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Full text of "Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft"

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JAHRESBERICHT 


über 


die  Fortscliritte  der  classisclieii 

Alterthumswissenscliaft 

begründet    ^ 

von 

Conrad   Bursian, 

herausgegeben 


I^A/^an  Müller, 

ord.  öffentl.  Prof.  der  classischen  Philologie  an  der  Universität  Erlangen. 


Zweiundfaiifzigster   ßaud. 
Fünfzehnter  Jahrgang.    1887. 

Dritte  Abtheilung. 

ALTERTHUMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Abtheilungen. 


BERLIN    1889. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO. 
W.  Unter  den  Linden   17. 


Inhalts- Verzeichniss 

des  zweiundfunfzigsteu  Bandes. 


Bericht  über  die  Litteratur  des  Jahres  1886,  welche  sich  auf 
Encyklopädie  und  Methodologie  der  klassischen 
Philologie,  Geschichte  der  Altertumswissenschaft  und 
Bibliographie  beziehen  (nebst  Nachträgen  zu  den  früheren 
Jahren).    Von  Dr.  Karl  Hartfelder  in  Heidelberg.    140—268 

Geschichte  des  Humanismus.  Zusammenfassende  Darstellungen 
140.  —  Italienische  Humanisten  151.  —  Französische  Humanisten 
154.  —  Deutsche  Humanisten  159.  —  Erasmus  von  Rotterdam  173. 

—  Hütten  177.  —  Hymni  et  carmina  190.  —  Geschichte  des  Buch- 
drucks 191.   —   Geschichte  der   Universitäten.     Heidelberg  194. 

—  Neustadter  Hochschule  211.  —  Karlsruhe,  Würzburg  215.  — 
Graz  217.  —  Giessen ,  Rostock  u  a.  218.  —  Pädagogik  222.  — 
Monumenta  Germaniae  paedagogica  224.  —  Schulgeschiohte,  Gym- 
nasien 229.  —  Schulwesen  in  Frankreich  und  Belgien  255.  — 
Geiehrtengeschichte  258.  —  Reform,  Einheitsschule  265. 

Die  Berichte  über  Paläographie  von  Bibliothekar  Dr.  R.  Beer 
in  "Wien,  alte  Geographie  von  Dr  R.  Frick  in  Höxter, 
Topographie  von  Attika  von  Prof.  Dr.  Ch.  Beiger  in  Berlin, 
Geographie  des  übrigen  Griechenlands  von  Dr.  Oberhum- 
mer  in  München,  Geographie  von  Unter-Italien  und  Sicilien 
von  Prof.  F.  V.  Duhn  in  Heidelberg,  Geographie  von  Mittel- 
und  Ober-Italien,  Gallien,  Britannien  und  Hispanien  von 
Dir.  Prof.  Dr.  D.  Detlefsen  in  Glückstadt,  Topographie 
der  Stadt  Rom  von  Prof.  Dr.  0.  Richter  in  Berlin,  grie- 
chische Geschichte  von  Prof.  Dr.  A.  Bauer  in  Graz  folgen 
später. 

Jahresbericht  über  römische  Geschichte  und  Chrono- 
logie für  1886.  Von  Dr.  Hermann  Schiller,  Gymn.- 
Direktor  und  Universitäts-Professor  in  Giessen.       .     268  —  334 

1.  Zusammenfassende  Darstellungen  269.   —   2.  Chronologie  274. 

—  3.  Königszeit  und  Uebergang  zur  Republik  284.  —  4.  Zeit  des 


IV  Inhalts -Verzeichniss. 

Ständekampfes  und  der  Eroberung  Italiens  289.  —  5.  Die  punischeu 
Kriege  und  die  Unterwerfung  der  Mittelmeerländer  295.  —  6.  Die 
Revolution  297.  —  7.  Die  Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  uud 
Antouine  309.  —  8.  Die  Zeit  der  Verwirrung  327.  —  9.  Die  Zeit 
der  Regeneration  328. 

Die  Berichte  über  griechische  Litteraturgeschichte  von  Dir. 
Dr.  Volkmann  in  Jauer,  römische  Litteraturgeschichte 
von  Dir,  Dr.  Bouterwek  in  Burgsteinfurt,  griechische  und 
römische  Mythologie  von  Dr.  Back  in  Berlin,  griechische 
Staatsalterthümer  von  Dr.  C.  Schäfer  in  Pforta  und  grie- 
chische Privatalterthümer  von  Prof.  Dr.  Iwan  Müller 
folgen  nach. 

Jahresbericht  über  die  griechis  eben  Sacralaltertümer. 

Von  Prof.  Dr.  August  Mommsen 335  —  378 

Vierter  Artikel :  Athen. 

Der   Bericht    über   römische  Privat-   und    Sacralalterthümer 
von  Prof,  Dr.  M.  Zoeller  in  Mannheim,  sowie  jener  über 
scenische    Archäologie   von    Studienrektor    Dr.  B.  Arnold    . 
in  München  folgt  nach. 
Jahresbericht  über   die   römischen    Staatsaltertümer 
für    1885,     Von   Dr.    Hermann    Schiller,    Gymnasial- 
Direktor  und  Universitäts-Professor  in  Giessen     .     ,     .     1—89 
A.  Allgemeine  Darstellungen  1,  —  B    Die  Staatsgewalt.    1.  Ma- 
gistratur 8.    —     Bürgerschaft  28,    —    C.   Die   Staatsverwaltung. 
1.   Organisation   des   Reichs  42.    —    2.   Finanzverwaltung   65.    — 
3.  Militärwesen  68.  —  4.  Recht  und  Gericht  87. 

Bericht  über  neuere  Pubhkationen  auf  dem  Gebiete  der  Na- 
turwissenschaft, der  Technik,  des  Handels  und 
Verkehrs  im  Altertum.     Von  Prof.  Dr.  S.  Günther  in 

München 90—139 

Geschichtliches  91.  —  Chemie  uud  Metallurgie  93.  —  Mineralogie 
98.  —  Gewinnung  und  Bearbeitung  der  Metalle  108.  —  Botanik 
110.—  Forstkultur  und  Jagdwesen  116.  —  Landwirthschaft  119. 
—  Zoologie  125.  —  Nautik  127.  —  Handelsgeschichte  133. 

Die    Berichte    über   mathematische  Wissenschaften    von   Dr. 

M.  Curtze  in  Thorn  und  über  antike  Medizin  von  Prof.  Dr. 

Th.  Puschmann  in  Wien  folgen  im  nächsten  Jahrgang. 
Jahresbericht  über  die  griechische  Epigraphik  für  1883 

bis  1887.    Von  Dr.  W^  Larfeld  in  Remscheid.     .     379  —  564 

Einleitung  379.  —  I.  Allgemeines  380.  —  Originalpublikationen 
griechischer  Inschriften  388.  —  Lexikalisch-grammatische  Arbeiten 
393.  —  Kyriacus  von  Ancona  397.  —  II.  Attica.     1.  Allgemeines 


Inhalts  -  Verzeichniss. 

398.  —  2.  Raths-  und  Volksbeschlüsse;  Dekrete  401.  —  Privatur- 
kunden 406.  —  3.  Tabulae  magistratuum  407.  —  4.  Catalogi  412. 

—  5.  Musische  Inschriften  413.  —  6.  Ej^heben-Inschriften  416.  — 
7.  Hymnen,  Orakel  416.  —  8.  Ehreninschriften,  a)  Des  Rates  und 
Volkes  417.  —  b)  Anderer  Gemeinschaften  420.  —  c)  Von  privaten 
und  ungenannten  Stiftern  426.  —  9.  Weihinschriften  429.  — 
10.  Grabschriften  434.  —  11.  Grenzsteine  440.  —  12.  Varia.  Kurz- 
schrift 441.  —  III.  Megaris.  Megara  443.  —  Aegosthenae.  Eleu- 
therae  445.  —  IV,  Peloponnesus.  1.  Coriuthus  446.  —  2.  Argolis 
447.  —  Mycenae  448.  —  Nemea  449.  —  Epidauros  449.  —  Weih- 
inschriften von  Epidauros  452.  —  Heilinschriften  von  Epidauros 
457.   —   Troezen  462.   —  3.  Laconica  et  Messenia.     Sparta  463. 

—  4.  Arcadia.  Elis  468.  —  Olympia  469.  —  5.  Achaia  473.  — 
V.  Boeotia  474.  —  Acraephia  476.  —  Chaeronea  477.  —  Coronea 
481.  —  Plataeae.  Tanagra.  Thebae  483.  —  Thespiae  484.  — 
Via.  Phocis.  Elatea  490.  —  Delphi  495  —  VIb.  Locris  et  Do- 
ris 499.  ~  Oeanthea  500  -  VIc  Thessalia.  Lamia  500.  —  Nar- 
thacium  501.  —  Halus  502.  —  Pharsalus.  Metropolis  504.  — 
Demetrias  509.  —  Larisaöll.  —  Phalauna  522.  —  Vlia.  Aetolia, 
Acarnania  524.  —  Calydon  525.  —  Thyrrheum  526.  —  VII  b. 
Epirus.  Dodona  527.  —  VIII.  Illyricum  533.  —  Salonae  534.  — 
IX.  Corcyra  535.  —  X.  Macedonia  et  Thracia.  Thessalonice  535. 
Olynthus  539.  —  Chersonesus  Thracica  540.  —  Heraclea  541.  — 
Selymbria  543.        Byzantium  544.  —  Odessus  553.  —  Tomi  556. 

—  XI.  Sarmatia  cum  Chersoneso  Taurica  et  Bosporo  Cimmerio 
560.  —  Olbia;  Chersonesus  561.  —  Caucasus  563. 

Die  Berichte  zur  Litteratur  über  römische  Epigraphik  von 
Direktor  Dr.  F.  Haug  in  Mannheim,  Numismatik  von  Dr. 
R.  Weil  in  Berlin,  vergleichende  Sprachwissenschaft  von 
Dr.  H.  Ziemer  in  Colberg,  griechische  Grammatik  von 
Prof.  Dr.  B.  Gerth  in  Dresden,  Kyprisch,  Pamphylisch 
und  Messapisch,  sowie  über  lateinische  Grammatik  von 
Direktor  W.  Deecke  in  Buchsweiler,  Vulgärlatein  von 
Dr.  K.  Sittl  in  München,  lateinische  Lexikographie  von 
Prof.  Dr.  K.  E.  Georges  in  Gotha,  antike  Metrik  von 
Prof.  Dr.  B.  Klotz  in  Leipzig  und  antike  Musik  von  Dr. 
H.  Reimann  in  Berlin  folgen  nach. 


Register 565  —  579 

I.  Register  über  die  besprochenen  Schriften 565 

II.  Register  der  behandelten  Stellen. 

Griechische  Autoren      .     .         577 

Römische  Autoren 578 


Jahresbericht  über  die  römischen  Staats- 
altertümer für  1885. 

Von 

Dr.  Hermann  Scliilfer, 

Gymnasial-Direktor  und  Universitäts-Professor  in  Giefsen. 


A.   Allgemeine  Darstellungen. 

Max  Zoll  er,  Römische  Staats-  und  Rechtsaltertümer.    Ein  Kom- 
pendium für  Studierende  und  Gymnasiallehrer.     Breslau  1885. 

An  Kompendien  für  Studierende  und  Gymnasiallehrer  fehlt  es 
eigentlich  auf  dem  Gebiete  der  römischen  Altertümer  nicht.  Wenn  man 
sich  also  entschliefst,  deren  Zahl  um  ein  neues  zu  vermehren,  so  mufs 
man  sich  über  die  Mängel  der  bisherigen  Schriften  dieser  Art  klar 
sein.  Dieselben  liegen  meines  Erachtens  darin,  dafs  1.  der  jetzige  Stand 
der  wissenschaftlichen  Forschung  in  der  Regel  nicht  aus  denselben  zu 
erkennen  ist,  2.  dafs  sie  weder  Quellen  noch  Litteratur  geben  und  so- 
mit 3.  den  Studierenden  und  den  Gymnasiallehrer  lediglich  auf  eine 
gläubige  Hinnahme  des  gebotenen  Stoffes  hinweisen,  nicht  auf  eigenes 
Nachdenken  und  auf  eigene  Arbeit.  Letztere  kann  nur  die  rechten 
Bahnen  finden,  wenn  sie  den  bisherigen  Stand  einer  Frage  in  der  Litte- 
ratur angegeben  findet;  sonst  wird  sie  häufig  unnütz  und  unbefriedigend 
sein.  Entspricht  das  vorliegende  Kompendium  diesen  Anforderungen? 
Prüfen  wir  das  an  den  einzelnen  oben  gestellten  Forderungen. 

ad  2  und  3.  Quellenangaben  enthält  das  ganze  Buch  vielleicht  60 
bis  65.  Von  Litteratur  werden  die  gröfseren  Werke  von  Becker,  Mar- 
quardt-Mommsen,  Lange  und  Madvig  regelmäfsig  angegeben;  auch  bis- 
weilen die  Darstellungen  der  römischen  Geschichte  von  Momrasen,  Ihne, 
Schwegler,  Neumann  und  Drumann  und  des  ersteren  Römische  For- 
schungen citiert,  selten'^r  Herzog  und  einige  andere  geschichtliche,  geo- 
graphische, sprachhistorische  und  rechtsgeschichtliche  Handbücher.  Von 
Spezialarbeiten  wiederholt  des  Verfassers  Latium  und  Rom,  und  Soltau 
die  altrömibchen  Volksversammlungen,  vereinzelt  Lange  de  patrum  auc- 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LU-   (1887    HI.  1  1 


2  Römische  Staatsaltertümer. 

toritate,  Christensen  (ohne  Angabe  der  betreffenden  Schrift),  Genz  das 
patrizische  Rom,  Volqiiardsen  die  drei  ältesten  römischen  Tribus,  Plüfs 
die  Entvvickelung  der  Centurienverfassung  und  Clason  zur  Frage  über 
die  ref.  Centurien,  Berns  de  comit.  tribut.  et  conciliorum  plebis  discri- 
mine,  Ihne,  rhein.  Mus.  28,  37  f.  und  21,  161,  Willems  le  senat,  Soltau 
über  den  Ursprung  von  Census  und  Censur,  Lindenschmidt  Tracht  und 
Bewaffnung,  Nissen  Templum,  H.  Fulda  das  Kreuz  und  die  Kreuzigung, 
Beloch  der  italische  Bund,  Mommsen  römisches  Münzwesen,  Kuhn 
städtische  und  bürgerliche  Verfassung  etc.  Man  wird  aus  dieser  etwas 
bunten  Auswahl  nicht  den  Schlufs  ziehen  können,  dafs  der  Verfasser 
Litteraturangaben  in  der  dem  Studierenden  und  Lehrer  nötigen  Aus- 
dehnung gegeben  oder  auch  nur  seine  in  der  Einleitung  gegebene  Ver- 
heifsung  erfüllt  hat,  »dafs  die  wichtigsten  Monographieen  am  betreffenden 
Orte  Erwähnung  finden  sollen«.  Man  wird  auch  nicht  annehmen  dürfen,  dafs 
in  der  Einleitung,  welche  von  »Quellen  und  Litteratur«  handelt,  dieser 
Mangel  ausgeglichen  werde.  Dort  erfährt  der  Leser,  dafs  die  »wich- 
tigsten indirekten  Quellen«  —  Livius  und  Dionysius  sind!  Von  den 
älteren  Darstellungen,  »die  heutzutage  für  den  Studierenden  wie  den 
Forscher  gleich  wertlos  sind«,  werden  angeführt  —  Graevii  Thesaurus 
und  Risoni  antiquitat.  R.  corpus.  Ob  wohl  Herrn  Zöllers  Urteil  auch 
von  Perizonius,  Vico,  Beaufort,  Macchiavelli  und  Montesq^uieu  gilt?  In 
summa  —  weder  Quellenbourteilung,  noch  Quellenangaben,  noch  Litte- 
raturnachweise  entsprechen  auch  nur  entfernt  den  Anforderungen,  die 
heute  an  ein  Kompendium  für  Studierende  und  Gymnasiallehrer  gestellt 
werden  müssen,  selbst  dann  nicht  entfernt,  wenn  man  sich  »bei  Litte- 
raturnachweisen  auf  das  Wichtigste  und  bei  Citaten  auf  das  Charak- 
teristischste beschränkt«  (S.  VI). 

ad  1.  In  dem  staatsrechtlichen  Teile  sowie  in  den  Darstellungen 
des  Finanz-  und  Kriegswesens  sind  Mommsen  und  Marquardt  die  Quellen. 
Damit  soll  dem  Verfasser  nicht  etwa  ein  Vorwurf  gemacht  werden,  son- 
dern nach  meiner  Meinung  mufs  sich  jede  Darstellung  der  römischen 
Altertümer  an  die  epochemachenden  Arbeiten  namentlich  Mommsens 
eng  anschliefsen.  Aber  wenn  dadurch  der  Studierende  und  der  junge 
Lehrer  veranlafst  werden  sollen,  sich  die  gröfseren  Werke  selbst  zuzu- 
führen, so  mufs  die  ganze  Darstellung  des  Kompendiums  so  gehalten 
sein,  dafs  sie  ihn  in  die  schwer  verständlichen  Lehren  einführt,  so  dafs 
er,  wenn  er  an  die  gröfseren  Werke  geht,  weifs,  wie  er  sich  derselben 
zu  bedienen ,  was  er  dort  zu  suchen  und  wie  er  das  dort  Gefundene  zu 
verstehen  hat.  Dafs  der  Verfasser  diese  Aufgabe  z.  B.  für  die  Darstel- 
lung der  Magistratur  gelöst  hätte,  läfst  sich  nicht  behaupten,  wie  ein 
kurzer  Nachweis  darthuu  soll. 

In  Mommsens  Staatsrecht  ist  sicherlich  der  erste  (allgemeine)  Teil 
die  originellste  Leistung;  denn  hier  haben  die  Grundbegriffe  der  römi- 
sehen  Magistratur  zum   ersten  Male   eine  systematische  Darstellung   ge- 


A.    Allgemeine  Darstellungen.  3 

funden.  Und  wenn  wir  der  jüngeren  Generation  einen  wirklichen  Dienst 
erweisen  wollen,  so  müssen  wir  sie  in  den  Stand  setzen,  die  Richtlinien 
in  der  verwirrenden  Mannigfaltigkeit  der  Einzelheiten,  welche  die  rö- 
mischen Magistraturen  bieten,  fest  und  sicher  zu  haben-  Einige  Gründ- 
lichkeit lohnt  sich  hierbei  reichlich,  da  nicht  immer  wieder  dieselbe 
Frage  an  so  und  so  vielen  Stellen  erörtert  werden  niufs.  Der  Verfasser 
hat  auf  18  Seiten  diese'  Erörterung  gegeben,  und  der  Raum  könnte 
schon  für  diesen  Zweck  ausreichen.  Sehen  wir  uns  aber  an,  was  auf 
diesen  18  Seiten  steht,  so  vermissen  wir  teils  ganz  wesentliche  Dinge, 
oder  wir  finden  andere  ganz  falsch  dargestellt.  Und  doch  kommt  es 
auf  die  Präcision  des  Ausdrucks  nirgends  mehr  an,  als  wenn  Grund- 
begriffe jungen  Leuten  klar  gelegt  werden  sollen.  Vermifst  wird:  die 
Definition  der  Promagistratur,  von  der  öfter  geredet  wird,  die  Scheidung 
des  Amtsgebietes  domi  und  miiitiae,  die  Darlegung  des  Wesens  der 
Kollegialität,  der  Disciplinarstrafgewalt,  des  Rechtes  der  Übertragung 
der  Gewalt  und  der  Vertretung  der  Magistratur.  Muster  von  unklarer 
Darstellung  finden  sich  bei  der  Behandlung  des  Imperium  und  der  po- 
testas.  Da  wird  zuerst  in  weitschweifiger  Weise  auseinandergesetzt, 
»das  Imperium  sei  hauptsächlich  die  mit  Kommando  und  Jurisdiktion 
ausgestattete  Amtsgewalt  oder  mit  anderen  Worten  eine  militärische  und 
richterliche,  weshalb  auch  das  Imperium  in  der  Regel  als  ein  militärisches 
und  richterliches  Imperium  unterschieden  wird«.  Dann  folgt  das  un- 
glaubliche »das  erstere  kommt  hauptsächlich  den  Konsuln,  das  letztere 
den  Prätoren  zu«,  und  15  Zeilen  weiter  »das  militärische  Imperium  be- 
stand in  der  Disziplinar-  und  Strafgewalt,  die  dem  Feldherrn 
im  Kriege  zur  Aufrechterhaltung  der  Disziplin  gegen  die  im  Heere 
dienenden  Bürger  zukam ,  das  richterliche  Imperium  zeigt  sich  in  der 
Macht,  durch  Richterspruch  über  Leib  und  Gut  der  Bürger  abzuurteilen 
und  fand  seinen  praktischen  Ausdruck  in  der  coercitio  d.  h. 
in  dem  Rechte,  Haft,  Pfändung  und  Geldbufsen  anzuwenden«. 

Wenn  der  Verfasser  seine  Schüler  solche  Dinge  lehrt,  so  ist  es 
schlimm;  was  soll  mau  aber  dazu  sagen,  wenn  er  solche  Unbegreiflich- 
keiten drucken  läfst?  Hätte  er  Mommseu  nur  mit  einiger  Sorgfalt  ge- 
lesen ,  so  wären  er  und  seine  gläubigen  Leser  vor  solchen  Inkorrekt- 
heiten bewahrt  geblieben.  Was  soll  man  ferner  zu  dem  Seite  138 
stehenden  Satze  sagen:  »die  magistratische  Intercession  kann  nur  gegen 
Magistrate,  die  eine  par  potestas  haben,  nicht  aber  gegen  andere 
Beamte  oder  gar  gegen  Beschlüsse  des  Staates  (soll  wohl  heifsen 
Senates)  oder  der  Volksversammlungen  in  Anwendung  gebracht 
werden«'^  Weifs  der  Verfasser  nichts  von  dem  Verbietungs-  und  Kassa- 
tionsrechte der  maior  potestas?  Und  weifs  er  nicht,  dafs  die  Inter- 
cession z.  B.  der  Volkstribunen  sich  gleichermafseu  gegen  das  magistra- 
tische Dekret,  die  Rogation  und  den  Senatsbcschlufs  richten  kann,  so 
lange    der   Magistrat    noch    bei   dem   betreffenden   Akte  persönlich 

1* 


4  Römische  Staatsaltertümer. 

thätig  ist?  Was  wird  sich  ferner  ein  Student,  meinetwegen  auch  ein 
Lehrer  bei  folgendem  Satze  denken:  »Während  also  die  magistratische 
Intercession  ein  Ausflufs  der  potestas  ist,  ist  umgekehrt  die  tribunicische 
potestas  begrifflich  und  historisch  erst  eine  Folge  des  tribunicischen 
Intercessionsrechtes  V«  Die  Aufzählung  der  Rechte  der  mit  »Imperium 
bekleideten«  Magistrate  ist  teils  unvollständig,  teils  unlogisch,  wenn 
man  sie  mit  der  Seite  137  gegebenen  Aufzählung  der  Attribute  der 
potestas  und  der  Seite  136  gegebenen  Definition  vergleicht.  Falsch  ist 
die  Angabe  Seite  143,  »später  wurde  es  jedoch  Regel,  dafs  zuerst  das 
Vigintivirat,  dann  das  Tribunat  bekleidet  wurde  und  hierauf  der  Über- 
gang zur  Quästur  stattfand«.  Neun  Zehntel  der  Leser  werden  hier  erst- 
lich an  das  Volkstribunat  denken  —  drei  Zeilen  vorher  ist  vom  Kriegs- 
tribunat  gesprochen  — ,  zweitens  ist  die  officielle  Folge  seit  dem  sechsten 
Jahrhundert  häufiger:  tribunus  militura,  XX  viri,  quaestor,  in  der  Kaiser- 
zeit XX  viri,  trib.  mil.,  quaestor.  Neben  den  durch  die  Designation 
erlangten  Befugnissen  fehlt  die  wesentlichste,  d.  h.  das  Recht  im  Senate 
an  hervorragender  Stelle  in  der  Rangklasse  zu  stimmen,  für  die  der 
Betreffende  designiert  ist. 

Unter  den  von  Mommsen  gegebenen  Darstellungen  der  Einzel- 
Magistraturen  ist  bekanntlich  die  der  Censur  die  vollendetste,  originellste 
und  meisterhafteste;  keine  frühere  kann  sich  mit  ihr  messen  und  der 
Verfasser  eines  Kompendiums  begeht  eine  Sünde,  wenn  er  dieselbe 
seinen  Lesern  in  der  von  ihm  zu  gebenden  elementareren  Art  vorent- 
hält. Auch  hier  ist  die  Darstellung  Zöllers  weit  von  der  Klarheit  seiner 
Quelle  entfernt.  So  wird  das  Verhältnis  der  eigentlichen  Verwaltungs- 
und der  sittenrichterlichen  Thätigkeit  verdunkelt,  die  bei  der  Schätzung 
eingehaltenen  Grundsätze  sind  gar  nicht  berührt,  ebensowenig  die  aus 
dem  Schatzungsgeschäft  hervorgehende  Aufstellung  der  Steuerliste  und 
der  Aushebungsrolle.  Sehr  ungenau  sind  auch  die  Angaben  über  den 
Untergang  der  Censur,  wo  sich  namentlich  für  die  Kaiserzeit  ein  falsches 
Bild  ergiebt. 

An  dem  Mommsen'schen  Staatsrechte  hat  jede  kompendiöse  Dar- 
stellung eine  Quelle  ersten  Ranges,  und  wer  dieselbe  mit  Sorgfalt  be- 
nützt, wird  sicherlich  eine  Arbeit  liefern,  welche  wissenschaftlichen  An- 
sprüchen genügen  kann.  In  gewissem  Sinne  gilt  dies  auch  von  Mar- 
quardt ,  obgleich  hier  manche  Teile  veraltet  und  nur  mit  Vorsicht  zu 
benützen  sind.  Sicherlich  hätte  man  jedoch  aus  dem  Stoffe,  den  Mar- 
quardt  giebt,  etwas  anderes  machen  können  als  Zöller  z.  B.  in  der  Dar- 
stellung des  Finanzwesens  gemacht  hat.  Die  scharfe  juristische  Kon- 
struktion, welche  gerade  für  den  Studierenden  so  wertvoll  ist,  fehlt  hier 
gänzlich ,  und  mit  welchem  juristischen  Grunde  diese  oder  jene  Steuer 
auferlegt  wurde,  erfährt  man  nicht.  Aber  auch  die  Organisation  der 
Finanzverwaltung  ist   ganz   ungenügend  geschildert,  und  kein  Anfänger 


A.    Allgemeine  Darstellungen.  5 

erhält  eine  präcise  Vorstellung,  wie  es  damit  zu  verschiedenen  Zeiten 
bestellt  war. 

Noch  wertloser  ist  die  Darstellung  des  Militärwesens.  Hier  ist  die 
Darstellung  der  Manipulartaktik  ganz  verfehlt,  ihre  Entwickelung  zur 
Kohortentaktik  nicht  klargelegt,  die  Bedeutung  des  Manipels  gar  nicht 
erkannt  und  die  der  Kohorte  mifsverstanden.  Gänzlich  ungenügend, 
meist  auch  unrichtig,  ist  die  Darstellung  des  Heerwesens  der  Kaiser- 
zeit; namentlich  was  über  Zahl,  Avancement  etc.  der  Centurionen  be- 
merkt wird,  ebenso  die  Behandlung  der  Aushebung,  des  Bestandes  der 
einzelnen  Abteilungen,  der  Stellung  der  Signa  im  Kampfe,  der  Flotte 
—  alles  ist  unzureichend  und  unrichtig. 

Ganz  unzureichend  ist  ferner  die  Organisation  der  Selbstverwal- 
tung in  Italien  und  den  Provinzen  dargestellt,  und  doch  ist  ohne  sie 
der  antike  Staat  gar  nicht  zu  verstehen. 

An  einer  merkwürdigen  Unklarheit  leidet  auch  die  Darstellung 
des  Rechtswesens;  dieselbe  wird  auf  30  Seiten  gegeben;  aber  über  die 
Hälfte  derselben  handelt  von  dem  römischen  Privatrecht.  Was  kann 
nun  ein  Student  oder  ein  Gymnasiallehrer  mit  diesem  Machwerke  an- 
fangen ?  Vielleicht  wird  sich  der  eine  und  der  andere  einbilden,  wenn 
er  die  16  Seiten  durchgelesen  hat,  wirklich  etwas  von  Obligationen  und 
vom  Erbrechte  zu  verstehen.  Dagegen  hätte  man,  was  auch  einzig  die 
Aufgabe  der  Rechtsaltertümer  sein  kann,  auf  30  Seiten  eine  präcise 
Darstellung  der  Institutionen  geben  können,  welche  der  Staat  geschaffen 
hatte,  um  die  Gerechtigkeit  zu  handhaben,  also  der  Gerichtsordnung 
und  des  Gerichtsverfahrens. 

Ausdrücklich  will  ich  noch  beifügen,  dafs  mit  diesen  Ausstellungen 
das  Register  des  Unbrauchbaren  durchaus  nicht  abgeschlossen  ist ,  son- 
dern dafs  sich  namentlich  in  der  Darstellung  der  Magistratur  und  des 
Senats  noch  zahlreiche  üngeuauigkeiten  und  Unrichtigkeiten  finden.  Das 
Buch  hat,  so  viel  ich  weifs,  manche  lobende  Kritik  gefunden:  man  sieht, 
wie  bescheiden  die  Anforderungen  auf  diesem  Gebiete  oder  die  Kenntnisse 
der  Recensenten  sind.  Für  Kompendien  ist  Alles  gut  genug.  Hätte  ich  das 
Buch  einfach  verworfen,  so  hätte  das  wie  Konkurrenz  ausgesehen;  so  mufste 
ich  eingehender  begründen,  warum  ich  so  und  nicht  anders  urteilen  mufs. 

0   Kariowa,  Römische  Rechtsgeschichte.    Erster  Band.     Staats- 
recht und  Rechtsquellen.     Leipzig  1885. 

Obgleich  dieses  Buch  in  erster  Linie  für  Juristen  geschrieben  ist, 
so  können  doch  auch  Philologen  und  Historiker  daraus  lernen. 

Der  Verfasser  scheidet  die  drei  Abteilungen  Königszeit  und  Re- 
publik, Principat  und  diokletianisch-konstantinische  Monarchie.  Ihm  in 
den  reichen  Stoff  eingehend  zu  folgen  wäre  unmöglich;  ich  beschränke 
mich  daher  darauf,  das  Neue  oder  das  besonders  Interessante,  welches 
das  Buch  enthält,  kurz  anzugeben. 


6  Römische  Staatsaltertümer. 

Bei  der  Einsetzung  des  Königs  hält  Kariowa  au  der  inauguratio 
fest;  das  Königtum  selbst  ist  ihm  Wahlkönigtum.  Dabei  wird  aber  den 
Spuren  der  Überlieferung  von  einem  Erbköuigtum  zu  wenig  Aufmerksam- 
keit geschenkt.  Das  Wesen  der  Gentilität  erblickt  Kariowa  in  der  ge- 
meinsamen agnatischen  Abstammung,  ohne  welche  das  römische  Intestat- 
erbrecht und  Vorraundschaftsrecht  auf  zwei  ganz  heterogenen  Principien 
beruhen  würde.  Bezüglich  der  Klienten  nimmt  der  Verfasser  an,  dafs 
sie  keine  gleichartige  Masse  waren,  und  dafs,  während  den  Armen  ein 
Stückchen  Land  teilweise  vom  Patron  angewiesen  wurde,  den  ange- 
seheneren Familien  der  besiegten  Bevölkerung  ein  Teil  ihres  Grund- 
eigentums belassen  oder  ihnen  andere,  neue  Grundstücke  zu  Eigentum 
zugewiesen  wurden.  Die  Ansicht  Langes  über  die  patres  wird  zurück- 
gewiesen. Sehr  eingehend  werden  die  Berichte  über  die  Befugnisse  des 
Königs,  des  Senats  und  der  Volksversammlung  geprüft.  In  der  Unter- 
suchung über  die  servianische  Verfassung  ist  Belots  Ansicht  über  den 
Wert  der  Asse  nicht  berücksichtigt;  wäre  sie  von  dem  Verfasser 
auch  wahrscheinlich  zurückgewiesen  worden,  so  hätte  sie  doch  nicht  mit 
Stillschweigen  übergangen  werden  sollen.  Die  Centurien  sind  dem  Ver- 
fasser keine  wirklichen  Heeresabteilungen ,  sondern  Abteilungen  von 
Grundbesitzern  zum  Zwecke  der  wirklichen  Aushebung.  Den  rein  pa- 
tricischen  Charakter  der  sex  suffragia  will  er  aufrecht  halten.  Dafs  der 
Tribuswandel  die  notwendige  Folge  des  Eigentumswandels  sei,  wird  be- 
stritten. Das  Imperium,  welches  durch  die  lex  curiata  de  imperio  über- 
tragen wird,  ist  das  militärische  Imperium  im  Gegensatz  zur  bürger- 
lichen potestas,  deren  Bestandteile  die  legis  actio  und  iuris  dictio  waren. 
Modifi eiert  aber  wurde  das  Gesetz,  wenn  es  sich  um  die  Übertragung 
an  Magistrate  ohne  Imperium  handelte;  diese  wurden  durch  die  lex  erst 
magistratus  optima  lege.  Diese  ganze  Erörterung  leidet  an  Unklarheit. 
Dafs  das  Aushebungsrecht  ein  Bestandteil  des  militärischen  Kommandos 
sei,  wird  von  dem  Verfasser  bestritten;  dasselbe  kommt  nur  dem  Konsul 
bezw.  dem  Diktator  zu  als  eine  Sache  der  höchsten  bürgerlichen  Ge- 
walt, dem  civis  gegenüber  seine  Militärpflicht  geltend  zu  machen.  Durch 
die  lex  Villia  annalis  scheint  eine  direkte  Fixierung  des  Lebensalters, 
vor  welchem  die  einzelnen  Magistraturen  nicht  bekleidet  werden  durften, 
eingeführt  worden  zu  sein,  doch  nur  für  die  curules  magistratus,  nicht 
für  die  Quästur.  Gegen  Mommsen  begründet  Kariowa,  dafs  die  Kon- 
suln auch  nach  Einsetzung  des  Prätors  in  Rom  Recht  gesprochen  haben 
und  die  iurisdictio  ein  Bestandteil  der  konsularischen  Amtsgewalt  blieb. 
Ebenso  wird  gegen  Mommsen  verneint,  dafs  den  Tribunen  gegenüber 
den  Konsuln  staatsrechtlich  eine  potestas  maior  und  ein  darauf  be- 
ruhendes allgemeines  Verbietungsrecht  zukomme.  Kariowa  begründet 
dies  durch  die  Nebeneinanderstellung  der  plebs  und  des  populus,  deren 
höchste  Beamten  man  sich  nicht  in  dem  Verhältnisse  der  Über-  und 
Nebenordnung    zu    denken    brauche;    keinesfalls    dürfe    man    aber    den 


A.    Allgemeiue  Darstelluugeu.  7 

Beamten  der  hinter  dem  populus  zurückstehenden  plebs  eine  höhere 
potestas  als  den  Beamten  des  populus  zuschreiben.  Auch  schreibt  Kar- 
Iowa  den  Tribunen  eine  iurisdictio  zu :  sie  hatten  das  Recht,  geringere 
Rechtshändel  zwischen  Plebeiern  zu  schlichten;  diese  soll  sich  aus  ihrer 
polizeilichen  Beaufsichtigung  des  forum  entwickelt  haben.  Die  den 
Quästoren  zugeschriebene  provincia  aquaria  will  Kariowa  auf  die  Er- 
hebung und  Verrechnung  des  Wasserzinses  für  das  Aerar  beziehen,  die 
dem  Quästor  zustand,  während  das  Recht,  Wasser  aus  den  öffentlichen 
Leitungen  abzugeben  (ius  aquae  vendendae),  den  Censoren  oder  Ädilen 
zukam. 

Die  Aufnahme  der  Plebeier  in  die  Kurien  und  die  Gewährung  des 
Stimmrechts  in  den  Kuriatkomitien  an  dieselben  hält  Kariowa  für  eine 
der  spätesten  Errungenschaften  in  dem  Ständekampf,  welche  vielleicht 
gleichzeitig  mit  der  Reform  der  Centuriatkomitien  erfolgt  sei.  Bezüg- 
lich des  Ceusussatzes  zur  Zeit  der  lex  Voconia  ist  derselbe  der  Ansicht, 
dafs  der  der  ersten  Klasse  schon  damals  100  000  schwere  Asse,  also 
das  fünffache  des  älteren  Satzes  betrug;  man  wird  daraus  auf  eine  ent- 
sprechende Erhöhung  der  Sätze  der  übrigen  Klassen  schliefsen  müssen. 
Bei  der  Reform  der  Centurienverfassung  wurden  die  sex  suffragia  be- 
seitigt. 

Für  den  Priucipat  nimmt  Kariowa  das  Aufkommen  eines  neuen 
Begriffes  des  Imperium  an ,  wogegen  die  Identificierung  der  imperatori- 
schen und  prokonsularischen  Gewalt  des  Princeps  verworfen  wird.  Wäh- 
rend das  Imperium  dem  Princeps  seine  sich  auf  das  ganze  Reich  be- 
ziehenden Befugnisse  und  die  Verwaltung  der  kaiserlichen  Provinzen 
gab,  bezog  das  Imperium  proconsulare  sich  nur  auf  die  senatorischen 
Provinzen  und  verlieh  die  Oberaufsicht  über  diese.  Der  Name  princeps 
soll  die  erste  amtliche,  obrigkeitliche  Stellung  im  Gemeinwesen  aus- 
drücken ,  deren  Fundament  die  lex  de  imperio  ist.  Rechtlich  steht  die 
Begrüfsung  durch  die  Heere  als  Imperator  der  Einsetzung  durch  Senat 
und  Volk  nicht  gleich.  Die  Rechtsgiltigkeit  des  Principats  beginnt  erst 
mit  Verleihung  der  lex  de  imp. ,  die  aber  bisweilen  rückwirkende  Kraft 
erhielt.  Das  Privatvermögen  der  Kaiser  (Patrimonium)  ist  seit  dem 
Beginn  des  Principats  von  dem  fiskalischen  Vermögen  verschieden;  nur 
über  jenes  konnten  sie  testamentarisch  verfügen.  In  der  von  Septimius 
Severus  vorgenommenen  Scheidung  von  Privatvermögen  und  uuveräufser- 
lichem  Krongute  bezeichnet  res  privata  principis  das  letztere,  Patrimo- 
nium das  erstere.  Die  verbreitete  Annahme,  dafs  Augustus  die  den 
Ädilen  zustehende  Specialgerichtsbarkeit  den  Prätoren  übertragen  habe, 
ist  nach  Gai.  1,  6  irrig.  Die  Unterschiede  der  Bezeichnungen  procurator 
und  a  ratioüibus,  a  libellis,  ab  epistulis  bestehen  wohl  darin,  dafs  die 
Prokuratoren  Vertreter  sind,  welche  statt  ihres  Vollmachtgebers  thätig 
sind  und  auch  nach  aufsen  als  solche  hervortreten,  während  die  Beamten 
ab    epistulis   etc.   Gehilfen  sind,    welche  bei   dem   eigenen  Handeln  des 


8  Römische  Staatsaltertümer. 

princeps  mitwirken,  oder  deren  vertretendes  Handeln  doch  nicht  nach 
aufsen  als  solches  hervortritt.  Mommsens  Annahme,  dafs  in  den  Pro- 
vinzen die  Kriminaljurisdiktiou  für  die  Nichtbürger  ordentlicherweise 
bei  den  einzelnen  Gemeinden,  wie  in  aufserordentlichen  Fällen  bei  dem 
Statthalter  gelegen  habe,  vermag  Kariowa  für  die  Kaiserzeit  noch  we- 
niger als  für  die  Republik  gelten  zu  lassen. 

Für  die  diokletianisch- konstantinische  Monarchie  giebt  Kariowa 
die  erste  eingehendere  Darstellung  der  Reichsverfassung  seit  v.  Beth- 
mann-Hollweg.  Wenn  auch  die  neuere  Forschung  sich  diesen  späteren 
Zeiten  mit  geringer  Gunst  zugewandt  hat,  so  sind  doch  eine  Anzahl 
nicht  unbedeutender  und  nicht  wertloser  Resultate  vorhanden,  welche 
die  von  Bethmann- Hollweg  gegebene  Darstellung  berichtigen.  Kariowa 
kennt  dieselben  und  hat  sie  verwertet,  und  so  wird  man  ohne  Bedenken 
sagen  dürfen,  dafs  dieser  dritte  Teil  seinen  ganz  besonderen  Wert  hat. 

Alle  Teile  aber  zeigen  völlige  Selbständigkeit  der  Forschung.  Na- 
türlich hat  sich  auch  Kariowa  durch  Mommsens  Staatsrecht  überall  und 
wesentlich  beeinflussen  lassen,  und  wie  könnte  dies  anders  sein?  Nament- 
lich der  Principat  hat  zum  ersten  Male  durch  Mommsen  eine  systema 
tische  Darstellung  gefunden,  die  in  der  Hauptsache  für  lange  mafs- 
gebend  sein  wird  und  mufs.  Aber  überall  hat  auch  Kariowa  die  ein- 
schlägigen Fragen  durchaus  selbständig  und  unabhängig  geprüft,  so  dafs 
man  sich  unbedenklich  und  vertrauensvoll  seiner  Führung  überlassen 
darf.  Grofse  Partieen  sind  wesentlich  für  den  Juristen  bestimmt;  aber 
ich  glaube,  dafs  das  Buch  unter  Philologen  und  Historikern  mehr  Leser 
finden  wird,  als  unter  den  engeren  Fachgenossen  des  Verfassers.  Denn 
es  setzt  ein  Interesse  für  das  römische  Staatsrecht  voraus,  das  erst 
wieder  bei  letzteren  zu  erwecken  ist.  Dazu  ist  aber  der  gelehrte  Ballast 
des  Buches  nicht  gerade  förderlich. 

ß.    Die  Staatsgewalt. 

1.     DieMagistratur. 

Adolf    Nissen,    Beiträge    zum    römischen    Staatsrecht.     Strafs- 
burg 1885. 

Der  Verfasser  untersucht  die  Frage,  was  eigentlich  das  Pomeriura 
der  Stadt  Rom  sei  und  kommt  dabei  auf  eine  Reihe  wichtiger  staats- 
rechtlicher Fragen. 

Zunächst  werden  die  verschiedenen  Versuche,  die  Bedeutung  des 
Wortes  auf  sprachlichem  Wege  zu  finden,  erörtert  und  verworfen;  der 
Verfasser  will  den  umgekehrten  Weg  einschlagen  und  den  sachlichen 
Inhalt  aus  den  Andeutungen  der  Quellen  ermitteln.  Bei  der  Stadtanlage 
teilt  man  von  dem  umpflügten  ager  effatus  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung ringsum  einen  Streifen  ab,  der  nach  dem  sakralen  Schema  für 


B.    Staatsgewalt.     1.    Die  Magistratur.  9 

die  weltliche  Befestigung  dienen  soll,  einen  Streifen  von  solcher  Breite, 
dafs  nicht  nur  der  Raum  für  eine  künftige  Mauer  mit  Graben  ausge- 
worfen, sondern  zugleich  dafür  gesorgt  wird,  dafs  von  innen  die  städti- 
schen Bauten,  von  aufsen  der  Landbau  sich  nicht  unmittelbar  an  die 
künftigen  Befestigungen  hinanlegen  können.  Diese'r  sakrale  Streifen  ist 
nach  allen  Schriftstellerangaben  das  Pomerium.  Offenbar  liegt  dieser 
Streifen  hinter  der  sakralen  Mauer.  Der  Pomeriumstreifen  ist  nach 
aufsen  hin  durch  den  sulcus  primigenius,  nach  innen  durch  eine  Linie 
begrenzt,  welche  den  städtischen  Baugrund  angiebt.  Dadurch  entsteht 
ein  doppelter  Begriff  des  Wortes  Urbs;  es  ist  einmal  der  bereits  um- 
pflügte ager  effatus,  dieser  bildet  die  sakrale  Stadt;  Urbs  ist  aber  auch 
die  Stätte  der  wirklichen  ßesiedelung,  des  Häuserbaus  d.  h.  die  welt- 
liche Stadt,  welche  innerhalb  des  Pomerium  sich  aufbauen  soll.  Zum 
sakralen  Begriffe  Urbs  gehörte  das  Pomerium  als  Teil;  es  bildete  die 
Tesca  des  Stadttemplum;  zur  weltlichen  Stadt  gehörte  das  Pomerium 
nicht,  aber  sie  konnte  es  nicht  entbehren;  denn  nur  durch  dieses  Pome- 
rium als  Schutz  wurde  sie  zur  Urbs.  Das  Pomerium  wurde  von  den 
Augurn  innen  und  aufsen  versteint;  die  cippi  wandten  ihre  Inschrift  der 
Stadt  resp.  dem  Lande  zu,  um  der  Überschreitung  von  beiden  Seiten 
sichtbaren  Widerspruch  entgegenzusetzen.  Die  inneren  cippi  wurden 
durch  die  Erbauung  von  Häusern  überflüssig;  vielleicht  wurden  sie  in 
diese  eingemauert;  die  äufseren  standen  in  der  äufseren  Linie  des  Po- 
merium d.  h.  in  der  Pflugfurche. 

