicht-
lichen Probleme klar und vollständig hin.
P. Guiraud et G. Lacour-Gayet, Histoire romaine depuis la
fondation de Rome jusqu'a l'invasion des barbares. Paris 1885.
Das Buch ist ein Schulbuch und enthält auf beinahe 500 Seiten
die ganze römische Geschichte. Wenn man auch davon absieht, dafs
das Buch nach unseren Vorstellungen von einem Schulbuche absolut un-
brauchbar ist, so kann man doch nicht einsehen, wozu die Angaben über
Quellen und moderne Bearbeitungen dienen sollen, welche die Einleitung
enthält. Dafs die französischen Gymnasiasten so viel wissenschaftlicher
sein sollen als die deutschen, ist nicht anzunehmen. Wären sie es aber,
so würden sie mit diesen Angaben nicht viel anfangen können. Die
Darstellung der römischen Geschichte bewegt sich in den gewöhnlichen
Bahnen. Dies ist namentlich für die Kaisergeschichte verfehlt, wo die
Regierungen der unbedeutendsten Kaiser mit dem bekannten Auekdoten-
klatsch gegeben sind, während die wirklich bedeutenden zu wenig her-
vortreten. Doch vielleicht ist dies, der Geschichte des Herrn Duruy
zuliebe, im officiellen Programm vorgeschrieben. Im Einzelnen begeg-
nen wir vielfach veralteten und wissenschaftlich als unrichtig erwiesenen
Angaben, speciell in der Kaiserzeit.
Iginio Gentile, Storia Romana delle origini di Roma alla ca-
duta deir irapero d'Occidente. Compendio ad uso delle scuole secon-
dane. Milano 1885.
Ein sehr umfangreiches Schulbuch, dessen Bewältigung man sich
in einem deutschen Gymnasium nicht vorstellen könnte. Die Darstel-
lung ist anziehend, die Kenntnis der historischen Fragen meist befriedi-
gend. Nur die Kaisergeschichte hat wenig Nutzen aus den neueren For-
schungen gezogen : sie ist eigentlich veraltet.
272 Römische Geschichte und Chronologie.
W, Ihne, Römische Geschichte. Sechster Band. Der Kampf um
die persönliche Herrschaft. Leipzig 1886.
Der sechste Band führt uns in die interessanteste Periode der
römischen Geschichte, in die Vorbereitungsepoche der Monarchie. Die
demokratische Neugestaltung des Staates, welche die Gracchen ver-
sucht hatten, war gescheitert; die Restauration, welche Sulla vom aristo-
kratischen Standpunkte unternommen hatte, konnte bei der Zersetzung
des römischen Adels und der Haltlosigkeit des Senats kein besseres
Schicksal haben, und so konnte die alte republikanische Form des Staates
weder in der einen noch in der anderen Form fortbestehen. Durchgrei-
fende Versuche, die Republik durch Neugestaltung zu sichern, wurden
nicht mehr gemacht, und an die Stelle von reformierenden Staatsmän-
nern treten jetzt solche, welche auf die Begründung ihrer persönlichen
Macht ausgehen und die alten Parteinamen und Parteibestrebungen nur
als Mittel und Vorwand zu ihren Zwecken persönlichen Ehrgeizes oder
niederer Habgier benutzen. Das wesentlichste Übel ist dem Verfasser
der innere Zwist und die Zerfahrenheit des Beamtentums, die nur durch
die erdrückende Übermacht eines Einzelnen, wie Sulla, oder durch Coa-
litionen gebändigt und in eine einheitliche Regierung verwandelt werden
konnten. Hierin liegt für ihn die geschichtliche Notwendigkeit der Ver-
bindungen der Parteihäupter wie Pompeius, Crassus, Caesar, die durch
die Not der Zeit gewissermafsen gerechtfertigt und von ihr ins Leben
gerufen waren.
Von den Gegnern, durch deren Niederwerfung Pompeius empor-
kam , wird Sertorius von Ihne staatsmännisches Talent abgesprochen ;
er gilt für einen kühnen Abenteurer, für einen vaterlandslosen Condot-
tiere. Aber dazu stimmen doch manche Züge nicht, die auch Ihne an-
erkennt ; ein solcher hätte nicht auf die plaumäfsige Romanisierung
Spaniens seine Anstrengungen gerichtet. Mit entschiedener Vorliebe
wird das Bild des Lucullus gezeichnet; dadurch erscheint er doch be-
deutender, als er war. Als ein Gradmesser der sittlichen Zustände
wird der Prozefs des Cluentius ausführlich geschildert; aber es ist im-
merhin bedenklich eine Advokatenrede in dieser Weise zu generalisieren,
wenn auch Ihne selbst meint »es könne sonst nicht immer so schlimm
hergegangen sein«. Auch Cicero wird gerettet: »Ein Mann, der eine
solche Rolle gespielt hat, gehört zu den Gröfsten seines Volkes«; wir
fürchten, auch hier hat sich Ihne von dem Gegensatze gegen Mommsen
zu weit führen lassen; schon seine Zeitgenossen haben über den Men-
schen Cicero anders geurteilt; und was er selbst im Verlaufe seiner
Darstellung über ihn vorbringt, ist nicht geeignet, in Cicero einen
grofsen Mann zu erweisen. In diesem Zusammenhang wird der Prozefs
gegen Verres ausführlicher behandelt, als er verdient. Zu Gunsten
Catilinas wird alles vorgebracht, was gesagt werden kann; natürlich
1. Zusammenfassende Darstellungen. 273
bleibt auch so noch genug, um ihn zum moralischen Ungeheuer zu
stempeln; das Verhalten Ciceros der catilinarischen Verschwörung gegen-
über wird meines Erachteus zu hyperkritisch behandelt und der eigenen
Hypothese gegenüber der Überlieferung zu grofse Bedeutung gegeben.
Ob man in dem schliefslichen Urteile Pompeius das Schicksal zeigen
wollte, das aller Revolutionäre warte, mufs dahingestellt bleiben; be-
stätigt durch die Folgezeit wird es wenigstens nicht.
Die Verbindung Cäsars mit Pompeius und Crassus entwickelte sich
nach Ihue naturgemäfs und mit Notwendigkeit aus der römischen Ver-
fassung. Sie war eigentlich nur eine Rückkehr zu der Form, in wel-
cher anfänglich die Staatsgewalt in den Händen einiger Magistrate ver-
einigt war. Bei Cäsars Übernahme des gallischen Krieges wird die von
Drumann u. a. ihm beigelegte Absicht, sich dort ein Heer heranzubilden
und sich damit zum Herrscher Roms zu machen, wohl mit Recht be-
stritten: die Vorbereitung durch einen achtjährigen Krieg wäre ein be-
denklicher und unnötiger Umweg gewesen. Bei der Darstellung der
Wahlen im Jahre 55 findet sich folgender Passus: »Der Tod der Julia,
die später nach einem Wochenbette starb, war vielleicht zum Teil die
Folge ihrer durch diese (bei den Wahlen erfolgte) Fehlgeburt geschwäch-
ten Gesundheit, und der Bruch zwischen Pompeius und Cäsar, der durch
diesen Tod wenn auch nicht herbeigeführt, so doch erleichtert wurde,
hängt also durch eine Kette von Ursachen und Wirkungen mit den fre-
chen Willkürhandlungen zusammen, welche sich die Triumvirn zur Errei-
chung ihrer Zwecke erlaubten«. Heifst das nicht den »Finger Gottes«
doch gar zu gewaltsam in die Geschichte hinein deuten? Über Cäsars
Verhalten gegen die Usipeter und Tencterer wird hart geurteilt; »schnöde
Verräterei gegen alles Völkerrecht und Billigkeit« soll er im Felde,
»Verdrehung und Beschönigung seiner Handlungsweise« in seinem Be-
richte geübt haben; der Zug nach Britannien wird als tollkühn bezeichnet.
Doch wird ihm von Anfang an nicht die Absicht zugeschrieben, über
Pompeius hinweg zur Alleinherrschaft zu streben, vielmehr wollte er,
durch Heiraten mit Pompeius verschwägert, gemeinsam mit diesem herr-
schen. Hätten Julia und ihr Sohn länger gelebt, so wäre der letztere
Alleinherrscher geworden. Wer mag das entscheiden? Solche Erwä-
gungen sind bisweilen pikant, aber historisch wertlos.
Fragt mau, wie sich die vorgeführte Entwickelung nach Ihnes
Ansicht gestaltet hat, so wird man in Verlegenheit kommen, wenn man
tiefgreifende Unterschiede gegen Mommsens Darstellung angeben soll.
In Einzelheiten wird häufig gegen letzteren polemisiert — aber die Ent-
wickelung in ihren grofsen Zügen hat auch Ihue nicht anders darstellen
können. Die Wahl zwischen beiden Darstellungen ist nicht schwer zu
treffen, da die Kunst der Darstellung und Charakterisierung, der weite
politische Blick, die juristische Konstruktion, die Klarheit der Quellen-
behandlung auch jetzt noch unübertroffene Vorzüge Mommsens sind.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LII. (1887. III.) 18
274 Kömische Geschichte und Chronologie
G. Winter, Neuere Darstellungen der römischen Geschichte. Z. f.
allg. Gesch. 1886, No. 6.
Der Verfasser giebt eine kurz charakterisierende übersichtliche
Darstellung der neueren Arbeiten über römische Geschichte, die den
Zweck hat, den Gebildeten über den Stand der Hauj^tfragen zu orien-
tieren. Ob der Verfasser selbst überall wirklich in die Tiefe der Pro-
bleme eingedrungen ist, kann nach einzelnen Äufserungen zweifelhaft
erscheinen.
2 Arbeiten über Cüroiiologie.
Bei der geradezu beängstigenden Fruchtbarkeit der chronologi-
schen Forschung empfiehlt es sich diese Arbeiten unter einer besonde-
ren Rubrik zusammenzufassen. Die unzweifelhaft in einzelnen Punkten
verdienstliche Arbeit von 0. Seeck, die Kalendertafel der Pontifices,
Berlin 1885 kommt hier nicht zur Besprechung, weil dieselbe in dem
Berichte über Privat- und Sacralaltertümer behandelt werden wird. Die
Schrift ist Gegenstand sehr eingehender Besprechungen geworden von
Seiten W. Soltaus im Phil. Anz. 16, 150 -158 und Matzats und Dessaus
im zweiten Bande der Wochenschrift f. klass. Philol.
W. Soltau, Prolegomena zu einer römischen Chronologie. Berlin
1886 (In Histor. Untersuch, herausg. von J. Jastrow Heft 3.)
In einer Einleitung »Angabe der Probleme« w'erden die Hypo-
thesen von Matzat und Seeck, dafs die Römer ein Wandeljahr hatten,
und dafs die römischen Fasten zahlreiche Interpolationen von Jahren
erfahren haben, für unhaltbar erklärt. In Kapitel 2 »die Flaviusinschrift
und das CensorenprotokoU« wird durch eine Betrachtung der ältesten
Datierungen, der Flaviusinschrift von Varr. 449 und des Censorenproto-
kolls von Varr. 362 das Resultat erwiesen, dafs beide einer gleichen
Jahreszählung für die Zeit bis zur Alliaschlacht folgen, und dafs die
Amtsjahrrechnung des Flavius mit der des Varro übereinstimmt. Da
auf diese Weise die Zeit seit Varr. 454 gesichert erscheint, ist noch zu
untersuchen, wie viele Kalenderjahre die Amtsjahre von V. 364 bis
V. 454 umfafsten. Es handelt sich hierbei 1. um die Dauer der vier
Diktatorenjahre, 2. um die Dauer der fünf Anarchiejahre. Sie wurden
schon in Flavius' Zeit als Amtsjahre gerechnet, sind nicht erst später
gefälscht. Was die ersteren betrifft, so waren dieselben ursprünglich
Konsulatsjahre, die seit der Zeit des Polybius bezw. seit Herausgabe
der annales maximi mit den Vorjahren kombiniert wurden, um die Zahl
der Amtsjahre der Zahl der seit dem Dezemvirat verflossenen Kalender-
jahre gleich zu machen. Dafür werden folgende vier Beweise gebracht:
1. die Friedensvertragszeiten zeigen, dafs die Diktatorenjahre mit Ka-
lenderjahren zu gleichen seien. 2. Einzelangaben älterer Chroniken
2. Arbeiten über Chronologie. 275
zählen die Diktatorenjahre als volle Kriegs- oder Kalenderjahre mit.
3. Die Intervalle zwischen den Censuren 442, 447, 450, 455 zeigen,
dafs 445 die Dauer eines Kalenderjahres hatte. 4. Der regelmäfsige
Wechsel patrizischer und plebeischer Curulädilenpaare zeigt die Annuität
der Diktatorenjahre.
Durch diese Deutung der Diktatorenjahre sollen, wie Kapitel 4
ausführt, folgende Probleme der Lösung näher gebracht werden: 1. Wel-
ches ist der wahre Synchronismus für die AUiaschlacht? Der Verfasser
ist der Ansicht, dafs der polybianische Synchronismus 387 v. Chr. richtig
ist. 2. Wie ist es zu erklären, dafs fünf Jahre »ohne Magistrate« in
den Fasten verzeichnet sind und in allen Einzelrechnungen als fünf
Jahre mitgezählt werden? Die Antwort lautet: Die Anarchiejahre sind
chronologisch festzuhalten. Staatsrechtlich zerfielen sie in ein historisch
nachweisbares Jahr der Anarchie und vier Militärtribunatsjahre; wäh-
rend der vierjährigen Revolutionszeit V. 380 -383 fungierten patrizische
Oberbeamte, deren rechtmäfsige Wahl von den Zeitgenossen angezweifelt
wurde, und welche, sei es durch diese selbst, sei es später aus den
Fasten ausgelassen worden sind. Die Namen der l7 bei Diodor fehlen-
den Militärtribunen sind allerdings nach Diodor in die Fasten einge-
schoben, aber nicht gefälscht, sondern nach Angaben alter Stammbäume
nachgetragen. Durch die Zusammenfassung von fünf Amtsjahren unter der
Rubrik solitudo magistratuum per quinquennium wurde die Zahl der
Fastenstellen derjenigen der seit dem Dezemvirat verflossenen Kalender-
jahre gleich gemacht und für Kundige das Verhältnis von Amtsjahr-
rechnung und wahrer Zeit übersichtlich zum Ausdruck gebracht. 3. Wie
ist es zu erklären, dafs Diodor aufser den Diktatorenjahren noch zwei-
mal fünf Eponymen zwischen dem Dezemvirat und den licinischen Ge-
setzen fortläfst, dagegen zu Ol. 90, 1 und vor dem Dezemvirat zu
Ol. 82, 1 je ein Aratsjahr mehr bietet, die fünf Eponymen von V. 360
bis 364 aber nach der AUiaschlacht wiederholt? Diese Erscheinungen
erklären sich aus einer Angabe seiner annalistischen Quelle, welche der-
selben Theorie folgte, denen die Diktatorenjahre entstammten; dafs
nämlich wahre Zeit gewonnen werde, wenn nach dem Dezemvirate vier
Amtsjahre übergangen, vor dem Dezemvirat ein Jahr mehr gerechnet
werde. Da nun seine Fasten schon die Diktatorenjahre übergingen, so
entstand für die Zeit vor 326 ein Fehler von vier Jahren, welcher durch
die Einschiebung eines Jahres vor dem Dezemvirat auf drei Jahre redu-
ziert ward.
Polybios 2, 14 22 enthält, wie im fünften Kapitel mitgeteilt wird,
nur einen Auszug aus dem zweiten Buche von Catos Origines. Da nun
der polybianische Bericht eine um ungefähr fünf Jahre reduzierte Be-
rechnung des Intervalls V. 364 bis V. 459 bietet, Cato aber nicht nach
Konsulatsjahren, sondern nach natürlichen (Kriegs-) Jahren rechnete, so
könnte diese Rechnung nicht um vier bis fünf Jahre von der Polyb. 1,6
18*
276 Römische Geschichte und Chronologie.
überlieferten differieren. Da nun die letztere die richtige ist, so raufs
angenommen werden, dafs Polyb. bei Cato XIII aus XIIX verlesen hat.
Dieses Versehen hat aber auch Diodor beeinflufst. Er wollte Polyb. 1, 6
und 2, 18 in Übereinstimmung bringen, und machte deshalb die Anar-
chie einjährig, warf noch dazu V. 387, im Ganzen also fünf Jahre aus
und schob nach V. 364 fünf Eponynien ein. Mifsverständnis des lateini-
schen Autors, den er als Quelle benutzte, hat ihn in diesem Irrturae
noch bestärkt.
In Matzats Buche spielt die Enniusfinsternis an den Nonen des
Juni Cic. de rep. 1, 16 eine grofse Rolle. Er setzt sie 21. Juni 400
V. Chr. Julian. Aber diese fällt, wie Kapitel 6 zu erweisen unternimmt,
nicht auf diesen Termin, sondern 6. Mai 203 v. Chr. = Non. Juniis DLI
ab U. c. Dieser Ansatz wird in Kapitel 7 durch eine Untersuchung
über die Waffenstillstandsverhandlungen von 203 — 302 v. Chr. zu stützen
versucht.
In Kapitel 8 wird die Beseitigung der Kalenderverwirrung zu An-
fang des zweiten Jahrhunderts v. Chr. erörtert; sie ist nur allmählich
eingetreten ; Extraschalttage haben nie existiert. Entstanden war die-
selbe durch eine aufsergewöhnliche Unterdrückung aller Schaltmonate
im ersten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts v. Chr. Die früheren Ur-
sachen dieser Kalenderverwirrung werden im neunten Kapitel aufge-
sucht. Die Abweichungen des römischen Kalenders um die Mitte des
sechsten Jahrhunderts d. St. waren bewufste und absichtliche Verleug-
nungen eines gut geordneten Kalenderwesens. Die pontifices, welche
durch l. Acilia 191 v. Chr. wieder die Leitung des Kalenders erhalten
hatten, suchten sich einen fortdauernden Einflufs auf den Festkalender
und dessen Umänderung zu sichern. Der völlige Unglaube an die heid-
nischen Gottheiten und das schnelle Umsichgreifen fremder Kulte brachte
die pontifices dazu, eine Kombinierung römischer und griechischer Götter,
Kulte und Glaubensanschauungen anzustreben. Dieses Ziel war aber
nur zu erreichen bei einer Verschiebung und freieren Ausetzung der
schon bestehenden Feste, bei einem nicht festen Kalender.
In Kapitel 10 »das altitalische Sonnenjahr« führt der Verfasser
aus, dafs, da das korrupte Mondjahr der Römer den Anforderungen der
Landwirtschaft, Schiffahrt und Viehzucht nicht genügen konnte, wenig-
stens die Hauptabteilungen des Sonnenjahres bekannt sein mufsten, und
dafs in der That in Alba, Tusculum, Aricia ein solcher Kalender des
Sonnenjahres im Gebrauche war; derselbe war nichts anderes als eine
Kombination der hesiodischen und eudoxischen Ansetzungen über die
Abteilungen des Sonnenjahres, dessen Hauptphasen aber wohl schon
früher als beide den Landleuten und Schiffern bekannt gewesen sind.
Kapitel 11 stellt »drei Probleme der römischen Chronologie« auf:
1. Wie konnte es vulgäre Ansicht sein, dafs bis auf Flavius trotz der
Publikation des Kalenders durch die Decemvirn, trotzdem die dies
2. Arbeiten über Chronologie. 277
fasti so bekannt waren, dafs man nach ihnen und von ihnen ab datierte,
nur die pontifices gewufst hätten posset lege agi necne? 2. Wie konn-
ten die Römer in einem Mondsonuenjahre, das weder mit dem Monde
noch —■ was doch beabsichtigt war — mit der Sonne ging, 1465
statt 1461 Tage in der Tetraeteris rechnen? Wie kamen sie zu
einem solchen ungeheuerlichen Kalender, zu einem Gemeinjahr von 355
Tagen, welches fast um einen Tag die Dauer des früher bei den Römern
herrschenden Mondjahres von 354 Tagen übertraf, trotzdem ja die Schal-
tung von 22 + 23 + 22 -h 23 Tagen in acht Jahren die genaue Kennt-
nis der Oktaeteris zur Voraussetzung hat? 3. Was geschah bei Kollision
der erfafsten nundinae und der dies fasti? Die Lösung wird folgender-
mafsen gegeben : Der 355. Tag war bis auf Flavius ein frei verwandter
dies iutercalaris des im Übrigen seit dem Dezemvirat festen Kalenders.
Bei richtiger Auswahl der Nundinalbuchstaben genügten drei dies inter-
calares in der Tetraeteris, um eine Kollision aller nundinae mit allen
dies fasti zu vermeiden. Und eine solche Ordnung war die notwendige
P'olge des Widerspruchs zwischen den Zwöiftafeln von V. 303 und der
lex sacrata von V. 304. Man griif zu einer periodischen Auslassung von
24 Tagen in fünf 32 jährigen Cyklen bis zur lex Hortensia (445 — 286
V. Chr.), in acht 32jährigen Cyklen bis Ende 190 v. Chr., von da kamen
sechs 24jährige bis Ende 46 v. Chr. bei 355 + 378 + 355 + 377 =
1465 Tagen in der Tetraeteris.
Soltaus Stärke liegt in dem Nachweise der Schwächen seiner Geg-
ner. Aber nicht überall sind seine eigenen Argumente stärker. So wird
besonders die Ansetzung der von Ennius erwähnten Finsternis starke
Einwürfe erwecken müssen. Auch wird vielleicht nicht Jedermann über-
zeugt sein, dafs Polyb. 2, 14—22 einen Auszug aus Catos Origines giebt.
Trotzdem hat die Schrift ihre grofsen Verdienste, und man darf auf
die von ihm in Aussicht gestellte Chronologie gespannt sein, da er mit
der Überlieferung am wenigsten willkürlich umspringt.
W. Soltau, das altitalische Sonnenjahr. Wochenschrift f. klass.
Phil. 3, 1142 ff.
Nach Censorinus 22, 6 hatten die Monate latinischer Städte eine sehr
verschiedene Anzahl von Tagen, bald über 30, bald weniger. Dies kann
nur auf ein altes Sonnenjahr hinweisen. Soltau beweist nun, dafs die
schon bei Hesiod so wichtigen Abschnitte des Sonnenjahres, deren
Kenntnis für Schiffer und Landwirte gleich unentbehrlich war, schon
früh auch in Mittelitalien bekannt und allgemein in ihrem Werte aner-
kannt gewesen sind. Die Interessen dieser Berufskreise drängten aber
dazu, an Stelle der alljährlichen Beobachtung ein für alle Male be-
stimmte Intervalle anzusetzen. Diesen Anforderungen entsprachen die
genaueren Berechnungen und Beobachtungen der Astronomen, vor allem
des Eudoxos, dessen Angaben ebenfalls schon frühe den Italikern be-
278 Römische Geschichte und Chronologie.
kannt geworden sein müssen. Die latinischen Kalender von Alba, Tus-
culum, Aricia sind nichts anderes als eine Kombination der hesiodei-
schen und eudoxischen Ansätze über die Unterabteilungen des Sonnen-
jahres.
W. Soltau, Roms Gründungstage in Sage und Geschichte. Philol.
45, 439 ff.
Seit der Herausgabe der annales maximi (ca. 130 v. Chr.) bezw.
seit Polybios bis auf Ciceros letzte Schriften und Atticus' über annalis
(48 V. Chr.) war Ol. 7, 2 = 751/50 allgemein recipiertes Gründungsjahr,
somit also 21. April 750 Gründungsdatum Roms. Nun war 24. April 750
6^4 Uhr morgens eine Sonnenfinsternis, auf welche von der bei Herodot
9, 10, 10 Bekker erwähnten epochemachenden Finsternis vom 2. Okt. 480
mit 15 chaldäischen Cyklen zurückgerechnet werden konnte. Hierin ist
der Ursprung der Annahme, dafs Rom an den Palilia gegründet sei, zu
suchen. Später haben Atticus, Varro, Tarutius Roms Gründung Ol. 6, 3
(754/3 v. Chr.) und wenigstens sicherlich 753 v. Chr. als erstes Jahr ab
urbe condita angesetzt. Danach mufste der Gründungstag in eine andere
Konstellation verlegt werden. Tarutius hat bei Lebzeiten Ciceros zwi-
schen 48—44 v. Chr. Roms Gründung zur Zeit der Palilia d. h, 21. April
altrömischen Datums angesetzt, und zwar zu einer Zeit dicht vor dem
Vollmond. Dieses war aber nur 754 der Fall, wo 23. April Jul. Voll-
mond war. Nach Plut. v. Romul. berechnete aber Tarutius für die Con-
ception des Romulus 19. Dez. 772, wo die Sonne im Steinbock stand,
für seine Geburt 18. Sept. 771, wo die Sonne in die Waage trat, und
die Gründung Roms 4. April 753, wo die Sonne im Widder steht. Letz-
tere Angabe widerspricht durchaus der früheren Berechnung des Taru-
tius. Die beiden ersteren Ansätze erklären sich aus dem Leben des
Augustus ; er ist beim Eintritt der Sonne in die Waage (18. Sept. Jul.)
geboren, raufs also beim Eintritt der Sonne in den Steinbock concipiert
sein. Von dieser Konstellation lehrten die Astronomen, dafs, wer unter
ihr geboren sei, einst Herr der Welt werden solle- Aus höfischer De-
votion hat Tarutius seine zweite Rechnung aufgestellt, und die capito-
linische Magistratstafel, die sonst vorrömisch rechnete, zählte aus Höflich-
keit gegen Augustus und in Anbetracht dieser neuen Rechnung des
Tarutius ein Jahr weniger.
Ludw. Triemel, Noch einmal das Catonische Gründungsdatum
Roms. N. Jahrb. f. Philol. 133, 189 ff.
Der Verfasser polemisiert gegen den Aufsatz von Soltau über das
Catonische Gründungsdatum Roms (Jahresb. 1885, 235 ff.) Schon Diony-
sios und Polybios nehmen an, Cato habe nach Eratosthenes, troischer
Aera gerechnet. Wenn Soltau behauptet, Cato könne gar nicht nach
Eratosthenes gerechnet haben, weil er sonst einen 'EUr^vcxög ;(p6vog an-
2. Arbeiten über Chronologie. 279
gegeben hätte, was Dionysios direkt in Abrede stelle, so ist dies ein
Irrtum, indem unter diesem Ausdruck durchaus die Rechnung nach
Olympiaden zu verstehen ist. Weiter glaubt Soltau die 432 Jahre,
welche seit Troias Zerstörung verflossen waren, in 400 + 32 zerlegen
zu sollen und findet als Teilungspunkt die erste Olympiade. Abgesehen
davon, dafs Cato dann seine Leser über seine kunstvolle Rechnung hätte
aufklären müssen, findet TriemeJ es seltsam, dafs er nicht das Einfachere
vorzog, 32 Jahre angab und also von Ol. 1, 1 aus rechnete. Auch ist
es nicht denkbar, dafs er den Durchschnittssalz der verschiedenen troi-
schen Acren gezogen und diesen für seine Rechnung verwendet hat;
denn Varro weifs nichts davon, obgleich er die verschiedenen troischen
Acren zusammenstellte und das Datum Catos für die Gründung von
Ameria zeigt, dafs er bis in die älteste Zeit hinein ganz genau, nicht
nach runden Zahlen rechnete. Varro gab den }<.(j.vuvs.q des Eratosthenes
unzweifelhaft vor allen übrigen Berechnungen den Vorzug; sollte nun
nicht auch Cato dieselbe Zählung befolgt d. h. etwas über 400 oder
genauer 407 Jahre gezählt haben? Auch Soltaus zweiter Beweis, den
er auf eine Bemerkung des Servius zu Verg. Aen. 1, 267 gründet, ist
nicht stichhaltig. Triemel nimmt bei Servius 753 als Gründungsjahr an,
und erhält dann aus 360 + 70 = 1183 d. h. das bekannte Jahr des
Eratosthenes und für Karthagos Gründung 874/3. Der dritte Beweis,
der aus Cic. de rep. 2, 30 entnommen ist, ist auch nicht richtig. Denn
Cicero giebt das eine mal ungefähr 240 Jahre als solche an, das andere
mal sagt er sogar, es seien mit Zurechnung einiger Interregnen etwas
mehr als 240 Jahre; jedenfalls also nicht 238, wie Soltau will. Auch
die Ansicht Soltaus über die Aufstellung der Regierungszeit des Ro-
mulus ist unbegründet; sie läfst sogar den Einwurf zu, dafs er 37 Jahre
und das 37. Jahr für ein und dasselbe ausgeben will. Auch ist die
Beachtung der chaldäischen Sarosperiode nicht erwiesen, sogar uuwahr-
schweinlich.
W. Soltau, Das Problem der fünfjährigen solitudo magistratuum.
Sa. aus der Wochenschr. f. kl. Philol. 3, 1886, 783.
Die fünfjährige Zeit der Anarchie gilt allgemein als ein Haupt-
problem der römischen Chronologie. Thatsache ist, dafs in jeder Amts-
jahrrechnung der republikanischen Zeit fünf Jahre für diese Anarchie
berechnet sind. Wie konnten nun die Namen fungierender Magistrate
in den Fasten getilgt oder übergangen werden? Vor allem dann, wenn
der Pontifex Maximus, der die Einträge in die Annales zu vollziehen
hatte, an der Rechtmäfsigkeit der Wahl Zweifel hegte. Derartige Zweifel
konnten aber entstehen, wenn der wahlleitende Beamte bei der Meldung
der Kandidaten die Annahme eines Namens verweigerte oder wenn er
sich weigerte, einen Gewählten zu renuntiieren. Die fünf Anarchiejahre
könnten sich nun so erklären, dafs durch die Volkstribunen während
280 Römische Geschichte und Chronologie.
des gröfseren Teiles eines Jahres die Wahlen vereitelt wurden und
unter Nichtachtung tribuuizischer Interzession einige Jahre hindurch irre-
guläre Wahlen stattfanden, bei denen der wahlleitende Beamte endlich
eigenmächtig der komitialen Entscheidung vorgegriffen, der pontifex,
sogleich oder später, ihre Aufnahme in die Fasten beanstandet hätte.
Für diese hypothetische Annahme spricht die stete Wahl von nur patri-
zischen Kollegien, während vor der Anarchie bald häufiger, bald selte-
ner plebejische Kriegstribunen in den Fasten erscheinen. Es ist aber
doch nicht gut denkbar, dafs in einer Zeit, wo die Majorität des popu-
lus stürmisch nach einem plebeischen Konsul und zugleich nach sehr
wesentlichen Reformen rief, ganz ordnungsgemäfs stets patrizische Epo-
nymen mit Majorität gewählt worden sind. Unter diesen Umständen
läfst es sich wohl denken, dafs gleichzeitige oder spätere Fastenredak-
toren eine verschiedene Stellung zu den Resultaten der Wahlhandlung
genommen haben. Spuren einer solchen zeigen sich in den Jahren 400
und 432. Die in den Anarchiejahren ausgetilgten patrizischen Namen
sind bei Diodor erhalten, aber nicht, wie Mommsen annimmt, bei später
Interpolation der Fasten willkürlich entstanden, sondern aus den Fa-
milienarchiven nachgetragen. Es sind dieselben, welche die Quelle des
Chronographen unter den Eponymen der vier Anarchiejahre (380—383)
vorfand. Sie waren die einstigen Eponymen jener Jahre, die regel-
mäfsige Magistratsjahre waren, in denen jedoch wegen streitiger Wahl
die Namen getilgt worden waren. Diese Tilgung der vier Eponymen
und ihre Kombinierung mit dem annus, qui fuit sine magistratibus rührt
von einem späteren Redaktor her. Die vier Diktatorenjahre und vier
der Anarchiejahre verdanken ihren Ursprung derselben Erwägung: auch
aus der nach Eponymen zählenden Jahresliste sollte die Zahl der Ka-
lenderjahre ersichtlich sein. Die ältere Theorie der Anarchiejahre diente
diesem Zwecke nur unvollkommen und ward im zweiten Jahrhundert
v. Chr., vielleicht schon damals nicht recht mehr in ihrem Ursprung be-
kannt, durch die rationelleren Diktatoreujahre ersetzt. Für Diodors
Zählweise wird nachgewiesen, dafs sein Fehler die Unkenntnis der Be-
deutung der Diktatorenjahre war.
W. So 1 tau, Die wahre Dauer der Diktatorenjahre. Wochenschr.
f. kl. Philol. 3, 723 ff.
Der Verfasser geht davon aus, dafs er in seinem Aufsatz über die
Inschriften des Flavius (s. Jahresb. 1885, 226) den Beweis erbracht
habe, die in der annalistischen Tradition übergangenen Diktatorenjahre
der Kapitol inischen Fasten seien schon von Zeitgenossen mitgezählt wor-
den. Sie müssen daher ursprünglich die gleiche Dauer wie andere kon-
sularische Jahre gehabt haben, kurz ganz oder nahezu einem Kalender-
jahre gleich gewesen sein. Dafür führt der Verfasser einen einfachen
Beweis l. die Friedens Vertragszeiten zeigen, dafs die Diktatorenjahre
2- Arbeiten über Chronologie. 281
mit Kalenderjahren zu gleichen sind. 2. Einzelangaben älterer Chro-
niken zahlen die Diktatorenjahre als volle Kriegs- oder Kalenderjahre
mit. 3. Die Intervalle zwischen den Censuren 442, 447, 450 und 455
zeigen, dafs 445 die. Dauer eines Kalenderjahres hatte. 4. Der regel-
mäfsige Wechsel patrizischer und plebischer Curulädilenpaare zeigt die
Annuität der Diktatorenjahre.
Auf Grund dieser Untersuchung formuliert der Verfasser die Frage
nach der Bedeutung der Diktatorenjahre folgenderraafsen : Wie ist es
zu erklären, dafs von den bereits von Flavius gezählten 204 Amtsjahren
von Ende V. 245 — 449 incl. in der Zeit des zweiten Jahrhunderts, sicher-
lich in der zweiten Hälfte desselben, und dann weiter in allen Quellen
des darauf folgenden Jahrhunderts, welche auf jene Berichte aus dem
zweiten Jahrhundert v. Chr. zurückgehen, vier regelrechte Magistrats-
jahre von der gewöhnlichen Dauer eines konsularischen Amtsjahres als
solche gestrichen, als Diktatorenjahre mit dem Vorjahre kombiniert
worden sind? Der Satz, dafs x Amtsjahre = x-y Kalenderjahre waren,
konnte keinem kundigen Römer des zweiten Jahrhunderts unbekannt
sein. Es fragte sich nur, wie grofs dieses y sei. Diese Frage mufste
bei der Umrechnung der wichtigsten Epochen der römischen Geschichte
in die griechische Zeitrechnung wichtig werden. Wir wissen nun be-
stimmt, dafs zu Polybios Zeit die angesehensten Zeitgenossen die Be-
setzung Roms durch die Gallier in das Jahr 387 v. Chr. setzten. Hierin
liegt, dafs kundige Römer und Griechen um die Mitte des zweiten Jahr-
hunderts V. Chr. das erste Jahr nach dem Dezemvirat drei Jahre später
als Flavius, fast vier Jahre später als Fabius, das Kousulatsjahr des
Valerius und Horatius von März ab als das 445., nicht als das 449. Ka-
lenderjahr V. Chr. angesetzt haben müssen. Kurz Kundige müssen die
Theorie aufgestellt haben, dafs die römische Tafel seit dem Dezemvirat
vier Stellen mehr zähle als die attische Archontenliste. Weder Cato
noch Polybios können beliebig vier römische Konsulate gestrichen haben;
es mufs vielmehr nach längeren Erörterungen eine offizielle Fasten- und
Annalenredaktion diese wesentliche Modifikation der republikanischen
Zeitrechnung vorgenommen und zur Geltung gebracht haben. Als solche
kann man den Abschlufs der römischen Stadtchronik in 80 BB. um 130
V. Chr. ansehen. Dabei sollte die für synchronistische Zwecke unbrauch-
bare, chronologisch fehlerhafte Amtsjahrrechnung durch eine Reduktion
auf wahre Zeit verbessert werden. Wahre Zeit wurde aber nach der
zu Cato-Polybios' Zeit herrschenden Theorie hergestellt, wenn im Ver-
laufe des vierten Jahrhunderts v. Chr. vier Eponymen übergangen, vor
der zweiten secessio ein Jahr mehr gerechnet wurde.
W. Soltau, Die Enniusfinsternis an den Nonen des Juni. Wo-
chenschr. f. kl. Philol. 3, 979 ff.
Matzat setzt die Cic. de rep. 1, 16, 25 erwähnte Sonnenfinsternis
= der des julianischen 21. Juni 400 v. Chr. Aber die Zahl des Palimp-
282 Römische Geschichte und Chronologie.
sest eDtscbeidet nicht, da sie nicht aus einer besseren Handschrift nach-
getragen ist. Weitere von Cicero selbst gegebene Kriterien sind bei
jener Gleichung übersehen: 1. Von der Enniusfinsternis ist man durch
Berechnung früherer Finsternisse auf das Todesjahr des Romulus zu-
rückgelangt. Nun kann man aber von 400 v. Chr. mit chaldäischen
Cyklen ebenso wenig auf irgend ein Jahr zwischen 714 und 708, wie
auf dieses letztere zurückrechnen. 2. Von Konis Juniis der von Ennius
überlieferten Finsternis hat man zurückrechnend die Nonae Quinctiles
als Todestag des Romulus herausgefunden. Dies war aber nicht in 17
bis 18 chaldäischen Cyklen möglich; dazu bedurfte es c. 30 X H Tage,
also ca. 30 X 18 = 540 Jahre. 3. Diese Finsternis war bei Ennius und
den annales maximi verzeichnet; die Jahresangabe nur bei letzteren-
Nun ist uns vor 21 7 v. Chr. aus römischen Quellen nichts über eine
Sonnen- oder Mondfinsternis überliefert. Sollte also schon vor dem
gallischen Brande eine partielle Sonnenfinsternis notiert worden sein?
4. Ennius bezeichnet diese Finsternis mit nox Verdunkelung. Wenn
nun auch die Sonne zu ^A verdunkelt war, so konnte sie doch im Jahre
400 kein solches Aufsehen machen, dafs sie als nox in das Stadtbuch
eingetragen wurde: das Wort nox ist also poetische Liceuz. Dem vier-
ten Kriterium legt übrigens Soltau selbst keine grofse Bedeutung bei,
ist aber der Ansicht, dafs nach Ciceros Worten die Enniusfinsteruis
nicht in das Jahr 400 v. Chr. gehören könne.
W. Soltau, Die Idus als dies fasti. N. Jahrb. für Philol. 1886,
279 f.
Allgemein nimmt man an, dafs die Idus vor Caesar nefasli hia-
lares gewesen seien. Allerdings tragen sie im augustischen Kalender
die Note N oder NP, aber man mufs diese Bezeichnung als Neuerung
des Augustus ansehen.
Job. Weber, Interpolationen der Fastentafel. Philol. 44, 698.
Zum Jahre 276 d. St. = 478 v. Chr. wird in den Fasti Capitolinii
als Konsul aufgeführt: C. Servilius — f. — n. (Stru)ctus Ahala, während
nach den Fasten Diodors rdiog KopwjXiog Aev-ouXog Konsul war. Da-
nach ist der erstere Namen eingeschoben (Momuisen Herrn. 5, 271 ff.).
Zum Jahre 276 liegt somit eine doppelte Fälschung vor: 1. der Name
C. Servilius Structus ist für den des C. Cornelius Lentulus eingesetzt,
2. ist in den Fasti Capitoliui diesem Namen noch das zweite Coguomen
Ahala beigegeben worden. Auch zu den Jahren 327. 335. 336 und 337
d. St. liegen bezüglich des Cognomeus Axilla Fälschungen vor. Der
Konsulartribun der drei Jahre 335 - 337 hiefs vielmehr nach den über-
einstimmenden Angaben des Chronogr. von 354 und Livius C. Servilius
Structus. Der Konsul des Jahres 327 ist bei Diodor derselbe, der also
327 cons. und 335 - 337 trib. mil. war. Die Absicht bei diesen Fäl-
2. Arbeiten über Chronologie. 283
schungen war, einen C. Servilius mit dem Beinamen Ahala resp. Axilla
in die Fastentafel zu bringen. Dasselbe Cognomen ist im Jahre 346.
347. 352 interpoliert, so dafs es nur mit dem Cognomen Ahala des
Konsuls der Jahre 389. 392. 412 seine Richtigkeit hat, weil hier zum
ersten male alle Quellen übereinstimmen. Der einzige Servilier, welcher
das Cognomen Axilla = Ahala führt, ist der Mörder des Sp. Maelius.
Dafs man anderen in der Fastentafel den Beinamen Ahala gab, sollte
dazu dienen, den Ruhm derjenigen Familie der Servilier, welche sich
mit dem Beinamen Ahala benannte, zu verherrlichen; hierzu scheint
man alle diejenigen ausgewählt zu haben, die den Vornamen C. führten.
Zum Schlüsse entwirft der Verfasser einen Stammbaum der verschiede-
nen Familien der Servilier (Prisci und Structi).
A. Mommsen, Reformen des römischen Kalenders in den Jahren
45 und 8 v. Chr.
Die Kalenderreform des Jahres 45 geriet schon nach Cäsars Tode
in Unordnung. Die Entstehung derselben wird von den Schriftstellern
verschieden berechnet, natürlich auch ihre Heilung. Wir haben anzu-
nehmen, dafs der Anfang 45 in Kraft getretene Kalender Cäsars auch
in Kraft blieb und als Regel befolgt wurde, bis nebenher zugelassene
Einschübe, die man aus Nachlässigkeit nicht kompensierte, ein solches
Mafs erreichten, dafs Cäsars Reform hinfällig zu werden drohte und
Augustus eingriff. Die augustischen Schaltjahre stimmten mit den
Schaltjahren a. St. überein, und nach seiner Reform von 746 verlautet
nichts von einer ähnlichen Mafsregel. Cäsar hatte ebenfalls 365 und
366 Tage aufeinander folgen lassen wollen; aber er schaltete zuerst 712.
Augustus nahm 709 als Schaltjahr, dann wieder 713 etc. Er gedachte,
wie Cäsar, seine reformierte Jahrfolge an Neumond zu knüpfen. Wenn
er auf die cäsarischen Neujahre 757 — 760 a. u. und auf den cäsari-
schen Sonnenkreis eingetreten wäre, so hätte er auf synodischen Anfang
verzichtet. Der 2. Januar 757 fällt ungefähr um die Zeit des letzten Vier-
tels, 1. Januar 758 dagegen lehnt sich einer am Ende des Vorjahres
stattfindenden Conjuuction an. Dem Jahre 758/5 n. Chr. korrespondiert
433 V. Chr., in welchem Jahre Meton seine Zeitrechnung begann. Cäsar
legte das Kallippische Perioden viertel, Augustus den 19 jährigen Aus-
schnitt von Metons Epoche ab zugrunde. Im Jahre 746 verordnete
Augustus, dafs der dem Kalender anhaftende Fehler, bestehend in drei
Tagen, die man zu viel gesetzt hatte, korrigiert werden sollte durch
zwölf schaltlos bleibende Jahre. Das Berichtigungsgebiet begann 746
und endete 757 ; verboten waren die drei cäsarischen Schaltjahre 748,
752 und 756.
284 Römische Geschichte und Chronologie.
3. Königszeit und Übergang zur Republik.
Tb. Mommsen, Die Tatiuslegeude. Hermes 21, 750 ff.
Die an den wirksamsten Bildern reiche Legende des Königs Tatius
zeigt auf einen mächtigen Dichter oder vielmehr in noch höherem Grade
auf einen genialen Maler als Urheber. Die Erzählung ist streng ge-
schlossen und keine Fortsetzung der Gründungsgeschichte, vielmehr mit
dieser in Widerspruch (Asyl, Doppelherrschaft). Die in der Legende
dem sabinischen Kriege vorausgehenden Kämpfe gegen Caenina, Antem-
nae und Crustumerium gehören wohl nicht zu der ursprünglichen Er-
zählung, sondern wurden eingeschoben, um die Lücke zwischen dem
Raube und der Schlacht durch anderweitig dem Romulus beigelegte
Kriege zu füllen, insbesondere den ersten und höchsten Triumph einzu-
setzen. Die Tatius- wie die Remuslegende sind dem Ziele nach gleich-
artig, beide hervorgegangen aus dem Bestreben der jungen Republik,
ihre Staatsform, das Doppelkönigtum, als Restauration der ursprünglich-
sten Ordnung des römischen Staatswesens zu rechtfertigen. Aber beide
Erzählungen gelangen zu demselben Ziele auf völlig verschiedenen We-
gen. Die Zwillingserzählung bewegt sich streng in dem geschlossenen
Kreis des römischen durchaus auf sich selbst stehenden Gemeinwesens,
die Tatiuslegeude ist gebaut auf die Durchdringung zweier Nationen.
Die Legende teilt dabei den Sabineru eine sonderbare Rolle zu; sie
setzt überall das gesamte nomen Sabinum voraus, giebt ihm aber eine
unmögliche einheitliche Organisation mit einem König und läfst es in
Rom aufgehen, während doch thatsächlich dasselbe fortbestand. Diese
seltsame Rolle erklärt sich aus der Thatsache, dafs im fünften Jahr-
hundert der Stadt sich die Union der Latiner und Sabiner vollzog; die
letzteren wurden 464 zu römischen Bürgern und im Jahre 486 zu Voll-
bürgern gemacht und der neu gebildeten quirinischen Tribus zugewiesen.
Diese in ihrer Art einzige Union stellt die Tatiuslegeude dar. Rom ist
für diese Epoche der kurze Ausdruck für die latinische Nation. Die
Sabiner derselben Epoche sind die föderierten Gemeinden und Cures
eine von ihnen. Von ihnen ist es richtig, dafs sie sämtlich in die rö-
mische Gemeinde aufgingen und die Stadt Rom der Herrschaftssitz
des erweiterten Gemeinwesens wurde. Für diese Zeit spricht auch die
Stimmung und Plastik, welche vielfach an die Coriolanlegende und die
in beiden so bestimmt hervortretende Verherrlichung der Frauen er-
innert; ebenso das Begegnen von griechischen Momenten (Asyl) und die
Voraussetzung, dafs die Circusspiele von Bürgern der Nachbargemein-
den besucht werden; die Erwähnung des Jupiter Stator-Tempels deutet
auf Entstehung nach dem Jahre 460 d. St.
Die Einfügung der Tatiuslegeude an unrichtiger Stelle hat viele
Incougruenzen verschuldet: den Sabinerkrieg, das Asyl, den achten
3. Königszeit und Republik. 285
römischen König, die Herleitung der örtlichen Curiennamen von den Ge-
schlechtsnamen der sabinischen Weiber, vor allem aber jene Emanci-
pation von dem Einmaleins, die sich in den drei Tribus gegenüber dem
Doppelkönigtum, der Verdoppelung des Senats von 100 auf 300, der
drei Tribus in 30 Curien, die durch den Hinzutritt der Sabiner ent-
stehen sollen, kundgiebt.
J.Barone, La fondation de Rome et le cycle legendaire de Ro-
mulus et Remus. Turin 1886
bringt nach den einschlägigen Untersuchungen von Mommsen nichts Neues.
B. Büchsenschütz, Bemerkungen über die römische Volkswirt-
schaft der Königszeit. Pr. des Friedr.-Werd. Gymn. Berlin 1886.
Der Verfasser geht von dem Grundsatze aus, dafs zu allen Zeiten
die Geschichte des römischen Staates auf das engste mit der Geschichte
der socialen und wirtschaftlichen Entvvickelung des römischen Volkes
verknüpft ist und unsere Einsicht in den Gang der Geschichte des rö-
mischen Staates eine vollkommenere und klarere sein würde, wenn wir
das wirtschaftliche Leben der Römer im Einzelnen genauer kennen wür-
den. Für eine solche Erkenntnis der ältesten Zeiten geben einen eini-
germafsen gewissen Anhalt nur wirklich aus demselben stammende Über-
reste, mögen sie nun in realen, ununterbrochen erhaltenen Dingen be-
stehen oder in Einrichtungen , deren Entwicklung eine so notwendige
gewesen ist, dafs mit einer gewissen Zuverlässigkeit aus dem sicher
Nachweisbaren die Vorstufen desselben abgeleitet werden können. Ein-
zelne Beiträge mag auch die Sprache liefern, soweit deren Geschichte
rückwärts verfolgt werden kann.
Die von Mommsen angenommene Entstehung Roms aus einer burg-
■ ähnlichen Anlage, welche den auf zerstreuten Höhen wohnenden Acker-
bau und Viehzucht treibenden Bewohnern der Umgegend eine gemein-
same Zuflucht in Zeiten feindlicher Angriffe bot, ist nicht unwahrschein-
lich. Schon dem ersten Könige wird die Einrichtung einer bestimmten
Agrarverfassung zugeschrieben. Aber wenn auch die betreffenden An-
gaben vornehmlich auf Rückschlüssen aus späteren Verhältnissen be-
ruhen, so scheinen doch, ganz abgesehen von dieser Tradition, That-
sachen vorhanden zu sein, welche, aus jenen Einrichtungen hervorge-
gangen, für die Realität derselben Zeugnis ablegen. So ist das Bestehen
der Tribus und Curien sicher; wahrscheinlich ist auch, dafs die Feld-
mark der Curie von dem bestimmten Laudgebiete gleichen Namens ge-
bildet wurde. Dafs dagegen Romulus zwei Morgen Ackerland auf den
Mann angewiesen habe und eine solche Parzelle heredium genannt worden
sei und ein Areal von 200 Morgen die Flur einer Curie gebildet habe,
ist wenig wahrscheinlich. Dagegen scheint dem Verfasser die Annahme
einer Feldgemeinschaft vieles für sich zu haben; dabei liefse sich auch
286 Römische Geschichte und Chronologie.
eine einigermafsen befriedigende Vorstellung von der Stellung und den
wirtschaftlichen Verhältnissen der Klienten gewinnen; sie wären dann
zur Bebauung der der gens gehörigen geschlossenen Flur verpflichtet;
dazu würde auch die jedenfalls geringfügige Zahl der Sklaven stimmen.
Einen Einschnitt machte die Verfassung des Servius. Freilich läfst
sich aus derselben nicht mehr als ein relativer Mafsstab für die ver-
schiedene Gröfse des Grundeigentums in den einzelneu Klassen gewinnen,
und auch nur mit diesem Ergebnisse ist es schwer, die sonstigen als
bestehend bezeugten Verhältnisse in Einklang zu bringen. So kann man
z. B. die Einteilung in Centurien für die Bestimmung der Zahl der Haus-
stände und der Grundstücke nicht gebrauchen. Die in der servianischen
Verfassung zutage tretende Verschiedenheit des Vermögens d. h. im
wesentlichen des Grundbesitzes, zeigt an, dafs zwischen einer Aufteilung
der Flur und der Herstellung jener Verfassung ein ansehnlicher Zeit-
raum liegen mufs. Wenn man nicht annehmen will, dafs zur Zeit der
Aufteilung sehr weitgehende Verschiedenheiten in der Berechtigung der
einzelnen Bürger bestanden haben, so mufs man die Vorstellung fest-
halten, dafs die den Einzelnen zugewiesenen Grundstücke gleiche Gröfse
gehabt haben, höchstens dafs für zwei verschieden berechtigte Stände,
wie eben Patrizier und Plebejer waren, zweierlei Mafs festgesetzt wor-
den ist; eine Verschiedenheit des Grundeigentums, die eine Abstufung
in vier Klassen, ganz abgesehen von den innerhalb jeder einzelnen Klasse
bestehenden Unterschieden, begründete, konnte in natürlicher Weise
durch Erbgang, Kauf und Verkauf in einer kurzen Zeit gewifs sich nicht
ausbilden. Dazu kommt das Bedenken , dafs nach Mommsen auf 8000
Grundeigentümer der ersten Klasse nicht mehr als 9000 der übrigen
Klassen zusammen kommen sollen. Wollte man nun zur ersten Klasse
alle Bürger rechnen, welche im Besitze von mindestens einer Hufe von
angeblich 20 Morgen waren, so würde umgekehrt die Erscheinung be-'
fremden, dafs eine so gröfse Zahl von Bürgern mit ihrem Grundeigen-
turae hinter dem Normalmafse zurückblieb, als welches doch die Hufe
gelten müfste. Die Plebejer müfsten dann ein geringeres Mafs von
Landeigentum erhalten haben; feststellen läfst sich aber hierüber so
wenig, wie über die Stellung der Klienten.
So viel ergiebt sich jedenfalls, dafs die Ungleichheit des Land-
eigentums im einzelnen wahrscheinlich viel gröfser gewesen ist, als sie
sich im Ganzen in der Klasseneinteilung des Servius darstellt, und dafs
aus dem uns zu geböte stehenden Material eine Kenntnis der agrari-
schen Verhältnisse im ältesten Rom nicht einmal in den allgemeinsten
Umrissen gewonnen werden kann. Das gleiche Dunkel liegt über den
Agrarverhältnissen in den ersten Zeiten der Republik. Eine hervor-
ragende Rolle spielt der ager publicus, der wohl im Wesentlichen aus
Weideland bestand. Eine Occupation durch einzelne Bürger ist für die
ältere Zeit nicht nachweisbar.
3. Königszeit und Republik. 287
Das Handwerk trat gegen den Ackerbau erheblich zurück, weil
für den Handwerksbetrieb geringes Bedürfnis vorhanden war, da Geräte,
Nahrung und Kleidung im Hause gefertigt wurden. Als Mitglieder der
von Numa angeblich begründeten Kollegien wird man nur Bürger anzu-
sehen haben. Freilich sind diese Kollegien selbst mit den Kulturzu-
ständen jener Zeit schwer in Einklang zu bringen. Sie enthielten Holz-
arbeiter, in geringerer Zahl Handwerker, die mit Steinbauten vertraut
waren, Kupferschmiede, Waffenschmiede und Verfertiger von Haus- und
Feldgerät, Garten- und Landarbeiter, Töpfer; dagegen läfst sich nicht
finden, wie es ein eigenes Kollegium der Goldschmiede und Färber gab,
während Walker fehlten.
Die Lage Roms am Tiber begünstigte die Anknüpfung und Unter-
haltung von Handelsverbindungen sowohl mit dem Hinterlande, als nach
der Seeseite. Doch konnte die Schiffahrt auf dem Tiber und seinen
Nebenflüssen, namentlich ehe durch Stromregulirungen derselben eine
wesentliche Hilfe geboten wurde, einem lebhaften und regelmäfsig be-
triebeneu Handel nicht genügend gedient haben, besonders in der Rich-
tung von Rom flufsaufwärts. Commercielle Bedeutung konnte die Stadt
erst gewinnen, als sie in anderer, namentlich politischer Beziehung Eiu-
flufs auf eine weitere Umgebung gewonnen hatte. Von einem aktiven
Handel kann in den ältesten Zeiten keine Rede sein, da sich kaum
etwas auffinden läfst, was Rom zum Verkauf hätte bieten können. Salz
war der einzige Handelsartikel nach dem Binnenland. Dafs Rom ein
Platz gewesen wäre, an welchem die Produkte anderer Gegenden zum
gegenseitigen Austausch kamen, ist nicht nachzuweisen, da sich nicht
finden läfst, welcher Art die aus dem Binnenlande kommenden Produkte
gewesen sein sollen. Eher könnte Rom ein Stapelplatz für solche Waren
gewesen sein, die von der See her eingeführt weiteren Vertrieb nach
dem Innern des Landes fanden. Aber das Absatzgebiet war in diesem
Falle auf Sabiuer und einen Teil der Latiner beschränkt. Metalle und
Erzeugnisse der Industrie sind unzweifelhaft eingeführt worden, und
ebenso sicher lassen sich Handelsverbindungen mit den Griechen in
Unter-Italien und vielleicht in Sicilien nachweisen. Aber wenn man
auch diese Beziehungen anerkennt und ihnen einen verhältnisraäfsig
hohen Wert beilegen will, so kann doch die unmittelbare Beteiligung
der Römer an dem vorausgesetzten Handel nicht bedeutend genug ge-
wesen sein, um ihrer Stadt eine besondere commercielle Wichtigkeit zu
verschaffen. So finden sich denn auch keine zuverlässigen Spuren, dafs
sich in Rom ein Kaufmannsstand gebildet hat; ein Kollegium der Kauf-
leute ist erst 495 v. Chr. eingerichtet worden, und zwar so, dafs das-
selbe in unmittelbarer Verbindung mit der Versorgung der Stadt mit
Getreide stand. Mit dem Grofshandel der alten Welt ist die Schiffahrt
zur See untrennbar verbunden; es fehlt aber jedes Anzeichen dafür, dafs
die Römer der ältesten Zeit sich mit derselben befafst haben. Auch
288 Römische Geschichte und Chronologie.
befindet sich unter den ursprünglichen einheimischen Göttern der Römer
keiner, der zu der See und dem Handel in Beziehung stände. Von
äufseren Einrichtungen für den Handelsverkehr ist sehr wenig bekannt.
Manches spricht dafür, dafs ausländische, namentlich etruskische Kauf-
leute in Rom thätig gewesen sind.
So läfst sich mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln eine nur
einigermaCsen befriedigende Vorstellung von der Volkswirtschaft im älte-
sten Rom selbst durch die weitgehendsten Kombinationen nicht gewinnen;
diese Unsicherheit wird durch andere Umstände noch bedeutend ver-
mehrt. So ist die Ausdehnung des römischen Gebietes beim Übergange
zur Republik sehr mäfsig, ungefähr von einem Flächeninhalte von zehn
bis zwölf Quadrat -Meilen. Derselben entspricht eine Bevölkerungszahl
von 500 000 Köpfen, auf die die ersten Zensuszahlen schliefseu lassen;
eine so dichte Bevölkerungszahl läfst sich aber nicht mit den volkswirt-
schaftlichen Verhältnissen vereinigen. Aber mit einer so geringen Boden-
ausdehnung sind auch nicht die grofsartigen Bauwerke (Kloaken, ser-
vianische Mauer, kapitolinische Tempel) zu vereinigen, da die Mittel
gar nicht aufzubringen gewesen wären; an Frondienste allein kann man
aber nicht denken, da solche erst unter dem letzten Tarquinier eine
Rolle spielen.
Vielleicht könnten die Berichte über die Notlage der Plebeier hier
manchen Aufschlufs geben ; aber Entstehung und Wesen der materiellen
Verschuldung derselben ist völlig in Dunkel gehüllt, da die betreffenden
Schriftstelleraugaben unmöglich richtig sein können. Vielleicht läfst sich
an eine andere Form der Verschuldung denken, die auf einer persön-
lichen Abhängigkeit der Plebeier von den Patriziern und auf einer da-
mit in untrennbarem Zusammenhange stehenden Abhängigkeit des ple-
beischeu Grundbesitzes von den Patriziern beruht. Die Unmöglichkeit,
den aus dieser Abhängigkeit entspringenden Verpflichtungen nachzu-
kommen, läfst sich aus ungünstigen Zeitverhältnissen viel leichter er-
klären als Geldschulden in dem angenommenen Umfange, und eine er-
klärliche Folge würde dann auch die Einziehung der abhängigen und
verpflichteten Güter, sowie selbst die Freiheitsberaubung der verpflich-
teten Personen haben sein können.
Der Verfasser schliefst damit, dafs er darauf hinweist, wie das
negative Resultat seiner Untersuchung insofern Wert habe, als es dazu
beitragen könne zu erweisen, dafs es besser sei, über das Nichtwissen
klar zu werden, als haltlose Hypothesen auf Hypothesen aufzubauen.
Man kann ihm darin nur zustimmen.
4. Zeit des Ständekampfes, 289
4. Zeit des Ständekanipfes und der Eroberung Italiens.
Benedictus Niese, De anualibus Ronianis observationes. Mar-
burg Univ. Sehr. 1886.
Ausgehend von den ältesten Annalisten, welche nur selten Namen
der handelnden Personen in ihre kurzen Berichte aufnehmen, bestreitet
der Verfasser die Beweiskraft der von den Späteren überlieferten Namen
im allgemeinen, da dieselben aus Rücksicht auf bestimmte Familien oft
gefälscht worden seien (z. B. der Claudier und Valerier). Diese Fäl-
schungen erstreckten sich auch auf Frauennameu. Die gefälschten Namen
wurden meist den Kousulatslisten entnommen. Eine andere Quelle, na-
mentlich für plebeische Namen, eröffnete sich in der Zeit der Gracchen
oder Sullas.
Während Diodor aufser verschiedenen anderen Einzelheiten des
Sturzes der Dezemviralherrschaft auch keine Namen kennt, wissen Livius
und Dionysius eine Reihe Einzelheiten und eine Menge Namen anzu-
führen, darunter auch die der zehn neugewählten Volkstribunen. Vier von
diesen Namen erwähnte Diodor 11, 68 im Jahre 471 v. Chr. und Piso
bei Liv. 2, 58; und da es undenkbar ist, dafs Diodor jene Namen der
Dezemviralzeit in das Jahr 471 zurückgeschoben habe, da er selbst bei
dem Sturze der Dezemvirn keine Namen nennt, so können nur jene
älteren Namen in die spätere Zeit übertragen worden sein. Die Fäl-
schung geschah in Ciceros Zeit, da dieser anfänglich gar keine, später
mehrere Namen kennt. Was den bei Livius sich findenden L. Mecilius
betrifl't, so ist dieser spätere Zuthat, und Diodor hat ihn nicht irrtüm-
lich weggelassen, sondern Piso hat ihn erfunden: so wurden 471 nur
vier Tribunen eingesetzt. Diodors Worte ermöglichen die Annahme,
dafs 471 die Vierzahl, aber auch die, dafs erst das Tribunat in diesem
Jahre entstand. Aus der namentlichen Aufführung der Tribunen ist
Niese geneigt, die letztere Annahme zu begründen; sie wird auch da-
durch empfohlen, dafs die SchriftsteUernachrichten über die Vorgänge
des Jahres 494 v. Chr. sehr dissentieren. Dagegen berichten Diodor
wie Piso die Namen der Tribunen vor 471 übereinstimmend und in der-
selben Reihenfolge.
Die Bedenken, welche dieser Annahme entgegenstehen, hat Joh.
Schmidt im Hermes 21, 46ofi". dargelegt. Er nimmt an, dafs die Erwäh-
nung der Tribunen im Jahre 471 gerechtfertigt sei, weil in diesem Jahre
die Verlegung der Wahl aus der Versammlung der plebeischen Curialen in
die der plebeischen Tribulen erfolgt sei, die zunächst für diesen Zweck da-
mals zuerst eingerichtet wurde. Der widerspruchsvollen und unbestimm-
ten Überlieferung über das Jahr 494 will Schmidt nicht die Bedeutung
wie Niese beilegen. Erstlich seien die Variationen durch die vielfache
Beschäftigung der späteren Zeit mit dieser entlegeneren Periode zu er-
lahresbericht für Alterthumswisseaschaft LII. (1887. lll.) 19
290 Römische Geschichte und Chronologie.
klären; sodann aber gingen die älteren Gewährsmänner bezüglich der
Zweizahl gar nicht, auseinander; wohl seien bei ihnen keine Namen ge-
nannt; daraus folge aber keineswegs, dafs sie solche nicht gekannt
hätten. Dafs in den Namen der drei hinzugedichteten Differenzen be-
ständen, sei natürlich. Aber auch in den Namen vor 471 herrsche kei-
neswegs solche Übereinstimmung, wie Niese annehme. Aufserdem wider-
spreche Nieses Annahme die Notiz des Piso bei Liv. 2, 58 numero etiara
additos tres perinde ac duo antea fuerint, woraus doch deutlich die
Einsetzung von zwei Tribunen sich ergebe, für die sich kein anderes
Jahr als 494 finden lasse; aber auch der Wortlaut von Diodor 11, 68
spreche für die Beziehung des rors r.pcü-cwv auf zi—apsg und enthalte
darin eine Hindeutung auf die Wahl von zwei Tribunen im Jahre 494.
C. P. Burger, Ad annalium romanorum reliquias a Diodoro ser-
vatas. Mnemosyne 16, 1—9.
Der Verfasser will einige Beiträge zur Berichtigung der bei Dio-
dor erhaltenen Eigennamen aus den Samniterkriegen geben.
19, 76 ist überliefert r.apl Kbav tmXc^, deren Lage bis jetzt noch
nicht zu finden war. Der Verfasser schlägt vor, izepl TARAxcvav zu
lesen , da die betreffende Stadt in Latium gesucht werden raufs und
Taracina den Angriffen der Samniteu stets besonders ausgesetzt war.
Dadurch erhält auch der Bericht des Livius das nötige Licht. Der Sieg
bei Taracina befreite Latium von den Einfällen der Samniteu und er-
schlofs den Weg zu Auruukern und Campanern, die jetzt ihre Abfallge-
lüste aufgaben.
19, 101. T)jv TS ^psTsjioywi/ tmXiv. Schon Cluver vermutete, dafs
in diesem Namen der der Stadt Fregellae stecke. Der Verfasser meint
aber, dafs die Herstellung -zr^v -s ^pzysllavojv nuXtv slXz nicht genügen
würde, und schlägt mit Rücksicht auf Liv. 9, 12. 28. 23. 24 und Diod.
19, 72 vor: ttjv re ^psysXXav {^dvöxzr^aaTo xal tyjv ^wp^avlLv tmIiv eile.
19, 105. iarpo-soaav im [loXczcov Mappouxtvojv obaav rrahv. Von
einer Stadt Politium giebt es sonst keine Spur; auch ist nicht zu sehen,
wie die Römer, die kaum Latium und Campanien wiedergewonnen hatten,
einen Feldzug gegen die Marruciner unternehmen konnten. Der Ver-
fasser meint, es sei zu lesen lhij.r.rjtav youxeplvojv ouorj.v tmIcv.
20, 26. will der Verfasser für Kardppax-av xal iis.paovaiav lesen:
Kaiaziav xal KooßuXrepiav. Und indem er auch vorher nspl zu xaKoüp-s-
vov 'IzdXiov in Tiavov korrigiert und darunter Teanum Sidicin. versteht,
will er den Kriegsschauplatz und damit alle diese Orte in Samuiiim
suchen; das Gebiet auf dem rechten Volturno - Ufer würde dann in rö-
mische Hände gekommen sein. Aber ist es glaublich, dafs aus Kooßuk-
zsptav Kepauvacav geworden ist? Sollte in dem letzteren Namen nicht
eher das Cisauna der Scipioneuinschrift zu suchen sein?
20, 80 hatte schon Cluver statt Aljcvczatg lesen wollen 'Avayvczacg.
4. Zeit des Ständekampfes. 291
Niebuhr hatte im folgenden statt FlakrjviooQ 'AvayvLooQ vorgeschlagen.
Letzteres ist unmöglich, da Diodor die Bewohner von Anagnia 'Auayvira:
nennt. Der Verfasser schlägt vor statt llaXrjvmog zu lesen 'Epvcxoug —
ebenfalls eine ziemlich gewaltsame, wenn auch inhaltlich zutreffende Les-
art. Statt ^fjooaivwMx o' BxnoXcopxrjaavTzg dnsdovzo tyjv ^(öpav schlägt
er vor d(petXovro z. •^.
Gleich darauf erwähnt Diodor rJ)Xiv BCoXav, die ebenfalls nirgends
sonst gefunden wird. Niebuhr schlug dafür Borianum vor. Der Ver-
fasser bringt dagegen vor, dafs durch die Berichte eine Stadt im Ge-
biete der Falerner verlangt werde und conjiciert : TprjßooXav, das in der
Nähe von Cales liegt.
Alle diese Vorschläge sind deswegen bedenklich, weil wir viel zu
wenig über die alte Topographie dieser Gegenden wissen.
K.J. Neu mann, Wann schrieb Coelius Antipater? Philol. 45, 385 ff.
Plin. n. h. 2, 169 sagt, lange vor Cornelius Nepos habe Coelius
Antipater jemanden gesehen, der in Handelsinteressen von Spanien nach
Äthiopien geschifft sei. Coelius hat den Tod des C. Gracchus überlebt,
war also ein Zeitgenosse des Eudoxos von Kyzikos. Und der Afrika-
umsegler, den er gesehen hat, kann in der That ein anderer als Eudoxos
kaum gewesen sein. Als dieser seine atlantische Expedition vorberei-
tete, ist er auch in Puteoli gewesen. Damals kann Coelius ihn gesehen
und später gehört haben, dafs die geplante Expedition wirklich zur Aus-
führung gekommen sei. Somit wäre für die Zeit, in der Coelius ge-
schrieben hat, ein neuer terminus post quem anzusetzen. In einem V^erke
über den zweiten punischen Krieg, bei einer Erörterung des karthagi-
schen Gebiets und des karthagischen Handels bot sich die leichteste
Gelegenheit, von einer Umsegelung Afrikas und von den Maurusiern zu
berichten. Das für die Abfassungszeit von Fg. 56 gewonnene Datum
bezieht sich also auf das einzige Werk des Coelius, auf sein bellum
Punicum; dasselbe kann erst mehrere Jahre nach 117 geschrieben sein;
denn Eudoxos hat seine indische Reise unmittelbar nach dem 117 v. Chr.
erfolgten Tode Euergetes H. unternommen.
R. Hartstein, Über die Abfassungszeit der Geschichten des Poly-
bius. Philol. 45, 715 ff.
Der Aufsatz ist gegen einzelne Argumente Thommens (Jahresb.
1885, 237 f.) gerichtet. Die Argumentation, wonach Polyb. 26, 4, 4 um
151 geschrieben sein müsse, beruht auf Zerstreutheit; denn aus der
Thatsache, dafs die dem Ti. Gracchus 163 vermählte Cornelia ihrem Ge-
mahl zwölf Kinder geboren habe, läfst sich nur der Schlufs ziehen, dafs
derselbe noch das Jahr 151 erlebt hat, aber nicht, dafs er im Jahre 151
gestorben sein müsse. Wäre das Lob der That des Flamininus vom
Jahre 196 Polyb. 18, 46, 13 15 überhaupt auffallend, so wäre es das
19*
292 Römische Geschichte und Chronologie.
nach 167 nicht minder als nach 146, und vor 167 kann dasselbe doch
sicherlich nicht geschrieben sein. Polyb. 1, 73, 3 verglichen mit 19, 10, 5
beweist, dafs an letzterer Stelle der Bestand Karthagos nicht voraus
gesetzt werden mufs. Dafs dasselbe noch bestand, als Polybios 12, 25, 3
schrieb, verrät keine Spur; das gleiche gilt für 9, 9, 9. Stellen des
sechsten Buches setzen allerdings den Bestand Karthagos voraus; 6,52,
1 — 3; 52, 5 und 56, 1 — 3 hätten nach 146 nicht so geschrieben werden
können. Ebenso sind die Bücher III— V vor VI entstanden. Da aber
B.B. VII — XXX mit keiner Spur auf eine Abfassung vor dem Jahre 146
hinweisen, so verliert Thommens Behauptung, dafs Polyb. seinen ersten
bis 167 reichenden Plan vor 150 wirklich ausgeführt hatte, jegliche
Stütze. Aber man kann auch nicht dabei stehen bleiben, au die Stelle
des XXX Buches einfach das VI als die Grenze der beiden durch ihre Ab-
fassungszeit getrennten Teile hinzustellen. Thoramen hat auch nicht er-
klärt, warum sich in B. III ff. Hindeutungen auf die Zeit nach 146 finden,
in den beiden ersten dagegen nicht, ebenso wenig, warum das Prooemium
von B. 3 korrigiert ist, das von B. 1 dagegen nicht. B. 1 und 2, die Pro-
paraskeue, waren bereits publiziert und konnten nicht mehr verändert
werden, während B. 3—6 zwar jedenfalls schon ausgearbeitet, aber noch
nicht veröffentlicht waren. An ihnen konnte Polyb. nach Belieben kor-
rigieren , als er nach längerer Unterbrechung an die Ausführung des
nunmehr erweiterten Planes herantrat. Nach Thomraen geschah das
erst zwischen 132-129; 3, 39, 8 soll sogar ein auf das Jahr 120 führen-
der Nachtrag sich finden. Aber diese Stelle ist längst als spätere Inter-
polation erkannt; auch ist es wahrscheinlich, dafs der bald nach 211
geborene Polybios im Jahre 120 nicht mehr lebte. Auch kann man
nicht einsehen , was denn nach der Rückkehr von seiner politischen
Mission den Geschichtschreiber hätte hindern sollen, den Faden wieder
aufzunehmen, den er vor sechs Jahren hatte fallen lassen. Aus dem
mächtigen Eindruck der Ereignisse von 146 hat sich die Erweiterung
des ursprünglichen Planes ergeben. Es empfiehlt sich, auch die Aus-
führung dieses Planes nicht allzuweit von jenen Ereignissen abzurücken;
denn die nun folgende Zeit bis zu Scipios Abgang zum numantinischen
Kriege bot dem Polybios Jahre der Mufse.
Liers, Die Theorie der Geschichtschreibung des Dionys von
Halikarnafs. Progr. des Gymn. Waidenburg i. Schi. 1886.
Diese Schrift hat für die römische Geschichte nur insofern einigen
Wert, als sie gewisse durchgehends erscheinende Züge und Eigentüm-
lichkeiten des Dionysios nachweist.
0. Baratieri, La leggenda dei Fabi. Saggio di critica militare
con una carta etc. Roma 1886.
Der Verfasser prüft vom militärischen Standpunkte die Berichte
4. Zeit des Ständekampfes. 293
über die Fabierschlacht an der Cremera und gelangt zu dem Ergeb-
nisse, dafs man es mit einer Legendenbildung zu tbun bat.
L. A. Kesper, Commentatio critica de Camillo Volscorum Victore.
Diss. Leyden 1886.
Der Verfasser vermifst eine kritiscbe Erörterung der Volskerkriege
des Camillus; denn Niebubr, Clason, Momrasen scheinen ihm ohne Gründe
ihr ziemlich destructives Urteil abgegeben zu haben, wenn er auch in
der Hauptsache, dafs die Camillustradition vielfach mit legendenhaften
Bestandteilen ausgeschmückt sei, mit ihnen übereinstimmt.
An der Überlieferung ist die Thatsache richtig, dafs die Volsker
mit den Römern in Kampf gerieten, als erstere Satricum 393 an sich
zogen. Der Verfasser untersucht aber die Einzelheiten der Überliefe-
rung in drei Abschnitten, 1. den Bericht des Diodor, Livius und PIu-
tarch über den Krieg von 389, 2. die Tradition über die Kriege bis 386
(nach Livius) bezw. 381 (nach Livius und Plutarch), 3. das Ergebnis
dieser Berichte für die Geschichte.
Unter den Quellen hat Diodor die älteste Tradition, aber es finden
sich doch auch bei Livius und Plutarch, der Dionysius folgt, Züge alter
guter Überlieferung.
ad. 1. Bei Diodor ist auch hier die ältere Überlieferung erhalten.
Wenn Diodor den ersten Krieg in das Jahr 387 setzt, so hat er hier
mindestens die Ereignisse von zwei, vielleicht von drei Jahren in eines
zusammengezogen (390 und 389 ev. 391 — 389). Die Entscheidungs-
schlacht fand nördlich von Lanuvium statt, vielleicht in der Nähe der
ad Sponsas genannten Örtlichkeit. Die Angabe, dafs Camillus den
'ZOjährigen Krieg gegen die Volsker beendet habe, erklärt der Verfasser
so. Es hat einst zwei Traditionen gegeben, von denen die eine schon
vor 459 , die andere erst seit diesem Jahre Kriege mit den Volskern
kannte. Der Sieg des Camillus war nicht entscheidend, die Volsker
wurden nicht unterworfen. Bezüglich des dreifachen Triumphes des Ca-
millus tritt der Verfasser der Ansicht von Mommsen bei.
ad. 2. Der Verfasser vergleicht zunächst die Erzählung über den
Krieg von 386 mit dem Berichte des Livius über den Volskerkrieg von
377, untersucht alsdann den 'Bericht des Livius und Plutarch über die
Thaten des Camillus vom Jahre 381 und vergleicht die Berichte über
letzteren Krieg und über den von 386. Aus der Übereinstimmung, wel-
che die Livianischen Berichte über die Jahre 386 und 381 unter sich
und dann weiter mit dem Plutarchischen Berichte über das Jahr 381
zeigen, schliefst der Verfasser, dafs diese drei Berichte dem alleinigen Be-
streben der Annalisten entsprangen, den schon im Greisenalter stehenden
Camillus nochmals als Sieger über die Volsker darzustellen. Der Be-
richt über den Volskerkrieg von 381 ist entstanden aus dem Berichte
über den Etruskerkrieg von 389, wie ihn Diodor und Livius geben; der
294 Römische Geschichte und Chronologie.
Bericht des Livius über den Krieg von 386 ist eine schlechte Wieder-
holung des Berichtes von 389; der Verfasser weist im Einzelneu nach,
wie scheinbar widersprechende Thatsachen, wie z. B. die Erwähnung von
Satricum hereingekommen und überhaupt die abweichende Gestaltung
dieses Krieges entstanden ist. Der Bericht des Livius über das Jahr
381 stammt aus der jüngsten Quelle, dagegen berichtet Plutarch die
Vorfälle dieses Jahres ebenfalls zwar nach einer jungen, aber doch we-
niger verdorbenen. Bei dem Liviauischen Berichte des Jahres 386 kann
von einer Quelle kaum die Rede sein : er entstammt der schlechtesten
Annalisteufabrik.
ad. 3. Wenn Livius vom Jahre 377—346 von Volskerkriegen nichts
berichtet, so folgt daraus nicht, dafs keine stattfanden. Im Gegenteil.
Er berichtet den im Jahre 393 erfolgten Abfall der römischen Kolonie
Velitrae nicht d. h. die Volsker bemächtigten sich der Stadt und ver-
trieben die Kolonisten. Wenn von Feindseligkeit zwischen Rom und
Velitrae die Rede ist, so handelt es sich stets um Volskerkriege, frei-
lich um andere Volskerstämme als die Volsci Antiates. Aber selbst mit
den letzteren bestand in dieser Zeit keine Waffenruhe. Diese Kämpfe
mit den Antiates drehen sich alle um Satricum; die Berichte über die-
selben enthalten häufig Wiederholungen. Nach Livius dauerten sie bis
346; in Wirklichkeit dürften sie nur von 393 — 358 gewährt haben. Der
Verfasser versucht für diese Kämpfe eingehend den wirklichen Sachver-
halt festzustellen. Auch Velitrae wurde 386 nicht bezwungen, denn es
verbindet sich 385 mit den Antiaten von neuem; auch Präneste war Ve-
litraes Bundesgenossin. Velitrae wurde nicht in diesem Kriege genom-
men; denn 376 kann es von neuem die römische Mark angreifen; ebenso
wenig trotz P^estus' Zeugnis Präneste; weder Livius noch Diodor wissen
etwas davon. Die Veliterner leisteten bis 358 den Römern Widerstand,
und die Römer vermochten ihre Stadt nicht wieder zu nehmen. Von
358-338 herrscht gegen Velitrae Waffenruhe, obgleich die Stadt den
Volskern blieb. So bleibt folgendes bestehen. Rom kämpfte lange mit
Volskern und Äquern, im Ganzen glücklich ; erst im Vejentischen Kriege
konnte es dieser alten Gegner nicht mehr völlig Meister werden. Da
kam die gallische Invasion, infolge deren die Volsker und Äquer die
Waffen ergriffen, aber von Camillus in nicht bedeutender und entschei-
dender Schlacht geschlagen werden; denn Satricum blieb den Volskern.
Die Volsci Antiates setzen den Kampf fort, während die Äquer, des
Krieges müde, sich ruhig verhielten. Der Volsker werden die Römer
so weit allmählich Meister, dafs sie an die Aufteilung der pomptinischen
Mark denken und an die Wiedergewinnung von Satricum, Velitrae etc.;
dieser Hoffnung macht der Abfall von Präneste, Tibur, Tusculum, schliefs-
lich sämtlicher Latiner und der Anfang der Feindseligkeiten seitens der
Herniker ein Ende. Diese Kämpfe dauerten bis 351 und waren die
Vorboten des grofsen und entscheidenden Latinerkrieges seit 338.
5. Zeit der punischeu Kriege. 295
Der Verfasser verfährt im Ganzen vorsichtig; man wird aber doch
seine Resultate noch nicht für feststehend ansehen dürfen, da er der
schlechten Überlieferung noch zu grofses Gewicht beilegt.
5. Die panischen Kriege nnd die Unterwerfung der
Mittelmeerländer.
Die Schrift von Th. Arnold, The second Punic war, being chap-
ters of the History of Rome. With 8 maps. London 1886
ist noch nicht in meinen Besitz gelangt.
Justus Buzello, De oppugnatione Sagunti quaestiones chronolo-
gicae. Diss. Königsberg 1886.
Der Verfasser stellt sich die Aufgabe, das Ergebnis der Disser-
tation Sieglins (die Chronologie der Belagerung von Sagunt, Leipzig
1878), dafs die Belagerung von Sagunt in das Jahr 218 falle, von neuem
zu prüfen und zu widerlegen. In einer geradezu barbarischen, kaum
eines Tertianers würdigen, noch dazu durch sehr viele Druckfehler ent-
stellten Latinität entwickelt er ungefähr folgende Betrachtungen. Wenn
Sieglin fragt: 1. Warum bleibt Hannibal vom März bis Mai unthätig in
Karthagena, da er doch jeden Augenblick erwarten mufste, dafs die
Römer ihm mit ihrem Angriffe zuvorkommen könnten, und warum mach-
ten andererseits sich die Römer diese Zögerung nicht zu nutze? so ist
darauf zu erwidern: Sieglin nimmt an, Hannibal habe Anfang August
die Pyrenäen überstiegen und sei Anfang Juli an den Ebro gekommen;
er übersieht aber, dafs Hannibal zwischen Ebro und Pyrenäen mit
vielen Volksstämmen zu kämpfen hatte; man darf also eher die doppelte
Zeit für den Zug vom Ebro nach den Pyrenäen in Rechnung bringen
und den Übergang über den Ebro Anfang Juni setzen. Brauchte er
aber von Karthagena bis zum Ebro 14 Tage, wie Sieglin berechnet, so
mufs er Mitte Mai aufgebrochen sein. Sieglin hatte es ferner undenk-
bar gefunden, dafs Hannibal (bis Ende Juni) beinahe sechs Monate war-
ten mufste, bis ihm Nachricht über die karthagische Kriegserklärung
zukam. Der Verfasser setzt die zweite römische Gesandtschaft Ende
Januar und nimmt an, dafs Hannibal nach acht Wochen von den Ver-
handlungen in Karthago Kunde erhielt; in Rom hatte man erst Anfang
218 von dem Falle Sagunts Kunde erhalten, nicht schon November 219,
wie Sieglin meint. Auch kehrte die römische Gesandtschaft nicht erst
im August 218 zurück.
Die zweite Frage Sieglins lautet: Aus dem Datum des Alpeuübcr-
ganges ergiebt sich, dafs Scipio erst im September au der Rhone an-
langte. Da nun die Kriegserklärung bereits im November 219 erfolgt
war, wie erklärt sich die späte Ankunft Scipios, wie erklärt sich ferner
296 Römische Geschichte und Chronologie.
der Umstand, dafs Polybios den Scipio bnu t^v wpacav (im März) auf-
brechen läfst und dieser nach einer viertägigen Fahrt erst im Septem-
ber an der Rhone ist? Der Ausdruck uno rrjv (jjpacav bedeutet nicht
nur im Anfang der guten Jahreszeit, sondern auch im Verlauf derselben.
Auch war das Meer erst Mitte März offen, Mitte Mai wagten sich erst
Kriegsschiffe in die See. Dazu kommt, dafs Italien nicht bedroht schien
und die Schnelligkeit Hannibals nicht vorherzusehen war; aufserdem
kam der Aufstand der Boier dazwischen. Die dritte Frage Sieglins:
Wie erklärt sich die Unthätigkeit des Konsuls Sempronius, der eben-
falls uTiu TTjv lopauxv aufbricht, eine fieberhafte Eile in den Rüstungen
entwickelt und doch noch immer in Sicilien weilt, als Anfang November
218 die Aufforderung an ihn ergeht, seinem Kollegen zu Hilfe zu kom-
men, weil Hannibal in Italien stehe? beantwortet sich so, dafs wir über
die Thätigkeit des Sempronius nur die Hauptsachen erfahren, während
von seiner Organisationsthätigkeit für Landheer, Flotte, Proviant und
Hilfsvölker nicht die Rede ist.
Sieglin hat die Erstürmung Sagunts in das Jahr 218 verlegt, in-
dem er so schliefst: die römischen Gesandten kommen Mitte August
nach Rom zurück, danach hatten sie es Anfang Juli verlassen. Da nun
die Kriegserklärung unmittelbar nach dem Fall Sagunts beschlossen und
ausgeführt wurde, so ist das Eintreffen dieser Nachricht auf Ende Juni
festzusetzen: danach fand die Erstürmung Sagunts nicht viel vor oder
nach Mitte Juni statt. Zu der Ansetzung der Rückkehr der Gesandten
auf August hat ihm Polybios das Material liefern müssen, den er sonst
nicht für glaubwürdig hält, und Appian, der aber 'Avvtß. 4 ganz andere
Daten giebt, der Hannibal April oder Mai aus Spanien aufbrechen
läfst, somit die Belagerung Sagunts im Jahre 219 gesetzt haben mufs.
Nach Sieglin überschreitet Hannibal Anfang Juli den Ebro, Anfang
August die Pyrenäen und steht im September an der Rhone. Dann
erklärt sich bei der Kürze der Belagerung, warum die Römer nicht der
Stadt zu Hilfe kommen konnten; dann können die Rüstungen der Römer
erst Anfang August fertig sein, dann kann auch von den römischen
Heerführern der eine infolge des gallischen Aufstandes nicht viel vor
1. September aufbrechen, dem andern Konsul bleibt keine Zeit mehr
übrig, wenn er mehrere Wochen mit den Unternehmungen nach Malta
und den Ligurischen Inseln verbrachte, vor Ende Oktober nach Afrika
überzusetzen. Dadurch wird der Bericht des Polybios über die Winter-
quartiere Hannibals , seine Kriegsrüstungen , Entlassung und Sendung
der Truppen umgestofsen, während der des Livius als richtig befunden
wird, der an flagranter Verwirrung leidet (z. B. drei Gesandtschaften
der Römer u. a. ) enthält, in dem Berichte über Saguut dem unzuver-
lässigen Coelius folgt und das Genie Hannibals möglichst abzuschwächen,
sein Glück dagegen zu übertreiben sucht. Polybios allein aber giebt
eine brauchbare Chronologie.
6. Die Revolution, 297
Auch die Berechnung, die Sieglin aus der Dauer des Kommandos
von Hamilkar und Hasdrubal herleitet, ist nicht genau. Der erstere
hatte es fast neun Jahre iune, woraus Sieglin acht Jahre macht, der
letztere fast acht Jahre, woraus volle acht Jahre werden. Auch wissen
wir durchaus nicht, dafs Hamilkar seit Frühling 236 das Kommando be-
kleidete, Hannibal mufs 221 an die Spitze des Heeres getreten sein;
nur bei dieser Annahme ist eine einigermafsen sichere Chronologie nötig.
Dann kam Hasdrubal 229, Hamilkar 237 an das Kommando.
Schliefslich sucht der Verfasser noch die Erklärungen Sieglins zu
beseitigen, wie man zu dem falschen Ansätze der Erstürmung Sagunts
im Jahre 219 kam.
Der Verfasser ist glücklicher in der Widerlegung als in der Auf-
stellung positiver chronologischer Thatsachen, für die in der Regel eben
nur subjektive Gründe, nicht genaue Anhalte oder Überlieferung be-
stimmend waren.
6. Die Revolution.
Klimke, Die ältesten Quellen zur Geschichte der Gracchen. Progr.
Gymn. Königshütte 1886.
Die Frage nach den Quellen zur Geschichte der Gracchen ist bei
der trümmerhaften Gestalt der Überlieferung sehr schwierig, aber auch
sehr wichtig; die bisherigen Untersuchungen über dieselbe sind unbe-
friedigend. Klimke will von den ältesten Berichten ausgehen und schliefst
Plutarch aus, »der, einer späteren Zeit angehörig, durch die eigentüm-
liche Art seiner Darstellung und seiner Grundsätze uns am wenigsten
direkten treuen Aufschlufs über seine Quellen gewährt«. Da die Quellen
ersten Ranges, die Zeitgenossen Fannius und Tuditanus für uns verloren
sind und dem Anscheine nach auch die zweiten Ranges, die der sullanischen
Zeit angehörigen Claudius Quadrigarius, Valerius Antias, so blieben nur die
dritten Ranges, Cicero und seine Zeitgenossen Diodor und Sailust übrig.
Aber es ist doch in dem Aut. ad Herenn. noch eine, wenn auch dürftige
Quelle aus der sullanischen Zeit übrig, die gute Dienste leisten kann.
Ebenso folgt Appian einer einzigen, älteren Quelle, deren Charakter er
häufig ziemlich treu bewahrt. Erst auf dieser Grundlage kann man
einen Vergleich zwischen Appian und Plutarch einer-, Plutarch und den
von Livius abhängigen Berichten anderseits versuchen. In der vorlie-
genden Untersuchung beschränkt sich der Verfasser auf Appian, Diodor,
Aut. ad Herenn. und einen Teil der Ciceronischen Überlieferung.
Zunächst werden die charakteristischen Eigenschaften der appiani-
schen Berichte festgestellt: Einfachheit des Stils, die sich besonders in
Wiederholungen zeigt; Anschaulichkeit und Genauigkeit; ruhige, mafs-
volle Haltung, die blindem Parteihasse fern bleibt, doch keine Vorliebe
für die Gracchen zeigt; der Verfasser dieses Berichts befand sich sicher
298 Römische Geschiebte und Chronologie.
auf aristokratischer Seite und schrieb vor Sullas Diktatur. Er war aber
auch religiösen Bedenken zugänglich. Appians Quelle war lateinisch
geschrieben; er hat den ihm vorliegenden Text öfter stark gekürzt, da
es ihm darauf ankam, einen logischen Zusammenhang in den Ereignissen
zu finden.
Auch Diodor hat eine anschaulich und lebhaft schildernde Quelle
mit sehr prononcierter aristokratischer Tendenz benützt, die unzweifel-
haft lateinisch geschrieben war; aber diese Quelle zeigt nicht blofs in
diesen Punkten Verwandtschaft mit der Appians. Auf der anderen Seite
sind erhebliche Unterschiede vorhanden. Der Verfasser zieht den Schlufs
hieraus: 1. der Bericht Diodors ist der älteste, gleichzeitige, 2. die Quelle
Appians hat ihn entweder selbst benützt oder einen etwas jüngeren
Bericht, der diesen älteren Bericht benützte und dabei zugleich scharf
kritisierte.
Diodors Quelle ist L. Calpurnius Piso, während Appian den Asellio
benützt zu haben scheint.
Wie bei allen diesen Quellenuntersuchungeu gehört Glaube dazu,
um anzunehmen, der Verfasser habe alles dies bewiesen. Wir wollen
zugeben, dafs die Argumentation vorsichtig ist und Schritt vor Schritt
geht; aber gewisse Klüfte sind einmal nicht zu überbrücken, da uns die
Tradition im Stiche läfst. So scheint mir die Frage, ob Diodor und
Appian lateinische oder griechische Quellen benutzt haben, gar nicht
entscheidbar; denn die wenigen Irrtümer, die sich nachweisen lassen,
können eben auch Mifsverständnisse einer griechischen Quelle gewesen
sein, welche lateinische Schriften benutzt hat. Auch die Eigenschaften
dieser Quellen sind aus den geringen Spuren nicht mit solcher Sicher-
heit erkennbar, wie dies dem Verfasser scheint. Endlich ist die Frage,
ob Appian Fannius oder Asellio benutzte, meines Erachtens gar nicht zu
entscheiden , da er ebenso gut keinen von beiden benutzt haben kann.
Vincenzo de Vit, Donde abbiano 1 Cimbri preso le mosse per
calare in Italia. Roma 1886.
Der Verfasser hat in einer früheren Arbeit nachzuweisen versucht,
dafs die Cimbern und Teutonen gemeinsam von der Provence aus nach
Italien zu gelangen versuchten, und dafs sie ihren Weg durch das Ati-
sonetal (valle d'Ossola) nahmen. Gegen diese Ansicht hat sich Ober-
ziner (Trient 1886) für den Weg durch das Etschtal ausgesprochen, in-
dem er Cimbern und Teutonen sich an der Grenze der Beigen trennen
läfst. De Vit weist nun an dem Berichte von Plutarch im Leben des
Marius hauptsächlich nach, dafs allein seine Annahme berechtigt ist,
während sein Gegner willkürliche und sprachlich und sachlich unzu-
lässige Hypothesen aufstellt.
6. Die Revolution. 299
Wilh. Votsch, Cajus Marius als Reformator des römischen Heer-
wesens in Samml. gemeinverst. wissensch. Vortr. herausgegeben von
Virchow und v. Holtzendorff. N. F. 1. Ser. Heft 6. Berlin 1886.
Was der Verfasser über Marius und sein Verhältnis zur Adels-
partei sowie über die Quellen zur Geschichte des römischen Kriegs-
wesens beibringt, sind lauter bekannte Dinge. Seine Darstellung des
römischen Heerwesens bis auf Marius hat die neueren Forschungen nicht
benützt, so kann auch die der marianischen Neuerungen nicht korrekt
sein. Die Behandlung der Aushebung hat es meist mit klaren Verhält-
nissen zu thun; darum erfahren wir auch aus der vorliegenden Schrift
darüber weder etwas Falsches noch etwas Neues; der Verfasser giebt
aber eine klare Zusammenstellung der vorhandenen Nachrichten. In der
Bewaffnung wird dem Marius die bekannte Umwandlung des Pilum zu-
geschrieben, zugleich aber auch angenommen, dafs durch ihn das pilum
die gemeinsame Waffe aller Legionssoldaten wurde; die unklare Er-
setzung der kleineren Schilde durch gröfsere bei den Hilfstruppen hat
auch durch den Verfasser keine giöfsere Klarheit erhalten; dasselbe
gilt von der Änderung in der Ausrüstung. Dagegen ist geradezu falsch,
was bei der Einführung des Adlers behauptet wird, die Kohorten hätten
besondere Fahnen gehabt; noch unglaublicher ist die Behauptung, dafs
der erste Manipel jeder Legion drei Fahnen gehabt habe. Unter den
taktischen Veränderungen wird Marius die Einführung der Kohorten-
stellung ohne zwingende Beweise zugeschrieben. Was über das Avance-
ment der Centurionen gesagt wird, ist veraltet. Die Bürgerreiterei soll
zur Zeit des Marius eingegangen sein und der letztere soll auf ihre Be-
seitigung hingewirkt haben. Es hätte zwischen römischen und bundes-
genössischen Reitern unterschieden werden müssen; die ersteren gingen
schon vor dem jugurthinischen, die letzteren nach dem Bundesgenossen-
kriege ein.
So ist die Schrift für die Wissenschaft wertlos.
Joh. Bier eye, Res Numidarum et Maurorum aunis inde ab a.
DCXLVHI usque ad a DCCVHI ab U. c. perscribantur. Diss. Halle 1885.
Die Forschung über die nuraidische und maurische Geschichte in
dem erwähnten Zeiträume liegt sehr im Argen; man darf deshalb dem
Verfasser dankbar sein, dafs er sich dieser Periode zugewandt hat.
Nach Beendigung des jugurthinischen Krieges wurde auf Marius'
Veranlassung der gätulische Teil Numidiens, den Masinissa unterworfen
hatte, frei erklärt und der Teil Numidiens zwischen dem Muluchath-
flusse und der Sladt Saldae zu dem Gebiete des Bocchus geschlagen.
Den Rest des jugurthinischen Reiches erhielt Gauda, der nach CIL 2,
3417 rex heifst; doch herrschte er nur kurze Zeit. Nach seinem Tode
wurde Hiempsal König, mit dem aber gleichzeitig Hiarbas regierte.
300 Römische Geschichte und Chronologie.
Letzterem gehörte wahrscheinlich das nördliche Gebiet zwischen Saldae
und Bulla regia mit der Hauptstadt Cirta, während Hiempsal über den
südlichen Teil herrschte mit der Hauptstadt Zama. Letzterer versuchte
im Jahre 666 den Sohn des Marius gefangen zu nehmen und wurde 672
von Cn. Domitius Ahenobarbus vertrieben und sein Land an Hiarbas ge-
geben. Im folgenden Jahre vernichtete aber Pompeius den Domitius
und Hiarbas, und nun erhielt Hiempsal wieder ganz Numidien, auch
den gätulischen Teil. Durch Bestechung erhielt er sogar 679 die einst
von Masinissa occupierten karthagischen Länderkomplexe bei Hippo
Diarrhytus, und 692 scheint er auch Cäsars Zustimmung erkauft zu haben.
Aber schon im folgenden Jahre trat dieser in seiner Prätur für Masi-
nissa (der auch Masintha und Mastanesos(i)us in den Quellen heifst), den
Sohn oder sonstigen Erben des Hiarbas ein, der nach seines Vaters
oder Verwandten Tode sich längere Zeit ruhig gehalten hatte. Er ging
zunächst mit Cäsar nach Spanien, erhielt aber, vielleicht 694, sein väter-
liches Reich wieder, jedoch als Vasall des Hiempsal oder seines Sohnes
Juba, mit dem er auch auf Pompeius Seite gegen Cäsar kämpfte. Hiemp-
sal lebte noch 692, Juba regierte jedenfalls — ob mit seinem Vater
oder allein, ist unsicher — 698; der erstere galt für einen ausgezeich-
net gebildeten Mann, der auch Handel und Ackerbau bei seinem Volke
förderte. Sein Gesicht auf den Münzen ist streng, mit gefalteter Stirne
und bartlos. Die Geschichte Jubas wird eingehend von dem Verfasser
dargestellt, ist aber in allen Zügen bekannt. Er war ein hochmütiger,
anmafsender Despot, der sich auch den Römern gegenüber keine Schran-
ken auferlegte; bei seinen ünterthanen war er sehr verhafst und konnte
sich nur durch gallische und spanische Leibwächter halten, dabei war
er aber voll Hoheit und Würde und förderte die Baukunst, sowie Han-
del und Ackerbau. Cäsar machte das Land zur Provinz, doch wurden
die Gätuler frei und ein Teil Numidiens an Bocchus von Mauretanien
geschenkt (wahrscheinlich zwischen Saldae und dem Ampsaga; Cirta und
Umgegend erhielt Sittius. Erster Prokonsul wurde C. Sallustius Crispus,
der aber nicht ganz zwei Jahre diese Stellung bekleidete.
Im zweiten Kapitel legt der Verfasser die Geschichte von Maure-
tanien dar. Bocchus L, der Zeitgenosse Jugurthas, war verschlagen und
klug und erhielt nach Jugurthas Sturze ein Dritteil von Numidien; er
blieb mit Sulla ständig in freundlichem Verhältnis. Er starb um 673
oder 674. Die bei Plut. Sertor. c. 6 und Sallust. bist. 2, 65 genannten
Fürsten Ascalis, der Sohn des Iphtha, und Leptasta waren Könige oder
Fürsten in Tingitana und wahrscheinlich Vasallen des Bocchus I., dessen
Nachfolger seine Söhne Bogud und Bocchus II. waren, der erste wahr-
scheinlich in Caesariensis, der andere im westlichen Teile. Von 674 bis
705 erfahren wir über Mauretanien nur, was mit Sittius aus Nuceria im
Zusammenhange steht.
Im Bürgerkriege waren die Könige von Mauretanien entweder
6. Die Revolution. 301
neutral oder wahrscheinlich auf Seite des Pompeius. Wahrscheinlich
regierten damals die Enkel Bocchus I. : Bogud II. und Bocchus III., die
die gleichen Namen wie ihre Väter führten. Nach Besiegung Curios
scheinen beide von den Ponipeianern schlecht behandelt worden zu sein;
denn sie schlössen sich Cäsar an. Doch wurde Bogud durch innere
Streitigkeiten in Anspruch genommen, während Bocchus a uf Seite Cäsars
kämpfte. Später focht Bogud auf Cäsars Seite bei Munda, während
Bocchus im pompeianischen Lager stand; der erstere trat auf Antonius',
der letztere auf Octavians Seite: jener fand in Methone durch Agrippa
seinen Tod (723), Bocchus hatte sich seines Reiches bemächtigt, starb
aber noch zwei Jahre vor ihm.
W. Lilie, De coniuratione Catilinaria quaestio chronologica. Progr.
Jauer 1886.
Der Verfasser hofft manches in der Chronologie der Catilinarischen
Verschwörung berichtigen zu können. Sallust kam es auf den dramati-
schen Effekt, nicht auf genaue zeitliche Folge an (Beispiel c. 26 — 32).
Dagegen ist Cicero für diese Fragen die erste Autorität, wenn er auch
sonst vielfach zu seinem Vorteile gefälscht haben mag. Plutarch und
Dio kann man zur Unterstützung heranziehen, der erstere hat wahr-
scheinlich den Livius benutzt.
Der Verfasser stellt alsdann die Stellen aus Cicero zusammen,
welche chronologische Angaben enthalten. Zweifellos wird durch die-
selben entschieden 1. dafs a. d. XII K. Nov. die Seuatssitzung stattfand,
in der Cicero über das, was ihm berichtet worden war, ein Resume gab.
2. a. d. VI K. Nov. griff Manlius zu den Waffen. 3. auf a. d. V K. Nov.
bestimmte Catilina die Ermordung der Aristokraten. 4. K. Nov. fiel die
resultatlose Überrumpelung Pränestes. 5. in der Nacht vom 6/7 Nov.
Zusammenkunft der Verschworenen bei M. Laeca.
Sallust setzt die Konsularkomitien vor die Seuatssitzung, welche
Cicero diktatorische Befugnis übertrug, während sie nach der Ansicht
der Erklärer Ihatsächlich nach ihr staltfanden, und rückt die Zusammen-
kunft der Verschworenen bei Laeca und die erste Catilinarische Rede
Ciceros weit auseinander, während sie unmittelbar auf einander folgten,
und in der Hauptsache schliefsen sich Plutarch und Dio Sallusts Dar-
stellung an. Man ist nun geneigt, alle drei als nichts gegen Ciceros
Autorität besagend bei Seite zu werfen. Richtiger erscheint es dem
Verfasser zu versuchen, wie ihre Berichte in Einklang zu bringen sind.
Ein allgemeiner Fehler der Erklärer ist die Annahme, in der Senats-
sitzung vom 21. Oktober sei den Konsuln diktatorische Befugnis über-
tragen worden; auf Cicero kann sich diese Hypothese nicht berufen, und
dieser erzählt pro Mur. § 51 und 52, dafs auf 21. Oktober die Konsu-
larkomitien angesetzt gewesen seien; auf seinen Bericht habe aber der
Senat am Tage vorher die Konsularkoraitiea abbestellt, um am folgenden
302 Römische Geschichte uud Chronologie.
Tage Senatssitzuüg halten zu können. Catilina sei frech geworden, der
Senat aber »neque satis tarnen severe pro rei indignitate decrevisse«.
Könnte er dies sagen, wenn ihm diktatorische Gewalt verliehen worden
wäre? Aus Ciceros eignen Worten bis tum rebus commotus - descendi
in campum geht aber ferner hervor, dafs irgend welcher bedeutende Vor-
fall zwischen der Senatssitzung und den Komitien nicht liegen kann.
Also fanden diese vor der Verleihung der diktatorischen Gewalt statt.
Damit stimmen die Berichte Plutarchs und Dios überein. Irrig ist auch
die Ansicht, dafs die Komitien am 28. Oktober gehalten worden seien
(hergeleitet aus Cic. Catil.- 1, 7). Den Plan, die Aristokraten zu ermor-
den, mufs Catilina schon gehabt haben, als die Komitien, die ursprüng-
lich am 21. Oktober stattfinden sollten, noch nicht verschoben waren.
Am 21. wufste schon Cicero, dafs Catilina am 28. den Mordplau aus-
führen wollte. In den Komitien wollte er nun Cicero und seine Mitbe-
werber ermorden lassen. Die Übertragung diktatorischer Befugnisse er-
folgte nach Plutarch erst nach den Komitien auf die Nachricht, dafs die
Ermordung der Aristokraten beabsichtigt sei und Manlius offen zu den
Waffen gegriffen habe. Wenn man erwartet, dafs Cicero in Cat. 1 § 8. 9
die Übertragung diktatorischer Befugnisse erwähnen sollte, so war das
nicht nötig. Der Mord der Optimaten, die Ursache des Beschlusses, war
von ihm vorher erwähnt; aufserdem war aber die Diktatur seine schwäch-
ste Seite; er hatte das scharfe Schwert, das ihm in ihr gegeben war,
nicht benutzt. Die erste Catiliuarische Rede wurde vor 8. Nov. gehalten,
wie der Verfasser aus Ciceros Äufseruugen zu erweisen sucht; die Stellen
§ 6 omnia — hesterno die und § 12 hesterno die — vocari widersprechen nur
scheinbar. Der Verfasser polemisiert hier hauptsächlich gegen die von
Mommsen angenommene Chronologie, nebenbei auch gegen Madvig, Hacht-
mann und Lange.
Von seiner Ansicht ausgehend, dafs die erste Catiliuarische Rede
vor 8. Nov. gehalten sei, legt er nach Cic. Cat. 1, 4 die Komitien auf
den 22. Oktober und den Senatsbeschlufs wegen der Diktatur »vielleicht«
auf den 23. Oktober. Um Asconius damit in Einklang zu bringen, der
zwischen der Übertragung der Diktatur und der ersten Rede 18 Tage
rechnet, letzteren einbegriffen, nimmt er an, dafs hier der terminus a
quo und der terminus ad quem mitgerechnet sei, also zehn im Oktober
und acht im November; doch hält er selbst diese Berechnungsweise für
unsicher.
Schliefslich versucht der Verfasser die Erzählung des Sallust psy-
chologisch zu erklären.
Petsch, Die historische Glaubwürdigkeit der Coramentarien Cäsars
vom gallischen Kriege nach gegenwärtigem Stande der Kritik. Glück-
stadt 1885 und 1886.
Das Ergebnis dieser Untersuchung ist Cäsar günstig. Dem Ver-
fasser scheint bis jetzt noch nicht der Beweis erbracht zu sein, dafs
6. Die Revolution. 303
Cäsar, uDhekümmert um den Widerspruch so vieler Augenzeugen seiner
Thaten, in der Darstellung seiner Kriegszüge die Rücksicht auf die
Wahrheit in dem Grade, als er bezichtigt wird, aufser acht gelassen
habe. Wenn Cäsar vor so groben Fälschungen thatsächlich nicht zu-
rückgeschreckt wäre, so müfste sich die wahrheitsgemäfse Überlieferung
in anderen Quellen finden, die aber auf weniger parteiische Gewährs-
männer sich stützen. Dies ist aber nicht der Fall. Denn überall, wo
diese erheblichere Abweichungen und Widersprüche gegenüber den Com-
mentarien aufweisen, lälst sich zeigen, dafs dieselben meist Mifsverständ-
nissen und Verdrehungen der Erzählung Cäsars ihren Ursprung ver-
danken, und nicht selten gelangt die Darstellung dieser Quellen ohne
Rücksicht auf die im gegenteiligen Sinne übermittelten Thatsachen zu
denselben Resultaten wie der Bericht der Commentarien. Auch wäre
der unzweifelhafte schliefsliche Erfolg der gallischen Feldzüge nicht zu
verstehen, wenn das von Cäsar entworfene Bild oft in so wesentlichen
Punkten absichtliche Entstellungen des historischen Thatbestandes auf-
zuweisen hätte. Allerdings schwindet der Eindruck der Unmittelbarkeit,
welchen die Commentarien erwecken, bei genauerer Prüfung und mufs
dem feiner Berechnung weichen. Da die Kriegsberichte dazu bestimmt
sind, die eigenen Thaten des Verfassers den Zeitgenossen vorzuführen
und der Na chwelt zu überliefern in der Auffassung, welche den Zwecken
desselben zum mindesten nicht widerstrebte, sind sie von dem Wert
objektiver Geschichtsschreibung weit entfernt, und manches würde bei
einer unparteiischen Schilderung in anderem Lichte erscheinen, was jetzt
im subjektiven Interesse oder vom römischen Standpunkte aus darge-
stellt wird. Anderes mag Cäsar als nebensächlich oder den Zwecken
seiner Schrift fremd verschwiegen haben. Aber dagegen mufs aner-
kannt werden, dafs, wie er die Verdienste seiner Mitarbeiter nicht
schmälert, er auch den Feinden im allgemeinen Gerechtigkeit wider-
fahren läfst. Und bei aller Beschönigung einer Thatsache scheint doch
die historische Wahrheit noch deutlich genug durch. Für den Vorwurf
aber, dafs er in seinen Berichten Niederlagen verheimliche oder solche
geradezu in Siege verwandele, fehlt es noch an jeder Begründung.
Iginio Gentile, II conflitto di Giulio Cesare col senato. Roma,
Torino, Firenze 1885.
Nach einer nur Bekanntes bringenden Einleitung geht der Ver-
fasser auf den Zusatz zu Pompeius Gesetz de iure magistratuura ein,
den man als persönliche Handlung des Pompeius auffassen konnte, den
aber z. B. Cicero als durchaus legal ansah. Pompeius hatte sich im
Jahre 52 seine Provinzialverwaltung auf fünf Jahre, d. h. bis zum Ab-
laufe des Jahres 48 verlängern lassen. Da aber Cäsar seine Provinzen
bis Ende 49 behielt und sich für 48 um das Konsulat bewerben durfte,
so erloschen thatsächlich beider Machtbefugnisse gleichzeitig. Darum
304 Römische Geschichte und Chronologie.
ist es wahrscheiülich, dafs die Klausel des pompeiauischen Gesetzes zu
gunsten Cäsars als gültig zu betrachten ist. Gegen Cäsar war das Ge-
setz des Pompeius de ambitu von 52 gerichtet, da es rückwirkende Kraft
hatte und sehr leicht gegen Cäsars Bewerbung und Amtsführung in sei-
nem ersten Konsulate gerichtet werden konnte.
Der Konflikt begann mit dem Antrag des M. Claudius Marcellus
(cos 51 V. Chr.) über die Notwendigkeit, Cäsar in Gallien vor Ablauf
des durch lex Licinia — Pompeia gesetzten Termines einen Nachfolger
zu geben. Derselbe fand aber im Senate keine Unterstützung, und
Pompeius erklärte, dafs über die Ernennung von Nachfolgern im galli-
schen Kommando nicht vor 1. März 50 verhandelt werden dürfe; dieser
Termin wurde auf Pompeius Antrag später auf 13. November 50 ver-
längert. Das ganze Jahr 51 und ebenso 50 gingen in Wortkämpfen
ohne Entscheidung hin. Cäsar erklärte sich bereit die beiden Gallien
abzutreten und mit lllyricura und einer Legion bis zu seiner Wahl sich
zu begnügen. Als der Vorschlag keine Annahme fand, erklärte er sich
bereit, mit Pompeius zugleich die Gewalt uiedei'zulegen. Was darauf er-
folgte, ist bekannt.
Um zwei Fragen handelt es sich hierbei •. 1. Welches war der ge-
setzliche Endtermin für Cäsars Statthalterschaft? 2. Hatte Cäsar auf
grund der lex vom Jahre 55 v. Chr. nicht an und für sich Rechtsgrüude,
um dem Verlangen des Senats im Jahre 49 entgegenzutreten?
ad 1. Nach einer Erörterung der hauptsächlichsten früher auf-
gestellten Theorien kommt der Verfasser zu dem Resultate, dafs die
Statthalterschaft Cäsars im Jahre 50 ablief, dafs der Tag zwar nicht
bestimmt werden kann, aber jedenfalls nach dem Sommer des Jahres
fiel. Aber um diesen Tag handelte es sich nicht mehr, als die Krisis
eintrat, und deshalb ist derselbe auch nur von untergeordneter Be-
deutung.
ad 2. Durch das Plebiszit, welches ihm die Bewerbung um das
Konsulat in seiner Abwesenheit gestattete, wurde ihm auch das Pro-
konsulat verlängert quoad consul fieret. Aber die Giltigkeit des Plebis-
zit wurde auf grund der lex Pompeia de iure magistratuum bestritten,
die Klausel als persönliche Zuthat des Pompeius angefochten und in
Abrede gestellt, dafs, wenn auch die Bewerbung in Abwesenheit bewil-
ligt wurde, damit eine Verlängerung der Statthalterschaft verbunden sei.
Und Cäsar verzichtete mit seiner Forderung, dafs ihm Illyrien als Pro-
vinz belassen werde, auf die ihm durch das Plebiszit erteilten Rechte.
Indem die Gegenpartei dies abschlug, setzten sie und Pompeius sich in
Widerspruch mit ihrem eigenen, letzterem gegenüber beobachteten Ver-
fahren und mit der von Pompeius selbst eingebrachten Ausnahmebe-
stimmung zu gunsten Cäsars. Das Gebot, die Provinz vor der Wahl zum
Konsulat abzugeben und in Rom zu erscheinen, d. h. die Weigerung,
das Plebiszit anzuerkennen, war das Signal zum Bürgerkrieg. Der Buch-
6. Die Revolution. 305
Stabe war für die Aristokratie, die Billigkeit für Ctäsar, Die Gewaltthat
des Senats gegen die Intercession der Tribunen M- Antonius und C. Cas-
sius Longinus gab letzterem auch noch einen ausreichenden Grund, sich
als Verteidiger des öffentlichen Rechtes zu gerieren.
W. Judeich, Cäsar im Orient. Kritische Übersicht der Ereig-
nisse vom 9. August 48 bis Oktober 47. Mit einer Karte und vier
Plänen. Leipzig 1885.
Der Verfasser entwickelt in einem besonderen Kapitel die Quellen-
verhältnisse, die er durch einen Stammbaum darstellt. Er unterscheidet
unter den vorhandenen Quellen drei Richtungen: die Cäsarische, die
Livianische und die Strabonische. Dio benutzt die beiden ersten, Plu-
tarch die beiden letzten, Appian folgt der Strabonischen. Freilich ist es
lediglich Hypothese , dafs Appians Quelle die ur.oixvr^iJLazrx Strabos ge-
wesen seien, der auch Plutarch gefolgt sei. Wahrscheinlich ist nur, dafs
beide einer griechischen Quelle folgten.
Für die Ereignisse im Oriente werden folgende feststehende Daten
ermittelt: 9. Aug. 706 Schlacht bei Pharsalus; 24. Sept. 706 Tod des
Pompeius; 24. März 707 Fall von Alexandria; 2. Aug. 707 Schlacht von
Zela. Nach diesen lassen sich die zvvischenliegenden Ereignisse im Orient
und auch die gleichzeitigen im Occidente, welche letzteren in einem
Schlufskapitel behandelt werden, mit annähernder Sicherheit bestimmen.
Die einzelnen Vorgänge sind sehr eingehend betrachtet und die Berech-
nungen sorgfältig — nur die auf den eurus § 10 gegründete ist, wie
die Übersetzung des Windes selbst, falsch - ; eine synchronistische Ta-
belle stellt die Ergebnisse anschaulich zusammen. Besonders eingehend
und in beständiger Polemik gegen Mendelsohn sind die Cäsarischen
Judenedikte behandelt. Die Schlacht bei Zela wird nach neuen topo-
graphischen Untersuchungen geschildert.
So ist das Buch ein wertvoller Beitrag zur Cäsarischen Zeitge-
schichte.
Rudolf Schneider, Ilerda. Ein Beitrag zur römischen Kriegs-
geschichte. Berlin 1886.
C. Fabius, Cäsars Legat, erhielt von seinem General den Befehl,
dem Feinde die Pyrenäenpässe zu entreifsen und ging über den Col
Pertus über Barcelona nach Lerida (13 -14 Marschtage). Die Pom-
peianer hatten bei Ilerda ihr Lager aufgeschlagen; die Brücke bei der
Stadt bildete ihre Verbindung mit der fruchtbaren Ebene östlich von
Ilerda. Fabius schlug sein Lager bei Corbins vor der Noguera Riba-
gorzana. Er hatte hier zwei Brücken über den Segre geschlagen, um
sich den Zugang zu dem linken Ufer zu sichern. Die obere Brücke be-
fand sich bei Termens 6 km oberhalb Corbins. Cäsar wollte alsbald
nach seiner Ankunft sich zwischen das Lager der P()nii)cianer und die
Jahresbericht für AlterOinmswissenschaft LH. (18S7. 111.) 20
306 Römische Geschichte und Chronologie.
Stadt drängen und den kleinen Hügel, der fast in der Mitte dieser bei-
den Punkte liegt, besetzen. Fort Garden liegt auf dem etwa 600 m
von dem Schlofsberge von Lerida, der dicht bei der Brücke noch in der
Stadt etwa 70 m über dem Spiegel des Segre sich erhebt, ansteigenden
Plateau, auf welchem die Pompeianer ihr Lager geschlagen hatten. Die
Höhe dieses Plateaus beträgt nur 40 m vom Spiegel des Segre aus ge-
rechnet, die Länge 900— 1000 m, seine Breite im Osten 100, im Westen
etwa 400 ra. Zwischen der Citadelle und Fort Garden (etwa 600 m)
senkt sich das Terrain erheblich, bildet aber fast gerade in der Mitte
wieder einen kleinen Hügel ; dies ist der Punkt, gegen den Cäsar seinen
ersten Angriff richtete. Er hatte sich im Norden der Stadt und des
feindlichen Lagers, 600 m vom Fufse des Fort Garden im Thale ver-
schanzt. Vor ihm lag also rechts das Fort, links Ilerda, dazwischen
die Ebene mit dem kleinen Hügel in der Mitte. Hier begann der Kampf,
nahe am Lager der Feinde. Bei der Verfolgung aber kamen die Pom-
peianer mehr nach Osten; deshalb liefen sie beim Angriff der neunten
Legion auf die Stadt zu, unter deren Mauern jeuer hartnäckige Kampf
stattfand.
Zwei Tage nachher rifs das Hochwasser im Segre beide Brücken
des Fabius hinweg, und Cäsar war auf dem schmalen Dreieck zwischen
Segre und Cinca abgeschnitten. Aber bald hatte Cäsar wieder eine
Brücke über den Flufs hergestellt. Jetzt konnte er auch die gallische
Proviantkolonne, die auf den Höhen bei Camarasa stand, an sich ziehen.
Camarasa ist von Fort Garden 33 Va km entfernt, 3 km abwärts liegt auf
dem rechten Segre -Ufer Lloreuz; zwischen diesen beiden Punkten be
werkstelligte Cäsar den Übergang.
Um den Pompeianern den Rückzug hinter den Ebro zu verlegen,
stellte Cäsar 3 — 4 km oberhalb Lerida eine künstliche Furt durch teil-
weise Ableitung des Segre her. Diese Arbeit wurde zugleich mit der
Schiffbrücke bei Octogesa fertig, über welche sich die Pompeianer zu-
rückziehen wollten. So wurde es möglich ihren Rückzug zu hindern.
Die Kapitulation erfolgte am 2. August 705.
Eine Kritik der Spezialkarteu zeigt, wie wenig dieselben den An-
sprüchen genügen können. Nur zwei Karten können als Grundlage für
die topographische Untersuchung dienen: Blatt 40 aus Stielers Hand-
atlas (1 : 500 000) und die spanische Proviuzialkarte Lerida von Valverde
(1 : 750 000); danach und nach beiläufigen Angaben in den kriegsgeschicht-
liehen Darstellungen hat Schneider seine Karten konstruiert. Octogesa
glaubt er in Flix am Ebro finden, wohin noch heute der einzige Karren-
weg von Lerida über Granadella führt. Der letzte unglückliche Vor-
stofs der Pompeianer richtete sich in diesem Falle gegen Llardecans,
und die Kapitulation erfolgte nicht weit vom Segre.
Schneider spricht schliefslich bezüglich des pompeianisehen Kriegs-
planes seine Ansicht dahin aus, die Stellung bei Ilerda sei nicht als
6. Die Revolution. 307
eine vorläufige gedacht gewesen, sondern sie sollte dazu dienen, Cäsars
Einmarsch und Vordringen völlig zu verhindern. Wahrscheinlich ist der
Plan auf direkten Eiuflufs des Poinpeius zurückzuführen, und bei ein-
heitlicher und sicherer Leitung wäre es sicherlich anders gekommen.
Er hatte an eine ähnliche sichere Defensive wie bei Dyrrhachium oder
Pharsalus gedacht; aber Cäsars überlegenes Genie war aufser Ansatz
geblieben.
Emil Jullien, De L. Cornelio Balbo maiore. Diss. Paris 1886.
Der Verfasser hat die Absicht in ßalbus, dem Vertrauten Cäsars,
uns ein Sittenbild seiner Zeit vorzuführen. Au den Arbeiten der Vor-
gänger hat er weniger Gelehrsamkeit und Fleifs als richtiges Urteil aus-
zusetzen. Nun ist aber letzteres ein relativer Begriff; wer garantiert
dem Verfasser, dafs er »das« richtige Urteil besitzt? Dasselbe wird
z.T. bedingt durch die Quellenbenutzung; da erweckt der Satz gerade
nicht die gröfste Hoffnung: »Adde quod fere omnia, quae de Balbo com-
perta habemus, non ex iis libris exprompta sunt, in quibus de industria
saepe adulteratur verum, sed ex Tullianis epistulis quibus nihil siuce-
rius, nihil fide dignius;« aber der Verfasser kennt doch seinen »Tul-
lius« genug, um ihm nicht alles zu glauben.
Baibus' Geburt wird ungefähr in das Jahr 100 gesetzt; der Ein-
tlufs seiner Vaterstadt Gades auf seine künftige Gesinnung und Bildung
wird schön nachgewiesen. Das Bürgerrecht verdankte er dem L. Cor-
nelius Lentulus Crus, das Cognomen soll mit Baal zusammenhängen;
er gehörte der Tribus Crustumiua, einer der angesehensten, an. Bei
Gelegenheit seiner Ernennung zum praefectus fabrum des Cäsar erhalten
wir eine lange Auseinandersetzung über die praefecti im allgemeinen
und den praefectus fabrum im besonderen. Sehr ausführlich werden auch
die Dienste geschildert, welche Baibus Cäsar bei seiner Bewerbung um
das Konsulat leistete; nicht minder eingehend die Adoption durch Theo-
phanes und die Verstärkung des Einflusses, welche für Baibus daraus
enstand. Bei dem Prozesse gegen Baibus wegen unberechtigter Aus-
übung des Bürgerrechts handelte es sich um Zwietrachtserregung unter
den drei Verbündeten Crassus, Porapeius und Cäsar und speziell um
einen Angriff auf den letzteren; die Entscheidung erfolgte vor 1. Sep-
tember 698, die Anklage war noch vor März oder April desselben Jahres
erhoben worden; hinter dem obskuren Ankläger stand die Optimateu-
partei. Der Bund zu Luca machte der Intrigue ein Ende. Von nun an
vertrat Baibus Cäsars Interesse in Rom und verbrachte alljährlich einige
Zeit bei ihm in Gallien ; er gewann namentlich Cicero und kaufte mög-
lichst viele Anhänger für Cäsar; während er selbst Privatmann blieb,
war er höchst eiuflufsreich. Die Charakteristik von Baibus' Schreibart
ist ganz interessant, aber der Verfasser will zu viel hinter verhältnis-
mäfsig einfachen Briefen finden. Im Bürgerkriege vertrat Baibus Milde
20*
308 Römische Geschichte und Chronologie.
und Versöhnlichkeit; nach Cäsars Sieg stieg sein Einflufs noch mehr,
aber diesem Grundsatze blieb er auch dann treu. Cicero erfuhr dies
besonders, und selbst seine Lobschrift auf Cato fand Baibus' Beifall.
Wie er Cäsars Geldverhältnisse verwaltete, wird ausführlich, aber, wie
dies in der Natur der Verhältnisse liegt, ohne befriedigendes Resultat
untersucht. Daneben hatte er Zeit für wissenschaftliche, namentlich phi-
losophische Interessen Nach Cäsars Tod bedrohte ihn die Rache der
Optimaten, aber auch Antonius; denn Baibus schlofs sich sofort dera
Erben Cäsars an und gewann diesem Cicero. Er sorgte auch dafür, dafs
der Ruhm des grofsen Cäsar litterarische Darstellung fand: aufsein An-
dringen vollendete Hirtius die Commentarien über den gallischen Krieg,
und er selbst verfafste eine Schrift über Cäsar, die es mit der Wahr-
heit weniger genau als mit der Verherrlichung desselben nahm; ob er
die Schrift über den alexandrinischen Krieg verfafst hat, ist ungewifs.
Octavian belohnte des Baibus Dienste mit dera Konsulate (714), für das
Cn. Doraitius Calvinus und C. Asinius PoUio durch Abdankung Platz
machen mufsten. Der Verfasser meint, dafs dies geschehen sei, weil
nach dem Perusiuischen Kriege die Versöhnlichkeit des Baibus beson-
ders wünschenswert erschienen sei. Mit Atticus verband ihn rege
Freundschaft bis zu dessen Tod. Über seinen eigenen Tod ist nichts
bekannt.
So ist die Schrift ein verdienstlicher Beitrag zur Kenntnis jener Zeit.
Roh. Bodewig, De proeliis apud Mutinam commissis comm. cri-
tica. Diss. Münster. Barmen 1886.
Die Einschliefsung von Mutina durch Antonius begann Ende De-
zember 44. Am 7. Januar 43 erhielt Octavian die Nachricht von seiner
Ernennung zum Propraetor und den Auftrag, mit Hirtius und Pansa den
Krieg gegen Antonius zu führen. In einer Anmerkung führt der Ver-
fasser aus, dafs wahrscheinlich Hirtius und Pansa nur geringe Streit-
kräfte besafseu, und dafs die siebente Legion, welche Drumann Hirtius
giebt, erst aus den von Octavian gewonnenen Veteranen gebildet sei.
Der Sieg bei Claterna fällt Ende Januar. Der Gewinn von Pollentia
durch Pontius Aquila, den Legaten des D. Brutus, fällt um den 3. März;
denn Mitte März gelangte die Nachricht nach Rom, sie brauchte unge-
fähr zwölf Tage. Ventidius, der für Antonius ein Heer sammelte, war
zwischen 15. und 20. März im Picenischen. Der Vormarsch von Octavian
und Hirtius auf Bononia und an den Scultennaflufs begann am 15. März.
Der Scultenna hatte damals einen anderen Lauf, indem ein Arm an der
Stadt vorbeiflofs. Noch vor Mitte März traf Silanus mit den Truppen
des Lepidus vor Mutina ein. Antonius teilte jetzt seine Truppen, da
Pansa herannahte, der 20. März mit vier Legionen aus Rom marschierte.
Ehe Pansa ankommen konnte, versuchte Antonius Ende März und An-
fang April Octavian und Hirtius zum Kampfe zu zwingen. Antonius
7. Zeit der Julier, Claudier, Flavier und Antoniue. 309
hatte zwei Lager, das eine vor Mutina, das andere auf dem rechten
Ufer des Scultenna. Um die Vereinigung der Senatsheere zu hindern,
brach Antonius 15. April auf, um Pansa entgegenzugehen; die Schlacht
von Forum Gallorum war die Folge dieses Manoeuvres. Die entschei-
dende Schlacht vor Mutina fand am 27. April statt. Die meisten Daten
darf man nur als annähernd zutreffend betrachten; neue Kriterien hat
der Verfasser nicht beigebracht.
B. Kästner, Die Haltung des römischen Senats während der Be-
lagerung von Mutina. Pr. Gymn. Coburg 1886.
Die Einleitung giebt eine kurze Schilderung der Parteiverhältnisse
in Rom bis zum Kriege von Mutina, dann werden die vier Parteien im
Senate geschildert und daran schliefst sich die Darstellung der geschicht-
lichen Ereignisse, die gar nichts Neues bietet.
7. Die Zeit der Julier, Claudier, Flavier nnd Antonine.
über die Bestimmung des Monum. Ancyr. dauert der Streit fort.
(Vgl. Jahresb. f. 1884, 85 f.)
Job. Schmidt, Über die Grabschrift des Augustus. Philol. 45,
393 - 410.
Der Verfasser will die von Bormann ausführlicher begründete und
von ihm gut geheifsene Ansicht, dafs wir in dem Mon. Anc. die Grab-
schrift des Augustus hätten, noch weiter, namentlich gegen 0. Hirsch-
feld (vgl. Jahresb. f. röni. Gesch. 1884, 85) verteidigen.
Mommsen und Hirschfeld hatten betont, dafs der Kaiser bei der
Auswahl des Stoffes seiner Schrift nur das aufgenommen habe, was nach
seinem Wunsche der Pöbel von ihm wissen und glauben sollte. Im
Einzelnen hat Mommsen erklärt, die Worte Germaniam ad ostium Albis
flum[inis pacavi] bedeuteten notwendig eine Ausdehnung der Reichs-
grenze bis an die Elbe, und wenn er auch Germanien nicht als Provinz
bezeichne und damit stillschweigend die Folgen der Niederlagen des
Varus eingestehe, so sage er doch nichtsdestoweniger, dafs Germanien
zum römischen Reiche gehöre. Schmidt meint, Augustus' Worte könn-
ten ebenso gut besagen, dafs es dazu gehört habe; pacavi sei doch er-
zählendes perfect. Aber wenn Augustus das wirklich ausdrücken wollte,
dann hat er in Wahrheit das gethan, was ihm Hirschfeld vorwirft, d. h.
die Wahrheit verschleiert. Denn bei pacavi konnte doch niemand daran
denken, dafs Augustus sagen wollte, was er doch in Wirklichkeit nach
Schmidts Auffassung sagt: ich habe Germanien bis zur Elberaündung
befriedet, aber nachher wieder alles verloren. Wollte Augustus
mit einigem Rechte den Ausdruck pacavi brauchen, so mufs man an die
Expedition des Tiberius im Sommer 11 oder 12 denken, wo derselbe weit in
310 Römische Geschichte uud Chronologie.
das Innere vordrang, ohne von Feinden behelligt zu werden; dem Römer
konnte eine solche Unternehmung als eine Vollendung des pacare Ger-
maniam erscheinen, um so mehr, als bis zu dem Tode des Kaisers Ruhe
herrschte.
Hirschfeld war der Ansicht, Augustus habe das Dokument nicht
als Grabschrift angesehen wissen wollen; sonst hätte er sich nicht redend
eingeführt. Schmidt weist eine Reihe von Beispielen nach, in denen der
Verstorbene die Thaten und Ehren seines Lebens in der ersten Person
erzählt. Zwar fehle der Name des Verstorbenen, denn Augustus habe
darauf rechnen dürfen , dafs sein Testamentsvollstrecker diesen hinzu-
fügen würde. Hirschfeld meinte, weder Augustus noch sonst Jemand
würde seine Grabschrift mit den Worten geschlossen haben: cum scripsi
haec, annum agebara septuagensumum sextum, wobei noch zu bedenken
sei, dafs Augustus doch nicht voraus wissen konnte, dafs dieses Jahr
das letzte seines Lebens sein würde. Schmidt findet, dafs dieser Schlufs
wiederum für keine andere Gattung von Schriftstücken so gut pafst, wie
für eine Grabschrift. Denn dieser Schlufs sei das Äquivalent des sonst
gewöhnlichen Schlusses annos vixit tot. Auch habe er sich und seinen
Erben kleine Änderungen und Nachträge vorbehalten müssen, und das
sei auch bezüglich des Schlusses der Fall. Ich bezweifle, ob Hirsch-
feld sich durch diese Ausführung widerlegt erachten wird. Denn That-
sache bleibt auch jetzt, dafs Anfang und Schlufs erst noch einer Ände-
rung durch den Erben bedurften , um die von Schmidt selbst als not-
wendig erachteten Requisite einer Grabschrift zu besitzen.
Hirschfeld hatte mit Bormann und Mommsen als Überschrift des
Dokumentes angenommen: Res gestae Divi Augusti, quibus orbem ter-
rarum imperio populi R. subiecit et impensae, quas iu rempublicam po-
pulumque R. fecit; Schmidt bestreitet diese Annahme und will in den
Worten Suet. Aug. 101 indicera rerum a se gestarum, quem vellet incidi
iu tabulis aeneis Worte oder sogar den Wortlaut aus dem Testamente
des Augustus erkennen; jedenfalls lehren sie nach seiner Meinung über
die Überschrift des Originals in Rom gar nichts. Auch haben wir nicht
den geringsten Grund für die Annahme, dafs die Überschrift des mon.
Aue aus der des stadtrömischen Originalmonuraents verändert und er-
weitert sei; sie ist nichts als das nicht nur sprachlich ungeschickte, son-
dern auch sachlich ungenügende, mangelhafte rubrum des galatischen
Provinzialsekretärs.
Das Fehlen des charakteristischen Zeichens einer römischen Grab-
schrift, der Erwähnung der von dem Verstorbenen bekleideten Staats-
ämter, braucht Schmidt zum Beweise, dafs diese Überschrift über dem
römischen Dokumente nicht gestanden habe; denn dort hätte jener Man-
gel nie bestehen können. Anders sei es, wenn Augustus vielleicht in
seinem Testament das betreifende Volumen zunächst mit der kurzen Be-
zeichnung index rerum a se gestarum eingeführt hätte, indem er dann
7. Zeit der Julior, Claiidier, Flavier und Antonine. 311
sogleich die Bestimmung zur Grabscbrift und damit eine nähere Cha-
rakteristik hinzufügte.
Weiter weist Schmidt nach, dafs die von Hirschfeld gemachte
Unterscheidung zwischen Grabschrift und Ehrendenkmal am Grabe nicht
zutreffe, ebenso wenig, was er über die Anbringung des Dokumentes
sage. Dieser Teil scheint mir der glücklichste des Aufsatzes, der die
Annahme, wir hätten in dem Mon. Anc. die Grabschrift des Augustus
zu erkennen, erheblich gestützt hat.
U. V. Wilamowitz-Möllcndorf, Res gestae Divi Augusti. Her-
mes 21, 623 ff.
Der Verfasser hält es für unzutreffend, den Ancyranern zuzutrauen,
sie hätten auf die Mauern eines Gotteshauses die Grabschrift des Gottes
gesetzt. Hadrian hat in Athen ein Pantheon errichtet und darin eine
Inschrift über die Niederschlagung der jüdischen Rebellion setzen lassen,
worin er auch alle Gotteshäuser aufgezählt hat, die er erbaut oder
restauriert oder sonst verschönert hatte, und alle Geschenke, die er
griechischen oder barbarischen Gemeinden hatte angedeihen lassen. "Wahr-
scheinlich war diese Inschrift darauf berechnet, im Wetteifer zu den
»Thaten des Augustus« zu wirken. Wenn man aber auch die bewufste
Anlehnung leugnet, so läfst sich doch nicht bestreiten, dafs diese römi-
sche Inschrift mit der des Augustus zur selben Klasse gehört: sie stand
im Pantheon und war keine Grabschrift.
Der passendste Titel ist immer noch der, den die Schrift des
Augustus erhielt, als Tiberius sie veröffentlichte. Augustus bestellte mit
75 Jahren Haus und Familie wie jeder Familienvater,, stellte für die
vielen Ämter, die das Vertrauen des römischen Volkes in seine Hand
gelegt hatte, eine Geschäftsübersicht und einen Rechenschaftsbericht zu-
sammen, zog die Summe seiner Geschäftserfahrung und legte sie sowohl
seinem Auftraggeber, wie seinen Mitbeamten ans Herz. Seine Leistun-
gen und Erfolge sollten zugleich den Divus rechtfertigen. Darum stehen
sie vor dem Hause, das nur für die Familie des Gottes ein Grab ist,
darum stehen sie an den Wänden der Tempel des Gottes. Will man
eine Parallele, so können den Tipdqeig Isßaarou Bso~j nur npd^eig Hpa-
xUoug entsprechen: die Albanische Tafel enthält die Apotheose des He-
rakles. Aber eine Grabschrift ist die Apotheose auch nicht. Wenn
Augustus selbst diesen Bericht verfafste, so ist dies keine Ruhmredig-
keit oder Unehrlichkeit, sondern kurz und knapp spricht er aus, womit
er sich den Himmel verdient zu haben glaubt.
H. Nissen, Die litterarische Bedeutung des Monura. Ancyr. Rh.
Mus. f. Phil. 41, 481.
Die Einsicht in den Zweck und die Bedeutung der wichtigsten
Urkunde für die Geschichte der in ihr behandelten Periode ermöglicht
312 Römische Geschichte uud Chronologie
erst ihren richtigen Gebrauch. Auch Nissen hält sie für eine Grab-
schrift; sie befand sich auf zwei freistehenden, flach an die Wand gelehn-
ten Stelen am Eingänge des Mausoleums. Da auf der Spitze des Grab-
hügels das eherne Standbild des Erbauers stand, so wufste jeder der latei-
nischen Zunge Kundige, auf wen die Worte annos undeviginti natus etc.
sich bezogen. Jede Grabschrift verfolgt den Zweck, das Gedächtnis des
Toten bei den Lebenden zu erhalten. Die Art und Weise, wie dies ge-
schieht, wechselt in Rom, und gerade Augustus führte einen Umschwung
herbei. Die von ihm errichtete Grabstätte liefs an Gröfse und Massen-
haftigkeit alle bisherigen Schöpfungen Roms weit hinter sich und wurde
für die Zukunft vorbildlich; vorbildlich wurde aber auch die Inschrift
des Mausoleums, wie Nissen an den dem Monura. Ancyranum vorher-
gehenden Elegien des Forum Augusti und der Inschrift des Munatius
Plancus und andererseits an der des Sulpicius Quirinius, des Plautius
und der Caecilia Metella darthut: wie der gröfste Bürger der Republik
ein Königsgrab nachgebildet hat, hat auch seine Sprache den Pomp der
Pharaonen und Grofskönige sich angeeignet In der ersten Person mufste
er sprechen, wenn- er als Mensch zur Nachwelt reden wollte, weil kein
anderer irdischer Mund der erhabenen Aufgabe gewachsen war. Die Auf-
zeichnung des Augustus ist keine memoria vitae, wie Hirschfeld annimmt,
und deshalb ist es unzulässig, ihr eine meisterhafte Verschleierung der
Thatsachen vorzuwerfen : das Thema einer römischen Grabschrift ist die
gloria; es hebt mit den ersten Worten des Augustus an und klingt mit
den letzten aus. Doch will er sich auf die der Bürgerschaft geleisteten
Dienste und die von dieser empfangenen Auszeichnungen beschränken.
Da uns die Aufzeichnung nicht in unverfälschter Gestalt, sondern
mit einer unpassenden Überschrift uud einem noch unpassenderen Schlufs
versehen vorliegt, ist es nicht unmöglich, dafs im Texte gleichfalls Ab-
weichungen vorgekommen sind ; doch können diese nur gering sein.
Von dem Inhalte giebt Nissen folgende Disposition: 1. Kap. 1 — 4
Namen, 2. Kap. 5—8 die bürgerlichen Magistraturen, 3. 9 — 14 aufser-
ordentliche Ehrenbezeugungen, 4. 15 — 18 die mit den Ämtern verbun-
denen Aufwendungen für die Bürgerschaft, 5. 19 — 21 Bauten und Er-
gänzung der unter 2 geschilderten magistratischen Thätigkeit, 6. 22—24
Spiele und Gaben au die Götter, 7. 25 — 30 custos imperi Romani,
8. 31 — 33 praeses totius orbis terrarum, 9. 34 — 35 Wiederherstellung
der Republik.
Die Überschrift ist Nissen geneigt auf buchhändlerischen Ursprung
zurückzuführen; die Aufzählung der Summen am Ende sollen die bie-
deren Provinzialen gemacht haben, um den Kaiser gegen die Verstim-
mung in Schutz zu nehmen, die seine geringen Vermächtnisse erzeugt
hatten. Indem Sueton der Grabschrift für seine vita folgte, ist erstere
das Vorbild der späteren Kaiserbiographieen geworden.
Gegen diese Ansicht erheben sich doch nicht wenige Bedenken.
7. Zeit der Julier, Claudier, Flavier uud Antonine. 3 13
Die Vorbikilichkeit der Grabschrift des Augiistus für die Grabschriften
des Plautius Silvanus oder Siilpicius Qiiiriniiis ist doch blofse Behaup-
tung; mit demselben Rechte kann man die Scipioneninschriften dafür
ansehen; natürlich ist jetzt der Schauplatz ein anderer und damit auch
die Verhältnisse; dafs einige Könige an der Donau erwcähnt werden,
entspricht einfach den Thatsachen, ohne dafs an den Pomp der Pharao-
nen dabei zu denken ist. Dafs er in der ersten Person reden niufste, wenn
er als Mensch zur Nachwelt reden wollte, wird wohl zutreffen, wie bei
anderen Menschen auch. Aber die Frage ist eben,' ob er diese Ab-
sicht hatte. Auch die Behauptung, dafs er sich auf die der Bürger-
schaft geleisteten Dienste und die von dieser empfangenen Auszeich-
nungen beschränken wollte, ist nicht erwiesen; man kann die Erwäh-
nung der vom Auslande gesandten Gesandtschaften doch auch als An-
erkennung weiterer Kreise verstehen. Auch die Disposition Nissens be-
friedigt nicht; sie mufs zugeben, dafs fast unter jeder Rubrik ein und
der andere Gedanke sich nicht fügen will. Ebenso klingt doch die Er-
klärung für die Anfügung der Summen recht wenig wahrscheinlich. Ob
die »biederen Proviuzialen« von dieser Verstimmung überhaupt etwas
wufsteu? Jedenfalls ist es auffallend, dafs sie in so plumper Weise
ihre Ehrenrettung ausführten. Sollte denn der Proviuziallandtag von
Asien, der die Aufstellung veranlafste, keinen einzigen taktvollen Men-
schen in seiner Mitte gehabt haben, der zugleich so viel Einsicht be-
safs, um zu begreifen, dafs dieses Anhängsel unmöglich seinen Zweck
erfüllen konnte? Wenn die Leute mit den Legaten unzufrieden waren,
so half doch dagegen nicht, wenn nochmals die frühereu Aufwendungen
aufgezählt wurden, die ohnehin Augustus selbst erwähnt hatte.