Fortifikatorische  Bedeutung  hat  das  Pomerium  an  sich  nicht;  es 
kann  ein  Pomerium  geben  ohne  Befestigung  und  eine  Befestigung  ohne 
Pomerium.  Da  das  Pomerium  auf  dem  ager  effatus  die  Tesca  des  städti- 
schen Templum  bildet,  so  ist  die  einfache  Konsequenz  davon,  dafs  dieses 
Templum  der  einzige  Ort  ist,  auf  welchem  städtische  Auspizien  ange- 
stellt werden  können. 

In  bezug  auf  Rom  ist  die  Stelle  des  Tacitus  (Ann.  12,  24)  so  zu 
verstehen,  dafs  er  die  Pflugfurche  als  die  äufsere  Grenzlinie  des  Pome- 
rium angiebt,  was  sie  in  der  That  ist,  während  er  die  innere  Grenze 
nicht  erwähnt.  Man  darf  sie  nicht  bis  an  die  Mauertrümmer  hinauf- 
schieben, weil  die  unausbleibliche  Folge  wäre,  dafs  wir  den  ganzen  an 
der  Mauer  nicht  umschlossenen  Raum  des  Hügels  und  seiner  Hänge  der 
Ansiedelung  und  dem  Anbau  entziehen  müfsten.  Am  einfachsten  ist 
wohl  die  Annahme,  dafs  die  innere  Grenze  irgendwo  am  Abhang  hinlief 
und  gleich  der  äufseren  mit  Steinen  bezeichnet  war,  von  denen  man  zu 
Tacitus  Zeiten  keine  Kenntnis  mehr  hatte.  Die  Thore  der  paiatinischen 
Stadt  waren  keine  Thore,  sondern  nur  drei  Lücken  in  der  Pflugfurche, 
da  die  palatinische  Stadt  keine  Stadtmauer  hatte;  ihnen  entsprachen 
Wege  durch  das  Pomerium.  In  die  Arx  durch  die  Burgmauer  führte 
nur  ein  einziger  Weg,  und  noch  am  Ende  der  Republik  kannte  man  das 
alte  palatinische  Thor. 


10  Römische  Staatsaltertümer. 

Nach  Cicero  de  divin.  2,  75  hat  sich  in  Rom  ein  eigenes  ius  po- 
merii  ausgebildet,  das  der  Verfasser  jetzt  zu  entdecken  sucht.  Nach 
Laelius  Felix  ist  eine  militärische  Versammlung  im  Pomerium  ausge- 
schlossen. Indem  Nissen  dies  festhält,  knüpft  er  daran  die  Frage,  ob 
es  im  freien  Belieben  des  Magistrats  stand,  die  Bürger  extra  pomerium 
militärisch  zu  versammeln.  Er  beantwortet  sie  mit  Cic.  de  leg.  agr.  2,  30, 
dafs  dies  nur  dann  der  Fall  ist,  wenn  er  die  lex  curiata  besitzt.  Die 
bisherigen  Ansichten  über  die  Befugnisse,  welche  die  lex  curiata  ver- 
leiht ,  werden  verworfen  und  in  längerer  Polemik  hauptsächlich  gegen 
Mommsen  der  Satz  zu  erweisen  gesucht,  dafs  die  lex  curiata  dem  Ma- 
gistrat das  Imperium  militare  überträgt.  Dagegen  bedurfte  es  zur 
Übung  der  Jurisdiktion  keiner  besonderen  lex  curiata;  ebenso  wenig 
erscheint  Nissen  die  Ansicht  haltbar,  dafs  der  Magistrat  ohne  lex  cu- 
riata nicht  fähig  gewesen  sei,  die  auf  dem  militärischen  Imperium 
ruhenden  Centuriatkomitieu  abzuhalten.  Also  der  Konsul  als  solcher 
ist  Civilbeamter,  der  Konsul  mit  lex  curiata  ist  Militärbeamter.  Aber 
der  Konsul  ist  überhaupt  ein  Civilmagistrat,  der  sich  nötigenfalls  durch 
lex  curiata  in  einen  Militärmagistrat  verwandelt.  Einen  Konsul  ohne 
Militärgewalt  kann  es  geben,  einen  Konsul  ohne  Civilgewalt  nicht.  Auch 
der  Diktator  ist  nur  Civilmagistrat,  der  sich  blos  darin  von  den  anderen 
Civilmagistraten  unterscheidet,  dafs  er  unumschränkt  ist  und  es  gegen 
ihn  weder  Provokation  noch  Intercession  giebt.  Res  railitares  attingere 
kann  er  nur  auf  Grund  einer  lex  curiata;  nur  notgedrungen  sah  man 
davon  ab  und  gab  dem  Diktator  in  irregulärer  Weise  durch  Curien- 
beschlufs  vor  der  Ernennung  seine  militärische  Stellung.  In  dem  Aus- 
drucke ut  equom  escendere  liceret  erblickt  Nissen  eine  Vulgärbezeichnung 
für  die  lex  curiata.  Daraus  folgt,  dafs  nicht  alle  Diktatoren  einander 
rechtlich  gleichstehen,  vielmehr  ist  nur  der  Diktator  mit  lex  curiata 
Heerführer  (rei  gerundae,  seditionis  sedandae),  und  nur  für  ihn  besteht 
die  aus  der  alten  Dauer  des  Feldzugs  entlehnte  Beschränkung  auf  sechs 
Monate.  Dagegen  erhalten  die  Diktatoren  clavi  figendi,  ludorum  etc., 
nie  lex  curiata,  denn  sie  haben  nichts  mit  militärischen  Dingen  zu  thun; 
ihnen  allen  wird  ein  specielles  Geschäft  aufgetragen  und  nur  für  diesen 
kleinen  Bereich  unbeschränkte  Macht  gewährt.  Innerhalb  seiner  Kom- 
petenz war  jeder  Diktator  unbeschränkt;  Provokation  und  Intercession 
sind  gegen  ihn  nicht  gestattet.  Die  Könige  erhielten  ein  für  alle  Mal 
durch  eine  lex  curiata  das  Imperium  militare;  aber  dasselbe  auch  intra 
pomerium  auszuüben  waren  sie  nicht  befugt.  Die  Nachrichten  bei  Gel- 
lius  13,  15  und  Tacitus  ann.  11,  22,  dafs  auch  den  magistratus  minores 
die  lex  curiata  gegeben  sei,  sucht  Nissen  so  zu  interpretieren.  Die  lex 
curiata  erteilte  dem  Führer  nicht  blos  das  nackte,  unbrauchbare  Im- 
perium, sondern  man  gab  ihm  zugleich  die  Befugnis,  das  Personal  seines 
Stabes  und  seiner  Verwaltung,  sowie  die  Unterführer  zu  ernennen. 
Alles  aber   bezog  sich   ausschliefslich  auf  den  militärischen  Dienst  und 


B.    Staatsgewalt.     1.    Die  Magistratur.  11 

betraf  daher  nicht  alle  magistratus  miuores,  sondern  nur  diejenigen, 
welche  dem  Heerführer  bewilligt  wurden.  Dafs  schliefslich  bei  Erlassung 
der  lex  curiata  nur  30  Lictoren  anwesend  waren,  kam  so.  Der  Senat 
hatte  das  Geld  für  die  Ausstattung  des  Feldherrn  zu  bestimmen;  dies 
aber  wurde  allmählich  Hauptsache.  So  verdrängte  der  eine  Teil  der 
lex  curiata,  das  SC,  den  andern.  Die  alte  lex  curiata  wäre  völlig  ver- 
schwunden wenn  nicht  die  Vorschriften  des  sakralen  Rechts  ihr  ein 
künstliches  Dasein  geschaffen  hätten ;  das  Auspicium  war  nicht  ohne 
dieselbe  zu  erlangen,  und  die  Auguru  konnten  sich  nicht  mit  den  Be- 
schlüssen des  Senats  zufrieden  geben,  sie  mufsten  auf  einer  Curien- 
sitzung bestehen,  um  die  erforderliche  lex  curiata  annehmen  zu  dürfen. 

In  einer  längeren  Ausführung  erbringt  der  Verfasser  den  Nach- 
weis, dafs  auch  noch  zu  Ciceros  Zeit  die  Konsuln  ganz  in  derselben  Art 
wie  früher  während  ihres  Amtsjahres  das  Imperium  militare  übernehmen 
konnten. 

Die  Verwandlung  des  Civil- Magistrats  in  einen  Militär- Beamten 
durch  lex  curiata  war  die  Voraussetzung  des  Triumphs;  die  lex  curiata 
und  Auspizien  waren  dafür  unentbehrlich.  Doch  war  der  Triumph  kein 
Recht  des  Heerführers,  sondern  der  Senat  hatte  das  Recht,  über  den- 
selben zu  entscheiden.  Aber  es  liefs  sich  nicht  ausschliefsen,  dafs  das 
souveräne  Volk  auch  auf  diesem  Gebiete  dem  Senate  Konkurrenz  machte, 
so  dafs  jussu  populi  auf  dem  Kapitole  triumphieren  mochte,  wem  der 
Senat   die  Bitte  bereits  abgeschlagen  hatte. 

Von  der  Regel,  dafs  ein  römischer  Feldherr  ein  Magistrat  war, 
der  durch  lex  curiata  das  Imperium  militare  erlangt  hatte,  gab  es  zwei 
Ausnahmen.  Die  erste  bestand  darin,  dafs  man  Männern  den  Heer 
befehl  liefs,  obgleich  ihre  Magistratur  abgelaufen  war;  mau  verlängerte 
dann  nur  das  Imperium  militare.  Es  war  dies  eine  Verwaltungsmafs- 
regel,  welche  stets  in  der  Kompetenz  des  Senates  lag.  Von  hier  war 
es  nur  ein  kleiner  Schritt  bis  zu  dem  Verfahren,  die  Magistrate  ihr 
Amt  als  Civilmagistrate  zu  Ende  führen  zu  lassen,  wenn  sich  aber  später 
ein  Bedürfnis  an  militärischen  Führern  herausstellte,  auf  solche  früheren 
Magistrate  zurückzugreifen,  die  keinen  Provinzialdienst  verrichtet  hatten, 
und  sie  nachträglich  dazu  heranzuziehen.  In  beiden  Fällen  behandelte 
man  die  betreffenden  Exmagistrate  bezüglich  des  Triumphes  wie  wirk- 
liche Magistrate  mit  lex  curiata;  ein  förmliches  Privilegium  für  den 
Triumph  wurde  nicht  gefordert.  Dagegen  erforderte  jeder  Triumph  eine 
Dispensation,  und  jeder  Triumph  setzte  auch  das  Itnperium  bei  dem 
Heerführer  voraus.  Die  zweite  Ausnahme  bildete  die  Erteilung  des  Impe- 
rium militare  an  Männer,  die  eine  Magistratur  weder  bekleideten  noch  be- 
kleidet hatten;  man  brauchte  dafür  die  Bezeichnung  cum  imperio  esse, 
wobei  das  Fehleu  der  Magistratsbezeichnung  den  Unterschied  genügend 
andeutete;  denn  diese  Heerführer  blieben  privati.  Die  Erteilung  des  Im 
periums  lag    in  der  Hand   des  Senats,  der  aber  nicht  selten  eiueu  Ma- 


12  Römische  Staatsaltertflmer. 

gistrat  beauftragte  nach  eigener  Wahl  einem  Privaten  das  Imperium  militare 
zu  erteilen.  Ein  solcher  privatus  hatte  nicht  die  Auszugsauspicien  und 
konnte  nicht  die  Kriegsauspicien  sich  selber  verschaffen;  ebenso  wenig 
hatte  er  die  lex  curiata;  darum  konnte  er  auch  nicht  triumphieren. 
Erst  für  Pompeius  wurde  eine  Ausnahme  geschaffen  bezw.  vom  Senate 
bewilligt. 

Nun  kehrt  der  Verfasser  wieder  zum  lus  pomerii  zurück:  dasselbe 
verbietet  die  Anwesenheit  des  Militärbefehlshabers  innerhalb  des  Po- 
merium;  nur  das  Imperium  des  Königs  ging  nicht  durch  das  Betreten 
der  Urbs  zugrunde;  aber  es  ruhte  gerade  wie  das  des  Diktators  in 
der  Stadt. 

Die  Beile  sind  nicht  das  Zeichen  des  Imperium  militare,  sondern 
des  ius  vitae  et  necis;  sie  wurden  also  mit  Einführung  der  Provokation 
entfernt.  Als  Sulla  24  Fasces  auch  in  der  Stadt  für  sich  einführte, 
legte  er  sich  das  Imperium  militare  auch  in  Rom  bei. 

So  war  das  ius  pomerii  der  Grundpfeiler  der  bürgerlichen  Frei- 
heit. Die  Staatsregierung,  der  Senat,,  war  dadurch  gegen  die  Möglich- 
keit geschützt,  dafs  ihm  ein  Militär  gegenüber  treten  und  statt  sach- 
licher Erwägungen  sein  Schwert  in  die  Wagschale  legen  konnte.  Aber 
auch  die  Individuen  waren  dadurch  geschützt  dagegen ,  dafs  ihnen  die 
furchtbare  Strenge  des  römischen  Militärbefehls  intra  pomerium  be- 
gegnete. Anderseits  war  auch  gegen  den  Misbrauch  von  Intercession 
und  Provokation  Vorsorge  getroffen;  wenn  sie  unerträglich  wurden,  schob 
der  Senat  sie  durch  das  SC  ultimum  beiseite  und  machte  die  Magistratd 
souverän.  Aber  auch  in  diesem  Falle  blieben  die  Magistrate  Civil- 
beamte;  sie  waren  weder  Heerführer,  noch  die  ihnen  folgenden  Bürger 
Soldaten;  das  SC  ultimum  gab  nur  das  ius  vitae  necisque. 

Die  Volkstribunen  haben  die  Befugnis,  gegen  alle  Mafsnahmen 
der  Magistrate  Einspruch  zu  erheben,  welche  unter  den  Begriff  domi 
fallen.  Innerhalb  des  pomerium  konnten  die  Tribunen  daher  regelmäfsig 
mit  dem  Feldherrn  nicht  kollidieren,  weil  er  dort  materiell  nicht  existierte; 
ausnahmsweise  mochte  das  anders  sein;  denn  galt  in  der  Stadt  miiitia, 
so  war  keine  Intercession  zulässig.  Aufserhalb  der  Stadt  geht  die  Be- 
fugnis der  Civilmagistrate  bis  zum  ersten  Meilenstein;  was  hier  ge- 
schieht, ist  regelmäfsig  domi  d.  h.  es  handeln  Civilmagistrate  in  bürger- 
lichen Regierungsgeschäften;  ihnen  gegenüber  steht  den  Tribunen  ohne 
Bedenken  stets  die  Intercession  zu.  Man  nimmt  gewöhnlich  an,  dafs 
über  den  ersten  Meilenstein  hinaus  die  Intercession  überhaupt  nicht  be- 
standen habe.  Das  ist  jedoch  nicht  richtig;  die  städtischen  Geschäfte 
können  ausnahmsweise  über  jene  Zone  hinaus  im  Felde  oder  selbst  im 
Kriegslager  vorgenommen  werden;  das  Heer  kann  sich  in  Comitien 
verwandeln  und  in  dieser  Qualität  Gesetze  beschliefseii  oder  Wahlen 
vornehmen;  es  ist  nichts  Weiteres  dazu  erforderlich,  als  dafs  ein 
Magistrat    es    zu    diesem    Zwecke    loco    auspicato    beruft.     Die   Truppe 


B.   Staatsgewalt.     I.   Die  Magistratur.  13 

trat  in  diesem  Falle  aus  dem  militärischen  Kommando  heraus,  die 
Soldaten  verwandelten  sich  in  Bürger,  sie  waren  frei  in  ihrer  Ab- 
stimmung; der  Feldherr  stand  vor  ihnen  als  Civilmagistrat,  und 
mitten  in  die  militia  schob  sich  eine  Handlung  aus  dem  Kreise  domi 
ein.  Aber  deswegen  war  solcher  bürgerlichen  Handlungen  im  Feld- 
lager nur  ein  Magistrat  mit  Imperium  militare  fähig,  während  der 
blofse  Besitz  des  Imperium  nicht  ausreichte,  da  sein  Träger  sich  nicht 
in  einen  Civilmagistrat  verwandeln  konnte.  Gegen  solchs  im  Felde  vor- 
genommenen Mafsregeln  aus  dem  Bereich  domi  konnten  auch  die  Tri- 
bunen intercedieren  (nach  Liv.  3,  20,  7);  aber  ihres  Lebens  sind  sie  in 
diesem  Falle  nicht  sicher.  Auch  können  sie  keinen  Schutz  gewähren 
gegen  alle  Heerführer,  die  nicht  Magistrate  sind;  gegen  einen  Proconsul 
und  einen  privatus  cum  imperio  giebt  es  keine  Intercession,  weil  sie 
überhaupt  nicht  fähig  sind,  Amtshandlungen  domi  vorzunehmen.  Die 
Provokation  dagegen  ist  schlechthin  an  die  ersten  1000  Schritt  gebunden, 
ist  aber  zulässig  bei  jeder  Handlung  domi.  In  diesem  Zusammenhang 
spricht  Nissen  die  Ansicht  aus,  dafs  Sullas  Reform  darin  bestanden 
habe,  die  Civilgewalt  der  Konsuln  über  den  ersten  Meilenstein  hinaus 
auf  ganz  Italien  und  Gallia  togata  auszudehnen.  Der  Ausdehnung  der 
Civilgewalt  folgte  die  Provokation  als  notwendiges  Seitenstück,  und  so 
drang  sie  auch  in  die  Provinzen  ein,  sobald  sich  die  Sitte  bildete,  über 
römische  Bürger  nicht  mehr  militärisch  abzuurteilen. 

Das  Pomerium  bildete  endlich  auch  die  Grenze  zwischen  der  sa- 
kralen Urbs  und  ihrer  weltlichen  Umgebung.  Man  durfte  nach  römi- 
schem Rechte  das  Stadttemplum  nicht  verlassen,  ohne  darauf  zu  achten, 
ob  die  Götter  nicht  ungefragt  warnende  oder  hindernde  Botschaft  sandten. 

Die  Befugnis,  von  dem.  ins  pomerii  zu  entbinden  hatte  der  Senat, 
der  davon  bei  Bewilligung  des  Triumphes  Gebrauch  machte,  sobald  eine 
Notlage  des  Staates  es  erforderte.  Dies  geschah  z.  B.  als  Haunibal  vor 
Rom  lag,  wo  das  Heer  von  dem  ius  pomerii  entbunden  wurde,  so  dafs 
Pomerium  und  Stadtthore  dem  Heere  geöffnet  waren.  Ebenso  wurde  das 
ius  pomerii  sistiert,  wenn  ein  Justitium  indiciert  wurde;  wem  in  solchem 
Falle  das  Kommando  zustehen  soll,  hat  der  Senat  zu  bestimmen. 

Zu  Livius'  Zeit  befand  sich  das  Pomerium  zu  beiden  Seiten  der 
Stadtmauer  und  war  auf  der  inneren  Seite  meist  schon  überbaut.  Die 
servianische  Urbs  war  kleiner  als  ihre  Befestigung,  die  weit  draufsen 
lag;  drinnen  befand  sich  die  etruskische  Urbs  mit  dem  vorschrifts- 
mäfsigen  Pomerium,  welches  gleich  dem  palatinischen  keine  Mauer  trug. 
Es  war  das  altbekannte  sakrale  Tempelquadrat,  welches  sich  an  das 
palatinische  Pomerium  dergestalt  anschlofs,  dafs  zwei  seiner  Seiten  ver- 
längert und  durch  gegenüberliegende  neue  Seiten  wieder  zum  Teraplum 
geschlossen  wurden.  Dieses  neue  Stadttemplum  liefs  den  Capitolinus 
aufsen  vor,   schnitt  den  Esquilin  und  teilte  die  Subura  in  zwei  Hälften. 

Innerhalb  der  servianischen  Urbs  lagen,  durch  Decumanus  und  Cardo 


14  Römische  Staatsaltertümer. 

geschieden,  die  vier  Tribus:  palatina,  esquilina,  suburana,  collina.  Sie 
bildeten  zu  Servius'  Zeit  die  eigentliche  Urbs  quadrifaria;  diesen  vier 
Tribus  schlofs  sich  die  Wehrverfassung  mit  ihren  vier  Legionen  an;  auf 
ihnen  ruhte  die  Justizverfassung  des  Centumviralgerichts  mit  seinen  vier 
Concilia;  um  die  vier  Tribus  zog  sich  das  sakrale  Pomerium.  Zwischen 
Poraerium  und  Befestigung  lag  ein  Vorland,  ursprünglich  landwirtschaft- 
licher Bewirtschaftung  überlassen,  die  sog.  pagi,  allmählich  mit  Wohn- 
stätten bedeckt  -Diese  Wohnstätten  bildeten  nur  oppida,  lose  Siedelungen. 
Derselbe  Eigenname  ist  für  Pagus  und  Tribus  überliefert;  dies  erklärt  sich 
so,  dafs  das  servianische  Pomerium  das  von  früherher  so  benannte  Land 
in  zwei  Hälften  schnitt.  So  fand  Sulla  die  Stadt  vor.  Mitten  durch 
sie  zog  sich  ein  offener  Landstreifen,  ein  willkommener  Aufenthalt  für 
Alles  und  Alle,  die  das  Licht  scheuten.  Sulla  beseitigte  das  Pomerium 
und  führte  den  Raum  der  allgemeinen  Benutzung  zu.  Nur  dort  liefs  er 
es  bestehen,  wo  es  den  Verkehr  nicht  hemmte,  also  in  der  Richtung 
nach  dem  Tiber  zu  und  durch  das  Thal  des  Circus  Maximus;  der 
Aventin  lag  von  Anfang  an  innerhalb  der  servianischen  Mauer,  aber 
aufserhalb  der  servianischen  Urbs.  Wenn  Livius  von  dem  Poraerium 
zu  beiden  Seiten  der  Stadtmauer  spricht,  vermengt  er  die  faktische 
Befestigung,  die  Stadtmauer  und  den  Graben,  auf  welche  man  die 
militärischen  Sätze  des  alten  Sakralrechts  übertragen  hatte,  mit  der 
sakralen. 

In  der  Kaiserzeit  übertrug  der  Senat  dem  Princeps  das  Imperium; 
das  Recht  der  Truppen  war  nicht  vorhanden,  so  oft  es  auch  geübt  wor- 
den ist;  ebenso  wenig  das  Recht  der  nachfolgenden  Anerkennung  durch 
die  Truppen.  Augustus  erhielt  durch  einen  Senatsbeschlufs  die  Be- 
günstigung, das  Imperium  nicht  durch  das  Betreten  des  Pomerium  zu 
verlieren;  es  war  dies  ein  Rückgriff  auf  die  gleiche  Befugnis  der  Könige. 
Aber  er  durfte  ebenso  wenig  wie  diese  das  Imperium  militare  inner- 
halb des  Pomerium  üben.  Doch  kommen  mannigfache  Änderungen  zu- 
tage. So  verlor  der  Princeps  sein  Imperium  nicht,  wenn  er  auch  die 
Stadt  betrat,  so  war  es  trotz  Senatsbeschlufs  ohne  seine  Erlaubnis  nicht 
möglich,  tpiumphirend  in  die  Stadt  einzuziehen,  es  findet  sich  endlich 
keine  Spur  mehr  von  einem  Justitium.  Auch  die  tribunicia  potestas 
verlieh  der  Senat,  es  fand  nur  eine  nachträgliche  renuntiatio  in  Schein- 
komitien  statt,  die  nichts  weiter  als  eine  öffentliche  Verkündigung  war. 
Aber  eine  Magistratur  war  der  Principat  nicht,  sondern  der  Princeps 
blieb  immer  allmächtiger  privatus.  Die  Alleinherrschaft  zeigt  sich  in 
drastischer  Weise  gegenüber  dem  Volkstribunat,  um  das  die  Bewerbung 
aufhört.  Dem  Herrscher  gegenüber  existiert  kein  Gesetz,  er  ist  legibus 
solutus.  Das  eigentlich  Entscheidende  war  die  bürgerliche  Stellung 
innerhalb  des  Pomerium,  nicht  die  militärische  aufserhalb,  die  auch 
jetzt  nur  ausführte,  was  die  in  Rom  regierende  Autorität  ihr  vorschrieb. 
Wenn  von  einer  lex  de  imperio  geredet  wird ,  so  ist  darunter  nichts  zu 


B.  Staatsgewalt.     1.  Die  Magistratur.  15 

verstehen ,  als  die  Verleihung  des  Imperiums  durch  den  Senat  und  die 
Ausstattung  mit  den  einzelnen  Attributen,  hauptsächlich  mit  der  tribu- 
nicia  potestas;  dies  ist  der  letzte  Rest  der  lex  curiata.  Von  den  Vor- 
schiebungen des  Pomerium  in  der  Kaiserzeit  ist  nur  die  durch  Claudius 
erfolgte  Legung  des  Pomerium  um  den  Aventin  bestimmt  erkennbar;  die 
übrigen,  von  denen  man  proferre  pomerium  berichtet,  haben  nur  mehr 
oder  minder  grofse  Stücke  zu  dem  bisherigen  Pomerium  hinzugelegt. 
Aurelian  gab  seiner  neuen  Mauer  kein  Pomerium,  weil  das  ius  pomerii 
seine  Bedeutung  völlig  eingebüfst  hatte. 

Die  Ergebnisse  der  Schrift  sind  auf  den  ersten  Anblick  gewinnend 
und  unserer  modernen  Anschauung  zusagend.  Trotzdem  wird  man  sie 
nur  mit  grofser  Vorsicht  aufnehmen  dürfen  Zunächst  ist  der  Wert  der 
einzelnen  Quellen  zu  wenig  geschieden;  dann  ist  aber  die  Quellen- 
benützung entschieden  einseitig.  Nissen  wirft  seinen  Gegnern  Vorein- 
genommenheit vor;  sie  können  ihm  diesen  Vorwurf  reichlich  zurück- 
geben; denn  auch  er  benutzt  nur  die  Quellennachrichten,  die  sich  seiner 
Konstruktion  fügen.  Werden  sie  unbequem,  so  giebt  es  noch  den  Aus- 
weg der  Interpolation.  Auch  in  der  Scheidung  von  Civil-  und  Militär- 
gewalt ist  gewifs  manch'  fruchtbarer  Gedanke.  Aber  die  Theorie  hat 
den  Verfasser  nach  Seite  der  Trennung  leider  gerade  so  zu  weit  ge- 
führt, wie  seine  Gegner  nach  der  Seite  der  Einheit.  Schwerlich  waren 
diese  Gebiete  je  so  säuberlich  geschieden,  wie  sie  die  heutige  Theorie 
konstruiert,  und  oft  genug  wird  das  Herkommen  von  der  Macht  korri- 
giert worden  sein.  Dafs  eine  so  weit  gehende  Trennung,  wie  sie  Nissen 
annimmt,  irrig  ist,  zeigen  schon  die  sprachlichen  Bezeichnungen;  der  Kon- 
sul heifst  auch  praetor,  eben  weil  er  Feldherr  ist,  und  in  der  Proraagistra- 
tur  birgt  sich  auch  die  Verwaltung  und  die  Jurisdiktion.  Ebenso  wenig 
wird  er  Glauben  finden,  dafs  der  Kaiser  in  Rom  lediglich  Privatmann 
war.  Denn  einem  solchen  giebt  man  nicht  Jurisdiktion  und  ius  vitae 
necisque;  ein  solcher  hat  auch  nicht  das  Recht,  eine  Kohorte  vor  seiner 
Wohnung  auf  Wache  zu  halten  —  und  das  Alles  thut  doch  unzweifel- 
haft der  Kaiser.  In  Mommsens  Staatsrecht  mag  ja  auch  bisweilen  zu 
viel  Konstruktion  sein,  aber  alle  diese  Konstruktion  stützt  sich  auf  eine 
sorgfältige  und  nach  Ausdehnung  wie  nach  Eindringlichkeit  einzig  da- 
stehende Kenntnis  aller  Zeugnisse  des  Altertums.  Dieser  solide  Unter- 
grund macht  das  Werk  zum  sicheren  Führer,  und  man  müfste  schon 
mit  tieferen  und  eindringenderen  Studien  versuchen  es  zu  berichtigen, 
als  sie  uns  hier  geboten  werden.  Immerhin  hat  das  Buch  Nissens  das 
Verdienst,  dafs  es  zur  erneuten  Prüfung  mancher  Streitfragen  veran- 
lassen wird,  und  seine  Erörterung  des  Pomerium  mag  eher  Anspruch 
auf  Beachtung  erheben  als  die  staatsrechtlichen  Konsequenzen. 


lg  Römische  Staatsaltertümer. 

Pardon,   Die  römische  Diktatur.    Progr,  des  Luisenstädtischen 
Realgymnasiums,  Berlin  1885. 

Der  Verfasser  betont,  die  Diktatur  sei  ursprünglich  eine  gegen 
die  Plebs  gerichtete  Mafsregel  gewesen,  woher  es  sich  auch  erkläre, 
dafs  dieses  Amt  nach  der  Gleichstellung  der  Stände  selten  mehr  in  An- 
wendung gebracht  wurde.  Sollte  es  nicht  möglich  sein,  auch  wenn  man 
die  Ansicht  über  die  Bestimmung  nicht  teilt,  die  seltene  Anwendung 
daraus  zu  erklären,  dafs  mit  der  inneren  Ausgleichung  die  schlim- 
men äufseren  Verhältnisse  mehr  und  mehr  schwanden,  welche  dieselbe 
einst  nötig  gemacht  hatten?  Beispiel  der  zweite  punische  Krieg,  wo 
die  Diktatur  trotz  der  Ausgleichung  der  Stände  infolge  der  kriegerischen 
Notlage  wieder  hervorgeholt  wird.  Sonst  habe  ich  in  der  Arbeit  nichts 
bemerkenswerthes  gefunden.  Der  Verfasser  polemisiert  in  einigen  Fra- 
gen gegen  Mommsen,  aber  er  ist  weit  davon  entfernt,  selbst  eine  so 
geschlossene  und  einheitliche  Darstellung  wie  dieser  zu  geben. 

Heinrich  Christensen,  Über  den  Vigiutisexvirat  und  den  Ein- 
tritt in  den  Senat.  Festschr.  des  Wilh.-Gymn.  Hamburg  1885.  S.81  — 88. 

Der  Verfasser  glaubt  nicht,  dafs  von  Sulla  die  Einrichtung  stamme, 
nach  der  die  Bekleidung  der  Quästur  ipso  iure  Anspruch  auf  einen  Sitz 
im  Senat  gab.  Er  nimmt  an,  dafs  die  bekannten  Ämter  durch  Sulla 
offiziell  unter  dem  Namen  XXVI  viri  zusammengefafst  worden  sind,  und 
ist  der  Ansicht,  dafs  diese  Annahme  mit  der  allgemeinen  Tendenz  der 
Sullanischen  Verfassung  im  besten  Einvernehmen  stehe.  Dazu  kommt 
noch  folgender  Grund.  In  der  republikanischen  Zeit  konnte  vor  dem 
27.  Jahre  ein  öffentliches  Amt  nicht  übernommen  werden;  die  Gracchen 
haben  die  Quästur  im  27.  Jahre,  bezvv.  noch  vor  demselben  verwaltet, 
dagegen  konnte  in  den  Zeiten  nach  Sullas  Diktatur  das  Amt  thatsäch- 
lich  im  3!.  Jahre  übernommen  werden.  Es  mufs  also  in  der  Sullaui- 
schen  Epoche  eine  Änderung  in  der  rechtlichen  oder  thatsächlichen 
Altersgrenze  eingetreten  sein.  Es  liegt  nun  nahe  anzunehmen,  dafs  diese 
Verschiebung  eintrat  durch  die  Creierung  eines  neuen  Amtes  oder  viel- 
mehr durch  die  Erhebung  der  bestehenden  minores  magistratus  zu  einem 
ständigen  Magistrate. 

Bezüglich  des  Amtes,  an  welches  der  Eintritt  in  den  Senat  ge- 
knüpft war,  hat  Augustus  festgesetzt,  dafs  mit  Bekleidung  der  Quästur 
die  Anwartschaft  eintrat;  damit  wurde  bestimmt,  dafs  das  laufende 
25.  Lebensjahr  zur  Übernahme  der  Quästur  berechtige.  Zugleich  wurde 
aber  die  Bekleidung  des  Vigintivirats  vor  der  Quästur  obligatorisch. 

Da  kommt  nun  eine  Notiz  Dios  (54,  26,  4)  in  betracht,  woraus 
hervorzugehen  scheint,  dafs  zu  irgend  einer  Zeit  nicht  die  Verwaltung 
der  Quästur,  sondern  die  des  XX  virats  zum  Eintritt  in  den  Senat  be- 
rechtigte.     Zweifelhaft   ist  der  Zeitpunkt,  waim  diese  Bestimmung   in 


B.   Staatsgewalt.     1.    Die  Magistratur.  17 

Kraft  getreten  ist.  Nun  findet  sich  Cic.  in  Verr.  act.  1,  10,  30  in  P.  Sul- 
picius  ein  Mann  im  Senate  aufgeführt,  der  die  Quästur  noch  nicht  ver- 
waltet hatte.  Allerdings  kann  er  zu  denen  gehören,  die  Sulla  aus  eige- 
ner Machtvollkommenkeit  in  den  Senat  wählte;  aber  es  ist  unwahrschein- 
lich, dafs  derselbe  erst  nach  elf  Jahren  zu  der  Quästur  sollte  gelangt 
sein ;  vielmehr  kam  er  wahrscheinlich  durch  Bekleidung  des  XXVI  vi- 
rats  in  den  Senat.  Dieselbe  Vermutung  liegt  bei  M.  Crepereius,  L.  Cas- 
sius,  Cn.  Tremellius  vor. 

Es  wird  Sache  der  Forschung  sein,  die  hiergegebenen  Anregungen 
zu  verfolgen  und  event.  durch  weitere  Fälle  zu  stützen.  Bis  jetzt  scheint 
kaum  mehr  als  die  Möglichkeit  der  Annahme  erwiesen  zu  sein. 

'B.  Pick,  Zur  Titulatur  der  Flavier.  1.  Der  Imperatortitel  des 
Titus.  2.  Die  Konsulate  Domitians  als  Cäsar,  v.  Sallets  Z.  f.  Numism. 
13,  190.  355. 

Der  Verfasser  giebt  von  den  Cohen  Vesp.  46  —  51  angeführten 
Münzen,  deren  Revers  Cohen  liest:  Caes.  Aug.  f.  desig.  imp. ,  Aug.  f. 
cos.  desig.  iter.  S.  C.  folgende  Lesung:  Imp.  Aug.  f.  cos.  design.  iter., 
Cäes.  Aug.  f.  desig.  Er  betont  dabei,  dafs  Titus  nach  Cohens  Lesung 
als  desiguatus  Imperator  bezeichnet  wüx'de,  was  staatsrechtlich  unzulässig 
sei,  weil  die  Designation  nur  statthaft  sei  für  das  ordentlich  befristete 
Amt.  Der  Imperatortitel  sei  aber  nur  ein  supplementärer  Ehrentitel, 
der  zu  einem  ordentlichen  und  aufserordentlichen  Amte  hinzutreten  könne, 
oder  bezeichne,  wenn  er  als  Teil  des  Kaisernamens  erscheine,  eine  aufser- 
ordentliche  Magistratur.  Weiter  spricht  gegen  Cohens  Lesung,  dafs 
Domitianus  einfach  Augusti  filius  genannt  würde,  der  Zusatz  des  Vater- 
namens ist  aber  nur  als  Apposition  zum  Eigennamen  möglich.  Endlich 
würde  Domitian  früher  zum  zweiten  Konsulate  designiert  werden  als 
Titus,  obgleich  dieser  es  im  Jahre  72,  jener  im  Jahre  73  bekleidete; 
auch  dies  ist  eine  Unmöglichkeit.  Gegen  die  von  Pick  vorgeschlagene 
Lesung  hat  schon  Eckhel  eingewandt,  dafs  bei  Caesar  Aug.  f.  design. 
das  Wort  Cos.  vermifst  würde;  Pick  meint  nun  zwar,  das  sei  gutes  La- 
tein ;  aber  nicht  alles  was  aus  den  Schriftstellern  als  gutes  Latein  kon- 
struiert wird,  ist  in  der  Münz-  und  Inschriftensprache  jemals  in  Gebrauch 
gekommen.  Was  Pick  im  folgenden  sagt,  ist  mannigfach  bestechend;  aber 
man  mufs  darüber  nicht  übersehen,  dafs  diese  Interpretation  bis  jetzt 
ohne  Beispiel  und  also  nicht  minder  gewagt  ist,  als  die  von  ihm  ver- 
worfenen Interpretationsversuche,  die  immerhin  das  voraus  haben,  dafs 
sie  sich  auf  Analogien  berufen  können.  Denn  selbst  das  mit  Recht  be- 
anstandete Ergebnis  Aug.  f.  cos.  design.  iter.  läfst  sich  mindestens  mit 
demselben  Rechte  wie  Picks  Lesung  verteidigen,  wenn  man  das  voraus- 
geschickte Caes.  nicht  Caesar,  sondern,  was  in  dieser  Zeit  sehr  wohl 
denkbar  ist,  Caesares  liest  (Vgl.  Cohen  Vesp.  533  T.  et  Dom.  C;  539 
—540.  545.  Titus  et  Domitian.  Caes.).     Dabei   ist    wieder  nicht  zu  ver- 

Jahresbericht  für  Alterlhumswisseuschaft  HI.   (1887.   UIj  2 


18  Römische  Staatsaltertümer. 

gessen ,  dafs  die  Lesung  selbst  niclit  nur  mit  den  fast  durchgehends 
festgehalteneu  Leseregelo  der  römischen  Münzen  im  Widerspruch  steht, 
sondern  auch  durch  die  Verteilung  der  Legende  selbst  widerraten  wird. 
Caes.  nämlich  wird  durch  einen  ziemlich  grofsen  Zwischenraum  und  den 
breiten  Strich,  der  die  Basis  für  die  Gestalten  der  beiden  Cäsaren  bil- 
det, von  den  Worten  design.  iter.  getrennt,  und  niemand,  der  die  Mün- 
zen ohne  Voreingenommenheit  betrachtet,  wird  auf  den  Gedanken  kom- 
men, dafs  die  Legende  anderswo  beginnen  könne,  als  bei  Caes.  Endlich 
durfte  Pick  doch  nicht  stillschweigend  darüber  weggehen,  dafs  bei  seiner 
Lesung  nur  Domitian  als  Cäsar  erscheint,  nicht  aber  Titus,  der  Cäsaren- 
titel war  aber  seiner  eigenen  Auffassung  nach  mehr  wert  als  der  Impe- 
ratortitel; die  Caesares  Vesp.  Aug.  fili  werden  auch  auf  Münzen  (Cohen 
Vesp.  52)  verherrlicht,  und  auf  andern  (Cohen  Vesp.  533  535  u.  N.  423 
N.  4.  5.  12.  14)  werden  beide  Caesar  genannt;  dafs  Titus  einfach  imp. 
Aug.  f.  genannt  würde,  ist  wohl  unter  den  Münzen  Vespasians  ebenfalls 
ohne  Beispiel,  und  Pick  selbst  sagt,  diese  Art  der  Benennung  sehe  mehr 
dem  Imperatornamen  ähnlich,  und  hilft  sich  mit  der  Erklärung,  es  solle 
hier  nicht  der  Eigenname  gegeben  werden,  sondern  ein  kurzer  Ausdruck 
nominis  loco.  Wohl  ist  aber  alles  in  Ordnung,  wenn  gelesen  wird  Cae- 
sares Aug.  f(ilius)  design.  imp.  Aug.  f(ilius)  cos.  design.  iter.  Wenn 
Pick  behauptet,  bei  dieser  Lesung  würde  Domitian  früher  zum  Konsulate 
designiert  werden  als  Titus,  so  ist  das  nicht  richtig:  nach  Cohen  Vesp.  536 
Imp.  Caes.  Vespasian.  Aug.  P.  M.  Tr.  P.  Cos.  III.  T.  Imp.  Caesar  cos. 
des.  II  Caesar  Domit.  cos.  des.  II  S.  C.  sind  vielmehr  beide  in  Vespa- 
sians drittem  Konsulate  cos.  des.  II;  und  es  wäre  deshalb  noch  die  Frage, 
ob  die  Worte  cos.  des.  iter.  nicht  zu  lesen  sind:  cousules  designati  ite- 
rum.  Denn  so  gut  Caes.,  princ.  iur.  als  Abkürzungen  auch  den  Pluralis 
auf  Vespasiansmünzen  bezeichnen,  so  gut  kann  cos.  design.  dies  thun.  Der 
scheinbare  Widerspruch,  dafs  auf  diesen  Münzen  T.  imp.  und  auf  jenen 
design.  imp.  heifst,  würde  sich  lösen,  wenn  man  annähme,  dafs  im  Laufe 
der  Zeit,  wo  beide  Prinzen  cos.  design.  II  waren,  Titus  den  definitiven 
Imperatortitel  erhielt,  wie  Hofraann  dies  für  die  Zeit  zwischen  April  und 
30.  Juni  71  wahrscheinlich  gemacht  hat;  Chambalu  hat  nachgewiesen, 
dafs  die  Designation  zum  Konsulate  zwischen  1.  März  und  5.  April  71 
fällt,  sehr  wahrscheinlich  aber  vor  28.  März  71  gehört.  Raum  für  die 
entsprechende  Mafsregel  würde  sich  also  zur  Genüge  finden. 

Von  dieser  Grundlegung  wird  die  weitere  Auslegung  Picks  natür- 
lich beeinflufst.  Er  sucht  zu  erweisen,  wann  Titus  den  Imperatortitel 
erhalten  habe.  Vespasian  hat  nach  seiner  Ansicht  ein  aufserordentliches 
Kommando  im  jüdischen  Kriege  gehabt  -  dabei  mufs  freilich  die  be- 
stimmte Angabe  des  Tacitus  h.  2,  5  hie  Suriae,  ille  Judaeae  praeposi- 
tus  erat  als  »nicht  viel  besagend«  kassiert  werden;  auch  b.  1,  76  Ju- 
daeicura  exercitum  zählt  nicht  —  mindestens  aber  hatte  er  als  Legat 
von  Judaea   für  den  Krieg  eine  gewisse   Überordnung  über  die   Statt- 


B.    Staatsgewalt.      1.    Die  Magistratur.  19 

halter  der  Nachbarprovinzen.  Er  liefs  als  Kaiser  Titus  im  Besitze  des 
sekundären  imp.  procousulare  zurück.  Dieses  wird  nach  Pick  überall 
nur  zur  Führung  solcher  Kriege  vergeben,  die  einem  Provinzialstatt- 
halter  nicht  übergeben  werden  konnten,  und  die  der  Princeps  nicht  füh- 
ren wollte.  Der  Imperatortitel  ist  aber  nicht  ein  Ausdruck  dieser  Ge- 
walt, sondern  kann  von  ihren  Inhabern  nur  wie  von  den  Feldherren 
der  Republik  erworben  werden;  diese  Inhaber  sind  aber  nur  als  Unter- 
feldherren des  Kaisers  anzusehen.  Die  Mitregentschaft  wird  erst  -durch 
Erlangung  der  tribunicischen  Gewalt  erworben;  ob  der  Mitregent  vorher 
die  sekundäre  prokonsuJarische  Gewalt  gehabt  hat,  ob  er  in  deren  Besitz 
den  Imperatortitel  erworben  hat  oder  nicht,  ist  gleichgültig;  wenn  er 
den  Imperatortitel  als  Teil  seines  Eigennamens  führt,  so  bezeichnet  der- 
selbe ihn  als  Mitregenten  im  vollen  Sinne,  und  die  prokonsularische 
Gewalt  ist  nicht  mehr  sekundär,  sondern  der  des  Kaisers  parallel.  Der 
Imperatorname  erscheint  somit  als  der  von  dem  Diktator  Cäsar  einge- 
führte Amtstitel  des  durch  den  souveränen  Volkswillen  mit  dem  höch- 
sten Imperium  bekleideten  aufserordentlichen  Magistrats.  Für  diese  Sätze 
verspricht  der  Verfasser  die  Begründung  in  einer  besonderen  Arbeit.  Am 
5.  August  war  Titus  von  den  Soldaten  zum  Imperator  ausgerufen  worden, 
und  Vespasian  bestätigte  den  Iraperatortitel,  als  er  selbst  November  oder 
Dezember  70  die  fünfte  imperatorische  Akklamation  .annahm.  In  die- 
selbe Zeit  will  Pick  auch  eine  Stelle  aus  den  Fasten  der  sodales  Augu- 
stales Claudiales  setzen,  wo  es  heifst:  Adlectus  ad  numerum  ex  S.  C. 
T.  Caesar  Aug.  f.  Imperator;  demnach  soll  Titus  schon  in  den  ersten 
Monaten  des  Jahres  71  Imperator  gewesen  sein.  Aber  auch  dieser  Be- 
weis ist  nicht  zwingend;  denn  die  Einrede  Hofmauns,  dafs  sich  in  jener 
Fastentafel  nur  consules  ordinarii  zur  Datierung  finden,  kann  nicht  durch 
die  Behauptung  Picks  beseitigt  werden,  dieses  sei  entweder  nur  Zufall, 
oder  es  sei  regelmäfsig  die  Allection  neuer  Mitglieder  zu  dieser  Zeit 
im  Anfang  des  Jahres  vorgenommen  worden. 

Nach  Beendigung  des  jüdischen  Krieges  erlosch  das  prokonsula- 
rische Imperium  des  Titus;  aber  bei  der  Heimkehr  erwarteten  ihn  grössere 
Ehren,  der  Imperator uame,  die  Mitregentschaft  und  der  Triumph. 
Die  Ehrenrechte  der  Mitregentschaft  -  und  um  solche  allein  handelt 
es  sich  bei  der  Mitregentschaft  —  kamen  nur  dem  Inhaber  der  tribu- 
nicischen Gewalt  zu.  Sie  gewährt  dem  Mitregenten  eigentlich  nichts 
weiter  als  die  Anwartschaft  auf  die  Nachfolge.  Nur  in  besonderen  Fällen 
tritt  der  Mitregent  aus  seinem  otium  cum  dignitate  heraus,  namentlich 
um  den  Kaiser  in  Kriegen,  die  er  nicht  selbst  führen  kann,  zu  ver- 
treten. Die  Vertretung  des  Augustus  durch  Tiberius  seit  13  n.  Chr.  und 
des  Hadrian  durch  Pins  geht  schon  über  die  Mitregentschaft  hinaus, 
und  dieselben  haben  gewisserraafsen  schon  die  Nachfolge  des  zwar  noch 
lebenden,  aber  nicht  mehr  regierenden  Kaisers  übernommen.  Der  Inhalt 
der  tribunicischen  Gewalt  scheint  nicht  vom  Anfang  derselbe  gewesen  zu 

2* 


20  Römische  Staatsaltertümer. 

sein.  Agrippa  im  Jahre  18  v.  Chr.  und  13  v.Chr.,  sowie  Tiberius  im 
Jahre  6  v.  Chr.  scheinen  in  der  tribunicischen  Gewalt  nur  einen  hohen 
Ehrentitel  erhalten  zu  haben,  da  ihnen  nur  eine  Vormundschaftsstellung 
über  Gaius  und  Lucius  Caesar  bestimmt  war.  Nach  ihrem  Tode  ver- 
lieh die  Erneuerung  der  trib.  pot.  mit  der  Adoption  dem  Tiberius  eine 
neue  und  höhere  Bedeutung:  die  Vorbereitung  auf  die  Alleinherrschaft. 
Gegen  diese  Theorie  spricht  doch  manches.  Vor  Allem  wie  konnte  die- 
selbe Amtsbefugnis,  die  tribunicia  potestas,  in  einem  Falle  geringere 
und  im  anderen  gröfsere  Rechte  verleihen?  Die  tribunicia  potestas  ohne 
dieselbe  näher  definierende,  verringernde  oder  erweiternde  Beschlüsse 
war  eben  die  tribunicia  potestas,  und  doch  nicht  zugleich  etwas  anderes. 
Was  beweist  es  unter  diesen  Umständen,  »dafs  es  sich  nicht  nachweisen 
läfst,  dafs  für  Agrippa  und  Tiberius  auch  nur  andere  Ehrenrechte  mit 
der  Verleihung  verbunden  waren?«  Was  wissen  wir  denn  überhaupt 
davon?  Aber  wenn  die  Schriftsteller  diese  Verleihungen  und  die  übri- 
gen sämtlich  in  der  gleichen  kurzen  Weise  berichten,  so  kann  doch 
daraus  nur  geschlossen  werden,  dafs  sie  in  allen  diesen  Fällen  unter 
Verleihung  der  trib.  pot.  dasselbe  verstanden,  und  nicht  im  einen  Falle 
dieses  und  im  andern  etwas  anderes. 

Aber  —  fährt  Pick  fort  —  wenn  auch  die  Mitregeutschaft  ihrem 
Inhaber  nur  Ehrenrechte  verleiht,  so  sind  dieselben  zum  Teil  doch  derart, 
dafs  sie  als  der  Ausdruck  einer  wirklichen  Gewalt  erscheinen,  welche 
nur  ruht,  so  lange  der  Princeps  selbst  seine  entsprechende  Gewalt  aus- 
übt; wenn  der  Princeps  dieselbe  nicht  ausüben  kann  oder  will,  so  über- 
nimmt der  Mitregent  auch  faktisch  diejenige  Gewalt,  deren  Ehren  allein 
er  vorher  genossen  hatte.  Was  ist  dies  anders,  als  was  wir  vorhin  gel- 
tend machten  und  was  schon  Mommsen  in  der  sekundären  tribunicischen 
Gewalt  zusammengefafst  hat?  Die  trib.  pot.  verleiht  stets  dieselben  Be- 
fugnisse, aber  der  jüngere  Inhaber  tritt  hinter  den  älteren  bei  der  Aus- 
übung derselben  zurück. 

Als  das  wichtigste  dieser  Ehrenrechte  erscheint  der  Anteil  an  den 
imperatorischen  Akklamationen.  Die  Inhaber  der  sekundären  prokon- 
sularischen Gewalt  konnten  nur  für  Siege,  die  in  ihrem  Amtsbezirke  er- 
rungen wurden,  den  Imperatortitel  erhalten;  dagegen  konnten  sie  nie 
auf  die  Akklamationen  Anspruch  erheben,  welche  eigene  Siege  oder  die- 
jenigen anderer  Unterfeldherren  dem  Kaiser  verschafften.  Es  ist  erst 
ein  Zeichen  der  vollen  Mitregentschaft,  wenn  der  Mitregent  an  diesen 
Akklamationien  den  gleichen  Anteil  erhält,  wie  der  Kaiser  selbst.  Die 
imperatorische  Akklamation  im  Kaisertitel  ist  nichts  als  ein  supplemen- 
tärer Ehrentitel,  der  zu  dem  Amtstitel  selbst  einmal  oder  öfter  hinzu- 
treten kann.  An  welche  der  kaiserlichen  Gewalten  knüpft  sich  der  Im- 
peratortitel an?  Jedenfalls  nicht  an  die  trib.  pot.,  nach  Mommsen  an  das 
imp.  procons.  Aber  nach  Pick  besitzt  der  Kaiser  das  Imperium  über 
das  ganze  Reich  als  ein  aufserordentliches  und  lebenslängliches  Amt, 


B.    Staatsgewalt.     1.   Die  Magistratur.  21 

wie  es  unter  der  Republik  bei  denjenigen  Personen  vorhanden  war,  die 
cum  imperio  bezeichnet  werden.  Den  Prokonsulat  übernahm  Äugustus 
nur  für  eine  Anzahl  der  wichtigsten  Provinzen,  die  er  dann  als  Prokonsul 
durch  seine  Legaten  verwalten  liefs.  Aber  die  Erlangung  des  Imperator- 
titels ist  doch  nicht  an  dieses  allgemeine  Imperium  geknüpft  worden, 
»sondern  an  den  Prokonsulat  über  jene  grofse  Provinz,  welche,  sich  um 
das  ganze  Reich  herumziehend,  die  befriedeten  Provinzen  des  römischen 
Volkes  vom  Auslande  trennte.«  Dies  soll  daraus  hervorgehen,  dafs  der 
Kaiser  die  imperatorischen  Akklamationen  nur  für  solche  Siege  erhielt, 
die  in  seinen  Provinzen  errungen  waren;  an  dem  Imperatortitel  des  Pas- 
sienus  Rufus  und  des  Junius  Blaesus  nahm  Äugustus  bezw.  Tiberius  nicht 
teil,  weil  in  deren  Provinz  Afrika  der  Kaiser  wohl  ein  höheres  Imperium 
hatte,  nicht  aber  den  Prokonsulat.  Der  Grund,  weshalb  man  den  Im- 
peratortitel nicht  an  jenes  absolute  Imperium  knüpfte,  scheint  darin  ge- 
sucht werden  zu  müssen,  dafs  die  Übernahme  jenes  imperium  infinitum 
oder,  was  damit  identisch  ist,  der  Antritt  des  Principats,  mit  keiner  Auspi- 
kation  verbunden  ist;  dagegen  übernimmt  der  Prokonsul  seine  Provinz 
nie  ohne  Auspicien,  und  dasselbe  gilt  von  dem  Kaiser  als  Prokonsul, 
nur  dafs  freilich  für  ihn  seine  Legaten  die  Auspikation  vollziehen.  Auch 
gegen  diese  Ausführungen  Picks  erheben  sich  doch  grofse  Bedenken. 
Wo  und  wann  existierte  denn  »jene  grofse  Provinz,  die  sich  um  das 
ganze  Reich  herumzog«  ?  Bei  der  Errichtung  des  Principats  727  erhielt 
Äugustus  nur  Gallien,  Syrien  und  das  diesseitige  Spanien  zur  ausschliefs- 
lichen  Verwaltung;  Afrika  blieb  auch  unter  der  folgenden  Regierung 
dem  Senate,  nach  Picks  eigener  Erklärung  »war  der  Kaiser  so  wenig, 
wie  in  den  Senatsprovinzeu,  Prokonsul  in  Ägypten  und  in  den  prokura- 
torischen  Provinzen.«  Also  wann  bestand  in  den  ersten  fünften  Jahr- 
zehnten des  Principats  »die  grofse  Provinz«?  Dafs  die  Prokonsuln  von 
Afrika,  die  militärisches  Kommando  hatten,  die  imperatorische  Begrüfsung 
erhielten,  läfst  sich  bei  Mommsens  Auffassung  völlig  befriedigend  er- 
klären; übrigens  geht  schon  Tacitus  in  der  Erklärung  viel  weiter,  indem 
er  berichtet:  Tiberius  —  id  quoque  Blaeso  tribuit,  ut  Imperator  a  legio- 
nibus  salutaretur  und  Concessit  quibusdam  et  Äugustus  id  vocabulum  ac 
tunc  Tiberius  Blaeso  postremum.  Wäre  die  Erwerbung  des  Imperator- 
titels an  »den  Prokonsulat  über  jene  grofse  Provinz«  geknüpft  gewesen, 
wie  hätten  denn  Äugustus  und  Tiberius  die  Annahme  des  Titels  ge- 
gestatten können  in  Provinzen,  die  sie  gar  nichts  angingen?  Vielmehr 
weil  sie  das  Imperium  besafsen  über  sämtliche  Truppen,  mufsten  sie 
diesen  gestatten,  dem  Prokonsul  von  Afrika  die  salutatio  imperatoria 
darzubringen. 

Pick  wirft  nun  weiter  die  Frage  auf,  worauf  die  Teilnahme  des 
Mitregenten  an  den  Imperatortiteln  beruhen  könne,  und  findet,  dafs  bei 
Tiberius'  III— VII  =  Äugustus'  XVII -XXI  Akklamation  weder  die 
Adoption  noch  die  tribuuicische  Gewalt  einen  Anspruch  hierauf  gewähren 


22  Römische  Staatsaltfrtümer. 

konnten;  es  müsse  vielmehr  denselben  ein  sekundäres  oder  primäres 
Kommando  des  Tiberius  zugrunde  liegen,  die  prokonsularische  Gewalt 
unter  oder  der  Prokonsulat  neben  dem  Kaiser.  Letzteren  hat  er  erst 
764  erhalten,  er  mufs  daher  gleich  nach  Übernahme  der  trib.  pot.  wieder 
ein  sekundäres  prokonsularisches  Imperium  erhalten  haben.  Vermutlich 
wurde  in  dieser  Weise  wieder  ein  einheitliches  Kommando  in  den  Rhein- 
und  Donauprovinzen  hergestellt.  Gerraauicus  kam  760  nach  Pannonien 
in  untergeordneter  Stellung;  als  er  im  Jahre  764  selbst  die  prokon- 
sularische Gewalt  über  diese  Provinzen  erhielt,  wurde  Tiberius  das  pri- 
märe Kommando  über  das  Heer  und  die  Provinzen  erteilt  und  damit 
die  Mitregentschaft  im  vollen  Sinne  des  Wortes,  wie  Velleius  und  Sueton 
berichten;  er  wurde  damit  Augustus  im  Prokonsulat  und  im  Imperium 
gleichgestellt.  Diese  Kollegialität  widerspricht  zwar  dem  eigentlichen 
Wesen  beider  Gewalten,  dem  Princip  der  Einheitlichkeit;  aber  Augustus 
legalisierte  durch  Volksschlufs  diesen  ungewöhnlichen  Schritt.  Von  der 
späteren  Samtherrschaft  ist  diese  Kollegialität  nur  durch  den  Namen 
verschieden;  beide  Einrichtungen  laufen  in  der  Praxis  auf  Sicherung 
der  Nachfolge  hinaus.  Diese  Verbindung  von  Imperium  und  Prokonsulat 
mit  der  trib  pot.  ist  die  stehende  Form  der  Mitregentschaft  im  vollen 
Sinne  geblieben;  zunächst  erhielt  sie  Drusus  Tib.  f.  Dafs  er  als  Mit- 
regent den  Imperatortitel  nicht  erhalten  hat,  erklärt  sich  daraus,  dafs 
in  der  kurzen  Zeit  seiner  Mitregentschaft  kein  Sieg  errungen  wurde, 
der  dem  Kaiser  selbst  eine  Akklamation  gebracht  hätte.  Die  volle  Mit- 
regentschaft fand  ihren  titularen  Ausdruck  in  der  Bezeichnung  tribunicia 
potestate;  wie  im  Titel  des  Kaisers  werden  auch  hier  die  Iterations- 
ziffern hinzugefügt.  Den  Imperatornamen  hat  Tiberius  nicht  geführt, 
natürlich  auch  Drusus  nicht.  Seian  hat  vielleicht  den  Prokonsulat,  aber 
sicher  weder  die  eigentliche  Mitregentschaft  noch  die  sekundäre  pro- 
konsularische Gewalt  besessen.  Auch  Nero  hat  keine  von  beiden  Ge- 
walten erhalten,  sondern  der  Ausdruck  proconsulare  Imperium  extra  ur- 
bem  ist  als  Prokonsulat  zu  verstehen,  wobei  es  allerdings  auffallend  ist, 
dafs  er  an  den  Imperator-Akklamationen  keinen  Anteil  erhielt,  vielleicht 
wurde  dies  eben  deshalb  so  gehalten,  weil  Nero  die  Mitregentschaft  im 
eigentlichen  Sinne  nicht  besafs. 

Auch  gegen  diese  Ausführungen  des  Verfassers  bestehen  Bedenken. 
Er  behauptet,  dafs  Tiberius  bereits  Anfang  11  n.  Chr.  die  volle  Kolle- 
gialität mit  Augustus  erhalten  habe.  Aber  dafür  giebt  es  schlechter- 
dings keinen  Beweis.  Der  Bericht  des  Velleius  weist  erst  auf  Ende  11, 
und  der  des  Sueton  sogar  auf  die  Zeit  um  11.  Mai  14  n.  Chr.;  denn  die 
Auskunft  Picks,  »denn  wenn  auch  Augustus  und  Tiberius  den  Census 
erst  im  Jahre  14  vornahmen,  so  können  sie  doch,  wie  Vespasian  und 
Titus,  mehrere  Jahre  früher  dazu  designiert  worden  sein«,  wird  durch 
den  Wortlaut  lege  per  consules  lata ,  ut  provincias  cum  Augusto  com- 
rauniter   administraret   simulque    censum    ageret  coudito   lustro   in  Uly- 


B.   Staatsgewalt.     1.    Die  Magistratur,  23 

ricum  profectus  est  ausgeschlossen;  es  ist  nämlich  nicht  denkbar,  dafs 
in  demselben  Atem  eine  sofort  und  eine  erst  nach  Jahren  eintretende 
B  efugnis  beschlossen  und  durch  siraulque  verbunden  werden;  auch  können 
die  Worte  condito  lustro  in  111.  profectus  est  doch  nur  von  einer  un- 
mittelbar auf  den  Volksschlufs  folgenden  Handlung  gebraucht  worden 
sein.  Ebenso  wenig  kann  es  als  erwiesen  gelten,  dafs  Augustus  den 
ungewöhnlichen  Schritt  der  Kollegialität  durch  Volksschlufs  legalisiert 
hat;  Suetou  weifs  nur,  dafs  dieser  Volksschlufs  dem  Tiberius  die  Mit- 
verwaltung der  Provinzen  und  die  Abhaltung  des  Census  übertrug.  Weiter 
ist  es  eine  reine  Hypothese,  dafs  Drusus  mit  der  trib.  pot.  zugleich  das 
imp.  proconsulare  erhalten  habe.  Die  Worte  Tac.  ann.  2,  59  auspicia 
saltem  gentile  aput  solum  inciperet  können  das  nicht  beweisen;  denn 
Pick  sagt  selbst,  dafs  der  Kaiser  die  Auspicien  durch  seine  Legaten 
vollziehen  liefs  und  nur,  wenn  er  in  den  Krieg  zog,  das  Recht  der 
Auspicienanstellung  selbst  übte.  Von  Krieg  kann  aber  gar  keine  Rede 
sein;  denn  die  folgenden  Worte  heifsen:  Bellum  scilicet  aut  diverso  ter- 
rarum  distineri,  litora  et  lacus  Campaniae  cum  maxirae  peragrantem. 
Wie  sollte  Drusus  also  als  Inhaber  des  Prokonsulats  Auspicien  ange- 
stellt haben?  Schon  Mommsen  hat  darauf  hingewiesen,  dafs  es  sich 
hier  lediglich  um  eine  Redensart  handelt.  Aber  es  ist  aus  anderen 
Gründen  durchaus  unwahrscheinlich,  dafs  Drusus  erst  damals  das  impe- 
rium  proconsulare  erhalten  hat.  Tiberius  redet  Tac.  ann.  3,  56  von 
composita  bella  und  nennt  ihn  triumphalis.  Bekanntlich  bezieht  sich 
das  auf  die  Sendung  desselben  nach  lUyrien  im  Jahre  l7.  Tacitus  be 
richtet  ann.  3,  56  Tiberius  »incolumi  Germanico  integrum  inter  duos 
iudicium  tenuisset«.  2,  44  se  tutiorem  rebatur  utroque  filio  legiones 
obtinente.  Daraus  und  aus  dem  3,  lü  bewilligten  Triumphe  mufs  man 
doch  schliefsen,  dafs  Drusus  auch  das  imp.  procons.  an  der  Donau,  wie 
Germanicus  im  Orient  hatte;  in  welcher  Eigenschaft  sollte  sonst  des 
Kaisers  Sohn  in  Illyricum  gewesen  sein?  Bezüglich  Seians  ist  Pick  rein 
willkürlich  verfahren;  denn  Dio  58,  7,  4  sagt  ausdrücklich  tyjv  dvßu- 
TtarixTjv  e^ouacav,  er  macht  daraus  den  Prokonsulat.  Ist  das  denn  über- 
haupt denkbar,  dafs  der  Senat  zu  dieser  Zeit  das  eine  oder  das  andere 
ohne  den  Willen  des  Tiberius  gethan  haben  würde  ?  Ebenso  ist  es  bare 
Willkür,  wenn  dem  Nero  das  proconsulare  imperium  abgesprochen  wird, 
das  Tacitus  in  dieser  Fassung  ihm  dekretieren  läfst,  natürlich  wieder 
nur  auf  Wunsch  oder  Antrag  des  Kaisers  bezw.  der  Kaiserin.  Dabei 
kommt  Pick  mit  seiner  Theorie  der  Akklamationen  in  Widerspruch, 
denn  Nero  will  er  wenigstens  den  Prokonsulat  zuschreiben,  aber  Akkla- 
mationen erhält  er  trotzdem  nicht. 

Titus  —  fährt  Pick  fort  —  ist  seit  dem  1.  Juli  im  Besitze  der 
trib.  pot.;  es  kann  ihm  also  auch  nicht  der  Proconsulat  mit  seiner  not- 
wendigen Ergänzung,  dem  Imperium,  gefehlt  haben;  und  in  der  That 
hat   er  seit   dieser  Zeit  an   den   imperatorischen   Akklamationen  seines 


24  Römische  Staatsaltertümer. 

Vaters  teilgehabt.  Daneben  führt  er  aber  seit  dieser  Zeit  auch  den  Im- 
peratornamen. Während  die  Neubesetzung  des  Thrones  durch  den 
sich  geltend  machenden  Volkswillen  entweder  durch  den  Tod  des  ge- 
wesenen Imperators  oder  durch  Revolution  veranlafst  wird,  erfolgt  die 
Erteilung  des  allgemeinen  Imperiums  in  friedlicher  Weise,  ohne  dafs 
der  Prinzipat  erledigt  ist,  durch  die  Verleihung  der  Mitregentschaft  auf 
Wunsch  des  Kaisers  durch  den  Senat,  während  das  Heer  einen  gesetz- 
lichen Einflufs  auf  die  Verleihung  der  Mitregentschaft  nie  gehabt  hat. 
Nur  im  Jahre  764  wurde  die  Mafsregel  auch  durch  die  Komitien  be- 
stätigt. Für  die  Annahme  des  Imperatornamens  bedurfte  es  keiner 
besonderen  Modalitäten;  wer  dieses  absolute  Imperium  besafs,  hatte, 
seitdem  der  Diktator  Cäsar  in  jenem  neuen  Sinne  Imperator  genannt 
worden  war,  rechtlich  Anspruch  auf  diesen  Namen.  Ob  der  Kaiser  ihn 
führen  wollte,  hing  von  seinem  Belieben  ab,  ob  der  Mitregent  ihn  füh- 
ren sollte,  wohl  von  dem  Wunsche  des  Kaisers.  Als  dies  imperii  wurde 
bei  Titus  offiziell  der  1.  Juli  71  festgesetzt,  um  eine  Übereinstimmung 
mit  Vespasian  bezüglich  der  Eponymie  herbeizuführen.  Die  Verlei- 
hung mufs  aber  schon  stattgefunden  haben,  als  Titus  sich  noch  im 
Oriente  befand;  dieses  wird  aus  den  Worten  des  Philostratus  V.  Apoll. 
7,  29.  30  geschlossen;  dvapprj&elg  de  auToxpdrwp,  iv  rfj  P(o[ij}  xac 
äpiaretwv  d^cco&slg  toutcuv  dni^ec  p.ev  caop.otprj(T(ov  T^g  ^PXV^  "^V  ''^^'^P'-' 
Diese  Worte  können  sich  nach  Picks  Ansicht  nicht  auf  die  einfache  Be- 
stätigung der  imperatorischen  Akklamation  des  Titus  beziehen,  sondern 
es  mufs  die  Verleihung  der  Mitregentschaft  damit  gemeint  sein,  und 
das  Wort  abzoxpdzwp  kann  darum  nur  für  den  Imperatornamen  stehen. 
Es  war  das  erste  Mal,  dafs  diese  Benennung  als  Bestandteil  des  Eigen- 
namens einem  anderen  als  dem  Kaiser  selbst  verliehen  wurde ,  und  die 
verschiedenartige  Stellung  des  Wortes  Imperator  im  Namen  des  Titus 
zeigt,  dafs  diese  Neuerung  einige  Verlegenheiten  hervorrief.  Rechtlich 
war  es  ohne  Belang,  ob  das  Wort  als  Prae-  oder  als  Cognomen  geführt 
wurde:  es  bezeichnete  in  jedem  Falle  den  Träger  als  den  Inhaber  des  lebens- 
länglichen Imperiums.  Es  scheint  auch  von  vornherein  keine  Bestimmung 
darüber  getroffen  worden  zu  sein.,  welche  Stelle  im  Namen  das  Wort 
einnehmen  sollte;  daher  legte  sich  Titus  im  Orient  auf  seinen  Münzen 
das  praenoraen  iraperatoris  bei.  Auf  Senatsmünzen  gegen  Ende  des 
Jahres  71  heifst  er  T.  Imp.  Caesar;  doch  kam  der  Senat  von  dieser 
Form  bald  zurück,  und  im  Reiche  fand  sie  wenig  Nachahmung,  freilich  auf 
einer  vermutlich  in  Caesarea  geprägten  Silbermünze  noch  im  Jahre 
77/78.  In  den  Jahren  72  oder  73  führt  Titus  auf  Goldmünzen,  die 
aufserhalb  Roms  geprägt  sind,  das  praenomen  imperatoris,  während  in 
derselben  Zeit  der  Senat  den  Imperatornamen  überhaupt  ihm  nicht  giebt. 
Schon  die  sonderbare  Namensform  T.  imp.  Caes.  zeigt,  dafs  der  neue 
Name  dem  Senate  unbequem  war,  weil  den  Separat  na  raen  bisher  immer 
nur  ein  Mann  geführt  hatte.    Wenn  aber  Titus  hier  noch  in  der  unter- 


B.  Staatsgewalt.    1.  Die  Magistratur.  25 

geordneten  Stellung  erscheint,  wie  in  der  Zeit  vor  seiner  Mitregent- 
schaft, nämlich  mit  seinem  Bruder  vereint  auf  dem  Revers  der  Vespa- 
siansmünzen,  so  wurde  der  Senat  im  Jahre  72  von  der  Regierung  an- 
gewiesen, aufser  den  Münzen  mit  dem  Kopf  des  Kaisers  auch  solche 
mit  dem  des  Titus  und  dem  des  Domitian  zu  prägen.  Die  Namen  und 
Titel  der  Prinzen  bestimmte  der  Senat  für  seine  Münzen  selbst.  Der 
Senat  scheint  bei  dem  Namen  des  Titus  verfassungsmäfsige  Bedenken 
gehabt  zu  haben,  denn  auf  den  Münzen  des  Jahres  72  führt  der  Prinz 
nur  den  Imperator titel,  allerdings  an  der  Spitze  der  Ämterreihe; 
der  Kaiser  liefs  dem  Senate  seinen  Willen.  Bald  darauf  verlieh  aber 
Vespasian  seinem  Sohne  das  Recht  der  Gold-  und  Silberprägung  und 
bestimmte  jetzt,  dafs  Titus  den  Imperatortitel  nur  als  Cognomen  füh- 
ren sollte:  T.  Caes.  Imp.  Vespasianus,  und  seit  73  erscheint  auch  auf 
den  Senatsmünzen  zwischen  T.  Caesar  Vespasianus  oder  T.  Caesar  und 
der  Ämterreihe  regelmäfsig  das  Wort  imp.  ohne  Iterationsziffer.  Aller- 
dings scheint  es  hier  trotzdem  die  Bedeutung  als  Titel  behalten  zu 
haben ;  man  kann  also  auch  nach  dem  Jahre  72  auf  den  Senatsmünzen 
das  imp.  nicht  als  Cognomen  auffassen.  Auf  den  Gold-  und  Silbermün- 
zen führt  Titus  seit  dieser  Zeit  regelmäfsig  den  Imperator n amen,  auf 
den  Kupfermünzen  den  Imperatortitel.  Erst  gegen  Ende  der  Regie- 
rung Vespasiaus  trat  eine  Änderung  ein.  Auf  einer  Reihe  von  Kupfer- 
münzen der  Jahre  77-  79  bleibt  der  Imperatortitel  Vespasians,  während 
Titus  blos  T.  Caesar  Vespasianus  heifst.  Auf  Gold-  und  Silbermünzen 
derselben  Zeit  bleibt  Imp.  bei  Vespasian  und  bei  Titus  weg,  was  mit 
dem  Erscheinen  von  zwei  Privaten  im  ordentlichen  Konsulate  beweist, 
das  Vespasian  das  monarchische  Element  seiner  Stellung  zurück- 
treten liefs.  Dafür  erwies  sich  der  Senat  seinerseits  dankbar,  indem 
er  Titus  den  lange  versagten  Imperator n amen  gewährte:  T.  Caes.  Imp. 
Aug.  f.  Auf  den  kaiserlichen  Prägungen  tritt  dann  wieder  die  frühere 
übliche  Namensform  bei  Kaiser  und  Mitregent  ein.  Imp.  T.  Caesar 
Vespasianus  Aug.  heifst  es  erst  auf  den  Münzen  nach  seines  Vaters  Tode. 

Pick  stellt  die  Annahme  des  Imperatornamens  als  eine  völlig 
gleichgiltige  Sache  hin;  wenn  sie  es  war,  warum  wurden  dann  solch' 
feine  Distinctionen  gemacht,  wie  er  dies  bei  Titas  annimmt?  Und  ist 
es  wahrscheinlich,  dafs  Vespasian  in  einer  solchen  Frage  einfach  dem 
Senate  die  Entscheidung  überliefs,  und  konnte  dieser  wagen,  den  Besitz 
des  Imperatortitels,  wenn  er  ein  wesentlicher  Faktor  zur  Mitregent- 
schaft war,  einfach  nicht  anzuerkennen?  Die  Interpretation,  welche  Pick 
der  Stelle  des  Philostratus  giebt,  ist  bezüglich  des  Schlusses  auf  den 
Imperatornamen  reine  Willkür,  wie  namentlich  der  Zusatz  äptazöcutv  diccu- 
&eis  TouTujv  beweist. 

2.  Die  Konsulate  Domitians  als  Cäsar.  Domitian  wurde  nie 
Mitregent,  erhielt  aber  schon  von  seinem  Väter  alle  sonst  den  Mitre- 
genten, vorbehaltene  Ehrenrechte  (Münzbildnisrecht,  Lorbeerkranz,  Nen- 


26  Römische  Staatsaltertümer, 

nung  auf  Baudenkmälern,   Mitgliedschaft  der  grofsen  Priestcrkollegien, 
Aufuahme  in  die  Vota  und  sieben  Konsulate  in  12  Jahren). 

Vespasian  bekleidete  in  den  zehn  Jahren  seiner  Regierung  das 
Konsulat  achtmal;  in  derselben  Zeit  erhielten  Titus  sieben,  Domitian 
sechs  Konsulate;  nach  71  werden  die  ordentlichen  Konsulate  dem  Kai- 
ser und  dem  Mitregenten  reserviert,  für  Domitian  bleibt  nur  die  Stelle 
eines  Suffectus.  Bis  zum  Jahre  71  ist  von  einem  solchen  Plane  nichts 
zu  bemerken,  aber  auch  nach  dieser  Zeit  sind  einige  Abweichungen  vor- 
gekommen. Im  Jahre  73  finden  wir  Domitian  mit  einem  Privaten,  im 
Jahre  78  zwei  Private  als  ordentliche  Konsuln.  Domitian  ist  schon  im 
Jahre  71  zu  diesem  Konsulate  designiert.  Chambalu  (Jahresbericht  für 
röm.  Gesch.  1885),  hat  die  Angabe  Suet.  Dorait.  2-,  dafs  ihm  Titus 
dieses  Konsulat  abgetreten  habe,  für  falsch  erklärt;  dieser  aber  liest 
die  Münze  mit  des.  irap.  falsch,  und  der  darauf  gegründete  Beweis  ist 
nichtig  (?  s.  oben  S.  17  f.).  Dagegen  erscheint  Domitians  zweite  Desig- 
nation allerdings  auf  zwei  anderen  Münzen  dieses  Jahres.  Diese  mufs 
aber  in '  den  Herbstkomitien  stattgefunden  haben ,  da  Domitian  an  den 
Frühjahrskomitien  sein  erstes  Konsulat  noch  nicht  angetreten  hatte;  im 
Herbst  war  aber  Titus  in  Rom.  Auch  die  Nachricht  des  Sueton,  dafs 
Titus  auf  das  ordentliche  Konsulat  zugunsten  seines  Bruders  verzichtet 
habe,  ist  nichtig.  Nur  war  Titus  damals  noch  nicht,  wie  Chambalu  an- 
nimmt, für  das  Jahr  73  zum  Konsul  designiert,  vielmehr  verzichtete 
Titus  im  Herbst  71  auf  ein  Konsulat,  zu  welchem  er  selbst,  nach  der 
allgemeinen  Tendenz  seines  Vaters,  erwarten  durfte,  im  nächsten  Früh- 
jahre designiert  zu  werden.  Dieser  Verzicht  fand  zur  Zeit  der  Herbst- 
komitien statt,  in  denen  damals  die  consules  suffecti  für  das  nächste 
Jahr  gewählt  werden  sollten.  Auch  Domitian  stand  auf  der  kaiserlichen 
Kandidatenliste  als  suffectus  für  72;  aber  Titus  erbat  für  seinen  Bru- 
der das  ordentliche  Konsulat  für  73,  auf  das  nun  auch  Vespasian  ver- 
zichtete. Die  folgenden  Konsulate  sind  auch  suffizierte,  aber  es  wurde 
ihm  dabei  die  höhere  Ehre  zu  teil,  regelmäfsig  im  ersten  Nundiniura 
den  einen  Cos.  Ordinarius  zu  ersetzen.  Es  scheint  diese  Mittelform  zwi- 
schen ordentlichem  und  suffiziertem  Konsulate  für  Domitian  gewählt  wor- 
den zu  sein,  weil  es  sich  nicht  schickte,  dafs,  wer  wahrer  Ordinarius  ge- 
wesen war,  nachher  suffectus  wurde;  natürlich  konnte  er  als  Prinz 
nicht  einem  Privaten,  sondern  nur  seinem  Vater  oder  Bruder  suffiziert 
werden.  So  wurde  er  denn  nach  dem  Jahre  73  einmal  Substitut  des 
einen  und  Kollege  des  andern  im  ersten  Nundinium  und  zu  diesen  Kon- 
sulaten auch  zugleich  mit  ihnen  designiert.  Die  vier  suffizierten  Konsu- 
late fallen  75,  76,  77,  79.  Chambalu  hat  behauptel,  das  von  77  sei  ein 
Ordinariat.  Mit  Recht  weist  Pick  diese  Annahme  zurück,  namentlich 
auch  ihre  Begründung  (siehe  Jahresber.  für  römische  Geschichte  1885), 
wobei  er  auch  die  schriftstellerische  Überlieferung  mehr  zum  Rechte 
kommen   läfst,   als  in  seinen  eigenen  Konstruktionen.     Regelniäfsig  trat 


B.    Staatsgewalt.     1.    Die  Magistratur.  27 

Vespasian  am  13.  Januar  zurück;  im  Jahre  77  that  dies  Titus,  und  so 
erscheint  in  diesem  Jahre  Doniitian  bisweilen  als  Kollege  seines  Vaters. 
Von  den  Konsulaten  vor  der  Mitregentschaft  des  Titus  erklärt  sich  das 
erste  von  Vater  und  Sohn  durch  den  Brauch ;  das  zweite,  das  Vespasian 
mit  Nerva  bekleidete,  beweist  keine  Zurücksetzung  des  Titus,  sondern 
nur  eine  civile  Tendenz  dem  Senate  gegenüber.  Wann  Domitian  zu 
seinem  ersten  Konsulate  designiert  worden  ist,  wissen  wir  nicht;  bekleidet 
hat  er  dasselbe  jedenfalls  April  bis  Juni  71;  ob  er  es  am  1.  März  oder 

1.  April  antrat,  ist  unsicher.  Für  das  Jahr  80  waren  Vespasian  und 
Titus  zu  ordentlichen  Konsuln,  Domitian  wohl  zum  Substituten  seines 
Vaters  designiert;  nach  dem  Tode  des  letzteren  erhielt  er  jetzt  ein 
ordentliches  Konsulat.  Das  Ordinariat  des  nächstfolgenden  Jahres  er- 
hielten zwei  Private.  Für  1.  Januar  82  mufs  Titus  designiert  gewesen 
sein,  mit  wem,  ist  unsicher.  Möglicherweise  hat  Domitian  ein  Konsulat, 
für  das  er  nicht  designiert  war,  auf  sich  übertragen. 

Der  von  Egger  gefundene  im/xs^rrjg  ßapujv  (Jahresbericht  1884) 
ist  durch  eine  neue  Entdeckung  von  sechs  Briefen  Julians  durch  Papa- 
dopulos  Kerameus  in  Konstantinopel  als  beseitigt  zu  erachten;  denn 
dort  steht  im/xa?.sTo  Fudpwv  d.  h.  er  sorgte  für  das  Wohl  der  Einwohner 
von  Gyaros,  wo  er  von  Nero  verbannt  lebte. 

H.   Bresslau,    Die  Coramentarii  der  römischen    Kaiser   und  die 
Registerbücher  der  Päpste.     Z.  d.  Savigny- Stiftung  6,  242—260. 

Der  Verfasser  sucht  zu  erweisen,  dafs,  wie  der  Geschäftsstil  der 
päpstlichen  Kanzlei,  so  auch  die  Institution  der  Registerführung  auf 
einen  Brauch  der  römischen  Kaiserzeit  zurückgehe.  In  den  Archiven 
können  die  Koncepte  der  Einzelabschriften  der  ausgegebenen  Akten- 
stücke niedergelegt,  es  können  auch  hier  Registerbücher  über  die  aus- 
gegebenen Erlasse  angelegt  und  aufbewahrt  worden  sein.  Der  Verfasser 
entscheidet  sich  für  die  letztere  Annahme.  In  den  Gesetzessammlungen 
finden  sich  Kanzleivermerke,  die  vollkommen  denjenigen  entsprechen, 
welchen  wir  in  der  päpstlichen  Kanzlei  begegnen;  dieselben  finden  sich 
namentlich  im  C.  Theodos.  und  in  den  Novellensammlungen  (eodem 
exemplo,  scripta  eodem  exemplo,  de  eadem  re  scriptum  edictum,  iypd^rj 
za  laoTomj.  u.  ä.).  Diese  Registerbücher  enthielten  je  die  Register  eines 
Konsular-Jahres.  Wichtige  Zeugnisse  für  diese  Annahme  sind  Plin.  ad 
Traian.  65.  66,  wo  unter  den  commentarii  der  früheren  principes  solche 
Registerbände  zu  verstehen  sind,  CLL.  3,  411,  wo  die  bnojxvrjiiara 
d.  h.  commentarii  Hadrians  erwähnt  sind;  auch  Siculus  Flaccus  spricht 
von  commentarii;   wahrscheinlich  hat  man  an  diese  zu  denken  Velleius 

2,  60  und  Suet  Domit.  20,  Plin.  et  Traian.  ep.  95.  105,  Paulus  in  Dig. 
49,  14,  45;  die  Beamten,  welche  diese  Registerbücher  führten,  hiefsen 
comnientarienses ,   sie  hatten   auch  Abschriften  daraus  zu  fertigen..   Die 


28  Römische  Staatsaltertümer. 

comraentarii  mögen  nach  chronologischen,  aber  wohl  auch  nach  sach- 
lichen Gesichtspunkten  geordnet  gewesen  sein.  So  wird  man  eigene 
commentarii  über  die  Verleihung  der  kaiserlichen  beneficia  anzunehmen 
haben  (C  I.  L.  6,  8627  —  qui  fuit  custos  a  commentariis  beneficiorura), 
vielleicht  auch  über  die  kaiserlichen  Entscheidungen  in  Kriminalprocessen 
(Tac.  h.  4,  90,  Suet.  Cal.  15,  Tac.  ann.  13,  43);  in  späterer  Zeit  gab 
es  wenigstens  einen  eigenen  Registerband  für  die  eigentlichen  Gesetze. 
Ob  die  Eintragung  in  die  Registerbücher  nach  den  Koncepten  oder  nach 
den  Originalen  erfolgte,  läfst  sich  nicht  entscheiden.  Die  im  weströmi- 
schen Reichsarchive  befindlichen  comraentarii  sind  jedenfalls  in  den 
Stürmen  der  Völkerwanderung  völlig  zugrunde  gegangen,  von  den  ost- 
römischen ging  wohl  das  meiste  unter  Justinian  bei  dem  Brande  des 
kaiserlichen  Archivs  in  Konstantinopel  unter. 


2.     Die    Bürgerschaft. 

Th.  Mommsen,  Bürgerlicher  und  peregrinischer  Freiheitsschutz 
im  römischen  Staat.  In  Jurist.  Abhandl.  Festgabe  f.  Georg  Beseler, 
Berlin  1885,  S.  253-272. 

Römisches  Bürgerrecht  und  römische  Freiheit,  welche  der  Sache 
nach  zusammenfallen,  giebt  der  Einzelne  sich  nicht,  und  in  dem  ent- 
wickelten römischen  Rechte  kann  weder  er  noch  ein  Anderer  und  selbst 
der  Staat  sie  ihm  nur  mit  seiner  Einwilligung  nehmen.  Sogar  die  nur 
thätsächliche  Unfreiheit  kann  nach  dem  entwickelten  Rechte  nur  aus- 
nahmsweise auf  einem  dieser  Wege  herbeigeführt  werden.  Von  diesen 
Sätzen  werden  folgende  Anwendungen  gemacht: 

1.  Der  römische  Bürger  kann  nicht  durch  seinen  Willensakt  sich 
in  einen  Nichtbürger  oder  Unfreien  verwandeln.  In  dem  entwickelten 
Recht  ist  der  Selbstverkauf  nichtig,  mag  er  geradezu  als  solcher  auf- 
treten oder  auch  der  Freie  unter  dem  Vorgeben,  dafs  er  Sklave  sei, 
sich  durch  einen  dritten  haben  verkaufen  lassen.  Nur  wenn  er  sich  in 
dem  letzteren  Falle  einen  Teil  des  Kaufgeldes  angeeignet  hat,  wird  ihm 
nach  republikanischem  Rechte  nicht  gestattet,  auf  dem  sonst  dafür  vor- 
geschriebenen Wege  die  gerichtliche  Anerkennung  seiner  Freiheit  zu 
bewirken.  Die  Schuldverpflichtung  ward  in  älterer  Zeit  als  bedingter 
Selbstverkauf  gefafst,  so  dafs  bei  Verfall  und  Nichtzahlung  der  Forde- 
rung die  Freiheit  verloren  ging.  Doch  galt  dies  in  vollem  Umfange 
nur,  wenn  der  Schuldner  aus  dem  latinischen  Rechtskreise  ausscheidet 
und  an  den  Bürger  einer  Gemeinde  veräufsert  wird,  mit  der  nur  ein 
Rechtsverhältnis  in  der  Form  des  Waffenstillstandes  möglich  ist.  Bleibt 
der  Schuldner  dagegen  im  latinischen  Rechtskreise,  so  tritt  das  Ver- 
hältnis der  blos  privatrechtlichen  Unfreiheit  ein.  Der  römische  Bürger, 
welcher  in   eine  andere  Gemeinde  auch  mit  deren  Einwilligung  eintritt, 


B.   Staatsgewalt.     2.  Die  Bürgerschaft.  29 

gilt  nach  römischer  Auffassung  immer  noch  als  solcher,  sein  Eintritt  in 
eine  andere  Bürgerschaft  ist  also  nach  römischem  Rechte  nichtig. 

2.  Der  römische  Bürger  kann  durch  keinen  fremden  Willensakt 
in  einen  Nichtbürger  oder  Unfreien  verwandelt  werden.  Denn  die  Kriegs- 
gefangenschaft beraubt  denselben  nur  thatsächlich,  nicht  rechtlich  seines 
Bürgerrechts  und  seiner  Freiheit.  Nach  altem,  aber  nicht  mehr  nach 
entwickeltem  Rechte  konnte  der  Vater  den  Sohn  veräufsern,  wenn  der 
Sohn  aus  dem  römischen  Rechtskreise  ausschied. 

3.  Der  römische  Bürger  kann  auch  im  Wege  des  Gesetzes  nach 
entwickeltem  Rechte  der  Regel  nach  nur  mit  seiner  Zustimmung  das 
Bügerrecht  und  die  Freiheit  einbüfsen.  Nach  älterem  Rechte  kann  aller- 
dings im  Wege  der  Strafe  der  Schuldige  Bürgerrecht  und  Freiheit  ver- 
lieren (incensus,  qui  nomini  non  respondet ,  noxae  datio,  der  auf  hand- 
festem Diebstahl  betroffene  Dieb).  In  den  beiden  ersten  Fällen  ist  aber 
ebenfalls  die  Ausscheidung  aus  dem  latiuischen  Rechtskreise  Voraus- 
setzung, im  dritten  sah  die  ältere  Auffassung  davon  ab;  später  sind  der 
Verkauf  des  incensus  und  die  noxae  datio  an  die  fremde  Gemeinde  an- 
tiquiert, die  väterliche  noxae  datio  sowie  die  Addiction  des  Diebes  be- 
wirken nur  beschränkten  Freiheitsverlust.  Die  Kriegsgefangenschaft  zieht 
nach  älterer  Ordnung  den  Freiheitsverlust  nach  sich,  wenn  der  nachfol- 
gende Friedensschlufs  die  Rückgabe  der  Gefangenen  ausschliefst  (also 
ähnlich  wie  bei  der  noxae  datio.  Der  Austritt  aus  der  Gemeinde  erfolgt 
rechtsgiltig,  wenn,  wie  bei  dem  Exil,  die  Gemeinde  den  Entschlufs  des 
Austretenden  sanktioniert  oder  auch,  z.  B.  bei  Gründung  neuer  Gemein- 
den, ihre  Bürger  unter  gewissen  durch  Gesetz  vorgeschriebenen  Moda- 
litäten zum  Austritt  veranlafst. 

So  stehen  in  der  Frage,  ob  Freiheit  und  Bürgerrecht  verlierbar 
oder  unverlierbar  sind,  das  ältere  und  das  neuere  Recht  sich  diametral 
gegenüber;  jenes  behandelt  sie  als  verlierbar  und  verbannt  nur  den 
Freiheitsverlust  über  die  Grenze,  diesem  sind  Freiheit  und  Bürgerrecht 
theoretisch  mit  geringen  Ausnahmen,  praktisch  fast  ausnahmslos  unver- 
lierbare Güter  des  römischen  Bürgers. 