Aug. Deppe, Kriegszüge des Tiberius in* Deutschland 4 und 5
n. Chr. Bielefeld 1886.
Der Verfasser will in dieser Schrift zeigen, »wie weit die Römer
in Deutschland gekommen waren, als Varus den Oberbefehl am Rhein
übernahm, und wie die Sachen lagen, als Arminius sich gegen die Römer
wandte«. Leider kann ich nicht sagen, dafs er seine Absicht erreicht hat.
Die Methode Deppes ist bekannt. Irgend welche Befestigungen —
und wo fänden sich nicht solche ? — werden schlankweg für römisch
erklärt und nun aus den doch selten aus Autopsie stammenden Schrift-
stellernachrichten der Nachweis versucht, dafs hier das und das Römer-
lager gewesen sei. Auf Zahlen kommt es dabei nicht an, und die neue-
reu Namen lassen sich stets mit einigem Drücken und Dehnen in den
von den Alten überlieferten Bezeichnungen wiedererkennen. Mehrere der
hier versuchten Nachweise solcher Römerlager werden einfach durch den
Umstand hinfällig, dafs der Verfasser annimmt, die Legion habe im An-
fang des ersten Jahrhunderts n. Chr. 2 3000 Mann und 500 Reiter ge-
314 Römische Geschichte und Chronologie.
habt, während in der That dieselbe mit den Auxilieo 8 — 10 000 Mann
zählte.
Der Verfasser kommentiert zunächst den Bericht des Velleius 2, 105.
Den hier nur angedeuteten Marsch bis zur Weser sucht der Verfasser
zu erforschen und meint, dafs er sich durch das Land der Angrivaren
und Dulgibiner in der Richtung von Bielefeld über Herford, Vlotho,
Bückeburg, Stadthagen nach Wunstorf hin bewegt habe. Bei Vlotho
würde die Weser überschritten worden sein. Das Sommerlager, welches
Sentius Saturninus anlegte, wird an einem Punkte des mittleren Osning
in der Gegend von Bielefeld und zwar zwischen der Bielefelder Gebirgs-
schlucht und der Dörenschlucht, an dem Südostende des Töusberges bei
Oerlinghausen gesucht. Gründe für diese Annahmen werden aus der Ent-
deckung von Feuerstellen und verrosteten Eisensachen auf der Dünburger
Barne, aus der uralten Übergangsstelle an der Weser nach dem Dorfe Mä-
tuffeln und aus allgemeinen strategischen Rücksichten entnommen; sie sind
aber nirgends wirklich beweiskräftig. Ebenso wenig läfst sich die Ansicht
als erwiesen ansehen, dafs Varus fünf Jahre später dieses Sommerlager
bezogen habe - weil sich aus Dio-56, 19. 24 und Vell. 2, 17, Flor. 2, 30
und Tac. Ann. 2, 46 erweisen lasse, dafs Varus die Soldaten nicht mit
Schanzen beschäftigt habe. Aber die hier gemachten Angaben sind so
allgemein, dafs man mit denselben nichts anfangen kann. Das von Vel-
leius a. a. 0. erwähnte Winterlager an der Mündung des Flusses Julia
wird nicht mit Lipsius' Konjektur »Lupiae« an der Lippe gesucht, son-
dern Julia soll die oberhalb Ringboke in den Elsener Bach von Thüle
her mündende Delegosse sein, welche in Urkunden des 15. Jahrhunderts
Tulerbecke heifst; der Fhifs hiefs in den ältesten Zeiten Diulje d. h.
ein Bach mit hohen Ufern. Und zwischen Ringboke und Thüle befinden
sich die Reste eines grofsen Heerlagers. Es bedarf keines besonderen
Hinweises, auf wie schwachen Füfsen diese ganze Ausführung steht.
Im Jahre 5 n. Chr. rückte Tiberius aus dem Winterlager bei
Thüle etwa über Delbrück, Gütersloh, Dissen, Osnabrück, Engter in die
Südseite der Chaukeu, die sich den Römern anschlössen. Auf das län-
gere Verweilen der Römer in den dortigen Gegenden werden die Funde
von Münzen, Waffen, Geräten und Schmucksachen auf der Barenau zu-
rückgeführt. Von da zog Tiberius über die Weser zur Elbe gerade ost-
wärts, also in der Richtung von Minden auf Magdeburg, wobei er sich
an der Seite der norddeutschen Gebirge hielt. Ohne weiteres nimmt
Deppe an, dafs Tiberius auch im Jahre 5 ein Sommerlager zur Siche-
rung des Rückzuges errichtet habe; mit diesem bringt er die Babilonje
am Mehnerberge im Wiehengebirge unweit Lübbecke und die Isenburg
am Nordfufse des Deistergebirges in Beziehung. Als Tiberius an der
Elbe angelangt war, führte er das Heer stromabwärts; aus dem Mon.
Ancyr. wird geschlossen , dafs er eine Umschiffung von Jütland ausfüh.
ren liefs. Mit den Legionen zog er zurück und überschritt in der Ge-
7. Zeit der Julior, Claudier, Flavier und Antonine. 315
gend von Bremen die Weser, bei Rheine die Ems und zog weiter in der
Richtung auf Wesel, während Saturninus wahrscheinlich von seinen Stand-
orten am Deister, am Süntel und Osning, um alle Posten wieder abzu-
lösen, seinen Weg über das Kastell Aliso und an der Lippe hinunter nahm.
J. Scherr, Römische Ccäsaren. Caligula. Gartenlaube 1886 No. 1—3
giebt in der bekannten nach Geistreichigkeit und Effekt haschenden
Manier eine für die historische Kritik ziemlich wertlose Konstruktion
des Charakters und der Hauptregierungsthatsachen des Gaius Caesar.
Wiedemeister, Der Cäsarenwahnsinn der Julisch-Claudischen
Kaiserfamilie, geschildert an den Kaisern Tiberius, Caligula, Claudius,
Nero. Leipzig, 2. Aufl. 1886.
Wenn das Buch wirklich eine zweite Auflage ist (zum ersten Male
erschien es Hannover 1875), so sieht man, dafs der Zug, in dem Ver-
brechen einen psychischen Defekt zu erkennen, mächtig im Zunehmen
begriffen ist. Selbst ein so unmögliches Unternehmen, wie das auf Grund
vereinzelter Berichte, noch dazu von lauter Schriftstellern, die nicht als
Augenzeugen geschrieben haben, den Nachweis zu erbringen, dafs die
Nachfolger des Augustus an hereditärer Geisteskrankheit gelitten haben,
findet Käufer und erlebt eine zweite Auflage.
A. Chambalu, Flaviana. (Forts, v. Phiiol. 44, 517.) Philo!.
45, 100 ff.
Der Verfasser setzt seine Beiträge zur Geschichte der Flavier
(Jahresb. 1885, 272 ff.) fort. IV. Zum Münzwesen Vespasians. Von den
nach Tac. bist. 2, 82 in Antiocheia geschlagenen Gold- und Silbermün-
zeu bleiben möglicherweise nur übrig Coh. 2. Aufl. 261. 571. 617. Vor
der Rückkehr Vespasians nach Rom sind wahrscheinlich in Rom selbst
keine Münzen geprägt worden, die Prägung im grofsen Mafsstabe be-
ginnt erst 71; doch mag eine grofse Zahl undatierter Münzen noch ins
Jahr 70 und in den Anfang von 71 gehören. Eigene Münzen des Titus
finden sich erst 71 zu Ephesus geprägt mit dem Avers: Imp. T. Caesar
Augusti f. Der Abstand des Müuzreichturas des Jahres 71 von der Ar-
mut der folgenden Jahre ist so grofs, dafs der Verfasser ihn nur durch
die Annahme glaubt erklären zu können, Vespasian habe auf die Aus-
übung des Münzrechts kein Gewicht mehr gelegt, weil er dasselbe mit
Titus teilen mufste. Vespasian erscheint hier ungefähr wie ein eigen-
sinniges Kind, das ein Spielzeug nicht mehr mag, weil ein zweites daran
Anteil erhält. Man sieht, wozu den Verfasser seine Annahme eines
feindseligen Verhältnisses zwischen Vater und Sohn treibt, die doch
durch nichts motiviert ist. Können aufserdem die zahlreichen undatier-
ten Münzen nicht in die Folgezeit fallen?
316 Römische Geschichte und Chronologie.
Der Verfasser bat sehr sorgfältige Münzverzeichnisse beigegeben,
die aber weniger für die Geschichte als für die Nuniisraatilj ergiebig sind.
J. Asbach, Die Kriege der flavischen Kaiser an der Nordgrenze
des Reichs. Bonn. Jahrbb. 81, 26 ff.
Der Verfasser schildert zunächst die Unterwerfung von Britannien.
Domitian und seine Nachfolger verzichteten auf die kostspielige Offen-
sive gegen die Kaledonier und bemühten sich um die Befestigung ihrer
Defensivstellung au der schottischen Landenge nördlich von Eburacum.
Wenn man auch gewöhnlich annimmt, dafs die Linie vom Solway Firth
bis zum Tyne von Hadrian erbaut worden sei, so hindert doch nichts,
den ersten Anfang der Einrichtung eines gesicherten Grenzschutzes in
frühere Zeit zu setzen; denn die Anlage von Sperrforts war unerläfs-
lich, sobald die Regierung auf die definitive Unterwerfung der kaledo-
nischen Stämme verzichtet hatte. Schon Mommsen hat betont, dafs die
Linie vom Firth of Clyde zum Firth of Forth schon von Agricola mit
einer Postenkette besetzt wurde. Man beschränkte sich , entsprechend
der unter Domitian (?) begonnenen rätischen Grenzwehr auf einen an-
sehnlichen Erdwall mit Graben davor und Strafse dahinter.
Nach dem Bataverkriege begann Vespasian die Neuordnung der
Verhältnisse am Niederrhein, indem er vier Legionen und die Mehrzahl
der germanischeu Auxiliarcohorten auflöste und neue Legionen hier ihre
Quartiere, neue Legaten das Kommando erhielten. Die Brukterer wur-
den durch einen Kriegszug unter Rutilius Galliens zur Auslieferung der
Seherin Velleda gezwungen. Docb wissen wir hierüber wie über ein an-
deres Unternehmen, bei dem nordgermanische Stämme mit den Römern
in Berührung kamen, nichts Näheres.
Weit günstiger ist die Überlieferung für den obergermanischeu
Grenzschutz. Am Oberrhein wurde vor dem Jahre 74 unter dem Kom-
mando des Cn. Cornelius Clemens ein Kampf geführt, der dem Legaten
die Triumphalauszeichnung einbrachte. Er erbaute die Strafse von Ar-
gentoratum auf das rechte Rheinufer. Da aber Plinius kein römisches
Gebiet jenseits des Rheins kennt, auch sonst keine Spur auf eine An-
nexion unter Vespasian hinweist, so will Asbach annehmen, dafs damals
nur eine Art von Protektorat über das Schwarzwald- und Neckargebiet
eingerichtet wurde. Erst der Chattenkrieg Domitians führte zur defini-
tiven Einverleibung. Den Anfang dieses Krieges wird man schon in
das Jahr 82 setzen dürfen, die Entscheidung erfolgte jedenfalls erst im
nächsten Jahre. Die bei Frontin 2, 11, 7 erwähnten Kastelle wurden
etwa zwischen Main und Neckar erbaut; unter dem 120 Millien = 177 km
langen Limes ist die zur Sicherung der Dekumatenlande und des Mainge-
bietes angelegte Militärlinie zu verstehen; die Münzlegende von 85 Germa-
nia capta findet ihre einfachste Erklärung, wenn damals jene Linie fertig
wurde. In den Jahren 88 und 89 wurde der Krieg mit den Chatten erneuert;
f
7. Zeit der Julier, Claudier, Klavier und Antonine. 317
dieser neue Feldzug scheint zur Anlage der Taunuslinie und zur Unter-
werfung einzelner kleinerer Völkerschaften geführt zu haben, die vorher
den Chatten botmäfsig waren. Domitian konnte zufrieden sein : die
Macht des germanischen Hauptvolkes war eingeschränkt und Germania
sup. wirksam geschützt.
Vespasian konnte die Donauarmee nicht vermehren, doch legte er
um 73 zwei Legionen nach Carnuntum und Vindobona, zwei andere ver-
tauschten die dalmatischen Garnisonen mit festen Plätzen an dem mösi-
schen Grenzufer. Auch ist er wahrscheinlich der Schöpfer der üonau-
flottille (classis Flavia). Gleich nach Titus' Tode gingen die Daker zu
nachhaltigem Angriffe über. Dafs schon in den ersten Jahren Domitians
diese kriegerischen Bewegungen über die Donau fluteten, lehrt das Mili-
tärdiplom vom 19. Sept. 82. Und erst 85 schien eine Verminderung der
Heeresmacht durch Entlassung der Veteranen unbedenklich. Daraals
sind wohl die Siege erfochten worden, von denen Eusebius redet. Moe-
sien wurde geteilt und für L. Funisulanus Vettonianus ein gröfseres Kom-
mando über Dalmatien, Moesia sup. und Pannonien geschaffen. Da er
vor 5. Sept. Legat von Pannonien war und seine Inschrift zahlreiche
ihm im Dakerkriege gewordene Auszeichnungen erwähnt, so niufs seine
erfolgreiche Operation eine glückliche Wendung des Krieges herbeige-
führt haben. Der grofse Einfall, von dem Jordanes berichtet, mufs ins
folgende Jahr fallen, da auch C Oppius Sabinus erst 84 Konsul war
und die mösische Statthalterschaft nicht unmittelbar nach dem Konsu-
late übertragen wurde. Die Regierung hatte die Gefahr unterschätzt,
Sabinus wurde geschlagen und fiel, die Kastelle wurden erobert, viele Beute
von den Dakern gemacht. Domitian ging jetzt selbst nach Mösien, aber der
Gardepräfekt Cornelius Fuscus wurde geschlagen und fiel. Domitian war
nach Rom zurück gegangen, weil er fürchten raufste, seine Mifserfolge
würden seine Stellung gefälirden. Er war in der letzten Hälfte des
Jahres 86 zum erstenmal an der Donau, nach dem Untergang des Fus-
cus ging er wieder dahin, seiner Abwesenheit war sicher in dem Jahres-
bericht von 88 gedacht, der bis auf einen kleinen Rest verloren ist. Die
Erfolge des Tettius Julianus fallen Ende 88. Thatsächlich ist auch, dafs
eine Erhebung der Quaden, Markomannen und Sarmaten, also aller Völ-
ker an der mittleren Donau auf die dakische Kriegsführung lähmend
wirkte. Über dieses bellum Suebicum et Sarmaticum gehen die An-
sichten auseinander. Asbach scheint der Verlauf der Ereignisse folgen-
der gewesen zu sein. Der erste Kampf mit den Sarmaten fällt in das
Jahr 86, er war nicht bedeutend und ist glücklich beendet worden.
Während des zweiten dakischen Krieges im Jahre 88 erhoben sich Mar-
komannen und Quaden, und gegen sie zog Domitian von Pannonien aus
zu Felde. Wahrscheinlich standen sie mit Decebalus im Bunde. Die
hier erlittene Niederlage der Römer veranlafste Domitian zum Frieden
mit den Dakern, aber auch zu einem gröfseren allgemeinen Kampfe, eben
318 Römische Geschichte und Chronologie.
dem bellum Suebicum et Sarmaticum, das im Jahre 92 vom Kaiser selbst
beendet wurde. In diesen Kämpfen waren die Sarmaten mit germani-
schen Völkern verbündet. Die von Sueton und Eutrop erwähnte Vernich-
tung einer Legion fällt ins Jahr 92.
Dafs die Friedensbedingungen mit Decebalus nichts beschimpfendes
für Rom enthielten, zeigt die Erwägung, dafs sich seit dem Jahre 89
Domitians Stellung in Rom befestigte gegenüber dem Senate (?) und
unter Nerva und in den ersten Jahren Traians dasselbe Verhältnis fort-
bestand. Auch folgt eine Zeit friedlichen Verkehrs mit den Dakern.
Dafs die Erweiterung der rätischen Grenzen über die Donau hinaus
schon unter Domitian erfolgte, ist recht zweifelhaft.
Die Chronologie der dakischen Kriege, namentlich in den Jahren
84—86 bleibt auch jetzt noch zweifelhaft; denn dafs z. B. Oppius Sabi-
nus nicht schon Sommer oder Herbst 84, spätestens Frühjahr 86 in
Mösien Legat gewesen sein könnte, wird doch nicht dadurch ausge-
schlossen, dafs die mösische Statthalterschaft nicht unmittelbar nach dem
Konsulate übertragen wurde. Ungewöhnliche Zeiten bedingten unge-
wöhnliche Mafsregeln. Auch die zweimalige Anwesenheit Domitians bleibt
zweifelhaft. Ebenso ist der Verlauf des bellum Suebicum et Sarmaticum
in drei Aufzügen lediglich Hypothese.
J. Busse, De Taciti Agricola. Progr. Hildesheim 1886.
Der Verfasser stellt zunächst die verschiedenen Ansichten über die
Bestimmung des Agricola zusammen; au diese Zusammenstellung schliefst
er die Darlegung seiner eigenen Meinung an. Er ist der Ansicht, Ta-
citus habe aus Liebe und Pietät nach dem Tode seines Schwiegervaters
eine Biographie desselben verfafst, aber dabei nur die Hauptsachen ein-
gehender dargestellt; nebenbei wollte er auch die gemäfsigte Haltung
desselben im politischen Leben rechtfertigen. Neu ist diese Ansicht be-
kanntlich nicht, und auch zur Begründung derselben werden keine neuen
Momente beigebracht. Aber die Schrift ist doch für Jeden, der sich
mit der Agricolafrage bekannt machen will, von gewissem Werte, weil
sie eine klare Zusammenstellung der Punkte giebt, auf welche es bei
der Entscheidung ankommt und weil sie auch ziemlich glücklich einige
Ansichten widerlegt.
W. Schleusner, Quae ratio inter Taciti Germaniam ac ceteros
primi saeculi libros Latinos, in quibus Germani tangantur, intercedere
videatur. Progr. Barmen 1886.
Der Verfasser stellt mit Fleifs eine Anzahl Stellen zusammen, aus
denen hervorgeht, dafs Tacitus öfter mit Velleius, Mela, namentlich aber
mit dem älteren Plinius in seiner Darstellung der Germauen überein-
stimmt, so dafs er entweder dieselbe Quelle wie jener oder zwei Quellen
benutzt hat; diese Übereinstimmung beschränkt sich nicht allein auf die
7. Zeit der Julier, Claudier, Flavier und Antonine. 319
Germania. Warum Tacitus nicht diese Schriftsteller selbst benutzt haben
soll, habe ich nicht einsehen können, da doch der Verfasser eine direkte
Benutzung auch des Cäsar und Sallust annimmt.
AI. Riese, Zu den römischen Quellen deutscher Geschichte. Rh.
Mus. f. Phil. 41, 639.
Die Worte Tac. Germ. 41 über die Hermunduren sollen durch die
Notiz sine custode transeuut und castra nostra andeuten, dafs damals
gegen diesen feindlichen Stamm noch keine Grenzbefestigung bestand.
Viel entschiedener weist auf die c. 29 erwcähnte Limes -Befestigung die
Stelle c. 32 hin: Proximi Chattis certum iam alveo Rhenum quique ter-
minus esse sufficiat, Usipii ac Tencteri colunt. Die Chatten grenzen näm-
lich an Germ, sup., die beiden andern an Germ. inf. Nur sind die erstereu
durch den Limes vom römischen Reiche getrennt, die letzteren dagegen
nicht, da der Limes bei Rheinbrohl den Rhein erreicht, genau gegen-
über der Mündung des Vinxtbachs. Von da an »genügt der Rhein als
Grenze« heifst also so viel: Germ. inf. wurde nicht wie Germ. sup. durch
einen Grenzwall geschützt. Vielleicht gehen die Worte, die uns über
die »ungefähre Grenze« zwischen Chatten uud Usipiern Belehrung geben,
auf einen amtlichen Bericht des Statthalters von Unter- Germanien zurück.
Der Verfasser hält den aus Suet. Dom. 6 gezogenen Schlufs, dafs
im Jahre 88 oder 89 bei Mainz noch keine feste Brücke gewesen sei,
für unberechtigt. Denn wenn die Schlacht auch nur wenige Stunden
von Mainz entfernt stattfand, würde die Brücke bei der Stadt Mainz
den Germanen schon deswegen nichts genutzt haben, weil sie sehr ver-
spätet ^ ipsa dimicationis hora — ankamen und deshalb, um noch mit-
zukämpfen, nicht den geringsten Umweg machen durften. Darin, dafs die
Stelle aus der Diskussion über die Mainzer Brücke fernzuhalten sei,
bin ich mit dem Verfasser um so mehr einverstanden, als noch kein
Mensch bewiesen hat, dafs der Kriegsschauplatz wirklich bei Mainz war.
Der Verfasser findet endlich in den Nomina prouinciarum omnium
(Riese Geogr. lat. minor. S. 129) in den Worten: trans castellum Mogontia-
censium LXXX leugas trans Rhenum Romani possederunt eine Bezugnahme
auf die von Domitian per centum viginti milia passuum geführten Limi-
tes. Er will darin die Angabe der Länge der Gienze, nicht der von
Mainz aus gemessenen Tiefe des Gebiets erblicken; letztere betrug bis
zum fernsten Punkt des wetterauischen Limes nur 30 Leugen = 45 rö-
mische Meilen. Letztere Bemerkung würde wenig beweisen; denn man
nahm eben an, dafs vorübergehend der Limes nicht die Grenze gebildet
habe. Nun steht aber auch nicht fest, was der Verfasser als festen
Punkt seiner Rechnung ansieht, dafs Domitian den Limes von Grofs-
krotzenburg bis Rheinbrohl errichtet hat, und damit verliert seine Kom-
bination allen Wert, da sie sich in der Haui)tsache nur auf die Zahl von
120 Miilien stützte.
320 Römische Geschichte und Chronologie.
H. Dressel, Untersuchungen über die Chronologie der Ziegel-
stempel der Gens Domitia. Berlin 1886.
In dieser W. Henzen zu seinem 70. Geburtstage gewidmeten Schrift
versucht der Verfasser die Zeitbestimmung einer der wichtigsten und
zahlreichsten Serien der römischen Ziegelstempel, die man gewöhnlich
mit dem Namen der Domitiersterapel bezeichnet. Die Untersuchung be-
fafst sich 1. mit Personen, welche sämtlich der Geschichte angehören:
dem Rechtsanwalt L. Domitius Afer, seinen beiden Adoptivsöhnen Luca-
nus und TuUus, und mit zwei Frauen: Domitia Cn. f. Lucilla, Tochter
des Lucanus und zugleich Adoptivtochter ihres Oheims Tullus und Do-
mitia P. f. Lucilla, Tochter der vorigen und Mutter des Kaisers Mar-
cus. 2. Mit einer langen Reilie einfacher Freigelassenen und Sklaven
der vorgenannten Domitier. Alle diese Personen haben teils als Be-
sitzer parkartiger Ziegeleien, teils als Pächter, Werkfiihrer oder Arbeiter
in denselben länger als ein Jahrhundert hindurch eine ungeheure Menge
Backsteine geliefert, und zwar zu einer Zeit, in welcher die Bauthätig-
keit in Rom in voller Blüte stand.
Die Familienangelegenheiten der Domitier lernen wir aus dem
Brief des jüngeren Plinius 8, 18 kennen. Die beiden Adoptivsöhne des
Afer Cn. Domitius Lucanus und Cn. Domitius Tullus lebten in gröfster
Eintracht, die sich auf alles, selbst auf Besitz und Vermögen erstreckte,
da zwischen ihnen völlige Gütergemeinschaft bestand. Den glänzenden
Vermögensverhältnissen der Brüder entsprach durchaus ihre öffentliche
Laufbahn, welche zwei Inschriften von Fuligno uns melden (Wilm.
1148. 1149).
Cn. Domitius Lucanus, der ältere der beiden, heiratete eine Toch-
ter des Curtilius Mancia ; aus dieser Ehe stammte eine Tochter, deren
Namen nicht überliefert ist. die aber Domitia Cn. f. Lucilla hiefs. Zwi-
schen dem Schwiegervater und dem Schwiegersöhne herrschte Unfriede,
infolge dessen der erstere seine Enkelin nur unter der Bedingung zur
Erbin einsetzte, dafs Lucanus sie aus der väterlichen Gewalt entliefs.
Dieser kam der Bedingung nach, veraulafste aber gleichzeitig seinen
Bruder Tullus, das Mädchen zu adoptieren. So blieb die Tochter samt
der reichen grofsväterlichen Erbschaft faktisch in der Gewalt des Luca-
nus; er setzte statt ihrer bei seinem Tode seinen Bruder zum Universal-
erben ein, da er überzeugt war, dafs sein Bruder der Nichte das Erbe
nicht schmälern würde. Des Lucanus Tod fällt zwischen 93 und 94.
Tullus heiratete wahrscheinlich erst wenige Jahre vor seinem Tode eine
Frau aus einer berühmten Familie, deren Namen wir nicht kennen.
Trotz der Bemühungen der Erbschleicher setzte er seine Nichte Domitia
Lucilla als Haupterbin ein; wahrscheinlich fällt sein Tod ins Jahr 108.
Die Nichte Domitia Lucilla hatte, aufser einer Tochter gleichen Namens,
auch noch einen Sohn, der aber wahrscheinlich in früher Jugend starb.
7. Zeit der Julier, Claudier, Flavier und Antonine. 321
Wahrscheinlich war die Mutter Domitia Lucilla zweimal verheiratet und '
hatte aus erster Ehe ein Kind, durch welches sie nach dem Tode ihres
Adoptivvaters Grofsrautter wurde. Vielleicht ist dieser Ex-Enkel des
Tullus derselbe, welcher in der Pliniusstelle Enkel heifst; in diesem
Falle brauchte man nicht anzunehmen, dafs Domitia Lucilla aus zweiter
Ehe noch einen Sohn gehabt habe. In zweiter Ehe war sie die Gattin
des P. Calvisius Tullus. Die jüngere Domitia wurde mit Annius Verus
vermählt und Mutter des Kaisers Marcus. Ihr Tod erfolgte zwischen
155/156 und 161. Die Vermählung der Mutter fällt etwa in das Jahr
109, die der Tochter etwa 120; dagegen mufs die erste Ehe der Mutter
etwa in das Jahr 90, ihre Geburt etwa in das Jahr 75 gesetzt werden.
Von Afer sind verhältnismäfsig wenige Ziegel bekannt; Lucanus
und Tullus erscheinen stets gemeinsam als Besitzer der Ziegeleien oder
der in ihnen arbeitenden Sklaven ; erst nach dem Tode des Lucanus er-
scheint der Name des Tullus allein. Die Stempel der älteren und der
jüngeren Domitia sind meist sehr schwer zu scheiden; der Verfasser hat
in scharfsinniger Weise diese Scheidung versucht, die aber hier nicht
weiter verfolgt werden kann. Ebenso hat er die Besitzer der Liberten-
stempel zu ermitteln und unterzubringen versucht. Diese Ergebnisse
können für die Entscheidung über die Bauzeit eines aus solchen Ziegeln
errichteten Gebäudes oder sonstigen Denkmals von grofsem Werte sein.
M. Pelisson, Rome sous Trajan. Religion, administration, lettres
et arts. Paris 1886.
Das Buch behandelt ziemlich eingehend die Kapitel Religion,
Wissenschaft und Kunst, doch ohne wesentlich neue Gesichtspunkte zu
finden. Auf die erheblichen und schwierigen Fragen der inneren und
äufseren Reichsverwaltung wird nicht eingegangen. Offenbar hat der
Verfasser mehr an ein allgemein gebildetes als wissenschaftlich kontro-
lierendes Publikum bei seiner Arbeit gedacht.
A. D. Xenopol, Les guerres daciques de l'empereur Traian. Rev.
bist. 1886 (11), 31, 291—312.
Der Verfasser beansprucht als sein Verdienst, die Reliefs der Tra-
jaussäule mit Dio in Einklang gebracht, den Weg Traians genau be-
stimmt und einige alte Namen nach den heute gebräuchlichen bestimmt
zu haben.
Ich kann dem Verfasser nicht beistimmen, dafs Traian erst in
Folge des zweiten Krieges sich durch die Rachsucht habe bestimmen
lassen, Dacien zu incorporieren und dafs er erkannt habe, die Reichs-
grenzen seien jetzt schon zu weit ausgedehnt Der Verfasser hat offen-
bar an Arabien, an Mesopotamien etc. nicht gedacht, als er diese Be-
hauptung aufstellte.
Bei seiner Abreise aus Rom liefs Traian einen Weg in die Felsen
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. UI» 21
322 Römische Geschichte und Chronologie.
am eisernen Thore brechen, um die Schilfe heraufzuziehen, welche die
Vorräte von Mösien nach dem Kriegsschauplatze bringen sollten. Aber
wäre das nicht einfacher von Pannonien aus zu haben gewesen? Die
Basis der Operationen war Viminacium (Kostolatz). Unter den Offizieren
Traians figuriert wieder Lucius (statt Lusius) Quietus. Er mufste einer
schon vorhandenen Strafse folgen, die Handelszwecken diente. Bei Vimi-
nacium passierte er die Donau und zog über Lederata, Arcidava, Cen-
tum putea, Bersovia, Aixis durch das Timok- und Bistrathal nach Sar-
mizegethusa (Varhely). Tapae heifst heute Tapa oder Tapia; der Name
Bersovia findet sich in dem Flüsschen Bersava erhalten, Azizis (Aixis) soll
am Poganitsch gelegen sein. Tiviscum lag am Zusammenflufs von Timok
und Bistra. Im Bistrathale sollen die Römer vom Winter überrascht
worden sein.
Bei der zweiten Expedition schlug Traian einen anderen Weg ein.
Er liefs bei Egeta-Drubetis (Turnu-Severin) eine Brücke bauen und
rückte durch den Rotenturmpass ein, um den Dakern den Rückzug in
das Innere von Siebenbürgen abzuschneiden. Der Marsch ging über
Amutria (ad Mutriam = Motru Nebenflufs des Jiu) nach Pous Aluti,
von da nördlich auf dem rechten Ufer des 01t nach Arutela (an einem
Nebenflusse der Aluta, Lotru).
Der Gewinn der Arbeit ist nicht gerade grofs, da die wenigen
etymologischen Feststellungen nicht feststehen, Grabungen, Messungen etc.
aber nicht gemacht sind; auch die Ausbeute der Col. Traiana ist mini-
mal, und der Verfasser hätte schon den Mund etwas weniger voll neh-
men dürfen.
Alfred Wiedemann, Le lettre d'Adrian ä Servianus sur les
Alexandrins. Le Musöon, 5, 456 ff.
Der Brief soll bald nach 131 abgefafst erscheinen, in welchem
Jahre der Kaiser Hadrian in Ägypten war. Die Angabe, dafs er aus
einer Schrift des Freigelassenen Phlegon entnommen sei, wird durch die
Unbedeutendheit des Inhalts gestützt; auf Abfassung durch Hadrian
selbst weist nichts mit Bestimmtheit. Die Erwähnung des Verus und
Antoninus macht die Glaubwürdigkeit nicht gröfser; denn wenn man an-
nimmt, dafs der Brief zwischen 131- 134 abgefafst ist, war Verus noch
nicht der Sohn Hadrians. Noch weniger läfst sich begreifen, wie die
Schmähsucht der Alexandriner sich gegen Antoninus (doch wohl A. Pius)
gerichtet haben sollte; eher läfst sich denken, dafs hier eine Verwechs-
lung des Antoninus mit Caracalla untergelaufen ist. Inhaltlich bringt
der Brief teils lauter bekannte Dinge, teils hält er das nicht, was er
verspricht: er will über das ganze ägyptische Volk handeln und kommt
nicht einmal zu einer erschöpfenden Behandlung von Alexandreia. In
anderen Punkten z. B. den Notizen über die Religionen zeigt der Ver-
fasser vollständige Unkenntnis; ebenso ist der Bericht über die Undank-
7. Zeit der Julier, Claudier, Flavier und Antonine. 323
barkeit der Alexandriner falsch. Endlich ist der Brief unlogisch dispo-
niert. Der Brief mufs als Fälschung bezeichnet werden.
Emil Schürer, Geschichte des jüdischen Volltes im Zeitalter
Jesu Christi. Zweite neu bearbeite Auflage. Zweiter Teil. Leipzig,
Hinrichs 1886.
Das rühmlich bekannte »Lehrbuch der Neutestamentlichen Zeit-
geschichte« des Verfassers erscheint hier in neuer Bearbeitung unter ver-
ändertem Titel, und wenn auch der alte Rahmen beibehalten ist, so ist doch
innerhalb desselben das Buch fast ein ganz neues geworden. "Was in der
früheren Schrift auf 300 Seiten zusammengedrängt war, umfafst hier
über 800; so viel neuer Stoff ist dem Verfasser infolge erneuter Lek-
türe der Quellen und fortgesetzter Beschäftigung mit dem Gegenstande
zugewachsen. Der zweite Teil erscheint aus äufseren Gründen vor dem
ersten. Aber dies wirkt nicht störend, da derselbe für sich ein relativ
selbständiges Ganzes bildet.
In dem zweiten Teile werden die inneren Zustände Palästinas und
des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi geschildert. Für die rö-
mische Geschichte ist besonders interessant § 22 Allgemeine Kulturver-
hältnisse, indem hier die Mischung der Bevölkerung nachgewiesen, die
Landessprache erörtert und die Verbreitung der hellenistischen Kultur
in den nicht jüdischen Teilen und im jüdischen Gebiete sorgfältig ver-
folgt wird; auch die Darlegung der Stellung des Judentums zum Heiden-
tum wird recht klar vorgeführt. Dafs die ausgebreitete Gelehrsamkeit
des Verfassers hier maunichfach interessante neue Punkte gefunden hat,
kann hier nur erwähnt werden. Auch § 26 Pharisäer und Sadducäer,
§ 27 Schule und Synagoge, § 28 das Judentum in der Zerstreuung, ent-
halten eine Menge von Stoff, welcher die schliefsliche Katastrophe ver-
ständlich macht und deshalb auch für die römische Geschichte von grofsem
Werte ist.
So wird das Werk in seiner neuen Gestalt nicht nur für jeden
unentbehrlich, der sich mit den Anfängen des Christentums beschäftigt,
sondern auch speziell für die römische Geschichte ist sein Erscheinen
dankbar zu begrüfsen.
Mit der Stellung der Juden unter der römischen Herrschaft be-
schäftigen sich die Schriften von
H. Grätz, Die Stellung der kleinasiatischen Juden unter der
Römerherrschaft. Monatschrift f. d. Gesch. d. Judenturas 1886 No. 8 und
Hild, Les Juifs devant l'opinion romaine. Revue des etudes juives
1886 No. 21 und 22.
Neues Material bringen beide Verfasser nicht, aber sie bemühen
sich, das vorhandene möglichst zur Glorifikation ihrer Glaubensgenossen
21*
324 Römische Geschichte und Chronologie.
auszubeuten. Freilich könnte man mit demselben Material auch das
Gegenteil erweisen. Ob dies eine wirksame Bekämpfung des Antisemi-
tismus ist?
Ad. Haruack, Über den Ursprung des Lectorats und der ande-
ren niederen Weihen. Giefsen 1886.
Anknüpfend an seine Ausgabe der Aida^r] rihv dnoazoliuv (Jahrb.
f. röm. Gesch. 1884, 101 ff.) erörtert hier der Verfasser die dort sich
findende Anordnung, wonach der Lector vor den Diakonen steht; diese
Anordnung steht mit der herrschenden Ansicht, nach der das Lector-
amt mit den übrigen niederen Kirchenämtern seit Ende des zweiten oder
Anfang des dritten Jahrhunderts aus dem Diakonat hervorging, in schwer
zu erklärendem Widerspruche.
Der Verfasser weist nach , dafs das Lectorat ursprünglich eine
ganz andere Natur und Bedeutung gehabt, diese aber eingebüfst hat.
In Rom hat es schon in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts
eine tiefe Stelle eingenommen. Es bildet dort mit den Exorcisten und
Ostiariern eine Dienstleistung am Heiligen, aber eine mechanische und
darum niedere. Zur selben Zeit finden sich in Karthago noch ältere
Zustände und Auffassungen; hier wurden Lectoren zu Presbytern desig-
niert, und die Lectoren waren Gehilfen der Presbyter beim Unterricht,
aber sie galten als Laien. Diese Thatsachen zeigen, dafs das Lectorat
sich nicht aus dem Diakonat entwickelt haben kann, sondern seine eigene
Wurzel neben der episkopal- diakonalen Organisation der Gemeinde ge
habt haben mufs.
Im Oriente wurde der Lector nicht zu den charismatischen Per-
sonen gerechnet. Aber die Umwandlung der Bischöfe und Presbyter in
einen Priesterstand, der hoch über der Gemeinde stand, hat allen Cha-
rismen ein Ende gemacht und die Urheber derselben — sie wurden
nunmehr nur nach ihrem Verhältnisse zu dem Priestertum gewertet — auf
eine tiefe Stufe herabgedrückt. Im einzelnen verlief dieser Prozefs an
den verschiedenen Orten verschieden. Soweit es thunlich war, ging die
freie Erbauungsrede, die im ersten und einem Teile des zweiten Jahr-
hunderts Sache der Propheten' und Lehrer war, auf den Bischof resp.
die Presbyter über. Daneben gab es aber bis gegen Ende des zweiten
Jahrhunderts wahrscheinlich überall noch freie Lehrer, Laien, denen
man es gestattete, sogar im Gottesdienste zu sprechen und aufserhalb
desselben eine Lehrthätigkeit auszuüben. Sie genossen ein hohes An-
sehen und besafsen einen Rang, aber kein Amt. Am schwankendsten
war die Stellung des Lectors. In der Regel stand er im zweiten Jahr-
hundert ebenso aufserhalb des Ordo wie der Doctor und Exorcist, in
seiner Thätigkeit blieb er auf die Anagnose beschränkt. In einzelnen
katholischen Gemeinden des Orients fehlt es nicht an Ansätzen, sowohl
den Lector in den Ordo hineinzuziehen, als auch seine Funktionen zu
7, Zeit der Julier, Claudier, Flavier und Antonine. 325
erweitern. In der Jcda^^rj steht der Lector zwischen Presbyter und Dia-
kon d. h. er sollte in die Lücke eintreten, welche das allmähliche Aus-
sterben bezw. Zurücktreten der Lehrer zur Folge hatte. Er konnte von
da auf die Seite der Geistesträger rücken und zu einem rjyouiievog in
der Gemeinde werden ; er konnte aber auch, als gewählter minister und
streng auf die Auagnose beschränkt, in eine niedere Sphäre herabsinken.
In der That mufs ihm die erstere Aussicht in manchen orientalischen
Gemeinden fast sicher gewesen sein; aber schliefslich hat ihn überall
die neue, episkopale Organisation der Gemeinden ausgeschlossen und
tief herabgedrückt. In der Zeit zwischen Alexander Severus und Phi-
lippus Arabs (222 — 249) wurde zuerst in Rom, dann auch sonst im
Abendlande die Einrichtung von clerici minores getroffen und Exorcist
und Lector in diesen Stand verwiesen. In dieser Unterscheidung von
höheren und niederen, vollziehenden und bediensteten Klerikern, von
Priestern und von Dienern am Heiligen stellt sich aber auch zugleich
eine frappante Übereinstimmung mit dem römischen Sa<;ralwesen dar.
Gleichzeitig mit Exorcist und Lector als clerici minores tauchen
Subdiakonen, Akoluthen und Ostiarier auf, letztere drei mit Sicherheit
zuerst im Jahre 250. Die Subdiakonen sind teils die überzähligen Dia-
konen (über sieben) und die oulxovot ura^pi-cai d. h. die Gehilfen der
sieben zu den niederen Dienstleistungen. In diesem doppelten Charakter
liegt es begründet, dafs sie die oberste Stelle unter den clerici minores
einnahmen, stets zu dem höheren Klerus gravitierten und endlich durch
Innocenz III. letzterem zugeteilt wurden. Das Bedürfnis, Subdiakonen
aufzustellen , rechtfertigt also keineswegs die Institution der clerici mi-
nores in der Kirche.
Dagegen völlig befremdlich und wahre Neulinge sind die Ako-
luthen und Ostiarier; sie geben auch den Schlüssel zum geschichtlichen
Verständnis der ganzen, so folgenschweren Institution. Der ostiarius ist
der aedituus minister der heidnischen Tempel; er hatte das Öffnen und
Schliefsen der Thüren zu besorgen, das Ein- und Ausgehen der Gläu-
bigen zu überwachen, verdächtigen Personen den Eingang zu verweigern
und seit der strengeren Unterscheidung von missa catechumenorum und
missa fidelium, nach Entlassung der Katechumenen, Büfsenden und Un-
gläubigen die Thüren zu schliefsen. Er wurde erst nötig, als eigene
kirchliche Gebäude vorhanden waren und wie die Tempel samt dem
gottesdienstlichen Ceremoniell als ein Heiliges betrachtet wurden, d. h.
eben seit c. 225 Die Akoluthen sind aus den Unterbeamten der heid-
nischen Priester, den calatores hervorgegangen; während der ostiarius
an ein Heiligtum gebunden war, ist der Akoluth an eine heilige Person
gebunden. Akoluthen und Ostiarier sind durch die Bedürfnisse des
nach heidnischem Muster bereicherten kirchlichen Priester- und Sacral-
wesons in Rom hervorgerufen worden. Dafs man aus ihnen einen wirk-
lichen und streng geschlossenen ordo zweiter Stufe schuf und in diesen
326 Römische Geschichte und Chronologie.
Lectoren, Exorcisten und Subdiakonen einstellte, ist unter den Grofs-
thaten der römischen Gemeinde zum Ausbau der kirchlichen Verfassung
eine der gröfsten ; denn sie schuf hier eine Pflanzstätte für den höheren
Klerus, eine Vorschule für das Priesteramt. Indem sie es jedem er-
möglichte, von der niedersten Küsterstelle aus die höchsten Priester-
würden zu erreichen und anderseits in der Regel von jedem verlangte,
der Kirche von der Pike auf zu dienen, hat sie mit der antiken An-
sicht, dafs das Priestertum nur bestimmten Gesellschaftsklassen zugäng-
lich sei, gebrochen und auch die Scheidewand zwischen Priestern und
Tempeldienern niedergerissen.
Ein Epimetrum führt aus, dafs die Übertragung der 14 Regionen
an Diakonen eine Nachbildung der politischen Einteilung in 14 regiones
unter curatores urbis war; wie letztere dem Stadtpräfekten unterstan-
den und hilfreich sein sollten, so waren es jene für den Bischof. Die
Einsetzung von sieben Subdiakonen und damit die Schöpfung des Sub-
diakonats überhaupt ist eine Folge der Anordnung des Bischofs Fabian,
kraft welcher jede Region einen kirchlichen Kurator erhielt, während
doch die alte Siebenzahl der Diakonen nicht vermehrt werden sollte.
Die Schrift ist ein weiterer Beitrag zur Kenntnis der altchrist-
lichen Verfassung.
Paul Allard, Les persecutions en Espagne pendant les premiers
siecles de christianisme. Rev. des quest. bist. 39, Iff.
Der Verfasser nimmt auf Grund des Muratorischen Fragments und
einer Notiz des heiligen Hierouymus an, dafs Paulus selbst in Spanien
gewesen sei; aber diese Nachrichten beweisen weiter nichts, als dafs
man schon früh den Paulus dorthin gelangen liefs. Wo aber liefs man
ihn schliefslich nicht thätig sein? Der Verfasser nimmt getreu seiner
Theorie über die neronische Verfolgung, die er über das ganze Reich
ausdehnt, an, dafs auch in Spanien eine solche stattgefunden habe; Be-
weise giebt es dafür nicht, aufser einer Märtyrerlegende von mehr als
zweifelhaftem Werte. Erst um die Mitte des dritten Jahrhunderts er-
fährt man von dem spanischen Christentum In der Verfolgung des
Decius zeigten sich einige Bischöfe schwach, einer erlitt aber den Mär-
tyrertod (259). Von anderen Martyrien erfahren wir nur durch Pruden-
tius; Allard versetzt sie in das Jahr 303, nicht ohne selbst zu fühlen,
dafs er damit den Angaben des Prudentius Gewalt thut. Die Verfol-
gung unter Diokletian wütete besonders in Spanien, wobei sich der Vi-
carius Datianus hervorthat. Unter den Martyrien werden die des heili-
gen Vincenz und der heiligen Eulalia besonders ausführlich behandelt.
Aber selbst Prudentius weifs uns nur einige Orte und Thatsachen zu
nennen, an denen Martyrien bezeugt sind; ja er sagt ausdrücklich, dafs
es nur wenige gab. Was bleibt also von der angeblichen Thätigkeit des
Datianus übrig?
8. Zeit der Verwirrung 327
0. Marucchi, Un' Eroina cristiana sotto il regno di M. Aurelio
e la scoperta del suo sepolcro. Nuov. Antol. 85, 409 ff.
Es handelt sich um die Auffindung der ehemaligen Grabstätte der
heiligen Felicitas, die mit ihren Söhnen unter Kaiser Markus 162 den
Märtyrertod erlitt.
Die Abhandlung von
E. Cuq, De la nature des crimes imputes aux Chretiens d'apres
Tacite Mel. d'Archeol. et Hist. 6, 715 ff.
war mir nicht zugänglich.
8. Die Zeit der Verwirrung.
0. Seeck, Die Haloandrischen Subskriptionen und die Chronolo-
gie des Jahres 238 n. Chr. Rh. Mus. f. Phil. 41, 161 ff.
Seeck will die Wertlosigkeit der Haloandrischen Subskriptionen an
den von ihm anderwärts gewonnenen Daten für das Jahr 238 n. Chr.
feststellen. Er findet folgende Daten: Erhebung Gordians den 16. März;
Aufbruch Maximins gegen Italien Ende März oder Anfang April; Tod
der ersten Gordiane den 6. April; Wahl des Maximus und Balbinus
den 16. April; Beginn der Belagerung von Aquileia Anfang Mai; Tod
Maximins den 17. Juni; Tod des Maximus und Balbinus den 23. Juli.
Alle diese Daten sind nach seiner Ansicht, aufser dem Todestage Maxi-
mins, um ein paar Tage verrückbar, aber auch nur um ein paar Tage.
Man mufs dabei einige Willkürlichkeiten in Kauf nehmen , ohne die es
bei Seeck nun einmal nicht geht. Der Chronograph von 354 bildet
überall für Seeck die Grundlage seiner Berechnungen — so lange es
sonst pafst. Nun würde man aber mit den Angaben des Chronographen
für Maximins Tod auf den 11. Juli 238 kommen; dies pafst nicht, und
da findet sich in der Handschrift ein Fehler, menses HII steht da, da
aber sonst auch einmal ein Strich fehlt, so mufs es hier menses HI
heifsen. Natürlich wird alles andere damit in Übereinstimmung gebracht.
So findet z. B. Maximin den Isonzo vom schmelzenden Schnee der Ge-
birge angeschwollen, dies deutet auf Anfang oder Mitte Mai etc. Auch
das Datum für die Erhebung Gordians I. ist sehr willkürlich berechnet,
und ähnlich ist es noch mehrfach. Trotzdem hat Seeck bezüglich seiner
Verwerfung der Haloandrischen Subskriptionen ganz recht. Ist das aber
neu? Ich habe bereits in meiner Kaisergeschichte S. 790, 796 u. öfter
auf die Unzuverlässigkeit derselben hingewiesen, und mehr wissen wir
nach seiner Untersuchung auch nicht. Denn wenn »die grofse Mehrzahl
derselben unzweifelhaft erfunden ist und es zur Aussonderung des Echten
hein Mittel giebt«, so wird man auch künftig nur das thun können,
was man bisher auch gethan hat, »bei historischen Untersuchungen keine
328 Römische Geschichte und Chronologie.
Lesung des C. Just, benutzen, die nicht auf der sicheren Grundlage der
handschriftlichen Überlieferung ruht«. Warum aber tant de bruit pour
une Omelette?
9. Die Zeit der Regeneration.
Edm. Meyer, Über die Passio Sanctorum quatuor coronatorura.
Pr. d. Luisen-Gymn. Berlin 1886.
Der Verfasser widerlegt die Ansichten von Rossi und Erbes. Der
erstere erblickt in den Coronati die vier Cornicularii, wie es die zweite
Legende ergiebt; an dem Punkte, wo sie fünf Tage lang den Hunden
ausgesetzt gelegen haben, ist die heilige Kirche der quattro Coronati
erbaut; ihr Begräbnisplatz ist an der via Lavicana, drei Millien von
Rom in einem Kirchhof, der auch Comitatus hiefs und ein Teil der
gröfseren iuter duas lauros genannten Katakombe war". Frühzeitig,
jedenfalls vor 354, sind die fünf Pannonier, die mit den Gekrönten einen
Todestag hatten, nach Rom überführt und bei den vier Gekrönten be-
graben: hier hat Leo IV. die Gebeine beider Gruppen ausgraben und
nach Rom in die Kirche der Gekrönten bringen lassen, an der er Pres-
byter gewesen. Die Verbindung der Legenden ist nicht nur durch den
gleichen Todestag der Gekrönten und der Pannonier, sondern auch
durch ihre Grabstätte auf einem und demselben Kirchhof herbeigeführt.
Das Jahr, in dem das Martyrium der Pannonier stattfand, ist 305 oder
306: das römische Martyrium müsse, wie die Erwähnung des heiligen
Sebastian zeige, der 288 den Tod erlitten, vor das panncnische fallen.
Meyer weist nach, dafs der in der Legende erwähnte Bischof Cyrill von
Antiocheia nicht, wie Rossi annimmt, nach 803, sondern bereits 302 das
Martyrium erlitt; auch könne dieser gar nicht in den pannonischen
Steinbrüchen umgekommen sein. Der als Verfasser der Legende von
Rossi ermittelte »censualis a glebä actuarius nomine porphyreus« brauche
nicht unter Diokletian oder Galerius gelebt zu haben; endlich stimme
die in der Legende gegebene Beschreibung sehr gut zu Diokletian, aber
gar nicht zu Galerius. Dafs die Kirche der Gekrönten an dem Platze
stehe, wo die Märtyrer ausgesetzt lagen, sei nicht zu erweisen aus den
von Rossi vorgebrachten Argumenten. Die Annahme, dafs die vier Ge-
krönten auf einem und demselben Kirchhof mit den Pannoniern beige-
setzt seien, beruhe auf willkürlicher Interpretation; eine Änderung im
Texte (id est in et) verkenne die richtige und wohlverbürgte Überliefe-
rung, dafs eine Zeit lang die vier Gekrönten mit den Pannoniern identi-
ficiert wurden.
Gegen Erbes wird geltend gemacht, dafs auch er, gleich Rossi,
die Absicht und den Zweck des Verfassers des rätselhaften Epilogs zur
Legende verkannt habe. Derselbe wollte eine Antwort geben auf die
Frage, wie es gekommen sei, dafs fünf Heilige unter dem Namen der
9. Zeit der Regeneration. 329
vier Gekrönten gingen, während Erbes annimmt, dafs der Epilogist aus
römischem Lokalpatriotismus erklären wolle, wie es komme, dafs vier
Pannonier als Römer verehrt werden. Den Widerspruch der Zahlen
will er dadurch lösen, dafs er annimmt, die Fünfzahl der Pannonier
rühre von dem Epilogisten her. Auch Erbes' Lösung der chronologi-
schen Frage wird zurückgewiesen. Er hatte für das pannonische Mar-
tyrium den 8. Nov. 302 angesetzt und gefunden, dafs zwischen dem
Triumphe Diokletians und dem Martyrium die 42 Tage und 11 Monate
der römischen Legende lägen. Das pannonische Martyrium sei auch
ganz gut möglich, da Diokletian den Winter 302/3 in Nikomedieu ver-
bracht habe und sehr wohl in Pannonien gewesen sein könne. Das römi-
sche Martyrium sei dann nach Ansicht des Redactors in das Jahr 304
gefallen. Dagegen wendet Meyer ein, die Verfolgung habe mit den
Terminalien des Jahres 303 begonnen und am 8. November 304 sei Dio-
kletian nicht mehr in Rom gewesen. Schliefslich ist Meyer der An-
sicht, dafs es neben der allgemein unter dem Titel der drei Gekrönten
bekannten pannouischen Legende keine andere römische Legende ge-
geben habe, die denselben Titel führte. Als Zeit, in der die Martyrien
der Legende stattfanden, hält er für das erste 293, für das zweite
303 fest.
Gaston Boissier, fitudes d'histoire religieuse. IL La conver-
sion de Constantin. Rev. des deux Mondes 76, 51—72.
Der Verfasser hält alle von Eusebius in der Vita Constantini ge-
brachten Dokumente für echt und hegt nur einiges Mifstrauen gegen
seine Erzählungen.
Die Begünstigung des Christentums durch Constantius Chlorus re-
duciert Boissier auf eine weniger intensive Verfolgung desselben in Gal-
lien. Sonst hält er ihn für einen Monotheisten, der gegen andere Kulte
tolerant war und sich vielleicht zum Christentum hingezogen fühlte ; an-
gehört hat er demselben sicherlich nie. So war Constantin durch seine
Abkunft ein Freund der Christen, deren Lehren er frühzeitig kennen
lernte. Am Hofe Diokletians fühlte er sich verdächtig und so zu den
Gegnern, welche eben die Christen waren, uaturgemäfs hingezogen;
doch blieb er Heide, der sich gerne als Liebling der Götter hinstellen
liefs, aber den Heiden sein Wohlwollen bezeugte.
Im Jahre 311 trat er in der Weise, wie dies Lactantius und Euse-
bius berichten, zum Christentum über. Er that es aus Überzeugung,
nicht aus Interesse; denn letzteres ist nicht zu finden: die Christen
waren zu dieser Zeit noch keine Macht. Constantin fürchtete die Magie
seiner Gegner, zweifelte an seiner eigenen Übermacht und war so leicht
dem Glauben zugänglich, dafs der Christengott ihm helfen könne und
werde. Aber wäre dus nicht auch Interesse? Dazu kann er wirklich
eine Vision gehabt haben. Damals hat er das christliche Monogramm
330 Römische Geschichte und Chronologie.
auf die Fahnen gesetzt, und nach dem Siege bekannte er sich zum
Christentuine und betrachtete sich von da an als das auserwählte Werk-
zeug Christi und Gottes.
Ich kann diesen Ausführungen gegenüber nur auf meine Darstel-
lung in meiner Kaisergeschichte verweisen: ich bin jetzt noch mehr
überzeugt als vorher, dafs uns allein Münzen und Inschriften ein wenig-
stens in den von ihnen berichteten Thatsachen zuverlässiges Bild geben,
Paul Monod, La politique religieuse de Constantin. Diss. Mon-
tauban 1886.
Der Verfasser glaubt nicht an die Bekehrung Constantins auf dem
Zuge gegen Maxentius und versucht die Kreuzeserscheinung durch me-
teorologische Phänomene und nachfolgenden Traum zu erklären. Das
Edikt von Mailand ist ihm ein Ausflufs des Wunsches, den Constantin
hegte, neutral über den Religionen zu bleiben und das Christentum
seinen politischen Zwecken dienstbar zu machen : thatsächlich begrün-
dete er aber damit auch die religiöse Freiheit. Die Mafsregeln Con-
stantins nach dem Edikte von Mailand haben alle dieselbe Tendenz:
die Verstaatlichung der Kirche. Er ist ihr Pontifex Maximus, wie der
des Heidentums. Für die Kirche selbst war seine Politik verderblich;
denn sie verweltlichte und vergafs ihre hohe sittliche Bestimmung, und
sie beugte sich den Zwecken der kaiserlichen Politik. Sie wurde jetzt
nicht mehr verfolgt, aber, was schlimmer war, sie wurde zur Verfolgerin.
Herm. Heck er, Zur Geschichte des Kaisers Julianus. Eine
Quellenstudie. Progr. Kreuznach 1886.
Nach einer Einleitung, in welcher der Verfasser in sehr subjek-
tiver Weise Nachrichten über Julianus für wahr oder falsch erklärt,
wendet er sich zu dem Nachweise, dafs Ammian, Libanius und Zosimus
die Aufzeichnungen Julians über seine Thaten benutzt haben. Er be-
schränkt sich dabei vorläufig auf die Zeit von der Erhebung Julians
zum Cäsar bis zum Tode des Constantius. Eine geraeinsame Quelle in
den drei Lebensbeschreibungen Julians ergiebt sich aus der Darstellung
der einzelnen Ereignisse in derselben Reihenfolge, auch wo diese nicht
durch die chronologische Folge bedingt ist oder gar davon abweicht;
aus der vollständigen Übereinstimmung in gröfseren Partieen; aus ge-
meinsamen Lücken und Fehlern in der Darstellung und aus der viel-
fach wörtlichen Übereinstimmung auch in nebensächlichen Dingen. Wenn
trotzdem die Übereinstimmung der drei Quellen so wenig hervortritt,
dafs sie bis jetzt nicht aufgefallen ist, so liegt das in der verschiede-
nen Art und Weise, in welcher die Verfasser die gemeinsame Quelle
benutzt haben.
Der Verfasser stellt zuerst eine Reihe von Abweichungen bei Am-
mian, Libanius und Zosimus zusammen, die meist als Entstellungen und
9. Zeit der Regeneration. 331
Fälschungen bezeichnet werden. Alsdann sucht er zu zeigen, dafs Liba-
nius im Epit. und Ammian nach derselben Quelle gearbeitet haben, und
dafs auch Zosiraus diese Quelle vor sich hatte, wenn er ihr auch im
allgemeinen nicht gefolgt ist. Diese Quelle sollen die Kommentare
Julians gewesen sein. Man kann dieses für Libanius unbedingt zugeben.
Für Ammian dürfte der Nachweis nicht ausreichen. Denn das Haupt-
argument, die zeitliche Aufeinanderfolge in den verschiedenen Berichten,
beweist wenig, da dies in annalistisch gehaltenen Darstellungen mehr
oder minder der Fall sein mufste. Für Zosimus liegt zu wenig Material
zum Vergleichen und zum Beweisen vor, und die Erklärung desselben,
dafs er die Kommentarien Julians kenne, beweist noch nicht, dafs er
sie wirklich benutzt, nicht, wie wahrscheinlich, nach einer daraus schöp-
fenden Vorlage gearbeitet hat.
Die Schrift ist recht verdienstlich, und es wäre zu wünschen, dafs
der Verfasser bald die angekündigte Fortsetzung seiner Arbeit erschei-
nen liefse.
Jul. v. Pflugk-Harttung, Die germanischen Niederlassungen
im Römerreiche. Allg. Z. Beil. 1886 No. 253 und 254.
Als die Germanen in das römische Reich einbrachen, konnte es
keinen grösseren Gegensatz geben als zwischen ihnen und den Römern.
Hier der Grundgedanke des römischen Gemeinwesens: die volle Herr-
schaft des Staates über den Menschen und die des Menschen über die
Sache, der Staat eine kunstvolle Maschine in der Hand des Kaisers mit
wohlgegliedertem Beamtenstand, der das Leben der Bürger überwachte
und beherrschte, dem nach aufseu und innen in den Legionen und Be-
amten die Macht zu Gebote stand, während die Steuern die nötigen
Mittel gewährten, um Krieger und Beamte zu nähren und zu halten.
Den Germanen fehlte das eigentliche Bild eines Staates. Den König
erhob das Volk, es wählte die Civilbeamten; erst in den Wanderungen
wuchs die Macht des Königtums, mithin gewann das Amt- und Dienst-
gefolge des Königs an Bedeutung; dadurch verlor die Volksvertretung
an Bedeutung, aber sie setzte doch noch ihren Willen dem Könige
gegenüber durch. Das Recht beruhte nicht auf dem Boden sondern
auf der Person- Noch verschiedener war das ökonomische und sociale
Leben. Die Römer safsen in Städten mit ausgebildetem Handelsver-
kehr, besafsen ein Kunststrafsen-Netz, Handels- und Geldverkehr, Über-
lieferungen einer stolzen Nationalität und Litteratur. Die Germanen
waren Bauern- und Kriegervölker ohne Reichtum. Der stärkste Gegen-
satz lag in der Sittlichkeit und in der Stellung von Mann und Weib. Da-
gegen in der Kultur des täglichen Lebens standen sich die Provinzialen und
Germanen nahe. Die Germanen kamen als landsuchende Völker; den-
noch brachte ihre Ankunft keine tiefen Erschütterungen hervor, wie zu
erwarten war: sie waren gering an Zahl und die romanischen Länder
332 Römische Geschichte und Chronologie.
entvölkert. Auch erfolgte die Ansiedlung meist durch Vertrag. Den
Provinzialen war es gleich, wer herrschte, wenn ihre Lage nur erträg-
lich wurde. Im allgemeinen erfolgte durch die Germanen Vermehrung
der Wehrhaftigkeit , und die Rechtsunsicherheit sowie der Krieg aller
gegen alle hörten auf. Von Aufständen der Romanen hört man nichts;
vielfach wurden die Germanen herbeigesehnt, und die günstigsten Zeug-
nisse werden über sie laut. Sie brachten ein kräftiges Gemeinwesen,
Ordnung, wohlthuende Gerechtigkeit und Verminderung der Lasten.
Ihre kernhaftere Sittlichkeit verlieh dem Staatsleben einen Zug von
Strenge und Lauterkeit, woran die Römer schon lange nicht mehr ge-
wohnt waren.
Nie hatte man das Gesamtvolk vor sich bei den Wanderungen,
sondern immer nur Abzweigungen. Darum machte die Ansiedlung auch
nirgends Schwierigkeiten, die allerdings in verschiedener Art erfolgte.
Gust. Krüger, Lucifer, Bischof von Calaris und das Schisma der
Luciferianer. Leipzig 1886.
Diese sorgfältige Monographie, welche, der Lage der Dinge ent-
sprechend, wesentlich theologischen Charakter trägt, ist für die Ge-
schichte des Kaisers Constantius von besonderem Interesse, indem sie
hauptsächlich die Opposition darstellt, auf welche der Kaiser in seinen
Bestrebungen stiefs. Die Details gehören in die Kirchengeschichte.
Alb. Güldenpeuning, Geschichte des oströmischen Reichs unter
den Kaisern Arkadius und Theodosius II. Halle 1885.
Dieses Buch des durch seine Arbeit über Theodosius d. Gr. be-
kannten Verfassers könnte eine Lücke in den Spezialdarstellungen der
Kaisergeschichte ausfüllen. Die beiden hier geschilderten Regierungen
sind deswegen so interessant, weil sie den Übergang des Römerreichs
auf die Romäer verkörpern. Die Darstellung zerfällt naturgemäfs in
zwei Bücher, welche je die Regierung des Arkadius und des Theodo-
sius II. behandeln. Der Verfasser beginnt mit einer Schilderung der
Vorzüge der Ost- und der Westhälfte, von denen die letztere die erstere
an äufserem Umfange und Produktenreichtum übertraf, während die
erstere besser geschlossen und leichter zu verteidigen war, eine gröfsere
Gleichartigkeit der einzelnen Teile, gleiche geistige Bildung und höhere
Kultur voraus hatte. Er weist dann nach , wie man die Reichseinheit
festhielt; es fehlt hier der Aufsatz von Momrasen Hermes 17, 523 ff.,
der in präcisester und mannichfach neuer Weise diese Frage erörtert
hat. Ebenda hätte der Verfasser sich besser an Bethmann Hollweg als
an Walter gehalten, wenn er die administrative Gliederung darstellen
wollte. Auch die Darstellung der militärischen Verhältnisse ist vielfach
ungenau, und namentlich ist nicht berücksichtigt, dafs in der Notitia für
den Westen speziell für Stilicho zugeschnittene Einrichtungen überliefert
■ 9. Zeit der Kegeneration. 333
sind. Besser gelungen ist die Schilderung von Konstantiuopel. Eigen-
tümlich und irreführend ist die Bezeichnung »im Porphyrsaale geboren« ;
wer denkt dabei an »Purpur«?
Die Gestalt des Arkadius tritt zu wenig plastisch hervor; sie hätte
es trotz der Unbedeutendheit thun können. Von den beiden Rivalen
wird Rufinus vielleicht zu günstig dargestellt; einzelne Striche, die
Claudian entnommen sind, wären besser weggeblieben, so z.B. dafs er
beabsichtigt habe, Cäsar zu werden, oder die Schilderung seiner Ermor-
dung. Eine der gelungensten Partien ist die Schilderung des Regiments
des Eunuchen Eutropius; doch hätte der Gegensatz zwischen Germanen
und Römern auch hier schärfer betont und mehr ausgeführt werden
dürfen; an vereinzelten Zügen, die ein klares Bild geben, fehlt es jetzt
so wenig, wie im vierten Jahrhundert, für das sie Richter gesammelt
hat. Das letzte Aufbäumen des Arianismus in Konstantinopel dürfte
auch nicht nach Gebühr gewürdigt sein; es mufste in gröfserem histo-
rischen Zusammenhange dargestellt werden. \uch die hierarchischen
und dogmatischen Interessen, die sich unter Arkadius geltend machen,
treten nicht klar genug hervor, und der Verfasser hat hier der kind-
lichen Überlieferung zu sehr nachgegeben, die beinahe päpstliche An-
mafsung des Job. Chrysostomus läfst sich in der Darstellung zu wenig
erkennen.
Im zweiten Buche wird zunächst Stilichos Fall geschildert; der
Verfasser hat ja Recht darin, dafs er denselben nur in seinen Bezie-
hungen zu Ostrom berücksichtigt hat, aber seine Äufserungen über des
Vandalen Absichten sind sehr unklar, eigentlich nichts sagend. "Wir
mufsten irgendwo ein klares Bild erhalten, was eigentlich Stilicho wollte,
und welche Gegenpolitik des Ostreiches er dadurch hervorrief.
Dies geschieht aber sicherlich nicht, wenn man S. 197 liest; »Denn
wenn der kühne Vandale auch in den Jahren 395—407 gegen den Orient
nichts Feindliches im Schilde geführt, sondern immer nur danach ge-
trachtet hatte, wie er auch hier einen heilsamen Einfllufs zum Wohle
des ganzen Reichs ausüben könne, so war doch diese seine Absicht den
jedesmaligen Machthabern in Konstantinopel immer als eine Anmafsung
und lästige Fessel erschienen, die sie um jeden Preis fern zu halten
suchten«. Für die innere Verwaltung ergiebt die gesetzgeberische Thä-
tigkeit Theodosius' IL ein reiches Material, das der Verfasser auch fleifsig,
doch nicht mit der umfassenden Kenntnis, die hier notwendig ist, be-
nutzt hat. Die kirchlichen Verhältnisse werden ziemlich ausführlich be-
handelt, aber doch möchte es für den Nicht -Kenner schwierig sein,
durch die Darstellung Einsicht in die grofsen Strömungen zu erhalten,
welche sich zu dieser Zeit in Lehre und Kultus und in dem Streben
nach weltlichem Regimente geltend machten. Eine sehr ausführliche
und durch die Reichhaltigkeit der Quellen auch interessante Behand-
lung wird den Beziehungen der Hunnen zum Ostreiche zuteil; ob sie
334 Römische Geschichte uud Chronofogie.
aber in dieser Form in solchem Geschichtswerke angebracht war? Die
Charakterschilderung Theodosius' II. ist weit besser als die seines Vaters;
aber auch hier fehlt es, wie in dem Buche überall, an verständiger, con-
sequeuter, bedächtig abwiegender Kritik.
Adolf Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte. Erster Band.
Die Entstehung des kirchlichen Dogmas. Freiburg i. Br. 1886.
Unter der Oberfläche der heidnischen Entwickelung des Kaiser-
reichs, welche noch die drei ersten nachchristlichen Jahrhunderte schein-
bar beherrscht, bildet sich immer stärker die christliche Gegenströmung,
welche im vierten Jahrhundert der ersteren Meister wird. Wie die
christliche Kirche sich im Inneren entwickelte, wie ihre Lehre entstand,
ist vielfach dunkel. Aber soviel ist von dem allgemein historischen
Standpunkte doch mit Sicherheit zu erkennen, dafs diese Entwickelung
sich nicht den in der Zeit liegenden Bildungsfaktoren entziehen konnte,
dafs dieselben bald mehr bald minder intensiv auf dieselbe einwirken
mufsten. Wie sich dieser Anteil nun auf die einzelnen Bildungsströ-
mungen verteilt, hat der Verfasser in bis jetzt unerreichter Klarheit
nachgewiesen. Weder rechts noch links sehend geht er einzig auf die
Wahrheit mit echt wissenschaftlicher Methode los. Wenn ich mir auch
nicht zutrauen darf, ihm in alle Einzelheiten seiner Untersuchungen
folgen und prüfen zu können, ob er recht oder unrecht hat, so bin ich
doch überzeugt, dafs seine Darstellung der Entwickelung die unpar-
teiischste ist, welche bis jetzt auf theologischem Gebiete gegeben ist.
Hoffentlich wird auch unter seinen engeren Fachgenossen dieses Ver-
dienst immer mehr anerkannt werden.
Edw. A. Free man, Zur Geschichte des Mittelalters. Ausge-
wählte historische Essays. Übersetzt von C. J. Locher. Strafsburg 1886.
Von den neun Aufsätzen kann nur der erste zum Teil im Jahresb.
f. röm. Gesch. erwähnt werden: das heilige römische Reich. Mit Recht
betont der Verfasser, dafs Niemand die mittelalterliche Geschichte ver-
stehen kann, der nicht dabei das fortdauernde Bestehen des römischen
Reichs in Erwägung zieht. Er führt in kurzen aber klaren Zügen dies
an einer Besprechung von Bryce, the Italy Roman Empire, der ersten
korrekten englischen Darstellung des mittelalterlichen Reiches, durch.
Der Mangel einer Nationalität im römischen Kaiserreich, von der Re-
publik bereits vorbereitet, die Umänderungen Diokletians und Constan-
tins auf dem Gebiete der Verfassung, Constantins entscheidende That
auf dem Gebiete der Religion, die Entwickelung der Kirche und die
Bedeutung des oströmischen Kaisertums werden mit scharfen Strichen
gezeichnet. Man wird selten auf so engem Raum so drastisch die Be-
deutung des römischen Kaiserreichs für das heilige römische Reich deut-
scher Nation dargestellt finden.
Jahresbericht
über die griechischen Sakralaltertümer,
Von
August M 0 m m s e n
in Hamburg.
4. Artikel: Athen.
Über attische Sakralaltertümer ist in dieser Zeitschrift zuletzt
1873 referiert worden. Derjenige also, welcher nach so langer Pause
den Gegenstand wieder aufnahm, hatte sich die Frage vorzulegen, ob,
dem Titel dieser Zeitschrift gemäfs, eine Berichterstattung über die
neuesten Erscheinungen angezeigt sei oder ob es sich empfehle, das
Versäumte einigermafsen nachzuholen und auch ältere Arbeiten zu be-
rücksichtigen. Die verehrliche Redaktion hat sich in letzterem Sinne
geäufsert: es bleibe dem Ermessen des Referenten ganz überlassen, wie
weit er zurückgreifen wolle. Hierauf eingehend habe ich zwar jüngere
Erscheinungen bevorzugt — die Mehrzahl (elf) der Abhandlungen, auf
die sich der Bericht bezieht, gehört in die Jahre 1 883-- 1887 — aber
es sind auch nicht wenige (neun) ältere Abhandlungen in den Bericht
aufgenommen, solche, aus denen meines Erachtens auch jetzt noch Nutzen
zu ziehen oder Anregung zu gewinnen ist. Eine in solchem Mafse retro-
spektive Betrachtung führte nun freilich zu der Unmöglichkeit, in einem
Berichte zu Ende zu kommen. Aber diesem Übelstande — denn ein
solcher ist es -- wird sich ja Abhülfe schaffen lassen durch Fort-
setzungen in späteren Jahrgängen. — Zugleich erhellt, dafs auf Grund
eines Berichtes, der nur als Anfang zu betrachten ist, ein den jetzigen
Stand unserer Kunde umfassender Gesamtüberblick nicht gegeben wer-
den konnte.
Was ich den Lesern darbiete, sind mehr Auszüge aus den bezüg-
lichen Schriften als Beurteilungen. Allerdings wird man hier und da
eigene Bemerkungen nachtragsweise, auch, und noch öfter, in ( ) zwi-
schengesetzte Glossen finden, aber das Hauptaugenmerk war, den Inhalt,
so weit er Sakralaltertümer betraf, verständlich wiederzugeben. Zwei-
feln und Einwänden habe ich, wenn nach Lage meiner Vorstudien mir
336 Griechische Sakralaltertümer.
die Sache noch nicht spruchreif schien oder wenn ich später auf die
Sache zurückzukommen beabsichtigte, keinen Ausdruck gegeben.
Der Bericht ist geordnet nach den Jahren, in welchen die bezüg-
lichen Schriften publiziert sind. Eine Zeit laug hing ich dem Gedanken
nach, alles nach Gegenständen zu disponieren, aber das hätte in etlichen
Fällen dahin geführt, eine und dieselbe Arbeit an mehr als einer Stelle
des Berichtes zu behandeln, also sie zu zerstückeln.
Herm. Dettmer, De Hercule Attico. Bonn 1869. 72 Seiten.
Inauguraldissertation.
Es wird zuerst von dem städtischen, dann von dem deraotischen
Heraklesdienst gehandelt. Im städtischen Gau Melite gab es eine be-
deutende Weihstätte des Herakles Alexikakos, der die Pest abgewendet
haben sollte. Diesem scheint die attische Jugend am Apaturienfeste
das abgeschnittene Haupthaar geweiht und zugleich eine Weinspende
{olvtarrjpia) dargebracht zu haben.. Da Herakles, dem zu Gefallen die
kleinen Mysterien eingesetzt sind, zu Melite geweiht, d. h. daselbst vor-
bereitet ward für die Einweihung in die kleinen Mysterien, deren Ort
Agrä war, so mufs der melitische Herakles in einem näheren Verhältnis
zu den Mysteriengöttern gestanden haben. (Man kann sich hierbei auch
des Umstandes erinnern, dafs die Daduchie anderthalb Jahrhunderte
lang von Mitgliedern einer dem Demos Melite angehörigen Familie be-
kleidet ward; vgl. C I.A. III 1 S. 141 n. 676 und Dittenberger Hermes
XX S. 22) — Von demotischen Herakles-Heiligtümern gab es in Attika
eine grofse Zahl, darunter einige, um die sich mehrere Gaue zu ge-
meinsamer Verehrung zusammengethan hatten. Am wichtigsten sind die
Heraklesdienste des Kynosarges und der marathonischen Tetrapolis. —
Der Gau Diomeia, zu welchem Kynosarges gehört, ist nach der Legende
von Diomos, dem Liebling des Herakles, benannt. (Diomos ist jetzt
auch inschriftlich nachweisbar in dem Heraklesdienste der Masogäa;
CI.A. II 603: Priester des Diomos.) An dem kynosargischen Kult scheint
sich auch der Gau Kollytos beteiligt zu haben. Das Gymnasium im
Kynosarges war bestimmt für solche, die nicht aus echtem Bürgerblut
stammten ; es war ein Gesetz aufgestellt, nach welchem der Priester mit
den Parasiten die Epimenien opfern sollte und die Parasiten zu stellen
waren aus den vu&oc und ihren Söhnen. Parasiten finden sich auch in
anderen Kulten; ihre Zahl war klein, von der komischen Übertreibung
des Diodor von Sinope Athen. VI S. 239 (zwölf Parasiten des Herakles)
ist gänzlich abzusehen, Müller Fr. Hist. Gr. II 121. Die sechzig Spafs-
macher, eine erst in Philipps Zeit aufgekommene Genossenschaft, welche
sich im Herakleion von Diomeia versammelte, haben nichts gemein mit
den Parasiten. Die Heraklesgruppe des attischen Tierkreises Philol.
XXII S. 385 ist mit C Bötticher auf das Fest des Kynosarges zu be-
ziehen, doch scheint die geflügelte Figur eine Nike zu sein, die Äpfel
Athen. 337
als Preise verteilt; Bötticher hat sie für Karpo, die eine der attischen
Horeu, gehalten. (Am nächsten liegt es, in der geflügelten Figur das
Zodiakalbild der Jungfrau zu sehen, eine Deutung, die Bötticher S. 421
mit Gründen ablehnt, die nicht Stich halten.) Die Bötticherschen Er-
gebnisse führen dahin, das Fest auf den 4 Pyanepsion zu setzen. (Ist
Böttichers Ergebnis, dafs die Heraklesgrui)pe sich auf den Boedromion
beziehe, richtig, so mufs es bei dem Boedromion bleiben, zwei attische
Monate, Boedr. und Pyan., geht die Heraklesgruppe sicherlich nicht an;
aber Böttichers Ergebnis ist nicht plausibel; die Gruppe scheint viel-
mehr den Metagitnion anzugehen, s. Bursian im Centralblatt 1866 n. 44.)
— Über die Demosth. 19, 86 und 125 vorkommenden Herakleen schwank-
ten schon alte Erklärer, ob die diomeischen des Kynosarges oder die
marathonischen zu verstehen seien. Am 4 v. E. Skir. Ol. 108, 2 ward
angesichts der bedrohlichen Lage beschlossen, dafs das Heraklesfest in-
nerhalb der Stadt zu begehen sei, und weiterhin kam man zu dem Be-
schlüsse, die Pythien (Metag. Ol. 108, 3) nicht durch Theoren zu be-
schicken. Danach ergiebt sich für hypothetische Ansätze dieser Hera-
kleen als Spielraum die Zeit zwischen Skir. 4 v. E. und den Pythien.
Statt des älteren Ansatzes auf den Tag nach Skir. 4 v. E. werden wir
besser den nächsten Heraklestag, also Hekat. 4, wählen, so dafs die Feier
in ein drittes Olympiadenjahr (Ol. 108, 3) kommt. Die Alternative Schol.
Demosth. 19, 86 r« HpdxXsca yj rä ev Mapa&äjvi rj zv ra» Kuvuadpyet
ist zu Gunsten der marathonischen Herakleen zu entscheiden, von diesem
Feste spricht Demosthenes a. 0.; eine Feier im Kynosarges gestattete,
in die nahen Stadtmauern zu flüchten, war aber ganz Athen nach Nord-
attika (Marathon) gezogen, so befand man sich viel näher am Feinde
und viel ferner von dem schützenden Ringe des Weichbildes. Nun sind
aber die bei Pollux VHI 107 unter den Penteteriden genannten Hera-
kleen verm. die marathonischen, daher anzunehmen ist, dafs man sie in
dem für Penteteriden (Panathenäen, Pythien) bestimmten je dritten
Olympiadenjahre beging. (Ich gedenke auf diese sinnreiche, aber doch
nicht einwendungsfreie Hypothese im nächsten Bericht zurückzukommen.)
Die Übertragung der sämtlichen Theseusdienste Attikas auf Herakles, vier
ausgenommen , ist ohne Zweifel unwahr und fingiert. Seit alter Zeit
mufs Herakles an vielen Orten Attikas verehrt worden sein, dem weit
später zu Ehren gekommenen Theseus hat man eine kleine Zahl von
Weihstätten ausgemittelt neben den längst bestehenden des Herakles.
Dichter und Atthidenschreiber haben aus dieser Sachlage ein Ergebnis
der Grofsmut des Theseus gemacht, als sei dieser einst im Besitze aller
Herakleen gewesen, was doch nie der Fall war.
U. Köhler, Der Areopag in Athen; Hermes VI (1872) S. 92 — 112.
Man hat - sagt der Verfasser behauptet, der Areopag als
Blutgericht sei dem Ares heilig gewesen. Aber die gottesdienstlichen
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. \\\.) 22
338 Griechische Sakralaltertümer.
Beziehungen der Behörde, die auf dem Areopag zusammentrat, tj £$
^Apecoo Tcdyou ßouXij^ führen nicht auf Ares, sondern auf die Erinyen. Der
von dem areopagitischeu Gerichtshof Freigesprochene hatte zu opfern
in dem Heiligtum der Erinyen, als deren Wohnsitz die Schlucht an der
Ostseite des Hügels seit ältester Zeit angesehen ward. Die Stiftung des
Gerichtshofs ist bei Äschylos verbunden mit der Besänftigung der den
Orest verfolgenden Erinyen, welche jetzt ihren attischen Wohnsitz und
Kultus erhalten. — Man kann sagen, dafs die örtliche Religion den
Gerichtshof geschaffen habe; die Altäre der gefürchteten Göttinnen
boten Schutz demjenigen, welchen man eines Verbrechens wegen ver-
folgte; die Stätte nun, wo der Verbrecher Schutz gefunden hatte und
vorläufig sich aufhielt, war selbstverständlich auch die, wo sein Verbre-
chen untersucht und abgeurteilt wurde; so führte das Asyl der Erinyen
zur Einrichtung des areopagitischeu Gerichtshofes. — (Diesen Ansichten
wird auch der, welcher die Namenserklärung von "Apetog ndjoi bean-
standet und über die S. 106 herangezogenen Inschriften anders denkt, bei-
pflichten können.)
Wie entstand also der Name "Apsiug mj.yoQ'^ Der Verfasser leitet
ihn davon her, dafs Feinde, wie die Perser 480, sich des Areopags als
einer Gegenburg bedienten, um die Burg anzugreifen; das Volk nannte
den für Zwecke des Krieges benutzten Hügel 'Areshügel', daraus ergab
sich späterhin ein Kultus des Kriegsgottes Ares, und endlich — nach
den Perserkriegen, meint der Verfasser — ward dem Ares auch der
von Pausanias erwähnte Tempel am Areopag gebaut. Es maugelt
aber an Nachrichten über attischen Areskult und diesem Mangel kann
durch Hypothesen nicht abgeholfen werden. — Die beiden S. 106f. her-
angezogenen Inschriften finden sich jetzt als n. 948 und 949 im C I. A.
II 2, dazu eine dritte, n. 950, die inzwischen hinzugekommen zu sein
scheint. Alle drei beziehen sich auf Lektisternien, die nach Apollons
Ausspruch dem Pluton auszurichten sind durch Funktionäre, welche der
Hierophant beauftragt hat. N. 949 soll bei Hag. Hypapanti, also nicht
weit vom Areopag, gefunden sein, n. 950 am Südabhang der Burg; der
Fundort von n. 948 ist nicht angegeben. Der Verfasser nun bezieht das dem
Pluton gerüstete Polsterlager und Festmahl auf den Areopag und das
Heiligtum der Erinyen, weil sich daselbst unter verschiedenen Bildsäulen
auch die des Pluton (Pausan. I 28, 6) befand. Will man auf den Fund-
ort Gewicht legen, so leitet der von n. 950 nicht auf den Areopag hin.
Wichtiger ist das Vorkommen des Hierophanten, der schwerlich über
den Areopag und seine Bräuche zu verfügen hatte. Das seiner Verfü-
gung unterstellte Heiligtum kann nur das städtische Eleusinion gewesen
sein, in diesem wird man das Lektisternium begangen, hier auch die
Inschriften n. 948 — 950 aufgestellt haben. S. P. Foucart Bulletin de
corr. hellenique VII S. 392 f , und unten S. 359.
Athen. 339
U. Köhler, Der Südabhang der Akropolis zu Athen nach den
Ausgrabungen der archäol. Gesellschaft; Mitteilungen des deutschen
Instituts II (1877) S. 171 - 186 und 229-260, nebst Tafel XIII— XVIII.
Die am 1. Mai 1876 begonnenen (und 20 Monate lang fortgesetzten)
Ausgrabungen westlich vom dionysischen Theater lassen erkennen, 'dafs
das Terrain zwischen den beiden Theatern von Osten nach Westen in
drei niedrigen Terrassen anstieg'. Die niedrigste Terrasse ist also die
an das Theater stofsende östliche. Vom Rande des Theaters mufs eine
Treppe hinuntorgeführt haben auf die östliche Terrasse. Die Treppe war
breit — neun Meter, die Stützmauern der Treppe inbegriffen - so dafs
eine Prozession bequem durchziehen konnte, zu welchem Ende die West-
wand des Theaters hier unterbrochen war.
Den gröfsten Teil der östlichen Terrasse nahm ein Bezirk ein,
den eine in Spuren nachweisbare Mauer in unregelmäfsigem Viereck
umgab. Der Bezirk war ohne Zweifel das Asklepieion. Die gröfste An-
lage, deren Fundamente die Freilegung ans Licht gebracht hat, war
eine nach Süden schauende Halle mit doppelter Säulenstellung, vermut-
lich bestimmt, 'der Bequemlichkeit der Kranken und anderen Verehrer
des Gottes' zu dienen. Später scheint sie auch benutzt worden zu sein, um
Anathemata unterzubringen; die zahlreich aufgefundenen Nachbildungen
menschlicher Güedmafsen, 'meist in Relief auf kleinen viereckigen Mar-
mortafeln gearbeitet', hat man nämlich zwar wohl anfangs in Steinpfeiler
(Atheuäon V S. 413) oder in Aufsenwände der Tempelbauten eingelassen,
nachmals aber, wie die vermutlich aus dem Asklepieion stammende
Inschrift des ersten Jahrhunderts vor Chr. C I.A. II 639 lehrt, ihre Ver-
legung nach der grofsen Halle angeordnet.
Der merkwürdigste und vielleicht älteste Teil des Hallengebäudes
liegt am westlichen Ende. Hier erhebt sich eine Plattform von etwa
drei Meter Höhe, in deren Mitte sich ein kreisrunder Schacht öffnet;
die Mündung des Schachtes umstanden vier Säulen. Es war dies viel-
leicht die Opferstätte, wo an den tjpwoig^ die C.I.A. II n. 453 b mit den
Epidaurien verbunden vorkommen, den Heroen d. i. den Toten gedient
wurde, indem man das Opferbint in die Tiefe des Schachtes hinabrinnen
liefs. Auf Tütendicust führen auch andere Funde, Reliefdarstellungen
des Totenmahls und Inschriften, die einem rjpojg gelten.
Auf dem beigegebenen Plan (Tafel XIII) findet man man hinter
der grofsen Halle eine 'Tholos', vor der grofsen Halle, dem Schacht-
bau gegenüber, ein viereckiges Gebäude angegeben. In der Tho-
los, einer runden nach vorn geöffneten Grotte im Burgfelsen, ent-
springt eine Quelle, die von Pausanias I 21, 4 erwähnte xpijvrj des Äs-
klepieions. Das hier hervorrinnende Wasser flofs in der ersten Zeit,
als die Tholos aufgedeckt worden war, reichlicher als jetzt; der Ge-
schmack ist brackig. Früher mag die Quelle besseres und reich-
licheres Wasser enthalten haben. In der christlichen Zeit hat mau
22*
340 Griechische Sakralaltertümer.
die Tholos als Kapelle eingerichtet und das Quellwasser in der Art süd-
wärts geleitet, dafs es östlich au den Grundmauern jenes viereckigen
Gebäudes vorüber in einen Brunnen gelangte. Mit Hilfe dieses schon
vor den Ausgrabungen bekannten Brunnens haben Pervanoglu u. a. die
Lage des Asklepiosheiligtums fixiert, und in der That scheint das vier-
eckige Gebäude für den alten Tempel des Asklepios C. I. A. II n. 489 b
gehalten werden zu können; ein später gebauter Tempel mag etwas
weiter ostwärts gelegen haben. Das neue Material führt auch zu der
Annahme, dafs es im Asklepieion einen heiligen Hain gegeben habe;
südlich von der Halle und dem Tempel war Platz für denselben.
Was Nebengottheiten des Asklepiosdienstes angeht, so ist die Ver-
bindung 'Aaxkrjmaj xai. 'Tycsiq. xal tüj 'Tnvüj neu; sie kommt vor in einem
Epigramm des ersten Jahrhunderts vor Chr., Athenäon VI S. 326. Doch
auch für Verbindungen, die schon vor 1876 bekannt waren, haben die
Ausgrabungen der archäol. Gesellschaft einiges geliefert, was ihnen mehr
Bestimmtheit und Anschaulichkeit giebt. Dafs neben Asklepios auch die
(aus Schol. Aristoph. Plut. 701 und Suid. v. 'Hmovr) namentlich bekann-
ten) Asklepiaden verehrt wurden, liefs sich nach dem was Pausanias
I 24, 4 von Bildern des Gottes und seiner Kinder im Heiligtum des
Asklepios berichtet, vermuten, doch spricht Pausanias nicht bestimmt
aus, dafs sie neben dem Vater gottesdienstlicher Ehre genossen. Jetzt
sieht man auf Reliefs, die 1876 gefundea wurden, 'in der Umgebung
des Asklepios und der Hygieia die Asklepiaden Machaon Akeso laso
Panakeia'; die Namen sind beigeschrieben. In einer Altaraufschrift
Athenäon VI S. 137 ist von ihnen als biioßwiioig des Asklepios die
Rede. — Zu den schon vor 1876 bekannten Verbindungen gehört auch
die mit den eleusinischen Gottheiten; da die herbstlichen Asklepieen
oder Epidaurien einen Teil des Eleusinienfestes ausmachen , so mufste
zwischen Asklepios und den in dem Feste gefeierten Mächten der Unter
weit ein Bezug obwalten. Unter den neuen Funden nun giebt es einige,
die geeignet sind diesen Bezug zu illustrieren; am belehrendsten ist
das Tafel XVIII abgebildete Relief. Es stellt Köre Demeter und
Asklepios dar, welcher Gruppe sechs Anbetende, vielleicht der Ar-
chon ßasileus und sein Beisitzer nebst den vier Epimeleten, nahen; ihr
Gebet richtet sich an Asklepios, der den Mittelpunkt der Darstellung
bildet.
Personal: b Ispehg 'AaxXrjmoü xat ' Tyisiag, b xXeiSou^og xai nop-
(pöpog^ b ^dxopog, b uno^dxopog. Dazu eine für die Epidaurien jedes
mal bestellte Arrhephore. Ein gesondertes Priesteramt für Hygieia gab
es nicht. Seit dem Bau des zweiten Tempels versah der Priester den
Dienst auch an diesem. Er ward durchs Los erwählt auf ein Jahr, seit
Augustus jedoch auf Lebenszeit. Der Kleiduch und die Arrhephore
wurden durch den Priester auf ein Jahr bestellt, vermutlich auch die
anderen Beamten. Die Funktionen der Kleiduchie und der Arrhephorie
Athen. 341
übertrug der Priester gern seinen Kindern. Er hatte auch des Gottes
Eigentum zu verwalten.
Die mittlere Terrasse liegt nur etwa ^/i Meter höher als die öst-
liche, der sie ihrer Umfaugslinie nach einigermafsen gleicht — sie bildet
nämlich ebenfalls ein unregelmäfsiges Viereck — an Umfang aber nach-
steht. — Pausanias I 22 scheint mit den Worten uezä 8k rö lepbv rob
'AaxXrjmou Taüzrj rcpog zrjv äxpönoliv couaiv ^dfnoug vaug icrrr xe^cüazai
8k npb ad-oTj pWipa ' InzoXözu) § 1 die mittlere Terrasse zu betreten. Da
nun Aphrodite Pandemos ohne Zweifel die geschlechtliche Liebe reprä-
sentiert — die Alten freilich haben sie mehrfach anders gedeutet, z. ß.
auf die Vereinigung des Volkes durch Theseus (Pausan.), doch halte
man sich an Xen. Symp. VIII 9, wo sie paSioupyuQ heifst — da mithin
Aphrodite Pandemos mit der \i(ppo8cTrj l(p ' Itztioaütw identisch ist, so
mufs die Kultusstätte dieser Göttin dem pvrjpa ^Irniolötip xe^axrfxdvov
nahe gelegen haben. Pausanias verweilt also § 3 ( 'Atppoocrrjv 8k zrjv
Ilr/ivorjjxo)^ xrX) noch bei Werken der mittleren Terrasse, deren Beschrei-
bung also sich jedenfalls bis zu den Worten zsj^vltojv oo tü)v d<pave<nd-
Twv ausdehnt. Wir haben also den Themisterapel, das Hippolytosgrab
und die Stätte wo der Aphrodite und Peitho gedient ward, auf der mitt-
leren Terrasse zu suchen. Das inschriftliche Material , so umfangreich
es durch die Ausgrabungen von 1876 f. geworden ist, bietet wenig Be-
zügliches. Der Name der Aphrodite begegnet auf einem am Südabhang
gefundenen Monument, welches die folgende Aufschrift trägt
' Eppüu Nop.(pu)V "Iai8og
'A(ppo8£tzrjg
Ilavög
Kumanudis nimmt mit Recht an, es sei dies ein Altar mit mehreren
Escharen gewesen. Die drei zuerst gruppierten Götter sind die des Ge-
schlechtstriebes, mithin haben wir hier die Aphrodite Pandemos, die auch
die hippolytische {sip' ''kTioXuzü}) hiefs. Vermutlich haben sich in ihrem
am Südabhaug der Burg erbauten Tempel Bilder des Hermes und des
Pan befunden. Was ^l)lx<pu)v angeht, so hat auch ein am Südabhang
angetroffenes Reliefstück die Aufschrift Nöpfatg. Für das Vorhanden-
sein eines Isieions am Südabhang kann man noch die Inschrift C I.A. III
u. 162 = C.I.Gr. n. 481 heranziehen; sie ist oberhalb des dionysischen
Theaters gefunden und bezieht sich auf die Errichtung eines Aphrodite-
bildes im Heiligtum einer anderen Göttin, wahrscheinlich der Isis. Man
darf glauben, dafs die Nymphenstätte und das Isieion nicht weit von
dem Aphrodision lagen.
Durch die Freilegung der mittleren Terrasse sind, von Osten an-
gefangen, zunächst die Fundamente einer Halle ans Licht gekommen,
welche dieselbe Tiefe wie die des Asklepieions hatte, aber kürzer und
nur mit einer Säulenreihe versehen war. Die Rückseite hatte vier Ge-
342 Griechische Sakr'alaltertümer.
mächer, vermutlich Wohngemächer für das Tempelpersonal. Etwas weiter
westlich von den Amtswohnungen fliefst eine Quelle , als deren einst-
malige Schützerinneu die iuschriftlich vorkommenden Nymphen angesehen
werden können. In der Nähe eine Zisterne. Geht man südwärts, so
trifft man die Überbleibsel eines kleinen Tempels an, an dessen Ost-
ecke sich ein angebautes Fundament zeigt. Es war dies schwerlich der
Tempel der Aphrodite, der ein Bauwerk von gröfseren Dimensionen ge-
wesen sein dürfte, vgl. C.I.A. In. 2J2; aber nichts hindert anzunehmen,
dafs es der Themistempel war. Das angebaute Fundament mag Rest
eines Nymphenaltars sein. Westlich vom Themistempel lag ein noch
kleineres schmales Tempelchen, vielleicht das Isieion. Ruinen die auf
das Aphrodision und das Hippolyteion zu deuten wären, sind nicht vor-
handen; es M'erden diese Stätten südlich von den Tempeln der Themis
und Isis gelegen haben, wo jetzt die grofse Zisterne ist, bei deren Bau
jene antiken Werke zerstört sein mögen.
Eine abermalige Steigung des Terrains bildet die dritte Terrasse,
'welche die ganze westliche Hälfte des Burgabhanges bis zum Hero-
destheater und dem oberhalb desselben steil ansteigenden Felsen ein-
nahm '. Nordwestlich Reste einer Umfangsmauer. Demeter Chloe und
Ge Kurotrophos, denen dieser Bezirk gehörte, waren nicht in einer ge-
meinsamen Kapelle oder an einem gemeinsamen Altar vereinigt, sondern
das ihnen geheiligte Grundstück, I'rjg Koufjorpo^otj xat ArjixrjTjjo:; iepov
XXörjg (Pausan.), hat wie verschiedene Inschriften lehren, zweierlei Stätten
umfafst, einen Tempel der Demeter Chloe und einen eingefriedigten
Raum, arjxug, welcher dem Dienste der Ge Kurotrophos gewidmet war.
Vgl. C.I.A. II n. 375 und 631, auch III n. 411.
Die neuen Funde führen auch auf ein am Südabhange der Burg
vorhanden gewesenes Heiligtum des Herakles, vermutlich des ' [IpaxXrjg
Mrjwc^g, dem eine Weihstätte gestiftet ward mit Bezug auf einen aus
dem Schatz der Athena auf der Burg gestohlenen Kranz, welcher durch
Herakles' Vermitteluug dem Schatze zurückgestellt wurde. Herakles als
Schatzhüter der Athena erhielt passend seine Stätte an der Schwelle
der Burg. —
Eine lehrreiche Darlegung. Es ist überzeugend nachgewiesen, wie
die Gottheiten auf die verschiedenen Terrassen zu verteilen sind. Im
einzelnen bleiben Zweifel, besonders was die Ruinen der Mittelterrasse
und ihre Inanspruchnahme für bestimmte Götter betrifft. Gegen die Ver-
mutung, der Herakles des Südabhangs sei 'HpaxXYjg iHi/]w-rjg gewesen,
läfst sich einwenden; eine Widmung wie AoaiaTpd-rj . . . bnkp zcjv
7:ac8[u)v] ' Hpo.xke7 dvid^rjxs führt nicht auf einen Schützer des Eigentums,
sondern auf einen Schützer der Person; nach Cicero de divin. I 25, 54
hat der Diebstahl, dessen Entdeckung zur Stiftung des Herakles-Heilig-
tums führte, nicht auf der Burg stattgefunden, sondern das gestohlene
Kleinod war Eigentum des Herakles gewesen.
Athen. 843
Was durch die weitereu Arbeiten der archäol. Gesellschaft am
Serpetzes entdeckt worden ist (Mitteilungen des deutschen Instituts III
(1878) S. 147-155 nebst Tafel VII), hat für die ßaugeschichte Athens
seine Wichtigkeit -- man fand Überreste einer nicht weniger als 163 Meter
langen Stoa, vermuthlich einer Gründung des Herodes für die Besucher
seines Odeions, sich zwischen den Aufführungen zu ergehen — für unsere
Zwecke ist es unwichtig.
Carol. Schul tess, De Epimenide Crete. Bonn 1877. 61 Seiten.
Inaugural-Dissertation.
Für die attischen Sakralaltertümer ist Folgendes herauszuheben.
Um die Zeit der epimenideischen Wirksamkeit in Athen zu bestimmen,
müssen wir — lehrt der Verf. — absehen von der auf 500 vor Chr.
führenden Angabe bei Piaton und uns halten an Cicero u. a. , die den
Epimenides weit früher nach Athen kommen lassen, indem sie als Au-
lafs seiner Berufung die Ermordung der Anhänger Kylons (c. 612 vor
Chr.) und die auf Athen lastende Blutschuld {ro KuXiuveiov äyog) be-
zeichnen, mithin den kretischen Weisen zu Solons Zeitgenossen machen.
Dafür spricht insonderheit der Umstand, dafs das was Thuk. I 126 von
Verletzungen des Altarschutzes gelegentlich des kylonischen Agos be-
richtet, mit den Anordnungen stimmt, welche dem Epimenides zugeschrie-
ben werden. Nach Thukydides suchten die Kylonianer Schutz am Altare
der Burggöttin; dann nachdem man ihnen Schonung zugesagt, liefsen
sie sich hinwegführen, wurden aber trotz der gegebenen Zusage getötet;
einige, die während des Hinabsteigens erkannten was ihnen bevorstehe,
hatten abermals Schutz an heiliger Stätte und zwar an den in der Nähe
befindlichen Altären der Semneu gesucht, wo sie dann niedergemacht
wurden. Auf letzteren Thatbestand, die Verletzung des Asyls bei den
Semnen, beziehen sich die meisten Anordnungen des Epimenides. Nach
Diog. Laert. I 112 hat Epimenides das athenische Heiligtum der Semnen
erbaut. Auf seinen Rat ferner wurden den vor dem Areopag rechtenden
Parteien gewisse Plätze angewiesen, dem Kläger der Stein der rücksichts-
losen Verfolgung {.rhatozcag)^ dem Beklagten der Stein des Frevels
(Jjßp£(t)g), Cic. de leg. II 11 und Pausan. I 28, 5; am Areopag hatten
die Semnen ihren Sitz. Dann ist nach Diog, Laert. I 1 10 die Stadt da-
mals entsündigt und die Pest beseitigt worden durch gewisse Tieropfer,
schwarze und weifse Schafe, die Epimenides nach dem Areopag führte
und von da aus hierhin und dorthin laufen liefs, um sie an dem Orte wo
ein jedes sich niederlegte, dem betreffenden Gotte (ro) npoarjxov-i &£<jj)
zu schlachten; daher gebe es in Attika Altäre ohne Namen {ßcufxoi
dvwvunoc). Der betreffende Gott ist vielleicht Apollon Agyieus, wie denn
Epimenides seine Lustrationen überhaupt wohl iin Namen des ihm hei-
mischen Apoll vollzog. (Die namenlosen Altäre dürften sich vielmehr so
erklären, dafs die Schafe dem Gott des Ortes wo jedes sich niederlegte,
344 Griechische Sakralaltertümer.
mithin auch unbekannten Ortsgöttern geopfert wurden.) Es hat also
auch bei dieser Opfercereraonie der Areopag eine wesentliche Rolle,
von ihm, dem Wohnsitze der Semnen, gehen sämtliche Opfertiere ins
attische Land hinaus. Endlich hat Epimenides die Athener auch noch
durch Menschenopfer ihrer Sünden entlastet; es waren nach Diog. a. 0.
zwei Jünglinge, die den Zorn der Gottheit versöhnten. (Da die Ge-
opferten nicht Jungfrauen, sondern Jünglinge waren, so hat diese Sühne
schwerlich der Athena gegolten. Athena hatte Anspruch auf eine Sühne,
denn obschon mau ihren Altar nicht mit dem Blute der Kylonianer be-
fleckt hatte, war ihr doch eine Kränkung zugefügt durch die Ermordung
ihrer Altarschützlinge; das treulose Verfahren der Gegenpartei machte
ja den Altarschutz überhaupt zunichte. Als Sühne für Athena kann
keine der dem Epimenides beigelegten Anordnungen gelten. Also eine
Lücke unserer Tradition.)
Hesych. Boul^üyrjg r^pujg 'A~Tcx6g 6 (cod. iy) TipwTug ßoög bno dpo-
Tpov C^u^ag- ixa^eTro dk 'Empsvcor^g xtX. ist nicht mit Bofsler u. a. auf
den Kreter Epimenides, sondern auf einen Athener dieses Namens zu
beziehen; ein Athener, der Epimenides hiefs, wurde später unter dem
Namen Buzyges als heroischer Stammvater der im Athenadienst thätigen
Buzygen verehrt. (Der Verf. konnte sich auch auf Schol. Äschin. II 78
berufen. Dafs aber der alte Stammheros der Buzygen ursprünglich einen
bürgerlichen Namen führte und dafs der bürgerliche Name in der Tra-
dition festgehalten ward, ist nicht glaublich. Der Ahnherr der Keryken
hiefs durchaus nur Keryx, von einem bürgerlichen Namen daneben ver-
lautet nichts. Buzygen wurden auch andere Personen mythischen An-
denkens geheifsen; Gerhard gr. Myth. § 640, 4. Da dann auch Athena
eine Sühne zu beanspruchen hatte, so konnte Epimenides, der vermut-
lich dem Ansprüche genügte, passend Buzyge genannt werden, wenn
anders die Buzygen nicht lediglich dem Zeus (Inschr.), sondern auch der
Athena gedient haben.)
Die Bildsäule welche 'der Knossier Epimenides' vor dem Tempel
der Demeter und Köre in Agrä hatte (Pausan. I 14, 4), bezieht sich
nicht auf die bei dem kylonischen Agos gekränkten Gottheiten; sie ist,
wie ein früherer Forscher erkannte, darum aufgestellt worden, weil Epi-
menides den Demeterkult und die eleusinischen Mysterien wesentlich
modifiziert hat.
C. Robert, De Gratiis Atticis (Comment. in honoi'em Theodori
Mommsen, Berolini 1877. S 143-150).
Der Inhalt läfst sich etwa folgendermafsen zusammenfassen. Es
wird allgemein angenommen, sagt der Verf., dafs in Athen ursprüng-
lich nur zwei Chariten verehrt wurden und dafs auch die späteren Athe-
ner nicht aufhörten zwei Chariten zu verehren. Man beruft sich dabei
auf Pausan. IX 35 § 1—3, 7 die ßöoter sagen, dafs Eteokles zuerst den
Athen. 345
Chariten geopfert hat; sie wissen, dafs er eine Dreibeit von Chariten
feststellte, erwähnen aber die Namen nicht. Die Lakedämonier nehmen
zwei Chariten an, Kleta und Pbaenna; den Dienst habe Lakedämon,
der Taygete Sohn, gestiftet. Es sind diese beiden Namen angemessen;
die attischen sind es ebenfalls, denn von altersher verehren auch die
Athener (nur) Auxo und Hegemone als Chariten; nämlich Karpo ist
keine Charis, sondern eine Höre; die andere Höre wird in Athen zu-
gleich mit Pandrosos verehrt, und diese nennen sie Thallo. Zn drei
Chariten sind wir erst durch Eteokles gelangt. Der delische Apoll trägt
drei Chariten auf seiner Hand und ebenso befinden sich zu Athen am
Eingange der Burg drei Chariten; es wird bei ihnen eine mystische
Weihe vollzogen. Abweichend von der späteren Weise sind sie nicht
nackt, sondern bekleidet. Sokrates, Sophroniskos' Sohn, hat den Athe-
nern diese Bilder {dyakiiara) gearbeitet'. Aus letzterem Umstände er-
hellt, dafs schon in perikleischer Zeit drei Chariten auf der Burg ver-
ehrt wurden. Nach Belegen für die aus Tansanias zu entnehmende Zwei-
zahl sieht man sich vergeblich um, kein attischer Autor hat zwei Cha-
riten erwähnt, ebensowenig zwei Hören. Aus Hymn. V 12 'Qpai, xoa-
lieia^v ist nichts zu schliefsen (vgl. Baumeister S. 173). Nirgends findet
sich XäptTs, Xapkoiv^ da doch sonst wo es mit der Zweizahl Ernst ist,
Duale — To; ^£cy, rhdxoiv angewendet werden. Auch der mit dem De-
mos geehrten Chariten sind nicht zwei, sondern drei, wie ein Bildwerk
im Varvakion lehrt: drei tanzende Mädchen, Beischrift [rö)] d:^{ixoj xal
zaig Xdpiatv]. — Der am Eingang der Burg geübte Gottesdienst ging
aufser den Chariten noch Artemis-Hekate und Hertnes an.
Was die Namen SaUw Aö^cö Kapm!} angeht, so sind es verwandte
Wortbildungen. Auch der Sinn ist verwandt. Danach haben wir Thallo,
Auxo und Karpo für eine schwesterliche Gruppe zu halten, die auch im
Kultus durch die gleichen Bräuche gefeiert zu werden und als Triade
zusammen zu bleiben bestimmt war. So finden wir sie denn bei Hygin
alle drei in gleicher Eigenschaft, freilich nicht als Chariten, sondern als
Hören, und dürfen, wenn die Charis Auxo (Pausan. ) bei gottesdienst-
lichem Anlafs geehrt wurde, erwarten, dafs bei demselben Anlafs auch
Thallo und Karpo als Chariten vorkamen. Pausanias nun aber will
§ 2 zwar Auxo als Charis anerkennen, Karpo aber ist ihm Höre, ob-
schon er doch wohl Bräuche im Auge hat, an denen auch Karpo teil-
nahm. Wenn es nämlich bei ihm heifst: Tt/xiuac yap ix naAacou xal
'Aßr^vaToc Xdpizag A'^j^uj xat ' flysp.dvy^v • rb jap r^? KapnouQ kazlv o'j Xä-
ptzog älld "üpaq övojxo., so scheint er zu sagen 'Athen hat ehrende
Bräuche für die Chariten Auxo und Hegemone, und zwar seit alter Zeit;
jetzt ist allerdings auch Karpo Teilnehmerin und Mitinhaberin der Cha-
ritenbräuche, also ebenfalls Charis, aber eine unechte, denn sie ist erst
in historischen Zeiten hinzugekommen und gehört nicht wie jene ur-
sprünglich zum Charitengeschlecht, sondern zum Geschlecht der Hören'.
346 Griechische Sakralaltertümer.
Was also dem Pausanias wirklich vorlag, war eine gottesdienstliche Ver-
biuduug Karpos mit Auxo und Hegemone, in der auch Karpo eine Charis
war, und au das was wirklich vorlag, müssen wir uns halten, von Pau-
sanias' Hypothese, Karpo sei keine geborene, sondern eine gemachte
Charis, durchaus absehn, da er vom älteren Kultus keine Kunde haben
konnte. Noch weiter wird Thallo von den Chariten abgetrennt durch
Pausanias, nämlich nicht blofs für eine Höre erklärt, sondern auch einem
andern Dienste, dem der Pandrosos zugeschoben, § 2 zfi 8s evipq. ribv
'üpujv vs/jiou<Tcv 6/j.oü zfj Ilavdpoaoj zcfiäg ol 'Af^rjvacoc, ßaXXtu rijv f^suv
livoiiäZovreg. Aber in dem Ephebenschwur, Poll. VHI 106 "laxopeq beoi
''AypaoXog 'EvodXcog ^'AprjQ Zeug OaXXuj Ao^cö "Ilyspovrj^ sind die drei letzten
Gottheiten zusammenzufassen und als engverbunden anzuerkennen, so
dafs, wenn Auxo eine Charis ist, auch Thallo eine sein mufs. Bei diesen
gesonderten Triaden, Auxo Karpo Hegemone (Triade die dem Pausanias
vorlag) und Thallo Auxo Hegemone (Triade die sich aus dem Ephebenschwur
ergiebt), dürfen wir nun nicht stehen bleiben, wenn anders Thallo Auxo
und Karpo zu einander gehörten und, ihrer Bestimmung nach wenigstens,
nicht zu trennen waren. So gelangen wir denn zu einer Tetrade: Thallo
Auxo Karpo Hegemone. In dieser sind Thallo Auxo und Karpo Cha-
riten, mithin Charitennamen und Horennamen nicht verschieden. 'Hege-
mone' kennen wir als Beinamen der Arterais und das bezügliche Ma-
terial führt auf eine so nahe Verwandtschaft zwischen Arterais-Hegemone
und Hekate, dafs wir glauben dürfen, es werde mit diesen drei Namen
eine und dieselbe Göttin bezeichnet. Hegemone also ist Artemis-Hekate,
eine Glaubensthatsache, die in späteren Zeiten vergessen war, wie denn
Pausanias die Hegemone für eine Charis gehalten hat. — Soweit die
Inhaltsangabe. —
Dafs Hegemone mit Artemis-Hekate zu identifizieren sei, hat
A. Furtwängler (Mitteil. III 128) gebilligt und unstreitig sind die vom
Verf. S. 146 beigebrachten Stellen der Identifikation günstig; vgl. auch
Orph. Hymn. I elg Exärrjv v. 7 rjjsiJ.6vrjV vüiKprjv xouporp6(pov xtX. Aber
wer die Gleichung Hegemone = Artemis-Hekate annimmt, wird Poll. VIII
106 und Paus. IX 35, 2 für eine Zweizahl von Chariten (Hören) be-
nutzen können. Was erstlich Poll. VIII 106 angeht, so stellen die drei
letzten der Schwurgötter Qallü) Au$w 'Hyepowj, zwei Nebengottheiten —
Hören oder Chariten — und als dritte die Hauptgottheit Hegemone =
Artemis-Hekate dar. Der Verf. freilich will S. 146, dafs im Texte des
Pollux AapTTiö ausgefallen sei eine Behauptung, auf die man sich
nicht einzulassen braucht, obwohl die sieben Schwurgötter allerdings nur
auf Pollux beruhen, nicht auch auf Stob. Floril. 43, 48, wo der Schwur
ohne Schwurgötter überliefert ist, Hermann Staatsalt § 121, 6. S. 149
stellt der Verf. dilemmatisch auf, der Text des Ephebenschwurs sei
richtig, Karpo fehle, aber sie fehle nur scheinbar, in Wahrheit befinde
sie sich unter den sieben Schwurgöttern als Agraulos, die hier des Amtes
Athen. 347
der Karpo walte (eius muuere fuugi). Wir sollen also die erste Scliwur-
gottbeit (Agraulos) über Enyalios Ares und Zeus hinweg mit den drei
letzten verbinden. Aber auch wenn die Abfolge dem dilemmatischen
Vorschlage des Verf. günstiger wäre, müfste gegen eine maskierte Karpo
Protest erhüben werden; wie der Ephebenschwur Thallo und Auxo ohne
Karpo nennt, so fehlt Karpo auch bei Clemens Alex. Protr, S. 22 Pott
ilix.rj ziQ xa\ KXio^d) xai jlrr/zat^ xac ^'Arpono; xai Etfxapasi'Yj , Au$u) ~e
xat HaUiö, ai 'Arrcxa:, welche Stelle der Verf. nicht berücksichtigt hat.
^ Dann Paus. IX 35, 2. Dürfen wir aus den Worten zcfxojcyc ydp xrX.
den Schlufs ziehn, Pausanias kenne Auxo Hegemone und Karpo als eine
gottesdieustlich vereinigte Triade — S. 145 tres deas (Auxo Hegemo-
nen Carpo) cultu conjunctas cognitas habet (Pausanias) — so stellt sich
wiederum Hegemone = Artemis- Hekate mit zwei charitischen Neben-
gottheiten dar. Ob wir Thallo hinzunehmen müssen ist fraglich. Wie-
wohl nämlich unzweifelhaft Thallo Auxo und Karpo, seit man die Triade
so festgestellt hatte, auf Kooperation gewiesen und natürliche Schwestern
sind , auch wo sie für sich allein als tanzende Gruppe gedacht oder ge-
bildet werden, die Dreizahl keinem Zweifel unterliegt, konuie doch wo
sie in persönliche, ganz menschliche Verhältnisse eintraten, die Schranke
gesprengt, die schwesterliche Zusammengehörigkeit aufgegeben werden.
So kommt eine vereinzelte Charis Pasithee vor; Pasithee soll nämlich
heiraten. Ein persönliches Verhältnis ist es auch, wenn Chariten einer
höheren Göttin als Zofen dienen, und die homerischen Fürstinnen pfle-
gen nicht mehr als zwei Zofen zu haben, worauf die Bezeichnung diKpl-
■noloi zu beruhen scheint; vgl. zu Odyss. I 331, auch Wieseler zu 0. Müllers
Denkm. B. I n. 42 (Hebe, geführt von zwei geringeren Gottheiten). Da-
von unabhängig kann man in Betretf der Hören die Frage thun, ob nicht
Karpo anfänglich gefehlt habe, weil bei otpat zunächst immer der Lenz
vorschwebte. — Über die drei Charitenbilder am Eingang der Burg,
bei denen geheime Weihen stattfanden, hat Pausanias sich nicht ausge-
sprochen, vielleicht um die Schleier des Kultus nicht zu sehr zu lüften.
Da ihm Auxo und Hegemone Chariten sind, so könnte er eins von den
Bildern für Auxo und eins für Hegemone gehalten haben; war dann
das dritte in seinen Augen eine Karpo, so haben wir wieder Hegemone
mit ihren beiden Dienerinneu. Aber Pausanias könnte auch von einer
bestimmten Benennung der für den Geheimdienst benutzten Bilder ganz
haben absehen wollen. Dem grofsen Publikum wurde wohl weiter nichts
gesagt als dafs es Charitenbilder seien und darauf beschränkt sich Pau-
sanias. Ob man den Geweihten sagte, es seien die drei Gestalten der
Hekate oder was man ihnen sonst sagte , läfst sich nicht untersuchen.
Obwohl ich in wesentlichen Punkten dem Verf. nicht beitreten
kann, auch noch anderes - Pyrphoios als Beinamen der Artemis, s.
Philol. XXHI 491 und CI.A. Hl, p. 83 n. 268, das Malsgebende von
Dualen \\ie rw Dtw (hä.y.oiv für eine etwaige Zwciheit der Chariten —
348 Griechische Sakralaltertümer.
zu beanstanden hätte, ist es mir doch nicht leid gewesen mich mit der
Schrift zu beschäftigen. Sie ist anregend und die Vermutung Hegemone
betreffend scheint beachtenswert.
W. Dittenberger, Die attische Panathenaidenära (Commenta-
tion. in honorem Theodori Mommsen, Berolini 1877 S. 242 - 253).
Auf Inschriften kommen gezählte Panathenaiden vor und zwar die
7. Lebas -Waddington 1620b, die 29. C.I.A. Uli p. 420 n. 1194, die
35. a. 0. p. 431 n. 1202. Während nun frühere Forscher die 1. Pana-
thenaide an Hadrians Besuch in Athen geknüpft haben, sucht der Verf.
zu zeigen, dafs die Panathenäidenreihe von dem nach Chr. 126/7 zu
setzenden Jahre der Agonothesie des Herodes Atticus laufe. — Im Ein-
gange werden Vorfragen erledigt. Die Datierung nach einer gezählten
Panathenaido, z. B. kßooiij] llavrSrjVatdi L.-W. 1620b, ist nicht so zu
nehmen als stehe hier die Wahl zwischen vier Jahren frei, sondern wir
haben an die grofsen Panathenäeu und das Jahr derselben zu denken.
Von den drei Belegen L.-W. 1620b. CI.A. III 1194 und 1202 läfst uns
nur der zweite unsicher über die Bedeutung der gezählten Panathenaide,
der erste und der dritte führen bestimmt auf die grofse Feier. (Da-
nach ist denn auch der zweite Beleg im C.I.A. III S. 420 einem grofsen
Panathenäenjahre zugewiesen. — Alles plausibel.) - Eine zweite Vor-
frage gilt dem attischen Kalenderjahre der hier in Betracht kommenden
Zeiten. Der Verf. bemerkt, es "stehe jetzt fest, dafs vor dem Jahre
139/40 nach Chr. das Neujahr auf Boedr. 1 verlegt sei. (Das Jahr 15
seit des hochseligeu Hadrian erster Anwesenheit in Athen, welches ein
am 1. Boedr. beginnendes Schaltjahr gewesen zu sein scheint, C.I.A. III
n. 1023, ist dem Verf. 139/40 nach Chr.; er setzt nämlich das l. Jahr
der Hadriansära 125/6 nach Chr. — Allgemein anerkannt ist die Ver-
legung des Neujahrs auf 1. Boedr. nicht, s. Unger Zeitrechnung der
Griechen und Römer § 42, und auch ich hege noch Zweifel , füge mich
aber vorläufig den für die Verlegung sprechenden Gründen.) Seit der
Änderung des Jahranfangs ist also der Monat der grofsen Panathenäen
nicht mehr der erste des je dritten, sondern der vorletzte des je zweiten
attischen Kalenderjahres der Olympiade.
Der Verfasser wendet sich nun den einzelnen Inschriften zu und
sucht Anhaltspunkte auf, welche dienen können sie in Bezug zu den Re-
gierungszeiten der Kaiser zu setzen und so wenn nicht bestimmte Jahre,
so doch Grenzen zu erreichen. Durch Kombination von Lebas- Wadding-
ton 1620b mit der auf demselben Stein stehenden Inschrift L.-W. 1620a
ergeben sich als Grenzen der 7. Panathenaide 130/1 — 154/5 nach Chr.,
mithin als Grenzen der 1. 106/7—130/1. Durch Erörterung der chro-
nologischen Anhaltspunkte welche C.I.A. III n. 1202 darbietet, wird die
Frühgrenze noch um vier Jahre hinabgerückt; die in n, 1202 vorkom-
mende 35. Panathenaide ist frühestens 246/7, also Pan. 1 frühestens
Athen. 349
110/1 zu setzen. Zu einer noch tieferen Hinabrückung der Frühgrenze
führt die Wahrnehmung, dafs in n. 1202 zwei Söhne des Historikers
Dexippos als Epheben verzeichnet werden. Dexippos hat 267 nach Chr.
die Gotlien besiegt; hätte er 246/7 nach Chr. erwachsene Söhne gehabt,
so würde er zur Zeit seines Gothensieges 70 Jahr gewesen sein. Da-
nach ist für die in n. 1202 vorkommende Panathenaide 35 frühestens
254/5 nach Chr. anzunehmen, was für Pan. 1 die Frühgreuze 118/9
nach Chr. ergiebt. Somit ist festgestellt, dafs die Panathenaidenära ent-
weder 118/9 oder 122/3 oder 126/7 oder 130/1 anfing. (Die Spätgrenze
ist die aus L.-W. 1620 a und b ermittelte. - Gegen diese Bestimmun-
gen ist meines Erachtens nichts einzuwenden.)
Endlich läfst sich noch die Spätgrenze (130/1) beseitigen. Aus
der Gleichung Panathenaide 1 = 130/1 nach Chr. folgt für Pan. 35 der
Spätansatz 266/7 und dieser Ansatz mufs aus folgenden Gründen ver-
worfen werden. Die in n. 1202 erwähnte 35. Panathenaide wird die-
jenige sein, bei welcher laut n. 716 der Historiker Dexippos Agonothet
war. Eben dieselbe Panathenaide ist n. 70a zu verstehen; aus dieser
Inschrift ersehen wir, dafs der Historiker Dexippos, Agonothet der
grofsen Pauathenäen, sich der Ausrüstung des Panathenäenschiffes an-
nahm und das Bild der Göttin aufstellte, zh soo{g -rj]g d^eoö äviavrjlasv}.
Der rjMtoyoQ naXMoog KaXnoöpvtog UpüxXo; n. 1202 lin. 14 f. hat nichts
zu thun mit dem hippischeu Spiele der Heuiochen und Apobaten; der
welcher die Pallas fährt, mufs derjenige sein welcher das von Dexippos
herrührende edog in einem Prozessionswagen auf die Burg befördert.
(Diese einmalige Handlung also hätte dem der sie ausführte, den Titel
eines ijVio^og IlaXMdog gegeben? sachgemäfs war Partizip. Überhaupt
müssen die Bräuche jüngerer Zeit möglichst auf ältere zurückgeführt
werden. — Dafs überall dieselbe 35. Panathenaide zu verstehen sei,
scheint indes der Verf. mit Recht anzunehmen.) Ist nun aber die 35. Pa-
nathenaide der n. 1202 die von Dexippos als Agonotheten ausgerüstete,
so kann sie nicht 266/7 nach Chr. angesetzt werden und ergiebt sich als
Spätgrenze 262/3, mithin für Pan. 1 126/7. (Wenn wir Dexippos' Gothen-
sieg mit dem Verf. in das Jahr 267 setzen, so wird 266/7 allerdings
weniger wahrscheinlich für die von Dexippos ausgerüstete Panathenaide 35.
Noch nachher, als Dexippos seiner Agonothetenpflicht bereits genügt
hatte, n. 716 lin. 5 dyüJVoBsryjaavra tojv /xeydXojv IIava9rjVrxuov , und
seine Kinder ihm Denkmal und Inschrift widmeten, herrschte tiefer
Friede, von Einfällen der Barbaren und Feldherrnschaft des Dexippos
wufste und ahnte man nichts, n. 716 lin. 10 — 17. Dafs aber noch nach
den Pauathenäen (nach Anfang August) 267 keine Barbarenkämpfe
in Aussicht standen, ist, wenn dieselben in 267 zu setzen sind, weniger
glaublich. — Allerdings werden die Barbarenkämpfe auch zwei Jahre
später gesetzt; doch mit Unrecht wie es scheint.) Die Panathenaiden
laufen also von 118/9 oder von 122/3 oder von 12G/7 nach Chr.
350 Griechische Sakr.alaltertümer.
Der Verf. nun findet es wahrscheinlich, dafs die Panathenaidenära
veranlafst sei durch die glänzende Ägonothesie des Herodes Atticus
und die von ihm in Aussicht gestellte Erbauung des panathenäischen
Stadiums. Als Jahr der Ägonothesie nimmt er 126/7 an, indem für
Herodes' Archontat, C.I. A. III n. 735, 127/8 zu vermuten sei und dies
Amt ihm als Belohnung für seine im Vorjahr bewiesene Freigebigkeit
zuteil geworden sein möge. (Die Vermutung Herodes habe 127/8 das
Archontenamt verwaltet, beruht auf der meines Erachtens unhaltbaren
Hypothese , dafs die von Hadrians Besuch in Athen datierende Ära von
125/6 ab zu rechnen sei; Herodes nämlich war nach n. 735 und 69 a Archou
im 3. Jahre seit Hadrians Besuch in Athen. — Dafs das Agonothetenjahr
und das Archoutenjahr des Herodes einander unmittelbar folgen, trägt
wenig oder nichts aus um des Verf. System zu empfehlen. — Die An-
nahme, man habe von 125/6 ab Jahre seit Hadrians Besuch gezählt und
gleich im folgenden Jahre dem Herodes dieselbe Ehre erwiesen, ist un-
passend, überhaupt sind zwei Ären so nebeneinander wenig wahrschein-
lich. Vielleicht liefse sich der Versuch machen , beide an 126/7 =
Ol. 226, 2 zu knüpfen und statt zweier Ären nur eine anzunehmen. Die
hadrianische Jahrreihe konnte, sei es duich blofsen Zufall sei es durch
eine den Gegebenheiten zu Hülfe kommende Absicht, so eingerichtet
sein, dafs sie Panathenaiden darstellte.)
U. Köhler, Dokumente zur Geschichte des athenischen Theaters
(Mitteil. III (1878) S. 104—134, 229 -258) und Corp. Inscr. Attic. II 2
p. 394 410 n. 971—977. Auch ist Mitteil. IV S. 228, 2 berück-
sichtigt.
Die Inschriften n. 971 — 977 sind gröfstenteils bei Abräumung des
Südfufses der Burg 1876 f. gefunden. N. 972 war schon früher bekannt,
von einigen der übrigen Nummern dies oder jenes Stück.
Die Komödie ist spät rezipiert, Aristot. Poet. 5 xal jap lopov
xaj/iatdwv 6(f>s noza 6 äp^ajv eSojxe. Diese vage Bestimmung wird etwas
mehr eingegrenzt durch n. 97la. \Ee\vox)^£iorjg s^fopriyat, MäyvrjQ idcSaa-
x£V. zpaycudüiv llepLxXr^^ XoXap. S'/opij.^ Alayukog B[d]toa(Tx£\v'\. Es
erhellt, dafs der Lustspieldichter Magnes zur Zeit des Äschylos (f 456)
und Perikles (f 429) ein Stück aufgeführt hat an den grofsen Dionysien,
welchem Feste sämtliche Verzeichnungen der n. 971 zu gelten scheinen.
Da dem Äschylos, als er seinen letzten Sieg, mit der Orestee, 458 davon-
trug, nicht Perikles, sondern ein anderer als Choreg zur Seite stand, so
mufs der in Fragm. a gemeinte Agon vor 458 fallen. — Vermutungsweise
können wir noch einen Schritt weiter gehen. Nach Plutarch hat Peri-
kles 40 Jahre am öffentlichen Leben teilgenommen. Diese Angabe be-
ruht vielleicht darauf, dafs er Choreg war bei der Aufführung von Äschylos'
Sieben gegen Theben im Jahre 467; von 467 bis 429 verlaufen annä-
hernd 40 Jahre. Die Angabe stammt also aus dem Choregenverzeichnis
Athen. 351
und wir dürfen glauben, dafs sich Fragm. a auf den Agon von 467 be-
zieht. Danach ist denn die Komödie schon 467 vor Chr. als Teil der
dionysischen Feste öffentlich anerkannt gewesen. (Dittenberger u. a. sind
dieser Hypothese, die in der That sehr ansprechend ist, beigetreten.
Sicher ist, dafs die Komödie vor 458 rezipiert ward). — Aus C.I.G.
n. 231 = C. I.A. n n. 972 und Hypothesis Ar. Plut. hat man erkannt,
dafs seit dem Anfang des IV. Jahrh. im komischen Agon nicht mehr je
drei, sondern je fünf Stücke konkurrierten. Die neuen Funde (n. 975)
lehren, dafs die Fünfzahl von komischen Konkurrenten überhaupt jün-
geres, noch um die Mitte des II. Jahrh. befolgtes Herkommen war.
Unterschiede der leuäischen Dramatik von der diony-
sischen. Namen von Festen kommen in n. 971-977 nicht vor; die
Vermutung n. 977 s lin. 1 [-wv Arjvaixujv vixSjv] zu setzen, entbehrt
jedes Anhaltes. Um die Besonderheiten der Lenäen und Dionysien zu
ermitteln und die Frage, ob an beiden Schauspielfesten dieselben Gattun-
gen vorkamen oder nicht, zu entscheiden, werden wir uns anderswohin
-wenden müssen. Die Bestimmungen über das Verkünden eines Kranzes,
welche aus älterer Zeit sind, nennen nicht den Namen des Festes, an
welchem die Verkündigung stattfinden soll. Es ist nämlich in dem De-
kret von Ol. 92, 3 = vor Chr. 410/9 Arch. Glaukippos CI. Ä. I p. 35
n. 59 zu schreiben xai [dvsmeTv -ov xijpuxa rpaywdujv zw] dyujvc a>v
h[exa abzov u dr^fiog eazE(fdvoja]s. (Der Verf. mifsbilligt also stillschwei-
gends die C I. A. a. 0. vorgeschlagene Ergänzung xa\ [dvairnlv Aiovo-
mu)v .... Tw] dycuvc.) Ähnlich heifst es in einem 393 vor Chr. nach
der Schlacht bei Knidos abgefafsten Dekret C.I. A. II p. 397 n. 10 b o
ok x\rjpi)$ dvajopzuadzüj iv tcD Bsd'puj]: or[a]y o[j| Tpa[yu>ool Cdgl oti
b dr^po; ü 'ABrj]vo.iiuv xtX. Aus den beiden Dekreten ergieht sich für
die Zeit bis 393, dafs nur an einem Feste und wie nicht zu bezweifeln,
an dem der grofsen Dionysien Trauerspiele vorkamen. Wären auch an
den Lenäen Trauerspiele vorgekommen, so würde TpaywSujv ro» dycuvc
{orav oc rpaywool ojat) eine unzureichende Bestimmung gewesen sein.
(Später, in dem 1883 erschienenen 2. Bande des C.I. A. II, hat der Verf.
Ausnahmen von dieser Tragödienlosigkeit des Lenäenfestes zugelassen.
P. 397 n. 972 Kol. II nämlich sind tragische Aufführungen von Ol. 90, 1
und 2 = vor Chr. 420/18 verzeichnet; ihre Anzahl ist verhältnismäfsig
klein und aus der geringeren Zahl möchte der Verf. auf das geringere
Fest, die Lenäen, scbliefsen. So würde sich denn so ziemlich das er-
geben, was man bei A. Müller Bühnenaltert. S. 315f. ausgesprochen
findet: in den letzten Dezennien des V. Jahrhunderts sei zwar ein tra-
gischer Lcnäenagon eingerichtet gewesen, aber es habe derselbe zunächst
nicht jedes Jahr stattgefunden; erst später sei er jährlich begangen wor-
den. In diese Übergangszeit würde denn auch Agathons tragischer Le-
näensieg Ol. 90, 4 (vgl. Heort. 46) gehören, nicht als Ausnahme, indem
wir vielmehr tragödicnlose Lenäen als Ausnahme zu betrachten hätten.
352 Griechische Sakralaltertümer.
Ich halte U. Köhlers Schlufsfolgerungen , besonders die aus C. I.A. II
n. 972 gemachte, nicht für zwingend, aber ein künftiger Forscher wird
doch jedenfalls von den Köhlerschen Ansichten, etwa mit der Modifi-
kation die ihnen A. Müller gegeben hat, ausgehen müssen.)
Agonothesie. Bei einigen P'esten erhielten diejenigen, welche
mit ihren Chören gesiegt hatten, als Preis einen Dreifufs und pflegten
denselben im Bezirk des Festgottes aufzustellen unter Zufügung einer
kurzen Aufschrift, die der Mit- und Nachwelt den Sieg verkündete.
Solcher Aufschriften, die man choregische nennen kann, haben sich viele
erhalten. Sehen wir ab von einer Minderzahl choregischer Titel, die
bald so bald anders, auch wohl metrisch, also nach privater Willkür
abgefafst sind, so können wir sagen, dafs es zwei Arten gebe: eine jede
mit einer gewissen Strenge und Amtlichkeit formuliert, so dafs private
Willkür ausgeschlossen ist. (Die eine stellt sich beispielsweise in Athe-
näon I S. 170 n. 3 dar: ' lsiJUJWiJ.og Ad^rjTog 'ExaXrjBev jf^oprjywv svixa
Jsojvn'Sc Alyr^tSc natdwv ^ EuxXrjg ioidaaxs, die andere in C. I. Gr. n. 225
o drjLLog i^oprjyEc, Uuddparog ^p^sv, dywvod^zrr^g, 0paaoxXrjg ßpacrükXou
AexeXaaug, 'Irmo&aivug nacoujv ivcxa, ßiujv Orjßaiog rjuXet, Upovo/xog 0rj-
ßacog e8l8aaxe) Die eine Art nennt einen einzelnen Bürger als Cho-
regen, die andere beginnt mit u 8r^/xog exoprjyet und weiterhin erscheint
immer ein Agonothet. Manche haben in der Agonothesie etwas Vor-
übergehendes, eine durch die Umstände gebotene Mafsnahme erblicken
wollen, aber es ist vielmehr in den Titeln die einen Bürger als Chore-
gen nennen, ein älteres, in denen die auf Choregie des Volkes und auf
Agonothesie lauten, ein jüngeres Herkommen zu erkennen. Rangabis
hat das richtig bemerkt. In den besseren Zeiten Athens war die Cho-
regie Sache der einzelnen Bürger, Agonotheten gab es nicht; die Ago-
nothesie mufs später aufgekommen sein. Ebendahin führen die Archonten-
namen, welche den choregischen Titeln nicht selten zugefügt sind. Einige
derselben C.I.Gr. n. 22Gb, Rang. n. 976, Bullet. II. S. 392 und 396
nötigen, wenn Lesung und Ergänzung richtig ist, zu der Annahme einer
Übergangszeit, während welcher man bald dem älteren, bald dem jün-
geren Herkommen folgte. Allein solch ein Nebeneinander ist wenig wahr-
scheinlich , da in einem bestimmten Jahre durch Staatsdekret die Cho-
regie der Einzelnen abgeschafft, die des Volkes nebst dem Agonotheten-
tum eingeführt sein wird. Bei näherer Prüfung ergiebt sich denn auch,
dafs es mit jenen vier anscheinenden Zeugnissen nicht viel auf sich hat,
und dafs der späteste Beleg des alten Herkommens nicht, wie nach den
dubiösen Lesungen C.I.Gr. n. 226b Xapcag r^p^e und Rang. n. 776 'Apta-
zap^og rjpj(_ev anzunehmen wäre, aus der Zeit nach Ol. 121, 2 (Ende der
aufs Jahr sicheren Archontate), sondern aus Ol. 115, 1 Arch. Neächmos
ist, die beiden Belege des neuen Herkommens Bullet. II S. 392 und 396
aber wahrscheinlich dem Jahre Ol. 118, 2 Arch. Anaxikrates zuzuweisen,
mithin als früheste Belege desselben anzusehen sind. ( Letzteres ist
weniger sicher, da es noch einen zweiten Archon des Namens Anaxi-
Athen. 353
krates, den von 125, 2, giebt; doch entscheidet sich auch Reisch S. 83
für 118, 2.) Es mufs danach das bezügliche Staatsdekret in einem der
Jahre 115, 2 — 118, 2 erlassen sein, am meisten empfiehlt sich Ol. 117, 4
= 309/8 vor Chr. Arch. Demetrios, weil Demetrios von Phaleron ja auch
manche andere Neuerungen gemacht hat. (Auf dieser von U. Köhler
trefflich hergestellten Grundlage hat Reisch fortgebaut, übrigens im De-
tail nicht immer beistimmend. Siehe unten S. 369.) - Das über jüngere
und ältere Titel choregischeu Inhalts Gesagte gilt nicht von ganz späten
Zeiten; da erscheint wieder der Choreg, neben demselben aber auch der
Agonothet.
Was nun den Zweck und das Wesen des Agonothetentums betrifft,
so entnehmen wir aus den choregischeu Titeln , dafs es sich um musi-
sche Agouen handelte. Von Gottheiten und gottesdienstlichen Anlässen
ist in den nach vorgeschriebenem Schema formulierten Titeln nie die
Rede, aber Dittenberger Syll. n. 422 heifst es [/]opr]yodvTsg vcx^aavreg
dvdße(ja[v z]a> äiowaa> räyakiia xal zö/i [ßcufxov], und auf einem bei
Vari befindlichen Stein rjouyd^ajzc x^PV ^^owaia a[{j]ix[n]o7z ev[txu}v'\,
fivrjuoa'jvov 8k {^zo) vtxTjQ zaoe oiopov [i'Br^xav], Mitteil. VII S. 348, Fas-
sungen, die private Willkür verraten. Ebendasselbe und noch manches
aufserdem entnehmen wir aus etlichen Ehrendekreten; das Volk er-
wählte den Agonotheten auf ein Jahr; er hatte Sorge zu tragen für die
(musischen) Agonen der Dionysien und anderen Feste (C I. A. II n. 307),
auch gewisse Opfer zu bringen und die öffentliche Aufstellung, der Preis-
dreifüfse zu bewirken (Athenäon VII S. 93). Diese Geschäfte waren mit
bedeutenden Ausgaben verbunden; dem in C I. A. II n. 379 belobten
Agonotheten kamen sie auf 7 Talente zu stehen. Die Agonothesie war
nicht eine dp/rj, sondern eine irujiiXeia. Wie kam man nun wohl darauf,
das alte Herkommen der Choregie so gänzlich umzugestalten? Ehedem
hatte die einzelne Phyle aus der Zahl ihrer wohlhabendsten Mitglieder
den Choregen gestellt, der auf seine Kosten die Choreuten zusammen-
zubringen, sie einüben und ausstaffieren zu lassen, auch den als Preis
erlangten Dreifufs als Denkmal aufzustellen hatte. Aber nachmals ver-
fügte nicht jede Phyle über eine Anzahl wohlhabender Mitglieder, unter
denen die Choregie herumgehen konnte, Geld und Gut hatte sich in
wenigen Familien angesammelt; so mufste denn das alte System fallen.
(Der Verfasser, ausgehend von n. 307 [iTTc/xs^jy^];^ ok xat tüjv dywvujv
TU))/ ze AiovuataxuJv xat züjv äXXujv , wird wohl seine musische Agono-
thesie wenigstens auch auf die Thargelien ausdehnen, da nach ihm dem
Agonotheten die Sorge 'für alle auftretenden Chöre' oblag. In welchem
Verhältnisse wir uns den umfangreichen Geschäftskreis eines musischen
Agonotheten zu der auf einzelne Feste gewieseneu Agonothesie zu denken
haben, darüber hat der Verfasser sich nicht ausgesprochen. Es kommen
Agonotheten der Theseen, Eleusinien, Panathenäen, Delien vor. Nach-
.Jahresbericht für AlterthumswissenBOhaft LH. (1887. III.) 23
354 Griechische Saki-alaltertümer.
träglich, Mitteil. IV S. 328, ist der Verfasser auf den Gegenstand ge-
kommen, hat ihn aber nicht hinreichend erörtert.)
E. Petersen, Über die Preisrichter der grofsen Dionysien zu
Athen. Dorpater Festprogramm zum 12. Dezember 1878. 25 S.
Eine Revision der älteren Ansichten, besonders der Sauppeschen.
Nach Sauppe wurden, wie der Verfasser S. 22 und 1 f. berichtet, zu je-
dem Agon von den Ratsmitgliedern derjenigen Stämme, welche Chöre
für den Agon stellten, unter Mitwirkung der Choregen, solche die geeignet
schienen Bühneuleistungen zu beurteilen, aus allen Athenern gewählt.
(^Dissens des Verfassers: ein Verfahren, wie Sauppe es sich dachte, würde
zur Parteilichkeit geführt haben; es ist vielmehr anzunehmen, dafs von
allen Stämmen und von jedem aus seiner eigenen Mitte gewählt ward.)