Eine  ähuliche  Tendenz  zeigt  sich  in  Beziehung  auf  die  Rechts- 
verhältnisse, welche  nicht  eigentlich  Unfreiheit  sind,  aber  an  die  Un- 
freiheit grenzen  und  welche  sich  zusammenfassen  lassen  als  Eigentum 
oder  Quasi-Eigentum  an  einer  freien  Person.  Auch  diese  Entwickelung 
zeigt  die  in  dem  römischen  Rechte  waltende  Tendenz,  den  Freiheits- 
schutz  zu  steigern.  Hierher  gehört  die  Verflüchtigung  der  eheherrlichen, 
die  Abschwächung  der  väterlichen  Gewalt,  die  causa  mancipii  mit  ihren 
zahlreichen  Unterarten.  Die  Betrachtung  der  letzteren  zeigt,  dafs  die 
Unverlierbarkeit  der  Freiheit  und  des  Bürgerrechts  kein  geborenes,  aber 
ein  erworbenes  Prinzip  des  römischen  Rechts  ist.  Man  darf  wohl  sagen, 
dafs  die  gewaltige  Machtentwickelung  der  römischen  Bürgerschaft  nicht 


30  Römische  Staatsaltertümer. 

deutlicher  in  dem  Verzeichnis  der  Reichsprovinzen  sich  ausspricht  als. 
in  dieser  qualitativen  Steigerung  des  Freiheitsschutzes. 

Wie  steht  es  nun  aber  mit  den  Peregrinen,  denen  nur  das  ge- 
meine peregrinische  Recht  eingeräumt  war?  Die  rechtliche  Begründung 
der  Unfreiheit  nach  den  Grundsätzen  der  Sachteilung  (partus  ancillae)  ist 
civilistisch  festgeregelt.  Nach  dem  allgemeinen  Grundsatze  der  Sklaverei 
kann  jeder  Unfreie  wie  jede  andere  Sache  im  Peregrinenverkehr  gültig 
verkauft  und  gekauft  werden.  Auch  der  Barbar,  den  ein  römischer 
Reichsgenosse  in  irgend  einer  Weise  in  seine  Gewalt  brachte,  galt  als 
dessen  Sklave.  Aber  der  dem  römischen  Reiche  angehörige  Peregrine  war 
nicht  rechtlos;  der  Staat  schützt  wie  sein  Eigentum,  so  auch  seine 
Freiheit.  Aber  von  dem  eminenten  Schutze,  auf  welchen  der  latinische 
und  römische  Bürger  Anspruch  hat,  bleibt  doch  jener  weit  entfernt. 
Die  Ausnahmebestimmungen  über  den  redemptus  und  den  auctoratus 
dürfen  auch  auf  den  Nichtbürger  bezogen  werden;  das  Verbot  der  Schuld- 
knechtschaft kam  auch  dem  peregrinischen  Schuldner  zu  statten;  da- 
gegen bestand  sie  für  fiskalische  Schulden  wenigstens  in  Ägypten  fort. 
Die  Selbstveräufserung  wird  sich  wohl  bei  einzelnen  Völkern,  wo  sie  alt- 
herkömmlich war,  wie  bei  Galliern  und  Germanen,  auch  unter  der  römi- 
schen Herrschaft  erhalten  haben;  ebenso  mufs  die  Veräufserung  des 
Sohnes  durch  den  Vater  in  der  Kaiserzeit  in  bedeutendem  Umfange  zu- 
lässig geblieben  sein  (namentlich   in  Gallien  und  Phrygien). 

Danach  wird  man  annehmen  dürfen,  dafs  in  der  Kaiserzeit  der 
Übergang  aus  der  Freiheit  in  die  Sklaverei  bei  römischen  Bürgern  nur 
ausnahmsweise,  dagegen  bei  Nicht-Bürgern  in  nicht  geringem  Umfange 
rechtlich  statthaft  war.  In  dem  peregrinischen  Kreise  betrachtete  man 
die  Knechtschaft,  so  weit  sie  zu  Recht  bestand,  nicht  als  causa  man- 
cipii, sondern  einfach  als  Unfreiheit. 

Die  Frage  nach  der  Entstehung  der  Sklaverei  bei  freigeborenen 
Reichsangehörigen  läfst  sich  auch  noch  von  einer  anderen  Seite  betrach- 
ten. Bei  dem  Sklavenkauf  war  die  Angabe  des  Heimatsortes  üblich  und 
sogar  rechtlich  erforderlich.  In  der  gewöhnlichen  Sklavennomenklatur 
geschieht  dies  nicht,  sondern  nur  ausnahmsweise  zur  Unterscheidung 
gleichnamiger  Individuen  und  da,  wo  die  Verwendung  der  Sklaven  die 
militärische  nachahmt.  Aufserdem  finden  sich  zerstreut  eine  Anzahl  von 
Heimatsangaben  bei  den  Schriftstellern.  Diese  führen  fast  ohne  Aus- 
nahme in  die  römischen  Provinzen.  Wahrscheinlich  sind  diese  Heimats- 
angaben zu  einem  grofsen  Teile  auf  den  mit  Freigeborenen  im  römischen 
Reiche  betriebenen  Sklavenhandel  zu  beziehen.  Dies  bestätigen  die  An- 
gaben über  die  kaiserlichen  Leibwächter,  die  in  der  früheren  Kaiserzeit 
unfrei  und  den  reichsunterthänigen  Germanen,  vorzugsweise  den  Bata- 
vern entnommen  waren.  Man  darf  hier  nicht  an  Leute  denken,  die  in 
ihrer  Heimat  Sklaven  waren,  sondern  an  Kinderverkauf  und  freiwillige 
Ergebung  in  die  Gewalt  des  kaiserlichen  Herrn.      Überhaupt  mufs   der 


B.    Staatsgewalt.    2.    Die  Bürgerschaft.  31 

Sklavenhandel,  so  weit  er  freigeborene  Provinzialen  in  seinen  Kreis  zog, 
wesentlich  auf  dem  Kinderhandel  beruht  haben,  neben  dem  der  Selbst- 
verkauf noch  in  betracht-  kommt. 

In  diesem  Zusammenhange  weist  Moramsen  die  Einwände  von 
F.  Rosenstein  (siehe  Jahresber.  f.  röm.  Altert.  1884  S.  354  ff.)  zurück. 
Die  Sklavenbezeichnuug  armigeri,  welche  von  den  Germanischen  Leib- 
wächtern gebraucht  werde,  weise  auf  Unfreie;  Gaius  Cäsar  läfst  sie  von 
Thraeces  kommandieren,  d.  h.  von  Gladiatoren;  collegium  wird  nie  von 
wirklichen  Soldaten  gebraucht  —  Orelli  4453  ist  falsch  —  sondern  beweist 
die  Sklavenqualität.  Von  den  Germani  räumt  Rosenstein  selbst  ein,  dafs 
sie  Sklaven  seien,  der  Unterschied,  den  er  zwischen  ihnen  und  Germani 
corporis  custodes  macht,  ist  ganz  unbegründet.  Aber  auch  die  Inschriften 
der  letzteren  ergeben  dies  Resultat;  denn  der  Vater  wird  nie  darauf 
angegeben;  dann  steht  sogar  der  Genetiv  des  Herrn  dabei. 

J.  Kappeyne  van  de  Coppello,  Abhandlungen  zum  römischen 
Staats-  und  Privatrecht.  Mit  Vorwort  von  Dr.  M.  Conrat  (Cohn). 
Heft  1.     Betrachtungen  über  die  Komitien.     Stuttgart  1885. 

Die  Angaben  Ciceros  de  republ.  2,  39.  40  verdienen  unbedingt 
Glauben;  den  widersprechenden  Nachrichten  des  Livius  1,  43  und  Diouys. 
(4,  16-23.;  7,  59)  kommt  keine  Beweiskraft  zu.  Nach  Cicero  betrug 
die  Gesamtstimmenzahl  in  der  alten  Ordnung  der  Centuriatkomitien  193 
und  darnach  die  absolute  Mehrheit  97.  Von  dieser  Zahl  hatten  die  vier 
oberen  Klassen  zusammen  140,  wovon  Cicero  der  ersten  Klasse  nur  die 
Hälfte,  also  70,  zuweist.  Wenn  Cicero  den  drei  folgenden  Klassen 
gleiches  Stimmrecht  und  70  Stimmen  zuweist,  so  bleibt  nur  die  An- 
nahme, dafs  die  zweiten  70  Stimmen  durch  die  Stimmberechtigten  der 
drei  Klassen  zusammen  abgegeben  worden  sind  und  nicht  jede  der  drei 
Klassen  für  sich  gestimmt  hat. 

Das  Stimmrecht  stand  mit  der  Wehrpflicht  im  Heere  in  Verbin- 
dung. Die  Bürger  der  vier  höchsten  Klassen  dienten  als  hastati  prin- 
cipes  triarii  bei  demselben  Korps,  und  die  Natur  der  Sache  fordert,  dafs 
sie  dies  in  vereinigten  Gliedern  und  nach  der  Stärke  der  Klasse  thaten. 
Nun  ist  es  physisch  unmöglich,  dafs  die  erste  Klasse  acht  Mann  ge- 
liefert haben  soll  gegen  sechs  seitens  der  drei  anderen  zusammen,  aber 
ebenso  unmöglich,  dafs  jene  eine  gleich  grofse  Anzahl  stellen  mufste 
wie  diese  zusammen.  Der  Verfasser  erklärt  dies  so,  dafs  in  der  mili- 
tärischen Organisation  die  Phalanx,  worin  die  Bürger  der  vier  oberen 
Klassen  als  Kameraden  dienten,  nicht  mehr  als  70  Centurien  stark  war, 
während  dieselben  in  den  Komitien  doppelt  zählten,  und  zwar  so,  dafs 
hier  die  Stimme  dieser  Centurien  zuerst  von  den  in  jede  Centurie  ein- 
geschriebenen Bürgern  der  ersten  Klasse  allein  abgegeben  wurde  und 
hernach  nochmals  von  dem  aus  den  Bürgern  der  drei  anderen  Klassen 
zusammengesetzten  Reste  der  Centurie. 


32  Römische  ötaatsaltertümer. 

In   der  patriarchalischen  Periode  kämpften   die  Römer  mit  ihren 
Nachbarn  nach   der  üblichen  Art  der  Hirtenvölker;  bei  solchen   Streif- 
zügen  besteht  die  geregelte   Kriegsmacht  aus.  der  Truppe    zu    Pferde. 
Wer  zu  Fufs  mitläuft,  gewährt  als  ungeordneter  Haufe  lediglich  Unter- 
stützung.    So   will   der  Verfasser   die   Angabe  des  Dionysius   über  den 
Heerbann  des  Servius  verstehen,  dafs  derselbe  aus   Innztg  xa\  (ptXoi  be- 
stehe.    Die  Aushebung  erfolgte  nach  Kurien.     Der  ager  Romanus  wird 
territorial  verteilt  in   zwei    tribus  (Gaue)  und  jede  dieser  Landschaften 
in  zehn  Bezirke  (curiae),  so  dafs  alle  Einwohner  in  einer  dieser  Kurien 
eingesessen  und  daher  entweder  Ramnenser  oder  Titienser  waren.     Die 
Kurie  lieferte  für  den  Bann  sowohl  der  iuniores  als  der  seuiores  einen 
Haufen   (turma)   von  zehn  patrizischen    Reitern   und   50  Mann  Fufsvolk 
{(pdoc).     Man  koppelte  nun   die  Kurien  paarweise  zusammen,  so  dafs 
stets  die  Mannschaft  derselben  zwei  Kurien,   die   eine   aus  dem  einen, 
die   andere  aus  dem  zweiten   Gau  gemeinschaftlich  diente;   so  bestand 
jeder  Bann  aus  zehn  Unterabteilungen  (cohortes),  jede  von  20  Pferden 
und  einer  Hundertschaft  (centuria)  zu  Fufs.      Unter  Tarquinius  Priscus 
kam  der  dritte  Gau  hinzu,   wodurch    in  der  Folge   eine  Unterabteilung 
die  Mannschaft  von  drei  vereinigten  Kurien  umfafste.  Die  durch  Acker- 
bau vermehrte  Wohlfahrt  gab  Tarquinius  Priscus  Veranlassung,  die  pa- 
trizischen  Kriegsleute    zu   verstärken    mit    einer    Doppelzahl    berittener 
Schildknappen   aus  den   Grofsgrundbesitzern  der   curia  von  plebeischer 
Herkunft,  um  auf  diesem  Wege  die  turma  zu  einem  Haufen  von  30  Pfer- 
den  zu   erhöhen,    was   seitdem   bei  der  Reiterei   die    taktische   Einheit 
blieb.      Die  patrizische  Vorhut  hiefs  nun  priores,  die  Nachhut  aus  der 
Plebs  posteriores  oder  accensi  (Varro  1.  1.  5,  82).    Nach  dieser  Ordnung 
umfafste  jetzt  jede  Unterabteilung,    bezw.  jede  zehnte  Abteilung    drei 
turmae  Reiter,  wozu  dann  noch  eine  Kohorte  von  1500  Mann  Fufsvolk 
kam.     Zu  der   latinischen  Legion,  die  mit  der  römischen  zu  einer  Bri- 
gade verbunden  war,  gehörten  darum  auch  noch  später  (Pol.  3,  107  12; 
6,  26,  7)  regelmäfsig  900  Reiter,   während  die  der  römischen  Legion 
vermindert   waren    auf  ein   Dritteil   oder    eine  turma  für  die   Kohorte. 
Trotzdem   behielt    die  römische   turma    ihre   Dreizahl   Rittmeister,   nun 
decuriones  genannt,  als  Überbleibsel  der  Reorganisation  des  Tarquinius 
Priscus. 

Das  Anwachsen  der  Ackerbau  treibenden  Bevölkerung  brachte 
eine  Änderung  in  der  Kriegführung  hervor.  Die  kleinen  Staaten  mafsen 
ihre  Kräfte  in  geregelten  Gefechten,  wo  die  Schlachtordnung  der  ge- 
übten und  gepanzerten  Pikeniers  das  Haupttreffen  wurde.  Seit  Servius 
wurde  die  Phalanx  zwischen  Reiterei  und  leichten  Truppen  eingescho- 
ben. Nach  seiner  Reform  bestand  das  Fufsvolk  der  beiden  Heerbanne 
aus  100  Hundertschaften  von  zusammen  7000  mehr  oder  minder  gehar- 
nischten Pikeniers  (quirites),  der  Schlachtordnung  der  triarii,  principes 
und    hastati    und   300  Schleuderern.  (rorarii  =    (pdul).     A  la  suite  der. 


B.  Staatsgewalt     2.  Die  Bürgerschaft.  33 

100  Kompagnien  kamen  auf  fünf  Kompagnien  Nichtkombattanten,  die 
zwei  der  Sappeurs,  das  Kontingent  der  Handwerker  oder  Stadtgilden, 
sodann  die  zwei  der  Musikanten  und  die  eine  der  accensi  velati  (Mit- 
läufer in  Hemdsärmeln). 

Die  Legion  eines  jeden  Bannes  hatte  sechs  Oberoffiziere,  ein  paar 
aus  jedem  Gau  und  darum  tribuni  militum  genannt,  von  denen  einer 
als  Oberstkommandirender  das  ganze  Korps  leitete,  während  jeder  der 
fünf  anderen  als  Hauptmann  über  1000  eine  Abteilung  von  700  quirites 
und  300  rorarii,  die  gesamten  Dienstpflichtigen  von  stets  derselben 
Sechszahl  Kurien,  unter  seinem  Befehle  hatte.  Um  die  Aushebungsdi- 
strikte dieser  Bataillone  zu  bilden,  mufste  Servius  Tullius  die  Kurien 
zweier  Kohorten  ständig  zusammennehmen  und  drei  Paar  solcher  Kurien, 
je  ein  Paar  aus  einem  Gau,  zu  Untergauen  (tribus)  zusammenfügen,  deren 
Verbindung  ein  Ebenbild  der  Hauptgaue  und  denselben  ganz  ähnlich 
war.  Doppelkurien  dieser  Art  waren  die  15  ältesten,  gentilicische  Namen 
tragenden  und  das  ganze  Grundgebiet  der  Ramnenses,  Titienses  und 
Luceres  umfassenden  tribus  rusticae. 

Das  Bataillon  der  sechs  Kurien  löste  sich  dann  wieder  in  die 
zwei  Kohorten  auf,  an  deren  jede  sich  die  Reiterabteilung  derselben 
drei  Kurien  anschlofs.  Auch  die  Kohorte  hatte  sechs  Offiziere,  deren 
sechster  im  Range  über  die  ganze  Truppe  gesetzt  war,  während  jeder 
der  fünf  anderen  über  eine  Ceuturie  von  70  quirites  und  30  rorarii  ge- 
bot. Von  den  Quirlten  hatte  die  erste  Klasse  600  triarii  zu  liefern,  das 
Elitekorps  der  am  schwersten  Bewaffneten,  welche  als  Reserven  in  der 
Nachhut  standen  oder  zur  Bewachung  des  Lagers  zurück  blieben.  Die 
übrigen,  autepilani.  waren  sämtlich  principes;  da  jedoch  die  der  vierten 
Klasse  nicht  bemittelt  genug  waren,  um  sich  eine  Waffenrüstung  zu  ver- 
schaffen, und  deshalb  ohne  irgend  welche  Leibesbedeckung  fochten,  wur- 
den sie  von  den  übrigen  principes  als  die  Vorhut  der  (nudl)  hastati 
unterschieden.  Da  ihre  Zahl  mutmafslich  auf  1200  bestimmt  war,  blie- 
ben für  die  Wehrpflichtigen  der  zweiten  und  dritten  Klasse  1700  übrig, 
welche  im  Verhältnis  zu  ihrer  vermutlichen  natürlichen  Stärke  in  750 
und  950  zu  verteilen  sind.  Nach  diesem  Mafsstabe  zählte  in  der  Le- 
gion des  Servius  Tullius  mit  stufenweisem  Aufsteigen  der  Kontingente 
nach  der  Reihe  3,  4,  5,  6,  jede  Centurie  12  triarii,  15  principes  der 
zweiten,  19  der  dritten  Klasse,  24  hastati  und  30  rorarii.  Indem  er 
seine  Streitkräfte  um  sieben  quirites  auf  drei  rorarii  verstärkte,  mufste 
von  ihm  nicht  allein  der  ganze  Heerbann,  sondern  zugleich  jede  seiner 
Unterabteilungen,  Legion,  Bataillon,  cohors,  centuria  zu  einer  Mehrzahl 
der  Grundzahl  7  +  3  gemacht  werden.  Da  nun,  um  sie  durch  drei  zu 
teilen,  auf  die  5000  ein  Mann  fehlte,  hatte  abwechselnd  in  der  Cohors 
die  dritte  Kurie,  in  der  Legion  der  dritte  Gau  einen  princeps  der 
dritten  Klasse  weniger.  Abgesehen  von  dieser  kleinen  Unregelraäfsig- 
keit   war  nach   der    Formel  3  (4  +  5 +6  Va  +  8  f  10)    die    Centuria  aus 

Jahresbericht  für  Aherthumswissenschaft  LH    (1887.  UI.)  3 


34  Römische  Staatsaltertümer. 

gleich  viel  Ramnenses,  Titienses  und  Luceres  von  jeder  Klasse  zusammen- 
gesetzt. 

Die  Grundzüge  dieser  Organisation  sind  niemals  verschwunden. 
Nominell  stets  .5000  oder  mit  Sappeurs  und  Musikanten  .5200  stark, 
hatte  in  dem  Jahrhundert  des  Polybios  die  Legion  meist  eine  Effektiv- 
stärke von  4200  römischen  Wehrpflichtigen,  und  die  Reform  derselben 
bestand  hauptsächlich  darin,  dafs  man  mit  der  einen  Hand  die  1500 
unbrauchbar  gewordenen  rorarii  abgeschafft  und  mit  der  andern  die 
Pikeniers  um  700  vermehrt  hatte.  Die  selbständigen  Kontingente  der 
Klassen  waren  nach  der  Einführung  des  Dienstes  um  Sold  verschwunden, 
obschon  trotzdem  die  allgemeine  Wehrpflicht  aufrecht  erhalten  wurde, 
den  Vermögenslosen  oder  Nicht-Freigeborenen  der  Dienst  in  der  Legion 
entzogen  blieb,  die  Unbemittelten  den  niedrigsten  Rang  nicht  über- 
schreiten durften  und  die  Meistbegüterten  über  dem  Waffenrock  ein 
teures  Panzerhemd  trugen.  Polybios  schreibt  dieser  Legion  600  triarii, 
1200  principes,  ebenso  viele  hastati  und  eine  gleiche  Anzahl  velites  zu. 
Da  die  letzteren  leichte  Truppen  waren  und  man  die  triarii  um  ihrer 
besonderen  Bestimmung  willen  als  ein  Korps  für  sich  betrachtete,  be- 
stand die  Hauptmacht  aus  den  principes  und  hastati.  Das  Bataillon 
hatte  ferner  stets  seine  zwei  Kohorten  und  die  Kohorte,  an  welche  sich 
eine  der  Reiterabteilungen  anschlofs,  ihre  sechs  Centurionen.  Nimmt 
man  nun  wegen  der  allgemeinen  Erhöhung  um  700  an,  die  Pikeniers- 
Centurie  sei  auf  120  gestiegen,  die  Ziffer  der  zu  dem  Bataillon  gehören- 
den triarii,  so  hatte  nach  Abstofsung  der  rorarii  die  Legion  35  solche 
Abteilungen,  manipuli,  übrig  behalten  und  bestand  die  cohors  aufser  aus 
einem  ordo  oder  einem  halben  Mauipel  Triariern  aus  zwei  manipuli 
principes  und  hastati  mit  einem  dazugehörigen  manipulus  velites.  Ob 
man  sich  dann  die  principes  um  500  vermindert  denkt  und  für  die  1500 
rorarii  1200  velites  an  die  Stelle  getreten  oder  umgekehrt  die  velites 
als  Ersatz  der  früheren  hastati,  deren  Bezeichnung  auf  die  ehemaligen 
principes  der  dritten  Klasse  übergegangen  war,  so  dafs  die  ganze  Er- 
höhung den  principes  zugute  kam ,  stets  bekommt  man  das  Verhältnis 
600  1700  (+  700)  1200,  welches  für  die  Bestimmung  der  Kontingente 
der  vier  Klassen  nach  dem  Plan  des  S.  TuUius  benützt  wurde. 

Jeder  Manipel  hatte  sein  Feldzeichen,  und  da  nicht  schon  die 
Kohorte .  sondern  nur  das  Bataillon  einen  ganzen  Manipel  der  Triarier 
hatte,  war  das  Feldzeichen  dieses  Manipels  die  Bataillonsfahne.  Ob- 
gleich die  Triarier  in  der  Kohorte  nur  einen  ordo,  in  rechtes  und  linkes 
pilum  geteilt,  bildeten,  wurden  dennoch  aus  ihnen  zwei  der  sechs 
Offiziere  erwählt,  von  denen  der  eine,  primus  pilus,  der  Kapitän  der 
Kohorte,  der  andere,  als  sein  Lieutenant  (subcenturio),  der  Führer  der 
triarii  der  Kohorte  war.  Die  Bataillonsfahne  war  bei  dem  ordo  der 
triarii  der  ersten  cohors  und  der  primus  pilus  dieses  ordo  war  der 
Major  oder   erste  Offizier  des  Bataillons.     Solcher  primi   ordines   hatte 


B.    Staatsgewalt.    2.   Dio  Bürgerschaft.  35 

die  Legion  fünf,  und  sie  werden  als  höchste  im  Range  von  den  übrigen 
Centurionen  unterschieden. 

Aus  dem  Fähnlein  der  principes  und  ebenso  aus  dem  der  hastati 
der  Kohorte  wurden  gleichfalls  zwei  Offiziere  angestellt,  einer  als  Haupt- 
mann {ro.iiapyog)  des  Manipels,  der  andere  als  Unterbefehlshaber  des 
zweiten  ordo,  ohoayüq.  Der  eine  Hauptmann  mit  seinem  Lieutenant 
führte  das  vexillum  des  rechten,  das  andere  Paar  das  des  linken  Flügels 
der  Kohorte.  Ein  jeder  Flügel  umschlofs  also  die  zwei  ordines  der 
principes  und  hastati  mit  hinzutretendem  ordo  der  velites,  welche  mit 
denen  des  anderen  Flügels  die  cohors  ohne  ihre  triarii  ausmachten. 
Auf  jeden  ordo,  aufser  dem  der  velites,  in  solchem  vexillum  kam  danach 
ein  ductor;  daher  der  Ausdruck  ordinem  ducere  für  den  Dienst  als  cen- 
turio.  Das  vexillum,  in  Rotten  aufgestellt  oder  in  der  Tiefe,  bestand 
danach  aus  drei  gemischten  ordines ,  und  jeder  dieser  ordines  hatte 
sechs  Glieder  von  zehn  Mann  in  der  Front  mit  dem  Flügelmann  (de- 
canus)  als  Unteroffizier,  je  zwei  velites,  hastati  und  principes.  Hinter 
ihnen  stand  ein  einziges  Glied  der  Triarier.  Jeder  Flügel  der  Kohorte 
zeigte  somit  drei  gemischte  Abteilungen  von  70  Mann,  so  dafs  die 
Centurienzahl  von  50  auf  60  gestiegen  war  und  nun  in  den  drei  Ma- 
nipeln  der  Kohorte  auch  ihre  triarii  inbegriffen  waren. 

Die  sechs  Centurien  der  Kohorte  gruppierte  man  nach  den  Ma- 
nipeln  in  drei  Paaren,  prior  und  posterior;  das  erste  Paar  hatte  den 
primus  pilus  nebst  Lieutenant  zu  Centurionen,  das  zweite  den  primus 
princeps  prioris  centuriae  mit  Lieutenant,  das  dritte  den  primus  ha- 
status  prioris  centuriae  und  Lieutenant.  Ob  man  also  die  triarii  von 
den  übrigen  trennt  oder  nicht  bezw.  die  Kohorte  in  ordines  oder  in 
centuriae  einteilt,  ändert  nichts:  die  Notiz  des  Cincius  (Gell.  N.  A.  16, 
4,  6)  beweist,  dafs  die  taktische  Einheit  des  servianischen  Heerbannes 
eine  aus  70  quirites  und  30  rorarii  zusammengesetzte  centuria  gewesen 
ist.  Auch  wenn  man  die  Effektivstärke  auf  die  nominale  von  5000  Mann 
brachte,  hatte  dies  keinen  Einflufs  auf  die  Zahl  der  triarii,  welche  unter 
allen  Umständen  600  Mann  betrug.  Daraus  läfst  sich  bei  dem  Haften 
am  Alten,  welches  die  Römer  kennzeichnet,  schliefsen,  dafs  auch  dies 
auf  Servius  Tullius,  den  Stifter  der  Legion,  zurückzuführen  ist,  und  dafs 
die  Grundzüge  der  Servianischen  Einrichtung  auch  nach  dem  Kriege 
mit  Hannibal  keineswegs  verloren  gegangen,  im  Gegenteil  bei  Polybius 
und  Cincius  noch  erkennbar  sind. 

Polybius  braucht  zdyjj.a  und  ar.zipa  für  Kohorte ,  arjiJ.aia  dagegen 
bisweilen  =  manipulus,  bisweilen  =  ordo.  Zum  Teil  werden  die  da- 
durch herbeigeführten  Irrtümer  durch  Liv.  8,  8  beseitigt;,  aber  im  Ganzen 
mufs  letztere  Beschreibung,  wo  sie  von  der  des  Polybius  abweicht,  un- 
beachtet bleiben.  In  die  Grundzüge  der  durch  Servius  Tullius  festge- 
stellten Organisation  der  wehrpflichtigen  Bürgerschaft  brachte  der  Ge- 
winn neuer  Bezirke  auch  später  keine  Veränderung. 

3* 


36  Römische  Staatsaltertümer. 

Die  Wahl  der  Anführer  (praetores)  hatte  die  gesamte  dienst- 
pflichtige Bürgerschaft  seit  Einführung  des  Konsulats;  bei  der  Ausübung 
des  Wahlrechts  trennte  man  zwei  Gruppen  von  7o  und  30  Centurien, 
d.  h.  Phalanx  und  rorarii  und  gewährte  den  ersteren  eine  doppelte 
Stimme.  Ihre  70  Stimmen  wurden  nämlich  zweimal  abgegeben,  erst 
durch  die  Elite  des  Korps,  die  triarii  der  ersten  Klasse,  und  hernach 
noch  einmal  von  ihren  Kameraden,  den  principes  und  hastati  der  drei 
folgenden  Klassen  zusammen  und  ungesondert.  Durch  diese  Verdoppe- 
lung der  Stimmen  der  Pikeniers  wuchsen  die  123  Compagnieen  des 
Heerbannes  in  den  Komitien  zu  193  Stiramkörpern  an. 

Die  Entwickelung  der  Rechte  der  Comitia  centuriata  aus  diesem 
militärischen  Charakter  bietet  kaum  Neues.  Im  Verlaufe  der  Zeit  mufste 
die  Bevorzugung  der  Phalanx  bei  der  Abstimmung  aufhören.  Man  be- 
hielt zur  Auszeichnung  des  Adels  und  der  Eitterschaft  als  besonderer 
ordines  die  18  Reitercenturien  als  erstes  Glied  bei,  und  ebenso  als 
letztes  »das  allgemeine  Stimmbureau  der  proletarii«.  Das  zweite  und 
dritte  Glied  liefs  man  verfallen,  abgesehen  von  den  70  Centurienpaaren 
aus  den  juniores  und  seniores.  In  jeder  Tribus  errichtete  man  ein  Paar 
dieser  Stimmbureaux,  worin  man  von  nun  an  alle  Bürger  der  fünf 
Klassen  ihr  Bürgerschaftsrecht  ausüben  liefs.  Obwohl  nuu  diese  Tribus- 
centurien  alle  Stimmberechtigten  der  fünf  Klassen  in  ein  und  derselben 
Tribus  enthielten,  stimmte  doch  jede  Klasse  besonders,  also  jeder  Bürger 
nach  seinem  Distrikt,  seinem  Alter  und  seiner  Klasse.  Jede  Tribus- 
ceuturie  war  danach  geteilt  in  fünf  Unterabteilungen  oder  Klassencen- 
turien,  und  auch  diese  Abteilungen  rechneten  als  Stimmeinheiten.  Die 
Klasseucenturien  waren  untereinander  koordiniert,  und  die  Stimme  der 
Tribuscenturie  wurde  nach  der  Einstimmigkeit  von  drei  Abteilungen 
festgesetzt.  Durch  diese  Reform  von  513  wurde  das  Übergewicht  der 
gemäfsigten  und  begüterten  Bürger  gesichert.  Denn  waren  in  der  Ab- 
teilung der  fünften  Klasse  z.  B.  1600  und  in  der  der  ersten  100  Wähler 
erschienen,  so  warfen  51  der  letzteren  ebenso  viel  Gewicht  in  die  Wag- 
schale als  801  der  ersteren. 

Den  Widerspruch  zwischen  Cicero  einer-  und  Livius  und  Dionysios 
anderseits  erklärt  der  Verfasser  dadurch,  dafs  er  annimmt,  ihre  Angabe 
gehe  auf  einen  gemeinschaftlichen  Berichterstatter  zurück,  der  die  zwei- 
mal 70  Pikeniersstimmen  falsch  verteilt  hatte.  Er  begriff  nicht,  da  zu 
seiner  Zeit  die  Klasseucenturien  streng  geschieden  waren,  dafs  in  den 
ehemaligen  zweiten  70  Centurien  die  drei  Klassen  ausnahmsweise  unter- 
einander gemischt  gewesen  waren,  und  indem  er  sie  zu  trennen  ver- 
suchte, mufste  er  einer  jeden  Klasse  20  Stimmen  und  die  zehn  über- 
schiefsenden,  mit  denen  er  sonst  nichts  anzufangen  wufste,  der  ersten 
Klasse  zuteilen. 

Unzweifelhaft  sind  manche  Aufstellungen  dieses  Kapitels  berück- 
sichtigenswert.     Aber  zu   viel  Willkür  herrscht  sicherlich   in    den  Zahl- 


B.    Staatsgewalt.     2.    Die  Bürgerschaft.  37 

Verhältnissen  der  Legion  und  ihrer  Teile,  wofür  sich  kein  Anhalt  in  der 
Überlieferung  findet;  ebenso  in  dem  Verhältnisse  zwischen  den  Heeres- 
abteilungen und  den  Klassen  und  Centurien  der  Volksversammlung. 

Im  zweiten  Kapitel  wird  das  Verhältnis  von  Titienses,  Ramnenses 
und  Luceres  untersucht.  Der  Verfasser  geht  von  der  arischen  Volks- 
einteilung: Krieger,  Priester,  Handwerker  aus  und  findet  die  zweiten 
in  den  Titienses,  die  ersten  in  den  Ramnenses  und  die  Handwerker  in 
der  plebs.  Die  patres  der  Stämme  waren  die  geborenen  Regenten,  und 
von  den  Häuptern  der  beiden  Stämme  wird  die  Gemeinde  regiert. 
Diese  Thatsache  spiegelt  sich  in  den  poetischen  Phantasiegestalten  der 
vier  ersten  Könige  ab.  Auf  dem  mons  Capitolinus  haben  die  Titienses, 
auf  dem  mons  Palatinus  die  Ramnenses  ihr  Lager.  Ein  Lucerer,  ein 
etruskischer  Kriegsfürst  läfst  sich  auf  dem  Caelius  nieder  und  unterwirft 
sich  die  benachbarte  Gemeinde.  Er  zwingt  die  Titienses  und  Ramnenses 
seinen  Kriegsadel,  die  Luceres,  in  ihren  Verband  aufzunehmen.  Die  re- 
ligiösen und  bürgerlichen  Einrichtungen  der  Gemeinde  erfahren  dabei 
keine  wesentliche  Veränderung.  Namentlich  in  die  Organisation  der 
patres  bringen  die  Luceres,  eine  Verstärkung  des  ritterlichen  Bestand- 
teils der  Ramnenses,  keine  Störung;  sie  sinken  vielmehr,  sobald  die 
Gemeinde  sich  der  Fremdherrschaft  wieder  entreifst,  zum  Range  von 
patres  rainorura  gentium  herab.  Dieser  Lucerer  hiefs  Vibenna  und  wurde 
nach  seiner  Heimat'  Tarquinius,  nach  dem  Ort  seiner  Niederlassung 
Coelius  und  im  Gegensatz  zu  Superbus  der  Alte  (Priscus)  genannt.  Nach 
Vibenna  bemächtigte  sich  sein  Lieutenant  von  niedriger  Geburt  der  Ge- 
walt und  spielte  wiederum  den  patres  gegenüber  den  strengen  Meister. 
Tarquinius  Superbus,  der  Erbprinz  aus  dem  königlichen  Geschlechte  der 
Luceres,  bringt  ihn  zu  Falle.  Gegen  ihn  empören  sich  die  Römer,  und 
seine  Vertreibung  verwickelt  sie  in  Krieg  mit  den  Latinern,  mit  Veji 
und  schliefslich  mit  Porsina,  welcher  sie  zu  dediticii  macht,  einer 
Schätzung  unterwirft,  Geiseln  stellen  läfst  und  des  Waffenhandels  be- 
raubt. Die  konsularische  Regierungsform  kann  erst  eingerichtet  worden 
sein,  als  die  Römer  sich  wieder  von  den  durch  Porsina  erhaltenen 
Schlägen  erholt  hatten.  Das  Zweimännerkollegium  weist  darauf  hin, 
dafs  damals  die  Luceres  zurückgesetzt  und  die  Macht  wieder  in  die 
Hände  der  Häupter  der  Titienses  und  Ramnenses  gebracht  wurde.  Weder 
die  Stellung  des  Brutus  noch  die  des  Publicola  ist  beglaubigt.  Die 
Plebeier  gelangen  erst  in  den  Senat,  als  sie  in  der  Eigenschaft  von 
Kriegstribuuen  oder  Konsuln  dort  Zutritt  fanden;  die  patres  minorura 
gentium  der  ersten  Konsularepoche  sind  die  degradierten  Luceres ;  sie 
standen  in  den  Augen  der  patres  der  Titienses  und  Ramnenses  zwar  in 
militärischer  Hinsicht,  nicht  aber  in  religiöser  gleich.  Symbolisch  wird 
dies  Moment  der  Erniedrigung  der  Luceres  durch  die  Episode  von 
Collatinus  ausgedrückt.  Ist  schon  diese  spätere  Zeit  durch  eine  ten- 
denziöse Geschichtsfabrikation   bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt,  so  gilt 


38  Römische  Staatsaltertümer. 

dies  iü  Doch  viel  höherem  Mafse  von  der  früheren.  Aus  der  früheren 
Kriegsgeschichte  ist  der  historische  Kern  der,  dafs  der  Sitz  der  Ge- 
meinde von  Alba  Longa  nach  den  Ufern  des  Tiber  verpflanzt  ist  und 
die  Titienses  '  trotz  ihres  heftigen  Widerstrebens  durch  die  Ramnenses 
zu  dieser  Übersiedelung  gezwungen  sind.  Im  populus  Ronianus  Quirites 
steht  Quirites  gegenüber  Romanus,  nicht  als  plebs  gegenüber  patres, 
sondern  als  Phalanx  gegen  die  Reiterei,  die  selbst  zu  zweidrittel  aus 
den  plebeiischen  posteriores  bestand ,  während  nach  dem  Vorbilde  des 
L.  Tarquinius  nichts  aufser  dem  guten  Ton  einen  Patricier  bei  der 
Phalanx  zu  dienen  verhinderte.  Hierauf  baut  die  Legende  der  Titienses. 
Zusammen  mit  der  Phalanx  werden  sie  als  der  edelste  Teil  des  Volkes 
den  Ramnenses  und  den  Bundesgenossen  derselben,  den  Luceres,  gegen- 
übergestellt. Die  latinische  Herkunft  der  Titienses,  obschon  eine  uralte 
Erfindung,  ist  nicht  von  besserem  Gehalte  als  die  trojanische.  Der  Unter- 
schied von  patres  und  plebs  hatte  seinen  Grund  in  den  religiösen  Ein- 
richtungen der  arischen  Gemeinde.  Die  Eigenschaft  von  Mitbürgern 
haben  die  patres  niemals  den  Plebeiern  bestritten.  Sie  betrachteten  sie 
vielmehr  als  das  Volk,  dessen  geborene  Regenten  sie  waren,  auspiciorura 
causa.  Der  Rechtsgrund  ihrer  Vorrechte  fällt  dahin,  wenn  man  die  re- 
ligiöse Wichtigkeit  wegdenkt,  welche  der  Volksglaube  an  die  gentilicischen 
Sacra  heftete. 

3.  Die  coraitia  curiata.  Mit  Recht  geht  der  Verfasser  von 
der  Annahme  aus,  dafs  die  Curien  Unterabteilungen  des  ganzen  Landes, 
nicht  specifisch  patrizische  Einrichtungen  waren;  sie  sind  ihm  rein  geo- 
graphische Unterabteilungen  der  drei  Gaue,  Distrikte  für  administrative 
Zwecke.  Ursprünglich  war  ein  jeder  in  einer  Kurie  angesessen  und 
einheimisch,  und  zwar  da,  wo  er  sein  Grundstück  liegen  hatte.  Die 
Comitia  curiata  vertraten  also  die  ganze  Gemeinde,  die  aber  mit  Gesetz- 
gebung und  Wahlen  noch  sehr  wenig  zu  thun  hatte,  wie  dies  in  der 
Kindheit  jeder  Gesellschaft  natürlich  ist.  Die  comitia  curiata,  welche 
zu  bestimmten  Zeiten  stattfanden,  hiefsen  comitia  calata.  Die  Kurien 
konnten  keinen  Beschlufs  fassen,  wenn  ihnen  nicht  der  Vorschlag  von 
den  Häuptern  der  Gemeinde  vorgelegt  wurde.  Die  lex  curiata  de  im- 
perio  entstand  aus  der  Sitte,  dafs  der  Anführer,  bevor  er  ausrückte, 
die  Unternehmung  kirchlich  einsegnen  und  bei  Übernahme  des  Kom- 
mandos sich  von  den  Männern  in  Waffen  und  ihrem  Gefolge  der  Wei- 
sung der  Priester  gemäfs  huldigen  liefs.  Die  Plebs  hatte  in  den  Kurien- 
versammlungen nichts  zu  sagen;  sie  bestand  aus  willfährigen  Handlangern 
und  hungrigen  Bettlern.  Die  sakrale  Bedeutung  der  Kurienversammlung 
führt  der  Verfasser  an  der  Testamentseinsetzung  und  der  Arrogation 
durch;  ihre  bedeutendste  That  war  aber  die  Verleihung  der  Auspicien. 
Die  Notiz  des  Dionys.  6,  89;  9,  41;  10,  4,  wonach  die  Volkstribunen 
bis  zum  Plebiscit  des  Publilius  Volero  in  Comitia  curiata,  seitdem  in 
comitia   tributa  gewählt  wurden,   erklärt  der  Verfasser  so,  dafs  Volero 


B.  .Staatsgewalt.     2.   Die  Bürgerschaft.  39 

die  Stadtquartiere  als  stininicude  Glieder  zugelassen  uud  damit  das 
Stimmrecht  vom  Grundbesitz  losgemacht  und  zu  einem  allgemeinen  ge- 
staltet habe,  während  vorher  die  Eingesessenen  aller  17  tribus  zuge- 
lassen waren. 

4.  Auctoritas  patrum.  Man  versteht  darunter  den  Akt,  durch 
welchen  der  patricische  Senat  zu  einer  bestimmten  Handlung  seine  Zu- 
stimmung gab,  womit  er  dann  die  moralische  Verantwortung  übernahm. 
So  lang  der  Senat  rein  patricisch  blieb,  waren  Senatsbeschlufs  und  ße- 
schlufs  der  patres  synonym;  sobald  er  durch  die  Teilnahme  der  Plebeier 
Beamten  Versammlung  wurde,  mufste  die  auctoritas  von  seinen  patricisch  en 
Mitgliedern  ausgehen.  Dieselbe  kam  vor  1.  bei  den  comitia  centuriata. 
In  der  patricischeu  Regierung  ist  es  nicht  denkbar,  dafs  der  Konsul 
ohne  vorheriges  Einverständnis  mit  dem  Senat  irgend  einen  erheblicheren 
Antrag  an  die  Komitien  brachte.  Der  Übergangszeit  gehört  der  Antrag 
des  Publilius  Philo  an  »ut  legum  etc.  ante  iuitum  suflfragiura  patres  auc- 
tores  fierent«.  Derselbe  gab  thatsäcblich  der  jetzt  für  die  Aktiousfreiheit 
der  Konsuln  hinderlichen  Institution  eine  Wendung,  wodurch  sie  prak- 
tisch unschädlich  wurde.  Die  Rechtsfolge  der  Nichtigkeit  beim  Fehlen 
der  auctoritas  wurde  nicht  aufgehoben.  Es  wurde  aber  unmöglich,  dafs 
man  sich  jemals  auf  sie  berufen  konnte,  indem  die  patres  verpflichtet 
wurden,  ob  sie  wollten  oder  nicht,  vor  der  Beschlufsfassuug  ihre  auc- 
toritas zu  verleihen.  2.  Bei  dem  Plebiscit.  Einen  noch  tötlicheren 
Schlag  versetzte  dieser  Diktator  den  patres  durch  sein  Gesetz:  »ut  ple- 
biscita  omnes  Quirites  tenerent«.  Das  Plebiscit  verpflichtete  zunächst 
nur  die  plebs;  erst  mit  senatus  auctoritas  konnte  es  Gesetz  für  den  po- 
pulus  werden.  Das  Gesetz  Philos  führte  das  Princip  ein,  dafs  ein 
Plebiscit  ohne  vorgängige  auctoritas  angenommen  werden  konnte,  nur 
dafs  es,  in  der  Erwartung  hinterher  erteilter  auctoritas,  inzwischen 
lediglich  als  eine  auf  die  plebs  beschränkte  Verordnung  gelten  solle. 
Das  Plebiscit  hatte  das  allgemeine  Interesse  zum  Gegenstande  und  setzte 
gemeines  Recht  nur  mit  Entbindung  einer  kleinen  Minderheit.  That- 
säcblich kam  jetzt  die  auctoritas,  obschon  zuweilen  nur  zögernd,  hinter- 
her. Erst  durch  die  lex  Hortensia  erlangte  das  Plebiscit  allgemein 
verbindliche  Kraft.  3.  Bei  den  comitia  curiata.  An  die  auctoritas  bei 
den  comitia  curiata  wagte  sich  Philo  nicht  heran,  da  er  sich  hier  auf 
den  Boden  der  Religion  begeben  hätte;  denn  selbst  bei  Verweigerung 
der  auctoritas  für  die  lex  de  imperio  wurden  religiöse  Gründe  geltend 
gemacht.  Erst  als  582  beide  Konsuln  Plebeier  waren,  wurde  die  auc- 
toritas patrum  auch  für  die  lex  de  irap.  zu  einer  blofsen  Formalität. 
Die  lex  Maenia  bestimmte,  dafs  künftig  die  auctoritas  patrum  für  die 
lex  curiata  gewährt  werden  solle,  bevor  die  Wahl  stattgefunden  habe. 

5.  Lex  censoria.  Die  auf  die  Ernennung  der  Censoren  folgende 
lex  centuriata,  gemeinhin  lex  censoria  genannt,  hat  mit  der  lex  curiata 
de  imp.  nichts  gemein.    Sie  verfügte  die  Ausschreibung  des  Census  und 


40  Römische  Staatsaltertümer, 

hatte,  wenn  gleich  lediglich  Formalität,  soweit  es  die  Gutheifsung  durch 
die  Volksversammlung  betraf,  einen  wichtigen  Inhalt,  da  sie  eine  Reihe 
organischer  Bestimmungen  enthielt.  Für  magistratus  minores  bestand 
keine  lex  curiata.  Gegen  diese  letztere  Behauptung  spricht  manches; 
sie  kann  noch  nicht  für  erwiesen  gelten,  namentlich  da  der  Begriff  der 
magistratus  minores  schwankt. 

fimile  Morlot,  Les  comices  electoraux  ä  Rome  sous  les  reis  et 
sous  la  republique.     Paris  1884. 