Die Namen der Gewählten that man in Urnen, deren so viele waren wie
der Agonen. (Dissens des Verfassers: die Zahl der Urnen ist vielmehr
mit der der attischen Stämme übereingekommen.) Die Urnen wurden
dann von den Prytanen und den Choregen versiegelt und den Schatz-
meistern zur Aufbewahrung im Opisthodom des Parthenon übergeben,
von wo man sie zu den Agonen ins Theater schaffte. Die gewählten
Bühnenrichter fanden sich im Theater ein ohne offizielle Aufforderung,
nur von ihren Wählern benachrichtigt ; allen anderen unbekannt prüften
sie die Leistungen und notierten ihr Urteil, zu welchem Ende sie eine
Schreibtafel, Ypa/j.iuxzecov, bei sich hatten. (Dissens des Verfassers: das
von Sauppe angenommene Inkognito der fungierenden Richter stimmt
nicht mit der Benutzung des ypcx/jL/xa-scov , durch die sich der Hinein-
schreibende notwendig in seiner richterlichen Eigenschaft verriet; auch
werden die bei Aristophanes vorkommenden Anreden an die Richter na-
türlicher wenn wir uns diese au bestimmtem, dem Publikum wohlbe-
kannten Platze denken.) Nach Beendigung jedes Agons öffnete der Ar-
chon die Urnen, um zu losen, und zwar zog er fünf Namen aus den Ur-
nen; die fünf Gezogenen wurden dann vereidigt (Dissens des Verfassers:
des Richters Schwur konnte nur der sein, ordentlich zuhören und ge-
wissenhaft richten zu wollen, daher denn ein Schwur nach dem Agon
nicht zu statuieren ist; der Archon wird vor Anfang des Agons eine ge-
wisse Anzahl aus den Gewählten durchs Los erkoren und die Erkorenen
dann sogleich herbeigerufen und vereidigt haben. Was nach dem Agon
stattfand, war nicht das Schwören, sondern eine abermalige Losung,
durch welche aus der Zahl derer, die die Bühnenleistung geprüft hatten,
eine Minderzahl auserlesen ward, um den entscheidenden Spruch zu
fällen ) Die Entscheidung der fünf ward als Endurteil verkündigt.
Obwohl des Verfassers Ansichten sich aus dieser Zusammenstellung
entnehmen lassen, wird es doch, da in derselben die ältere Hypothese
leitend war, die jüngere nur als Abweichung, einigermafsen parergisch,
gegeben ist, noch aufserdem nötig sein, den Hergang und die Aufein-
Athen. 355
anderfolge der einzelnen Akte nach des Verfassers Setzungen zur Über-
sicht zu bringen, wobei sich denn auch einiges in der Zusammenstellung
nicht Enthaltene hinzufügen lassen wird. Der Verfasser also denkt sich
die Sache so. Eine Zeit laug vor dem Feste der Dionysien wählten
unter Mitwirkung der Choregen die Ratsmitglieder der zehn (zwölf, drei-
zehn) Stämme, jeder Stamm aus sich, eine Anzahl von Männern, aus
welcher demnächst die prüfenden Bühnenrichter zu bestellen waren. Der
einzelne Stamm that die von ihm Gewählten in eine besondere Urne, so
dafs bei zehn Stämmen der Urnen zehn waren. Eine jede enthielt etwa
doppelt so viele Namen, als der Stamm unter den Prüfenden Vertreter
haben sollte. Die Urnen, von den Prytauen und den Choregen ver-
schlossen und versiegelt, wurden zunächst im Opisthodom aufbewahrt.
War nun das Fest herangekommen und die vorläufig von den Schatz-
meistern der Göttin behütete Zebnzahl von Urnen ins Theater geschafft,
so begann die Erlösung der Bühueurichter. Unmittelbar vor dem An-
fang eines jeden Agons griff der Archen in jede der Urnen und zog,
wodurch eine Beteiligung aller Stämme erreicht ward. (Der Verfasser
bezeichnet S. 22 diesen Punkt als besonders wichtig; auch wer über die
Zahl der Urnen anders denke, habe die Beteiligung aller Stämme bei
jedem Gericht festzuhalten.) An die Erlösung der Prüfenden schlofs
sich ohne Verzug die feierliche Vereidigung. Die Mitglieder des so zu-
stande gebrachten Kollegiums hatten sich an den ihnen gebührenden
Platz zu setzen und der szenischen Produktion aufmerksam zu folgen,
auch das Urteil, zu dem sie gelaugten, in ibre Schreibtafeln zu notieren.
Nach dem Agon folgte eine zweite Ziehung; aus denen, die hörend und
schauend die Leistung geprüft und das Ergebnis niedergeschrieben hatten,
wurde eine ungerade Zahl , fünf bei zehn Stimmen, bei zwölf (dreizehn)
vielleicht sieben, ausgelost. Dies zweite kleinere Kollegium, gleichsam
ein Komitee, gebildet aus Mitgliedern des ersten, hatte die Entschei-
dung zu fällen. — Wir haben also drei Gesamtheiten auseinanderzu-
halten, die durch Wahl der Stämme zum Bühnenrichteramt Vorgeschla-
genen (die Präsentierten), die aus diesen erlosten Bühneurichter, welche
zu prüfen hatten, endlich die wiederum aus den prüfenden Richtern
durch eine zweite Losung erkorenen entscheideuden Richter.
Abgesehen von dem einleitenden Verfahren (Präsentation seitens
der Stämme, Bewahrung der Namen u. s. w.) scheint der Verfasser den
Hergang für alle Agonen gleich, also bei drei Agonen ebenso viele erste
Losungen, Vereidigungen und zweite Losungen anzunehmen, indem bei
den ersten Losungen immer neue Namen gezogen, die einmal gezogenen
nicht wieder eingeworfen wurden für den folgenden Tag.
Sind denn nun die drei Vereidigungen, die sechs Losungen, über-
haupt die ganze Hypothese des Verfassers durch vorliegende Beweis-
stellen und innere Wahrscheinlichkeit so unterstützt und so empfohlen,
dafs der Zweifel einmal zum Schweigen gebracht ist? A. Müller, Bühuen-
23*
356 Griechische Sakralaltertümer.
altert. S. 369ff. , bejaht diese Frage; er betrachtet des Verfassers Er-
gebnisse als sicher und bat sich denselben durchaus angeschlossen; vgl.
indes a. 0. S. 372 Note 1 a. E., wo eine kleine Meinungsverschiedenheit
hervortritt.
Unstreitig ist E. Petersens Modifikation der Sauppescben Ansichten
im allgemeinen sehr ansprechend und wofern es sich um ein aut aut
zwischen den beiden Hypothesen handelte, würde man allerdings der
jüngeren Hypothese vollständig beitreten müssen. Aber ein organisches
Ganze, das sich nur en bloc annehmen liefse, haben wir nicht vor uns,
die Sentenz mufs geteilt werden. Was aus Lysias 4, 3 gefolgert wird,
dafs das Kollegium der Prüfenden mehr Mitglieder hatte als das der
Entscheidenden, dafs letzteres aus ersterem mittelst Loses gebildet ward,
dafs diese Losung nach der Aufführung statt hatte, ist sicher. Ein amt-
liches Sitzen der Richter, welches auch äufserlich hervortrat durch einen
ihnen gewiesenen besonderen Platz im Theater, hat einen hohen Grad
von Wahrscheinlichkeit (vgl. Demosthenes 21, 18 nphg toTq xjjt-aTg, was
örtlich zu nehmen ist). Die früher vermutete nachagonische Vereidi-
gung hat E. Petersen in überzeugender Weise widerlegt, ohne Zweifel
war das Schwören ein voragonischer Akt; voragonische Vereidigung folgt
mit aller Evidenz aus der Midiana.
Der Annahme, dafs jede Phyle ihre Urne gehabt habe, giebt Isokr.
17, 33 wenig Anhalt. Der Verfasser scheint die Worte Ilod^üdiofjov
dvo:'$avTa zag bdptag xai zoog xptzäg e^eXuvza so verstanden zu haben,
als überliefere der Redner, dafs von Pythodoros alle Urnen geöffnet und
alle Richternamen herausgenommen seien. Letzteres findet er rednerisch
übertrieben, ersteres acceptiert er und schliefst, dafs nicht jeder Ägon
seine Urne gehabt haben könne; 'wenn nämlich', bemerkt er S. 21, 'Py-
thodoros die Urnen, nicht blofs eine öffnete, so müfste er, falls jeder
Agon seine Urne hatte, nicht blofs an einem Agon, sondern an allen
einen persönlichen Anteil gehabt haben, was schwer denkbar ist' . Hatte
also nicht jeder Agon seine Urne, so folgt — ein Drittes giebt es nicht
— dafs jeder Phyle eine Urne zukam, die Gesamtzahl der Urnen der
Phylenzahl gleich war. Aber sehr leicht könnte zag bopcag rednerisch
und ungenau sein (wie die Mehrheit von Goldschmieden, Demosthenes 21
§62 zwv ipudo^öiuv auf Rhetorik hinauskommt; §21 zoo ipöaüiöou\
und Pythodoros nur eine einzige Urne geöffnet haben. Übrigens ist des
Verfassers Ansicht über die Urneuzahl keineswegs von der Hand zu wei-
sen, nur dafs Isokr. a. 0. keinen hinreichenden Beweis ergiebt.
So weit also ist die jüngere Hypothese zwingend oder doch an-
nehmbar. Aber die Losungen vor jedem Agon und die an den Tagen
nach dem ersten stattfindenden Vereidigungen flöfsen Zweifel ein.
Eine erste, jedem Agon vorangehende Auslosung prüfender Richter
wird aus Plutarch, Kimon 8 gefolgert. Es heifst daselbst, der Archen
habe in Anbetracht der grofsen Aufregung des Publikums keine Richter
Athen. 357
erlost (ix^pcoae), sondern — aufserordentlicherweise — die (ohne
Zweifel eben vor Beginn der Aufführung ins Theater tretenden) zehn
Feldherren vereidigt. Wir müssen, meint der Verfasser S. 20, verstehen,
dafs die Feldherren um die Zeit und Stunde in Eid genommen wurden,
wo der Archon nach regelmäfsigem Verfahren die prüfenden Bühnen-
richter hätte auslosen sollen. Das hat seine Richtigkeit. Allein es beun-
ruhigt, dafs aus Plutarch zwar die 'erste', nicht aber auch die 'zweite'
Auslosung entnommen wird, Lysias aber, dessen Darstellung 4, 3 eine
Richter-Auslosung nach dem Agon — die zweite dem Verfasser zufolge
— mit Sicherheit ergiebt, wiederum von einer 'ersten' voragonischen
Auslosung nichts zu verstehen giebt. So kann sich denn ein Zweifel
regen, ob Plutarch uns nicht irreführt, und der Zweifel steigert sich
durch die Erwägung, dafs vermöge jenes Schlusses aus Kimon 8 sich
der Hergang weniger gut gestaltet, indem er umständlicher wird und
an Würde verliert. Verwirft man das indirekte Zeugnis des Plutarch,
so fallen die ersten Losungen weg, alle von den Phylen erwählten Richter
schwören vor dem Agon des ersten Spieltages, um sich dann gleich an
ihren Platz zu begeben und der Bühnenleistung prüfend zu folgen, und
es bedarf nur dieser einen Eidesleistung für das ganze Dionysienfest.
Dafs sich an den Dionysien bei jedem Agon die Handlung des Schwö-
rens vor flammenden Opfern wiederholt habe, stimmt nicht recht mit
der Würde eines solchen Aktes; man schwur wohl gelegentlich der
grofsen Eingangsopfer des ersten Tages und zündete nicht an den fol-
genden Tagen kleine Opfer um der Eidesabnahme willen an. Ich glaube
also, dafs wir uns einer Folgerung aus dem plutarchischen ix^pwae zu
enthalten haben; nicht als ob kxdXeaz statt ixXrjpwae in den Text zu
setzen wäre, sondern weil Plutarchs Darstellung verkehrt sein wird; er
hat ja auch sonst so manches auf dem Kerbholz. — Für den ersten
Spieltag, denjenigen, an welchem die Chöre auftraten, steht der vor-
agonische Akt des Schwörens durch Demosthenes 21, 17 fest. Wenn
Plutarch überliefert, dafs an einem Dramentage der Richtereid geleistet
ward {opxuxjag r^vdyxaas xuHcaa: xal xplvai xr/), so folgt nicht, dafs
nach sonstigem Herkommen vor den dramatischen Agonen Eidesabnahmen
stattfanden; der Vorgang war ein abnormer, die plötzlich herangezoge-
nen zehn Feldherren mufsten, um nicht alle Formalien preiszugeben,
wenigstens den üblichen Eid leisten. — Wer nur Losungen nach den
Agonen statuiert, wird anzunehmen haben, dafs die Namen der durchs
Los zur Entscheidung Berufenen wieder eingeworfen wurden für den fol-
genden Tag.
Über ü oiä rAvzojv xptrTjg bei Piaton, Staat IX 580 B bemerkt
der Verfasser S. 24, ' wer durchs Los zur kleinen Zahl der Entscheiden-
den berufen wurde und vorher sowohl unter den Gewählten, in der Urne
gelegen, als auch danach unter den Prüfenden gesessen, also durch alle
Stadien oder besser durch alle Kollegien (auch die Gewählten im Kol-
358 Griechische Sakralaltertümer.
legiura?) hindurchgegangen war, konnte treffend als o oca ndvzcov xpt-
TTjg bezeichnet werden'. Danach wäre jeder der fünf entscheidenden
Richter ein 8tä ndvzivv xpirrjg und 8iä ndvrwv für die Platonstelle ganz
überflüssig. Der Zusammenhang bei Piaton führt dahin, oiä Tzdvnov auf
die zu beurteilenden Objekte zu beziehen, also ndvTiuv für Genitiv von
ndvTa zu halten; ein bei allen Agonen Beteiligter, der mithin über sehr
verschiedene Leistungen zu entscheiden hat, wird von Piaton dem ver-
glichen, der urteilen soll über den ßaatkxug, rcpLoxparixos u. s. w. Statt
nun etwa eine stehende Einrichtung zu statuieren, vermöge welcher es
einen Präses unter den fünf gab, der an allen Spieltagen derselbe blieb,
an den folgenden Spieltagen also nur vier hinzugelost wurden, läfst sich
darauf hinweisen, dafs, wenn durch Wiedereinwurf der Namen derer,
die die Entscheidung gefällt, die Gesamtheit der Bühnenrichter, aus
welcher man zog, für jeden neuen Agon wiederhergestellt wurde, eine
und dieselbe Person bei allen Agonen unter die Entscheidenden kommen
konnte.
Guil. Petersen, Quaestiones de historia gentium Atticarum.
Schleswig 1880. 150 S. Inaugural-Diss.
Von den attischen Geschlechtsfolgen, die der Verfasser sich zur Be-
handlung ausgewählt hat, berühren etliche (Eumolpiden, Keryken, Bu-
zygen, Eteobutaden) das sakrale Gebiet, daher denn auch auf Dinge,
die demselben angehören, in den Quaestiones eingegangen wird. So
ist z. B. im IX. Abschnitt 'Buzygae' von dem Ahnherrn Buzyges die
Rede, dazu von dem Eigennamen Epimenides, den buzygischen Ver-
wünschungen, den drei heiligen Pflügen; auch wird vermutet, das
buzygische Priestertum sei in später Zeit erloschen oder beinahe er-
loschen. Alles dies ist in gedrängter Kürze vorgetragen und macht nicht
mehr als etwa ein Zehntel des Abschnittes aus. Diese Kürze ist auf
Kosten der Sache erreicht; die von Bofsler angeregte Frage, ob in Epi-
menides Buzyges der Kreter zu erkennen sei, erörtert der Verfasser
nicht, auch die Dissertation von C Schultefs wird nicht berücksichtigt;
die Vermutung über das Erlöschen des buzygischen Priestertums in später
Zeit wird aufgestellt ohne Heranziehung des inschriftlichen Materials
(C. I. A. III n. 71. 273. 294), aus welchem das Vorhandensein buzygi-
scher Priestertümer für späte Zeiten erhellt. So ist denn diese Partie
unzulänglich, und ähnliches gilt von den übrigen gottesdienstlichen
Exkursen. Mit mehr Sorgfalt hat der Verfasser die Genealogien fest-
gestellt und historische Notizen für die einzelneu in den Geschlechts-
folgen vorkommenden Personen zusammengetragen; dafs die Kompilation
der Nachrichten, die für die Familie des Kallias und Hipponikos zu
Gebot stehen, von Fleifs zeugt, hat auch W. Dittenberger anerkannt.
Die genannte Familie gehörte zu den Keryken, deren Beziehungen
zu Welt und Leben sich aus den biographischen Fragmenten, welche
Athen. 359
die Quaestioues enthalten, recht gut entnehmen läfst. Dies ist auch für
die Sakralaltertümer keineswegs gleichgültig; die Eumolpiden haben eine
andere öffentliche Stellung gehabt als die Keryken.
P. Foucart, Le culte de Pluton dans la religion eleusinienne.
Bulletin de corresp. hellen. VII (1883) p. 387—404. — Note sur repoque
de la fete des A^wa p. 514.
Die Untersuchung ist angeregt worden durch die eben damals (im
Jahre 1883) in Eleusis gefundene Inschrift aus dem Jahre des Kephi-
sophon Ol. 112, 4, in welcher die eleusinischen Epistaten und die Schatz-
meister der Göttinnen Rechenschaft ablegen. Die jetzt unter n. 834 b
in das Corpus Inscr. Attic. II 2 aufgenommene Inschrift enthält nämlich
mehrere Erwähnungen eines im Bau begriffenen Plutonstempels (ro zoü
nXourcuvog)\ auch kommt das Haloenfest vor. - Der Verfasser zeigt,
dafs Lykurg Urheber des Tempelbaus gewesen sein mufs. Nach C. I. A. II 2
p. 522 n. 834b Col. I lin. 11 [dp\^i[T]ixTovi o npoiXaßev Auxoupyoo xe-
Xzüaavzog xzX hat Lykurg dem Architekten einen Vorschufs verschafft;
er war 112, 4 noch Finanzdirektor. Lykurg hat den Plutonsdienst nicht
blofs durch Erbauung des Tempels in Eleusis gefördert, sondern wahr-
scheinlich auch jene dem Pluton im städtischen Eleusinion zu begehen-
den Lektisternien eingerichtet, von welchen uns C. L A. II 2 n. 948 — 950
Kunde geben. — Unter den Ausgaben der sechsten Prytanie Arch. Ke-
phisophon betrifft die erste den Altar des Pluton und die Altäre der
beiden Göttinnen, p. 525 Col. II lin. 4; sie wurden vermutlich für die
auf der Inschrift wenig später (lin 8) erwähnten Haben zurecht ge-
macht, welche mithin dem Pluton und den beiden Göttinnen, Demeter
und Köre, gegolten haben. Wenn die Haben in einem Lukianscholion
als eine eop-rj ixoazrjpta Tispiiy^ooaa Ji^prjzpog xal KoprjQ xal Aiovuaou
bezeichnet werden, so darf mau das für eine jüngere Gestaltung nehmen,
in der Pluton durch Dionysos verdrängt ist. Die ältere Trias des Ha-
benfestes erscheint auch p. 526 lin. 46 iTrap/ij Arjprjxpt xal Köpjj xal
nXoÖTcuvt p, welcher Posten derselben sechsten Prytanie angehört. Plu-
ton hat längst Anteil gehabt am eleusinischen Kultus; offenbar ist in
der aus dem V. Jahrhundert vor Chr. herrührenden Aparchen - Inschrift
Bull. IV S- 227 lin. 38 ro» TpirnoXspio xal rw &£w xal r^ Se^ xal tw
EößouXüj lepelov sxdffroj ziXeiov unter o %zöq Pluton zu verstehen. Ly-
kurg also, indem er den Bau eines Plutonstempels in Eleusis veran-
lafste und dem Pluton Laktisternien stiftete, hat nicht einen neuen
Gottesdienst eingeführt.
Die Kalenderzeit der Haben hat der Verfasser zweimal besprochen,
p. 395 und in dem Nachtrage p. 514. Zuerst, als er die Haben der
fünften Prytanie (Ephemeris 1883 S. 119) noch nicht kannte, meinte er
aus den Haben der sechsten Prytanie (C. I. A. II 2 S. 525 lin. 7) den
Gamelion folgern zu dürfen; auf diesen Monat schien der Festkalender
360 Griechische Sakralaltertümer.
von Mykonos zu führen. Nur nebenher liefs er die Möglichkeit zu, dafs
die Haloenfeier schon vorüber gewesen und die Zahlung für ein am
Ende der vorigen Prytanie geliefertes Stück Arbeit erfolgt sei, unter wel-
cher Voraussetzung der Poseideon, nach Philochoros' Angabe, Monat der
Haloen gewesen sein könne. In dem Nachtrage tritt er mit Rücksicht
auf Ephem. 1883 S. 119 entschieden für den von Philochoros überliefer-
ten Monat Poseideon ein. — Was seine gegen Heort. S. 320 gerichtete
Polemik angeht, so scheint er meine abermalige Besprechung des Gegen-
standes (Delphika S. 272 f.) übersehen zu haben.
U. Köhler, Inschriften der Ergastinen. Mitteil, des deutschen
Instituts Vni (1883) S. 57-66.
In einer englischen Privatsammlung zu Petworth House (Sussex)
giebt es einen Inschriftstein, der Reste zweier attischer Psephismen
später Zeit darbietet. Von dem einen (Petworth House A) sind wenige
fragmentierte Zeilen erhalten, die Überbleibsel des andern (Petw. B)
sind umfangreicher. Dem Verfasser zufolge beziehen sich die beiden
Psephismen, wie auch C. I. A. II n. 477. 956. 957. 957 b auf die Arbei-
terinnen {ipyaaTcvai, Hesych.), welche beauftragt waren, der Göttin Athena
den Peplos herzustellen. Petw. A lin. 2 f. [x]ai 7:apaMß[u)]acv -hv i(pi-
T£iov nlenXov . . . -rt» . .] c/idrcov i$dyw[(Tcv] scheint bestimmt zu werden,
wie man beim Wechsel des heiligen Gewandes verfahren solle. 'E^s-
recog 'diesjährig'. Die Herstellung von Petw. B wird unterstützt durch
das sehr verwandte Fragment C. I. A. 11 n. 477. Wenn n. 477 lin. 8 und
Petw. B lin. 12 von der Wolle (t« ipca) die Rede ist, die von Mädchen-
händen im Dienst der Athena verarbeitet worden, so kann es scheinen,
dafs Wollenarbeit wenig pafst für das stolze Feierkleid der Göttin;
allein der Ausdruck ipyd^sa&ac rd epca mag aus Zeiten stammen, da
man den Peplos noch einfacher herstellte. Entschlagen wir uns also
der durch Schol. Clem. Alex. p. 9 lin. 33 Pott ttjv XeyopLivrjv eipemiovTjv
(pr^ah rjv oüraig nepcedoüvTsg ipc'ocg x-X nahe gelegten Vermutung, dafs
an die Wollenfäden der Eiresione zu denken sei. (Früher, C. I. A. II 1
p. 285, hatte der Verfasser diesem Gedanken Raum gegeben und die
ipta n. 477 lin. 8 auf die Eiresione bezogen.) Es wurden ja der Göttin
nicht viele Eiresionen, sondern, so viel man weifs, nur eine einzige dar-
gebracht, und um einen Ölzweig mit Wolle zu bewickeln, können doch
nicht hundert oder noch mehr Jungfrauen thätig gewesen sein — aus
den Inschriften ergiebt sich nämlich, dafs 100 bis 120 Jungfrauen dem
epyd^sa&at r« ipta obgelegen haben. Es bleibt also nur übrig, an den
Peplos und die Ergastinen zu denken. — Unter den verzeichneten sind
etliche nachweislich aus vornehmen Familien, daher zu vermuten steht,
dafs überhaupt nur adelige Mädchen an der heiligen Arbeit teilnahmen.
— Das sTzl Ar^ixo^dpoug dp'/ovTog abgefafste Dekret Petw. B gehört dem
Schrjftcharakter nach in die Zeit vor Chr. 100, 99, 98 . . .; von diesem
Athen. 361
Archon Demochares zu scheiden ist ein jüngerer 'Demochares, Nach-
folger des Demetrios', Athenäoii VI S. 190, der in den Jahren vor Chr.
50, 49, 48 . . . amtiert hat; vgl. C I. A. III n. 1014 (s. A. Dumont, Bul-
letin I S. 36 und C. I. A. III 1 S- 511). Das Psephisma C I. A. II n. 477
dürfte ebenfalls in die Zeit vor Chr. 100, 99, 98 ... gehören uud [im
npoxX]£oüg äpy^ovToq herzustellen sein. Prokies (C. I. A. II n. 985) war
Archon vor Chr. 98/7 = Ol. 170, 3; Peplen brachte man nur dar an
dem grofsen Feste, auf welches Petw. B lin. 22 f. \yoo dycDvoj&drou tüjv
Ilavaßr^vrxtujv führt, mithin haben wir dritte Olympiadenjahre für die be-
züglichen Psephismen zu wählen. Die spärlichen Reste der Datierungen
gestatten eine Herstellung auf Hekatombäon U = Pryt. 1 Tag 11;
zum 11. Hek., einige Tage vor den Panathenäen, hat der Peplos fertig
sein müssen. (Das an drei Stellen gesetzte Tiinlüv ist an keiner sicher.
Petw. B lin. 12 uud 13 beruht es vollständig auf Ergänzung; Petw. A
lin. 2 giebt die Kopie iifs-ecov^ der dem Abklatsch folgende Text i<pi-
Tstov n[s7i^ov'?], wo das vom Verfasser zugefügte Fragezeichen entweder
Undeutlichkeit des Buchstabens n im Abklatsch anzeigt, oder darauf
geht, dafs hier des mangelnden Zusammenhanges wegen jede Ergänzung
dubiös sei. — 100 bis 120 Arbeiterinnen, um eine Eiresione zu fabri-
zieren, sind allerdings unwahrscheinlich, aber auch die Peplosarbeit hat
man wohl nicht in so viele Hände gegeben. Die attischen Mädchen,
von deren Belobung und Bekränzung die Psephismen reden und deren
Namen phylenweise geordnet folgen, haben nicht blofs Wollenarbeit ge-
macht im Dienst der Athena, sondern auch eine goldene Schale zu
100 Drachmen geschenkt uud zwar sowohl im Jahre des Demochares als
in dem des Prokies Ol. 170, 3. Das Verzeichnis nun wird die Namen
derjenigen enthalten, deren Väter zu den 100 Drachmen beigesteuert
haben. Eine Minderzahl der verzeichneten wird sich dem ipydC^a&ac
T« ipca gewidmet haben, für das Verzeichnis ist das nebensächlich.)
W. Dörpfeld, Ein antikes Bauwerk im Piräus. Mitteil, des deut-
schen Instituts IX (1884) S. 279—287
U. Köhler, Die Genossenschaft der Dionysiasten im Piräus. Eben-
daselbst S. 288—298.
Gelegentlich der Aushebung von Fundamenten für ein neues Theater
wurden 1884 im Piräus (Karaiskakisplatz, Nordwestecke) antike Bau-
reste aufgefunden; sie lagen etwa zwei Meter unter der heutigen Ober-
fläche. Man fand auch drei Inschriften. Die Reste von Mauern, Estrichen,
Zisternen, Hallen u. a. ergeben, dafs hier einst zwei grofse Gebäude
waren, ein rechteckiges Haus mit vielen Gemächern uud ein an die West-
seite dieses Recktecks stofsender, von Säulenhallen umgebener Hof.
Letzterer lag tiefer, eine Treppe führte von dem Hause zu ihm hinab.
Der Hof hatte auf drei Seiten Säulenhallen, ob auch auf der vierten,
362 Griechische Sakralaltertümer.
läfst sich noch nicht entscheiden; die Säulen waren vielleicht dorisch;
bei der östlichen Halle ein Altar. Der Dionysostempel, dessen die In-
schriften erwähnen, mufs sich innerhalb des Hofes befunden haben, so wie
es auch in Pompeji einen Tempel giebt, den ein Säulenhof umschliefst;
das Innere des Hofes ist bisher nicht freigelegt. Neben der Treppe,
die vom Hause zu dem Säulenhof hinabführt, ist in situ eine Plinthe
mit zwei Vertiefungen um Inschriftstelen aufzunehmen, und bei der Plinthe
im Schutt die Piräusinschrift I, ein Psephisma Arch. Eupolemos, aufge-
funden worden ; I liu. 30 f. aber liest man dvaypd[(pac 8s zö (fjrj^cafxrx
rode ev ottj^jj h&t'\vjj xac arr^aae Tiapä röv vsdi tou Bsoä. Den Dionysos-
tempel, Tov vsuj Too &£oij, habou wir hiernach in nächster Nähe bei der
Treppe, ohne Zweifel innerhalb des Säulenhofes, zu dem sie hinabführte,
zu suchen. (Über diesen Punkt sind die beiden Forscher durchaus einig.)
Der Raum, welchen der Priester Dionysios den Genossen herrichten
liefs, dafs sie da opferten, Piräus-Inschr. III lin. 12 f. töttuv — — sie
UV aovcovzeg Büa[cu]aiv xaza jxrjva sxaarov roi Ö£ft>, ist der Säulenhof
um den Tempel, in II lin. 2 reiievog Büosv genannt, ein Ort unter freiem
Himmel. (So U. Köhler, Dörpfelds Meinung, der ronog eis ov xrX sei
ein Saal in dem Hause gewesen, ablehnend; unter Dach wird nicht ge-
opfert sein.)
Die drei Inschriften besagen etwa Folgendes. Im Eingange
von I nennen sich fünfzehn Orgeonen, zuerst der Priester Dionysios
Agathokles' Sohn aus Marathon, der wegen freigebiger Förderung des
Genossenschaftskults in diesem ihm geltenden Ehrendekret reiches Lob
erhält; an zweiter Stelle Agathokles Dionysios' des Priesters Sohn aus
Marathon, einfacher Orgeone wie die weiter folgenden. Nach der Namen-
liste beginnt das Dekret i[m] EuTtoXe/iou äp^ovTug- lloatdewvoQ äyopa
xopiq.' zoo^ev rocg ätovoataazacg. Die Genossen nennen sich in ihren
Urkunden sy aüvoSog, ol rijv awooov (den Beitrag, vgl. C.I. A. II n. 475)
(pipüvzeg rcD ^£ai, auch — in den Distichen II ^taaog^ am häufigsten
aber opyewveg und äiovoaiaarai Mit Unrecht hat man die Bezeichnung
dpyewvEg auf Verehrer der Göttermutter beschränken wollen. — Die
Piräus- Inschrift II ist metrisch, drei Distichen: es hat dir, Bakchos,
diesen Tempel Dionysios gegründet' u. s. w. — III Beschlufs der Ge-
nossen aus dem Jahre des Archon Hippakos, datiert wie I. Der frei-
gebige Priester Dionysios ist gestorben; was die Genossenschaft ihm
alles zu danken hat, wird aufgezählt. Die Mitglieder wollen sein An-
denken ehren in seinen Nachkommen, und übertragen, wie das ihrem
Gesetz und Herkommen gemäfs ist, das Priesteramt auf den ältesten
Sohn des Dionysios, den Agathokles, und zwar auf Lebenszeit. Diony-
sios aber soll ihnen ein Heros sein, sein Bild neben dem des Bakchos
aufgestellt werden.
Während in den übrigen Vereinen der Priester durchs Loos er-
nannt wird auf Zeit, haben die Dionysiasten des Piräus die Priester-
Athen. 363
würde durch Beschlufs der Genossenschaft auf Lebenszeit Mitgliedern
einer und derselben Familie verliehen. Es drücken sich die Diouy-
siasten so aus (III), als sei die Wahl eine freie gewesen; man mufs
annehmen , dafs sie gebunden war an die Zustimmung und Bestätigung
der Genossen, dafs also eine condicio, etwa iäv xal zolg opyeujac ooxfj^
bestand. Trotzdem hat das Priesteramt, wie die Inschriften lehren, that-
sächlich der Familie des Dionysios gehört. — Von der Familie des Dio-
nysios wird auch wohl die Stiftung der Genossenschaft ausgegangen sein,
eine Vermutung, der auch die Herkunft aus Marathon Vorschub thut,
vgl. C I. A. II u. 601 [rrjv] jJ-kv jicav a-r\a\fu £// Mapad\u>vt iv tü> tc/x£-
vst zoö J:ov]'j(TO'j. — Das rechteckige Gebäude mit seinen zahlreichen
Gemächern ist das Wohnhaus der Familie des Dionysios gewesen; das
besondere Verhältnis dieser Familie zum Kultus der Orgeönen hat da-
hin geführt, dafs das Kultlokal der Privatwohnung angelehnt wurde.
Die Piräus-Inschr. III bietet das erste Beispiel einer Zuerkennung
heroischer Ehren, lin. 46 ff. (ppovzlaai 8k roug opyewvag, onojg dfrjpioa^fj
äi\o\v()aiog xal ä[v]azsd^fj kv zw tspu) napä rov Bsov, ono'j xa[l] o r.azrjp
auTüu. Es mufs das öfter vorgekommen sein; so wird der Staat dem
Phrurarchen Diogenes, der nach seinem Tode von den Epheben durch
Stieropfer geehrt wurde, heroische Ehren zuerkannt haben (vgl. CI.A. II 1
p. 249 n. 467 lin. 23).
Die drei Piräus-Inschriften gehören in die Jahre 200 — 151 vor Chr.
W. Ditten berger. Die eleusiuischen Keryken. Hermes XX (1885)
S. 1 - 40.
Das attische Geschlecht der Keryken, zo yevog zö KrjpOxojv, be-
ruhte auf einer genealogischen Fiktion, welche den Genneteo einen my-
thischen Stammvater gab. Derartige yivT] sind wohl zu scheiden von
eigentlichen Geschlechtsfolgeu, die, wie des Buselos aus Öon Nachkom-
men, die Buseliden, auf einen menschlichen Ahnherrn zurückgingen und
ihre Verwandtschaft darthun konnten, während jene mythisch begrün-
deten yivrj aus Familien bestanden, die nach dem Ausweis der Demo-
tika frühzeitig, schon vor Klisthenes, über ganz Attika zerstreut waren
und einen verwandtschaftlichen Zusammenhang zwischen Familie und
Familie nicht aufzuzeigen hatten. Solch ein viele selbständige Familien
umfassendes ydvog ist auch das der Keryken. Es stellt aber zugleich
eine Zunft, eine ßerufsgenossenschaft dar, so dafs sich die Berufsgenossen
nach ihrer verschiedenen Thätigkeit bei Mysterien, Wettspielen, Fest-
aufztigen, im Marktverkehr spezialisieren lassen; wenn also Pollux VIII 103
u. a. von mehreren ydvrj der Keryken reden, so folgt daraus nicht eine
Mehrheit attischer Kerykengeschlechter, sondern ydvrj bedeutet Arten.
— Die Zugehörigkeit zu dem Geschlecht bestimmte sich durch Abkunft
von väterlicher Seite. — An der Spitze der Körperschaft, die sich Ke-
rykengeschlecht nannte, stand ein apj^wv (yeveap^rjg), der, vermutlich
364 Griechische Sakralaltertümer.
auf ein Jahr, von den Genneten und aus ihrem Mittel gewählt war.
Nach C. I.A. III n 1278 fungiert das Oberhaupt der Körperschaft zugleich
als ihr Priester; auch an einem Schatzmeister kann es den Keryken
nicht gefehlt haben. Es ist diesen Ämtern nichts gemein mit den aus
dem Kerykengeschlecht besetzten Mysterienämtern; von dem Priester
des Geschlechts wird besonders dem Hermes geopfert worden sein, so-
fern die Keryken diesen Gott als ihren Urahn betrachteten. — Die be-
schliefsenden Versammlungen der Keryken, welche wir aus Inschriften
kennen lernen, mögen zu Eleusis in dem Kr^pOxojv olxog C. I. A. II 547
gehalten worden sein. Sie gingen teils den eleusinischen Kultus, teils
die eigenen Dinge an. Es finden sich auch Versammlungen der Eumol-
piden und Keryken, die man mit Unrecht für Organe des eleusinischen
Gemeinwesens hat halten wollen, Dafs in C. I.A. II n. 605 ein gemein-
samer Vorstand der beiden Yiwj erscheint, wird auf nachlässiger Redak-
tion beruhen; Ephemer. III (1883) S. 82 n. 10 erscheinen zwei Vorstände.
Von den hohen Ämtern des eleusinischen Kultus stand die Hiero-
phantie den Eumolpiden zu. Auch die Exegese, soweit sie eleusinische
Bräuche angeht, wurde nur von Eumolpiden geübt, wobei allerdings ab-
zusehen ist von den späten Zeiten, welchen die Inschrift Bullet. VI
S. 436 angehört. — Der meisten Ämter walteten die Keryken, nicht
blofs desjenigen, auf welchem der Name des Geschlechts beruhte, son-
dern auch der Daduchie und des Altarpriestertums. Dafs die Daduchie
bei dem Geschlecht der Keryken war, erhellt aus Andokides I 127 und
116, wie auch aus jüngeren Zeugnissen. Ein besonderes Geschlecht der
Daduchen hat es nicht gegeben, mit Unrecht ist ein solches aus Xen.
Hell. VI 3, 6 gefolgert worden. Was die Lykomiden und ihre Beteili-
gung an Mysterien betrifft, so dürfte nicht zuzugeben sein, dafs ihnen
die eleusinische Daduchie übertragen sei und kein Hindernis bestehen
ihre gottesdienstliche Thätigkeit auf Phlya zu beschränken. Nach Pausan.
I 37, 1 waren einige Nachkommen des Themistokles (eleusinische) Da-
duchen und Themistokles war Lykomide. Allein die bei Pausanias ge-
nannten Nachkommen, Leon Sophokles Xenokles ' Sophokles , brauchen
nicht Lykomiden gewesen zu sein, weil sie möglicherweise ihr Geschlecht
in weiblicher Linie auf Themistokles zurückführten. Aber bei der blofsen
Möglichkeit haben wir nicht stehen zu bleiben; C I. Gr. n. 388 wird So-
phokles, Xenokles' Sohn, als Acharner bezeichnet, Themistokles dagegen
war ein Phrearrhier, mithin gehörte seine Descendenz in männlicher
Linie ebenfalls dem Demos der Phrearrhier, nicht dem der Acharner
an. — Dafs dem Amte des Altarpriesters Keryken vorstanden, lehrt
C. I.A. III n. 1278; es sind Daduch und Altarpriester im selbigen Geschlecht
verzeichnet, und da die Daduchie ein kerykisches Amt war, kann das
Geschlecht kein anderes sein als das der Keryken.
Die drei Ämter waren lebenslängliche; ocfoow/^^aag auf Inschriften
bedeutet nicht einen abgegangenen, sondern einen verstorbenen Daduchen.
Athen. 365
— Es war ein jedes Amt an eine bestimmte Familie geknüpft und in
dieser erblich, eine Folgerung, zu der wir berechtigt sind durch vor-
kommende Fälle des Forterbens der Daduchie. Der Erbgang läfst sich
nicht feststellen ; er mag sich geregelt haben nach Generationen. Auch
wissen wir nicht, was man that, wenn der Mannesstamm einer Familie
erlosch ; vielleicht können wir annehmen, dafs, beim Erlöschen des Manns-
stamms, die Tochter, falls sie in einen andern Zweig des Kerykenge-
schlechtes hineinheiratete, die Berechtigung auf den Mann übertrug. —
Auch Nebenämter des eleusinischen Kults wurden grofseuteils aus dem
Kerykengeschlechte besetzt.
Die Kerykeu als Ganzes werden berechtigt gewesen sein über
Staatsgelder, die ihnen zur Verfügung gestellt waren, Beschlüsse zu
fassen, und werden dafür Rechenschaft abgelegt haben; Äschin. III 18.
— Der einzelne Keryke oder Eumolpide ist befugt zur Einweihung (//ujy-
atg, ixusTv), niemand hat sonst die Befugnis des ixoetv. Wenn der Hiero-
phant oder Daduch jemanden einweihte, so that er das nicht sowohl
kraft seines Amtes, als vielmehr weil er zu den berechtigten yivrj gehörte.
Dafs ein Hierophant zugleich Staatsbeamter ist, kommt nicht vor.
Für die Kaiserzeit wenigstens, aus der reichlich Notizen zu Gebote
stehen, wird das nicht zufällig sein und man darf schliefsen, dafs der
Hierophant eine Ausnahmestellung gehabt habe. Die aus den Keryken
genommenen Funktionäre hingegen übernahmen auch öffentliche Auf-
träge und Geschäfte. Der Beweis läfst sich, was die Blütezeit Athens
angeht, nur für den Daduchen führen, aus der Kaiserzeit aber giebt es
Belege nicht blofs für den Daduchen, sondern auch für den Hierokeryx
und den Altarpriester. - Mit dem Beginn der Kaiserzeit hat sich die
öffentliche Stellung der Keryken noch glänzender gestaltet, sie erscheint
als eine bevorrechtete, indem die einst unbedeutende, in der Kaiserzeit
aber zu hohem Ansehen gelangte Stelle des xrjpo^ ßauXr^g xac drj/iou
und die in der klassischen Periode nicht nachweisbare, in der Kaiser-
zeit ebenfalls hochansehnliche Stelle des x^jouq zrjg i$ 'Apetou ndyou
ßouXr^Q ausschliefslich mit Angehörigen des Kerykengeschlechts besetzt
wurden.
Eine höchst gründliche Arbeit, durch die unsere Wissenschaft, we-
nigstens in Betreff der Kaiserzeit, einen Schritt vorwärts kommt. Bei
dem Mangel direkter Überlieferung bleibt dem Forscher weiter nichts,
als die Einzelfälle zu betrachten und je nachdem wie sie leiten, sich
eine allgemeine Ansicht zu bilden. So beruht der Nachweis, dafs jene
beiden hochansehnlichen Heroldsämter später Zeit ausschliefslich mit
Keryken besetzt wurden, auf einer blofsen Induktion, die aber bei der
Menge und Zuverlässigkeit der Notizen völlig genügt. Weniger sicher ist
die Induktion, wo es gilt ein Erbrecht nachzuweisen, vermöge dessen
das Mysterienamt auf den Nachfolger übergeht. Was sich ergiebt, ist
das Thatsächliche des Erbgangs, ein Herkommen. Inwieweit dasselbe zu
366 Griechische Sakralaltertümer.
einem formellen Rechte ausgebildet, ob es nicht noch an eine condicio, vgl.
oben S. 363, geknüpft war, läfst sich nicht entnehmen. Für Ausnahme-
fälle, z. B. wenn eine Familie ausstarb, ergab das Herkommen nichts,
und wie die dann eintretende Instanz, etwa der pytliische Gott, das
Problem entschied, darüber ist schwerlich eine Norm aufzustellen. Auch
sonst bleiben Zweifel, die ich vortragen würde, wenn ich den Forschun-
gen des Verfassers das Mafs des Studiums dessen sie würdig sind, jetzt
zuzuwenden imstande wäre.
Aemil. Reisch, De musicis Graecor. certaminibus. Wien 1885.
124 S.
Was wir vor uns haben, ist eine wesentlich auf Inschriften beru-
hende Darstellung des Entwickelungsganges der musischen Agonen Grie-
chenlands, mit der Einschränkung, dafs die Dramatik ausgeschlossen
oder doch nur nebenher berücksichtigt ist. Gegenwärtiger Auszug wird
sich an die Athen betreffenden Partien der Schrift zu halten haben.
Ich ordne ihn so viel als möglich nach den Festen, die zu musischen
Agonen Anlafs gaben, den Panathenäen, Dionysien und Thargelien.
Panathenäen. Wenn Plutarch von dem musischen Agon der
Panathenäen überliefert, es sei derselbe von Perikles gestiftet worden
(eine Überlieferung, die noch heutzutage Vertreter findet — H. Guhrauer
'zur Geschichte der Aulodik' 1879 Waldeuburg in Schi. S. 12), so ist
dagegen nicht blofs mit Bezug auf die einen Teil des Agons bildende
Rhapsodik, sondern in noch weiterem Umfange Einspruch zu thun. Es
gab schon zu Zeiten der Pisistratiden ein Odeion und in diesem älteren
Odeion sind Rhapsoden und Kitharoden aufgetreten. Dafs man die
seit alter Zeit bei den Griechen übliche Kitharodik zu Athen erst in
der Mitte des fünften Jahrhunderts zugelassen habe, ist wenig wahr-
scheinlich; auch die alte Inschrift CI. A. IV p. 40 n. 357 (sechstes Jahr-
hundert) 'Akxtßcog dvdßr^xev xc&apwoug NrjatwzrjQ^ ferner Plutarch Them. 5
führen dahin, dafs Athen schon lange vor Perikles dem Zitherspiel hold
gewesen ist. Ebenso wenig ist die Flöte erst in Perikles Zeit rezipiert
worden, wie Aristot. Pol. VIII 6 S. 227 Bekk. entnehmen läfst. Perikles
hat die Panathenäen-Musik ohne Zweifel sehr gefördert und besser ge-
regelt, aber zuerst eingeführt hat er Zither und Flöte gewifs nicht, ge-
schweige denn den Agon gestiftet. Von Schol. Aristoph. Wölk. 971 wird
abzusehen sein. — Die Vermutung, dafs die ersten Zeilen der unstreitig
panathenäischen Inschrift Rang. 961 = C. I. A. II 2 p. 382 n. 965 a sich
auf Rhapsodik beziehen, wird jetzt auch durch die sehr verwandte
Inschrift aus Oropos Ephemer. 1884 S. 128 n. 5 unterstützt. — Die
Flötensänger, Zitherspieler und Flötner C. I. A. II n. 965a lin. 12 — 22
können nur einzeln auftretende Virtuosen sein, die, ein jeder für sich,
einen Preis gewinnen möchten; mit Unrecht sind Chöre von Flötensän-
gern u. s. w. verstanden worden. (Was die Flötensänger, auXioSol, an-
Athen. 367
geht, so bemerkt auch Guhrauer S. 7, dafs wir nicht an Chöre und Chor-
lieder zu denken haben; abXujoug bezeichne einen Solosänger, den ein
mehr untergeordneter Künstler, ein Aulet, auf seinem Instrument be-
gleitet). — Die Kitharoden (lin. 4) und Auleten (lin. 20) sind ohne
nähere Bestimmung, während sich lin. 12 und 15 dvdpdat aukujodlg und
dvdfjdai xSafjia-caiQ findet; ebenso in der oropischen Inschrift lin. 4 — 7
dvrj[p xt\Bapt(Trri[s] — dvrjp al)X(i)8u{g'\ — abX^zrjg — xcBafJwdög — .
Vielleicht ist ein Gegensatz von ävSpeg und Tiacdsg anzunehmen und sind
rtaidsg abXwdot und naiSeg xc^apcazac vorangegangen. — Die Chöre des
Panathenäenfestes waren weit unbedeutender als die an den Dionysien
und Thargelien vorkommenden. Was die spärlichen Nachrichten an-
geht, so scheint Lys. 21, 2 xai im AtoxXioog llava^r^vatoig rotg fiixpolg
xuxXixü) yopip rptaxoaiag {dpaip-dg dvrjXcuaa) darauf zu führen, es sei
bei den kleinen Panathenäen nur eine Altersklasse aufgetreten; a. 0.
nämlich fehlt die sonst zugefügte Bestimmung des Lebensalters, in wel-
chem die Choreuten standen. (In des Verfassers Darstellung S. 22 f.
vermifst man einen bestimmten Hinweis darauf, dafs die Lys. 21, 2 er-
wähnte Leistung zu dem musischen Agon, wie wir ihn aus CI. A I n. 965 a
kennen, nicht gehört habe. Der in C. I. A. 11 n. 965 a erwähnte Agon
füllte ohne Zweifel einen Tag der grofsen Panathenäen aus und war
durchaus weltlich; ein solches Musikfest hatten die kleinen Panathenäen
— von diesen ist bei Lysias die Rede — nicht. Wenn Chöre wie der
bei Lysias erwähnte, allerdings wohl ebenfalls bei dem grofsen Feste
vorkamen, so kamen sie schwerlich unter der weltlichen Musik des musi-
schen Panathenäentages, sondern von dieser gesondert vor als etwas
mehr Gottesdienstliches.) — Bei dem langen Fortbestehen des Pana-
thenäenfestes mag wohl auch der musische Agon nicht wenige Ände-
rungen erfahren haben. Es fehlt sehr an Zeugnissen. Nach Ephemer.
1862 S. 249 n. 219 hat Nikokles, ohne Zweifel der aus Pausan. I 37, 2
bekannte Kitharode, einen Sieg in seiner Kunstleistung gewonnen, wo-
nach damals, Ende des vierten Jahrhunderts, noch alles beim alten ge-
wesen sein kann. (Es hätte hier nahe gelegen, auf Diog Laert. III 56
oiov Ixeiyoi zizpaat. dpdp.aacv r^yujvt^^uvxo dcovuac'ocg ^Ir^vacocg Ilava&rjvacocg
Xüzpo'.g einzugehen, nach welcher Stelle anzunehmen wäre, das seit dem
IV. Jahrhundert vor Chr. immer mehr Überhand nehmende Techniten-
wesen habe auch die Panathenäen ergriffen, man sei im Verlaufe dahin
gekommen, auch an den Panathenäen Schauspiele zu geben. 0. Lüders
dionys. Künstler S. 110 ist geneigt, Diog. Laert. a. 0. als ein 'Zeugnis'
anzusehen; es könne nicht auffallen, meint er, dafs in späterer Zeit
auch an den Panathenäen scenische Aufführungen stattfanden. Aber es
befremdet doch sehr, die altberühmten Schauspielfeste der Dionysien und
Lenäen mit den Panathenäen und Anthesterien {Xuzpoig), d. h. mit sol-
chen Festen zusammengestellt zu sehen, die höchstens in der Periode des
Verfalls mitunter vielleicht dem Technitentum anheimgefallen sein könn-
368 Griechische Sakrälaltertümer.
ten. Vermutlich hat sich Diogenes Laert. a. 0. geirrt und haben weder
an den Anthesterien noch an den Panathenäen dramatische Vorstellun-
gen stattgefunden. Dahin hat sich auch neuerdings A. Müller Bühnen-
altertümer (1886) S. 309 und 318 ausgesprochen. Wenn ich also in
Übereinstimmung mit diesem besonnenen Forscher Diogenes' Behaup-
tung nach wie vor, s. Heort. S. 140, für irrtümlich halte, so ist mir
doch der a. 0. Note gemachte Versuch zu erklären, wie Diogenes zu
seinem Irrtum gekommen sei, allerdings zweifelhaft geworden.)
Grofse Dionysien. Was die gottesdienstlichen Anlässe Chöre
aufzuführen und Chorsiege zu gewinnen anbetrifft, so sind zunächst die
Dionysien, dann auch die Thargelien zu nennen, da es an diesen Festen
üblich war, den Siegern Dreifüfse zu geben; andere Feste als die bei-
den genannten scheinen die Dreifüfse nicht anzugehen. Der epigraphi-
sche Wortlaut nun lehrt uns nichts darüber, welche Aufschriften sich
mit dionysischen, und welche sich mit thargelischen Siegen beschäftigen.
Da aber die dionysischen Dreifüfse bei dem Heiligtum des Dionysos, die
thargelischen beim Pythion aufgestellt wurden, so gestattet der Fund-
ort eine Mutmafsung. Danach haben wir denn nicht blofs das Monu-
ment des Lysikrates samt seinem choregischen Titel, sondern auch
Ditteuberger Syll. n. 414 und 423 als am Südabhange der Burg gefun-
den den Dionysien anzueignen. Übrigens sind wir nicht überall auf
diesen nicht völlig sicheren Weg gewiesen; von C I. Gr. n. 211 steht es
anderweitig fest, dafs Dionysos' Bezirk der Standort war. (Für diony-
sisch sind auch die in dem grofsen Verzeichnis C I. A. II n. 971 vor-
kommenden Chorsiege zu halten ; sie müssen zum zweiten Mal erwähnt
gewesen sein in Tripodentiteln des dionysischen Bezirks.)
Den Thargelien sind zuzuweisen die choregischen Titel Athe-
näon I S. 159 n. 1-3, dazu C. I. A. n. 421, jene dem älteren Herkom-
men gemäfs formuliert, dieser von freierer Fassung. Die Steine sind
nämlich am rechten Ufer des Ilissos, mithin in der Gegend des Pythion
gefunden worden. - Eine späte Überlieferung lautet dahin, dafs sich,
um einen Thargelienchor aufzustellen, je zwei Phylen vereinigt hätten,
während für die einzelnen Diouysienchöre immer nur eine Phyle thätig
war. Es läfst sich einiges zu Gunsten dieser Überlieferung sagen ; als
wahr dürfte sie indes nicht anzuerkennen sein.
Von den choregischen Titeln — mögen die einzelnen nun dionysisch
oder thargelisch sein — verdienen die, welche dem älteren Herkommen
gemäfs, s. oben S 352, formuliert sind, unsere besondere Aufmerksamkeit.
Ihrer sind etwa 24. Die vorgeschriebene Formel wird befolgt, das amt-
liche Gepräge gewahrt, doch ändert sich die Fassung ein wenig, und diese
Änderungen sind teilweise merkwürdig und bezeichnend. Im V. Jahr-
hundert wird der Dichter oder, nach inschriftlichem Ausdruck, Chorlehrer
genannt, eines Auleten aber nicht gedacht; im IV. Jahrhundert dagegen
findet sich der Aulet fast immer hinzugefügt und zwar so, dafs in der
Athen. 369
ersten Hälfte des genannten Jahrhunderts der Name des Chorlehrers,
in der zweiten der des Auleten vorangeht ; dies entspricht der Kunst-
entvvickelung , anfangs erfand der Dichter die Weise zu seinen Liedern
selbst, im Verlaufe aber machte die Tonkunst Fortschritte, es wurden
Musiker vom Fach zugezogen, die Musik gewann endlich den Vorrang
vor der Dichtkunst; wie nachmals nicht immer neue Schauspiele auf die
Bühne kamen, so wurde den Epigonen auch nicht immer neue Lyrik
geboten, und wenn, was vorgekommen sein wird, zu altbekannten Lie-
dern der Aulet eine neue Weise geschaffen hatte, so gehörte ihm der
Beifall , Gedicht und Dichter traten zurück. - Beachtenswert und bis-
her nicht beachtet ist die Thatsache, dafs wo zwei Phylen sich zur Auf-
stellung eines Chors verbinden, der Chor nicht aus Männern, sondern
aus Knaben besteht. Eine einzelne Phyle war nicht immer imstande,
die erforderliche Anzahl zu stellen. — Man hat vermutet, dafs die Kom-
bination paarweise zu einer Leistung vereinigter Phylen auf einer nach
dem fünften Jahrhundert gesetzlich regulierten Norm beruhe, und zwar
dafs die Verbindung der Phylen 1 und 6, 2 und 4, 3 und 5, 7 und 9,
8 und 10 herkömmlich gewesen sei. Die Hypothese ist schwach be-
gründet und wohl abzulehnen. — Das choregische Fragment Mitteil. HI
S. 250 ist nicht, wie a. 0, geschehen, auf die ältere, sondern auf die
jüngere Formel o Sr^ixos iyop-^yec xzh herzustellen. Die Worte Xapcag
Tjo^B C. L Gr. n. 226 b sind a. 0. S. 240 mit gutem Grunde für fehler-
haft erklärt worden, s. oben S. 352, doch dürfte der Fehler nicht in dem
Namen, sondern in rjpys liegen; auf dem Steine mochten sich Reste des
Wortes TjuXz d. i. Tjuket befinden, aus denen man rjpys machte. (Beide
Vorschläge des Verfassers scheinen beifallswürdig, wie denn die ganze
Arbeit Anerkennung verdient. Die choregischen Titel sind in grofser
Vollständigkeit dargeboten und eine bis ins Kleinste eindringende Kritik
geübt, ohne dafs darüber die allgemeinen Gesichtspunkte vernachlässigt
wären.)
E. Petersen, Zum Erechtheion Mitteil, des deutschen Instituts
X (1885) S. 1-10.
Wir haben zwei Hälften des Baues zu unterscheiden, die westliche
und die östliche; jene liegt neun Fufs tiefer als diese und eine Verbindung
- Thür und Treppen — um von der einen Hälfte in die andere zu
gelangen, gab es nicht. Die höher gelegene Osthälfte ist auch die vor-
nehmere, denn hier hat Pallas ihren Wohnsitz, der als ihr vaog (Pausan.
I 27) bezeichnet wird, während die Weihstätte im Westen, welche dem
Erechtheus gehört, den bescheideneren Namen oUrnw. empfängt (P. 26, 5
iaxi ok xa\ o^xripa 'Epiyd^etüv xo.lobiitvov und hernach SmXouv jap eazc
zo oYxrjiio.). Das 'Haus' des Erechtheus bestand aus zwei ineinander-
gehenden Gemächern, einem Vorgemach und einem Hauptgemach. Aus
dem Vorgemach, CLGr. I p. 279 n. 160 § 6g = C.LA. I n. 322 lin. 71
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. III.) 24
370 Griechische Sakralaltertümer.
rÄ 7:fjo(TTofjL{ac[(jj], gelangte man nordwärts in die nördliche Vorhalle und
südwärts in die südliche Vorhalle (Korenhalle), ostwärts endlich in das
Hauptgemach, die Cella des Poseidon -Erechtheus. Pausanias' 8cnkoüv
bezieht sich also auf das Nebeneinander oder wie man auch sagen kann,
Hintereinander der beiden Gemächer. Übereinander liegende Gemächer
gab es nicht im Hause des Erechtheus; diese Hypothese ist neuerdings
widerlegt worden von Julius u. a.; eine Treppe hoch, im Oberstock, hat
der Altar des Poseidon -Erechtheus nicht gestanden. Die Altäre des
Poseidou- Erechtheus, des Butes, des Hephäst werden sich im Vorge-
mach (Prostomiäon) befunden haben, der Salzwasserbrunnen aber und
das Dreizackmal im Hauptgemach (Cella des Poseidou-Erechtheus). Die
iuschriftliche Benennung des Vorgemachs: Tipoazojxcalov ist als Thüren-
vorplatz verstanden worden. Sie ist vieiraehr auf die Mündung {axu-
jxiov) des Salzwasserbrunnens zu beziehen, der in der Cella zu Tage
trat. Der Siuu ist danach: Gemach vor dem Brunnen. - An der In-
schriftstelle C. I. Gr. u. 160 § 6 werden nach dem inneren -o7j^og aufge-
führt zo~j (seil. Toc^ou) iv TW npoa-ojxtaclu)] — — T^g ncxpaarddog
Toy (seil, roc^ou) npog nhydlpa-og. Der roc^og npög Tüjyd^p.a-og kann
nur die Scheidewand zwischen Erechtheus' Cella und Atheuas Tempel
sein, dieser Wand stand das Bild der Göttin ganz nahe; an die dem
Bilde gegenüber befindliche Thürwand ist also nicht zu denken. Die
dem Bilde gegenüber befindliche Thürwand ist nicht mit tou npug tJj-
yd^ixazog, sondern mit zr^g napaardoog gemeint; napaazdg Wandvorsprung
zur Seite der Thür kann auch Thürwand bedeuten. Wie kommt es nun,
dafs die drei Querwände nicht nach örtlicher Nähe folgen? Der Grund
liegt in dem Umstände, dafs die Cella mit dem Athenatempel nicht
durch Treppe und Thür verbunden war; nach Besichtigung der Gemä-
cher des Erechtheus mufste ins Freie getreten werden um dann von
Osten her in den Athenatempel zu gelangen. Der Besichtigung folgte
die Aufzählung. - Nach der Inschrift § 7 sv -^ npoardast r^ nphg roö
d^upwp.arog zuv ßaijxov zoü [^yj^y^oy ä&szuv hat sich in der nördlichen
Vorhalle der Altar des Thyechos d. h. des unblutig opfernden Priesters
befunden. Nun aber überliefert Pausanias I 26, 5 diesen Opferbrauch
für Zeus Hypatos , dessen Altar am Eingang in das Erechtheion stand.
Es ist also der Altar, welchen der Thyechos bediente, wahrscheinlich
identisch mit dem Altare des Zeus Hypatos. Wenn von letzterem a. 0.
gesagt wird npb 8k zrjg eloöSou (vor dem Eingang ins Erechtheion)
dc6g icTzc ßw[ibg 'TnaTou iv&a ifK^'u^ov &uouatv ouSdv xzX., so dürfen
wir den Altar nicht irgendwo aufserhalb ansetzen vor den Eingang in
irgendwelche Prostasis , sondern es ist der Eingang iu die Räume des
Erechtheus selbst, vor dem sich der Altar befand. Ein in der nörd-
lichen Prostasis, nicht vor ihr, erbauter Altar entspricht also der Dar-
stellung a. 0. Pausanias hat dann den nördlichen — auch wohl von
ihm benutzten Eingang einfach als ' deu Eingang ' bezeichnet, was eben-
Athen. 371
falls angemessen, da der nördliche Eingang der Haupteingang iu das
Erechtheion ist. (Der Verfasser bemerkt, dafs Bursian Geogr. I 317 zu
ähnlichen Ergebnissen gelangt sei. Eine derartige Einstimmung unab-
hängiger Forscher wird auch den, der noch zweifeln möchte, aufmerk-
sam machen und zu einer Prüfung veranlassen, die, wie ich glaube, da-
hin führen wird, den Ergebnissen Bursians und Petersens beizutreten.)
C. Robert, Athena Skiras und die Skirophorien. Hermes XX
(1885) S. 349-379.
^xifjdg ist auf ampog Kalkstein zurückzuführen, Athena Skiras
also eine Göttin des Kalksteinbodens. Bei dieser Bedeutung haben wir,
meint der Verfasser, stehen zu bleiben und nicht in Athena Skiras eine Be-
schützerin des Ölbaues (alte Hypothese) zu erbliken. ^xipdq^ ehemaliger
Name von Salamis, besagt weiter nichts als Kalksteininsel. Auch axTpov
'steiniges, von wildbewachsenen Bäumen bestandenes Land' ist aus den
Tab. Heracl. C. I. Gr. 5779 heranzuziehen.
Nach älterer (megarischer) Sage stammt der Skiraskult zu Phale-
ron aus Salamis, Skiron oder Skiros, König von Megara und Salamis
hatte ihn gestiftet. In der jüngeren (attischen) Sage finden wir den
König von Megara und Salamis umgewandelt; Skiros, Epouymos des
Vorortes Skiron am Kephissos, ein aus Eleusis gekommener Seher, ist
Urheber des phalerischen Filialdienstes. Noch weiter zurückgedrängt
ist der salamiuische Ursprung in der attischen Variante, die statt des
Skiros den Theseus nennt. Der einstmalige Zusammenhang des phale-
rischen Kults mit Salamis ist dennoch offenbar; es mufs zu Phaleron
auch einen Altar des salaminischen Menestheus gegeben haben, indem
Pausan. I 1, 4 mißcov zwv (^jiszu^ Orjaioj^ zu schreiben ist.
Die am 12. Skirophorion von der Burg nach dem Vororte gehende
Schirmprozession hat dem Grabe des Sehers Skiros gegolten ; mit Athena
Skiras hat sie nichts zu thun, einen Tempel dieser Göttin gab es im
Vororte Skiron nicht. Hätte es dort einen Tempel der Athena Skiras
gegeben, so würden Pausanias I 36, 3 u. a. ihn erwähnen. Pollux IX 96
(Würfelspiel im Skirastempel des Vororts) und andere Belegstellen be-
ruhen, wie Fresenius bewiesen, auf dem in der Benutzung griechischer
Quellen unzuverlässigen Sueton r.zp\ muoiujv. Die Schirmprozession, ge-
führt von der Priesterin der Athena Polias, der sich zwei Priester an-
schlössen, fand im Dienste der Polias, nicht in dem der Skiras statt;
von dieser und einem Heiligtum der Athena Skiras als dem Prozessious-
ziel verlautet nichts, nur Schol. Arist. Ekkl. 18 nennt die Schirmpro-
zession ein Fest der Skiras Athena. Aber dies Scholion verdient keinen
Glauben. Steph. Byz. v. axlpo^ und Schol. Arist. Thesm. 834 ergeben
durch Kombination und durch Ausfüllung der mutmafslichen Lücken die
unverdorbene Üb erlieferung wie folgt: r« ok Ixtpa (^Ixipoipopmvoq tß\
Zxtpa os) Hysot^a'! (paac rcvsg <(oi«) rd ycvo/isva cepd iv t^ kopzfj zaürr^
' 24* '
372 Griechische Sakralaltertümer.
(bei dem Skira-Fest) JrjprjZpt xal K6py], (d. axipa xixlr^zixty- ol 8s, ort
inl Ixcpo) SüBrat 'A&rjvrjac. Der Scholiast Arist. Ekkl. 18 mufs im
Zxtpw zfj 'ABr^va vor sich gehabt und aus dieser unrichtigen Fassung
seine Behauptung : Sxipa kopzrj iarc rrj^ ^xtpdSog ABrjväg geschmiedet
haben. Eine Stätte der Athena Skiras hat der Vorort also nicht auf-
zuweisen gehabt.
Die unverdorbene Überlieferung ergab also demetreische Skira, die
nicht im Pyanepsion als ein Tag des Thesmophorienfestes, sondern als
eigenes Fest am 12. Skirophorion begangen wurden. Skira oder Skiro-
phoria als eigenes Demeterfest finden Anhalt an dem von E. Rohde
publizierten Lukianscholion, in welchem wir drei Feste geschildert finden :
Thesraophorien , Skiropliorieu und Arrhetophorieu. Was der Scholiast
von dem Schweinehirten Eubuleus und dessen zugleich mit Köre in die
unteren Regionen gesunkenen Schweinen, und von dem darauf anspie-
lenden Brauch, Schweine in die tiefen Wohastätten (ra piyapa) hinab-
zuwerfen, erzählt, haben wir zu beziehen auf die Thesmophorien des
Pyanepsion. Die Schöpfweiber [al dv-Xrjzpiat , nicht, wie der Verfasser
schreibt dvzXijptat) und das Schöpfen und Heraufholen der verwesten
Reste, die der Saat zugemisclit werden sollen um den Kornertrag zu
mehren, haben wir auf die demetreischen Skirophorien des 12. Skiro-
phorion zu beziehen, das Backwerk in Gestalt von Schlaugen und Phal-
len endlich auf das dem Herumtragen des mystischen Backwerks gel-
tende Fest der Arrhetophorieu (die der Verfasser mit den Arrhephorien
des Skirophorion zu identifizieren geneigt scheint, S. 372).
Von den demetreischen Zeremonien also, die am 12. Skirophorion
im städtischen Thesmophorion geübt wurden, ist wohl zu unterscheiden
das am selbigen Tage gebrachte Totenopfer für Skiros, tj im Zxcpaj
leponoua (Strabo). Im Vororte Skiron war der eleusinische Seher
Skiros erschlagen worden, was Sühne verlangte. Das für ihn darge-
brachte Opfer sollte zugleich die Aussöhnung mit Eleusis darstellen,
die darauf hinauskam, dafs Athena jetzt ihr agrarisches Amt der De-
meter abtrat. Daher die Beteiligung der Burgpriesterschaft an der
Prozession.
E. Rohde, Uxcpa, im JJxc'pcp leponoua Hermes XXI (1886)
S. 116—125.
Was Schol. Aristoph. Thesm. 834 angeht, so tritt Rohde der Robert-
scheu Herstellung insoweit bei, als vermöge derselben iv z^ iopz^ zauzjj
auf die Skira, nicht auf die Thesmophorien geht. Dafs die Skira nicht
einen Teil der Thesmophorien bildeten, sondern ein selbstäudiges Fest
waren, glaubt er bestätigen zu können durch die von Robert über-
sehene Inschrift C. I. A. II n. 573b. Weiterhin wird gezeigt, dafs inl
^xtpip nicht auf eine Person geht 'für den Skiros', soudern in lokalem
Sinne zu uehmeu ist 'an dem Orte Skiron'. Die Mehrzahl der Zeug-
Athen. 373
nisse ergiebt aufs Klarste diesen Sinn, und gestatten thun den lokalen
Sinn alle Zeugnisse. Wie Robert in diesem Punkte Unrecht hat, so ist
auch sein Bemühen, der Athena das Opfer des Vorortes abzusprechen,
nicht berechtigt. Die Frage, wem man in] ^xip(i} 'im Vororte Skiron'
opferte, wird von allen Zeugen dahin beantwortet, dafs das Opfer der
Athena gegolten habe. Der Schlufs der Robertschen Herstellung des
Schol. Arist Thesm. 834 im Hxcfjw ßüszac 'AßrjMrjat statt zfj 'ABr]vä ver™
dient keinen Beifall. Die von Robert verdächtigten Belegstellen sind
nicht alle über einen Leisten zu schlagen; Eustathios mag aus Sueton
mpt r.atSiwv geschöpft haben, dafs aber Pollux IX 96 u. a. ihre Angaben
demselbigen Autor entlehnten, ist keineswegs erwiesen. Hinzuzufügen
ist Phot. V. Zxi'pov TOTTog 'Aßr^vr^mv i^' oh ol /j.dvzscg ixrx&iZovzo . xa\
Ixifjddog Af^Tji'äg hpüv xal tj ioprrj Zxtpa . ourw 0ep£xpdzrjQ. Robert
hat diese Stelle nur bis ixa&iO^vzo zitiert. Sie reiht Namen lose anein-
ander, aber der Urheber der Aneinanderreihung wird gemeint haben,
dafs in Skiron ein Tempel der Skiras bestand und dafs man dieser
Göttin das Skira-Fest beging. — Auf das Stillschweigen des Pausanias
I 36, 3 legt Robert selbst wenig Gewicht, doch auch die übrigen argu-
menta ex silentio, welche er geltend macht, sind schwach. Und zur Be-
seitigung der positiven Angaben über einen Skirastempel im Vorort be-
dürfte es doch gerade starker Argumente. — Auf Grund des Lukian-
Scholions kann nicht mit Robert gesagt werden, das Heraufholen der
verwesten Überreste sei eine Zeremonie der Skira oder Skirophoria.
Wann die Schöpfweiber thätig waren, ob ihr Herausschöpfen der Über-
reste an einer selbständigen, eigens benannten iopzrj geschah, darüber
sagt der Scholiast nichts ; die Thätigkeit der Schöpfweiber erscheint bei
ihm als ein unselbständiger Akt, als blofse Fortsetzung des au den
Thesmophorien geübten Hinabwerfens von Tieropfern. Das Heraus-
schöpfen der Überreste hat aber nicht blofs nicht zu den Thesmopho-
rien, sondern auch nicht zu den Skirophorien gehört, weil ja die an
den Thesmophorien ausgeführten /luazT^pca auch axipofupia genannt
werden. Überhaupt giebt die Darstellung des Scholiasten — wunder-
lich, wenig geordnet und abspringend, wie sie ist — keineswegs die
bestimmte Anleitung, welche Robert entnimmt. — Nebenher (in einer
Note zu S. 123) giebt der Verfasser noch 'zu bedenken, ob nicht die
ö-aTTcV-a zü)v ijxßhjfHvzujv, welche von Gläubigen mit der Saat vermischt
wurden, eher zur Zeit der Aussaat als gerade an den Skirophorien,
mitten im Sommer, heraufgeholt sein möchten '.
Ich mufs mich im allgemeinen für Rohdes Ansichten entscheiden.
Den Zeugnissen gegenüber kann das Vorhandensein eines Skiras-Heilig-
tums in Skiron nicht geleugnet werden. — Besondere Aufmerksamkeit
dürfte das von Rohde nebenher in der Note S. 123 Bemerkte verdienen.
Die Bereitung jenes saatfördernden Geheimmittels ward begonnen durch
374 Griechische Sakralaltertümer.
das Hinabwerfen der Tieropfer und die Tieropfer wurden nach Clemens
Protr. II 17 S. 14 Pott am Thesraophorienfeste (Monat Pyanepsion)
hinabgeworfen. Pyanepsion ist Saatnionat, nach Plutarch. Dafs die
Überreste acht Monate in den iieydpotg blieben, erst im hohen Sommer
ans Licht kamen, ein ganzes Jahr nach dem Hinab werfen zur Anwen-
dung gelangten (Roberts Ansicht), ist eine unnatürliche Vorstellung.
Des Geheimmittels wird man sich vielmehr gleich in der mit Pyanepsion
anhebenden Saatzeit bedient haben. Damit kommen wir aber wieder
den Thesmophorien nahe. - Für die ältere Deutung der Athena Skiras
als Olivengöttin giebt es allerdings keine zwingenden Beweise; vergl.
Lolling (Mitteil. I S. 130). Aber bestimmte Gegengründe haben Lolling
und Robert nicht beigebracht, daher denn die ältere Deutung als die
sachgemäfseste festzuhalten sein dürfte.
zl. OiXtog, 'EXsumvtaxä dvdylufa. 'E^rj/ieplg dp^atoXoytxi] 1886
S. 19 - 32, Dazu Tafel 3.
Von den beiden unter No. 1 und 2 abgebildeten Reliefs, die im
Oktober 1885 bei den Ausgrabungen in Eleusis ans Licht gekommen
sind, stellt No. 1 zwei Lektisternien, eins neben dem andern, dar. Die
erste Figur steht, eine Kanne in der Hand, bei einem grofsen Misch-
gefäfs, ein Mundschenk, der die Tafelnden zu bedienen hat. Dann ein
gedeckter Tisch an dem zwei Frauen sitzen, vermutlich Persephone und
Demeter ; die eine (Demeter) hebt die Rechte über der anderen Haupt,
einen Kranz oder eine Schale haltend. Auf dies Lektisternium folgt
ein zweites, die Tischgenossen sind eine Frau und ein Mann, den Bei-
schriften &sa und Bew zufolge eine Göttin (Persephone) und ein Gott
(Pluton). Unter dem Ganzen : Aömpayjdrjg dvsßrjxe. Da im städtischen
Plutonsdienste Lektisternien stattgefunden haben, (C.I.A. II n. 948 sqq.)
und die durch beigeschriebenes Öea und &sw erläuterte Darstellung
offenbar ein plutonisches Lektisternium ist, so esheJlt, dafs dieser Brauch
nicht blofs in der Stadt, sondern auch in Eleusis herkömmlich war. Die
Wechsel im Leben der Persephone, die ein Drittel des Jahres in der
Unterwelt, die übrige Zeit in den lichten Wohnungen der Olympier zu-
bringt, sind mit den beiden Bildern des eleusinischen Reliefs No. 1 er-
schöpft; das erste zeigt uns Demeter, die sich des lenzlichen Aufstieges
ihres Kindes freut und es bei sich bewirtet; das zweite Bild zeigt uns
wiederum das Kind der Demeter, jedoch als Göttin der Unterwelt an
der Seite ihres Gemahls, zu dem sie im Herbste hinabgestiegen ist.
Pluton ist in dieser Darstellung nicht der schlimme Räuber, der Demeter
betrübt hat, sondern alles ist hier friedlich und freundlich; das der
Satzung Hymn. 463 ff. Gemäfse stellt sich dar und erweckt ein gewisses
Behagen.
Anderen Sinnes ist das Relief No. 2; es stellt den wilden Gott der
Unterwelt und die von ihm geraubte Köre dar, der herbe Gesichtsaus-
Athen. 375
druck, die abgewendeten Blicke lehren, dafs noch kein Einverständnis
hergestellt ist. Über den Figuren liest man, dafs [Lakrateides Sostratos'
Sohn aus Ikaria] Priester des Gottes und der Göttin und des Eubuleus
das Bildwerk aufgestellt haben. Etwas tiefer verschiedene Beischriften:
IJXoÜt(uv — TpcTZTo^slfioQ] — Bsd — Aaxpa~et[dT^g] ZojaTpdr[ou\ Ixa-
pieöq. Von den bezüglichen Figuren ist der Kopf des Pluton und der
Kopf der 'Göttin' (Persephone) erhalten, dagegen die Figur des Trip-
tolemos und die des Lakrateides (Isäos I 9) verloren. Auch andere,
durch ßeischrifteu uns nicht angedeutete Figuren mögen verloren sein.
Die beiden Reliefs sind gefunden in der Erdschicht, welche die
Fundamente eines kleinen Tempels deckte bei dem zerklüfteten Felsen,
dessen Spitze eine Panagienkapelle einnimmt, westlich von den kleinen
Propyläen. Vgl. Bulletin IX p. 66 und Tafel I (Plan). Die Fundamente
sind vielleicht Überreste jenes Plutonstempels, von dem die eleusinische
Inschrift Arch. Kephisophon redet. Die Zerklüftungen des Felsens dort
mochten für Pforten der Unterwelt gelten, durch welche Köre hinabstieg
und auch alljährlich wieder emporstieg.
Philios, dessen Darlegung im Obigen epitomiert ist, bezieht das
erste Lektisternium (Demeter und Persephone) auf die Wiedervereini-
gung von Mutter und Tochter im Lenz. Einer anderen Jahreszeit ge-
hört nach ihm das zweite Lektisternium an; es bezieht sich auf den
Anfang des Winters, die Zeit wo Persephone alljährlich hinabsteigt.
Da der Gegenstand, den die eine Tischgenossin über der anderen Kopf
hält, nicht sicher erkennbar (Philios hält ihn für eine ipiäXri)^ der Sinn
dieser Handlung unklar ist, so wäre doch auch zu erwägen, ob wir
nicht einen Abschied der Mutter von der Tochter vor uns haben, so
dafs beide Lektisternien derselben Jahreszeit angehören. — Soll Köre
die vier winterlichen Monate hindurch in der Unterwelt bleiben, so
mufs ihre Wiedervereinigung mit Pluton vor Poseideon stattfinden und
danach ist das der Wiedervereinigung geltende Fest der Haloen in der
Zeit vor Poseideon zu vermuten. Aber die für die Haloen überlieferte
Zeit ist Poseideon (Harpokr. p. 13 Bekk.). Diese Schwierigkeit ist viel-
leicht durch die populären Haloen zu lösen. Es gab neben dem eleusi-
nischen Hochfest auch Haloen aufserhalb Eleusis. Populäre Feste dieses
Namens, bei denen es auf geselliges Vergnügen abgesehen war, beging
man in Kollytos und wohl auch an anderen Orten. Es werden sich die-
selben dem eleusinischen Hochfeste zwanglos angeschlossen haben und
zwar werden sie nach dem Hochfeste stattgefunden haben, vermutlich
im Poseideon, wie ja auch die zwanglosen Ortsfeste des Bakchos (länd-
liche Dionysien) diesem Monat angehören.
0. Band, Das attische Demeter-Kore-Fest der Epikleidia. Bei-
lage zum Programm der Margarethenschule. Berlin 1887. 31 S.
Gegenstand der Untersuchung, deren erste, als Vorarbeit anzu-
376 Griechische Sakrälaltertümer.
sehende Hälfte der Verfasser iu dem Programm publiziert, ist C I. Gr.
n. 523 = C. I. A. III ü. 77, besonders lin. 1 - 3. N. 523 ist ein Opfer-
verzeichnis; es kommen teils Substantive (nunai^uv vaarog), teils Adjek-
tive (ow§exuv<paXog ^ocvixaTos vr^ifäXiog up&övifaXog) und Partizipien (xa-
BijixBvog iniTitTiXaaixivog) vor, um die Sorte der darzubringenden Fladen
anzugeben. Das veraulafst den Verfasser zu pemmatologischeu Studien.
Es bilden dieselben das I. Kapitel, dessen Inhalt sich etwa so zusam-
menfassen läfst.
niXavoc werden allen Göttern dargebracht, TiÖTtava ebenfalls. Letz-
tere können auch Voropfer sein, sind aber iu n. 523 die Opfer selbst.
Sie zerfallen in zwei Klassen, die ujxfaXwzd und die TtXaria. Die
Klasse der diifcxXojrd hat drei Spezies nzaoiKpaka, TioÄo6iJ.<paXa^ kmne-
rJaoiiiva. Für die erste Spezies ist erforderlich, dafs sich ein Nabel
in der Mitte befindet, und zunächst hat man solche nonava zu ver-
stehen, die überhaupt nur diesen einzigen Nabel haben; im weiteren
Sinne werden jedoch auch diejenigen den Namen iJ.ea6ix<paXa geführt
haben , auf welchen mehrere ojj.<paAot um einen mittleren herum ange-
bracht waren. Unsere Inschrift bietet keine ixEaoixtpaXa, allein sie wer-
den ersetzt durch die häufig vorkommenden ufjMv<paka, welche als eine
Unterart der ixeoüp-^aXa zu betrachten sind; es hatte nämlich allerdings
wohl nicht jedes iieaoiKpaXov einen hochaufstehenden {dp&6g) Nabel und
war /xsao/x^aXog der umfassendere Begriff, aber in der Mitte mufs der
dp&bg opfaXog sich befunden haben, so dafs der Spezies iisaufi<paXa die
dpbovfala als Subspezies zuzuweisen sind. Wir finden lin. 10 der In-
schrift op^6v(pa\o\> ohne nähere Bestimmung, unzweifelhaft in dem Sinne
eines durch einen einzigen Nabel in der Mitte verzierten Gebäcks, und
mehrmals mit zugefügtem dcuoexav^aXog, entsprechend dem /leaüfi^aXog
im weiteren Sinne, wo der Mittelnabel von mehreren Näbelchen um-
ringt ist. In n. 523 kommt nonavov upi^üvfaXov wiederholt vor, sonst
ist das Wort dp&uvipaXov nirgends anzutreffen; doch kann man sagen,
dafs das im Totendienst herkömmliche Opferbrot, dpi^oazdzrjg (Eurip.
Helen. 547) genannt, ziemlich dasselbe wie nvrMvov opb6v<paXov gewesen
sein müsse. Für das mit nicht mehr als einem Nabel versehene ndna-
vov liefse sich die Benennung jxov6p<paXov erwarten; aber es ist diese
Benennung nicht nachweisbar; was sollte sie auch? da man ja schon
bezeichnende Namen genug hatte. — Die zweite Spezies ist die der
Tiunava ■noXuöp<paXa. Zu ihr gehört das häufig auf der Inschrift vor-
kommende n. o<uoex6v<paX(Jv. Unter dem xaf^/jpevov ouiozxövipaXov haben
wir uns ein Popanon zu denken, dessen flachen Mittelraum zwölf oinpa-
Xot umrandeten. Das dp&öv^aXov SwSexov^aXov könnte auch der ersten
Spezies angeeignet werden. — Die dritte Spezies bilden die nönrxva km-
Ti£7tXaajxiva ' mit Aufgufs' , vermutlich = im^uroc. — Beispiele zu dieser
Pemmatologie, die sich aus kunstarchäologischen Werken nachweisen
lassen.
Athen. 377
Kapitel II bezieht sich auf den Anfang der Inschrift: Msraytz-
vtajvog d^saeg ß . . . \ rou z/jg navzsXzcag rronavov [dwosxöv] \ ^aXov
^otvixiacov te\ vrjipöMov und verweilt zunächst bei iiu. 1 ßsacg; die Mehr-
heit weiblicher, jedenfalls zusammengehöriger Gottheiten habe mau auf
Demeter und Köre zu deuten; dahin führe auch die Nüchternheit des
Dargebrachten, lin. 3 vr^^dhov. Um dann die Frage zu beantworten,
welche Sorge es gewesen, die den attischen Landmann um den 15. Me-
tagitnion beschäftigte, dafs er meinte den beiden Göttinnen an dem ge-
nannten Tage opferii zu müssen, wird auf Landbau und Demeterdienst
in ihren Wechselbeziehungen eingegangen. Auch diese Erörterung, wel-
cher der übrige Teil des Programms von S. 14 an gewidmet ist, will
nur vorbereiten; das Endergebnifs für n 523 lin. 1 und 2 erfahren wir
nicht; nach dem Titel scheint es, dafs der Verfasser den Bräuchen des
15. Metag. den Namen Epikleidia (vergl. 0. Band de Dipolior. sacro
p. 39) zu vindizieren gedenkt. Ich gebe nun eine Skizze dieser zweiten
Vorstudie.
Demeterfrüchte — lehrt der Verfasser - sind die Getreidearton,
doch gehen Demeter auch andere Erträge au, Hülsenfrüchte und Ge-
müse, auch Mohn, die gyjpd überhaupt, während die xapnol uypoc dem
Dionysos gedankt werden. Li einem Orakel bedeutet Arj/x/jzrjp das Korn,
welches man einstreut und erntet. Als Geberin der ßrotfrüchte erhält
sie teils allgemeine Beiwörter wie (fspeaßcug nAouzooozsipa, teils solche
die näher auf Cerealien hinweisen, l\z(v (Sicilien) iptkönopog und dergl.
Nebenher bemerkenswert das thessalische Demeterheiligtura der Weizen-
stadt Pyrasos ; oriai (Kreta) = xpSai\ also ärjixrjzrjp Gerstenmutter, Korn-
mutter. — Andere Epitheta beziehen sich auf bäuerliche Thätigkeiten,
eTiöypiug Göttin der Furchen oder der Schwaden, Ttpor^podca und viele
ähnliche. Triptolemos der Dreimalpfiüger, Trisaules der Dreimalfur-
cher; Disaules, nicht Dysaules. — Feste, die sich dem jährlichen Gang
der Bodenbestellung anschliefsen, Proerosien, Haloen u. a. m. - Attri-
bute der Demeter auf Bildwerken. Demeter schafft das Grün der
Viehweiden, daher auch die Viehzucht zu ihrem Bereiche gehört; dazu
die Bienenzucht (weil sie den Bienen duftige Kräuter spriefsen läfst).
— AZrjaia dörrend und zeitigend, xaüazcg und verwandte Epitheta wer-
den der Demeter als einer Göttin der Witterung und der Jahreszeit
mehr vom meteorologischen Gesichtspunkte beigelegt.
Aus diesen Andeutungen werden unsere Leser ersehen haben, dafs
des Verfassers Vorstudien die Erfordernisse eines Apparats zur Erklä-
rung und Ergänzung der attischen Inschrift n. 523 weit überschreiten.
Dies ist an und für sich kein Tadel — bieten doch die umfangreichen
Sammlungen dem Mitforscher so manches Literessante, aber unter der
Heranziehung von Ding(>n, die ferner liegen, hat die für die Inschrift
gebotene Bezugnahme auf Attisches offenbar gelitten. Besonders die
attischen Inschriften sind nicht ausreichend benutzt. Movuv<paXa tindet
378 Griechische Sakralaltertümer.
sich in einer Aufschrift, Mitteil, des deutschen Instit. II S. 249; vergl.
Bulletin de corr. hell. VII S. 68. Die Haloen belegt Verfasser aus
Autoren, epigraphische Zeugnisse fehlen; auf einer der in Eleusis ge-
fundenen Inschriften kommt aufser 'A?Ma auch rr^v äXoj rrjv cepdv (Ephe-
mer. 1883 S. 121 lin. 20) vor. — Da es unsicher ist, C. I. Gr. n. 523
lin. 1 ß[aac/.ecatg], vgl. Aristoph. Frösche 383 f. ttjv xapno^öpov ßoaiXetav
AijiirjTpa Bedv und C. I. Gr. n. 2415 TzajißamXBta &£ä TzoXuätvuiie Koöpa,
zu ergänzen und die Herstellung auf irgend ein anderes Epitheton eben-
falls unsicher wäre, so haben wir auch mit der Möglichkeit zu rechnen,
dafs die Empfängerinnen des Opfers blofs durch das eine Wort l^ea^g
bezeichnet werden. Um diese Möglichkeit zu prüfen ist der inschrift-
liche Sprachgebrauch heranzuziehen. C.I. A. II n. 315 ist [Ta\cg [B]£a[c]g
gesagt statt ro7v &eo7v, da Demeter und Köre gemeint sind. Das Or-
geonendekret a. 0. n. 622, in welchem 'die beiden Attisfeste' vorkommen
und von den Göttinnen {rag dsdg) die Rede ist, dürfte für die Erklä-
rung von C. I. Gr. n. 523 weniger mafsgebend sein. Dafs n. 523 lin. 1
&aaTg ohne Artikel steht, kann man auf die kurze Ausdrucksweise sol-
cher Verzeichnisse schieben; so findet sich statt des sonst üblichen to7v
BeoTv in dem Opferverzeichnis C.I. A. I u. 5 blofs 6*£o?w. Die Annahme des
Verfassers, dafs C.I. Gr. n. 523 lin. 1 Demeter und Köre gemeint seien,
mag also, obschon sie nicht gerade zwingend ist, doch wohl das Wahre
treffen.
I
Jahresbericht
über die griechische Epigraphik für 1883 — 1887.
Von
Dr. Wilhelm Larfeld,
Überlehrer in Remscheid.
Erster Teil.
Die folgende Zusammenstellung deckt nicht ganz den Zeitraum des
seit dem Erscheinen von Röhls Jahresbericht für 1878 — 1882 verflossenen
Lustrums, da einerseits ein Teil der Publikationen des Jahres 1883 noch
von Röhl benutzt werden konnte, andrerseits ein nicht unbedeutender
Rest der Litteratur von 1887, um das Erscheinen dieser Blätter nicht
ungebührlich zu verzögern, der späteren Fortsetzung derselben vorbe-
halten werden mufste. Seit Röhls Bericht hat die griechische Epigraphik
auf allen Gebieten eine derartige Bereicherung erfahren, dafs dem jetzigen
Berichterstatter Kürze die oberste Norm bei Behandlung des weitschich-
tigen Materials sein zu müssen schien, insofern nur immer der Zweck
dieser Blätter, als handliches Nachschlagebuch der vorläufigen Orientie-
rung zu dienen, dadurch nicht in Frage gestellt werden würde. Vor
allem will der vorliegende Bericht nicht einen Auszug aus den um-
fassenden und leicht zugänglichen Sammelwerken bieten, in denen das
epigraphische Material ohnehin schon übersichtlich geordnet zusammen-
gestellt ist, wie namentlich den Publikationen der Berliner und Peters-
burger Akademie, des Britischen Museums u. a. ; vielmehr möchte er
zuverlässige Wegweiserdienste leisten durch die mannigfach zersprengte
Litteratur und einen bequemen Überblick über das für die verschieden-
artigsten Studien in betracht kommende Material auch dem ferner Stehen-
den ermöglichen. Ausgeschlossen von der Besprechung sind daher zu-
nächst alle in den genannten Sammlungen neu veröffentlichten Urkunden.
Was von epigraphischem Material aus anderweitigen Publikationen in
dieselben übergegangen und somit leichter erreichbar geworden ist, ist
kurz verzeichnet worden. Weiterhin konnte eine Aufzählung der in den
vielen kleineren Sammelschriften angehäuften zahllosen Varianten, berich-
380 Griechische Epigraphik.
tigten Lesarten., Ergänzungsversuche u. s. w. unmöglich in den Rahmen
der Behandlung fallen, wofern letzterer nicht völlig gesprengt werden
sollte Gleichwohl ist aus den Schriften geringeren Umfangs (Programm-
abhandlungen, Dissertationen u. a.) manches verzeichnet worden, was
sonst voraussichtlich bald der Vergessenheit anheimgefallen wäre. Was
sich den Gebieten der Sprachkunde, Archäologie, Chronologie u. s. w.
überweisen liefs, ist meist nur kurz registriert, oft ganz übergangen
worden, zumal hier die Mahnung, nicht in ein fremdes Amt zu greifen,
zu beherzigen war. Als nicht in das Gebiet der Behandlung fallend
sind alle Inschriften nicht-griechischen Idioms ausgeschieden worden;
so die nicht wenig zahlreichen Denkmäler keltischer Herkunft, die lem-
nisch-tyrrlienischen Inschriften, an die sich bereits eine Litteratur knüpft,
die zahlreichen von Benndorf und Niemann mitgeteilten lykischeu In-
schriften epichorischen Alphabets u. s. w. Vasen, Henkelinschriften u. dergl.
waren prinzipiell ausgeschlossen ; bisweilen ist auf einen besonders inter-
essanten Fund kurz hingewiesen worden. — Wenn im übrigen bei der
Aufführung eines so umfangreichen Mosaikgebäudes hier und da ein
Stück versprengten Materials, dessen Herbeischaffung vielleicht sauern
Schweifs kostete, unbeachtet und ungewertet geblieben ist, so werden
diejenigen am wenigsten mit dem, der es errichtet, rechten wollen, denen
die Masse des von allen Seiten zugetragenen Materials und die unge-
heure Ausdehnung des Bauplatzes nicht unbekannt ist.
Aufser den gebräuchlicheren Abkürzungen habe ich namentlich
folgende angewandt: BGH = Bulletin de correspondance hellenique,
HD = Bechtel, Inschr. ionischen Dialekts, KE0I = '0 iv Kujvazavu-
\>oorLÖlc.i ' EXXrjviüog (pdoXoyixhg (TÜUoyog, TTapdpTrjfxa des betreffenden
Bandes, MD AI = Mitteil, des deutsch, archäol. Instit. in Athen, Röhl I.
II = Röhls Jahresbericht, Bursian-Müller X 1882 Bd. 32 S. 1-154 und
XI 1883 Bd. 36 S. 1- 153, SGDI = Collitz, Sammlung der griech. Dia-
lektinschriften, SIB = Larfeld, Sylloge inscriptionum Boeoticarum, SIG
= Dittenberger, Sylloge inscriptionum Graecarum.
1. Allgemeines.
Seit Erscheinen der jetzt völlig antiquierten »Elementa epigra-
phices Graecae« von Franz (Berlin 1840) hat die griechische Epigra-
phik einen neuen Bearbeiter nicht gefunden. Nur hin und wieder wur-
den mehr oder minder gelungene Anläufe gemacht, das eine oder andere
Feld des weiten Gebietes neu zu bebauen. Um so freudiger mufs es
begrüfst werden, dafs ein französischer und ein deutscher Gelehrter in
edlem Wettstreit nahezu gleichzeitig sich der schwierigen Aufgabe unter-
zogen haben, das ins Ungeheure angewachsene Inschriftenmaterial einer
neuen Gesamtdarstellung zu unterziehen. — Nach einer Vorarbeit von
Reinach, Manuel de philologie classique. Zwei Bände. Paris 1883.
I. Allgpoioines. 381
1884. Bd. I: fipigraphie, paleographie , critique des textes — erschien
desselben Verfassers Werk:
Reinacli, Traite d'epigraphie grecque, precede d'un essai sur les
inscriptious grecques par C T. Newton, traduit avec l'autorisation de
Tanteur, augmente de notes et de textes epigraphiques choisis. Paris
1885. XLIV, 560 S. gr. 8. 20 Fr. — Rez.: Meister, Berl. philol. Wochen-
schr. 1886 n. 6 Sp. 165-172. Mowat, Bnlletin epigr. n. 6 S. 327—329.
Laconr-Gayet, Revue de Tinstruction publique en Belgique S. 117 119.
J. Taylor, Academy n. 735 Sp. 400. Merriam, American Journal of
archaeology S. 70-75. 'Eßoo/idg n. 112 S. 191. Athenaeum n. 3070
S. 278. Pais, Giornale di filol. class. S. 305 — 307. E. A. G., Journal
of hellenic studies VIII 1887 S. 306-308. — Inhalt: Einleitung mit
praktischen Winken für den Epigraphiker:^) Reisevorbereitungen, Anlage
eines Taschenbuchs mit Notizen über das schon publizierte Material der
zu durchforschenden Gebiete, Beschaffung und Verwendung eines photo-
graphischen Apparats, Anfertigung von Abklatschen und Durchreibungen,
Kopieen, Vorbereitungen zur Publikation, Umschrift und Kommentar.
Teil I (S. 1 — 174) handelt von den griechischen Inschriften im allge-
meinen und von dem Nutzen, den sie für die Kenntnis des klassischen
Altertums gewähren, wobei der Verf. sich beschränkt auf eine, durch
Anmerkungen und Hinweise auf neuere Inschrifttexte erweiterte Über-
setzung von Newtons 1876 und 1878 in der Contemporary Review er-
schienenen Abhandlungen »On greek inscriptions« (gesammelt in Essays
on art and archaeology, London 1880 S 94-209; deutsch von Imelmann,
die griechischen Inschriften. Hannover 1881 [vgl. Röhl I, 4]). Teil II
(S. 175 560), auf die Epigraphiker von Fach berechnet und des Verf.
eignes Werk, behandelt: Kap. I (S. 175 236) Geschichte des griechi-
schen Alphabets; darin Ligaturen S. 212 ff., Interpunktion 214 ff., Zahl-
zeichen 216 ff., zwei Listen der Siglen vor und nach Chr. 225 ff. Kap. II
(S. 237—293), Orthographie und Grammatik der Inschriften (jetzt über-
holt von Meisterhans, s. S. 398f.). Kap. III (S. 294-335) Inschriften
im allgemeinen: Material, Aufstellung, Steinmetzen S. 305 ff., Sekretäre
308 ff., Kosten 314 ff., Fehler 322 ff., Thukydidestext 330 ff. Kap. IV
(S. 336-418) öffentliche Urkunden: Dekrete S. 339 ff., Epigramme 356 ff.,
Proxeniedekrete 358 ff-, Ehren- 366 ff., Weihinschriften 373 ff., Kata-
loge 387 ff., Orakeltäfelchen 394, Königsbriefe 395 f., Richterentscheide
396 ff., choregisch-agonistische Inschriften 400 ff., Ephebeninschrifteu
408 ff. Kap. V (S. 419 472) Privatinschriften: Grenzsteine S. 419 ff.,
Grabinschriften 423 ff., Verwünschungen 433 f., Künstlersignaturen 434 ff.,
tabulae Iliacae 441 f., Gemälde- 442 f., Vasen- 443 ff., Lampen- 453 f.,
1) Weiter ausgeführt in der Schrift: Reinach, Couseils aux voyageurs
archeologues en Grece et dans l'orient helleniqiie. Pari.s 1886. 116 S. 8.
2,50 Mk.
382 Griechische Epigraphik.
Henkel- 454 ff., Gemmeninschriften 460 ff., Inschriften auf Gewichten,
Bronzen, Bleistücken, Schleudergeschossen, Marken, Billets u. a. 463 ff.
Kap. VI (,S. 473 — 545) Ergänzungen: Listen der Kalender S. 473 ff'., der
Eigennamen 503 ff , Transskriptionen bzw. Übersetzungen römiscber
Namen und Titel 520 ff., Schicksale der Inschriften 538 ff., Sammlungen
540 ff. — Schon im ersten Teile werden in den dem Verf. eignen Par-
tieen mehrfach Vollständigkeit und Genauigkeit, namentlich hinsichtlich
der Bibliographie, vermifst. Am augenscheinlichsten zeigt sich der
Mangel exakter Methode und sicherer Beherrschung des Sprachmaterials
in den beiden ersten Kapiteln des zweiten Teils. Die Geschichte des
Alphabets ist im Wesentlichen nach Lenormant dargestellt, doch sind
namentlich auch Kirchhoffs »Studien« ausgiebig benutzt. Die griechi-
schen Alphabete sind in drei Tabellen nach verschiedenen Prinzipien
gruppiert: die erste enthält im Anschlufs an Kirchhoffs Tafeln der ost-
und westgriechischen Alphabete eine Anordnung nach Städten, die zweite
und dritte, aus Taylors »Alphabet« (s. S. 384) abgedruckt, eine »geo-
graphische Einteilung« (wiederum!) in neun, bzw. eine »chronologische
Entwicklung« der Alphabete in drei Gruppen (kadmeisches , ionisches
und hellenisches Alphabet). Da jedoch im Texte selbst eine vierte Ein-
teilung, nach Lenormant, befolgt wird, und aufserdem noch mehrere an-
dere Gruppierungen angeführt werden, so ist an Stelle der durch Kirch-
hoff geschaffenen Ordnung hier wieder die alte Methodelosigkeit ge-
treten. Kap. II bietet eine Blumenlese epigraphischer Eigentümlich-
keiten, aus denen der Verf. Kriterien für die Chronologie der Inschriften
zu gewinnen sucht. Hauptsächlich werden die attischen Inschriften be-
rücksichtigt; doch mahnen Unzulänglichkeit der Materialsammlungen und
mangelnde Sprachkenntnis auch hier zur Vorsicht. Von gröfserem Wert
ist der Inhalt der folgenden Kapitel, in denen Franz' »Elementa« aus-
geschrieben und ergänzt, und an der Hand eines reichlich zusammen-
getragenen Stoffs mit ausgiebiger Benutzung der einschlägigen Litteratur
die verschiedenen Inschriftklassen besprochen werden. Einzelne Un-
genauigkeiten und irrtümliche Auffassungen sind auch hier zu rügen. --
Wenn somit das Werk als Handbuch der Epigraphik keineswegs den
Anforderungen genügt, so wird es sich doch, mit der nötigen Kritik be-
nutzt, zweckraäfsig zu rate ziehen lassen.
Es folge die wenig später erschienene Abhandlung — zugleich das
letzte Vermächtnis — des leider allzu früh dahingeschiedenen deutschen
Gelehrten:
Hinrichs, Griechische Epigraphik (Handbuch der klassischen
Altertumswissenschaft, herausgegeben von Iwan Müller. Bd. I. Nörd-
lingen 1886. S. 329 474). - Rez.: Meisterhans, Neue philol. Rund-
schau 1886 n. 23 Sp. 365 - 367. Meister, Berl. philol. Wochenschr. n. 42
Sp. 1301 - 1304. - Inhalt: A) Einleitender Teil. 1. Begrifl"liche De-
finition der Epigraphik (S. 331 ff\). 2. Geschichtlicher Rückblick auf
I. Allgemeines. 383
den äufseren Entwicklungsgang und die Grundsätze der Behandlung der
griechischen Epigraphik (S. 335 ff.). B) Allgemeiner Teil. 3. Ursprung
des griechischen Alphabets (S. 359 ff.). 4. Das Alter des Schriftge-
brauchs bei den Griechen (S. 379 ff.). 5. Die Herübernahme der grie-
chischen Schrift (S. 389 ff.). 6. Die Eichtung der griechischen Schrift
und ihre Einzelentwicklung (S. 407 ff.; mit einer »Tafel der griechischen
Alphabete« nebst Erläuterungen). 7. Interpunktion, Paragraphierung,
Kompendien, Zahlzeichen etc. bei den Griechen (S.' 427 ff.). 8. Tech-
nik, Bemalung, Kosten und Aufstellung der Inschriften (S. 440 ff.). C)
Besonderer Teil. 9. Einteilung der griechischen Inschriften nach Sprache
und Stoff (S. 443 ff.). 10. Die Urkundensprache bei den Griechen
(S. 447 ff.). — Der Verf. erblickt die wichtigste Aufgabe eines Hand-
buches der Epigraphik in der möglichst genauen Darstellung des paläo-
graphischen Charakters der Inschriften; demgemäfs bietet der weitaus
gröfste Teil seiner Abhandlung eine Geschichte des griechischen Al-
phabets. Unstreitig bildet letztere den Glanzpunkt des Werks. Klar
und übersichtlich sind die Resultate Kirchhoffs dargestellt; überall ist
das neu hinzugekommene, weitschichtige Material mit minutiösem Fleifs
zusammengetragen und verwertet. Allein den Anforderungen, die an
ein Handbuch der griechischen Epigraphik zu stellen sind, entspricht
die Hinrichs'sche Arbeit keineswegs. Der Begriff der Epigraphik er-
scheint ungebührlich verengt. Dem Verf. gelten als eigentliche In-
schriften nur diejenigen Urkunden, »deren Wegnahme das Material ganz
wertlos machen würde, weil sie ihren Zweck in sich tragen« (S. 334).
Von diesen Inschriften sind getrennt die Auf- oder Bei Schriften auf
Werken der Architektur. Plastik u. s. w., welche in einen dürftigen An-
hang (S. 468 — 474) verwiesen werden. — Mit einer so willkürlichen
Trennung wird man sich nicht einverstanden erklären können, zumal da
kein innerer Grund sich ergeben dürfte, den für die politische, wie für
die Litteratur- und Kunstgeschichte oft so ungemein wichtigen Weih-
und Künstlerinschriften das Bürgerrecht in der Epigraphik zu versagen,
dagegen den ihrer grofsen Masse nach nicht selten recht wertlosen Grab-
schriften es zu belassen. Weit glücklicher ist die Auffassung und Dar-
stellung dieser sog. Auf- und Beischriften bei Reinach, S. 419—472,
dessen Werk Hinrichs erst bei der Korrektur der letzten Druckbogen
zu gesiebt kam.
So bieten beide, völlig unabhängig von einander entstandene Werke
eine willkommene und unentbehrliche Ergänzung. Die Achillesferse des
französischen Werkes liegt in der Darstellung des Alphabets, die Aus-
führungen über Stoff und Inhalt der Inschriften sind von ungleich grö-
fserem Werte; umgekehrt beruht die Stärke des deutschen Werkes in
dem paläographischen Teile desselben, auf den übrigen Gebieten leistet
es geringere Führerdienste. Eine erschöpfende und allseitig befriedi-
gende Darstellung der griechischen Epigraphik ist weder dem deutschen,
384 Griechische Epigraphik.
noch dem französisclien Forscher auf den ersten Wurf gehingen; dem
zukünftigen Darsteller haben beide wertvolle Bausteine zur Errichtung
des Gebäudes geliefert. Ein solcher wird auch wohl thun, die nament-
lich von R. Meister (s. o.) gegebenen Winke inbezug auf die Anlage
eines epigraphischen Handbuchs zu berücksichtigen.
Von sonstigen Abhandlungen allgemeineren Inhalts seien hier
erwähnt:
Vallauri, De re epigraphica. Acroases factae in R. Athenaeo
Taurinensi. Senis 1885.
Keelhoff, L'epigraphie. Bruxelles 1887. 32 S.
Egg er, L'epigraphie grecque ä l'academie des inscriptions et des
belles lettres. Journal des Savants 1885 S. 111 — 117 und 258 — 266.
Schätzenswerte Aufsätze über Sammlung und Behandlung der Inschriften
in der französischen Akademie.
HerondeVillefosse, Du droit de prop riete des copies d'inscrip-
tions. BCH YII 1883 S. 95-97.
Correra, Dell' epigraphia giuridica. Rassegna italiana IV 1
S. 72 ff.
Da in der vortrefflichen Abhandlung von Hinrichs (Gr. Epi-
graphik S. 359 — 426; s. o.) diejenigen Publikationen, welche die in
neuster Zeit wieder lebhaft erörterte Frage nach dem Ursprung und
der Entwicklung des griechischen Alphabets zum Gegenstande
haben, einer eingehenden kritischen Würdigung unterzogen worden sind,
so kann hier um so eher davon Abstand genommen werden, auf die
mannigfachen noch schwebenden Kontroversen des Näheren einzugehen,
als der Raum für die notwendig ausführlichere Behandlung derselben
fehlen würde. Ich begnüge mich daher, auf Hinrichs zu verweisen und
die bedeutenderen Erscheinungen der einschlägigen Litteratur, bis auf
die Gegenwart fortgeführt, hier kurz zu verzeichnen:
Is. Taylor, The aiphabet. An account of the origin and develop-
ment of letters. 2 vols. London 1883. 8. 752 S. 4 Mk. 20 Pf.
(Speziell The greek aiphabet II S. 61 109.)
Schlottmann in Riehms Handwörterbuch des biblischen Alter-
tums für gebildete Bibelleser. Bielefeld und Leipzig 1884. S. 1416
—1431.
Clermont-Ganneau, Origines des caracteres complementaires
de I'alphabet grec: YOX^Ü. Melanges Graux 1884 S. 413-460. -
Cl.-G.s Resultate hat sich angeeignet Haussouillier, Note sur la for-
mation des caracteres complementaires de I'alphabet grec d'apres un me-
moire de M. Cl.-G., Revue arch. III 2 1884 S. 286 ff.
I. Allgemeines. 385
V. Wilamowitz-Möllendorff, Piniol. Untersuchungen Heft Y
1884 S. 280 ff. und Nachtrag S. IX ff.
Gardthausen, ZurGeschichte des griechischen Alphabets. Y0XWa.
Rhein. Museum 40 1885 S. 599-610
will die sich widersprechenden Ansichten von Taylor, Clermont-Ganneau
und V. Wilamowitz-Möllendorff gegen einander abwägen und gelangt zu
selbständigen Resultaten.
V. Wilamowitz-Möllendorff, Lectiones epigraphicae. Göttin-
gen 1885. 4. 17 S. 80 Pf.
Deecke in Baumeisters Denkmälern des klassischen Altertums.
Münster und Leipzig. 1885. S. 52 fi'.
Gardner, The early ionic aiphabet. Journal of hellenic stu-
dies VII 1886 S. 220-239.
Kirchhoff, Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets.
Vierte umgearb. Aufl. Mit einer Karte und zwei Alphabettafeln.
Gütersloh 1887. VI, 180 S. gr. 8. 6 Mk. (Rez.: Stolz, Neue philol.
Rundschau n. 19 Sp. 301 f., E. A. G(ardner), Journal of hellenic stu-
dies VIII 1887 S. 533 f.)
hält die Mittel, mit denen die Versuche von Taylor, Clermont-Ganneau,
V. Wilamowitz und Gardthausen unternommen worden sind, für trügerisch
und unzureichend und beharrt bei seinen früheren Anschauungen. Doch
wird eine Anzahl der bedeutendsten epigraphischen Denkmäler jetzt einer
früheren Periode zugewiesen. So sind die ältesten milesischen Inschrif-
ten dem 7. Jahrb. zugeteilt (S. 27); eine Änderung, die für die frühste
Geschichte des ionischen Alphabets von gröfster Wichtigkeit ist. Wäh-
rend die Abu-Simbel-Inschriften demselben Zeitraum belassen sind, wie
früher (S. 47), = Ende der Regierung Psammetichs I., Ol. 40 (620
v. Chr.), werden die Naukratisinschriften der zweiten Hälfte des 6. Jahrb.
v. Chr. zugeschrieben (S. 45). Eine dankenswerte Beigabe ist eine Skizze
des phrygischen und lemnischen Alphabets (S. 54f.) aufgrund der neueren
Ausgrabungen. In anderen Zweigen des griechischen Alphabets sind die
Änderungen minder bedeutend. Die Inschriften von Thera bleiben unter
demselben Datum, wie früher (S. 61 ff.), = wahrscheinlich vor denen von
Abu-Simbel. Die attischen Inschriften gehen durch neue Funde jetzt in
das 7. Jahrb. zurück. Als Mutteralphabet der italischen Alphabete ist nun-
mehr dasjenige von Formello zu betrachten (S. 135). Nachträge (S. I74ff.)
verzeichnen die neuerdings aus den altkretischen Inschriften gewonnenen
Resultate.
Hirschfeld, Rhein. Museum 42 1887 S. 200 ff.
Gardner, Hirschfeld und Petrie, Aufsätze in der Academy
1887. 14. Mai, 9. und 16. Juli, 20. und 27. August.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. III.) 25
386 Griechische Epigraphik.
Roberts, An introduction to greek epigraphy I. Cambridge 1887
(s. S. 388 f.).
schliefst sich in der den Inschriften voraufgeschickten historischen Skizze
über das griechische Alphabet (S. 1—22) der Hauptsache nach den Re-
sultaten Kirchhofs an, ohne in untergeordneten Fragen sich abweichen-
der Ansichten zu begeben. Den Inschrifttexten der verschiedenen Land-
schaften folgen ausführliche Abhandlungen über die betreffenden Alpha-
bete. Die Tafeln der altgriechischen Alphabete (S. 382-391) sind ganz
im Anschlufs an Kirchhoff entworfen.
»Die Entdeckungen der letzten zehn Jahre haben uns zwar dem
Endziele der Untersuchung erheblich genähert, doch kann dasselbe noch
keineswegs für völlig erreicht gelten« (Kirchhoö') und »the unsolved pro-
blem still awaits its sphinx« (Roberts).
Kaiser, De inscriptionum Graecarum interpunctione. Diss. Leip-
zig 1887. 8. 38 S. 1 Mk. — Rez. : Keil, Wochenschrift für klass.
Philol. 1887 n. 21 Sp. 643 f.
Die Abhandlung bietet eine statistische Übersicht über das Vor-
kommen von Interpunktionszeichen in den älteren griechischen Inschriften
(vor 400 V. Chr.) und erschöpft somit ungefähr das Material der IGA
und des CIA I. — Cap. I. De signis interpunctionis. Zwei und drei
Punkte finden sich vor wie nach Euklid : ungefähr 80 attische Inschriften
haben zwei (Nachweise bei Hinrichs, Griech. Epigr. S. 428), ungefähr
70 drei Punkte (Hinrichs, S. 427 f.). Dasselbe Schwanken zeigt sich in
den nicht-attischen Inschriften: 20 haben zwei, 28 drei Punkte, einige
beide Zeichen gemeinschaftlich (Hinrichs S. 428 f.) | begegnet als Inter-
punktionszeichen nur in Inschriften von Kreta, Thera und in der lako-
nischen Inschrift IGA 64. Dieses Zeichen war nur vor Aufnahme des
ionischen Alphabets möglich, da letzteres dasselbe als i verwendet; eine
Ausnahme bildet die lakonische Inschrift. Ein einziger Punkt findet
sich nur in unteritalischen und sizilischen Inschriften: IGA 509. 544
(526?). Aufser andern, vereinzelt vorkommenden Interpunktionszeichen
(s. auch Hinrichs S. 430) sind sicher bezeugt 4, 5, 6 und 9 Punkte,
alle in attischen Inschriften. — Cap. II. De usu interpunctionis. Die
Dirae Teiorum IGA 497 zeigen regelmäfsige Woi'ttrennung durch Inter-
punktion ; doch sind Präpositionen, Artikel und Partikeln mit dem Nomen
verbunden; ebenso IGA 544. 5. 42. 43a. 359. 498b. 502. Bisweilen
findet sich auch Trennung der Satzglieder; in metrischen Inschriften:
IGA 342. 37,2-7. 349. 495. CIA I 333. 463. 467; in prosaischen In-
schriften: CIA I 18. 31, 26. 140, 20 ff. 25, 5. 57^, 7. 59, 14. 282, 7.
324, 63. CIA II 1 75, 7. II 2 652. 1053. Sehr häufig werden Zahl-
zeichen durch E inschlief sung in Interpunktionszeichen (bei Zeilenschlufs
nur linksseitig) als erstere gekennzeichnet (vgl. Hinrichs S. 433); doch
ist dieser Brauch sehr inkonstant und verschwindet in römischer Zeit.
I. Allgemeines. 387
Verhältnismäfsig selten begegnet die Interpunktion als Abbreviatur-
zeichen in älteren Inschriften (vgl. Hinrichs S. 434 f.): CIA I 321, 3.
338, 3. 4; häufiger in nacheuklidischen Inschriften. Irrtümliche Inter-
punktion: IGA 321, 1. 7. 39. CIA I 433, 2. CIG 34. IGA 499, 5. Von
den über 600 Nummern der IGA haben 57 Interpunktion. Die alier-
ältesten entbehren dieselbe; doch findet sie sich in einigen linksläufigen
und Bustrophedoninschriften : IGA 449. 471. 478 480. 492. 342. Es
läfst sich somit Interpunktion durch das sechste und fünfte Jahrhundert
hindurch verfolgen; genauere Zeitgrenzen zu bestimmen, ist unmöglich.
Von den 298 Nummern der akademischen Ausgabe der IGA interpun-
gieren 48; das Verhältnis zu den nicht intei'pungierenden ist folgendes:
Thera 1:18, Kreta 1:3, Euböa 1:2, Chalcis 1:17, Böotien 2:66,
ozolische Lokrer 3 : 0, Thessalien 2 : 7, Lakonika 1 oder 2:31 oder 30,
Hermione 1:1, Elis 4:15, Achaia 1:10, Äolis 1:1, lonieu 8:29,
Argos 5:11, Korinth 2 : 19, Ägina 2:6, Attika 9 : 15; aufserdem eine
oder zwei Inschriften unbekannter Herkunft. Ohne Interpunktion sind
die Inschriften von Melos, opunt. Lokrer, Phocis, Arkadien, Faros, Siphnos,
Thasos, Naxos, Keos, Sikyon, Phlius, Megara. Namentlich die Inseln
des ägäischen Meeres scheinen die Interpunktion nur in geringem Um-
fange angewendet und, wie die lonier, frühzeitig wieder aufgegeben zu
haben. In Attika war dieselbe, wenngleich in geringem Umfange und
sehr inkonstant, lange Zeit gebräuchlich: von den Inschriften des CIA I
hat fast der fünfte Teil Interpunktion, von CIA II l der 25., von II 2
fast der vierte Teil; doch verwenden die nacheuklidischen Inschriften
die Interpunktion im allgemeinen nur als Merkmal von Zahlzeichen und
Abbreviaturen. In den älteren herrscht dasselbe Schwanken, wie ander-
wärts. - Cap. III. De historia interpunctionis. Wahrscheinlich er-
hielten die Griechen die Interpunktion gleichzeitig mit dem Alphabet
von den Phöniziern. Schon der Stein des Mesa trennt die Worte durch
einen Punkt, die Satzteile durch einen Vertikalstrich. Doch vernach-
lässigten die lesegeübten Griechen, zuerst die lonier, bald den Gebrauch
der Interpunktion, namentlich bei der Worttrennung. Entweder wurde
den Griechen von den Phöniziern nur der einfache Punkt überliefert,
den sie bald durch einen doppelten und dreifachen ersetzten, oder —
wahrscheinlicher — die Phönizier hatten neben dem einfachen auch noch
zwei und drei Punkte in Gebrauch. Reiner Zufall ist es, dafs sich der
einfache Punkt bisher bei den Griechen nicht gefunden hat. Auch in
italischen Inschriften begegnet neben dem einfachen Punkt als Wort-
trennungszeichen (vgl. Hinrichs S. 429 f.) nicht selten ein doppelter und
dreifacher. Wahrscheinlich haben die Italiker, wie das Alphabet, so
auch den einfachen Punkt von den Griechen übernommen; doch bleibt
diese Ansicht wegen mangelnden Inschriftenmaterials vorläufig Hypo-
these. In den griechischen Inschriften ist der Gebrauch von Interpunk-
tionszeichen so schwankend, dafs aus ihnen sich sichere Argumente für
26*
388 Griechische Epigraphik.
Alter und Herkunft derselben nicht gewinnen lassen. Somit kann auf
dem Gebiete der griechischen Interpunktion ebenso, wie auf dem nahe-
verwandten des griechischen Alphabets, vorläufig nur von »Studien«, nicht
von einer eigentlichen »Geschichte« die Rede sein.
Von Originalpublikationen griechischer Inschriften ist
zu verzeichnen:
The coUection of ancient greek inscriptions in the British Museum
edited by C. T. Newton. — Zu Parti Attica, edited by E. L. Hicks,
Oxford 1874, 161 S. fol. (s. K. Curtius, Bursians Jahresbericht 1874/5.
Bd. 4. S. 253 f.) sind hinzugekommen: Part II edited by C. T. Newton,
Oxford 1883, 157 S. fol. 24 Mk. (Bez.: U. Köhler, LCB 1883 n. 50
Sp. 1757 f. Journal des Savants 1885, Mai, S. 258) mit über hundert
bisher unedierten Inschriften von Kalymna und einer grofsen Zahl sol-
cher von Rhodos, Kos und Lesbos. — Inhalt: Chapter I: Megara n. 136,
Argolis n. 137. 138. 140, Lakonia n. 139. 141-152, Kythera n. 153.
154, Arkadia n. 155 — 157. — Chaptpr II: Boeotia n. 158- 162, Thes-
saly n. 163. 164, Corcyra n. 165-170, Macedonia n. 171 — 173. —
Chapter III: Thrace n. 174 179, Kimmerian Bosporos n. 180—206. —
Chapter IV; Islands of the Aegean: Thasos n. 207, Lesbos n. 208 229,
Samos n. 230, Kalymna n. 231-334, Kos n. 335 — 341, Telos n. 342,
Rhodos n. 343-362, Kassos n. 363, Karpathos n. 364. - Chapter V:
Melos n. 365 367, Delos n. 368—370, los n. 371, Siphnos n. 372, Tenos
n. 373—377. — Chapter VI: Krete n. 378—381, Cyprus n. 382 398d.
— Inscriptions of unascertained provenance, probably from the Archi-
pelago: n. 398 e. f. — Part. III, section I: Priene and lasos by E. L.
Hicks. Oxford 1886. 66 S. fol. 10 Mk. (darunter wertvolle Inedita).
— Inhalt: Chapter I: Priene n. 399 — 439. Chapter II: lasos n. 440—
445. — Part. III, section II soll die Inschriften von Ephesos umfassen.
Nach verschiedenen Gesichtspunkten geordnet sind:
Röhl, Imagines inscriptionum Graecarura antiquissimarum in usum
scholarum composuit Berlin 1883. III, 72 S. kl. fol. 4 Mk. — Rez.: F. Rühl,
LCB 1883 n. 35 Sp. 1233. Hinrichs, DLZ n. 46 Sp. 1028 f. C. Schäfer,
Philol. Rundschau n. 34 Sp. 1074 — 1079. K. Curtius, Philol. Rundschau
1885 n. 12 Sp 359—363. Ein für akademische Lehrzwecke bemessener
Auszug aus des Verf. gröfserem Werk Inscriptiones Graecae antiquissimae
praeter Atticas in Attica repertas, Berlin 1882, IV, 193 S. fol. 16 Mk., ent-
haltend 370 Holzschnittfacsimilia in chronologischer Anordnung mit Va-
riantenangabe ; wegen Aufnahme von 16 neuen Inschriften (s. Hinrichs, Griech.
Epigr. S. 354) eine nicht unwesentliche Ergänzung des grofsen Werkes.
Roberts, An introduction to greek epigraphy. Part I: The archaic
inscriptions and the greek aiphabet. Cambridge 1887. 8. XXI, 419 S.
— Inhalt: I. Historical sketch of the greek aiphabet (S. 1-21). II. In-
scriptions illustrating the history and development of the greek aiphabet
I. Allgemeines. 389
from the earliest times to the end of the fifth Century B. C. (S. 21 — 309).
Eastern group. A) The islands of the Aegean Sea (S. 23 — 73). B) Attica,
Argos, Corinth and its colonies, Phlius, Megara and its colonies, Aegina
(S. 74-150). C) The lonic aiphabet (S. 151-195). Western group:
Euboea, Eretrian and Chalcidian colonies, Boeotia, Phocis, Ozolian Lo-
cris, Opuntian Locris, Thessaly, Laconia, Tarentum and the neighbour-
hood, Arcadia, Hermione, Epidaurus, Methana, Elis, Achaia and the
Achaeau colonies, Cephallenia and Ithaca (S. 196—309). The hellenising al-
phabets of Phrygia, Lycia, Paraphylia, Cappadocia, Carla, Hispania
(S. 310-320). Im Appendix (S. 321—419) u. a. Tables of alphabets
(S. 882-391) und ausführlicher Index (S. 397-419). — Das auf einen
gröfseren Umfang berechnete Werk will als Handbuch zu einem Corpus
inscriptionum Graecarum aufgefafst sein. Der vorliegende erste Teil ent-
spricht der ersten Abteilung des CIG: Tituli antiquissima scripturae
forma insigniores. Er enthält die Inschriften nicht-ionischen Alphabets,
die älter sind als 403 v. Chr. Den geographisch angeordneten Inschrift-
gruppen, innerhalb deren die Inschriften in möglichst treuem Minuskel-
text mit Umschrift und Kommentar, bisweilen in Faksimile mitgeteilt
sind, folgen Erörterungen über die betreffenden Alphabete. Teil II soll
eine Auswahl der wichtigsten Inschriften in Minuskeln vom 4. Jahi'h. v. Chr.
bis in die jüngste Zeit in geographischer Anordnung mit Unterabteilungen
nach Gegenstand, Dialekt und Zeitperiode, sowie auch diejenigen »archai-
schen« Inschriften enthalten, die von nicht besonderer Wichtigkeit für
die Entwicklung des griechischen Alphabets sind. — Teil I enthält gegen
500 Inschriften (die Zahlen laufen bis 311; doch sind häufig zwei oder
mehrere Texte unter einer Nummer zusammengefafst). Alle sind aus-
gewählt, um die allmähliche Entwicklung des griechischen Alphabets bis
zur Annahme des ionischen zu veranschaulichen. In der Einteilung
der Alphabete stimmt der Verfasser mit Kirchhoff überein (s. S. 385).
Der selbständige Wert des Werkes beruht nicht sowohl in der über-
sichtlichen Zusammenstellung der archaischen Inschriften, in deren Be-
handlung ein wesentlicher Fortschritt gegen Röhls IGA schwerlich zu
erkennen sein dürfte, als vielmehr in den mit grofsem Fleifs und durch-
gängiger Beherrschung des Materials geführten Untersuchungen über die
Entwicklung der einzelnen Alphabete.
Dittenberger, Sylloge inscriptionum Graecarum. Fase I. II.
Leipzig 1883. VIII, 805 S. gr. 8. 16 Mk. - Bez.: Gilbert, Piniol. An-
zeiger 1884 n. 4 S. 220 f. Hinrichs, DLZ n. 22 Sp 796—798. P. Cauer,
Wochenschr. f. klass. Philol. n. 33 Sp. 1025 - 1030 und LCB n. 33
Sp. 1127f. Meister, Philol. Rundschau n. 27 Sp. 855-857. H. R.,
Histor. Zeitschr. 1885 n. 2 S. 314. Haussouillier, Revue crit. n. 27 S. 1
— 5; vgl. Hinrichs, Griech. Epigr. S. 355. — Inhalt: Pars I (nach histo-
rischen Gesichtspunkten geordnet) enthält 293 geschichtlich merkwürdige
Rats- und Volksbeschlüsse, sowie Staatsbriefe späterer Könige: I. Usque
390 Griechische Epigraphik.
ad finem belli Peloponnesiaci (n. 1 — 4*7). II. A fine belli Peloponne-
siaci ad Alexandri Magni mortem (n. 48—117). III. Ab Alexandri Magni
raorte ad Corinthum deletam (n. 118 — 235). IV. Aetas Romana (n. 236
— 293). Pars II gruppiert das Material nach systematischen Prinzipien:
I. Res publicae. 1. Rei publicae forma ac partes, urbis et agri termini
(n. 294—311). 2. Civium et peregrinorum honores et privilegia (n. 312
— 332). 3. Senatus, magistratus, iudicia (n. 333-344). 4. Varia (n. 345
— 354). II. Res sacrae. 1. Templa et delubra, simulacra, donaria, su-
pellex Sacra (n. 355 367). 2. Sacerdotia (n. 368-372). 3. Sacrificia,
pompae, mysteria aliaeque caerimoniae (n. 373 — 394). 4. Certamina
gymnica, musica, scaenica (n. 395—425). 5. Varia (n. 426—432). III. Vita
privata (n. 433-470). — Die für die Kenntnis der Geschichte und der
Altertümer hervorragend wichtigen Steinurkunden sind nach dem Vor-
bilde von Wilmanns' Exempla inscriptionum latinarum, Berlin 1873 mit
ausgezeichneter Sachkenntnis und praktischem Geschick vereinigt. Lei-
tender Grundsatz ist strenge Beschränkung auf das eigentlich Sachliche.
Alle metrischen Inschriften sind im Hinblick auf Kaibels Epigrammata
Graeca ex lapidibus conlecta ausgeschlossen. Leider konnte Newtons
collection of anc gr. inscr. part II (s. S. 388) nicht mehr benutzt wer-
den. Der in Minuskeln genau repräsentierte Inschrifttext liefert eine
erhebliche Menge neuer Ergänzungen und wichtiger Verbesserungen.
Der mit minutiösem Fleifs zusammengestellte Kommentar bietet vielfach
neue Datierungen und Erklärungen. Mühevolle, sachlich geordnete In-
dices (S. 665—805) erleichtern den Gebrauch des vortrefflichen Buches.
Cauer, Delectus inscriptionum Graecarum propter dialectum me-
morabilium iterum composuit. Leipzig 1883. XVI, 365 S. 8. 7 Mk.
— Rez.: G. Meyer, Philo!. Wochenschr. 1883 n. 41 Sp. 1286-1291.
Meister, LCB 1884 n 3 Sp. 91 f. v. Wilamowitz-Möllendorff, Zeitschr.
f. Gymnasialwesen 38 Heft 2. 3 S. 105 -116. Meister, Philol. Anzeiger
S. 253 260. Baudat, Revue crit. n. 16 S. 303—305 C. Schäfer, Philol.
Rundschau n. 26 Sp. 825—831. — Inhalt: I. Tituli Dorici civitatura Pe-
loponnesiacarum (n. l-lll). II. Tituli Dorici civitatum maris Aegaei
(n. 112 201). III. Tituli Graeciae septentrionalis praeter Thessaliam
cum Eleis et Achaicis (n. 202-391). IV. Tituli Thessalici et Lesbiaci
(n. 392-441). V. Tituli Arcadici et Cyprii (n. 442-477). VI. Tituli
lonici praeter Atticos (n. 478 — 557). — Die neue Auflage enthält bei-
nahe die vierfache Inschriftenzahl der ersten (147). Eine grofse Anzahl
von Texten, deren Fehlen in einer Auswahl der sprachlich wichtigeren
Dialektinschriften als unliebsame Lücke empfunden wurde, ist der Samm-
lung einverleibt worden; manche überflüssige nnd zweifelhafte sind in
Wegfall gekommen. Namentlich Röhls IGA, deren gröfserer Teil auf-
genommen wurde, haben reiches Zuwachsmaterial geliefert. Ausgeschlossen
sind die ohnehin im CIA leicht zugänglichen attischen Inschriften, da
die Veranschaulichung der Wandelungen des attischen Dialekts die Auf-
1. Allgemeines. 391
nähme einer unverhältnisraärsig grofsen Zahl von Texten erfordert hätte.
Statt der früheren Anordnung der Inschriften nach Dialekten (Inscrip-
tiones Doricae, Aeolicae, lonicae) ist die neue Sammlung eingeteilt »ra-
tione neque plane grammatica neque plane geographica«. Für die Ein-
teilung der ionischen Inschriften haben die Winke von v. Wilamowitz-
MöUendorff, Zeitschr. für Gymnasialwesen 31 1877 S. 645 gebührende
Berücksichtigung gefunden. Vollständigkeit der Litteraturangaben und
des kritischen Apparats ist nicht erstrebt; Wiclitigeres wird nirgends
vermifst. Ein knapper chronologischer und sachlicher, seltener gram-
matischer Kommentar, dessen wesentlicher Inhalt in den Indices registriert
ist, dient in erwünschter Weise der Orientierung. Das Buch, welches
in der vorliegenden Gestalt durchweg als neues zu gelten hat, wird An-
fängern auf dem Gebiete der Dialektologie gute Dienste leisten.
Sammlung der griechischen Dialektinschriften von F. Bech-
tel, A. Bezzenberger, F. Blafs, H. Collitz, W. Deecke, A. Fick, G. Hin-
richs'), R. Meister; herausgeg. von H. Collitz. ~ Bisher erschienen:
Band 1. Heft 1: Deecke, Die griechisch-kyprischen Inschriften
in epichorischer Schrift. Text und Umschreibung, mit einer Schrifttafel
(und Wortindex). Gott. 1883. S. 1 - 80 n. 1 -212. gr. 8. 2,50 Mk.
— Rez. s. unter Heft 2. — Heft 2*: Bechtel, Die äolischen Inschriften.
S. 81—120 n. 213-319. Anhang: Collitz, Die Gedichte der Balbilla.
S. 120-124 n. 320 -323. Fick, Die thessalischen Inschriften. S. 125
— 143 n. 324- 373. Gott. 1883. gr, 8. 2 Mk. — Rez. Heft 1 und 2:
G. Meyer, Philol. Rundschau 1883 n. 50 S. 1588-1590. Sayce, Aca-
demy n. 598 Sp. 268. Voigt, Bezzenb. Beitr. IX 1884 S. 159 — 172.
Baudat, Revue crit. n. 14 S. 265 f. und Joret Chanzy S. 270 — 273.
Pauli, Philol. Rundschau 1884 n. 4 Sp. 102—106. Cauer, Wochenschr.
f. klass. Philologie n. 4 Sp. 97—102. Dittenberger, DLZ n. 8 Sp. 270 f.
LCB n. 17 Sp. 603 f. Larfeld, Berl. philol. Wochenschr. n. 19 Sp. 588
— 592. Heft 3: Meister, Die böotischen Inschriften. Gott. 1884. S 145
— 309 n. 374—1146. gr. 8. 5 Mk. - Rez.: Cauer, Wochenschr. f.
klass. Philologie 1884 n. 33 Sp. 1030 1033 und LCB n. 39 Sp. 1361 f.,
Rivista di philologia XII S. 553 f. Larfeld, Berl. philol. Wochenschr.
n. 46 Sp 1433 — 1437. — Heft 4: Blafs, Die eleischen Inschriften.
S. 311 336 n. 1147—1180. Bechtel, Die arkadischen Inschriften.
S. 337 361 n. 1181 — 1258. Bezzenberger, Die pamphylischen In-
schriften. S. 362-370 n. 1259 — 1269 Bechtel, Nachträge zu den
äolischen Inschriften. S. 371-374 n. 1270 1277. Fick, Nachträge
zu den thessalischen Inschriften. S. 375 -386 n. 1278 -1333. Meister,
Nachträge und Berichtigungen zu den böotischen Inschriften. S. 387
-406. Gott. 1884. gr. 8. 4,50 Mk. Rez.: Dittenberger, DLZ 1885
') An Stelle des dem Unternehmen vorzeitig entrissenen G. Hinrichs
ist J. Baunack in die Reihe der Mitarbeiter eingetreten.
392 Griechische Epigraphik.
n. 6 Sp. 191. Cauer, LCB u. 7 Sp. 21 2 f. G. Meyer, Philol. Rund-
schau n. 11 Sp. 344—347. Cauer, Wochenschr. f. klass. Philol. ii. 26
Sp. 801-804. Larfeld, Berl. philol. Wochenschr. 1885 n. 22 Sp. 673
—676. — Bd. I Preis 14 Mk.
Band II. Heft 1: Fick, Die epirotischen, akarnanischen, ätolischen,
änianischen und phthiotischen Inschriften. S. 1-46 n. 1334 — 1473,
Bechtel, Die lokrischen und phokischen Inschriften. S. 47-89 n. 1474
—1556. Gott. 1885. gr. 8. 3,60 Mk. — Rez.: G. Meyer, LCB 1886
n. 4 Sp. 131. Dittenberger, DLZ n. 11 Sp. 367. Larfeld, Berl. philol.
Wochenschr. n. 29/30 Sp. 927—929. Stolz, Neue philol. Rundschau n. 14
Sp. 217 f. Cauer, Wochenschr. f. klass. Philol. n. 34 Sp. 1057-1059.
Band IV. Heft 1 : Meister, Wortregister zum ersten Bande. Gott.
1886. gr. 8. IV, 105 S. 5 Mk.
Die Sammlung soll - mit Ausnahme der attischen Stein-Denk-
mäler — sämtliche griechische Dialektinschriften umfassen. Ein grofser
Teil des hier behandelten Materials ist aus Bezzenbergers Beiträgen zur
Kunde der indogermanischen Sprachen wiederholt. Die Inschrifttexte
sind in Minuskeln wiedergegeben ; ein gedrängter litterarischer Nachweis
und ein knapp bemessener kritischer Apparat erhöhen den Wert des für
Dialektstudien unentbehrlichen Werkes. — Über den näheren Inhalt der
einzelnen Inschriftgruppen s. die betreffenden Abteilungen des Berichts.
Bechtel, Die Inschriften des ionischen Dialekts. Separatabdruck
aus Bd. 34 der Abhandlungen der Kgl. Gesellsch. der Wissensch. zu
Göttingen. Gott. 1887. VIII, 154 S. 4. Mit 5 Taf. 8 Mk. — Inhalt:
I. Euboia (S. 1—38). 1. Chalkis mit Kolonieen (n. 1 - 13), 2. Eretria
und Styra (n. 14-19), 3. Kyme (n. 20), 4. Adespota (n. 21. 22). II. Die
Kykladen (S. 38 66). 1. Naxos und Keos (n. 23-52), 2. Delos, Paros
mit Thasos und Pharos, Siphnos (n. 53-89), 3. Die übrigen Kykladen
(n. 90-92). m. Kleiuasien (S. 67 — 150). A) Zwölf Städte (S. 67—139):
1. Miletos, Myes, Priene (n. 93 — 144), 2. Ephesos, Kolophon, Teos, Kla-
zomenai, Phokaia (n. 145 — 172), 3. Chios und Erythrai (n. 173—209),
4. Samos mit Kolonieen (n. 210 — 237). B) Halikarnassos und die übrigen
Städte Kariens (n. 238-254). C) Asiatischen, nicht näher zu bestim-
menden Ursprungs (n. 255-263). - Adespota (S. 150—152 n. 264—267).
Zusätze und Berichtigungen (S. 152-154). - Die Sammlung, eine Vor-
arbeit zu einer von dem Verfasser beabsichtigten Grammatik der griechi-
schen Dialekte auf grund der Stammesgeschichte, und zugleich der schon
jetzt veröffentlichte Rest des von demselben übernommenen Teiles der
Collitzschen SGDI (s. o.), schliefst die bereits in Bd. 32 der Abhandl.
der Gott. Akademie veröffentlichten thasischeu Theoreninschriften, sowie
die chalcidischen Vasen und die Münzen der chalcidischen Städte auf
Sizilien, welche in der SGDI separat behandelt werden sollen, aus. Die
Inedita beschränken sich auf eine Anzahl Bleitäfelchen von Styra (n. 19,
434— 446 = Taf. II, 1-13) und eine archaische Grabschrift von Perin-
I. Allgemeines. 393
thos (n. 233 = Taf. II, 14); aufserdem konnte eine gröfsere Zahl neuer
Abklatsche und Kopieen (namentlich der im Louvre aufbewahrten Blei-
täfelchen von Styra, für deren neun der von Röhl II, 4 erhobene Ver-
dacht einer Fälschung Lenormants schwerlich bestehen bleiben kann)
benutzt werden. Einige Abklatsche bisher nicht genügend publizierter
wichtiger Denkmäler sind photolithographiert. Von Münzen sind nur die
mit völlig gesicherter Lesung herangezogen. Bei Anordnung der 267 In-
schriftnummern ist der Gedanke leitend gewesen, dafs die Geschichte
eines Volksstammes sich in der Sprache wioderspiegeln müsse; doch
wird namentlich für die Gewinnung von Unterabteilungen die verhältnis-
mäfsige Unkenntnis der Dialekte hinderlich empfunden, und mufs sich
hier die Dialektologie vorläufig an die Ergebnisse der Paläographie an-
lehnen. So beruht die Scheidung der Cykladen (s. o.) lediglich auf der
von Kirchhoflf und Dittenberger getroffenen alphabetischen Einteilung.
Für die Gruppierung der karischen Städte ist ein wertvoller Anhalts-
punkt die bekannte Gliederung Herodots; einstweilen hat der Verfasser
die zwölf Städte dem ionisch-dorischen Halikarnafs gegenübergestellt. —
Als besonders dankenswerte Zugabe dürfen die den einzelnen Dialekt-
gruppen beigegebenen ausführlichen Abhandlungen sprachwissenschaft-
lichen Inhalts bezeichnet werden.
Von lexikalisch-grammatischen Arbeiten, deren ausführ-
liche Behandlung in das Gebiet der griechischen Sprachkunde fällt,
seien hier erwähnt:
2're^. 'AS. Koufiavoudrjg, I^uvayaiyrj Xs^büjv dd^riaaopiarajv kv
Tocg iUrjvtxoTg Xs^txoTg. Athen 1883. re', 399 S. 8. 14 Mk. — Rez.:
Miller, Journal des Savants 1884 S. 34 44. Telfy, Berl. philol. Wochen-
schrift 1885 n. 29/30 Sp. 940—942. — In dem von staunenswertem Sam-
raelfieifse zeugenden "Werke sind 7506 echt griechische Wörter registriert,
die in den bisherigen Wörterbüchern nicht verzeichnet {abrjaabptaxui)
sind. Als Quellen dienten alle bisherigen Sammlungen griechischer In-
schriften, sowie ältere und neuere Ausgaben solcher griechischen Schrift-
steller, deren Sprachschatz bisher noch nicht ausgebeutet war. Auch
römischen Autoren sind griechische Wörter entlehnt, die in den bis-
herigen Wörterbüchern vergeblich gesucht werden. Hierhin gehören
namentlich auch bisher unbekannte Namen und Beinamen von Gott-
heiten, Festen, Monaten u. s. w. Aufserdem schöpfte der Verfasser aus
unzähligen griechischen Werken römischer und byzantinischer Zeit.
Leider ist bei manchen Wörtern die Bedeutung nicht angegeben. Da
jedoch ein Wörterbuch der mannigfachen Sonderausdrücke der griechi-
schen Inschriften ein längst gefühltes Bedürfnis war, so hat sich der
Verfasser durch die übersichtliche Zusammenstellung derselben wie durch
die überraschende Bereicherung des griechischen Sprachgutes den Dank
nicht nur der Epigrapliiker, sondern aller Freunde der klassischen Philo-
logie erworben.
394 Griechische Epigraphik.
Domenico Pezzi, La grecitä non ionica nelle iscrizioni piü an-
tiche. Turin 1883. 64 S gr. 4. 3,50 1. - Rez.: Larfeld, Berl. philol.
Wochenschr. 1885 n. 39 Sp. 1234 f. — Als Zweck der Abhandlung —
eines Separatabdruckes aus den Berichten der Kgl. Akad. der Wis-
sensch. zu Turin Bd. 35 S. 249-312 — bezeichnet der Verfasser die
Untersuchung, welches die charakteristischen Unterschiede der griechi-
schen a- und e-Dialekte in ihrem ältesten inschriftlich erreichbaren Zu-
stande seien, welche dieser Merkmale mehreren Dialekten gemeinsam,
welche von ihnen ausschliefslich dem einen oder andern gehören. Die
Untersuchung, der als Grundlage Röhls IGA dienen, erstreckt sich auf
den Laut- und Formenbestand der vor dem 4. Jahrh. v. Chr. abge-
fafsten Sprachdenkmäler der a- Dialekte. Innerhalb der beiden Haupt-
teile: »Caratteri comuni a dialetti non ionici« und »Alcuni caratteri
propra di singoli dialetti non ionici« werden die einzelnen lautlichen
und sprachlichen Erscheinungen im Anschlufs an Ahrens in besonderen
Kategorieen abgehandelt. Der erste Teil umfafst die Vokale und Kon-
sonanten, Kontraktionen und Assimilationen, die Nominal- und Verbal-
flexion; im zweiten werden die Besonderheiten der einzelnen Dialekte
besprochen. In »Considerazioni generali« wird das Facit über die ge-
samte Untersuchung gezogen: Die erhaltenen inschriftlichen Quellen ge-
statten nicht, einen Stammbaum der griechischen Dialekte zu kon-
struieren; dieses Bemühen wird sich selbst bei reicherem Inschriften-
material wahrscheinlich als ein vergebliches erweisen.
R. Wagner, Quaestiones de epigrammaticis Graecis ex lapidibus
collectis graramaticae. Diss. Leipzig 1883. VI, 127 S. gr. 8. 2 Mk.
~ Rez.: Hinrichs, DLZ 1883 n. 37 Sp. 1286f. G. Meyer, Zeitschr. f. d.
österr. Gymn. Bd. 34 1883 S. 615f. — Im ersten Teile sucht der Ver-
fasser Spuren älterer Mundarten in den Epigrammen nachzuweisen; doch
sind wegen des verhältnismäfsig späten Ursprungs dieser Inschriften die
Resultate am wenigsten befriedigend. Der zweite Teil, der die An-
zeichen der sinkenden Gräcität behandelt, ist von gröfserem Interesse
und hat manches beachtenswerte Resultat zutage gefördert. So wird
ein Fall von i für sc schon aus dem 3. Jahrh. v. Chr. aus Attika bei-
gebracht (freilich in der Grabschrift einer Afrikanerin), während G. Meyer
die Spuren dieses Lautwandels nicht über das Ende des 2. Jahrh. hin-
aus aufzuzeigen vermochte. Die Polemik gegen rsi/zjy (S. 37) ist be-
rechtigt. Inbezug auf ooMg, /ir^ßscg (S. 92) bleibt G. Meyer (s. o.)
auch nach den Ausführungen von G. Curtius, Leipz. Studien VI, 189ff.
bei seiner früheren Aulfassung. »Die Abschnitte über die Vernach-
lässigung der Quantität (S. 46 ff.) und über die prosodischen und me-
trischen Unregelmäfsigkeiten (S. 67 ff.) scheinen mir die besten dieser
Schrift zu sein, mit welcher sich der Herr Verfasser ein unleugbares
Verdienst um die Kenntnis und Beurteilung inschriftlicher Gräcität er-
worben hat« (G. M.).
1. Allgemeines. 395
Von archäologischen Untersuchungen auf gruncl der In-
schriften, deren Text bisweilen in dankenswerter Weise ergänzt wird,
erwähne ich:
Reisch, De musicis Graecorum certaminibus capita quattuor.
Diss. Wien 1885. 133 S. 8. 4 Mk. — Rez.: v. Jan, Wochenschr. f.
klass. Philol. 1886 n. 11 Sp. 332—343. Brinck, Berl. philol. Wochen-
schrift n. 15 Sp. 453 459. Thumser, Zeitschr. f d. österr. Gymn. 37
1886 S. 261 — 265. Sittl, Neue philol. Rundschau n. 19 Sp. 298 f. Rey-
mann, DLZ 1887 n. 7 Sp. 231-233. IT., Philol. Anzeiger Bd. 16 S. 542
544. - Inhalt: I. De antiquissirais Graecorum certaminibus musicis
(S. 2 — 9). II. De c. m., quae Athenis inde a Pisistrati temporibus usque
ad Alexandri aetatera celebrabantur (S. 10-48). III. De c m. , quae
usque ad Alexandri aetatem apud ceteras gentes Graecas habebantur
(S. 49—70). IV. De c. m. , quae in Graecia ipsa ab Alexandri tempo-
ribus usque ad Augusti aetatem celebrabantur (S. 71 — 115). Appendix
(Inschriften von Orchomenus, Thespiä, Oropus, Euböa, Theben, Tanagra,
Akräphia) S. 116 — 130. Indices rerum und titulorum S. 131 — 133
Brinck, Inscriptiones Graecae ad choregiam pertinentes. Halle
1885. 204 S. 8. — Inhalt: Pars I. Inscriptiones Atticae ad choregiam
pertinentes. A. Inscriptiones Atticae choregicae quae vocantur. I. In-
scriptiones choregicae antiquiores choregia populi et agonothesia insti-
tuta, in quibus antiqua et soUemnis forma est observata (n. 1-40).
IL Tituli choregici antiquiores agonothesia et choregia populi instituta,
in quibus sollemuis forma non est observata (n. 41 — 55). III. Tituli,
in quibus populus choregus inscriptus est (n. 56 69). IV. Tituli cho-
regici imperatorum aetatis (n. 70-78). B. Reliquiae catalogi tribuum,
choregorum, chorodidascalorum (histriouum), qui magnis Dionysiis vice-
runt (n. 79 = CIA II 971 a-e). C. Decreta tribuum et pagorum facta
in honorem choregorum (n. 80 — 83). - Pars II. Reliquarum civitatum
tituli ad choregiam pertinentes: Salamis (n. 84), Orchomenus (n. 85. 86),
Delus (n. 87—99), Samus (n. 100 102), Teus (n. 103. 104), Miletus
(n. 105. 106), lasus (n. 107 153), Rhodus (n. 154. 155). — Pars III. Ti-
tuli incerti loci (n. 156. 157). Den Schlufs bildet ein ausführlicher Index
nominum.
In das Gebiet der Kunstarchäologie gehören:
Löwy, Inschriften griechischer Bildhauer mit Faksimiles. Ge-
druckt mit Unterstützung der kais. Akad. der Wissensch. zu Wien.
Leipzig 1885. XL, 410 S. gr. 4. 20 Mk. - Rez.: Th. Schreiber, LCB
1885 n. 36 Sp. 1230 f. Hirschfeld, Gott. gel. Anz. n. 19 S. 770-773.
Murray, Academy n. 697 Sp. 174. Kuhnert, Berl. philol. Wochenschr.
n. 44 Sp. 1391 — 1395. A. Michaelis, DLZ n. 46 Sp. 1641f. C, Neue
philol. Rundschau 1886 n. 14 Sp. 218f. E. A. G. , Journal of hellenic
studies VUI 1887 S. 304-306. - Ein mit peinlichster Akribie und
bewundernswürdigem Fleifs ausgeführtes grofsartiges Werk, welches dem
396 Griechische Epigraphik.
Forscher durch erschöpfende Litteraturangaben die Wege ebnet, »eine
Geschichte der griechischen Plastik in Lapidarstil«. Voraufgeschickt
sind S. VII - XVI eine Anzahl statistischer Vorbemerkungen über An-
bringung und Fassung der Inschriften, eine Zusammenstellung von Do-
kumenten, welche litterarisch bekannte Künstler erwähnen und ein bi-
bliographisches Register. Von den beiden Abteilungen des Werkes ent-
hält die erste die Künstlersignaturen, die zweite die Künstlererwähnungen
in Inschriften. Teil I ist gegliedert: A. Originale, angeordnet nach den
Zeitepochen: I. 6. Jahrb., II. 5. Jahrb., III. 4. Jahrb. bis nach Alexander,
IV. Hellenistische Zeit, V. Mitte des 2. Jahrh. bis Ende der römischen
Republik, VI. Römische Kaiserzeit — sowie nach der geographischen
Lage der Heimat. — B. Inschriften mit nicht gesichertem Bezug auf
Bildhauer. C Antike, aber nicht ursprüngliche, D. Verdächtige oder
gefälschte Signaturen. — Teil II: Künstlererwähnungen. A. An Kunst-
werke anknüpfend, B. Künstler im öffentlichen und privaten Leben und
Künstlerfamilien. — Die Benutzung des Werkes wird wesentlich erleich-
tert durch acht reichhaltige Indices; ein neunter, der alle in den Künst-
lerinschriften vorkommenden Personennamen enthalten soll, wird für ein
das neuerdings hinzugekommene Material umfassendes Nachtrageheft in
Aussicht gestellt.
Choisy, £tudes epigraphiques sur Tarchitecture grecque. Paris
1884. VII, 233 S. avec fig. et planches. 4. - Rez.: Egger, Journal des
Savants 1884, April, S. 230 f. E. Fabricius, Berl. philol. Wochenschr.
n. 86 Sp. 1113- 1120, n. 37 Sp. 1145—1150. de Ceuleneer, Revue de
l'instr. publique en Belgique Bd. 27 S. 406-412. — Vier getrennt er-
schienene Abhandlungen über griechische Bauinschriften sind unter obigem
Titel in einem Band vereinigt: 1) unter dem Spezialtitel: L'arsenal du
Piree die grofse Inschrift über die Skeuothek des Philon CIA II 1054
(vgl. Hermes XVII, 5 52 ff.); 2) unter: Les murs d'Athenes die von 0.
Müller zuerst erklärte Mauerbauinschrift CIA II 167; 3) Besprechung
der auf den Bau des Erechtheions bezüglichen Urkunden; 4) Baukon-
trakt aus Lebadea Athen. IV, 454, wiederholt und interpretiert von Fa-
bricius, De architectura Graeca, Berlin 1881. — Ein Anhang enthält
das Verzeichnis der übrigen auf die Architektur bezüglichen Inschriften
mit kurzen Inhaltsangaben, einem Verzeichnis technischer Ausdrücke mit
französischer Übersetzung und einen Generalindex. Jeder Untersuchung
ist der griechische Text mit französischer Übersetzung voraufgeschickt;
es folgen ausführliche archäologische Bemerkungen. Aufser Inhaltsüber-
sicht und griechischem Wortverzeichnis sind jeder Untersuchung Tafeln
in Kupferstich mit erläuternden Zeichnungen beigegeben. — Vor Choisys
Abhandlung unter 1) verdient Dörpfelds gleichzeitig erschienene, auf
genauerer Textinterpretation beruhende Rekonstruktion der Skeuothek
(MD AI VIII, 147 ff.) den Vorzug. 2) bringt verschiedene höchst ein-
leuchtende neue Ansichten. L^nbeachtet geblieben ist die Datierung
I. Allgemeines. 397
Köhlers (MDAI V, 276) auf 307/6 v. Chr. Für eine abschliefsende Be-
handlung der 3) Erechtheioninschriften , unter welchen die Athen. VII,
482 f. veröffentlichten Rechnungsablagen das Hauptinteresse in Anspruch
nehmen, ist vor gänzlicher Aufräuraung der Ruine der Zeitpunkt noch
nicht gekommen. Abhandlung 4) ist der schwächste Teil des Werkes.
Die längst angezweifelte Glaubwürdigkeit des für die griechische
wie lateinische Epigraphik gleich wichtigen Kyriacus (er schrieb seinen
Namen halbgriechisch mit K) von Ancona kann nunmehr als erschüt-
tert gelten, und moderne Inschriftfälscher mögen den biedern Ankoni-
taner als ihren Schutzpatron verehren. — Zuerst erwies Mommsen,
Über die Berliner Exzerptenhandschrift des Petrus Douatus,^) in den
Jahrbuch, der königl. preufs. Kunstsammlungen IV 1883 S. 75. 78 das
dreiste Verfahren des Falsarius an einem schlagenden Beispiel: Letz-
terer will nach f. 81^ seines Berichts ein aus zwei Hexametern bestehen-
des Epigramm auf einem von Hesiod selbst den helikonischen Musen
geweihten Dreifufs »Atticis consculptü litteris« an Ort und Stelle ge-
lesen haben; in Wahrheit stammt »die helikonische Ortsangabe aus dem
von ihm zitierten Gellius, der Text aus der Pianudeischen Anthologie
(A. P. 7, 53), das Übrige ist freie Erfindung«. — Hierauf unterzog Ku-
bitschek auf grund sorgfältiger Abschriften die von Kyriacus über-
lieferten Texte einer eingehenden Prüfung und vervollständigte in den
Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884 S. 102f. das Belastungs-
material durch den Nachweis von vier weiteren Fälschungen: 1) Das
aus einem Distichon bestehende Grabepigramm der Sappho f. 82'" und
90^ (an letzterer Stelle von Donatus nachgetragen) = CIG 3555, an-
geblich in Pergamon gefunden, ist identisch mit einem dem Antipater
Thessalonicensis zugeschriebenen Epigramm der Anthologie (A. P. 7, 15).
2) Das aus zwei Hexametern bestehende Epitaphion Homers f. 82 unten
= A. P. 7, 3 {äorjXav). 3) Das Epigramm einer Alexanderstatue = PI. 4,
120 vs. 3. 4 CApyzXdoo^ ol 8k 'AaxXrjmdoou). 4) Die auf Herod. 1, 187
zurückzuführende Erzählung des Plutarch, apophth. reg. et imp. s. v.
Isjupdixtdog VI p. 661 Reiske und des Stobäus 10, 53 von der Auf-
schrift des Grabmals der Semiramis, in welcher dieselbe denjenigen ihrer
Nachfolger, der des Geldes bedürfe, auffordert, ihr Grabmal zu öffnen,
worauf Darius, dieser Aufforderung entsprechend, durch eine im Grab-
mal vorgefundene Inschrift wegen seines Golddurstes, der ihn bewege,
die Ruhe der Toten zu stören, gestraft worden sei, hat unserm Ge-
währsmann gleichfalls das Material zu ein paar Inschriften (f. 82) geliefert.
Sein Text schliefst sich fast wörtlich an Plutarch und Stobäus an.
1) Diese aus dem Hamiltonschen Nachlasse nach Berlin gebrachte Hand-
schrift (prov. n. 458) enthält u. a. einen eigenhändigen Bericht des K v. A.
über seine griechische Reise 143.5/36 an Petrus Donatus.
398 Griechische Epigraphik.
II. AtticH (nebst SalaDDis).
1. Allgemeines.
Corpus inscriptionum Atticarum consilio et auctoritate acad. litt,
reg. Boruss. editum. Vol. IL Inscriptiones Atticae aetatis quae est
inter Euclidis annum et Augusti tempora edidit Ulricus Koehler.
Pars altera, tabulas magistratuum , catalogos nomiiium, instrumenta
iuris privati continens. Berol. 1883. VllI, 539 S. Imp.-4. 54 Mk.
— Rez.: Larfeld, Berl. philol. Wocheuschr. 1884 n. 1 Sp. 9-12. H.
Droysen, Mitteil, aus der histor. Litt. XII 1884, S. Iff. ; mit bequemer In-
baltsübersicht S. 6 — 16. — Von den im Titel angegebenen drei Teilen,
in die das Werk zerfällt, umfafst der erste n. 642 — 856, der zweite
n. 857 — 1052, der dritte n. 1053—1153. Die Beigabe umfangreicber
Addenda et Corrigenda (S. 506 — 539) erwies sich als notwendig durch
die gleichzeitig mit Erscheinen des Werkes an der Ostseite der Akro-
polis und in Eleusis unternommenen Ausgrabungen. Die Publikation
beruht gröfstenteils auf Autopsie der Steinurkunden. Dieselbe ist um
so verdienstvoller, als es bisher an einer übersichtlichen Zusammen-
stellung des umfangreichen, seit dem Erscheinen des CIG neugefundenen
Inschriftenmaterials vollständig gebrach. Peinlichste Sorgfalt in der Be-
arbeitung, gewissenhafteste Berücksichtigung früherer Publikationen und
sachkundige Anordnung charakterisieren die Sammlung. Eine Fülle bis-
heriger Anschauungen über die attischen Antiquitäten erfährt durch die
neuereu Funde Berichtigungen, bzw. genauere Fixierungen.
Corpus inscriptionum Atticarum etc. Vol. IV supplementacom-
plexi partis primae fasc. II, supplementorum voluminis primi partem
alteram continens. Composuit A. Kirchhoff. Berol. 1887. S. 57 — 132.
Imp.-4. Inhalt: I. Decreta senatus, populi, pagorum (S. 57 — 69).
IL Täbulae magistratuum (S. 70 — 77). III. Donariorum tituli (S. 78
— 106). IV. Monumenta sepulcralia (S. 107 119). V. Termini (S. 120
—123). VI. Fragmenta incerta (S. 124. 125). Varia (S. 126-132).
— Das vorliegende zweite Supplementheft bildet eine Ergänzung des
ersten (1877).
Über die sprachliche Ausbeute der attischen Inschriften vgl.
die von v. Bamberg, Jahresber. XII 1886 S. Iff. verzeichnete Litteratur.
Hier seien erwähnt:
Meisterhans, Grammatik der attischen Inschriften. Berlin 1885.
VI, 119 S. gr. 8. 4 Mk. — Rez.: Riemann, Revue de philol. IX 1885
S. 169 — 184. Hinrichs, DLZ n. 51 Sp. 1821. 1822. Lautensach, Wochen-
schrift f. klass. Philol. 1886 n. 8 S. 225—236. J. Wackernagel, Philol.
Anzeiger XVI 1886 S. 65-81. E. S., LCB 1887 n. 53 Sp. 1822. E.
L. H. , Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 299-302. — Inhalt:
11. Attica. 399
Kap. I: Schrift (attisches und ionisches Alphabet und Lesezeichen) S. 1 — 4.
II. Lautlehre (Vokalismus S. 5 — 34, Konsonantismus S. 34-47). III.
Flexionslehre (Deklination S. 48-74, Konjugation S. 74— 89). IV. Syn-
tax (S. 89 — 109). Sach- und Wortregister S. 110-119. — Das reiche
inschriftliche Material ist knapp, jedoch mit Angabe fast sämtlicher Be-
legstellen (in 836 Noten unter dem Text) zusammengefafst. Leider konnte
dasselbe nicht allseitig ausgebeutet werden, da das CIA noch nicht ab-
geschlossen vorliegt. Die bisherige Litteratur über den attischen Dia-
lekt hat Verwertung und zum teil Berichtigung gefunden. Als Hand-
buch der Orthographie und dereu historischeu Entwicklung leistet das
Buch wesentliche Dienste für die Kontrole der alexandrinischen Gram-
matiker. Kein Herausgeber attischer Autoren wird hinfort, ohne diese
Resultate zu kennen, den Text gestalten dürfen. — Nach Ausweis der
Inschriften findet sich beispielsweise e für unechtes et. ziemlich konse-
quent bis 380, einzeln bis 334, u für ou bis 360, bzw. 270 v. Chr.
Die richtige Schreibung vieler Wörter wird festgestellt, sowie der Unter-
schied von £? und e;?, evexa und svsxsi», /lerä und «ryv. tva »wo« findet
sich nur ohne Verbum, nie ionisches snrjv, r^v, einfaches finales otto};
(ohne av) c coni. erst 343 v. Chr.
Lautensach, Verbalflexion der attischen Inschriften. Progr. des
herzogl. Gymnasium Ernestinum. Gotha 1887. 26 S. 4. — Bez.: Mei-
sterhans, Neue philol. Rundschau 1887 n. 18 Sp. 283. Hecht, DLZ n. 30
Sp. 1079 f. — Im Gegensatze zu Meisterhans (s. o.), den im ganzen das
Singulare beschäftige, ist in dieser äufserst sorgfältigen Arbeit eine voll-
ständige Verarbeitung des Stoffes erstrebt, da das Regelmäfsige nicht
weniger Beachtung verdiene, als das Unregelmäfsige. Der Überblick
über die Verbalflexion ist bis gegen das Ende des 1. Jahrb. v. Chr. aus-
gedehnt, wobei sich auch für die von Meisterhans behandelten Punkte
einige Nachträge ergeben.
Hecht, Orthographisch-dialektische Forschungen auf grund atti-
scher Inschriften. I. Progr. des Wilhelms -Gymnasiums zu Königsberg.
1885. 37 S 4 (Leipzig, Fock. 1 Mk). Bez.: Sitzler, Neue philol. Rund-
schau 1886 Sp. 28. 29. J. Wackernagel, Philol. Anzeiger XVI 1886
S. 81—83. — II. Progr. des Gymnasiums zu Gumbinneu. 1886. 16 S. 4.
(Leipzig, Fock. 60 Pf.). Rez.: Blafs, LCB 1886 n. 48 Sp. I716f.
Sitzler, Neue philol. Rundschau 1887 n. 5 Sp. 79 f. — Auf grund stati-
stischer Tabellen gelangt Verfasser zu folgenden Hauptresultaten (I):
Verstummte Laute werden nicht mehr geschrieben (stummes v ver-
schwindet um 120 v. Chr.). Wenn die Aussprache zwischen zwei Lau-
ten schwankt, so nimmt sie das Schriftzeichen jenes Lautes an, zu dem
sie sich hinneigt ; daher Übergang von a^, sc, oe zu «, e, o: Iktpacsug —
JlsifjaoOg, r.oisTv — nosTv. Auslautendes v in £v, zöi', -//v u s. w. sprach
man zwischen 430 und 350 v. Chr. wie /i vor ß, n, ^, (p, wie nasales
Y vor ^, X, /, dem folgenden Laute gleich vor ^ und fj. (II) sc statt rji
400 Griecliische Epigraphik.
ist seit Ende des 4. Jahrh. Iconsequent beibehalten wordeu. Bis ca.
100 V. Clir. wurde et als Diphthong mit Betonung des ersten Bestand-
teiles gesprochen, ytyvojxac sprach man bis nach 300 v. Chr. , von da
ab ylvoiiai bzw. ys.tvuiim. zx scheint erst seit Hadriau durch aa ver-
drängt worden zu sein {ßaathaaa) u. s. w.
Schmolling, Über den Gebrauch einiger Pronomina auf atti-
schen Inschriften. Progr. des Mariengymnasiums zu Stettin. 1882.
20 S. 4. Rez.: Saalfeld, Piniol. Rundschau 1884 n. 38 Sp. 1215 f. —
Untersuchungen über den epigraphischen Gebrauch von oq, oazcg in der
nacheuklidischen Periode. Man bemerkt ein Schwinden von Formen,
die allzu üppig dem Boden der Sprache entsprossen waren, hier und da
auch die künstliche Wiedererweckung einer schon veralteten Form.
Riemann, Le dialecte attique d' apres les inscriptions. Revue
de Philologie IX 1885 Heft 1 liefert manche wertvolle Ergänzungen der
vorigen Schriften.
Von den Arbeiten, welche die archäologische Seite der atti-
schen Epigraphik zum Gegenstande haben, ist zu nennen:
Miller, De decretis Atticis quaestiones epigraphicae. Diss. Bres-
lau 1885. 57 S. 8. 1 Mk. - Rez.: Heydemann, Wochenschr. f. klass.
Philol. 1886 n. 15 Sp. 453-455. Hinrichs, DLZ n. 1(5 Sp. 557-559.
Seeliger, Philol. Anzeiger XVII 1887 S. 7 f. Ausführliche Behandlung
von Hinrichs, Griech. Epigraphik S. 451 ff. — Die Hartelsche Theorie
über das Zustandekommen athenischer Staatsdekrete wird einer eingehen-
den Prüfung unterzogen. Kap. I handelt von dem Unterschiede der pro-
buleumatischen Dekrete und der Volksdekrete. Erstere sind Beschlüsse,
die auf grund eiues Vorschlages der Bule zu stände kommen; sie haben
entweder 1) das Präskript ioo$s r^ ßoulj^ xat zw Sr^/j.w mit probuleu-
matischer Formel (von Euklid bis Augustus), oder 2) dasselbe Präskript
ohne die probuleumatische Formel (vor und nach Euklid bis Ol. 98),
oder 3) das Präskript £oo$e rw 8^/j.w mit probuleumatischer Formel
(nach Ol. 124). Letztere sind Volksbeschlüsse, denen ein in der Volks-
versammlung gestellter Antrag (oder mehrere) zu gründe liegt, nachdem
die Bule in ihrem Probuleuma keine bestimmten Vorschläge gemacht
und die Entscheidung dem Volke überlassen hatte; sie haben stets das
Präskript ido^s zw S^/jloj ohne probuleumatische Formel (von Euklid
bis Augustus). Kap. II handelt über Dekrete, welche Zusatzanträge
(Amendements) enthalten. In Kap III werden einige Dekrete erläutert,
aus welchen Hartel hauptsächlich doppelte Lesung in der Volksversamm-
lung folgern zu müssen glaubte.
Für die epigraphisch-chronologischen Arbeiten sei auf den
Jahresbericht von A. Mommsen in diesen Blättern Bd. XIII 1885 Heft 10
— 12 verwiesen.
II. Attica. 2. Rats- und Volksbeschlüsse. Edikte. 401
2. Rats- und Volks beschlüsse (Ehrendekrete S. 417 ff.).
Edikte').
Köhler, MDAIIX 1884 S. Il7ff. (CIA IV 2, la. Roberts n. 45). svo-seo
Vier Fragmente einer 12 zeiligen Inschrift von der Akropolis (Z. 1—6
(TTot^riOüV^ die Buchstaben der folgenden in unregelmäfsigen Zwischen-
räumen) enthalten einen Volksbeschlufs, der augenscheinlich mit der Be-
sitznahme von Salamis in Verbindung stand: Gleichstellung der Bewohner
von Salamis — ohne Zweifel attischer Kleruchen — in bezug auf finan-
zielle und militärische Leistungen mit athenischen Bürgern, Bestimmun-
gen über Verpachtung von Grundstücken, die jene besafsen, falls sie
ihren Wohnsitz aufserhalb der Insel nehmen würden. — Der Beschlufs
kann nicht viel jünger sein, als die definitive Besitznahme der Insel durch
die Athener (letztere nach Dunckers, Gesch. des Altert. VI ^ S. 244ff.
überzeugender Ausführung zwischen 575 und 559); er fällt etwa zwischen
570 und 560 v. Chr. Aus der Beschaffenheit der Bestimmungen läfst
sich schliefsen, dafs dieselben dem öffentlichen Recht der Athener noch
neu waren; wie auch die Bezugnahme auf die salaminischen Einrich-
tungen in späteren Kleruchenurkunden dafür spricht, dafs Salamis die
erste athenische Kleruchie war. Die Inschrift liefert den bisher ent-
behrten Beweis, dafs unsere geschichtliche Überlieferung bis ins 6. Jahrh.
hinein sich auf urkundliches Material stützt.
Kumanudes, 'E(p. dpx- 1884 Sp. 161 — 164. Taf. 10. Verbesse- 4i8
rungen Sp. 224 (CIA IV 2, 53 a). — Psephisma aus dem Archontat des
Antiphon (418 v. Chr.), ausführlich besprochen von E. Curtius in der
Sitzung der archäol. Gesellschaft zu Berlin vom 5. Mai 1885 (vgl. die
Ausführungen desselben in den Sitzungsber. der Akad. der Wissensch.
1885 S. 437 ft". mit einer die Lage des Heiligtums darstellenden Karten-
skizze von Kaupert); genaue sprachliche und sachliche Prüfung von
Wheeler, American Journal of archaeology III 1887 S. 38 49. Taf. 3. 4.
Die Urkunde bezieht sich auf die Säuberung und Verpachtung des ein
Heiligtum des Kodros, des Neleus und der Baatkrj umschliefsenden hei-
ligen Bezirks, der in einer von einem Graben durchfiossenen Niederung
lag, zum Zweck einer Wiederherstellung. Der Graben soll gereinigt und
der Schlamm (als Dünger) verkauft werden; dann soll der heilige Be-
zirk eine neue Einfriedigung und eine Bepflanzung von mindestens 200
Ölbäumen erhalten. Der Pächter soll über den Graben und alles Regen-
wasser des Bezirkes verfügen, dessen vier Grenzen genau angegeben
werden. Von den drei Inhabern des Heiligtums wird auch Neleus allein
und nach ihm das Ganze Neleion genannt; dasselbe war also ein Heroon
des Sohnes des Kodros, des Gründers der ionischen Städte. Die Ver-
1) Die auf Delos gefundeuen Urkunden s. XII. unter üelus.
Jahresbericht flir AUertbumswissenBchaft LH. (1887. III.) 26
402 Griechische Epigraphik.
anlassung für die Athener, gerade diesem Heiligtum wieder ihre Auf-
merksamkeit zuzuwenden, mochte in der Absicht begründet sein, den Zu-
sammenhang Athens mit den ionischen Kolonieen, wie er sich in der Per-
son des Neleus, dem legendarischen Führer der attischen Kolonie nach
Milet, verkörpert, gerade in jener Zeit besonders zu betonen. Vermut-
lich war jene Stiftung zur Zeit des Themistokles ei-folgt, als es sich um
die Beteiligung Athens am ionischen Aufstand handelte. Das im Ein-
gange des platonischen Charmides erwähnte kpuv r^g Baathx^g, wie
unsre Ausgaben lesen, oder zrjg Baadrjg, wie zwei der besten Hand-
schriften haben und offenbar zu schreiben ist, ist kein andres, als das
in der Inschrift genannte. Somit wird durch diesen Fund die Szenerie
jenes Dialogs festgestellt und werden Löschckes (Vermutungen zur griech.
Kunstgesch. und zur Topographie Athens S. 7) Mutmafsungen teils be-
stätigt, teils modifiziert. Mit Hülfe der Inschrift läfst sich die Lage der
Heiligtümer in der Nachbarschaft des Dionj^sosbezirks und nicht weit
vom itonischen Thore bestimmen. Die Basile ist eine Personifikation
des alten Königtums, von der sich Spuren auch in dem Volksmärchen
von Basileia, der Uranostochter, der Erzieherin ihrer Geschwister, finden.
Wahrscheinlich waren nach einheimischer Überlieferung auch Kodros'
Überreste von dem Platze, wo er gefallen, hierhin gebracht, wie ja das
Kodros-Epigramm Kaibel 1083 auch beide Stätten unterscheidet und mit
dem Ende des Königtums die Gründung der Dodekapolis von lonien
verknüpft.
vor 403 Derselbe, 'E^. äpx- 1885 Sp. 211ff. n. 8 (CIA IV 2, 34). Agora.
Drei Fragmente einer Stele, von denen zwei in elf Zeilenresten den An-
fang eines voreuklidischen Psephisma betreffs des cspbv roTv 'Avdxocv (der
Dioskuren) und der Verwaltung desselben enthalten. Das dritte, zu der-
selben Stele gehörige Fragment läfst sich nicht unmittelbar mit den
beiden andern verbinden, ergänzt jedoch ein viertes Bruchstück, CIA I 34.
desgl. Derselbe, 'E<p. dpx- 1883 Sp. 167ff. n. 1 in Minuskeln. (CIA
IV 2, 35b). Museum der arch. Gesellsch. zu Athen n. 3674. -- Wich-
tiges Fragment eines voreuklidischen azoi^rjdov geschriebenen Psephisma
in betreff der Feier von Festen des Hephaistos und der Athena. Vgl.
Scholl, Sitzungsber. der kgl. bayr. Akad. d. Wiss. philol.-histor. Klasse
1887 S. Iff.
desgl. Derselbe, a. a. 0. Sp. l70f. n. 2 in Minuskeln. (CIA IV 2, 35c).
Museum der arch. Gesellsch. n. 3718. — Fragment eines voreuklidi-
schen Psephisma, in welchem es sich um Aussendung von Trieren zu
handeln scheint; wahrscheinlich aus der Zeit des peloponnesischen Krieges.
Z. 15: iy Maxeoovtag scheint sich auf die Verhältnisse Athens zu Ma-
cedonien zu beziehen ; vgl. hierzu CIA I 40—43. - Einen Herstellungs-
und Erklärungsversuch unternimmt auf grund einer zuverlässigeren Ab-
II. Attica. 2. Rats- und Volksbeschlüsse. Edikte. 403
Schrift von Köhler Kirchhoff, Sitz.-Ber. der Akad. der Wiss. zu Berlin
XV 1886 S. 303-314.
Derselbe, 'E(p. dp^. 1885 Sp. 163; Faks. n. 2. (CIA IV 2, 62a). vor 403
Arg verstümmelter Anfang eines Volksbeschlusses, in welchem vielleicht
Euktemon, der Archon des Jahres 408 v. Chr., erwähnt wird. Z. 4:
Derselbe, "E^. dp;^. 1886 Sp. 95 f. n. 1. 2. (CIA IV 2, 116 q. p). desgl.
Schlufsreste zweier aToiyr^ouv geschriebenen voreuklidischen Volksbe-
schlüsse.
Foucart, BCH XI 1887 S. 144. Fragment eines Eats- und Volks- 394/3
beschlusses aus dem Archontat des Eubulides (Ol. 96, 3 = 394/3 v. Chr.),
in welchem von dem Bunde mit Eretria die Rede war. Präskript: Eps.-
~ptiw\y — (2) xai 'AHrjv[aauv — .
. Köhler, MD AI VII 1882 S. 3 13 ff. Aus drei sehr verstümmelten, 339/8
16 - 17 zeiligen Fragmenten bestehende Inschrift, deren zweites bereits
von Kumanudes, Athenaion VI S. 270 mitgeteilt wurde. Das durch eine
thasische Gesandtschaft veranlafste Psephisma giebt eine weitere Bestäti-
gung der von Swoboda, MD AI VII S. 187 ff. aus einem die Klazomenier
betreffenden Volksbeschlusse der Athener aus Ol. 98, 2 = 387/6 v. Chr.
(vgl. Röhl I, 13) hergeleiteten Annahme, »dafs Athen in der Zeit nach
der Vernichtung der spartanischen Flotte bei Knidos den Versuch, seine
Herrschaft über die Seestädte wiederherzustellen, gemacht und nament-
lich von den in seiner Botmäfsigkeit befindlichen Städten das Zwanzig-
stel von der Ein- und Ausfuhr zur See, ttjV im dpaaoßoüloo sixoarrjv,
wie es in dem Psephisma heifst, erhoben habe.« Zu den Ausführungen
Swobodas bemerkt Köhler, dafs, wenngleich der Versuch der Wiederher-
stellung der athenischen Seeherrschaft von der Expedition des Tbrasy-
bulos — wahrscheinlich 390/89 - nicht getrennt werden könne, doch
die nach ihm benannte Steuer ins 5. Jahrb. zurückdatiert werden zu
müssen scheine. Athen sah sich genötigt, von dem direkten zum in-
direkten Besteuerungssystem überzugehen, weil die EinSchätzungssummen
der Bundesgenossen während des Krieges nicht regelmäfsig abgeliefert
wurden (vgl. Thuk. 7, 28, 4); auch sahen die Griechen des 5. und
4. Jahrb. in der direkten Steuer ein dem Freistaat fremdes, nur als
aufserordentliche Mafsregel in Kriegszeiten zulässiges Institut. Die Steuer
selbst wurde vom Staate nicht durch Beamte erhoben, sondern an Pächter
gegen Garantie verkauft. — Den Eigennamen Zt^olpüvrjg Z. 14: ergänzt
Köhler nach dem von Foucart, Revue arch. XXXV 1878 S. 118 ff. (Röhl
a. a. 0.) zusammengesetzten Psephisma aus Ol. 96, 3 und hält den dor-
tigen Träger desselben für identisch mit dem in unserer Urkunde er-
wähnten. Dadurch würde die thasische Herkunft des ersteren wahr-
scheinlich. Iphikrates und Diotimos haben zur Zeit der zweiten Reise
26*
404 Griechische Epigraphik.
des Antalkidas nach Snsa das athenische Kegiraent im thrakischeu Meere
wiederhergestellt (Xen. Hell. 5, 1, 7. 25) und dadurch die thasische Ge-
sandtschaft veranlafst. Das Psephisma fällt demnach in das Jahr 389/8
V. Chr., in die Zeit zwischen dem Seezuge Thrasybuls und dem Beschlufs
über Klazomenai.
385/4 Kumanudes, 'E(p. dp-/. 1886 Sp. 97 n. 3. Verstümmelter An-
fang eines aror/rjohv geschriebenen Psephisma: 'Em Js^cl&duu äp^ovrog
(Ol. 98, 4 = 385/4 v. Chr.).
373 Swoboda, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich VII 1883 S. 36 ff.
möchte das von A. Schäfer und Köhler auf ein Bündnis der Athener
und Lacedämonier mit Amyntas II. von Macedonien zum Zweck der
Wiedereinsetzung des letzteren bezogene und auf 382 v. Chr. fixierte
Fragment eines Psephisma (CIA II add. n. 15'' S. 397. 423) auf das
Jahr 373 beziehen. Gründe hauptsächlich S. 41 f.
nach358 Kumanudcs, %'. dp-(. 1886 Sp. 97f. n. 4. Fragment {(TToc;(r^§ov)
• eines Bündnisses der Athener mit dem nach Ermordung des Thraker-
königs Kotys 358 V. Chr. zur Herrschaft gelangten Sohne desselben Ker-
sebleptes (so dreimal) und zwei andern: Berisades und Amadokos. Ein
Z. 2 erwähnter Medodokos ist unbekannt.
_329/8 Köhler, MDAI VIII 1883 S. 211 ff. mit einer Beilage. SOzeilige,
wohl erhaltene Marmorplatte , auf welcher fünf einen Salaminier Hera-
kleides betreffende Aktenstücke verzeichnet sind. Das oberste, ein Volks-
beschlufs aus Ol. 113, 4 = 325/4 v. Chr., in welchem die Errichtung einer
Stele angeordnet wird, fällt zeitlich am spätesten. Erst von dem zweiten
Stücke an (Z. 29-46) liegt der Aufzeichnung die chronologische Reihen-
folge zu gründe; dasselbe giebt die Resultate der folgenden Akten*
stücke.
Volksbeschlufs: Der Grofshändler Herakleides aus (dem kyprischen)
Salamis soll, weil er zuerst Athen während der Teuerung mit wohlfeilem
Getreide (3000 Medimnen zu 5 Drachmen Z. 56 f.) versorgt hatte, durch
Verleihung eines goldenen Kranzes ausgezeichnet werden. Da der Ge-
ehrte jedoch auf einer weiteren Fahrt von den (pontischen) Herakleoten
aufgegriffen und sein Fahrzeug der Segel beraubt worden war, soll ein
athenischer Gesandte an den Tyrannen Dionysios von Herakleia entsandt
werden mit der Bitte, dem Herakleides die Segel wieder auszuliefern
und in Zukunft nach Athen bestimmte Schiffe nicht zu belästigen. Aus
Z. 32, verglichen mit V, Iff. und I, 6 ff., geht hervor, dafs dieses Akten-
stück unter dem Archontat des Kephisophon Ol. 112,4 = 329/8 v. Chr.
votiert war. Die Vorgeschichte jenes Psephismas war folgende: III Z. 47
— 51. Volksbeschlufs, durch welchen die Bule angewiesen wird, ein Pro-
buleuma betreffs Herakleides einzubringen. IV Z 52 - 66. Probuleuma-
tischer Beschlufs der Bule zu Ehren des Herakleides: Derselbe soll mit
II, Attica. 2. Rats- und Volksbeschlüsse. Edikte. 405
einem goldenen Kranze von 500 Drachmen geehrt und dem Volke an-
heimgestellt werden , demselben weitere Vergünstigungen zu teil werden
zu lassen (welch letztere durch die Verwendung bei dem Tyrannen Dio-
nysios zum Ausdruck gelangten). V Z. 67 - 80. Probuleuma des Rates
für Herakleides, weil derselbe sich an den öffentlichen Beiträgen für den
Ankauf vou Getreide mit 3000 Drachmen beteiligt hatte (Ol. 113, 1 =
328/7 V. Chr.). I Z. 2—28. Volksbeschlufs zu Ehren des Herakleides
aus Ol 113, 4 = 325/4 V. Chr., wonach derselbe mit einem goldenen
Kranze und den Rechten eines Proxenos und Euergetes geehrt werden
soll. (Dieser Teil der Urkunde bestätigt die Entdeckung Useners. Rhein.
Mus. XXXIV, 392 f. 420 ff., dafs die Athener die Tage /mst slxdSag rück-
läufig gezählt haben und dafs das Jahr Ol 113, 4 eiu Schaltjahr gewesen
sei — vgl. Röhl.I, 7 f.). Wie IV dem II. Stück, so liegt V dem I. zu
gründe, da es das Probuleuma zu letzterem enthält. — Mit Hülfe der
Inschrift läfst sich in der Schilderung der Teurung bei A. Schäfer, De-
mosthenes III, 268 f. einiges genauer fassen: Im Jahre 330 war die Not
da, sie dauerte 328 noch fort und war 325 überwunden. 330 war von
einer Anzahl von Grofshändlern Frucht zu ermäfsigtem Preise eingeführt
und zwei Jahre später freiwillige Beiträge zum Ankauf von Getreide ein-
gerichtet worden. Hiernach bestimmt Köhler das Datum der Rede des
Demosthenes gegen Phormion. Ist letztere nach 38 f. ein Jahr nach den
öffentlichen Beiträgen gehalten, so fällt sie in das Jahr Ol. 113, 2 =
327/6 V. Chr.
Kumanudes, 'E(p. dp^. 1886 Sp. lOOf. n. 7. Fragmentiertes Prä- 324/3
Skript iaxuf/rßüv) aus dem Archontat des Hegesias (Ol. 114, 1 = 324/3
V. Chr.).
Derselbe, a. a. 0. Sp. 101 n. 8. Fragment {azoiyriohv) eines vor3i8/7
Präskripts, in welchem wahrscheinlich der bekannte Redner Demades
(ermordet 318/7 v. Chr.) als Sprecher figuriert.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 102 n. 9. Fragmentiertes Präskript (axoi.- 304/3
X^jOuv), mit CIA II 1, 256 zusammengehörig, somit aus dem Archontat
des Pherekles (OL 119,1 = 304/3 v. Chr.). Es handelt sich u. a. um
ein äyaXjxa.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 107 n. 15. Reste dreier Zeilen, wahrschein-
lich auf die Aufnahme eines ^evog unter die Bürger bezüglich.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 12 ff. n. 6. Fragment eines (Tzoty^rjdov ge- Anfang
schriebenen Volksbeschlusses, in welchem der Name der prytaniereuden hund.
Phyle vorsätzlich getilgt ist. Da 11 Buchstaben fehlen, so läfst sich der-
selbe nur zu ^AvriYovtdog oder ilr^mz/jiddog ergänzen. Gleicherweise ist
der Name der Phyle auch in dem Psephisma CIA II 1, 307b aus dem
Archontat des Thersilochos (289 oder 288 v. Chr.) getilgt. Aus jener
Zeit stammt wahrscheinlich auch unser Fragment.
406 Griechische Epigraphik.
-268 Scholl, Hermes XXII 1887 S. 561 ergänzt das Dekret Kuma-
nudes, Athenaion VI, 271 aus den Jahren 276—272 oder 269/268 v. Chr.
V. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitt. aus Österreich X 1886 S. 244.
— CIA II 1, 476 Z. 21 ist zu lesen: /li-pw )fujpoüVT[c] dTi6[il>]rj(7Ta
otTTjpä rj[ix\r/\u}ivtxca rpia^ »denn nur ein gestrichenes Mafs kann als
Mafsstab für ein anderes Mafs dienen.«
136 Kumanudes,'£'^. äpy. 1885 Sp. 169. Fragmentierter Anfang eines
Volksbeschlusses aus dem Archontat des Nikodemos (nach Dumont, Fastes
eponymiques d'Athenes = 136 v. Chr.)-
Dragatses, Parnassos VII 1884 S. 184. Piräus. Achtzeiliges,
verstümmeltes Fragment, wahrscheinlich Bewilligung von Geldsummen für
Kultzwecke enthaltend Z. 2: Jcowaw^ Z. 4: JJuhddc 'A&rjva, Z. 8: xupcav
ehac xriv yvujixrjv.
Kumanudes, 'E<p. äpx- 1886 S. 107f. n. 16. 17. Fragmente {arot-
'/fjOüv) von Präskripten. — Sp. 105 n. 13. Geringe Schlufsreste (wahr-
scheinlich ixx). — Sp 114 n. 24. Reste aus römischer Zeit. — Sp. 100
n. 6, 103f. n. 10, 104 n. 11. Fragmente {cTotyrjdbv) ungewissen Inhalts.
Anhang.
Beschlüsse anderer Gemeinschaften. Privaturkunden.
r403 Milchhöfer, Berl. philoL Wochenschr. 1887 n. 46 Sp. 1452. Vor-
euklidisches Fragment aus dem Gebiete des bisher nicht festgelegten
Demos Sypalettos: Tu dsfioaiov [ße-{2)ßatov zov yps[pd-{S)rov roTg
d7:o8[ofi-{4:evocg tu 2^U7:{aX[eT-{5)Tcov äv reg im[T[<T-{Q)s^:(T£c Mj^aeug
[ni-{*l)pi\ I duaeug dva ... (8) . . ug n'ipi dfetX[£r-{Q)u] y^tUag 8pa-j(ix[äg
(10) T\ot xucvucTUi IJ[u7:-{ll)a\^STrcov ruva . . (12) . . zecov zu dpya[cü?
(13) x]pe[iazug.
V. Wilamowitz-Möllendorff, Hermes XXII 1887 S. 254f. er-
gänzt das Demengesetz der Skamboniden {(tzoi^t^Söv) CIA I l, 2C.
396 Kumanudes, '£^. dpy. 1883 Sp. 69ff. (CIA II 2, 841''). 2rof-
^r^dbv geschriebener Phratrienbeschlufs (des bisher unbekannten Ge-
schlechtes der Demotioniden) aus dem Archontat des Phormion (Ol. 96, 1
= 396 V. Chr.). Es wird der Anteil des Priesters an den Opferspen-
den der neu aufzunehmenden Phratores , sowie eine Revision des Auf-
nahmeraodus in verschärfter Fassung festgestellt. — Die Inschrift ist aus-
führlich behandelt von Szanto, Zur attischen Phratrien- und Geschlechter-
verfassung, Rhein. Mus. 40 1885 S. 506—520 und Gilbert, Fleckeis.
Jahrb. 185/136. 1887 S. 23—28.
Dragumes, 'E^. dpx- 1885 Sp. 183ff. giebt berichtigte Lesungen
und Ergänzungen zu dem Psephisma der Myrrhinusier. Athenaion III
1875 S. 687ff. = CIA 11 1,578.
II. Attica. 2. Beschlüsse anderer Gemeinschaften. Privaturkunden. 407
Bitten berger, Epigraphische Miscellen, in den »histor. und
philol. Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet«
Berlin 1884 S. 300 Anm. '2). in dem grofsen Psephisma der Bule und
des Demos von Oropos CIG 1570, am besten bei Newton, Greek in-
scriptions in the British Museum II p. 22 ff. n. CLX b Z. 29, wo flAA-
NIONOZ auf dem Stein steht, ist Iüd\^[yW^og zu lesen.
Köhler, MD AI IX 1884 S. 388. Fragment eines Thiasotende- nach 250
kretes auf den -a/xcag Theon, der unter dem Archonten Nikophon (un-
bekannt) sein Amt verwaltete, und einen ypafi/jLazeOQ, dessen Name nicht
erwähnt wird; datiert nach dem Archonten Dionysios. Beide Archonten
fallen in die Zeit nach der Mitte des 3. Jahrh. v. Chr.
Latischew, BGH VII 1883 S. 250 n. 2. Ein auf Tenos gefun- Rom.
^ Zeit.
denes Inschriftfragment enthält den Schlufs eines Briefes, welcher eine
öffentliche Angelegenheit, die in irgend welcher Beziehung zum Piräus
stand (Z. 6), behandelte. Erwähnt werden die Mitglieder des Areopag
und ihr Herold (Z. 1. 2.) Eine Beziehung auf die Bewohner von Tenos
ist aus dem arg verstümmelten Fragment nicht ersichtlich. Dem Schrift-
charakter nach weist der Herausgeber dasselbe der römischen Zeit zu,
in welcher der Areopag eine wichtige Rolle spielte und der Herold des-
selben zu den ersten Bürgern Athens zählte.
Bases, '/t^. dp;^. 1884 Sp. 97 ff. Amphiareion zu Oropos. Schreiben 73
der römischen Konsuln M.] Terentius M. f. Varro Lucullus und C. Cassius
L. [f. Long]inus an die Oropier. Letztere hatten Beschwerde erhoben
gegen die römischen Steuerpächter, die auch von dem durch Sulla ge-
schenkten Tempelbezirk des Amphiaraos Abgaben eintreiben wollten, in-
dem sie geltend machten, in der lex censoria seien nur die von Sulla
an Götter gemachten Schenkungen für abgabenfrei erklärt worden, Am-
phiaraos jedoch sei nicht zu denselben zu rechnen. Der Senat, von
dessen anwesenden Mitgliedern u. a. auch Mdapxog TuUcog Madpxou
uibg KopvYjXca Kcxipujv (vgl. de nat. Deor. 3, 18, 49; über die Person
der anderen wie über den Rechtshandel überhaupt s. Mommsen »der
Rechtsstreit zwischen Oropos und den römischen Steuerpächtern«, Her-
mes XX 1885 S. 268-285) verzeichnet ist, entschied in einer Sitzung
vom 16. Okt. 73 zu Gunsten der Bittsteller.
3. Tabulae magistratuum ').
Kumanudes, 'E<p. dpx- 1885 Sp. 161 mit Faks. (CIA IV 2, 277b). 4i5
Sechstes, 5 zeiliges Bruchstück der Herraokopidenliste aus dem Jahre 415
1) Die auf die attiscb-delische Amphiktyonie bezüglichen Urkunden, die
zwar auf Delos gefunden, jedoch wegen ihrer arui^7]3bv gehaltenen Schreib-
weise auf athenischen Ursprung zurückzuführen sind, s. XII unter »Dclusa.
408 Griechische Epigraphik.
V. Chr. (die vier ersten CIA I 274-277, vgl. IV 1 S. 35; ein fünftes
Athenaion VII, 205 ff., = CIA IV 2, 277a, vgl. Röbl I, 29; alle fünf
vereinigt SIG 37 — 41). Das neue Fragment schliefst sich an keines der
bisherigen an. Die in letzteren sich öfter wiederholende Redensart rwv
mpl äij.(pözepa möchte der Herausgeber auf den Hermokopidenfrevel und
die Vespottung der Mysterien beziehen.
403 Tsuntas, a. a. 0. Sp. 129 n. 1. Akropolis. Fragment des An-
fanges einer Übergabsurkunde der Schatzmeister der Athene und der
anderen Götter aus dem Archontat des Eukleides. Dasselbe bestätigt
die Ansicht Köhlers, CIA II 2, 642. 643, dafs die beiden bis dahin ge-
trennten Ämter in dem Amtsjahre des genannten Archonten vereinigt
worden seien. Merkwürdig ist, dafs aufser dem Schreiber statt der ge-
wöhnlichen zehn nur drei Schatzmeister begegnen.
nfang PhiHos, 'E<p. dfr/. 1886 Sp. 185-206; Nachträge Sp. 272. Eleusis.
K'lfn'd.' Auf beiden Seiten axotirßhv beschriebene (105 -H 90 Z.), arg verstüm-
melte Platte, enthaltend Bestimmungen über Baumaterial (namentlich Qua-
lität und Mafsverhältnisse der Steine), nach dem Herausgeber wohl für
den Bau der Stoa Pronaos des Eleusiuion. Aus dem Präskript: '£.ra-
GTaxat '' Elena tvluip) — folgt Raum für mindestens zehn Namen — ist zu
schliefsen, dafs die Materiallieferungen von den erwähnten Beamten ver-
dungen wurden. Als Baumeister figuriert ein sonst unbekannter Phila-
gros (A, 6). Die Stadt lieferte nur Blei und Eisen für die Steinklam-
mern und rpo^ch[ca]v ivrs^ (B, 90). Dem Schriftcharakter nach
(O neben OY, E neben El) fällt die Inschrift in die erste nacheukli-
dische Zeit.
396/4 Foucart, BCH XI 1887 S. 130. Piräus. 'Em /lco^dvTo{u) äp^ov-
{2)To{g), Sxtpofopiujvog (3) prjvüg, £{g] zä xaz' r/-{4:)/JL£pav ipya Qzüy-{b)em
To{b)Q XiBo{u)g äYo{o)at (6) juaBog \ HPA — (7) aior^ptiov pc-{8)
394/3 o&ög \ PHhH. — S. 131 f. Ebd. 'En Ebßo{u)Xc8oü äp^ovTo[g, (2) dnb
To(u) arjixe{t)o{u) dp^dpe-{3)vov ps^P^ ■^^(^) perüjn-{^)o{o) tmv Ttolwv rwv
xaxd (5) To 'A(ppo8tatuv im 0£${6)cä i^covrc FHHPAAAA' P-H*^)
aBcüirrjg) JrjpoaBevrjg B-i8)oc(ÜTco[g] a[u]Trji 7Tpaaa-{d)y<uyrj[c] rwv IcHcuv. —
Die aus dem Archontat des Diophantos (Ol. 96, 2 = 395/4 v. Chr.) und
des Eubulides (Ol. 96, 3 = 394/3 v. Chr.) stammenden Inschriften aus
der Zeit der Wiederherstellung der Befestigungswerke des Piräus durch
Konon sind wichtig für die Topographie des Piräus. Merkwürdig ist
die Vernachlässigung des spir. asper in Z. 3 der ersteren Inschrift: xaz'
rjpdpav.
374/3 Köhler, MD AI VIH 1883 S. I72ff. (CIA U 2, 789 b). Piräus.
Fragment einer azor/rjSov geschriebeneu Werfturkunde, zuerst heraus-
gegeben von Dragatses, Parnassos VI 1882 S. 763, von Foucart,
BCH VII 1883 S. 148 ff. nach einem Abklatsch wiederholt. Die Reste
II Attica. 3. Tabulae magistratuum. 409
der 92 Zeilen des Fragments verteilen sich auf 16 Trieren, von denen
8 zu den von Timotheos und Chabrias erbeuteten gehören. Diese 8 Ar-
tikel giebt Köhler nach neuer Abschrift. Hinter dem Namen des Ti-
motheos sind auf dem Stein jedesmal 8 bzw. 11 Buchstaben wegge-
meifselt, nach Köhler azparrjyolü] und tuu (TTpa7rjyo[b]. Da die Veran-
lassung zu der Tilgung des Aratstitels in dem Ausgang des im Nov. 373
V. Chr. = Ol. 101, 4 zur Entscheidung gekommenen Prozesses des Ti-
motheos zu suchen ist, infolge deren letzterer seines Amtes als Stratege
entsetzt wurde, und andrerseits die in den Werftinscbriften angeführten
Prisen des Chabrias und Timotheos, die nach Böckhs glaubhafter An-
nahme in den Seeschlachten bei Naxos und Alyzia (Ende Ol. 101, 1
= 376/5 V.Chr.) gemacht worden waren, erst zu Beginn von Ol. 101, 3
(die Angabe a. a. 0. S. 175 oben: Ol. 103, 3 beruht auf einem Druck-
fehler) = 374/3 V. Chr. in die Werfte übergeführt sein können, so ist
die Urkunde der Werftbeamten in letzteres Jahr zu setzen. — Den hier
zuerst wiederholt begegnenden Ausdruck ru -/f^ä^xw/ia zo avcu möchte
Köhler auf das oberhalb des Schiffsschnabels befindliche 7ipus/j.ßüAiov
beziehen.
Dragumes, MDAI IX 1884 S. 203f. schlägt folgende Lesungen
bzw. Ergänzungen vor:
CIA II 2, 674 Z. 25: yJcva]c nc^[rj<Tcoufjys7^.
» II 2, 678 B Z. 64: xMg d\/är\rud\-oq.
B II 2, 722 B Z. 14: {xleiq d.vd\KmaTog y^alxo^lr^x — .
(Von den beiden von Dragumes gebotenen Erklärungen für xXziq dvdnat-
(TTog dürfte die letztere; »mit dem Hammer gearbeitet« mit bezug auf die
Glosse bei Hesychios: dvanaiOTpioeg- afopcu napä zolg -^alKeumv den
Vorzug verdienen.)
CIA II 2, 835 Z. 67 f.: (rdpocov 8[{jo izepa'] Idamdsg zpscg — ;
Z. 70: Idamdeg ||| mit Heranziehung mehrerer Parallelstellen.
Kumanudes, 'E<p. dp^. 1885 Sp. 165ff. Faks. n. 3. Fragment ca. seo
eines Schiffsinventars; 73 Zeilenreste. Z. 42 wird ein Archon Kallide-
mos erwähnt; nach dem Herausgeber ist diesem das Jahr Ol. 105, 1 =
360 V. Chr., nicht - wie gewöhnlich der Fall — dem Archonten Kalli-
medes zuzuweisen.
P biliös, '%. dpy. 1883 Sp. 135 f. n. 12. Fragment einer Über- 356
gabsurkunde von Gegenständen, welche zuerst Leptines ix h'oc\Ärjg) den
Schatzmeistern der anderen Götter unter dem Archontat des Chariklei-
des (Ol. 104, 2 = 363 v. Chr.) übermittelte. Letztere hatten dieselben
den Epistaten zugestellt, während diese sie wieder unter dem Archontat
dos Elpinos (Ol. 106, 1 = 356 v. Chr ) ihren Amtsnachfolgern über-
geben. Aus letzterem Jahre datiert die Urkunde. — Ein Leptines aus
Küile wird von Demosth. gegen Androtion erwähnt. Vielleicht ist es
410 Griechische Epigraphik.
derselbe, gegen den jener seine Rede -»rtphg Jenrc'vrjv« schrieb (vgl
Schäfer, Demosthenes S. 358 ^).
Foucart, BCH X 1886 S. 452. Fragment einer Rechnungsur-
kunde, in welchem Zahlungen für Arbeiten an öffentlichen Gebäuden auf-
geführt werden. Z. 3 ist die Rede von Arbeiten am Odeon, Z. 7 von
solchen am Parthenon, Z. 8 an einem Altar. Dem Schriftcharakter nach
aus der 1. Hälfte des 4. Jahrh.
Tsuntas, 'E^. d,o/. 1883 Sp. 109ff. Oberes und unteres Frag-
ment (die Mitte fehlt) einer aToc^rjdov geschriebenen Rechnungsurkunde
der imarazac 'EXeoatvolhv und der rajuat zolv Qeüiv (Demeter und Köre)
über den Bau eines Plutontempels in Eleusis. Der zuerst gefundene
obere Teil umfafst: A) linke Kolumne, 78 Zeilen (Faks. 'E(p. a. a. 0.
Taf. 9) 1. und 2. Prytanie; B) rechte Kolumne, 76 Zeilen (Faks. Taf. 10)
6. Prytanie. Der später gefundene untere Teil umfafst: a) linke Ko-
lumne, 59 Zeilen, 4. und 5. Prytanie; ß) rechte Kolumne, 83 Zeilen,
10. Prytanie; f) untere Breitseite, 15 Zeilen. Faks. von «, ß, y Taf. 11.
Die ganze untere Breitseite sowie die obere linke Ecke des Steins sind
zerstört. A) und B) speciell behandelt von Foucart, BCH VH 1883
S. 388ff., Köhler, CIA H 2, 834b, Tsuntas, a. a. 0. Sp. 127ff. mit
Besserungen zu denLesarten desCIA. Ergänzungen und Nachträge Sp. 194
unten. Letzterer, a. a. 0. Sp. 255 ff. giebt Bemerkungen zu a, ß^ y. Aufser-
dem behandelt Foucart, BCH VHI 1884 S. 194 ff. auf grund einer neuen
Kollation und mit einigen Besserungen /5, 40 — 83 und ^, 1 — 7. — Die In-
schrift datiert aus dem Archontat des Kephisophon (329/8 v. Chr.) während
der Verwaltung des Lykurgos. Nach wahrscheinlicher Annahme war der
Tempelbau auf ausdrückliches Geheifs dieses um die religiösen Institutionen
Athens hochverdienten Staatsmannes unternommen worden (A, 12: Ao-
xoupyoo xsXeüaavTog). Als Beispiel für den Inhalt diene die Urkunde der
10. Prytanie, in welcher die Epistaten und Schatzmeister der Göttinnen
aufser dem gewöhnlichen Verzeichnis der laufenden Ausgaben noch ein Ver-
zeichnis der Einnahmen und Ausgaben für das ganze Jahr geben und zwar
1. der Einkünfte der Domänen des Heiligtums und ihrer Verwendung (Z. 40
— 49), 2. Weihung der Erstlingsfrüchte (Z. 50-83), 3. Eröffnung der
Schätze der Demeter und der Köre (Z 1—7); vgl. hierzu die ausführ-
lichen Erörterungen Foucarts. Letzterer weist BCH VII, 514f. auf grund
von a, 47 — 50 übereinstimmend mit einer Notiz des Philochoros nach,
dafs das in der Inschrift erwähnte Fest der Haloa im Poseideon be-
gangen wurde. Interessant ist, dafs als Pächter der Ebene Raria, vor
den Thoren von Eleusis, 'Tnepeidr^g rXaoxmnoo KoUursug, der berühmte
Redner, mit einer jährlichen Naturalienleistung von 619 Medimnen figu-
riert. Für die Olympiade werden ihm daher — mit einem Jahreszu-
schlag von 64 Medimnen als imp.£Tpov — 2732 Medimnen verrechnet.
P biliös, '%. dp;(. 1883 Sp. Iff. n. 1 (Taf. I). 105 zeiliges Frag-
ment einer Rechnungsurkuude über den Bau wahrscheinlich einer Stoa
II. Attica 3. Tabulae magistratuum. 411
Pronaos in Eleusis, wo der Stein gefunden wurde. Die Erwähnung des
Lykurgos Z. 65 {xo.za (l'rj<ftajj.a8rjiiou^ ?) Juxoüpyog ecmv) macht es wahr-
scheinlich, dafs auch dieser Bau während der Verwaltung des genannten
Staatsmannes auf öffentliche Kosten ausgeführt wurde. Vitruvs Notiz, die
Stoa sei durch Philen unter Deraetrius Phalereus (318 ff. v. Chr.) erbaut
worden, würde nicht widersprechen, da hier von der Vollendung des meh-
rere Jahre in Anspruch nehmenden Baues die Rede ist.
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 165fl'. Fragment einer Werftur- 32fi/5
künde, welches ein Verzeichnis der an die Trierarchen gelieferten Schiffe
mit dem zugehörigen Gerät enthält und den Anfang der Urkunde CIA
II 2, 808 aus Ol. 112, 3 = 326/5 v. Chr. ergänzt. Da aus der Inschrift
hervorgeht, dafs in diesem Jahre mindestens 7 Kriegsschiffe mit einer
Bemannung von ca. 1400 Mann nach Samos beordert waren, so folgert
der Herausgeber, man sei in Athen auf einen Handstreich der vertrie-
benen Samier gefafst gewesen und habe deshalb ein Geschwader bei Sa-
mos festgelegt. Ein zweites, aus 5 Trieren bestehendes Geschwader
unter dem Strategen Thrasybulos war ausgerüstet worden im zijv [napa-
no/xr.r]]^ -[ou\ ahou. — Neu ist die aus dem Fragment hervorgehende
Thatsache, dafs der Tamias der Paralos während seines Amtsjahres als
solcher die Trierarchie für ein anderes Schiff übernehmen konnte. Nach
Köhlers Ansicht wurden für die Paralos Trierarchen wohl überhaupt
nicht bestellt, sondern der Staat trug die Kosten für Ausrüstung und
Instandhaltung des Schiffes, und der vom Volk gewählte Tamias hatte
die Führung. Die Inkongruenz des Titels und der Funktionen scheint
frühzeitig Anlafs zu einer gewissen Unsicherheit in der Bezeichnung ge-
geben zu haben.
T SU Utas, '% dpy. 1884 Sp. 167 ff. (Faks. Taf. 11). Textbesse- Zwisch.
rungen Sp. 224 u. Auf der Akropolis gefundene Inschrift, enthaltend pei'JJs
ein Verbot von Kauf und Handel in geweihten Bezirken und Strafan- äVi^iT
drohung an Zuwiderhandelnde. Die entweihten Heiligtümer sollen aufs
Neue geweiht werden. Von Z. 30 an Verzeichnis der wiederhergestellten
Tempel und heiligen Bezirke. Ergänzt der Herausgeber Z. 25 richtig:
'AzlrdÄou jSaajcÄsojg , so wäre unter diesem Namen, da es sich um Er-
richtung von Festungswerken handelt, der in dieser Hinsicht um Athen
im Kampfe mit Macedonien verdiente Attalos I. (241 197 v. Chr.) zu
verstehen. In Z. 47 wird eines otypazog toTj dx/o-sBevrog unb Mdyvou
(seil. noij.nr/'ou) Erwähnung gethan; vgl. Plutarch, Pomp. 42. Da des
in baulicher Hinsicht um Athen so hoch verdienten Hadrian nicht Er-
wähnung geschieht, so schliefst der Herausgeber, dafs die Inschrift in
die Zeit zwischen Pompeius und Hadrian falle.
Kumanudes, 'E<f. dpy. 1885 Sp. 163. Fi'agment, vielleicht einer
Rechnungsurkuude, nur Zahlen enthaltend Vgl. CIA I 545.
412 Griechische Epigraphik.
4. Catalogi.
hsso Köhler, MDAI X 1885 S. 106f. Fragment einer Prytanenliste
der Phyle Leontis; nach 350 v. Chr. Durch dasselbe wird ein von dem
Herausgeber MDAI IV 1879 S. 102 angenommenes Versehen in der Re-
daktion einer andern Prytanenliste derselben Phyle aus dem Anfange
des 4. Jahrb. (CIA II 2, 864), welches den Anschein erwecke, als hätten
innerhalb jener Phyle drei Demen den Namen rioTuixog geführt, ausge-
schlossen. Das neue Fragment bestätigt vielmehr, dafs es thatsächlich
drei Demen dieses Namens in der erwähnten Phyle gab, deren Mitglie-
der als nordjj.tot xaßuTTsp&Ev, 11. unsvspHsv und II. dscpadcujvac unter-
schieden wurden.
Kumanudes, 'E^. dp^. 1886 Sp. 11 n. 5, Sp. 13f. n. 7, in Mi-
nuskeln. Fragmente von Namensverzeichnissen. Macedonische Zeit.
hiit; Derselbe, '£,y. dp^. 1883 Sp. 245 ff. Piräus. Verzeichnis der la-
ßaZtaaxai (Kultgenossenschaft des Sabazios) aus dem Archontat des
Theokies (unbekannter, doch wohl vorchristlicher römischer Zeit; das
Jahr des in dem Zeilenrest 66 erwähnten Archonten Medeios wird von
Hermann, Gr. Staatsaltert. auf 116 v. Chr. angesetzt). Auf den lepzbg
und den durch eine und dieselbe Person repräsentierten -«///«?, ypap.-
/xareug und imps^rjzrjg folgt eine Liste von 51 epaviazai, unter welchen
13 Fremde und 1 Staatssklave.
Köhler, MDAI VIII 1883 S. I77ff giebt auf grund der Frag-
mente eines Verzeichnisses der Mannschaften athenischer Trieren von
der Akropolis (CIA II 2, 959) einen Exkurs über die Bemannung athe-
nischer Kriegsschiffe.
Derselbe, MDAI IX 1884 S. 291. In der Liste von freiwilligen
Beiträgen für einen unbekannten gemeinnützigen Zweck aus dem Ar-
chontat des Hermogenes CIA II 2, 983 Kol. III Z. 87—90 ist auf grund
der von Dragatses, 'E(p. äpj^. 1884 Sp. 39 ff', veröffentlichten und von
Köhler, a. a. 0. S. 288 ff. besprochenen Dionysiasteninschriften aus dem
Piräus (s. S. 421 f.) herzustellen: i\tovb\atog ['Aya&]oxMoug Mapa&(o{viog)
ä I xai btikp tüjv u]u>v 'Aya&oxMoug J | xal Acovuaco^u d,
97 Homolle, BCH VIII 1884 S. 127. CIA II 2, 985 D 27 29 ist
auf grund delischer Inschriften zu ergänzen: impeXrjrtjg [ArjXou — —
(28) nohjxX£iz[og — — 'AXs^dvdpou 0Xu\£ug — (29) im rd lepd ßed-
[Xcpcg (E(TTca:ou) ix Kspa]fxsujv.
g^ach- Kumanudes, 'E^. dp-/^. 1885 Sp. 64. Fragmentierte Pylorenliste
lich^ von der Akropolis. Den Pyloren wird das Epitheton dpejinTot zuerteilt.
Das Jahr des Z. 5 f. genannten Archonten Xpü(T[m]7zo5 fällt nach dem
Herausgeber in die nachchristliche römische Zeit.
II. Attica. 4. Catalogi. 5. Musische Inschriften. 413
Köhler, MDAI IX 1884 S. 387. In einem Sammelbande der
griechischen Nationalbibliothek findet sich eine italienisch geschriebene
Abhandlung über attische luschriftsteine aus Malta (mit Taf.) von Fr.
G(ioachino) N(avarro). Malta 1789. Dieselbe enthält u. a. eine genauere
und vollständigere Kopie Navarros von dem Bruchstück des nach Po-
cockes (angeblich «Athenis« gelesenen) Abschrift CIG 296 und CIA II 2,
1035 mitgeteilten Personenverzeichnisses.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 146f. n. 5.
Aus den wiederaufgefundenen »M S. Inscriptions collected in Greece by
C. R. Cockerell, 1810- 14« wird der ausführlichere Text von CIG 300
mitgeteilt.
5. Musische Inschriften.
R ei seh, De musicis Graecorum certaminibus capita quattuor.
Wien 1885 und Brinck, Inscriptiones Graecae ad choregiam pertinentes.
Halle 1885 s. S. 395).
Philios, "Ecp. dpx- 1883 Sp. 189f. (CIA IV 2, 422 *. Roberts ^^^4^^^
n. 41a.) Eleusis. Bleierner äX-rjp mit archaischer Bustrophedonaufschrift
(Hexameter): naX[K)ujj.evoQ vcxscrs-{2)v = 'ETiacvsTog fI-{S)o{ü)vsxa to{u)8£
= I/a. — Sind die beiden letzten Buchstaben zu 'AXaJotg und nicht zu
äX-zr^pug zu ergänzen, so würde sich hieraus die Aufführung gymnischer
Wettkämpfe an jenem Fest ergeben. Buchstaben: B| = spir. asper,
Bergk, Die Abfassungszeit der Andromache des Euripides, Hermes 423/2
XVIII 1883 S. 487 — 510, aus dem Nachlasse herausgegeben von Hin-
richs, behandelt S. 493 ff. die Inschrift MDAI III, 108 (Röhl I, 35)
über die Agone von Ol. 89, 2. 3 (423/2 v. Chr.).
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 34 (CIA IV 2, 337a). Grofse qua- ca. 4i5
dratische Plinthe, die einen entsprechend grofsen Dreifufs trug, mit der
Inschrift: KXttaMvvjg i^opsys^c) AuToxpdzo{u)g \ 'Eps^9r/cdi, Acyr/tdc- |
Ksosmrjg ioioaaxz. Auf den ersten Blick scheint der Chorodidaskalos
mit dem von Aristophanes, Wolken 985 als Repräsentat der alten Bil-
dung genannten Dichter hrjxsfor^g identisch zu sein, für dessen Namen
Nauck, Rhein. Mus. VI 1848 S. 431 auf grund der Schollen {Kudc'drjg),
der wahrscheinlich aus letzteren geflossenen Glossen bei Photios (A'ij-
didrjg) und Hesychs (Kr^Beldrjg) die Lesung Krjdecor^g hergestellt hat.
Allein der aristophanische Dichter mufs mindestens ein Menschenalter
vor Aufführung der Wolken, somit um die Mitte des 5. Jahrb. geblüht
haben; die Inschrift dagegen dürfte kaum älter sein, als die Mitte des
peloponnesischen Krieges, sowohl wegen der ionischen Schrift (nur 2 mal
e = e), wie ihrer Fassung (vgl. Köhler, MDAI III, 231 = Röhl I, 36 u.)
und der Ausrüstung des Chores zweier Phylen durch einen Choregen. Mög-
414 Griechische Epigraphik.
licherweise haben der Chorodidaskalos der Inschrift und der Dithyramben-
dichter bei Aristophanes gar nichts mit einander zu thun. Mit grofser
Wahrscheinlichkeit jedoch dürfte man den ersteren für einen Sohn oder
Enkel des letzteren halten. Vgl. Brinck, a. a. 0. S. 103 f.
Kumanudes 'E(p. äp^. 1885 Sp. 213f. n. 9. Die seit Böckhs un-
vollkommener Publikation (CIG I 226''. Add. p. 909) verschwundene
Choregeninschrift, die, bisher 7 mal herausgegeben, zu mannigfachen Ver-
mutungen Aulafs gab, ist bei den Ausgrabungen auf der Agora wieder
aufgefunden worden. Sie lautet: AI I H I C E i ' KA (2) Ulo&üoujpog 'Em-
Zy])<o{u) i^oprjY£{i), (3) ^Aptarapyog iocSaaxs, Xapcag rjpy\a.. Aus dem
Schriftcharakter (lOPC) erhellt, dafs das Archontat des anderweitig
nicht bekannten Charias nicht mit Böckh in die Zeiten hinabzurücken
ist, aus denen Archontenverzeichnisse nicht mehr erhalten sind (nach
Ol. 122 = 292 V. Chr.). Der Herausgeber möchte demselben das Jahr
Ol. 91, 2 = 415 V. Chr. zuweisen. Alsdann würde der für dieses Jahr
angeführte Name des Chabrias auf einem litterarischen Versehen be-
ruhen, indem der bekanntere Name des inschriftlich als Archon nicht
nachweisbaren athenischen Feldherrn den weniger bekannten des Charias
verdrängt hätte.
Derselbe, 'E(p. äpy. 1886 Sp. 9f. n. 2. Verstümmelte Basis-
inschrift von der Agora: — K\i)dad^rjvai£.ug (2) — v\ix7j(To.g (3) ~ flav-
8]tovt8i (puXr^t. Nach dem Herausgeber Anfang des 4. Jahrh.
Palaiologos Georgiu, a. a. 0. Sp. 267 - 270. Akropolis. Frag-
ment, bestehend aus drei Kolumnen, von denen die erste und dritte fast
gänzlich verstümmelt sind, während die mittlere drei Verzeichnisse von
Siegern in musischen Agonen enthält. Von dem ersten Verzeichnis sind
nur zwei "Wortreste erhalten, das zweite (Em 0du\KÄioug), Z. 3 — 13 ist
bis auf zwei herstellbare Eigennamen vollständig, das dritte (Eni "Aßpoj-
vog-), Z. 14—20 der ersten Hälfte nach erhalten. Der Archontenname
des zweiten Verzeichnisses läfst sich nach der am Schlüsse der Hypo-
thesis des Äschyleischen Agamemnon überlieferten Didaskalie der Orestie,
nach welcher i8c8dy&r] -o 8pä}xa hm äp^ovrog QiXoxXioog- eyop^yei Ee-
voxlrfi ''A(pt8vz(jg^ mit Sicherheit zu Philokles ergänzen, da Z. 11 — 13 er-
halten ist: rpaYajt8u)V (12) EevoxXrjg A(piOva(cog) iyoprj{yzi)^ (13) Äiay^uloq
iSßaaxev. Hierdurch wird die von Meursius vorgenommene Verbesse-
rung der Zeitbestimmung der genannten Didaskalie: dXopmd8i uy8uTj-
xüarji (statt des überlieferten xtj'), izet ß' urkundlich bestätigt. — Für
die Litteraturgeschichte wichtig sind auch Z. 8—10: xuj/i(v:8u>v (9) Eupu-
xXai8r]g iyoprjyei, (10) E'j(ppuvcog ioc8aaxs, da ein komischer Dichter
dieses Namens unbekannt ist. Die Inschrift erschliefst aufserdem den
richtigen Namen des Archonten von Ol. 80, 3 = "Aßpcov (Z. 14,; so ist
demnach bei Diodor 11, 79 statt des überlieferten Bituv zu schreiben.
— Die Fragmente ähnlichen Inhalts CIA II 2, 97 1 a, b, e, jetzt im Erd-
II. Attica. 5. Musische Inschriften. 415
geschofs des Centi-almuseums, stimmen nach dem Herausgeber dem Schrift-
charakter nach vöUig mit dem vorliegenden überein und scheinen daher
nicht älter zu sein, als die zweite Hälfte des 4. Jahrh. Auch die Ab-
kürzungen sind dieselben; z. B.: 'A^iSw.: und i/opyj = ''A<pt8vacog, eyu-
Ijrjyet. Wahrscheinlich rühren alle diese Fragmente von einer und der-
selben, auf der Akropolis aufgestellten Urkunde her, die, wie schon
Köhler MDAI HI, 10 vermutete, ein Verzeichnis der Sieger in den mu-
sischen Agonen der grofseu Dionysien enthielt und zweifelsohne auf den
Redner L3'kurgos zurückzuführen ist, da das jüngste Siegerverzeichnis
CIA n 2, 971 e Kol. 2 aus dem Archontat des Aristophanes (Ol. 112, 2
= 331 V. Chr.) datiert. Je jünger die Verzeichnisse waren, um so aus-
führlicher wurden sie, z. B. die, in denen der ~(>a.Ytxoi briuxptzrjg er-
wähnt wird (CIA II 2, 971b Z. 6 und unsere Inschrift Kol. 3 Z. 8). In
allen Verzeichnissen spi-iugt das E des km vor dem Archontennamen
über die Anfangsbuchstaben der übrigen Zeilen heraus, jedenfalls um
die einzelnen Jahre besser zu unterscheiden.
Köhler, MDAI VII 1882 S. 348 giebt nach einer Revision der nach 350
noch bei Vari befindlichen Choregeninschrift Kaibel 925 eine berichtigte
Lesung derselben in Minuskeln. Die Verse stammen von einem Privat-
denkmal aus der Zeit nach Mitte des 4. Jahrh.
Derselbe, MDAI X 1885 S. 231flf. behandelt ausführlich die cho- 319
regische Inschrift des Nikias CIA II 2, 1246 aus dem Jahre 319 v. Chr.
Kumanudes, ' E^. dpx- 1884 Sp. 128 ff. n. 5 in Minuskeln. Mu- '^■^^^^'
sische Inschrift (aror/TjOÜv)^ nach denT Herausgeber aus dem 4. vorchristl.
Jahrh. Der Anfang fehlt.
Köhler, MDAI IX 1884 S. 49ff. Vollständige Lesung der zu- 282-280
letzt von Kumanudes, Philister IV 541 (vgl. 'E(p. äp^. 2. Folge n. 170
— 175; abgedruckt bei Dumont, Fastes eponym. S 21) herausgegebenen
choregischen Inschrift aus dem Archontat des Nikias. Glaukon, der
Stifter des choregischen Denkmals, war nach den Kranzinschriften auf
den abgewandten Seiten des Gebälks wegen seiner vortrefflichen Lei-
stungen als Agonothet, wie als Befehlshaber der Schwadron seiner Phyle,
der Antigonis, bei dem Paradestück der Anthippasie an den Olympieen
und den grofsen Panathenäen nach Ablauf seines Amtsjabres vom Volke
bekränzt worden; Phylarch mufs derselbe in einem der vorhergehenden
Jahre gewesen sein. — Mit seinem Bruder Chremonides fand er nach
dem Kriege gegen Antigonos Gonatas eine Zufluchtsstätte au dem ptole-
mäischen Hofe. Da noch Ptolemaios III. (246 — 221 v. Chr.) ihm in
Olympia eine Statue errichtet hat (Dittenberger, Arch. Zeit. XXXVII
S. 55 n. 231; vgl. Röhl I, 79 0.), so ist der Nikias unserer Inschrift
für den Otryneer zu halten, dessen Archontat Ol. 124, 3 (282/1 v. Chr.)
oder 4 fällt. Das Bild einer Schwester des Glaukon und Chremonides,
der Aglaurospriesterin Pheidostrate, stand auf der Akropolis (Inschrift
416 Griechiscbe Epigrapbik.
'E<p. äpy_. 175. Rang. 1111 u. s. w.), das des Vaters, Eteokles, Kult-
beamten des Pluton in den letzten Dezennien des 4. Jahrh. (CIA II 948)
am Fufs der Burg im Bezirk des Dionysos (Athenaion VI, 378).
um 1511 Kumanudes, 'E(p. dp^. 1884 Sp. 121 ff. Vier agonistische In-
schriften aus den Trümmern des Amphiaraosheiligtums zu Oropos. Die-
selben sind unter einander sowohl wie mit einer von Rang. II S. 691
publizierten musischen Inschrift nahezu gleichzeitig, da wiederholt die-
selben Namen begegnen. Nach dem Herausgeber können die Inschriften
nur wenig älter, als die Zerstörung Korinths sein. Bemerkenswert und
für das politische Schaukelverhältnis von Oropos zu der damaligen Zeit
charakteristisch ist der Umstand, dafs, während in der Inschrift bei Rang,
mehrere Athener als Agonisten erwähnt werden, sich in unsern Inschriften
kein einziger findet.
6. Ephebeninschriften.
^■{md" Mylonas, 'Eip.dpx- 1883 Sp. 103. Berichtigte Abschrift der nach
Pittakes, ancienne Athenes S. 480 CIA III 764 herausgegebenen In-
schrift; jetzt im Museum der archäol. Gesellschaft n. 8750. Interessant
ist die Form 'Ep/j.ä statt Ep/x^ in dieser aus dem 2. Jahrh. v. Chr. stam-
menden Inschrift.
I.Jahr- Foucart, BCH VII 1883 S. 75 f. n. 3. Piräus. Zehn ueUsa)r]ßoc
hund. I r II
(nach Censorinus, de die nat. 14 15jährige Knaben, die auf der Zwischen-
stufe zwischen Volksschule und Ephebie unter Leitung eines Lehrers
dem Studium der Litteratur und« der Musik obliegen mochten) weihen
den Musen die Bildsäule ihres 8t8day.aXug 'Aprepcüv 0rj/xa[xsug. Der
Archen Theodotos, nach dem die Inschrift datiert ist, ist unbekannt.
Der Herausgeber möchte letztere auf grund der Buchstabenformen, na-
mentlich des Z, etwa dem 1. Jahrh v. Chr. zuweisen. — Desselben Fund-
orts ist die gleichaltrige Inschrift Parnasses 1880 S 491 (Röhl I, 38).
Dragatses, 'E^. dp^- 1884 Sp. 187ff. n. 1. Piräus. Bruchstück
einer Ephebenliste.
Ende Merriam, American Journal of philology VI 1885 n. 21 S. Iff.
hund. giebt eine berichtigte Abschrift der seit etwa 45 Jahren im Columbia
College zu New-York befindlichen Ephebeninschiift CIA III 1079 (mit
Photographie) aus der Zeit des Claudian. — Abgedruckt in der Berliner
philol. Wochenschr. 1885 u. 44 Sp. 1403 f.
7. Hymnen. Opfervorschriften. OrakeL
ca. 400 Leonardos, 'E^. dpy. 1885 Sp. 93 ff. n. 1; nach einem neuen
Abklatsch (ohne Varianten) Bechtel, HD 18. Bruchstück einer azoi-
^rjoov geschriebenen Tempel- und Opferordnung aus dem Amphiareion
zu Oropos. V. Wilamowitz-Möllendorff, Oropos und die Graer, Hermes
II. Attica 8. Ehreninschriften. 417
XXI 1886 S. 91 ff. teilt die Inschrift in Wortlaut und Paraphrase mit
und bestimmt ihr Datum auf 411-402 oder 387—377 v. Chr. Als das
bis jetzt umfangreichste Dokument der »eretrischen Mundart« ist das De-
kret von Wichtigkeit.
Dragatses, a- a. 0. Sp. 88 f. Stele mit Opfervorschriften aus
dem Piräus: 1. Auf das Präskript: Otol. Kara zdds -fwHüsaBac folgen
die von dem Asklepiospriester Euthydemos aus Eleusis, der auch die
Stelen errichtete, aufgestellten Vorschriften, wonach dem Maleates, dem
Apollon, dem Hermes, dem lasos; der Akeso, der Panakeia, sowie den
Hunden und Hundeführern je drei -Kur.ava zuerkannt werden. 2. Helios
und Mnemosyne sollen je einen dpsarrjp und ein xr^piov^ Nephalios drei
Altäre erhalten. 3. ^ir^ifoHöi. 4. Nrf\(faXioi Tps(7)g ßuj/ioi.
Foucart, BCH VII 1883 S. 68 n. 1 giebt die von Meletopulos,
Atheuaion X, 556 (Röhl I, 39) in Minuskeln publizierte Opfervorschrift
aus dem Piräus: Mocpuc^ \ aptaTr^paq \ |]||, xripta ||| in Originaltypen.
(Vgl. die ähnliche Opfervorschrift aus dem Piräus 'Ef. dpy. 2784 und
aus dem Asklepieion Athenaion V, 329.)
8. Ehren in Schriften,
a) Des Rates und Volkes.
Köhler, MDAI X 1885 S. 111. Magula, nördlich von Eleusis. Anfang
4 Jahr-
I,Tür/rfiov geschriebenes Fragment eines Psephisma zu Ehren der Pry- hund.
tanen einer Phyle.
Kumanudes, 'Ay. dpy. 1886 Sp. 115. Fragment {azoryrjohv) eines desgl.
Dekretes, in welchem wahrscheinlich jemand zum Bürger und Proxenos
ernannt wird.
Derselbe, 'E<f. dpy. 1883 Sp. 172. Museum der arch. Gesell- 388
Schaft n. 3771. Zu dem Fragment eines Psephisma aus dem Jahre 388
v. Chr. CIA II 1. 13 hat sich der genau anschliefsende linke Streifen
von 10 Zeilen zu je 6 Buchstaben gefunden. Es erhellt jetzt, dafs der
Name des Chiers, auf den sich das Proxeniedekret bezieht, — odoros war.
Derselbe, 'E<p. dpy. 1886 Sp. 215f. n. 1. Auf das Präskript: 382/1
Ko^XXuTBog sypo-piidreuB- (2) — 'Aptaz'^'\ujt. Itjiujvog Bocüjtiuji (3) — npo-
^]ivojc xai züipyizr^i • folgt ein arg verstümmeltes Proxeniedekret der Bule
und des Demos auf den Genannten, dem Schriftcharakter nach aus dem
Anfang des 4. Jahrh. v. Chr. Mit Wahrscheinlichkeit ergänzt der Heraus-
geber den verstümmelten Archontennamen Eu[avopog (382/1 v. Chr.).
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 223f. Stein aus der Ringmauer ses-sso
der Akropolis, der zwei in Minuskeln mitgeteilte Psephismen zu Ehren
eines Komaios, S. des Theodoros, enthält; beide aus demselben Jahre.
Das zweite, Z. 9-18, in welchem Komaios zum Proxenos ernannt wird,
gehört einer früheren Prytanie an, als das erste, Z. 1 — 8, in welchem
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. III.) 27
418 Griechische Epigraphik.
mit den Schlufsworten auf jenes Bezug genommen wird. Nach Köhler
fallen die Inschriften zwischen 368 und 350 v. Chr.
ca. 350 Kumanudes, 'E(p. dp-/- 1886 Sp. 2l7f. n. 2. Fragment eines
Belobigungsdekretes auf Bürger von Priene. Wahrscheinlich Mitte des
4. Jahrh.
ca. 346/5 Nikitsky, MDAI X 1885 S. 57 f. Zweites, a-zotyrrjoov geschrie-
benes Fragment der Inschrift CIA II 1 , 141. Ratsbeschlufs zu Ehren
des Kleomis, S. des [Apoljlodoros, aus [Methyjmna, der mit seinen Nach-
kommen zum Proxenos und Euergetes der Athener ernannt werden soll.
Der Geehrte ist wahrscheinlich der aus Isokrates bekannte Tyrann von
Methymna (Epist. ad Timoth. § 8 f., deren Abfassungszeit etwa 346 oder
345 V. Chr. fällt; vgl. Schäfer, Demosthenes I, 435 und Blafs, Attische
Beredsamkeit II, 303).
336/5 Tsuntas, "E<p. dpx- 1885 Sp. 131ff. n. 2. Akropolis. Ixoixrßhv
geschriebenes Ehrendekret auf Phyleus, S. des Pausanias, Charidemos —
und deren auvdp'^ovrzg aus dem Archontat des Pythodelos.
823/2 Dittenberger, Ind. schol. Hai. Winter 188.5/86 p. X. In dem
Ehrendekret CIA II 1, 181 ist am Schlufs zu lesen: i[v\ fj yiypamac
^E/evlßpuroi I KXeoDvam tu) Tzpoyüvu) toj jlanüipcog \ rj npo^ev/a.
4.jahr- Demirales, 'E(p. dp^. 1886 Sp. 135 — 138. Akropolis. Frag-
ment (azot/rjoüv) eines Belobigungsdekretes auf die Stadt Tenedos, deren
auvedpog Aratos und dessen Brüder ; wahrscheinlich gleichzeitig mit den
Fragmenten eines unter dem Archontat des Theophrastos erlassenen
Psephisma zu Ehren der Tenedier und des Aratos CIA II 1, 117.
desgl. Derselbe, a. a. 0. Sp. 137—140. Akropolis. Fragmente zweier
aTotirjhhv geschriebenen Ehrendekrete.
Mylonas, ^E(p. dp-^. 1883 Sp. 37 f. n. 10. Izoij^yjdbv geschrie-
bener Rats- und Volksbeschlufs , wonach u. a. einem Hipparchos das
Bürgerrecht zuerkannt und gestattet wird, sich die betreffende Phyle,
den Demos und die Phratrie zu wählen.
ca. 289 Kumanudes, 'E<p. dp-/. 1884 Sp. 131 n. 1. Akropolis. Frag-
ment eines aroi/rjobv geschriebenen Psephisma zu Ehren der behufs
Schlichtung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Athenern und Böotern er-
wählten Lamier. Obgleich der Archon nicht genannt ist, läfst sich doch
aus dem Umstände, dafs der Sprecher Kalaides, S. des Kalaides, Xype-
täion auch als solcher in dem Psephisma CIA 11 1 , 308 aus dem Ar-
chontat des Thersilochos (um 289 v. Chr.) begegnet, schliefsen, dafs auch
unsere Urkunde in das Amtsjahr des letzteren fällt.
291-200 Durrbach, BCH VIII 1884 S. 327 f. Fragment eines Ehrende-
krets auf die Taxiarchen aus dem Archontat des Philokrates, dessen
Name in der bis 292/1 v. Chr. bekannten Archontenliste nicht vorkommt.
Die in der Formel em tt^q Arjixrjzpiddog dojSexdrrjg npuravscag erwähnte
II. Attica. 8. Ehreuinschriften. 4,19
Phyle wurde 307/6 v. Chr. errichtet; sie sowohl wie die gleichzeitig er-
richtete Antigonis verschwinden nach 279/8 v. Chr. Statt ihrer wurde
die Ptolemais während der Herrschaft des Ptolemaios Philadelphos (285
— 247) und die Attalis 200 v. Chr. errichtet. Die beiden erstgenannten
Phylen müssen demnach um die Mitte des 3. Jahrh. aufgehoben worden
sein. Unser Dekret fällt daher in die Jahre zwischen 291 und späte-
stens 200 V. Chr.
Tsuntas, "E(p. dpx- 1885 Sp. 141 fif. n. 3. Akropolis. Ehrende- 25o-
kret auf einen Alexandriner Alexandros, Tijxiüjxevog urto -zoo ßamXiujg
rhoh/iacou, wegen seiner Fürsorge für die in Ägypten und Kyrene leben-
den Griechen. Da die Vereinigung beider Länder unter einem Scepter
vorausgesetzt wird, so fällt die Inschrift in die Jahre 250 — 244/3 v. Chr.,
in welch letzterem Jahre Kyrene wieder abfiel; oder — weniger wahr-
scheinlich in beträchtlich jüngere Zeit, als Ägypten abermals jene
Landschaft unterworfen hatte.
Hauvette-Besnault, BGH VIII 1884 S. 472. Fragment eines
Ratsbeschlusses (Z. 11: oso6^]&ac tbc ßouhc) zu Ehren der Megalopoliten
in Arkadien (Z. 2/3: MsyaXoTzoXLTiöv — — twv Auxac'ujv), die Theoren
zu einem Agon entsandt zu haben scheinen.
Kuraanudes, 'E^. apy. 1884 Sp. 131 ff. n. 2. Fragmentiertes Mace-
Proxeniedekret zu Ehren eines Unbekannten mit dem bisher nicht be- Zeit,
legten Ausdruck: y.al (pulr^Q xal orj/xou xal ^parlpcag elvac? a]aTu}c ddou-
acdaacrß^ae, yjg a.v ßouXr^rat. Vgl. Hesychs: dooüaiov ipaaruv , aop.-
(fujvov und doouatr/.adiievü'. • ocEköfisvot, üp.oloYobpEvot. (J. [u. Th.] Bau-
nack, Studien I 1 S. 24.)
Derselbe, ''Eip. dp-j^. 1886 Sp. 106 n. 14. Fragment (aroc^yjdbv)
des Ehrendekretes auf einen Nikostratos.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 109 n. 19. Fragment eines Ehrendekretes
auf — kies, S. des Sotairos, aus Ami)hip[olis.
Derselbe, a. a. 0. Sp. llOf. n. 21. Vielleicht Reste eines Ehren-
dekretes auf einen Kyz]iken[er?
Derselbe, a. a. 0. Sp. Ulf. n. 22. Fragment {aroc^rjdov^ eines ca. i90
Ehrendekretes?), in welchem ein Pausim[achos und ein König Eumenes
erwähnt werden. Ersterer ist wahrscheinlich identisch mit dem Nau-
archen der mit den Römern und König Eumenes II. im Kriege gegen
Antiochus verbündeten Rhodier, dessen Name somit allein von Appian
23. 24 richtig überliefert wäre. Das auch wegen der Fassung des Prä-
skripts merkwürdige Fragment hat stets /\ = A, C = E-
Derselbe, a. a. 0. Wahrscheinlich Fragmente [aToc^Tjoav) von
Ehrendekreten: Sp. 99 u. 5, Sp. 105 n. 12, Sp. 108 f. n. 18, Sp. 110 n. 20.
Köhler, MD AI VIII 1883 S. 58 ff. Im Besitz des Lord Lecon- iJ^hr-
field in Petworth House befindliches, oben und unten verstümmeltes
27*
420 Griechische Epigraphik.
46 zeiliges Fragment. Z. l — 6 und 7 — 26 Reste von zwei Volksbeschlüssen
zu Ehren der Ergastinen, die der Athene einen neuen Peplos gewebt
und eine goldene Schale geweiht haben (vgl. den fragmentierten Volks-
beschlufs CIA II 1, 477). Die Z. 27 ff. erhaltenen Reste einer Liste der
mit den Namen und Demoticis ihrer Väter verzeichneten altadeligen
Ergastinen — deren Anzahl nach erhaltenen Fragmenten gegen 100 — 120
betrug — gehören der 1. und 2. sowie der 4. und 5. Phyle an. Die
Inschrift scheint in den Anfang des 1. Jahrb. v. Chr. zu fallen.
Vor- Derselbe, MDAI IX 1884 S. 162. Zu CIA III 654 (CIG 416).
steisch. Hier sind zwei Inschriften durch Irrtum Fourmonts oder seiner Exzerp-
toren zusammengeschrieben worden. Das Original der ersteren (Z. 1 3)
befindet sich jetzt im Centralmuseum zu Athen. Sie ist schwerlich jünger
als der Prinzipat des Augustus, da die Fortdauer des Kriegsschatzamtes
(Z. 3: rcmtdja^avra arpazauztxoJv) in der Kaiserzeit nicht erweislich ist
und auf eine ältere Zeit auch die kurze Bezeichnung des Rates in der
Eingangsformel (H ßou?i]rj xal 6 drjiiog) schliefsen läfst.
Areopag, Rat der 600 und Volk ehren: 1. Philios, 'Ef. äpy^. 1885
Sp. 151 f. n. 27 (Eleusis) den Acharner C. Caecilius Casius; 2. Kuma-
51-54 nudes, a- a. 0. Sp. 207 n. 1 den Kaiser Claudius, aus der 4. Stra-
tegie des Tib. Claudius Novius (vgl. die ganz ähnliche Ehreninschrift
auf den Kaiser Claudius aus der Zeit der Strategie des Novius CIG III
117-138 457; aufserdem 613); 3. u. 4. Derselbe, a. a. 0. Sp. 208 n. 2. 3 (Frag-
mente) den Kaiser Hadrian; 5. u. 6. Derselbe, a. a. 0 Sp. 209 n. 4. 5
(Fragmente) zwei Unbekannte. — n. l — 6 von der Agora.
Der Areopag ehrt: Philios, 'Ef. dpy. 1883 Sp. 20 n. 4 den Agrios
Saturninus, zov xpazcarov, u. a. slvsxa . . . r^g Ttspl ra> i^s<b euasßscag.
Eleusis, Basisinschrift.
Der Demos der Athener ehrt: Je/ir/ov 1885 n. 440 (vgl. Berliner
philol. Wochenschrift 1885 u. 27 Umschlag S. 4) den Demos der Lace-
dämonier euvocag evexa. — Künstlerinschrift: — oXog knoir^aa.
Die Athener ehren: Philios, 'E(p. äpy. 1883 Sp. 141 f. n. 15 in
zwei Distichen die Enkelin und Tochter buolv hndzu)v 'Apptavwv ^ die
Mystis — KKrj[ievziav7] napa /ItjoT. — Eleusis, Basisinschrift.
b) Anderer Gemeinschaften.
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 382f. Zu CIA II 1, 605. Frag-
ment eines Beschlusses der Keryken (vgl. Dittenberger, Die eleusini-
schen Keryken, Hermes XX 1885 S. 1 — 40) und Eumolpiden zu Ehren
eines Mannes, dessen Name weggebrochen ist, und seiner beiden Söhne
Philonides und Dikaiarchos. Auf grund der delphischen Proxenenliste
.BCH VII, 189, wo Köhler Fragm. B Koi. II, 34 liest: 'Ev A(wöi.xdq.
■zu. Tipu^ jlüxw dhAiuvcoag, ergänzt er in obiger Inschrift Z. 14 f.: inai]-
II. Attica. 8. EhnMiiusohriften. 421
\ii(ra{t 0iX-\Lovc8rjV Aaoocxsa xac zobg houg (so) ahzoT) 0tla}Vc8rjV xal [Jc-
xacjap^ov. — Latischew, MD AI X 1885 S. 76 erweist dagegen, dafs
Laodikeia in Syrien gemeint ist, auf grund des delphischen Dekrets Lebas
880 zu Ehren eines Jtxacapy^og (PiXujvioa Aaodtxeog, welcher identisch
sein mufs mit dem einen der in obiger Proxenieliste genannten Brüder.
Dikaiarchos heifst weiterhin in diesem Dekret Bürger von Laodikeia
Tiorl BaXdaaa und liefs bereitwilligst seine Unterstützung roTg dcptxvoo-
/isvoig Js^Y^wv TioTi -zuv ßaadea 'Avzco^ov zu teil werden.
Philios, 'Ey>. dpx- 1883 Sp. 8lff. n. 10. Eleusis. Die Keryken und
Eumolpiden "ehren den Hierophanten Chairetios aus Eleusis wegen seiner
eu\ioca zig zä yivrj. Die Inschrift stammt aus macedonischer Zeit und
lehrt, da sie den Namen des Hierophanten schon zu dessen Lebzeiten an-
führt, dafs dieselben in jener Zeit noch nicht cspxovufioi waren (vgl. S. 427 u.).
Hauvette-Besnault, BCH VIII 1884 S. 471. Die Thiasoten
bekränzen Menon, Moschion, Kallias, Charixenos, Euraathes.
Foucart, BCH VII 1883 S. 69ff. n. 2. Dekret der Orgeonen 3. jahr-
im Piräus. Dieselben ehren den Priester Agathon, S. des Agathokles,
und sein Weib, die Priesterin Zeuxion, wegen ihrer Verdienste um den
Kult der Göttin (der Magna Mater?) und um die Genossenschaft durch
Verleihung eines goldenen Kranzes. Aus je zwei Ehrenkränzen über
und unter dem Dekret mit der Inschrift: Ot &ca<rcüzac (2) 'AydBiuva (3)
xai zrjv yuwuxa (4) auzoo Zeo^iov geht, wenn nicht eine Identität beider
Genossenschaften, so doch eine nahe Beziehung zwischen beiden hervor.
Datiert ist das Dekret nach dem GIA II I, 620 erwähnten Lysitheides.
Das Amtsjahr dieses in der bis 292 v. Chr. gesicherten Liste nicht vor-
kommenden Archonten möchte Foucart wegen der azor/jjdov geschrie-
benen Inschrift, die noch die Buchstabenformen OPC wahrt, dem
3. Jahrb. v. Chr. zuweisen. Letztere würde der ersten Hälfte desselben
angehören, wenn der Sprecher unseres Dekrets, Sokles, mit demjenigen
des aus dem Jahre 300 stammenden Thiasotendekrets BCH III, 513
(Röhl I, 28) identisch wäre.
Köhler, MDAI IX 1884 S. 288 ff. giebt drei bei Blofslegung von iso-ieo
Kultgebäuden der Dionysiasten im Piräus gefundene, von Dra-
gatses, 'E<p. dpx- 1884 Sp. 39 ff. herausgegebene und auf diese Kult-
genossenschaft bezügliche Inschriften mit verbesserten bezw. ergänzten
Lesungen: I. 32 zeiliges Ehrendekret von 15 Kultgenossen (Orgeonen)
aus dem Archontat des Eupolemos auf Dionysios, S. des Agathokles, aus
dem Demos Marathon, den Priester und Schatzmeister der Genossen-
schaft, wegen seiner Herrichtung des Tempels und eines Versamm-
lungslokals sowie wegen sonstiger Verdienste. - Auf dem untern Teile
des Steines befindet sich der Rest eines zweiten Dekrets zu Ehren des
Sprechers des ersten, luXcov l'lpiJMyivou XuXayptüg. — IL 3 Distichen:
Widmung des Tempelgründers Dionysios an den Dionysos (s. S. 432).
422 Griechische Epigraphik
- ni. 52 zeiliges Ehrendekret der Orgeonen aus dem Archontat des
Hippakos auf den verstorbenen Dionysios, der als Heros verehrt, dessen
Bildsäule neben der seines Vaters und des Gottes aufgestellt und dessen
Ehrenämter auf seinen Sohn Agathokles übertragen werden sollen. —
Durch chronologische Kombinationen erweist Köhler, dafs die Archontate
des Eupolemos und Hippakos dem Zeitraum von 180 - 160 v. Chr. zu-
zuweisen sind. Die Mitglieder der Genossenschaft der Dionysiasten ge-
hören sämtlich der wohlhabenden Klasse des athenischen Bürgerstandes
an. Während in andern bekannten Kultgenossenschaften der Priester
durch das Los aus der Gesamtheit der Mitglieder auf bestirnmte Zeit er*
nannt wurde, fand bei den Dionysiasten nach Ausweis unserer Inschriften
eine Übertragung der Priesterwürde durch Genossenschaftsbeschlufs auf
Lebenszeit an Mitglieder einer und derselben Familie nach der Erst-
geburt statt. Die bevorzugte Stellung der aufserdem noch durch je zwei
Mitglieder in der Genossenschaft vertretenen Familie des Dionysios, die
allem Anschein nach den Eupatriden angehörte und von der auch ander-
weitig Mitglieder bekannt sind (a. a. 0. S. 293), macht die Stiftung der
Genossenschaft durch dieselbe wahrscheinlich. Eine Beziehung zum Dio-
nysoskult war durch die Zugehörigkeit der Familie zum Demos Marathon
gegeben. — Von den blofsgelegten baulichen Anlagen hält Köhler die
eine, ein grofses rechteckiges Gebäude mit vielen Gemächern, für das
Stamm- und Wohnhaus der Familie des Dionysios, die andere, einen mit
jenem Gebäude verbundenen Säulenhof, für den Versammlungsraum der
Dionysiasten, während in der Mitte des noch nicht aufgedeckten Säulen-
hofes nach Dörpfeld, a. a. 0. S. 286 und Köhler der Tempel des Dio-
nysos zu suchen wäre,
um 160 Derselbe, a. a. 0. S. 293. In dem Ehrendekret der Orgeonen
aus dem Archontat des Sonikos CIA II 1, 624 Z. 24 (Röhl I, 29) ist
herzustellen: uno r^g cepecag 'Apc(rT[o]8!XY^g r^g yevofievr^g im [^IjnTidxoij
äp^ovTog. Der Zusammenhang macht wahrscheinlich, dafs letzterer das
Archontat im Jahre vor Sonikos verwaltet hat. Mitte des 2. Jahrh.
Dragatses, Parnassos VII 1883 S. 773. Piräus. Die iimopot
ehren den va{öapxog Argeios, S. des Argeios, aus dem Demos Triko-
rythos. Vgl. die Weihinschrift des Geehrten S. 432.
Nach- Philios, 'E<p. dpx- 1883 Sp. 141 f. n. 14. Eleusis, Basis. Das
lieh. Geschlecht der Praxiergiden . ehrt die Poliaspriesterin 2!aßztviavr)
'AjidXüj nach Befragung des Areopags, des Rates der 500 und des Volkes.
Nachchristliche römische Zeit.
143-160 Köhler, MDAI VIII 1883 S. 287ff. Ein rechteckiger Würfel, der
auf der einen Schmalseite eine Weihinschrift der Paraler (vgl. S. 431)
trägt, hat auf der gegenüberstehenden Seite eine Inschrift, in der ol iv
Hsipa'i Tipay paxeozal oc nepl Ba{Xipiuv) 'Aya&6no8a Me{ki-ia) die
Appia Atilia Regilla, Gemahlin des Archiereus Cl. Herodes, als erste
II. Attica. 8. Ehreninschriften. 423
Priesterin der Töyri r^s" mjhojc: nach Befragung t<5v xparcaziov 'Apsona-
yecTwv ehren. Folgen in zwei Kolumnen 16 + 11 Namen der Stifter. —
Die Geehrte ist die zweite Frau des Herodes Atticus. Der weder für
den Piräus noch für Athen sonst bezeugte Kult der 7ü;^3y tt^q nöXeujg
ist demnach um die Mitte des 2. nachchristl. Jahrh. eingerichtet worden.
— Nach Wachsmuth, MD AI IX, 95 kann nur an die Tyche gedacht
werden, der Herodes Atticus auf der einen Seite seines panathenäischen
Stadiums einen Tempel errichtete und deren erste Priesterin somit seine
eigene Frau war. Die Zeit der Erbauung dieses Stadiums fällt dem-
nach in die Zeit der zweiten Ehe des Herodes (143—160 n. Chr.), frühe-
stens kurz vor 143. — Sowohl diese Inschrift wie die Widmung der Pa-
raler scheinen im Piräus aufgestellt gewesen und später nach Athen ge-
bracht worden zu sein.
Eleusis. Philios, 'i:^ dp^. 1884 Sp. 135 ff. (Faks. 9). A) Ehren- 307-287
dekret {<T-oi^r/dov) der T£~ay/j.svoc tujv noXtriov ^EXzoalvi xac iji IlavdxrojL
xal im 0uXeT auf ihren azpaTrjyog 'AptaTo^dvrjQ 'Apcarofievou Aeoxovoehg
aus der Zeit des Glanzes des ßaadebg ArjpTjzpcog. Der Gefeierte soll
durch Verleihung eines goldenen Kranzes und Errichtung einer Bildsäule
geehrt werden. B) Auf demselben Stein, gleichfalls a-oc^r]86v, Ehrendekret
der Eleusinier auf denselben wegen seiner Verdienste um den Demos
der Athener und den Demos der Eleusinier. C) Liste der zur Errich-
tung der Bildsäule erwählten Kommission. — Alle drei Inschriften sind
gleichaltrig und gehören eng zusammen. Sie fallen zwischen Ol. 118, 1
= 307/6 V. Chr. (Eroberung Athens durch Demetrios) und Ol. 123, 2
= 287/6 V. Chr. (Vertreibung des Demetrios). Im Einzelnen läfst sich
wegen der mangelhaften Kunde und des unzulänglichen Materials für
die Geschichte der Diadochen ein sicheres Datum nicht feststellen. —
Ein Zusatz des Herausgebers Sp. 159 f. Bemerkungen und verbesserte
Lesarten von Pantazides Sp. 213ff.: Ein 'Apcaro^dvr^g Jsuxovosug
(ohne Angabe des Vaternamens) figuriert als Trierarch im lamischen
Kriege bei Böckh, Urkunden über attisches Seewesen XVII a Z. 102.
Tsuntas, 'E^. äp^. 1884 Sp. 71 ff. Volksbeschlufs der Eleusinier
zu Ehren des Chorodidaskalos Damasias, S. des Dionysios, aus Theben;
mit Herstellung von Z. 11 durch Pantazides. Sp. 218.
Philios, 'E^. dpx- 1883 Sp. 133ff. n. 11. Volksbeschlufs der
Eleusinier zu Ehren des Peripolarchos Smikythion wegen seiner mili-
tärischen Verdienste um die Stadt.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 19 n. 2. Basis. Die Stadt ehrt röv dw"" Hadria-
r , , msche
zarcag ixuazrjv und Hierokeryx (vgl. Dittenberger, Hermes XX 1885 S. 18 ff.), Zeit.
Agonotheten bei den Hadrianischen Spielen , Strategos und Archon Ca-
sianus, der als Gesandter aus seiner Heimat nach Britannien gereist war.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 77 f. n. 6. Basis. Die Stadt ehrt den "mfiso
L. Memmius im ßo)jiu)t (vgl. über dieses Amt Dittenberger, a. a. 0. S. 20ff.
n. 3) aus dem Demos Thorikos, dessen Ehrenämter und Verdienste aufge-
424 Griechische Epigraphik
zählt werden. U. a. war er Archon Eiiouymos (vgl. CIG I 272 B und Du-
mont, Archontes Atheuiens S. 94), vollzog in Gegenwart des Kaisers Ha-
drian eine Weihung und hatte später die noch gröfsere Ehre, die drei Kaiser
L. Verus, M. Aurelius und Commodus zu weihen; s. Dittenberger, a. a. 0.
S. 33 (vgl. die Grabschrift aus Eleusis S. 438 '%. äp^. 1885 Sp. 147 ff. n. 26).
193-211 Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 148f. n. 20. Aus
den wiederaufgefundenen »M S. Inscriptions collected in Greece by C. R.
Cockerell, 1810—14.« Die Stadt ehrt die Julia Domna, Gemahlin des
Septimius Severus, als Mrjzipa Kdarpwv.
250-171 Oropos, Amphiareion. - Leonardos, 'E(p. api. 1886 Sp. 61 n. 19.
Basis. Der Demos von Oropos ehrt den Timarchos, S. des Theodoros,
in Form einer Weihung an Amphiaraos. — Auf demselben Stein Proxenie-
dekret der Eule und des Demos von Oropos auf den Athener Eubulides,
S. des Kalliades; datiert nach dem Priester Molottos. Der Sprecher
Python, S. des Kalligeiton, begegnet nach dem Herausgeber auch auf
andern, noch unedierten Psephismen des Amphiareion. Eines Uoü&ujvog
KaAhytzovog 'üpcon;a> d<psdpca-süovzog geschieht Erwähnung in der In-
schrift SIB 15 = SGDI 494 (250- 171 v.Chr.). Ein Verwandter, Kalligeiton,
S. des Python, errichtete dem Amphiaraos an derselben Stelle zwei Weih-
geschenke (Rang., Ant. hell. II 678 S. 259/60; vgl. auch S. 252—262. 691).
Vor- Derselbe, a. a. 0. Sp. 65 — 68 n. 22. Basis. Proxeniedekrete
romisc . ^^^ g^jg ^^^ ^gg Demos von Oropos 1. auf den Athener Menekrates,
S. des Hipparchos ; datiert nach dem böotischen Archonten Apollodoros,
dem städtischen Pausanias und dem Amphiaraospriester Glaukon; 2. auf
Herakleitos, S. des Euandros, aus Kassandreia; datiert nach dem böo-
tischen Archonten Philon und dem Amphiaraospriester Theodoros. Beide
74-44 Dekrete aus vorrömischer Zeit. — Auf demselben Stein Ehrendekret des
Demos auf P. Servilius C. f. Isauricus ünarov au-oxpdzopa als seinen
(kazoü) Wohlthäter in Form einer Weihung an Amphiaraos. Der Geehrte
war Konsul 79, erhielt den Beinamen Isauricus 74 und starb 44 v. Chr.
Derselbe, '£^. dp^. 1885 Sp. 101 ff. n. 4. Der Demos von Oropos
ehrt den Cn. Cornelius Cn. f. L. n. Lentulus als Patron und Euergetes in
Form einer Weihung an Amphiaraos und Hygieia Darunter die Künstler-
inschrift des Atheners Herodoros, S. des Sthennis (vgl. S. 427 o.). — Von
sechs auf demselben Stein befindlichen Proxeniedekreten der Oropier
publiziert der Herausgeber nur eins: auf den Macedonier Philippos, S.
des Alkimachos; datiert: 'hpsujg \4&rjvo8wpou prjvög 'Akax}(.üp.zvzcuu (so).
Derselbe, a. a. 0. Sp. 103 ff', n. 5. Der Demos der Oropier ehrt
den C. Cornelius L. f. Sulla Epaphroditos (= Felix) als Soter und Euer-
getes in Form einer Weihung au den Amphiaraos; datiert nach dem
Priester Phrynichos. Darunter Küustlerinschrift des Teisikrates, S. des
Thoinias. — Derselbe, a. a. 0. Sp. 106 n. 6. Der Demos der Oropier
ehrt die Met]ella Caeciüa, Gemahlin des L. Sulla [Epaphrojditos, in Form
einer Weihung an Amphiaraos und Hygieia.
II. Attica. 8. Ehreiiiuschrifteu. 425
Derselbe, a. a. 0. Sp. 105if. n. 7. Der Demos der Oropier ehrt den
Q. Caepio Q. f. Brutus als Soter und Euergetes in Form einer Weibung
an den Amphiaraos. Darunter Künstlerinscbrift des Thoinias, S. des
Teisikrates, aus Sikyon. — Auf demselben Stein Proxeniedekret der
Oropier auf den Athener Hermias, S. des Nearchos.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 109f. n. 9. Der Demos der Oropier ehrt
den Appius Claudius Appii f. Pulcher in Form einer Weihung an den
Amphiaraos. Künstlerinschrift des Böoters Agatharchos, S. des Diony-
sios. Datiert nach dem Priester Oropodoros.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 155f. n. 13. Der Demos der Oropier
ehrt den Legaten und Proprätor Q. Fufius Q. f. Calenus in Form einer
Weihung an den Amphiaraos. — Auf demselben Stein Proxeniedekret
der Bule und des Demos auf den Athener Philleas, S. des Agasilaos.
Darunter (zu der ersteren Inschrift gehörig) Künstlerinscbrift eines Simalos.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 97ff. n. 2. Mit Verbesserungen Latischews
wiederholt von Foucart, BGH X 1886 S. 458 f. Vgl. auch v. Wilamowitz-
Möllendorff, Hermes XXI 1886 S. 102. Der Demos der Oropier ehrt
den Hieron, S. des Telekles, aus Aigeira. Derselbe soll durch einen
Kranz und eine Bildsäule geehrt werden, deren Verleihung bei dem gym-
nischen Agon der grofsen Amphiaraen proklamiert werden soll. Vor-
christliche römische Zeit.
Derselbe, 'E^. apx- 1886 Sp. 64f. 63 n. 21. 20. Basen. Der Demos ca. ei
von Oropos ehrt in Form einer Weihung an Amphiaraos 1. den Cn. Cal-
purnius Cn. f. Piso als seinen Wohlthäter; 2. die Paulla Popillia M. f.,
Gattin des Vorigen (Konsul 61 v. Chr.). Auf beiden Steinen noch Reste
von Proxeniedekreten.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 55 ff. n. 17. Basis. Den C. Scribonius nach so
C. f. Curio ehren die Oropier als ihren Patron in Form einer Weihung
an Amphiaraos. Darunter Künstlerinscbrift des auch sonst bekannten
(Atheners) Xenokrates. — Scribonius war 50 v. Chr. Volkstribun und
förderte den Krieg zwischen Cäsar und Pompejus. — Die Inschrift ist
über eine frühere eingemeifselt; es folgen Proxeniedekrete.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 57f. n. 18. Basis. Der Demos ehrt den 27—12
M. Agrippa L. f., dreimaligen Konsul, als seinen Wohlthäter. Darunter
Künstlerinscbrift des Metiochos ; weiterhin Proxeniedekrete. Die Inschrift,
die über eine ältere eingemeifselt ist, fällt zwischen das dritte Konsulat
und den Tod des Agrippa (27- 12 v. Chr); vgl. CIA III 1, 575. 576.
Löwy, Inschr. griech. ßildh. 125 a. — Auf demselben Stein (S. 59 f.) u. a.
Proxeniedekret der Bule und des Demos von Oropos auf den Athener
Ktesikrates, S. des Zoilos.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 69 — 72 n. 23. Basis. Proxeniedekrete
des Demos von Oropos l. auf Kleopolis, S. des Apollodoros, aus Lamp-
sakos; 2. auf den Athener Aristyllos, S. des Charidemos; 3. auf Apol-
426 Griechische Epigraphik.
lonios, S. des Meniskos, aus Kos. - Auf demselben Stein Ehreninschrift
auf Megakleides (s. S. 427).
Derselbe, a. a. 0. Sp. 54 n. 15. Basis. Die Oropier errichten
dem Pisis, S. des Chartas , eine Bildsäule in Form einer Weihung an
Amphiaraos.
4^ja'lrr- Salamis. — Foucart, BCH X 1886 S. 451. Fragment eines
hund. azor/7j8üv geschriebenen Ehrendekrets der Salamiuier auf Chr .
150-100 Ditten berger, Epigraphische Miscellen in den »histor. und philol.
Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl. 1884
S. 299 f. In dem Proxeniedekret von Oropos CIG 1566, am genauesten
bei Newton, Greek inscriptions in the British Museum II p. 27 n. CLXI,
Z. 2 ist statt ülvu(pdov 0t/jidvog herzustellen: Ohoipilov 0i{XoTioc)ii£vog.
Der Fehler des Steinmetzen findet seine Erklärung darin, dafs derselbe
von (l)| auf Ol abirrte. Vermutlich hatte der Kreter seinen seltenen
Namen zu Ehren des berühmten achäischen Feldherrn um die Zeit er-
halten, wo letzterer sich auf der Insel aufhielt und in die dortigen Kämpfe
eingriff. Alsdann würde die Inschrift aus der 2. Hälfte des 2. Jahrh.
V. Chr. stammen.
c) Von privaten und ungenannten Stiftern.
4. Jahr- Ku manu des, 'E(p. dp^- 1883 Sp. 21 f. Athen, Centralmuseum.
Basisinschrift in zwei Distichen, in welcher ein nicht genannter Sieger
in Tnnajv zz 8p6/xucg epyujv zs sv dixikXa[tg seine nazpcda Kexpomav feiert.
Darunter Verzeichnis seiner zu Ilion, Klaros (bei Kolophon, Spiele un-
bekannt) und Ephesos errungenen Siege. Nach dem Herausgeber aus dem
4. Jahrh.
ca. 350 Derselbe, 'E^. äpy^. 1886 Sp. 10 n. 3. 4. Agora. Fragmen-
tierte Basisinschriften. Dieselben ei-gänzen sich ^u: 'Avd^apaig M[e\ — |
(polapi - . Da jener Eigenname äufserst spärlich vorkommt, so hält
der Herausgeber es für nicht unmöglich, dafs der Träger desselben iden-
tisch sei mit dem in dem Psephisma Athen. VII, 96 aus dem Archontat
des Diotimos (354 v. Chr.) begegnenden gleichnamigen Vater des ypo-p.-
pazzug^ zumal da die Buchstabenformen übereinzustimmen scheinen.
350-300 Leonardos, 'Ef. dpx- 1886 Sp. 55f. n. 16. Oropos, Amphia-
reion. Basis. Der Athener Charias, S. des Neoptolemos, ehrt seinen
Vater N. , S. des Stratokies, in Form einer Weihung an Amphiaraos.
Darunter Künstlerinschrift des Atheners Praxias, S. des Lysimachos.
Statt ^ABrjvalog iriurjas war anfänglich geschrieben: 'Ayxu^&ev inor^crs.
Dedikant und Künstler sind bekannt; die Inschrift fällt in die zweite
Hälfte des 4. Jahrh. v. Chr.
Derselbe, 'E<p. äpy^. 1885 Sp. 102 n. 3. Ebd. Der König (von
Thracien, Diadoche) Lysimachos ehrt die Gemahlin seines Bruders Auto-
dikos, Hadeia, in Form einer Weihung an den Amphiaraos. Darunter
II. Attica. 8. Ehreniuschriften. 427
Künstlerinschrift des Atheners Sthenuis (vielleicht Vater des Herodoros
S. 424 n. 4), S. des Herodoros.
Derselbe, 'E<p. dpx- 1886 Sp. 53 n. 14. Ebd. Künstlerinschrift ca. 200
(wohl zu einer Widmung gehörig) des Sosis. Derselbe begegnet in der
Basisinschrift vom Helikon Löwy, Griech. Bildh. u. 150 (Röhl I, 104).
Letztere wurde von dem Herausgeber Martha, BCH HI, 444 n. 2 dem
Ende des 3. oder Anfang des 2. Jahrh. v. Chr. zugewiesen.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 70 n. 23. Ebd. Basis. Aristomedes er-
richtet seinem Bruder Megakleides, S. des Aristomenes, eine Bildsäule.
Auf demselben Stein drei Proxeniedekrete (s. S. 425 f.).
Derselbe, 'E(p. apy. 1885 Sp. 107f. n. 8. Ebd. Demokrite, T.
des Theodoros, ehrt ihren Vater Theodoros, S. des Archilochos, sowie
in einer zweiten Inschrift auf demselben Stein ihren und des Demainetos
Sohn Theodoros in Form einer Weihung an den Amphiaraos. Darunter
die Künstlerinschrift des Dionysios, S. des Ariston.
Philios, 'Elf. äpi- 1885 Sp. 152f. n. 28. Eleusis, Basisinschrift.
Die Appia Annia Regula Atilia Kaukidia Tertulla, T. des Konsuls und
Pontifex Appius, ehrt (dviöjjxsv) ihr Mann, der Konsul und e^rjyrjTTjg
(vgl. zu dieser Würde Dittenberger, Hermes XX 1885 S. 12 f.) Herodes
Marathonios.
Lolliug, MDAI X 1885 S. 357f. Oropos, Kloster Kalo-Livadi.
Ariston, Asklepiades und Timarchos, Söhne des Timarchos, ehren ihre
Mutter Philippa, T. des Timotheos, in Form einer Weihung.
Skylitses, Deltion 1885 n. 440. Der Herausgeber fand auf seinem
Gute in Kephissia die Inschrift (wohl nicht Grabschrift): L. Bibullius
Klerodes, leiblicher Sohn des Rufus, Adoptivsohn des Herodes. Vgl.
Berliner philol. Wochenschr. 1885 n. 27 Umschlag S. 4.
Philios, ^E<p. dfjy. 1883 Sp. 20 n. 3. Eleusis, Basisinschrift (wohl
nicht Grabschrift): Mkagoras, Hierokeryx (vgl. zu diesem Amte Ditten-
berger, a. a. 0. S. 18ff.) und Professor der Sophistik {km zr^g xa&zopag
ao^KTTiTjg), Nachkomme der Philosophen Plutarchos und Sextus. Über
Nik. und seine Herkunft vgl. Lenormant, Rech. arch. ä Eleusis S. 165.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 75 n. 5. Ebd. Basisinschrift in drei
Distichen zu Ehren einer Praxagora, deren Eltern 8a8ou^oc (vgl. Ditten-
berger, a. a. 0. S. 10 ff.) waren und deren Kinder iioazaywyo] sind.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 79f. n. 7. Ebd. Basisinschrift (vier ca. ■]■ 200
Distichen) zu Ehren eines Hierophanten und früheren Sophisten, dessen
Name zu Lebzeiten nicht genannt werden durfte (vgl. Lucian; nach Ditten-
berger, a. a. 0. S. 13 Anm. wurden die Hierophanten und andere Priester
erst in römischer Zeit als Ispojvojxot betrachtet). Darunter 2'y2 Distichen
als Grabschrift auf den nunmehr Verstorbenen, aus welchen als Name
428 Griechische Epigraphik.
desselben ApoUonios Poseidonios, S. des Apollouios, sich erschliefseii
läfst. Der Geehrte ist wahrscheinlich identisch mit dem von Philostratus,
vitt. soph. 2, 20 erwähnten Sophisten, der u. a. mit einer Gesandtschaft
an den Kaiser Septimius Severus betraut wurde (vgl. Keil, Hermes XX
1885 S. 627 ff.). Vgl. zu S. 421 n. 10.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 137ff. n. 13. Ebd., Basisinschrift. Die
Priesterin der Demeter und der Köre Aelia Epilampsis, T. des Aelius
Gelos aus Phaleron, eine Dame aus sehr vornehmem Geschlecht, mit
einer au Ehren und Würden reichen Verwandtschaft, wird von ihrem
Sohne, dem Archen Eponymos P. Pöm(ponius) Hegias aus Phaleron, und
ihrer Enkelin Epilampsis geehrt.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 144 n. 17. Ebd. Basisinschrift auf P.
Aelius Timosthenes Berenikides, einen /lurjU-els ä<p' ka~taq.
Derselbe, 'A>. dir/_- 1885 Sp. 147f. n. 25. Ebd., Basis. Publia
Aelia Herennia ehrt ihre gleichnamige — und des P. Aelius Apollouius
— Tochter, eine ä^' ka7'jj.q ixua-^g, in Form einer Weihung an die
Göttinnen.
Derselbe, 'E(p. apx- 1883 Sp. 144 n. 18. Ebd. Basisinschrift
auf Gl. Themistokleia, Tochter und Enkelin zweier daoouirjaavreg^ wohl
eine fiüarcg d(p^ ka-iag.
Derselbe, 'E(p. ap^. 1885 Sp. 146 n. 24. Ebd. Basisinschrift auf
Honoratiane Pol3'charmis, r^v xoi 0atvapizrjv, T. des Honoratianos Po-
lycharmos und der Claudia Themistokleia, Spröfsling zweier oado'r^i]-
(Tavrsg, ttjV d^' kartaq.
Derselbe, 'E(p. dpx- 1883 Sp. 145 f. n. 19. Ebd. Basisinschrift.
Den Lysias, S. des Artemon, Paianieus, einen a^r' kartag /xurji^scg^ ehren
in Form einer Weihung an Demeter und Köre Theotimos, S. des Th.,
Theodote, T. des Dositheos, und Onesako, T. des Protimos, alle drei My-
rinusier.
Derselbe, 'A^. «/?/. 1885 Sp. 145 n. 23. Ebd., Basisinschrift.
Nach Befragen twv as/j-vord-cov 'ApeoTxaystzwv ehrt den T. Fl. Atimetos
aus Piräus, -öv ysvöpevov d^' karcag, seine Mutter Papia Onesime in
Form einer Weihung an die Göttinneu.
Kumanudes, a. a 0. Sp. 211 n. 7. Ebd. Fragment: flopTrcovca
hXdpa iipsca — | — kx riov i[§uo\i.
Mylonas, 'E<p. dp^. 1883 Sp. 101. Fragment eines Ehrendekrets
in dorischem Dialekt auf einen Nijkias, der sich durch Gesandtschaften
und Leiturgieen, durch eine Speisung der Römer, durch Choregieen u. s. w.
verdient gemacht hatte. Wahrscheinlich Duplikat eines in dorischem Ge-
biet errichteten Denkmals. Aus römischer Zeit.
vort2fi9 Kumanudes, 'E(p. dp-/- 1885 Sp. 210 n. 6. Agora. Metrische Ehren-
inschrift auf den auch aus CIA III 70. 714-717 bekannten Redner und
II. Attica. 9. Weihinschritten. 429
Geschichtschreiber des 3. nachchristl. Jahrh. P. Herennius Dexippus, S.
des Ptolemaios, aus dem Demos Hermos, der um 269 n. Chr. als An-
führer der Athener die in Attika einfallenden Gothen schlug und von
dessen Geschichtswerken noch einzelne Fragmente erhalten sind (Scriptt.
hist. Byz. ed. Bonn. vol. I). Die zum teil unleserliche Inschrift besteht
aus zwei wenig Kunst verratenden Epigrammen zu zwei und drei Di-
stichen. Wie diese, möchte der Herausgeber auch die Ehreninschrift CIA
III 716 = Kaibel 878 in 4-^-2 Distichen zerlegen. Alle diese Inschriften
wurden dem Gefeierten mit obrigkeitlicher Erlaubnis von dessen Söhnen
errichtet, von welchen in unserer Inschrift Auaty.Xirjg zuerst begegnet.
Da in keiner derselben der militärischen Verdienste des D. Erwähnung
geschieht, so sind alle vor 269 n. Chr. zu setzen.
Derselbe, 'E<f. a.fiy. 1886 Sp. 14 n. 8 in Minuskeln. Agora,
Basis Innerhalb zweier Kränze dürftige Inschriftreste; in dem zweiten
Kranze : 7WfJ[«5 . . ug \ ^etoo — | 'Ar.okXujviaüg. Der Demos ApoUouia
war benannt nach Apollonis, der Mutter Attalus II. (159 — 138 v. Chr.).
Köhler, MDAI IX 1884 S. 387. Eine italienische Abhandlung
über attische Inschriften auf Malta in der griechischen Nationalbibliothek
(s. S. 413 0.) enthält die Ehreninschrift der Hierophantin Philoxena, die
nach Chandler (»in campo Rario« kopiert) CIG 435 und CIA III 899
wiedergegeben ist; sowie das Fragment der metrischen Inschrift eines
Hierophanten, nach Chandler (»in campo Eleusinio«) CIG 401 und CIA
ni 713 abgedruckt. Es ergeben sich einige unbedeutende Variauten,
Dittenberger, Hermes XIX 1884 S. 244f. n. 3 erweist den auf
dem athenischen Inschriftfragment CIA UI 721a begegnenden Jcxcwcog
0ipjxog tapsoQ rcupipopog i^ dy.ponoXzujg als identisch mit einem der
beiden Anth. Pal. XVII, 322 erwähnten Personen. Hier ist demnach
der erste der beiden iambischen Trimeter zu emendieren: 0cpp.og p.s
0ipßov, Tiopipöpog zov 7:up(p6pov -. Offenbar sind beide Verse von
der athenischen Basis abgeschrieben.
9. Weihinschriften.
Kabbadias, 'E<p. apx- 1886 Sp. 79ff. Archaische Weihinschriften Ar-
von der Akropolis. - Sp. 79 n. 1. Taf. 6, l (CIA IV 2, 373 85). Links- ^^^'''''''
läufiges, metrisches Fragment in den Kannelüren einer ionischen Säule:
'AXxijj.ayog //' ä[>zhrjxsv — eu/uXeu i.a&Xo{o) o — . Sp. 80 n. 2. Taf.
6, 2 (CIA IV 2, 373 ^^). In den Kannelüren einer ionischen Säule:
Eusvlip i7:ü\crj(7B- \ Kcpov d)/i(f[rjxä. Der Künstler ist unbekannt. — Sp. 81
n. 3. Taf. 6, 3 (CIA IV 2, 373 9*). Linksläufiges Fragment in den Kanne-
lüren einer dorischen Säule: — äya?]Xfia \ euj^erac v — . Sp. 81 n. 4.
Taf. 0, 4 ^CIA IV 2, 373 ^M. Fragment {(rroi^rjdo)') eines Abakus. Nach
430 Griechische Epigraphik.
Robert, Hermes XXII 1887 S. 130 (vgl. Berl. philol. Wochenschr. 1886
n. 52 Sp. 1648): Niap^os a.v[zi9rjxev Ho xspaji£-(2)ug epyöv anap^Iv [rd-
briMmai. (3) 'Avzlvop eTi[ucr](rzv fI-{4)o Ebixdpo{'j)g ~[o äyaXiia. Antenor
ist der bekannte Künstler der von Xerxes entführten Tyrannenmörder.
Ende des 6. Jahrh. — Sp. 81 n. 5. Taf. 6, 5 (CIA IV 2, 373 9»). Basis-
inscbrift: Osöiocop^og • djl— irMi-qazv. {1)^ 0\>sai.iwg [x dvdBsxsv \ dnap-
^sv (3) rdßsvacac \ Ho 2 p.ix(jd-o[u) Hucug. Der Künstler ist wahrschein-
lich der bekannte Theodoros von Samos; vgl. den Herausgeber Sp. 136.
— Sp. 133f. (CIA IV 2, 37395. Roberts, S. 64). In den Kannelüren
einer dorischen Säule: — "Ap]^ep/iog STiocsasv 6 Xi\og. (2) — dvs]d-sx£v
'A^evacac no?,to{6)^[ujc. Nach Weil (vgl. Berl. philol. Wochenschr. 1887
n. 9 Sp. 288) ist der Künstler nicht identisch mit dem Verfertiger der
delischeu Nike, sondern ein jüngeres Mitglied derselben Familie, viel-
leicht ein Enkel des altern Archermos. Schriftcharakter der zweiten
Hälfte des 6. Jahrh. v. Chr.
desgl. Mylonas, 'E(p. dp^. 1883 Sp. 35 - 37. Archaische Weihinschriften
von der Akropolis. - Sp. 35 u. 1 (CIA IV 2, 373 "). Lysias weiht der
Athenaia eine dnap^^ij, Euarchis eine osxdrrj. — n. 2 (CIA IV 2, 373 ^^).
Tychandros weiht der Athenaia eine driap^rj. — Sp. 36 n. 3 (CIA IV, 2
373 ''9). Der Taschenspieler Philon weiht in einem Distichon der Athe-
naia einen Dreifufs nach Besiegung des ""lanohg (= 'laonoXcg) 'Apeaiou.
— n. 4 (CIA IV 2, 373 8»): NsoxMor^g dvs&rjxsv. — u. 5 (CIA IV 2,
373 ^^): Hierokleides weiht der Athenaia Poli[uchos] eine oexa-rj. —
Sp. 37 n. 6. (CIA IV 2, 373 82. Löwy, Inschr. griech. Bildh. 17). Weih-
geschenk des Kriton, S. des Skythes, an Athenaia. — n. 7 linksläufige
Inschrift: ^wcpiXog iypaipazv. — n. 8: Alücrcuv eypacpazv xdnoirjasv. —
n. 9 {ßouarpofT^SoM): Aia^cvrjg enörjasv.
desgl. Köhler, MD AI X 1885 S. 77 (CIA IV 2, 373 »\ Roberts n. 46 a).
Untersatz mit archaischer Inschrift: ^p.ixu^s nXOvrpia oexdrev di^d&Ixsv.
rar 415 Derselbe, MDAI VII 1882 S. 320 (CIA IV 2, 418g). Centralmu-
seum. Relieffragment mit Darstellung einer sitzenden männlichen Figur,
der eine kleine, nur teilweise erhaltene männliche Figur gegenüber-
stand. Darunter : — x]pdTsg ] xac Ji/Ao| — c/iüXo{u) | Huts '■ dvs\ - — .
Köhler hält das Fragment für älter, als die Mitte des peloponnesischen
Krieges.
Gleich- Derselbe, a. a. 0. S. 222. Zwei Bruchstücke eines Kapitals aus
Porös auf der Burg mit zwei Epigrammen, von denen das erste, gröfsere,
ein Distichon in archaischer Schrift, nicht ganz genau CIA IV 1, 373^ abge-
druckt ist: — — ves xal natdeg i4[d]i[va]/a^ rJo' äy[aXp.a \ aTryaav&\] He
8' aurloTg eu(pp]ova ^[ü//]o[v exoc. - Weihung und Bitte sind gleich-
falls vereinigt in dem zweiten, aus der ersten Hälfte des 4. Jahrh. stam-
menden Epigramm des Phaidimides an Athene, des Sohnes des Pro-
tarchos, welch letzterer 407 v. Chr. Hellenotamias war; vgl. CIA I 189.
altrig.
II. Attica. 9. Weihinschriften. 431
Leonardos, ''E<p. d(r^. 1885 Sp. 155. Oropos, Amphiareion. /i/z- ca. 4oo
fiapdoip), (2) 'A/i^c^u^o{(j), (3) 'E[fJiioü? —
Kumanudes, '%. dp/. 1884 Sp. 83 f. Weiliinschriften auf Apol- desgl.
Ion, seinen Sohn Asklepios und seinen Enkel Machaon. n. l : 'A(7x?.s7:co{I)).
n. 2: Ma/dövog. u. 3: 'AndUwvog Ma^sdTo{u). Ein Heiligtum des Apollon
Maleates existierte nach Paus. 2, 27, 7 in Epidauros (vgl. die Inschriften
unter IV 2); auch wurde er nach Paus. 3, 12, 8 in Sparta verehrt.
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 171. Schmalseite eines rechteckigen 400-350
Würfels, der ein Weihgeschenk trug, welches in der ersten Hälfte des
4. Jahrh., wie es scheint, die Mannschaft der Paralos aus dem Erlös der
Beute zweier in demselben Jahre davongetragener Siege gestiftet hatte:
Ol ndpaXoi d{Tiu Twv cov (2) Ol IldpaXoi dnu z[a)v cuv. (3) "Av&-
innog ETptrj[pdp/et. — Unterhalb dieser Inschrift Ehreninschrift auf Appia
Atilia Regula (s. S. 422 f.).
Mylonas, 'E<p. dp^. 1885 Sp. 220. Von dem Herausgeber vorher desgl.
publiziert in der Zeitschrift "Qpa 1883 n. 353. Akropolis, Basisinschrift:
0tXap]izrj 0doydp[oug (2) A/a]pv£wg Bujdrrjp — — (3) ArMXrj^]cg Ano-
kij^toog (4) dvdf^r^xe. (5) ^fla) (6) Ildvocog inur^as. Der Künstler Pan-
dios ist litterarisch nur bekannt aus Theophrast, Trepl ^urwv laropiag
9, 13, 4. Durch unsere Inschrift wird sein Name gegen die handschrift-
liche Überlieferung {llavrtng^ Hdvdecug) sichergestellt. Den Schriftcha-
rakteren nach (OiPO gehört die Inschrift etwa in die erste Hälfte
des 4. Jahrh. v. Chr. Wenn der Künstler nach Theophrasts Bericht
während des Baues eines Heiligtums in Tegea durch den Genufs eines
giftigen Krautes den Verstand verlor, so kann dies nur auf den zweiten
Tempel der 'AXia Aßrjvd zu beziehen sein, der nach Paus. 8, 45, 4 von
Skopas erbaut wurde. Pandios wäre somit ein Zeitgenosse des letzteren.
Köhler, MDAI X 1885 S. 282. Die Weihinschrift CIG 470'' ist zu desgl.
lesen: N?]oiü(T(Jü 'A/s[X]ujüut dvsB^rjxev Euiiv^azoo llacavtiujg yuvi]. Nach K.
erste Hälfte des 4. Jahrh.
Kumanudes, 'E<f. dp/. 1883 Sp. 249. Weihgeschenk aus dem 342
Piräus: Otoe hponoLrjaav-eg dv-(2)s&S(Tav im ^loac/si'og (so) dp/ov[Tog'
(3) Ncxüjv, EuTu/c8rjg, (4) Jr^pox^g '• Mavrc&sog. Dem Schriftcharakter
nach glaubt der Herausgeber die in Minuskeln publizierte Inschrift auf
das Archontat des Sosigenes 342 v. Chr., nicht auf das des gleichnamigen
Archonten, dessen Jahr Dumont zwischen 268 und 263 setzt, beziehen
zu dürfen.
Löwy, 'E^. dp/. Sp. 199 f. Aus Atalante (kleine Insel an der 4. jahr-
Südküste Attikas). Zwei zusammengehörige Steine ergeben die Weih-
inschrift: (1=1) JiJvütTov, ('') 'AnoAXcova (2^) i<t{?) dvsßr]x-{^)e OeoTiopnog-
(3—6'*) I^zpoTojv, I BoXüvtxog \ erMir^adxav \ Srjßaiio. Die von dem Heraus-
geber wegen der Buchstabenformen (OKMNPC) dem 4. Jahrh. v. Chr.
432 Griechische Epigraphik.
zugewiesene Inschrift lehrt uns die Namen zweier bisher unbekannten
böotischen Künstler kennen.
Milch höf er, Berl. philol. Wochenschr. 1887 n. 25 Sp. 771. Demos
Ikaria. Votivinschrift des Ikariers Kephisios, S. des Timar[chos? an
Dionysos. Buchstaben des 4. Jahrb. v. Chr.
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 226. Auf dem obern Teil einer
Basis: Eoiiaoeßrjg (2) Eucfdvou E'jcuv[u-{S)ft£ug Xajj.nddi vc-{4:)xrjaag ' Ep-
jiata dyiu-{5)voH-£rouvz[og . Die bisher inschriftlich nicht bekannten
Hermäen wurden als Schulfest in den Gj'mnasien und Ringschuleu ge-
feiert. Darnach wären Eumareides und der Agonothet, dessen Name weg-
gebrochen ist, Epheben. Wohl nicht älter, als Ende des 3. Jahrb. v. Chr.
Dragatses, "E<p. dpy. 1884 Sp. 39ff. Köhler, MDAI IX 1884.
S. 288ff. E. Curtius und Kirchhoff im Sitzungsbericht der archäol.
Gesellschaft zu Berlin vom 6. Mai 1884. Piräus. Metrische Inschrift
in drei Distichen, in welcher der Stifter Dionysios mit der Weihung des
von ihm gegründeten Tempels des Dionysos die Bitte um Schutz für sich
und sein Geschlecht und den ganzen Thiasos vereinigt. S. die Ehrende-
krete der Gi'5tv..dii' auf denselben S. 421 f.