Der  Verfasser  erörtert  im  ersten  Kapitel  den  Ursprung  der  Stadt. 
Eigentümlich  sind  hier  folgende  Ansichten.  Die  Gentilen  sind  am  An- 
fange der  römischen  Geschichte  diejenigen  Personen,  welche  man  später 
in  nicht  freigeborenen  Familien  Agnaten  nennt;  später  bezeichnet  man 
mit  diesem  Ausdrucke  alle  Glieder  ein  und  derselben  bürgerlichen  Fa- 
milie ohne  Rücksicht  auf  ihren  Ursprung,  Alle  gentes  setzen  das  Bürger- 
recht voraus,  und  wenn  eine  Familie  Aufnahme  unter  die  gentes  Ro- 
manae  findet,  erlangt  sie  damit  das  römische  Bürgerrecht.  Alle  später 
hinzugekommenen  Bewohner  Roms  haben  nicht  das  Bürgerrecht,  bis  sie 
Servius  TuUius  in  den  Staat  aufnimmt;  erst  da  setzt  sich  eine  gesetz- 
liche Unterscheidung .  zwischen  den  beiden  Ständen  fest.  Die  Altbürger 
sind  die  Patricier,  die  Bürger  aus  der  Zeit  des  Servius  die  Plebeier. 
Klienten  und  Plebs  sind  verschiedene  Dinge.  Die  Klientel  ist  eine  ur- 
alte italienische  Einrichtung  und  von  den  Einwanderern  nach  Rom  mit- 
gebracht; die  Zahl  der  von  Hause  mitgebrachten  Klienten  wurde  ver- 
mehrt durch  Eingeborene,  deren  Land  okkupiert  wurde,  durch  Einwan- 
derer, welche  diese  Stellung  ihrer  Isoliertheit  vorzogen,  endlich  durch 
die  Freilassung  von  Sklaven,  deren  Stellung  infolge  der  Freilassung 
eine  andere  als  zur  Zeit  der  Republik  und  ungefähr  die  der  Klienten 
war.  Dieser  politische  Charakter  der  Klientel  ging  mit  Servius  verloren 
und  es  entwickelt  sich  au  seiner  Stelle  ein  Schutzverhältnis.  Bezüglich 
des  Ursprungs  der  Plebs  schliefst  sich  der  Verfasser  Niebuhr  an;  auch 
ist  er  der  Ansicht,  dafs  in  der  älteren  Zeit  dieselbe  keinen  Teil  des 
römischen  Volks  bildete;  sie  durfte  nicht  einmal  in  der  Stadt  auf  dem 
Palatin  wohnen,  sondern  war  auf  den  Caelius  und  den  Raum  zwischen 
Kapitol  und  Aventin  beschränkt.  Vermehrt  wurde  die  Zahl  der  Plebeier 
durch  Überführung  der  Bevölkerung  eroberter  Städte  nach  Rom  und 
durch  fremde  Zuwanderer.  Nachher  suchen  die  Könige  bei  ihr  eine 
Stütze  und  bestreben  sich,  ihr  das  Bürgerrecht  zu  verschaffen. 

Im  zweiten  Kapitel  werden  die  Kuriatkomitien  behandelt.  In  einer 
längeren  Polemik  sucht  der  Verfasser  gegen  Mommsen  zu  erweisen, 
dafs  es  in  den  Kuriatkomitien  nur  Patricier,  nie  Plebeier  gegeben  hat. 
Ich  will  dem  Verfasser  nicht  in  seine  Beweisführung  folgen,  aber  ein 
Irrtum  ist  so  grob,  dafs  ich  ihn  nicht  übergehen  kann.  Er  meint,  es 
sei  doch   gar   nichts   Wunderbares   dabei,   dafs   die  Patricier   ihre  Ver- 


B,    Staatsgewalt.    2.   Die  Bürgerschaft.  41 

sammlungea  nur  für  sich  behalten  und  den  Plebeiern  keinen  Zutritt  ge- 
währt hätten,  da  auch  die  Plebeier  ihre  eigenen  Versammlungen  gehabt 
hätten.  Mit  dem  kleinen  Unterschiede,  dafs  nach  der  Überlieferung  die 
Kuriatkomitien  Beschlüsse  für  den  gesamten  Staat,  die  concilia  plebis 
nur  solche  in  Sonderaugelegenheit  der  Plebs  fafsten.  Ebenso  ist  seine 
Behauptung,  dafs  nur  Patricier  und  Klienten  den  populus  bildeten, 
eben  —  Behauptung.  Und  von  diesem  populus  hatten  nur  die  Patricier 
Stimmrecht,  während  die  Klienten  nur  eine  berateude  Rolle  spielten! 
Der  Verfasser  raüfste  doch  irgendwo  iu  der  Welt  einmal  eine  Einrich- 
tung finden,  iu  der  ein  rechtloser  Bevölkerungsteil  beratende  Thätigkeit 
übte.  Der  Patron  konnte  nach  des  Verfassers  Meinung  die  Ansicht  der 
Klienten  einholen,  aber  er  allein  stimmte.  Je  patriarchalischer  man  sich 
die  Dinge  denkt,  desto  unmöglicher  erscheint  eine  solche  Einrichtung. 
Die  Berufung  durch  den  rex  sacrorum  stellt  der  Verfasser  als  das  Ge- 
wöhnliche dar;  es  war  höchstens  eine  seltene  Ausnahme;  denn  in  allen 
Fällen,  wo  sich's  um  passive  Assistenz  handelte,  berief  sie  der  pontifex 
maximus,  in  denjenigen,  wo  die  lex  de  imp.  gegeben  werden  sollte,  der 
Konsul  oder  Diktator.  Das  Recht  der  Königswahl  vindiciert  der  Ver- 
fasser den  Kuriatkomitien  mit  grofser  Entschiedenheit;  ja  er  weifs  ganz 
bestimmt,  dafs  in  der  Verfassung  die  Monarchie  nicht  erblich  war,  son- 
dern einfach  auf  einen  anderen  Gewählten  überging.  Ob  diese  Frage 
sich  so  leicht  entscheiden  läfst?  Der  Verfasser  thut  bisweilen,  als  ob 
er  der  Überlieferung  gegenüber  sehr  skrupulös  sei.  Warum  hat  er  sie 
in  dieser  Frage  nicht  beachtet  und  zwischen  später  Konstruktion  und 
den  Spuren  alter  Zustände  geschieden? 

Kapitel  3  beschäftigt  sich  mit  den  Centuriatkomitien.  Der  Ver- 
fasser wendet  sich  gegen  die  Ansicht,  dafs  Servius  blofs  eine  militärische 
Reform  durchgeführt  habe;  die  Gründe  sind  weder  neu,  noch  beweis- 
kräftig. Die  sex  suffragia  waren  nach  des  Verfassers  Ansicht  rein  pa- 
tricisch  und  öffneten  sich  erst  mit  dem  Senate  den  Plebeiern  (Mitte  des 
vierten  Jahrb.),   und   auch  dann  nur  den  Söhnen  plebeischer  Senatoren. 

Im  Kapitel  4  werden  die  Tributkomitien  dargestellt.  Aus  der 
wenig  Neues  bietenden,  aber  gut  zusammenfassenden  Darstellung  will 
ich  nur  wenige  Punkte  herausheben.  Der  Verfasser  erklärt  sich  für  den 
persönlichen  Charakter  der  Tribus,  indem  er  namentlich  die  Befugnis 
der  Censoren  betont,  aus  einer  Tribus  in  die  andere  zu  versetzen.  Aber 
diese  Befugnis  charakterisiert  sich  ja  gerade  als  Ausnahme  und  würde 
lediglich  die  Regel  bestätigen.  In  der  Tribus,  in  der  man  Grundbesitz 
besafs,  konnte  man  ein  einflufsreicher  Mann  sein,  sicherlich  war  man 
darin  bekannt.  Alles  dieses  fiel  weg,  wenn  mau  zur  Strafe  in  eine  ver- 
setzt wurde,  in  der  man  nichts  besafs  und  infolge  davon  kein  Ansehen 
und  keinen  Eiuflufs  erlangen  konnte.  Wenn  der  Verfasser  die  Notiz, 
dafs  die  Tribunen  ursprünglich  in  Kuriatkomitien  gewählt  wurden,  ver- 
wirft,  so  bleibt  er  sich  konsequent;   aber  er  hätte  sich  nicht  verhehlen 


42  Römische  Staatsaltertümer. 

sollen,  dafs  er  genau  den  Fehler  macht,  den  er  so  oft  Mommsen  vor- 
wirft, dafs  er  gegen  die  Überlieferung  handelt  und  im  Cirkel  beweist; 
denn  er  sagt,  diese  Notiz  kann  nicht  richtig  sein,  weil  die  Plebeier  nie 
in  den  Kurien  waren.  Das  ist  aber  doch  mindestens  eine  Streitfrage, 
und  der  Verfasser  hat  bei  weitem  dieselbe  nicht  entschieden.  Übrigens 
hat  er.  Momrasens  Ansicht  über  die  Wahl  der  Tribunen  in  concilia  plebis 
nicht  verstanden.  Zwischen  comitia  tributa  und  concilia  plebis  erkennt 
er  keinen  Unterschied  an.  In  beiden  hatten  Patricier  und  Plebeier  ganz 
gleiche  Rechte.  Aber  die  Patricier  wohnten  anfangs  den  Tribusversamm- 
lungen  nicht  bei,  und  die  Tribunen  konnten  sie  nicht  zur  Teilnahme 
zwingen,  sowenig  als  sie  sie  ausschliefseji  konnten.  Erst  als  in  den 
Tribusversammlungen  feindliche  Tendenzen  gegen  das  Patriciat  sich 
geltend  machten,  begannen  die  Patricier  denselben  anzuwohnen;  sie 
konnten  es,  weil  sie  auch  Mitglieder  der  Tribus  waren.  Erst  durch  die 
lex  Valeria  Horatia  von  449  erhalten  die  Tribusversammlungen  eine  an- 
erkannte Thätigkeit;  sie  heifsen  jetzt  comitia  tributa;  aber  beide  Aus- 
drücke concilia  plebis  und  comitia  tributa  sind  vollständig  synonym  und 
bedeuten  die  Volksversammlung,  Patricier  und  Plebeier,  die  nach  Tribus 
stimmen.     Diese  ganze  Partie  ist  eine  der  besten  im  ganzen  Buche. 

Kapitel  5  beschäftigt  sich  mit  der  Reform  der  Centuriat-Komitien, 
die  nach  des  Verfassers  Ansicht  demokratischen  Charakter  hat.  Bezüg- 
lich der  Censussummen  schliefst  er  sich  Belot  an. 

Im  sechsten  Kapitel  wird  die  Kompetenz  der  W^ahlversammlungen 
dargestellt  nach  den  Magistraten,  die  gewählt  wurden,  und  nach  den 
Befugnissen  der  einzelnen  Versammlungen  zu  diesen  Magistratswahlen; 
alle  diese  Dinge  sind  bekannt  und  werden  nur  in  praktischer  und  klarer 
Weise  zusammengestellt.  Ebenso  wenig  bietet  der  dritte  Abschnitt 
über  die  Wählbarkeit  zu  den  verschiedenen  Ämtern  und  der  vierte 
über  Stimmenkauf  und  die  Befugnisse  der  Komitien -Präsidenten  irgend 
etwas  Neues. 

C.    Die  Staatsverwaltung. 

1.     Organisation    des    Reichs. 

Alois   vonBrinz,  Zum  Begriff  und  Wesen   der  römischen  Pro- 
vinz.    Festrede.     München  1885. 

Die  Folge  der  devictio  d.  h.  der  vollendeten  Niederwerfung  im 
Kriege  ist  für  den  Besiegten  die  Sklaverei  und  der  Verlust  seiner  Habe 
an  den  Sieger.  Die  erstere  Folge  wird  abgewandt  durch  deditio  d.  h. 
zuvorkommende  Ergebung;  die  dediticii  behalten  persönliche  Freiheit, 
verlieren  aber  ihr  Eigentumsrecht.  Die  Freiheit,  der  dediticii  ist  die 
schlechteste;  sie  wurden  blofs  unter  die  römische  Botmäfsigkeit,  nicht 
in  die   römische  Civität  aufgenommen,  blieben  also  peregrini;  weil  sie 


C.    Die  Staatsverwaltung.     1.   Organisation  des  Reichs.  4,3 

der  römischen  Botmäfsigkeit  rechtsförmlich  unterworfen  waren,  hatten 
sie  auch  nicht  den  Schein  der  Selbständigkeit,  welcher  den  föderierten 
Peregriuen  gewahrt  blieb;  selbst  über  ihren  Grund  und  Boden,  wenn 
er  ihnen  zurückgegeben  war,  mufsten  sie  den  populus  Romanus  als 
Herrn  und  Eigentümer  gelten  lassen  und  durch  Steuern  und  Abgaben 
anerkennen.  Die  Föderation  ist  dem  Wortlaute  nach  keine  Unterwerfung; 
selbst  das  »ungleiche  Bündnis«  wahrt  dem  Genossen  seine  souveräne 
Selbständigkeit.  Allein  auch  das  «gleiche  Bündnis«  wird  zur  Unter- 
thänigkeit,  wo  dem  gleichen  Bündnisse  nicht  die  gleiche  Macht  entspricht. 
Beweis  dafür  ist,  dafs  alle  Bundesgenossen,  welche  Rom  in  und  aufser 
Italien  an  sich  angeschlossen  hatte,  im  Laufe  der  Zeit  dem  römischen 
Reiche  einverleibt  wurden.  Von  einer  italischen  Eidgenossenschaft  kann 
man  nicht  reden,  da  die  verbündeten  italischen  Städte  wohl  alle  mit 
Rom,  nicht  aber  unter  einander  verbündet  waren  und  Rom  wohl  mit 
allen  gegen  jede  einzelne,  nicht  aber  jede  einzelne  mit  allen  anderen 
gegen  Rom  stand.  Unter  Reception  versteht  man  die  Aufnahme  in  die 
römische  Bürgergemeinde,  unter  Deduktion  die  Aufnahme  in  die  Kolonieen; 
bei  der  ersteren  werden  bisher  latinische  oder  schlechthin  peregrinische 
Gemeinden  in  den  populus  Romanus  aufgenommen,  bei  der  zweiten 
Bruchteile  der  römischen  Gemeinde  aus  dieser  räumlich  ausgeschieden. 
Reception  und  Deduktion  sind  übrigens  eine  ganz  andere  Propagation 
der  römischen  Herrschaft  als  Deviktion  und  Dedition,  ja  selbst  als  Föde- 
ration ;  durch  diese  wird  das  Territorium  und  die  Masse  der  Unterthaneu 
vergröfsert;  durch  jene  wächst  umgekehrt  das  herrschende  Volk  und 
die  Befestigung  seiner  Macht. 

Das  Wesen  der  Provinz  ist  nicht  in  einer  besonderen,  bisher  noch 
nicht  genannten  Form  der  Unterwerfung  zu  suchen.  Deviktion  und  De- 
dition haben  der  Römerherrschaft  in  den  nachmaligen  Provinzen  genau 
so  Bahn  gebrochen,  wie  in  Italien;  föderierte,  recipierte  und  deducierte 
Gemeinden  und  Städte  giebt  es  dort  genau  so  wie  in  Italien.  Aber 
nicht  nur  die  Wege,  auf  denen  Rom  über  Italien  und  die  Provinzen  zur 
Herrschaft  gelaugte,  und  die  Unterschiede  der  Aktiv-  und  Passivbürger- 
schaften mit  ihren  Abstufungen  sind  hier  und  dort  dieselben  gewesen; 
auch  sonst  waren  Land  und  Leute  in  den  Provinzen  von  denen  in  Italien 
nicht  wesentlich  verschieden. 

Als  Bestandteile  des  jus  italicum  werden  seit  Savigny  gewisse 
Qualitäten  des  Bodens  betrachtet;  der  italische  Boden  ist  steuerfrei, 
und  er  ist  dem  quiritischen,*  wir  können  sagen  dem  vollen  Eigentum  zu- 
gänglich. Ebenso  sicher  ist  der  Provinzialboden  stipendiarisch  oder 
tributär  und  Gegenstand  einer  Art  geteilten,  dem  populus  Romanus  als 
Obereigentümer  unterworfenen  Eigentums.  Man  hat  nun  die  Steuer- 
freiheit aus  dem  Volleigentum  folgern  und  so  wenigstens  der  Steuer- 
freiheit des  italischen  Bodens  den  Anschein  innerer  Notwendigkeit  geben 
zu  können  vermeint;  dadurch  wird  das  Gegenteil  der  Steuerfreiheit  von 


44  ßömische  iStaatsaltertümer. 

selbst  zum  Attribut  von  Provinzialboden,  denu  solcher  ist  ja  nicht  voll- 
eigen.  Aber  zwischen  Steuer  und  Steuer  ist  ein  Unterschied.  Die  eine 
Art  wurzelt  im  Eigentum,  hat  die  Natur  eines  Pachtzinses  und  ist  mit- 
hin eine  nur  bei  geteiltem  Eigentum  denkbare,  dem  Volleigen  unmöglich 
aufliegende  Last.  Diese  Steuer  kann  man  mit  dem  in  geteiltem  Eigen- 
tum stehenden  Provinzialboden,  die  Freiheit  von  ihr  mit  dem  im  Voll- 
eigentum der  Bürger  stehenden  italischen  Grund  und  Boden  in  Zu- 
sammenhang bringen.  Die  andere  dagegen  wurzelt  in  der  Staatshoheit 
und  ist  ein  munus  d.  h.  eine  Leistung,  die  dem  Einzelnen  im  Interesse 
der  Gesamtheit  von  den  Machthabern  auferlegt  wird.  Von  dieser  ist 
principiell  keine  Person,  kein  Boden  und  kein  Eigentum  ausgenommen; 
von  ihr  ist  Italien  Jahrhunderte  lang  belastet,  von  Rechtswegen  wohl 
niemals  frei  gewesen,  da  das  tributum  wahrscheinlich  nur  seit  dem  make- 
donischen Kriege  geruht  hat  und  von  Hirtius  und  Pansa  lediglich  dessen 
Erhebung  wieder  befohlen  worden  ist.  So  wenig  wie  von  dieser  publi- 
cistischen  Steuer  ist  aber  Italien  von  der  anderen  privatrechtlichen 
grundsätzlich  frei  gewesen.  Freilich  die  Republik  hatte,  nachdem  durch 
die  agrarische  Gesetzgebung  der  ager  publicus  bis  aufs  letzte  aufgeteilt 
war,  in  Italien  keinen  Bodenzins  mehr  zu  verlangen.  Allein  es  gab  Ge- 
meinden, Stiftungen  und  Korporationen,  deren  Grundeigentum  in  ähn- 
licher Weise  wie  das  stipendiarische  und  tributarische  Grundeigentum 
des  Staates  in  den  Provinzen  gegen  Bodenzins  ausgethan  war;  vor  der 
Aufteilung  der  italischen  Staatsländereien  aber  waren  diese  gröfstenteils 
auch  gegen  vectigal  verliehen  und  so  gewissermafsen  auch  stipendiarisch 
gewesen,  nur  dafs  dieses  tributum  nicht  eingehoben  wurde  —  ähnlich 
wie  das  andere.  Es  mufs  aber  auch  in  Italien  dediticische  Ländereien 
gegeben  haben,  und  Spuren  davon  finden  sich  Liv.  8,  11;  Tac  ann.  11,  22. 
Wenn  dieselben  nicht  zahlreicher  sind,  so  erklärt  sich  dies  teilweise 
daraus,  dafs  in  Italien  mehr  Land  schlechthin  eingezogen,  in  den  Pro- 
vinzen überwiegend  mehr  an  die  alten  Besitzer  zurückgegeben  wurde. 
Die  Annahme,  dafs  es  in  Italien  niemals  stipendiarischen,  an  den  po- 
pulus  Romanus  zinspflichtigen  Boden  gegeben  habe,  wird  durch  die 
Feldmesser  widerlegt,  welche  den  Boden  nach  seiner  rechtlichen  Qua- 
lität sortiert  haben. 

So  wenig  aber  wie  das  italische  trug  das  provinziale  Erdreich 
eine  Eigenschaft  an  sich,  die  es  mit  was  immer  für  einer  Bodenart 
(agrorum  conditio)  unverträglich  machte.  In  der  ersten  Kaiserzeit  war 
aller  Provinzialboden  stipendiarisch ;  dies  läfst  sich  aus  Columella  v.  v.  3,  3 
Agum.  Urb.  ed  Lachm.  S.  4  und  Gai.  2,  7,  21  folgern.  Aber  man  kann 
nicht  daraus  schliefsen,  dafs  ihm  diese  Qualität  stets  und  notwendig 
eigen  gewesen  sei,  wenn  man  bedenkt,  dafs  noch  während  des  Principats 
derselbe  wenigstens  in  Ansehung  der  Grundsteuer  dem  italischen  Boden 
gleichgemacht,  dafs  durch  die  bereits  von  Augustus  vorbereitete  Capi- 
tatio,  eine  dem  Bodeuzins  nachgeahmte,  als  Staatslast  aber  eingeführte 


C.   Die  Staatsverwaltung.     1.    Organisation  des  Reichs.  45 

Grundsteuer  der  Boden  des  ganzen  Reichs  bedeckt  und  die  stipen- 
diarische Eigenschaft  des  Provinziaibodens  aufgesogen  wurde.  Aber  es 
ist  sehr  zu  bezweifeln,  dafs  Columella  und  Gaius  auch  nur  für  ihre  Zeit 
allen  und  jeden  Boden  in  den  Provinzen  als  bodenzinspflichtig  bezeichnet 
haben;  sie  haben  vieiraehr  blofs  a  potiori  gesprochen  oder  ihre  Mittei- 
lungen von  einem  engeren  Gesichtspunkte  aus  gemacht  haben  wollen. 
Der  Boden  der  föderierten,  der  freien  und  immunen  Städte  der  römi- 
schen Municipien  und  Kolonieen  wird  an  und  für  sich  abgabenfrei  zu 
denken  sein.  Der  Ausweg,  dafs  alle  innerhalb  einer  Provinz  gelegenen 
nicht  zinspflichtigen  Städte  von  der  Provinz  exempt  und  also  Enklaven 
derselben  gewesen  seien,  wird  durch  die  direkten  Angaben  des  Cicero 
und  Plinius  widerlegt.  Wie  mit  der  Steuerfreiheit  verhält  es  sich  auch 
mit  dem  quiritischen  Eigentum  an  Grund  und  Boden.  Gewifs  besteht 
ein  solches  an  dem  Provinzialboden,  soweit  er  an  den  populus  Romanus 
zinspflichtig  ist,  seitens  seiner  Besitzer  nicht.  Ebenso  sicher  erscheint 
umgekehrt  der  fundus  Italiens  in  der  klassischen  Jurisprudenz  als  res 
mancipi  der  usucapio  und  irgend  welchen  eigentümlichen  Kontrakten 
unterworfen;  allein  wenn  Volleigen  mit  dem  Provinzialboden  unvereinbar 
gewesen  wäre,  wie  hätte  das  ins  italicura,  in  welchem  jenes  Volleigen 
an  Grund  und  Boden  enthalten  ist,  an  Provinzialgemeinden  verliehen 
werden  können?  Auch  hier  mufs  man  zunächst  an  die  römischen  Bürger 
in  den  Provinzial-Municipien  und  Kolonieen  denken;  sollte  deren  Boden 
geringeren  Rechts  sein  als  seine  Herren?  Umgekehrt  ist  allerdings  zur 
Zeit  der  klassischen  Juristen  der  fundus  Italiens  durchweg  res  mancipi 
und  also  quiritischen  Rechtes  gewesen.  Wahrscheinlich  wurde  zugleich 
mit  der  Civität  den  noch  peregrinischen  Italikern  quiritisches  Eigentum 
an  ihrem  teils  freien,  teils  stipendiarischen  Boden,  letzterem  als  Boden- 
zinsfreiheit, verliehen.  Eben  damit  ist  aber  auch  gesagt,  dafs  vor  der 
Bürgerrechtsverleihung  an  die  Italiker  auch  der  fundus  italicus  nicht  in 
der  nachmaligen  Ausdehnung  Bürgerrecht  und  also  ins  Quiritium  gehabt 
haben  kann.  Die  Mancipation,  welche  ins  proprium  civium  Romanorum 
ist,  kann  unmöglich  von  jeher  allem  italischen  Boden  zugänglich  ge- 
wesen sein;  denn  nur  allmählich  und  spät  gelangten  seine  Insassen  zum 
römischen  Bürgerrecht;  ja  nur  sehr  allmählich  erstreckte  sich  der  Name 
Italien  über  die  ganze  Halbinsel.  Das  ins  italicum  ist  also  kein  Original- 
produkt, sondern  das  der  Stadt  Rom  ursprünglich  exklusiv  eigene  Recht, 
das  im  ersten  Schuhe  auf  das  peregrinische  Italien,  im  zweiten  auf  die 
peregrinischen  Länder  und  Völker  der  Provinzen  erstreckt  wurde;  es 
ist  ein  Symptom  herannahender  Gleichstellung  Italiens  mit  den  Provinzen. 
Das  Wesen  der  Provinz  und  ihr  Gegensatz  zu  Italien  erklärt  sich, 
wenn  man  die  Inhaber  des  imperium  Romanum  betrachtet.  Man  findet 
es  in  der  Republik  bei  Propraetoren  und  Prokonsuln,  in  der  Kaiser- 
zeit bei  legati  pro  praetore  und  bei  Prokonsuln.  Schon  sprachlich  er- 
scheinen die  Inhaber   des  imperium   als  Ableger  der  Konsuln  und  Prä- 


46  Römische  Staatsaltertümer. 

toren.  Und  in  der  That  ist  in  ihnen  das  imperium  Romanum,  verjüngt, 
über  Italien  und  die  Stamm-Magistraturen  des  Konsulats  und  der  Prätur 
hinaus  erstreckt  und  weiter  verzweigt  worden.  Bevor  es  zur  Aufstellung 
der  Promagistratur  kommt,  ist  kein  unterworfenes  Land  Provinz.  Unter 
in  formam  provinciae  redigere  versteht  man  vor  Allem  Aufstellung  dieser 
Promagistratur  und  Abgrenzung  und  Feststellung  ihres*  Gebiets.  So 
definiert  Brinz  die  Provinzen  als  eine  Propagation  der  römischen 
Magistratur.  Dafs  an  ihren  Grenzen  die  Herrschaft  der  original- 
römischen Magistratur  aufhört,  dagegen  so  viel  Abbilder  derselben,  als 
Provinzen  sind,  innerhalb  ihrer  das  Szepter  führen,  macht  in  der  alten 
Zeit  das  Wesen  der  Provinz  aus.  Mit  diesem  besteht  sie  fort,  so  lange 
nicht  Italien  selbst  zur  Provinz  geworden  und  damit  die  Provinz  der 
alten  Art  untergegangen  ist;  die  diokletianischen  Provinzen,  und  schon 
früher  die  provinciae  Caesaris  sind  nicht  mehr  die  alten.  Denn  die  re- 
publikanischen Prokonsuln  und  Proprätoren  sind  Regenten,  die,  einmal 
gewählt,  ihre  Macht  gleicli  Konsuln  und  Prätoren  zu  eigenem  Rechte 
(iure  suo)  haben;  eigenes  Recht  hat  in  der  späteren  Zeit  aber  nur  der 
princeps. 

Paul  Monceaux,   De  Communi  Asiae  provinciae  {Kocvöv  'Aaiag). 
Diss.     Paris  1885. 

Die  Schrift  zerfällt  in  drei  Teile;  im  ersten  wird  über  die  Er- 
richtung des  xoivov  'Am'ag  und  die  in  dieser  Einrichtung  im  Laufe  der 
Zeit  eingetretenen  Veränderungen  gesprochen,  während  der  zweite  sich 
mit  den  gemeinsamen  Kultstätten,  Priestern,  Asiarchen,  ■  Kassenwesen, 
Spielen  und  Landtagen  beschäftigt.  Im  dritten  wird  die  Auflösung  des 
xotvov  und  die  Errichtung  kleinerer  Vereinigungen  dargelegt. 

Die  Erweisung  göttlicher  Ehren  war  bezüglich  der  Stadt  Rom 
und  der  römischen  Feldherren  schon  lange  Brauch.  Augustus  gestattete 
dieselbe  für  seine  Person  nur  in  Vereinigung  mit  der  Stadt  Rom;  der 
erste  Tempel  des  Augustus  und  der  Roma  ist  735/19  v.  Chr.  in  Pergamum 
errichtet  worden;  zu  gleicher  Zeit  wurden  Landtage  und  Spiele  einge- 
richtet, welche  letzteren  von  Asiarchen  geleitet  wurden;  auch  das  Com- 
mune Asiae  findet  sich  schon  auf  Münzen  des  Augustus  mit  irap.  IX 
tr.  pot.  V.  Bis  auf  Hadrian  lassen  sich  wesentliche  Änderungen  in 
diesen  Einrichtungen  nicht  nachweisen;  aber  dieser  Kaiser  und  Antoninus 
Pius  erweiterten  die  Befugnisse  des  xoivuv^  lockerten  aber  zugleich  den 
festen  Zusammenhang.  Bis  auf  diese  Zeit  war  der  Neokorat  Ephesus 
für  die  julische  und  Smyrna  für  die  flavische  Gens  zugestanden  worden; 
unter  letzteren  beiden  Fürsten  aber  erhalten  Cyzicus,  Philadelphia, 
Sardes,  Nysa,  Pergamum  die  Ehre  des  ersten,  Ephesus  und  Pergamum 
die  dos  zweiten  Neokorats,  d.  h.  in  allen  diesen  Städten  wurden  sodales 
Hadrianales  eingesetzt;  damit  wurde  aber  die  Auflösung  in  selbständige 
Provinzen  eingeleitet.    Am  Ende  des  zweiten  und  im  Anfang  des  dritten 


C.    Die  Staatsverwaltung.     1.    Organisation  des  Reichs.  47 

Jahrhunderts  geht  dieser  Prozefs  weiter  und  es  finden  sich  in  Milet, 
Pergamum,  Srayrna,  Cadi,  Thyatira,  Trallcs,  Sardes,  Augusta  Caesarea, 
Aphrodisias  municipale  Festspiele  zu  Ehren  der  Kaiser  eingerichtet. 
Wahrscheinlich  auf  die  Verehrung  durch  sodales  Autoniniani  beziehen 
sich  die  Verleihungen  des  Neokorats  an  Laodicea.  Acmonia,  Milet, 
Tralles  (erstes  Neokorat),  Sardes,  Smyrna  (zweites  Neokorat).  Ephesus 
und  Pergamum  (drittes  Neokorat)  durch  Septimius  Severus  und  Cara- 
calla.  Sardes  wird  durch  Severus,  Pergamum,  Lampsacus,  Cyzicus 
durch  Caracalla  mit  dem  Ehrentitel  metropolis  beschenkt.  Die  Zer- 
schlagung Asiens  in  Provinzen,  unter  Diokletian  durchgeführt,  ist  seit 
Caracalla  angebahnt. 

Der  Neokorat  bezog  sich  nach  des  Verfassers  Ansicht  nicht  auf 
den  Provinzialkult  des  Augustus  und  der  Roma,  sondern  lediglich  auf 
die  municipale  Verehrung  bestimmter  Kaiser.  Bekanntlich  haben  nur 
wenige  Städte  Asiens  das  Recht  gehabt,  sich  vEcoxöpot  zu  nennen;  da- 
gegen sind  Asiarchen  und  Provinzial- Priester  aus  Städten  bekannt,  die 
sich  nie  vewxopot  nennen.  Und  da  in  Lyon  60  Städte  Abgeordnete  zu 
dem  Provinzialkult  sandten,  so  ist  nicht  denkbar,  dafs  in  dem  reich 
entwickelten  Städtewesen  Asiens  nur  10—12  Städte  dieses  Recht  ge- 
nossen haben  sollten.  Ebenso  wenig  hiefsen  die  Städte  vtujxopoc,  welche 
gemeinsame  Stätten  des  Provinzialkultus  in  ihren  Mauern  hatten.  Denn 
die  Städte,  welche  den  Neokorat  besitzen,  fallen  durchaus  nicht  mit  den- 
jenigen zusammen,  welche  die  gemeinsamen  Spiele  in  ihren  Mauern 
feierten;  auch  hiefsen  die  betreffenden  Städte  nie  vzcoxopot  des  Augustus 
und  der  Roma,  sondern  der  Augusti  oder  eines  einzelnen  Augustus; 
endlich  liefse  sich  bei  jener  Annahme  nicht  erklären,  .wie  Qinige  Städte 
den  zweiten,  dritten,  vierten  Neokorat  besitzen  konnten.  Dazu  kommt 
die  Analogie  von  Afrika,  Spanien  und  der  Hauptstadt,  wo  überall  Mu- 
nicipalkulte  der  Divi  bestehen.  Auch  haben  sich  schon  vor  der  römi- 
schen Eroberung  einzelne  Städte  als  vecoxopoc  z.  B.  der  Artemis  be- 
zeichnet, offenbar  um  dadurch  einen  eigenen  Kult  der  betreffenden  Stadt 
anzuzeigen.  Der  Neokorat  wurde  durch  SC  verliehen;  im  ersten  Jahr- 
hundert war  diese  Verleihung  selten,  im  zweiten  und  dritten  wird  sie 
ziemlich  häufig.  Der  Zahl  der  Neokorate  entsprach  die  Zahl  der  Tempel, 
was  sich  besonders  deutlich  auf  den  Münzen  ausspricht,  wo  mit  olg 
vsüjxopojv  zwei,  mit  rplg  drei  Tempel  verbunden  sind.  Wie  der  Ver- 
fasser in  einer  übersichtlichen  Zusammenstellung  erweist,  wurden  im 
zweiten  und  dritten  Jahrhundert  die  Rechte  des  Neokorats  meist  den 
Städten  bewilligt,  in  denen  die  Gerichtstage  gehalten  und  die  Cistophoren 
geschlagen  wurden. 

Zu  dem  xocvov  'Aacag  gehörten  alle  Stadtbezirke  (civitates)  der 
Provinz;  die  Zahl  derselben  betrug  aber  nicht  XLIV,  wie  die  Chronik 
des   Cassiodorius   berichtet,   sondern  wahrscheinlich    144.     Jeder   Stadt- 


48  Römische  Staatsaltertümer. 

bezirk  schickte  nach  seiner  Gröfse  einen  oder  zwei  Abgeordnete;  die 
Zahl  derselben  berechnet  der  Verfasser  auf  ungefähr  200. 

Im  zweiten  Teile  weist  der  Verfasser  zunächst  nach,  dafs  es  ge- 
meinsame Tempel  asiatischer  Stadtbezirke  schon  vor  Augustus  gab;  er 
vermutet,  dafs  die  Einrichtung  von  Augustus  nur  feste  Formen  erhielt. 
Alsdann  zeigt  er,  dafs  gemeinsame  Tempel  der  Provinz  fast  nur  in  den 
Orten  errichtet  wurden,  welche  zugleich  Gerichtsstätten  und  Münzstätten 
waren.  In  Lydien  sind  dies  Ephesus,  Smyrna,  Sardes,  Tralles?  und 
Philadelphia  (letztere  Stadt  hat  keine  Münzstätte),  in  Phrygien  Laodicea 
und  Synnada  (letztere  ohne  Münzstätte),  in  Mysien  Pergamum,  Cyzicus, 
Lampsacus  (?)  (letzteres  ohne  Gerichts-  und  Münzstätte);  die  meisten 
derselben  erhielten  allmählich  auch  die  Bezeichnung  metropolis ,  welche 
nur  Tralles  und  Laodicea  fehlt.  Wären  unsere  Nachrichten  nicht  so 
lückenhaft,  so  würde  sich  dieser  Zusammenhang  noch  häufiger  nach- 
weisen lassen.  In  diesen  Städten  wurden  abwechselnd  die  Festspiele 
und  Landtage  abgehalten. 

Diese  Tempel  hatten  eigene  Priester,  dp^iepecg  'Amag  oder  vaou 
-Ol)  etc  xoivou  rrjg  'Amag;  sie  lassen  sich  nachweisen  in  Ephesus,  Smyrna, 
Sardes,  Pergamum  und  Cyzikus;  doch  werden  sie  in  den  übrigen  Städten 
nicht  gefehlt  haben.  Man  darf  sie  nicht  mit  dem  Oberpriester  von 
Asien  und  mit  municipalen  apyieozlg  verwechseln.  Sie  wurden  wahr- 
scheinlich vom  Provinziallandtage  gewählt;  vermutlich  befanden  sie  sich 
alle  in  einer  gewissen  Unterordnung  unter  der  iBpcoaovrj  xocvy]  rr^g  'Aairxg 
oder  der  dp^cspojcruvrj  toTj  nav-hg  iBvoug.  Man  berücksichtigte  bei  diesen 
Priesterstellen  vor  Allem  die,  welche  schon  in  ihrer  Heimat  eine  Priester- 
schaft der  Divi  bekleidet  hatten.  Ihre  Funktion  knüpfte  sich  an  die  be- 
treffenden Tempel,  welche  sehr  bedeutende  Mittel  besafsen,  und  auch 
bei  den  Festspielen  waren  sie  beteiligt.  Vielleicht  betrug  die  Amts- 
dauer fünf  Jahre. 

Die  Aufsicht  über  alle  Provinzialtempel  und  Provinzialpriester 
hatte  der  Oberpriester  von  Asien  (Ispujauvrj  xotvrj  zr^g  Aaiag^  dp'/t£puj- 
auvrj  -zr^g  'Acrcag,  dp/capoxTuvr]  rou  e&voug).  Die  Bewerbung  um  dieses 
Amt  war  sehr  lebhaft,  und  jede  Stadt  sah  es  als  Ehre  an,  wenn  ein 
Priester  aus  ihr  zu  dieser  Stellung  erkoren  wurde.  Doch  konnten  nur 
sehr  reiche  Leute  dieselbe  bekleiden,  und  thatsächlich  wurde  sie  in  be- 
stimmten Familien  erblich.  Im  dritten  Jahrhundert  erblickte  man  in 
demselben  eher  eine  Last,  und  jetzt  wurde  die  Bekleidung  des  Amtes 
für  den  Gewählten  obligatorisch  gemacht.  Römische  Ritter  oder  ge- 
diente Leute  mit  der  honesta  raissio,  oder  Männer,  welche  die  niederen 
Priesterämter  bekleidet  hatten,  scheinen  den  Vorzug  erhalten  zu  haben. 
Der  Landtag  präsentierte  dem  Prokonsul,  später  dem  Kaiser  mehrere 
Kandidaten,  aus  denen  diese  einen  ernannten.  Aufser  dem  eigentlichen 
Kulte  hatten  sie  die  Oberaufsicht  bei  den  Festspielen,  zu  deren  glänzender 
Ausstattung    sie    erheblich    beisteuern  mufsten.     Bis  zum   vierten   Jahr 


C.   Die  Staatsverwaltung.     1.    Organisation  des  Reichs.  49 

hundert  hatten  sie  auch  den  Vorsitz  im  Landtage;  auch  wurde  mannig- 
fach die  Eponymie  auf  sie  gestellt.  In  allen  auf  ihr  Ressort  bezüg- 
lichen Angelegenheiten  durften  sie  dem  Konsilium  des  Statthalters  bei- 
wohnen; auch  wurden  sie  zu  Gesandtschaften  an  die  Kaiser  verwandt. 
Für  ihre  Mühewaltung  erhielten  sie  namentlich  im  vierten  Jahrhundert 
mehrfache  Privilegien.     Wiederwahl  war  zulässig. 

Um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  der  Asiarcha  und  der  Ober- 
priester von  Asien  identisch  waren,  erweist  der  Verfasser  zunächst,  dafs 
die  grofsen  Spiele  der  Provinz  nur  alle  vier  Jahre  gefeiert  wurden.  Bei 
diesen  Spielen  hatte  der  Oberpriester  Asiens  den  Vorsitz  und  heifst  in 
diesem  Falle  Asiarcha.  Die  Asiarchie  war  die  angesehenste  Würde  in 
Asien;  deswegen  gelangten  auch  nur  Männer  aus  den  reichsten  und  an- 
gesehensten Familien  zu  derselben.  Der  Titel  wurde  lebenslänglich  ge- 
führt. Von  den  ungefähr  70  Asiarchen  von  der  Schlacht  bei  Actium  bis 
zum  Tode  Valerians  sind  ungefähr  50  bekannt,  welche  der  Verfasser 
zusammengestellt  hat.  Zum  Oberpriesteramte  in  Asien  gelangte  man 
erst  nach  Bekleidung  der  Municipal-Ämter  und  Priesterstellen,  aber 
auch  nach  Bekleidung  der  unteren  provinzialen  Priestertümer;  schliefs- 
lich  schrieben  die  Kaiser  auch  hier  einen  cursus  bonorum  vor. 

Jährlich  kamen  die  Abgesandten  der  Provinz  zu  dem  Landtage 
und  den  Opfern  und  Gelübden  zusammen  yybnkp  z^g  xoö  ^leßaaroo 
aiozYjpiag  xai  bytsiag  xal  vscxrjg«.,  alle  fünf  Jahre  strömten  dann  die 
Völker  Asiens  zu  den  grofsen  Festspielen  vxoivä  'Aacag«,  die  nur  da 
abgehalten  wurden,  wo  gemeinsame  Heiligtümer  der  Provinz  waren 
(Ephesus,  Smyrua,  Sardes,  Philadelphia,  Tralles,  Laodicea,  Synnada, 
Pergamum,  Cyzicus,  Lampsakus).  Der  Vorsitz  bei  denselben  wech- 
selte in  bestimmter  Folge  und  war  der  Gegenstand  ehrgeizigen  Stre- 
bens;  den  Festzug  führte  der  jedesmalige  Asiarcha;  nach  ihm  kamen 
die  agonothetae,  gymnasiarchae,  xystarchae  und  Kampfrichter,  an  der 
Spitze  der  letzteren  der  npiu&sUrj\^oocxr]g ,  endlich  die  übrigen  Priester 
der  Provinz  und  die  Abgesandten  der  Stadtbezirke,  an  ihrer  Spitze  der 
TtpwTog  'Aacag  d.  h.  der  erste  Mann  in  dem  Landtage.  Die  Festspiele 
waren  nach  dem  Muster  der  olympischen  organisiert;  man  findet  er- 
wähnt dvdpwv  rMyxpdriov,  azädcov,  dvopiuv  oökr/^ov,  dysveciuv  Tiuyiim, 
Ttaloag  nu&ixoug,  nivza^Xov.  Auch  Gladiatorenspiele  und  Tierhetzen  fan- 
den statt,  ebenso  kamen  Künste  und  Wissenschaften  zur  Berücksichti- 
gung.   Zum  Andenken  an  die  Spiele  wurden  Münzen  geschlagen. 

Die  Tempel  waren  reich  an  Grundbesitz  aller  Art,  Statuen,  Gold 
und  Silber,  Sklaven  etc.;  mit  der  Verwaltung  dieses  Besitzes  waren 
eigene  Beamte  oder  Priester  betraut,  die  dem  Landtage  Rechnung  leg- 
ten. Zur  Bestreitung  der  Provinzial-Kult-Bedürfnisse  bestand  eine  eigene 
Kasse,  zu  der  die  einzelnen  Stadtbezirke  Beiträge  leisteten;  auch  für 
diese  Kasse  gab  es  ein  eigenes  Verwaltungs- Personal,  {dpyupozaixcag 
zrjg  'Aaiag). 

Jahresbericht  für  Alterthumswisseaschafr  LII.  (1887.  HI.)  4 


50  Römische  Staatsaltertümer, 

Der  Landtag  trat  in  der  früheren  Kaiserzeit  nur  in  Ephesus  zu- 
sammen, später  überall,  wo  sich  gemeinsame  Tempel  befanden;  er  be- 
stand aus  den  Abgeordneten  der  Stadtbezirke,  deren  Rangordnung  fest- 
stand. Um  den  Vorrang  stritten  Pergaraum,  Ephesus  und  Smyrna.  Den 
Vorsitz  hatte  der  Überpriester  von  Asien.  Der  npwzoQ  'Aac'ag  ist  die 
im  Landtage  angesehenste  Persönlichkeit.  Die  Verhandlungen  wurden 
durch  die  Gelübde  für  den  Kaiser  eingeleitet,  dann  kamen  die  Rech- 
nungsablage für  die  Kulthandlungen  und  -Anstalten,  die  Festsetzung 
der  Beiträge  zur  Provinzialkasse  für  das  nächste  Jahr,  die  Priester- 
wahlen, endlich  sonstige  Angelegenheiten,  wie  Ehrenbeschlüsse  oder  Ta- 
delsvota für  römische  Beamte,  Wahl  von  Gesandtschaften  und  Bestim- 
mung ihrer  Aufträge,  Bauten  u.  ä. ;  am  Schlüsse  wurden  Schriftstücke 
von  anderen  Landtagen  oder  Erlasse  des  Kaisers  verlesen. 

Im  dritten  Teile  wird  die  Auflösung  der  oben  geschilderten  Ord- 
nungen dargelegt.  Dieselbe  wurde  durch  die  Politik  des  dritten  Jahr- 
hunderts herbeigeführt,  welche  darauf  ausging,  die  grofsen  Verwaltungs- 
körper in  kleinere  zu  zerschlagen..  Im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  wer- 
den in  einzelnen  Teilen  der  Provinz  Asien  neue  Landtage  errichtet,  in 
anderen  alte  wieder  ins  Leben  gerufen.  Dies  erweist  der  Verfasser  von 
Jonien,  Lydien,  Karien,  Phrygien,  Mysien,  Lesbos.  Aus  dem  Umstände, 
dafs  die  Städte  Asiens,  welche  im  zweiten  und  dritten  Jahrhundert  den 
Titel  einer  Metropolis  erhielten,  meist  in  Diokletians  Zeit  Metropolen 
der  einzelnen  Provinzen  Asiens  wurden,  schliefst  der  Verfasser,  dafs  in 
der  Verleihung  nicht  blos  die  Befriedigung  des  Ehrgeizes  erstrebt  wurde, 
sondern  dafs  hier  Beziehungen  zu  den  verschiedenen  Nationalitäten 
mafsgebend  waren.  Über  die  Landtage  wissen  wir  nach  dem  Ausgange 
des  dritten  Jahrhunderts,  aufser  dafs  sie  noch  vorhanden  waren,  wenig; 
ebenso  sind  unter  Maximinus  und  Julianus  Priester  der  Provinzen  vor- 
handen. Aber  beide  haben  jetzt  nichts  mehr  mit  einander  zu  schaffen, 
sondern  die  einen  sind  blos  für  politische,  die  anderen  blos  für  reli- 
giöse Angelegenheiten  bestimmt;  die  Festspiele  sind  jetzt  lediglich  Sache 
der  Landtage.  Diese  Behauptung  möchte  indes  doch  zu  weit  gehen, 
denn  das  Feriale  für  Campanien  vom  22.  November  387  ordnet  die  Feste 
dieser  Provinz  und  ist  an  den  sacerdos  Romanus  gerichtet  (Mommsen, 
Ber.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1850  S.  62  ff.).  Die  von  dem  Verfasser 
über  die  Landtage'  angeführten  allgemeinen  kaiserlichen  Edikte  enthal- 
ten nicht  speciell  für  Asien  Interessantes.  Ob  ein  xocvov  der  Diöcese 
Asien  bestand,  läfst  sich  nicht  entscheiden.  Der  Verfasser  schildert  dann 
die  Versuche  Maximins  und  Julians,  eine  heidnische  Hierarchie  der 
christlichen  entgegenzustellen,  ohne  Neues  zu  sagen.  Die  Adaptierung 
der  heidnischen  Einteilungen  an  das  Christentum  will  der  Verfasser 
schon  in  das  zweite  Jahrhundert  versetzen,  wo  die  Versammlungen  der 
Bischöfe  bereits  in  den  Städten,  welche  provinziale  Tempel  des  Augustus 
und   der  Roma   hatten,   stattgefunden  hätten;    doch   scheinen   für  diese 


C.    Die  Staatsverwaltung.     1.    Organisation  des  Reichs.  51 

Annahme  die  von  ihm  erbrachten  Beweise  nicht  auszureichen.  Ebenso 
wenig  wird  seine  Deutung  der  Apokalypse,  das  Tier  sei  das  xoivöv  'Aacag 
mit  seinen  Kaisertempeln,  Zustimmung  finden.  Was  er  über  die  Über- 
einstimmung der  christlichen  Einteilung  mit  der  staatlichen  sagt,  mufs 
man  ebenfalls  mit  Vorsicht  aufnehmen;  denn  auch  hierfür  reicht  das 
Material  nicht  aus. 

Im  Allgemeinen  verdient  aber  die  Arbeit  wegen  ihres  Fleifses  und 
ihrer  klaren  Zusammenfassung  Anerkennung. 

Paul  von  Rohden,  De  Palaestina  et  Arabia  provinciis  Romanis 
quaestiones  selectae.  Berlin.  Diss.  1885. 

Der  Verfasser  bespricht  zuerst  die  Namen  der  beiden  Provinzen. 
Die  erstere  hiefs  bis  auf  Hadrian  Judaea,  von  da  ab  Syria  Palaestina; 
ansprechend  ist  die  Vermutung  des  Verfassers,  dafs  diese  Namensände- 
rung mit  dem  jüdischen  Kriege  zusammenhänge  und  selbst  den  Namen 
des  verhafsten  Volkes  in  Vergessenheit  bringen  sollte.  Um  358  wurde 
die  Provinz  geteilt,  und  der  früher  zu  Arabien  gehörige  Teil  hiefs  P. 
salutaris,  der  Rest  behielt  den  Namen  P.  ohne  Beinamen.  Später  wurde 
dieser  letztere  nochmals  geteilt  und  das  abgetrennte  Stück  P.  secunda 
genannt.  Seit  409  giebt  es  drei  Provinzen ;  das  eigentliche  Palästina 
heifst  P.  prima,  das  abgetrennte  Stück  P.  secunda,  und  P.  salutaris 
tertia;  doch  werden  alle  drei  Provinzen  mit  dem  Namen  Palästina  be- 
zeichnet, da  sie  unter  einem  dux  stehen.  Die  Provinz  Arabia  hat  nie 
den  Namen  Petraea  geführt. 

Alsdann  untersucht  er  die  Frage,  welcher  Provinz  die  Dekapolis 
zugehörte.  Damaskus  kam  64  vor  Chr.  in  die  Gewalt  der  Römer  — 
nicht  erst  106  nach  Chr.,  wie  Marquardt  und  Mommsen  annehmen.  — 
Für  diese  Annahme  werden  zahlreiche  Schriftsteller- Nachrichten  und 
auch  das  Fehlen  der  Münzen  in  durchaus  überzeugender  Weise  ange- 
führt. Den  Schlufs,  den  Mommsen  R.  G.  5,  478  A.  2  aus  einer  in  Naba- 
teischer  Schrift  abgefafsten  Inschrift  auf  die  Zugehörigkeit  zu  diesem 
Lande  machte,  darf  man  durch  v.  Rohdens  Ausführungen  als  widerlegt 
ansehen.  Nur  unter  Gaius  Cäsar  gehörte  vorübergehend  Damaskus  den 
Nabatäern  —  ähnliche  Schenkungen  unter  diesem  Kaiser  werden  von 
dem  -Verfasser  nachgewiesen  — ,  wurde  aber  von  Claudius  wieder  mit 
Syrien  vereinigt.  Zu  dieser  Provinz  gehörte  die  Stadt  sicher  im  zwei- 
ten Jahrhundert,  im  dritten  und  vierten  zu  Syr.  Phoenic. ,  im  fünften 
und  sechsten  zu  Phoenice  Liban.  (Diese  Provinz  kann  nicht  vor  381  er- 
richtet sein.)  Canatha  wurde  im  Jahre  32  vor  Chr.  Syria  Caele  zuge- 
teilt, kam  dann  an  die  jüdischen  Fürsten  und  100  wieder  an  Syrien; 
seit  Severus  Antoninus  gehörte  die  Stadt  zur  Provinz  Arabia.  Mit  der 
Stadt  Canata  (Kerak)  ist  sie  nicht  identisch.  Adraa  gehörte  zu  Ara- 
bien und  nicht  zur  Dekapolis.  Gerasa  gehörte  bis  auf  Severus  zu  Sy- 
rien, von  da  an  zu  Arabien.    Philadelphia  gehörte  zu  Syrien,  wurde 

4.* 


52  Römische  Staatsaltertümer. 

aber  von  Severus  wohl  ebenfalls  Arabien  zugeteilt.  Scythopolis  ge- 
hörte bis  53  zu  Judäa;  im  Jahre  100  wurde  sie  zu  Syrien,  195  zu  Pa- 
lästina geschlagen  und  wurde  die  Metropole  von  Palaestiua  secunda. 
Pella  gehörte  bis  auf  Severus  zu  Syrien,  seitdem  zu  Palästina.  Ga- 
dara  gehörte  seit  4  vor  Chr.  zu  Syrien,  im  vierten  Jahrhundert  zu  Pa- 
lästina, im  fünften  und  sechsten  zu  Palaestina  secunda. 

Im  dritten  Abschnitt  erörtert  der  Verfasser  den  Umfang  von  Pa- 
lästina und  Arabia  bis  zur  Zeit  des  Severus.  Judäa  wurde  6  nach  Chr. 
Provinz,  die  —  41  Idumaea,  Judaea,  Samaria  und  die  Städte  Caesarea, 
Joppe,  Sebaste,  Hierosolyma  umfafste.  41  erhielt  die  Provinz  Agrippa, 
der  wieder  das  ganze  Reich  Herodes  des  Gr.  vereinigte;  44  —  53  war 
dieses  Gebiet  wieder  Provinz.  Von  den  zehn  Städten  gehörten  Canatha 
und  Scythopolis  zur  Provinz,  deren  Grenzen  ungefähr  bezeichnen:  Cae- 
sarea Paneas,  Abila,  Heibon,  el  Hit,  el  Mouschenuef,  Hebran,  Canata, 
Scythopolis,  jedoch  mit  Ausschlufs  der  Städte:  Damascus,  Salchat,  Bostra, 
Adraa,  Dios,  Hippos,  Gadara,  Pella.  Im  Jahre  54/55  erhielt  Agrippa  H 
die  Gebiete  von  Tiberias,  Taricheae  und  Julias,  die  erst  wieder  im  Jahre 
100  zur  Provinz  Judaea  kamen.  Jenseits  des  Jordan  hatte  diese  nur 
die  Städte  Julias  und  Livias  mit  ihrer  nächsteu  Umgebung;  Scythopolis 
diesseits  des  Jordan  gehörte  sogar  zu  Syrien.  Der  Umfang  von  Peraea 
ist  unbekannt;  sicher  gehörten  Pella,  Gerasa,  Philadelphia,  Esbus  und 
Medaba  nicht  mehr  dazu;  Südgrenze  war  der  Arnon;  zu  Palästina  ge- 
hörten Beerseba  und  Raphia;  im  Norden  bildete  der  Chorseasflufs  oder 
der  Carmel  die  Grenze  zwischen  Syrien  und  Judaea. 

Die  Grenze  von  Arabien  lag  bis  auf  Severus  zwischen  den  Orten  : 
Busan,  Hebran,  Canata,  Abila,  Gerasa,  Philadelphia,  Salchat,  Bostra,  el 
Musefire,  Adraa,  Esbus  und  Areopolis.  Im  Osten  bildete  das  Kastell 
Nemara  die  Grenze;  nach  Süden  besafsen  die  Nabataeer  die  ganze  Wüste 
bis  Teima  und  Leuke  Kome. 

Kapitel  4  schildert  die  Gebietsveränderungen  durch  Severus.  Zwi- 
schen der  Zeit  des  Ptolemaeus  und  Eusebius  wurde  die  Grenze  Ara- 
biens nach  Norden  vorgeschoben;  Waddington  schreibt  dies  Diokletian 
zu,  nach  v.  Rohden  geschah  dies  durch  Septimius  Severus.  Denn  Cana- 
tha gehört  unter  Caracalla  zu  Arabien,  Hebran  und  Canata,  die  im  zwei- 
ten Jahrhundert  zu  Syrien  gehörten,  rechnen  214  nach  der  Aera  von 
Bostra,  Gerasa  wurde  zwischen  Marcus  und  Diokletian  zu  Arabien  ge- 
schlagen; Philippus  Arabs  soll  Philippopolis  (Schoba)  in  Arabien  ge- 
gründet haben.  Nach  Commodus  finden  sich  keine  Inschriften  in  Bata- 
naea,  Trachonitis  und  Auranitis  auf  den  legatus  Syriae  oder  auf  Sol- 
daten der  leg.  III  Gallica  und  XVI  Flavia.  Dagegen  ist  bezeugt,  dafs 
Septimius  Severus  195  Phoenice  von  Syria  Caele  trennte  und  andere  Ver- 
änderungen in  diesen  Gegenden  vornahm ;  freilich  die  von  Eutrop,  Victor 
und  Festus  berichtete  Einrichtung  der  Provinz  Arabien  ist  nur  auf 
Mesopotamien  zu  beziehen;   aber   er  verlieh  Palästina   manche   Rechte, 


C.    Die  Staatsverwaltung.    1.    Organisation  des  Reichs.  53 

kämpfte  in  Syrien  glücklich  und  verdiente  sich  die  Ehre  eines  jüdischen 
Triumphs.  Die  von  Waddington  für  seine  Ansicht  vorgebrachten  Be- 
weise, dafs  nämlich  mehrere  Oite,  welche  im  zweiten  Jahrhundert  zu 
Syrien  gehörten,  auch  nach  Severus  nach  Kaiserjahren,  nicht  nach  der 
Aera  von  Bostra  gezählt  hätten,  hält  von  Rohden  nicht  für  durchschla- 
gend. Denn  zwei  der  betreffenden  Inschriften  sind  in  der  Datierung  un- 
sicher, die  übrigen  sechs  rechnen  aber  nach  Imperatorenjahren  zwischen 
Severus  und  Diokletian.  Das  hat  man  so  zu  erklären,  dafs  entweder  Se- 
verus blos  den  nach  Philippopolis  gelegenen  Teil,  Diokletian  den  Rest 
zu  Arabien  schlug;  oder  jene  Orte  folgten  der  herkömmlichen  Art  der 
Zählung  auch  noch  zu  einer  Zeit,  wo  sie  die  Provinz -Aera  hätten  an- 
wenden müssen.  Zu  gleicher  Zeit,  wo  die  Vorschiebung  der  Provinz 
Arabien  nach  Norden  erfolgte,  verlor  sie  die  südliche  Hälfte  an  Palästina. 
Auch  diese  Änderung  führt  der  Verfasser  auf  Severus  zurück,  der  zu 
diesen  Einrichtungen  vielleicht  durch  die  Einfälle  der  Sarazenen  veran- 
lafst  wurde.  Zu  Arabien  rechnet  der  Verfasser:  Machaerus,  Philadel- 
phia, Gerasa,  Dium,  Adraa,  Phaena,  Philippopolis,  zu  Palästina:  Areo- 
polis,  Livias,  Pelia,  Gadara. 

Im  fünften  Abschnitt  wird  die  Frage  erörtert,  wann  Palästina  ge- 
teilt worden  ist.  Aus  Libanius  wird  der  Nachweis  geführt,  dafs  Palästina 
schon  vor  361  geteilt  war  und  in  den  Jahren  357—361,  wahrscheinlich 
358  geteilt  worden  ist.  In  der  Angabe  des  Veroneser  Provinzial  Verzeich- 
nisses Arabia  item  Arabia  Augusta  Libanensis  wird  mit  Bormann  »item 
Arabia«  als  späteres  Einschiebsel  verworfen.  Die  Subscriptionen  der 
Concilien  sind  nicht  beweiskräftig  genug,  um  diese  Ergebnisse  zu  alte- 
rieren.  Die  zweite  Teilung  Palästinas  in  Palaestina  secunda  und  tertia 
erfolgte  gegen  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  (395  —  399).  Die  erstere 
Provinz  enthielt  die  Städte:  Scythopolis,  Pella,  Gadara,  Abila,  Capito- 
lias,  Hippus,  Tiberias,  Diocaesarea,  Maximianopolis,  Gaba;  in  der  letz- 
teren lagen  Petra,  Arindela,  Characmoba,  Areopolis,  Zoara,  Elusa,  Aila; 
Palaestina  prima  enthielt  Judaea  und  Samaria. 

Im  sechsten  Abschnitt  stellt  der  Verfasser  die  Provinzial-Beamtea 
zusammen.  Bis  zum  Aufstände  von  66  nach  Chr.  war  Judaea  prokuratori- 
sche  Provinz;  nach  Jerusalems  Zerstörung  wurde  der  Kommandant  der 
leg.  X  Fretensis  legatus  pro  praetore  der  Provinz;  er  war  bis  auf  Ha- 
drian  Prätorier.  Nach  Hadrian  sind  diese  Legati  Konsulare,  und  diese 
Änderung  hängt  mit  der  Verlegung  einer  zweiten  Legion  in  die  Provinz 
zusammen,  (leg.  VI  ferrata),  die  sicher  bei  Pius'  Thronbesteigung  schon 
erfolgt  war  und  wahrscheinlich  nach  Niederschlagung  des  Bar-Kokaba- 
Aufstandes  eintrat.  Bei  der  Teilung  blieb  nur  Pal.  prima  ein  Konsular 
(zwischen  383  —  385  proconsul);  Justinian  hat  aber  wahrscheinlich  auch 
die  secunda  einem  Konsular  unterstellt,  so  dafs  nur  in  der  tertia  ein 
praeses  war.  Der  prätorische  Legat  von  Arabien  wurde  wohl  nicht  un- 
mittelbar nach  dieser  Legation  Konsular;  um  Mitte  des  vierten  Jahrhun- 


54  Römische  Staatsaltertümer. 

derts  scheint  Civil-  und  Militärverwaltung  getrennt  worden  zu  sein,  im 
fünften  Jahrhundert  gab  es  nur  einen  comes  et  dux  oder  comes  et 
praeses;  535  stand  die  Provinz  unter  einem  dux  und  einem  praeses  oder 
corrector. 

Statthalter  von  Palaestina  l.  Procuratoren :  Coponius  6  bis  ung. 
10;  M.  Ambivius  ung.  10-13;  Annius  Rufus  ung.  13  —  15;  Valerius 
Gratus  15  —  26;  Pontius  Pilatus  26—36;  MaruUus  38-41;  Cuspius  Fa- 
dus  44  bis  ung.  46;  Tiberius  Julius  Alexander  ung.  46 — 48;  Ventidius 
Cumanus  48  bis  ung.  52;  Claudius  Antonius  Felix  52-61;  Porcius 
Festus  ung.  61-  62;  Lucceius  Albinus  ung.  62  —  64;  Gessius  Florus 
64—66;  M.  Antonius  Julianus  70.  2.  Legati  Aug.  pr.  pr.  praetorii: 
S.  Vettulenus  Cerialis  70-71;  Lucilius  Bassus  71—72;  L.  Flavius  Silva 
Nonius  Bassus  72  —  73;  M.  Salvidenus  c.  80;  Cn.  Pompeius  Longinus 
13/5  86;  Ti.  Claudius  Atticus  Herodes  107;  Q.  Pompeius  Falco  c.  107 
bis  110;  Tiberianus  c.  114;  Lusius  Quietus  117;  Claudius  Paternus 
Clementiauus;  Tineius  Rufus  132;  S.  Minicius  Faustiuus  Julius  Severus 
133—135.  3.  Legati  Aug.  pr.  pr.  consulares:  C.  Julius  C  f.  Severus 
c.  160;  Commodus  c.  161—166;  Flavius  Boethus  167;  C.  Erucius  Clarus 
c.  171—180;  Ulpius  Arabianus  c.  196;  Achaeus  c.  260;  Flavianus  April 
303;  ürbanus  304  —  307;  Firmilianus  308—309;  Araxius  c.  350;  Cle- 
matius  c.  357  —  358.  4.  Consulares,  praesides,  duces  der  geteilten  Pro- 
vinz: Hypatius  c.  359-360;  Cyrillus  c.  361  —  362;  Leontius  1/3  363; 
Aphobius  c.  364.  365;  Maximus  c  366;  Entrechius  c.  370;  Proculus 
c.  375;  Eucharius  12/11  383;  Agrestius  31/3  383;  Florentius  25/8  385; 
Hilarius  387;  Siburius  c.  390;  Gaius  c.  391;  Prisciauus;  Sumnius  c.  540. 

Statthalter  von  Arabia:  Fronto;  Geraiuius  L.  f.  Pal.  Sextus  Flo- 
rentinus;  L.  Aemilius  L.  f.  Cam.  Carus;  P.  Aelius  Severianus  Maxiraus; 
Antistus  Adveutus  c.  161  — 166;  P.  Julius  Gerainius  Marcianus  166 — 169; 
[Er]ucius?  Severus  c.  169  —  180;  M.  Caecilius  Fuscianus  Crepereianus 
Florianus;  Q.  Flavius  Baibus;  P.  Plotius  Romanus;  L.  Marius  Perpe- 
tuus;  [Gentjianus  209;  C.  Allius  Fuscianus;  Arabianus  aut  Tuscus  aut 
Gellius  217;  C.  Furius  Sabinius  Aquila  Timesitheus;  C.  Sollemnius 
Pacatianus  c.  230;  Pomponius  Julianus  236;  Marc  ....  239;  M.  Aelius 
Aurelius  Theo  c.  253—260;  M.  Petrus  278;  Gallonianus;  Coc(ceius)? 
Eufinus;  Flavius  Hierocles  343;  A.  Theodorus  15/10  346;  Flavius  Sal- 
vinianus 351;  Sabiuianus  c.  355;  Belaeus  c.  361-363;  Maximus;  Mo- 
destus;  Harmonius;  Flavius  Bonus  392;  Flavius  Arcadius  Alexander  488; 
Hesychius  490. 

Die  Arbeit  ist  ein  wirklich  förderlicher  Beitrag  für  die  Kenntnis 
der  betreffenden  Provinzen. 

Cl.  Pallu  de  Lessert,  Les  gouverneurs  des  Mauretanies.    Bull, 
trimestr.  des  Antiquites  africaines  3,  65  —  88.  141—174. 

Der  Verfasser  stellt  zunächst  die  wechselnden  Benennungen  der 
Statthalter  zusammen:  procurator  Augusti  oder  Augustorum,  selten  prae- 


C.    Die  Staatsverwaltung.     1.    Organisation  des  Reichs.  55 

fectus,  procurator  et  praeses,  praeses,  dux  oder  comes  et  praeses  Mau- 
retaniae,  einmal  proconsul  Mauritaniae  Tingitanae;  darauf  setzt  er  ihre 
Befugnisse  auseinander.  Bisweilen  findet  man  beide  Mauretanien  einem 
Statthalter  unterstellt  (procurator  utriusque  Mauretaniae),  einmal  begegnet 
man  sogar  einem  procurator  Aug.  pro  legato  Mauretaniae  Tingitanae; 
dies  erklärt  sich  durch  die  exponierte  Lage  der  Provinzen.  Zwischen 
dem  procurator  utriusque  Mauretaniae  und  dem  procurator  Augusti  pro 
legato  Tingitanae  will  der  Verfasser  den  Unterschied  erkennen,  dafs  der 
erstere  in  beiden  Provinzen  die  Civil-  und  Militärgewalt  vereinigte, 
während  der  andere  nur  die  Militärgewalt  besafs.  So  hätte  der  proc. 
Aug.  pro  leg.  Mauret.  Tingit.  P.  Baesius  Betuinianus  die  Civilgewalt  in 
Tingitana  und  aufserdem  die  Militärgewalt  in  beiden  Provinzen  besessen, 
wobei  der  procurator  der  Caesariensis  seine  Truppen  unter  seinen  Be- 
fehl stellen  mufste  und  nur  die  Civilgewalt  seiner  Provinz  besafs;  man 
kann  dabei  denken,  dafs  diese  Mafsregel  durch  die  Bedrohung  der  Tin- 
gitana veranlafst  war.  JJoch  bezeichnet  der  Verfasser  vorsichtig  diese 
Aufstellung  als  »uue  simple  hypothese«.  Der  unter  Traian  erscheinende 
sub  proc.  prov.  Mauret.  Tingit.  wird  durch  die  Ausdehnung  der  Statt- 
haltergeschäfte erklärt. 

Mommsen  nimmt  an,  es  habe  zwischen  240  und  254  n.  Chr.  keine 
procuratores  von  Mauretanien  gegeben,  weil  nach  der  Aufhebung  der 
leg.  III  Aug.  die  beiden  Mauretanien  unter  einem  legatus  Aug.  pro 
praet.  utriusque  Mauretaniae  (ein  solcher  findet  sich  CLL.  9,  4194) 
gestanden  hätten,  der  zugleich  das  Kommaudo  über  die  leg.  XXII  Pri- 
migen, und  die  Hilfsvölker  hatte;  Numidien  hatte  vermutlich  während 
dieser  Zeit  einen  procurator.  Aber  gegen  diese  Annahme  sprechen 
V.  Gord.  23,  4,  wo  ein  procurator  noch  im  Jahre  240  Mauretanien  re- 
giert, und  die  Inschrift  CLL.  8,  8809,  wo  zu  Ehren  der  Philippi  eine 
Inschrift  von  Semellef  meldet:  M.  Aurelius  Atho  Marcellus,  vir  egregius, 
procurator  Augg. ,  rarissimus  praeses.  Der  legatus  Aug.  pro  praet. 
utriusque  Mauretaniae  S.  Sentius  Caecilianus  kann  eher  als  der  Zeit 
Gordians  III,  Philippus'  oder  Decius  in  eine  der  Kriegsperioden  gehören, 
wo  aufserordeutliche  Vorfälle  auch  gröfsere  Kommandos  erforderten. 

Der  Verfasser  will  Capellianus  nach  den  Schriftstellertexten  zum 
Statthalter  von  Mauretanien  machen;  freilich  mufs  er  dabei  annehmen, 
dafs  die  eben  dort  befindliche  Angabe,  er  sei  ein  Mann  senatorischen 
Ranges  gewesen,  ein  Irrtum  sei.  In  demselben  Zusammenhang  sucht 
er  wahrscheinlich  zu  machen,  dafs  leg.  III  Aug.  schon  vor  der  Erhebung 
der  ersten  Goi'diane  aufgelöst  worden  sei,  da  man  in  den  Berichten 
nirgends  dieselbe  erwähnt  finde.  Die  Auflösung  erklärt  der  Verfasser 
so.  Sie  habe  Maximinus  mit  geringer  Begeisterung  gehuldigt.  Dieses 
soll  hervorgehen  aus  der  Tilgung  des  Namens  Maximiniana  C  I.  L.  8,  2675. 
Infolge  dieser  Haltung  habe  Maximinus  dieselbe  aufgelöst;  die  Erklärung 
der  Afrikaner  für  die  Gordiane  sei  teilweise  dadurch  veranlafst  worden, 


56  Römische  Staatsaltertümer. 

dafs  man  ihnen  ihre  Legion  genommen  habe.  Man  kann  leicht  diese 
Argumentation  widerlegen  mit  der  Schlufsweise  des  Verfassers  selbst. 
Wenn  die  Legion  in  dieser  Weise  aufgelöst  worden  und  ihre  Auflösung 
Veranlassung  zu  der  unzufriedenen  Haltung  der  Afrikaner  geworden 
wäre,  so  würden  uns  die  Schriftsteller  sicherlich  davon  eine. Spur  er- 
halten haben.  Den  Einwand,  warum  Gordian  III  die  Legion  nicht  wieder 
errichtet  habe,  sucht  er  zu  widerlegen  durch  die  Bemerkung,  er  sei 
noch  ein  Knabe  gewesen,  als  er  ermordet  wurde;  das  ist  aber  wenig 
zutreffend;  denn  dazu  hätten  er  oder  seine  Ratgeber  wohl  die  Zeit 
finden  können. 

Für  die  diokletianisch-konstantinische  Verfassung  erörtert  der  Ver- 
fasser die  Frage,  ob  der  dux  et  praeses  Mauretaniae  Caesariensis  unter 
dem  comes  militum  Africae  stand;  nach  der  Notitia  mufs  man  sie  ver- 
neinend beantworten.  Mommsen  nimmt  aber  nach  einer  Inschrift  C.  I.  L.  8, 
9282  an,  dafs  eine  solche  Abhängigkeit  bestanden  habe,  da  es  dort  von 
einem  Mauerbau  heifst:  ordo  cuncta  comitum  .executus  jussa  —  diese 
comites  seien  aber  die  comites  Africae  -  und  bezieht  sich  auf  die  An- 
gabe der  Notitia,  nach  der  unter  dem  comes  militum  Africae  drei  prae- 
positi  limitum  standen,  welche  zugleich  dem  dux  Mauretaniae  unterstellt 
seien.  Letztere  Angabe  beweist  aber  nicht,  was  Mommsen  daraus  ab- 
leitet; denn  die  fünf  anderen  praepositi  stehen  allein  unter  dem  dux 
praeses  Mauretaniae.  Pallu  de  Lessert  ist  darum  geneigt  anzunehmen, 
dafs  es  mit  jenen  drei  eine  besondere  Bewandtnis  hatte.  Er  meint, 
dafs  zu  irgend  einer  Zeit  der  Titel  des  Statthalters  von  Mauretanien 
comes  et  praeses  Mauretaniae  Caesariensis  gewesen  sei;  auch  könne  der 
comes  castrensis  in  Afrika  gemeint  sein.  Die  ganze  Frage  kann  selbst- 
verständlich durch  diese  Vermutungen  noch  nicht  als  erledigt  gelten. 

Gegen  JuUian  führt  der  Verfasser  aus  ,  dafs  der  Statthalter  der 
Sitifensis  keine  Militärgewalt  besafs,  sondern  diese  der  comes  Africae 
hatte,  der  sie  durch  die  praepositi  limitum  übte. 

Seit  der  Vandaleninvasion  giebt  es  keine  Statthalter  von  Maure- 
tanien mehr,  sondern  nur  Glückssoldaten,  welche  nominell  die  Suze- 
ränität  von  Rom  anerkennen. 

Als  Statthalter  von  Mauretania  Caesariensis  weist  der  Verfasser 
nach:  M.  Licinius  Crassus  Fragi,  den  er  vor  C.  Suetonius  Paulinus  und 
Hosidius  Geta  stellt,  C.  Suetonius  Paulinus,  Cn.  Hosidius  Geta,  Vibius 
Secundus  (vor  Ende  60  nach  Chr.),  Lucceius  Albinus,  Lusius  Quietus(?), 
Q.  Marcius  Turbo  Fronto  Publicius,  M.  Vettius  Latro  (um  128  nach 
Chr.),  C.  Petronius  Celer,  M.  Porcius  Vetustinus,  T.  Varlus  Clemens 
(um  150),  Sextus  Baius  Pudens,  Cl.  Perpetuus,  Cn.  Nunnius  Martialis, 
P.  Aelius  Peregrinus  Rogatus  (um  201  und  noch  zwischen  209—211), 
Cn.  Haius  Diadumenianus,  Q.  Sallustius  Macrinianus  (209-211),  C.  Oc- 
tavius  Pudens  Caesius  Honoratus  (209  —  211),  P.  Flavius  Clemens,  L.  Li- 
cinius   Hierocles    (um  227),    T.   Aelius  Decrianus,    T.   Flavius   Serenus 


C.    Die  Staatsverwaltung.     1.    Organisation  des  Reichs.  57 

(vielleicht  unter  Alexander  Severus?),  P.  Sallustius  Sempronius  Victor 
(unter  Alexander  und  Maximinus),  Capellianus(?),  Catellius  Rufinus,  Li- 
vianus  (um  342),  ein  aus  v.  Gord.  23  bekannter  praeses,  M.  Aurelius 
Atho  Marcellus,  M.  Aurelius  Vitalis,  Flavius  Pecuarius,  T.  Aurelius 
Litua  (um  292),  Ulpius  Apollonius,  Aelius  Januarius,  Valerius  Faustus 
(um  311),  Flavius  Terentianus  (um  319)  ....  ianus  (um  333—337). 

Für  Mauretania  Tingitana  sind  bekannt:  Trebonius  Garucianus 
(um  68),  Lucceius  Albinus  (proc.  beider  Mauretanien  unter  Galba  und 
Otho),  P.  Raesius  Betuinianus  C.  Marius  Memmius  Sabinus  (um  102/3), 
C  Vibius  Salutaris,  C.  Vallius  Maximiauus  (unter  Marcus  und  L.  Verus), 
Rufinus  (?),  Cn.  Haius  Diadumenianus  (209  —  211),  Q.  Sallustius  Macri- 
nianus  (209-211),  Furius  Celsus,  T.  Flavius  Serenus,  Anastasius  For- 
tunatus  (um  298),  Aelius  Januarius  (unter  Diokletian),  Flavius  Memorius 
(zwischen  286-378). 

In  Mauretania  Sitifensis  weist  der  Verfasser  nach:  T.  Aurelius 
Litua  (vielleicht  der  erste  Statthalter  dieser  Provinz),  Septimius  Fla- 
vianus,  Flavius  Terentianus,  Flavius  Augustianus  (vor  337),  Jucundius 
Peregrinus,  Sextilius  Agesilaus  Aedesius  (unter  Constantius?),  Flavius 
Maecius  Constans  (zwischen  383  —  392). 

Unsicher  sind:  Sextius  Sentius  Caecilianus,  L.  Alfenus  Senecio, 
Tiberius  Claudius  Priscianus,  M.  Cornelius  Octavianus,  C  Jul.  Maximus 
proc.  Aug.  praepositus  limitis,  ein  Anonymus  CLL.  8,  8487,  ein  desgl. 
eb.  9357,  Regulus,  Claudius  Constans,  Flavius  Hyginus,  ein  Anonymus 
CLL.  6,  1642,  Clauda  ....  udius,  T.  Atilius,  ein  Anonymus  CLL.  8, 
8503,  Aurelius  Da ,  Acastus. 

S.  Reinach,  Servius  Cornelius  Lentulus  preteur  proconsul  ä  Delos. 
Bulletin  de  correspondance  hellenique  9  (1885),  379  —  387. 

Servius  Cornelius  Lentulus  heifst  auf  dieser  von  Reinach  1882 
entdeckten  Inschrift  von  Delos  aTparr^yög  äv^ünarog  =  praetor  pro  con- 
sule.  Die  griechische  Bezeichnung  entspricht  genau  der  lateinischen. 
Dafs  sie  sich  zuerst  hier  in  Delos  findet,  erklärt  sich  aus  dem  starken 
Verkehr,  der  zuerst  zu  genaueren  offiziellen  Bezeichnungen  veranlafste. 
Sonst  verwandte  man  azpavrjyhg  uTiarog  (häufig  =  cousul)  und  dp^carpaTY}- 
yog,  die  aber  wie  rj-ysp-ojv  und  äp-^cuv  nur  annähernd  zutreffende  Bezeich- 
nungen waren.  Der  Verfasser  ist  geneigt,  die  Inschrift  in  das  Jahr  169 
vor  Chr.,  jedenfalls  in  das  zweite  Jahrhundert  zu  setzen.  So  würde 
sich  event.  um  169  vor  Chr.,  jedenfalls  noch  im  zweiten  Jahrhundert  vor 
Chr.,  der  Titel  praetor  pro  consule  im  Osten  angewandt  finden. 

G.  Radel    und  P.  Paris,    Deux  nouveaux  gouverneurs   de  pro- 
vinces.     Bulletin  de  correspondance  hellenique  9  (1885),  433—436. 

Nach  einer  Inschrift  von  Hadschilar  (an  Stelle  des  alten  Isaura) 
wird  festgestellt,  dafs  Cilicien,  Isaurien  und  Lykaonien  unter  Antoninus 


58  Römische  Staatsaltertümer. 

Pius  zu  einer  Provinz  unter  einem  kaiserlichen  legatus  pro  praetore 
vereinigt  worden  sind.  Derselbe  heifst  C.  Etrilius  Regillus  Laberius 
Priscus,  sein  Konsulatsjahr  ist  unbekannt. 

Georges    Morin,     L'administration    de    la   colonie    Nimoise    ä 
l'epoque  gallo-romaine  dapres  les  documents  epigraphiques.  Nimes  1884. 

Das  Krokodil  auf  den  Münzen  von  Nemausus  ist  der  Verfasser 
geneigt  mit  Hirschfeld  und  Allmer  aus  der  Ansiedlung  von  ägyptischen 
Griechen  daselbst  zu  erklären,  welche  im  Heere  oder  auf  der  Flotte 
des  Antonius  gedient  hatten.  Bei  dieser  Annahme  erklärt  sich  auch  die 
Thatsache,  dafs  Nemausus  eine  latinische  Kolonie  war;  er  selbst  bringt 
noch  mehrere  inschriftliche  Bestätigungen  dieser  Annahme  bei.  Aber  er 
betrachtet  diese  ägyptischen  Ansiedler  als  wenig  zahlreich;  sie  bildeten 
eher  den  Vorwand  zu  den  Gnadenbezeugungen  des  Augustus  gegen  Ne- 
mausus, als  dafs  sie  die  wirkliche  Ursache  derselben  gewesen  wären. 
Nemausus  wünschte  eine  Kolonie,  und  Augustus  kaufte  für  dieselbe  im 
arekomischen  Gebiete  die  nötige  Landausstattung.  Die  neuen  Ansiedler 
verschmolzen  aber  mit  der  alten  Bevölkerung  und  hinterliefsen  nur 
einzelne  Spuren  ihrer  ägyptischen  Abstammung  wie  z.  B.  den  praef. 
vigilum  et  armorum. 

In  der  Bevölkerung  wiegen  die  römischen  Namen  vor;  doch  giebt 
es  noch  genug  Spuren  gallischer  Elemente,  die  aber  der  Romanisierung 
nur  geringen  Widerstand  entgegenstellen.  Aus  dem  SC  auf  den  Münzen, 
aus  der  Stellung  von  Nemausus  als  Mittelpunkt  von  24  Ortschaften  der 
Volsci  Arecomici,  der  Benennung  respublica  Nemausensium  und  den 
Ämtern  des  praef.  vigilum  et  armorum  und  des  undecemvir  will  der 
Verfasser  schliefsen,  dafs  die  Kolonie  Stadtrecht  besafs.  Überall  aber, 
im  Rechte  und  in  den  Sitten,  sind  die  keltischen  Überlieferungen  auf- 
gesaugt durch  die  römischen. 

In  dem  Kulte  der  Stadt  finden  sich  noch  gallische  Gottheiten: 
der  Schutzgott  der  Stadt  .Nemausus,  Avicantus,  Urnia  und  die  Nymphen, 
in  welche  die  gallischen  Mütter  umgebildet  sind;  der  Ehrenplatz ■  ge- 
bührt aber  auch  hier  der  Kaiserverehrung;  allen  voran  stehen  die  An- 
tonine, namentlich  aber  Hadriau.  Die  IV  viri  hatten  die  Opfer  und  die 
Oberaufsicht  über  den  Kult,  vermutlich  auch  die  Obliegenheiten  des 
Augurats;  oft  bekleiden  sie  auch  den  Poutifikat;  doch  dürfte  dies  auf 
freigeborene  Leute  beschränkt  gewesen  sein. 

Von  den  Beamtenstellen  betrachtet  der  Verfasser  näher  die  prae- 
fectura  vigilum  et  armorum ;  sie  war  eine  Anfangsstelle  und  verlieh  das 
Bürgerrecht.  Der  Verfasser  vermutet,  man  habe  die  ägyptischen  Kolo- 
nisten militärisch  organisiert  und  diese  Stelle  geschafi'en ,  um  das  militä- 
rische Kommando  über  diese  Kolonisten  zu  führen.  Ich  halte  diese 
Konjektur  nicht  für  sehr  glücklich.  Denn  wenn  man  den  Kolonisten  eine 
militärische  Organisation  hätte  geben  wollen,   wofür  der  Verfasser  doch 


C.  Die  Staatsverwaltung.   1.  Organisation  des  Reichs.  59 

Analogieen  suchen  müfste,  so  wäre  die  der  alexandrinischen  vuxzoarpa- 
zrjyca  sicherlich  die  unpasseudste  gewesen.  Denn  wie  wir  aus  ihrer  Nach- 
bildung in  Rom  sehen,  hatte  sie  den  Feuerwehr-  und  Sicherheitsdienst, 
zu  dem  man  doch  sicherlich  nicht  diese  Veteranen  genommen  hätte,  na- 
mentlich wenn  man  ihnen,  wie  der  Verfasser  meint,  nicht  recht  traute. 
In  dem  undecemvir  will  der  Verfasser  eine  Art  Landanweisungs- Kom- 
missär erblicken,  aber  auch  ohne  einleuchtende  Gründe.  In  den  prae- 
fecti  fabrum  will  der  Verfasser,  da  gewesene  quattuorviri  dieses  Amt 
bekleiden,  ein  solches  der  Reichsverwaltung  erblicken,  schwerlich  mit 
Recht,  da  dies  allen  bekannten  Fällen  widerspricht;  er  will  in  ihnen 
territoriale  Militär-Beamte  erkennen,  die  n)it  den  centonarii  Zusammen- 
hang hatten,  in  denen  er  Militärarbeiter  erblicken  will  —  was  ebenfalls 
schwerlich  das  Richtige  trifft. 

L.  Ohnesseit,  Das  niedere  Gemeindeamt  in  den  römischen  Land- 
städten. Philol.  44,  518—556. 

Das  niedere  Gemeindeamt  in  den  Landstädten  wird  einerseits 
durch  den  Duovirat,  anderseits  durch  die  Amtsdienerschaft  der  Magi- 
stratur begrenzt.  Dabei  werden  zwei  Epochen  auseinander  zu  halten  sein, 
die  eine  von  Anfang  unserer  Kenntnis  bis  etwa  zur  Mitte  des  zweiten 
Jahrhunderts  nach  Chr.,  die  andere  von  da  ab  bis  Justiuian. 

Aus  der  ersten  Epoche  sind  uns  nur  bekannt:  die  Quästoren,  die 
Ädilen  und  die  Tempel-Kuratoren,  ferner  die  Pontifices  und  Augurn. 

Die  Quästur  war  in  Rom  ursprünglich  ein  Hülfsamt  des  Konsu- 
lats, die  Amtsgewalt  der  Quästoren  eine  mandatarische,  ihre  Funktionen 
lagen  allgemein  in  der  Kompetenz  des  Oberamts.  Sie  ist  aber  eine  dem 
die  Grundlage  der  landstädtischen  Verfassung  bildenden  latinischen  Stam- 
mesrechte angehörige  Lastitution.  Sie  war  in  den  Landstädten  ursprüng- 
lich ein  nicht  raagistratisches  Institut  des  Oberamts,  erscheint  jedoch  in 
der  ersten  Epoche  stets  als  Magistratur.  Die  Quästoren  als  Magistrate 
werden  von  der  Volksversammlung  unter  der  Wahlleitung  der  Ilviri 
gewählt  und  haben  damit  eigene  Amtsgewalt  (potestas).  Ihre  Funktionen 
sind  die  Kassenverwaltung  und  die  Aufbewahrung  der  öffentlichen  Ur- 
kunden; nach  ihrer  Amtsführung  traten  sie  in  die  nächste  Rangklasse 
der  Ratsherrn  nach  den  gewesenen  Aedilen  ein. 

Auch  die  landstädtische  Ädilität  ist  eine  altlatinische  Institution 
und  ein  allgemeines  Hilfsamt  des  Oberamts;  in  den  Quellen,  die  nur 
bis  an  das  Ende  der  Republik  zurückreichen ,  findet  sie  sich  lediglich 
als  Magistratur.  Die  Ädilen  sind  mit  thätig  bei  der  Regulierung  des 
Gemeindehaushalts  und  beaufsichtigen  speziell  die  städtischen  Fronen, 
besorgen  die  geringeren  Bauten  und  haben  eine  beschränkte  Verfügung 
über  das  Gemeiudevermögen.  Als  Polizeibehörde  üben  sie  die  Kontrolle 
über  die  öffentlichen  Gebäude  und  Strafsen  und  über  den  Markt,  so- 
dann besorgen  sie  die  öffentlichen  Spiele   unter  den  II  viri  und  nehmen 


60  Römische  Staatsaltertümer. 

Teil  an  der  sakralen  Leitungsbefugnis  des  Duovirats,  indem  sie  neben 
demselben  die  Terapelkuratoren  ernennen  und  beaufsichtigen;  endlich 
üben  sie  eine  gewisse  Jurisdiktion.  Die  äufsere  Ehrenstellung  kommt 
fast  ganz  der  des  "Duovirats  gleich;  doch  fehlen  ihnen  die  Lictoren  mit 
den  Fascen,  die  Zeichen  des  Imperiums,  und  der  zu  ihnen  gehörige 
accensus.  Ihre  Amtsgewalt  ist  eine  potestas,-  sie  werden  von  der  Volks- 
versammlung unter  Leitung  der  Duovirn  gewählt.  Sie  besitzen  Juris- 
diktion und  Disziplinarstrafgewalt.  Trotzdem  waren  sie  ein  Hilfsamt  des 
Duovirats,  da  alle  ihre  Funktionen  zusammen  und  ihre  Amtsgewalt  ihre 
Einheit  nur  im  Zusammenhange  mit  demselben  finden;  auch  hat  der 
Ilvir,  wie  der  Mandatar  dem  Mandat  gegenüber,  das  Recht,  Amts- 
bandlungen des  Ädilen  zu  kassieren  und  ihm  die  Vornahme  derselben 
zu  gebieten.  Später  gelangte  die  Ädilität  besonders  in  der  Polizei- 
funktion fast  zu  einer  Spezialkompetenz,  indem  die  konkurrierende  Kom- 
petenz der  Ilviri  durch  Nichtgebrauch  in  Vergessenheit  kam.  Auch  die 
Amtsgewalt  ist  später  etwas  selbständiger  geworden;  die  Erhebung  der 
Ädilität  zur  Magistratur  und  ihre  Einführung  in  alle  Landstädte  wird 
man  demselben  römischen  Einflüsse  zuzuschreiben  haben,  der  die  ver- 
schiedenen Formen  des  latinischen  Oberamts  etwa  um  das  Jahr  90  vor 
■  Chr.  zum  Duovirat  umgestaltete. 