Foucart, BCH VII 1883 S. 507 behandelt ein noch nicht publi-
ziertes Basrelief aus dem Piräus mit der Weihinschrift: 'Aptardp^^rj J«
Medr/Jo) und schliefst daran eine Besprechung der schon bekannten
Weihungen gleichen Fundorts an diesen Gott: S. 508 n. 1 Weihung der
Hedistion (vgl. Röhl I, 46), n. 2 der Hedyle, S. 508 f. n. 3—5 Darstel-
lungen des Gottes unter dem Bilde einer Schlange ohne Inschrift, S- 509
n. 6 desgl. mit der Wpihinschrif^- — - '•.' I^'P '■"(«;, n. 7 Weihung
des Asklepiades, s. öiu n. 8 aes Herakleides' (vgl. Röhl I, 45), n. 9 mit
der Aufschrift : - — tdr/Jip. Zur Vervollständigung vgl. Röhl I, 46. —
Foucart führt die Weihungen, da in ihnen nie ein Demotikon begegnet,
auf phönicische Metöken zurück, die dieselbem ihrem Gotte Baal-Milik
(so die wahrscheinlich richtigste Form) = Moloch darbrachten.
Dragatses, Parnassos VII 1883 S. 773. Weihinschrift aus dem
Piräus: ^ApysTog 'Apyscoo Tpcx[opü<Tcog (2) arparrjyyjaag im rop. I]scpa\ca.
(3) 'AypodcTsc sonXoia (4) «v]£Ö;yx£v. — Vgl. die Ehreninschrift auf den-
selben S. 422.
Derselbe, 'Ef. apy. 1884 Sp. 191 n. 2. Piräus. Basisinschrift:
AnoXkofdvfig Szpdziovog^ (2) 'Idaojv ^'üj-^dpou aclpe]&[i]vTsg (3) im [zoü]
cspoö dvd&rjxav ^eolg.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 192 n. 3 mit Faks. Ebd. Fragment:
1 'Em-(dpp.oo I dvi&rjxsv | Mooviyiut. Von dem Besitzer durch
Vermauern in den Fundamenten seines Hauses unzugänglich gemacht.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 194 n. 6 mit Faks. Ebd. Weihinschrift
einer böotischen Urne: Ntx6\azpdzrj Ku[u\pozp6[<p(ü.
II. Attica. 9. Weihinschriften. 433
Derselbe, a. a. 0. Sp. 219. Ebd. Basisinschrift : ^h]peug ^op-
lilt'wv] 'H8i)Xoo (2) ' E\Keua{viog 'Aaxh^TicaJc (3) xal Tjyceca dvs&r]X£.
Derselbe, 'E^. dpx- 1885 Sp. 90. Ebd. ^iele:.' Epixatog Au QcXcuji.
Meletopulos, 'E(p. dpy. 1884 Sp. 69 n. 6. Ebd.: 'Iipu}v 'Apri-
IJ.\_t8t\ cjpacac.
LoUiug, MDAI X 1885 S. 279 n. 1. Marathon: n\okooe[oxc(ov
(2) Tu) lliowaw [su-{S)(Tsߣcag ivexa.
Derselbe, a. a. 0. S. 279 f. n. 2. Ebd. Zwei Fragmente einer
Altar Inschrift: 'Aprsficdog Eüsi&ucwv. Das zweite Fragment wurde
später als Grabstein benutzt, wie die Aufschrift Meixecag zeigt (s. S. 439).
Derselbe, a- a. 0. S. 283. Sykamino, eine halbe Stunde von
Oropos. "Weihung des encpeXrj-Tjg Hermen, S. des Alexandros, an Herakles.
Dragatses, 'Ecp.dpy. 1886 Sp. 49 n. 1. Piräus. Über der Relief-
darstellung des Zeus Meilichios Weihung der Kri]tobole an den Zeus
Milichios (so).
Derselbe, a. a. 0. Sp. 51 n. 5. Ebd. Weihung: '£/7nylxooiff| 9]Bdeg.
Philios, a.a.O. Sp. 19ff. (Taf. 3, 1). Eleusis. Über bzw. unter
der Reliefdarstellung eines Mahles des Pluton und der Persephone: 0zu)c^
&eät — Auaipaycdrjg dvid^rjxe.
Derselbe, a. a 0. Sp. 25f. (Taf. 3, 2). Ebd. Über bzw. zwischen
der Darstellung eines männlichen und weiblichen Kopfes fragmentierte
Weihinschrift des Ikariers Lakratei[des, S. des Sostratos, hpe.bg 9eou
xdi 9zäg (Pluton und Persephone) und des Eubuleus (Heros) für sich,
seine Söhne und eine Tochter an Demeter und Köre.
Derselbe, a. a. 0 Sp. 262 in Minuskeln. Ebd. Basis mit Weihung
des Glykideus (?), S. des Apollodoros, aus dem Demos Kerameis, und
des Myrrhinusiers Diophantos, S. des Diopeithes, an Eubuleus.
Dragatses, Berl. philol. Wochenschr. 1887 n. 52 Sp. 1618. Säulen-
fi'agment mit der etwas frei ergänzten Inschrift: — rjg rJaca[>c£ug (2)
'A(TxXrjm]wc xa\ r[rjc 'Tyieiat (3) unkp rou nat\diou d'v\^id^rjx£v.
Dessau, MDAI VII 1882 S. 398ff. Zu den bisher bekannten nachfu
beiden Fragmenten der Inschrift vom Fries der Arkadenreihe am Turm
der Winde (CIA II 1, 66) kommt als drittes die Inschiift eines vor der
Westfront des Parthenon gelegenen und mit jenen beiden Stücken so-
wohl in Gröfse und Charakter der Buchstaben wie in den Dimensionen
völlig übereinstimmenden Marmorblockes: — g rapyrjzxiog | — o dvi-
i^rjxav. Der vervollständigte Text, dessen Schlufs unser Fragment bildet,
lautet jetzt: — — — xa\\ (l'*) 'Ai^rjvdt Apyrjyixtdt xai ß-{2^)£ocg Jfe-
ßaa7o7-\[s - — — 'Eppoysurjg — — ou-]{3^)g [apyrjTztog || xal — — ]
(1**) Tjg ' Epp.olydvoug f ]apyr^rTcog, y6v-{2^)oj dk Jyj/irjTpcou Mapa-\[^o)Vcou
— ](3'')y dvidrjxoy. Die beiden Dcdikanten aus dem Gau Gargettos
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LU. (1887. HI.) 28
434 Griechische Eprgraphik.
sind wahrscheinlich Adoptivvater und Adoptivsohn ; dem Namen des letz-
teren ist aufser dem Namen des Adoptivvaters auch der des leiblichen
Vaters hinzugefügt. Aus dem Umstände, dafs sowohl am Anfange als
vor dem Endgliede je ein Block fehlt, läfst sich auf eine erhebliche
Länge des Frieses schliefsen. Die Inschrift ist zum mindesten — wahr-
scheinlich erheblich — jünger, als das Todesjahr des Augustus (14 n. Chr.),
da man vorher nicht wissen konnte, ob dessen Nachfolger den Titel 2e-
ßacrzbg annehmen würde, und somit von mehreren Bsol ^sßaarol zu reden
unthunlich gewesen wäre. - Die Inschrift des gleichfalls der Athena
Archegetis geweihten Marktthores (CIA III 65) erwähnt den Augustus
als noch lebend.
10. Grabschriften.
480-430 Köhler, MDAI X 1885 S. 359ff. »Die attischen Grabsteine des
5. Jahrh.« Auf grund des Schriftcharakters wird unter den teilweise
schon edierten Grabschriften folgende Anordnung getroffen: I. Aus der
Zeit zwischen den Perserkriegen und dem peloponnesischen Krieg. —
S. 361 n. 1 (CIA IV 2, 491 1) auf beiden Seiten beschriebene Platte;
a) Iöz7]pc8rjg^ I [0]au[xapeT7j, I KaXXiaTOjxdj^rj. b) 'AxrjparYog, \ 'Ap/dya[&og,
I Mupzcb. — S. 362 n. 2 (CIA IV 2, 491 2): 2:x[o]\iag \ Ms(r{(T)d\vcog. —
n. 3 (CIA IV 2, 491 ^) Vase: 0diaco5. — n. 4 (CIA IV 2, 491 *) = Ku-
manudes 2990. — n. 5 (CIA IV 2, 491 ^) 'Ap/rnnr^g l Noup.£vco. — S. 363
n. 6 (CIA IV 2, 491 6) = Kum. 2740. - n. 7 (CIA IV 2, 491 7): 0do$ls]>yi
(H statt E). — n. 8 (CIA IV 2, 491 8) = Kum. 2961. Kaibel 73; zu
lesen: Avde[ic8og rode arjpa- xüxkcuc ar£<pa-{'i)voua(c)v [k\-aipot pvrjpel[o]v
dpetrjg (3) ouvsxa xai <pdcag. 'Hpo<pcX[rj\. Av&epcg (ß und E statt O
und H). — S. 364 n. 9 (Wolters-Friederichs, Gipsabgüsse des Berl. Mus.
1020. CIA IV 2, 4919): Als]o/4s]i'r^g 2prj- (H statt E). - S. 365 n. 10
(CIA IV 2, 491 10) = Kum. 2951. — S. 365 f. n. 11 (CIA IV 2, 491 »)
= Kum. 3105. Die Verstorbenen, Lysimachos und Polykrite, sind nach
Scholl, Hermes XXII 1887 S. 559 f. Enkel und Enkelin des Aristides. —
S. 366 n. 12 = CIG 940. CIA III 3102. Kum. 2799. Mitte des 5. Jahrh.
Gleichzeitig CIG 1013. - n. 13 (CIA IV 2, 491 i2) = Kum. 15. Arch.
Zeit. XXIX 1871 S. 29. Kaibel 36. Bechtel, HD 261: »asiatischen,
nicht näher zu bestimmenden Ursprungs«. Nicht jünger als Mitte des
5. Jahrh. — S. 367 n. 14 (CIA IV 2, 491 ^3) = Kum. 2269. — n. 15
(CIA IV 2, 491 1*) = Kum. 1814. - n. 16 (CIA IV 2, 491 1^) Stele:
Naörrjg \ Eu8rjfic8ö \ Topwva\7og. — S. 368 n. 17 (CIA IV 2, 491 1^) Stele:
Mixxog i KaUcxMSö | Topwmhg. — n. 18 (CIA IV 2, 491 ") Stele: 'Ap-
Xtag Nißpö 1 Av8pcö. — n. 19 (CIA IV 2, 491 i^) Platte: Eu^pavrioTjg \
MdvSpojmg \ 'AazonaXadög. — n. 20 (CIA IV 2, 491 ^^) = 'E<p. dpi. 380.
Kum. 2469. — n. 21 (CIA IV 2, 491 ^o) = Dragatses, Parnasses 1881
S. 275 (Grabschr. des Äiaxpiiov). — S. 369 n. 22 (CIA IV 2, 491 21)
Stele: 'AU^d^mq \ üpoxXeßö | AajKpaxrjvdg. — n. 25 = CIG 973''. 'E<p.
II. Attica. 10. Grabschriften. 435
äpi- 1537. CIA III 3291. - n. 24 (CIA IV 2, 49122) = Dragatses,
Parnasses 1881 S. 275 (Grabschr. des Philon aus Salamis). — n. 25
(CIA IV 2, 491 23) = Kum. 3469; voUstcändig : Xapro (Genet. von Xdpzrjg).
~ S. 370 n. 26 (CIA IV 2, 491^4) Platte: 'A&7j\vo8\6tö. — n. 27 (CIA
IV 2, 491 25) = Kum. 3185/5. ._ n. 28 (CIA IV 2, 491 26) Stele: Aiovo-
ffoSwpou. Darunter: 'AnoXXwvtorjg \ Xeppovrjaeczrjg. — n. 29 (CIA IV 2,
491 27) Pfeiler: 0dacvcg \ vsddde | xerac (so). — S. 371 n. 30 (CIA IV, 2
491 28) = 'E^, d.pi. 1682. Kum. 2649. — n. 31 (CIA IV 2 491 29) = Kum.
3121. — n. 32 (CIA IV 2, 491 30) = 'E(p. dp^. 2611. Kum. 2629. - n. 33
(CIA IV 2, 491 31) = Kum. 3209. — S. 372 n. 34 (CIA IV 2, 491 32) =
Kum. 3422. — n. 35 (CIA IV 2, 491 33) = Kum. 3059. — n. 36 (CIA
IV 2, 49134) Täfelchen: "ApcazoxXsux | £v[d-]dds xecrac. — n. 37 (CIA
IV 2, 491 35) = 'i:^. dp);. 1291. 2705. Rang. i486. Kum. 587.
Derselbe, MDAI IX 1884 S. 389 (CIA IV 2, 441). Drittes Fragment 457
der Totenliste der bei Tanagra gefallenen und im äufseren Kerameikos be-
statteten Argiver oder Kleonäer (Fragm. I. II = CIA I 441). Erkennbar Z. 1 :
iv Tav]dypac Aa[xeoacnovi — , Z. 2: — i 7ievBo[g. Weiterhin folgten Eigen-
namen, in Kolumnen geordnet. — A = ;', 0, h ^ >^, O = o, 1^ C.
Keil, Hermes XX 1885 S. 340 ff. erweist aus metrischen Gründen 423 oder
das dem Simouides zugeschriebene Epigramm Anth. Pal. VII, 258 als
eine Nachahmung des auf die attische Totenliste Kumanudes, Athenaion
X, 524 ff. (Röhl I, 50; besprochen von Kirchhoff, Hermes XVII, 623 ff.
und auf die Vorgänge von Byzanz 423 oder 409 v. Chr. bezüglich) fol-
genden Epigramms (CIA IV 2, 446 a).
Tsuntas, 'E(p. dpx- 1886 Sp. 183f. (CIA IV 2, 462^1). Fragmen- Ar-
tiertes Namenverzeichnis in zwei Kolumnen (ohne Vatersnamen) von der
Stätte der Stoa des Attalos. Voreuklidische Zeit.
Kumanudes, a. a. 0. Sp. 9 n. 1 (CIA IV 2, 462°). Agora. Frag- desgi.
ment eines voreuklidischen, arot^rjdov geschriebenen Verzeichnisses von
Eigennamen.
Köhler, MDAI X 1885 S. 403 n. 1 (CIA IV 2, 477'). Schlufs
einer hexametrischen Grabschrift, von dem Vater des Toten, Kallaischros,
errichtet.
Derselbe, a. a. 0. S. 77 (Roberts unter 46a). Grabstein eines desgl.
Wäschers: 'Ovr^ac/xog \ nXaveijg.
Derselbe, a. a. 0. S. 405 n. 3. Grabstein des Hierokles. Nicht ca. 350
jünger als Mitte des 4. Jahrb.
Derselbe, a. a. 0. n. 4. Grabepigramm. Distichon auf Lysilla. desgl.
Vgl. Gomperz, Archäol.-epigr. Mittheil, aus Österreich X 1886 S. 4lf.
Derselbe, a. a. 0. S. 403f. n. 2. Haussoullier, ßCH X 1886 ca. ko
S. 162 f. Grabstele des Ir^pug loore^g, seines Weibes Nixaj und seines
Sohnes Oeu^dug c<jor£^g mit einem wunderlichen, äufserst inkorrekten
28*
436 Griecbische Epigraphik.
Cento (5 Hexameter und 1 Pentameter) aus verschiedenen Epigrammen.
Das Original des Anfanges ist ein Epigramm des Simonides (Anth. Pal.
VII 253 = ßergk, Poetae lyrici Gr. p. 1149). Nicht jünger als Mitte
des 3. Jahrh.
Derselbe, MDAI IX 1884 S. 301. Hof des Centralmuseums :
'AßpoXKig I iMcxcwvog \ Krj<pcatiwQ \ ^uyarr^p. Darunter ein mit Binden um-
wundener Schlüssel, das Symbol der priesterlichen Würde. Dafs die
Verstorbene Poliaspriesterin war, geht aus der nach ihr datierten In-
schrift Rang. 1122 (besser Lebas, Attique 361) hervor. Sonach gehörte
die Familie der beiden Staatsmänner Mikion und Eurykleides zum Ge-
schlecht der Eteobutaden. Der Name Habryllis ist neu. Beide Inschriften
noch aus dem 2. Jahrh. v. Chr.
Derselbe, a. a. 0. S. 302. Grabschrift (lateinisch und griechisch)
auf Spenis, errichtet von den xöpm und yovecg Primitivus und Soteira,
in Form einer Weihung an die unterirdischen Götter.
Gomperz, Archäol.-epigr. Mittheil, aus Österreich X 1886 S. 41 f.
schlägt zu dem Grabepigramm Kaibel 68 die Restitution vor:
"O^ßcov, BuffjpuiV ävo[(jov xaXov euzexvov ia^^ov,
TUfißos od' eu&dv[aTov xpünzei 'ApcaTußcov (?)
Hauvette-Besnault, BCH VIII 1884 S. 470. Thürschwelle der
Kirche Panagia Peristeriotissa beim Dorfe Peristeri in der Ebene von
Athen. Fragmentierte Grabschrift in Distichen auf einen Krieger {dp:^iov
ipyov dvitaaag) Leonidas.
Merriam, American Journal of philology VI 1885 S. 6 n. 21.
Grabstele im Columbia College zu New- York mit den Figuren eines Mannes
und eines Knaben und der Inschrift: /lsxp\i\a ^pr^azi, \ ^acpe.
Ad. Michaelis, Journal of hellenic studies V 1884 S. 150ff.
Broom Hall (Schottland), Sammlung der Elgin marbles. — S. 151 f. n. 13.
Oberes Ende der Grabstele einer 'ApcaT6xAs{t)a, aus dem Ende des 5.
oder Anfang des 4. Jahrh. ; mit Resten eines späteren Namens. — S. 151
n. 11. Grabrelief mit den Namen: 0e6yevig, Ntxddrjßog rioXuUoip) und
Ntxopdyjj. Erste Hälfte des 4. Jahrh. — S. 150 n. 10. Stele mit Re-
liefdarstellung und der Aufschrift: Xatpinnrj \ Ebfpdvopog \ Aafinrpscog.
3. Jahrh. — S. 152 n. 16. Stele eines KoUccuv mit Reliefdarstellung.
— S. 153 n. 19. Grabrelief mit der Aufschrift: Afpodtma 'OXop-noo \
Ialap.ema — und FlaravauxB - -. Letzteres Wort ist ägyptisch: pat =
Swpov, Anaiath = 'Avaircg; die Bedeutung beider Aufschriften ist dem-
nach ziemlich dieselbe. Kaiserzeit. — S. 155 n. 22. Sarkophag mit
Reliefdarstellung und der Aufschrift: Al2cog'Emxpdz7jg BepevcxcSrjg Aüc'ou
ZTjvojvog (2) Toü k^rjyi^rou ucög. Kaiserzeit.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 146 ff. Aus den
wiederaufgefundenen »MS. Inscriptious coUected in Greece by C. R.
II, Attica. 10. Grabschriften. 437
Cockerell, 1810—14«. — S. 146 n. 4. Grabstein der Milesierin Zosirae,
T. des Kallinikos, Gattin des Phokion 'Orpuveui:; S. 148 n. 8: des The]s-
mobulos, S. des [Apjollodoros , aus Klazomenai; n. 10: der Aris]tobule
9e]a{?)(Tmx^; u. 18: des Hierokles Uöptog {Ilopog — Demos der Phyle
'Axa/iavTcg).
Köhler, MD AI IX 1884 S. 387. Eine in der griechischen National-
bibliothek befindliche italienisch geschriebene Abhandlung über attische
Inschriftsteine auf Malta (s. S. 413) enthält zwei zusammengehörige Frag-
mente einer Grabstele mit der bisher nicht bekannten Aufschrift; 0sc§c-
xpaTTjg ilrjiioa&ivioog \ Mup(HVo[ü]cno[g.
Piräus. — Foucart, BGH IX 1885 S. 526. Museum. Grabschrift 400-350
auf SevoxXirjQ 'AyysXr^Bev und seine Söhne üoloiäprjq und 'ApLazoxXirjg.
Erste Hälfte des 4. Jahrh.
Dragatses, Parnassos VI 1882 S. 763. Grabstein des Ktesiklees
S. des Stesibolos, aus dem Demos Lamptrai; a. a. 0. S. 970: des Para-
monos aus Lamptrai und seines Sohnes Alexandros. Derselbe, Par-
nassos VII 1883 S. 82: des Miltiades, S. des Ophelos, aus dem Demos
Lakiadai; S. 183 des Aischines, S. des Aischines, aus Salamis; S. 381
n. 1: des , S- des Keph]isodo[tos?] aus dem Demos Araphen; S. 383
n. 11: des Tauridas, S. des Dion, aus demselben Demos; S. 382 n. 6:
der Nikarete, T. des Kritodemos, aus dem Demos Anaphlystos ; n. 7 : der
Hilaron, T. des Diphilos, aus dem Demos Aixone; n. 8: des Dion, S.
des Apollonios, aus dem Demos Acharnai; n. 9: des Alexon, S. des Theo-
phanes, aus dem Demos Kothokidai {Ko&o8cxrjQ\)\ n. 10: des Dionysios,
S. des Dionysokles, aus dem Demos E(u)onymia; Parn. VIII 1884 S. 183
des -ogenes und -kjles aus dem Demos Acharnai.
Derselbe, '%. dp-/- 1884 Sp. 194 f. n. 7. Reliefbild eines Mannes
und einer Frau mit Säugling auf den Armen mit der Grabschrift: Phere-
kydes und — Erato aus dem Demos Kephale. — S. 195 n. 8 Grabstein
der Aristophanta, Frau des Aristobulos, aus dem Demos Korydallos.
Derselbe, 'E<p. dp^. 1885 Sp. 91. Grabstein des Demetrios, S.
des Kyknos, aus dem Demos Anaphlystos (Nachkomme des Philochoros,
dessen von Suidas überlieferter Vatername Kyknos durch die Prytanen-
urkunde CIA II 2, 869 aus der Mitte des 4. Jahrh. bestätigt wird; vgl.
V. Wilamowitz-Möllendorff, Hermes XX 1885 S. 631). — S. 92 Reliefdar-
stellung eines Ehepaares, der Peisikrateia und des Theochares aus dem
Demos Sunion.
Meletopulos, Parnassos VI 1882 S. 972 n. 3. Grabstein des
Kydatheners Leon und der Chairippe, T. des Chairias, aus dem Demos
Anaphlystos; S. 973 n. 8 der Me[gjariste und Nikostrate, T. des Me-
nekles, aus dem Demos Phlya; n. 9 des Philophron, S. des Kephisokles,
seines Weibes Sanno und seines Sohnes Theophilos aus dem Demos Halai.
438 Griechische Epigraphik.
Hauvette-Besnault, BCH VIII 1884 S. 472. Grabstele des
Dexis, S. des Dexikrates, aus dem Demos Herchia.
Meletopulos, Parnasses VI 1882 S. 972 n. 1. Grabstein des
Aristogeiton , S. des Aristogeiton, aus Naxos; n. 4 des Glaukias, S. des
Diodoros, aus Klos {Kcavög] in Bithyuien an der Propontis, vgl. unten);
n. 5 des Arkaders Praxitas, S. des Praxidamos.
Derselbe, 'E^. äp^. 1884 Sp. 6 5 ff. n. 1. Metrische Grabschrift
(2 Hexameter -|- 2 Distichen + 2 Hexameter + 1 Pentameter -f- 1 Hexa-
meter) auf einen Lysandros. — Sp. 67 n. 4. Grabstele der Salzhändlerin
Melitta. — Sp. 67 f. n. 5. Phönizische und griechische Grabschrift, gleich-
lautend (demnach wohl identisch) mit GIG 859; der griechische Teil: jVoy-
liTjvtoQ \ KiTieug.
Dragatses, Parnassos VI 1882 S. 770: jSüjXipr] \ Acovuaiou \ Ktavrj
(aus Kios an der Propontis; s. o.)- — 'Ey. äpy. 1884 Sp. 195 n. 9. Frag-
mentierte Grabschrift der Thebanerin -dokleia und ihres Landsmannes
-okrates. — Parnassos VII 1883 S. 383 n. 12. Grabstein des Arme-
niers Hermias.
Derselbe, Parnassos VI 1882 S. 969f. Stele mit dürftigen Resten
einer älteren, sowie der späteren Grabschrift eines Aurelios. VII 1883
S. 183. Grabstein der Biote, T. des Pyrrhias; S. 184 des -athmoneus
und -phanes, S. des Antiphon. S. 383 n. 13 der Moschine, n. 14 der
Nike. — 'E<p. dpx- 1884 Sp. 195 n. 10 (mit Faks.) Grabstein des Aphro-
disios, S. des Diokydas; aus christl. Zeit (?). — Sp. 198. Stele der Ga-
nondika (!), T. des Sokos, Frau des Hermeios (so).
Meletopulos, Parnassos VI 1882 S. 972 n. 2. Grabstein des
Plangon; S. 973 n. 6 des Straton, S. des Euphranor; n. 7 der Artemisia.
— VII 1883 S. 80. Grabstein der Eusoiske (?); des Nikandros, S. des
Parmenon.
Dragatses, 'E<f. dpx- 1886 Sp. 52 n. 7. Reliefdarstellung eines
sitzenden Mannes mit der Inschrift: Tuvvcag Tüvvwvog Tptxopüacog.
Derselbe, Berl. philol. Wochenschr. 1887 n. 52 Sp. 1618. Grab-
steine: 1. des Perigenes, S. des Dionysios, aus Milet; 2. der Phila aus
Herakleia; 3. der Nikostrate.
Lechat, BCH XI 1887 S. 206. Grabstele des J/cyv | lva<fXu-\(Tziug.
— Fragment einer andern Stele: -[X\{)aQ oder -\ii\üo.g.
ca. t2oo Eleusis. — Philios, 'E<p. dpy. 1885 Sp. 147ff. n. 26. Grabschrift
in 10 Distichen auf eine Tzupo^opuij /Irjjxrizpug umtpo^ov ispocpavziv^ die
u. a. den Antoninus und Commodus weihte (vgl. die Ehreninschrift aus
Eleusis S. 424), errichtet von ihrer Tochter Eunike und deren Söhnen.
Der Name der Verstorbenen, deren Tod als eine Erlösung dargestellt
wird (vgl. die folgende Grabschrift auf Glaukos), ist nicht genannt, läfst
II. Attica. 10. Grabschriften. 439
sich aber aus der folgenden Grabschrift ihrer Urenkelin = Isidote er-
schliefsen. — Aus der Kombination beider Inschriften ergiebt sich ein
Stammbaum von fünf Generationen derselben Familie, welche Ehren-
ämter in Eleusis bekleideten.
Derselbe, "Eip. dp-/. 1883 Sp. 141ff. n. 16. Keil, Hermes XX s jahr-
1885 S. 625 f. nach einer Revision. Basis mit Grabschrift in 14 Hexa- n. Chr.
metern auf eine Hierophantis der Demeter, Eunike, deren Geschlecht
verherrlicht wird. Durch ihre gleichnamige Grofsmutter väterlicherseits
(s. 0.) stammte sie von dem gegen Ende des 1. Jahrh. n. Chr. lebenden
assyrischen Sophisten Isaios (Plin. ep. 3, 2 u. a.) ab.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 82 f. n. 8. Basisinschrift in 3 Distichen desgl.
auf den Hierophanten Glaukos mit dem Schlüsse: ~H xaXbv ix fxaxdpcov
liua-CTjpiov, ob fiüvov ehai \ Tbv d^dvazov BvrjzoTg ob xaxov , dXX' dya&ov.
Der Verstorbene ist wahrscheinlich identisch mit dem n. 16 Z. 10. 11 "
(s. 0.) als Bruder des Grofsvaters väterlicherseits der Eunike erwähnten
Hierophanten, sowie mit dem von Philostratus, vitt. Soph. 2, 20 als Hiero-
phant und Sophist erwähnten Glaukos (vgl. Keil, a. a. 0. S. 627f.).
Derselbe, a. a. 0. Sp. 82 n. 9. Basisinschrift: " hpofdvTTjg \
[iTioXXcmpcog.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 145 f. n. 20. Basisinschrift in 3 Distichen
auf Kallisto und ihren Vater Kallimachos. Das Denkmal wurde mit Ge-
nehmigung (oder auf Geheifs?) des Areopags errichtet (Toüto de nazpl
(piXuit p.oi ^Apijcog iunaazv "Edprj).
Hauvette-Besnault, BGH VHI 1884 S. 470. Fragment der me-
trischen Grabschrift auf einen Eudaimon, der seinen Namen in Wahr-
heit trug, weil er Kindeskinder sah.
Derselbe, a. a. 0 S. 471. Dorf Nea Liosia. Grabstein des
Apollophanes, S. des Theokies, aus dem Demos Kephisia.
Derselbe, a. a. 0. In der Nähe des Dorfes. Grabstein der Me-
giste, T. des Marathoniers Dionysios, Frau des Dionysios, aus dem Demos
Pallene.
Marathon. — Lolling, MDAI X 1885 S. 280. Grabschrift auf
einem Altarfragment mit Weihinschrift (S. 433): Mztxzlag. — Grabstein
des Hegemon, S. des Hegesias (?).
Spata. — Parnassos VII 1883 S. 88 (Bericht). Grofses, nach
Athen gebrachtes Epitaphion mit der Darstellung einer sitzenden Frau,
vor ihr ein stehendes Mägdlein mit einer Büchse in der Hand: der Kal-
listo, T. des Philokrates, aus dem Demos Konthyle.
Oropos, Amphiareion. — Leonardos, ^E(p. dp^. 1885 Sp. 153
n. 10. Grabstein des Pythodoros.
440 Griechische Epigraphik.
11. Grenzsteine.
Ar- Köhler, MD AI X 1885 S. 281 (CIA IV 2, 503 a). Stein mit bial-
phabeter Inschrift. Derselbe Vermerk in etwas verschiedener Fassung,
das eine Mal in attischer Schrift aus der ersten Hälfte des 5. Jahrh.
(a), das andere Mal in ionischer Schrift der zweiten Hälfte des 4. Jahrh.
(b). b wohl, als die attische Schrift aufser Gebrauch kam, der Deut-
lichkeit halber hinzugefügt, a: Nüvfeat , \'AxsXujtüj[i lepöv. b: ^x^'
Xuj[f\oo, N[ujJ.<pä>v ajv Ispov.
desgl. Dragatses, 'E^. äp^. 1884 Sp. 220 (CIA IV 2, 521 h) wiederholt
in Majuskeln die von ihm Parnossos VI 1882 S. 248 (Röhl I, 53) heraus-
gegebene Inschrift aus Munychia: HOPO^ | TOHIEPO.
desgl. Meletopulos, Parnasses VI 1882 S. 971 (CIA IV 2, 519»). Ar-
chaische Inschrift aus dem Piräus: 'Eimopiö \ xal Hodd \ Hopog.
u„ 350 Antoniades, 'E^. dp^. 1883 Sp. 67 (CIA II 2, 1113). Hypo-
thekenstein: "Opog j(cupco{u) npocxog (2) %r.oxXecac Ay]poxd-(S)po{u)g Jeu-
xovoiwg. T. (4) ^'Oa]u)i t.Xbc'ovo; afi-(5)ov,] Kzxpomdaig \b-{Q)7tü\xeiTai xal
ylux[o-(^)pc']Sacg xal 0Xöeü\qi. — »Es wird die Mitgift der Hippokleia
im Betrage eines Talentes auf ein Landgut sichergestellt. Auf dem Reste
des Wertes derselben schwebt die Hypothek der Kekropiden, Lykomiden
und Phlyeer. Das Gut war der Besitz des Ehegatten der Hippokleia,
welcher zunächst die Mitgift seiner Frau darauf sicherstellte und den
übrigen Wert seines Gutes seiner Phyle, seinem Geschlechte und Demos
schenkte, oder was wahrscheinlicher ist, testierte.« Szanto. Rhein. Mus.
XL 1885 S. 516f. Nach Schriftcharakter (<]A/V\nC) und Orthographie
(o = ou in ;i'tüjöw, ~-)^dpoQ) kann der Stein aus Demosthenischer Zeit stam-
men, und wahrscheinlich ist Demoehares Z. 2/3 identisch mit dem von
Demosthenes, xaTo. "Afößoo 1, 15 erwähnten Arjjxo^dprjg b AeuxovoeOg,
welcher die Mutterschwester des Redners zur Frau hatte und auch
selbst Redner und eifriger Politiker war, wie denn Aeschines, xard Krrj-
atfü)V7og 17 1 seine namentliche Erwähnung aus Furcht vermeidet. Hippo-
kleia wäre somit Tochter des Grofsvaters mütterlicherseits des Demo-
sthenes, jenes Gylon, der, wegen Verrats des Kastells Nymphaion zum
Tode verurteilt, zum Bosporus entfloh und dort eine reiche Scythin hei-
ratete, von der er nach Äschines zwei Töchter hatte, die sich in Athen
verheirateten. Hippokleia wäre dann als Tante des Demosthenes die
Schwester seiner Mutter Kleobule.
Philios, 'E^. dpx- 1883 Sp. 147f. n. 21. Eleusis: "Opog ;^cy-(2)
plo{v) 7Te7Tp-{2)apsvo{u) in-{4:)l Xöaei 7ia-{b)t8l KaXha-(<o)rpdzo{u) (7) H-
Meletopulos, E<f. dp^. 1884 Sp. 67 n. 2. Piräus: "Op()\g yco-
pioi) (2) neTTpapivoiu (3) sm hjasL \ HP (4) Xpcupiuvt 0u-{5)Xaacwc.
II, Attica. 11. Grenzsteine. 12. Varia. 441
Derselbe, a. a. 0. Sp. 68 n. 3. Ebd.: "Opo]g ocxcaiv (2) nenpa-
(3)//£Vtyv] im X-{^)üasi\.
Dragatses, 'E(p. dpy^. 1886 Sp. 50 n. 4. Piräus : t?/?]«^- (2) pv^-
/i[a-(3)rog' nu^-{4:)£]cdog (5) Jap<pa-{ß)xrjvrjg. Darunter Reste einer
Künstlerinschrift. Der Stein diente ursprünglich wohl als Basis einer
Statue, und die obige Inschrift wurde später eingemeifselt.
12. Varia.
Kumanudes, '£<r. dpy. 1885 Sp. 216 n. 10 (CIA IV 2, 559). Auf Ar-
r -n ,. chaisch.
der Agora gefundenes, pnsmenförmiges Fragment, auf zwei Seiten —
nicht oToi^TjSov — beschrieben ; nach dem Herausgeber aus dem 6. Jahrh.
V. Chr. Vielleicht Bruchstück der solonischen Gesetzestafeln, wenn
nicht Original, so doch wohl gleichzeitige Kopie (?), da ein oder zwei
bedeutsame Worte des Fragments als in den solonischen Gesetzen vor-
kommend bezeugt werden. Das Erhaltene lautet: a) — oc\o^^oa■\ov.
b) — 8io\o&i)\vTaat\td£To\ov£T\v£(T^ae. Buchstaben: H = spir. asper,
D^l'N^. Sp. 217 giebt der Herausgeber einen Rekonstruktionsversuch
der mit Drehvorrichtung versehenen solonischen ä^oveg.
Meletopulos, 'E<p. dpi. 1884 Sp. 70 n. 7. Piräus. Scherben- desgl.
Inschrift, archaisch und linksläufig: 5030 | M^VT = ^^ög \ T(j'/\a.
Dragatses, a. a. 0. Sp. 193 n. 4 mit Faks. (CIA IV 2, 558). desgl.
Zea. Archaische Inschrift eines Mannes und zweier Hetären (?): 'Apl-
<Tep.-{2)og \ xalög, (3) //o/lur/-(4)/i£ \ Aai{g\. Buchstaben: UMP^V.
Köhler, MDAI VIII 1883 S. 359 ff. mit Beilage. Akropolis. In- um 350
Schriftfragment mit Bruchflächen an drei Seiten und später angebrachten
Vertiefungen auf der Oberfläche. Der Text war in mehrere nebenein-
anderstehende Kolumnen verteilt, diese wieder nach Paragraphen geglie-
dert; die erste Kolumne fragmentarisch, von der zweiten nur wenige
Buchstaben erhalten. Die dem Schriftcharakter nach aus der Mitte des
4 Jahrh. v. Chr. stammende Inschrift war als Anathem im Tempel der
Stadtgöttin aufgestellt, nach der Sitte des Altertums, neue Entdeckungen
auf diese Weise dem Publikum bekannt zu machen. Köhler hielt das
27 zeilige, arg verstümmelte Fragment zuerst für das Bruchstück einer
alten Grammatik, änderte jedoch diese Ansicht nach Erscheinen der
Gomperzschen Schrift: Über ein bisher unbekanntes griechisches
Schriftsystem aus der Mitte des vierten vorchristl Jahrh. Ein Beitrag
zur Geschichte der Kurzschrift und der rationellen Alphabetik. Mit einer
Tafel. Wien 1884. 59 S. gr. 8**. Gomperz' Resultate wurden modifi-
ziert und ergänzt von Mitzschke, Eine griechische Kurzschrift aus
dem vierten vorchristl. Jahrh. Mit Tafel. Leipzig 1885. 28 S. 8''. Die
namentlich durch Gomperz' Verdienst errungenen Ergebnisse sind kurz
folgende: Das Fragment enth.ält Reste des Systems einer Kurzschrift,
442 Griechische Epigraphik.
welche — im Gegensatz zu den neueren Stenographiesystemen — die
Konsonanten an den Vokalzeichen zur Darstellung bringt, indem bald
vorn, bald hinten an verschiedenen Stellen der letzteren ein kleiner Quer-
strich angesetzt wird. Von den 14 Konsonanten des griechischen Alpha-
bets (nach Ausschlufs der Doppelkonsonauten C, $, <l')- finden 7 auf solche
"Weise ihre Bezeichnung. Wird als einfachster Träger des Querstrichs
die Senkrechte angenommen, so ergiebt sich folgendes Schema (nach
Mitzschke, mit geringer Modifikation der Gomperzschen Ansätze):
n-r-ß
_ also I = T, I =: TT, |_ = V u. s w.
d
In bezug auf die weitere Ergänzung des Konsonantismus gestattet die
rationelle Alphabetik des Erfinders einen wahrscheinlichen Schlufs aus
dem Erhaltenen auf das verloren Gegangene. Als Gegenstück zu dem
kurzen Querstrich (ein solches durch den Text Z. 14 — 16: ^ [//£v |
£u&]sca xac ßpa[-^£2a \ Ypa]/xfxr] angedeutet) nimmt Mitzschke einerseits
eine gerade, lange Horizontallinie zur Bezeichnung der Konsonantenver-
doppelung, andrerseits, in den einzelnen Ansätzen mehrfach von Gom-
perz abweichend, eine krumme, kurze Horizontallinie zur Bezeichnung
der rückständigen 7 Konsonanten an. So ergiebt sich das weitere Schema:
■^ A also I = <T, I = X, |_^ = A u. s w.
Die Verlängerung der kurzen, krummen Linie soll wiederum zur Dar-
stellung der Konsonantenverdoppelung gedient haben. Die Bezeichnung
der drei Doppelkonsonanten bleibt ungewifs. Hinsichtlich der Rekon-
struktion der Vokalbezeichnung weichen Gomperz und Mitzschke erheb-
lich von einander ab. Die Frage, wie die Diphthonge dargestellt worden
seien, wird von Gomperz nicht erörtert. Auch hinsichtlich der Bezeich-
nung vokalloser Konsonanten lassen sich sichere Anhaltspunkte aus dem
gleichwohl höchst interessanten und für die Geschichte der Stenographie
äufserst wertvollen Fragmente nicht gewinnen. — Vgl. Landwehr,
Über ein Kurzschriftsystem des 4. vorchristl. Jahrb. Philologus 44 1885
S. 193 — 200, und die Darstellung von Hinrichs, Griechische Epigraphik
S. 412f.
Mylonas, 'E^. dp^. 1883 Sp. 105 f. Richtertäfelchen mit der Auf-
schrift : 'Eni^dprjg \ 'AXatB{üg.
Dragatses, 'E(p. dpx- 1884 Sp. 194 n. 5 (mit Faks.). Piräus,
Töpferstempel: Unnap^ — | elg Arjjivov \ 0£idu)V 'A&rj —
III. Megaris. Megara. 443
Kumanudes, "E<fi. dpx- 1885 Sp. 168 (mit Faks. S^uudS^). Zwei
Seiten eines Steines enthalten wirr durch einander geschriebene Eigen-
namen, ohne Zusammenhang und von verschiedenem Schriftcharakter;
vielleicht nur zur Übung des Steinmetzen. Etwa aus dem 2. oder 3.
nachchristl. Jahrh. — Derselbe, a. a. 0. Sp. 218 n. 11 (mit Faks.).
Ähnliches Fragment. — Derselbe, a. a. 0. Sp. 219. Ähnliches Frag-
ment, mit geringen Resten von Eigennamen; aus römischer Zeit. — Der-
selbe, 'E<f. dp^. 1886 Sp. 16. Ähnlicher Stein aus römischer Zeit.
Derselbe, 'E<p. dpx- 1886 Sp. 15 n. 9. Agora. Auf der unteren
Seite eines dorischen Säulenkapitäls mit Buchstaben aus römischer Zeit:
/xevsTco. Nach dem Herausgeber wahrscheinlich Vermerk des Baumeisters,
dafs der Stein als unbrauchbares Material nicht für den Bau verwandt
werden sollte.
III. Megaris.
Megara.
Korolkow, MDAI VIII 1883 S. 181ff. n. 1 (Roberts u. 113). um 450
Bronzetäfelchen, gefunden lV'2 Stunden nw. von Megara, welches, wie
Spuren von Nagellöchern vermuten lassen, wahrscheinlich an einer stei-
nernen Basis befestigt war, mit archaischer Weihinschrift: T]ocds dreh
)\ata-(2)g] rav 8zxdra[v (3) dviBrjxav 'AH{a-{4:)väi. Die Inschrift gehört
nach dem Herausgeber wegen ihres Schriftcharakters in die Mitte des
5. Jahrh. v. Chr.; sie ist metrisch, doch ohne wohlklingenden Rhythmus;
auch fehlt die Cäsur. Die Tafel wäre nach Vermutung des Herausgebers
nach einem glücklichen Einfall der Bewohner einer der megarischen
Komen (Tripodiskos?) auf benachbartes Gebiet gestiftet und in dem länd-
lichen Heiligtum geweiht worden. Die Namen der Dedikanten Avaren
dann unterhalb derselben auf das Postament geschrieben.
Derselbe, a. a. 0. S. 183 ff. n. 2. Inschrift aus der Peribolos- ^oe
mauer, welche den heiligen Bezirk des olympischeu Zeus umgab. In
einheimischem Dialekt abgefal'stes Ehrendekret auf den Böoter Zo'ilos,
S. des Kelainos, Befehlshaber der Besatzung des Königs Demetrius in
Aegosthenae. Dem Geehrten wird auf Vorschlag der Aegostheniten ein
goldener Kranz und das megarische Bürgerrecht verliehen. Die auf
unserm Denkmal genannten sechs Stratogen begegnen auch in andern
Inschriften; da jedoch wiederholt drei verschiedene Eponymen und Se-
kretäre neben denselben Strategen erscheinen, so ist zu vermuten, dafs
in Megara — wenigstens ausnahmsweise — dieselben Strategen mehrere •
Jahre nach einander im Amte bleiben, bzw. wiedergewählt werden konnten.
— Nach Annahme des Herausgebers dürfte Zo'ilos sich bei der Belage-
rung und Einnahme von Megara durch Demetrius Poliorcetes im Sommer
307 die Dankbarkeit der Megarenser erworben haben. Doch kann das
444 Griechische Epigraphik.
Dekret nicht aus diesem Jahre datieren wegen der Bezeichnung des De-
metrius als ßamXebg und der in Vermehrung der Zahl der Strategen
sich äufsernden Änderung der Verfassung; wahrscheinlich ist es in einem
auf den März — den Anfang des megarischen Jahres — folgenden Monat
des Jahres 306 v. Chr. verfafst.
Mahr- Derselbe, a a. 0. S. 189 n. 3. Weihinschrift von sechs »sapol
hund. und einem auXrjTag an Apollon Prostaterios. — S. 189 f. n. 4. Stein mit
drei Inschriften (ungenau CIG 1070): 1. als älteste eine Weihinschrift
von sechs &eapol und dem aus der vorhergehenden Inschrift bekannten
auXrjTag an Apollon Prostaterios; darüber 2. und 3. Reste von zwei In-
schriften aus der Kaiserzeit, deren eine sich auf eine Julia, wohl die
Tochter des Augustus, bezieht. — Ist der n. 3 Z. 3 erwähnte Erimnos,
S. des Theomnastos, identisch mit dem bei Foucart, explic des inscr. 27
genannten Strategen, so würden n. 3 und 4 in den Ausgang des 4. Jahrb.
V. Chr. zu setzen sein.
desgl. Löwy, MDAI X 1885 S. 149^ Weih- und Künstlerinschrift auf
zwei zusammengehörigen Blöcken; a) Orjpaixivrjg Tt/xo-, darunter mit
kleinerer Schrift: Aöacmiog knotet, b) -^dvou dve&7]xe. In Lysippos glaubt
der Herausgeber den berühmten sikyonischen Künstler annehmen und
sonach die Inschrift dem Ausgange des 4. Jahrb. zuweisen zu dürfen;
der vereinzelte Gebrauch des Imperfekts in der Künstlerinschrift wäre
hierfür kein Hindernis. Derselbe weist ferner auf die Möglichkeit hin,
dafs das aus mehreren Blöcken bestehende Bathron zu dem von Pau-
sanias 1, 43, 6 erwähnten Monumente gehört haben könne.
Korolkow, MDAI VIII 1888 S. 191 n. 5. Weihinschrift von fünf
8rx/jLtopyot und einem ypu/xfiareug an Aphrodite. Aus der Zeit der Zu-
gehörigkeit von Megaris zum achäischen Bunde; vgl. Foucart, explic. 12.
Kabbadias, 'E^. äpy. 1884 Sp. 29 n. 75. (J. [u. Th.] Baunack,
Studien auf dem Gebiete des Griechischen und der arischen Sprachen
I 1 Leipzig 1886 n. 75.) Epidauros. Ehreninschrift des Damos von Me-
gara auf Laphanta, T. des Euanthes, in einheimischem Dialekt. Darunter
Künstlerinschrift (Löwy, Inschr. griech. Bildh. n. 271^) eines -kies, S,
des Kallikrates, aus Megalopolis. — S. die Geehrte auch unter Epi-
dauros S. 451 n. 88 und S. 452 n. 14.
ca. 150 Stschukareff, 'Eip. dpy. 1886 Sp. 227ff. n. 2. Fragment eines
Ehrendekretes auf mehrere Personen, von dem Joh. Schmidt, MDAI VI,
352 n. 46 (Röhl I, 57) wegen Zeitmangels nur die ersten Zeilen ab-
schreiben konnte. Der neue Herausgeber teilt auch den Rest, Z. 16 — 24,
mit. Z. 18: 'Piopatoog. Zu Z. 1 — 15 werden einige abweichende Le-
sungen bzw. Ergänzungen mitgeteilt. Nach Schmidt würde die Inschrift
in die Mitte des 2. vorchristl. Jahrh. fallen.
100-60 Derselbe, a. a. 0. Sp. 225 f. n. 1. Fragment eines Ehrende-
kretes in einheimischem Dialekt, in welchem es sich u. a. um Errichtung
III. Megaris. Megara, Aegosthenae, Eleutherae. 445
einer Bildsäule handelt. Z. 12 geschieht eines Madpxou Kahtoco[u Er-
wähnung, wahrscheinlich des berühmten Kedners (Cicero, Brutus 79. 80),
der, nachdem er 57 v. Chr. Prätor gewesen (Post red. 9. 22), 53 v. Chr.
eine Rede für die Tenedier hielt (Ad Q. fratr. 2, 9; vgl. Pauly, Realenz.
s. V. M. Calidius). Aus letzterem Umstände läfst sich schliefsen, dafs
er Griechenland und den Orient bereist hatte. Auch der Schriftcharakter
weist das Psephisma in die erste Hälfte des 1. vorchristl. Jahrh. Z. 31
begegnet zum ersten Male ein imffzd/xwv und ein /j.vd^(uv.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 231 f. n. 3. Fragment einer Ehreninschrift t ^7
auf den Kaiser Claudius.
Novosadsky, 'E^. dp^. 1885 Sp. 127f.; weniger gut Dragumes,
Parnasses VI 1882 S. 856 f. Fragmentierte Ehreninschrift von Bule und
Demos auf Vitellia, Gemahlin (?) des xocpdvou dp^tepiuig Sabinus, die
selbst auch Priesterin einer Göttin war.
Stschukareff, 'E^. dpx- 1886 Sp. 233 f. n. 4. Neue Abschrift nv-iss
der Fragmente Lebas, Megar. 48 (h) und Foucart, Explic. zu dieser
Inschrift (a), die sich zu einer Ehreninschrift auf den Kaiser Hadrian
ergänzen.
Derselbe, a. a. 0. n. 5. Bessere Abschrift von CIG 1063.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 234 n. 6. Grabstein des Anaxis, S. des
Athanion. — Sp. 235 n. -7. Desgl. der Teimo, T. des Ebapheou.
Dragumes, 'E<p. dp^. 1885 Sp. 158. Brunnenstein: KaXkxpaTrjg \
— • — tjpsa I o .
Derselbe, a- a. 0. Dürftiges Fragment aus junger Zeit; Z. 2:
AaXcoo KeXeu — .
Aegosthenae.
Durrbach, BCH IX 1885 S. 318f. n. 1—4. Stein mit vier In- 228-197
Schriften : n. 1 (Z. 1 — 8) Proxeniedekret auf einen Prigenes, dessen Eth-
nikon nicht erhalten ist, wegen seiner Verdienste um die Spiele des Me-
lampus (vgl. Paus. I, 44, 5). — u. 2 (Z. 9—11) Ephebenliste , datiert:
üajxazpiuo äp^ovrog iv üy^/^r^azwt (derselbe als apy^ojv Boiiozolq schon
bekannt aus den Inschriften von Hyettos SIB 148. 149 = SGDI 546.
547). — n. 3 (Z. 11 — 14) Ephebenliste, KoiidMoo ä\py_ov-oQ h 'Oy-
^r^azöJt. — n. 4 (Z. 15. 16) Ephebenliste mit erloschener Zeitbestimmung.
— Sämtlich aus der Zeit der Zugehörigkeit von Megaris zum böotischen
Bunde (223 — 197 v. Chr.); in einheimischer Mundart.
Dragumes, 'E(p. dpy^. 1885 Sp. 160. Grabstein der Meli[s]sa, T.
des Melon.
Eleutherae.
Dragumes, a. a. 0. Sp. 157. Grabstele der Philinna, T. des
Prasiön. »Aus guter Zeit«.
446 Griechische Epigraphik.
P a g a e.
Durrbach, BCH IX 1885 S. 321f. n. 5. 6. Der Damos ehrt den
Soteles, S. des Kallinikos, und den Matrodoros, S. des Pythodoros, in
Form einer Weihung an die Götter. Einheimischer Dialekt.
IV. Peloponnesus.
1. Corinthus, Sicyon, Pblius.
Blafs, Bezzenb. Beiträge Xu 1887 S. 169—214 »Dialektinschriften
von Korinth, Kleonai, Sikyon, Phleius und den korinthischen Kolonieen
am ionischen Meere« behandelt: I. Korinth (Inschriften, Vasen u. s. w.)
S. 169—181 u. 1—41. II. Kleonai (Thongefäfs und Steininschrift) S. 182
n. 1. 2. III. Sikyon (Inschriften und Vasen) S. 182—184 n. 1—7.
IV. Phleius (Inschriften) S. 184 f. n. 1 — 4. — [V. Korinthische Kolonieen
in und um Akarnanien: Anaktorion, Herakleia (s. unter VII'*), Leukas
(s. VIII), Anibrakia (s. VII^) S. 185—188 n. l— 10. VI. Korkyra (s. VIII),
Apollonia, Dyrrhachion (s. VII«) S. 188—213 n. 1—40. VII. Unbestimmt
(Bleitäfelcheu von Dodona) S. 213 f.]
Corinthus.
F ranke 1, Jahrb. des kais. deutsch, arcli. Inst. I 1886 S. 48 — 53.
Ein im Berliner Museum befindlicher, aus dem Peloponnes stammender
bronzener Frosch trägt die Weihinschrift: "Afj.[cu]v 2J[cu]v6ou | Bodaovc.
Der Schriftcharakter weist in die erste Hälfte des 5. Jahrh. v. Chr. und
nach Korinth. Den Beinamen des ApoUon, Bodaiov^ erklärt der Heraus-
geber von der Orakelspendung: y>BorjV dya&ug zu sein ist auch für einen
Gott nicht unrühmlich, und wir werden mit den korinthischen Ohren nicht
rechten können, dafs die prophetische Stimme ApoUons, die andern als
ein aSstv vorkam, ihnen nur wie ein ßoäv klang.«
Löwy, MDAIXI 1886 S. 150ff. Taf. V; ungenau Hestia, 13. (25.)
April 1886 n. 537 (Berl philol. Wochenschrift 1886 n. 22 Sp. 676). Eine
in Korinth gefundene, jetzt im Ceutralmuseum zu Athen aufbewahrte
Grabstele mit der Darstellung eines anstürmenden Kriegers trägt die
Giebelinschrift: 'A^xcag 0a>xe6g.
Gerster, BCH VIII 1884 S. 232. Basisinschrift aus einem Po-
seidontempel: Tecadv[Tc]-(og, Eöru^og, EuxXtddag [luaetoävt.
P h 1 i u s.
Cousin und Durrbach, BCH IX 1885 S. 355. Grabsteine im
Dorfe Haghios Georgios, doch mit Sicherheit zu Phlius gehörig, n. 9:
Ntxayöpaq. u. 10: 6ujjidv-ag (neu) | 'Ap^txhcöa. n. W.^Ayvcüv , \ 0oi-
viaaag (beide Namen zu verschiedenen Zeiten geschrieben).
IV. Peloponnesus. 1. Corinthus, Sicyon, Phlius. 2. Argolis. 447
Dieselben, a. a. 0. S. 355 f. n. 12. Ebd. Hermensäule. Aur.
Menedemos Au^vioiog (aus Lychnis in Epirus?) ebrt seinen Freund
Cl. Claudianus Eumyrides (neu), den Sohn des Lehrers Cl. Minucianus.
Dieselben, a. a. 0. S. 356. Kutsi, Kapelle des heil. Nikolaos.
Grabstein : 'AXxav£~[o\ - -.
2. Argolis.
Scholl, Griechische Künstlerinschriften, in den »historischen und iga 42
philologischen Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet«
Berlin 1884 S. 117 ff. — Aus der argivischen Künstlerinschrift vom Weih-
geschenk des Praxiteles in Olympia IGA 42 (Löwy, Gr. Bildh. 30'^' «
mit Nachtrag S. XVIII, Roberts n. 81 mit Appendix S. 378) hat Röhl,
zu dieser Inschrift, einen förmlichen Künstlerroman herausgelesen. Allein
um eine Schwierigkeit der Interpretation (die ungewöhnliche Stellung des
inocr^as) zu rechtfertigen, werden zwei neue hervorgerufen. Gleichwohl
ist die Stellung und der Singular des Verbums ohne eigentlichen An-
stofs und aus dem herrschenden Künstlergebrauch zu erklären. »Argeios
hiefs der Vater des Ageladas, Grofsvater des Argeiadasa. Bei dieser
Annahme ist die Fassung tadellos, der Artikel {rdpyscw) unentbehrlich.
Auf einen Namen Argeios weist auch die patronymische Bildung Argeiadas.
In dem Künstler Argeios bei Plinius (»Ex his Polyclitus discipulos ha-
buit Argium, Asopodorum« cet ) steckt ohne Zweifel ein jüngerer Träger
dieses im Hause des Ageladas erblichen Namens; als Schüler Polyklets
würde derselbe der zweiten Generation nach Argeiadas augehören. So
ergiebt sich eine regelrechte Diadoche der Künstlerfamilie: Argeios —
Ageladas — Argeiadas — x — Argeios. Die Wege oder Umwege, auf
welchen der schwerlich aus Argos stammende Künstler Argeios zu seinem
Namen und der Name nach Argos gekommen ist, entziehen sich der
Vermutung. Gegen die Annahme einer Krasis in HAFEAAIAA (= o
Ays^^atSa) und für eine ursprüngliche Form Hagelaidas spricht der Um-
stand, dafs das Fehlen des Artikels Regel ist. Die Überlieferung, wo-
nach der dorische Dialekt in ayioiiai und seinen Ableitungen die Aspi-
ration verschmähe, wird durch die ältesten inschriftlichen Zeugnisse
(argivisch 'Ayrfixpdzrjg, lakonisch 'Ayr/ia-pa-ug, böotisch 'AyrjaavSpog) wider-
legt. Bei Plinius geben an den drei Stellen, wo der Künstler vorkommt,
die besten Handschriften übereinstimmend Hageladas und Hageladae. —
V. Wilamowitz-Möllendorff, Lectiones epigraphicae, Gott. 1885 S. 12
und Robert, Archäol. Märchen (Philol. Untersuch, von Kiefsling und
v. Wilamowitz-Möllendorff Heft 10. 1886) S. 97 erklären die sonderbare
Erscheinung, dafs das Ethnikon nicht zu Argeiadas sondern im Genetiv
zu 'AyeXacda gezogen ist, mit der Annahme, ersterer sei nicht Sohn, sondern
Sklave des letzteren gewesen. Dagegen nimmt Studniczka, MD AI XI
1886 S. 449 f. an, Agelaidas allein habe das Bürgerrecht von Argos be-
448 Griechische Epigraphik.
sessen; doch sei hieraus nicht zu schliefsen, dafs Argeiadas überhaupt
keines besessen habe. Er habe nur das des Vaters angegeben, weil es
ehrenvoller gewesen sei, als sein eigenes. Der ohne Zweifel aus Sikyon,
der eigentlichen Heimat der argivisch-sikyonischen Schule, gebürtige Age-
laidas »erhielt in Anerkennung seiner künstlerischen Verdienste für seine
Person das Bürgerrecht des politischen Vorortes der Landschaft, wie
später Polyklet u. a. Er rühmte sich dessen schon in dem Namen, den
er seinem Sohne gab, »Sohn des Argeiers», und dieser in der Fassung
der Künstlerinschrift.«
A r g o 8.
Novosadsky, 'Ey>. dp^. 1885 Sp. 57. Verstümmeltes Proxenie-
dekret in einheimischem Dialekt im Besitze eines Gastwirtes zu Nauplion.
Dasselbe soll aufgestellt werden elg zu Itpov zoo 'A7i6llu}vo\q t]o(5 Auxscou.
Fränkel, Archäol. Ztg. XL 1882 Sp. 383 ff. (Roberts n. 72).
Archaische Weihinschrift auf den vier Seitenkanten einer im Berliner
Museum befindlichen, mit Sicherheit aus Argos stammenden Bronzebasis;
linksläufig: Töv favdqo-\v j zul Ncp-\d^a • dvi&-\sv. Ein Kennzeichen
hohen Altertums ist der im 9 ^^^ O fehlende Punkt, den schon die
iGA43a Totenliste IGA 36 (vor Ol. 80, 4) zeigt. — Vielleicht dient unsere Basis
zur Erklärung des gleichzeitig mit ihr aufgetauchten Bronzerades IGA
43a (Roberts n. 82a), für dessen Lesung TOIFANAKOI statt ruv
favdxöv man ein doppeltes Versehen des Graveurs annehmen mufs. Der
Verdacht liegt nicht fern, dafs die Inschrift auf das echte Rad nach der
oberflächlich gelesenen Basisinschrift gefälscht sei.
M y c e D a e.
4.jahr- Baumgarten, MDAI VIII 1883 S. 141ff. mit Beilage. Fragment
eines Säulenschaftes aus einer Kapelle unweit des Dorfes ig rä 0c^&:a,
Va Stunde von Mycenae, jetzt im Schliemannmuseum zu Athen n. 558.
Um die obere Hälfte des Schaftes 2V2 Schlangenwindungen, die in einen
Widderkopf auslaufen. Die Schriftzüge auf den Windungen lassen sich
nicht in Worte zusammenfassen. Auf dem freien Raum unterhalb der-
selben die rätselhafte Inschrift: e^eacr] xaHrjzo firjv ... (2) npufrov 'Exdrrj
aTa[c] (3) fitjapag ndaiv \ elra 8k Oepas^üvrj (4) dyyiXXet &eoTg' r^drj
rdde ndvra. — B. möchte die Inschrift wegen der Buchstabenformen
(O, einmal O, MNPC) dem 4. Jahrh. zuweisen. Die Erwähnung der
Persephone (Z. 3) macht wahrscheinlich, dafs das Monument als Grab-
stein diente; der Widder ist das übliche Tier der Sühn- und Totenopfer;
auch Hekate (Z. 2) wird öfters auf Grabsteinen erwähnt. Eine Deutung
der Inschrift: Den Verletzern dieser oder jener Vorschrift droht zunächst
Hekate Schlimmes an {/ir^vüec), dann verklagt {dyyeUec) sie Persephone
bei den Göttern (natürlich den unterirdischen) — hält B. für bedenk-
hund.
IV. Peloponnesus. 2. Argolis: Argos. Mycenae. Nemea. Epidaurus. 449
lieh, weil die Sitte, Grabschändern mit der Rache der Persephone zu
drohen, in vorchristlicher Zeit sich nicht belegen läfst und Persephone
in der ihr hier zuerteilten Funktion als äyysXog unerhört ist. Obschon
die Inschrift metrischen Gehalt zu haben scheint, läfst sich ein klares
Schema nicht herstellen.
Nemea.
Cousin und Durrbach, BGH IX 1885 S. 349 n. 1. Fragmen- sjahr-
tierte Weihinschrift. Auf das Präskript J]j 'Apjetoi ävi\if\ev folgt ein
Uapxog sTzdixTag und zwei Paare von Härchen. Merkwürdig ist, dafs
ein weiterer llarch gleichfalls mit der Dualbezeichnung üdp^w angefügt
ist, ohne dafs der Stein weitere Buchstabenreste aufwiese.
Dieselben, a. a. 0. S. 350 n. 2. Geringe Inschriftreste mit den desgl.
Namen der Phylen: TUicov, nav[^ü]^[äv], Tpva&cojv. Der Name der
vierten, der Jupävsg, ist nicht erhalten. Während die bisherigen pelo-
ponnesischen Inschriften, welche die Namen der argivischen Phjden
boten, sämtlich der Kaiserzeit angehörten, ist unsere Inschrift mit Wahr-
scheinlichkeit ins 3. Jahrh. zu setzen.
Dieselben, a. a. 0. S. 351 n. 3: 2cxu[cuvc'u)v. Wahrscheinlich
Aufschrift des Schatzhauses der Sikyonier, falls die griechischen Gemein-
den, wie zu Delphi und Olympia, so auch in Nemea ihre Gelder depo-
nierten.
Dieselben, a. a. 0. S. 352 n. 4. Fragmentierter Anfang eines
Dekrets: "E8o$£ zäc] aXiaiai t . . . (2) . . . ■zs,xdp\yai . . . (3) . . . ßojXäg . . .
Dieselben, a. a. 0. S. 352 f. n. 5. 6. Arg verstümmelte Frag-
mente unbestimmbaren Inhalts.
Dieselben, a. a. 0. S. 353 n. 7. Geringe Reste eines Dekrets;
Z. 2: pvdpovag, 3: im/jj?,£(r&ac, 4: dycüvoavg, 5. 6 zweimal lepc^cwv.
Dieselben, a. a. 0. S. 354 n. 8. Fragment einer Rechnungs-
urkunde. Z. 2: r]uvg k/ißdT[avg (wohl Landpächter). Zahlzeichen: P 100,
P 50, Ol,: =: — wohl Bezeichnung von Brüchen.
Epidaurus.
Sämtliche von Kabbadias, 'E^. dpy^. 1883 — 85 veröffentlichte In-
schriften (n. 1 — 101) aus dem Asklepiostempel zu Epidauros sind be-
quem und übersichtlich, mit eingehenden sprachlichen und sachlichen
Anmerkungen, sowie mit chronologischer Klassifizierung und ausführ-
lichem Wortindex zusammengestellt von J. [u. Th.] Baunack, Studien
auf dem Gebiete des Griechischen und der arischen Sprachen I 1 Leipz.
1886. S. 77 — 162. Da die Zählung der Originalpublikation von Baunack
beibehalten worden ist, so können wiederholte Hinweise auf seine Aus-
gabe entbehrt werden.
Jahresbericht fUr Alterthomswiasenschaft LH. (1887. III.j 29
450 Griechische Epigraphik.
ca. 400 Kabbadias, 'E(p. dp^. 1886 Sp. 147—166 n. 103. Aus 9 grofsen
und 7 kleinen Fragmenten zusammengefügte, oben unvollständige Platte,
auf beiden Seiten in je zwei ungleich breiten Kolumnen beschrieben.
Die schmalen Kolumnen bilden die Fortsetzung der breiteren. Gesamt-
umfang 305 Z. Die Inschrift enthält ein ausführliches Verzeichnis der
Ausgaben für den Bau des Asklepiostempels ; wahrscheinlich aus der
ersten nacheuklidischen Zeit: OY und O, ß und O neben einander.
In den beiden gröfseren Kolumnen sind die gröfseren Ausgaben verzeich-
net, in den kleineren kleine Ausgaben für verschiedene Arbeiten und für
den Ankauf verschiedener G-egenstände. Die einzelnen Teile des Baues
wurden an die mindestfordernden Unternehmer verdungen (es wechseln
die Schreibweisen : YjAbto^ eiXe-u, eXezo) ; die einen übernahmen die Aus-
führung der Arbeiten, andre die Lieferung und Beschaffung des Mate-
rials, wieder andre nur die Beschaffung desselben. Die Unternehmer
sind meist Auswärtige, z. B. aus Korinth, Argos, Stymphalia, Kreta. Der
ganze Bau wurde geleitet von einem Baumeister Theodotos, welcher
einen Jahreslohn von 353 Drachmen (= 1 Drachme täglich) erhielt (so
auch in Athen, wo der Baumeister 36 Drachmen während der Amtsdauer
jeder Prytanie erhielt; vgl. CIA I 324). Da derselbe den Lohn für
3^/2 Jahre und 70 Tage empfing, so scheint der Bau diese Zeitdauer in
anspruch genommen zu haben. — Die Unternehmer stellten Bürgen,
wahrscheinlich bekannte einheimische Bürger, da dieselben nur mit ihren
Hauptnamen aufgeführt werden. Bemerkenswert ist, dafs die Unterneh-
mer für Lieferung und Beschaffung der Bausteine ausschliefslich Ko-
rinther waren: ein Euterpidas übernahm die Lieferung und Beschaffung
derselben für die Hälfte des arjxog für 6167 Drachmen; ein Archikles
nur die Lieferung der Steine für die andere Hälfte für etwas mehr, als
4400 Drachmen; ein Lykios wahrscheinlich die Herbeischaffung derselben.
Derselbe, 'E<p. äpi- 1883 Sp. 92 n. 36 in Majuskeln, von Bau-
nack umschrieben. Fragment {(jzoi^rjdov) wahrscheinlich einer — in der
1. Pers. Plur. geführten — Unterhandlung über gottesdienstliche An-
gelegenheiten zwischen den Abgeordneten einer Phyle und dem Volke.
ti4— 37 Ehreninschriften auf fürstliche Personen. — Derselbe, E^.
dp^. 1884 Sp. 31 u. 78. Fragmentierte Ehreninschrift: Ttßipcov Izßaazöv.
154-68 Derselbe, 'E(p. dpy. 1885 Sp. 28 n. 82. Basisinschrift. Die
Stadt der Epidaurier ehrt Tcßspcov KXaüdiov Nipojva, unarov, zbv ahzäg
Tidrpoiva.
t238 Derselbe, 'Ef. dpy- 1883 Sp. 30 n. 11. Ehreninschrift auf Furia
{0poupca) Tranquilla, Gemahlin Gordians III. (238 — 244 n. Chr). Hier-
nach ist vielleicht die fragmentierte Ehreninschrift a. a. 0. Sp. 32 n. 79
zu ergänzen: 'AnuXig d zwv] Erudaupi'ujv (2) 0p{oüpiav) TpavxoXXtav] yu-
vatxa Kaccrapog (3) fopdcavod Mdp}xou ZeßaaToü.
IV. Peloponnesus. 2. Argolis: Epidaurus. 451
Ehreninschriften der nokg tcDi^ 'Emdaupuuv auf Private. — Der-
selbe, 'E(p. äpi. 1883 Sp. 27 n. 4 auf den (sonst unbekannten) Koraö-
diendichter Diomedes, S. des Athenodoros, aus Athen (auf derselben
Basis die Weihinschrift Sp. 28 n. 5; s. S. 454). — Sp. 29 n. 9 auf Ni-
katas, S. des Sodamos, aus Epidauros, äpcara no^ireuö/isvov. — Sp. 30
n. 10 auf denselben: ivaiov (2) Kopvr^hov^ J!(vaä/iou olov^ Ncxd-iS)Tav,
lepia Tou JJsßaarou Jiac(Ta-{4)pog , 8ts dyujvoB^srijaavra, 7ipu)-{^)zov rä
'Ano?i?.(uvcETa xa} 'A(Tx^a-(6)ms7a xztoavzd re Kaiaa-{l)pecujv Ttavdyoptv xrX.
— Sp. 32 n. 16 auf Publilia Secunda, T. des Cuaeus. — Sp. 86 n. 19 auf
Tiberius lulius, Icdv^ou uluv, Claudianus. — Sp. 87 n. 20 auf Laphanta,
T. des Damophanes. — n. 21 auf C lul., Adxcovog ulov, Spartiacus. —
Sp. 89 n. 25. 26. Zwei Inschriften auf gleicher Basis. Die Gymnasien
in Epidauros und die au/xzoXtrsuovTsg ehren latiuva 'Ano^^cuvcou 'Emdau-
pcov YupLvamap'/rjaavza iv Juxsccuc xzX. Denselben ehrt die Stadt. — n. 27
auf OuszoOpcov üaxxcavav zov auvx^rixöv. — Sp. 90f. n. 30. 31 (Frag-
mente einer gemeinschaftlichen Basis) 1. aufEuanthes, S. des Eunomos,
aus Epidauros; 2. auf denselben, etwas ausführlicher; 3. dürftiges Frag-
ment, ergänzt von Baunack 31a. — Sp. 91 n. 32 auf Polykrates, S. des
Euanthes, aus Epidauros als äyiovoMzrjg der AnoXXaivela^ AaxXamsTa und
Kmoapr^a. — 'E<p. dpx- 1884 Sp. 30 f n. 77 auf T. Statilius, S. des Ti-
mokrates, Lamprias. Den aus vielen Inschriften bekannten Stammbaum
des Geehrten s. Lebas II, 151. — 'E<p. dpx- 1885 Sp. 192 n. 93; an
Stelle einer darüber befindlichen älteren Inschrift. Die nuXig (ohne Art.)
'Emoauplwv ehrt den Thiasos, S. des Aristodamos, aus Epidauros. —
Sp. 193 n. 95. Basisinschrift, von welcher nur der Schlufs erhalten:
Tu xoc[v6v 1 Ncxo/isvr^g, \ Tcpuavpazog \ 'ABr^vaToi enürjaav. Nach den
Buchstabenformen möchte der Herausgeber die genannten Künstler dem
4. Jahrb. v. Chr. zuweisen; vgl. Loewy, Inschr. griech. Bildhauer n. 131a.
Darüber die spätere Zeile: Arua ^Apiazcnnou.
Ehreninschriften von Privaten. — Derselbe, 'E^. dpi- 1883
Sp. 28 f n. 7. Damokles, S. des D., ehrt den Eunomos, S. des Arche-
laos , in Form einer Weihung an Asklepios. Darunter die Künstler-
inschrift: Euvoug Euvu/iou inocr^ae {= Löwy, Inschr. griech. Bildh. S. 189).
— Sp. 32 n. 15. Laphanta, T. des Telemachos, aus Epidauros ehrt ihren
Gatten Damokles, S. des D. — E^. dpi- 1885 Sp. I89f n. 88—91. Vier
zusammengehörige Steinplatten mit Ehreninschriften auf Glieder einer
und derselben Familie, deren Stammbaum sich durch fünf Generationen
verfolgen läfst, in Form von Weihungen an Apollon und Asldapios: n. 88
Sodamos, S. des Euklippos, und Laphanta, T. des Telemachos, aus Epi-
dauros ehren die Tochter ihrer Tochter und des Euanthes, Laphanta.
n. 89 dasselbe Ehepaar ehrt seine Tochter Chariko. n. 90 Laphanta,
T. des Telemachos, aus Epidauros ehrt ihren Vater T., Sohn des Tele-
phanes, und ihre Mutter Chariko, T. des Nikaretas. n. 91 dieselbe ehrt
ihren Mann Sodamos, S. des Euklippos. Hierzu gehörig: 'E<p. dp^. 1883
29*
452 Griechische Epigraphik.
Sp. 32 n. 14: Laphanta, T. des Euanthes, aus Epidauros ehrt ihren
Mann Kleaichmidas, S. des Kleandros, in Form einer Weihung an Apol-
lon und Asklapios (die Stifterin, vom Sä/xog Msjapiiov geehrt, s. S. 444.
— 'E(p. äpi. 1884 Sp. 30 n. 76. - - os Gellios ehrt den laimpü-
zarov bnarcxbv xai inai^opßcuzrjv vr^g 'A'/auag Cn. Claudius Leonticus.
Der Gefeierte begegnet auch in der raegarischen Inschrift Rofs, Intelli-
genzblatt d. Allg. Littztg. 1844 n. 38 (Fouc, Megara 56). — 'E^. dpx-
1883 Sp. 85 n. 17. Fragmentierte Ehreninschrift auf Publilius Regulas
(nach dem Druckfehlerverzeichnis ist '^PrjyXov statt Frjykov zu lesen). —
Sp. 88 n. 23. 24. Zwei Inschriften auf einer Basis: l. Phaidrias und
Paulus ehren ihre Mutter Claudia, T. des Tib. Claudius Polykrates, Da-
maro im Auftrage des Vaters Tib. Claudius Xenokles nach Erkenntnis
des Rats und Volkes. 2. Weihinschrift des Priesters Africanus s. S. 453 n. 24.
— Sp. 90 n. 29: EncxzrjTov ruv suatßiazarov u (pcXog. — Sp. 152 n. 49.
Paulus, S. des lason, und Asklapias, T. des Apollonidas, aus Epidauros
ehren ihren Sohn Mivav8po)) nopo<popr^aavza in Form einer Weihung an
Apollou und Asklapios. — 'E(p. äpy^. 1885 Sp. 29 f. n. 83. Archo, T. des
Astyla'idas, aus Epidauros ehrt in Form eines Weihgeschenks an Apol-
lon und Asklapios ihre Mutter Echekrateia, T. des Damokles. — Sp. 194
n. 96. Olympias, Olympiodoros und Nikis ehren ihren Vater Nikatas,
S. des N., aus Hermione in Form einer Weihung an Apollon und Asklapios.
— 'E(p. äpi- 1886 Sp. 249. Eudamos, S. des Teleas, und Timokratis, T. des
Timon, aus Epidauros ehren ihren Sohn Teleas in Form einer Weihung
an Apollon und Asklapios. Auf demselben Stein die jüngere Weihinschrift
des Priesters Africanus (s. S. 453). — 'E(p. d.px- 1883 Sp. 153 f. n. 52.
In archaisierendem Dialekt ehren die Argiver Straton und Thionis ihre
Söhne (zh\>g omvq) unter der Form einer Weihung an Apollon und Askla-
pios. Darunter die Künstlerinschrift: ABrjvoyivrjg 'Apiazopivoog, Aaßpiag
äaponst&oug 'ApyeToc inocrjcrrxv. Dieselbe Künstlerinschrift auf der Basis ^E^.
äpi. 1885 Sp. 191 ff. n. 92. Vgl. Loewy, Inschriften griech. Bildhauer n. 269.
Weihinschriften. — Derselbe, E(p. dpx- 1885 Sp. 197f. n. 101
(Roberts n. 289 a). Archaische Inschrift eines Erztäfelchens : KaUcazpa-{'i)
zog dvsBax-{3)e zdi'A<Tx{^)am-{4:)o]: 00 /idycpog. — 'E^. dp^. 1883 Sp. 25
n. 1. Z]rjvc xa\ llsXiO) [^x~\al tmoiv dEcysvisaacv errichtet^) ein Weihge-
schenk, dessen Stele mit vier Hexametern erhalten ist, der Hierophant
AoyivYjg ^ Jyjoug {:= Demeter) r.pÖTiokog, llacTjovog IpsOg. Datum: po8'
izsi (wohl der Ära von Aktium = 143 n. Chr.). — Sp, 147 n. 37. Stele
desselben Stifters: 'AnoUaivc (2) kxazrjßeXizrjt (3) b hpocpdvz^g (4) dto-
yivTjg (5) xaz' uvap. Aufserdem fünf kleine Marmoraltäre, geweiht von
dem lepzbg ätoyivrjg: 1. Sp. 148 n. 38: leXrjvrj tcoXlxjuvü/ioj; 2. Sp. 149
n. 39: TsX[c(T^6p]wc ^(v[zrj]pc; 3. n. 40: ' ryisc'^ Iiozeipq. (ihr Tempel war
1) Mit Dittenberger, Epigraphische Miscellen in den »historischen und
philologischen Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet«
Berlin 1884 S 291 ist V. 3 efff' zu lesen.
IV. Peloponnesus. 2 Argolis: Epidaurus. 453
nach Paus. 2, 27, 6 von Antonin während der letzten Regierungsjahre
Hadrians erbaut worden); 4. n. 41: ^A-nöXkuvi Ma^sära; 5. Sp. 150 n. 42:
'AaxXrjTTiüj ZwTrjpt. Nach 4. ergänzt der Herausgeber die Inschrift gleichen
Fundorts Athenaion X, 554 n. 7: 'AnöXXcovt MaXeäzq.', so schon Röhl I, 60.
— Sp. 31 n. 12: iiyc OiXtu) llupoiog xaz' ovap. — Sp. 87 n. 22. M
Kaaiiut errichtet Hellanokrates, S. des Herakleides, ein Weihgeschenk.
Über das Epitheton Kämog s. Baunack. — Sp. 31 n. 13: 'AttüXXmvi Aa-
xXamw KXauotavög. — Sp. 237 f. n. 61. Weihgeschenk des Tib. Claudius
Severus aus Sinope, errichtet dem At:6XXu}vc MaXedza xal Hajrr^pc Aa-
xX-r^mS) zum Dank für die Heilung des Gottes von Kröpfen im Nacken
und vom Krebs. Ergänzungen von Baunack n. 61. — 'Ecp. dpy. 1884
Sp. 26 n. 67 : 'AttoXJojvc xal ' AaxXrjmwi (Tuyyvw/ioacv 6 cspeug '^EXixcbv to
pny' = 183 (der Hadrian. Ära?). — 'A>. äpy. 1883 Sp. 24 n 64.
'AnuXX\wvi 'TjTtazacü) (nach der Stadt Hypala) errichten ein Weihgeschenk
Pausantas und Komasios. — Sp. 27 n. 69. Fragment: 'AnoXXwvog] vo-
fiioi) Ncxcuv JioxXsoug riOpo(poprjaag. — Sp. 88 n. 24: 'AaxXrjmw (2) xXu-
Tofirj-ciolc (3) 'Afpcxavug (4) It Ispsug (5) tu ß' . Auf derselben Basis
die Ehreninschrift des Phaidrias und Paulus S. 452 n. 23. — ' E^.
dpy. 1886 Sp. 249: ' AaxXrjm& x\cu (2) ^Tyeia x\at (3) TeXBa(p6pü) (4)
dXe^cTTuvocg (5) "Acppixavog (6) u Ispeug zu ß'. Auf demselben Stein
eine ältere Ehreninschrift unter der Form der Weihung (s. S. 452). —
'E<p. dpy. 1883 Sp. 150 n. 44: 'AaxXr^mu) eoxoXoi 0tXmnog. — Sp. 154
n. 53: KXs]atypcdo.g Aapocpdveog lepebg y£v6p.evog 'AaxXrjncwc. — Sj). 156
n. 57: ^hpoxXrjg ' A<ppodetatoo cepsijg zoT> 2Jioz^pog 'AaxXrjmoü IJrxv&ec'o)
xaz' ovap. — Sp. 157 n. 58. Fragment: 'AaxXrjma) lajzrjpt u. s. w. —
'E<p. apy. 1884 Sp. 21 n. 62. 'AaxXy^moJc Atysojzrjt errichtet b hpocpdv-
zTjg xai lepebg zoü 2(uz^pog Mvaaiag {Mvaaeou] "^Epfiioveug ein Weihge-
schenk xaz' ovap. Datum aXß' = 232 (der Ära von Aktium = 201 n. Chr.?).
— Sp. 24 n. 65, Fragment: - - Jd 'AaxXrjmioc. — Sp. 27 n. 70: 'AaxXrj-
ncoo IJspya/jLifjvög. — Sp. 29 n. 74: Ar^/idp?]azog 'Apiczepivou Kopiv&iog
AcrxXaztüJc. [2!7:]ouocag inocrjGs A^rjvacog. Der Künstler ist unbekannt;
vgl. Löwy n. 135 <!. Nachtr. S. 388. Aus hellenistischer Zeit. — 'E(p.
dpy. 1885 Sp. 84 n. 85: AaxXr^ruw JJojzr^pc. — Sp. 84f. n. 86: Aypmirag
za> &£(v zov 'AaxXrjmov suyapcazwv. — Sp. 198 n. 100: l4]pcazapyog 'Ep-
ytvoo AaxXamm. — E^. dpy. 1883 Sp. 151 f. n. 47: 'lepehg HzazecXcog
HexoüvSog AcrxXrjmoo nacmv — izet oa = 71 (der Hadrianischen Ära?). —
Sp. 89 n. 28: AaxXrjmib up^m diovöaiog. Wohl von demselben Stifter
^E(p. dpy. 1885 Sp. 195 n. 98: Apzip.t\bi\ bpi^tq. Aiowatog xaz' ovap.
Über das Epitheton opbcog, op^i'a des Asklapios und der Artemis {»dcozc
BspaTieucüV zoug xazaxexXciJiivoug daBsvecg inocst auzohg dp&coug«) s. den
Herausg. Sp. 196 und Baunack zu n. 28. — Sp. 156 n. 56: 11. ÄiXiog
diovuaiou Avzcöyoo lepaTioXriaag AffxXrjmw xal zolg iv zw Avaxsüu &soTg.
— '£jp. dpy. 1884 Sp. 23 f. n. 63. 'AaxX[rjmw\ und Tycsli^] zeXea<pöpoig
FlaijzaXuüzatg errichtet ein Weihgeschenk ' llpaxXtavug b Ispeüg In der
thrakischen Stadt Pautalia befand sich ein Heiligtum der genannten Gott-
454 Griechische Epigraphik.
heiten. — 'E^. äpx- 1883 Sp. 151 n. 45. Marmornes Altärchen: ^Ixixrjg
MeXavwTiüg. Von demselben die Weihinscbrift n. 46: MTf]Tpl Bewv Ixirrjg
xaz ovap MelavwnoQ ereu^sv. — Sp. 153 n. 50. Weihgeschenk des Me-
nodoros, S. des Aga[thokles], nupol^opi^arxg] an drjprjrrjp xapno^öpog. —
Sp. 155 n. 55. Fragment der Weihinscbrift eines 7itjpo[(fop^qag] an dr^-
P-TjTrjp xapno<p6pog. — Sp. 28 n. 5: ''ApTipi[§'\og na/x^uXa[c]ag EoxpaTTjg
EuxpdzEog (auf derselben Basis die Ehreninschrift n. 4; s. S. 451 o.). —
'Ef. äpy. 1884 Sp. 27 n. 70: 'Apzdutzog Tzpo^upcxlag. — 'F.<p. dpy. 1883
Sp. 152 n. 48: 'Ap-ejxiBc ^Exd-rjt hnrjxowc 0dßouXXog. — 'E<p. apy. 1884
Sp. 28 n. 72: 'ABi^väg [xa]XXcspyou ^AnoXKu)Viog Jüjpac[oo7] 7iupo(poprj(jag
TÖ Zp' e'og = 107 (der Ära von Aktiura?). — 'E^. dp/. 1885 Sp. 195
n 97. 'A&Yj'^äc rioXcdS: errichtet ein Weihgeschenk 6 hpebg -ou JJcoz^pog
^Aaxkfjmoo AaSouyog (Eigenname; wahrscheinlich derselbe Dedikant 'E<p.
dpi. 1886 Sp. 251 f. n. 1; s. u.) xaz' ovap. — Sp. 196 f. n. 99: 'HXm xai
z^o7v ätoaxoupotv lex{oov§og) Ilojiimvvcog) 'IXapiavhg AXxdazoo Aaxsdai-
jjidvtog xaz' ovap. — ' Ecp. dp/. 1884 Sp. 25 n. 66: Ildac xal miaatg
Eimopog lepanoXrjaag. Datum: py' szog = 43; wahrscheinlich der Ha-
drianischen Ära, die mit der Münzenprägung der Epidaurier zu Ehren
des Kaisers beginnt (vgl. Mionnet, Suppl. IV, 240 n. 26 — 32). — '£^.
dp/. 1883 Sp. 150 n. 43. Marmornes Altärchen: 'EUou ßujpov 'hpo-
xXrjg xaz^ ovap. — Sp. 91 n. 33: Tzleaiföpioi. — Sp. 156 n. 57 bis.
Von einer Altarinschrift nur lesbar: TeXe<T(p6pu). — 'E<p. dpy^. 1884
Sp. 26 n. 68. Hexametrische Weihinschrift: Biup-ov UavBecujt cspeug
tdp'joazo Mog. — Sp. 28 n. 73. Fragmentierte Weihinschrift: Müpiog dv£-
Y^Tjxe] vuxzog np ispsug Nacx - -. — 'E^. dp/. 1883 Sp. 154 n. 51.
Weihgeschenk der lapopvdpoveg Diodoros, Nikomenes, Lakritos, Aristar-
chos. — Sp. 28 n. 6. Stele mit fragmentierter, nahezu gleichlautender
Doppelinschrift; u. a. : ' Eiiafpäg Mdpxou nopofop-fjaag. — Sp. 29 n. 8.
Basis mit zwei Inschriftfragmenten: 1. eines ■nopoipoprjaag -.i 2. Fragment
der Inschrift eines Künstlers Thysandros (Löwy S. 190). — Sp. 85 n. 18.
Fragmentierte Basisinschrift: no\7:XtXio\g — Sr^g dvs&rjxev. — Sp. 27
n. 3. Kline mit der Widmung: 'ApxeacXaog, AüaavSpog dvsMzav. —
Sp. 27 n. 2. Basis eines Weihgeschenks: Accov Aapo^lXoo 'Apyslog knocr^az
(wiederholt Keinach, Rev. arch. III 1883 S. 396 und Löwy S. 189). —
Sp. 91 n. 34. Fragment: — aapidiovzog. — Sp. 92 n. 35. Blumen aus
Thon mit der Aufschrift: 'AaxlT^moTj. — 'E(p. dp-/. 1885 Sp. 193 f. n. 94.
Basisinschrift des Siegers in den olympischen Spielen Apopug nalg 0eo-
8<upou aus Argos in drei Hexametern.
Staes, 'E^. dp^. 1886 Sp. 249 (Taf. 11). Zwei Basisinschriften
von Statuen der Hygieia: 1. T^ '^T^^q- (2) Fdiog (3) Mzpa (= Kurlohn).
2. Aoaipay^og zfj ipau-{2)~oü ^ajzscpy^ xal TöXea-(fi)<p6p(ü.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 251 ff. (Taf. 12). Petersen, MDAI XI
1886 S. 309 ff. — Basisinschriften dreier Athenastatuetten: 1. Staes,
Sp. 251 f. Petersen, S. 309 n. 1 (Abbild. S. 311): \iBrjväi Tpeca 6
IV. Peloponnesus. 2. Argolis: Epidaurus. 455
cepeug rou Zcorrjpog 'AcrxXrjmorj (2) Mäp{xog) 'Iouv{cog) Jaoau^og (Eigen-
name; wahrscheinlich derselbe Dedikant '%. dp/. 1885 Sp. 195 n. 97;
s. S. 454) TU (3) prra'. — 2. Staes, a. a. 0., Petersen, S. 316 u. 2. In
kursiven Charakteren: dsou Tzlpoazayfj 'AXi^avopog zrjv 'A9rjva:av zfj ''Apxi-
/icoc. Derselbe Dedikant Staes, Sp 255: 'AXe^avdpog \iaxlrjmu). —
3. Staes, Sp. 256; Petersen, S. 320 n. 3. Distichon: naTpoxa{aiyv^r\rjV
' Aaxh^ruS) ecaaz^ (der Apostroph völlig deutlich) (2) 'A&:^vrjv (3) 'AaxdXou
ix yatr^g awa-pa <pipu)V rd-{4:)vs8?.cg. (5) im c£pi]ajg Aap. Ncxi-
pw-og. Nach Kumanudes, Sp. 256, ist der Dedikant vielleicht identisch
mit Genethlios aus Petra in Palästina, einem Sophisten der nachchrist-
lichen römischen Zeit.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 254: 'A&amg dp'/a-{2)y£zi8og (3) 'lepoxXrjg
Xapc-{4:)xXzoug 7iopu-{ß)(fopY]aag im. (6) cepeujg XapcxXs-{7)oug toü Me-
vdv-(8)8poo.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 247 f. (Taf. 11). Basis einer Asklepios-
statue mit Widmung (2 Distichen), wonach auf grund eines Traumge-
sichts der apy^iepeug ükobzap'/^og aus Athen (xlzmig {^sodijpuvog 'ArBtoog
air^g Z. 3) und daselbst Ipunulog Bpupioo (= Dionysos, Z. 4), als hpa-
TioXr^aag sToug pne' (= 185 nach dem Besuche Hadrians) die Statue
weihte. — Dafs der Dedikant in dem genannten Jahre leponuXog des As-
klepios war, meldet auch eine andere Basisinschrift, Sp. 249: '0 dp^ia-
psug IJXou-ap^og (2) lepanoXr^aag rS) Sajxrjpi (3) 'AaxXrjmäi izoug pixe' .
— Beide Weihungen zeigen Schriftcharaktere des 4. Jahrh. n. Chr.
Kabbadias, 'Ef. äpx- *1885 Sp. 65 — 74 n. 84 (Baunack S. 147
— 160). Weihinschrift in dorischem Dialekt (namentlich in den Partieen
3. und 6. mit lonismen vermischt, im Päan: KXso(prjpa). Auf das Prä-
skript: "laoXXog J^cuxpazeug ' EmSaupcog (ein sonst unbekannter Dichter)
dvißr^xs 1 'AriöXXajvt MaXsdzac xac 'AaxXamüJc folgen in ebensoviel Versen
als Zeilen:
1. Z. 3 — 9. 7 trochäische katalektische Tetrameter. Politisches
Axiom des Dichters: Das Volk besitzt einen sichern Schutz in der Tüch-
tigkeit seines aristokratischen Regiments; sollte jedoch einer der Aristo-
kraten seine Gewalt mifsbrauchen, so mufs das Volk ihn seines Amtes ent-
setzen und bestrafen.
2. Z. 10 — 26. 17 Hexameter. Der Vorschlag des Dichters wurde
vom Volke zum Gesetz erhoben: dafs von den besten Bürgern Auser-
wählte alljährlich eine feierliche nupurj zu ApoUon und Asklepios ver-
anstalten und für alle Bürger Gesundheit, gesetzliche Ordnung, Frieden
und Wohlstand erflehen sollten. Alsdann würde der Schutz des Zeus
nicht ausbleiben.
3. Z. 27 — 31. Ein Distichon und 3 Hexameter zum Preise des
Apollon und des Asklepios. Malos (wahrscheinlich Sohn des Deukalion)
ist Stifter des Kultes des Apollon Maleatas, der sich sogar bis zu dem
thessalischen Trikka verbreitete.
456 Griechische Epigraphik.
4. Z. 32 — 36. Prosaische Mitteilung eines Orakelspruches, der
dem Dichter auf sein Befragen von dem delphischen Orakel zu teil wurde :
Er solle den von ihm gedichteten Päan auf Apollon und Asklepios nieder-
schreiben lassen.
5. Z. 37 — 56. Päan (für den offiziellen Bittgang) auf Apollon und
Asklepios (ohne Versteilung) in ionici a minore, akatalektisch mit Aus-
nahme dreier Verse, enthaltend die Genealogie des Asklepios (ausführ-
licher und anders als bei Pausanias 2, 26, 4. 7): Malos erhält von Zeus
die Muse Erato zum Weibe ; ihrer Tochter Kleophema und des Epidau-
riers Phlegyas Tochter ist Aigle, wegen ihrer Schönheit auch Koronis
genannt. Dieser und des Apollon Sohn ist Asklepios. — Über die Einzel-
heiten des Metrums siehe die Ausführungen des athenischen Professors
Semitelos Sp. 73 — 77, vonBlafs, Fleckeisens Jahrbücher Bd. 131/2 1885
S. 823 — 825 und von v. Wilamowitz-Möllendorff, der in einer
ausführlichen Abhandlung: Isyllos von Epidauros (Philol. Untersuch, von
Kiefsling und v. W.-M. Heft 9. Berlin 1886. VIII und 202 S. gr. 8.
4 Mk.) mit umfassender Gelehrsamkeit die Stellung dieses »talentlosen
Poetasters und possenhaften Politikers« in der griechischen Geschichts-
und Kulturentwicklung zu bestimmen sucht. (Inhalt der Schrift: 1. Die
Gedichte mit kritischen und exegetischen Bemerkungen; 2. Folgerungen
für die Geschichte, durch welche interessante Resultate für die politische
Gestaltung des Peloponnes zu Isyllos' Zeit gewonnen werden; 3. Folge-
rungen für die Religion, mit ausführlicher Behandlung des Asklepios-
dienstes. Bemerkenswert ist die Rekonstruktion einer auf ihn bezüg-
lichen Eöe des Hesiod. Folgen Exkurse.)
6. Z. 57^77 1). 21 Hexameter. Bericht über die wunderbare Hülfe,
die Asklepios den Lacedämoniern angedeihen liefs, als Philipp gegen sie zu
Felde zog. Der Dichter, dem als Knaben die Offenbarung des Gottes zu teil
wurde, verkündete die hülfsbereite Absicht desselben den Lacedämoniern,
die den Gott durch das Fest der &eo$svca ehrten — Nach Kabbadias und
Wilamowitz bezieht sich das erwähnte Ereignis auf den Einfall Philipps II.
von Macedonien in den Peloponnes nach der Schlacht bei Chäronea.
Der Gesetzantrag des Isyllos dürfte nach Wilamowitz etwa 280 v. Chr.
fallen ; doch datiere die Inschrift aus dem Greisenalter des Dichters, vgl.
Z. 58/59 : 'Ey xetvotai ^pövotg^ oxa 3^ OTparov rjye 0tXinnog^ \ Elg 2ndp-
XTjv i&i^ojv dveXöTv ßaat?<rjt8a ri/irjv. — Dagegen bezieht Blafs, a. a. 0.
S. 822 die erwähnte Absicht auf den Polyb. 5, 18 ff. berichteten Zug
Philipps III. 218 V. Chr. uud weist die Inschrift auf grund von Schrei-
bungen wie inocxreipov Z. 67, awCovzt Z. 7o dem Anfang des 2. Jahrh.
v. Chr. zu.
7. Z. 78. 79. Schlufs in 2 Hexametern: TaUzd zoc, w (leydpKTze
Sewv, äviBif]XEv ^'lauXXog, \ TijioJv arjv äpezijv, ujva^, wanep zb dcxaiov.
1) Z. 72 liest Blafs, a. a. 0. S. 823 Anm. 1 : wpae vörjfia statt <bpas.v ^^fia.
IV. Peloponnesus 2 Argolis: Epidaurus. 457
Heilinschriften. — Derselbe, 'E<p. dp^- 1883 Sp. 199—216 n. 59.
Eine in ihrer Art einzige, vortrefflich erhaltene, 126 Z. umfassende Stoi-
chedoninschrift; ein Katalog der im Tempel des Asklepios geheilten
Kranken mit ihren wunderbaren Heilungsgeschichten, die uns anmuten,
wie die Lektüre alter Legenden. Ein besonderes Interesse erweckt die
Inschrift noch dadurch, dafs sie eine der sechs von Pausanias (2, 27, 3)
erwähnten Steinurkuuden ist, die derselbe (oder sein Gewährsmann) an
Ort und Stelle las. Zu vergleichen ist auch die Notiz bei Strabo 8, 373c.
Nach dem Urteil des griechischen Herausgebers gehört sie dem 3. Jahrh.
V. Chr. an. Besteht jedoch die unten zu n. 9 erwähnte Vermutung
Zachers zu recht, so wäre für den Text einer anzunehmenden Vorlage
unserer Urkunde ein bedeutend höheres Alter (spätestens 400 v. Chr.)
erwiesen und würde die Entstehung der Legenden selbst ins 5. Jahrh.
zu verlegen sein (Zacher, Hermes XXI 1886 S. 468). — Der interessante
Inhalt mag einen ausführlicheren Bericht über die aufgezeichneten Kuren
rechtfertigen. — Unter der gemeinsamen Überschrift : 6öug. Ti>ia dyaßd.
(2) 'ld]naza zou 'AndUujvog xai zuTt 'AaxAamou folgen 20 in einheimi-
schem Dialekt abgefafste Heilungsberichte, deren jedem die summarische
Angabe des Namens des Patienten und meist auch seines Leidens voran-
gestellt ist.
1. Z. 3 — 9. Eine Frau Kleo konnte trotz Sjähriger Schwanger-
schaft nicht gebären. Nachdem sie in dem Heiligtum geschlafen, genas
sie eines Knäbleins, welches sich alsbald in einer Quelle badete und
dann fröhlich neben der Mutter einhersprang, worauf die glückliche Mutter
ein Weihgeschenk in Versen (2 Hexameter und 1 Pentameter; Bücheier,
Rhein. Mus. XXXIX 1884 S. 620; über den dürftigen Bau derselben v. Wi-
lamowitz-Möllendorff. Hermes XIX 1884 S. 449 Anm. 1) errichtet.
2. Z. 9 — 22. Ein Weib Ithmonika aus Pellene bittet im Traume den
Asklepios, er möge sie mit einer Tochter schwanger werden lassen. Sie
erklärt ausdrücklich auf die Frage des Gottes, ein weiteres Anliegen
nicht zu haben. Infolge dessen gebiert sie das Mägdlein erst, als sie
nach dreijähriger Schwangerschaft den Gott auch um die Geburt gebeten
hat. 3. Z. 22 — 33. Ein Mann, der seiner Finger nicht mächtig ist,
kommt hülfeflehend, verspottet jedoch die Heilungslegenden im Tempel.
Er träumt, am Fufs des letzteren zu würfeln, wobei der Gott ihm die
Finger wieder gelenkig mache. Auf die Frage des Gottes erklärt er,
jetzt auch den Heilungsgeschichten Glauben schenken zu wollen. Der
Gott begnügt sich mit dieser Sinnesänderung, und morgens verläfst der
Patient geheilt das Heiligtum. 4. Z. 33 — 41. Die einäugige Ambrosia
aus Athen kommt in den Tempel, spottet jedoch über die Votivtafelu,
nach welchen Lahme und Blinde durch ein Traumgesicht geheilt sein
sollten. Im Traum erklärt ihr der Gott, sie auf die Bedingung hin heilen
zu wollen, dafs sie zur Strafe ihres Unglaubens ihm ein silbernes Schwein
weihe. Nach dieser Zusicherung schlitzt er ihr das kranke Auge auf
458 " Griechische Epigraphik.
und giefst Arznei hinein. Morgens verläfst sie- gesund das Heiligtum.
5. Z. 41—48. Ein Vater bringt seinen stummen Sohn in den Tempel.
Nach Darbringung der Opfer fragt der Tempeldiener den Vater, ob er
sich verpflichten wolle, nach erfolgter Heilung innerhalb Jahresfrist das
Kurgeld an den Gott zu entrichten, worauf der Knabe selbst antwortet:
»Ich verpflichte mich«; und von Stund an hatte er die Sprache wieder.
6. Z. 48 — 54. Der Thessaler Pandaros hatte das Gesicht voller Warzen.
Er träumt, der Gott unterbinde dieselben und heifse ihn nach Verlassen
des Heiligtums die Binde abnehmen und ihm weihen. Nachdem er dies
gethan, ist er der lästigen Zugabe los. 7. Z. 54—68. Zu Hause au-
angekommen, übergiebt Pandaros seinem Landsmann Echedoros, der
wegen eines gleichen Leidens die Heilkraft des Gottes erproben möchte,
eine Summe Geldes als Daukopfer für den Gott. Doch behält letzterer,
in Epidauros angekommen, das Geld. Auf die Frage des allwissenden
Gottes im Traumgesicht leugnet er den Empfang desselben, erklärt sich
jedoch bereit, nach erlangter Heilung eine Votivtafel zu errichten. Dai'auf
legt ihm der Gott die Binde des Pandaros an mit dem Geheifs, sich in
der Quelle zu waschen. Als er dies bei Tagesanbruch gethan, sieht er
im Spiegel der Quelle sein Antlitz aufser durch die eigenen Warzen auch
noch durch die des Pandaros entstellt. Vgl. die alttestamentliche Ge-
schichte von dem aussätzigen syrischen Feldhaujitmann Naemau und
Elisa's habsüchtigem Diener Gehasi 2. Kön. 5. Von Wichtigkeit sind
die Ergänzungen durch v. Wilamowitz-MöUendorff, Hermes XIX 1884
S. 452; vgl. auch zu u. 3. 4. 10 S. 450f. 8. Z. 68—71. Euphanes, ein
mit dem Stein behafteter Knabe aus Epidauros, schläft im Heiligtum.
Auf die Frage des Gottes im Traum, was er ihm schenken wolle, wenn
er ihn gesund mache, antwortet er treuherzig: 10 Würfel. Lachend dankt
der Gott für das ihm zugedachte Geschenk, und bei Tagesanbruch ver-
läfst der Knabe gesund das Heiligtum. 9. Z. 72 — 78. Ein Einäugiger,
der statt des einen Auges nur eine leere Höhle hat, wird von den Kran-
ken im Tempel wegen seines zuversichtlichen Glaubens verspottet (der
wahrscheinlich auf eine ältere, in anderem Alphabet geschriebene Ur-
kunde zurückzuführende Steinmetzfehler iksyov §7) statt eyiXiuv 8s wird
von Zacher, Hermes XXI 1886 S. 467 verbessert). Der Gott giefst ihm
im Traum eine Arznei in die leere Augenhöhle, und er verläfst zweiäugig
das Heiligtum. 10. Z. 79 — 89. Ein Lastträger fällt und zerbricht den
Becher seines Herrn. Als er traurig die Scherben wieder zusammen-
setzt, höhnt ihn ein Wandrer, selbst Asklepios könne den Krug nicht
wieder herstellen. Er sammelt die Scherben in einen Sack und als er
das Heiligtum betritt, zieht er den Krug unversehrt hervor. 11. Z. 90
— 94. Ein Aischinas besteigt, als die Bittenden schon im Tempel schlafen,
neugierig einen Baum und späht in das Heiligtum. Er fällt und zer-
schlägt sich an Pfählen die Augen. Blind fleht der reuige Sünder den
Gott um Hülfe an und wird geheilt 12. Z. 95—97. Ein Euippos trug
IV. Peloponnebus. 2. Argolis: Epidaurus. 459
6 Jahre lang eine Lanzenspitze im Kinnbacken. Im Traum scheint der
Gott dieselbe herauszuziehen und ihm in die Hand zu geben. Bei Tages-
anbruch verläfst er das Heiligtum gesund mit der Lanzenspitze in der
Hand. 13. Z. 98 — 103. In der Brust eines Mannes aus Torone hatten
Blutegel {oEfxsÄsT.^; nach Hesych. os/j.ßh7i = ßozXXat, vgl. u. a. Bücheier,
Rhein. Mus. XXXIX ] 884 S. 620) ihre Wohnstätte aufgeschlagen, die ihm
seine tückische Stiefmutter in einem Trank eingegeben hatte. Er träumt,
der Gott schlitze ihm die Brust auf, gebe ihm die Würmer in die Hand
und nähe die Brust wieder zu. Beim Morgengrauen verläfst er gesund
das Heiligtum mit dem Gewürm in den Händen. 14. Z. 104 — 106. Ein
Mann hat einen Stein im Schamglied. Er träumt, er pflege Umgang mit
einem schönen Knaben. Als er erwacht, wirft er den Stein heraus und
trägt ihn In der Hand mit sich. 15. Z. 107 — 110. Den siechen Her-
modikos aus Lampsakos heifst der Gott im Traum den schwersten Stein
in das Heiligtum tragen, den er bewältigen könne. Er schleppt den
vor dem Heiligtum liegenden Stein in den Tempel. 16. Z. 111. 112.
Dem lahmen Nikanor stiehlt ein ihm erscheinender Knabe die Krücke.
Er verfolgt ihn und ist geheilt. 17. Z. 113 — 119. Ein Mann mit einem
bösen Geschwür an der Zehe wird von den Dienern täglich in das Hei-
ligtum gebracht. Im Schlaf heilt ihn eine aus dem Tempel hervorkom-
mende Schlange durch Lecken mit der Zunge; gesund erwacht er.
18. Z. 120 — 122. Der blinde Alketas 'AXtxhg glaubt im Traum, der Gott
fahre mit den Fingern durch seine Augen, worauf er die Bäume im
Heiligtum sehen könne. Bei Tagesanbruch geht er geheilt von dannen.
— Auch Pausanias (2, 36, 1) oder sein Autor las diesen Heilungsbe-
richt. Ersterer schiefst aus dem Ethnikou der Urkunde auf eine Stadt
^AXiXTj^ deren Ort er sogar nachweisen will. Vgl. v. Wilamowitz-Möllen-
dorff, Hermes XIX 1884 S. 449 Anm. 2. Das von letzterem S. 452
Anm. 3 in Tzparov korrigierte bprxTov Z. 121 nimmt Zacher, Hermes XXI
1886 S. 467 Anm. 1 in Schutz. 19. Z. 122—125. Dem Heraieus aus
Mytilene, der wegen seiner Glatze verspottet wird, verschafft der Gott
durch eine Salbe einen üppigen Haarwuchs. 20. Z. 125. 126. Der blinde
[Thjyson aus Hermione wird im Traumgesicht durch das Lecken eines
der heiligen Hunde geheilt.
Derselbe, %. äpx. 1885 Sp. 3 — 22 n. 80. Zweiter Heilungs-
katalog, Fortsetzung des vorstehenden, gleichfalls a-oijrßöv^ 134 Zeilen,
aus 22 Fragmenten zusammengesetzt. 23 Heilungsberichte: 15 Männer,
8 Frauen.
1. Z. 1 — ^6. Die Lacedämonierin Arata ist wassersüchtig. Ihre
Mutter schläft für sie im Heiligtum und sieht im Traum den Gott ihrer
Tochter den Kopf abschneiden, den Körper umkehren, das Wasser heraus-
laufen lassen und nach dieser Prozedur den Kopf wieder aufsetzen. In
die Heimat zurückgekehrt, findet sie ihre Tochter, die dieselbe Erschei-
nung gehabt hat, gesund. 2. Z. 7—9. Der blinde Hermon (aus Thasos?)
460 Griechische Epigraphik.
war geheilt worden, entrichtete jedoch nicht die Kurkosten. Der Gott
macht ihn abermals blind, und er kann erst, nachdem er zum zweiten
Mal die Hülfe des Gottes in Anspruch genommen, genesen. 3. Z. 10 — 19
(ausführlich behandelt 'E<p. dpy. 1883 Sp. 219f.). Eine Frau Aristagora
aus Trözen herbergte einen Bandwurm im Leibe. Sie träumte im Heiligtum
des Äsklepios zu Trözen, die oi[oi zoö ^]£o5 (nach Zacher, a. a. 0. S. 471
= die von den rituellen Kultusbeamten zu unterscheidenden Ärzte, die
Asklepiaden, welche als Söhne des Gottes oder in der Maske des Gottes
selbst die Kur vornahmen) hätten ihr zwar behufs der Kur den Kopf
abgeschnitten, jedoch — da der Gott gerade in Epidauros weilte — den-
selben nicht wieder aufsetzen können; man habe daher schleunigst zum
Gotte geschickt. Bei Tagesanbruch erblickt der Priester thatsächlich
den Kopf der Frau vom Rumpfe getrennt. In der folgenden Nacht
träumt ( ! ) Aristagora. der Gott sei aus Epidauros herbeigeeilt, habe ihr
den Kopf wieder aufgesetzt, dann den Leib aufgeschlitzt, den Wurm
herausgenommen und endlich den Leib wieder zugenäht. Nach dieser
Radikalkur genas die Patientin. — Diese wunderbare Heilungslegende,
die nach dem Herausgeber nicht älter als das 4. Jahrh. v. Chr. sein
kann, stimmt in merkwürdiger Weise überein mit einer von Aelian, nat.
an. 9, 33 berichteten Erzählung des um die Zeit der Perserkriege blühen-
den Historiographen Hippys von Rhegion (Müller, fragm. bist. Gr. II, 15).
Da nun der in einigen Punkten abweichende Bericht des Hippys nicht
auf die jüngere Inschrift zurückgeführt werden könne, so glaubt der
Herausgeber als gemeinschaftliche Quelle beider die vielleicht an ein
Weihgeschenk geknüpfte Tradition ansehen zu müssen. Hiernach be-
stimme sich das Alter der meisten andern Heilungsberichte. Doch kommt
v. Wilamowitz-MöUendorff, Hermes XIX 1884 S. 442—452 in einer län-
geren Abhandlung über »Hippys von Rhegion« S. 450 zu dem Resultat,
dafs die uns erhaltenen Zitate einem modernisierten, halb gefälschten
Hippys angehören, dessen Entstehung um 250 v. Chr. fallen dürfte, wäh-
rend Zacher, Hermes XXI 1886 S. 468f. auf grund der einfachen und
klaren Erzählung Allans gegenüber dem verzwickten und konfusen Be-
richte des Steines dem Historiographen die Priorität vindiziert. Auf
entlegnere Zeiten deuten gleichwohl die bisweilen fehlenden — weil ver-
gessenen — Namen der Patienten; statt deren nur: yuvrj ztg, dv:^p, naTg.
Ohne Zweifel waren die im Tempel aufgehängten Votivtafeln von Wich-
tigkeit für die spätere schriftliche Abfassung des Heilungskatalogs. —
4. Z. 19 — 26. Der schiffbrüchige Aristokritos kommt in eine wüste,
rings von Felsen eingeschlossene Gegend, aus der er keinen Ausweg finden
kann. Sein bekümmerter Vater träumt im Heiligtum, der Gott führe ihn
zu dem Aufenthaltsort seines Sohnes. Am nächsten Tage spaltet der
Vater einen der Felsen und befreit den sieben Tage eingeschlossen ge-
wesenen Sohn, 5. Z. 26—35. Sostrata aus Pherä konnte trotz einjäh-
riger Schwangerschaft nicht gebären. Sie wird ins Heiligtum gebracht,
IV. Peloponnesus. 2. Argolis: Epidaurus. 4(51
erhält jedoch kein deutliches Traumgesicht und kehrt unverrichteter Dinge
wieder zurück. Unterwegs stöfst ein stattlicher Mann auf die Gesell-
schaft, läfst, nachdem er das Leiden der Patientin erfahren, die Trag-
bahre hinsetzen, schlitzt dem Weibe den Leib auf und zieht zwei Schüsseln
voll Gewürms hervor, näht dann den Leib wieder zu und heilt so die
Kranke, nachdem er sich als der Gott Asklepios geoffenbart und be-
fohlen, das Heilgeld nach Epidauros zu entrichten. 6. Z. 35 — 38. Ein
Knabe aus Aegina mit einem Geschwür im Nacken wird von einem der
heiligen Hunde durch Lecken geheilt. 7. Z. 88 — 45. Ein Mann mit
einem Geschwür im Leibe sieht im Traum, wie der Gott den Tempel-
dienern befiehlt, ihn festzuhalten, damit er den Leib aufschneide. Der
Patient flieht, wird jedoch ergriffen und an einen Thürring gebunden,
worauf der Gott ihm den Leib aufschlitzt, das Geschwür herausnimmt
und nach Zunähung des Leibes ihn aus seinen Banden befreit. So wird
er geheilt; der Boden aber ist am nächsten Morgen ganz mit Blut be-
fleckt. 8. Z. 45 — 49. Der mit zahllosen Läusen behaftete Kleinatas aus
Theben sieht im Traum; wie der Gott ihn nackt auszieht und mit einem
adpoji (?) von den ungebetenen Gästen befreit. Der Plage ledig ver-
läfst er den Tempel. 9. Z. 50 — 55. Der wegen Kopfschmerzes an Schlaf-
losigkeit leidende Ägestratos träumt, der Gott unterrichte ihn nach Hei-
lung seines Kopfschmerzes in den Künsten des Pankration. Am folgen-
den Tage verläfst er gesund das Heiligtum und siegt bald hernach im
Pankration zu Nemea. 10. Z. 55 — 60. Gorgias aus Heraklea litt infolge
einer in der Schlacht erhaltenen Verwundung an der Lunge 1V2 Jahre
so sehr an Auswurf, dafs er 67 Schüsseln mit demselben füllte. Er
träumt im Heiligtum, der Gott ziehe die Spitze des Geschosses aus der
Wunde, und bei Tagesanbruch verläfst er den Tempel geheilt mit der
Lanzenspitze in der Hand. — Von Z. 60 an ist die Inschrift nur links
vollständig erhalten. Ich begnüge mich daher, von den folgenden Be-
richten nur die Titel anzuführen: 11. Z. 60 — 63. 'Avapo/id^a if 'Amc-
po[u'\, n[sp} 7Tac]du)V. 12. Z. 63 — 68. A [ru^^Joc d(pd^a^ixoug.
13. Z. 69—76. 6]ipaavdpog '^AXixug <p&tatx6g. 14. Z. 76 — 82.
Der Geheilte idpuaazo TSfisvog 'A(TxX\aTitüT). 15. Z. 82 — 86. ' A 8elva nepc
zi]xv(ov. 16. Z. 86—95. 'EmSrwpiog x^lüg. 17. Z. 95—101. Ka-
(piatag (Bekehrung eines Ungläubigen). 18. Z. 102 — 110. KXsi-
fisvi^g 'ApysTog dxparrjg [rou (Tcü/JXXTog. 19. Z. 110 — 116. Jcacrog Ku-
p[avaTog, der seiner Kniee nicht mächtig ist. 20. Z. 116 — 119. 'Av8po-
ixi?]8a ix Ks9u[pag = Ko^pag ?, die kinderlos ist. 21. Z. 119—122.
T(aa)[v — — löy/ai (?) -pio\^£ig bnh rov ixp^^alpöv. 22. Z. 122 — 129.
^Epaair.Ta ix Ka<fij'.äv, mit einem Unterleibsleiden behaftet. 23. Z. 129
— 134. NtxaaißoüXa Ms&avta nzpl natoo^g.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 85 f- n. 87. Fragment eines dritten Hei-
lungskatalogs, gleichfalls a~oi^rj86v\ Reste von vier Heilungsberichten.
4ti2 Griechische Epigraphik.
Erhalten sind die Titel: 2. Alsavßpos Kpy^g. 3. 'AXx — , ein Einäugiger.
Derselbe, "£y:>. dp^. 1883 Sp. 227—232 n. 60 (Baunack S. 112
— 117). Heilurkunde aus spätrömischer Zeit: 'Em cepicog IJo{n^cou)
Aü{!ou) 'AvTtuxou. Ein mit vielfachen Krankheiten behafteter, nament-
lich auch an Verdauungsstörungen leidender karischer Sophist M. loü-
Xiog \4neUäg Idpcsug MoXaaeug (wohl Bezeichnung der engeren in Epi-
dauros wenig bekannten, und der weiteren Heimat) berichtet den Ver-
lauf seiner Kur mit ausführlicher Angabe der ihm auferlegten Diät und
der Methode der Therapie : Der Gott befiehlt ihm im Traumgesicht u. a.,
nur Käsebutterbrot, sowie Selleriesalat, gewässerten Zitronensaft, Milch
mit Honig (letzteres, damit es »durchschlagen« kann) zu geniefsen. Ferner
soll er sich bei den aquae {npog zaTg dxoatg) im Bade an der Wand
reiben, Rundgänge auf dem Söller machen, die Schaukeln gebrauchen,
sich mit feinem Sande beschmieren, unbeschuht spazieren gehen, in das
warme Wasser des Bades Wein giefsen, sich ohne Hülfe eines Dieners
baden, sich mit Senf und Salz einreiben. Nachdem der Patient diese
Kur 9 Tage angewandt, verbrennt er sich am nächsten Tage beim Opfern
die Hand, sodafs Blasen entstehen; doch heilt dieselbe bald wieder. Nun-
mehr wird ihm aufgetragen, sich gegen den Kopfschmerz, den er aufs
Neue infolge gelehrter Beschäftigung bekommt, mit Anis und Öl einzu-
reiben , sowie gegen Entzündung des Zäpfchens und der Mandeln . mit
Eiswasser zu gurgeln. Nachdem der Gott ihm zu guterletzt noch ein-
geschärft, zum Dank für seine Genesung den Kurbericht niederzuschrei-
ben, wird er geheilt entlassen. — Vgl. Aristides, Ispol Xoyut I, 461 f. 484.
Für Textgestaltung und Erklärung sind von Wichtigkeit: v. Wilamo-
witz-Möllendorff, Isyllos von Epidauros, S. HO — 124, Zacher,
Hermes XXI 1886 S. 473 Anm. Pantazides, 'A>. äpy. 1886 Sp. 141
— 144. Baunack, Studien I 1 S. 116 — 118 (mit deutscher Über-
setzung). — Die Inschrift ist annähernd bestimmbar wegen Erwähnung
der noch erhaltenen Reste der Wasserleitung {dxuai Z. 10. 18 = aquae)
des Antoniuus Pius, angelegt vor dessen Thronbesteigung.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 155 n. 54. Fragment einer metrischen
Heilinschrift: iTTJrjxoo) slrjzr^pc ... 1 U]d/i^dog zua{\)dpsvüg \
d'\neXuaaTo voüaou \ (pthj rMzpßi. — Pamphilos war ohne Zweifel der
Priester, der für die Heilung des Kranken gebetet hatte.
T r 0 e z 6 n.
ca. 250 Mylonas, BCH X 1886 S. 139 — 143 (mit Tafel). Zusätze und
200
Berichtigungen von demselben a. a. 0. S. 335—338 (Baunack, Studien I 1
S. 163—173). Jetzt irn Museum zu Athen. Fragment einer auf beiden
Seiten beschriebenen Platte. Eine Stadt, deren Name nicht erhalten ist
IV. Peloponnesus. 2. Argolis: Troezen. 3. Laconica et Messenia: Sparta. 463
(unzweifelhaft Trözen), beschliefst, von auswärtigen Feinden bedrängt,
dafs die Bürgerschaft mit allen Kräften beisteuern soll zur Aufführung
von Befestiguugsmauern und zum Aufbau dsr Stadt. Es wird eine Kom-
mission zur Ausführung dieses Beschlusses und zur Entgegennahme der
Beiträge gewählt. A 1—10 Volksbeschlufs ; A 11 bis B Ende 16 -f- 22
Beschlüsse der Genossenschaften {naT/jcal und ydvrj) hinsichtlich der Bei-
steuer. Letztere wird in der Regel von einem Einzigen, bisweilen auch
von mehreren Repräsentanten der Körperschaften geleistet. Z. 37 liest
Meister, Berl philol. Wochenschr. 1886 n. 43 Sp. 1349: ^Afjcarujva Tav-
xu/ia (mit syllabischer Hyphäresis für Tavox6[ia) statt Apcazcumrav Kojid.
— Wird durch ru xolvov tujv \4yaiu)v A 14 der achäische Bund be-
zeichnet, so wäre die Inschrift nicht älter, als 28Ö v. Chr.; der Schrift-
charakter scheint auf die zweite Hälfte des 3. Jahrh. zu weisen. Trözen
gehörte zum achäischen Bunde seit 243 v. Clir. (Paus. 2, 8, 5. Plut..
Arat. 24). Vielleicht mochte sich die Stadt durch die beschlossene Mafs-
regel gegen die von Kleomenes III., der ev -^ J'Jixata 225 v. Chr. sieg-
reich gewesen war, drohende Gefahr schützen wollen (vgl. Polyb. 2, 52).
— Einheimischer Dialekt.
3. Laconica et Messenia.
Pischel, Bezzenb. Beitr. VIT 1883 S. 335 f. sucht die nach Kirch- iga es
hoffs Vorgang allgemein für lakonisclj gehaltene Xuthias-Inschrift IGA 68
vFick, Bezzb. Beitr. V, 324 erklärte sie für achäisch, obwohl der Name
des Vaters des Xuthias, Philachaios, gegen diese Ansicht spricht) als
nicht lakonisch zu erweisen. Er liest A 2: AIKAYTOZHIIOA-
NEAEZ0O und deutet unter Hinweis auf die auch sonst (A 6, B 9)
in der Inschrift begegnende Umstellung von Buchstaben: al x auzbg
ZwTji^ dvsXtaBw; vielleicht sei mit weiterer Umstellung im Anschlufs
an B zu schreiben: at y.{a)Z<^örjt^ auzög dvc.Xea&uj. Da die Inschrift neben
5 für Spiritus asper H für rj verwende, so sei dieselbe jünger, als
Kirchhoff annehme, zum mindesten jünger als die Siegesinschrift des Da-.
monon IGA 79, welche nur 0 und zwar zur Bezeichnung des rauhen
Hauclilautes biete. Sie sei nicht lakonisch, da sie intervokales a fest-
halte, während jene durchweg Verhauchung zeige.
Derselbe, a. a. 0. S. 333 stellt auf grund der Röhlschen Le- iga 75
sung in der olympischen Weihinschrift IGA 75 (Roberts 261) HIAFFO
die lakonische Form tÄfr^ug (äolisch YXlaag, dialektisch "XXzujg, attisch
7Xzu)g) wieder her und liest: lXfrjU)[c &u]^u)c zuji Aaxsdaijwvtioc. Somit
bleibe der von Paus. 5, 24, 3 überlieferte Text, der tXdio &ufxaj bietet,
zu recht bestehen. Vgl. auch Roberts a. a. 0.
Sparta.
Stolz, Wiener Studien Vlü 1886 S. 161 f. bestreitet die Zulässig- iga
keit der Erklärung der Bustrophedoninschrift IGA add. uov. 49« (Cauer '^ 49a.°^'
464 Griechische Epigraphik.
Del. 3 n. 1): AIOEIKETA | AIOAEY©ER im Sinne von Jr«?
ixiza Jtug i^euf^ep[cu>, da schliefsendes g nach einem Vokal und vor vo-
kalischem Anlaut des folgenden Wortes nicht wie intervokales a zu spir.
asper verflüchtigt werde (vgl. IGA 61 = Cauer ^ 6, IGA 79 = Cauer ^ i7
Z. 8. 14. 20. 32, IGA 87 = Cauer 2 20, 2) oder gar nach weiterer Ver-
flüchtigung des letzteren Krasis eintreten könne. Eine anderweitige Er-
klärung der Inschrift wird nicht versucht.
Kabbadias, 'E^. dp^. 1885 Sp. 28 n. 81. (J. Baunack, Studien
I 1 n. 81.) Epidauros. A r.uhq ä zwv Aaxs8atp.oviu)v ehrt den Lykor-
tas, S. des Thearidas. aus Megalopolis. Vgl. v. Wilamowitz-Möllendorff,
Isyllos von Epidauros, S. 4 Anm.
Durrbach, BCH IX 1885 S. 517 n. 7. Sparta, Museum. An-
fang einer Ehi'eninschritt auf den Kaiser Hadrian.
Derselbe, a. a. 0. S. 513 n. 4. Magula bei Sparta. Bruchstück
einer Liste von Mitgliedern einer Genossenschaft (ähnlich Lebas-Foucart,
Inscr. du Peloponnese 163 a). Es figurieren ein y{Xu(pa()g^ ein ^i^Xcvo-
Ttocog, ein ßa^aüg, ein Ypajxnareug, ein bnrjpizag^ ein fidyscpos.
Derselbe, a. a. 0. S. 514 n. 5. Mühle von Malatas bei Sparta.
Liste von auvdpyovTsg. An der Spitze ein Ti. Claudius Simedes (pdo-
aeßaazog xal (pilümizpiq d.Tw ysvoug^ am Schlüsse ein 7Tp{scßug) C. lulius
Damokrates.
Derselbe, a. a. 0. S. 514f. n. 6. In derselben Mühle. Die Stadt
ehrt den Pomponius Panthales Diogenes Aristeus wegen seiner Verdienste
als dyopavo/jLog. Es sollen demselben zwölf Statuen errichtet und deren
Kosten von Mitgliedern seiner Familie und von städtischen Beamten ge-
tragen werden. Mehrere der genannten Personen sind auch sonst in-
schriftlich bekannt.
Derselbe, a. a. 0. S. 517 n. 8. Sklavo-Chorio. Basis. Fragment
einer Ehreninschrift auf eine Frau. Die Kosten der Statue trägt ihr
Vater, ein Priester twv JJe[ß]a[(TT]a>v [xal twv] B^eicjv npoyuviuv [«yrcuv.
Job. Baunack, Rhein. Museum 38 1883 S. 293 — 300 erklärt das auf
zwei Inschriften der Kaiserzeit (Kumanudes, Athenaion I 1873 S. 255
= Foucart, Explic. II n. 162 und Kumanudes, a. a. 0. S. 256 = Fou-
cart, a. a. 0. n. 162a; Kirchhoff, Hermes III 1868 S. 449 ff.) begegnende
rätselhafte Wort xaaarjpazupiv = xaT(a)&yjpar6pcov (»o xard d^rjpuiv, rrpog
&rjpag dyujvta-eog dywva). Die im ganzen römischen Reiche so beliebten
Tierkämpfe hätten danach auch in Lacedämon Eingang gefunden und die
betreffenden Spartaner in der &7]pofxo.'yca, im musischen Wettkampfe
{p.wav = [Mouaav) und im Diskuswerfen {kwav = Xaüav = kafav = käav)
IV. Peloponnesns. 3. Laconica etMessenia: Sellasia. Geronthrae. Gytheum etc. 465
S e 1 1 a s i a.
Stolz, Wiener Studien VIII 1886 S. 159ff. Die aus der Nähe iga
von Sellasia stammende lakonische Basisinschinft IGA add. nov. 61a ^eia?^'
(Cauer Del. ^ n. 5, Löwy, Inschriften griech. Bildhauer n. 34, Roberts
n. 255 a): EijfiL)&c[g] (2) d-novafe hält man nach Röhls Vorgang für eine
Künstlerinschrift, in welcher dnövafs = fecit sein soll. Eine befriedi-
gende Erklärung dieses Verbums ist bisher nicht gegeben worden. Stolz
sieht in derselben die Inschrift eines Dedikanten oder einer Dedikantin
und gewinnt auf grund der Hesychischen Glosse vauscv cxerei/ecv für
dnovdfio die Bedeutung »wegbeten, sühnen, zur Sühne aufstellen oder
weihen.« Das Fehlen des Augments mache zwar Schwierigkeiten, dürfte
jedoch auf den Einflufs des epischen Dialekts zurückzuführen sein.
Geronthrae.
Joh. Schmidt, MD AI VII 1882 S. 312 giebt Berichtigungen zu
dem von ihm a. a. 0. S. 22 ff. (vgl. Röhl I, 62) veröffentlichten Frag-
ment des edictum Diocletiani de pretiis.
Gytheum.
Milchhöfer, Arch. Ztg. XLI 1883 Sp. 223 ff. (Taf. 13, 1). Aus-
führliche Beschreibung des mehrfach behandelten (vgl. den Katalog von
Dressel und Milchhöfer MD AI II 1877 S. 378 f. n. 193) Votivreliefs an
Demeter und Kora mit der Weihinschrift: 2'cy-, //«-, oder T:]<TtxpdT[rjs
'Ay]a96x^£cav räv Idcav ßuyarspa \ Adjxazpt xac Kopq. y^apiarijpiov.
Epidaurus Limera.
Kumanudes, ' E^. dp^. 1884 Sp. 81 (mit Faks. von n. 1 — 3).
Tempel des ApoUon Hyperteleates , westlich von dem alten Epidaurus
Limera, im Gebiet von Asopos. 20 (darunter nur 6 vollständig erhal-
tene) kupferne Stirnbinden von 7:üpo<p6pot und lepetg 'AnoXkojvog TTiep-
Tshd-ou, auf denen nach Ansicht des Herausg. die Namen ihrer Träger
nach deren Tode eingraviert und dann die Binden in chronologischer
Folge im Tempel angeheftet wurden. — Die Namen der nupo(f6pot
sind: Sosaron, S. des Nikeros, n. 1; Chrysos n. 2; Asopos (als noupo-
<pupog bezeichnet) n. 3; die der lepeTg: Kallikrates n. 5; ungewissen
Amtes: Damares, S. des Tychippos, n. 4; Synegdemos, S. des Philodemos,
n. 6. Die Namen der übrigen sind zum teil nur in dürftigen Buchstaben-
resten erhalten, zum teil ganz erloschen, n. 15 bietet die dorische Form:
"AnoXXojvog ^TTTsprshdra. Den Schriftzügen nach teilt der Herausg. sämt-
liche Binden der nachchristl. römischen Zeit zu, mit Ausnahme von n. 7,
welche räiv xaliüv ' EXXyjVixujv -/^pöviov sein soll. — Karapanos, a. a. 0.
Sp. 203—214 teilt weitere 51 Aufschriften gröfstenteils von Stirnbinden
Jahresbericht fUr Alterthumawissenschaft LII. (1887. III.) 3Q
466 Griechische Epigraphik.
desselben Fundorts mit. 1. Voreuklidische Zeit. Sp. 203 n. 1
(Faks. Taf. 3) aus dem 5. oder 6. Jahrb., linksiäufigM: Tö]t 'Ans^{X)ovc
Ho7:epT[eXedTac. — n. 2 (Faks. Taf. 1). Randinschrift eines ehernen Ge-
fäfses: ' ATziX{X)]ovo<; HunepreXedra. — n. 3 (Faks. Taf. 1). Randinschrift
eines ehernen Gefäfses: Toc 'A7:£MX)ovc dvsl^sxs Euovufiog. — 2. Nach-
euklidische hellenische Zeit. n. 4 (Faks. Taf. 1). Gefäfsinschrift:
TnepTeXsidTa. — Sp. 204 n. 5 (Faks. Taf. 2): Urs^a^vog 'Aye-
Xatoü Too ^ ApKTToxpdroug 'Enidaupcog zu ß' (diese und die folgenden In-
schriften sind durch Punkte hergestellt). — n. 6 u. 7: — TsXedra und
— Xedra. — 3. Römische Zeit, a) n. 8 — 20. Stirnbinden von nopofopot.
(Der Name des Gottes: An6llu)vog ^Tmpxs.ledra n. 8. 13. 14, AnöX-
XuiVoq "TnepreXadrou n. 9. 10. 11. 16, nur 'AnuXujvog (so) n. 15, nur
'^TnepreXedTou n. 12, nicht erhalten n. 17. 18.) Die Namen der Träger
sind: Sp. 204 n. 8 (Faks. Taf. 2) Plokamos, Sp. 205 n. 9 (Faks. Taf. 3)
Philokalos, S. des Asklepiades, n. 10 (Faks. Taf. 2) Ti. Claudius Helio-
doros, n. 11 (Faks. Taf. 3) Damylos, n. 12 (Faks. Taf. 3) Philon, Sp. 206
n. 13 Alexandres, n. 14 Eut[ych]io[s , n. 15. 16 Name nicht erhalten,
n. 17 (Faks. Taf. 1) Chairas (statt Chaireas?), S. des Artemas, Sp. 207
n. 18 -tes, n. 19. 20 nur Reste von nupo^opog. — b) n. 21 — 31. Stirn-
binden von cepsTg. (Der Name des Gottes auf -a n. 23, auf -ou n. 22.
25. 29, sonst Endung nicht erhalten; elpeug n. 27, capsug n. 30.) Deren
Namen: Sp. 207 n. 21 (Faks. Taf. 2) Sosaron, S. des Philostratos, n. 22
M]enandros, Sp. 208 n. 23 -as, S. des Onesimos, aus Aso[pos], n. 24
(Faks. Taf. 3) Edru^^ä Apacveag (mit Voranstellung des Vaternamens),
n. 25 Asopos, Sp. 209 n. 26 (Faks. Taf. 2) J!(oj^tvcxo[g . . . ]mTag, n. 27
Ar]atos, n. 28 J^ujtvsccog, n. 29 Name nicht erhalten, n. 30 -es, Sp. 210
n. 31 Mer — . c) n. 32—36. Ohne erhaltene Amtsbezeichnung: Sp. 210 n. 32
(Faks. Taf. 2) Erosat[es Aii\ji6vtog (so), n. 33 Damok[les, n. 34 Pothu-
meno[s, n. 35 (Faks. Taf. 3) A]sopos, S. des Kanopos, Sp. 211 n. 36
(Faks. Taf. 3): Küvar^og (Quinctius?) Idppsoog AnuUcuvog — . d) n. 37 — 51.
Dürftige Fragmente von Bindeninschriften. — Über ein Heiligtum des
Asklepios (wahrscheinlich verbunden mit dem des ApoUon) in dieser Gegend
vgl. Paus. 3, 22, 7—13. Pantazides, E^. dp^. 1885 Sp. 58—61 postu-
liert als Namen des Ortes ^TTiepTiXeca und emendiert den Lokalnamen
bei Paus. 3, 22, 10: »to 8k ^(upcov, ev&a zu AaxXrjncEtov, TmpTeXdazov
dvop.d^ouacv<!i in »TmpreXedzou« (sc. ^AnoXXwvog).
Mylonas, a. a. 0. Sp. 85 ff. Gleichen Fundorts. Proxeniedekret
der noXcg zwv 'Entd[aupca>v auf einen Unbekannten mit der Bestimmung,
dafs dasselbe vor dem Monat Lykeios (in dem wahrscheinlich die Fest-
spiele stattfanden) im Heiligtum des ApoUon Hyperteleates aufgestellt
werden solle. Vorchristi, römische Zeit.
1) Wo keine weitere Bemerkung, finden sich die Inschriften auf Stirnbinden.
IV. Peloponnesus. 3. Laconica et Messenia: Epidaurus Limera. Boeae etc. 467
Derselbe, BCH IX 1885 S. 244 f. n. 2. Desselben Fundorts.
Arg verstümmelte Ehreninschrift (der Name der Stadt ist erloschen) auf
einen 'Anne^rj (so) und einen andern Wohlthäter, dessen Name nicht er-
halten ist. Die im Amt befindlichen Ephoren sollen das Psephisma im
Tempel des ApoUon aufstellen. Mischdialekt.
Derselbe, a. a. 0. S. 246 f. n. 3. Ebd. Sehr defekte Ehren-
inschrift einer Stadt, deren Name nicht erhalten ist, auf Schiedsrichter
im Grenzstreit mit dem nördl. von Epidaurus Limera gelegenen Zarax
{Zapa^twv Z. 11). Es hat den Anschein, als wenn zuerst Schiedsrichter
aus Tenos den Streit zu gunsten der letzteren Stadt entschieden hätten,
darauf jedoch von den Geehrten das Urteil im Interesse der nicht ge-
nannten Stadt, modifiziert worden wäre. Lakonischer Dialekt.
Durrbach, a. a. 0. S. 518 n. 9. Phiniki. Fragment eines Proxenie-
dekrets aus dem Tempel des ApoUon Hyperteleates.
Boeae.
Durrbach, a. a. 0. S. 518 n. 10. Nednohg twv Boiuiv. Fragment
einer Grabschrift in Distichen (6 erhalten) auf eine Frau.
Gardner, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 214f. Grab-
schrift in acht nicht ganz vollständig erhaltenen Distichen auf eine Jung-
frau Areskusa, deren Schönheit und Tugenden in überschwänglicher Weise
verherrlicht werden. — Wahrscheinlich 2. oder 3. Jahrb. n. Chr.
C 0 1 y r t a.
Mylonas,BCHIXl885 S. 241ff. n. 1. Tempel des Apollon Hyperte-
leates, westl. von Epidaurus Limera (s. S. 465). Proxeniedekret rag nuXzog
(so) Twv Korupraräv (die auch Thuk 4, 56 erwähnte Stadt Korüpra lag
im westlichen Teile der Ebene am Meerbusen von Boeae, Cythera gegen-
über) auf den Lacedämonier Aratos, S. des Nikias. Die ifopoi ol nepc
IlaXaiazi' (statt -ia wegen des folgenden dvaypa^dvTwi) sollen das De-
kret im Temj^el rou 'ATi6[^kK\u)vog xoo 'TTTeprs^sdra aufstellen lassen und
eine Abschrift desselben den lacedämonischen Ephoren übermitteln. La-
konischer Dialekt, nach dem Herausg. aus dem 1. oder 2. Jahrb. v. Chr.
Ungewissen Fundorts.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 151. Aus den
wiederaufgefundenen »MS. Inscriptions collected in Greece by C R.
Cockerell, 1810 — 14«. Wahrscheinlich aus Messenien. Grabsteine:
n. 51 des Na]u(Tcvcxog --xcTimda, n. 52 des Sosikrates und des Aristo-
kles. n. 53. Fragment einer Namenliste.
30*
468 ^Griechische Elpigraphik.
4a. Arcadia.
Bechtel, Die arkadischen Inschriften. SGDI I 1884 Heft 4
S. 339—361 n. 1181—1258. Mit etwas ausführiicherem Kommentar Der-
selbe, Bezzenbergers Beiträge VIII 1884 S. 301—327. Wortregister von
Meister, SGDI IV Heft 1 S. 95—103. Rez. s. S. 391 f. — Das inschriftliche
Material ist mit grofsera Fleifs und Geschick zusammengestellt. Wohl ab-
sichtlich übergangen: Die einzeilige Inschrift von Tegea GIG 1516, welche
neben einer allgemein dorisch-äolischen Form den vulgären Genetiv Te-
yeazwv bietet, und das heillos korrumpierte Fragment von Megalopolis
CIG 1536. Ungern vermifst wird die 15 zeilige Inschrift letzteren Fund-
orts GIG 1534, eine von Hirschfeld, Bullett. dell' inst. 187.3 S. 217 publi-
zierte Inschrift aus Megalopolis, sowie eine in der zweiten Sammlung
von Ross' archäol. Aufsätzen S. 668 edierte tegeatische Inschrift.
Tegea.
Über die aus Tegea stammende Xuthias-Inschrift IGA 68 s. IV 3
Laconica et Messenia (S. 463).
Dragatses, '£'^. dp^. 1885 Sp. 92. Piräus. Grabstele mit pro-
saisch-metrischer Autschrift zum Gedächtnis des Theoites, S. des Te-
leson, aus Tegea und seiner Mutter Nikarete, y^prjcrrjg ye yuvatxog. Zu
Anfang die Sentenz: Udvraju dv&piuncuv v6[/i]og £-|<T]r: xoivbg rö dnod-a-
ve(T)v. Am Schlufs ein Grufs an die Wanderer: Xacps-\r]e, dt napcovres,
iyu) Si ye rd-j/zd foXarriu.
Durrbach, BGH IX 1885 S. 510 n. 1. Piali. Fragmentierte Liste
von Eigennamen mit Vatersnamen und Ethnikon, vielleicht von Söldnern,
die im Dienste Tegeas standen. Die meisten gehören den Nachbar-
staaten an: Argos, Lacedämon, Mantinea, Megalopolis, Orchomenos; je
einer ist aus Naxos, Phocis (?), Mylasa, Cythera, Rhithymna auf Kreta.
Derselbe, a. a. 0. S. 51lf. n. 2. Ebd. Fragmentierte Liste eines
Kollegiums: ein xuvayog^ kXatondpoy^oQ , \Tia\'Kaiaxpo\(pi))^a^^ \(p\owetxo-
(pü\p6\Q — .
Derselbe, a. a. 0. S. 512 n. 3. Ebd. Verstümmelte Grabschrift,
in Distichen, deren Pentameter, in der Fortsetzung der Hexameter ge-
schrieben, nicht erhalten sind; auf einen Androsthenes?
Stymphalus.
Martha, BGH VII 1883 S. 488 ff. Kionia. Auf beiden Breit-
flächen und einer Seitenfläche beschriebene Marmortafel. Die Schrift-
züge auf der einen Breit- und der Schmalseite, die zu einer und der-
selben Inschrift gehören, sind im Zusammenhang nicht zu entziffern;
die lesbaren Wortreste (S. 488) lassen auf einen Vertrag der Stympha-
IV. Peloponnesus. 4 a. Arcadia: Tegea. Stymphalus. 4 b. Elis: Olympia. 469
lier mit einer Nachbargemeinde schliefsen, in welchem wiederholt das
Wort otxaa-rjp^ov begegnet. — Auf der andern Breitseite finden sich
sechs verschiedene Inschriften: S. 489 n. 1 12 zeiliges Fragment eines
GTotjr^hhv geschriebenen Ehrendekrets auf einen um die Stymphalier ver-
dienten Fremden. Z. 9: rh o\ß. ^]«[f^]'[<T]/j,« B\ia\B-at ]J\\i zo7 '.-ipre/it-
aloi bestätigt die Vermutung von E. Curtius, Peloponnes I, 205, dafs die
Ruinen aus byzantinischer Zeit, in deren Nähe der Stein gefunden wurde,
die Stelle eines alten Heiligtums der Artemis Stymphalia (Paus. 8, 22, 7)
einnehmen. Als Beamte figurieren ein npojivdixwv, zwei Tzpoordrai ßioXäg^
ein ypapiiarBÜg , als oajxiopyol waren, wie der Raum ergiebt, nur zwei
Namen genannt, zwei weitere Namen (wie deren Zahl in n. 6 schliefsen
läfst) sind ohne Zweifel bei Eingrabung des folgenden Dekrets ausge-
kratzt. — S. 491 n. 2. Arg verstümmeltes Fragment. Z. 2. 3: riüv
Txapä noXsp-tojv, Z. 4. 5: to.7 tioXc 8e§6xrjxe . Ebd. n. 3 unleserlich.
— Ebd. n. 4. 5 unleserliche Reste von Proxeniedekreten. — Ebd. n. 6.
Proxeuiedekret auf K]aXh'aQ KaXhaMvEog Tsyedrav. Als Beamte sind
verzeichnet vier oapiopyoi^ ein ypappmtöq^ zwei TipoüidTai^ ein 7ipop.vd-
jxwv, in umgekehrter Ordnung wie in n. 1. — Der Vertrag auf der Rück-
seite ist offenbar nach den Proxeniedekreten auf der Vorderseite ein-
gemeifselt worden; nach dem Herausg. nicht vor Ende des 3. Jahrh.
4b. Elis.
Blafs, Die eleischen Inschriften. SGDI I 1884 Heft 4 S. 311
— 336 (Einleitung und n. 1147 — 1180). Wortregister von Meisteri
SGDI IV Heft 1 S. 88 — 94. Rez. s. S. 391 f. — Bei der Menge des
fremden Sprachgutes, welches namentlich die Ausgrabungen in Olympia
zu Tage gefördert haben, wird man es dem Herausg. nicht zum Vor-
wurf machen dürfen, wenn bei der Sammlung der Inschriften ein sehr
radikales Verfahren beobachtet worden ist, indem als eleisch nur solche
Inschrifttexte aufgeführt werden, die sich durch untrügliche Kennzeichen
über ihre Nationalität auszuweisen vermochten, während die nur mög-
licherweise eleischen Reste älteren Datums in einen Anhang verwiesen
sind und allen Inschriften, die den allgemeinen peloponnesischen Doris-
mus der späteren Zeit ohne eleische Besonderheiten aufweisen, kurzer
Hand das Bürgerrecht abgesprochen ist. Die Ergänzungen verraten durch-
weg die kundige Hand des Bearbeiters.
Olympia.
Zu IGA 112 (SGDI 1152. Cauer Del. 2 253; vgl. Ahrens, Rhein, sgdi
Museum 35 1880 S. 578 — 585, Nachträge von Ahrens und F. B[üche- ^'"
1er] S. 631 f.) — Bergk (Nachlafs), Rhein. Museum 38 1883 S. 526
— 539 schreibt statt xatzauTu Z. 1: xa\ raoTou[v, indem er annimmt, der
letzte Buchstabe sei am Ende der Zeile verwischt oder vom Graveur
470 Griechische Epigraphik.
vergessen; Z. 4 statt der Kirchhoffschen Fassung: ff^rnzSeovrojv. Z. 5
hält B. inivTMi für eine synkopierte Form von knevinu); ini/xTrscv zä 8c-
xaca = ins dicere, iudicare. Z. 7 verbessert B. Ifidaxot in üMaxoc
(äolisch = cMcTxoc). So verhängt dieser Satz über den Richter, der
dem Angeklagten gegenüber Milde zeigt, eine Bufse von zehn Minen.
Z. 8. 9 liest B. mit Ahrens: rayra; ebenso fafst er mit Ahrens ndaxoi
= -ndaxoi. fsc^ojs ist der Richter. Z. 9 ergänzt B. den Schlufssatz :
Ts]7v [x' äv] XEo[tT]o [m]va^ tapbg ''Olovmai.
SGDi Ridgeway, ^ippetv in Homer and in an Olympian inscription«,
Journal of philology XII 1884 n. 23 S. 32—35 statuiert als ursprüng-
liche Bedeutung von sppeiv »schreiten, wandern«. Demgemäfs wird in
der Inschrift IGA 113 (SGDI 1153. Cauer Del. 2 257) Z. 6: al 8£
rig aoXacrj,j-ep{p)7)v ahrov 7iot{t)uv dca erklärt: »er verfüge sich zu Zeus.«
SGDI Brand, Hermes XXI 1886 S. 312 liest IGA add. 113« (SGDI
1156 = Cauer Del. 2 259) Z. 1: ac de ßeveoc (= ßcveo:) ev zlapoc, ßot
xa üodSoi (= &ud^£c)\ zum Vergleich wird Herod. 2, 64 angezogen »Ob
ßevioc dialektische Form für ßeveoc ist, oder das erste e einem Irrtum
des Schreibers seinen Ursprung verdankt, wage ich nicht zu entschei-
den. Die Ausdrucksweise ßot ßudCecv würde dem lat. sacrum facere
bove entsprechen.«
SGDI Zu der Inschrift IGA 111 (SGDI 1157. Cauer Del. 2 254) Z. 3. 4
dürften sich weitere Ergänzungen noch aus der ganz ähnlichen Inschrift
SGDI 1152 (s. 0.) Z. 2. 3 gewinnen lassen. Ich schlage vor: (3) al ^k /xrjm-
&ec7j zä ^c'xaca] 6 Zapt(up\jog ö iazafxsvog £[::'] capat napä zag 7:6[hos
(4) ^ixa] pvaTg x" dnozc'voc u. S. w.
SGDI Larfeld, Berl. philol. Wochenschr. 1885 n. 22 Sp. 674f. Eine
crux interpretum bildet IGA 115 (SGDI 1158) Z. 5: oaSoovzaBe-
xuaiuaeßocxa . Zum Vergleich wird von Blafs angezogen &odS{8)oc
(= xaBacpea&cu?) ßot n. 1156, 1. Ich vermute in xuac eine eleische
Glosse; vgl. zpcxzeuav xr^ijav in dem Dekret der delphischen A.mphi-
ktyonen CIA 11 1, 545 Z. 34 und Böckhs Notiz zu CIG 1688: xrjuav =
xa&apzYjpcav , Ttapa zrjv xaumv^ nach Hesychius' xeta- xa^dppaza, xr^ca'
xa&dpfiaza; ferner xeauav in der lakonischen Inschrift von Magula Hermes
in, 449. xuac würde demnach dem xo&dpac zs^ecac in SGDI 1156, 1
entsprechen. Trotzdem sind so die Schwierigkeiten nicht gehoben: der
Nominativ ug pafst nicht zu der Struktur iy ßot; eine Änderung in uc
wage ich bei der gut bezeugten Lesart nicht vorzuschlagen.
SGDI Meister, Berl. philol. Wochenschr. 1886 n. 11 Sp. 323 erklärt
1165
die Aufschrift des im Dorfe Koskina, Va Stunde von Olympia, gefundenen
Steines IGA add. 112» (SGDI 1165. Cauer Del. 2 262. Roberts n. 293):
'Pcmp I iyctj ] Esv-\fdps-\[op überzeugend: »Ich bin der Wurfstein des Xen-
vares«. Mit pcmg, eleisch pcmp, von pcnzw ist zu vergleichen xomg Hau-
messer von xönzw, zuncg Schlägel von tüttto», pa^cg Nähnadel von pdnziu
IV. Peloponnesus. 4b. Elis: Olympia. 471
u. s. w. »Der vom eleischen Athleten Xenvares in Olympia geworfene
Stein erinnerte also die späteren Besucher des Heiligtums an die ge-
waltige Körperkraft des Mannes, der Steine, die andre Sterbliche kaum
heben konnten, zu werfen vermochte. Die Mafse des Steines zeigen,
dafs die Leistung eine respektable war. Da nämlich der aus Muschel-
kalk bestehende Block 0,34 m breit, 0,37 m rechts und 0,42 m links
hoch und 0,17 — 0,20 m dick ist, so ist sein Gewicht auf c. 75 Kilo zu
veranschlagen.«
Purgold, Olympische Weibgeschenke, in den »historischen und sgdi
philologischen Aufsätzen , E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewid- ca. 36o
mets Berlin 1884 S. 224 ff. nimmt die Basis eines Weihgeschenks mit
der Inschrift: fahcwv | Trepl 6fxo-\voiap (SGDI ll7l. Cauer Del. 2 265)
für das Mittelstück des Bathrons eines kolossalen Anathems der Eleer
nach dem Arkaderkriege, des gröfsten aller ehernen Zeusbilder der Altis,
in Anspruch, dessen vordere, merkwürdigerweise in stehende Felder oder
Streifen geteilte Basis mindestens 2,13 m, dessen obere, in zwei Löchern
auf der Oberfläche unseres Blocks befestigte Platte mit ihren vortreten-
den Profilen mindestens 3 m breit gewesen wäre, und dessen ganze Basis-
höhe mit dem oberen und unteren Profilblock etwa 2 m betragen haben
würde. Für das von Pausanias erwähnte Weihgeschenk der Eleer nach
der Arkaderschlacht, ein 27 Fufs hohes ehernes Zeusbild, ist unser Ba-
thron mit seinen gewaltigen Dimensionen als ganz besonders geeignet zu
betrachten. Die Inschrift ist dem Schriftcharakter nach nicht über die
erste Hälfte des 4. Jahrb. v. Chr. herab zu datieren. Das Bestreben,
die Erinnerung an die fremden Eindringlinge zu verwischen, dürfte die
Eleer bestimmt haben, auf dem von ihnen gestifteten Monument den
Namen ihres Stammes mit besonderer Betonung voranzustellen. Der Zu-
satz yynepc 6/xovocap« als Grund der Weihung wird kaum eine passendere
Motivierung finden können, als durch die Ereignisse jenes Krieges, der
nach der gewaltsamen Okkupation Olympias und der widerrechtlichen
Feier der Spiele durch die Pisaten mit einer friedlichen Lösung und
der Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes endigte. Als Ent-
stehungszeit des Denkmals wäre demnach das Ende von Ol. 104 oder
wahrscheinlich der Anfang der folgenden (= ca. 360 v. Chr.) anzusetzen.
Mylonas, 'J?^. dp;(. 1883 Sp. 106. Bruchstück eines steinernen sgdi
aÄTTjp mit der linksläufigen archaischen Inschrift MAIQIOH = Koiolag.
Identisch mit Kirchhoff, Arch. Ztg. XXXVII 1879 S. 158 n. 305 = IGA 560
= Blafs, SGDI 1177.
Gurlitt, Paionios und der Ostgiebel des Zeustempels in Olympia, iga348
in den »histor. und philol. Aufsätzen« (s. oben) S. 271 setzt auf grund "^"^
einer archäologischen Untersuchung die Nike des Paionios nach dem
Parthenon = nach 436 v. Chr. Weder Schriftcharakter noch Inhalt der
Basisinschrift derselben (IGA 348. SIG 30) hindere, die Ausführung der
472 Griechische Epigraphik.
Nike nach 429 v. Chr. anzusetzen. Die allgemeine Bezeichnung ■ßdnb rojß
TioXsficajva sei am einfachsten auf die mannigfachen Kämpfe zu beziehen,
welche etwa 422 v. Chr. durch den Nikiasfrieden einen vorläufigen Ab-
schlufs fanden. Unser Paiouios ist aller Wahrscheinlichkeit nach iden-
tisch mit einem Künstler, der nach der Mitte des 5. Jahrh. in Athen
thätig war. »Auch verstehen wir jetzt besser, warum sich die Messe-
nier und Naupaktier für ihr Siegesdenkmal gerade an Paionios wendeten.
Er war ein Künstler, welcher damals in Athen, dem treusten Schutz-
staate der Messenier, lebte und arbeitete« (S. 282 f.).
Foucart, BCH XI 1887 S. 289 — 296. Das zu Olympia gefun-
dene Fragment einer Siegesinschrift IGA 380 (zuletzt wiederholt von
Roberts n. 24; vgl. append.) ist von dem Herausg. Treu, Arch. Ztg.
XXXVII 1879 S. 212 mit Unrecht dem Theagenes, S. des Timosthenes,
von Thasos zugeteilt worden, der nach Paus. 6, 11, 2 zu Olympia Ol. 75
(= 480 V. Chr.) einen Sieg im Faustkampf, Ol. 76 im Pankration er-
rang. 1. Es ist unwahrscheinlich, dafs das Präskript zu Anfang der
ersten Kolumne gestanden habe; man erwartet vielmehr eine General-
überschrift beider Kolumnen. Wenn aber entsprechend der linken auch
die rechte Kolumne um mindestens eine Zeile vermindert wird, so ist
für die von Pausanias berichteten zehn isthmischen Siege kein Raum
mehr. Andrerseits giebt das Faks. keinen Anhalt für Treus Annahme,
dafs Kol. II wegen der gedrängteren Schrift um eine Zeile länger ge-
wesen sei, als Kol. I. Bei gleicher Länge beider Kolumnen mangelt aber
auch der Raum für die von Pausanias erwähnten neun nemeischen Siege.
2. Das uns bekannte Alphabet von Thasos und der schriftverwandten
ionischen Inseln hat stets|i2 für O (Kirchhoff, Studien* S. 83 u. Taf.).
Die Annahme Treus, dafs die Thasier um 450 v. Chr. das ionische
Alphabet adoptiert hätten, ermangelt bis jetzt des inschriftlichen Belegs.
3. Treus Wiederherstellung berücksichtigt das dxovcTec Z. 7 nicht ge-
bührend. Es ist wenig wahrscheinlich, dafs dieser bedeutungsvolle Zusatz
von Pausanias übergangen worden sei. — Die durch das Fragment dar-
gebotenen Anhaltspunkte sind mit gröfserer Wahrscheinlichkeit auf einen
anderen Sieger des 5. Jahrb., den Rhodier Dorieus, jüngsten Sohn des
Diagoras, zu beziehen. Derselbe errang nach Paus. 6, 7 Ol. 87. 88. 89
drei Siege zu Olympia im Pankration, acht in den isthmischen Spielen,
sieben zu Nemea. Die Notiz des Pausanias: ^sysrac 8k xai wg flü&ia
dveXoiTo dxovcTc, eine seltene Auszeichnung, die aufser dem Dorieus
bis zum Ende des 5. Jahrh. nur noch dem Mantineer Dromeas zu teil
wurde, ist der Herausg. geneigt, auf unmittelbare Lektüre der In-
schrift (= »man liest«) zu beziehen. — Da aufser diesem hervorragen-
den Siege an den Pythien noch zwei Zeilen der linken Kolumne zu be-
legen sind, so nimmt der Herausg. an, Pausanias habe nur jenen be-
richtet, zwei weitere pythische Siege dagegen unerwähnt gelassen. Es
wären somit verzeichnet gewesen: Kol. I 3 Siege zu Olympia im Pan-
IV. Peloponnesus. 4 b. Elis: Olympia. Elis. 5. Achaia. 473
kration, 3 in den pythischen, 4 in den isthmischen Spielen; Kol. II 4 isth-
mische und 7 nemeische Siege. Die gedrängtere Schrift von Kol. II er-
kläre sich daher, dafs hier ein Sieg mehr zu verzeichnen war. — Die
Anwendung ionischen Alphabets und Dialekts in der Siegesinschrift eines
Rhodiers unterliegt keinem Bedenken. Eine Inschrift aus Halikarnafs
aus dem 5. Jahrh. IGA 500 bietet ionisches Alphabet und Dialekt; eine
jüngere Inschrift derselben Herkunft BCH IV, 295 (Röhl II, 56 f.) ent-
hält mehrere ionische Formen ; dasselbe gilt von einer Inschrift von lasos
aus der Zeit des Mausolos BCH IV, 491 (Röhl II, 58). Der Annahme
des Gebrauchs ionischen Alphabets und Dialekts in den übrigen dori-
schen Kolonieen Kariens während des 5. Jahrh. steht nichts im Wege.
Für Kos und Knidos fehlen bisher archaische Texte; in der Inschrift
der griechischen Söldner von Abu-Simbel gebraucht ein Rhodier von la-
lysos ionische Schrift; einige rhodische Vasen zeigen dieselbe Schriftart
(Kirchhoff, Studien* S. 40. 49). Eine Siegesinschrift des Eukjles, S.
des Kallianax (Enkel des Diagoras), von Rhodos (Arch. Ztg. XXXVI
1878 S. 129 = Löwy, Inschr. griech. Bildh. n. 86) aus dem Ende des
5. oder den ersten Jahren des 4. Jahrh. bietet ionische Schrift und Mund-
art, die sich nicht auf den Bildhauer, Nau]kydes, S. des Patrokles (//«-
zpoxkr^og), aus Ai'gos zurückführen lassen. Eine Siegesinschrift des Da-
magetos, älteren Bruders des Dorieus (Arch. Ztg. XXXVIII 1880 S. 52),
nicht jünger als Ol. 86 = 436 v. Chr., zeigt bereits ionisches H = 5y.
Eine zu Olympia gefundene Ehreninschrift des achäischen Bundes
s. u. unter 5. Achaia.
Elis.
Purgold, Arch. Ztg. XL 1882 Sp. 394 n. 3. In der Palanopolis, .->. jahrh.
der alten Stadt Elis, in der Vorhalle eines Hauses eingemauerter Grab-
stein: 'Apcazovcx — .
5. Achaia.
Henzen 1 Purgold), BuUett. dell' inst. 1884 S. 80. Basisinschrift ca. iso
aus Olympia, die wahrscheinlich ein Reiterstandbild trug. Das xocvuv
Tüjv A/acu)v ehrt den Q. Marcius L. f. Philippus, a-lparalybv onarov 'Pw-
fiaccüv , wegen seiner dpexä und xaluxdyadta gegen den Bund und die
andern Griechen. Einheimischer Dialekt. — Trotz der Schriftzeichen
€C(jJ ist die Inschrift nach Purgold wegen der Schreibart Madpxiov
nicht über die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. hinabzurücken. Die Künstler-
inschrift; 'Avopiag xac 'Apiazö/jia^og'Apyeioe | inocr^crav ist von andrer Hand.
Ersterer ist wohl identisch mit dem bei Paus. 6, 16, 7 Genannten. Q. Mar-
cius Philippus war Konsul 186 und 169 v. Chr.; in letzterem Jahre war
er Oberbefehlshaber des römischen Heeres gegen Perseus. — E. Curtius
erblickt in der Inschrift ein Zeugnis für das Wiederaufleben der ars sta-
tuaria nach Ol. 156 und erweist, dafs die in neuerer Zeit so häufig an-
474 Griechische Epigraphik.
gezogene Stelle des Plinius (34, 8) nur vom Erzgufs verstanden werden
kann (Sitzung der archäol. Gesellsch. zu Berlin vom 10. Juni 1884; vgl.
Berl. philol. Wochenschr. 1884 n. 41 Sp. 1301).
Aegium.
Panagiotopulos, '£^. äpy^. 1884 Sp. 89 f. Grabsteine: 1. der
35jährigen Alkain[eteJ, T. des Styrax; 2. des Msvtov Haneüg (?).
Kalavryta.
Purgold, Arch. Ztg. XL 1882 Sp. 393 f. n. 2. Am Anfang ab-
gebrochene Eandinschrift eines runden Blechkessels: --epazt 'ApTdfi{c)Tc.
Ersteres Wort wohl Reste eines Beinamens der Göttin.
V. B 0 e 0 1 i a.
Larfeld, Sylloge inscriptionum Boeoticarum dialectum populärem
exhibentium. Composuit, adnotavit, apparatu critico instruxit. Prae-
mittitur de dialecti Boeoticae mutationibus dissertatio. Berl. 1883. gr. 8.
XXXVI, 232 S. 10 Mk. — Bez.: Röhl, Berl. philol. Wochenschr. 1883 n. 9
Sp. 269—271. Hinrichs, DLZ n. 26 Sp. 921—923. Cauer, LCB n. 24
Sp. 844 f. G. Meyer, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXXIV S. 354—356.
Meister, Philol. Rundschau n. 30 Sp. 955—960. Führer, Philol. An-
zeiger XIV 1884 S. 85—88. Haussoullier, Revue arch. S. 60—64. —
»Splendid ausgestattetes Buch, achtungswerte und brauchbare, in ge-
wissem Sinne abschliel'sende Arbeit, welche zugleich mehr für den kri-
tischen Apparat leisten will, als meist bei epigraphischen Hülfsmitteln
geschehen. — Die Buchstabenformen gewähren für die macedonische Zeit,
der die meisten Inschriften angehören, ein höchst unsicheres und wenig
ergiebiges Kriterium, auf welches neuere Forscher einseitig zu grofses
Gewicht gelegt oder auf grund dessen Andere fälschlich Inschriften für
archaisierend angesehen haben. Dem gegenüber versucht der Verfasser
an der Hand des Dialekts, speziell der allmählichen Wandelungen im
Vokalismus, indem er von den durch historische Beziehungen fixierbaren,
einleuchtend besprochenen Dokumenten (p. V — XI) ausgeht, auf ver-
gleichendem Wege eine möglichst genaue Chronologie der etwa 600
Dialektinschriften, welche nicht unter sich, sondern nach den Städten
in den Abschnitten: vor 350, 350 — 230, 230 (bezw. 200) — 150 v. Chr.
(römische Namen, also Inschriften nach 1 46 kommen nicht vor, p. XI 3)
geordnet sind. Die älteren im epichorischen Alphabet (bei Röhl 183) sind
alle faksimiliert, zum teil mit den Holzstöcken der IGA, zum teil ver-
kleinert, die in dem zwischen 370 — 350 v. Chr. eingeführten ionischen
Alphabet selten; hier genügt eine höchst genaue Umschrift in Minus-
keln, bei welcher allerlei Klammern im Text und die Originalformen im
Lemma und Apparat für eine Rekonstruktion jede Auskunft geben. Die
V. Boeotia. 475
reinen xotv^-Inschriüen der Landschaft Böotien sind dem Titel nach aus-
geschlossen; bei denen in gemischtem Griechisch wird auf Hellenismen
und Dorismen, Atticismen oder Megarismen besonders hingewiesen. Das
Lemma nennt kurz Fund- und Aufenthaltsort; der Kommentar giebt die
Litteratur an und bietet neben knai)per Sach- und Spracherklärung die
gesuchte Altersbestimmung. Diese stützt sich besonders auf den Ge-
brauch patronymischer Adjektiva oder (p. 230) Genetive und die Schrei-
bungen jy (später er, attisch -tanagräisch ae) für at (seit 400), u (später
in Chäronea und Lebadea er, d-s, nicht ö) für oc (seit 230), ou oder cou
(seit 250) für u, t (sj) für e vor Vokalen (seit 350), s. die Tabelle
p. XXXIV ff.« — Hinrichs, a. a. 0.
Meister, die böotischen Inschriften. SGDI I Heft 3 S. 145—309
n. 374 — 1146 (einschliefslich der Münzlegenden). Gott. 1884. gr. 8.
5 Mk. — Nachträge und Berichtigungen Heft 4 S. 387—406. Wort-
register Bd. IV Heft 1 S. 41—87. Rez. s. S. 391. — Neubearbeitung
der in Bezzenb. Beitr. Bd. V. VI enthaltenen »Inschriftlichen Quellen des
böotischen Dialekts« von demselben Verf. Einen Fortschritt gegen die
frühere Bearbeitung bildet der den in Minuskeln wiedergegebenen und nach
Städten geordneten Inschriften beigefügte kritische Apparat. Als unlieb-
same Lücke empfunden wird der Mangel einer Angabe der Schriftcha-
raktere, zumal auf der Verschiedenartigkeit der letzteren das ganze,
sehr äufserliche und problematische Einteilungsprinzip Meisters beruht:
1. älteres Alphabet, 2. ältere und jüngere Zeichen neben einander,
3. jüngeres Alphabet. Statt bei diesem früheren Einteilungsprinzip zu
verharren, wäre eine Zusammenstellung nach tiefer liegenden Prinzipien,
nach lautlichen, sprachhistorischen Erscheinungen, somit eine chrono-
logische Anordnung am Platze gewesen. Der neuen Bearbeitung ist eine
grofse Zahl (ca. 70) Inschriftnummern, gröfstenteils nur einnamige Grab-
schriften, einverleibt, die auch gemeingriechisch sein können; andrer-
seits wird manche nicht unwichtige Inschrift vermifst. Um den inschrift-
lichen Text hat sich der Herausg. auch in der neuen Bearbeitung an-
erkennenswerte Verdienste erworben; doch werden dieselben reichlich auf-
gewogen durch den Nachteil, der daraus entspringt, dafs Meister nach
wie vor statt des Sprachprinzips seiner Sammlung das wertlose Schrift-
prinzip zu gründe gelegt hat. Dadurch bleibt das relative Alter der
weitaus gröfsten Zahl der Inschriften in Dunkel gehüllt, und eine Ein-
sicht in die Geschichte des Dialekts läfst sich nicht gewinnen.
Adolf Schmidt, Der boiotische Doppelkalender. Fleckeisens
Jahrb. Bd. 131/2 1885 S. 349 — 366 behandelt 1. den »Mondkalender
der metonischen Zeit« (S. 350—355), 2. den »Mondkalender der oktae-
terischen Zeit« (S. 355—360), 3. die »Doppeldatierung von Tanagra« —
auf grund von SIB 497 (SGDI 951) Z. 1. 2 (S. 360—363), 4. die »Doppel-
datierung von Orchomenos — im Anschlufs an SIB 16 C Z. 40. 41 =
SGDI 488 F Z. 141. 142 (S. 364—366).
476 Griechische Epigraphik.
Acraephia.
Ar- Korolkow, MD AI IX 1884 S. 5 ff. Bei der Trockenlegung des
1. 1-6) Kopaissees durch die französische Gesellschaft wurden 'A Stunde östlich
von der Akropolis von Akraiphia in einer Reihe neun Grabsteine mit In-
schriften (n. 1 — 6 archaisch) gefunden, augenscheinlich Überreste des
alten Friedhofs. — S. 5 n. 1 : 2'<Ta////cü = SGDI 668^ Nach Lolling
(s. u.), S. 1031 ist am Ende wahrscheinlich ein ^ weggebrochen. S. 6
n. 2: Mvaaifia^^ OS = SGDI 568^. Nach Lolling (s. u.), S. 1031 lautet
der Schlufs S'A (— Mvaacfxd^o)] sodafs die vermeintliche Entdeckung
»einer bisher unbekannten Form für ö« nur auf der Ungenauigkeit des
Abschreibers beruht, n. 3: KaXd/x}xe{i) = SGDI 568«'; zur Bildung vgl.
SIE 2 und p. XXVII sq. n. 4: 'Em n-ujcuoib]jjoc = SGDI 568^'. S. 7
n. 5: navxdpe{i)g = SGDI 568«. n. 6: TtixönoXitg = SGDI 568^ —
n. 7: ncBaxo[g^ = SGDI 568 &. n. 8: MvamcpiXog = SGDI 576". n. 9:
KXsla^px^Slag = SGDI 576 b.
desgl. Derselbe, a. a. 0. S. 8. Archaische Grabschriften, n. 10: Ap{o)ü-
fxtog = SGDI 5681^. — n. 11: Sevvcu = SGDI 568*.
desgl. Derselbe, a. a. 0. S. 8 f. Archaische Weihinschriften, n. 12
neue Abschrift von IGA 151. SIB 178^ SGDI 567. — S. 9 n. 13 desgl.
von IGA 162. SIB 178'^. SGDI 568. Wahrscheinlich ist zu ergänzen:
'ö §£cva iv 'Axpa]i^ce{i)e(7m £{J)poi nro't\e(T)]t.
desgl. Lolling, Sitzungsber. der Berliner Akad. der Wissensch. 1885
S. 1031 n. 45.' Archaische Grabsteine im Hof der Demarchie von Kar-
ditza. n. 1: "ApTuUo\g\ n. 2: Afsivcag'^; n. 3: EyjYiJ.'\apl\j]a\ n. 4 (auf
zwei hufeisenförmig beschriebenen schwarzen Blöcken, scheinbar zusammen-
gehörig): 'Em Ka — XixpdT£tg\ n. 5: Mivm[7[og\ n. 6: Em J-ocxuvi. — n. 7
(Karditza, Haus des Demetrios Xenakis): 0oh{i^.
desgl. Frank el, Arch. Ztg. XL 1882 S. 387 ff. Eine dem Kunsthändler
Hoffmann in Paris gehörige Lanzenspitze trägt die archaische Inschrift:
Tö Ihoi£(7)og: Hiapov = SGDI 569.
desgl. Reinach, American Journal of archaeology I 1885 S. 358 — 360
(Taf. X). Basisinschrift einer am Berge Ptoos gefundenen archaischen
Bronzestatue: Tipaat(ptAog p'' di'S&e{c]x£ rdnoXovc to2 n7oie(J)i. Die Deu-
tung des folgenden HOnPAOrrEION ist unklar; Bröal liest : o;T^a
oTiXecov = ()<ppa d(pecXujv\
desgl. Holleaux, BGH X 1886. Archaische Votivinschriften von der
Stätte des Tempels des Apollon Ptoos zu Perdikovrysi (Demos von Kar-
ditza). — S. 78 (Taf. YII, 1). Bustrophedoninschrift auf der Tunika des
Fragments' einer hermenartigen Statue: --[p'?}o\> dvi^a{t)x£ roc 'A7i6-(2)Xovc
Tol nroc£{7)c- (3) --ozog i7Tocf£(c)(T£. — S. 190. Auf den Schenkeln einer
bronzenen Ap oUo Statuette : 'Eu[y]£cTcag (oder £d[f]£cudg) du£&£{c)x£ (2)
To{T) lkoc£u{i). Da als Beiname des Gottes in den älteren Inschriften
V. Boeotia: Acraephia. Chaeronea. • 477
nur die Form IlrmeOg (Dativ Ilraj'cefc, flrojceTi), in jüngeren nur Ihcjlog
begegnet, so mufs in der Namensform unsrer Inschrift wohl ein Ver-
sehen des Graveurs vorliegen. Letztere zeigt nach Komposition und
Schriftcharakter grofse Verwandtschaft mit der von Köhler dem 6. Jahrh.
V. Chr. zugewiesenen Weihinschrift einer Berliner Bronze, ohne Zweifel
aus dem Tempel des Apollon Ismenios zu Theben (MD AI I, 97; vgl.
Foucart BCH III, 139). Sie dürfte daher derselben Zeitepoche zuzu-
weisen sein. — S. 196. Auf Brüst und beiden Schenkeln einer Bronze-
statuette (des Apollon?): Kloog dvii)-B{c)x£ TonoXXovi roT 11to'i£(7)i. Gleich-
altrig mit der vorigen Inschrift. — S. 270. Berichtigungen des Herausg.
BCH XI 1887 S. 287; ausführliche Beschreibung der Statue a. a. 0. S. 275
—287 (Taf. XIII XIV). Inschriftfragraent eines Torso. Auf dem linken
Schenkel, linksläufig: FIuBcag bxpanp\tEUQ (2) xcxi Alay^fjcov dv{e\d^{iTav\
auf dem rechten, rechtsläufig: 0c{X\-- \ HTo'c[s{7)r. dpyu]poT6;((7oc. Um 450
v. Chr.
Korolkow, MDAI IX 1884 S. 10 ff. n. 14. Katalog (22 Z.) von 250-200
&up'?]sa^6poc = SGDI 571 ^ Aus der 2. Hälfte des 3. Jahrh. v. Chr.
Aus der Zahl der Epheben (34) berechnet der Herausg., auf neuere sta-
tistische Daten gestützt, die Zahl der ganzen freien Bevölkerung auf ca.
3800, die der männlichen von 20 Jahren aufwärts auf ca. 1290 Köpfe.
Clerc, BCH VII 1883 S. 79. Unter dem Basrelief eines Herakles:
ZujTiupog Ssvia ew/jyv. »fipoque assez basse.«
Chaeronea.
Lolling (s. 0.), S. 1032. Archaische Grabsteine, n. 8: - - kpo(po\g\ Ar-
n. 9: Eu^i&co[g\ n. 10: AappiThoQ. <=^^'^=^^
Latischew, MDAI VII 1882 S. 353f. Rings verstümmeltes, 8zei-
liges Fragment einer Ephebenliste in einheimischem Dialekt = SGDI 379.
— S. 354. Rings abgebrochenes, 7 zeiliges Fragment einer gleichen Liste
in Vulgärdialekt. — S. 354f. 12 zeiliges Fragment gleichen Inhalts aus
späterer Zeit.
Derselbe, a. a. 0. S. 355. Auf der Schmalseite des letzteren
Steines. 9zeiliges Fragment eines Volksbeschlusses, »^der offenbar von
der Belohnung der Schiedsrichter handelt, die aus einer befreundeten
Stadt zur Beilegung irgend welcher Uneinigkeiten berufen waren.«
Derselbe, BCH VIII 1884 S. 54—56 n. 1. Auf demselben Stein,
welcher CIG 1608* ^ enthält, finden sich noch drei Freilassungsurkun-
den: a) 'Ava^cxpdziog dp^a)\ KaU[}g] Tipidc^ao weiht ihre Sklavin Kallis
T£? Eapdm = SGDI 406*=; h) 'Ap^ovrog Mvaaioo\ TeXXiag Euvö/iou die
Sklavin Zoila tcJ Zepdmi (hierzu eine verbesserte Lesart zu Z. 16 durch
den Herausg. S. 351); c) "Ap^uvTog AfioUoowpo'j; die Sarapispriesterin
Pythis die Tochter ihrer Sklavin Karais, Niko, r^ Eapdm.
478 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. S. 56f. n. 2. Marmoraltar, von welchem drei
„Seiten mit Freilassungsurkunden bedeckt sind. Preller, Berichte der
Kgl. Sachs. Gesellsch. der Wissensch. VI 1854 S. 195—202 hat die fünf
Inschriften der beiden Breitseiten publiziert, konnte jedoch von denen
der dritten Seite nur weniges entziffern. Diese hat L. neu kopiert:
a) Archen -on; Puthina[s weiht seine Sklavin und deren Knäblein
-raios zeT lapä-nei = SGDl 400*; b) Archos Archedamos; Melis, T. des
Philemon, weiht ihre Sklaven Sotimos und Soticha zeT Zepdm = SGDI
401 (S. 389); c) Archen Purrhinas; Epitimos, S. des Samokleis, und
Euphrosona, lapä zag Mazipog zwv &tüjv, weihen ihre Sklavin Zoila zsT
lapdm = SGDI 402 (S. 389). Über den inschriftlich hier zuerst be-
gegnenden Kult der Göttermutter in Chaironeia und die Sitte, ihr —
neben dem Serapis und der Artemis Eileithyia — Sklaven zu weihen,
vgl. die Inschriften unten.
Derselbe, a. a. 0. S. 58 n. 3. Das offenbar von einem vier-
eckigen Altar herrührende Marmorfragment, auf dessen einer Seite De-
charme, Recueil d'inscr. inedites de B6otie n. 17 zwei Freilassungsur-
kunden las (SIB 56. 57. SGDI 405. 406), enthält auf der anderen Seite
zwei weitere Fragmente desselben Inhalts : a) Archos [Mela]nthios ; Rho-
don weiht eine Sklavin zei 2apdm = SGDI 406*; b) Archos -os; --g
'Avziy6[yoj desgl. = SGDI 406 1\
Derselbe, a.a.O. S. 58 — 61. Fragmentierte Freilassungsurkun-
den. — S. 58 f. n. 4. a) Archos Mnasikleis; Weihung einer Herrin =
SGDI 406 d; b) Archen Theo(ioros; --cha, T. des Aristokles, weiht Skla-
vinnen. — S. 59 n. 4 bis. "Weihung an Sarapis, Isis und Anubis =
SGDI 406®. — n. 5. Dämon, S. des Kaphision, und sonst jemand weihen
ihre Sklavin Parthena zivc Sepdnet. — S. 60 f. n. 6. A a — c) dürftige
Reste; c) = SGDI 406 ^ d) Archen Theodoros; [Heljlanikos, S. des
Herakleides, weiht seinen Sklaven Andren, e) Archen Dexippos; --ris,
T. des Antias, weiht ihre Sklavinnen Homolois und Zoila. f) Archon
Nikon; Aristokleis, S. des Kall--, und sonst jemand weihen einen
Sklaven dem lapdm = SGDI 406 e. B g— 1) dürftige Reste; 1) = SGDI
406 '^. m) Weihuug eines (oder einer) Ka<p]iaooujpuj = SGDI 406 ^
n) Le-- weiht den Sklaven Archon = SGDI 406*^.
Derselbe, a. a. 0. S. 62 n. 7. A) Weihung der Sklavinnen Niko
und — ; = SGDI 406 1. B) Geringe Schriftreste. — S. 63 n. 8. Archon
Eubulos; Syreina, T. des Simias, weiht ihre Sklavin Chrysis. — S. 64 f.
n. 9. a) Damo, T. des Hiaron, weiht eine Sklavin der 'Apz]dpc8c z^
'EXtdioutTj = SGDI 406'». b) Archos Aristonikos; Eudamos, S. des
Aristodamos, weiht die Sklavin (hierzu die verbesserte Lesart des Herausg.
8o6av statt 8ouXav a. a. 0. S. 351) Sosicha z^ 'Apzdp.c8: z^ EiXSitj =
SGDI 406°. — S. 65 ff. n. 10. a) Archon Euandros; Theon, S. des Dio-
nysios, und Athenais, T. des Phaon, weihen ihre Sklavin Dionysia zrj
V. Boeotia: Chaeronea. Chorsiae. Coronea. 479
MrjTpl Tu)v &ewv\ desgl. ihren Sklaven Kerdon. b) A[rchos Ch]arondas
(verb. Lesart des Monatsnamens Ocoucuj statt Ostouiui und \ne\Tpd3i statt
[r£\Tpd§t durch den Herausg. S. 351); Lajmpris, T. des Kallon, weiht
ihren Sklaven ÄpoUonios rrj Marp\\\ rrj (rrjy peydXrj. Über den Brauch,
der Göttermutter Sklaven zu weihen, s. oben S. 478.
Derselbe, MD AI VII 1882 S. 356. Basisinschrift. Caecilia t ^a
Lampris errichtet im Jahre 73 n. Chr. dem Kaiser Vespasian eine Bild-
säule uTikp rr^g TtoXeujg.
Chorsi ae.
Foucart, BCH VIII 1884 S. 408 n. 9. Unter dem Archonten
Euagoros ernennt der Damos den Delphier {BsX<puv) Anticha[reis], S. des
Adrastos, zum Proxenos und Euergetas = SGDI 736 ^
Derselbe, BCH X 1886 S. 459f. Z. 11—19 der Ehreninschrift
SIB 190^ = SGDI 737 werden aus den Papieren von Karl Blondel in
besserer Abschrift mitgeteilt.
Coronea.
Lolling (s. 0.), S. 1032 n. 11. Mamura bei Koroneia. Archai- ^r-
° ^ ' ' chaisch.
scher Grabstein: 'Apiartag.
Foucart, BCH IX 1885 S. 427 n. 39. Dorf Sulinari. 'Hpäg Ka-
harpUiog^ S. des Aulos (letzterer Sieger an den Pamboiotien n. 46 Z. 14;
s. u.) weiht rov vaov und rd ^opiüpaza dem Koronios. — Hiernach ist
der Name des von Paus. 9, 34, 7. 8 erwähnten Heros und Gründers von
Koroneia »Koronos« zu emendieren.
Derselbe, a.a.O. n. 40. Ebd. Grabschrift]: Kafuaodwpa (vgl.
n. 44: roäg).
Derselbe, a. a. 0. S. 428 ff. Dorf Mamura; Proxeniedekrete (in
epichor. Dialekt) des böotischen Bundes von der Ruinenstätte des Tem-
pels der Athena Itonia bei Koroneia: S. 428 n. 41. 1. Fragment auf
einen Unbekannten; der eine der beiden Garanten {iyyoot) ist ein Or-
chomenier. 2. Fragment auf einen - mipovza ^iXcuvog 'A8pap.oo\rTrjv6v\
auch hier fungiert als Garant ein Orchomenier. — S. 429 n. 42.
1. Schlufs eines Dekretes auf einen -XsTov (Ethnikon). 2. Anfang eines
solchen. — n. 43. Anfang eines Dekretes des xocvöv Boccutojv aus dem
Monat Eiluthios; Sprecher ist --aahao. — S. 430 n. 44. Schlufs eines
Dekretes auf -ios aus Amphissa. Z. 1: xoug a\}lo'.g\ vgl. n. 40. — n. 45.
Anfang eines Dekretes auf einen Apollopha[neis ; Sprecher ist ein dei-
ß^og. Z. 2 begegnet zum ersten Male: Buwrwv; dgg. Z. 1: to?, Z. 3:
abzoTg !
Derselbe, a. a. 0. S. 430 — 432 n. 46. Ebd. Liste der Sieger an
den Pamboiotien ; datiert nach dem Archonten von Akraiphia Hipponikos
480 Griechische Epigraphik.
und nach dem Schreiber der vaoTTococ, der gleichzeitig Epimelet der Pane-
gyris war. Da Z- 9. 11 auch der Kult des Ares erwähnt wird, so wird
mit dem Herausg. in der Beschreibung des Tempels der Athena Itonia
bei Strabo 9, 2, 29: aoyxad^iSporat 8k r^ 'ABr^vq. b "Aorjg xard uva, utg
<paai^ jioaztxrjv ahia\> das auf ungenauer Information dieses Schriftstellers
beruhende "AB-qq in "Apriq zu emendieren sein.
Creusis.
Ar- Lolling (s. 0.), S. 1032 n. 12. Livadostro, im Heiligsten der Ka-
chaisch. pgjjg ^gg jjjjg_ Nikolaos. Archaischer Grabstein: MsXdv&cog.
Haliartus.
Foucart, BCH IX 1885 S. 424 n. 37. Fragment des ersten bisher
bekannt gewordenen Proxeniedekretes rag Tiöhog 'Apiaprtojv (Z. 6) auf
mehrere Macedonier aus Odessa {i[aQ] 'Ediaaag Z. 5); unter ihnen ist
ein Kassandros, S. des Nikarchos. Das in einheimischem Dialekt ab-
gefafste Dekret enthält dieselben Formeln und Privilegien, wie die an-
derer böotischer Städte.
Derselbe, a. a. 0. S. 425 n. 38. Mulki. Fragment eines Proxenie-
dekretes in epichorischem Dialekt auf einen in der Stadt ansässigen Ma-
cedonier - teis, S. des Xenokrateis, der sich durch Vorträge im Gymna-
sion verdient gemacht hatte- Selten begegnet in böotischen Inschriften
die am Schlufs vorkommende Bestimmung inbetreff der Niederschrift und
Aufstellung des Dekretes. Mit Dittenberger, Hermes XXI 1886 S. 633
sind die Schlufszeilen zu ergänzen : dyypd(l'Yj tu <pd^c(7/ia | zöSs , ec xa
SoxsT iv xaXXl^azo ecp.ev (vgl. die oropische Inschrift bei Newton, Greek
inscr. in the Brit. Mus. II n. 160 [früher u. a. GIG 1670] Z. 44ff.
L e b a d e a,
jjgjg, Lolling (s. 0.), S. 1032. Archaische Grabsteine, n. 13: Aya]&o-
xh'o[aQ', n. 14: Jd]p.oxudedag.
Novosadsky, MDAI 1885 S. 217. Unter dem böotischen Ar-
chonten Eraton werden Tcfiojv ärjSdXoj Ihpprjßog ig 0aMvvag und seine
Nachkommen zu Proxenoi und Euergetai raj xotvw BouuruJv ernannt.
Nach den Buchstabenformen kann die Dialektinschrift kaum jünger, als
das 2. Jahrb. v. Chr. sein. Zu dem von Polyb. 4, 9, 4 erwähnten, von An-
tigonos gestifteten Bündnis gehörten u. a. auch die Böoter und Thessaler.
Der Herausg. liest Z. 3/4: ^pstaip-ög kazi rolg al8ei-\ixivotg mit Bezug-
nahme 2i\xi j3edop.ivotg kihen. 1881 S. 362/3 5! Dittenberger, Hermes
XXI 1886 S. 634 verbessert: rolg d\ Seijxivo'.g (attisch: zolg dz\ deojxi-
votg) mit Hinweis auf d8cxscp.evog Aristoph. Acharn. 914. Doch erklärt
Meister, Berl. philol. Wochenschr. 1886 n. 5 Sp. 1587 jene Form für
unböotisch und ergänzt 8si[o-\p.£vocg.
V. Boeotia: Creusis. Haliartus. Lebadea. Leuctra. Orchomenus. 481
Dittenberger, Epigr. Miscellen, in den »Histor. u. philol. Auf-
sätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl. 1884
S. 298 ergcänzt die Brunnenaufschrift MDAI V 1880 S. 140 n. 52 (Röhl
r, 94): '0 oelva — — u^oujp xal [r]« \xf>a-{2)~rjpt8ta xat )\^e-{Z)ov~6-
xpoova (4) xai zb nspl rrjv (5) xpijvrjV iaiu (6) xazaaxeOaajxla (7) mv (8)
xal TU sie (9) aurrjv oSwp (10) i]x rwv Idmv (11) zfj &ea> xai tj] (12)
noXei. »Das Wort Izovroxpoovov ist meines Wissens sonst nicht nach-
weisbar, aber weder seiner Bildung nach, noch — bei der bekannten
Verwendung der Löwenköpfe — sachlich anstöfsig.«
Leuctra.
Lolling (s. 0.), S. 1032 n. 15. Die archaischen Grabschriften
IGA 201. 249 sind, wie sie dort mitgeteilt werden, am Anfang vollstän-
dig, und die Lesungen stehen, wie eine neue Vergleichung gezeigt hat,
sicher, so dafs die von Fick zu SGDI 851. 852 vorgeschlagenen Le-
sungen — bei 852 sicher — nicht das Richtige treffen. — IGA 248 ist
nicht von Decharme, sondern von Rangabe richtig wiedergegeben:
0IOON.
Orchomenus.
Latischew,'MDAI VII 1882 S. 360 n. 13. Archaische Grab- Ar-
Schrift neben der Kirche des Hagios Demetrios in dem gleichnamigen
Dorfe, südöstl. Skripu (Orchomenos): '£"?:' 'A8e{t)atoc (?). Meister, SGDI
587: 'En 'A[p'\£(Tßc. Nach dem Herausg. mit n. 16 (gleichen Fundorts;
s. S. 482 0.) vielleicht aus Koroneia, gleich den Briefen des Kaisers An-
toninus BGH V, 452f. (Röhl I, 91). — Lolling (s. o.), S. 1032 n. 16 liest
nach Revision des Steines: '^tt' 'Ay£{c)(T:o:.
Derselbe, a. a. 0. S. 360 Archaische Grabsehriften in einer desgi.
Mauer derselben Kirche, n. 14: Btayivta = SGDI 588. n. 15: IIoXu-
xpdrrjQ (lonier? oder mit Meister, SGDI 589: no?.uxpdT[zt]Q).
Lolling (s. 0.), S. 1033 n. 17. 20. Ebd. Archaische Grabschriften: desgl.
'Et: 'Ay£[:)Top:vo: und Ka^i[aca^?
Derselbe, a. a. 0. n. 18. Die archaische Grabschrift IGA 293, desgl.
die auf einem erhöhten Streifen eines an der Südseite der Kloster-
kirche vermauerten Blockes steht, lautet: fava^coorog. Von einem
Versehen des Steinmetzen kann nicht die Rede sein. Das C am An-
fang steht so sicher, wie in der Inschrift von Turnawo MDAI VII, 224
(s. VIc: Thessalia, unter Phalanna) — n. 21. Ebd. Archaische Grab-
schrift: llolop-iazop.
Derselbe, a. a. 0. n. 19. Bei der Kapelle der Panagia im Dorfe desgl.
Degle (ca. l^/a St. von Orchomenos). Archaische Inschrift (vollständig):
"Epfiov I ßeffmsu.
Latischew, MDAI VII 1882 a. a. 0. Grabschriften desselben
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. lU.) 31
482 Griechische Epigraphik.
Fundorts, wie n. 13—15. — S. 360 n. 16 (s. o. zu n. 13): Eufdyopog = SGDI
648. S. 361 n. 17: 0£[p]exh[a] \ 0co8iupc'a = 8Gm 649 (beide Namen
sind neu). S. 361 n. 18: Ji(uvouoc^o[g] = SGDI 650. n. 19: Mvdawv =
SGDI 651. n. 20: 'Ap:aTajv, | ^a7ps. n. 21: Umps, \ /a7p£.
3. Jahr- Derselbe, a. a. 0. S. 359 n. 12. Fragment einer Weihung, gleichen
Fundorts: — ag xrj Eux[pdTScg? dvei9cav \ ruv ßu)p]ov Jco<Tx6pot[v] =
SGDI 652. Nach dem Herausg. vermutlich aus dem 3. Jahrh. v. Chr.
300 250 Derselbe, a. a. 0. S, 357 n. 8. Schliemann, Orchomenos.
Leipz. 1881 S. 55 Anhang. Skripu, Kloster. Basisinschrift: 'Avccxpd-
zecg, '4o/£r[i/]oc, Mra \ ApTdpcoc ElXe^buirj = SGDI 506. Nach dem
Herausg. wohl aus der ersten Hälfte des 3. Jahrh. v. Chr. Zu dem
Frauennamen Mita vergleicht derselbe den Mannsnamen Mitas IGA 49.
Derselbe, a. a 0. S. 358 n. 9. Ebd. Umgekehrt eingemauertes
6 zeiliges Fragment einer Liste von Männernamen aus späterer Zeit in
Vulgärdialekt.
ca. 200 Derselbe, BCH VDI 1884 S. 67. Ebd. Marmoraltar mit acht
Freilassungsurkunden (n. 1—3 nach dem Herausg. wahrscheinlich aus
dem Ausgange des 3. oder dem Anfange des 2. Jahrh. v. Chr.; n. 4
weit jünger), von denen Decharme, Recueil n. 1—4 -(SIE 27—29. SGDI
497 — 499; n. 4 in Vulgärdialekt) nur vier entziffern konnte. Latischew
giebt dieselben in besserer Abschrift: S. 68 n. 1 = SGDI I »Nachträge«
S. 394 n. 497. Z. 5 beginnt mit Swacßcw. In dieser Inschrift, wie in
den beiden folgenden: iapap-/i6vTujv , nicht lapap^uvzwv. Z. 4: 'Ayetai-
vli^xio. — S. 69 f. n. 2 = SGDI S. 394 f. n. 498. Von Decharme der
Anfang nicht entziffert: l^iSapiu [äp^ovrog, lapecdodovrog (2) EbpecXuj
Acoa[xopc8ao\ Z. 15: [rj;? i^[d]n[r]£CT7^ , xo[u]pcog [Iötcu] o crxp£[Ljg — ,
S. 70 f. n. 3 = SGDI S. 395 n. 499. Z. 1 vielleicht: K[rx^c]a[oddp\u}
äp^ovTog, 2: ['£7r]cü^£^/oao, ^'. Atoua[i'\ao midi Ebpaao^ 4:/^: äop-\\^xYXXing.
Der Freilassende, Athanodoros, S. des Dorkilleis, ist wahrscheinlich der
Sohn des Dorkilleis, S. des Athanodoros, SIE 31 = SGDI 501 Z. 2.
Dann wäre letztere Inschrift, sowie SIE 30 = SGDI 500 um ein Menschen-
alter älter. — S. 71 f. n. 4. Z. 2: xaronreuuvTojv , 3: 'Tnv[od6r]oo'>,
4 — 6: Ilu&c-(5)vou xai \^Avl^d-mntva Ka[^]caoSa)pou xat 2u}-{Q)xX£ia, 8: na-
pap£cvd[ay]g]. Den Schlufs ergänzt Latischew: 10: ^ prj 7:o:[^ rb
7rjOOöTa(T<To-(ll)/£]c[vJov, iqouaca zaziu I[£poxX£c xat 'Av&cnmmi imziiiav
(oder xoXdCeiv) zpönojc üjc äv SiXwacv. — S. 74 n. 5 (voQ Latischew zuerst
publiziert; = SGDI S. 395 n. 499a). Schwer lesbares Fragment einer
Freilassungsurkunde, aus demselben Jahre wie u. 1, so dafs die Reste
der Beamtennamen mit hinlänglicher Sicherheit ergänzt werden können.
--og AapoxXcoao und seine Familie weihen zwg fcdicog fuxdzag 2ou-
pcv\av und - - (ova capdig £tp£V [reo] 2apdniog xrj z\a\g''I(Tiog. — Die noch
übrigen drei Freilassungsakte konnte auch Latischew nicht entziffern.
V. Boeotia: Orchomenus. Plataeae. Tanagra. Thebae. 483
Plataeae.
Lolling (s. 0.), S. 1033 n. 22. In der byzantinischen Kapellen- Ar-
mine Hag. Athanasios. Archaische Inschrift, hufeisenförmig: 'Em Aa-
/lasveToe.
Foucart, BCH IX 1885 S. 423 n. 36. Dorf Kokla. Bessere Ab-
schrift des nach ungenauer Kopie von Keil, zur Sylloge S. 509 heraus-
gegebenen Anfanges einer Liste der Sieger bei den Eleutherien. Z. 2/3
berichtigt der neue Herausg. : 'Eni hpecug rod /}io[q (3) rou 'EXso^epiou,
Z. 11 lautet das Ethnikon: Mö)M<T[s{jg {■Aiaii r^atog). Die drei Würden-
träger der Inschrift gehören derselben Familie au: Der Zeuspriester
Apo[llo]doros , S. des Stratokies, und der Agonothet Aristion, S. des
Stratokies, sind Brüder, der -nup<p6pos Lysippos, S. des Aristion, ist der
Sohn des letzteren.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 8. 150 n. 27. Aus
den wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions collected in Greece by C R.
Cockerell, 1810 — 14«. Wahrscheinlich aus Platää stammendes Fragment
einer Ephebenliste.
Tanagra.
Lolling (s. 0.), S. 1033f. Archaische Grabsteine. S. 1033 n. 23: Ar-
ilaii6'vixo[Q', n. 24: ^hr.uKk{s)La\ n. 25: MelydxXsia^ n. 26 (linksläufig):
MeK\d\)dij^ug\ n. 27: MeMv-c/og; n. 28: M£v]s^uÄog oder 'E^]i^uXog;
n 29: fhaidcxa; n. 30: 'Em 0ae{i)viot e(i)p.l - -. S. 1034 n. 31: 0a[ö]X-
[-^];/a; n. 32: 0c&ov.
Stamatakes, 'E^. äpi- 1883 Sp. 157 — 160. Plinthe mit der
Künstlerinschrift des Thoinias, S. des Teisikrates. Darunter drei jüngere
Proxeniedekrete in einheimischem Dialekt (= SGDI S. 404 f. n. 956»'=):
1. Unter dem Archontat des ApoUodoros roi ohaazipiü auf Apollonios,
S. des Menekrateis, aus Teos; 2. unter dem Archonten Timon auf Da-
matrios, Pasikrates und Diodotos, S. des Heraklidas, aus Kyzikos; 3. unter
demselben Datum wie 2. auf 'laztr^og^ S. des Ariston, aus Milet.
Thebae.
Lolling (s. 0.), S. 1034. Archaische Grabsteine. Im Museum Ar-
(n. 1930): n. 33: 'A\i\o.v-cdag-^ n. 36: (-fsoxTioag; n. 37 (= n. 248): '^''^'"
'Füv'/^ov. — Bei der Post: u. 34: 'Em (2) Ilpoadoxa (3) 'AvzKpdvrjQ (4)
'Ap[azoy{e)t7ov (Z. 1. 2 in sehr jungen Buchstaben). — Vor der Kirche
des Hag. Athanasios in der Vorstadt Pyri: n. 35: /leüqov.
Latischew, MDAI VII 1882 S. 35lf. Zu dem von Kumanudes. 287?
Athenaion III, 482 f. (= SIB 315) in Minuskeln herausgegebenen 24 zei-
ligen Fragment mit Resten eines athenischen Volksbeschlusses in atti-
schem (Z. 1 — 4) und böotischem (Z. 5 0.) Dialekt giebt der neue Herausg.
31*
chaisch.
484 Griechische Epigraphik.
den Majuskeltext und einige Varianten (= SGDI 712). Meister möchte
das auf ein Bündnis zwischen Atlien und Theben bezugnehmende Frag-
ment, welches Kumanudes in die Zeiten des Kassander und des Deme-
trios Poliorketes setzte, auf die Ereignisse des Jahres 287 v. Chr. be-
ziehen.
Korolkow, MD AI IX 1884 S. 95 f. Die Weihinschrift SIB 321
= SGDI 722 ist nach erneuter Besichtigung zu lesen: 'AptaroziXetg o na-
tzlp^ Uou^oyira ä [xdrsip (2) Ooiviav roTg ^soTg.
Haussoullier, BCH IX 1885 S. 356f. Museum, n. 21. Frag-
mentierte Liste von Landpächtern in zwei Kolumnen mit dem Präskript:
0]7de d7i£[/xca^u)(TavTo , dv]Tchj(f>o/j.evoc yeiulpytag, (2) Trf\v 8rjjxo[atav xac
TTjv] cepäv yf^v. Reste einheimischen Dialekts.
Foucart, a. a. 0. S. 406. Stele. Über einem Schlüssel, dem Ab-
zeichen der Priesterwürde: 'Em (2) Noujirjvcot^ i£-{Z)pta ärjprjxpog. Vgl.
S. 488 n. 17.
Rom. Latischew, MDAI VII 1882 S. 349f. Museum, n. 209. Sechs-
zeiliges, fragmentiertes Präskript einer Liste der Sieger an den Agrio-
nien aus dem Archontat des Thraseas. Römische Zeit. — Das Frag-
ment bestätigt die Identität der thebanischen 'Aypicuvca mit Hesychs
'Ayptdvca, da nach ersterem das Agrionienfest mit poetischen Agonen
verbunden war. Ohne Zweifel fand das Fest in dem neuerdings aus
chäroneischen Freilassungsurkunden erwiesenen böotischen Monat Agrio-
nios statt, dem nach Ansicht des Herausg. die siebente Stelle — ent-
sprechend dem attischen Skirophorion — nicht mit Lipsius die vierte,
zuzuweisen sein dürfte.
Dittenb'erger, Epigraphische Miscellen in den »Histor. und
philol. Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl.
1884 S. 289, ergänzt Z. 3 des Grabepigramms Kaibel, Hermes VIII, 422
n. 40 (Epigr. Gr. 488): ^p [npoXcn^ojv iy X^P^'^ (piXwv B[dveg' ou\nor'
inatvoo — . Derselbe, Ind. schob Hai. Winter 1885/86 p. IX ver-
bessert das Verbum, da nur vier Buchstaben fehlen, in [no&e}ujv.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 150 n. 28. Aus
den wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions coUected in Greece by C. R.
Cockerell, 1810 — 14« wird eine vollständigere Abschrift von GIG 1632
mitgeteilt.
Thespiae und Umgegend.
Ar- Lolling (s. 0.), S. 1034—1036. Archaische Grabsteine in Eri-
chaisch. mokastro, Museum. S. 1034 n. 38: 'Ayd^ap^og; n. 39: 'AneUleTg; n. 40.
41: Auf die ältere, böotische Inschrift: ApcazoxpdrB{t)g — nach Kirch-
hoff aus dem Anfange des 5. Jahrb. — folgen, durch kleinen Abstand
von derselben getrennt, die jüngeren Zeilen 2 — 5 von unten beginnend:
(2) ElrMxXi-{Z)eg Jaxe-{4)Sacpo-{5)vcog. Nach Inhalt und Alphabet ge-
hören dieselben nach Kirchhoff vermutlich einem der Jahre an, in welchen
V. Boeotia: Thebae. Thespiae und Umgegend. 485
iu Thespiae eine lakedämonische Mora unter Befehl eines Polemarchen
stationiert war, d. h. dem Zeitraum von 378 v. Chr. bis kurz vor der
Schlacht bei Leuktra. Kirchhoff vermutet, dafs das erste Zeichen der
zweiten (untersten) Zeile ein g sein solle. — n. 42: )ipxaoca\ S. 1035
n. 43: ßp6^oU[os; n. 44: dajn]o&d?,£ca; n. 45: dcovümo;; n. 46: feca-
pcvog (vgl. IGA 250); n. 47: Eüßu/iwag; n. 48: EbxXecdag:, u. 49: E/i-
d\a.iiog\ n. 50: Sz{t)ßa . . [6^<pckoQ\ n. 51: IßooU^a; n. 52: fiaap'/^og',
n. 53: ld\ßo-\oq\ n. 54: KdlXig oder KaXh'g; n. 55: Kapeaooozog; n. 56:
K]XczaaBiv£ta\ n. 57: Ayxxpaptöag {■Bidiii: A]axpazcoag?); S. 1036 n. 58:
Msmp^a; n. 59: Mmaapiza; n. 60 (= Foucart, BCH IX 1885 S. 422
u. 31): IJ]dvracvü[g; n. 61: E£>6^av[Tog ; n. 62 (= Foucart, a. a. 0.
n. 30): llpopadcdag; n. 63: fluppivag; n. 64: ^Eliaza. (statt ^iliazal
Vgl. IGA 279. SGDI 781); n. 65: <f^'c(o)?; n. 66: '£7r[J] Tczpi - -.
Foucart, BCH IX 1885 S. 421 f. Archaische Grabschriften im desgi
Museum, n. 29: K£p£{c)(n/vg; S. 422 n. 32: Ap{o)6iia{c)g.
Lolling (s. 0.), a. a. 0. S. 1036 f. Archaische Grabsteine im Gebiet desgl.
von Thespiae. S. 1036 n. 67 (Paläopanagia) : ''Ap^!xÄs{c)a; n. 68 (Tatesa):
'A(ToriOxp[dzsig\ n 69 (Mavromati): 'laonpoc; n. 70 (Paläopanagia, an
der Südostecke der Kirche des Hag. Blasios ziemlich hoch eingemauert,
bisher nur aus Abschriften von Hofs und Schillbach bekannt = IGA
146. SIB 212. SGDI 765, von unten gelesen): Mvä/i' £[rT]' '0^cy£icy(2)8ac
[x' b 7:azs{})p [i]-(3)7:s[>s{c}x£ i%xvö[v-{4)tc ' 0(T[{*y?.og. ' Og (5) ndvßog
&£{c)xav (6) dmxfd^ijievogl »Das 5. Zeichen in Z. 4 ist quadratisch, die
Annahme eines <p (wg (pilog) also ausgeschlossen; da o keinen Sinn giebt,
bleibt nur £0 übrig, dessen Kreuz zerstört ist.« — S. 1037 n. 71 (südöstl.
unter der Höhe von Erimokastro; die erhaltenen Ruchstaben sind vielleicht
nur ein Fragment aus der Mitte einer Grabschrift, da die Ränder rechts
und links neu behauen zu sein scheinen): [7r]£j9a[>^>] - ; n. 72 (Kaskaveli,
vgl. IGA 280 = SIB 223. SGDI 783): 'Pa^cag\ Fragment: {0]tXh)-\ eine
neue Abschrift von IGA 277 (= SIB 222. SGDI 782) »schliefst jeden
Zweifel an der Richtigkeit der Rofsschen und Rangabeschen aus«, n. 73
(Paläopanagia): 0av6<p'.)Mg\ n. 74 (Xeronomoi): - - xXe{t)3ag 2dp.i^og.
Stamatakes, Praktika der archäol. Gesellsch. zu Athen 1882 desgl.
S. 67 ff. Acht östlich von Thespiä, nördlich von der Fundstätte des ko-
lossalen steinernen Löwen ausgegrabene Grabstelen mit archaischer
Stoichedonschrift. Nach der Vermutung des Herausg. bargen die zuge-
hörigen, mit dem Denkmal des steinernen Löwen geschmückten Gräber
die Überreste der bei Platää gefallenen Thespier. — n. 1 (12 Eigen-
namen) = SGDI S. 401 n. 791»; n. 2 (mit einer Berichtigung des Herausg.
'% dp/. 1883 Sp. 192f., 12 Namen) = SGDI 791»'; n. 3 bis 6 (je 12
Namen) = SGDI 791«= bis ^; n. 7 (10 Namen) = SGDI 791 f?; n. 8
(12 Namen) = SGDI 791»'.
Foucart, BCH IX 1885 S. 403 n. 14. Archaisches Fragment desgi.
einer Weihung an die Dioskuren: -o\iv Jioaxopuiv dv\i^etxev.
486 Griechische Epigraphik.
Derselbe, BCH VIII 1884 S. 415 n. 13. Weihinschrift: laix£tv{i'ag
(2) dyujvoßsTscaag (3) toTq = SGDI 799 ^ Auf demselben
Stein die Weihinschrift des Mumraius (S. 488).
Derselbe, a- a. 0. S. 409 f. n. 10. Fragment einer Weihinschrift
in einheimischem Dialekt aus dem Thale der Musen. "Ap^ovTug Bouo-
zo7g^ Mv[dcroj[vos weiht der durch die dfsdpiazeuuvzeg repräsentierte
böotische Bund den Musen wahrscheinlich einen Dreifufs = SGDI 807*.
Der Archon Mnason begegnet in den Inschriften von Aegosthenä (SIB
Appendix n. 9) unter dem Titel äp'/^wv iv Vy^rjarco, welch letzterer, wie
Foucart BCH IV, 83 gezeigt hat, mit dem obigen gleichbedeutend ist.
Die Inschrift gehört demnach in die Zeit der Zugehörigkeit von Megaris
zum böotischen Bunde = 223 — 197 v. Chr.
Derselbe, BCH IX 1885 S. 4l7f. n. 26. Erimokastro, Museum.
Fragment einer Rekrutenliste. Die Datierung ist eine doppelte: nach
dem Archonten der Stadt und dem von Onchestos. Ist der Name des
letzteren zu Aristokles zu ergänzen, so wäre unser Fragment gleich-
altrig mit der ägosthenischen Inschrift Lebas-Foucart, Inscr. du Pelop.
n. 10 (SIB Append. n. 10). Einheimischer Dialekt
Derselbe, a. a, 0. S. 412f. n. 23. Erimokastro, Museum. Bessere
Abschrift des Fragments SIB 240 = SGDI 802. Die Gröfse der Lücken
(nach Z. 1 ca. 20 Buchstaben) macht eine Herstellung fast unmöglich;
doch läfst sich der Inhalt wenigstens annähernd bestimmen Während
Keil, zur Syll. S. 515 vermutete, es handle sich um den Eintritt (i//-
ßaotg) in das Heiligtum des Herakles, welcher einem Privatmanne nur
in Gegenwart des Vorstehers im Monat Damatrios jeden Jahres gestattet
worden sei, weist Foucart nach, dafs vielmehr von dem x\ntritt {ip.ßaatg)
einer Pacht von Grundstücken des heiligen Bezirks die Rede ist, und
dafs die Bedingungen dieses Antritts im Einzelnen bestimmt werden. —
Auf die Datierung (Z. 1 — 5) nach dem Archonten, den drei Polemarchen
(nur der Name des dritten ist erhalten) und dem Schreiber folgen die
näheren Bestimmungen: Die Pachtsumme soll alljährlich im Monat Da-
matrios entrichtet werden; es sind von dem Pächter zwei Bürgen zu
stellen, die von der Tempelbehörde, den Tipoa-zdrat, als solche anerkannt
sein müssen ; stellt derselbe keine leistungsfähigen Bürgen, so soll er in
das Schuldnerverzeichnis mit iVa der Pachtsumme eingetragen werden,
u. s. w. Der Schlufs scheint die Bestimmung zu enthalten, dafs Streitig-
keiten inbetreff der Pacht nicht vor eine andre böotische Stadt gebracht
werden dürfen.
Derselbe, a. a. 0. S. 415f. n. 24. Ebd. Fragment einer Namen-
liste, welches mit den Fragmenten SIB 239 = SGDI 801 und SIB 239«
= SGDI 803 zu einer und derselben Pächterliste gehört. Ersteres hatte
seine Stelle zur Rechten von SIB 239 und liber SIB 239% da letzteres
die Summen angiebt. Es werden aufgeführt: Pachtparzelle, Name des
Pächters, Pachtsumme und Bürge. — Einheimischer Dialekt.
V. Boeotia: Thespiae und Umgegend. 487
Derselbe, BCH VIII 1884 S. 412 f. n. 11 (SGDI 807'^). Frag-
ment einer Beamtenliste. Es sind verzeichnet: l dp/6g, 3 7ToXeiJ.apxoi,
1 YpanjxaztGTäg und I (?) m-napioq. — Der äpy^üq^ Phaeinos, begegnet
als eponymer Archont in dem thespischen Proxeniedekret SIE 246 =
SGDI 807. Ein böotischer Hieromnemon desselben Namens figuriert in
einem Amphiktyonenkatalog aus der Zeit der ätolischen Herrschaft
(Lebas, Inscr. de la Grece du Nord 836). Der erste Polemarch, Thei-
rarchos, S. des Kanas, begegnet iu dem thespischen Pachtkontrakt SIB
239 = SGDI 801, sein Sohn, Kanas, S. des Theirarchos, in dem thespi-
schen Proxeniedekret auf vier Athener SIB 250 = Cauer Del. ^ 341.
SGDI 812.
Derselbe, BCH IX 1885 S. 416f. n. 25. Aus der Kapelle Hag.
Trias im Thale der Musen; jetzt im Museum. Proxeniedekret xaQ tiS-
?Mg 0£c(T7::a![wv auf Nikanor, S. des Euios, aus Korinth. Sprecher ist
ein ^u>[Tr]pos Iturrjpw, wohl identisch mit dem in der folgenden Re-
krutenliste Z. 11 Genannten. — Einige Reste der Inschrift waren schon
von Ulrichs kopiert; die Herstellungsversuche von Keil, zur Syll. S. 538
= SIB 248, SGDI 809 können nicht als genügend bezeichnet werden.
Derselbe, a. a. 0. S. 41 9 f. n. 27. Museum. Ein mit Ausnahme
der drei ersten Zeilen gut erhaltenes Fragment einer Rekrutenliste, nur
Eigennamen enthaltend, von denen eine grofse Zahl neu ist Einheimi-
scher Dialekt.
Derselbe, a. a. 0. S. 421 n. 28. Ebd. Fragment einer Frei-
lassungsurkunde in einheimischem Dialekt. Die Freigelassene, Apollo-
dora, soll ihrem Patron "^Öoiv (= Al'Scuv) zu dessen liebzeiten noch
dienen, nach seinem Tode jedocii frei sein. — Die Schlufszeilen werden
von Dittenberger, Hermes XXI 1886 S. 634 ergänzt: — xi] \iep.ipc\v
I ■np^varäzav'Ano-llXooujpov uvztvd] xa \ \MX£t. Diese Bestimmung vervoll-
ständigt unsre Kenntnis von der rechtlichen Stellung der Freigelassenen.
Derselbe, a. a. 0. S. 407 f. n. 20. Ebd. Fragment einer Rech-
nungsablage von Agonotheten. Erwähnt wird nur die Summe der ge-
prägten Bundesmünzen. Einheimischer Dialekt.
Derselbe, a. a. U. S. 409 n. 21. Ebd. Fragment mit dem Schlufs
einer Liste von Siegern an den Festspielen der Musen. Erhalten sind die
Namen eines Dichters und Schauspielers einer neuen Tragödie und Komödie,
sowie des Siegers eines emvixiov. — Die Liste ist gleichaltrig mit den
musischen Inschriften von Oropos Decharme, Inscr. de Beotie n. 26, Ku-
manudes. 'E(f. dp-/. 1884 Sp. 121—127 (s. S. 416), Rang., Ant. Hell 965.
— Einheimischer Dialekt.
Derselbe, a. a. 0. S. 410f. n. 22. Fragmentierte Liste der Sieger
an den Erotideia (Spielen zu Ehren des Eros).
Derselbe, BCH VHI 1884 S. 414 n. 12 (SGDI 812»). Fragment
wahrscheinlich einer Weihinschrift, welche errichten Tu ayoiWipio rb im
488 Griechische Epigraphik.
(2) lioXB[a\o apiov:oq\ es folgen die Reste dreier Namen. — Die böoti-
schen äjuDvdpiut waren nach Eusthatios (ad II. 24, i) gleichbedeutend
mit den athenischen dyupavüij.ui. Dieselben sind nicht zu verwechseln
mit den Agonotheten (a. a. 0. S. 407 f. n. 20; s. o.).
Derselbe, BCH IX 1885 S. 404 n. 15. Museum. Weihinschrift:
0ovuxXidag Aiovou-{1)mu> Ja Mdc^o xrj 3Ic-{S)Xcy(rj.
^•190 Derselbe, BCH VIII 1884 S. 158. Dorf Karata, zwischen Thisbe
und Leuktra. Zwei Stelen mit der Inschrift: ^dirrjpog 'ArrdXu) IJep-
ya/xsuQ dvzHzixs zdv yäv rrjg Mcoarjg z^g 'EXcxaividosaat capdv slfxev iv
zov mxvza ^fiuvov — SGDI SOS"-"* ''■ — Abgesehen von der Länge der ein-
zelnen Zeilen und dem in der Schlufsformel von A fehlenden iv stim-
men beide Inschriften wörtlich überein. Der Tempel der helikonischen
Musen, von Decharme und Schillbach entdeckt, lag im Thale von Kryo-
Pigadi, im Distrikt von Thespiä. Philetairos, der dritte Sohn Attalos I.,
errang, ebenso wie seine drei Brüder, um 191 v. Chr. an den Panathe-
näen einen Wagensieg und zeichnete sich durch mannigfache Schenkun-
gen an die Griechen aus. — Derselbe, BCH IX 1885 S. 405 n. 16.
Ebd., Stele. Derselbe Philetairos weiht z^g M[u)-\a]r]g xrj züg auv^üzr^g
z\Jjg 1 (P'\dszrjpzi[i]aat ein Stück Land.
a. 146 Derselbe, a. a. 0. S. 415 n. 13. Weihinschrift: A^süxiog Müji-
[itog Aeuxtoü (Tzpazr]yo[g (2) u{7:azog '^Pcufiaciuv zo2g HsuTg. Vgl. S. 486 o.
Derselbe, BCH IX 1885 S. 405 n. 17. Thal der Musen. Basis-
inschrift: 0£o/j.vdaza. Darunter ein Epheukranz und ein Schlüssel. Die
Geehrte war also Priesterin (vgl. die thebanische Grabschrift S. 484).
Derselbe, a. a. 0. S. 422 n. 33. Museum. Grabstein des Aristo-
giton, S. des Mnasistratos und der Murticha. Die Erwähnung auch der
Mutter ist singulär. Wahrscheinlich war dieselbe eine Person von
Stande.
Derselbe, a. a. 0. n. 34. Grabstein der Niko AAeazc'g (aus Alea
in Arkadien).
Derselbe, a. a. 0. S. 423 n. 35. Moschas errichtet auf dem
Grabe seiner Kinder Sotericha und Euemeros ein Grabmal für sich und
sein Weib Eis — .
Caiser- Derselbe, a. a. 0. S. 407 n. 19. Mit dem Attribut ^ßot ver-
^^" sehene Eigennamen: Anthema[s | Phaidros — Anthemas | Epiktas.
desgl. Derselbe, a. a. 0. S. 406 u. 18. Gefunden in Theben, wohin
viele Steine aus den Ruinen von Tanagra und Thespiä verschleppt sind :
^Op.6{voLa) (2) dzaruiojv xal 'Aßrjvacojv.
Ditten berger, Epigr. Miscellen, in den »Histor. und philol. Auf-
sätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl. 1884 S. 289
liest das Epigramm auf Thaleia auf dem in der Nähe von Thespiä ge-
fundenen Denkmal der neun Musen Slß 238. SGDI 805: &dXXi in'
V. Boeotia: Thespiae und Umgegend. Thisbe. 489
IprjVTjg ao<ptrjg xaXd- ruiyap andaa^g \ UpijVYji Xotßdg rdads, SdXeta^ yioi
— »Es blüht im Frieden die Herrlichkeit der Kunst; darum giefse ich,
Thaleia, der Friedensgöttin alle diese Spenden aus.« — »Dafs dndaaq
ungeschickt und prosaisch ist, läfst sich nicht leugnen, aber ein bedeu-
tender und geschmackvoller Dichter ist der Verfasser dieser Epigramme
auch nicht gewesen.« — »Dafs das zu Anfang der Weihinschrift fehlende
T ganz allein auf einem links an den der Urania anstofsenden und sonst
vollständig unbeschriebenen Steine gestanden hätte, ist wenig wahrschein-
lich. Sollten die Böoter, wie das für das Pronomen ohroq jetzt durch
eine ganze Reihe urkundlicher Zeugnisse feststeht, auch bei ooe den An-
laut der sämtlichen Casus obliqui nach der Analogie des Nom. sing, be-
handelt haben, und danach "A^s zu lesen sein? Die bis jetzt aus böoti-
schen Inschriften bekannten Beispiele geben nach keiner Seite eine Ent-
scheidung.« S. 288 Anm. 4.
Derselbe, a. a. 0. S. 291 Anm. 1. In dem Grabepigramm auf
Eutychianos MDAI V 1880 S 123 n. 11 (Röhl.I, 106) ist V. 1 mit
Wahrscheinlichkeit zu lesen: EvÜdnz ar^iia ßsaa' {— &daaac) dvdpbg (pi^ou
EiJTU^cavoü.
Thisbe.
Lolling (s. 0.), S. 1037. Archaische Grabschriften, n. "75 (Dom- Ar-
, chaisch.
brena): Aaavurifj.og. n. 76 (an der Südseite der Kapellenruine Hag.
Lukas kopfüber eingemauert; = IGA 167. SIE 192. SGDI 744): \^A](t-
0Toc[g] xal y^aivoiai ipavkg (pt.Xd\q \ .am. dpiaarzüov iv rrpu/idy^otg .
Foucart, ßCH VIII 1884 S. 400 n. 1 (SGDI 744»). Archaische ^i«gi.
Weihinschrift: 'Apt]aT6?i0^og xal Kü\ß]aS[ut (2) rocg] Hsocg dvsBsrav.
(3) [io]v i7iös[c)(TS 0e{t)ßruog.
Derselbe, a. a. 0. S. 405 n. 6 (SGDI 747 <J). Der Damos er-
nennt unter dem Archonten DJamokrates den Menexenos, S. des Menan-
dros, aus Sikyon zum Proxenos und ehzpyiTag rag ndhog Sia\ßs.ko\>. —
S. 405 f. n. 7 (SGDI 747 e). Desgl unter dem Archonten Theopompos
den Phyjskos, S. des Machatas. aus Naupaktos.
Derselbe, a. a. 0. S. 402 f. n. 5 (SGDI 747 "). Freilassungsur-
kunde. Unter dem Archonten Empedon weihen Euandridas und Pasikrita
die Dopyra (= Zconüpa) der Aprdp.:ai ElXzdhtrj — — T:a[p\iJ.sivaaav^
dujg xa oujwvf^i. Die bisher nur für Chäronea und Lebadea bekannte
Bezeichnung des u durch sc wird durch unsre Inschrift auch für Thisbe
belegt (Elkatb^etrj).
Derselbe, a. a. 0. S. 401. Weihinschriften: n. 2 (SGDI 747*)
des Deixias, S. des Askla[piodoros, an Obyio. (= Tycsta); n. 3 (SGDI
747'') des Thoinias, S. des Amunias, an Artamis Soteira.
Derselbe, a. a. 0. S. 402 n. 4. Genauere Kopie der Weih- Kaiser-
inschrift Keil, Zur Syll. S. 589 (Russopulos, E<p. dpx- 3064): levei 2'e- ""'
490 Griechische Epigraphik.
ßaaruiv (2) xa\ rfj tzoIsi tov vaov (3) 'Apri/xcoc Icurscpa. (4) IxöXa^ Ixö~
Xaxog (5) ix rojv loiwv dviB/jxe.
Derselbe, a. a. 0. S. 407 n. 8 (SGDI 747 0- Ziegelstempel:
fafyz-\(/i)xpcT-\cu.
Via. P ho eis.
Bechtel. Die pliokischen Inschriften. SGDI II 1885 Heft 1 S. 63
— 89 n. 1512 — 155H. Rez. s. S. 392. — Absichtlich nicht aufgenommen
sind die zaldreichen delphischen Inschriften; wohl unabsichtlich über-
gangen ist das von Forchhammer, Halkyonia S. 27 veröffentlichte Frag-
ment einer archaischen Inschrift aus Bulis.
E 1 a t e a.
Ar- Foucart, BGH VIII 1884 S. 217. Archaische Opfervorschrift aus
dem Dorfe Sfaka bei Elatea (Drakmani) = SGDI 1531, Roberts n. 229
bis. Die Buchstabenfonnen C ^ind < = <t und y begegnen hier in
Pliocis zum ersten Male.
desgl. Paris, BGH X 1886 S. 359 n. 1. Archaische Grabscbrift (?) von
unsicherer Deutung. Die phocische Form für y lernen wir hier als 0
kennen.
Derselbe, a. a. 0. S. 367 f. n. 9. Grofse Basis, die eine Gruppe
von Statuen trug, mit Stoichedoninschrift. Zwei Distichen melden, dafs
die Stadt einem Gelübde zufolge dem Poseidon die Statuen der Stamm-
heroen (rjfiSio'jg (norr^oag) weihte. Der Herausg. glaubt die Veranlassung
in einem Kampfe der Phocier mit den Thessalern sehen zu dürfen, in
welchem der Nationalheros Phokos, Sohn des Poseidon, seine Schützlinge
auf wunderbare Weise rettete (Paus 10, 1). Da jedoch diese Schlacht
vor den Perserkriegen stattfand, so scheint der Schriftcharakter der in
ionischem Alphabet gehaltenen Inschrift zu widersprechen, während an-
drerseits die Form des stets punktierten O und ß auf ein höheres Alter
zu deuten scheint, da ersteres nur vor Ol 80, letzteres lediglich in In-
schriften aus Halikarnafs vor dem genannten Zeitabschnitt begegnet. Nach
der Vermutung des Herausg. dürfte eine ältere Basis durch die unsrige
ersetzt worden sein; alsdann würde sich das befremdliche Vorkommen
jener älteren Buchstabenformen durch einfache Kopie des Steinmetzen
erklären.
. Jahr- Derselbe, BGH XI 1887 S. 323—333 n. 2—8. Auf der Tempel-
^""'^' Stätte der Athena Kranaia gefundene Stelenverzeichnisse in einheimischem
Dialekt, die sich auf die den Phociern nach dem zweiten heiligen Kriege
(355 — 346 V. Chr.) auferlegte Wiedererstattung der geraubten Tempel-
schätze beziehen. — S. 323 f. n. 2. Die Phocier entrichten 30 Talente
iv J[eß[^]o[ug] iv zäv kapivav nuXa-(3)cay. Erwähnt sind vier phocische
Archonten mit ihrem y/jaij-jj-areüg, der delphische Archont Palaios, S. des
via. Phocis: Elatea. 491
Euanthes, mit acht Prytanen (ßpoTaveuövzwv Z. 7), sowie vier Zeugen
der Delphier und fünf derPhocier; letztere, wie die phocischen Archon-
ten, sind aus verschiedenen Städten: drei aus Elatea, je einer aus Li-
laia und Erochos. — Die Phocier waren verurteilt worden, von dem ge-
raubten Tempelscbatze (10 000 Talente nach Diodor) eine jährliche
Summe von 60 Talenten zu erstatten (Diod. 16, 60); wie unsere Inschrift
vermuten läfst, je 30 Talente zur Zeit der Frühlings- und der Herbst-
versammlung der Amphiktyonen. Sie hatten somit an der ganzen Summe
166 Jahre zu zahlen. Unsere Inschrift fällt auf alle Fälle vor [das
2. Jahrh. v. Chr., sowohl weil die Magistrate der Delphier wie der Pho-
cier (letztere hatten im 2. Jahrh. einen einzigen Strategen) in dieser
Zeit andre sind, als auch, weil der Z. 7 erwähnte delphische Archont
in der von 194 v. Chr. bis zur Römerzeit bekannten delphischen Ar-
chontenliste (s. A. Mommsen, Philologus 1886 S. 1 — 48) nicht figuriert.
Andrerseits kann die Inschrift nicht unmittelbar nach dem heiligen Kriege
fallen, weil die Erwähnung von Magistraten der verschiedenen Städte
die Erneuerung des phocischen Bundes voraussetzt. Nach Paus. 10, 3
führten die Athener und Thebaner die Phocier kurz vor der Schlacht
bei Chaeronea wieder in ihre Städte zurück. — S. 326 f. n. 3. Die Pho- 4. jahr-
, ' hund.-
cier entrichten r-(2)a iniiaxa sv As^^o[u]g ^^^ (= 30 Talente) unter
ihrem Archonten [Th]ra[syb]ulos. Weiterhin sind erwähnt drei delphische
Prytanen (ßp--), vier Zeugen derPhocier und einer der Delphier (letz-
terer, IüscaTs[ag] — — -cpaTeCirag , hatte wahrscheinlich die Summe
vorgestreckt). Dem Schriftcharakter nach ist dieses Verzeichnis das
älteste von allen; es kann dem 4- Jahrh. angehören. O (dagegen nicht £l\
vgl. BCH X, 367 n. 9; s. o.) ist stets punktiert. — S. 328 n. 4. Der
delphische Schatzmeister — on entrichtet den Schatzmeistern xai z[o7g]
ßpuzävsu-{5)acv zo)v J]sä^wv [30 Talente] unter dem delphischen Archon-
ten Orni[thi]das. Von den folgenden Prytanennaraen ist nur das Frag-
ment eines einzigen erhalten. — S. 329 n. 5. Fragment einer ähnlichen
Liste, wie sich aus der Erwähnung der (delphischen) Prytanen (hier npo-
■zävieg Z. 3) ergiebt, denen ohne Zweifel die Namen der phocischen
Zeugen folgen; Z. 7 — 9 Aufzählung der delphischen Zeugen. Die Ortho-
graphie des Wortes Prytanen mit r: läfst auf jüngere Zeit, als die der
drei vorhergehenden Verzeichnisse, schliefsen. — S. 330 n. 6. Fragment,
aror/r^döv, rechts verstümmelt. Nur erhalten die Anfangsbuchstaben des
Namens des delphischen Archonten ( Ba - -), sowie Reste der Namen der
delphischen Prytanen; Z. 6 ff. Namenreste der j)hocischen und delphi-
schen Zeugen. — S. 331 n. 7. Fragment, aroiirfiöv. Erhalten die Namen
von vier (delphischen) Buleuten sowie von acht delphischen und gleich
vielen phocischen Zeugen. Jünger, als die vorherigen Verzeichnisse, da
die delphischen Magistrate hier ßaulfjovrag genannt werden. — S. 332
n. 8. Fragment. Erhalten nur die Namenreste eines delphischen (aus
Amphissa) und zweier phocischen Zeugen.
492 Griechische Epigraphik.
ca.^223 Derselbe, BCH X 1886 S. 359 ff. n. 2—5. Stein mit vier In-
schriften in einheimischem Dialekt. — S. 359 f. n. 1. Proxeniedekret
des phocischen Bundes {0coxzTs) auf drei Larisäer, in äufserst einfacher
Form; datiert nach drei Phokarchen (aus Tithorra, Elatea, Panopeus)
und einem Schreiber. — S. 360 f. n. 2. Proxeniedekret der noXtg ribv
'FAazeojv auf den Böoter Kleorajachos, S. des Meilichos, aus Oropos. Der
Name des letzteren läfst sich herstellen nach zwei noch unedierten
Proxeniedekreten' aus dem Amphiareion zu Oropos, in welchen derselbe
als Sprecher fungiert, und in deren einem der Archon unserer Inschrift,
Gennaios aus Elatea, zum Proxenos ernannt wird. Wahrscheinlich be-
gegnet derselbe Kleomachos als Priester des Araphiaraos in einer an-
dern, nach dem Böotarchen Kaphisias datierten oropischen Inschrift.
Letzterer war im Amte zwischen 223 und 197 v. Chr.; hiernach würde
sich das Datum der vier elateischen Dekrete bestimmen — S. 361 f. n. 3.
Die TioXtg twv TAa\ri(uv verleiht dem Ötäer Alexon, S. des Alexaraenes,
£[c J Et . . . 00 die Proxenie mit den zugehörigen Privilegien. Datiert nach
dem Archouten Ampharetos und dem Schreiber {Ypaix[xazz.öov:()g ~oTj au\>-
sdpiou) Me[g]o[n]das , S. des Diokles. Am Schlufs werden drei Bürgen
erwähnt. — S. 363 n. 4. Der phocische Bund (ro xoivbv Oiuxiwv) er-
teilt einem Kreter, dessen Name nicht erhalten ist, wegen seiner den im
Peloponnes ansässigen Phociern geleisteten Dienste eine Belobigung und
bescbliefst die Errichtung eines Standbildes desselben durch die Pho-
karchen und einer Ehreninschrift durch die hier zum ersten Male be-
gegnenden dpcrr-r^peg^ sowie die Entsendung eines Abgesandten zur Ver-
kündigung der Beschlüsse, wahrscheinlich an die l'hocier im Peloponnes.
2. lahr- Derselbe, BCH XI 1887 S. 332 f. n. 9. Stelenfragraeut mit einem
^'^^^' Beschlufs des xotvhv 0ujxiujv ^ wonach das Heiligtum des Poseidon {tuu
[I]o]Tecoävo5) und der Amphitrita auf Tenos sowie die ganze Insel für
äau?M erklärt und zur Wiederherstellung des Tempels des Gottes fünf
Minen bewilligt werden. Da ein Krieg (wahrscheinlich gegen die Atoler)
die Phocier momentan verhindert, eine gröfsere Unterstützungssumme
beizusteuern, so wird den Tenieru zum Ersatz eine Belobigung und die
iGunoXiieia erteilt. Der Bia\poQ\ der Tenier, Thestias, S. des Diaitos,
soll aufserdem ein Geschenk von einer Mine erhalten und von den Pho-
karchen zu den Festmahlen gezogen werden. Abschriften des Dekrets
sollen aufgestellt werden im Heiligtum zag \^A\ü^a\)äg (19) iv Kpavalg
(somit ist das Attribut der Göttin Kpavaca ein Lokalname, nicht »die
Behelmte«; vgl. a. a. 0. S. 319f.), auf dem Markte von Elatea und in
Delphi. Die Kosten sollen die Phokarchen und die a.{pt\(Trrjpsg (s. o.) ent-
richten. — Einheimischer Dialekt. Wahrscheinlich 2. Jahrh. v. Chr.
Derselbe, a. a. 0. S. 340 f. n. 11. Zwei Fragmente einer Stoi-
chedoninschrift; wahrscheinlich Rest einer Rechnungsablage. Einheimi-
scher Dialekt.
via. Phocis: Elatea. 493
Derselbe, BCH X 1886 S. 364f. Zwei Proxeniedekrete auf einem
Stein; einheimischer Dialekt. — S. 364 n. 6. Fragment einer Belobi-
gung und eines Proxeniedekretes der Elateer auf einen Sosikles. —
S. 365 n. 7. Fragment eines gleichen Dekretes der Elateer zu Ehren
eines Arztes Ask[lapiodoros, datiert nach dem Archonten Ariston. Als
Bürge figuriert ein Arjistonj-mos, S. des Nikodoros. Dem Geehrten wird
u. a. das selten verliehene Privilegium der emv^oiica zu teil.
Derselbe, a. a. 0. S. 366 n. 8. Schlufs und Anfang zweier
Proxeniedekrete ; deren zweites wahrscheinlich von dem phocischen Bunde
einem Konon erteilt.
Derselbe, a. a. 0. S. 367. Dürftiges Fragment eines Dekretes,
in welchem die Zuerkennung von Ehrenbezeugungen mit den Privilegien
der Proxenie vereint zu sein scheint.
Derselbe, BCH XI 1887 S. 337 f. n. 10. Freilassungsurkunde
unter dem Archonten Kallipos, S. des Aristokles, und dem ypaiina-EUQ
zo~) (T'jvzopcou Polyxenos, S. des Xenokrates. In einer am 15. Tage des
5. Monats unter dem /scpoay.ÖTiog Xenodokos, S. des Theoguis, abgehal-
tenen Sitzung des Synedrion war die Freilassung des Stephanos, früheren
Sklaven des Lampron, sowie die Aufstellung der Freilassungsurkunde im
Tempel der Athana Kranaia im Namen seiner gegenwärtigen Herrin Me-
nekleia und der Stadt beschlossen worden; die Volksversammlung hatte
diesen Beschlufs genehmigt. Somit erklären der Damos von Elatea und
Menekleia, T. des Lampron, den Stephanos für frei. — Durch unsre In-
schrift wird die Erklärung des Suidas zu yeipoaxÜTioq = ol -äg xeipo-
zovcag imaxonouvreg gerechtfertigt; die Herausgg. des Thesaurus haben
daher mit Unrecht yetpo-ovtag in x^Tpag (nach der gewöhnlichen Bedeu-
tung von ■/^etpoaxÖTiog) geändert. — Einheimischer Dialekt.
Derselbe, a. a. 0. S. 341 n. 12. Fragment einer Freilassungs-
urkunde ; erujxehj-al sollen sein Athana, Zeus, Hermas, Apollou, Poseidon,
die Charites.
Derselbe, BCH X 1886 S. 377ff. n. 16. Freilassungsurkunden
auf drei Seiten einer in ca 50 Stücke zertrümmerten Stele. Von denen
der einen Seite werden vier, schon von E. Curtius, Anecdota Delphica
n. 39 mit vielen, durch die Umstände bedingten Fehlern veröffentlichte
Urkunden in besserer Lesung mitgeteilt. Die zweite Seite trägt eine
lange, gänzlich unleserliche Liste gleichen Inhalts. Die dritte, von Cur-
tius nicht gelesen, enthält den Freilassungsakt einer Sosinika durch Be-
renika und Nikok?]leis. Einheimischer Dialekt.
Derselbe, a. a. 0. S. 375 n. 13. Basis mit fragmentierter Ehren-
inschrift auf die dpy^'.i]ptt{a Flavia Lanica, die aus der von Decharme,
Inscr. de Beotie n. 16 mitgeteilten Inschrift aus Chäronea als lebens-
längliche Erzpriesterin des böotischen und phocischen Bundes am Heilig-
tum der Athena Itonia bekannt ist.
494 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. S. 375 u. 14. Basis. Theodora, T. des Kalli-
k[rates, ehrt ihre Tochter in Form einer Weihung an die Götter.
Derselbe, BGH XI 1887 S. 61. Fragment wahrscheinlich einer
Ehreninschrift auf Wiedererbauer einer Stoa der Göttin (Athena Kranaia).
Derselbe, BGH X 1886 S. 381 f. n. 18. Arg verstümmeltes Frag-
ment des Testaments eines reichen Herrn, der u. a. der Stadt ein Grund-
stück schenkt mit der Bedingung, dafs sein Andenken durch ein Fest,
verbunden mit Spielen und Opfern, geehrt werde.
49/48 Derselbe, a. a. 0. S. 371 n. 10. Der Demos der Elateer ehrt
den Proprätor Faustus Cornelius Sulla Epaphroditus (Sohn des Dikta-
tors und der Caecilia Metella) in Form einer Weihung an die Götter. Der
Titel dv-tarpdzrjyog für denselben ist neu. Aus einem Briefe Ciceros (ad Att.
9, 1) ist ersichtlich, dafs Faustus i. J. 49 dem Pompeius als Proquästor
nach Griechenland folgte; er kann den Titel eines Proprätors nur wäh-
rend des mit der Schlacht bei Pharsalus endigenden Feldzuges erhalten
haben.
Kaiser- Derselbe, BGH XI 1887 S. 319 n. 1. Thrasjeas und Preima
^^"' (= Prima) weihen die Statue ihres Sohnes Onesiphoros, eines Priesters
der Göttin, der Athana Kran[aia.
1 117 Derselbe, BGH X 1886 S. 372 n. 11. Basis. Bule und Demos
~^^^ der Elateer errichten dem Kaiser Hadriau eine Bildsäule ix -wv dpyu-
fjora/xceuTcxiuv xai ra/uBurcxaJv ^prjfxdzujv. — Das Amt der nur in römi-
scher Zeit und wahrscheinlich erst gegen Ausgang der Regierung Tra-
jans begegnenden dfjyupoTafjLcac scheint demjenigen der curatores kalen-
darii, auch cur. pecuuiae publicae genannten Beamten der okzidentali-
schen Städte zu entsprechen. Es ist von Interesse, dafs der eine der
beiden Männer, denen die Fürsorge für Errichtung der Statue übertragen
wird, T. Flavius Aristotimus — wahrscheinlich doch ein Phocier — Priester
des (böotischen) ApoUon Ptoios ist (vgl. zu n. 13 S. 493 u.). Den Grab-
stein des andern, T. Flavius Timoxenus, s. n. 26 (S. 495).
1 161 Derselbe, a. a. 0. S. 374 n. 12. Basis. Bule und Demos der
~^^° Elateer ehren den Kaiser Marcus Aurelius Antoninus Pius.
tca.200? Derselbe, BGH XI 1887 S. 342 n. 13. Rest einer Ehreninschrift:
Mm(Tcßou[Xov (2) Mvaacßo(j{Xou (3) 8\g 7:£pco[Sov£:-{4:)xuu , dpcaT[ou 'EX-
{b)XTV(j)v . Der Vater Mnasibulos fiel nach Paus. 10, 34, 5 im
Kampfe gegen die räuberischen Kostobokker (kurz nach 174 n. Ghr.),
nachdem er Ol. 235 = 160 n. Ghr. zweimal in Olympia gesiegt hatte.
Zu Elatea war ihm eine bronzene Bildsäule errichtet worden.
Derselbe, a a. 0. S. 344f. n. 14; nach einer Mitteilung des
Herausg. auch Löwy, Inschr. griech. Bildh. n. 135% ohne Ergänzungen.
Fragment einer Widmung (3 Distichen) des Eukleides an die ll\6Tvca
'ABavata.
via. Phocis: Elatea. Delphi. 495
Derselbe, a. a. 0. S. 346 n. 15. Weihinschrift; nur vier Eigen-
namen enthaltend: Meilichios (oder -chion), (2) Damostrata, (3) Mika,
(4) Choirina.
Derselbe, BCH X 1886 S. 358. Verstümmelte Weihinschrift:
Derselbe, a. a. 0. S. 375 n. 15. Fragment. Dem Zeus Apo-
tropaios werden Opfergaben geweiht. Die Namen der Dedikanten sind
verstümmelt.
Derselbe, a. a. 0. S. 383 n. 19. Metrische Grabschrift auf einen
in den besten Jahren {dx[p.a]Tg ivc adxppovnq rjßag) durch schnellen Tod
dahingerafften Damotimos, in welcher drei Hexameter mit gleich vielen
iambischen Senaren wechseln.
Derselbe, a. a. 0. S. 383f. n. 20. Berichtigte Abschrift von CIG
1731. — S. 381 n. 17. Grabstein: Archippa. — S. 384 n. 21: Anaxo.
— n. 22: Archinos, Theuxenos. — n. 25: Philokrates. — n. 23: 'Em
llpd^oi I rXaOxa. — n. 24: 'Em 'Ayaa-\dv8p(vi. — S. 385 n. 26. Z. 2: Tc.
0^a. T£c[/i6$£vog (s. n. 11 S. 494).
Derselbe, BCH IX 1885 S. 224 — 233. Neues Fragment des
edictum Diocletiani de pretiis in drei Kolumnen zu 45 bzw. 46 Zeilen.
A = Preise für leinene Kleiderstoffe. B = 4. Fragment der Inschrift
von Geronthrae col. II (CIL III p. 105), in welchem Z. 35. 36 auf grund
des neuen Textes herzustellen ist: Kunpia xal al lomai. Z. 17 — 46 un-
serer Inschrift decken sich mit Z. 1 — 24 des megarischen Fragments
(a. a 0. p. 1057). In letzterem ist auf grund unseres Textes zu er-
gänzen: Z. 22: cj, 7/O^ö-rv -MV cocüJZiTjv — , Z. 23: aaßdvujv faXarcuv — .
C 1 — 34 entspricht Z. 81 — 102 des megarischen Fragments, dessen Text
in erwünschter Weise ergänzt wird. Z. 35 — 46 Maxiraalpreise für Gold
und Goldarbeiter.
Delphi.
Fabricius, Jahrbuch des kais. deutsch, archäol. Inst. I 1886 ca. 478
S. 176 — 191 (mit Tafel). Eine Nachvergleichung der Inschrift des von
den Teilnehmern am Perserkriege in Delphi aufgestellten s. g. platäi-
schen Weihgeschenkes, der bekannten, jetzt in Konstantinopel befind-
lichen Schlangensäule (IGA 70. SIG 1. Roberts 259) hat mehrere Ab-
weichungen von den bisherigen Lesungen ergeben. Die Überschrift ist
in der bisher angenommenen Form (nach Göttling): Ano^iMiovi (V[cja;[i
aTäaavz' (2) d\v\dBrj\jr drJj M\rj8u}v ganz unmöglich, die erhaltenen Buch-
stabenreste ergeben vielmehr mit Sicherheit die Lesung: T]n[c8£ zuv (2)
TzuXepov [i.-{Z)m)Ä[i]psov (somit standen in jeder der drei Zeilen acht
Buchstaben), eine Fassung, die durchaus zu dem Bericht des Thuk. 1, 132
über den Inhalt der Inschrift stimmt, wofern man annimmt, dafs die
eigentliche Weihinschrift auf der Basis des Denkmals gestanden habe;
496 Griechische Epigraphik,
ihr Wortlaut ist bei Diod. 11, 33, 2 erhalten: 'EUddog Bufw^ofjou aw-
zrjps,^ ~ov8' dvid^Tfjxav \ oüoXoaüvrjg azujspag puödjievoc noXtag. — Auf
der elften Windung vermochte Fabricius, abweichend von den älteren
Abschriften {Esxuoviot), nur Hcxuovcoc zu erkennen; derselbe erklärt die
Möglichkeit einer Ergänzung des | zu E für ausgeschlossen. — Bauer,
Wiener Studien IX 1887 S. 223 — 228 sucht den Nachweis zu liefern,
dafs das Verzeichnis der delphischen Liste wie der olympischeu Inschrift
unabhängig von einander entstanden seien und daher das eine aus dem
andern nicht ergänzt oder verbessert werden dürfe. Die Verschieden-
heit beider Listen sei daher zu erklären, dafs nicht die Teilnahme an
den Schlachten allein, sondern aufserdem auch die Beitragsleistung zur
Errichtung der Denkmale den Anspruch auf Erwähnung gegeben habe.
Ar- LoUiug, MDAI XII 1887 S. 384 hat den von Pomtow, Sitz.-Ber.
der Berliner Akad. 1887 S. 707 (mir noch nicht zugänglich) besprochenen
Grabstein (bustrophedon) des Selinuntiers Archedamos: [ö]f/^[o]i ö[jo];^£-
[d]a[/x]-{2)e llo fJuBsa Ie-(S)Xiv6v~cos neu verglichen und teilt eine ge-
nauere Abschrift desselben mit. Auch die Rückseite des Steines trägt
eine Inschrift: lr/]pcov, »wodurch einerseits die Deutung der Hauptinschrift
als Grabschrift bestätigt, andrerseits, da die zweite Inschrift den ganzen
Raum der Rückseite einnimmt, die Vermutung zurückgewiesen wird, dafs
der Block mit seinem unteren Ende etwa in einen andern Block oder
die Erde eingelassen war.«
Foucart, BCH VII 1883 S. 409—439 veröffentlicht sechs De-
krete der Amphiktyonen (n. 2 — 4 und 6 von Haussoullier entdeckt),
sämtlich aus dem Ende des 3 oder der ersten Hälfte des 2. Jahrh.
250-200 V. Chr. — S. 409 f. n. 1 aus dem Archontat des Eudokos. Erteilung
der Prodikia u. s. w an den Knidier Sokrates, S. des Telesias, und an
den in Atollen wohnhaften Eleer Alexeinides, S. des Philonides. — Dar-
unter auf demselben Stein vier Proxeniedekrete der Delphier S. 41 5 f.
Die Proxenie wird erteilt 1. dem Knidier Sokrates, S. des Telesias, unter
dem Archonten Straton; 2. dem Eleer Alexeinides, S. des Philonides,
unter demselben Archonten (beide sind identisch mit den in dem oberen
Dekret Geehrten); 3. dem Tlepolemos, S. des Herakleides, AcoXeüg {nicht
»aus Äolien«, da sonst der Heimatsort angegeben wäre, sondern aus
einer Stadt dieses Namens, welche zum Bunde der Magneten gehörte;
Vgl. MDAI VII, 71), unter dem Archonten Eukles; 4. dem Protolaos
Malki (Ethnikon) e^ 'Ey^cvou^ unter dem Archonten Eukles. —
desgl. S. 416 f. n. 2. Erteilung der Prodikia u. s. w. an den in Delphi an-
sässigen Herniias, S. des Charixenes, unter dem Archonten Kallias. —
desgl. S. 420 n. 3. Desgl. an einen Antagoras, unter dem Archonten Erys. —
194/3 S. 421 f. n. 4. Desgl. au einen Achaiion und dessen Sohn Antagoras,
die zu Dienern {brajpi-at) der Hieromnemonen ernannt werden, unter
desgl. dem Archonten Peithagoras (194/3 v. Chr.). — S. 4230'. u. 5. Aus dem-
selben Jahre, wie die Reste des Präskripts zu ergeben scheinen. Ertei-
lung der gleichen Rechte an 8—10 Personen, deren Namen nicht voll-
via. Phocis: Delphi. 497
ständig erhalten sind. Rechts daneben unleserliche Reste eines Proxenie-
dekrets (S. 426). Darunter ein Proxeniedekret der Delphier auf den Eleer
Kyllon, S. des Kyllon, unter dem Archonten Kallikles (S. 426 f.). —
S. 427 ff. u. 6. Vollständige Abschrift des von Wescher-Foucart, Inscr. iW7
ined. de Delphes n. 459 nur dem Anfang nach mitgeteilten, 33 Zeilen
umfassenden Dekretes: Unter dem Archonten Praxias (178/7 v. Chr.)
beschliefsen die Hieromnemonen, dafs ein Teil des heiligen Bezirks den
Rindern und Pferden des Gottes als Weideland überlassen werden soll.
— [Hieran reiht der Herausg. S. 431 ff. eine Auseinandersetzung über
den wechselnden Bestand der Amphiktyonen von der vormacedonischen
bis auf die Römerzeit.]
Haussoullier, BCH VLI 1883 S. 189 — 203 n. 93. Drei Frag- 200-1
mente einer geographisch geordneten Liste delphischer Proxenen:
A) (67 Zeilen und Zeilenreste) aus Südgriechenland: B) (49 Z. und Zeilen-
reste) aus Mittel-, Nord- und Grofsgriechenland; C) (16 Z. und Zeilen-
reste) aus Thessalien und Umgegend. — Latischew, MDAI VIII 1883
S. 381 f. möchte C 5 auf Grund einer in Korkyra gefundenen Inschrift
(Wachsmuth, Rhein. Mus. XVIII, 540) Muwaca lesen. Diese Stadt müsse
in Thessalien, wenngleich in nächster Nachbarschaft von Perrhäbien, ge-
legen haben, da sonst in der Inschrift der thessalische Strateg nicht er-
wähnt wäre. — Nikitsky, MDAI X 1885 S. 101 f. giebt ein weiteres
Fragment der Liste. Die Vorderseite desselben (a, 19 Z.) enthält die
Proxenen in den Küstenstädten Kleinasiens in streng geographischer,
nur an zwei Stellen unterbrochener Ordnung; auf der linken Schmalseite
(b, 21 Z.) ist nur der Stadtname 'AoYc.i^ta (?) Z. 5 lesbar. — Da die
Ernennung delphischer Proxenen in Massilia und Elea nach andern Ur-
kunden in das Jahr 196 bezw. 176 v. Chr. fällt, so ist die Liste der
ersten Hälfte des 2. Jahrh. v. Ghr. zuzuweisen.-
Bergk, Die Liste der delphischen Gastfreunde, Philologus XLII ca. \i
1883 S. 228 — 265, behandelt das von Wescher und Foucart, Inscr.
recueillies ä Delphes n. 18 veröffentlichte Verzeichnis der Proxenoi von
Delphi, welches Mommsen, Philologus XXIV S. 1—48 zur chronolo-
gischen Anordnung der delphischeu Archonten benutzte und — gleich-
zeitig mit Bergk — Dittenberger, SIG 198 mit ausführlichem Kommen-
tar versehen hat. — Das Verzeichnis beginnt Ol. 145, 4 = 197/6 v. Chr.,
offenbar anknüpfend an ein wichtiges historisches Ereignis, die Prokla-
mation der Unabhängigkeit der griechischen Staaten an den Isthmien.
Wahrscheinlich geschah die Aufstellung der Liste gleichfalls im Anschlufs
an ein entscheidendes Faktum, die Zerstörung Korinths und die Unter-
werfung Griechenlands unter das römische Regiment. Mommsens Vor-
stellung, als ob das Verzeichnis nach und nach entstanden sei, ist irrig.
Ob die Behörde ein förmliches Protokoll führte, ist zweifelhaft; jeden-
falls war dasselbe nicht mehr vorhanden, als man beschlofs, die Liste
aufzustellen. Der mit der Abfassung des Katalogs betraute Beamte be-
Jaliiebbericht für Altenhiimswiaaeniicbaft LH. ,1887. III j 32
498 Griechische Epigraphik.
nutzte die einzelnen Urkunden, soweit sie noch vorhanden waren; aber
er begnügte sich, die namhafteren Personen auszuwählen: gegen Ende
wird das Verzeichnis dürftiger und lückenhafter. Die Redaktion ist
nichts weniger, als sorgfältig; so wird die chronologische Folge öfters
verletzt, ein Umstand, der Mommsens Annahme von der successiven Ein-
tragung der Proxenoi widerlegt. Es sind meist Proxenieerteilungen an
einzelne Personen, vereinzelt auch an Festgesandtschaften und einzelne
Familien verzeichnet. Bemerkenswert ist, dafs die meisten Verleihungen
in die zweite Jahreshälfte fallen; der Besuch des Heiligtums raufs daher
in der Zeit von Februar bis Juni (Juli) besonders lebhaft gewesen sein.
Wichtig ist das Verzeichnis dadurch, dafs sich wenigstens ein Teil der
Freilassungsurkunden von Delphi nun chronologisch ordnen läfst; ferner
giebt es eine fast vollständige Liste der Strategen des ätolischen Bundes
für die letzte Zeit desselben; endlich werden eine Reihe mehr oder minder
namhafter Männer aufgeführt. Das wesentlichste Hülfsmittel, das Amts-
jahr der Archonten zu bestimmen, bieten die Freilassungsurkundeu, die
oft in der Überschrift zugleich den jedesmaligen ätolischen Strategen
nennen. S. 237f. stellt Bergk eine Liste der delphischen Archon-
ten und der ätolischen Strategen auf, nach Olympiaden und der
christlichen Zeitrechnung geordnet. — Darauf wendet sich der Verf. zu '
der Liste der delphischen Gastfreunde. Nur Quinctius Flamininus
und die zugleich mit ihm genannten Römer haben die Aufmerksamkeit
auf sich gezogen. Wie die Erteilung der Proxenie an ersteren unzweifel-
haft auf politischer Berechnung beruhte, so mag dies Motiv auch in an-
deren Fällen mitgewirkt haben. S. 242 — 265 folgt eine nach Olympia-
den geordnete Übersicht über die delphischen Proxenoi. — Vgl. Ditten-
berger, a. a. 0. — Nikitsky, MDAI X 1885 S. 103f. giebt auf grund
eines neuen Abklatsches einige abweichende Lesarten und Ergänzungen
der Liste.
1.50? Stamatakes, 'E<p. äpy^. 1883 S. 161 — 163. Nach verstümmelten,
von Nikitsky, 'E(p. äpi- 1884 Sp. 217 — 219 hergestellten Bemerkungen
über die Veranlassung eines an den winterlichen Soterien gehaltenen
musischen Wettstreites folgt das Verzeichnis der Sieger in einheimischem
Dialekt. Mit geringen Ausnahmen sind es Thebaner. Aufser einem The-
baner, dessen Charakter nicht erhalten ist (Z. 5), werden registriert: ein
xcBapiüidug Tyrannias, S. des Automedes, aus Theben (Z. 6), zwei the-
banische lopEUTai (Z. 8. 9), ein r^ys-p-ojv nals (Z. 10), ein rjjepwv dv-
dpcüv (Z. 11), zwei weitere loptuzai (L. 13. 14), ein x](vpa>c8og 'AnoXXäg
(^zveä-rfi (Z. 15), ein (oder zwei?) auvayujvtarat (Z. 17), vier /opeurai
xujfxcuidou (Z. 19—22). — Nach Nikitsky, a. a. 0. Sp. 219 dürfte die
Liste der Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. oder der zweiten Hälfte desselben
angehören.
Derselbe, a. a. 0. Sp. 163—166. Proxeniedekret der Delphier
auf Aristarchos, S des Aitolion, Ku<patp£ug in einheimischem Dialekt.
via. Phocis: Delphi. Crissa. VIb. Locris et Doris 499
C r i s s a.
Dittenberger, Epigraphische Miscellen, in den »Historischen und '^a- 279
philol. Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berlin
1884 S. 294, ergänzt und bespricht das delphische Psephismafragment
MDAI V 1880 S. 202 n. 62 (Röhl I, 115). Die Ergänzung lautet: - - og
'Ayd&wv (2) Neori^eog xa{3)c rot d8s?.^£[ol (4) Quopioig Ttep\\ T{ß)äg rtpo-
liavT{rj{%)tag i7rav£v[c(7)a((Tavro, in[£l (8) u vaug xaT£[y.a{9)'')B7], xai e8ö[^£
(10) JeXfolg^ 9[oof)c(\\)otg a.T:uo6[iJ.e{\2)v räv ■npü[}j.a{\Z)vzrjiav, 7r[/>o(14)-
aXtiuzäv [ov(15)ra»v Tapav\zi{\Q)vüu, [Ä']/i£o/[roo - -. Der Ausdruck rcpo-
ahS}-at Z. 13/14 ist nicht direkt zu belegen, doch durch sprachliche
Analogieen zu rechtfertigen (rjkxiä)-rjg: rjhxüx = äXiwzai: alla, npopvd-
fjLwv : p.vdp.ov£g = Tipoaiacpvärai [SIG 252, 54. 321, 5. 369, 13]: alacp-vdrai
= TipvaXiwTat: dXtwrai). Der durch Agathon, Neoteles' Sohn, und seine
Brüder — offenbar Bürger von Thurii — an die Gemeinde Delphi gerichtete
erneute Antrag inbetreff der TipofiavTeia der Thurier hat seine Veran-
lassung in einem Tempelbrande (Z. 8/9), bei welchem die Urkunde über
die Promantie der Thurier zu gründe gegangen war (vgl. das auf einen
ähnlichen Anlafs zurückzuführende attische Dekret für die Söhne des
Apemantos CIA II 3. SIG 49). Dieser Tempelbrand kann nicht auf
das bekannte Ereignis des Jahres 548 v. Chr. bezogen werden, da zu
jener Zeit Thurii noch nicht existierte. Wahrscheinlich fand er bei Ge-
legenheit der gallischen Invasion i. J. 279 v. Chr. statt. Das tendenziöse
Schweigen der Schriftsteller über diese Katastrophe — sie erwähnen nur
eine Plünderung — kann in keiner Weise als Beweis gegen die That-
sächlichkeit desselben gelten. — Auf dieselbe Veranlassung ist wohl auch
die Erneuerung der Promantie der Naxier zurückzuführen. Das Dekret
(Wescher, Revue arch. IV 1861 S. 314. Foucart, Archives des missions
scient et litt. ser. II tom. II 1865 S. 90 = Revue arch. VIII 1863 S. 56.
Wescher-Foucart, Inscr. recueillies ä Delphes 466) erwähnt zwar die
Veranlassung nicht, aber der Wortlaut {dtl<po\ dnsdajxav (2) Na^totg räv
■npojiavzrjtav (3) xazzd dpyaTa, äp^üvvog (4) 0£oXÜtoo^ ßooXeüovxog (5)
'Emyivsog) weist auf einen analogen Fall. Auch spricht für die Gleich-
zeitigkeit beider Inschriften die Beibehaltung der älteren Form rtpoimv-
TTfj'ia^ während auf den sehr zahlreichen delphischen Inschriften aus dem
Ende des 3 und dem 2. Jahrh. v. Chr. das der späteren Gemeinsprache
angehörige npüpo-v-Eca begegnet. Irrig schliefst Foucart aus jener Form,
die Inschrift für Naxos sei in ionischem Dialekt abgefafst und rückt die-
selbe ins 4. oder 5. Jahrh. v. Chr. hinauf.
VIb. Locris et Doris.
Bechtel, Die lokrischen Inschriften. SGDI II Heft 1 1885 S. 47—62
n. 1474—1510 (Nachtrag S. 90). Über Doris s. denselben, a. a. 0. S. 62.
Rez. s. S. 392.
32*
500 (Erriechische Epigraphik.
Oeanthea (und Opus),
iGA 321 Dittenberger, Index schol. Hai. Winter 1885/86 p. XIsq. ver-
teidigt die Curtiussche Lesung der Erztafel von Oiantheia IGA 321 (SGDI
1478) Z. 1 : xä{~) tmvSs dmfocxca, indem er einerseits aus dem Schlüsse
der Inschrift von Opus (Talanti) Athenaion I, 489 und Archäol. Ztg.
XXXI 1874 S. 142 = SGDI 1508 (nach seinen Ergänzungen: iv^at-
ve~[a) 8k Ttozl Tä]v ßoitXäv xa&' wv xai zag äXXag svcpaviag^ xac uno-
dcxog [iffzw, oarcg x]a fii] tcB^, Seav auröv) lokr. xa&' wv = att. xaB'
ä und dem entspi'echend lokr. xär zwvds = att. xarä rdos nachweist
und andrerseits zur Erklärung von äruj-otxta aus ä irufocxca annimmt,
dafs im lokrischen Dialekt, wie im dorischen (vgl. Ahrens II 195), äe
und ä7] in ;y, dagegen äs in ä kontrahiert worden sei. Vgl. Bechtel,
SGDI II, 1 S. 90.
IGA 322 Derselbe, a. a. 0. p. XII stützt die Röhlsche Lesung der zweiten
Erztafel von Oiantheia IGA 322 (SGDI 1479) Z. 8/9: 8mX\e!ü) »ojearaj
(Dittenb.: ßw-jarw) = att. rö» dc7:?.aj Qr/ [JLtoijad^u) durch die von ihm her-
gestellte Lesung der attischen Inschrift CIA 11 841 (SIG 359) Z. 15:
äv 8k iXeüi^epog sc, {^[oj cjdaec auzov 6 lepeüg. Vgl. ßechtel, a. a. 0.
VIc. Tiiessalia.
Fick, Die thessalischen Inschriften. SGDI I Heft 2 1883 S. 125
— 143 n. 324 — 373 (einschliefslich der Münzlegenden). Nachträge Bd. I
Heft 4 1884 S. 377—386 n. 1278—1333 (dazu Prellwitz, De dialecto
Thessalica. Gott. 1885. S. 2—4 n. I— XIII). Meister, Wortregister
zu den thessalischen Inschriften. SGDI IV Heft I 1886 S. 26 — 40. —
Rez. s S. 391.
Derselbe, Die änianischen Inschriften. SGDI II Heft 1 1885
S. 29—33 n. 1429—1438 (= Bezzenb. Beitr. VII 1883 S. 252—255). —
Rez. s. S. 392.
Derselbe, Die phthiotischen Inschriften. SGDI II Heft 1 1885
S. 34—46 n. 1439—1473 (= Bezzenb. Beitr. VI 1880 S. 307—325). —
Rez. s. a. a. 0.
L a m i a.
300-250? Latischew, MDAI VII 1882 S. 361 n. 22. Im Hofe des Ezvo-
ouysiov zwv Etvcuv. 19 zeilige, unten abgebrochene Inschriftplatte, die
als Thürstufe dient und wegen ihres abgeriebenen Zustaudes nur mit
Mühe entziffert werden kann. Dieselbe enthält ein genau azorj^r^obv (je
18 Buchst.) geschriebenes, knapp gefafstes Proxeniedekret der Lamier
auf Hippokrates und Damokritos, Söhne des Simmias, aus Larisa. —
Dem Schriftcharakter nach (OMPC) möchte der Herausg. die Inschrift
dem 4. oder der ersten Hälfte des 3. Jahrh. v. Chr. zuweisen
VIb. Locris et Doris: Oeanthea. VIc. Thessalia: Lamia. Narthacium. 501
Derselbe, a. a. 0. S. 363 n. 23. (Cauer, Del. 2 386«. Fick, 2- Jahr-
hund :"
SGDI 1447.) Im Vorhofe des Centralmuseuras zu Athen. Zuerst heraus-
gegeben von Kumanudes in der griech. Zeitschrift ^E(prjn£p]g tujv (ptlo-
lia&wv 24. Okt. 1864 n. 541 nach einer Kopie von Blastos, nach Über-
führung des Steines nach Athen von Eustratiades in derselben Zeitschrift
22. Dez. 1866 n. 617 nach eigener Kopie wiederholt; beide in Minus-
keln und nicht fehlerlos. Wortreiches, 16 zeiliges Proxeniedekret spä-
terer Zeit auf den Rofsarzt Mrj-juooujpog 'Ayopopi^^eog aus Pelinna {lle-
hvvaeüg) wegen unentgeltlicher Kuren. — Schon Eustratiades bat be-
merkt, dafs das Dekret wegen des im Präskript genannten th essaii-
schen Strategen nicht vor 189 fallen kann, in welchem Jahre Lamia von
der Herrschaft des ätolischen Bundes befreit wurde und mit dem thessa-
lischen in Verbindung trat. Auch kann dasselbe nicht aus den 10 fol-
genden Jahren stammen, da der Stratege Timasitheos in dem Katalog
thessalischer Strategen bei Eusebius (chron. 1 , 340 Aucher) nicht ge-
nannt ist. Trotzdem möchte der Herausg. das Dekret noch dem 2. Jahrh.
V. Chr. zuweisen. — Der auch bei andern griechischen Völkerschaften
vorkommende Monatsname Ooog Z. 4 ergänzt die Liste der lamischen
Monate, so dafs der von Bergk, Beiträge zur griech. Monatskunde S. 58
vorgeschlagene Monatsname hdpaiog hinfällig wird. — AOPTT-
Narthacium.
Latischew, BCH VI 1882 S. 581ff. Zwei Steine von der Trümmer- 160-139
Stätte der byzantinischen Kirche des h. Johannes, auf welcher auch der
a. a. 0. S. 364ff. n. 1 (genauere Kopie von S. 356ff; vgl. Röhl I, 120)
mitgeteilte Senatsbeschlufs gefunden wurde-, welch letzterer nach einer
Anmerkung des Herausg. zu S. 580 vielmehr der Zeit von 150 — 139
(nicht 146) v. Chr. zuzuweisen ist. Nach Lolling, MD AI X 1885 S. 284
ist A Z. 4 KuScnTTou zu lesen statt 0ztomrMu. — n. 2 a. a. 0. enthält
ein Verzeichnis narthakischer Bürger, welche die Proxenenwürde von zu-
sammen mindestens 27 griechischen und kleinasiatischen Städten beklei-
deten, und welches zu Nutz und Frommen der zuwandernden Fremden
auf dem Marktplatze aufgestellt sein mochte (bisher das einzige Bei-
spiel dieser Art aus dem klass. Altertum). Lolling, a. a. 0. S. 284 giebt
auf grund einer Neuvergleichung einige berichtigte Lesarten. — n. 3
a. a. 0. S. 588 f. scheint das Fragment der Liste einer Bürgerabteilung
in 2 Kolumnen (Tribus, Phratrie oder yhog) zu sein. Hierzu veröffent-
licht Lolling, a. a. 0. S. 284 ein neues Fragment, durch welches eine
der Kolumnen vervollständigt und die Anfänge einer dritten Kolumne
bekannt werden. — Die drei Inschriften stehen zeitlich einander sehr
nahe. n. 2 dürfte als älteste um 160 v. Chr. verfafst sein. In ihr be-
gegnen drei der in n. 3 verzeichneten Bürger und eben so viele Väter
von letzteren; auch erwähnt sie den Vater eines der Archonten von
502 Griechische Epigraphik.
n. 1. In n. 3 lassen sich die Namen zweier Archonten der Inschr. 1
restituieren. Die beiden letzteren Inschriften scheinen von demselben
Steinmetzen herzurühren.
H a 1 u s.
Foucart (nach einem Abklatsch von Fougeres), BCH XI 1887
S. 364—368. Auf zwei Seiten beschriebene Stele, jetzt in Volo (Seite A
unvollständig bei Heuzey, Miss. arch. de Macedoine S. 431, dessen Ab-
schrift durchweg bestätigt wird), mit einer Liste von Freigelassenen aus
den Amtsjahren des thessalischen Strategen Ptolemaios, S. des The-
[mi]stogenes, aus Gyrton (A, 1 — 59), und des Italos, S. des Philiskos,
aus Gyrton (A, 60 — 76. B, l — 72). Da die Namen beider Strategen in
der bis 179 v. Chr. reichenden Liste des Eusebius fehlen, so ist die In-
schrift jüngeren Datums; doch deuten die Erwähnung von Stateren (15
mufsten von jedem Freigelassenen an die Stadtkasse entrichtet werden)
und das Fehlen römischer Namen auf vorrömische Zeit. Das Datum wird
nächst dem Namen des Strategen durch den des halbjährlich gewählten
einheimischen Schatzmeisters bestimmt. Dem Namen des Freigelassenen
folgt ein zweiter Name im Genetiv (oft des Herrn oder seines Vaters,
so 14 mal unter 34; oft auch eines Dritten als Patron oder Prostates).
Wenig üblich ist in Thessalien eine Klausel, wie die des Menekles B, 60,
wonach die Freigelassenen bis zum Tode des Herrn in dessen Diensten
verbleiben sollen. Der Ausdruck dr.eXBoBepuj&eig xazä 8tav6rjacv B, 20.
37. 43 scheint gleichbedeutend zu sein mit — xazä 8ca>9rjxrjv. Der Ka-
lender von Halos (der vielleicht bei allen phthiotischen Achäern in Ge-
brauch war) wird durch die Inschrift in folgender Weise bestimmt:
1. Adromios, 2. Euönios, 3. Pythoios, 4. Hagnaios, 5. [Genetios]? Ge-
netios embolimos, 6. Dionysios, 7. Megalartios, 8. Themistios, 9. Dema-
tros, 10. Hekalombios, 11. Homolöios, 12. Thyios. — Vgl. die Monats-
liste S. 504.
Monceaux, BCH VII 1883 S. 61 n. 19. — Deckstein eines Brun-
nens: 'E?^ms I Sb\io8uxoö.
Thebae Phthiotides.
Monceaux, BCH VII 1883 S. 61 n. 18 (Cauer, Del. 2 391. Fick,
SGDI 1471); berichtigt Lolling, MD AI XI 1886 S. 51 n. 18. Dorf
Ekkitschi. Grabstein : "Avdpwv \ /l]anoxpdT£og.
Lolling, a. a. 0. n. 19. Ebd. Sarkophaginschrift (ungenügend
Lebas, Thess. 1175): Acoyswg re/jL[e]?i'{2)hcvrjg, [^]p£7:[r]^ oe Ilo-{S)h$svou.
Derselbe, a. a. 0. n. 20. Ebd. Grabstele (unvollständiger Lebas,
a. a. 0. 1168): a) Awprjdrjg (2) Uacocvoo^ (3) ' E^kavoxpdreca (4) Happi-
vovTog. b) (5) 'AvTcrtärpa (6) Ji]op[rj]§oog. c) mit umgestürzten Buch-
staben: (7) 'AptaroTzokg, (8) Ma^drag.
VIc. Thessalia: Halus. Thebae Phthiotides Melitaea. Thaumaci 503
Melitaea und Umgegend.
Monceaux, BCH VII 1883 S. 4lf. ii. 1 (Cauer, Del. 2 388. um2oo?
Fick, SGDI 1453). Schenkungsurkunde: 'A[x6vav8pog (2) Ma^äscog za
(3) TioXi iocvxs £-{4)v raw 7iu?mv x-{5)ac iv rä T£c^-{ß)r] dpyupcoü T-(1)d-
lavra 8ixa. — Der freigebige Stifter ist vielleicht identisch mit dem
Athamanenfürsten gleichen Namens , welcher um 200 v. Chr. lebte.
KMPe
Derselbe, a. a. 0. S. 43 n. 2. (Fick, SGDI 1454.) Kloster der
Hagia Triada: Me^cra, Jajiofpsc'orjg. Variante zu der Parnassos 1878
S. 483 mitgeteilten Grabschrift: MeXizata do.jiü(fEtori (Röhl I, 120).
Derselbe, a. a. 0. S. 44 n. 3. — Ebd. Grabstele: Z\zp6.zmno\q
I Ntxovcdoo.
Ka'itsa (antiker Stadtname unbekannt, nach den Dorfbewohnern
= Aglae; K. = »petit village du mont Othrys, ä l'ouest du lac Nez6ro,
ä 4 heures de Domoko« = Thaumaci). — Monceaux, BCH VII 1883'
S. 50 n. 6. Grabstele am Dorfbrunnen. Über zwei Basreliefs: Euzu^og
zöv ulüv Euzu^ov (2) izapap-uB^iaq (3) evbxev rjpoja.
Thaumaci.
Monceaux, BCH VU 1883 S. 44f. n. 4. (Fick, SGDI 1459). ivo-ue
Proxeniedekret auf 'AMc]cn7Tog xal ' Inr.oXo^og ol ^InnoXo/ot) AapcaaaTot,
in einheimischem Dialekt, aus dem Jahre des thessalischen Strategen
Alexippos (aufser demselben werden drei Archonten und ein Schatz-
meister genannt), welch letzterer wahrscheinlich identisch ist mit dem
einen der beiden Geehrten. Nach der uns erhaltenen Liste thessalischer
Strategen für die Jahre 195—179 v. Chr. (Müller, fragm. bist. gr. III
p, 704) bekleidete der Vater Hippolochos diese Würde i. J. 181 v. Chr.,
nach einem Amphiktyonendekret BCH VU S. 427 ff. die eines Hiero-
mnemon der Thessaler 178/177 v. Chr. Fick möchte die Inschrift um 160
setzen. AKTKP).
Lolling, MDAI VHI 1883 S. 128. Am Fufs der Festungsmauer August.
des türkischen Kastells von Domoko kopfüber eingemauert. 14 zeiliges ^''"'
Proxeniedekret von Thaumaci zu Ehren des Gyrtoniers 'Avopöai^dvrjg
[0spc]a[z]ayevoug, von welchem bei Lebas, Thessalie 1181 etwa die Hälfte
publiziert ist. Aus der Zeit des Augustus, wie ein Vergleich mit Ussing n. 4
lehrt, einer Freilassungsurkunde von Pherae, aus der Lolling den Vaters-
namen des A. ergänzt hat; vermutlich in dem Jahre nach seiner Stra-
tegie abgefafst.
Derselbe, a. a. 0. 8. 192. Neue berichtigte Kopie des BCH 1 283
VH 1883 S. 48f. n. 5 in ungenügender Abschrift von Monceaux mitge-
teilten, bei der Metropolis von Domoko aufbewahrten Meilensteines in
504 Griechische Epigraphik.
Säulenform. Ehreninschrift auf die Imperatoren M. Aurelius Carus und
M. Aurelius Carinus und den Cäsar M. Aurelius Numerianus. »Die In-
schrift fällt in die erste Hälfte des Jahres 283 n. Chr. Numerianus führt
noch nicht den Imperatorentitel, wie sein Bruder Carinus, der mit dieser
Würde und der Macht eines Augustus ausgestattet wurde, als Carus mit
dem jüngeren Sohne in den Orient zog.« — Die Inschrift auf der Rück-
seite ist vielleicht älter, aber zu stark verletzt, um einen zusammenhän-
genden Sinn zu geben.
Pharsalus.
IGA325 Lolling, MDAI VII 1882 S. 226. (Röhl, IGA 325). Archaische
Inschrift im Dorfe Chadschi-Amar, iV* Stunden westlich von Pharsalus,
über der Westthür der Kapelle des Hagios Georgios als Oberschwelle
kopfüber eingemauert, a-ot/r^Sov. L. liest: üä/xa t]68' ä fxdrep Acox^iac
iaaraa' 'E^evat^, \ yo'\u)aa üt' dvopog (= dviüpatg) oXsto uv dya&og. |
Uoc, Jco]xX£a, rsog ddelcpsoq £(T(TTay£^o[cßdv? | nag 8k xa]TotxTipag ävopa
dyadbv napiTo. Vgl. Röhl I, 121. — v. Wilamowitz-MöUendorff,
Ind. schob Gott. Winter 1885/86 p. 13 liest u. a. Z. 3: Eaaxa [Trjjy^öi
(= att. ~r^loo).
Monceaux, BCH VII 1883 S. 51 n. 7. Im Garten einer Moschee.
Basisinschrift: '^0'\pT^pov 0apaaXiu)v \ tj noXig. In dem gefeierten National-
dichter ehrte die Stadt sich selbst, denn nach Eustathius (ad IL I, 155)
ist Pharsalus identisch mit Phthia, der Heimat des Achilleus.
Berl. philol. Wochenschr. 1887 n. 29 Sp. 900: »In Pharsalus hat
Herr Tousser, Mitglied der ficole frauQaise in Athen, ein schönes Bas-
relief mit fünf Köpfen und der Inschrift: — re'a lüpijxa'/og 0pa-
aodaiog dviBrjxev gefunden. Obschon stark verletzt, zeugt es von treff-
licher Arbeit und Ausbildung«
Metropolis (Hestiaeotis).
Monceaux, BCH VII 1883 S. 52 n. 8. Ohne näheren Fundort.
11 zeiliges Fragment einer Liste von Freigelassenen, wichtig für die Be-
stimmung der Reihenfolge der Monate. Durch Kombination der in unsrer
Inschrift gebotenen Anhaltspunkte mit den in der Inschr. von Halus bei
Heuzey, Mission de Macedoine S. 431 und von Larisa bei Duchesne et
Bayet, Mission au mont Athos n. 163 gegebenen bestimmt der Herausg.
die Reihenfolge der thessalischen Monate in folgender Weise: I. Halb-
jahr: 1. 'Aopöpiog^ 2. Eoiüvcog. 3. fJüHuiog, 4. Ayvacog, 5. oder 6. levs-
Tcog, 6. oder 5. MeyaMprtog. II. Halbjahr: 7. Aea^aväptog, 8. "A<ppiog,
9. Qöog^ 10. ^Ep[xalog^ 11. 'Iru/vcog, 12. Os/x/anog. — 13. (Schaltmonat in
jedem 8. Jahre) 'OpoXiutog. Vgl. die Monatsliste S. 502. — Da nach der
delphischen Inschrift bei Wescher und Foucart, Inscr. de Delphes n. 55
der thessalische düog dem delphischen 'Ev8oanocTp6mog und somit dem
attischen Mouvu^iwv zu entsprechen scheint, so hätte das thessalische
VIc. Thessalia: Thaumaci. Pharsalus. Metropolis etc. 505
Jahr einen Monat vor dem attischen begonnen, und der erste thessalische
Monat, ]iSp6/jL(oc, würde etwa unserm Juni entsprechen.
Lolling, MD AI VIII 1883 S. 210. An der Ecke eines Privat-
hauses (Evangelis Kukutzil) in Paläokastro eingemauertes, 9 zeiliges Frag-
ment einer Freilassungsui'kunde, vielleicht zu der vorstehenden Inschrift,
jedenfalls aber zu derselben Epoche gehörig.
Mordtmann, h'E0I XV 1884 S. 4 giebt berichtigte Lesungen
zu der Freilassungsurkunde Leake, Travels in North. Greece n. 7.
'O!louu KapaXäp (Eparchie Karditsa).
Kirchhoff, Hermes XX 1885 S. 158 (Prellwitz, De dial. Thessa- um 4oo
lica. Gott. 1885 p. 4 n. XI) teilt nach zwei Abschriften und einem Ab-
klatsch des Prof. Phintiklis in Athen »eine altthessalische Grabschrift«
(nicht viel jünger, als 400 v. Chr.) mit, die auf zwei an einander stofsen-
den Seitenflächen einer Basis eingehauen ist:
a) Mväjx^ ijü nafj(p)c- ß) döa, ^og obx i[~0-
aza-o (pa'jyev^ d — ^(^)' aoHe nep yäg
zäade rroM ^)ov d — pcars'jov i&ave.
Beabsichtigt ist ein Distichon; doch ist der Pentameter völlig aus den
Fugen gegangen. Schwierigkeit für die Erklärung bietet auBe ß) Z. 2.
Vgl. Usener, Altgriech. Versbau S 32 f. 86.
T r i c c a.
Monceaux, BGH VII 1883 S. 57f. n. 9. Mordtmann, KE02
XV 1884 S. 3. Jetzt im Gymnasium; ehemals in der Phaneromenikirche
eingemauert. Entdeckt von Ussing, Griech. Reisen und Studien S. 67,
doch nicht kopiert. Jetzt in schlechter Verfassung. 21 zeiliges, rings
verstümmeltes Bruchstück der Entscheidung eines nach der Inschrift von
Daulis CIG 1732 vorauszusetzenden, von dem römischen Prokonsul er-
nannten Schiedsrichters hinsichtlich einiger zwischen dem Privaten Aga-
thomenes und der durch iyoixoi. vertretenen Stadt Tpcxa (so zweimal mit
nur einem K, entgegen dem Brauch der Münzen und Handschr.) strei-
tigen Ländereien.
Die von Ussing a. a. 0. erwähnte, jedoch gleichfalls nicht abge-
schriebene lange Inschrift in der Kapelle des Hagios Demetrios ist jetzt
nicht mehr lesbar, da der Stein y^pr^mixeözi dnu r.oXXou scg rpcßrjv nX'jvo-
jievwv TTpay/iazcov. — Mordtmann, a. a. 0. S. 4.
Mordtmann, a.a. 0. S. 4. Lolling, MDAI XII 1887 S. 358 n. 146
(ungenau Damirales, Parnassos VI 1882 S. 344. 861; vgl. Röhl 1, 121).
An der Aufsenseite der Kirche rrjg 'Ayto-g 'Kztaxdif'scug eingemauert; jetzt
im Gymnasium. Unter der kunstlosen Darstellung eines Jünglings zu
Pferde; 8 zeilige, unten verstümmelte Grabschrift eines Bräutigams, nicht
ganz 1V2 Distichen erhalten: IJpug yd/j-ov ip-['I)^tJne)^oy xac £y-(3)<rr£-
(fävoig b}j.e-{\)vatoig (so) | r^pno-os Nei-{b)xtddrjv (Mordtm.; Lolling: Metx-)
6 <pdove-{(o)pbg d^dvarog xrX.
506 Griechische Epigraphik.
Monceaux, a. a. 0. S. 59f. n. 10 giebt folgende Verbesserungen
zu dem Doppelepigramm Lebas II, 1201 (Kaibel, Epigr. Gr. 506): A) Z. 2
wird die von Kaibel gegebene Verbesserung des Lebasschen azfjamxov in
dTpamröv durch den Stein bestätigt. Z. 3 fehlt bei Lebas zwischen
^euaaeig raid' das Wort $sv£. — B) Z. 1: urujv xat statt rwvia. Z. 2
statt der Lücke: aeuv scm nfxmoXov. Z. 3 am Ende ^ev statt ^e. Z. 5
xa^apäv statt xa^ayav. Z. 8 7:'\pa)Tog statt (piuruQ.
Mordtmann, a. a. 0. Die gleichfalls metrische Inschrift CIG 1778
(Leake l7l. Lebas 1202. Kaibel 507), die sich »ii^ -crj äp^aca Maet -fj
npug r^v Se^täv o^Br^v zou TptxxaXrjVOu xetpewjv elg zrjv TMpä ztvt ya-
(pöpq. ■mfj-jrjva befindet, steht zur Hälfte im Wasser, so dafs eine neue Ab-
schrift unmöglich.
Monceaux, a. a. 0. S. 60 n. 11. Grabstele in einer Strafse öst-
lich vom Bazar: 'hrMiipag.
Lolling, MDAI VIII 1883 S. 120 n. 33. Parnasses VII 1883
S. 88 (Fick, SGDI 1281). Türkischer Friedhof am Rande von Trik-
kala am Wege nach Larisa. Grabstele: MivmTzog \ UszBdXstog.
Derselbe, a. a. 0. n. 37. (Fick, SGDI 1282.) Ebd. Grabstele:
EevoXaog Esvoövscog.
Derselbe, MDAI XII 1887 S. 358 n. 145 (Duchesne et Bayet,
Mission au mont Athos n. 192; Damirales, Parnassos VI 1882 S. 862
= Röhl I, 121). Ebd. Grabschrift des Eutychos auf seine Gattin Hed[eia.