Die  Tempelkuratoren  (magistri  ad  fana,  templa,  delubra)  sind 
ebenfalls  eine  latiuische  Institution.  Sie  werden  von  dem  Ilvir  oder 
aedilis  unter  Mitwirkung  des  Rates  für  die  Dauer  des  magistratischen 
Amtsjahres  ernannt;  ihre  Weisungen  erhalten  sie  vom  Ilvir  oder  aedilis, 
doch  bedürfen  dieselben  der  Genehmigung  des  Rates.  Die  Kompetenz 
der  Kuratoren  ist  eine  spezielle,  die  Besorgung  der  Opfer  (sacrificia) 
Prozessionen  (pulvinaria)  und  Schauspiele  (ludi  circenses).  Der  Wahl 
durch  Magistrat  und  Stadtrat  entsprach  ursprünglich  die  freie  Ernen- 
nung durch  den  Magistrat.  Wie  in  Rom  die  magistratische  Gewalt  durch 
die  Konkurrenz  der  Volksversammlung,  so  wurde  sie  in  den  Landstädten 
durch  die  Mitwirkung  der  Ratsversammlung  beschränkt.  Aus  demsel- 
ben Grunde  hat  ursprünglich  den  Magistraten  das  Recht  zugestanden, 
den  Kuratoren  Anweisungen  zu  erteilen.  Die  Kompetenz  war  wahrschein- 
lich von  Anfang  an  eine  spezielle,  nämlich  eine  geistliche,  die  Amtsge- 
walt nie  eine  potestas,  sondern  jederzeit  eine  vom  Oberamt  abgeleitete, 
mandatarische.  Ob  sie  aufser  Gemeindesklaven  noch  Amtsdiener  hatten, 
wissen  wir  nicht.  Dafs  die  Institution  der  Tempelkuratoren  keine  spe- 
zifisch römische  ist,  geht  aus  ihrer  Stellung  in  der  Gemeindeverfassung,, 
insbesondere  ihrem  Verhältnis  zum  Duovirat  und  zur  Ädilität  hervor, 
welche  kein  Gegenbild  in  der  römischen  Verfassung  hat  und  haben  kann. 

Den  Tempelkuratoren  zu  Urso  scheinen  gleichartig  zu  sein  die 
magistri,  die  man  in  Capua  zur  Zeit  der  Rechtlosigkeit  dieser  Stadt 
findet.      Sie    kommen  in   der  Regel  in   einer  Anzahl  von  zwölf  vor  und 


C.  Die  Staatsverwaltung.  1.  Organisation  des  Reichs.  61 

wechseln  jährlich,  führen  Bauten  auf  und  richten  Spiele  aus.  Zur  Ent- 
uahrae  von  Geld  aus  dem  Gemeinde-Vermögen  bei  Ausführung  der  Bau- 
ten scheinen  sie  der  Genehmigung  der  betreffenden  Pagusversammlung 
bedurft  zu  haben.  Diese  magistri  sind  keineswegs  spezifisch  kapuanische 
Beamte.  Mit  den  magistri  ad  fana  sind  ferner  augenscheinlich  identisch 
die  curatores  fani  und  curatores  templi,  die  sich  allerdings  erst  aus  In- 
schriften der  Kaiserzeit  belegen  lassen;  ferner  gehören  hierher  vereinzelt 
erscheinende  VIII  viri  fanorum. 

In  den  Landstädten  gehören  in  die  Kategorie  der  niederen  geist- 
lichen Gemeindebearaten  die  pontifices  und  augures.  Sie  sind  ursprüng- 
lich vom  duovir  ebenso  frei  ernannt  und  beaufsichtigt  worden  wie  Ädili- 
tät  und  Quästur.    Die  Amtsgewalt  ist  ebenfalls  eine  maudatarische. 

In  der  ersten  Epoche  treten  vornehmlich  zwei  Grundsätze  bestim- 
mend zutage:  absolute  Trennung  der  beratenden  und  beschliefsenden 
von  der  ausführenden  Gewalt,  ferner  Einheitlichkeit  der  höchsten  Lei- 
tungsbefugnis im  Duovirat,  der  zweite  Grundsatz  freilich  zuletzt. mate- 
riell erschüttert  durch  thatsächliche  Spezialkompetenzen  der  Ädilität 
und  Quästur.  In  der  zweiten  Epoche  fällt  der  erste  Grundsatz  ganz 
fort.  Ebenso  löst  sich  vom  oberen  Gemeindeamt  und  auch  vom  niede- 
ren eine  Anzahl  von  Spezialkompetenzen  zu  selbständigen  Gemeinde- 
ämtern los.  Auch  der  Einflufs  von  Rom  aus  auf  die  Verfassung  der 
Landstädte  wird  jetzt  bedeutender  und  einschneidender. 

A.  Weitere  Gemeindeämter  im  Bereich  der  Quästur. 
Die  Quästur  ist  noch  in  der  zweiten  Periode  in  vielen  Stadtgemeinden 
ohne  magistratischen  Charakter  (munus  personale).  In  den  zahlreichen 
Inschriften  der  Kaiserzeit  läfst  sich  freilich  nicht  bestimmen,  ob  sie  Ma- 
gistrate oder  Kuratoren  sind.  Identisch  mit  der  nichtmagistratischen 
Quästur,  die  augenscheinlich  sich  zur  blofseu  Kassenbehörde  gestaltet 
hatte,  sind  wahrscheinlich  folgende  Bezeichnungen:  quaestor  reipublicae, 
quaestor  pecuniae  publicae,  quaestor  arcae,  quaestor  arcae  publicae, 
arcarius,  quaestor  arcarii,  quaestor  arcarii  arcae  publicae,  curator  aerarii. 
Nicht,  identisch  mit  der  alten  Quästur,  sondern  wahrscheinlich  eine  Neu- 
schöpfung der  Kaiserzeit  ist  der  curator  pecuniae  publicae,  wenn  er 
auch  augenscheinlich  die  Funktion  der  Quästur,  die  Kassenverwaltüng, 
ausgeübt  hat.  Er.  ist  in  der  Regel  zugleich  curator  operum  publicorum, 
so  dafs  sich  seine  Verwaltung  lediglich  auf  die  dazu  gehörigen  Fonds 
erstreckt  haben  dürfte. 

Ganz  ähnlich  wie  diese  Kuration  sind  die  der  Kaiserzeit  angehörigen 
cura  pecuniae  frumentariae  und  quaestura  alimentorum  offenbar  eingerich- 
tet gewesen;  sie  waren  zur  Verwaltung  der  in  den  einzelnen  Stadtgemeinden 
zum  Ankauf  von  Vorräten  au  Getreide,  Öl,  "Wein,  Salz  u.  a.  vorhandenen 
Fonds  und  derjenigen,  welche  von  den  Kaisern  seit  Trajan  und  von  einzel- 
nen Gemeinden  zur  Alimentierung  armer  Kinder  in  Italien  gestiftet  waren. 


62  Römische  Staatsaltertümer. 

Besondere  Kurationen  bestanden  ferner  für  die  Einziehung  von'  Pacht- 
geldern (reditus)  und  den  zu  Gemeindezwecken  ausgeschriebenen  Steuern. 

Ganz  aufserordentlicher  Natur  sind  Ursprung  und  Stellung  des 
curator  calendarii,  des  Verwalters  des  städtischen  Schuldbuchs;  derselbe 
wurde  anfangs  aufserordentlich  vom  Kaiser  oder  Statthalter  ernannt, 
sodann  als  ordentlicher  Beamter  von  dem  Rate  gewählt.  Wahrschein- 
lich wurde  in  Gemeinden,  in  denen  kein  curator  reipublicae  existierte, 
ein  curator  calendarii  geschickt;  beide  neben  einander  erscheinen 
nirgends. 

B.  Weitere  Gemeindeämter  im  Bereiche  der  Ädilität. 
Die  Tempelkuratoren  finden  sich  auch  in  der  zweiten  Periode,  ohne  dafs 
sich  feststellen  läfst,  welche  Wandlung  mit  ihnen  vorgegangen  ist.  Aus 
der  Stadtpolizei  ging  die  cura  annonae  hervor,  die  wahrscheinlich  auf 
römischem  Vorbilde  ruht  und  ein  ordentliches  Gemeindeamt  war. 
Dasselbe  gilt  von  der  cura  frumenti  und  ähnlichen  Ämtern.  Der  cura- 
tor ad  siliginem  emendam  scheint  ein  aufserordentlicher  Beamter  zu 
sein.  Der  späteren  Zeit  gehören  an  sitones,  olearius  (cri-ujvca,  iXaccuvsa). 
Eine  besondere,  anscheinend  ordentliche  Kuration  bestand  für  die  Ver- 
teilung der  annona,  die  cura  annonae  divisionis.  Für  die  eigentliche 
Stadtpolizei,  d.  h.  für  Aufsicht  darüber,  dafs  die  feilgebotenen  Waren 
nicht  überteuert  werden,  stehen  den  Ädilen  die  episcopi  qui  praesunt 
pani  et  ceteris  venalibus  rebus  zur  Seite.  In  den  griechischen  Provin- 
zen scheinen  an  Stelle  der  Ädilen  die  äyopavo/noc  den  Marktverkehr 
überwacht  zu  haben.  Für  die  Strafsen-  und  Sicherheitspolizei  scheinen 
sich  nur  im  oströmischen  Reiche  besondere  Kuratorien  mit  griechischen 
Namen  und  im  Anschlufs  an  griechische  Vorbilder  zur  Geltung  gebracht 
zu  haben.  So  der  daTuvo/xixög,  der  die  städtischen  Wege  fahr-  und 
gangbar  zu  erhalten  hat  und  die  Aufsicht  führt,  dafs  die  Anlieger  die 
öffentlichen  Wege  im  richtigen  Zustande  erhalten.  Der  Irena rch  wird 
vom  Statthalter  auf  Präsentation  des  Stadtrats  ernannt  oder  von  letz- 
terem gewählt;  er  hat  für  Ruhe  und  Ordnung  zu  sorgen  und  zu  diesem 
Zwecke  dtcoyiiTzat  xac  Irnietg  oder  xopovrjcpopoi  zu  Amtsdienern;  neben 
diesem  erscheint  der  hftrjvdp^rjg  und  der  WKroarparr^yög ,  letzterer 
hauptsächlich  in  den  grofsen  Städten  des  Ostens.  Vereinzelt  erscheint 
der  praefectus  vigilum  et  armorum  zu  Nemausus  upd  der  praefectus 
arcendis  latrociniis  in.  Noviodunum.  Es  scheint,  dafs  dem  Verfasser  die 
Arbeiten  von  Cagnat  de  municipalibus  et  provincialibus  militiis  und  von 
0.  Hirschfeld  Gallische  Studien  3,  der  praefectus  vigilum  (Jahresbericht 
1881  S.  303  und  1884  S.  323)  unbekannt  geblieben  sind.  Neben  diesen 
neuen  Kurationen  behielten  die  Ädilen,  was  diese  von  ihrer  früheren 
Kompetenz  übrig  liefsen;  schliefslich  wurde  die  Ädilität  gänzlich  von 
dem  curator  reipublicae  verschlungen. 

C  Niedere  Gemeindeämter  im  Bereich  des  Duovirats. 
Die  wichtigsten  derselben  sind  diejenigen,  welche  sich  von  der  censori- 


C.  Die  Staatsverwaltung.   1.  Organisation  des  Reichs.  63 

sehen  Kompetenz  desselben  abgelöst  haben.  Dahin  gehören  die  Für- 
sorge für  die  Wasserleitungen  (cura  aquarum)  und  für  die  öffentlichen 
Bauten  im  allgemeinen  (cura  operum  publicorum),  die  analog  den  römi- 
schen Ämtern  eingerichtet  wurden.  Wie  zu  letzteren  die  curatores 
aedium  sich  verhalten,  ist  nicht  ersichtlich.  .  Es  giebt  ferner  spezielle 
Kurationen  für  den  Bau  und  die  Ausbesserung  der  kaiserlichen  Paläste, 
der  Schiffswerften,  Stationsgebäude,  für  die  Posten  (mansiones),  Schiffe, 
Stadtmauern  etc.,  ebenso  für  die  Aufsicht  über  die  öffentlichen  Bäder, 
die  Stampfmühlen,  die  Gasthäuser  zur  Aufnahme  der  Gastfreunde.  Auch 
für  die  eigenen  nichtrömischen  Chausseen  haben  einzelne  Gemeinden 
besondere  Kuratoren  z.  B.  viarum  steruendarum  in  Allifae;  "auch  hier 
hat  man  an  stadtrömische  Muster  zu  denken.  Endlich  finden  sich  auch 
für  den  Census  besondere  Kuratoren  (acceptandis  s.  suscipiendis  cen- 
sualibus  professionibus).  Zur  Ausrichtung  der  Spiele  gab  es  curatores 
muneris  publici,  die  den  kaiserlichen  Spezialkommissarien  zu  gleichem 
Zwecke  nachgebildet  sind;  mit  ihnen  sind  die  munerarii  wahrscheinlich 
identisch. 

Unter  die  duumvirale  Kompetenz  der  Rechtsvertretung  der  Ge- 
meinde fällt  auch  das  Amt  des  defensor  civitatis  oder  advocatus  reipu- 
blicae  {i\'8:xog,  auvocxog);  er  hat  als  Anwalt  die  Prozesse  der  Stadtge- 
meinde zu  führen;  wie  sich  zu  ihm  der  actor  stellt,  weifs  man  nicht. 
Sollte  man  nicht  bei  letzterem  an  den  actor  publicus  in  Rom  denken, 
der  für  den  Staat  Käufe  schliefst?  Ganz  verschieden  davon  ist  der  de- 
fensor civitatis,  plebis  oder  loci,  advocatus  reipublicae,  der,  wie  der  cu- 
rator  urbis  und  calendarii  zur  Aufhilfe  der  Stadtgemeinden  von  Rom 
aus  eingesetzt  wurde. 

D.  Sonstige  niedere  Gemeindeämter  im  Bereich  der 
städtischen  Verwaltung.  Das  Amt  eines  Geschworenen  (iudex,  re- 
cuperatores)  existiert  auch  in  der  ältesten  latinischen  Verfassung  ebenso 
wenig  als  in  Rom.  Zu  Ende  der  Republik  gab  es  aber  auch  in  den 
Landstädten  überall  Recuperatoren  in  der  Stellung  der  römischen  Ein- 
zelgeschworenen. In  der  Kaiserzeit  ist  das  Amt  des  iudex,  soweit  es 
sich  noch  erhielt,  munus  personale.  In  der  ersten  Periode  waren  die 
Gesandten  nicht  Gemeindebeamte,  in  der  zweiten  ist  die  Übernahme  der 
Gesandtschaften  eine  persönliche  Gemeindelast  (munus  personale).  Der 
Verpflichtete  mufs  regelmäfsig  die  Gesandtschaft  selbst  durchführen  und 
darf  als  Vertreter  nur  seinen  Sohn  schicken;  die  Thätigkeit  der  Ge- 
sandten, deren  Zahl  nicht  über  drei  hinausgehen  soll,  unterliegt  der 
Kontrolle  des  Stadtrates.  Öffentlich  rechtlichen  Charakters  ist  die  Pflicht 
des  Einzelnen,  das  Amt  des  Vormundes  und  Kurators  zu  übernehmen, 
man  hat  es  hier  also  auch  mit  munera  personalia,  zugleich  aber  auch 
privata  zu  thun.  Ebenso  verwalten  die  Schreiber  (scribae,  ypanfMarecg) 
in   der    Kaiserzeit   ein   munus    personale;    ebenso   die   Peitschenträger 


64  Römische  Staatsaltertümer. 

ixaaztyoifopot,    welche  die  Kampfrichter  bei  Wettkämpfen  in  die  Arena 
begleiteten. 

E.  Niedere  Gemeindeämter  zugunsten  des  Reiches.  In 
der  zweiten  Periode  trat  die  Verpflichtung  der  Stadtgemeinden,  zur 
Verwaltung  des  Reichs  beizusteuern,  immer  mehr  in  den  Vordergrund. 
Dazu  gehören  die  Erhebung  der  Staatsabgaben  an  Getreide  (annona) 
und  die  Erhebung  der  Kopfsteuer  (pecunia  pro  capitibus);  dieselben  sind 
munera  patrimonii,  und  davon  betroffen  werden  namentlich  die  decem- 
primi,  decaproti,  icosaproti;  der  Ursprung  dieser  Einrichtung  ist  augen- 
scheinlich griechisch.  Die  Decurionen  waren  der  Reihe  nach  zur  Über- 
nahme verpflichtet;  die  Amtsdauer  ist  verschieden.  Mehrere  Kurationen 
haben  die  Besorgung  der  Transporte  im  Interesse  des  Reichs  zum  Ge- 
genstande; dazu  gehören  die  Lieferung  von  Bedeckungsmannschaften 
(producere,  prosequi,  persequi),  die  cursus  vehicularis  sollicitudo,  die 
angariarum  praebitio  und  die  cura  ad  cogendas  angurias.  Endlich  ge- 
hören hierher  Kurationen  für  die  Rekrutenaushebung,  der  temonarius 
und  die  protostasia. 

Am  Schlüsse  giebt  der  Verfasser  einen  allgemeinen  Überblick. 
Danach  sind  drei  Momente  allen  niederen  Gemeindeämtern  unterein- 
ander und  mit  dem  Oberamt  gemeinsam:  l.  die  Unentgeltlichkeit  der 
Amtsführung,  2.  die  Pflicht  zur  Übernahme  des  Amts,  3.  der  Grund  für 
die  Berechtigung  und  Verpflichtung  zur  Bekleidung  der  Ämter.  Die 
erstere  Erfordernis  scheidet  diese  Beamten  strenge  von  der  freien  Amts- 
dienerschaft (apparitores);  als  die  scribae  schliefslich  Magistrate  wur- 
den, wurde  auch  ihre  Amtsführung  eine  unentgeltliche.  Die  zweite  Er- 
fordernis wird  erst  mit  dem  Fortschritte  der  Kaiserherrschaft  strenge 
durchgeführt  und  für  die  Decurionen  erblich.  Magistratur  und  Kuration 
galten  dabei  nicht  als  unvereinbar.  Der  Grund  endlich  für  die  Berech- 
tigung und  Verpflichtung  zur  Bekleidung  der  Ämter  war  in  der  ersten 
Periode  die  Zugehörigkeit  zu  dem  geschlossenen  Personalverband  der 
Bürger  einer  Landstadt  durch  Abstammung  (origoj,  in  der  zweiten  das 
Bürgerrecht  (origo)  und  das  Incolat  (domicilium);  später  die  Zugehörig- 
keit zum  Ratsherrnstande. 

Die  Amtsgewalt  leiten  in  der  ersten  Epoche  sämtliche  niedere 
Gemeindeämter  her  vom  Oberamt,  dessen  Mandatare  sie  sind;  die  Ober- 
beamten ernennen  die  Unterbeamten  teils  frei,  teils  durch  die  Rats- 
und Volksversammlung  beschränkt  und  beaufsichtigen  sie  allein  oder  in 
Konkurrenz  mit  dem  Rate.  Die  höheren  auf  iraperium  beruhenden  Amts- 
befugnisse stehen  ihnen  gar  nicht  oder  doch  nur  ausnahmsweise  zu.  Sie 
stehen  in  schroffem  Gegensatz  zu  der  Amtsdienerschaft,  die  ein  blofses 
Werkzeug  der  ausübenden  Gewalt  ist,  andererseits  zur  beratenden  und 
beschliefsenden  Gewalt  des  Rates.  In  der  zweiten  Periode  ist  das  Band 
zwischen  dem  altlatinischen  Königtum  und  der  Amtsgewalt  der  höheren 
und  niederen   Ämter  zerrissen.      Das   Oberamt  ist    nicht   mehr  Träger 


C.  Die  Staatsverwaltung.    2.  Die  Finanzverwaltung.  65 

eigener  Amtsgewalt  und  nicht  mehr  die  Quelle  der  Amtsgewalt  der 
niederen  Gemeindeämter.  Seine  Amtsgewalt  ist  jetzt  selbst  die  eines 
niederen  Gemeindeamtes  der  ersten  Epoche.  Die  Quelle  aller  Gewalt 
aller  Gemeindeämter  ist  jetzt  der  Rat,  der  die  Beamten  wählt  und 
beaufsichtigt.  Alles  ist  jetzt  aufsernationales,  römisches  Weltrecht.  Der 
Gegensatz  zur  beratenden  und  beschliefsenden  Gewalt,  zur  Thätigkeit 
der  niedern  Amtsdiener,  der  Gegensatz  zwischen  Magistratur  und  niede- 
rem Gemeindeamt  ist  fortgefallen. 

Der  Amtskreis  zeigt  das  Princip  der  Fortentwickelung  des  allge- 
meinen Hülfsamtes  zur  Spezialkompetenz.  Die  zweite  Epoche  kennt  nur 
die  letztere. 

In  der  zweiten  Periode  werden  zugunsten  der  Gemeinde  nicht  blofs 
persönliche  Dienste  von  den  Beamten  gefordert,  sondern  auch  ein  gleich- 
zeitiger Vermögensaufwand.  Die  Natur  des  Amtes  wird  dadurch  nicht 
geändert,  wie  man  daraus  sieht,  dafs  dasselbe  Amt  in  derselben  Epoche 
bald  Vermögensaufwand  erforderte,  bald  nicht.  Trotzdem  vermischen 
die  Juristen  der  Kaiserzeit  die  niedern  Gemeindeämter,  sofern  sie  Geld- 
aufwand erfordern,  mit  einer  ganz  heterogenen  Institution,  den  Grund- 
lasten (onera  patrimonii).  Diese  letzteren  sind  von  jeher  den  persön- 
lichen Gemeindeämtern  gegensätzlich  gewesen.  Während  zu  Ende  der 
Republik  die  Pflichtigkeit  zu  den  niedern  Gemeindeämtern  (munera  per- 
sonalia)  sich  lediglich  nach  der  Heimatsangehörigkeit  (origo)  bestimmte, 
entscheidet  für  die  zweite  Periode  für  die  Heranziehung  zu  den  munera 
patrimonii  der  Grundbesitz  allein.  Für  die  Vermischung  dieser  Unter- 
schiede war  bei  den  Juristen  mafsgebend,  dafs  beide  Institutionen  zu 
Vermögensaufwand  für  die  Gemeinde  bezw.  das  Reich  verpflichteten. 

2.     Die    Finanzverwaltung. 

Th.  Mommsen,  Der   Reclftsstreit  zwischen  Oropos   und   den  rö- 
mischen Steuerpächtern.     Hermes  20,  268  —  287. 

Bei  Oropos  fand  sich  eine  mächtige  Basis  mit  folgender  Inschrift : 
0  drjfjLog  'i2poj7::üJV  Asüxcov  hopvrjXiov  ^Isuxtou  üiov  ^oXlav  'E7ta<fp68crov 
(wahrscheinlich  =  dem  lateinischen  Felix)  rhv  sauroü  awr^pa  xac  euep- 
yixrjv  ^Ap.(ptapdiü  etc.  Weshalb  die  Oropier  den  Sulla  für  ihren  Wohl- 
thäter  ansahen  und  ihm  eine  Statue  errichteten,  erklärt  eine  am  gleichen 
Orte  gefundene  Marmorplatte.  Daraus  erfahren  wir,  dafs  Sulla,  wahr- 
scheinlich während  der  Belagerung  von  Athen,  dem  Gott  Amphiaraos 
in  Oropos  für  den  Fall  des  Sieges  ein  Gelübde  darbrachte,  wonach  für 
diesen  Sieg  und  die  Herrschaft  der  Römer  in  Zukunft  ein  jährliches 
Fest  aus  der  Gabe  gefeiert  werden  solle.  Zu  diesem  Behufe  wurde  das 
Land  um  den  Tempel  in  der  Ausdehnung  von  1000  Fufs  ins  Gevierte 
consekriert  und  die  Bodenabgabe,  welche  das  Gebiet  von  Oropos  an  die 
Römer  zu  entrichten  hatte,  dem  Tempel  überwiesen,  also  von  der  Ver- 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.     (1887.  III.)  5 


66  Römische  Staatsaltertümer. 

Pachtung  der  Abgaben  der  Provinz  Achaia  ausgeschlossen.  Diese  von 
Sulla  gemachte  Verleihung  wurde,  um  sie  vor  dem  Widerrufe  durch 
spätere  Statthalter  zu  schützen,  im  Jahre  674  mit  den  übrigen  gleich- 
artigen Anordnungen  dem  Senate  vorgelegt  und  von  diesem  bestätigt. 
Demzufolge  erscheint  seitdem  in  dem  Pachtkontrakt,  welcher  in  betreff 
der  Abgaben  Griechenlands  mit  den  Staatspächtern  geschlossen  wird, 
die  tralaticische  Klausel,  dafs  ausgenommen  sein  soll,  was  ein  Senats- 
beschlufs  oder  ein  Imperatorenakt  rücksichtlich  der  Instandhaltung  der 
Tempel  und  Heiligtümer  der  unsterblichen  Götter  in  Nutzniefsung  ge- 
geben oder  belassen  habe;  auch  ausgenommen  sein  solle,  was  der  Im- 
perator Sulla  wegen  der  Instandhaltung  der  Tempel  etc.  in  Nutzniefsung 
gegeben  und  der  Senat  bestätigt,  auch  später  nicht  wieder  aufge- 
hoben habe. 

Dieses  dem  oropischen  Heiligtum  und  folgeweise  auch  der  Ge- 
meinde Oropos  selbst  gewährte  Vorrecht  weigern  die  römischen  Publi- 
kanen  sich  anzuerkennen,  weil  Amphiaraos  nicht  zu  den  unsterblichen 
Göttern  zähle;  sie  hatten  auch  eigentlich  Recht.  Aber  da  das  spezielle 
Dekret  Sullas  und  dessen  Bestätigung  durch  Senatsbeschlufs  vorlag,  so 
beschwerten  sich  die  Oropier  in  Rom,  und  durch  Senatsbeschlufs  vom 
Jahre  680  wurden  die  Konsuln  beauftragt,  die  Sache  zu  entscheiden. 
Am  14.  Oktober  wurde  der  Rechtsstreit  in  Rom  verhandelt,  natürlich 
öffentlich  vor  Richtern  und  Beisitzern  in  der  porcischen  Basilika,  und 
nachdem  die  Advokaten  beider  Parteien  gesprochen,  das  Urteil  gefällt. 
Die  Konsuln  hatten  für  diese  Entscheidung  15  Beisitzer  zugezogen,  ver- 
mutlich sämtlich  Senatoren.  Es  wurden  die  Urkunden  vorgelegt,  der 
Spruch  Sullas  mit  dem  ihn  bestätigenden  SC  und  der  Pachtkontrakt  der 
Beklagten,  und  die  Göttlichkeit  des  Amphiaraos  wurde  im  Sinne  Sullas 
und  des  Senates  anerkannt.  Am  16.  Oktober  legten  die  Konsuln  dem 
Senate  ihren  Spruch  vor,  der  ihn  bestätigte. 

Diese  Entscheidung  und  der  Senatsbeschlufs  wurden  mit  An- 
schreiben der  Konsuln  bald  nachher  der  klagenden  Gemeinde  zugesandt. 
Wir  erfahren  zugleich,  dafs  die  Urkunde  entnommen  ist  den  protokol- 
larischen Aufzeichnungen  der  von  dem  Konsulargericht  entschiedenen 
Rechtssachen. 

Da  das  Konsilium  am  Ende  des  Jahres  dasselbe  war,  welches  im 
Anfange  desselben  fungierte,  so  wird  es  dadurch  wahrscheinlich,  dafs  im 
Senat  für  dergleichen  Angelegenheiten  Ausschüsse  bestanden,  die  für 
die  Verhandlungen  gleicher  Kategorie  wenigstens  das  Jahr  hindurch 
fungierten. 

B.   Heisterbergk,    Name    und    Begriff   des    lus    italicum.     Tü- 
bingen 1885. 

Der  Verfasser  legt  zuerst  die  Schlüsse  dar,  welche  von  Sigonius, 
Savigny,  Rudorff,  C  Hegel  und  Zumpt  aus  dem  Namen  auf  den  Begriff 


C.   Die  Staatsverwaltung.    2.   Die  Finanzverwaltung.  67 

gemacht  wordeu  sind.  Stimmen  seit  Savigny  alle  Bearbeiter  der  Frage 
darin  überein,  dafs  in  dem  mit  ins  Italicum  bezeichneten  Rechte  zuerst 
ein  Italien  allein  eigen  gewesenes  Verhältnis,  ein  Vorzug  der  italischen 
vor  den  provinzialen  Gemeinden  bezeichnet  werde,  der  den  letzteren  nur 
später,  ausnahmsweise  und  durch  ausdrückliche  Übertragung  zu  teil  ge- 
worden sei,  so  durchaus  verschieden  sind  die  Ansichten  über  den 
historischen  Grund  und  zeitlichen  Ursprung  jenes  angeblich  dem  ita- 
lischen Boden,  den  italischen  Gemeinden  eigenen  Sonderrechts.  In  dem 
ersten  Abschnitt  »Italien  und  das  ius  Italicum«  werden  die  verschiedenen 
Annahmen  einer  Kritik  unterworfen,  und  der  Verfasser  kommt  dabei  zu 
dem  Ergebnisse,  dafs  der  Ursprung  des  ius  Italicum  nicht  in  den  älteren 
Rechtsverhähnissen  von  Italien,  auch  nicht  in  der  Erteilung  des  Bürger- 
rechts an  die  Bundesgenossen  zu  suchen  und  somit  die  Wurzeln  des  ius 
Italicum  nicht  in  besonderen  Rechtsverhältnissen  Italiens  zu  finden  seien. 

In  dem  zweiten  Abschnitte  »die  römischen  Bürgerkolonieen  und 
das  ius  Italicum«  führt  der  Verfasser  aus,  dafs  nach  Ansicht  der  meisten 
Gelehrten  die  Kolonie- Eigenschaft  einer  Provinzial- Gemeinde  thatsäch- 
lieh  die  Voraussetzung  für  die  Verleihung  des  ius  Italicum  bildet 
Streitig  ist  dagegen,  ob  dasselbe  allen  römischen  Kolonieen  oder  nur 
einigen  verliehen  worden  sei,  während  Einstimmigkeit  darüber  besteht, 
dafs  dieselben  erst  das  ius  Italicum  durch  besondere  Verleihung  er- 
hielten, es  also  an  sich  nicht  besafsen.  Um  die  Frage  der  Steuerfrei- 
heit, welche  das  ius  Italicum  verlieh,  zur  Entscheidung  bringen  zu  können, 
wird  die  Frage  über  die  Rechtsstellung  der  Bürgerkolonie  untersucht: 
dieselbe  als  ein  Staatsteil  kann  ihr  Gebiet  nur  zu  quiritarischem  Rechte 
besessen  haben,  und  damit  ist  die  Annahme,  dafs  dieses  Gebiet  mit 
einer  an  den  Staat  zu  entrichtenden  Grundsteuer  belastet  gewesen  sei, 
ausgeschlossen.  Die  Kolonieen  können  also  das  Recht  der  Steuerfreiheit 
nicht  erst  durch  Verleihung  des  ius  Italicum  erhalten  haben.  Da  ander- 
seits aber  feststeht,  dafs  das  ius  Italicum  das  steuerfreie  Eigentum  am 
Boden  wirklich  verlieh ,  ja  hierin  der  wesentliche,  vielleicht  der  einzige 
Inhalt  des  ius  Italicum  bestand,  und  weiter  dafs  das  ius  Italicum  sich 
stets  an  Kolonieen  geknüpft  findet,  so  bedarf  dieser  Widerspruch  der 
Lösung.  Diese  wird  in  dem  dritten  Abschnitt  gegeben  »Begriff  und 
Name  des  ius  Italicum«.  Die  Stelle  aus  Ulpian  de  censibus,  wonach 
Heliopolis  von  dem  Kaiser  Severus  Italicae  coloniae  rempublicam  er- 
halten habe,  wird  mit  Rodbertus  so  gefafst,  dafs  die  Verleihung  der 
respublica  coloniae  italicae  sachlich  nichts  anderes  bedeute  als  die  Ver- 
leihung des  ius  Italicum.  Dafs  aber  in  der  Angabe  über  die  neue  Ver- 
leihung gleichwohl  der  Koloniebegriff  Platz  findet,  will  Heisterbergk 
daraus  erklären,  dafs  der  Koloniebegriff'  ein  inhärierendes  Merkmal  des 
ius  Italicum  bildet. 

In  diesem  Falle  ist  aber  ius  Italicum  ein  abkürzender  Ausdruck 
für  ius  oder  respublica  coloniae  italicae;    das  ius  Italicum  verlieh  also 

5* 


68  Römische  Staatsaltertümer. 

Kolonierechte.  Eine  colonia  Italica  ist  aber  nichts  anderes  als  eine 
vollberechtigte  römische  Bürgerkolonie.  Das  ius  Italicura  konnte  jeder 
Gemeinde  verliehen  werden,  welche  fähig  war,  das  Recht  einer  römischen 
Kolonie  zu  erlangen,  also  jeder  aufser  einer  vollberechtigten  römischen 
Kolonie;  jede  Gemeinde  aber,  welcher  es  verliehen  wurde,  wurde,  weil 
das  ius  Italicum  das  Recht  einer  vollberechtigten  römischen  Kolonie 
war,  durch  dessen  Verleihung  eo  ipso  eine  römische  Kolonie.  Damit 
ist  auch  der  Widerspruch  beseitigt,  mit  dem  das  zweite  Kapitel  schlofs. 

Wie  kam  es,  dafs  die  vollberechtigte  römische  Bürger- Kolonie 
italische  Kolonie,  ihr  Recht  ius  Italicum  genannt  wurde?  Aus  den 
Münzen  von  Acci  und  aus  dem  Beispiele  von  Karthago  wird  bewiesen, 
dafs  die  vollberechtigte  römische  Bürger-Kolonie  nicht  mit  der  deducierten 
Kolonie  sich  deckt,  dafs  sie  also  ihren  Namen  colonia  Italica  nicht  des- 
halb erhalten  haben  kann,  weil  sie  durch  Überführung  von  römischen 
Bürgern  aus  Italien  wirklich  deducierte  Kolonie  gewesen  wäre.  Sie  ist 
vielmehr  die  altröraische  Bürger-Kolonie  im  Gegensatz  zur  Militär-Kolonie 
und  verdankt  den  Namen  italica,  nur  dem  rein  äufserlichen,  zufälligen 
Umstände,  dafs  die  altrömischen  Bürger-Kolonieen  —  mit  Ausnahme 
der  bald  wieder  aufgehobenen  Kolonieen  Karthago  und  Narbo  —  that- 
sächlich  sich  nicht  über  die  Grenzen  Italiens  verbreitet  haben.  Während 
aber  das  Recht  einer  colonia  italica  einzelnen  Städten  aus  besonderen 
Gründen  verliehen  wurde,  scheinen  die  Veteranen  der  Prätorianerkohorteu 
durchgängig  nach  diesem  Rechtsprinzip  angesiedelt  worden  zu  sein. 

Die  Abhandlung  ist  sehr  vorsichtig  und  streng  methodisch  durch- 
geführt, und  man  könnte  sich  mit  dem  Resultate  wohl  einverstanden 
erklären,  da  vieles  für  dasselbe  spricht.  Aber  es  ist  doch  sehr  zweifel- 
haft, ob  damit  die  Frage  entschieden  ist.  Die  Interpretation  der  wichtigen 
Ulpianstellen  ist  mindestens  bestreitbar,  die  Behandlung  der  Nachricht 
über  Cäsarea  scheint  nicht  zwingend  zu  sein.  Wir  können  also  nur 
sagen,  dafs  die  Ergebnisse  wahrscheinlich,  nicht  aber  dafs  sie  unum- 
stöfslich  sicher  sind. 

3.     Militärwesen. 

Theodore  Reinach,    De   Tetat  de  siege,     fitude  historique  et 
juridique,  Paris  1885. 

Von  dieser  Schrift  gehören  nur  die  beiden  ersten  Kapitel,  welche 
von  der  Diktatur  und  dem  Senatus  consultum  ultimum  handeln,  in  den 
Jahresbericht.  Sie  bilden  die  Einleitung  zu  der  Studie  über  das  Recht 
des  Belagerungszustandes  in  Frankreich. 

Betreffs  der  Diktatur  zeigt  der  Verfasser  einige  Neigung,  den  Ur- 
sprung derselben  bei  den  Sabinern  und  Samnitern  zu  suchen;  aber  Be- 
weise giebt  er  dafür  nicht.  Richtiger  ist,  dafs  die  Diktatur  ursprüng- 
lich rein  militärischen  Charakter  hat ;  die  Patrizier  übertrugen  sie  dann 


C.    Die  Staatsverwaltung.    3.    Militärwesen.  69 

auf  ihre  Kämpfe  gegen  den  inneren  Feind.  Was  sonst  über  das  Amt 
vorgebracht  wird,  ist  nicht  neu. 

Für  die  Auffassung  des  SC  ultimum  weist  der  Verfasser  in  einer 
kurzen  Einleitung  auf  die  Änderung  des  Verhältnisses  des  Senats  zu 
den  Konsuln  und  Beamten  überhaupt  hin:  letztere  wurden  lediglich 
Vollstrecker  des  senatorischen  Willens.  Gegen  den  auswärtigen  Feind 
reichte  dies  aus;  als  die  innere  Revolution  begann,  hatte  der  Senat 
keine  Mittel,  um  derselben  mit  Erlolg  d.  h.  mit  Stärke  entgegenzutreten. 
Die  Diktatur  war  zu  gefährlich,  da  sich  zu  leicht  die  Versuchung  bot, 
die  dadurch  verliehene  Gewalt  beizubehalten.  Anderseits  reichte  die  ge- 
wöhnliche Magistratur  nicht  aus,  da  sie  innerhalb  des  Pomeriums  kein 
Heer  verwenden  durfte  und  in  der  völligen  Freiheit  des  Strafsenverkehrs, 
der  Heiligkeit  des  Hauses  und  der  custodia  libera  unüberwindliche 
Mittel  des  Widerstandes  vorhanden  waren.  Man  hätte  Rom  an  allen 
vier  Enden  anzünden,  man  hätte  Mord  und  Brand  überall  verbreiten 
können,  ohne  dafs  die  Magistratur ,  wenn  sie  streng  gesetzlich  verfuhr, 
auch  nur  die  Rä  delsführer  hätte  greifen  dürfen.  Um  gegen  solche  Zu- 
fälle gewappnet  zu  sein,  erfand  der  Senat  eine  Institution,  welche  den 
Magistraten  für  den  Augenblick  diktatorische  Gewalt  verlieh  ohne  den 
Namen.  Der  Schutz  gegen  Misbrauch  lag  darin,  dafs  der  Senat  die 
Initiative  besafs  und  die  Beamten,  welche  von  der  Machtbefugnis  Ge- 
brauch machten,  nur  auf  ihn  rechnen  konnten,  wenn  es  galt  sich  dar- 
über zu  verantworten.  Der  Senat  behielt  die  oberste  Leitung  in  der 
Hand,  und  in  der  That  übte  er  die  Diktatur.  An  den  Berichten  über 
die  Unterdrückung  Catiliuas  sucht  der  Verfasser  seine  Theorie  zu  illu- 
strieren. 

Der  Verfasser  stellt  dann  die  verschiedenen  Formeln  zusammen, 
welche  sich  für  die  Übertragung  dieser  aufserordentlichen  Gewalt  ver- 
wendet finden;  die  bekannteste  derselben  (videant  consules  etc.)  scheint 
die  jüngste  zu  sein.  Was  die  Magistrate  betrifft,  welchen  diese  diktato- 
rische Befugnis  verliehen  wird,  so  ist  es  bald  der  eine  Konsul,  bald  sind 
es  beide;  aber  auch  der  Interrex,  die  Prätoren,  Prokonsuln  und  Pro- 
prätoren, welche  ein  Heer  au  den  Thoren  haben,  erhalten  dieselbe.  Die 
Benutzung  der  übertragenen  Gewalt  ist  sehr  mannigfaltig:  in  der  Regel 
machen  die  Beamten  nur  Gebrauch,  indem  sie  sich  auf  den  Senat  stützen, 
dem  sie  die  Initiative  und  die  moralische  Verantwortung  für  alle  ent- 
scheidenden Schritte  überlassen. 

Die  wirksamste  Mafsregel,  durch  welche  sich  der  Senat  in  akuten 
Krisen  hilft,  ist  das  decretum  tumultus;  durch  sie  wurden  die  gewöhn- 
lichen Rekrutierungs-Bestimmungen  aufgehoben.  Verbunden  wurde  oft 
mit  dieser  Mafsregel  die  Verkündung  des  Justitium,  welches  den  Zweck 
hatte,  den  Magistraten  zu  gestatten,  ihre  ganze  Kraft  der  Verteidigung 
zu  widmen  und  den  Bürgern  ermöglichte,  sich  nur  den  Zwecken  der 
Militärverwaltung  zu  widmen.     Auch  das   Justitium  wurde  vom  Senate 


70  Römische  Staatsaltertümer. 

angeordnet.     Diese  Ansicht  sucht   der   Verfasser  gegen  Mommsen  und 
Nissen  zu  erweisen. 

Während  das  SC  ultimum  die  Magistrate  im  Allgemeinen  ermäch- 
tigte, den  Staat  von  gewissen  aufrührerischen  Elementen  zu  befreien, 
ist  die  Erklärung  zum  hostis  durch  den  Ausspruch  contra  rempublicam 
agi  immer  gegen  einzelne  Personen  gerichtet. 

Der  Verfasser  erörtert  die  Frage,  ob  die  Hinrichtung  des  Grac- 
chas,  Satuminus  und  der  Catilinarier  gesetzlich  zulässig  gewesen  sei. 
Er  findet  dieselbe  ungesetzlich,  da  sie  gegen  die  Provokationsgesetze 
verstiefs,  der  Beklagte  sich  in  jedem  Falle  der  Todesstrafe  durch  frei- 
willige Verbannung  entziehen  konnte  und  die  Komitien  sogar,  ebenso 
die  quaestiones  extraordinariae  nicht  mehr  auf  Todesstrafe  erkannten. 
Auch  das  SC  ultimum  konnte  den  Magistraten  nicht  das  Recht  verleihen, 
ohne  Provokation  die  Todesstrafe  zu  verfügen;  denn  es  war  strenge 
untersagt,  eine  Magistratur  ohne  Provokation  zu  schaffen;  ebenso  wenig 
konnte  der  Senat  einzelnen  Personen  das  Beneficium  der  Provokations- 
gesetze entziehen.  Aber  auch  den  Senat  selbst  das  Todesurteil  verhän- 
gen zu  lassen,  was  ängstliche  Beamte,  wie  Cicero  thaten,  war  durchaus 
wirkungslos;  denn  der  Senat  war  dazu  nicht  berechtigt.  In  der  That 
hat  die  demokratische  Partei  nie  das  angebliche  Recht  des  Senats  an- 
erkannt. 

Fr.  Fröhlich,  Feldherren  und  Feldherrntum  im  alten  Rom  zur 
Zeit  der  Republik.  (Abdruck  aus  dem  XVII.  Jahresbericht  des  Vereins 
Schweiz.  Gymnasiallehrer)  Aarau  1885. 

Der  Verfasser  illustriert  in  der  Hauptsache  durch  ein  aus  sorg- 
fältigem Studium  der  Alten  gewonnenes  Material  die  ciceronianischen 
Anforderungen  an  einen  Feldhenn  grofsen  Stils;  wir  heben  nur  einiges 
daraus  hervor. 

Die  Generalstabsschule  der  Römer  war  der  Krieg;  doch  finden 
sich  auch  Spuren  von  theoretischen  Studien,  namentlich  der  griechischen 
Taktiker;  zuerst  scheint  letztere  der  jüngere  Airikanus  studiert  zu 
haben.  Die  höhere  Kriegskunst  bestand  für  den  Feldherrn  in  der  Aus- 
wahl eines  Platzes  für  das  Lager,  in  der  Befestigung  desselben,  in  der 
Beschaffung  der  Zufuhr,  in  der  Sicherstellung  des  Heeres  gegen  Hinter- 
halte, in  der  Wahl  der  richtigen  Zeit  zum  Kampf,  in  der  Aufstellung 
der  Schlachtordnung,  in  der  Deckung  durch  Reserven,  im  Besetzen 
entscheidender  Punkte  und  im  Abschneiden  der  Verbindungen  des  Fein- 
des. In  der  Regel  operierte  nur  ein  Heer  gegen  einen  Feind,  und  da 
entschied  die  Taktik,  um  die  sich  der  ältere  Afrikanus  besondere  Ver- 
dienste erworben  hat. 


C.    Die  Staatsverwaltung.     3.    Militärwesen.  71 

Alfred  v.  Domaszewski,  Die  Fahnen  im  römischen  Heere 
Abhandl.  d.  archäol.-epigr.  Seminares  der  Univ.  Wien.  5.  Heft.  Wien. 
1885.    Mit  100  Abbildungen. 

Diese  sorgfältige  und  interessante  Schrift  behandelt  im  ersten 
Teile  die  taktische  Bedeutung  der  Signa.  Die  entscheidende  Waffe  des 
Legionärs  ist  das  Schwert.  In  dieser  Kampfweise,  welche  die  Schlacht- 
linie in  eine  Reihe  von  Einzelkämpfen  auflösen  mufste,  ist  die  eigent- 
liche Bedeutung  der  Signa  begründet.  Sie  bilden  während  des  lang- 
dauernden Handgemenges  die  Stützpunkte  der  Unterabteilungen,  um 
welche  sich  die  Kämpfer  ordnen,  und  indem  der  Feldherr  ihre  Bewe- 
gungen im  Gefechte  regelt,  gelingt  ihm  die  Leitung  der  Masse  nach  einheit- 
lichem Plane.  In  der  Zeit  Cäsars  stehen  die  Signa  in  dem  ersten  Gliede;  es 
ist  aber  durchaus  anzunehmen,  dafs  die  Stellung  der  Signa  nach  der  tak- 
tischen Ordnung  der  Römer  an  die  Frontlinie  gebunden  ist.  Eine  Reihe 
von  Ausdrücken  (signa  tollere,  movere,  ferro,  efferre,  proferre,  consti- 
tuere,  inferre,  conferre,  convertere,  referre,  transferre ,  promovere ,  retro 
reeipere,  ad  laevam  ferre.  obicere,  expedire)  zeigt,  dafs  die  Bewegun- 
gen der  Truppen  durch  die  entsprechenden  Bewegungen  der  Signa  be- 
zeichnet werden.  Die  Kommandoworte  hat  man  sich  meist  an  die  signi- 
feri  gerichtet  zu  denken;  ja  es  bestand  im  römischen  Heere  eine  beson- 
dere Klasse  von  Hornbläsern,  welche  durch  ihre  Signale  die  Bewegun- 
gen der  Signa  zu  leiten  hatten. 