Derselbe, a. a 0. S. 359 n. 147. Berichtigungen zu Leake, Tra-
vels in North. Greece IV n. l7l ; zuletzt Damirales, a. a. 0. Z. 1 Schlufs:
voücrouv. Z. 3 Schlufs: Fuivaa.
Mordtmann, a. a. 0. S. 4. Die Inschrift bei Heuzey, Mission en
Macedoine n. 229 befindet sich nicht in Kalampaka, sondern — wie auch
Ussing, Reisen S. 67 und Bayet-Duchesne, Mission au mont Athos n. 193
angeben — in Trikkala.
G 0 m p h i.
Lolling, MDAI XII 1887 S. 361 n. 150 (Heuzey, Macedoine n. 224).
An einem Brunnen im Dorfe Gelanthi. Sarkophaginschrift des Nikasippos,
S. des Xenarchos, auf seine Tochter Eleia (= Ailia?).
Dittenberger, Epigraphische Miscellen, in den »Histor. undphilol.
Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl. 1884
S. 290. In dem Epigramm bei Heuzey, Mission archeol. S. 439 n. 225
aus der Kirche des Dorfes Mavromati unweit des alten Gomphoi ist V. 1
zu lesen: 'J TidvTUJV xpiaaiuv 'Aperä fiezä rcaiSa &de<Txov — . »Befrem-
den könnte auf den ersten Blick die Anschauung, wonach die 'Apezä den
Knaben einzuholen strebt, während uns das Umgekehrte, die Vorstellung
von einem Lauf des Menschen, dessen Ziel die Tugend ist, ganz natür-
lich erscheint. Indefs der Pentameter motiviert jene Auffassung in durch-
VIc. Thessalia: Tricca. Gomphi. Phaloria. Aeginium etc. 507
aus angemessener Weise : Da der Knabe (durch Abstammung und natür-
liche Begabung) würdig schien, in die Zahl der Verehrer der 'Apezä ein-
zutreten, so strebte die Göttin danach, ihn für sich zu gewinnen, und
es wäre ihr auch gelungen, wenn nicht sein allzu früher Tod ihre Be-
mühungen vereitelt hätte«
Phaloria.
Lolling, MDAI XII 1887 S. 360 n. 149. Umfassungsmauer des
Hag. Nikolaos von Megarchi, am Fufse des Skumbos gefunden. Grab-
platte mit roher Reliefdarstellung von fünf Personen: Philotes und Ni-
karchos, SS. des Kleonymos, Harraodika, T. des Protogenes, Kleonyraos,
S. des Philotes, Har[modika?, T. des Hy - -.
Aeginium (Kalampaka).
Mordtmann, a. a. 0. S. 4 Die Inschriften Leake n. 6 — 8 finden
sich an der Quelle neben der Kapelle des Hag. Johannes Prodronios. n. 8
möchte M. lesen: ArjjioxfjäT{a rj\ xk [l^yaaiQ Hp£(pa-\vTa] a'j[Trj]g /xvecag
X^p^v. Nach Lolling, MDAI XII 1887 S. 359 n. 148 (Lebas 1209) ist
die Inschrift an der Frontseite der Prodromoskirche eingemauert. Unter
einem Reiterrelief die undeutlich erhaltenen Worte: Arjiiuxpaz . . t xk üij-
yaaig ot . £[u]a (2) . [^]y<T£i . . pvscag X'^P^^-
Zwischen Vlocho (Piresiae) und Kurtiki (Limnaeum).
Lolling, MDAI VHI 1883 S. 118 n. 24 (Fick, SGDI 1278).
Neben dem ye^üpi zoD npayixaTeo-crj. Grabstein: ßecpcwv oder Secpcuv.
Das zweite I ist zweifelhaft.
P hayttus.
Lolling, MDAI VIII 1883 S 113 n. 1 (Fick, SGDI 1279). An
der Kirche des Klosters Hag. Johannes Theologos bei Zarkos (dem alten
Phayttos) eingemauerte Grabschrift: 'Aßoprddag.
Derselbe, a. a. 0. S. 118 n. 26 (Fick, SGDI 1280). In Zarkos
(Haus des Epistaten) ungefähr V4 Stunde südl. vom Orte bei der alten
Ruinenstelle, welche nach dem Kapellchen des Hag. Johannes Kutzoke-
phalos benannt wird. Grabschrift: 77rTO<Tr^ar[og- \' hT:oxAEn.t[()g. Identisch
mit Monceaux, a. a. 0. S. 60 n. 12. Zarko, gefunden »dans la plaine
voisine«. Basisinschrift zu einer Statue aus römischer Zeit: ^limoarpa-
t[oc I '^l7:7:ox?>£!'3[ofj.
Derselbe, a. a. 0. S. 126. In der Nordostecke der Kapelle des
Hag. Nikolaos umgekehrt eingemauert. 27 zeiliges Fragment eines Proxenie-
dekretes auf einen [Gyrjtonier, dessen Name nicht erhalten ist. In Z. 28
— 33 schliefsen sich Überreste einer Freilassungsurkunde aus jüngerer
Zeit an.
508 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. S. 127. An der inneren Westseite der nie-
deren Ummauerung des Vorbaiis derselben Kapelle eingemauert. 15 zeiliges
Fragment eines Dekrets, in welchem es sich um die Aufzeichnung eines
Schiedsrichterspruches handelte. Der Dialekt stimmt mit dem der Proxenie-
dekrete von Lamia überein.
Derselbe, MDAI XII 1887 S. 357 n. 140. Epistasie von Zarkos,
unweit Hag. Nikolaos (Kutzokephalos). Grabstein: 'Ax]a<T~6^aov 0s:pa-
fievecov, (2) 'ETijcxpdTav Oscpiaxeiav.
Derselbe, a. a. 0. n. 141. Kloster des Hag. Johannes Theologos,
ca. Va St. von Zarkos. Grabstele des KJallipolis.
Derselbe, a. a. 0. S. 358 n. 142 Ruinen der Kapelle des Hag.
Johannes (Kutzokephalos genannt), V* St. südl. von Zarkos. Grabstein
der Kleotima —
Derselbe, a. a. 0. n. 143. 144. Kapelle des Hag. Taxiarchis
gegenüber Zarkos südl. vom Peneios, nach Atrax oder Phayttos gehörig?
Rohe Grabsteine der Malthaka und der Sophrona.
Scotussa.
Lolling, MDAI XI 1886 S. 52 n. 24. Dorf Arnautli. Kirche des
Hag. Nikolaos. Grabschrift: ' l7n{\oxpdry] (vollständig) (2) 'ApxeatXdoo,
(3) rjpu)g^ X^^P^'
P h e r a e.
Lolling, MDAI VII 1882 S. 234. (Prellwitz, De dial. Thess.
Gott. 1885 p. 2 n. I). Friedhof im SW. von Velestino (Pherae). 3 zei-
lige metrische Grabschrift. Ursprünglich wohl nur 2 zeilig: 'Aarayöpai
Tiarpl Yn'\aYa-{2)aLxXiag er.id^etxsv. Das folgende: dn . . . {S)£8£cxav p-vap.-
pzLov ist gewifs alt, aber doch nachträglicher Zusatz.
Derselbe, MDAI VIII 1883 S. 113f. n. 3 (Fick, SGDI 1283).
Grabschrift desselben Fundorts: AlaxuXig riapp£vi[uj\iog y'\<j\'[^ , X]^\^P^^'
Nach Fick: — IIappcVi[ouv£ca y]üv[d.
Monceaux, BCH VII 1883 S. 60 n. 14. Votivinschrift: KaUc-
xhca (2) [Inppzvtaxou (3) 'Evodcac (= Hekate) eh^apivrj.
Derselbe, a. a. 0. S. 61 n. 15. Grabschrift, Distichon. Nach
Dittenberger, Epigraphische Miscellen, in den »Histor. und philol. Auf-
sätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl. 1884
S. 301: Hwi^ojv p.kv mariv ^ ripüjv 8k dp^STrjv^ (2) d-dveg cu8e \ xdX' la-
cra[y6pd], narpcSog ix Teyiag. — »Der Herausg. schreibt haXca la--
(sehr nahe läge lrj.[TÖpou])^ aber das einfache Lambda in der Inschrift,
die durchaus nicht archaisch ist, sondern etwa aus dem 3. Jahrh. v. Chr.
stammt, wäre auffallend. Dagegen kommt der Name la.aayöpag aufser-
dem in der larisäischen Urkunde MDAI VII, 229 (s. S. 512 u.) vor, wo
Lolling mit Unrecht laayöpoo liest.«
Vic. Thessalia: Phayttus. Scotussa. Pherae. Demetrias. 509
Derselbe, a. a. 0. u. 16. Grabschrift: 'Entxpdza Uapiioveta.
Derselbe, a. a. 0. u. 17. Grabschrift: fJoXOsuxrog (2) xal Alvzrä
(3) Bcpoüvziot. Ygl. Bcppuuv^ BcppuuvsLog bei Heuzey, Mission de Mace-
doine S. 426 Z. 15. 19.
Derselbe, MDAI XI 1886 S. 50 n. 16. Grabstein der Hekat[o?].
Demetriasund Umgegend.
Lolling, MDAI VII 1882 S. 239. Makrinitza am Pelion. Neben
der Mittelthür an der Südseite der Panagia (Hauptkirche) eingemauert.
»Da andre an dieser Kirche eingemauerte Inschriften sicher aus dem
nahen Demetrias stammen, wird auch diese Basis daher verschleppt
sein.« Ehreninschrift auf Pompeius Magnus: f ö orjpog] \ rva7'\ov [ll]op-
r^ijiov [/ ]va.'6'['J uVuv \ tu rpc'zuv auzoxpd\zupa \ xov iauvoü suspyldvi^v. —
Vgl. die drei bisher bekannten Ehrenbasen auf Pompeius: GIG II 3608
von Neu-Ilion, CIL I 615. 616.
Derselbe, a. a. 0. S. 335 ff. Neue Publikationen dreier von Me-
zieres, Missions scient. 1853 S. 70 ff. nach ungenügenden Kopieen heraus-
gegebener Inschriften aus Makrinitza:
1. Lolling, a. a. 0. Mezieres n. l. An der Südseite der Pa-
nagiakirche eingemauert. 29 zeiliges Ehrendekret der urMaroXot, die nach
Ansicht des Herausg. die aus delischen Inschriften bekannten Melane-
phoren vertreten mochten, auf den Sarapispriester Kpcrivv Kpcrcuvog. —
Da sich auf demselben Stein, der im Sarapieion aufgestellt werden sollte,
auch eine zweizeilige jüngere Freilassungsurkuude findet, so folgert der
Herausg , dafs unter dem Schutze dieses Gottes, wenigstens in späterer
Zeit, bei den Magneten die Freilassungen vor sich gegangen seien.
2. Derselbe, a. a. 0. S. 338. Unvollständiger Mezieres n. 2.
Seitwärts der Basis des Pompeius (s. o.) eingemauert. 8 zeiliger Schlufs
eines Dekrets zu Ehren eines Mannes, der sich, wie es scheint, um das
Sarapieion verdient gemacht hatte.
3. Derselbe, a a. 0. S. 339. Unvollständiger Mezieres n. 3.
Schwer zugänglich; hoch an der Rückwand der Panagiakirche rechts von
der Mittelapsis eingemauert. 18 zeiliges Dekret zu Ehren dreier Stra-
tegen und dreier Nomophylakes. Der Zahl der Geehrten entsprechend
sind unter dem ersten Teile der Inschrift (zwischen Z. 5 und 6) 6 Oliven-
kränze in zwei Reihen dargestellt.
Auf den drei vorstehend erwähnten, sowie den beiden von Lolling,
MDAI VU S. 71—74 und 75 (Röhl I, 122 f.) mitgeteilten, ungefähr gleich-
zeitigen Inschriften beruht im wesentlichen unsere Kunde von der Or-
ganisation des Magnetenbundes in der Zeit zwischen Mummius und
Augustus (hiernach ist die auf S. 74 von dem Herausg. gegebene Zeit-
bestimmung zu modifizieren), welch letzterer die Bewohner des Pelion
nebst andern kleinen Gemeinden mit den Thessalern verschmolz. Als
510 Griechische Epigraphik.
Oberhaupt des Bundes figuriert auf den Inschriften der von Livius 35,
31. 39 erwähnte Magnetarches , hier als o (Tzpan^yog tü)v MayvrjTujv^ o
xotvhg azpazTjyug, u azparrjyug bezeichnet. Ihm beigeordnet als auvap^ca
sind neun andre Strategen. Das ganze Kollegium wird als oi dexa azpa-
zriyoi bezeichnet. Ihre Wahl erfolgt, wie die der übrigen höheren Be-
hörden, alljährlich. Den Strategen beigeordnet sind (zehn?) Nomophy-
lakes. Als Finanzbehörde erscheinen die zapiac\ aufserdera wird ein
ypapjxazeüg, wohl der Generalsekretär des Bundes, erwähnt. Als oberste
religiöse Behörde des Bundes scheint der oft erwähnte Priester des Zeus
Akraios fungiert zu haben. Sämtliche Bundesbehörden werden als ot
xocvoc äp^ovzeg zusanimengefafst. Einen engeren Rat scheinen die <t''jvs-
dpoi gebildet zu haben, dem in den einzelnen Städten die npuzävstg
einigermafsen entsprechen. Das allgemeine Magnetura concilium wird
als ixxXr]aia bezeichnet.
Derselbe, MDAI XI 1886 S. 50 n. 17. Makrinitza, an der
Panagiakirche eingemauert; wahrscheinlich aus Dem et rias. Schlufs der
Strafandrohung einer Grabschrift.
Derselbe, MDAI VII 1882 S. 234. Volo. An der Aufsenseite
des Kastro, im zweiten Turm der Westseite. 8 zeilige, sehr fragmen-
tierte metrische Inschrift.
Derselbe, MDAI VIII 1883 S. 121 n. 39 (Fick, SGDI 1285).
Östlich von Volo am Fufs des Pelion; über der Thür der Hagia Pa-
raskevi am Nordende der Baksedes (Gärten). Am wahrscheinlichsten
Demetrias (oder dem späteren Jolkos?) zuzuweisen. Grabstele: Kpivuj
(2) 'Opzä (3) yovTj. Fick: "Opza.
In Volo befinden sich aufserdem die unten folgenden Grabinschrif-
ten aus Pagasae. Ebenso findet sich hier — und nicht in Thessa-
lonich — die metrische Inschrift Kaibel 519. — Mordtmann, KE02
XV 1884 S. 8.
Pagasae.
Lolling, MDAI XI 1886 S. 47 f. Marmorne Grabplatten an einem
Brunnen unterhalb des Dorfes Volo; am wahrscheinlichsten aus Pa-
gasae. Die Verstorbenen sind: S. 47 n. 1: Alexandres, S. des Dio-
doros, aus Eleutherna; n. 2: Xenodamos, S. des Hippomachos, und Hippo-
machos, S. des Xenodamos ; S. 48 n. 3 : Polytimos, Hygiamenes, Gnathios,
SS. des Aristomachos , Kpyjzeg Tuliaioi\ n. 4: Sosigenes, S. des Chari-
demos; n. 5: Philaristos, S. des Alkis, KpriQ Tuk'mog.
Derselbe, a. a. 0. S. 49f. (vgl. Heuzey 189—197, Perrot, Revue
arch. N. S. XXXI, 288 ff.). Grabsteine an der Nikolaoskirche zu Volo;
sicher aus Pagasae. Die Verstorbenen sind: S. 49 n. 6: Antis und Alkis,
SS. des Philaristos, Kpr^zeg ToXcmoi\ n. 7 (Perrot 10; Mordtmann,
KE0I XV 1884 S. 8 n. 3): ApoUonia, Gattin des Archimenes; n. 8:
VIc. Thessalia: Demetrias. Pagasae. Meliboea. Larisa. 511
Aristophanes aus Kalymna; n. 9: Glauka, T. des A]lexandros, aus He]ra-
kleia; n. 10: Demetrios, S. des Antipatros, ein Phönizier, und sein Weib
Aristonike; n. 11 (Perrot 9, Mordtmann, a. a- 0. n. 2; vgl. Druckfehler-
verzeichnis): Eisarche, T. des Bakchios, und Myntilos, S. des Mnasar-
chos, S. 50 n. 12 (Mordtmann, n. 4): Kleopatra, T. des Stesimenes,
aus Pella; n. 13: Krateso, T. des Kleobulos, Frau des Skopas; n. 14
(Mordtmann, n. 1): Onasicha, T. des Äischines; n. 15 (Mordtmann,
n. 2): Sosikleia, T. des Aristokles, aus Epidauros. — Dazu Mordt-
mann, a. a. 0. n 5: Diphilos, S. des Zenomingos, ein Bithynier (vgl.
Heuzey und Perrot); n. 6: Androkades (so nach dem Druckfehlerver-
zeichnis), S. des Chaironides, K/jTjg AuT-tog (bei Perrot und Heuzey).
Derselbe, MDAI XII 1887 S. 363 n. 161. Beim Brunnen von
Haliki neben Pagasä. Grabstein der Malio, T. des Kteson. — S. 364
n. 162. 163. Grabstein der Philista, T. des Philon — sowie der Para-
mona und des Epigonos. Kinder des Hekataios, des Gavius {fducog), S.
des Epigonos, und der Sokrateia, T. des Diphilos.
Derselbe, MDAI VIII 1883 S. 115 n. 9 (Fick, SGDI 1284).
Grabschrift an der Rückseite der Kapelle der Metamorphosis unter der
Spitze des Episkopihügels, der Burg von Jolkos: 'A(rx]a(so)^amd8[ag
(2) 'Av]Tcxpdrsi[os. — Zu ersterem Namen vgl. die S. 523 folgende In-
schrift von Phalanna, a. a. 0. S. HO.
Meliboea (?).
Lolling, MDAI XI 1886 S. 52 n. 21. Agiä. Unter einem flüchtig
gearbeiteten Reiterrelief: rdc{o)[g] (Dihi-ov zhv (2) 7:£vd^[s\p6v' rjpwg
Xpr^<r-(?,)ze, yaipe.
Larisa.
Lolling, MDAI XI 1886 S. 450 n. 1. (Roberts S. 380 n. 242*1). Ar-
Larisa. Sammlung beim Didaskaleion. Im Peneios gefundene archaische
Weihinschrift (Distichon) :'J/^^£/a: /x' dviBrjxe'. Imkp Tzatohg (2) ru8' äyaXua:
£u$aTo S' ''A'frj-zuyp (3) facrrexäi : e{l)vo8cdi. — E, O = Jy, «w; C = J^,
+ = f . faazcxd (vermutlich nach dem aus Steph. Byz. u. a. bekannten
thrakischen Volksstamme 'Acrzal benannt) = 'Exdzrj?
Zu der grofsen Inschrift Fick, SGDI 345 vgl. aufser den Litte-
raturangaben bei Röhl I, 123: Meister, SGDI Bd. I Heft 4 S. 386.
Fick, Bezzenb. Beitr. VII 1883 S. 277ff. Cohn, Hermes XVII 1882
S. 645. Robert, Hermes XVIII S. 318. Prellwitz, De dial. Thess.
Gott. 1885 p. 4: Z. 38 ist die Vulgärform /ihrnv (= /xivroc), Z. 79/80
mit Cauer die Lesart der LoUingschen Abschrift Iloij}.odd/iag (Umschrift:
floh-) beizubehalten, p. 4/5: Z. 89 ist entweder mit Cauer Aazoxld-
[daiog oder A(T~oxX£i[og zu ergänzen. Zum Inhalt vgl. Dittenberger,
Ind. schol. Hai. Winter 1885/86 p. IV sqq.
512 Griechische Epigraphik.
Prellwitz, a. a. 0. p. 5. — SGDI 346 ist auf grund von 1321.
1322 üoTei8o\jj]y!. zu lesen.
Durrbach, BCH X 1880 S. 431—451. Von den türkischen Fried-
höfen; jetzt in der Astynomie von Larisa. — S. 431 — 435 n. 1. Inschrift
einer Stele, teilweise unleserlich, doch für die Verfassung des thessali-
schen Bundes von Wichtigkeit. Das Präskript mit den Namen des thessa-
lischen Strategen, eines Hipparchen und eines Schreibers {ypajiiia-soov-
Tog Twv <7u^£o^[a»^), berichtet von der Veranlassung des Dekretes: die
Thessaler hatten sich an die Stadt Mylasa mit der Bitte um Schieds-
richter gewandt, und die Stadt hatte dieser Bitte entsprochen. Zum
Dank dafür beschliefst der Bund eine Belobigung der Mylasäer und ver-
leiht den Schiedsrichtern Privilegien, dem Schreiber eine Belobigung.
Es folgt ein Verzeichnis der den Friedensstiftern verliehenen Vorrechte.
Das Dekret soll in Stein gehauen und im Tempel des Zeus Eleutherios
zu Larisa aufgestellt werden.
Derselbe, a. a. 0. S. 437 ff. n. 3. Fragment einer agonistischen In-
schrift. Datum: 'Apia^raydvou; ruh 'A>ofJo-{2)(THsw]rjg rou zayvjuvzüQ (3)
xrjv 7:p]oj~rj[v ^io]pav iv azpa-(^)-:ri\Y(h KfjYX\Xa. Z. 1 — 25 sind unediert;
von Z. 26 an stimmen fast alle Buchstaben mit dem Fragment Ussing,
Inscr. Gr. ined. n. 13 (wiederholt Lebas n. 1234) überein, so dafs letz-
teres ohne Zweifel den Schlufs der jetzt unleserlichen Inschrift bildet. —
Derselbe Stratege figuriert in der Freilassungsurkunde von Gonnus Lol-
ling, MDAl IX 1884 S. 299 n. 2 (s. S. 524).
Derselbe, a a. 0. S. 447 f. n. 6. Fragment einer Freilassungs-
urkunde, datiert nach dem Schatzmeister (dessen Name nicht erhalten
ist) und dem Strategen Pherekrates.. Die Liste der Freigelassenen, die
der Stadt 15 Stateren entrichten mufsten, ist eingeteilt nach den Mo-
naten Panemos und Themistios.
Die meisten der folgenden, von Lolling im Sommer 1881 kopierten
Inschriften befinden sich jetzt in einer von den Behörden der Stadt ein-
gerichteten Sammlung im offenen Hofraum neben dem grofsen, im Früh-
jahr 1883 noch im Bau begriffenen, zum .Gymnasion oder Didaskaleion
bestimmten Gebäude in der Nähe der Hauptkaserne. — Lolling, MDAI
YIII 1883 S. 101.
Lolling, MDAI VII 1882 S. 226ff. 36zei]ige Freilassungsurkunde
vom Friedhofe südlich von Larisa. [Auf der Rückseite eine metrische
christliche Inschrift (s. unter XL »Tituli christiani«)].
Derselbe, a. a. 0. S. 229 f. Im Peneios gefundene, jetzt im Hofe
des Gouvernementsgebäudes befindliche 33 zeilige Freilassungsurkunde.
Mit Ditten berger. Epigraphische Miscellen, in den »Histor. und philol.
Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 7ü. Geburtstage gewidmet« S. 301 ist
Z. 32/33 ' l[a\-\aaY6pou herzustellen. — Vgl. die Herstellung desselben
Namens in der Inschrift S. 508 u
VIc. Thessalia: Larisa. 513
Derselbe, a. a. 0. S. 231 ff. Auf einem türkischen Grabe auf
dem Nordostfriedhofe Larisas, wenige Schritte von der dortigen Kaserne.
21 zeilige Freilassuugsurkunde. Unvollständige Kopie des ersten Teiles
bei Ussing, Inscr. Gr. ined. 14. — Nach der Überführung der Inschrift
in die städtische Sammlung konnte auch der sehr fragmentierte Schlufs
derselben (bis Z. 40) entziffert werden; s. Durrbach, BGH X 1886
S. 446 f. n. 5.
Derselbe, a. a. 0. S. 233 f. Im Hofe des Adam Anakatomenos
gefundenes, auf der rechten Seite verstümmeltes 12 zeiliges Fragment
einer Freilassungsurkunde.
Derselbe, a. a. 0. S 235. 23 zeilige, metrisch sein sollende Grab-
schrift, wegen ihrer vielen Ligaturen schwer leserlich, mit vielen Ver-
stöfsen gegen Versbau und Grammatik. Nach Z. 16 f. ist ihr Verfertiger
ein schlichter Handwerksmann. Faksimile derselben a. a. 0. Beilage
zu S. 223 n. 4. Ich setze sie ganz her: Et}j.\ KAAHAOION {raXi-
Xatov^'l TU) (2) xai Ilüvcpopog iarcv (3) dd£k<f6g, naTg eu-(4:)fioiu^og' Ipuj;
ems, (5) ^cXr^fjLSvs, i [ii/?] dv&f)UJ-{%)nocacv ^(o^g ix-s-{7)M(Tag uxzuj xal
8i-{S)xa irrj jxoipixbv tjv (9) rb ziXeg {ziXog^ Iva ^ fi^-{10)TY^p aovodEÖarj
xai (11) eXBrj -npog 'Aldav X-(l2)ocnoupsvyj ujg im Ti-(l3)xvocg xal ronog
(?) r^v £-(14)<T.'<j£cv Ttäacv {opduj) ^c-(l5)Xocg. Uuv^upög eipc (16) nazrjp
(fiXog^ ropuj (17) 8k TzSTTüixa ypdpp.a-{l8)Ta iv (TTr^krj [XScvt^'} Auc-{l9)nou-
piva rd rixvo. xa-{2())Xd xal Ziu[rj} ujg [(Tyjvßto[g (21) etasarat [xehea&e'^]
Tzarpbg (22) {Bjyog^ ivßdde. (23) "Hpujg XP^'^i ^o-^^P^-
Derselbe, a. a. 0. S. 236 f. Beim Magazin des Hassan-Bey im
Dörfchen Kalyvia, V* Stunde nordöstlich von Larisa, links vom Wege
nach Tempe An den Zeilenanfängen heillos verstümmeltes 31 zeiliges
Fragment einer metrischen Grabschrift mit dem Schlufs: {il^waavta
[. . . i.r\wv oixa[. . . ^a7]pö.
Derselbe, a. a. 0. S. 237 f. Angeblich in den Trümmern eines
Bades bei den Gyphtika von Larisa am Peneios gefunden, jetzt vor einem
Hause in diesem Stadtteile. Zweiteilige, arg verstümmelte Inschrift, Der
erstere Teil ist eine Siegesinschrift in Distichen mit der Unterschrift des
Künstlers: Euporos, S. des Zopyros. Genauere Abschrift derselben von
Durrbach, BGH X 1886 S. 444 u. 4. Im zweiten Teile scheint das
xotvbv 0£]aaa?MV einen Sieger zu ehren.
Derselbe, a. a. 0. S. 238. (Cauer, Del. 2 408 Prellwitz, 1. c.
p. 3 n. IV.) Beim Parekklision des Hag. Athanasios in Larisa. Weih-
inschrift, nach dem Herausg. wahrscheinlich aus dem 3. Jahrb.: Uet]-
bdXa [2J]xoopeca (2) dvsBr^xsv.
Derselbe, a. a. 0. (Prellwitz, 1. c. n. V.) Auf dem Friedhofe
im NO. Larisas am Peneios, an der Ostseite eines von sechs Pfeilern
getragenen Turbes vermauert. Weihinschrift, nach dem Herausg. nicht
viel jünger als die vorhergehende: IJjroXspacog (2) dvs&rjxe.
Jahresbericht für Altertbamawisseasohaft LH. (1887. III.) 33
5 1 4 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. (Prellwitz, 1. c. p. 2 n. II.) Jünger ist die
4 zeilige verstümmelte Weihinschrift eines kleinen, vom türkischen Fried-
hofe stammenden Postaments im Hause der 'Apsz^ Jrj/i. Olxovuixcdou bei
der Onier-Bey-Moschee. L. möchte lesen: "£'[vo£x]« ara&jxta {2.)'AYa[pi\g
'A-:{d-'\oV£ir£{t\a (3) £[y^a/x£Va xrX.
Derselbe, a. a. 0. S. 240. Basis in einer Ecke der Umfassungs-
mauer einer verfallenden Moschee beim Gyphtikaviertel Larisas mit zwei
Ehreninschriften aus der Kaiserzeit (mangelhaft Lebas 1238 und Heuzey,
Le mont Olympe S. 484 n. 46): 1. '0 orjjjtog IiXaü-](2)Scov Kaiaapa (3)
HeßaaTuv Beov. — 2. Auroxpdropa Kacaapa Ou£an\aatd\vov (2) zb xoivuv
BeaaaXihv.
Derselbe, a. a. 0. S. 344. Im Hofe der Kapelle des Hag. Chara-
lampos jenseits der Peneiosbrücke in der Nähe des linken Flufsufers.
17 zeiliges Ehrendekret der Thessaler auf einen Nikandros, S. des Ni-
kandros, von ungewisser Herkunft. — Unvollständiger Duchesne-Bayet,
Mission au mont Athos n. 157.
Derselbe, a. a. 0. S. 345. Im Hofe des Hotels Bambakas. 13zei-
liges, arg verstümmeltes Fragment eines Ehrendekrets.
Derselbe, a. a. 0. S. 346. (Prellwitz, 1. c. n. III.) Am Turbe bei
der Moschee des Omer-Bey eingemauertes, 12 zeiliges, fast ganz aus Namen
in thessalischem Dialekt bestehendes Fragment, an dessen letzte Zeile:
KolvTOQ "A-riog ein zweiter ebenda befindlicher Stein mit der Aufschrift
I!e]$(TTou mag unmittelbar anzuschliefsen scheint.
Derselbe, a. a. 0. S. 347 f. Mehrere wenig bedeutende Frag-
mente von Inschriften an den Sitzreihen des am Burgabhange Larisas
gelegenen Theaters. Eine Anzahl solcher aus dem Theater stammender
Platten befindet sich jetzt auf dem V* Stunde südlich von Larisa ge-
legenen jüdischen Friedhof.
Derselbe, MDAI VIII 1883 S. 23. Zwei Marmorplinthen: Laus
zwei Distichen bestehendes Weih- Epigramm auf ApoUon Kerdoios, mit
Subskription des Dichters, Herakleides von Tralles, und des Steinmetzen,
Sosimenes, S. des Sosimenes. V. 3 u. 4 nach Dittenberger, Ind. schol.
Hai. Winter 1885/86 p. IX: äc (i. e. euatßta V. 2) xh ;j^a,o[£;]- ommg^
KspSujis, Ja/iüxpareiojv (Adj. patron. der Dedikanien) | äv&s/xa [Ic]p.[u-
X£]uj 8a$o xal EuxpazcSa; 2. ein Distichon auf die Musen.
Derselbe, a. a. 0. S- 112 n. 3. (Fick, SGDI 1308.) In der Samm-
lung in Larisa. Zu einer Brunnenmündung verarbeitete Marmorplinthe
mit der Aufschrift: Aeovrtaxog ämXeu^zpooBstg (2) dtTib Srpd-oovog Kor-
Tu^etoc ovedecxe.
Derselbe, a. a. 0 n. 1. (Mit Verbesserungen wiederholt von Fick,
SGDI 1286.) Genauere Abschrift Durrbach, BGH X 1886 S. 435f.
n. 2. — Auf die Widmung: 'E&modouv (Tribus oder Phratrie, am wahr-
Vlc. Thessalia: Larisa. 515
scheinlichsten Gens in Larisa; vgl. Dittenberger, Ind. schol. Hai. Winter
1885/86 p. IX) rh xutvov EifjaxXzi folgt eine Liste von 12 Personen mit
Vatersnamen (Adjektiva), deren erster (Z. 3) . . uvdarag. Z. 6 u. 7 beide
Male 'hru^/^scog. Z. 6/7 wird Ficks Konjektur bestätigt: 'Aa-üYx-\X\ia\(;.
Die einzelnen Wörter sind durch je zwei vertikale Punkte getrennt, ein
Umstand, der dem alten Charakter der Inschrift entspricht.
Derselbe, a. a. 0. S. 116 n. 12. (Fick, SGDI 1292.) Fragmen-
tierte Grabschrift im Kargatz-Machalas vor einer verfallenden Moschee
neben einer Töpferei: . . . q Boo . . . acog.
Derselbe, a. a. 0. S. 122 n. 45. (Fick, SGDI 1321.) Über einer
Thür der Kapelle des Hag. Charalampos in Kissabali, iV* Stunden öst-
lich von Larisa, eingemauerte Grabschrift: Ilorstdouvi I]a[fj]anavacou
(Fick), dioxMag '^Ayscaiatog.
Derselbe, a. a 0. S. 125 n. 55. (Fick, SGDI 1305.) Türkischer
Friedhof am Nordrande der Stadt beim Peneios. Grabstele: 0iX\oxpdzsig.
Derselbe, a. a- 0. S. 113 — 125. Grabschriften in der Sammlung zu
Larisa. — S. 113 n. 2 (Fick, SGDI 1287). Mordtmann, KE0I\N 1884
^.^-/Aysimnohg. — ^. I14n. 4 (SGDI 1309); ungenau Durrbach, BGH X
1886 S. 451 n. 13 (S. S. 519): Aiicptoaiiog Ajx<piaiog^ (2) Ja/j-oxpazeca dcx/io-
xpdreog. — n. 5 (SGDI 1288) des 'Ava^ayopag und Kpooxcvag. — n. 6 (SGDI
1810) des Avzto-^og und 'Avrcxpdrscg, Vater und Sohn. — n. 7 (SGDI
1289) : "AvToxog. — S. 115 n. 8 (SGDI 1290): Auivcog. — n. 10 (SGDI
1291): 'Aaazu(ftküg (2) Uappovioeiog. — n. 11 (SGDI 1307) dreier Per-
sonen; darunter über einem Hermenbild: 'Epfidoo iBovioo. — S. 116 n. 13
(SGDI 1311) der dauTiula\ ungenau Bayet- Duchesne, Mission au raont
Athos 173. — n. 14. Fragment: ' EXka\>oxpd-{'Z)-o'jg yovr]. — n. 15 (SGDI
1312) des 'Emyivscg und seiner Tochter Kpavudixa. — n. 16 (SGDI
1293). Stele, deren unterer Teil erhalten ist. Über einem Hermenbild:
'Epp.do'j ^&ovc'otj. — n. 17 der Zajac'ixr] auf ihren Mann OdXXog. Dar-
unter (SGDI 1294): 'Epp. x^- — S. 117 u. 18 (SGDI 1313; schwer les-
bar) auf iV[c>[£a]? Darunter: 'Epp. x^. — n. 20 (SGDI 1314): EujSo'j-
^og noacScoüvsiog. — n. 21 (SGDI 1315): EZ(fopßog (2) Seoooöpsiog. —
S. 118 n. 22 (SGDI 1316): [OyiBtaöXa'^ — S. 119 n. 27 (Prellwitz, 1. c
p. 3 n. VII): KXtouTtw (?) (2) Kotv-a, (3) yuvT) ok (4) loi)8a. — n. 28
(SGDI 1317): Aüxog KXtöoo- r^pcug ipriori, (2) latpe. — n. 29 (SGDI
1295): hpazztata ä 'Aazo-{2)p£c8eca yovd. — n. 30: Mdvza (2) ^pirjar/j^
Xo.'tps.. — n. 31: MeXavHob Japovcxzia. — n. 32 (SGDI 1296): Mzvzxpd-
T£tg EußcoTSiog. — S. 120 n. 34 (SGDI 1318): Mvdaouu KaUtxXiaiog^
(2) Il]a\jj]pe[vioeiug. Fick: Il}a[p]pE\ym)V£cog. — n. 35 (SGDI
1319): NixuXaog (2) 'TMvdpetog^ dstrunter : Eppduu yßoviou. — S. 121
n. 38 (SGDI 1297): Vnoüpa. — n. 40 (SGDI 1298): llavBaeha. — n. 41:
JJezaUlg (2) FkzaXiaca, (3) /«Y-'S- Unvollständig und falsch bei Bayet-
Duchesne. — n. 42. 7 zeilige Grabschrift der ilXa-oüpa auf ihren 25jäh-
33*
5 1 6 Griechische Epigraphik.
rigen Sohn Jdxujv. — S. 122 n. 43 (SGDI 1320): IloXüapog (2) KXeav-
Spcdacog. — n. 44 (SGDI 1299; unvollständig Mordtmann, a. a. 0,
S. 6): IloXüarpazog IloXsiiüxpaTetog^ (2) Houamohq IhBouveta^ (3) 2a'j-
puxXcca xa\^A\j]£iadv8pa IloXoaTpdzeiat, — n. 46 (SGDI 1322): UorEi-
ooö[vt U\j{paTM\>atoo (Fick). — S. 123 n. 47 iSGDI 1300): flouräXa (2)
"AvTcxpdreia. Weiter unten: ^Epiiauoo (!) iBovtoo. — n. 50 (SGDI 1301):
nüBo'jv 'Oippodoaiog. — n. 51 (SGDI 1302): Saxowooo. — S. 124 n. 52
(SGDI 1303): luocoag IntvMpetog, Sm^^Betp looidatog. — n. 53 (SGDI
1304): TtjiaatTioXig (2) 'AX£$op.svEta. — n. 54: 1. eine jüngere, obere:
des Z]uj7:upog auf seine T[po^ug'i'] 2avß(xzig\ 2. eine ältere, untere
(SGDI 1323): ^Tßpsazag /lapdp-^ecog, (2) Llap[oxpd]zsi[a K]X£czopd^s:a
xvX. — S. 125 n. 56 (SGDI 1306): 0cX6^£ipog (2) Aadi'opeiog ; darunter
über einem Hermenbilde: 'Eppdou y^Hovtou. »Wahrscheinlich identisch
mit Ussing 25.«
Derselbe, MDAI XI 1886 S. 52ff. Grabsteine. — S. 52 n. 25
(Ussing, Inscr. gr. ined. 34. Lebas, Thess. 1277; ganz entstellt Miller,
Kev. arch. 1874 S. 162 n. 11): Al'Bpa 'fipatg (2) lundzpag (so), (3) rjpog
(so) y^prjazi, (4) x^^P^- — S- ^^ "• ^*^' Unterhalb der Darstellung eines
Zimmermannes: Axoozz Auxiaxou dT:£-(2)XauB£p£ ^Bv^xfj^ rjpiug (3) /,o^<Tr£,
/«r^e. Durrbach, BGH X 1886 S. 449 bestätigt die Richtigkeit der
Abschrift; doch schreibe Lolling mit Unrecht in der Umschrift: ^evtx\i\
Durrbach erklärt das Wort unter Vergleichung einer thessalischen In-
schrift bei Duchesne und ßayet, Mission au mont Athos S. 134 n. 195
als Abkürzung von $£vix^ Xucrei, welches nicht selten in den Freilassungs-
urkunden von Dodona begegnet. Der Ausdruck scheine zu bedeuten,
dafs die Freigelassenen wie ^duoc behandelt wurden. Diese Auffassung
wird bestätigt durch eine Inschrift bei Duchesne, a. a. 0. n. 159, wo
nach jeder Freilassung die Entrichtung der 15 Stateren, welche die Stadt
für diesen Akt forderte, an den xocvog ^evodöxog bescheinigt wird. —
n. 27: 'A/i{p.)!a Avzcoyoj (2) dv\o'[p\ pviag (3) X'^P^^- — ". 28. Grabstein
einer Amphipolis. — S. 54 n. 29 (vgl. Ussing, a. a. 0. 39 [Lebas 1265],
Arch. d. miss. scient. 1876 Bd. III S. 322. 167). Unter einer männlichen
Büste, über einem Reiterrelief Grabschrift des Androneikos auf seinen
Bruder Gaulos. — n. 30. Grabstein des Antigonos, S. des Neikophoros.
— n. 31 des Antio]chos, S. des Nikobulos. — S. 55 n. 32 (vgl. CIG
1780 [Lebas 1253]) des Kyzikeners A]pollodoros, S. des A]glaophon.
— n. 33: Ol iy{y)ovoi zrjv elot-{2)av ävvojv (anum) AnoXXu)-{Z)vYav
pvecag /dptv. — n. 34. Grabstein der Knidierin Asias, Gattin des One-
simos. — S. 56 n. 35 (ungenau Lebas 1281, Miller Revue arch. 1874
S. 162 n. 16). Grabschrift des Aphrodisis auf sein Weib Panthero mit
dem Schlüsse: zaüzrx ouziug I/sj ö ßiog. — n. 36. Grabstein des Caius
Porelleis Theogenes; darunter: 'Eppfj x^ovcw. — S. 56 f. n. 37 (ungenau
Ussing, a. a. 0. 26 [Lebas 1252]): A\(j.t]jxaxog 'Apztpi8cupoi> (2) /3«[/3]-
doüxog. — S. 57 n. 38. Grabstein des Damasias, S. des Timokles, mit
VIc. Thessalia: Larisa. 517
Widmung an den Hermes chthonios. — n. 39 der Freigelassenen Dekma.
— n. 40 des Dexios, S. des Kotys. — n. 41 eines Dijkaios (?). — S. 58
n. 42 (unvollständiger Duchesne u. Bayet, a. a. 0. 186) eines Dio]timos (?).
— n. 43 des Arkaders Dipbilos, S. des Zateas. — n. 44 des Dion, S.
des Petraios, und des Parmeniskos. — n. 45 der Elkapca xk ■ß^£-(2)-
Xecfia k <p'.Xd-{^)osX(foc\ Schlufs : Taura oorcog iii. Darunter: 'A/>/i^^ X^^'
vt(i). — S. 59 n. 46 des lOjährigeu Eiseidoros, S. des Phileipos. — n. 47
des Eisi[doros. — n. 48 (unter einem Reiterrelief) Grabschrift der Elpis
auf ihren Sohn Philippos. — S. 60 n. 49. Grabstein der [Hermai]ska
und des Straton, S. des Kleogenes. — n. 50: 'Ep/j.doi> -^Boviou.
Derselbe, a. a. 0. S. 120ff. Grabsteine. — S. 120 n. 51. Über
einem schlechten Reiterrelief Grabschrift des Euangel[os auf seinen Sohn.
— n. 52. Durrbach, BGH X 1886 S. 450 n. 9. Desgl. Grabschrift
des Euangelos auf seinen gleichnamigen Vater. — n. 53: EußouXog Ilo-
acdoüvecog. — S. 121 n. 54. Grabstein der Ejutychis, T. des Kallistratos.
— n. 55 der Freigelassenen Zosime. — n. 56. Grabschrift des Zosimos
und der Leaina auf ihre Töchter Thallusa und Ep[ig]one. — S. 121 f.
n. 57. Mordtmann, KE0I: XV 1884 S. 6. Grabstein des 'HpaxXäg
KpazüUrjQ. — S. 122 n. 58. Grabschrift auf eine Tochter, und der -ine
auf ihren Gatten Thallos. — S. 122 f. n. 59. Grabschrift der Thallusa
auf ihre Mutter Daphne, sowie des Antidotes, S. des Antidotes, und des
Dionysios, S. des Rufion. — S. 123 n. 60 (unvollständig Duchesne u.
Bayet, a. a. 0. 183). Über einer Gruppe von fünf Personen Grabschrift
der Themis (?), T. des Thrasylochos. — n. 61. Grabstein einer Frei-
gelassenen. — n. 62. Grabschrift der Thraso auf ihren Mann Trygetos,
— n. 63: Y/sa (= '/;/«?). — S. 124 n. 64. Grabstein des K[a]lli[k]l[e]s,
S. des Sokrates. — [n. 65 (ungenau Lebas 1288). Mordtmann, a. a. 0.
S. 7. Grabschriften mit der Schlufsformel: rib law iaips.Lv\ wahrschein-
lich christlich. S. unter XL: Tituli christiani.] — S. 125 n. 66. Grabstein
der Kasia Apate. — n. 67. Auf Volksbeschlufs errichtete Grabschrift des
Klaudio[s Euthy]krates und der Damareta auf ihre T. Damareta. — n. 68
(ungenau Lebas 1278). Grabstein der Kleitagora, T. des Hipponeikos. —
n. 69 1 Dürr b ach, a. a. 0. S. 451 n. 12) der Kleopatra Esprepeia. — S. 126
n. 70 der Ko'iuta Statia Epigone. — n. 7l (unvollständiger Duchesne u.
Bayet, a. a 0. 177). Grabschrift des Koi[nto]s aufsein Weib Epigone. —
n. 72. Grabstein des Kointos, S. des Likinios, und des Alexion, S. des Koin-
tos. — S. 126 f. n. 73 (unter der Reliefdarstellung einer Frauenbüste) der
Kokkeia Aristoneike, Gattin des Aphrodeitos. — S. 127 n. 74 des Kriton,
S. des Phormion. — n. 76 der LJadama -yprjoazrj. — S. 128 n. 77 des
Laeis Syntyches. — n. 78 des Leukios [A]ku[t]os Hil[a]ros. — n. 79
(vgl. Duchesne u. Bayet, a. a. 0. 172, Lebas 1287). Mordtmann,
a. a. 0. S. 7. Unter der christlichen Grabschrift des Leukios, S. des
Kointos (s. unter XL: Tituli christiani) späterer Zusatz: Äöatg N£cxac-\ou,
Xai'ps- — S. 129 n. 80. Grabschrift des Leon auf sein Weib Antigona. —
518 Griechische Epigraphik.
n. 81: Aouxte Aox£i:-{1)v\s. 7:or£tz[&]i (statt Trodjyrs) , (3) /«?/»£. — n. 82.
Grabstein des 16jährigen Lykas. — n. 83 des Lykos, S. des Antiochos.
— S. 130 n. 84 einer Lysikrateia. — n. 85. Unter einem Reiterrelief
Grabschrift des Makedon auf seinen 28jährigen Sohn Sostratos. —
S. 130 f. n. 86. Grabstein der Maxima, Sklavin des Amynandros, und
deren Tochter Nikokrata. — S. 131 n. 87. Grabschrift der Orbana,
Sklavin des Isagoras, auf ihren Mann, den Bithynier Markos, S. des
Epagathos. — n. 88. Grabstein des Meidias, S. des Ergon. — n. 89:
Mika{aa. — n. 90. Unter einem Reiterrelief Grabschrift der Melita auf
ihren Mann. — S. 132 n. 91. Fragment einer Grabschrift. — n. 92.
Grabstein des Meton, S. des Meton. — n. 93 des Menophantes, S. des
Dionysios. — n. 94: Mi^piovrjg nd-{1)XoQ rpcTog ix£-{S)hucr£v kaoTw (4)
yevia&ac. — S. 133 n. 95. Grabschrift auf eine Neike (?). — n. 96.
Mordtmann, a. a. 0. S. 8. Sarkophaginschrift der Neikasipolis, T. des
Alketes. — n. 97. Mordtmann, a. a. 0. S. 6: Nikasipolis. — n. 98 (un-
genau Miller, a. a. 0. S. 161 n. 7; vgl. Mordtmann, a. a. 0. S. 7):
Mxrj (PijXtxoQ dneXeu&epa, 'Pa>fi{a)ca (2) 0c2ag olxiztg, r/pouidsg, (3) ](ac-
pere. — S. 134 n. 99. Grabstein der Homonoia, T. der Zosime. — n. 100
des Ones(i)mos, S. des Pos[eidip]pos.
Derselbe, MDAI XII 1887 S. 347 ff. Grabinschriften in der Samm-
lung zu Larisa. — S. 347 n. 102 des - - os, S. des Panaristos, auf sein
[Weib]; S. 348 n. 104 der Paraske[u]e, T. des Aischines, auf ihren Mann;
n. 106 (unvollständiger Lebas 1282); Mordtmann, a. a. 0. S. 7: des Prei-
mos auf seine Gattin Banausis; S. 350f. n. 115a des Syneros, S. des Kal-
li[ppides, Olsos auf seine Eltern; S. 351 n. 116 des Synphoros, S. des L[y]-
kos, auf seine 29 jährige Frau und seine 4 jährige Tochter Lyka (Z. 2: £[r\8cav,
Z. 3. 6: iJivcag, Z. 6: readpuiv); n. 117 (unvollständiger Dürr bach, BCH
X 1886 S. 449 n. 8) des Tibe[r]ius Claudius Logicus aus Smyrna auf seinen
14jährigen Sohn Modestus; S. 352 n. 118 der Phila, T. des Salbios, auf
ihren und des Leon S. Alexippos; n. 121 der Chrota[r]is auf ihren Gatten
Pausanias; S. 353 n. 124 der auf ihren Mann; S. 361 n. 153 des
Zosimos auf seine Tochter Euposia; S. 362 n. 154 der Zoso und Philo-
genea, Ilokuvs.txrjg olx£rixd\ n. 155 der Lami[a] auf ihren Gatten Teimon,
S. des Antigonos; S. 362 f. n. 157 der Skylla auf ihren geliebten Ge-
mahl Epaphrodeitos ; S. 363 n. 158 der Phile auf einen Ti[monax? S. 361
n. 151: 'Aprsfiscg £[y]pa<pa, dg \a\v x\a\-{2)xoT:oirj(T7j lg zb fiv^/JLa, (3) Syj-
vdpca TTSVzaxoma.
Derselbe, a. a. 0. S. 347 ff Grabsteine in der Sammlung zu
Larisa. — S. 347 n. 101 der Ouezzca IJpsc/xa; n. 103 eines ßa^£Ü[g, S.
des Paramonos, und der --akszo), T. des Paramon[os; S. 348 n. 105 des
Polyxenos, S. des Herakleides; [S. 349 n. 108 christlich; Schlussformel:
zw Xaw ^atpetv; s. unter XL: Tituli Christian!;] n. 109 der Solphikia
(= Sulpicia), T. des Solphikios; n. Hl der Spendusa, T. des Aristo-
Vlc. Thessalia: Larisa. 519
phylos; S. 350 u. 112 (ungenau Lebas 1266) des 20jährigen Strymon,
S. des Neikanor; n. 113 des Symmachos, S. des Popillios; n. 114 (vgl.
Lebas 1255) des Syna--nios, S. des Alexippos, eines dnelsüBepog ^e-
vcxjj (vgl. zu dieser Formel S. 516); S. 351 n. 115^ des Parmeneides
und des Theogenes; SS. des Poseidonios, und der Philista, T. des Par-
meneides; S. 352 n. 120 der Philotera, T. der Sopatra; S. 353 n. 122
eines -omas (?); S. 361 n. 152 des Astas, S. des Metrodoros; S. 362 n. 156
der - - a, T. des Pandamos, der --lis Ntxua-fjdreca und der --, T. der
Dammatreia; S. 363 n. 159 des Philip(p)os, S. des Dionysios; n. 160
des Phi[lokles.
Derselbe, a. a. 0. S. 353 n. 123. Haus des Adam Anakatomenos
unweit des Theaters. Fragmentierte Grabschrift auf eine 22jährige Tochter.
— S. 352 n. 119. Ebd. Grabstein der Philikiane.
Derselbe, a a. 0. S. 349 n. 107. Brücke gegenüber dem Arnaut-
Machaläs, an welcher der Weg von Larisa nach Karditza beginnt. Grab-
stein des [Preimos], S. des Preimos.
Derselbe, a. a. 0. n. 110. Haus des Kaftän-Agä (jetzt Artillerie-
kaserne). Grabschrift der Spendusa auf ihre Tochter [und auf der linken
Seite des Steines auf ihren Mann].
Derselbe, MD AI XI 1886 S. 451 n. 2. Metrische Grabschrift
(9 Hexameter) auf [Pjarmonis, T. des Epitynchanos, deren herbes Ge-
schick beklagt und deren Gatte getröstet wird. — Roh de, MD AI XII
1887 S. 141 vermutet Z. 8 auf dem Stein: ouSev yäp nXelv (= nXeov)
kazi^ wobei freilich nletv = tiHov, da kein ^ mit einer Zahl folgt, nicht
ganz korrekt wäre. Am Schlufs der Zeile wohl: BavvvTa yäp ooSkv
iyeipet. Das iy Z. 9 schwebt in der Luft.
Durrbach, BCH X 1886 S. 449ff. Grabsteine. — S. 450 n. 10.
Grabschrift der Hygeia auf ihre 13jährige Tochter Zbyrna. — n. 11.
Grabstein der Sklavin (olxirtg) Maxima, T. des Amynandros, und deren
Tochter Nikokrata. — S. 451 n. 12 s. S. 517 n. 69. — n. 13. Grab-
stein des 'Apr^oa/xag 'Aixrjhog und der da/ioxpareia Jaiioxpareiog-, besser
Lolling, MDAI VIII 1883 S. 114 n. 4 (s. S. 515).
Monceaux, BCH VII 1883 S. 60 n. 13. Grabschrift in einem
Hause: Bur^&s 'ApxE-{2)aiMou, ;^a?-(3)/>]e.
Mylonas, 'E^. dpx- 1884 S. 221 f. Weihinschrift: ApziixcSc AeX-
<ptvia (2) Ah/uXcg l'arupoc xopa, yuvä (PcXo$s-(3)vioa 'Afxou/jiSCTOc Xeczopsu-
ffavffa. — Ala^oXig larüpot auch in einer andern thessalischen Inschrift
Leake N. G. 3, 382. 361. CIG 1767. SGDI 368. AlaxuXig SGDI 1283.
Mordtmann, KE0S XV 1884 S. 5 giebt als epigraphische Aus-
beute einer im Sommer 1881 unternommenen Reise in Thessalien berich-
tigte Lesungen zu der Inschrift Ussing, Inscr. Gr. ined. 8 (vgl. Lebas
520 Griechische Epigraphik.
1240; von Bayet-Duchesne , Mission au mont Athos n. 163 als unediert
herausgegeben) und Leake, N. G. 179.
Derselbe, a. a. 0. Inschrift auf einem Steine, der als ßaB[itQ
dient, im Hofe des KtpxXäp TZa[itrj\ schwer lesbar. 19 zeilige, arg ver-
stümmelte Liste der von Freigelassenen an die Stadt entrichteten Löse-
gelder (ähnlich Leake 13). In Z. 15 liest M. /xir^vög) 'Ayayukcou und
möchte diesen Namen Sixd 'AnoUwv 'Ayucsug beziehen. Vgl. üssing 12^,
wo dieser Mayä Fuhou schreibt; dagegen Leake 176 in derselben In-
schrift /i{y]vug) 'AyayoaLou; auch Heuzey 214: 'Ayvacou.
Derselbe, a. a. 0. S. 6. Auf den Friedhöfen westlich von Larisa
an dem Wege nach Trikkala und an dem östlich nach Tempe führen-
den Wege befinden sich eine grofse Zahl alter Grabsteine, von denen
viele schon ediert sind (vgl. GIG, Leake 9 — 11, Ussing 23 — 42, Lebas
1242ff., Miller, Rev. arch. 1—20, Bayet-Duchesne 164—191, KE^I F'
1. 3 — 13. 15); die altern sämtlich in thessalischem Dialekt. Unediert:
I. auf dem jüdischen Friedhof: -j^aTog. — II. »'£^v r^ auXjj roU
xovaxc'oua Grabschrift von Eltern (^juvjy 0dtara) auf ihren Sohn, dessen
Brustbild en face unter der Inschrift. — III. auf dem türkischen
Friedhof: 1. Eucmrog Fop-ychcog, Fopyovcaxa 0do^evi8aia\ am Fufs der
Stele ein Herraesbild mit: 'Epfxdou ^&ovcou. 2. Zweizeilige Grabschrift;
lesbar nur FXuxcwa Z. 2.
Derselbe, a. a. 0. S. 7. Verbesserungen zu Lebas 1255. Mordt-
mann liest die äufserst verwahrloste Inschrift: [E]u[e?i]n[c<7r]£ ['A]Xe^in-
(2)7iou, än[£X£u\&ep£ 8k Ncxrj[g, (3) r^pcog ^pr^aTS, ^acpe.
Derselbe, a. a. 0. Im Hause naTzä Arjp.7jTp7) xarä to\> Ta/xnäx-
liay^ali. Grabschriften des EuTUy(og auf sein Weib und der Tpu^epä auf
ihren Mann.
Derselbe, a. a. 0. Ehemals Ttapä r^ A. E. rw Soun^fj Tlaacra^
jetzt im Museum zu Konstantinopel unter den Inschriften unbekannter
Herkunft. Unter einer weiblichen Gestalt Grabschrift der Hadyla, T. des
Teimon. Nach dem Herausg. könnte XPTTCTH Z. 2 (;^;o[)y]<TT^) auch
gedeutet werden: ^p{i<7Tia\irj) 7:{i)azrj.
Derselbe, a. a. 0. Ilapä r^ A. E. ra» ^oonxfj Ilaaaä. Weihung:
MvafjLOffüva dvi&eixe.
Strafse von Larisa nach Turnawo.
Foucart, BCH IX 1885 S. 220 n. 1 (Prellwitz, 1. c. p. 4 n. XII).
Geringe Schriftreste. Z. 3: ovi&ecxe. Darunter die zweimalige Künstler-
inschrift: Ud-upog 'AnoUoS--- \ i7:6rj<T£. — S. 221 n. 2 (Prellwitz, 1 c.
n. XIII). Grabschrift: Edoeicog, Böhnnog \ BuhdSaioi. — n. 3. Grab-
schrift auf Alexandres, S. des Antigonos. — n. 4 auf Kratesipolis , T.
des Menophilos. — S. 222 n. 5 auf Straton, S. des Erotias.
VIc. Thessalia: Larisa. Strafse von Larisa nach Turnawo. Crannon. Atrax. 521
Crannon.
Prellwitz, De dial. Thess. p. 5 ergänzt SGDI361B Z. 1: Izpa-
TojydvTos zodv ne[-ßa^ouv statt des herkömmlichen Ik{kaaytooTdoijv .
Atrax.
Lolling, MDAI VIII 1883 S. 111 n. 1. (Fick, SGDI 1324.)
Bei der Kapelle des Hag. Nikolaos von Kutzochero, einem Dorfe I^/a
Stunden westlich von Larisa, ungefähr 1 St. östlich vom Kalamakipasse
des Peneios und den Ruinen von Atrax (Paläokastro von Alifaka). Weih-
inschrift: J^o]oioag (2) ll^oXu<pf)6v£coQ (3j r]äv eu^fäv to7 7Ta-{4:)T]epoQ flo-
reido^uvt.
Derselbe, a. a. 0. n. 2. Marmorbasis in derselben Kapelle mit
der Weihinschrift: Kuvayca (2) ovsBecxe.
Derselbe, a. a. 0. S. 118 n. 25. In derselben Kapelle. Grab-
schrift: " h7:oxXtd8a\Q (2) Femscog.
Derselbe, a. a. 0. S. 123 n. 49. (Fick, SGDI 1327.) Bei der-
selben Kapelle. Grabschrift: nudjoyivr^g (2) Ei/]8d/ie:og.
Derselbe, a. a. 0. S. 129. An derselben Kapelle. Grabschrift:
'AXs$[:ag.
Derselbe, a. a. 0. Links vor dem Eingang derselben Kapelle.
Marmorblock, dessen nach oben gekehrte Breitfläche mit einem langen,
nach Strategen geordneten Verzeichnisse von Freilassungen angefüllt
war, von dem jedoch seines abgeriebenen Zustandes halber nur wenige
zusammenhängende Partieen kopiert werden konnten. Eine 45 zeilige
Fortsetzung dieses Verzeichnisses findet sich auf der rechts anstofsen-
den Schmalseite. Als Freigelassene werden genannt: Zcum/irj Auxou
Z. 5, MdvTa Z. 7, EhroxtQ Z. 9, SrpaTovtxog Z. 11, Iwmag xai iMoa/cov
Z. 13, Ehzoilg Z. 15, "Äv-iyö\>a Z. 17, Aioyiv/jg Z. 19, ' Po6(prx Z. 21, äco-
v'jata Z. 23, Eurjjxepog Z. 25; unter dem Strategen Mnasimachos: äco-
vuatog xcii Zwnupog Z. 28, 'A^poocaca Z. 30, Eh(fpoa6vrj Z. 32, WiXiaxa
ij xaXounivTj xat lupa Z. 34/5, "AnoXXätvtog Z. 37, Oixoujiivrj Z. 39/40;
unter Philoxenides: HdixcptXog A'.ovoatou Z. 42, Nixrj Z. 44. — Nach An-
sicht des Herausg. stand auf dem Hügel von Kutzochero ein Heiligtum
des Poseidon (vgl. auch n. 1), in welchem die Verzeichnisse aufgestellt
waren.
Derselbe, a.a.O. S. 118 n. 23. (Fick, SGDI 1325) In einer
Kapellenruine unweit von Alifaka. Grabschrift: 9\a<)}xamhß. (2) 'Av\zi-
abivtia.
Derselbe, a. a. 0. S. 120 n. 36. (Fick, SGDI 1326.) Dorf Lutro,
'/4 St. südl. von Alifaka, bei einem der Quellbassins neben der Hag. Pa-
raskevi. Grabstele: Sevox^da.
522 Griechische Epigraphik.
Phalanna und Umgegend.
Ar- Lolling, MDAI VII 1882 S. 223. Turnawo. An der Nordseite
der Kirche Hag. Trias eingemauerte archaische Inschrift: . . . g 'Opsardoa
dve&ecxs rät &£jj.t(Tar:. Zu letzerem Wort vgl. MDAI VIII, 101 Anm.
ca. 400? Demetriades, '%. dp^. 1884 Sp. 224. Ebd. Gesetzfragment,
arocyi^döv. Nö/xog. (2) AI' xs zbv (3) faaarov (i) xtg faM'-{5)(T(TxsTrx[t (6)
xoivä y[p-{'7)£/xaTa £[y-{8)ov xal //[s (9) dovd£T\r/.-{\0)t dnne . . Etwa
400 V. Chr. / = C, MCV.
Lolling, MDAI VII 1882 S. 224. Ebd. Als Treppenstufe vor
dem Hause des früheren Kadi, Seriph Effendi, vermauert; zuletzt IGA
328 herausgegeben. L. hält die jetzt die erste Zeile bildenden Zeichen
für eine müfsige Spielerei und läfst die eigentliche Inschrift erst mit Z. 2
beginnen: J-aacSrxpog 7ra[?]g' IhiHoovsiog £7r' 'A^{ajp-{3)o[ dni^Blavs dpt-
a7[eü\ouv [;(f]<9[ö]vc»? e-n dpo6p\ag. Das erste der in Z. 4 erhaltenen
Zeichen ist sicher E; den Rest als Ypa[v£g zu deuten, ist zu künstlich.
Derselbe, a. a. 0. S. 226. Ebd. Verstümmelte Inschrift mit Li-
gaturen (metrisch?) über dem sehr roh ausgeführten Relief bilde eines
sitzenden Knaben. Z. 1: ... zd^og ij p.oipa xaßßa{a)^ov (?); Z. 2: nkcov
oux i^yj ivTf] dexa xai — ; Z. 3: ... [/^]>^('y)/ji'yS' ^dpcv rjpcog ^ — .
Derselbe, MDAI VHI 1883 S. 102ff. (Fick, SGDI 1329.) Vgl.
Ditte'nberger, Ind. schol. Hai. Winter 1885/86 p. IV sqq. — Marmor-
platte, auf 3 Seiten beschrieben, gefunden auf dem türkischen Friedhofe
von Kasaklar, eine Stunde östlich von Turnawo und in dem genannten
Dorfe aufbewahrt, jetzt aber wohl nach T. in die dort begonnene An-
tikensammlung geschafft. Das Dekret, welches nebst einer zweizeiligen
Überschrift auf der Frontseite 34 gegen den Schlufs hin mehr und mehr
verstümmelte, und auf den beiden Schmalseiten Nachträge von 28 bezw.
33 gleichfalls gegen den Schlufs hin sehr fragmentierten Zeilen in thessa-
lischem Dialekt umfafst, enthält Bestimmungen der Phalannäer über Auf-
nahme von Neubürgern. Den (Metöken aus den) Perrhäbern, Dolopern,
Änianen, phthiotischen Achäern, Magneten, sowie ro7g ig räv Oalav-
^aiäv (= »filiis mulierura Phalannaearum ex peregrinis patribus genitisa
Dittenberger, 1. c. p. V) wird mit der Einschränkung: roTg Tzoxypaipa-
fxivoig xai 8oxc[ia0i^£VT£aai xaz[Tuv] vofxov das Recht zum Eintritt be-
willigt. »Die Abfassungszeit liegt gewifs nicht weit von der der Phi-
lippischen Briefe« (vgl Röhl 1, 123 unter Larisa). Prellwitz, De dial.
Thessal. p. 5 ergänzt Z 3/4 der linken Schmalseite: Eu8apo[g \ l£xvo-toi.
Derselbe, a. a. 0. S. 107ff.; mit Wiederherstellungsversuchen
Fick, SGDI 1332. Stark verwitterte Marmorplatte desselben Fundorts
mit einer 47 zeiligen Inschrift, wegen gleicher Datierung nach dem As-
klepiospriestcr wahrscheinlich ebenfalls der Stadt Phalanna zuzuschreiben;
dem Schriftcharakter nach in spätere Zeit gehörig. »Die drei ersten,
VIc. Thessalia: Phalanna und Umgegend. 523
gröfser geschriebenen Zeilen enthielten ein kurzes Resume des Volksbe-
schlusses, der denHauiDtinhalt bildet. Dieser scheint sich auf die Regulierung
der Besitzverhältnisse des Heiligtums des Pluton und der Persephone gegen-
über Privatleuten bezogen zu haben.« Prellwitz, 1. c. ergänzt Z. 13 f.:
uuars (Tuix^av[zg s/x-(14)/jl£v] 8ik xt [iiec id?]Sca ^oupa iarc — , Z. 22 f.: «[r]-
Toc inotxcoc äm-oo Xaßobv tu-\-[t\ouv mXouv — , Z. 26ff. : t\o /i« Xon:[u\v
ol[xo]oojjLSc/j.a z[oüv (27) Ö£o5]v? elfi/isv al jid xi reg xaraaTzdaei (28)
olxodi)fi\E{i]ii\a\, d{7:)nsc<TdTou roü i9£[o0 — , Z. 37: [t]oT ivoc\xot) xac oi
rayol — . Fast übereinstimmend v. Wilamowitz-Möllendorff, Ind.
schol. Gott Winter 1885/86 p. 14 f. Aulserdem Z. 29: ro -i/idj/xa- [xal]
Derselbe, a. a. 0. S. HO. (Fick, SGDI 1330.) Marraorblock
derselben Herkunft, jetzt Träger eines der Narthexpilaster der Phane-
romenikirche in Turnawo, wahrscheinlich aus Kastri (= Phalanna) stam-
mend ; vgl. den von Phalanna bekannten Kult der Athena Polias und das
zweimalige Vorkommen eines Asklapiodoros. 7 zeilige Weihinschrift einer
Basis: 'A]&dv(ji IluXtdot oi noXtap^ot dvs-(2)&eexav , dp-/^niohapyivroQ (3)
'A<Txa{so)Xamoooijpot Ah^cvacuc- folgen die Namen von vier Poliarchen.
— Fick schreibt Z. 1 u. 2 rxolUipyoi und dpynrohapiivzoq.
Derselbe, a.a.O. (Fick, SGDI 1331.) 2zeilige Weihinschrift
in Turnawo, vermutlich gleichfalls ans Phalanna. Im Heiligsten der
Klosterkirche des Hag. Athanasios aufserhalb der Stadt, der kleinen
Nebenthür des Templeins rechts gegenüber eingemauert, teilweise über-
tüncht: Jdjxazpt xai hopa (2) MiXiaaa 'Emyivzta relscuo^a.
Derselbe, a. a. 0. S. 123 n. 48. (Prellwitz, 1. c p. 4 n. X.)
Ebd., dem Eingange links von der Mittelthür gegenüber. Grabschrift:
npä?]$cg (2) 'Avopo/xdyeia.
Derselbe, MDAI XII 1887 S. 354 n. 125. Turnawo, Polizei-
gebäude. Über der Reliefdarstellung eines Mädchens: 'Ah$dv8pou xai
Nsi'xr^lg] xaXrj (2) Buydrrjp Odrjzrj, Eh8r^po'j ok (3) toü 0ih'axoo olxizi,
Tjpwg ypr^ati, pfa^oe. — S. 356 n. 134. Ebd. Grabstein der Lenais, T.
des Theomnes[t]os, leiblichen T. des Antio[chos; sowie der Epiktesis,
T. der Philjokratea. — S. 357 n. 139. Ebd. Grabschriftfragment auf
eine Tochter.
Derselbe, a. a. 0. S. 354 n. 126. Turnawo, Haus des Marga-
ritis Chadjiphoros. Grabstein des Gor[gidas], S des Herm[o]laos. —
S. 355 n. 130. Ebd. Grabstein des Heges[ip]ol[is. — S. 356 n. 136.
Kirche des heil. Nikolaos der Wlachen. Abgetretener Grabstein des
One]simos und des Panphil[os — n. 137. Haus des Michalakis Zarkinos.
Grabstein des Pyrallos. — S. 357 u. 138. Schwellstein vor dem Altar
des Hag. Georgios mit sehr abgetretenen Grabschriftfragmente u. — S. 354
n. 129. Dimarchie von Turnawo, vom türk. Friedhof von Tza'irli. Grab-
stein der Zosime, T. des 'üvr^ac^opog.
524 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. S. 354 n. 127. Kasaklar bei Turnawo. Grab-
stein des Gorgippos. n. 128 des Deinias, S. des Dionysios. — S. 356
n. 133 (aus Tzairli; ungenau Parnasses VI 1882 S. 869). Grabschrift
des Leonteus auf sein Weib Hilaria — S. 355 n. 130. Türkischer Fried-
hof so. von Kasaklar. Grabstein des Hegesaretos, S. des Kephalos. —
S. 356 n. 135. Türkischer Friedhof westl. von Kasaklar. Grabstein des
Mnasias.
Derselbe, a. a. 0. S. 355 n. 132. Gunitza (ca. 2 St. von Atrax
und Turnawo), Kapelle des h. Athanasios an der Peneiosfähre. Grab-
schrift der Kaie auf ihren Vater, der Mestaro und des Timothe(o)s auf
ihren Wohlthäter Dionysios.
Demetriades, 'E^. dp/. 1884 Sp. 223. Turnawo. Grabschrift:
Kipdojv NeixrjQ dvrjp xat ^c^/xazlg (2) ^uydTrjp xal üapaKig nev&epd (3)
dnid^avav (so) iv no^dfiu).
G y r t 0 n.
Lolling, MDAI VIII 1883 S. 113. (Fick, SGDI 1328.) Am Chan
des Dorfes Tatarli östlich von Turnawo eingemauert und vermutlich dem
alten Gyrton zuzuweisen. 3 zeiliges Fragment eines Namensverzeichnisses.
G 0 n n u s.
Lolling, MDAI IX 1884 S. 299 f. Basis; 1. auf der Frontseite:
'H Tiöliq ij\ Fovviwv Eu^poviov I]a-(2)acx^£]oug röv iaurrjg sbspyizrjv, —
2. auf der einen Schmalseite 5 zeiliges Freilassungsdekret der dmhio&e)-
p(ü&c(so)aa 2a^ßca, im cfTpazrjyou KüXXoo Ebßtu\roo. Derselbe Stratege
begegnet in der agonistischen Inschrift von Larisa Durrbach, BCH X
S. 437 n. 3 (s. S. 512). — 3. auf der andern Schmalseite, mit Resten einer
früheren Inschrift durchsetzt, 5 zeiliges Freilassungsdekret eines Izpa-
Tovexog, arpaTr^yoüvrog KöXXou y' .
Derselbe, MDAI VIII 1883 S. 117 n. 19. (Prellwitz, 1. c p. 3
n. VIII). An der Rückseite der Hag. Georgioskapelle in Dereli einge-
mauert, nach Gonnos gehörend. Grabschrift: Ehßiüza Iluppi\oo.
Derselbe, MDAI XI 1886 S. 52. Grabstelen bei der Dimarchie
von Dereli: n. 22 des Dikaios, S. des Antiphilos; n. 23 des Philippos,
S. des Mnesarchos.
VII a. Aetolia, Acarnania.
Fick, Die ätolischen Inschriften. SGDI II Heft 1 1885 S. 18—28
n. 1409 — 1428 ^ Vgl. »die dialektischen Inschriften der Akarnanen,
Ätoler, Änianen« von demselben, Bezzenb. Beitr. VII 1883 S. 242—256.
— Rez. s. S. 392.
VII a. Aetolia, Acarnania: Arsinoe. Calydon und Umgegend. 525
A r s i n 0 e.
LoUing, MD AI VIII 1883 S. 340 f. Mühle in einem Seitenarm
des Acheloos; nach Aussage des Erbauers aus der Nähe des Dorfes
Angelokastro und der Kirche Hag. Georgios, wo sich u. a. die Grund-
mauern eines Tempels befinden. Die Inschrift, auf die schon Weil,
MDAI IV, 28 hinwies, eine links arg verstümmelte Freilassungsurkunde
in nordgriechischem Dialekt, zerfällt in zwei ungleich grofse Teile. Aus
der Form des Steines und Z. 2: \\pacvotg zol 'HpaxXsc schliefst der
Herausg., dafs derselbe zur Peribolosmauer eines Herakleion gehört habe.
Calydon und Umgegend.
Cousin, BGH X 1886 S. 183 n. 1. Genauere und vollständigere
Abschrift von SGDI 1418, welche eine abweichende Ergänzung und
Anordnung der Inschrift ergiebt; namentlich ist der Schlufs vollständig:
Tu xocvov Twv] Ahu)Xu)V Ad8a\y - - (2) - - v d^£[r]ac ivexsv xal eu[spy£-
acag Tag (3) £cg auro], (TrpaTsuadfxsvov, zeclßa&zvra dopazc (4) ijttö Aeo-
xi\ou KopvTjXcoi} IiülXa xal a[Tpazc(UTcxocg (5) Swpocg in' d}v8paya&c'^.
— Mit der griechischen Ehreninschrift Z. 1. 2 ist verbunden eine aus
dem Lateinischen übersetzte Aufzählung militärischer Verdienste und Aus-
zeichnungen. Ladas mochte dem, wohl von Sulla wiederhergestellten^
ätolischen Bunde während des mithridatischen Krieges gute Dienste bei
den römischen Feldherren geleistet haben.
Derselbe, a. a. 0. S. 185 f. n. 2. Vollständigere Kopie von SGDI
1428».
Derselbe, a. a. 0. S. 186 n. 3. Kephalo-Vrysi. Dürftiges Frag-
ment ungewissen Inhalts. Das Ethnikon Z. 1 : - - vcoc scheint die Ver-
mutungen von Bazin und Lolling nicht zu bestätigen, dafs der alte Stadt-
name Ellopion oder Thermon gewesen sei.
Derselbe, a. a 0. S. 187 n. 4. Mokista. Fragment eines Proxenie- ca. iso
dekretes des ätolischen Bundes auf einen -, - x]pdzsog M o[g. Datum:
üzpazayiovzug züov AhojXäJv 0{ij]Uto[g? (2) zou flavzaXiuiVog [füeupw-
v]cou [[J]avanu)Xi-{S)x]o\Tg. Der Vater Pantaleon war mehrmals Stratege
der Ätoler, zuletzt Ol. 151, 3 = 174 v. Chr. Das Fragment wird dem-
nach der Mitte des 2. Jahrb. v. Chr. angehören.
Derselbe, a. a. 0. S. 188 n. 5. Ebd. Grenzstein eines Tempel-
bezirks = SGDI 1428 h.
Derselbe, a. a. 0. S. 189 n. 6. Gavalu (= Trichonion?). Votiv-
inschrift: Tpcucäg \ dvsBrjxs.
Derselbe, a. a. 0. n. 8. Ebd. Grabschrift: Xapt[^'\ivou.
Fick, Die akarnanischen Inschriften. SGDI II Heft 1 1885 S. 12
— 17 n. 1379—1408. Vgl die oben (S. 524) angeführte Zusammenstellung
desselben Herausg. in Bezzenbergers Beiträgen. — Rez. s. S. 392.
526 Griechische Epigrapbik.
Blafs, Dialektinschriften von Korinth, Kleonai, Sikyon, Phleius
und den korinthischen Kolonieen am ionischen Meere, Bezzenb. Beitr.
XII Heft 3 1887, behandelt unter V: Korinthische Kolonieen in und um
Akarnanien (Anaktorion, Herakleia) S. 185 f. [Vgl. Derselbe, SGDI
III, 2 1888 S. soff.]
Oberhummer, Akarnanien, Ambrakia, Amphilochien, Leukas im
Altertum. Mit 2 Karten. München 1887. XVIII, 330 S. 8. 10 Mk., be-
handelt S. 260 — 275 die einschlägigen Inschrifttexte.
Thyrrheu m.
Cousin, BCH X 1886 S. 165 n. 1. Fragment. Auf die Überschrift:
Huixjxa^ta TtoTc 'Fat/xacoug folgt das Präskript eines Bündnisses zwischen
Kom und Thyrrheion in Vulgärdialekt. Dasselbe ist datiert nach den
Konsuln des Jahres 94 v. Chr. C. Coelius C f. Caldus und L. Domitius
Cn. f. Ahenobarbus, den Prätoren C Sentius C. f. (S. 169 Z. 8—10 sind
zu tilgen nach einer Berichtigung des Herausg. BCH XI, 239) und L.
Gellius L. f. und zwei Gesandten von Thyrrheion. Das Fragment be-
stätigt die auf Münzen und Inschriften ausschliefslich begegnende rich-
tige Schreibweise des Namens der Stadt und fixiert endgiltig deren Lage.
Hieraus folgt, dafs alle gleichfalls im Dorfe Hag. Vasilios gefundenen In-
schriften nach Tyrrheion, nicht mit Böckh und Lebas nach Anaktorion zu
setzen sind. Es sind dies die Inschriften CIG 1794<=, ^. 1793^ add.,
1794^ add. Lebas, Voy. arch. II 1052 und vielleicht 1048.
Derselbe, a. a. 0. S. 175 f. n. 2. Fragment einer Genossenschafts-
liste. Die Z. 1 — 5 erhaltenen Reste sind vielleicht die Namenfragmente
von bnonpordvtsg, es folgen fünf auixßtwrai, je ein ixdvvtg (derselbe Euxe-
nos, S. des Dazimos, begegnet in der ganz ähnlichen Liste desselben
Fundorts CIG 1793 '^ add.), auhjzäg, fidyscpug, 8cdxovog und fünf naideg.
Derselbe, a. a. 0 S. 178 f. n. 3. Zwei Grabschriften (schon früher
ediert in den ^EUr^vcxa Xpovtxd, Juli 1860): 1. die obere, viel jüngere,
auf den 11jährigen Damokrates, S. des Dionysios; 2. metrische Grab-
schrift (4 Hexameter, 1 Pentameter und 2 Distichen) auf Echenika, T.
des Menedemos und der Aristokrateia, aus Kassopa, die ihre beiden
Kinder ihrem Gatten Lysixenos und ihren Eltern hinterlassen mufs. Der
Ausdruck 'Hnecpou yaTa <fiponlog scheint auf eine Zeit zu weisen, in der
Epirus noch unabhängig war.
Derselbe, a. a. 0. S. 179 n. 4. Stein mit wenigen Zahlzeichen,
die mit den attischen übereinstimmen.
Derselbe, a. a. 0. S. 180. Grabsteine: n. 5 Ariste, n. 6 Herakleia,
n. 7 Sosippos, n. 8 Nikostratos, n. 9 Nikokles, n. 10 Gnathaina, n. 11
Nikippa, n. 12 Archela.
Vlla. Aetolia, Acarnania: Thyrrheum etc. Vllb. Epirus: Dodona. 527
Zaverdha.
Derselbe, a. a. 0. S. 181. Grabsteine: n. 1 A]ktias, u. 2 Polyxena,
n. 3 Axiochos, n. 4 Euphron, n. 5 Myrmidon, n. 6 Xenotimos, n. 7 Kreo-
macha (?), n. 8 X]enarchid[as, n. 9 Lamias.
Kekropula.
Derselbe, a. a. 0. Grabsteine: n. 1 Phaina[r]eta, n. 2 Djionysios.
Kandila.
Derselbe, a. a. 0. Grabstein der Geraella und des Pollio.
Chrysovitza.
Derselbe, a. a. 0. S. 182. Grabstein des Polemon, S. des Phaseidas.
Oktia (Va Stunde von Stratus).
Derselbe, a. a. 0. Fragment der Grabschrift auf einen Q. Fabius.
Phoetiae.
Derselbe, a. a. 0. Die Grabschrift bei Heuzey, Le mont Olympe
et l'Acarnanie S. 490 n. 65, deren Eigennamen Fick, SGDI 1401 in Aco-
[^:ag änderte, bleibt zu Recht bestehen: AlS-ptag \ ['}äg ^pyjaväg.
Prodrom US.
Derselbe, a- a. 0. S. 183. Zwei Fragmente der metrischen Grab-
schrift auf ein 7jähriges Kind.
VII b. Epirus.
Dodona.
Fick, Die epirotischen Inschriften. SGDI U Heft 1 1885 S. 3—11
n. 1334 — 1377. — Rez. s. S. 392. In der Ergcänzung und Zusammenstel-
lung der vielen Fragmente ist der Herausg. meist glücklich gewesen.
Als nicht dialektisch auszuscheiden ist n. 1368, als thessalisch n. 1371
(s. S. 5J8). Ungern vermifst werden drei von Carapanos, Dodone et ses
ruines, Paris 1878 nicht umschriebene Fragmente einer Freilassungs-
urkunde (Taf. XXXII, 2; s. S 528). Die zahlreichen Orakelinschriften
sollen, soweit sie sich mit Sicherheit bestimmten Dialekten zuweisen
lassen, an den Schlufs des Bandes gestellt werden.
Larfeld, Berl. philol. Wochenschr. 1886 n. 29/30 Sp. 928. Mit
dem Fragment SGDI 1335 sind zu verbinden Carapanos, a. a. 0. Taf.
XXXllI, 18. 19. Ich lese und ergänze: BaatXs.(juv\-og \^AA\£^dvopotj (Sohn
des Neoptolemos, 342 — 326 v. Chr.), i.7i\} (2) MuXo[aau)v (3) ä[pxovTog}
'ApcalrojfjLd^otj 'Vp(pa-{4)^o[g^ ypa/x]p.aTi[og S]s Meveddpuu (ö) "Op[<paXog^
528 Griechische Epigraphik.
i8]o$e T[ä]: ix{so)^yjacac twv (6) 'AmcpcD-äv]- Krrjaiov euep-j^srag £-(7)<tt;,
8cu do/iecv] 7:o^ei{so)T£iav Kt:^(t[uj-{8)vc'\ xat a\uro7 xac\ yevzal.
Derselbe, a. a. 0. SGDI 1359 ist zu verbinden mit den Frag-
menten Carapauos, a. a. 0. Taf. XXXIII, 8. 7: &]£6q, [ry];^« dyaBd.
Bo\^Lax'\og, (2) 0opiii[a\xog, 'E^£vcxa^ (J)ap[v]a)'6pa (3) ^Xeo^uj iXeuM-
pav dfc£v[Tc] xul a[u-{4)-oc dn' auzujv xal tujv ixyö[vw]v au-{5)Tdv xa\
yivog ex yeveäg, [a\g (= ziog) xa \^B'\ot-{&)(Txog xat äapvaydpa reXsuzd-
\a-{'j)u)vvi xal Ooppiaxog ^/5[a](T;y, T/?[a-(8)7r£r<TÖa;, o-nai xa d^iX\rj. M^dp-
Tup-(ß)£g Adyopog BaT£Xw[vo\g^ K£f[a-{\0)Xog' OnXalvog^ noX(j7:{so)£[p]^wv
^On-{ll)Xa?vog, Sipiag, Kila\^i&'\og.
Derselbe, a. a. 0. Drei von Carapanos nicht umschriebene Frag-
mente einer Freilassungsurkunde (Taf. XXXII, 2) ergeben die Lesung:
öeoff], Tw;^«. (2) Su}mTt\drpa ^oj-{Z)cnndT'\po\jj^ dTCo-{4:)X()\£t rä 8\jja (?)
XTd-(b)para ipnov-{Q)ra x[a\ 'ErJ\tpiva-{1)\>] Xba£i \^£v\ixa'c. '£?-(8);r]j
Qpda\iu\wg A'£-(9)^]«/<9r>[y Txp'\oa-d.-(\^)za. \^Mdpxu\p£g roi-{\V\ag 0
'Ay£X-. Die Urkunde ist gleichaltrig mit n. 1365, wo Z. 12/13 der Name
des Prostatas 0p]dcra>vog K£Xaidou herzustellen ist.
Derselbe, a. a. 0. Nicht dialektisch ist die in Vulgärdialekt ge-
schriebene Weihinschrift des Königs Pyrrhos (gewidmet nach der Schlacht
bei Herakleia?) SGDI 1368. Statt \^An£cpa>\T:ai ist ['H7:£cp<v]Tac zu lesen,
da der untere Teil des Anfangsbuchstabens wegen der parallel laufen-
den Hasten nur zu H ergänzt werden kann.
Derselbe, a. a. 0. Nicht epirotisch ist die Weihinschrift auf dem
Bande eines Gefäfses Carapanos, Taf. XXV, 2 (SGDI 1371) und 2 ter,
welche nach den Varianten der zweiten Hälfte dcuva und Jcwvac die Dativ-
form Jcatva zu bieten scheint Die Inschrift ist auf den thessalischen
Dialekt, genauer auf die Mundart der Thessaliotis (Gen. Sing. II. Dekl.
ou, dagegen Pelasgiotis und Perrhäbia oc) zurückzuführen, wie dies die
Wahrung des Patronymikon in llapBatou und die Verdumpfung des ö-Lautes
in J« Ndoo (= Nacuji, Ndcu) beweist.
Durrbach, BGH X 1886 S. 449 trifft mit Fick in der Ergänzung
von SGDI 1351 Z. 2: $£vt[x]a[? X]'ja£t und n. 1360 Z. 3: $£vcxdc Xbai d\n£'
X{jaav\ zusammen, n. 1353 Z. 3. 4 ist gleichfalls zu ergänzen: £X£(j[d-£pov
d(ptiv-t ^£vixac X^üoEi. — Vgl. über diese Formel Durrbach, a. a. 0.
(s. S. 516).
Robert, Hermes XVIII 1883 S. 466—472 »Ein antikes Numerie-
rungssystem und die Bleitäfelchen von Dodona« erweist die mehrfach
auf der Rückseite der Orakelanfragen vorkommenden Einzelbuchstaben
als Zahlzeichen und Kontroimarken bei Abgabe und Rückgabe der Täfel-
chen nach den Nummern einer zu diesem Zwecke angefertigten Liste der
Fragesteller. A — il = 1 — 24; beim Weiterzählen werden Doppelbuch-
VII b. Epirus: Dortona. 529
Stäben verwendet, wobei A ftii' die einmal durchgezählte Reihe = 24
gilt, demnach beispielsweise AP = 24 4-17 = 41.
Pomtow, Fleckeis. Jahrb. Bd. 127 1883 S. 308—345 behandelt
»die Orakeliuschriften von Dodona« (Carapanos, a. a. 0. Taf. XXXIV
— XXXIX) und fafst die aus denselben sich ergebenden Resultate für
das Orakelwesen S. 345 — 360 zusammen.
Derselbe, a. a. 0. S. 308—318. I. Anfragen griechischer
Staaten, (n. 1—5.) S. 308ft'. n. 1. 2 (Car. XXXIV, 5 und 4 verbun- Car.34. .'i. 4
39 7
den mit XXXIX, 7). Anfragen Korkyras über innere Verhältnisse.
n. 1 Z. 1 : ysög. 'Encxocvu)VT]ac h'opx[upa!oc - -, Z. 3. 4: - xdX\kaTa xrxl ca. 425 bz«
ä[pc(TTa x(u vT)v xal eis t-\uv enetra ^fjovov] focxsoce[v. — n. 2 Z. 2ff. :
in[c]xo!Vu>vrac roc K[o]pxupa-\[coc zioc Je (3) Ndwc xal rat J[«]a»va;, tlvl
xa [(9]-j£(i;v iy (4) rjoujujv &{jov\r\sg xal £y2'M'l/^^''''t'] (^) ^/J-ovoocsv i[7:]c
Tujyabov. /^ auf der Rückseite von n. 1 nach Pomtow von Priester-
hand gemachte Abbreviatur für Sdpoo, da/xömov oder dgl., nach Robert,
a. a. 0. S. 468 Zahlzeichen. — n. 1 ist wegen des F und des ionischen
Alphabets zwischen 450 und 350 v. Chr., wahrscheinlich nicht nach dem
peloponnesischen Krieg zu setzen ; n. 2 vielleicht einige Jahrzehnte jünger.
Beide Anfragen setzt P. in Beziehung zu den von Thuk. 3, 70 — 85. 4,
46—48 (427—425 v. Chr.), bzw. Diodor 13, 48 (410 v. Chr.) geschil-
derten unsichern Zuständen von Korkyra.
Derselbe, S. 314ff. n 3 (Car. XXXIV, 1 verbunden mit XXXV, 4). Can34,i.
Anfrage Tarents über Wohlergehen: 6'£o[r]g', | zu^ac dyaßäi. ['Empcurr^c ca anov
(2) }ra 7:u-\Acg \-a rcuv Tapr/y[Tc'vu)V (3) rov d-\ia ruv Ndiov xai T[av dabvav
(4) Ttep] 1 navT'j^tag xal r,[^z.pl iv'i (5) Ta)r.\.pa>c xal mpl ruiv .
Das aus den tabulae Hercul (CIG 5774 ff.) hinlänglich bekannte Zeichen
|- für den rauhen Hauch begegnet hier zum ersten Male sicher auch in
dem Alphabet der Mutterstadt. Ausgang des 4. oder Anfang des 3. Jahrb.?
Vgl. Blafs, Rhein. Mus. XXXIV S. 160.
Derselbe, S. 316f. n. 4 (Car. XXXIV, 3 bis; Rückseite von n. 8). Car 34,3b
Anfrage seitens des Mov . . diazdv tu xuivov. Z. 4 vielleicht: llüppot Ta\}\
beixt<TT\e\uu\ ara Schlufs: rd &ep.c[(Tzsüßdv-a?
Derselbe, S. 317f. n. 5 (Car. XXXIV, 2). Anfrage eines Nach- Ca.-. 34,.'.
barst aates der Molosser über Politik. Wegen der fast kursiven Schrift
die bei weitem jüngste aller Inschriften; doch Dorismus festgehalten.
Derselbe, S. 318ff. II. Anfragen von Privatleuten. A) Die
Antiquissimae (n. 6. 7). — S. 318 n 6 (Car. XXXVI, 4 bis; Rück- Cai.sc, 4b
Seite n. 14). Etwa: Tu^av dy]aHdv. flozspa Tuv^[dvoipc ä/ieevov \ Tipda- r,. jahrh.
ö'a»][^] y] zdv (oder -);[v]av'?) rj dlXav ot'xrj(y[cv i/<üv; — Wegen E = 5/
noch Ende des 5. Jalirh. Über die auf derselben Seite noch vorhan-
denen Reste zweier anderen Inschriften s. S. 325 u. (S. 530 u.).
Derselbe, S. 319 n. 7 (Car. XXXVIII, 6). Schlufs einer An- c-.u-.-ax.cu
frage: ^ dUav jxaazeke (= {laazeüec, /laazsui^?); ebenso schon Bursian.
E = ^.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LH. (1887. HI.) 34
530 Griechische Epigraphik.
Derselbe, S. 319—332 n. 8—22 Vorderseite. B) Dorer und Äoler.
Car 34,3. — S. 319 ff. 11. 8 (Car. XXXIV, 3; Rückseite von n. 4). Euandros und
sein Weib fragen über Wohlergehen. Einige Besonderheiten der äoli-
schen Schreibweise s bei Röhl I, 131. Am Rande Priestervermerk: Euav-
[8poQ. AP nach Robert, a. a. 0. S. 470 Zahlreichen = 41 (s. S. 529 o.).
ar. 37, 2. 3. D e r s e 1 b e , S. 32 1 f. u. 9 (Car. XXXVII, 2 verbunden mit XXXVII, 3).
Hippostratos fragt über Wohlergehen. Z. 2 vielleicht: ij ixrj\>[uü)v\ /i/[rij-
fjTjv = »ob ich durch Denunziation des Klares«, oder (nach Robert): ^
firj \'{au\x'A[ci\(j[(l)~\v bzw. mit Syntaxfehler: \>[fw^x'A\a\prjV — .
Car 36,2. Derselbe, S. 322 n. 10 (Car. XXXV, 2). Sokrates fragt über
Wohlergehen. Robert, a. a. 0. S. 467 Anm. 2 ergänzt: Stoc , zuya
dya&a. Tu> AI zS) A'a/Jo» xal äiojvo. Scuxfjdzrjg smxoi-{1)vrjzat, r.uzepw^
vaoxXapibv tj yäv] ipyal^o psvog Xujiov xal äfistvov (3) npd^si b ulug rxuzoü
I!iüaTpaT\og xai ahzib xai yEvea. — In der von ihm ergänzten Aufschrift
der Rückseite: 101 ^«^ äp.a-i lijoptg \ — dioof^peg yviuvat tu dXaBkg
möchte derselbe schon der poetischen Färbung wegen eine, offenbar sehr
allgemein gehaltene, Antwort des Orakels sehen (vgl. u. S. 532).
Car. 36, 2. Derselbe, S. 322ff. n. 11 (.Car. XXXVI, 2). Lysanias fragt über
das Kind der Annyla. Nach P. wäre ärjojvav Z. 3, w'elches auch in n. 16
wiederkehrt, wo der Schreiber ein Ambrakiote ist, als ambrakiotische
Eigentümlichkeit aufzufassen. Schwerlich richtig. Auf der Rückseite
lassen sich unter andern gröfsern Buchstaben auch A und Y erkennen;
vielleicht Ly[sanias?
Car. 36,1. Derselbe, S. 324 n. 12 (Car. XXXVI, 1). Agis fragt über ver-
lorene Matratzen und Kissen. ärMXo){zv Z. 3 wohl Schreibfehler. Das
von Car.-Foucart am Schlufs der Zeile ergänzte auzog befriedigt nicht
ganz, auch hat es zwei Buchstaben zu wenig; es stand hier wohl ein
zweiter Eigenname. Auf der Rückseite Priestervermerk: 'AY[cg\ darunter
ein B, nach Robert, a. a. 0. Zahlzeichen (s. S. 528 u.).
Car. 37, 8. Derselbe, S. 324 f. n. 13 (Car. XXXVII, 8). Amyntas fragt in
betreff seines Sohnes. Die mit kleinerer Schrift unter dem Eigennamen
eingeritzten Worte: iy Xio{o) sind nicht mit Car.-Foucart auf das Vater-
land des Amyntas zu beziehen, denn dieser ist Dorer {Aiaiivav Z. 2). P.
fafst sie als Überreste einer früheren Inschrift, wodurch bewiesen würde,
dafs auch die Bewohner der Westküste Kleinasiens mit dem alten Stammes-
heiligtum in Verbindung geblieben wären. 0 für OY würde auf das
6. Jahrh. deuten (doch widerspricht die Form 6!)-
Car.36,4. Derselbe, S. 325 n. 14 (Car. XXXVI, 4, Rückseite von n. 6).
Anfrage des Lysias und Pasias.
Car. 38,1. Derselbe, S. 326 n. 15 (Car. XXXVIII, 1). Anfrage über Schaf-
zucht. Der Anfang zu lesen : 'Epouzäc K?,soijza[g] (Thessaler wegen Ver-
dumpfung des ö-Lautes). Z. 3 zu schreiben: ömcuv. Auf der Rückseite
Vllb. Epirus: Dodona. 531
Priestervermerk: r.kp Tipußa-siag. Die Zeichen rechts davon K • J- er-
gänzt Robert, a. a. 0. S. 468 zu KXeoü-ag. Ein darunter stehendes E
fafst er als Zitier (s. S. 528 u.).
Derselbe, S. 326f. n. 16 (Car. XXXVI, 5). Ein Ambrakiote fragt Car. se.s.
über seine und seiner Nachkommen Gesundheit. Z. 1: [z]tg 'Außpaxid-
\yag. Über ilrj\tuvat s. zu n. 11.
Derselbe, S. 327ff. n. 17 (Car. XXXVII, 4). Anfrage über den Car. 37,4.
Ausfall von Handelsgescliäften. Z. 2 ty^c vielleicht verlesen oder ver-
schrieben für ra^i. Ar nach Robert, a. a. 0. S 480 Zahlzeichen = 27
(s. S. 529 0.).
Derselbe, S. 329 n. 18 (Car. XXXVI, 6). Lesung zweifelhaft. Car.36,6.
Derselbe, S. 329f. n. 19 (Car. XXXVII, 1). Anfrage über den Car.37,1.
Besitz eines Stadthauses und Landgutes. Auf die Schreibung i nöXt statt
£/i TM}d Z. ] ist mit Bm-sian wegen der auch sonst nachlässigen Schrei-
bung (vgl. 7:uXuu)<f£Ki{a)-e{p)üv Z. 2; auch Röhl I, 131) kein Gewicht
zu legen.
Derselbe, S. 330 n. 20 (Car. XXXV, 3). Anfrage über Bürger- Car. 35,8.
rechtsverleihung. In der Aufschrift der Rückseite wird ergänzt: --;:«]-
zipa ^il6-a\> y.a\ (5) po.ripa ? 'l(ft\jiveiav xat d\o]-{Q)Yaripa.
Derselbe, S. 330f. n. 21 (Car. XXXVIII, 2). Anfrage über eine Car. 38,2.
Schreibtafel. Z. 2 wird ergänzt: 'Ap{)a{Tag. Z. 3. 4 ist die Ergänzung
von Car.-Foucart: al a[()jX(popov ikd-£tv schwerlich richtig; Z. 5 zu er-
gänzen: ilujpc]Xaov, am SchluCs: £-£'/^vä[aazu\ Z. 6: eY{y)pa(prßriixzv.
Derselbe, S. 331 f. n. 22 (Car. XXXV, l). a) Anfrage einer Car. 35, 1 :
Frau über Heilung von Krankheit. Nach dem Priestervermerk lölaq
(Genetiv) auf der Rückseite ist Z. 1 wohl zu ergänzen: Btüq. 'Ettspojt^c
'l6X\a — . In einer zweiten, auf derselben Seite stehenden Anfrage (viel-
leicht einer Reisegesellschaft, Robert) b) Z 1: ^ elg 'Ekmv 7:£pt£?^[(JiJ]-
[fxsv ist entweder W.ivca (Land des thesprotischen Volkes dev^EXtvoc gegen-
über Anaktorion) zu verbessern, oder mit Bursian 'EXc'va für die gleich-
namige Hauptstadt zu halten.
Derselbe, S. 332 — 335 u. 22 Rückseite —24. C) Athener
und lonier. — S. 332 f. n. 22 Rückseite, c) Anfrage über Kinder. Car. 30, r
Z. 2. 3 nach P. wohl zu ergänzen: impcuvfX!, \ ^ Xwiuv xal äpscvov elrj]
ix ry^g juvoAxog [TTacduTiotr^cratTdac. Robert, a. a. 0. S. 470 möchte die
Inschrift nach Vergleich mit XXXVIII, 3 etwa ergänzen: *ö decva ahsT
Tuv'\ Jco. xal TYjv duijvTjV (2) xal robg Jujoojvacoug xal] rov f^sov ine-
pajzät, (3) sl' ioriv aozS) 7:aioor.<mcalhic] ix zr^g yuvatxug. — Darunter
in umgekehrter Schrift der Priestervermerk : Nix — , vielleicht auf einen
der Dorer von b) zu beziehen. Dann kann man auch das unter letz-
terem stehende 'löh/g (s. o.) als dorische Nominativform für löXaog an-
sehen und hierin einen zweiten Frager von b) erkennen. Vgl. Robert,
34*
532 Griechische Epigraphik.
a. a- 0., der ein auf Ncx- folgendes ^, sowie einen in T oder Y korri-
gierten Buchstaben für Zahlzeichen erklärt (s. S. 528 u.)-
-ar.38,3. Derselbe, S. 333f. n. 23 (Car. XXXVIII, 3), Bitte des Atheners
Diognetos. Z. 6 ist das u von euvotQ undeutlich; entweder ist ein Schreib-
fehler für £[x;'J] vor? anzunehmen, oder süvoü? zu korrigieren. — Polak,
Mnemosyne XV 1887 S. 273 liest: {T)i[x]votg\ Z. 5: abzw statt aura).
Dar. 38, 4. Derselbe, S. 334 f. n. 24 (Car. XXXVIII, 4). Herakleidas fragt
nepl yetverjQ. Wegen der ionischen Form yetverig Z. 3 ist der Eigen-
name auf -das wohl verlesen. Z. 2 ff. werden ergänzt: xai T\o7g eaurod
xac äjxa eTisipa)-{Z)z£7'\ nepl ysivsrjS, ^ £aTa[c aöran nacdcov ix r^g yuvai-
(4)xo?] A\l'}Yh)g^ rrjg vov e^et.
Derselbe, S. 335 — 338 n. 25 — 29. D) Die angeblichen
Orakelantworten. — Nach Pomtow wären von Car. mehrere Inschrif-
ten mit Unrecht als Orakelantworten in Anspruch genommen worden.
Car. 38, 7. So S. 335 u. 25 (Car. XXXVIII, 7). Das in die gröfsere Platte hinein-
geprefste Fragment ä, welches Car. für eine Orakelantwort hielt, soll
vielmehr eine ähnliche Anfrage wie das gröfsere Fragment a enthalten.
ir. 37, 1 b. — S. 336 n. 26 (Rückseite von Car. XXXVII, 1). Das lückenhafte Wort
em . AAtj? sei nicht Orakelantwort, sondern wahrscheinlich Priesterver-
Car. 35, 6. merk. — S. 336 n. 27 (Car. XXXV, 6) sei weit einfacher als Rest einer
:ar. 37, 6. Anfrage zu fassen. — S. 336 u. 28 (Car. XXXVII, 6). Die über einem
Schlangenhals mit Kopf eingeritzten zusammenhanglosen Buchstaben seien
Car. 38, 6. wohl uur Spielerei mit dem Griffel. — S. 337 f. n. 29 (Car. XXXVIII, 5).
Z. 2 sei von anderer Hand geschrieben, als Z. 1. In letzterer begegne
die ionische Form pavTrjtov^ deshalb keine Orakelantwort (allein jene
Form ist nicht lediglich ionisch, s. Dittenberger zu dem delphischen De-
kret S. 499 u.). — Dagegen sind nach Robert, a. a. 0. S. 467 Anm. 2 als
Orakelantworten zunächst einige schmale Bleiplättchen anzusehen, die in
ar. 35, 6. die Fragetäfelchen eingewickelt wurden (Car. XXXV, 6 = n. 27, XXXVIII,
5. 6 = n. 29. 7, und namentlich XL, 3 = n. 43; s. u.). In einzelnen
Fällen wurde die Antwort auf die Rückseite des Fragetäfelchens ein-
:ar. 37,5. gcritzt ; so sicher XXXVII, 5 = n. 32 (s. u.), wo man unter den derben
Buchstaben einer späteren Anfrage deutlich liest ätovuai- (offenbar Name
des Orakelsuchenden) und kreuzweise darüber AIONE0YHN =
/lubvY] &urjv, offenbar als Antwort auf die formelhafte Frage: tw xa Becüv
^ Yjpujwv ^üojv xal Bu^ofievog Xwtov xa} äpecvov 7Tpda<Toc/xc. Name und
Antwort scheinen von derselben zierlichen Hand eingeritzt zu sein. Auch
:ar. 35, 2. Ist XXXV, 2 = u. 10 wohl für eine Orakelantwort zu halten (vgl. S. 530).
— Als völlig zweifelloses Beispiel einer Anfrage mit Antwort veröffent-
lichte Carapanos, Rev. arch 1883 S. 354—356 folgende Inschrift. An-
frage: 9s6[g, TÜ]^a dya-{2)Bd. 'Ep[coT]s7 'AvTco-{3)xo[g 7u]v dt (so) xai
räv (4) dccüv[a]v bnkp uyc-(5)£cag [ajuroü xac 7:a-(G)Tpög xal d8sX(p-{'l)äg,
r[/]va &su)V ^ ijpliuco\v TtpäV'{8)Tc X[w]cou xac ä-{9)p£cvov ei^. Antwort
Vllb. Epirus: Dodona Ambracia. VII c Illyricum: Corcyra nigra. 533
auf der Rückseite (nach einem sonderbaren Erklärungsversuche des
Herausg. a. a. 0. von Merriam, American Journal of philology V 1884
S. 85f. sowie von Gomperz, Berl. philol. Wochenschrift 1884 n. 5
Sp. 129 richtig gedeutet): Etg ' Epixc-(2)um (3) upjj.d-{'^)aa(a)vzc.
Derselbe, S. 338 — 343 n. 30 — 42. E) Die übrigen meist
sehr verstümmelten und unleserlichen Inschriften. — Von den
bei Car. nur in Faksimile mitgeteilten Plättchen folgen noch in Um-
schrift: S. 338 n. 30 = Taf. XXXVI, 3, S. 339 n. 31 = XXXIX, 4, Car. 3.;, 3.
S. 339 f. n. 32 = XXXV n, 5 (s. S. 532), S. 340 n. 33 = XXXVII, 9, 39,4.37,5.
n. 34 = XXXVII, 7, S. 341 n. 35 = XXXIX, 2 (A auf der Rückseite 07,7.39,2
nach Robert, a. a. 0. S. 468 Zahlzeichen), S. 341 f. n. 36 = XXXIX, 1, 39, i.
S. 342 n. 37 = XXXIX, 3, n. 38 = XXXVIII, 8, n. 39 = XXXIX, 8, 39,3.8.38,
S. 342 f. n. 40 = XXXIX, 5, S. 343 n. 41 = XXXIX, 6, n. 42 = XXXV, 5. 39,5.(;.35,
Derselbe, S. 343 n. 43— 46. F) Die noch unentzifferten Plätt-
chen. — S. 343 n. 43 = Taf. XL, 3. Car. giebt nur die Photographie Cai. 411, 3.
eines zusammengeprefsten gröfseren und kleineren Plättchens ; bisher noch
nicht enträtselt. Zwei weitere Fragmente (n. 44. 45) hat derselbe noch
nicht publiziert. — n. 46 = XL, 4. Nur in Photographie mitgeteilt, Car. 40, 4.
noch unentziffert.
Derselbe, S. 344f. n. 47. 48. G) Nachtrag. Zwei später
ausgegrabene Bleiplättchen. — n. 47. Gurlitt, Archäol.-epigr.
Mitteilungen aus Österreich IV, 61 f., Faksimile IGA 332 (Roberts 108).
Buchstaben von Korinth und seinen Kolonieen. P. ergänzt Z. 1/2: 'Av]ä(T-
ff^lsTog. — n. 48. Gurlitt, a. a. 0. In vier Stücke zerbrochener
Bleistreifen mit mehreren über einander geschriebenen, nicht zu enträt-
selnden Inschriften, deren Buchstaben mitgeteilt werden.
Ambracia.
Blafs, Dialektinschriften von Korinth, Kleonai, Sikyon, Phleius
und den korinthischen Kolonieen am ionischen Meere (Bezzenb. Beitr.
XII Heft 3 1887) behandelt unter V die Dialektinschriften von Ambrakia
(s. S. 445). [Vgl. Derselbe, SGDI III, 2 1888 S. 82.]
Oberhummer, Akarnanien, Ambrakia u. s. w. s. S. 526 0.
Vllc. Illyricum.
Blafs, a. a. 0. behandelt unter VI S. 211 f. n. 35—37 [SGDI III, 2
n. 3221—3223] die Dialektinschriften von Apollonia, S. 212 n. 38. 39
[SGDI 111,2 n. 3223(1). 3224] von Üyrrhachion.
Corcyra nigra.
Hirschfeld, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884
S. 87—89 veröffentlicht nach Briefen von Vuletic-Vukasovic, docente di
534 Griechische Epigraphik.
storia e lingua slava in Curzola, an Mommsen mehrere lateinische In-
schriften aus Dalmatien und der Herzegowina. Darunter S. 87 n. 1 eine
in einem Grabmal zu Curzola (Corcyra nigra) gefundene griechische
Grabschrift: MapxiXXu) (2) 'Em(pav€l (3) t^c Kdtxl-{^)ag Mrjv6-{^)<pdug
(6) 0 ulu[g\ (7) p-vrjfiTjg (8) X"P^\y^- Über die cilicische Stadt 'Eru(fdvzia
s. Pape- Benseier. Die Schriftzüge sind teilweise ganz barbarisch und
nähern sich der Kursive.
S a 1 0 n a e.
Frankfurter, a. a. 0. teilt unter einer grofsen Zahl im Museum
zu Spalato befindlicher lateinischen Inschriften aus Dalmatien und Um-
gegend (S. 104 — 179) auch ein aus Salona, dem alten Salonae, herrüh-
rendes dürftiges Fragment einer griechischen Inschrift (S. 150 n. 197) mit
(vorher schon herausgg. von B(ulic), BuUettino di Archeologia e Storia
Dalmata VII, 71): -tov layrtt»[v? -(2)- dcä npeaß[ecav'^ - (3) - ' Epfierou
/i-(4)-o/x - -.
Spalato.
Derselbe, a. a. 0. S. 178 veröffentlicht nach einer Zusammen-
stellung von Glavinic, Bull. Dalm. IV, 65 f. vier griechische Fabrikmarken
auf Thonlampen im Museum von Spalato.
Hirschfeld, Archäol-epigr. Mitteil, aus Österreich IX 1885 bietet
unter einer gröfseren Zahl lateinischer Inschriften aus Dalmatien (S. 1
— 30) auch einige griechische. Darunter S. 19 n. 31 eine im Museum
befindliche Grabschrift des BaacAior^g xk KaUcyövr] auf ihr l^/a Jahre alt
verstorbenes Töchterlein Baadcaarj. Schlufs: Xips^ TcapoSlr^a.
T r a 11.
Derselbe, a. a. 0. S. 6 u. 3 (= Bull. Dalm. 1885 S. 27). Im
Benediktinerkloster: ^Em lepopvdpLovog (2) Eodpeog (3) rou Tsc/iaaccDvog,
(4) Xoycazäv Ja^vacou (5) 'OXrccovog ZdXXa, (6) Oapaüvovrog Auac'a, (7)
fpapiiaziog 'Apiaxoipdvtog. Wahrscheinlich aus Lissa; vgl. CIG 1834,
wo sowohl der barbarische Name EdXXa wiederkehrt, als auch Logisten
erwähnt werden.
Perasto.
Derselbe, a. a. 0. S. 27 n. 43^ Grabcippus im Gemeindehaus.
Mouxc'a ' EruxTrj-{'2.)at5 UozioXo.va[g errichtet ihrem Mann und sich selbst
ein Grabmal, mit Strafandrohung. — S. 27 f. n. 43''. Ebd. Grabcippus.
Aixcvvtüi (2) "Av&tpag xac (8) ]4Xe$avdpog errichten sich und ihren Frauen
Hermione und Epikarpia ein Grabmal.
Schneider, a. a. 0. S. 82. Perasto; aus Risano. Grabstein-
fragment mit Reliefdarstellung dreier Männer und der Inschrift: a) Zo-
ptxc'ojc (= Xopcxuotl) I 0cXu>vog, b) 'Hyrjacag \ ftiwvog, c) Msv£\xy}drr]g \
Mevex[pdzoug. Darunter: ^ac'pere.
VII c. Illyricum. VIII. Corcyra et viciuae iusulae. X. Macedonia et Thracia. 535
VIII. Corcyra et vicinae insalae.
Blafs, Bezzenb. Beitr. XII 1887 (s. S. 445) behandelt unter V S. 186 f.
n. 4. 7 [SGDI III, 2 n. 3178. 3182] die Dialektinschriften von Leukas,
unter VI S. 188—211 n. 1—34 [SGDI III, 2 n. 3186—8220] von Corcyra.
Corcyra.
Warsberg, Lützows Kunstcbronik 1884 S. 290 n. 17. 1. 'A]^po-
dtT(^ i[spöv? 2. '^lapug Tidv-wv \ Bewu oos ßoj/x6g. Dem Schriftcharakter
nach etwa aus dem 3. Jahrb. v. Chr.
Zwei zu Dodona gefundene Orakelanfragen Korkyras s. 8. 529.
X. Macedonia et Thracia.
D i u ra.
Laspopulos, Parnassos VII 1883 S. 185. Kunturiotissa, iVa St.
von Dion. Fragment einer 5 zeiligen Grabschrift aus später Zeit.
Derselbe, a a. 0. S. 186. Stypio, Va St. von Kunt., unweit Dion.
Grabschrift der Komnia Antigona auf ihren Mann Titus Tiberianus Par-
menion.
Derselbe, a. a. 0. Karitsa, unweit des vorigen Ortes. Späte
Grabschriften: 1. des Eros und der 'Piu/xrj ßepivrj auf ihre Tochter;
2: Mrjxoptov OeonoBmag \ xal ^Epixcövrjg.
L e t e.
Polak, Mnemosyne XV 1887 S. 277ff. giebt Lesarten und Erklä-
rungen zu dem Ehrendekret für Marcus Annius SIG 247 (Röhl I, 137 f.).
Heraclea Lyncestis.
Mordtmann, KE02: XY 1884 S. 62 n. 2. Grabschriftfragment
des Philippos, S. des Protogenes.
Thessalonice.
Durrbach, BCH X 1886 S. 125—129. Stele mit zwei Rats- und ca. 235.
Volksbeschlüssen der Delier zu Ehren des Admetos, S. des Brokos, aus
Thessalonich, der durch Errichtung von Statuen in Delos und Thessa-
lonich geehrt werden soll, nebst Antwortschreiben und Ratsbeschlufs der
Thessalonicher (Z. 46—77) s. XII unter Delus.
Hogarth, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 357ff. n. 1.
Arg verstümmeltes Bruchstück des Ediktes oder Briefes eines Kaisers
(vgl. 6 &eöe naTYjp {lou Z. II. 25) an den Demos von Thessalonike (vgl.
ot t^eaaalovixsTg Z. 24, 6ea(TaXo\vetx£~jciv Z. 32). Nach Z. 15: Staaa-
l\ovixri /j.[o)^]r} <Tuvrj{p)e-[oü(Ta(?) möchte der Herausg. das Fragment für
einen Dankesbrief des Kaisers für seinem Vater erwiesene Dienste halten.
536 Griechische Epigraphik.
1 46 Derselbe, a. a. 0. S. 360 n. 2. Die Stadt errichtet dem Kaiser
Claudius eine Weihinschrift; noXc[T]a[p]^oüvTajv (9) NscxrjpdTou tuu ßsoSä,
(10) 'HpaxXstSotj Tuu ArjurjTpi'oü, (U) smpeXrjZüo Msvdvdpou rou (12) JJs-
h^yeivou. Datum: ^'Etouq c«' 2eßaa-:ou rou y.a\ ßqp' = i. J. 76 der Allein-
herrschaft des Augustus, 192 nach Einrichtung der Provinz Makedonien
= 46 n. Chr., vgl. Böckh zu CIG 1970. Während hier nur zwei Po-
leitarchen begegnen, scheinen in der Inschrift CIG 1967 sechs oder sieben
(s. Böckh, Api^end.) erwähnt zu werden; nach Vermutung des Herausg.
dürften jedoch nur die beiden ersten durch xal verbundenen Personen-
namen Poleitarchen sein. Der eTunehjzy^Q unserer Inschrift ist wahrschein-
lich identisch mit dem Tap.cag -zrjg mXsiog in CIG 1967, obgleich letztere
nach Böckh jünger ist, als der Regierungsantritt Vespasians (69 n. Chr.).
•t^i38 Derselbe, a. a. 0. S. 361ff. n. 3. Nur rechtsseitig erhaltene In-
schrift, datiert nach dem Augustus T. Aelius Hadrianus Antoninus Pius
und dem Cäsar (seit 138) M. Aelius Aurelius Verus. Es scheint sich
zu handeln um xuvrjyia (Z. 5) — ex oiaBrjxCov ' Epsvvi\ou — ; Z. 11:
"Ap^exai de zd xuvrj[yca — . In Z. 10/11 ist nur knapper Raum für zwei
Poleitarchen; s. zur vorhergehenden Inschrift.
1 284 Derselbe, a. a. 0. S. 363 n. 4. M. Aelius Paramonos bestimmt
einen Sarkophag für sich und sein Weib Aelia Fausta; aus dem Jahre
t 2fi3 Btr' = 284 n. Chr. (s. o.). — S. 364 n. 5. Über und unter der Figur
eines Kindes mit einem Stabe in der rechten Hand (unter welcher der
spätere Zusatz: oj paXaxögl) Grabschrift des L. Canuleius Zosimos auf
sich und Canuleia Potamila, t^ dneXeuMpa xal ehepjexiari (?); aus dem
Jahre yqa — 263 n. Chr. — n. 6. Grabschrift der Flavia Cassandra
auf ihre Tochter Lyka. Späterer Zusatz auf dem Halse der weiblichen
Büste: Abxa^ -/alpe. — S. 365 n. 7. Verstümmelte Grabschrift mit dem
Relief eines speerschleudernden Reiters. — n. 8. Fortunatus und Petronia
errichten ihrem 25jährigen Sohne Patrobios, sich selber und ihren Nach-
kommen ein Grabmal; mit Relief eines auf einen Altar zureitenden
Knaben, hinter welchem ein Baum mit Schlange. — S. 366 n. 9. Ihrem
Sohne Aelius Nepos (Figur eines Jünglings mit Speer, Vogel, Palmzweig
und Kranz) errichten Abaskantos und Charit[i]n (= Charition) ein
Grabmal. Auf der linken Seite der Stele Dialog zwischen einem Wan-
derer und dem Jüngling (3 Distichen), in welchem der 12 jährig Verstor-
bene berichtet, er habe vordem im Pankration und im Ringkampf so
viele Kränze erhalten, wie jetzt im Tode. — Ein Grund, mit dem Herausg.
die Grabschrift für christlich zu halten mit Rücksicht auf den Palmzweig
und die Parallele zwischen den irdischen und himmlischen (?) Kronen,
scheint mir nicht vorzuliegen. Als Spender der Totenkränze sind ledig-
lich die Eltern gedacht. — S. 367 n. 10. Stele mit Mann, zwei Frauen,
Mädchen und Kind nebst der Grabschrift des Titus, S. des Secundus,
und seines Weibes Kleupo auf ihre Kinder Maketa und Marcus. — S. 368
n. 11. Stele mit einem reitenden Knaben, Hund und Eber; hinter einem
Altar Baum mit Schlange ; rechts Hermes mit Stab. Grabschrift des Neos
X. Macedonia et Thracia: Thessalonice. 537
Numisios Felix - Balas und seiner Schwester Chreste auf ihre Brüder
Hierax und Hermes. Z. 1 C = f (C überall = n). — n. 12. Stele mit
sitzender weiblicher Figur und Grabschrift des Neos Numesios Felix-
[ßjalas auf seine Tochter Chrest[e]. Auch hier C = >? (C überall = a).
— S. 369 n. 13. Grabschrift des KaHso!)ikrates und der Alexandra auf
ihren Vater Nikanor; mit dem Pentameter: /xvrj/xocruvrjg ev£-{5)x£v (t^/x'
in£yf)a-{Q)(l>£ zoSe. — n. 14. Unter der rohen Darstellung eines Kopfes:
'A/xmavu; (für 'Amno.vog) bTixog Mdvra (2) rfj lata Hpsmfj ixvrjlirjg (3) X'^P^'^-
Bäxog = Ruhestätte; nach dem Herausg. vielleicht christlicher Euphe-
mismus. — n. 15. Stele mit Grabschrift, welche Ti. Claudius Par(a)monos
seiner Tochter Claudia Paramona, seiner Enkelin Klaudia Heorte, sich
selber und seinem Schwiegersohn M. Herennius Aidemon zu Lebzeiten
errichtet. Die in regelmäfsigen Zwischenräumen über der Inschrift ein-
gegrabenen Buchstaben yva dürften das Jalir 223 n. Chr. (s. S. 536 0.) be-
zeichnen. — S. 370 n. 16. Stele mit weiblichem Kopf und sitzendem Kinde
nebst der Grabschrift des Mattius Gemellus auf sein Weib S[et]eina (neu)
und seine Schwägerin Grapte. — n. 17. Stele mit weibhcher Figur,
zwischen einem Kinde und einem Baume sitzend; von zwei männlichen
Figuren führt die eine ein Pferd auf dieselbe zu. Hipjpostratos und An-
tigona errichten ihrem verstorbenen Sohne (rA olwi) Hippostratos sowie
sich selber zu Lebzeiten eine Grabschrift. — S. 370 f. n. 18. Stele
mit Mann, Frau und erwachsener Tochter nebst Grabschrift des Dion
und der Kuthein (barbarischer Name) auf ihre Tochter Deltis. — S. 371
n. 19. Stele mit zwei Frauen und einem Kinde, -anios, S. des T., er-
richtet seiner Tochter Terentia, T. des T., und seinem Weibe Tertylla
sowie sich selber zu Lebzeiten eine Grabschrift. Der erstere Name ist
vielleicht Bretanios. — n. 20. Stele mit stehender Frau, welcher ein
Kind, ein Kästchen in der linken Hand, mit der rechten einen Spiegel (?)
darbietet. Fragmentierte Grabschrift eines Ca'?]nul[eius — . S. 372
n. 21. Stele mit zwei Köpfen. Grabschrift mit sonderbarer Wortstel-
lung: — d}x]u)/x(p ^(vaa KXea){^o)vtxrj rjj \ ^öYaT]p\ jxvetag x<^piv. — n. 22.
Stele mit Jüngling zu Pferde. Grabschrift des Damok[l]os und der Phi-
l[iste auf ihren Sohn (?) Pasam[oJn[os und sich selbst. — n. 23. Stele
mit Kopf eines Mannes, einer Frau und zweier Kinder. Reste einer
Grabschrift. — S. 373 n. 24. Stele mit sitzender Frau, hinter ihr ein
stehender Mann. Inschrift: 'Afj]£Trj Avzepiu-i — . n. 25. Stele mit Kopf
eines Kindes, eines Mannes und Weibes und zweiten Kindes. Philodoxos
errichtet seinem Weibe {yuvcxl) Artemidora eine Grabschrift. — S. 373 f.
n. 26. Sarkophag (früher Brunnentrog) mit geflügelter Figur, in der
rechten Hand ein Palmzweig, in der linken Hand eine Guirlande. Arg
verwaschene Inschrift, vielleicht des T. Serb[eios| ^/[a]rpo[g und —
auf Ser[b]ei[a 'I]a[r]fjeivrj — . S. 374 n. 27. Girard, BCH IV S. 66
(Röhl II, 137). Sarkophag. lulia Arrhia Lyka und Aurelius Smarag-
des haben ttju hyov zu Lebzeiten für sich ex zihv xoivöjv xömuv her-
538 Griechische Epigiaphik.
richten lassen; mit Strafandrohung: Entrichtung von [8rjv.] (lo' au das
[l£]pwzazov rnixelov (= kaiserl. Fiskus), — S. 375 n. 28. Berichtigte
Abschrift von CIG 1988. Es ist zu lesen: Z. 1: 'Ioox]oTjv8og , Z. 1/2:
lou-'xo{)v]doo, Z. 2/3: lo\ijy.oü\^^8ii) statt Isxouvoog u. s. w.
t 136 Dittenberger, Epigraphische Miscellen, in den »Histor. und
philol. Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« S- 291.
Als metrisch in Anspruch zu nehmen ist die Grabschrift bei Duchesne-
Bayet, Archives des missions scient. et litter. ser. III. tom. III (1876)
S. 238 n. 55 aus dem Jahre 136 n. Chr. Z. 3 bis 6 bilden zwei jam-
bische Trimeter: Atoaxoupcoou ra crr^/ia zoü -(inrjaTuü narpög \ inorjaev rj
natg ^ApixlXa pv^jxrjQ -/dpiv. Dafs die drei ersten Silben von äiuaxoupßoo
(nach regelmäfsiger Prosodie ein Bacchius) als Spondeus (oder Anapäst?)
behandelt werden, kann namentlich in anbetracht des Zeitalters des Epi-
gramms keinen Anstofs erregen.
Mordtmann, KE02y^N 1884 S. 8. Die metrische Inschrift Kaibel
519 gehört nicht nach Thessalonich, sondern nach Volo bei Demetrias
(Halbinsel Magnesia); vgl. S. 510.
Dumont, BCH VIII 1884 S. 462 n. 1. Gefunden beim Turm
Quanlu-Koule. Grabschrift des /! Kouaujvtog TcTcavog (derselbe Mordt-
mann, KE0I: XI 1880 S. 37 n. 15; vgl. Röhl I, 137) auf seinen Sohn
0ai8c/jLos und seine Tochter ^Prjropixij.
1 155 Derselbe, a. a. 0. S. 463 n. 2. Die auvrj^etg roü 'HpaxMog er-
richten ihrem Genossenschaftsbruder Euphrantos ein Grabmal. Merk-
würdig ist die Bezeichnung dp^muvaycoyouv-og Kiüroog Elprjvrjg. Gleich-
wohl ist der einem Heiden beigelegte Titel eines dp^cauvdywyog nicht
ohne anderweitige Belege (aus Olynth und Chios). Wie hier, so ist auch
Z. 9/10: nüBwvog Ao{(j)xdtag SsaaaXovixeog das Verwandtschaftsver-
hältnis nicht nach dem Vater, sondern nach der Mutter bestimmt (vgl.
die Inschrift aus Thessalonike CIG 1967; in Lykien war dieser Brauch
konstant). Datum: ezoug £n[pY ruu (xal) ax' = 185 der Aera von Aktium,
301 der makedonischen Aera = 155 n. Chr.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 15 n. 1. Grabstele im Tschinili
Kiösck zu Konstantinopel (Reinach, Catalogue n. 234), aus KtounpuXi
bei Salonichi; unbrauchbare Kopie bei Bayet-Duchesne, Miss, au mont
Athos n. 80. — T. Plavius Satyros errichtet Nztxr^<p6piü loviröo Aaxe-
\S]a[p.ov{i)uj ZU) xal Napxc'aaaj üsxoüzopt ein Grabmal.
Derselbe, a. a. 0. n 2. Ebd. Die Grabschrift bei Dethier, Ar-
chäol. Aufsätze S. 120, angeblich aus Brussa (so auch Reinach, a. a. 0.
n. 236) ist identisch mit Bayet-Duchesne, a. a. 0. n. 83 und gehört somit
nach Salonichi.
de Sainte-Marie, Revue arch. VII 1886 S. 146. Elpis errichtet
ihrem Manne Diouysios einen Grabstein.
X. Macedonia et Thracia: Thessalonice. Olynthus. 539
Olynthus.
Swoboda, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Ocsterreich VII 1883 S. 1 f-*/3
' ^ ° oder 38U
— 59 (mit Taf.) giebt auf grund einer neuen Abschrift und eines Faksi- —383?
railes einige neue Ergänzungen zu dem in der Kaiserl. Sammlung zu
Wien, 4. Zimmer des unteren Belvedere n. 246, befindlichen Vertrag des
Amyntas, S. d. Arrhidäus von Macedonien mit Olynth, der bisher wieder-
holt publiziert worden ist (u. a. von Sauppe, Weimarer Gymnasialprogr.
Ostern 1847 S. 15 f. ohne persönliche Kenntnis des Originals; nicht völlig
zuverlässiges Faksimile bei Lebas VII, 1406; mit Benutzung beider Pu-
blikationen bei Hicks, a manuel of Greek historical inscriptions, Oxford
1882 n. 74 S. 129 f., neuerdings wiederholt von Dittenberger, SIG 60 mit
den Addenda und nach neuem Abklatsch und Abschrift von Bechtel,
HD 8). — Zu Sauppe's, von Hicks mit einigen Abänderungen adoptiertem
Text giebt Swoboda unter Beifügung des gesamten kritischen Apparats
(S. 5 — 7) folgende Varianten:
A) 1: 'Eppc8a!o{u), 2: 'Eppc8aco['j], 3: sh' (so überall schon Hicks),
4: d<^&pu>nou[c, 6: ig t[7jv ^wprjv im ir]oXep.oc \ (7)^J im X[aÄxc8sai, ßorj-
&ietv'\ XaXxtoi-(ß)ag]^Aji['JVTat xrX. B) 1:5' icrvcu, 2: o]cxooopt(TTrjpc(o/JL,
3: aipojv — ^'t[c] (Original: OTI), 4: riu'. 8s xoiucut xat tu'jtujv \ 5: eh\
7: i^aycoyrj\^ 8k slv' xol 8crx-{8)(^a^ya)y7)v TsMoumv r. 9: at kxy M.
11: 7r[orc?'-(l2)<Tt9]ai, 14: xot\^{rji 7:po-\ilb)(T8sqa<7&ac ixsc]vo'j,\ ^'üpxog
aojJ.p\a.-/^c-{\%)rjg • <püM^iu za ai>v-s,dzi\iJ.ivrß. Xa\xt8\eT)-{Vl)aiv xat idv reg
crj! in' 'Ap]uvzai'[-- (18) --, ßorj&yj(T(o 'Apy^lrac? xrX. In einem
längeren Exkurs unternimmt der Herausgeber gegenüber Arnold Schäfer
und V. Gutschraid, welche den Chronographen gröfsere Glaubwürdig-
keit iubezug auf die macedouische Königsliste beimessen, eine Ret-
tung Diodors, indem er zu erweisen sucht, dafs von einer Konfusion
dieses Historikers bei Wiedergabe der macedonischen Königsreihe von
400 — 370 V. Chr. nicht die Rede sein könne. Als Quelle habe demsel-
ben für diesen Abschnitt eine synchronistische Tabelle vorgelegen, die,
wenngleich später als Apollodor (144 oder 129 v. Chr.), doch aus letzte-
rem und andern Quellen kompiliert gewesen sei; vielleicht sei es Kastor
gewesen. Die Umbildungsphasen der ursprünglichen, bei Diodor vor-
liegenden Liste in den späteren Bearbeitungen werden im einzelnen nach-
zuweisen versucht; relativ am wenigsten verfälsclit sei die Liste des Syn-
cellus. Die zwiefache Regierungszeit Amyntas II wird auf 39 1/3 — 393/2
und vor 383 — 370/69 fixiert. Die in unsrer Inschrift erwähnte Allianz
zwischen Amyntas und der chaicidischen Eidgenossenschaft möchte der
Verf. in das erste Jahr des Amyntas (394/3) setzen (S. 44). In einer
längeren Ausführung über Organisation und innere Verhältnisse des olyn-
thisch-chalcidischen Bundes ist der IJerausg. geneigt, die erste Gründung
desselben über das Jahr 424 v. Chr. hinaufzurücken (S. 57). — Ditten-
berger, a. a. 0. setzt den Vertrag zwischen 389 und 383 v. Chr.
540 Griechische Epigraphik.
Amphipolis.
Philippides, Parnassos VI 1882 S. 978. Artemisia errichtet ihrem
Manne lustus und sich selbst zu Lebzeiten eine Grabschrift. Nicht jünger
als 2. Jahrh. n. Chr.
A b d e r a.
Reinach, BCH VIII 1884 S. 49 n. 9. »Katzi-Davan unweit Ab-
dera. Griechische und lateinische Weihinschrift: "Hpwi AbXajvEcTjj d^oaia-
aral nspl hpia non{c)XXiov Zemav. »Basse epoque«.
Maronea.
1 38 Derselbe, a. a. 0. S. 50f. n, 1 — 4 giebt berichtigte Lesarten zu
den von ihm BCH V 1881 S. 89 ff. herausgegebenen Inschriften n. 2. 3.
7. 17 (Röhl I, 139). Es erhellt, dafs Aur. Tarsas (n. 17) gleichzeitig
Priester des Zeus, der Rome, des Dionysios (!) und des Maron war. —
S. 51 n. 5. Weihung eines Timon an die Musen aus sehr junger Zeit. —
S. 52 n. 6: Idiov Oua^spc-{2)ov l'eur^fjov rjf)w{a (3) 'HdeTa Tdpaoo r^pioig.
— n. 7 : 0 [ßf^fiog^ (2) Bam^Xia BpciL{x]u)V 'Poifiy^lrdXxrjv (3) K]6Tuog uluv
Tuv (4) Biar^üvMv EuepydT[rjv. Rhoimetalkes wurde 38 n. Chr. von Ca-
ligula in die Herrschaft seines Vaters wieder eingesetzt.
Chersonesus Thracica.
Lolling, MDAI IX 1884 S. 75. Aus Doghan-Arslan, Gehöft
zwischen Plagiari und Examili; jetzt im Metochi von Plagiäri. Auf einer
Marmorbasis: Jr^fiaperr] (2) Erjvcxivou {= Ztjv-) yuvij.
Derselbe, a.a.O. Examili, in einer Mauer am Eingang des
Dorfes beim Schulgebäude. Marmorpostaraent: Tobg 9-{e)coTdToog xa\
dv{i-{1)xrjroug \7:p^LVxtm'ou[g (3) £t OXaßcuj raXe\p]tuj ... (4) KooT\a]v-
rdvog. Z. 1 — 3 wohl sinnlose, aus echten Inschriften zusammengesetzte
Fälschung; Z. 4 wahrscheinlich von zweiter Hand. Ungenau bei Dumont,
Inscr. et mon. fig. de la Thrace n. 92.
Derselbe, a. a. 0. S. 76. Plagiari, in der Panagiakapelle des
Metochi. Unter dem Relief auf einem Grabstein an Stelle einer ursprüng-
lichen andern Inschrift: Aiovöaiug 'AXe^c\o\o.
Derselbe, a. a. 0. GoIfvonSaros, bei der Kapelle Hag. Geor-
gios, Va Stunde von Jenikiö. Verschleppte Marmorplatte, vielleicht aus
Athen, mit dem vierzeiligen Schlufs eines Psephisma: x']a\ a[T]rja[ai auT^v]
iv T^ [dxpoTtüXei^ (2) to 8k dv[dKu}ix\a tu elg rrjv arrj-{'i)krjv xac T[rjV
dv]aypa^rjv 3oü-{4:}vai zbv Ta[pLc]av.
Derselbe, a. a. 0. S. 77. Madytus (Maito), aus Koila (Kilia).
Unter einem Relief: Bdxwv üpißd-zu} cocw (2) narpl p.vrjp.[rjg X'^f^^]^-
X. Macedonia et Thracia: Amphipolis. Abdera. Maronea etc. 541
Derselbe, a. a. 0. Pergas, Privatbesitz. Rest einer Grabschrift
mit Strafandrohung: dvoi^rj^ (2) (iujac zw (3) cptaxü) (4) [^Jjyv.]
Derselbe, a. a. 0. Taifir, Kirche des Hag. Georgios. Posta-
ment mit der zwölfzeiligen Grabschrift des X^poaipuj{g 0\do{x\{}vrjY6[Q
und seiner Familie.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 206. Callipolis (Gallipoli). Be-
richtigte Lesung der Inschrift des BCH I, 409 veröffentlichten Priapus-
reliefs.
Kaibel, Hermes XIX 1884 S. 261 f. n. VII möchte zu Anfang der
von Mordtmann MDAI VI, 261 mitgeteilten metrischen Orakelinschrift
aus Callipolis (Röhl I, 140) lesen: 'AfpBtTjg (der Stein: 'Ap^eir^g) olrjt.
Aeneas, der »Sohn der Aphrodite«, mochte als Gründer des wahrschein-
lich V. 4 erwähnten Ainos gelten. Die sonst nicht nachweisbare, von
dem Dichter frei gebildete Namensform der Aphrodite sucht Kaibel durch
einen analog gebildeten Beinamen des Apollo zu erklären, indem er die
Gleichung aufstellt: Joxrjyivrjg: Jaxecüg = 'A^poyivsca: 'A^psca. — Keil,
Hermes XX 1885 S. 630 vergleicht den thessalischen Monatsnamen 'A(pptog.
Dittenberger, Epigraphische Miscellen, in den »Histor. und philol.
Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet« Berl. 1884
S. 299. In der Grabschrift BCH IV 1880 S. 516 aus Sestus (Röhl I,
140) sind die Personennamen: Ttrog 0op(pavuQ Tc'-ou Ntxiag^ Tlzog 0op-
(pavhq TcTou JJüBrjg und Oopcpavrj Tczou Brjvöara. Der mehrfach bezeugte
Gentilname Furfanius (E. Hübner, Eph. epigr. II p. 67) ist abgeleitet
von dem Cognomen Furfanus. Für den häufigen Gebrauch dieser Cogno-
mina (ursprünglich Ethnika) auf -anus, -enus und -inus in unveränderter
Gestalt als Gentilnamen neben den Ableitungen auf -ins bringt Hübner
S. 30 — 52 zahlreiche Belege.
T i r i s t a s i s.
Lolling, MDAI IX 1884 S. 75. Im Hof des Aristides Xantho-
pulos eingemauert: Kptza /latnnou \i(ppo8{{zjj (2) llovziq. eb^rjv.
G a n u s.
Derselbe, a. a. 0. S. 74. Im Schulgebäude auf der Höhe. Altar-
inschrift: Aya^^ Tuj^jj. (2) AmtXXujVLog (3) l'£ui%)ij 0sq. (4) lavijCf sh^riv.
Vgl. Röhl I, 141.
Derselbe, a. a. 0. Haus nw. von der Kirche des Hag. Nikolaos.
Dreizeiliges Fragment der Grabschrift einer Secunda.
Heraclea — Perinthus (Eregli).
Lolling. MDAI IX 1884 S. 73 f. Kopie von Limnios. Aus Ty-
roloi (TupohWj), nach Perinthus zu setzen. Vierzeilige Grabschrift des
Eustathios aus Perinth mit Strafandrohung. Wahrscheinlich identisch
mit GIG 2027.
542 Griechische Epigraphik.
Mordtmaun, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884 S. 215
n. 38. Fragmentierter Rats- und Volksbeschliifs zu Ehren eines athe-
nischen Tragöden. Als Agonothetes figuriert ein lJu(T£c8[<u]vcog Jcu-
a[xo]pidou.
Derselbe, a. a. 0. u. 39. Fragment in einem Hause, Eigennamen
enthaltend, darunter ein 'Fo-iJ-voürnog und ein KXsoyujp Noiizvatou Kpi^g.
1 117 Derselbe, a. a. 0. n. 40. Neue Kopie der von Duraont 69 mangel-
~" haft publizierten Inschrift im Innern der Palaia Metropolis. Zwei Bruch-
stücke eines Tempelarchiti'avs mit der Weihinschrift der Erbauerin des
Tempels, Aapxia rTjnamopi^^ Aapxtoo 'Aacarcxou ^uyd-y]fj, auf den Kaiser
Hadrian und die Kaiserin Sabina.
Derselbe, a.a.O. S. 217 u. 43. Basisinschrift. Nach Rats- und
Volksbeschlufs ehrt Aur. Chrestos den P. Aelius Severianus Maximus,
Sohn des gleichnamigen Vaters, rou Xaimpordzüo uTxartxuu. Über den
Gefeierten vgl. CIL III n. 91 und Napp, De rebus imp. M. Aurelio in
Oriente gestis S. 15.
1 292 Derselbe, a. a. 0. S. 2 18f. n. 44 — 47. Inschriften von vier gleich-
~ artigen Marmorbasen, wahrscheinlich aus dem alten Amphitheater. 7/
)<ajj.7:jjä' IlpaxXzwza)v r.öXtg ehrt durch Errichtung eines Standbildes 1. den
Imperator C. Val. Diocletianus, 2. den Cäsar Fl. Valerius Constantius,
3. den Imperator M. Aur. Val. Maximianus, 4. den Cäsar Galerius Val.
Maximianus, rjyepoveuovrog zoü dcaarjpordruü Jopcrcoo dopvscvou.
Derselbe, a. a. 0. S. 219f. n. 49. Basis vor der Kirche des h.
Georg mit einem fragmentierten Verzeichnis der Spiele, in denen der
Geehrte gesiegt hatte. Von denselben scheinen die Pythia in Cliarta-
genna (?), sowie der Agon der Kora in Kyzikos sonst nicht vorzukom-
men. Vermutlich steht der Anfang der Inschrift auf der dem Boden
zugewandten Seite der Basis.
Derselbe, a. a. 0. S. 220f. n. 50. In einem Privathause (Po-
lyzon oglu) in der Nähe der Palaia Metropolis. Metrische Grabschrift
zu beiden Seiten einer Herme (3 -f 4 Distichen) auf einen in den Gym-
nasien gebildeten und zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Jüng-
ling Doras, S. des Diokles.
Derselbe, a. a. 0. S. 221 n. 51. In der Umfassungsmauer eines
Hauses. Rechts verstümmeltes Epigramm in 4 Distichen auf eine Romulis.
Derselbe, a. a. 0. S. 222 n. 52. Altar aus Heraklea; jetzt in
Silivria. Grabschrift auf den 40jährigen M linoüaziog 'Ayptnnag.
Derselbe, a. a. 0. n. 53. Altar aus Heraklea, jetzt gleichfalls
in Silivria; nach der Aufschrift von L. Valerius Stephanus samt den
danebenliegenden beiden Steinen aus Chalcedon errichtet.
Derselbe, a. a 0. n. 55. Sarkophag als Wasserbehälter an einem
öffentlichen Brunnen am Eingang des türkischen Quartiers, einer Frau
BoXoaaca Jpoalg nach 20 jähriger Ehe von ihrem Manne errichtet.
X. Macedonia et Thracia: Heraclea — Perinthus. Selymbria. 543
Derselbe, a. a. 0. S. 223 11. 56. Kirche des h. Georg, im Pflaster
des Vorhofs Grabstele, dem Aur. Hymenios vou seinen Genossen er-
richtet.
Derselbe, a. a. 0. n. ö7. Sarkophaginschrift des Gl. Erasinus
auf sein Weib Gl. Donata und seine Tochter GL Elpis.
Derselbe, a. a. 0. S. 214 n. 37- In Eski-Eregli, einem Tschift-
lik 2 Stunden nördl. von Eregli, kopierte M. die von Aristarchi Bey im
KE0IIV S. 10 mitgeteilte Inschrift, ohne eine neue Abschrift derselben
zu veröffentlichen Ebendahin, nicht nach Eregli, gehört auch GIG 2028.
— In Umurdja, einem andern Tschiftlik, 2 Stunden landeinwärts von
Eregli, sah derselbe die Inschrift Dumont 66, welche aus Eregli dorthin
verschleppt ist; ohne erhebliche Varianten.
Bechtel, HD S. 134 n. 233 (Taf. II, 14). Grabschrift aus Pe-
rinthos: 'flyrjacno^cog \ to{u) 0avayöfis-]iij.
Selymbria (Silivri).
Mordtmann, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österr. VIII 1884 S. 204
n. 9. Oben und unten verstümmelte Marmortafel. Abbildung KE01'
IV S. 11 ungenau. Nach M.'s Abklatsch: ü'c xaTocxouvTsg h ^ol'Jii-
{2)ßpia areipavoövzt. (so) ' IIfJuOaj-{'6)fjov 'AvTtaXxtSa a~£<pdvo) (4) y^poaiujt.
xiu>iapyoöVTa (5) iaoTwv dr.ö irujv riXst-{Q)uvujv xac r.po'cazäiizvov {!) zwv
TS kfjwv xac Tuiv 8a-(S)p.oa{wv umajg xa\ ocxac—{9)ajg^ scgsunofjrjxöra 8s
xac (10) Ti\po68üög Tocg iy^ojpcocg (11) . . . . ra Ocä 7ia\^[Tog.
Derselbe, a. a. 0. n. 10. Fragment. Z. 4 al](jcpi^a)v ; vgl. Hermes
XVI, 167. GIA 514. Auf der rechten Schmalseite Fragment einer Weih-
inschrift an Aphrodite.
Derselbe, a. a. 0. S. 205 n. 11. 2zeiliges Fragment an einem
Brunnen in der auf das Kir kale Kapussi - Thor zuführenden Strafse.
Z. 2: t]ov dcovoaov. xaTsaxeuags.
Derselbe, a. a. 0. n. 12. Säule, errichtet 'i'Vrs/j bjzc'ag (so) der t soa
Kaiser C. lul. Maximinus und G. lul. Verus.
Derselbe, a. a. 0. n. 13. Über dem Reliefbild eines Dionysos:
dtovüaw ^HXrjVzirrj\ unter demselben die Namen der Stifter.
Derselbe, a. a. 0. S. 206 n. 14. Am Eingang zur Kirche der
Panagia. Über dem Reliefbild eines Dionysos: flauXo- Xpu --. Inderseiben
Kirche wurden von M. nach S. 214 noch mehrere arg verstümmelte Grab-
schriften kopiert.
Derselbe, a. a. 0. n. 15. In der hellenischen Schule. Über dem
Basrelief eines Totenmahles: 'E^ruyappo; Iht^oyivr^.
Derselbe, a. a. 0. n. 16. Armenische Kirche des h. Georg. Unter
einem Basrelief eine verstümmelte Inschrift mit dem Namen: 'Avs/xdarj-
To[g imx^XrjV Ar^p6<fckog.
Derselbe, a. a. 0. n. 17. Im Nepiagogeion. Unter dem Bas-
relief eines Totenmahles: 'ArzloXlcw^tog \ - — umov 'A7toXXujv!o[u?
313
544 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. n. 18. An der Kirche Kotixrjatg rr^g Oeoröxou.
Unter einem Basrelief die merkwürdige Inschrift: Jrjfiog Icuvcxög. — In
derselben Kirche kopierte M, nach S. 214 noch mehrere stark verstüm-
melte Grabschrifteu, sowie eine Säule vor dem Magazin des H. Stamulis.
Derselbe, a. a. 0. S. 214 n. 36. Auf dem Wege nach Eregli,
ca. ^/9 Stunde von Silivri. Zwei Fragmente an einer Fontaine: Grab-
schrift des Aup. Mapxtavug u xpidzcarog) und seiner Gemahlin Aur. Va-
leria mit einer Strafandrohung von 20 000 Denaren.
In der Sammlung des Herrn Stamulis befinden sich folgende Steine
aus der Umgegend von Silivri:
1. aus Kadiköi, Dorf IV2 Stunden nw. von Silivri:
Derselbe, a. a. 0. S. 207 n. 19. Verstümmelte Grabschrift der
Familie eines ---cojvog (Nominativ). — n. 20. Zwei Fragmente der Weih-
inschrift eines Auprjhog ' Afoog und seiner Frau Asklepiodote. — n. 21.
Grabschrift: Otlo^ia Zr^vojvog. Zr^vcg ZrjViuvog. — S. 208 n. 22. Über
einem Basrelief: Aaaig Közuug. (2) 'Af^]rjvdscg Jaac'oo. — n. 23. Frag-
ment über einer Frauengestalt: rouxo[üg?
2. aus Epivatäs {'Encßdracg, Pivados), 2 St. nördl. von Silivri
am Meere:
Derselbe, a. a. 0. n. 24. Über dem Basrelief eines thrakischen
Reiters: AuUcog (2) Tczog i^sib (3) ^ Apiayixa\ unter demselben: s.uiri\t
dniSujxs. — n. 25. Zwischen den Teilen der Figur eines thrakischen
Reiters: "Hpwi ' Ap^a-{'2,)Yiza\ unter dem Bilde: dcovüacog 'Emx-{1)zrjzoo
s{u)^rjv. — Das in beiden Inschriften vorkommende Epitheton des thra-
kischen Herosgottes, 'Ap^^ayizag^ ist neu. M. macht neben der — wegen
der Nähe von Byzantion nicht mit triftigen Gründen zu bestreitenden —
Auffassung als dorischen Form von dp/rjyizrjg die Möglichkeit thraki-
schen Ursprungs geltend. Gleichzeitig stützen die Inschriften Mordt-
manns (Rev. arch. 1878 Nov.) Widerspruch gegen Dumonts Auffassung
des thrakischen Reiters als heroisierten Toten, zu welchem derselbe an
dieser Stelle neues Beweismaterial beibringt.
Byzantium.
Curtis und Aristarchis, KE0IXN\ 1885 S. 3 n 1. Archaische
Inschrift in dorischem Dialekt: 'Anoixd{j^(vv (2) al^paz[äv^ (3) (Tzadco8[p6-
fiüjv (4) u zonog ä[p^ezac. Die Inschrift bezeichnete die Sitzplätze der
durch kriegerische oder gymnastische Verdienste ausgezeichneten Inva-
liden in dem wahrscheinlich durch Pausanias nach der Eroberung von
Byzanz (477 v. Chr.) errichteten Stadion. — Die Abschrift Mordtmanns,
SGDI III 1 1888 n. 3060: 'A7ToU[iu][vuot? (2) ac/pazä[c, (3) (Tzadtodplujxwt
(4) u zönog d[v£czat wird durch eine Kopie von Blafs, SGDI III 2 1888
S. 116 Nachtrag: Anoprx-- Z. 1 wieder modifiziert. Buchstaben: /Mo^ +
i^ X)-
X. Macedonia et Thrada: Byzantium. Bizye. 545
Dieselben, a. a. 0. S. 5 n. 2. Basisinschrift: 'ApzejjLc8(up[o]g
(2) iyyevrjc.
Dieselben, a. a. 0. S. 6 n. 5. Bruchstück einer Ehreninschrift t^.^w
auf Septimius Severus, der Byzanz nach der Zerstörung i. J. 197 n. Chr.
um 204 als Antonina Byzantinorum Augusta wieder aufbaute.
Dieselben, a. a. 0. S. 8 n. 7. Sesselinschrift, wahrscheinlich aus
dem Stadion: '0 osTva Oc]xca[x]os y.
Dieselben, a. a. 0. n. 8. Grabschrift; Museum zu Konstantinopel:
AnoXlwvtog Mixxoo.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 18 n. 4. Zwei zusammengehörige
Stelenfragmente im Tschinili Kiösck zu Konstantinopel, vielleicht aus
Byzanz. Nach Beschlufs rr^g xpaTiazrjg ßooXrjg xai roü cepwrdrou Stjixou
ehrt Diogn[ius] Aurelius Sabinian[us] Quintianus seine Verwandte Aurelia
Euphemia, Tochter roT» d^co^oyajTdrou ßaacXiujg - - (vermutlich bospo-
ranischer König des 2. oder 3. Jahrh. n, Chr.). »Stand am Ende der
verlorenen 6. Zeile yuvalxa od, so hat man für die folgenden 11 Buch-
staben die Wahl zwischen ' Foi/xrjTaXxou oder ^Paaxounöpcdoga.
Bizye.
Bt^ürjvai dvapvTjcreig, im H/xepoXoycov rr^g 'AvazoX.r^g noXtzeioypaiptxov,
(ptloXoyixhv xa\ entarr^ixovtxuv zou ezoug 1886 uno'A&avacrioL) nakaioXoyoo.
"Ev Kwvazavztvounoket 1886. 160 S. 8. 5 fr. S. 83— 119 von *. Darin
S. 92 Wiederholung der nach Rang., Ant. Hell. II n. 1236 von Mommsen,
Ephem. epigr. II 1875 S. 250ff. und neuerdings von Polak, Mnemosyne
XV 1887 S. 270 mitgeteilten Ehren -(Grab-) Inschrift des Königs Kotys
auf seine Eltern, den König ^adaka- und die Königin Polemokrateia
in Form einer Weihung an die Bsol Tiazpwiot (der Name 2a.8aXog
findet sich auf thrakischen Münzen). — S. 97; wiederholt von Polak,
a. a. 0. Inschrift vor dem Eingange eines byzantinischen Felsengrabes:
BEBTAAIEZTAAK(2)KIOY ^v zoTg Idcoig ^wv ia[u]-{3)z& xa). zjj
auvß'.o) zo.ozo~) (4) 'lo'jazj] louazou ztjV xa-{5)pdpav xazscrxauaas. — Vgl.
Papageorg, Berliner phil. Wochenschrift 1886 n. 33 Sp. 1030. —
Polak, a. a. 0. vermutet Z 1 : BetzäXi^^ Zzlaxxioo. Ersterer Name findet
sich häufig auf lat. und griech. Inschriften. Der Name Stlaccius be-
gegnet bei Orelli, Ampi. coli, inscr. Rom. n. 5017. SIG 270. CIG 3654g;
Add. 3668. 4884b.
Latischew, MDAI IX 1884 S. 213lf. hat eine Reihe thrakischer
Inschriften herausgegeben, die — 1829 gefunden und nach Rufsland durch
verschiedene Abgeordnete gebracht, welche nach dem damaligen russisch-
türkischen Kriege von der russischen Regierung zur Erforschung der
türkischen Provinzen gesandt wurden — teils nach Blarambergs Kopieen,
teils nach Dubois de Montpereux u. a. zum gröfsten Teile im CIG ver-
öftentlicht worden sind. Einige derselben, zusammengestellt in dem
Jahresbericht für Alterthumswissenscbaft LH. (1887. III j 35
546 Griechische Epigraphik.
Album d'un voyage en Turquie, fait par ordre de Sa Majeste l'Empereur
Nicolas I. en 1829 et 1830 par C. Sayger et A. Desarnod, haben in den
Addenda Berücksichtigung gefunden. Allein namentlich die in letzterem
Werke enthaltenen inschriftlichen Texte lassen, weil von einem Nicht-
Epigraphiker herrührend, vieles zu wünschen übrig. Latischew giebt
dieselben in neuen Kopieen.
Didymoteichos (Demotika).
A. a. 0. S. 213 f. n. 1. Jetzt in St. Petersburg, Eremitage. Album,
Taf. 48. Basrelief eines Gladiators mit einer 16 zeiligen metrischen (wenig-
stens 5 Hexameter) Grabschrift aus der späteren römischen Kaiser-
zeit. Der Anfang lautet: ['Ev9do£\ /iup/xu?J(ov , Z/xupvrjg [xMog, w 7i\ap-
o[(5]£rra, (2) x£^£ Bavcbv 7Tuy/jL^ npoßoxdropog ^raxcvß^ou. In v. 2 gilt
die letzte Silbe von xeTp-e als Kürze; dagegen in v. 5, wenn richtig er-
gänzt: Ks?/i]s 8' iv yirj 9pax{wv ■'Adptavon'\ok£c-u)v^ als Länge. Unter
dieser Voraussetzung würde auch der Stein nach Demotika aus Hadria-
nopolis verschleppt sein. Neu ist, dafs ein Myrmillo mit einem Provo-
kator kämpfte.
A. a. 0 S. 215 n. 2. Jetzt in der Eremitage. Album, Taf. 48. Dar-
stellung eines Totenmahles mit der fünfzeiligen Widmung eines Gl. Po-
tamon an seinen Vater, seine Mutter [Tita?j Flavia, seine Schwester
Kleopatra und seinen Bruder. Wegen des Namens der Mutter kann das
Denkmal nicht älter sein, als die vespasianische Zeit.
Adrianopolis und Umgegend.
Mordtmann, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884 S. 199
n. 1 reklamiei't den bisher einzigen, von Apiauus »in Cycladum raonu-
mentis« aufgeführten vorchristlichen Text GIG II 2046 für Adrianopel
auf grund der mehrfach die Heilsgottheiten aufweisenden Münzen, wie
auch wegen der an einer Brücke eingemauerten Inschrift: - - dvsBrjXB
\ßBw\ 'A(Tx^[rjma> .
Derselbe, a. a. 0. S. 200 n. 2. Drei Zeilenfragraente : a) - - - v
ipYliam ö[£<7- b) neacocg c) Zusammenhang unklar.
Derselbe, a. a. 0. n. 3. Zwei vielleicht metrische Fragmente.
Zusammenhang unklar. Auffällig R.
Dorf Doganovo (1 St. östl. von Kavakli, ca. 45 km nördl. von
Adrianopel, 45 km südl. von Jambol = Cabyle) und Umgegend.
Jirecek, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 144.
Verstümmeltes Basrelief eines thrakischen Reiters mit der Inschrift:
Oliaoma) BevSlg auvßc{o)g ivB[d8£ (2) nspcx - -.
Derselbe, a. a. 0. Sockel einer verstümmelten männlichen Figur,
X. Macedonia et Thracia: Didymoteichos. Adrianopolis etc. 547
an die sich ein Kind anlehnt, mit der Weihinschrift: fharoüi Bc&uoe
dnu ri-(2)vouXiuv (?) eu'/aptaTrjpcov.
Derselbe, a. a. 0. Aum. 11. Kloster Sveta Trojica bei dem Dorfe
Vakuf, ca. 5 km südl. von Doganovo. Die Gebrüder Skorpil, Einige
Bemerkungen über archäulogische und historische Untersucimngen in
Thrakien, (bulgarisch), Philippopel 1885 S. 82 beschreiben ein Marmor-
relief des Zeus und der Hera mit der Weihinschrift eines E[rf\va.xzvd^ug
äaixwaou (fuXap^og und seiner Angehörigen an Zeus Soter und Hera.
Dorf Büjük Monas tir = Msj-d^o Mov aarij pt
(ca. 30 km südl. von Jambol, 60 km nördl. von Adrianopel).
Derselbe, a.a.O. S. 14lf.; mit geringen Varianten Tsuntas,
'£>. dpx- 1883 Sp. 263f., Skorpil, a. a. 0 S. 80. Altarinschrift in vier
mangelhaften Hexametern, errichtet dem öso» \7i\zptxakXit 0ocß(ü von einer
''An\o\XXuj\/}g rjök xaacyvrjTuc , nacosg AuXuuCivsuj, die ihren aus der 2"«-
TTucxrj ipcßujXuQ (Vgl. die laTialoc bei Herodot 8, 110) stammenden Vater
xarä /[t^Jora Ju}8o7idpoLü bestattet haben. — Ähnlich beginnt das Ge-
dicht Anth. Pal. IX 786. Der thrakische Name Auluzenes begegnet auch
in der Inschrift von Mesembria GIG 2054 (S. 549). CIL III 6050, 2. 13.
V 3509. Ist zu Anfang von Z. 5 : i^ Kskazojv ein Ort zu verstehen , so
ist derselbe unbekannt; ebenso ein Dodoparos Z. 8.
Jambol = Cabyle, byz. Diampolis
(2V2 St. nordöstl. von Sliven, an der Tundza = Tonzus).
Derselbe, a. a. 0. S. 132. Zerschlagener Stein neben der grofsen
Eski-Dzamissi mit der Aufschrift: 'Aya&rjc rO-j^rjc.
Derselbe, a. a. 0. S. 133. Aur. Heraklianos errichtet zu Leb-
zeiten seine und seines Weibes Ziamarke Bildsäule.
Derselbe, a. a. 0. Skorpil, a. a. 0. S. 83. Metrische Inschrift;
nach Gomperz: 'Akpc dvu<pep[w\ xsxaXu[iip\iwv [^ 7T]spä{2) ulxov || (3)
ou[(T]dvTrjTov, [x]dvTiTo(u)(Tav i&Tjxa \\ (4) mxlq 'AnoXivdpiog Ilizpav £[;<] 'Püt-
jtji'^Cs'- II (5) EuTu^cug. — V. 1 wohl eher ein prosodisch fehlerhafter Hexa-
meter, als ein akatalektischer anapästischer Triraeter; V. 2 und 3 ent-
ziehen sich einer genaueren Bestimmung.
Derselbe, a. a. 0. S. 135 Anm. 4. Dorf Tausan-Tepe bei Jambol.
Dürftige Inschriftreste.
Sliven.
Derselbe, a. a. 0. S. 147f. Skorpil, a. a. 0. S. 79f (wiederholt
von Jirecek). Nach der gröfstenteils von Hartel hergestellten halberlosche-
nen Inschrift weihten die 'Av^claXelg] — Hsiov dydX-{Q)pa-a xarä XP^]^'
3Ö*
548 Griechische Epigraphik.
lioug rou-(7)[? - - 'A7t6XX\uj\ioq KoXo<puj-(ß,)vcoo unter dem Epimeleten T. Fla-
vius Niketes. Zu dem Z. 6 — 8 erwähnten Orakel des Apollon Klarios
bei Kolophon vgl. Tac. Ann. 2, 54.
Apollon ia (Sizopoli).
Derselbe, a. a. 0. S. 163 n. l. Weihinschrift : Mrjroxog TapoüXou^
ipbat de (2) Jix/xou, xxtaaq t^v Tiöhv (3) [itza -r^v exTirojcftv xai i-{5)ma-
axeudaag tu rpmukov (5) xai. rrjv ßäpcv, 'AndkXujvi lrjTp[ü). — »Also ein
Mann mit ganz thrakischem Namen hat die Stadt nach einer Katastrophe
erneuert. Die sxnrcjmg mag sich auf die römische Eroberung durch M.
Lucullus (72 V. Chr.) beziehen«.
Derselbe, a. a. 0. S. 163f. Grabsteine: n. 2 (Bechtel, HD 137):
0iXrdz7j I ^AnoXXüJVidsuj. — n. 3: AnoXXujvlg \ Arjp£co[tj | yuvr^. — S. 164
n. 4 (Bechtel, HD 138): Kpcvofisvrjc (2) Ocvom[o]euj. (3) Ji^/xrj (4) Apc-
aroxXeioug {b)'Ap(pmoX'iTtg^ (6) Kpivo[xevüog (7) yuv^. — n. 5 : tlr^pr^zpiog \
^ ExaTU)wpo\u.
Derselbe, a. a. 0. S. 164 n. 6. Aus Sozopolis; jetzt in Burgas.
16 zeiliger Anfang eines wortreichen Ehrendekretes der Bule und des
Demos der ApoUoniaten auf Aischrion, S. des Poseidippos.
Latischew, MDAI IX 1884 S. 2I6f. n. 3. Odessa, Museum. Bei
Boeckh, CIO II add. 2056^ nach einer von Dubois de Montpereux ge-
nommenen Kopie, mit geringer Wahrscheinlichkeit Varna, dem alten
Odessos, zugeschrieben; wahrscheinlicher aus Sizopoli. Die 15 zeilige
Inschrift, in deren Text der Herausg. von Boeckh abweicht, enthält nach
seiner Ansicht den Schlufs eines Ehrendekrets der ApoUoniaten auf einen
Bürger von Kallatis, welchem in seiner Vaterstadt eine Statue errichtet
werden sollte.
A n c h i a 1 0 s.
t 138 Jirecek, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 172 n. 1.
Den Kaiser M. Aurelius Autouinus Pius ehrt rj ßooXrj xai o Xapnpora-og
drjpog OuKmavoJv 'Ay^[caXscuv.
Derselbe, a. a. 0. S. 173 n. 2. Altarinschrift: Ju VXup.-\maj.
Derselbe, a. a. 0. n. 3. Votivinschrift : dcc u(pc(r[T(p] i[7:6n-{2)Tr} (?)
IloXülßi'log (3) r]a);> Te[x]vajv xai [l]-(4)ayro5 eu^apcaTYj-(b)pcov .
Derselbe, a. a. 0. n. 4. Unter dem Basrelief eines Mannes in
der Toga: — nXazsca — (2) A]öp. Ilaokog — (3) ßd\oX£o-a\ — (4) yivoug.
Mesembria.
Latischew, MDAI IX 1884 S. 223f. n. 8. Petersburg, Eremi-
tage. GIG 2053. Album, Taf. 47. Tara Z. 4 zweifelhaft. Nach L. überein-
stimmend mit Boeckh nicht vor dem 3. Jahrh. n. Chr.
X. Macedonia et Thracia: Apollonia. Anchialos. Mesembria. Beroe. 549
Derselbe, a. a. 0. S. 219f. n. 5. Eremitage. CIG 2053^ K6v]ojv
Z. 1/2 und das ungewöhnliche Js[jx6vT]rjg Z. 2/3 sind Blarambergs Ver-
mutungen. Z. 3 ist zu lesen: ^üog ichv xa\ z<jvü\tjQ^ Z. 4: xa\ xar' ioiav.
Nach L. wahrscheinlich 2. Jahrh. v. Chr.
Derselbe, a. a. 0. S. 218 n. 4. Eremitage. CIG 2053«=. Geringe
Abweichungen. Proxeniedekret auf den Thessaler Kallipos. Nicht jünger
als 3. Jahrh. v. Chr. nach L.
Derselbe, a. a. 0. S. 222 f. n. 7. Eremitage. CIG II add. 2053 d.
Einige Ergänzungen abweichend von Boeckh.
Derselbe, a. a. 0. S. 224 f. n. 9. CIG 2054. Album, Taf. 41.
Z. 2: AbXooZivTjQ AuXouZiveog. Vgl. S. 547.
Derselbe, a. a. 0. S. 221 f. n. 6. Odessa, Museum. CIG II add.
2056 ^ Von Boeckh Varna zugeschrieben, nach L. wegen der Z. 2 her-
zustellenden dorischen Monatsform 'Ap-s/icacoi) wohl aus Mesembria. Nach
L. etwa 2 Jahrh. v. Chr.
Jirecek, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 175. Unter
dem zerschlagenen Basrelief einer sitzenden Person (Aphrodite?) die
Naraenreste von sechs Dedikanten. Z. 7: ra$cap;;(rjaa[vT£g\ Z. 8: A^f)odcT[r^.
Derselbe, a. a. 0. Grabstein mit Spuren eines Basreliefs: ''Av-
viov^ yovä riav^äpeüg, }(acf)e. (2) Ilapjxiviuv llo.\>-/^dpEoq, '/'^^P^- (3) Ma-
zptg Ilav^dpeog, /acps. (4) Ohiag llavy^äptog^ Z"^^-
Beroe (Eski-Zagra) und Umgegend.
Derselbe, a. a. 0. S. 103 n. 1. Nach dem Bulletin der kais. russ.
archäol. Gesellsch. zu St. Petersburg, N. S. I 1885 nach einer Abschrift
von Montani in Philippopel wiederholt von Jirecek, a. a. 0. S. 209. Eine
dritte Kopie von Tacchella in Philippopel veröffentlicht Bei nach, Kevue
arch. VIII 1886 S. 88. Nicht völlig erhaltene Grabschrift in drei Hexa-
metern und einem Pentameter, einem Ateilianos errichtet von seinem
Weibe Sekunda.
Derselbe, a. a. 0. n. 2. Neue Abschrift des von Foucart, BCH
VI 1882 S. 183 n. 5 (Röhl I, 144) zum teil vollständiger herausgegebenen
Schlusses der Ehreninschrift auf eine Kaiserin.
Derselbe, a. a. 0. S. 104 n. 3. Dorf Avdzi - Duvandza (4 St.
südl. von Eski-Zagra). Aur. Mokianos weiht einen Altar.
Derselbe, a. a. 0. n. 4. Skorpil, a. a. 0. S. 84 mit einer Va-
riaute Z. 1. Kirche zu Jeni-Zagra (Nova-Zagora). Grabschrift auf eine
12jährige Tochter und deren Mutter Sekunda in zwei nicht ganz unver-
sehrten Distichen.
Dorf Golem 0 Selo unweit Kazanlyk, im Quellgebiet
der Tundza = Tonzus.
Derselbe, a. a. 0. S. 102 u. 2. Inschriftstein aus einer Schlofs-
ruine bei dem genannten Dorfe, sehr fragmentarisch und unleserlich.
550 Griechische Epigraphik.
Philippopolis und Umgegend.
1 202 Derselbe, a. a. 0. S. 95 f. Eine jetzt in Cakyrlar befindliche In-
schrift berichtet über die Gründung des aus den Itinerarien wohlbekann-
ten Pizos in der Zeit des Kaisers Septiraius Severus, welches von den
uTioTETayiiivoi = subiecti besiedelt wurde; sie erwähnt zwei thrakische
Dörfer, xw/ir^g ZxElaßpirfi und xJjjxrjg Ixenzwv^ und nennt zahlreiche Per-
sonen mit thrakischen, römischen und griechischen Namen. Die Inschrift
fällt nach dem Datum Z 9f. : im undvcuv töjv xoptutv auroxpaTopiuv A.
2Je7T{Tc/j.iou) Il£p-{lO)Tcvaxog x{a}) M. Aup{rjXcou) 'Avzujvecvou ZeßiaaxMv) in
das Jahr 202 n. Chr. Z. 4 ist der Name des Geta getilgt.
t 238 Derselbe, a. a. 0. S. 206 teilt eine Inschrift von Skorpil,
a. a. 0. S. 86 aus der Nähe von Airanli mit. Den Kaiser Gordian und
seine Gemahlin Furia Sabinia Tranquillina ehrt ^{yBp.u-{'J)v£iJovrog ttjq
9pq.x(i)V e7iap-)(^[£]ta{Q (8) no[iniajvt]avou (?) Trpeaßieurotj) SsßiaaToü) dv-
rc{(TTpa-{Q)T7jyou ^ Xavn^plordzTj 6p<fxwv pYj[Tp6-{\0)noXtg {OdilmzonoXtg.
Derselbe, a. a. 0. teilt das Fragment einer Grabschrift bei Skor-
pil, a. a. 0. S. 83 mit. Der Schlufs lautet: Edru^ec, napodeTra <pil£.
Revue arch. VII 1886 S. 150. Schlufs einer Ehreninschrift des
äpxiepeug Ti. Claudius Polemarchos auf den Kaiser Trajan.
Porta Traiana.
Jirecek, a. a. 0. S. 90. Stein mit dürftigen Buchstabenresten.
Pautalia, Ulpia Pautalia oder Pautalia Aurelii
(Küstendil) und Umgegend.
Derselbe, a. a. 0. S. 64 n. 1. Tafel an der Aufsenmauer eines
türkischen Bades: fJdvrag, oaot aret^ouacv (2) dn' äazsog rj8k npug äazo^
(3) ^euaau) ^ eiaopöoj.
Derselbe, a. a. 0. n. 2. Inschriftfragment im Strafsenpflaster. —
n. 3. Desgl. Griechische und lateinische Inschrift, wahrscheinlich dak-
tylische Verse, doch unsichern Inhalts.
Derselbe, a. a. 0. S. 65 n. 5. Fragment: --zoug (pilezaipoug
(2) xa\ (ptkadiX^oog (3) 'Ano^ödojpov — .
Derselbe, a. a. 0. n. 6 — 8. Dürftige, verwaschene Inschriftreste,
n. 7 Anfang: d^cokoyw^xal- -. n. 8 Anfang: M. OuX-nliog--.
Derselbe, a. a. 0. S. 66. Dorf Lozno, 1 St. nw. von Küstendil.
Interessantes Epigramm, von dem sechs Hexameter erhalten sind: »Ein
vielvermögender Mann hat ein altes Gemäuer auf steiler Felshöhe, dessen
Erbauung ruhmreichen Herrschern der Vorzeit zugeschrieben ward, zur
Grabkammer umgestaltet.«
X. Macedonia et Thracia: Philippopolis. Porta Traiana. Pautalia etc. 551
Derselbe, a. a. 0. S. 67. Skrinjano, in der Ebene nordwärts
von der Stadt. Marmortäfelchen mit drei weiblichen Figuren und der
Widmnng: Kopiaig Nüjxfatg; darunter Namenreste.
Derselbe, a. a. 0. Dorf Nikolicevci. Arg verstümmeltes Fragment.
Derselbe, a. a. 0. S. 68. Pfeilerinschrift an der Brücke über die
Struma, 2 St. östl. von Küstendil. Das Fragment enthält den Namen
DauTaXca.
Derselbe, a. a. 0. S. 74. Dorf Ryla, am Eingange des Ryla-
gebirges. Verwitterte Granitinschrift; Fragment einer Beitragsliste.
Serdica oder Sardica (Sofia).
Jirecek, a. a. 0. S. 49 n. 1. 2. Dürftige Inschriftreste.
Derselbe, a. a. 0. S. 50 n. 5. Grabstein des 65jährigen Aristo-
krates, S. des Aristokrates, aus Nicaea (Necxasug).
Derselbe, a. a. 0. S. 86f. Am Rande von Sofia, an der Strafse
nach Lom. Fragment eines Meilensteins. Z. 3/4: rjy£/j.ovsijov[Tog t^c]
Xafi7TpordT[7ji]g Opaxwv [iTzap^etas; Z. 6. 7 noch lesbar: odwv — pcXtov.
V. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886
S. 241 n. 5. Verwitterter Meilenstein, den rjYeixo£öov-{b)Tog] r^c Xapnpo-
rdrrjg 0paxu)V (6) STiapy^Buxg - - JTfy'/oy no6dev-{'7)Tog unarcxod? np]£<Tß.
Heß. dv-i-{S)arp]aT7]Yoo [^ X]£pda)v noXig d-{%)viarrl\ae. Vgl. zu der In-
schrift von Pirot, a. a. 0. S. 238 n. 1 (s. u.).
Dragomanski-Tepnik (Anhöhe unweit des Dorfes Dragoman,
an der Strafse von Sofia nach Pirot).
V. Domaszewski, a. a. 0. S. 239 n. 3. Aur. Mestria[nos], Soldat
der legio IL Italica, errichtet dem xopm Eaßa^iip ein Weibgeschenk.
— Man erwartet: legio I. Italica (die Legion von Moesia inferior).
Dorf T u d e n (unweit der Strafse von Sofia nach Lom).
Jirecek, a. a. 0. S. 52. Zwei höchst primitive Figuren des Zeus
und der Hera mit den Votivinschriften : 1. Kopicf. "Hpq. i) x(o/i.a-\pj(:a
£o^y}V\ 2. Kupcoj Je: rj xuxpap-^ia \ sb'/^TjV.
Pirot.
V. Domaszewski, a. a. 0. S. 238 n. 1. Altarinschrift. Die Cor-
nelia (2) Paula Au-(3)gusta ehrt ^ I[ip-{^)öu)v 7roI'[?, (5) im M. Abp.
(6) 'Hpwoou xac (7) llpöxXoo — . Ist die Ergänzung von Z. 3 richtig,
so reichte das Gebiet der thrakischen Serder (Cass. Dio 51, 26; vgl. jy
lipdwv TZühg = Serdica a. a. 0. S. 241 n. 5; s. o.) bis nach Pirot
in Serbien. Demnach wäre die Grenze zwischen Thracia und Moesia
552 Griechische Epigraphik.
superior weit westlicher, als bisher, auf den Höhen zwischen Bela Pa-
lanka (wahrscheinlich = Remesiana) und Pirot anzusetzen. Die Grenzen
des lateinischen und griechischen Sprachgebiets fallen mit diesen Pro-
vinzialgrenzen zusammen,
Derselbe, a. a- 0. S. 238f. n. 2. Altarinschrift. Dem 9ew inrjxoü)
u(pc<TT(u widmet ein xocvuv, wohl identisch mit dem &ca[(To?] leßa^tavög
Z. 14/15, dessen Mitglieder aufgezählt werden, ein Weihgeschenk durch
den Priester Hermogenes und den Prostates Augustianus.
Sorlyik (im Knazevazer Kreise).
V. Domaszewski, a. a. 0. S. 240 n. 4. Jetzt im Belgrader Mu-
seum. Plinthe. Der "Hp<f. Iovxtjtt^v^ weiht Ti. Claudius (2) Quirina Theo-
pompus Theopompi f. (3), arprxrrjybg 'AazixTJg r^g nepl fJs-(4:)pcv&ov, Irj-
XrjTcxrjg dpecvrjg, j£v^£-(5)>^])yr;x^? rr£[(5«]aö-/[a]s', ein ^apcarr^ptov. Die wahr-
scheinlich unter der Regierung des klaudischen Hauses geschriebene In-
schrift erklärt den Widerspruch in der Aufzählung der Strategieen Thra-
kiens zwischen Ptoleraäus (3, 11, 6) und Plinius (N. H. 4, 40), indem
letzterer wahrscheinlich die Unterabteilungen der Strategieen des Ptole-
mäus als selbständige Glieder zählte. Eine gleichzeitige Verwaltung der
drei Strategieen ist bei der Lage derselben nicht denkbar; vielmehr
scheint der Dedikant als Stratege des zuletzt verwalteten Bezirks, der
Dentheletike, an dem weit von den späteren Grenzen Thrakiens entfern-
ten Orte das Denkmal errichtet zu haben. Vielleicht ist auf grund
unserer Inschrift anzunehmen, dafs der südöstlichste Teil der Provinz
Moesia superior, das Becken von Nisch, vor Errichtung dieser Provinz
zu Thrakien gerechnet wurde.
Nicopolis (Jeni-Nikup und Stari-Nikup).
V. Domaszewki, a. a. 0. S. 241 n. 6. Jeni-Nikup. Dem Zeus
Helios Sebazios errichtet Fl. Asianus ein Weihgeschenk,
t 233 Derselbe, a. a. 0. S. 242 n. 7. Ebd. Dem Zeus Keraunios er-
richtet die Stadt ein Weihgeschenk, Ma^cpo) xk naripvip u7i{(XTocg) =
233 n. Chr.
Derselbe, a. a. 0. n. 8. Ebd. Grabstein des Gai'us, S. des Bianor,
aus Nicaea, doporexrwnoXstryjg (?) (polr^g KaniTOjXecvrjQ. »Auch in zwei
anderen Inschriften aus Nikopolis (Röhl I, 145) werden Asiaten aus
Nicaea genannt. Es scheint demnach, dafs Traianus in Nikopolis am
Ister, wie auch in Dacien, Asiaten als städtebildendes Element ansiedelte«.
Derselbe, a. a. 0. n. 9. Unweit Stari-Nikup. Weihinschrift des
T{iß.'] Kh UpeiaxeTvog an Zeus Olympios, Hera und Athena.
Derselbe, a. a. 0. S. 243 n. 10. Polikraste, nördl. von Tirnova;
ohne Zweifel aus den Ruinen von Stari-Nikup, Altarinschrift zu Ehren
X. Macedonia et Thracia: Sorlyik. Nikopolis. Schumen. Odessas. 553
eines Kaisers, errichtet bnaTeöovrog i-{4:)nap/cag Ootrewtoo (5) foußsvcoo
dvT\^L\aTp{rjLTrjYütj).
Derselbe, a. a. 0. S. 243f. n. 11 (= Kanitz, Bulgarien III 8. 1 200/1
342, XIII) Jetzt in Tirnova. Die lulia Domna, Gemahlin des Kaisers
Septimius Severus, Mutter des M. Aurelius Antoninus und des L. Sep-
timius Geta, ehrt unter der Regierung des Legaten V. 'Oouetvt'oo Tsp-
TuXXou rj Upwrd-crj ßouXrj xac o xpäziaxog Srjfj.og ObXmag NtxonoXscug rr^g
Ttpbg "lazpov durch Errichtung einer Bildsäule. — Vgl. S. 557 n. 57.
Schumen, türk. Schumla, und Umgegend.
Jirecek, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 197. Frag-
ment der Ehreninschrift auf einen Kaiser; wohl aus Aboba.
Derselbe, a. a. 0. S. 196. Dorf Madara, 15 km östlich von Schu-
men. Ungefähr sieben Mannshöhen hoch im Felsen ausgehauenes Bas-
relief eines thrakischen Reiters, der einen Löwen mit der Lanze zu durch-
stechen scheint. Die Inschrift, zu beiden Seiten des Pferdes, ist nur
rechts gut erhalten. Mit dem Fernglas wurden entziffert: — '/o.^P^ —
Toosvap — scXs — epsTS — .
Derselbe, a. a. 0. S. 198 ff. (Umschrift und Erklärung von Szanto).
Unweit des früheren, jetzt unter dem Namen Kostena Rjaka von Bul-
garen bewohnten, Tscherkessendorfes Kemekci Dere bei Markovca, nö.
von dem Felsrelief von Madara ausgegraben; jetzt in Schumen. 40 zei-
liges Fragment einer dorischen Ehreninschrift (vielleicht aus Kallatis, vgl.
Z. 19 — 21: i^ovra zov 7Tpo[9ü-{20)piog dvrcÄapßavopsvov zag KaX?.az[ca-
(21)vtuv awzrjpiag) auf Stratonax, S. des Ly[gda]mis, aus Apollonia. Die
oberen, arg zerstörten Zeilen scheinen den Hinweis auf einen in skythi-
schem Gebiet geführten Krieg zu enthalten. Die Inschrift von Sestos
Hermes VII, 113 ff. = Dittenberger , Syll inscrr. Graec 246 (Wiener
Studien I, 32 ff.) bietet merkwürdige sprachliche Analogieen. Wie letztere,
fällt auch unsre Inschrift sicher nach dem Tode Attalos III. (133 v. Chr.).
Odessas (Varna).
Latischew, MDAI IX 1884 S. 225 ff. n. 10—12. Odessa, Mu-
seum. CIG 2056'', ^ II add. 2056 f. Geringfügige Varianten.
Derselbe, a. a. 0. S. 228 ff', n. 13. 14. Odessa, Museum. ' Bisher
unediert. Im Katalog des Museums als aus Smyrna stammend bezeichnet»
doch von L. aus mehreren Gründen Varna zugeschrieben. Der Stein war
im Altertum mehrmals benutzt; zunächst diente er als Piedestal einer
Statue und zeigt Reste von mindestens 40 Zeilen eines Ehrendekrets
(n. 13), etwa aus dem 2. Jahrh. v. Chr. Später wurde er als Grabmal
verwandt und trägt die Inschrift (n. 14): "EXkr^v Ino'/^pöaoo xat rj yuvrj
(2) auzou Toüza Jrjpovcxou, (3) /acpsze.
554 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. S. 231 n. 15. Odessa, Museum. Über der Dar-
stellung eines Totenmahles die Zeilenreste aus späterer römischer Zeit:
- - e]og SToiv v' \ darunter: xai rj yuvrj auzou Tep-ia'HpaxXiujvog.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 313ff. Nach Abklatschen des
Atheners Mystakides. Da die Abklatsche an manchen Stellen deutlicher
sind, als die Photographieen des Russen Ermakow, nach denen M. in der
Revue archeol. 1878 (Februar und März) eine Anzahl Inschriften ver-
öffentlichte, so sind die wichtigeren Texte wiederholt worden. — S. 313
n. 1 = Rev. arch. a. a. 0. n. 4; S. 314 n. 2 = n. 3; S. 315 n. 3 = n. 5.
Derselbe, a. a. 0. S. 315 n. 4. Schlufs eines Proxeniedekrets ;
wahrscheinlich = CIG 2056.
Derselbe, a. a 0. S. 3l7f. n. 5. Auf das Präskript: 'AyaB^rji rüxrji.
07Se lipTjvrat (2) rw Btwc perä ttjv xd&oSov folgt eine Liste von 46 Prie-
stern; der Sohn (so Latischew, MDAI XI, 200) des einen derselben
(Z. 24) begegnet CIG 2056 s (aus Varna, Zeit des Tiberius). — Latischew,
a. a. 0. S. 200 f. bezieht die Z. 2 erwähnte xdßoSog auf die Rückkehr
der Einwohner nach dem Einfall der Geten (Dio Chrj's. ed. Dindorf
II, 49), etwa 50 v. Chr., und setzt demnach das Verzeichnis der 46 (auf
je ein Jahr gewählten) Priester in das letzte vorchristl. Dezennium. —
Nach demselben, a. a. 0. S. 202 Anm. 1 wird derselbe Einfall wahr-
scheinlich auch erwähnt in der Inschrift von Istropolis Arch.-epigr. Mitt.
aus Österreich VI 1882 S. 36 n. 78 (Röhl I, 149) Z. 3ff. — Die Genetiv-
form Zrjvc Z. 29. 39 (Nominativ Zrjvig Z. 28) wird bestätigt durch die
Inschrift Rev. arch. a. a. 0. n. 9, welche S. 319 nach einem Abklatsch
wiederholt wird.
Derselbe, a. a. 0. S. 319 n. 6. Fragment, wahrscheinlich einer
Dedikation an die Dioskuren.
Derselbe, a. a. 0. n. 7 = Rev. arch. a. a. 0. n. 17.
Derselbe, a. a. 0. S. 320 n. 8. Grabschrift Aes^EanaTog \ dioaxou-
pidou; n. 9 des"E?.?.rjV 'Earca-; n. 10 des Mivzrjg Necxcou und seines Weibes
''Avvi Eevujvog^ — zou Ab-oxpäzoog &(jydz7]p. — n. 11 zwei Fragmente.
S. 321 n. 12 Schlufs einer Grabschrift: yuvr] auzou] OcaBcoug^ Buydzfjp \
8s 'AneXMdog' /alps.
Jirecek, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 179 n. 2,
Fragment: duo | ^£u(prj-.
Derselbe, a. a. 0. S. 180 n. 4. Grabstein (mit Basrelief) des
Diogenes, S. des Zopyrion, seines Weibes N]ana, T. des Hellen, und
seines andern Weibes Theteis (?), T. des Asklepiades.
Derselbe, a. a. 0. n. 5. Grabstein (mit Basrelief) des Apellas,
S. des Zoilos, und seines Weibes Mama, T. des Metrodoros.
Derselbe, a. a. 0. Grabstein des Apellas, S. des Zenon, und
seines Weibes Glykytes, T. des Chaireas.
X. Macedonia et Thracia: Odessus. Dionysopolis etc. 555
Dionysopolis (Balcik).
Jirecek, a. a. 0. S. 184 n. 1. Fragment. Bule und Demos J;ov]u- ^J^s
aunoXirihv ehren den T. Vitrasius PoUio, der als legatus Augusti pr. pr.
von Moesia inferior zur Zeit des Kaisers Antouinus Pius auf Inschriften
von Varna und Lompalanka (CIL III 762. 6125) erscheint.
Derselbe, a. a. 0. n. 2. Fragment der Ehreninschrift auf einen
dp;(i£[pz-. Z. 4: ^[s]otjr]p-.
Derselbe, a. a. 0. S. 185 n. 3. Dorf Junuzcilar (nördl. von Balcik). desgl.
Fragment der Ehreninschrift von Bule und Demos dcovu]ao7:oXecTu>v auf
einen um die Stadt hochverdienten Mann ; u. a. npsaßsöaavra napä 9eb[v
(5) — 'AvTCDvecvov £cg rrjv ßaatliba ^Fiüii\rjv.
Kavarna(=Bizone? 2V4 St. nördl. von Balcik) und Umgegend,
Derselbe, a. a. 0. S. 186. Fragmente eines Verzeichnisses von
lepeiQ Taüpwv.
Derselbe, a. a. 0 S. 187. Dorf Gjaur-Sujutcuk (V* St. Östl. von
Kavarna). Dürftiges Fragment einer Weihinschrift (?). Z. 2: iA]')p.
OuaXspco-.
Dorf Jaly Üc Orman
(18 km nördl. vom Kap Kaliakra = Tiriza promunturium).
Derselbe, a.a.O. S. 190. Arg verstümmeltes Fragment. Z. 3:
'Av£ixri-\ Z. 8: KaXX\aTtavu}\y'i
Tocilescu hat unter dem Titel »Neue Inschriften aus der Do-
brudscha und Rumänien« in den Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII
1884 S. 1—34, XI 1887 S. 19—70 eine reichhaltige Fortsetzung der von
ihm im VI. Bande der genannten Zeitschrift (1882) S. 1 — 52 publizierten
»Inschriften aus der Dobrudscha« geliefert. Die Umschriften in Bd. VIII
werden Frankfurter, die Restitution und Erklärung der metrischen In-
schriften Gomperz verdankt.
Callatis (Mangalia) und Umgegend.
Tocilescu, a. a. 0. S. 3 n. 5. Küstendsche (Tomi), Sammlung
Cogalnitscheano. Fragment: — Kac](7apc xal Jouxcw A[uprj]^c(p [Ko/i-
fi]6Sw - -.
Derselbe, a. a. 0. n. 6. Bukarest, Museum. Fragment: 'Aya&^
"^öxTi- (2) BouXtj, 0/;pog (3) KaUarcryyujv (4) [loünXiuv 0Xaoij{cov .
Vielleicht stammen aus Callatis die dorische Ehreninschrift Jire-
cek, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 198 ff. (s. S. 553) und
das Ehrendekret aus der Bukowina Tocilescu, Arch.-epigr. Mitteil. XI
1887 S. 66 ft". n. 141 (s. unter XXVIII: Pannonia et Dacia).
556 Griechische Epigraphik.
Derselbe, Arch. -epigr. Mitteil. XI 1887 S. 33 n. 32. Jetzt im
Museum zu Bukarest. Fragment eines Ehrendekretes von Bula und
Damos in dorischem Dialekt auf einen aTpaxlrjyug - - iJL\ovtdvcog , datiert
nach dem Priester des ApoUon Agyeus.
Derselbe, a. a. 0. S. 34 n. 33. Jetzt in Bukarest. Zwei zusammen-
gehörige Fragmente des Ehrendekretes eines Thiasos. — S. 35 n. 35.
Zwei Fragmente eines gleichen Dekrets.
Derselbe, a. a. 0. S. 34 n. 34. Ebd. Fragment, vielleicht einer
metrischen Grabschrift; anscheinend 4. Jahrh. v. Chr. — S. 35 n. 36.
Ebd. Grabplatte: Nixlg \ 'Ispoovog.
Derselbe, a. a. 0. S. 34 n. 37. S. 35 n. 38. 39. Ebd. Dürftige
Fragmente.
Derselbe, a. a. 0. S. 65 n. 138. Tatligeak, Kreis Mangalia; jetzt
in Bukarest. Fragment: [Ajafxarpcou 'llpaxXe-.
Derselbe, a. a. 0. n. 136. Besiul, Kreis Medgidie; jetzt in Bu-
karest. Lateinisch -griechische Ehreninschrift; Fragment. Z. 3: ^eo~j
M\dpxou AhpyjXcou.
Tomi (Küstendsche) und Umgegend.
1. Inschriften aus Küstendsche a) im Museum zu Bukarest:
Tocilescu, Arch.-epigr. Mitteil. VIII 1884 S. 11 n. 24. Acht elende
Hexameter. Grabschrift einer 13 jährig verheirateten jungen Frau, die,
selbst das einzige Kind geschwisterloser Eltern, auch wieder nur einen
Spröfsling hinterläfst. V. l: w8e yäf) rjjisriprjv yevtrjv jwüviuaz hpov£ca}[v.
V. 8 wird zu ergänzen sein: xal iyiu (= xdyw) ps]v (^vrjoxuj^ au de )(a7ps,
uy/aii'e, 6 dvay£(Vw[(Txujv.
Derselbe, a. a. 0. n. 25. Schenkung von Gütern an Asklepios
bycatve, 6 und Demeter.
Derselbe, a. a. 0. S. 12 n. 26. 13zeiliges Fragment. Ein Priester-
kollegium stiftet eine Säule. Neben Namen auf -cog auch solche auf -tg:
^cxwpffcg, drjjirjTpcg, floascSidvtg, dtovuatg.
Derselbe, a. a. 0. S. 15 n. 42. »Ein Ceuto poetischer Floskeln,
mittelst dessen ein angesehener Wohlthäter der Stadt verherrlicht wird:
y]£V£r^c TTpou^ovza, (2) mvuratg npanc'SecTfrtv, (3) ^ap7:ou\<Tacs r' dpszaTai,
(4) eö]S£cacg zs vüoco, (n) xo(Tp.r](Tav~a (6) 7t]6^cv £upu[dyutav.«. Gomperz.
Derselbe, a. a. 0. S. 17 n. 49. Fragment eines Cippus, von //o]u-
7r[i^«]f Kop[v]i^^cg KaXTiobpvtg seinem Bruder llounXeia} Kopvr^^[c]oj Ma^c'iiu)
errichtet.
Derselbe, a. a. 0. Grabschriften. S. 18 n. 50 des Flovrtxhg Nec-
xi'üo VXßtonoket'rrjg auf seinen Sohn Satyros. n. 51 eines Vaters auf
seinen Sohn Markus (?) mit Strafandrohung. S. 33 n. 2 Fragment einer
Grabschrift, dem Toten geweiht von seinem Vater, seiner Schwiegermutter
X. Macedonia et Thracia: Callatis. Tomi. 557
Nuvva und seinem Schwager Nows^Mg. Z. 4 ist mit Mommsen, a. a. 0.
S. 249 zu lesen: Novva x{at) o yov£xdf)eX(pog. S. 19 n. 53 — S. 20 n. 59
arg verstümmelte Fragmente.
Derselbe, a. a. 0. S. 12 n. 27—29, S. 13 n. 30—32, S. 14 n. 38.
40. Dürftige Buchstabenreste verschiedenartiger Fragmente.
Derselbe, Arch.-epigr. Mitteil. XI 1887 S. 41 ff. n. 5.5. Fragment
eines Ehrendekretes auf einen Bürger von Tyras. — S. 43 f. n. 56. Desgl.
einer Ehreninschrift von [Bule und] Demos auf Attal]os, S. des Eumenes,
Bruder des (in der Inschrift Mitteil. VI, 22 n. 44 = Röhl I, 147 geehr-
ten) Corainius Claudianus Hermaphilus Pontarches, der mehrere städtische
Ämter bekleidete.
Derselbe, a. a. 0. S. 41 n. 54. Fragment der Votivinschrift für
eine ^e« 'Aypmmva. — S. 44 ff. n. 57. Fragmente der Votivinschrift t 200/1
eines Kollegiums, bestehend aus Priestern, Priesterinnen und Bürgern,
für die Kaiser L. Septimius Severus Pertinax, M. Aurelius Antoniuus =
Caracalla (Z. 7. 8 ist der Name des Geta getilgt), der lulia Augusta
und des ganzen kaiserlichen Hauses, sowie für den Konsular Ovinius Ter-
tuUus (200 und 201 n. Chr. Statthalter von Moesia inferior; vgl. S. 553 n. 11).
— S. 47 n. 59. Fragmentierte Votivinschrift für Pertinax, Caracalla, [Geta],
das kaiserliche Haus, den Senat u. s. w., sowie für Bule und Demos von
Tomi. — S. 50 n. 61. Desgl. des Her]mes und T. Fl. [Capito] für Trajan,
Derselbe, a. a. 0. S. 47 n. 58, S. 50 n. 62—65, S. 51 n. 66—70,
S. 52 n. 71—76, S. 53 n. 77—82, S. 54 n. 83—90, S. 55 n. 91—96, S. 56
n. 97. 98. Dürftige Fragmente.
Derselbe, a. a. 0. S. 56 n. 99. Grabschriftfragment eines Euel-
pistos auf sein Weib Blas-, n. 100. Fragment einer Grabschrift. — S. 57
n. 101. Fragment einer metrischen Grabschrift; merkwürdigerweise ist
auch die Strafandrohung metrisch. — n. 102. Grabschriftfragment eines
Hj'psigouos. — n. 103. Fl., Catullus errichtet seiner (verstorbenen) Tochter
CatuUa eine Bildsäule. — n. 104. Fragment des Grufses an den Wan-
derer. — S. 58 n. 106—110 (108 wohl christlich), S. 59 n. 111—114,
S. 60 n. 118—120. Grabschriftfragmente. — n. 115. Grabschrift des
20jährigen Sosikrates, S. des Sosikrates. — S. 60 n. 117. Grabschrift-
fragment der Aelia luliana auf ihren Sohn Au[relius.
b) In der Sammlung Cogalnitscheano zu Küstendsche:
Derselbe, Arch.-epigr. Mitteil. VIII 1884 S. 14 n. 36. Grabschrift
auf die Freigelassene Epiktesis. n. 39 Bruchstücke: Ispo - -.
Dittenberger, Epigraphische Miscellen in den »Historischen und
philologischen Aufsätzen, E. Curtius zu seinem 70. Geburtstage gewidmet«,
Berlin 1884 S. 291 Anm. 1 trifft in der Lesung des von Tocilescu, Arch.-
epigr. Mitteil. VI S. 30 n. 60 veröffentlichten Grabepigramms V. 6 mit
Röhl I, 148 zusammen: '/poj ruv i'f/ujra ^ipcov r.äat. ■j(^()uviüv ayabdii.
558 Griechische Epigraphik.
»Dann kann freilich der Schlufs des Hexameters nicht mit Gomperz her-
gestellt werden ir au[T6g, sondern es mufs dort ein Participium gestan-
den haben. Am nächsten der Überlieferung liegt i^au[vcijv, dessen sprach-
liche Zulässigkeit mir aber zweifelhaft ist«.
2. Inschriften aus dem Trajanswall bei Küstendsche (Kostantza).
Tocilescu, a. a. 0. S. 16 n. 48. Stele im Museum zu Bukarest.
Unter der Darstellung einer Jagdscene und eines Totenmahles zwei Di-
stichen, Grabschrift eines Hylas. — S. 13 u. 34. Friesfragment in der
Sammlung Cogalnitscheano: 'A]ya&^ '^^XJj-
3. Inschriften aus der Umgegend von Küstendsche a) im Museum
zu Bukarest:
ca. ti55 Derselbe, a. a. 0. S. 20f. n. 60. Stele aus Cicracci, Distrikt
Küstendsche. A ßooXä x\cu b 8aiioQ\ rag &eoxTi<y-[oo ' Hpa\xXetag ehren
den T. Fl. Palatina Longinus, Q. Marcius Turbo, dessen cursus bonorum
ausführlich angegeben wird. Nach Mommsen, a. a. 0. S. 249 ist Z. 14
zu ergänzen: l\Xap-)^ov (pü-{\b)Xrjg, vgl. Staatsrecht II, 800; sowie xat am
Ende von Z. 18 zu tilgen. Der Gefeierte ist, wie Hirschfeld anmerkt,
als Statthalter von Moesia inferior aus CIL III 767 und Ephem. epigr.
IV 525 (aus dem Jahre 155 n. Chr.) bekannt, wahrscheinlich identisch
mit dem in einer Inschrift von Puteoli v. J. 161 genannten Flavius Lon-
• ginus cl. V. cur. r. p. , demnach vielleicht nach Mommsen (a. letzt. 0.
S. Ö29) Adoptivsohn des bekannten Gardepräfekten Hadrians Q. Marcius
Turbo. Sein Konsulatsjahr ist unbekannt. Mommsen, a. a. 0. S. 249
führt die singulare Ämterlaufbahn des Longinus, der zuerst praefectus
cohortis wird und dann vom Sevirat auf die senatorische Carriere voll-
ständig durchmacht, auf die Adoption desselben zurück, die ihn aus dem
Ritter- in den Senatorenstand gebracht haben wird Der Z, 14 erwähnte
L. Caesar ist der Adoptivsohn Hadrians L. Aelius Caesar; demnach wird
Longinus i. J. 136 oder 137 Quästor gewesen sein. Der Z. 16/17 er-
wähnte im/j.s?,rjTr]g wohl = curator reipublicae (Heracleensium). Es folgen
die Namen derjenigen, welche die Ausführung des ohne Zweifel in Tomi
aufgestellten Monumentes zu besorgen hatten. — Über Herakleia und
den daselbst herrschenden dorischen Dialekt vgl. Boeckh CIG II S. 89.
ca.t24o Derselbe, a. a. 0. S. 22f. n. 61. Cippus aus Alakapu, Distrikt
Küstendsche. Ehreninschrift des KaroXXehog, dneXsuBspos -ou xuptoo
au-oxpdxopug M. 'Avt. FopScavoü leßiaa-ou) hßpdpiog auf seinen npai-
nöatzov llunX. All. A/xp.u)v:ov, zuv xpanarov knhpunov zoTj JJeßiaazod),
dessen militärische Ämter in aufsteigender Ordnung aufgezählt werden;
u. a. war derselbe zptßoüvog ^wpzrjg a repp-dviov. Nach Hirsch felds
Vermutung dürfte der Gefeierte identisch sein mit dem Ammonius, an
den ein Reskript des Kaisers Gordian v. J. 240 gerichtet ist (cod. lust.
VI, 45, 2).
Derselbe, a. a. 0. n. 63. Aus Hagigia, Distrikt Küstendsche.
X. Macedonia et Thracia: Tomi und Umgegend. 559
Grabschrift eines Vaters auf seinen 27jährigen Sohn: 'A]vvc'üj Sounipu),
mit Strafandrohung.
Derselbe, a. a. 0. S. 15. Aus Hassiduluk unweit Küstendsche
(s. u. n. 60). n. 43. Fragment der Grabschrift eines Mannes auf seine nach
46jähriger, mit sieben Kindern gesegneten Ehe im Alter von 70 Jahren
verstorbene Frau. n. 44 wenige ßuchstabenreste.
Derselbe, a. a. 0. S. 18 n. 52. Aus Tekürgiölü (Tökirgele),
Distrikt Küstendsche. Fragment der Grabschrift eines Vaters auf seinen
85 jährigen Sohn, fivtag xdptv. S. 13 n. 33. Fragment ebendaher: •\-
IJsda-- I 'A?^e$a[v\8po5 oa - -. Christlich?
Derselbe, Arch.-epigr. Mitt. XI 1887 S. 62 u. 124. Aus Con-
stantza. Altarinschrift. Über einem Adler: ■/^apca]Tr]pcüv.
Derselbe, a. a. 0. S. 48 n. 60. Aus Hassiduluk, Kreis Con-
stautza (s. 0. n. 43). Fragment (drei Distichen). »Der Sohn des Parmis
weiht dem Stierbakchos als Priester eines bakchischen Thiasos der Paso
eine Statue aus dem Erträgnis seines Gewerbes.« Reisch.
Derselbe, a. a. 0. S. 62 n. 125. Aus Hasan cea, Kr. Constantza.
Dem 40jährig verstorbenen Menephelos errichten sein Weib Thithisatta,
seine Kinder Oneratmios und Kiatta, sowie lo^sc/xuou, T. des Menekles,
eine Grabstele.
Derselbe, a. a. 0. S. 63 n. 126. Aus Karamurat, Kr. Con-
stantza. C Pontius Licinnianus errichtet seinen Brüdern C Pontius
Phoebianus und C. Pontius Marcianus ein Grabmal.
Derselbe, a. a. 0. u. 127. Aus Palazu (s. u. n. 23), Kr. Con-
stantza. Fragment einer Grabschrift mit Strafandrohung.
Derselbe, a. a. 0. S. 65 n. 139. Aus Anadolköi (s. u. n. 22).
Reste vermutlich einer Grabsclmft.
b) In der Sammlung Cogalnitscheano zu Küstendsche.
Derselbe, Arch.-epigr. Mitt. VIII 1884 S. 8 n. 21. Cippus aus
Sofulea, Kreis Küstendsche. Zwölfzeiliges Fragment einer Weihinschrift
des Mäpxog Md[px]o'j auf Pluton, Demeter und die &sä Kopyj.
Derselbe, a. a. 0. n. 22. Cippus aus Anadolköi (s. 0. 3*). Elf-
zeiliges Fragment eines Verzeichnisses von Beiträgen zu einem gemein-
schaftlichen Bau, etwa einem Cäsareum (wohl aus dem 2. oder 3. Jahrh.
nach Gomperz). Z. 3 befremdliche Verschmelzung der römischen und
griechischen Benennungsweise: Abp. AxüXag 'A&rjva[c]ou 7Ty]^[scg oder
Derselbe, a- a. 0. S. 9 n. 23 Marmortafel aus Palazu (s. 0. 3'*),
unweit Küstendsche. Unter dem Reliefbrustbild einer männlichen und
einer weiblichen Figur drei Hexameter. Sind dieselben von Szauto und
Gomperz richtig ergänzt, so wäre der »venator« (xuvrjyog) Attalus, der
aus so vielen Kämpfen der Arena siegreich hervorging, schliefslich einem
560 Griechische Epigraphik
Büffel erlegen, dessen Anblick und Angriff waghalsig ertragen zu haben,
er sich zugleich rühmt und gewissermafsen anklagt.
Derselbe, Arch.-epigr. Mitteil. XI 1887 S. 69 n. 142. Dorf Ka-
ranasib. Bauinschrift innerhalb der Reliefdarstellung eines thrakischen
Reiters. Dionysios und Herodoros, SS des Satyrion, und Arteraidoros,
S. des Dionysios, haben rfj xojixrj unkp ixayKTzpdzTjQ ein äßtriopiov (abitoriuni
wohl von gleicher Bedeutung mit dem von unserm »abtreten« hergeleite-
Ten Wort) auf eigene Kosten errichtet.
Hirschova und Umgegend.
Jetzt im Museum zu Bukarest:
Tocilescu, Arch.-epigr. Mitt. VIII 1884 S. 4 n. 9. Aus Hirschova.
Fragment: - - xai o dr^/xog [Trjg \ /xrjTpo7:6]^£üjg ~ou f/ovrou \ - - T]ojJLeajg.
Derselbe, Arch.-epigr. Mitt. XI 1887 S. 64 n. 1:34. Aus Dul-
gheru. Weihung an den {^sug la^opog (wohl Mitbras = deus Invictus).
Derselbe, a. a. 0. S. 28 n. 17. Aus Sarai. Wohl Reste einer
metrischen Grabschrift.
Istropolis (Karaharman).
Derselbe, a. a. 0. S. 66 n. 140. Grabschrift auf den um die
Stadt verdienten Klitios, S. des Artemidoros.
Derselbe, Arch.-epigr. Mitt. VIII 1884 S. 24 n. 62. Jetzt in
Bukarest. Grabschrift des Asklepiades, S. des Menophilos, aus Niko-
media, o xal 'AZnvehrjg^ ivnopog auf seinen Bruder und im Alter von
60 Jahren verstorbenen Vater. Z. 10: yalpe, napodeTra.
Camäna, Kreis Babadagh.
Derselbe, Arch.-epigr. Mitt. XI 1887 S. 38 n. 43. Aus Kasap-
kiöi; jetzt in Bukarest. In zwei Stücke zerbrochene Marraortafel mit
der Inschrift (Weihung?) der Söhne des Hippolochos, datiert nach dem
Priester Hegesagores.
XL Sarmatia cnm Chersoneso Taurica et Bosporo
Cimmerio.
Die folgenden Inschriften finden sich gröfstenteils gesammelt in
dem mir nicht zugänglichen Werke:
Inscriptiones antiquae orae septentrionalis Ponti Euxini Graecae
et Latinae. lussu et impensis societatis archaeologicae imperii Russici
ed. M. Basilius Latyschew. Vol. I, Inscriptiones Tyrae, Olbiae, Cher-
XI. Sarmatia cum Chersoneso Taurica et Bosporo Cimraerio. 501
sonesi Tauricae, aliorum locorum a Danubio usque ad regnum Bospo-
ranum continens. Accedunt tabulao 2 lith. St. Petersburg 1885. (Leipzig,
Vofs' Sort ) Imp.-4. VIII, 243 S. 20 Mk. — Rez.: Reinach, Revue crit.
1885 n. 51 S. 481—483. Dittenberger, DLZ 1886 n. 13 Sp. 437 f. Bürchner,
Wochenschr. f. klass. Philol. 1887 n. 8 Sp. 225—228. Zum Muster sind
CIA und CIL genommen. Der knappe Kommentar enthält nur das für
die Erklärung Unentbehrliche. — Bd. II soll die Inschriften des Bospo-
ranischen Reiches, Bd. III die keramischen und andre Inschriften um-
fassen.
T y r a s.
Jurgiewitsch, Revue arch. 3. serie. II 1883 S. 79ff. Fragment t i82
eines Ehrendekretes auf einen Cocceius aus dem Konsulate des Kaisers
Commodus und des Antistius Burrhus, d. h. aus dem mit dem 17. März
182 n. Chr. beginnenden dritten Konsulatsjahre des Commodus. Das ge-
nauere Datum der Inschrift ist nach einheimischer Zeitrechnung der
30. Artemision, der dem 27. April der Römer (a. d. V. Kai. Mai.) ent-
spricht Durch diese und eine schon früher bekannte Inschrift aus Tyras
wird es ermöglicht, den Kalender dieser Stadt mit grofser Wahrschein-
lichkeit festzustellen (vgl. S. 85—87).
0 1 b i a.
Egger, BCH IX 1885 S. 375f. und Revue crit. 1885 S. 16. 319.
Latischew (s. o.) n. 171. Tocilescu, Archäol.-epigr. Mitteil, aus
Österreich XI 1887 S. 37 f. n. 41 mit teilweise abweichenden Ergänzungen.
Fragment einer auf der Insel Leuke (vor den Mündungen des Istros) ge-
fundenen, jetzt im Museum zu Bukarest befindlichen Ehreninschrift des
Demos der Olbiopoliten auf einen Verstorbenen, dessen Name nicht er-
halten ist, wahrscheinlich einen Bürger von Leuke, den die Olbiopoliten
zu seinen Lebzeiten durch ein Geschenk geehrt und dann auf öffentliche
Kosten bestattet hatten. Unser Stein ist ohne Zweifel die Basis einer
Bildsäule des Geehrten, deren Errichtung in der Inschrift beschlossen wird.
Mordtmann, Hermes XX 1885 S. 314. Eine Revision des Hermes
XIII, 373 ff. (Röhl I, 150) mitgeteilten Rats- und Volksbeschlusses hat
mehrere Varianten ergeben, auf grund deren namentlich Z. 10 — 13 mit
Wahrscheinlichkeit zu ergänzen sind.
Chersonesus.
Latischew, BCH IX 1885 S. 265 — 300 sucht in einer ausführ-
lichen Untersuchung: »La Constitution de Chersonesos an Tauride d'aprös
des documents epigraphiques« die kommunalen und politischen Verhält-
nisse der Stadt auf grund der Inschriften klarzulegen.
Rumpf, »Ein inschriftliches Digamma«, Fleckeis. Jahrbb. Bd. 131
und 132 1F85 S. 837 — 840, rechtfertigt seine in derselben Zeitschrift
Jahresbericht flir AltertbumswissenBChaft LH. (1887. HI,) 36
562 Griechische Epigraphik.
Bd. 123 1881 S. 833 — 838 mitgeteilte Lesung von Z. 31 des Ehrende-
kretes der Chersonesiten auf Diophantos (vgl. Röhl I, 151; zuletzt Lati-
schew, Inscript. antiquae n. 185): zä li/[yo]iva gegenüber der aus sprach-
lichen Gründen unzulässigen Lesung von ßlafs, Rhein. Mus. XXXVI
S. 611 f.: -ä evmiva = »das Dortige«. In dem fraglichen Worte steht
an dritter Stelle »un Y gi'ave comme en surcharge sur un O«- Der
Verf. sucht aus sprachlichen Analogieen zu erweisen, dafs seine Lesung
bedeute: »Die in der mit Weinspenden verbundenen heiligen Handlung
eingeschlosseneu Bestimmungen, die Vertragsbestimmungen«.
Latischew, ßCH IX 1885 S. 279 Anm. 1; und Inscr. ant. n. laS.
Bessere Kopie der Ehreninschrift CIG 2098.
Derselbe, a. a. 0. S. 285. Vielleicht ist das kläglich verstüm-
melte Fragment eines Psephisma im Museum zu Odessa auf Chersonesos
zu beziehen. Z. 2: Xepauvaa\scza[tQ'^
Jurgiewitsch hat in den mir unzugänglichen Meraoires de la so-
ciete d'hist. et d'archeol. d'Odessa XI 1881 S. 314 n. 2 (= Latischew,
Inscr. ant. n. 188) ein kleines, ohne Zweifel von einer Ehreniiischrift
herrührendes Fragment veröffentlicht, dessen erste Zeile wahrscheinlich
ol 7tp]öcdpoi X[epauvaairäv slnav zu ergänzen ist. — Ebenso ist in einem
anderen Fragment, Bd. XII 1882 S. 220 n. 1 (= Latischew, 1. c. n. 186)
wohl zu lesen : Ol Xepaova{cnräv Tzpoedpoc ei-\rMV. — In einem dritten,
älteren Fragment, a. a. 0. S. 221 n. 3 (= Latischew, u. 184) liest man:
'IIpaxA.?]sc'8ag liapiievovzoQ dn-\\_sv. — (Diese Notizen nach Latischew, BCH
IX, 279 Anm. 2.)
1 58-69 Latischew, BCH IX 1885 S. 273f. Halb erloschene, jetzt im
kais. histor. Museum zu Moskau befindliche Ehreninschrift. Von ur-
sprünglich zwölf Kränzen, deren jeder eine Belobigung des Geehrten
umgab, sind nur sieben mehr oder minder schwer lesbare erhalten. Die
Inschrift des zehnten Kranzes : npE(Tߣ'j-{2)(Ta\>Ti nozl (3) rov zag Mu-
at-{^)ag ayep6-iyfi)va möchte der Herausg. auf Ti. Plautius Silvanus Aelia-
nus beziehen, der Mösien als legatus pro praetore zwischen 58 und 69
n. Chr. verwaltete (Mommsen zu CIL III 781) und der nach inschrift-
lichem Zeugnis die Bewohner von Chersonesos von der Belagerung durch
einen Skythenkönig befreite.
ca. t 92 Derselbe, BCH XI 1887 S. 164, nach einer von dem Sekretär
der archäol. Gesellschaft zu Moskau, Oreschninow, in Sebastopol erwor-
benen Kopie. Der Stein, dessen man bisher nicht hat habhaft werden
können, soll zu Balaclava gefunden sein, gehört jedoch augenscheinlich
nach Chersonesos. Er enthält eine Ehreninschrift des Damos auf Sextus
Octavius Fronto {0p6vzo\>a) ^ npsoßsuzrjg und dvztazpdzrjyog des Kaisers
Domitian, in fast wörtlicher Wiederholung einer durch den Damos von
Chersonesos dem Sextus Vettulenus Cerialis, Statthalter von Mösien unter
Vespasian, errichteten Basisinschrift (Latischew, kiscr. ant. n. 197); wahr-
XI. Sarmatia cum Chersoneso Taurica et ßosporo Cimmerio. 563
scheinlicb stand daher auch unsere Inschrift auf dem Sockel einer dem
Geehrten errichteten Bildsäule. Sextus Octavius Fronto war mit Ti.
lulius Candidus Marius Celsus consul suffectus im zweiten Drittel des
Jahres 86 n. Chr. (CIL III 2 p. 857 n. 14) und Befehlshaber der mösi-
schen Flotte (nach dem vom 14. Juni 92 datierten Militärdiplom CIL
III 2 p. 858 n. 15); aufserdem war er nach unserer Inschrift Statthalter
von Moesia inferior, zu dessen Verwaltungsbezirk ohne Zweifel auch Cher-
sonesos gehörte.
Jurgiewitscb, Memoires de la societe d'hist. et d'archeol. d'Odessa c-i. tißo
XIII 1883 S. 1 ff., wiederholt von demselben, Revue arch. 3. serie II
1883 S. 79 — 90; nach neuer Abschrift Latischew, BCH IX 1885
S. 268 f. = Inscr. ant. n. 199. Basisinschrift zu Ehren des Ariston, S.
des jittinas, wegen seiner der Vaterstadt geleisteten Dienste, die von
zehn Olivenkränzen umgeben, der Reihe nach aufgezählt werden. Die
aus der Mitte des 2. nachchristl. Jahrh. stammende, den Künstlernamen
des Kephisodotos tragende Inschrift ist sehr interessant wegen der neuen
Auskünfte, welche dieselbe über die politischen Verhältnisse von Cher-
sonesos und über die daselbst bestehenden obrigkeitlichen Ämter gewährt.
U. a war der Geehrte zweimal mit einer Mission an den bosporanischen
König Rhoimetalkes (= Ti. lulius Rh., unter Hadrian und Antonin, 131
— 153 n. Chr.) betraut. — Um sich der Ungewifsheit über ihre poli-
tischen Verhältnisse zu entziehen, beeilten sich die Chersonesiten, unter
Führung des Ariston in Rom die nötigen Schritte zu thun. Da die Kö-
nige des Bosporos seit Mithridates VI. nicht auf ihre Rechte über die
Grieclienstädte der taurischen Halbinsel verzichtet hatten, so konnte der
in Rom zu erwartende Bescheid zweifelhaft sein Doch wurde ihnen nach
sechsjährigem Warten ihre Unabhängigkeit von Hadrian bestätigt. —
Von autonomen Ämtern der Stadt werden erwähnt: die Tzpodixia^ i/ofio-
^uÄaxca, 8a/ieofjpa, otocxr^acg (letzteres = Verwaltung der städtischen
Einkünfte).
Panticapaeum.
Wolters, Rhein. Mus. XLI 1886 S. 347 f. behandelt das Grab-
epigramm aus römischer Zeit Stephani, Corapte-rendu 1877 S. 277 (Röhl
I, 152).
Caucasus.
Pomjalowski, Sammlung griechischer und lateinischer Inschrif-
ten Kaukasiens. Festschrift zum fünften Archäologcnkougrefs zu Tiflis.
(Russisch) St. Petersburg 1881. 96 S. 8 Taf. (Mir unzugänglich.) —
Die griechischen und lateinischen Inschriften Kaukasiens sowie die zum
teil schwer zugänglichen Mitteilungen über die epigraphischen Denkmäler
des kaukasischen Gebiets sind hier im Auftrage der archäol. Gesellschaft
zu Muskau in einem Corpus vereinigt. »Die Anordnung des Werkes ist
36*
564 Griechische Epigraphik.
eine örtliche: Der erste Teil enthält die Inschriften des nördlich vom
Kaukasusgebirge gelegenen Kaukasiens (Gouvernement Stawropol) mit
Ausnahme der prinzipiell ausgeschlossenen Inschriften der Halbinsel
Taman; im zweiten Teile sind die Denkmäler der Ostküste des Pontus,
im dritten das Ceutralgebiet von Kaukasien, im letzten der südliche Kau-
kasus samt den von Rufsland in jüngster Zeit annektierten Gebieten be-
handelt. Der Abdruck der Inschriften geschieht in genauem Anschlufs
an die benutzten litterarischen Quellen. Die Fundberichte der Reisen-
den sind in der Sprache, in der sie geschrieben, wiedergegeben; dem
Texte der Inschriften sind Notizen über die frühere Publikation der-
selben und in der Mehrzahl der Fälle russisch geschriebene Erläute-
rungen und Übersetzungen beigefügt. Den Schlufs bilden sorgfältig gear-
beitete Indices und die in Lithographie ausgeführten Abbildungen von
26 der bedeutenderen Denkmäler, deren praktischen Werth wir aller-
dings nicht gar hoch anschlagen möchten.« Die 150 Inschrifttexte der
Sammlung oder Mitteilungen über solche (eine einzige Inschrift, n. 140
= CIL III 2, 6052 ist lateinisch) entfallen auf Denkmäler der griechi-
schen, römischen und byzantinischen Zeit; auch Inschriften religiösen In-
halts aus dem Mittelalter und bis auf das 18. Jahrh. herab sind aufge-
nommen. Für die antike Epigraphik kommt nur etwa ein Dutzend grie-
chischer Inschriften von der Ostküste des Pontus, namentlich aus Anapa,
in betracht. »Für die wichtigen Inschriften aus Anapa, von denen ein-
zelne im GIG nicht berücksichtigt sind, eine (n. 58) bisher überhaupt
noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint, konnte der Herausg. zum
teil photographische Abbildungen benutzen, die verschiedene Textver-
besserungen ermöglichten; an den Lesungen des GIG (n. 2133. 2134.
2132. 2130. 2130b. 2131. 2131b. 2131c. 2108) hat Prof. Destunis, der
an der Veröffentlichung der Inschriften thätigen Anteil nahm, mehrfach
scharfsinnige Kritik geübt. Einen dunkeln Punkt bilden die aus altern
und auch neuern Reisewerken gezogenen Notizen über eine grofse An-
zahl griechischer Inschriften, welche bisher noch nicht veröffentlicht wur-
den, sondern von deren Existenz man nur durch Hörensagen Kunde
hat.« — Herrn. Haupt, Berl. philol. Wochenschr. 1884 n. 43 Sp. 1346
—1348.
(Teil II folgt im nächsten Bande.)
Register.
I. Verzeichiiiss der besprochenen Schriften.
Abel E, Isota Nogarola III 151
— die Catullusrecension des Guarinus
II 208
Ackermann, K , pädagogische Literatur
III 229
Adam, J., de codicibus Aeschineis I 234
Adrian, K., Aristotelis systema causarum
ad motum circularem I 3
Aken, O., de figurae ärzö xoivoö usu apud
CatuUum II 88. 191
Allard, P., les persecutions eu Espagne
III 326
Allers, W., de Senocae librorum de ira
toiitihus I 60
Almanach der Universität Heidelberg
III 204
Andronicus Tispi Tta^fibv rfcc. Kreuttncr
et Schuchhardt 1 73
Antoniades, Hypothekensteiu III 440
Antoniewicz. J. v , Humanismus in Polen
III 186
Antonini Marc! meditatious ed. by H.
Crossley I 71
— commentarii rec J. Stich I 70
Apelt, 0., die stoischen Üetinitiouen
der Affekte I 57
— Melissos 1 9
Aristoteles, morale ä Niconiaque, ed.
L. Carrau I 9
— — par L. Olle-Laprune I 9
— — trad. da L. Moschettini I 9
— — trad. par Thurot 1 9
— metaphysica rec. W. Christ 1 2
— meteorologia, ed. P. Tanuery 1 6
— the Rhetorics, translated by J. Well-
don I 13
— Tzepi kpßfjveirjq ed. ¥r. Michaelis 1 1
— fragmenta coli. V. Rose I 1
— supplementum : Prisciani metaphrasis
ed. J. By water I 20
Arleth, E. , über Aristoteles Eth. Nie.
I 10
Arlt, A., CatuUs 36. Gedicht II 258
Aronis, Ch., Xpöuinnoc, ypappurixui I 54
Asbach, J , die Kriege der flavischen
Kaiser III 316
Aubert, C. M., adnotationes in Senecae
dialogum I 58
d'Avenel, J., le stoicisme I 46
Bährens, E., zu iat. Dichtern II IIB
— Buchformat der Elegiker II 119
— zu Ausonius u. Gatull II 240
— die Laodamiasage II 256
— über das Catullsche Epigramm vili-
cus aerari quondam II 287
Bailly, A , notice sur E. Egger 111 20O
Baltzer, E., Apollouius von Thyana,
übersetzt I 92
Band, 0., Demeter-Kore-Fest III 375
Bapst, G., sur la provenanco de l'etain
III 102
Baran , A., zur Chronologie des euböi-
scheu Krieges 1211
— Komposition der ersten Philippica
I 208
Baratieri, 0., la leggenda dei Fabi 111
292
Barone, J., la tondation de Rome III 285
Bases, Amphiareion zu Üropos III 407
Bastgen , P. , de Demosthenis Midiana
I 218
Bauch, G., Hutteniana III 177
— Johannes Hadelius HI 182
— Ursinus Velius III 180
Baumann, J., de arte metrica Catulli
II 197
Baumgarten, Fragment eines bäulen-
schattes III 448
Baunack, J , Inschriften aus dem As-
klepiostempel von Epidauros 111 449
Becher, F, zu Quintilian II 12 ff.
Bechtel, die arkadischen Inschriften III
468
Beiger, Ch. , Moritz Haupt als akade-
mischer Lehrer II 224
Bender, H , Iat. Anthologie II 84. 278
Benn, A. W., the Greek philosophers I 36
Benoist, E., sur CatuUe 11 257
566
Register.
Bergk, Th., die Liste der delphischen
Gastfreunde III 497
Bernays, J., über die pseudophilonische
Schritt von der Unzerstörbarkeit des
Weltalls I 96
Berthelot, M., coUection des alchimistes
III 95
Bestmann, H , Origenes u. Plotin I 124
Biadego, G. , il p. Mansi e il p. Mama-
chi III 258
Biereye, J., res Numidarum III 299
Biese, A., Entwickelung des Naturgefühls
II 120
— de iteratis syllabis II 121
— zu Catull II 288
Bigg, Ch., the Christian Platonists I 121
Binde, Seneca quid senserit de rerum
natura I 62
Birt, Th.. antikes Buchwesen II 121.
214. 289
— ad historiam hexanaetri II 289
— Bfmerkungen zu Properz II 123
Bitschofsky, R, zu Properz II 125
Blass, F , Citate aus Demosthenes I 194
— Dialektinschriften III 446
— de Gemino et Posidonio I 56
— ad Hyperidis Demosthenicam I 242
— die eleischen Inschrifteu III 469
Blümnep, H , zu CatuUus II 258
Bodewig, R , de proeliis apud Mutinam
comtnissis III 308
Böhlau, K. , de Lygdami carminibus II
355
Bötticher, W., des Arnos Comenius di-
dactica magna III 228
Bohlmann, C, de attractionis usu 116
Boissier, G , etude d'histoire religieuse
III 329
Boldt, de liberiore linguae Graecae et
Latinae collocatione 11 289
Bonin, A., Untersuchungen über das 62.
Gedicht von Catull II 264
Bonnet, M , Codex Sangerm. des Catull
II 198
— sur Catulle II 290
Bornemann , Pindars 7. nemeische Ode
I 33
Bouchot, H., le livre III 191
Boxberger, R , Briefe von llgen III 237
Braitenberg, R v., über das Verhältniss
Catulls zu seiner Zeit III 233
Brandt, S., eclogae poetarum latinorum
U 85 279
— Jubiläum der Universität Heidelberg
III 194
Braune, A , Epiktet u das Christenthum
I 69
Bresslau, H. , die Commeutarii der rö-
mischen Kaiser 111 27
Breusing, A., Nautik der Alten III 127
Breusing, A., Nautisches zu Homer III
i;j3
Briefwechsel des Beatus Rhenanus,
herausg. von Horawitz u. Hartfelder
111 165
Brieger , A., Epikurs Brief an Herodot
übersetzt 1 76
Brinck, inscriptiones ad choregiam per-
tinentps III 395
Brinz, A. v. , BegriiF u. Wesen der rö-
mischen Provinz III 42
Brochard, V , Pyrrhon et le scepticisrae
1 87
Bruch, C, Roma II 286. 371
Buchenau, die höheren Knabenschulen
III 267
Buchwald, G , Logosbegriff des Johannes
Scotus Erigeua I 126
Bücheier, F . coniectanea II 127
— Properz II 125
Büchle, A., der Humanist Gerbel III 169
ßüchsenschütz, B., römische Volkswirth-
schatt III 285
Busse, J , de Taciti Agricola III 318
Buresch, C. , consolationum scriptarum
bistoria I 43
Burger, C. P, ad annalium reliquias
111 290
Bury, B., multus bei Catull II 290
Buschkiel, L., Nationalgefühl u. Vater-
landsliebe im deutschen Humanismus
III 160
Buzello, J., de oppugnatione Sagunti
III 295
Candolle, de, Ursprung der Kultur-
paanzen III 113
Carini, Z., poesie scelte II 287
Casagrandi, V., lo spirito della storia
111 270
Catulli über rec. E Baehrens II 1.^6
— rec. R. Ellis II 173
— da A. Gigli 11 176
— rec. Haupt- Vahlen II 168. 170
— von A. Riese II 146
— par E. Rostand et ßenoist II 180
— rec. L. Schwabe II 165
— par J. P. Simpson II 182
— da L Toldo II 179
— verdeutscht von F. Pressel II 283
— Buch der Lieder, deutsch v R. West-
phal II 280
— et Propertii carmina selecta cur.
0. Berrini II 184
— — editio Paravia II 87
Chambalu, A., Flaviana III 315
Chauvet, E , ia medecine grecque. —
Philosophie des medecins grecs I 93
Cheneviere, A., Bonaveuture Des Pe-
riers III 155
Chiapelli, A., Panezio di Rodi I 55
Verzeichniss der besprochenen Schritten.
567
Chloros, forstwissenschattliche Leistun-
gen der Altgriechen III 116
Choisy, etudes epigraphiqnes sur l'ar-
ohitecture grocque III 396
Christ, W. V., die Attikusausgabe des
Deniosthenes I 187
— Beiträge zur Metaphysik des Aristo-
teles I 2
Christensen, H., Yigintisexvirut III 16
Claudiani Mamerti opera rec. A Engel-
brecbt I 132
Clemens, E., de Catulli periodis II 189
Comparetti, D , franimenti di Epicnro 1 75
Conti e Rossi, esame della filosofia epi-
curea I 78
Cornelissen, J., zu Catulhis II 290
— ad Tibullum II 363
Cornuti tbeologiae compendium rec.
C. Lang I 66
Corpus inscriptionum atticarum II IV.
III 398
Corsi, C, lo stoicismo romano I 60
Crecelius, W., ein Brief von Johann
Sturm. — Johann Weidner, Rektor
zu Elberfeld. — Zu Zingrefs Briefen
III 189
Cousin et Durrbach, Inschriften von Ne-
mea III 449
Crusius, 0., ein Lehrgedicht des Plu-
tarch I 93
— l$£UTCxd III 127
Cumpfe, K., exegeticke prispevky II
127. 267. 273
Dacbert, v. Hochart
Dalmartello, A., la vita di Demade I 245
Degeorge, L , la maison Plantin III 193
Demosthenis orationes cur Fr. Blass I
198
von J. Sörgel I 198
— — von A. Westermann I 200
— plaidoyers poiitiques, par H. Weil
I 202
— philippische Reden, von C. Rehdantz
1 201
— — the first Philippic, by T. Gwatkin
I 201
— against Androtion, by W. Wayte I
203
— discours do la couronne, par H. Weil
I 202
— against Meidias, by C Fennell I 203
Denis, J., philosophie d'Origene 1 123
Deppe, A., Kriegszüge des Tiberius III
313
Dessau, Inschriften vom Thurm der
Winde III 433
Dettmer, H., de Mercule attico III 336
Diels, H., über das 3. Buch der aristo-
telischen Rhetorik I 13
— Seneca u. Lucan I 65
Dieterici, Fr , die sogenannte Theologie
des Aristoteles I 102
Dinarchi orationes tres germanice redd.
Th Plaschka I 243
Dittenberger, W., sylloge inscriptionum
Graecarum III 389
— epigraphische Miscellen III 407. 426.
488. 499
— die eleusinischen Keryken 111 363
— die Panathenaidenära III 348
— zur Erztafel von Oiantheia III 500
Dörpfeld, W , antikes Bauwerk im Piräus
III 361
Dolnicki, J. , über die Entstehung der
Kranzrede I 216
Domaszewski, A. v., die Fahnen im rö-
mischen Heere III 71
Draheim, J , lyra doctorum III 191
Dragumes, Inschriftliches III 409 ff.
Dreher, ISeiträge zur Erklärung von
Demosthenes Rede für die Megalopo-
liten I 212
Dressel, H., Ziegelstempel der Gens Do-
mitia III 320
Duderstadt, E , de particularum usu apud
Catullum II 188
Dumeril, A., Apollonius de Tyane I 90
Durrbach, Ehrendecrete III 419
— Inschriften von Aegosthenä III 445
Ediinger, A. v. , Erklärung der Thier-
namen III 125
Ehrlich, B., de TibuUi elocutione II 308
Eichler, E , Demosthenes' erste Philip-
pica I 208
d'Eichthal. G , Socrate et notre temps
I 138
Ellinger, G., über Huttens Charakter
III 177
Ellis, R., Propertianum II 127
— zu Catullus II 290
Engel, K , Schulwesen in Strassburg III
241
Epictetus. Les entretiens, trad. par
V. Courdaveaux I 68
Euangelides M., zwei Kapitel aus einer
Monographie über Nemesios 1 131
Eussner, A., adversaria; ad Quintilianum
II 3. 8
Ewald, P., Einfiuss der stoisch -cicero-
niauischen Moral auf Ambrosius I 126
F. M., zur Methodik des Sammeins von
Incunabeln III 192
Fabricius, das platäische Weihgeschenk
III 495
Falk, F., zu Bauch: Ragius Aesticam-
pianus III 179
Feiice, P de, etude sur l'Octavius de
Minucius Felix I 118
Fick, thessalische, änianische, phthio-
tische Inschriften III 500
568
Register.
Fick, epirotische Inschriften III 527
Fisch, R., handschriftliche Ueberlieferung
des Catull II 207
Fischer, C , Festrede III 203
Fischer, C , Inhaltstabelle der olynthi-
schen Redenl 204
Foucart, P., culte de Pluton 111 359
— Inschriften III 403 ff.
— Siegesinschrift von Olympia ,111 472
Förster, R., Lucian in der Renaissance
III 159
— die Philologie der Gegenwart III 140
Förster, Th., Ambrosius 1 127
Fraccaroli, G., l'ode Pitia 1 dichiarata.
-L'ode Pitia IX I 32
Franke!, Frosch mit Weihinschrift III
446
— archaische Weihinschrift III 448
Fragmenta Hercuianensia ed. by Walter
Scott I 77
Francken, C. M., Lesbia-Clodia 11^,229
— ad TibuUum II 364 ff.
Franke, R., Chrestomathie II 279
Frankfurter, Inschriften aus Dalmatien
III 534
Freeman, E. A., chief periods of Euro-
pean history III 269
— zur Geschichte des Mittelalters, Es-
says übersetzt von Locher III 334
Freudenthal, J., zu Proklos u. Olym-
piodoros I 105
Freyer, Th., de scholiorum fontibus 1 236
Fröhlich, Fr., Feldherren u. Feldherrn-
thum III 70
Froment, Th., la critique d'art dans
Quintilien II 7
— Quintilian avocat^II 2
Führer, Sprache u. Entwickelung der
griechischen Lyrik I 25
Funck, H., ein Vorschlag zur Errich-
tung einer Universität in Karlsruhe
111 215
— über den Rheinländischen Hausfreund
u. J. P. Hebel III 245 ,
Gabba, B., di Marco Aurelio Antonino
I 72
Galeni de partibus philosophiae ed E.
Wellmann I 92
Gehrmann, A., de ratione critica in
emendando Catulli libro adhibita II
200
Geibel, E. , klassisches Liederbuch II
115. 370
Geiger, L., Studien zur Geschichte des
französischen Humanismus III 154
— röm. Musenalmanach III 181
— fünf Briefe Reuchlins III 172
Gemoll, W., Untersuchungen über die
Geoponica III 119
— adnotationes in Senecae epistulas 1 58
Gentile, J , storia romana III 271
— il conüitto di Giulio Cesare col se-
nato III 303
Gercke, A., Chrysippea I 53
— eine Quelle des Neuplatonismus I 98
Gitibauer, M., philologische Streifzüge
1 18
Gizycki, P. v., einleitende Bemerkungen
über den Werth der Naturphilosophie
des Epikur 1 80
Gölkel, H., eine Interpolation in Demo-
sthenes I 206
Götz, G., zu den Deliaelegieen 11*352
— codex Guelferbytanus des Tibull II
312 fi'.
— zu Tibullus II 291
Goldbacher, zu Tibullus II 292
Gomperz, Th., eine vermeintliche Tra-
gödie des Euripides I 16
— ein griechisches Schriftsystem III 441
— Skylla in der aristotelischen Poetik
I 16
Gow, note on Propertius II 128
Graf, H., annotatioues ad Tibullum II 362
Grätz, H., Stellung der kleinasiatischen
Juden 111 323
Grasberger, L , zur Würdigung des Ti-
bullus 11 341
Grünwald, E., quae ratio iutercedere
videatur inter Quinlilianum et Taci-
tum II 10
Güldenpenning, A., Geschichte des ost-
römischen Reichs III 332
Günther, E., de coniunctionum causa-
lium apud Quintilianum usu II 3
Guiraud et Lacour- Gayet, histoire ro-
maine III 271
Gurlitt, Paionios III 471
Gustafsson, zu Quintilian II 6
Guttmann, G., de oratione Gtesiphontea
I 237
Haas, L. , Leben des Soxtus Empiricus.
— Die Schriften des Sextus Empiri-
cus I 87
Hagen, H., Briefe von Heidelberger Pro-
fessoren 111 209
Halbertsma, T., zu Catull II 292
Hammer, C , zu Quintilians Declama-
tiones II 78
Hannot. E., essai de la morale stoicienne
I 51 ■
Hanotaux, G., etudes historiques 111 156
Hansen, M., de tropis et tiguris apud
Tibullum II 310
Hanssen, H., de metailis atticis III 108
Hardt, W., de Aeschinis emeudatioue I
234
Harnack, A., Lehrbuch der Dogmenge-
schicbte III 334
— Ursprung des Lectorats III 324
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
569
Harnecker, O., Beiträge zur Erklärung
des CatuU. — Qua necessitudiue con-
iunctus tuerit cum Cicerone Catullus.
— Cicero u. Catullus II 240
— des Catullus Juveutiuslieder II 238
— zum 36. Gedicht dos Catullus II 259
— das (58. Gedicht des Catullus II 248
Hartfelder, K., Analekten zur Geschichte
des Humanismus 111 172
— Briefe von Rudolf Agricola III 174
• — der Humanismus u. die Heidelberger
Klöster III 212
Hartfelder, K., die Kritik des Götter-
glaubens bei Sextus Empiricus 1 89
Härtung, H., de panegyrico ad Messallam
II 356
Hauschild, G. R., Wortbildung bei Ter-
tuUian I 120
Haussoullier, delphische Proxenenlisteu
III 497
Havet, L., rapport sur quelques analyses
III 102
— zu Quintilian II 6
Hecht, orthographisch-diahktische For-
schungen auf Grund attischer Inschrif-
ten m 399
Hecker, H., zur Geschichte des Kaisers
Julianus III 330
Hedinger, A., der Oelbauni III 114
Heimer, A., studia Pindarica 1 26
Heisterbergk, B , ius italicum HI 66
Heitz, E.. der Philosoph Damascius I
106
Hemme, A., Auswahl aus Horaz II 280
Hempfing , die grosse Zahl der Abitu-
rienten III 266
Henkel, G., de Catullo Alexandrinorum
imitatore II 236
Herwerden , H van , ad Janiblichi de
vita Pythagorica I 104
Heyck, E., Heidelberger Studentenleben
III 212
Heymann, P,, iu Propertium quaestiones
II 88
Hilberg, J., zur pseudo-quintilianischen
Declamalio II 64
Hild, les juifs devant lopinion romaine
III 323
Hildebrand, A, Boethius u. seine Stel-
lung zum Christenthum I 109
Hiller, E. , handschriftliche Ueberliefe-
rung des Tibull. — Fragmentum Cuia-
cianum II 312 ff,
— die Tibullische Elegiensammlung II
338
— zur Quellenkritik des Clemens Alexaa-
drinus 1 123
Hiller, E., Verzeichnisse der pindari-
schen Dichtungen I 21
Hinrichs, griechische Epigraphik 111 382
Hirst, on the mining Operations of the
Romains III 108
Hirt, P., zu Quintilian II 6. 60
Hirzel , R. , Untersuchungen zu Ciceros
philosophischen Schriften I 46
— Ursprung der Skepsis I 83
Hochart (Dacbert), Seneque et la mort
d'Agrippine. - Etudes sur la vie de
Seneque I 61
Hochegger, P. R , Entwicklung des Far-
bensinnes III 122
Hofmann, K B. , zur Geschichte der
Chemie HI 93
— zur Geschichte der antiken Legie-
rungen III 96
— zur Geschichte des Zinkes III 98
— Blei im Alterthum III 99
— über die Schmelzfarbeu von Teil el
Jehudj III 96
— zu Aristoteles Meteorologie III 95
Hofmeister, A., Matrikel von Rostock
III 218
Hogarth, Inschriften von Thessalonice
HI 535
Holland, G R , de Polyphemo et Gala-
tea H 128
Hofleaux, Votivinschrifteu vom Tempel
dos Apollon Ptoos HI 476
Holstein, H., Kloster Berge III 231
Holzer, E, zu TibuUus II 292
Horawitz, A , über die Colloquia des
Erasmus 111 173
Hübner, E,, Priaposelegie des Tibullus
11 353
Hültner, G., Demostheuis pro Phormione
üiatio I 229
Huit, C, Piaton ä I'Academie 1 150
Huleatt, Conjectur zu Catull II 293
Jacoby, D.. Georg Macropedius III 184
Jacoby, K, Anthologie II 86. 278
— zu Catull II 293
Jackson, H., ou Plato's Republik I 141
Jamblichi de vita Pythagorica rec.
A Nauck I 104
Janssen, J., aus dem Universitätsleben
dos 16 Jahrhunderts III 219
Jessen, J , Apollonius von Tyana I 90
Ihne, W , römische Geschichte III 272
lllmann, Ph., de Tibulli cod. Ambrosiano
II 312 ff.
Joannides, A., npayfiarsia -nefil rrjq nap
^AHrjVayöpa yvu)aEU)c, I 116
Isotae Nogarolae opera coli. A. comes
Appunvi Hl 153
Judeich, "W., Cäsar im Orient HI 305
Juliien, E , de Cornolio Balbo III 307
Jurenka, H., Beiträge zur Kritik der
Ovidischen lleroideu II 128
Jurien de la Graviere, la marine des
Ptolemees III 84
570
Register.
Kabbad ias, Inschriften von Epidauros
HI 450
— Weihinscbrilteu von der Akropolis
III 429
Kade, R., Studien zum Freiberger Chro-
nisten Andreas Möller III 183
Kästner, B. , Haltung des römischon
Senats III 309
Kahl, W. , Lehre vom Primat des Wil-
lens bei Augustinus 1 129
Kahnis, K., Verhältniss der alten Philo-
sophie zum Christenthum I 109
Kaiser, de inscriptiouum Graecarum in-
terpunctione III 386
Kalkmann, de Hippolytis Euripideis II
130
Kan, J., epistula critica II 130
Kanakis, J., Dionysios der Areopagite
I 125
Kappeyne van de Coppello, J., Ab-
handlungen zum röm. Recht III 31
Karasiewicz, die Kritik der Platonischen
Politie bei Aristoteles I 13
Kariowa, zum Sprachgebrauch des De-
mosthenes I 191
Kariowa, 0., römische Rechtsgeschichte
III 5
Keelhoff, J., la question des humanites
III 256
Keim, Th., Rom u. das Christenthum
I 110
Keller, 0., zur lat. u. griech. Sprach-
geschichte III 115
— zu Pindar I 33
Kesper, L. A , de Camillo Volscorum
Victore III 293
Kiderlin, M , zu Quintilian II 15 60
Kiessling, A., analecta CatuUiana II 248
— über Horaz II 131
— de Helvio Cinna poeta II 257
Kinkel, G., Erinnerungen an Köchly III
265
Kirchhoff, A., Studien zur Geschichte
des griechischen Alphabets III 385
— altthessalische Grabschritt III 505
Kirchner, J., de litis instrumentis. —
Glaubwürdigkeit der in die Demosthe-
nischen Reden eingelegten Urkunden.
Glaubwürdigkeit der in die Rede wi-
der Neaira eingelegten Zeugenaus-
sagen I 223
Kirchner, K. , de Propertii libro quinto
II 89
Kleanthis, K., Tlivddpou rä ffwCö/j.£va 1 29
Kleist, H. V., Plotinische Studien I 100
Klimke. älteste Quellen zur Geschichte
der Gracchen III 297
Knappe, Ch., de Tibulli elegiis II 358
Knod, G,, Jakob Wimpfeling. — Wim-
pfelingiana III 161
Knod, G., zwei anonyme Schriften Wim-
pfelings III 162
— Jakob Spiegel aus Schlettstadt III
163
Knortz, K., Gustav Seyffarth III 258
Koch, A., Gründung der Heidelberger
Universität III 213
Koch, E., Magister Reich III 187
Köhler, J., Handschriften und Inkuna-
beln von Rastatt III 193
Köhler, U., der Areopag III 337-
— der Südabhang der Akropolis III 339
— Documente zur Geschichte des athe-
nischen Theaters III 350
— Genossenschaft der Dionysiasten III
361
— die attischen Grabsteine des 6. Jahr-
hunderts III 434
— Inschriften von der Akropolis etc.
III 401 ff.
— Inschriften der Ergastinen III 360
— Dionysiasten-Inschriften III 421
— stenographische Inschrift III 441
— Werfturkunde III 411
Kohl, A . Abhandlung über italischen
Wein III 121
Kolbe, A. , was haben wir an Bugen -
hagen? III 184
Koldewey, Fr., ßraunschweigische Schul-
ordnungen III 226
— Verfassung der Realschule zu Braun-
schweig 1754 III 227
— die figura dTzd xoivou II 190
Kornitzer, A., quo tempore oratio nspi
TWi/ Tzpög AXi^avdpov auvd^rjxwv ha-
bita esse videatur I 214
Korolkow, Inschriften von Megara etc.
III 443. 476
KrafFert, H , Beiträge zur Kritik latei-
nischer Autoren I 275. II 5
Krieg, C, über die theologischen Schrif-
ten des Boethius I 108
Krones, F. v. , Grazer Studentenleben
III 217
Krüger, G., Lucifer von Calaris III 332
Kubitschek, Inschrifttexte des Kyriacus
III 397
Kühlewein, G., Bemerkungen zu Pro-
pertius II 133
Kühlewein, H, zur Geschichteder Kloster-
schule Ilfeld III 237
Kühn, R. , der Octavius des Minucius
Felix I 118
Kumanudis, St., au^ayioyT) Is^etoi^ III
393
— Psephismen etc. 111 401 fi".
Kurtz, E , Thierbeobachtung der alten
Griechen III 125
Kuthe, A., die römische Manipulartaktik
III 74
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
571
Lange, A., Schule zu Schlettstadt III
245
Lange, W. . de Callimachi aetiis II 134
Langhoff, Beitrag zur Klärung des Ur-
theils über die höheren Schulen III
267
Larfeld, sylloge inscriptionum Boetica-
rum III 474
Larroumet, G., de quarto Tibulli libro
II 357
Lauret, H., de perturbationibus animi
Stoici quid senserint I 57
Lautensack, Verbalflexion der attischen
Inschriften III 399
Latischew, Inschriften von Chäronea III
447
— Inschriften von Tenos III 407
Latkoczy, M., Tibullusliteratur II 361
Leithäuser, G., Hans Holbein III 185
Leo, F., über einige Elegieen Tibulls
II 343
Leonardos, Inschriften von Oropos III
424 ff
Leonhard, R. , de codicibus Tibullianis
n 312ff
Leuchtenberger, G , Inhaltsübersicht der
Olynthischen Reden I 204
Leue, G., quo tempore oratio nepl rwv
■npuq ''Aki^avdpo)^ au\if}riy.wv composita
Sit 1 214
— Eipri'^owüXa^ I 238
Leutsch, E. v., Catullstellen II 293
Leyser, J. , die Meustadter Hochschule
HI 211
Liebhold, K., zu Demosthenes Friedens-
rede I 212
Lieblein , Handel u. Schiffahrt auf dem
rotheu Meere III 134
Liers, Theorie der Geschichtsschreibung
des Dionys 111 292
Lilie, W. , de coniuratione Caiilinaria
ni 301
Linde, S. , quaestiones in Senecae epi-
stulas I 59
Lindner, G., Marcus Fabius Quintilianus
II 2
Linke, B. , TibuUus consparato Catullo
II 235
Lipsius, H., über die Unechtheit der
ersten Rede gegen Aristogiton I 221
Lösche, G , neuplatonische Polemiker
I l<i6
— Plotin u. Augustin I 130
Löwy, Inschriften griechischer Bildhauer
III 395
Lolling, Grabsteine von Larisa III 515
Lorentz, B., die Taube im Alterthum
III 126
Lossen, M., Briefe von Masius III 189
Ludwig, G., TertuUians Ethik 1 119
Luschin von Ebengreuth, A., Balthasar
Wejdacher III 219
Luthardt, Ch., die Moral in Marc Aureis
Meditationen I 72
Lübbert, E., de Pindari studiis chronolo-
gicis I 25
— de Pindari studiis Terpandreis I 23
— de Pindari et Hieronis amicitia I 30
— de Pindaro dogmatis de migratione
animarum cultore I 24
— de Pindaricorum carminum compo-
sitione I 23
— de Pindari carminum quibus Olym-
piae origines canit fontibus I 30
— in Pindari locos de Hieronis sacer-
dotio Cereaii I 31
- de poesis Pindaricae arte I 22
— originum Eiiacarura capita 1 30
— zu Pindars Hyporcbema I 33
Lyourgus' Rede gegen Leokrates, erklärt
von A. Nicolai I 240
Maass, E., Tibullische Sagen II 349
Mähly, J., römische Lyriker II 286. 370
-- zur Kritik lateinischer Texte II 26
Magnus, H., zu CatuUus u. Propertius
II 256
Wallet, Fr., quaestiones Propertianae
II 91
Mann, 0., Anthologie II 86. 279
Manzi, L., il conimercio in Etiopia III 136
Markwart, 0., Willibald Pirckheimer als
Geschichtsschreiber III 178
Martha, C , etudes morales sur l'anti-
quite I 42
— Marniortafel von Kionia III 468
Martini, F, Caio Valerie Catullo II 226
Marucchi, 0., una eroina cristiana III 327
Marx, A , de Propertii vita II 92
Massebieau, L., scbola Aquitanica III 253
Mehrtens, G., das Eisen im orientali-
schen Alterthum III 103
Meister, F., Literaturbericht zu Quinti-
lian II 9
— zu Quintilian II 77
Meister, R , die böotischen Inschriften
III 475
Meisterhans, Grammatik der attischen
Inschriften III 398
Meletopulos, Grabstein III 437
Meltzer, 0., Kreuzschule zu Dresden
111 240
Menge, R , ein Beitrag zur Konstruktion
von Gäsars Rheinbrücke III 77
Meyer, E., über die passio ss. quatuor
corouatorum III 328
Meyer, W. A , Hvpatia von Alexandria
I 103
Michaelis, A , Elgin marbles III 436
Michelis. über die Bedeutung des Neu-
platouismus I 97
572
Register.
Mitchhöfer, voreuklidisches Fragment III
406
Milchsack, G., hyniui et sequentiae III
190
Miller, de decretis atticis III 400
Milz, H. , Geschichte des Gymnasiums
an Marzelleu III 239
Mitzschke, eine griechische Kurzschrift
III 441
Mommsen, A., Reformen des römischen
Kalenders III 283
Mommsen, Th., Freiheitsschutz III 28
— Rechtsstreit von Oropos III 65
— die Tatiuslegende 111 284
— über die Excerptenhandschrift des
Petrus Donatus 111 397
Monceaux, P. , de communi Asiae pro-
vinciae 111 46
Monod , P. , la politique religieuse de
Constantin III 330
Monrad, J., de locis quibusdam Ploti-
nianis 1 99
Monse, H , zu Gatuil 11 260
Monumenta Germaniae paedagogica 111
224
Morawski, K. v., zu lateinischen Schrift-
stellern 11 69
— Bemerkungen zu denQuintilianischen
Declaraationeu II 62
— zu Quintilian II 76
Worin, G., la colonie nimoise 111 58
Morlot, E., les comices electoraux III 40
Morselli, E., il demone di Socrate 1 150
Mowat, J , Catulle II 293
Much, die Kupferzeit in Europa III 100
Müller, Georg, de Senecae quaestioni-
bus uaturalibus I 59
Müller, H. Fr., Plotins Forschung nach
der Materie 1 99
— Dispositionen zu Plotinos 1 100
Münzer, J , ein Philosoph auf dem Thron
I 71
Munro, H. A. J., criticisms of Catullus
II 267
— Catullus 68 th poem II 252
Myionas, Inschi-itten von Troezen III 462
Natorp, P., Forschungen zur Geschichte
des Erkenntnissproblems 1 82
— Aeuesidem I 83
Nettleship, H., Catullus II 225
— zu Quintilian II 24
Neumann, K. J., wann schrieb Colins
Antipater? 111 291
Neupert, A., de Demosthenicarum epi-
stularum fide I 232
Newton and Micks, collection of Greek
inscriptions 111 388
Niese, B , dt» annalibus romanis III 289
Nikitsky, Ratsbeschluss von der Akro-
polis 111 418
Nissen, A , Beiträge zum röm. Staats-
recht III 8
— Bedeutung des Monumentum Ancy-
ranum 111 311
Nohle, K., die Staatslehre Piatos I 134
Nordewier, Demosthenica 1 197
Nowak, R., ad CatuUum II 274
Obser, K., die Universität Heidelberg
111 213
Occioni, 0., la Cintia di Properzia II 134
Ogoreau, F., essai sur le Systeme des
stoiciens I 45
Ohnesseit, L., das Gemeindeamt in den
römischen Landstädten III 59
Otte, P., die Einheitsschule III 267
Otto, A , Versumstellungen bei Properz
II 94. 134
— Propertiana II 135
Pabst, P., Plotins Enu. 1 1 untersucht
I 102
— zu Catull II 294
Pachnicke, H. , de philosophia Epicuri
I 79
Pähler, Löschung des Stahles bei den
Alten 111 109
Palaiologus, G., Inschrift von der Akro-
polis III 414
Palcitinus, Th , Heidelberg u, seine Uni-
versität III 205
Pallu de Lessert, C. , les gouverneurs
de Mauretanie III 54
Palmer, A , Ellis's Catullus II 270
— Propertiana II 136
— zu Tibull u. Catull II 298
Panaetii et Hecatonis fragmenta coli.
H. Fowler I 55
Pannenborg, A. , zur Geschichte des
Göttinger Gymnasiums 111 238
Pappenheim, E , die Tropen der Skep-
tiker 1 84
— Erläuterungen zu des Sextus Empi-
ricus pyrrhoneischen Grundzügen I 88
Pardon, die römische Diktatur III 16
Paris, G , Inschriften von Elatea III 490
Peiper, R. , Spottvers auf Pompeius II
295
Pelisson, M., Rome sous Trajan 111 321
Perez, F., sopra Filone Alessandrino I 95
Pernice, A, volksrechtliches Verfahren
in der Kaiserzeit III 88
Petersen , E., zum Erechtheion III 369
— über die Preisrichter der Dionysien
III 354
Petersen, W. , quaestiones de historia
gentium Atticarum III 358
Petsch, Glaubwürdigkeit der Commen-
tarien Cäsars 111 302
Petzold, Bedeutung des Griechischen
für das Verständniss der Pflanzenna-
men III 115
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
573
Pezzi, D., la grecitä nelle iscrizioni piü
antiche III 394
Pflugk-Harttung, J v., die germanischen
Niedeilassiiiigeu im Rönierreichlll33l
Philios , D. , ^E^eufTiviaxd äuäyltjoa III
374. 408 ff. 438
Philippson, R. . de Philodemi nepl a-i)-
ßsiujv I 81
Philodemus über den Tod, herausg. von
S. Mekler 1 76
Piccolomini, R. , osservazioni sul testo
d'Iperide I 242
Pick, L., zur Titulatur der Fiavier III 17
Pischel, Xuthias- Inschrift III 463
Plato, Apologie u. Kriton, von H. Ber-
tram I 142
von E. Göbel I 152
ed. J, Keil I 180
— — versione di Puoti e Bembo 1 176
— Criton, par C Hnit I 179
— — par Ch Waddington I 137
— Laches, ed. M. Gitlbauer I 161
— Phaedo, ed. by Archer-Hind I 170
tradotto da A. Bianchi I 167
— selections from the dialogues 1 159
— les atomes, par E. l'Ollivier I 168
— Prodi commentarium in rempublicam
ed. R Scholl I 104
Plessis, Fr., etudes sur Properce II 98
Plotini Enneades ed. R Volkraann I 98
Polle, F, zu TibuU II 295
Polster, L., quaestiones Propertianae II
106
Pomjalowski, Inschriften Kaukasiens III
563
Pomtow, Orakelinschriften von Dodona
III 529
Poppelreuter, P., quae ratio intercedat
inti^r Posidonii Ttpayßazziaq et Tuscu-
lanas Ciceronis I 56
Porphyr!! opuscula rec. A. Nauck I 133
Postgate, J. P., Catulliaua II 272
— genuineness of Tibulius II 138. 359
Propertius, select elegies, by J. P. Post-
gate II 83
— Elegien, deutsch von L. v. Knebel
II 116
— elegiae XII, schv?edisch von A. Fri-
gell II 85
Purgold, olymp. Weihgeschenke III 471
Quicherat, L., Catulle II 295
Quintiliani inst. or. libri duodecim ed.
F. Meister II 49
— liber X di D. Bassi II 35
— — von Bonnell-Meister II 31. 47
— — par S. Dosson II 35
par J. A. Ilild II 35
— declamationes rec. C. Ritter II 72
Radel et Paris, deux nouveaux gouver-
neurs de provinces III 57
Reich, H., die Beweisführung des Aeschi-
nes 1 240
Reinach, S , traite d'epigraphie grecquo
III 381
— Serviiis Cornelius Lentuhis III 57
Reinach, Th , de l'etat de siege III 68
Reisch, E , de musicis certaminibus III
3(j6. 395
Renan, E , Marc-Aurele et la fin du
nionde antique 1 114
Repertoire des ouvrage.s pedagogiques
du XVI. siecle III 222
Rettig, G., Catulliana II 230
Reuter, A., de Quintiliani libro de cau-
sis corruptae eloquentiae II 79
Reuter, H , augustiuische Studien I 130
Ribbeck, 0., über die Deiiaeiegien II 352
Richter, R, Catulliaua II 212. 287
Richter, W., Handel u. Verkehr im Alter-
thum III 138
Ridgeway, ippsiv in Homer III 470
Riemann, J , de corapositione strophica
carmiuura TibuUi 11 351
Riemann, 0., le dialecte attique III 400
Riemann, 0., Melanchthonis studia philo-
sophicd III 186
Riese , A. , zu den römischen Quellen
deutscher Geschichte HI 319
— zu Horaz u. Catuli II 295
Ritter, die quintilianischen Declamatio-
nen II 64
Ritter, C. , de Pindari studio nomina
viuiandi I 26
Ritter et Preller, historia philosophiae
Graecae III 91
Rivoyre, de l'etude du Grec III 257
Robert, C, Athena Skiras III 371
— de Gratiis Atticis III 344
— antikes Numerieruugssystem III 528
Roberts, an introduction to Greek epi-
graphy 111 386
Roch, G., die Schrift des Bischofs Diony-
sius des Grossen über die Natur I 133
Röhl, imagines inscriptionum Graecarum
III 388
Rover, Fr , Uebertragnng des Adjektivs
bei Pindar I 27
Rohde, E., Exipa III 372
Rohden, P. v., de Palaestina et Arabia
provinciis Romanis III 51
Röscher, W., zu Catuli II 295
Rossbach, 0., disquisitiones de Senecae
scriptis I 59
Rossberg, K, Bährens' Tibull II 302
— Konjekturen zu Catullus II 297
— zur Kritik des Propertius II 139
Rothlauf, B., die Physik Piatos 111 92
Rothstein. M., de Tibulli codicibus II
312ff.
Rüger, C , Prolegoraena I 227
574
Register.
Rumpf, inschriftliches Digamma III 561
Rusch, de Posidonio Lucreti auctore I 56
S., die Reform unserer Gymnasien III 266
Sabbadini. R., Briefe des Guarino III 154
— se Guarino Veronese abbia fatto una
recensione di Caiullo. — Ancora di
Catuilo e di Guarino Veronese II 208
Sammlung der griech. Dialektinschriften
III 391. 475
Saueressig, de epigrammate sepulcrali in
Athenienses apud Chaeroneam iuter-
fectos 1 216
Schacht, Lemgoer Schulgesetze III 238
Schäfer, H W., die Alchemie III 94
Schäfler, J., die Gräcismen bei den
augusteischen Dichtern II 141. 195
Schanz, M , zu griechischen Prosaikern
I 238
Schanzenbach, 0., Eberhard- Ludwig-
Gymnasium III 246
Scharf, R., quaestiones Propertianae II
107
Schaube, A., zur vita Tibulli II 297
Schenk, R. , zum ethischen Lehrbegriif
des Hirten des Hermas I 1 13
Schenkt, K , zu Lykurgos I 240
— zu Quintilian II 77
— eine Properzhaudschrift II 141
Schepss, G., zu Boethius I 107
Scherr, J., römische Cäsaren III 315
Schleusner, W , Taciti Germania III 318
Schmidt, Ad., der boiotische Doppel-
kaleuder III 475
Schmidt, Ernst, Gymnasium zu Marien-
burg III 229
Schmidt. Fr., Bivium III 227
Schmidt, Heinr., griech. Synonymik, IV.
I 29
Schmidt, Joh., über die Grabschrift des
Augustus 111 309
Schmidt, L., quaestiones de Pindaricorum
carminum chronologia I 28
— über unsere Catullhandschriften II
202
Schmidt, Leop., Caroli J. Caesaris vitae
memoria III 264
Schmidt, M., zu Catullus II 251
Schmidt, Robert, Collegium Groeningia-
num III 230
Schmolling, Pronomina auf attischen In-
schriften III 400
Schneemann, C, de verborum cum prae-
positiüuibus apud Catullum structura
II 108. 189
Schneider, C, Areopagitica I 125
Schneider, Rud , Ilerda III 305
Scholl , Fr. , zum Virgil des Probus u.
Quintilian II 24
— zu Catullus 11 253
— Georg Friedrich Creuzer III 214
Scholl, Fr., Künstlerinschriften III 447
Schrader, 0., Forschungen zur Handels-
geschichte III 133
Schranka, E., Epiktet u. seine Philoso-
phie 1 68
Schubring, Fr, Philosophie des Athe-
nagoras I 115
Schuck, die letzten heidnischen Philo-
sophen I 107
Schürer , E. , Geschichte des jüdischen
Volkes III 323
Schultess, C , de Epimenide III 343
Schulze, K P., römische Elegiker II 87.
276. 277
— Prinzip der Variatio bei römischen
Dichtern II 216
— Catullforschuugen II 213
— drei Catullfragen II 240
— zum Codex Oxoniensis des Catull II
198
— zu Catull I 173. II 261. 265
Schulze, Martin, die Schrift d(s Clau-
dianus Mamertus über das Wesen der
Seele I 132
Schwabe, L., Glossen des Labbäus II 298
Schwen, B., über Epikureismus I 79
Scipio, K., des Augustinus Metaphysik
I 129
Scott, W., the physical Constitution of
the Epicurean gods 1 80
Seeck, 0., die Haloandrischen Subscrip-
tioneu III 327
Seidel, E., de usu praepositionum Plo-
tiniano 1 99
Seidensticker, A. , Waldgeschichte des
Aiterthums III 116
Senecae dialogi rec. M. C. Gertz I 57
Senger, J , Infinitiv bei Catull II 187
Seyffert, M , Lesestücke II 280
Shorey, P. , de Piatonis idearum doc-
trina I 176
Siebeck, H., Geschichte der Psychologie
I 38
Sihler, E. , a study of Dinarchus I 244
Sillographorum reliquiae rec. C. Wachs-
muth 1 89
Skaphidiotis, P., xpizual napaT7j<T£i<; I
70
Slameczka, F , Untersuchungen über die
Rede von der Gesandtschaft I 217
Sörgel, J , demosthenische Studien I 196
Solbisky, R., de codicibus Propertianis
n 108
Soltau, W., Prolegomena zu einer rör-
mischen Chronologie III 274
— Roms Grüudungstage III 278
— Problem der fünfjährigen solitudo
magistratuum III 279
— - das altitalische Sonnenjahr 111 277
— Dauer der Diktatorenjahre III 280
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
575
Soltau, W., die Idus als dies fasti III
282
— die Enniusfinsterniss III 281
— Manipulartaktik III 74
Sommer, 0., Gottfried Semper III 262
Sorof, G , de Aristotolis geographia I 7
Stachelscheid, A, uuedited conjectures
II 273
Stadtmüller, H , eclogae poetarum Grae-
corum I 28
Stäker, 0 , de litis instrumentis I 223
Stampfer, C, Gymnasium zu Meran III
249
Stangl, Th , Boethiana - Pseudoboe-
tbiana I 108
Stehle, R , de Tibulli puri sermonis poe-
tici cultore II 310
Stein, L , die Ps5'chologie der Stoa I 49
Stich, J., adnotatioues ad Marcum An-
touinum I 70
Stier, H , de scriptore prioris adversus
Aristogitonem orationis I 221
Stocchi, G., vita e carmi di Catulio II 226
Stolz, Bustrophedoninschrift von Sparta
III 463
Stoppani, A., l'ambra III 105
Storz, J., die Philosophie des h. Am-
brt)sius I 127
Straub, J., de tropis et figuris I 193
Streifinger, J., de syutaxi Tibulliana
II 3U9
Striüer, F., de stoicorum rhetoricis I 52
StschukarefT, Inschriften 111 444
Stuhrmann, J , de vocabulis uotionum
phiiosophicarum in Epicteti lil)iis I 69
Süss, J , Catuliiana II 210
SusemihI, F., de Politicis Aristoteleis I 1 1
— zu Aristoteles Psycholugie I 8
— zu Aristoteles izspl alar^rjasiuq I 8
— (piXdi'ßpwTrov in der aristotelischen
Poetik I 18
— Skylla in der aristotelischen Poetik
I 16
— Zenon von Kittion I 52
Swoboda, inschrittlicher Vertrag des
Amyntas III 539
Sydow, R. , de recensendis Catulii car-
miuibus II 204
Tappe, A., aualecta critica II 142
Tartara, A , animadversiones II 276
Teichert, P , de t'ontibus Quintiliani II 14
Terlikowski, F., o mowach Oliutyskich
I 204
Testut-Taillebois, les tumulus dans la
region sous-pyreneenne III 101
Thamin, T. , un probleme nioral dans
l'antiquite I 51
Thömes, N , das Stift zum h Geist III 204
Thomaszewski, R. , Gymnasium zu Co-
nitz III 230
Thorbecke, A,, Geschichte der Univer-
sität Heidelberg III 199
Thurot, Ch., sur Quiiitilien II I
Tibulli elegiae reo. Ae. Baehreus II 301
— cur. 0. Barini II 184
— von B. Fabrioius II 307
— ed. Ed. Hiller II 303
— carminacastigata, ed.Salesianall 184
— übersetzt von A. Bernstädt II 369
von W. Binder II 368
— — von G. Fischer II 367
— — versione barbaro-dattilica diP. Ca-
sorati II 371
Töpke, G , Matrikel der Universität Hei-
delberg III 197
Trabandt, A. , de minoribus Quintiliani
declaniationibus II 69
Traube, L., varia libamenta II 298
Triemel, S., noch einmal das Catonische
Grüuduijgsdatum III 278
Troost, K. , zu Aischines' Rede gegen
Ktesiphon I 239
Tsuntas, Inschrift von der Akropolis
III 408
Tyrrell. R Y., Jowetts Politics of Ari-
stotle 1 12
— Pindarica I 30
Uhle, P., de prooeraiorum Domosthenis
origine I 231
— quaestiones de orationum Demostheni
falso addictarum scriptoribus I 226
Unger, G F , zu Aischines I 234
— zu den Charakteren des Theophrastos
I 19
Untersuchungen, philologische, II 131
Urbini, G , vita di Properzio. — Per i
uatali di Properzio — Properziana
II 110
Uri, J., un cercle savant. Fraugois
Guyet III 157
Urlichs, L. v., Grundlegung und Ge-
schichte der klass. Alterthumswissen-
schaft III 143
— die philosophische Fakultät Würz-
burg III 215
Vahlen, J., über drei Elegien des Ti-
buUns. — De CatuUo II 168
— zu Catullstellen II 299
— über zwei Elegien des Propertius
II 111
— Pätus-Elegie des Propertius II 113
— de Propertio et TibuUo II 170
Vessiot, A , la question du Latin III 255
Veuclin, E , Instruction publique de Ber-
nay. — Le College de Bernay. — Les
petitos ecoles et la revolution III 254
Vieze, H , de Demosthenis orationibus
1 219
Vit, V. de, doude abbiano i Cimbri preso
le mosse per calare in Italia 111 298
576
Register.
Votsch, W., Cajus Marius III 299
Wagner, R., quaestiones de epigramma-
tis graecis III 394
— de priore adversus Aristogitonem ora-
tione I 221
Wangrin, E., quaestiones de scholiorum
Demosthenicorum fontibus I 190
WashietI, J , de similitudinibus Ovidia-
nis 11 143
Weber, G , Heidelberger Erinnerungen
111 202
— Bedeutung des Heidelberger Jubel-
festes III 214
Weber, J., Interpolationen der Fasten-
tafel III 282
Wegele, F. v., Geschichte der deutschen
Historiographie III 150
Weidgen, J., quaestiones Propertianae
II 113
Weil, H., de l'authenticite du premier
discours contre Aristogiton I 221
— omissions dans Demosthene I 196
— d'uu signe critique dans ie meilleur
ms. de Demosthene I 189
Weise, P., quaestiones Catonianae III 94
Wei8senfels, 0., de Seneca Epicureo
I 63
Wendland, S., quaestiones Musonianae
I 67
Wendt, Gymnasium in Karlsruhe III 245
Westerburg, E., Ursprung der Sage, dass
Seneca Christ gewesen I 64
Westermayer, A., der Protagoras I 147
Westphal, R , über Ritschis Umstellun-
gen in Tibull II 354
Wetzstein, 0 , Seneca quid de natura
humana senserit I 62
Weygoldt, G., die Philosophie der Stoa
I 44
Widder, F , de Tibulii codicum fide II
312
Wiedemann, A. , Ie lettre d'Adrian III
322
Wiedemeister, der Cäsarenwahnsinn III
315
Wiese, L , Lebenserinnerungen u. Amts-
erfahrungen III 249
Wilamowitz-Möllendorff, U. v., coniecta-
nea 11 143
— res gestae divi Augusti III 311
— die Galliamben des Kallimachos II 237
— ^Idßou yovai I 31
Windel, J., de oratione mpi tü)v Tzpdg
^AXi^avSpoM auvß-T^xihv I 214
Winkelmann, Urkundenbuch der Univer-
sität Heidelberg III 195
Winter, Fr. J., Ethik des Clemens von
Alexandrieu I 121
— sittliche Grundanschauungen im Hir-
ten des Hermas 1113
Winter, G , neuere Darstellungen der
römischen Geschichte III 274
Wintle, H G., Ovid lessons II 280
Wittauer, A., Uebersetzungsprobe aus
Properz II 117
Wölfflin, E., zu Quintilian II 28. 30
— zu Tibull u Catull II 299
Wönig, F., die Pflanzen im alten Aegyp-
teu III 110
Wolff , 0 , de enuntiatis interrogativis
apud Catullum II 115. 186
Wolf u Dahm, der Grenzwall bei Hanau
111 82
Wollner, D , die aus der Kriegersprache
entlehnten bildlichen Wendungen in
Cicero, Quintilian u Tacitus II 25
Xenopol, A., les guerres daciques III 321
Y., la critique des textes grecs I 193
Zahlfleisch, J , zu Aristoteles Rhetorik
I 16
Zahn, Th., supplementum Clementinum
I 121
Zeller, E., Philosophie der Griechen I 34
— Grundriss der Geschichte der griechi-
schen Philosophie I 35
Ziegier, B , de Catulli sermone II 185
Ziegler, Th., Geschichte der Ethik I 39
Ziel, A. , Johann Raues Schulverbesse-
rung III 228
Zietzschmann, C, Eutwickelung des höhe-
ren Schulwesens der Stadt Mülheim
Hl 240
Zingerle, A , kleine Abhandlungen II 262
Zink, K. , aduotationes ad Demosthenis
orationem in Conouem I 230
Ziwsa, K., eurythmische Technik des
Catullus II 192
— Intercalar bei Catullus II 193
Zocco-Rosa, A., l'etä preistorica del di-
ritto a Roma. — Principii di uua
preistoria del diritto III 87
Zöller, M., römische Alterthümer III 1
Zverina, F., aus den quintilianischen
Declamationen II 64
Vorzoichniss der bebandelten Stellen.
577
II. Verzeichniss der behandelten Stellen.
a. Griechische Autoren.
(Die nicbt näber bezeichneten ytellen sind aus der ersten Abtheilung.)
Aeiianus, nat. animalium ix.33 HI 460.
Aenesidemus 83.
Aeschines 2:i4. — Ctesiphoiitea 237 13
•239 159 238 — scholia 236.
Aeschylus 111 3,50.
Agrippa 85.
Änatolius III 120.
Andronicus m/Jt r.ai'iibv 37. 73
Anthologia Pal vn245 217 XV11322 III
4-'<)
Antiochus 86
Antoninus imp 70 114.
Apollonius Rhodius 367. 111 1.32
Apollonius Tyan 90 f
Appianus 111 298. 305
Arcesilaus 8.5.
Aristides 195.
Ariston 51.
Aristophanes Eccl. 18 III 371. 372.
Nubes 985 111 413. — Rauao 3s;! 111
378. — The^moph 834 Hl 371. .372
Aristoteles Ethica Nicom. 9. — Melis-
siis 9. — M-^taphys 2 xii 4 160.—
Moteorolog 115,862 7. in 6 v 9.2 III
95. VI 1045, 33 5 — phy-ica I 6. —
poet. I 1447 8. XII 1452 18 XV 1454.
XXVI1461 16 — polit 11. 119,1271.
II 1279 12. IV 2,1324 8. IV 7, 1327 7
IV 10,1329 8 VI 11 3. VII .3,1318 10.
VIII 6 111 366. — p'ych. i 3,407 8 —
rhet. 119,1386 18. iii 13 — bist, ani-
mal. III 1,510 9. — de coelo ii 14,298 7.
— de sensu 7, 448 8 — ntpi ipirr^-
veiaq 1. — de mirab. auscul 111 98
104. — tbeologia 102. fragmenta 1.
Athenagoras 115.
Axiochus 43.
Callimachus 11 237.
Carneades 85
Celsus 106
Chrysippus 53. 54. 74.
Cleanthes 48. 52
Clemens Alexandrinus 67. 111. 121. -
protrepticiis s. 9 111 360. s. 22 III 347.
11 17 III 374
Cornutus, theol. compendium 66.
Grates 111 144.
Oamascius 106.
Demades 245
Democritus 83.
Demosthenee 188. Olynthiacae 204.
211. 3,12 212 — Philippicae 188
Jahresbericht tür AltertumswiBseD-scbaft LH.
352. — de Megalop. 212 — de tbe-
(I'^re Alex. 214. 238. — de Corona
202 216 ~ de falsa legat 217 xix
86,126 III 337. — contra Midiara 203.
218. 161 212 — adv Androt 203. 919.
adv Timocr. 220. — adv. Aristo-
git. 221 — pro l'horm 229. -- in La-
criturn 224 — in Macart. 226. — in
Stephan ; in Neaeram 224 - in Co-
noriem 230. — in Olymp. 227. — fal-
sae 226. — epist. 232. — prooemia
231.
Dexippus 111 429.
Dinarchus 244.
Diodorus Sic. 111 293 298. 13 - 48 III
529. 54,26,4 III 16 58,7.4 III 23. XI 68
III 289. 296 XI 79 111 414. xix 76.101
XX 26 III 290.
Diodorus Sinop 111 336
Diogenes Laert i 110 112 111343. iii se
111 367
Diogenianus 53
Dionysius Alexandrinus 133
Dionysius Areopagita 125.
Dionysius Hai. iv 16; vii 59 11131. —
^rholia in Demosth. 209.
Dioscorides v 9 111 122. v 84 111 98.
Epictetus 68
Epiourus, TüEpi atpsffswi'] Tzepi jpvo-ewj 75.
— f-pistuiae 79. — epist. ad Herod. 76,
Eunapius ^'7
Eusebius in 329.
Galenus 92
Geminus, isagoge 56.
Geoponici 111 119.
Harpocration 190
Heraclitus Ephesius 95
Herculanensia fragmenta 77.
Hermas, pastor 113.
Hermogenes 195.
Herodotus ii87 III 397. 11 64 111470.
Hesychlus s. v BouZüyjjq III 344.
Hippoorates 94.
Homerus 111 123. 125. — Odyss. 111 132.
133.
Hypatia 103.
Hyperides, epitaph.; Demosthenica 244.
— fragm. i 243
lamblichus, de vita Pythagorica 104.
Isocrätes 17, 33 Hl 356.
Julianus imp. 111 330.
Libanius, epitonn; 111331.
(1887. III ', 37
578
Verzeichniss der behandelten Stellen.
Lycurgus, adr. Leoer. 240.
Lysias 4, 3 III 367. 21.3 III 367.
Melissus III 91.
Musonius 67.
Nemesius 131.
Olympiodorus 105.
Ocellus 1 97
Oppianus HI 127
Origenes 112. 123
Orpheus, hymui III 346.
Panaetius 48 55
Pausanias, 1 1, 4 III 371. i u, 4 III 344.
122 III 341. 126, 5; 27,1 III 369 f. I28,G
III 338. 1126,4 III 456. 1127,3 III 457.
1136,1 III 459. m III 341. VI 7,1 III
272. VI 9, 4 30. IX 35, 1. 2 III 344—347.
Persaeus 52.
Philo Alexandrinus 85. 95. 96. — -Kspi
(rr/ßzia» 81 .
Philodemus II 15 — -nepl Hav. 76.
tragm. 78.
Philostratus, vita Apoll. 90. 92,
Photius, bibl. cod 212 85. — scholia 190.
Pindarus 21. Isth. 3, 64 30 - Nem.
VII 33 29. — Ol. I30. 112,57 24. lliG
25. III 30. 1113,45 30. V 12. VI 8 29.
XI 38 30. XIII 113 32. — Pyth. i 32.
IV 118 30 VIII 22. XI 32 — fragra.
133 24.
Plato 134. — apol. 142. 152. 180 —
Charm. III 93. — Crito 137. 157. 179.
— Laches 161. — Parraen 179. —
Phaedo 167 ff. - Protag. 147. — Ti-
maeus 93 t. 169. III92 24 7. 53 178.
— Polit. 134. — Rep. 134. III 92
394 17. 509 141. 623 178. 680 III 357.
Plotinus 39.98.99.
Plutarchus, Cic. 2s 111 230. — Cimon s
III 356. — Sert. e III 300. — apophth.
VI III 397. — de fato 98. — de music.
III 366. 1142 17. — protrept. 93.
Pollux vriiios III 346. vm io7 III 337.
1X96 III 371. 373
Polyaenus V43 III 131.
Polybius III 291 296. 11 14 III 275.
Porphyrius, opuscula 133.
Posidonius 45 57 74.
Procius, comm. in rempubl Plat. 104.
Pyrrhon 84 87.
Sextus Empiricus 84. 86 87. 220. - adv.
dogm. 86. 89. — Hypot. 86.210.
Sillographi 89.
Simplicius, comm. ad euchirid Epicteti
107.
Socrates 138 148
Sophocies, Aiax eso III 109. Antig. 473
111 109.
Stobaeus, floril 38.67. vii 21 40. x 53
III 397. XL 48 III 346.
Strabo in 5. x 5 III 133 vm 373 III 457
Suidas ('.7. 103. — vita Pind. 21.
Teles 54.
Terpander 23
Theophrastus 19. III 117.
Thucydides iii 70. iv 46 III 529. iv 56
III 467 VII 28,4 III 403.
Timon 84.
Xenophon, Hell, v 1,7 III 404. vi 3,6 III
364. — memor. iv 3, 13 139. — symp
VIII 9 III 341.
Zeno 47. .50. 52. 74. 82.
Zosimus III 95. 331.
b) Lateinische Autoren.
(Die nicht näher bezeichneten Stellen
Ambrosius I 126.
Ammianus Marcellinus III 331.
Augustinus I 113.127. civ. Dei xiv s
140.
Augustus imp., monum. Ancyr. III 309.
Ausonius 239.
Baibus, epistnlae ad Cic. III 307.
Boethius, de consol. I 107 — theologica
I 108.
Caesar xvi. iv le n III 77.
Caipurnius Piso 298.
Cassianus Bassus III 121.
Cato de re rust. III 93.
Catullus 145. — carm. 2 246. 255. 260.
270. .36 259. 62 264 64 195. 68 248. -
epitalamius 215. 238. - Attis 2.37.
Censorinus de die nat. 14 Hl 416.
Cicero, oraiore 44, 150 56. — de orat.
244. 246. — pro Caelio 1,3 45. 2,6 229.
sind aus der zweiten Abtheiluug.)
— in Catil. 111301. — pro Mil. 8,21
54. — pro Mur. 51 III301. — post.
red. 9,23 272. — pro Rose. Am. sa 45.
— pro Sestio 53, 114 56. — in Vatin.
211. — in Verrem 110,30 17 — epi-
stulae 11. - ad. fam. vi 7, 4 242. —
ad Att. XIII 46, 2 246. — ad Quint. tratr.
113,2 245. — Laelius 26 I 147. — de
nat. deor. 125,70 34. — de div. 3,75
III 10 — de fin. 14. 146. 11 11, 36 40.
— de off 11133,119 58. — de republ
1,16 III 276. 1,16,26 III 281. 2,30 III
279. 2,3!) III 31. — Academica 146.
— Tusc I 57. I 32, 79 I 56. III 19, 45.
11164,30 245. IV 24,54 19.
Claudianus Mamertus I 132.
Coelius Antipater III 291.
Columella 111 119.
Cyprianus de idol. vauitate I 117.
Ijati'inischt» Autorpn.
579
Frontinus ii 11,7 III 316.
Gellius i;!,i5 111 10.
Hadriani imp. reliquiae III 322.
Horatius , carm. i 33 341. 11 6,7 271. —
sat 112,123 III 121. — epist. 14 342.
111,6 271.
Hyginus, fabulae III 345.
Johannes Erigena Scotus 1 120.
Juvenalis viii 145 196.
Livius 111 293. i 43 III 31. 11 68 III 290.
XXII 26, 4 34. XLV 20, 9 27.
Lucanus. Pharsalia I 65.
Martialis IV 14 214 x 20, 9 187. xi 6 214.
Minucius Felix, Octavius I 116.
Ovidius, met. ni 636 266 — amores iii y
341. — ars amat. 1529 195. — tristia
II 427 210. II 457 364.
Plinius, iiat bist, vi 36 III 129. xiv 21
III 122 xxvm2 211. xxxiv 48 III
104. XXXV 7 III 123. XXXV 22 III 98.
Plinius minor, epist. v 8,9 3. viii is III
320. op. ad. Traiau. 65.66.95106 III 27.
Priscianus, metaphr. in Theophrast. 20.
Propertius S3. 172 11130,20. iv 7,42,308.
Quintilianus I. — inst. or. 3 — declam.
62.
Remnius, carm. de ponderibus III 97.
Sallustius, bell. Cat 53. III 301. - bist.
n 65 III 300.
Seneca philosophus I 57. — dialogi I 57.
— controv. 13,1 75. — de benef. vr
32 230. — de ira I 60. — epist. I 59.
— epist. ad s. Paulum 1 64. — nat,
quaest. I 59. 65. - epigr. I 59.
Servius in Verg. Ge. 1195 211.
Silius Italicus 13,106 196.
Suetonius, vita Aug 101 III 310. — Do-
mit. 2 III 26. 6 III 319. 20 III 27.
XII Tabulae III 88.
Tacitus, bist 11 5 III 18. 11 82 III 315.
— ann. in 56 III 23. • iv 22 69 xi 22
III 10. - xri 24 III 9. XIV 44 69. xiv
65 42 — dial. 10. 12,28 11 — Agric.
III 318. — Germ. III 318. 32.41 III 319.
Tanusius (Volusius), annales 233.
Tertullianus I 119 — apologeticum I
117.
Tibullus 169. 171. 301. is 365. 111,57
351. 116,19349 116,3 271. — lib. iv
357 ff. — eleg ad Lygd. 1,19 187. 4,3
172. — paneg. ad Mess. 356. — Pria-
pea 338. 353.
Ulpianus de censibus III 67
Varro, 1. 1. s. 74 m. 211.
Velleius Patercuius 2,60 III 27. 2,105 III
314.
Vergilius Aen. I 109 24. 1 626 12. iv 53 25.
V4 III .541. — Ciris m 210.
liruck von C. F e i c li t in lierliii.
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PA Jahresbericht über die Fort-
3 schritte der klassischen
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Bd. 52
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