Diese  taktische  Bedeutung  der  Signa  läfst  die  Ansicht,  dafs  die 
Signa  der  Manipeln  zur  Zeit  der  Mauipularordnung  während  des  Ge- 
fechts hinter  der  Schlachtlinie  standen,  als  sehr  bedenklich  erscheinen. 
Wenn  von  Livius  die  prima  acies,  also  die  Manipeln  der  hastati  als 
antesignani  bezeichnet  werden,  so  hat  man  hierbei  nicht  an  die  Mani- 
pelsigna  zu  denken,  sondern  neben  diesen  bestand  noch  eine  zweite 
Gattung  von  Signa,  auf  deren  Vorhandensein  bestimmte  Spuren  der 
Überlieferung  führen. 

Im  zweiten  Teile  werden  die  Signa  im  Zusammenhange  mit  der 
Organisation  behandelt.  Historische  Nachrichten  über  die  Signa  begin- 
nen erst  in  der  Zeit  der  Manipularordnung;  jeder  der  30  Manipeln,  in 
welche  die  Legion  zerfiel,  führte  ein  signum.  Die  velites,  welche  zu  dem 
Manipel  gehörten,  hatten  kein  eignes  Signum,  sondern  waren  nur  für 
den  Marsch  und  das  Lager  unter  das  Manipelsiguum  eingeteilt,  wäh- 
rend sie  in  der  Schiacht  teils  selbständig,  teils  im  Vereine  mit  der  Rei- 
terei operierten.  Bei  den  Bundesgenossen  bildete  die  Kohorte  die  Ein- 
heit; sie  führte  deshalb  auch  ein  Signum.  Dagegen  ist  die  Legionsko- 
horte den  Heeres-Einrichtungen  der  älteren  Zeit  noch  fremd.  Die  erste 
sichere  Nachricht  findet  sich  bei  Sallust  (B.  J.  51,  3);  danach  ist  sie 
keine  Neuerung  des  Marius. 

Auch  hier  blieb  der  Manipel   als  taktische  Formation  in  Geltung, 


72  Römische  Staatsaltertümer. 

während  seine  Hälften,  die  Centurien,  die  administrative  Einheit  bilde- 
ten. Im  Laufe  der  Kaiserzeit  verschwand  der  Manipel  aus  der  römi- 
schen Heeresorganisatiou.  Daher  wird  für  die  spätere  Zeit  die  Angabe 
des  Vegetius  richtig  sein,  dafs  die  Centuria  ein  Signum  führt.  Dagegen 
hat  es  Kohortenfahnen  nie  gegeben. 

Seit  Marius  hat  die  Legion  noch  eine  Fahne,  den  Adler;  dieselbe 
ist  von  lediglich  symbolischer  Bedeutung,  der  Ausdruck  der  Zusammen- 
gehörigkeit in  der  Truppe.  Jede  von  dem  Stamme  der  Legion  zu  irgend 
einem  Zwecke  losgetrennte  Abteilung  erhält  als  Symbol  ihrer  vorüber- 
gehenden Zusammengehörigkeit  ebenfalls  eine  Fahne,  und  zwar  eine 
Zeugfahne  (vexillum);  von  mehreren  solchen  Abteilungen  aus  verschie- 
deneu Legionen,  die  unter  einem  Kommando  vereinigt  wurden,  führt 
doch  jede  Abteilung  ihr  besonderes  vexillum;  ein  Signum  haben  die- 
selben nicht.  In  der  symbolischen  Bedeutung  findet  sich  das  Vexillum 
bei  den  Transporten  der  Verwundeten  und  der  Rekruten  und  bei  den 
Veteranen  verwendet.  Bei  den  aus  Infanterie  und  Reiterei  kombinierten 
Abteilungen  ist  das  Vexillum  jederzeit  die  charakteristische  Reiterfahne 
geblieben.  Dies  gilt  sowohl  von  den  equites  legionis  als  den  equites  der 
cohortes  equitatae  und  wahrscheinlich  auch  von  den  equites  der  coh. 
praetoriae.  Wahrscheinlich  hatte  bei  allen  diesen  Reitern  jede  Turme 
ihr  Vexillum.  In  den  blofs  aus  Reitern  gebildeten  Truppen,  den  alae 
und  den  equites  singulares  finden  sich  sowohl  signiferi  als  vexillarii; 
doch  ist  deren  Funktion  bezw.  die  Unterscheidung  der  Feldzeichen  noch 
nicht  klar.  Die  Prätorianer-Kohorten  hatten  höchst  wahrscheinlich  auch 
Manipelsigna.  Aber  als  die  Manipeln  in  der  Legion  aufgehoben  wur- 
den, wird  dies  auch  in  den  Prätorianer-Kohorten  geschehen  sein. 

Im  dritten  Teile  wird  die  Form  der  Fahnen  nach  Grabsteinen, 
Siegesdenkmälern  und  Münzen  mit  grofser  Sorgfalt  erörtert,  a)  Der 
Legionsadler.  Es  erscheint  meist  ein  Adler  mit  aufgerichteten  Flü- 
geln; es  scheint,  dafs  der  Legionsadler,  der  aufzusteigen  im  Begriffe  ist, 
gleich  einem  glückverheifsenden  Augurium  der  Legion  vorausfliegen  soll, 
um  ihr  den  Weg  zum  Siege  zu  weisen.  An  der  Fahnenstange  wurden 
Orden  angebracht,  welche  der  ganzen  Legion  verliehen  worden  waren, 
b)  Die  Signa  der  Legion.  Die  Fahnenstange  ist  eine  Lanze,  die  unten 
in  einen  Schuh  zum  Einstofsen  endet.  Eine  kurze  Querstange  über  dem 
Schuh  verhindert  das  zu  tiefe  Einsinken,  während  eine  Handhabe  das 
Herausziehen  erleichterte.  Die  Fahnenstange  war  mit  Silber  bekleidet. 
An  der  Fahnenstange  ist  oben  ein  Querholz  befestigt,  das  an  den  Enden  in 
Ringen  purpurne  Bänder  trägt,  welche  an  ihren  Enden  mit  silbernen  Epheu- 
blättern  geschmückt  sind;  an  diesem  Querholze  war  auf  einer  Silber- 
platte die  Bezeichnung  des  Truppenkörpers  angebracht.  An  der  Fah- 
nenstange sind  als  stehender  Schmuck  silberne  Scheiben  angebracht,  die 
einen  Buckel  in  der  Mitte  und  einen  aufgetriebenen  Rand  zeigen  und 
mit  den  phalerae  genau  übereinstimmen,   wenn  diese  nicht  mit  Reliefs 


C.   Die  Staatsverwaltung.     3.    Militärwesen.  73 

geschmückt  sind.  Man  hat  ebenfalls  hierin  an  ganze  Truppenkörper 
verliehene  phalerae  zu  erkennen;  in  ähnlicher  Weise  wie  die  phalera 
an  Fufstruppen  wird  die  torques  an  Reitertruppen  verliehen.  Wahr- 
scheinlich waren  die  phalerae  so  an  der  Fahnenstange  befestigt,  dafs 
sie  heruntergenommen  werden  konnten,  ohne  sie  zu  beschädigen.  Welche 
Bedeutung  die  Hand  auf  manchen  Signa  hat,  ist  unbekannt;  noch  schwie- 
riger ist  die  Erklärung  der  Tierbilder  auf  den  Signa.  Das  Tierbild 
war  an  der  Stange  unter  den  phalerae  befestigt.  Wahrscheinlich  hat 
jede  Legion  ein  eigentümliches  Tier;  vielleicht  sollte  die  Befestigung 
derselben  als  Apotropaeum  wirken,  c)  Prätorianersigna.  Dieselben 
haben  im  Verlaufe  der  Kaiserzeit  vielfache  Veränderungen  erfahren. 
Für  die  trajanische  Zeit  läfst  sich  auf  Grund  der  Trajanssäule  folgender 
Typus  feststellen.  Die  Fahnenstange  ist  eine  Lanze  mit  Querholz,  an 
dessen  Enden  Bänder  mit  Epheublättern  geschmückt  herabhängen;  über 
dem  Querholze  sitzt  ein  Adler.  Die  übrigen  Bestandteile,  mit  Ausnahme 
der  Kaiserbilder,  sind  als  Orden  aufzufassen.  Die  Kaiserbilder  sind  in 
der  Mitte  der  Fahnenstange  befestigt,  getrennt  durch  eine  oder  zwei 
coronae.  Diese  Blätterki'änze  (Corona  aurea,  muralis,  classica,  vallaris) 
sind  den  Prätorianersignen  so  eigentümlich,  wie  denen  der  Legion  die 
phalerae.  Alle  diese  Bestandteile  werden  von  Gold  gewesen  sein, 
d)  imagines  und  imaginiferi.  In  der  Legion  sowohl  als  in  den  Auxiliar- 
kohorteu  finden  sich  in  den  Inschriften  besondere  imaginiferi.  Man 
kann  daraus  schliefsen,  dafs  die  imago  des  Kaisers  in  diesen  Truppen- 
körpern an  besonderer  Stange  getragen  wurde;  die  imago  war  ein  Me- 
daillon, wie  bei  den  Prätorianern.  In  den  Alen  bestand  wahrscheinlich 
neben  den  signa  der  Türmen  noch  ein  Signum  der  ganzen  Ala,  und  au 
diesem  wurde  das  Kaiserbild  getragen,  e)  Signa  der  Auxilia.  Die  Form 
des  Signums  ist  nach  dem  Vorbilde  des  Manipelsignums  geschaffen; 
auch  Corona  aurea  und  phalera  finden  sich  in  ähnlicher  Weise  als  Orden. 
Manche  signa  tragen  als  einzigen  Schmuck  Tierbilder;  dieselben  sind 
als  signa  der  numeri  anzusehen  d.h.  von  Truppen,  die  auf  nationaler 
Grundlage  zusammengesetzt  und  organisiert  waren,  f)  Signa  der  Spe- 
culatores.  Die  Speculatores  hatten  eigne  Fahnen.  Über  dem  Querholz, 
an  dem  Bänder  mit  Epheublättern  hängen,  ist  ein  aufrechtstehender 
Kranz  befestigt ;  unter  dem  Querholz  eine  phalera,  ein  aufrechtstehender 
Kranz  und  ein  Schiffsvorderteil,  g)  Vexilla.  Für  Reiter  und  Fufsgänger 
ergeben  sich  bezüglich  der  Form  nicht  wesentliche  Unterschiede.  An 
einem  Lanzenschafte  ist  ein  Querholz  befestigt,  von  welchem  ein  qua- 
dratisches Stück  Zeug  niederhängt,  dessen  unterer  Rand  mit  Fransen 
besetzt  ist.  Über  dem  Querholz  ist  eine  Hand  angebracht;  der  Schuh 
hat  die  Form  eines  Dreizacks.  Das  Vexillum  trug  den  Namen  des 
Truppenkörpers,  aus  welchem  die  Vexillatio  ausgeschieden  war,  und  den 
Namen  des  Kaisers.  Die  älteste  Fahne  des  römischen  Heeres  ist  ohne 
Zweifel  ein  vexillum  gewesen.    Die  Form  der  ältesten  Manipelsigna  be- 


74  Römische  Staatsaltertümer. 

stätigt  diese  Annahme;  denn  unter  den  phalerae  ist  ein  kleines  vexillum 
angebracht,  welches  die  Aufschrift  trägt  und  sich  dadurch  als  die  eigent- 
liche Fahne  kennzeichnet. 

Die  verdienstvolle  Abhandlung  möge  bald  auf  ähnlichen  Gebieten 
Nachfolge  finden! 

W.  Soltau,  Die  Manipulartaktik.     Hermes  20,  262—267. 

Gegen  Delbrücks  Aufsatz  (Jahresbericht  1883  Seite  221)  wendet 
sich  Soltau.  Die  Intervalle  bei  der  Manipularordnung  waren  zu  Anfang 
der  Schlacht  notwendig,  so  lange  überhaupt  Leichtbewaffnete  über  die 
einzelnen  Manipel  verteilt  waren  d.  h.  eben  bis  zu  der  Zeit,  da  Marius 
die  Kohortenstellung  einführte.  Denn  durch  sie  zogen  sich  die  Leicht- 
bewaffneten zurück.  Bei  Beginn  des  Kampfes  wurde  aber  die  Quincunx- 
stellung  modificiert  und  zwar  durch  das  einfache  Kommando  des  laxare 
ordines,  laxare  manipulos  =  Abstand  nehmen  innerhalb  der  Manipel. 
Bei  einer  Verdoppelung  des  Abstandes  jedes  einzelnen  Legionars  von 
seinem  Nebenmaune  mufsten  die  abstände  zwischen  den  Manipeln  aus- 
gefüllt werden ,  wenn  anders  diese  selbst  nicht  gröfser  waren  als  die 
bisherige  Manipelfi'ont.  In  diesem  Falle  war  jede  Unordnung  ausge- 
schlossen; ebenso  wenig  konnte  sich  jetzt  der  Feind  flankierend  und 
umfassend  zwischen  die  Manipeln  drängen.  Mufsten  die  hastati  weichen, 
so  zogen  sie  sich  auf  die  signa  manipuli  und  die  vexilla  centuriarum(?) 
zurück,  die  zu  Beginn  der  statarischen  Schlacht  sich  hinter  die  Front 
begeben  haben.  Wenn  dabei  vorübergehende  gröfsere  Lücken  zwischen 
Manipel  und  Manipel  entstanden,  so  rückten  die  principes  nach  und 
füllten  dieselben.  Entweder  kamen  nun  die  hastati  schnell  durch  das 
Intervall  hinter  die  Front,  dann  nahmen  auch  die  principes  möglichst 
schnell  gröfseren  Abstand  und  traten  als  eine  neue  Schlachtreihe  laxatis 
ordinibus  der  feindlichen  Phalanx  gegenüber.  Oder  das  Manoeuvre  ge- 
lang nicht;  dann  nahmen  die  einzelnen  Legionare  der  Principesmanipel 
desto  mehr  Abstand,  je  mehr  sich  die  hastati  nach  und  nach  hinter  die 
principes  zurückzogen.  Selbst  wenn  manche  der  hastati,  zur  Seite  ge- 
drängt, nicht  ihre  vexilla  (?)  und  signa  durch  das  ihnen  zukommende 
Intervall  direkt  erreichten,  konnte  es  vereinzelten,  versprengten,  kleineren 
Abteilungen  möglich  werden,  durch  die  weiten  Abstände  der  einzelneu 
Rotten  der  principes  hindurchzuschlüpfeu ,  ohne  diese  selbst  in  Unord- 
nung zu  bringen. 

A.  Kuthe,  Die  römische  Manipulartaktik.  SA.  aus  der  Fest- 
schrift des  Gymnasiums  Wismar  zum  50jährigen  Jubiläum  des  Direktor 
Nölting.     1885. 

Die  Schrift  ist  in  der  Hauptsache  eine  Polemik  gegen  Delbrück 
und  de  la  Chauvelays,  wobei  der  Verfasser  zu  folgenden  positiven  Er- 
gebnissen gelangt. 


C.    Die  Staatsverwaltung.     3.    Militärwesen.  75 

Durch  Kombination  von  Liv.  8,  8  und  Polybius  (18,  28  —  32)  hofft 
der  Verfasser  eine  Untersuchung  über  das  Wesen  der  Manipulartaktik 
zu  ennöglichen.  Letzterer  hebt  die  ünbehülflichkeit  der  Phalanx  und 
ihre  Unbraucbbarkeit  in  unebenem  Gebiete  sowie  die  Unmöglichkeit  hervor, 
einzelne  kleinere  Truppenteile  oder  den  einzelnen  Mann  frei  zu  ver- 
wenden. Die  Phalanx  könne  bei  ihrer  Abhängigkeit  von  einem  durchaus 
ebenen  Schlachtfelde  die  Annahme  des  Kampfes  nicht  erzwingen,  ja 
selbst  wenn  der  Feind  den  Kampf  annähme  und  nur  nicht  sein  ganzes 
Heer  zu  dem  einen  Schlage  zusammenfasse,  sei  der  Erfolg  gefährdet. 
Denn  auch  im  Falle  des  Sieges  biete  dieselbe,  falls  sie  zur  Verfolgung 
übergehe,  einer  feindlichen  Reserve  die  Möglichkeit  zu  einem  Angriffe 
in  Rücken  und  Flanke,  wodurch  es  leicht  sei,  sie  zu  überwältigen. 
Von  der  Manipularordnung  rühmt  er,  dafs  sie  sich  jeder  Örtlichkeit,  wie 
überhaupt  den  mannigfachsten  militärischen  Bedürfnissen  anpasse,  dafs 
sie  durch  Teilung  der  Truppen  und  Aufstellung  der  Reserve  den  Vor- 
teilen der  phalangitischen  Stellung  begegne  und  endlich  kleinere  Truppen- 
teile für  sich  verwendbar  mache. 

Schon  die  ältere  Manipularordnung  des  Livianischen  Berichts  wird 
allen  drei  Forderungen  gerecht.  Das  Heer  wird  in  Abteilungen  von 
120.  richtiger  60  Mann  aufgestellt,  ist  also  beweglich,  auch  auf  unebe- 
nem Gebiete  operationsfähig,  überhaupt  von  der  Örtlichkeit  unabhängiger; 
drei  Treffen  folgen  aufeinander,  das  Prinzip  der  Reserve  ist  also  durch- 
geführt, und  endlich  kann  der  Feldherr  über  einzelne  Teile,  seien  es 
ganze  Treffen  oder  einzelne  Manipel,  nach  dem  augenblicklichen  Be- 
dürfnisse frei  verfügen.  In  Einzelheiten  weichen  beide  Quellen  von  ein- 
ander ab,  aber  der  Grundgedanke  ist  bei  beiden  derselbe.  Die  Triarier 
will  der  Verfasser  mit  Dionys  (5,  15  und  8,  86)  aus  der  Lagerwache 
hervorgegangen  ansehen,  da  bei  der  Phalanx  eine  Reserve  keinen  Wert 
gehabt  habe,  welche  durch  ein  von  besonders  zuverlässigen  Truppen  ver- 
teidigtes Lager  ersetzt  wurde ;  auf  diese  Bestimmung  soll  auch  die  Be- 
waffnung mit  dem  pilum  (pilani)  hinweisen,  da  die  pila  sich  ganz  be- 
sonders zum  Wurf  von  oben  eigneten.  Bei  dieser  Annahme  scheint 
Kuthe  ein  enger  Zusammenhang  zwischen  der  ersten  Ausbildung  der 
Manipularlegion  und  dem  Eintreten  der  Triarier  in  die  offene  Feld- 
schlacht  sehr  wohl  denkbar,  ja  beide  Mafsregeln  würden  sich  in  gewisser 
Hinsicht  gerade  bedingen. 

In  dem  Berichte  des  Livius  glaubt  der  Verfasser  besonders  zwei 
Punkte  hervorheben  zu  müssen:  1.  den  Altersunterschied  zwischen  den 
drei  Klassen  der  Schwerbewaffneten  und  die  dadurch  bedingte  militärische 
Brauchbarkeit  und  Zuverlässigkeit  derselben  und  2.  die  Verschiedenheit 
der  Bewaffnung.  Es  giebt  nämlich  nach  Livius  und  Polybius  drei  Klassen 
Schwerbewaffneter,  die  junge  Mannschaft  der  hastati,  den  Kern  der 
Wehrmannschaft,  die  principes,  und  die  Veteranen  der  Triarier,  welche 
die  Stofslanze  führen.    Schon  hieraus  wie  aus  dem  Umstände,  dafs  ihre 


76  Römische  Staatsaltertümer. 

Zahl  auch  in  der  verstärkten  Legion  nicht  vermehrt  wurde,  ergiebt  sich 
mit  Sicherheit,  dafs  die  Triarier  als  Reserve  anzusehen  sind,  dafs  also 
die  Legion  in  eine  Offensiv-  und  Defensivschlachtreihe  zerfiel.  Dann  ist 
aber  weder  die  von  Rocquancourt,  noch  die  von  Guischardt,  noch  die 
von  Delbrück  angenommene  Schlachtordnung  denkbar.  Zunächst  sucht 
Kuthe  die  Frage  zu  entscheiden,  wie  viel  Raum  der  einzelne  Mann  im 
Kampfe  nötig  hatte.  Die  Pileusalve  erfolgte  mit  geschlossenen  Gliedern; 
erst  nach  ihr  ziehen  sich  die  Manipel  rechts  und  links  auseinander. 
Denn  zum  Schwertangriff  brauchte  man  mehr  Raum.  Um  aber  diese 
Auseinanderziehuug  vornehmen  zu  können,  mufste  die  Legion  in  kleinere 
Abteilungen  aufgelöst  werden,  und  dies  sind  die  Manipel  mit  ihren 
Intervallen,  die  man  darnach  als  eine  notwendige  Folge  der  neuen  Be- 
waffnung und  der  dadurch  bedingten  neuen  Fechtweise  ansehen  darf. 

Der  Kernpunkt  der  ganzen  Frage  ist  die  Gröfse  der  Intervalle. 
Den  Ausdruck  modicum  spatium  von  der  Breite  der  ganzen  Manipelfront 
zu  verstehen  würde  vielleicht  bedenklich  sein,  wenn  man  sich  die  Ma- 
nipel der  ältesten  Zeit  120  Mann  stark  denken  müfste  und  damit  zu 
einer  Frontbreite  von  60  Fufs  käme.  Der  Verfasser  will  aber  für  die 
ältere  Manipel  nur  60  Mann  annehmen,  die  zehn  Mann  breit  und  sechs 
Mann  tief  standen,  und  meint  für  eine  Entfernung  von  30  römischen 
Fufs  wäre  modicum  spatium  kein  befremdlicher  Ausdruck.  Auch  das 
Bedenken,  dafs  beim  Vorrücken  alle  Distanzen  verloren  gehen  würden, 
findet  er  nicht  durchschlagend,  da  es  sich  einmal  überhaupt  nicht  um 
weite  Entfernungen  handle  und  weiter  das  Schwanken  bei  Abteilungen 
von  sechs  resp.  acht  Mann  Tiefe  viel  weniger  stark  sei  als  bei  weniger 
tiefen  Aufstellungen.  Eine  geringe  Verschiebung  der  Manipel  nach 
rechts  oder  links  war  aber  kein  grofser  Schaden,  wenn  die  Intervalle 
während  des  Nahkampfes  durch  das  Auseinanderziehen  der  Truppen 
ausgefüllt  wurden.  Hierin  aber  lag  die  eine  Bedeutung  der  Intervalle, 
deren  weitere  Aufgaben  dann  waren,  das  Vorrücken  und  den  Rückzug 
der  leichten  Truppen  zu  ermöglichen,  die  ganze  Truppe  beweglicher, 
handlicher  zu  machen  und  endlich  die  Ablösung  der  Treffen  und  schliefs- 
lich  das  Eingreifen  der  Triarierreserve  zu  ermöglichen.  Dafs  die  Ab- 
lösung der  Treffen  nicht  so  undenkbar  war,  wie  Delbrück  behauptet, 
versucht  der  Verfasser  zu  erweisen;  das  Fragment  des  Dionys.  20,  IIb 
wird  zur  Bestätigung  verwandt.  Auch  die  Triarier  standen  mit  Inter- 
vallen, die  auf  die  Manipel  der  priucipes  gerichtet  waren.  Man  nimmt 
nun  gewöhnlich  an,  diese  Intervalle  seien  durch  die  noch  kampffähigen 
Hastaten  und  Principes  geschlossen  und  damit  die  Phalanx  hergestellt 
worden.  Der  Verfasser  will  aber  die  Liviusstelle:  triarii  consurgentes 
—  in  hostem  incidebant  so  verstehen:  Sobald  sich  die  beiden  Vorder- 
treffen durch  die  Intervalle  zurückgezogen  hatten,  schlössen  die  Triarier 
ihre  Manipel  dicht  an  einander  (comprimere)  und  sperrten  damit  die 
bisher  vorhandenen  Wege  zum  Rückzuge  der  Vordertreffen.     Dafs  da- 


C.   Die  Staatsverwaltung.     3.    Militärwesen.  77 

durch  die  Schlachtreihe  um  die  Hälfte  verkürzt  werden  mufste,  spricht 
nicht  gegen  diese  Auffassung,  da  es  genügte,  wenn  der  feindliche  An- 
griff an  dieser  Linie  sich  brach.  Wenn  man  einwende,  es  habe  an  Zeit 
und  Raum  für  eine  solche  Bewegung  gefehlt,  so  sei  dagegen  zu  sagen, 
man  dürfe  an  ein  wildes  ungeregeltes  Nachdrängen  des  Feindes  nicht 
denken,  da  auch  dieser  Ordnung  und  Zusammenhang  zu  bewahren  suchen 
mufste. 

Danach  prüft  nun  der  Verfasser  die  Schlachtberichte  von  Tunis, 
Telamon,  Canuae,  Baecula  sowie  die  Nachrichten  über  die  Schlacht 
»auf  dem  grofsen  Felde«  und  bei  Zama.  Durch  diese  Einzelprüfung 
der  wichtigsten  Schlachtberichte  glaubt  Kuthe  gezeigt  zu  haben,  dafs 
die  im  ersten  Teile  seiner  Untersuchung  entwickelten  Ansichten  von  der 
römischen  Manipulartaktik  durchaus  im  Einklänge  mit  der  Überliefe- 
rung stehen. 

Die  Gegner  werden  schwerlich  durch  diese  Ausführungen  über- 
zeugt werden;  denn  dieselben  beruhen  immerhin  auf  einer  gewagten 
Auffassung  der  Liviusstelle,  sind  mit  Polybius  nicht  völlig  im  Einklang 
und  argumentieren  stark  mit  dem,  was  wir  nicht  wissen  und  nicht  wissen 
können.  Schwerlich  werden  diese  Fragen  jemals  zu  völliger  Evidenz 
gebracht  werden.  Bis  dahin  sind  aber  alle  Versuche,  welche  der  Über- 
lieferung keine  zu  grofse  Gewalt  anthun,  zulässig. 

R.  Menge,  Ein  Beitrag  zur  Konstruktion  von  Cäsars  Rheinbrücke. 
Caes.  b.  G.  4,    17.    Philol.  44,  279-290. 

Eine  Konstruktion  der  Rheinbrücke  mufs  nicht  nur  in  den  ein- 
zelnen Teilen  zu  den  Worten  des  Textes  stimmen,  sondern  sie  mufs  auch 
den  technischen  Anforderungen  genügen,  dafs  sie  binnen  zehn  Tagen 
nach  Anfuhr  des  Holzes  hat  vollendet  werden  können  und  dafs  auf  sie 
die  Worte  Cäsars  passen:  ut  quo  maior  vis  aquae  se  incitavisset,  hoc 
artius  illigata  tenerentur.  Die  erstere  Anforderung  erfüllen  alle  die 
Pläne,  welche  blofs  Rundholz  verwenden  lassen,  das  an  den  Auflager- 
stellen u.  s.  w.  etwas  beschlagen  wurde;  in  diesem  Falle  müssen  die 
Hölzer  keilförmig  zulaufende  Enden  gehabt  haben. 

Die  Verbindung  der  Pfähle  wurde  als  eine  Vorarbeit  auf  dem 
Lande  vorgenommen;  die  kräftigen  Rundhölzer  wurden  an  etwa  vier 
Stellen  angekerbt.  Darauf  wurden  etwas  dünnere  Rundhölzer  in  Stücke 
von  ungefähr  sechs  Fufs  Länge  zersägt  und  in  den  Kerben  der  paar- 
weise nebeneinander  gelegten  tigna  gut  befestigt.  Der  Annahme,  dafs 
dies  etwa  mit  starken  Eisennägeln  geschah,  steht  nichts  entgegen.  Die 
Balkenpaare  mufsten  an  den  oberen  Enden  genau  zwei  Fufs  ausein- 
anderstehen; zu  dem  Zwecke  waren  sie  auf  den  Innenseiten  oben  etwas 
mit  der  Axt  beschlagen,  so  dafs  sie  naturgemäfs  etwas  keilförmig  zu- 
liefen. Eingerammt  wurden  die  Pfähle  in  der  Weise,  dafs  oben  über 
sie   eine  Bohle  oder  ein  Balken  gelegt  und  gut   befestigt  war,   auf  den 


78  Römische  Staatsaltertümer. 

die  Ramme  traf,  so  dafs  die  beiden  tigna  sich  nebeneinander  gleich- 
mäfsig  bewegten.  So  wurde  auch  verhütet,  dafs  die  oberen  Enden  der 
tigna  durch  das  Aufschlagen  der  Ramme  gespalten  oder  sonst  verletzt 
wurden.  Die  Angabe  pedum  quadragenum  ist  wahrscheinlich  so  zu  ver- 
stehen, dafs  auf  dem  Wasserspiegel  die  Entfernung  der  Pfahlpaare  von 
einander  40  Fufs  betragen  habe.  Die  Angabe  quantum  eorum  tignorum 
iunctura  distabat  gehört  zu  dem  unmittelbar  vorhergehenden  inmissis  = 
so  tief  als  die  Verbindung  abstand  und  ist  als  vertikale  Entfernung  zu 
fassen.  Die  Holme  lagen  demnach  beiderseits  auf  dem  obersten  der 
Querriegel  auf,  welche  die  iunctura  bildeten  -  iunctura  ist  dabei  in 
konkretem,  aber  generellem  Sinne  genommen,  wie  structura  :=  Mauer- 
werk, scriptura  =  Schriftwerke  u.  s.  w.  An  diesem  Quei-riegel  wird  die 
obere  Seite  etwas  abgeplattet  gewesen  sein,  so  dafs  das  Auflager  breiter 
wurde;  auch  war  er  vielleicht  etwas  sorgfältiger  und  tiefer  in  der  Kerbe 
befestigt.  Da  die  Berührungsflächen  überall  beschlagen  waren,  so  lief 
auch  die  Lücke  zwischen  den  oberen  Balkenenden,  in  welche  der  Holm 
eingelassen  wurde,  nach  unten  etwas  keilförmig  zu,  und  ein  grofser  Teil 
der  Last  wurde  also  durch  die  stattfindende  Einklemmung  unmittelbar 
auf  die  tigna  selbst  übertragen.  Nachdem  die  ebenfalls  keilförmig  an- 
gespitzten Holme  von  oben  eingelegt  waren,  stand  der  Bock  fertig  da; 
aber  schwankende  Lasten  zu  tragen  war  er  noch  nicht  geeignet.  Geriet 
nämlich  der  Holm  durch  die  darüber  hinmarschierenden  Soldaten  in 
Schwingungen,  so  würde  er  seitlich  an  den  Auflagerstellen  weit  hin-  und 
hergerutscht  sein;  dies  zu  verringern,  dienten  die  binae  utrimque  fibulae; 
also  wurden  bei  jedem  Bocke  vier  fibulae  verwendet,  so  dafs  auf  jedes 
Pfahlpaar  deren  zwei  kamen;  diese  zwei  fibulae  wurden  in  den  Holmen 
aufserhalb  der  tigna  übereinander  angebracht,  um  zu  verhindern,  dafs 
der  Holm  nach  der  Mitte  zu  sich  herausziehen  oder  die  Pfahlpaare  nach 
aufsen  zurückweichen  könnten;  fibulae  sind  Durchstecker,  Bolzen.  Durch 
sie  erhielten  die  Pfahlpaare  einen  festen  Stand.  Nach  rechts  und  links 
konnten  sie  sich  nicht  bewegen,  weil  sie  paarweise  eingerammt  waren; 
dazu  kam  noch  der  durchgesteckte  Holm,  der  mit  den  benachbarten 
Brückenböcken  durch  lange  Balken  verbunden  wurde  und  so  in  diesen 
Richtungen  eine  Bewegung  unmöglich  machte.  Aber  dies  kommt  hier 
weniger  in  Betracht  als  die  beiden  andern  Richtungen,  nach  der  Mitte 
der  Brücke  zu  und  nach  auswärts.  Die  Bewegung  nach  der  Mitte  zu 
wurde  auf  ein  Minimum  beschränkt  durch  die  keilförmige  Gestalt  der 
Holmenden,  die  andere  durch  die  durchgesteckten  Bolzen.  Den  Brücken- 
belag mit  Streckbalken,  die  mit  Stangen  und  Flechtwerk  bedeckt  wurden, 
wählte  er,  weil  er  durch  Elastizität  die  Erschütterung  der  Böcke  ver- 
minderte. 

Als  die  Brücke  fertig  war,  neigten  sich  infolge  der  starken  Strö- 
mung die  stromaufwärts  stehenden  Pfahlpaare  etwas,  schoben  dabei  zu- 
gleich den  Holm  etwas  in  der  Richtung  stromabwärts,  hoben  das  untere 


C.  Die  Staatsverwaltung.     3.  Militärwesen.  79 

Pfahl  paar  und  lockerten  es  im  Flufsbette.  Um  dieser  Gefahr  zu  be- 
geguen,  mufsten  iu  der  Richtung  gegen  den  Strom  Strebepfeiler  auge- 
bracht  werden.  Sie  wurden  hinter  dem  unteren  Pfahlpaare,  fluftsabwärts, 
eingerammt  und  cum  omni  opere  verbunden  d.  h.  mit  den  trabes  und 
tigna.  Sie  konnten  in  dieser  Weise  angebracht  werden:  Die  Stirnseite 
der  Holme  flufsabwärts  wurde  schief  abgesägt  in  einem  Winkel,  welcher 
übereinstimmte  mit  der  Richtung,  die  den  Streben  gegeben  werden 
sollte.  Diese  schiefen  Flächen  bildeten  zugleich  mit  die  Führung  für 
die  einzurammenden  Streben.  Safsen  sie  fest  im  Flufsbette,  so  wurden 
sie  oberhalb  des  Holmes  abgeschnitten.  Mit  dem  Holme  wurden  sie 
etwa  durch  einen  dicken  Eisenuagel  verbunden,  der  wagerecht  bis  in 
den  Holm  eingetrieben  wurde.  Die  Verbindung  mit  den  beiden  tigna 
wurde  durch  kräftige  Holzplatten  bewerkstelligt,  die  mit  Nägeln  ange- 
schlagen wurden. 

Her  man  Haupt.  Der  römische  Grenzwall  in  Deutschland  nach 
den  neueren  Forschungen.  Mit  besonderer  Berücksichtigung  Unter- 
frankens. Würzburg  1885.  (SA.  aus  d.  Archiv  des  hist.  Vereins  für 
Unterfraukeu  und  Aschaffeaburg  28  S.) 

Nach  einer  kurzen  historischen  Einleitung  geht  der  Verfasser  auf 
die  Betrachtung  des  Grenzwalles  über.  Am  besten  konserviert  ist  das 
Stück  an  der  Donau  bei  Pfahlbronn  (Teufelsmauer);  die  gemauerte 
dammartige  Anlage  aus  Stein  und  Mörtel  ist  noch  heute  an  einigen 
Stellen  vollkommen  intakt  erhalten.  Um  die  bayrische  Strecke  dersel- 
ben (Altmfihl- Mündung  —  Kipfenberg  -  Gunzenhausen  —  Leilenfeld) 
hat  Ohlenschlager  sich  grofse  Verdienste  erworben;  noch  ungelöst  ist 
die  Konstruierung  der  diesen  Abschnitt  deckenden  Befestigungen,  Wacht- 
häuser,  Kastelle  etc.;  ebenso  bedarf  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  der 
»Teufelsmauer«  zu  der  1V2— 2V2  Stunden  hinter  ihr  liegenden,  aus 
einer  Reihe  von  Kastellen  gebildeten  Verteidigungslinie  Irnsing  —  Pfö- 
ring  —  Kösching  —  Pfünz  —  Theilenhofen  noch  der  Aufklärung.  Den 
Anschlufs  der  letzteren  Verteidigungslinie  an  die  Donau,  sowie  den  Flufs- 
übergaug  deckte  das  mächtige  Castrura  zu  Eining  (Abusina).  Die  in 
Württemberg  erhaltenen  dammartigen  Grenzanlagen  zerfallen  hinsicht- 
lich ihrer  konstruktiven  Verhältnisse  in  zwei  bestimmt  von  einander 
unterschiedene  Linien.  Die  eine  besteht  aus  einem  meist  mit  vorlie- 
gendem Graben  versehenen  Erdwalle,  der  von  Osterburken  über  Öhrin- 
gen, Murrhardt,  Pfahlbronn  nach  Lorch  zieht;  die  andere  wird  durch 
einen  gemauerten  Damm  gebildet,  der  in  seiner  Anlage  mit  dem  baye- 
rischen Teile  übereinstimmend  sich  von  der  bayerischen  Grenze  über 
Pfahlheim,  Schwabsberg,  Hüttlingen,  Alfdorf  bis  nach  Pfahlbronn  ver- 
folgen läfst.  Die  Verschiedenheit  der  Anlage  ist  durch  den  Wechsel 
der  Provinz  bei  oder  in  der  Nähe  von  Lorch  zu  erklären,  die  östliche 
Linie  daher.als  limes  Raeticus,  die  von  Lorch  nach  Nordwesten  gerich- 


80  Römische  Staatsaltertümer. 

tete  als  limes  transrhenanus  zu  bezeichnen;  es  ist  wahrscheinlich,  dafs 
beide  Linien  unabhängig  von  einander  gebaut  und  erst  später  in  Ver- 
bindung gesetzt  worden  sind. 

Von  den  Kastellen  der  westlichen  Limeslinie  (Welzheim,  Murr- 
hardt,  Meinhardt,  Öhringen,  Jaxthausen)  die  in  einer  Entfernung  von 
durchschnittlich  13  km  aufeinander  folgen,  gehörte,  wenigstens  in  späte- 
rer Zeit,  zu  den  bedeutendsten  Öhringen  (vicus  Aurelii);  die  letzten  Spu- 
ren desselben  gehören  in  das  Jahr  237. 

Noch  weiter  herab  geht  eine  Inschrift  des  gleichfalls  sehr  bedeu- 
tenden Waffenplatzes  zu  Osterburken  (244—249).  Für  den  Limes  von 
der  badisch-württembergischen  Grenze  bis  zum  Main  ist  durch  Conrady 
festgestellt,  dafs  derselbe  noch  südlicher  von  Walldürn,  bei  einem  Wacht- 
turme  im  Hettinger  »Grofsen  Walde«  seine  bisherige  nordwestliche  Rich- 
tung verläfst,  sich  auf  eine  Meile  nach  Nordosten  wendet,  nach  Um- 
schliefsung  des  Kastells  Alteburg  bei  Walldürn  abermals  den  Lauf  nach 
Nordwesten  bis  Reichartshausen  einschlägt,  denselben  alsdann  bis  500  ra 
nördlich  von  Wenschdorf  in  einen  nördlichen  ändert  und  nach  einer 
abermaligen  Wendung  nach  Westen  über  den  Gipfel  des  Greinberges 
hinab  nach  dem  am  Maine  2V2  km  unterhalb  von  Miltenberg  gelegenen 
grofsen  Limeskastell  Altstadt  zieht.  Auf  der  kurzen  Strecke  zwischen 
Miltenberg  und  Walldürn  hat  Conrady  nicht  weniger  als  21  Überreste 
von  in  Abständen  von  900—1000  Schritten  auf  einander  folgenden  Wacht- 
türmen  aufzufinden  vermocht ;  aufser  dem  Kastell  von  Walldürn  hat  er 
ein  bisher  unbekanntes  kleines  Zwischenkastell,  die  Hasselburg,  aufge- 
deckt. An  mehreren  Stellen  war  der  Wall  gut  erhalten  als  eine  11  bis 
13  m  breite  gleichmäfsige  Bodenwelle,  welche  an  der  östlichen,  ehemals 
dem  Feinde  zugekehrten  Seite  noch  zu  einer  Höhe  von  V2  m  sich  er- 
hebt. An  dem  über  den  Greinberg  ziehenden  Liraesabschnitt  wurde  ein 
Grenzstein  mit  der  Inschrift:  Inter  Toutonos  C.  A.  H.  gefunden.  Die  zu 
Miltenberg  gefundenen  Münzen  reichen  in  ununterbrochener  Reihe  von 
Nero  bis  auf  Magnus  Maximus  herab;  man  wird  wohl  in  Miltenberg  das 
Fortbestehen  einer  aus  römischen  Kolonen  bestehenden  bürgerlichen  Ge- 
nossenschaft mindestens  bis  zum  Ende  des  vierten  Jahrhunderts,  wenn 
auch  unter  alamannischer  Oberhoheit  anzunehmen  haben.  Von  Milten- 
berg abwärts  bildete  der  Main  die  römische  Reichsgrenze.  Duncker  er- 
kannte Grofs-Krotzenburg  als  den  Punkt,  an  welchem  der  von  Süden 
längs  des  linken  Mainufers  herabziehende  Limes  den  Flufs  überschritt. 
Das  Fehlen  von  römischen  Befestigungen  im  Vogelsberg  und  Spessart 
ist  durch  Kofler  und  Haupt  erwiesen.  Wird  Aschaffenburg  als  römi- 
sches Kastell  angenommen  —  Duncker  hat  dasselbe  mit  guten  Gründen 
bestritten  —  so  wäre  doch  höchstens  hier  ein  Brückenkopf  anzunehmen. 
Auch  der  Limesabschnitt  von  der  Einzig  bis  zur  Wetter  ist  wiederholt 
untersucht  und  sein  Anschlufs  an  die  schon  früher  sicher  gestellte  vom 
Taunus  nach  Arnsburg  ziehende  Linie  erreicht.  In  dieser  letzteren  Linie 


C.   Die  Staatsverwaltung.    3.   Militärwesen.  gl 

sind  durch  v.  Cohausen  uud  Rössel  zahlreiche  Kastelle  konstatiert,  wel- 
che den  Limes  in  seinem  Laufe  von  der  Wetter  hoch  über  den  Kamm 
des  Taunus  und  nach  Überschreitung  des  Lahn-Sayn  und  Wiedtales  zu 
decken  hatten.  Die  Saalburg  ist  in  ihrer  grofsartigen  und  einzigen  Be- 
deutung für  die  Kenntnis  der  Einrichtung  eines  römischen  Staudlagers 
immer  besser  erkannt.  Über  diesen  Teil  hinaus  läfst  sich  der  Lauf  des 
Limes  von  dem  mächtigen  Castrum  bei  Niederbiber  bis  nach  Rheinbrohl 
deutlich  verfolgen;  letzterer  Ort  war  vom  strategischen  Gesichtspunkte 
zum  Abschlufs  des  Limes  vorzüglich  geeignet;  der  Rheinbrohl  gegenüber 
mündende  Vinxtbach  ist  die  Grenze  der  ober-  uud  niedergermanischen 
Provinz. 

Was  die  Zeit  der  Erbauung  und  die  Bestimmung  des  Limes  be- 
trifft, so  wurde  von  mehreren  Seiten  die  Mümmlinglinie  als  wichtiger 
Anhaltspunkt  für  die  letztere  bezeichnet.  Nach  den  neuesten  Forschun- 
gen hat  man  in  derselben  einen  durch  grofse  uud  kleine  Kastelle,  sowie 
durch  dazwischen  liegende  Wachttürme,  aber  nicht  durch  einen  Wall  be- 
festigten, mit  den  Linieskasteilen  in  Verbindung  stehenden  Strafsenzug 
zu  erkennen,  welcher  über  den  Rücken  des  Odeuwaldes  und  des  Plateau 
zwischen  Main  und  Neckar  durch  das  Elzthal  an  den  Neckar  zog,  der 
wahrscheinlich  bei  Guudelsheini  erreicht  wurde.  Es  liegt  sehr  nahe,  von 
hier  an  eine  Fortsetzung  der  Linie  längs  des  Neckars,  etwa  bis  Kann- 
stadt und  eine  Verbindung  derselben  mit  dem  Donaulimes  mittels  der 
durch  das  Remsthal  nach  Lorch  ziehenden  Heerstrafse  anzunehmen. 
Dafs  der  Limes  selbst  die  Bestimmung  als  Heerstrafse  gehabt  habe,  ist 
aus  vielen  Gründen  unwahrscheinlich;  die  Türme  vor  allem,  welche  auf 
demselben  standen,  würden  eine  Kommunikation  nur  auf  den  einzelnen 
Teilen  der  Grenzmaueru  gestattet  haben.  Über  die  Zeit  der  Errichtung 
gehen  die  Ansichten  noch  immer  erheblich  auseinander;  Haupt  schreibt 
M.  Aurel  einen  erheblichen  Anteil  an  dem  südlichen  Teile  zu.  Er  sieht 
die  Bestimmung  der  Anlage  vor  allem  in  der  Herstellung  des  Grenz- 
schutzes. Diese  tritt  z.  B.  in  dem  Stücke  von  Kelheim  bis  zur  Alb  klar 
hervor,  ähnlich  in  dem  von  der  Lahn  bis  Rheinbrohl.  An  anderen  weni- 
ger wichtigen  Abschnitten  z.  B-  zwischen  Lorch  und  Miltenberg  mochte 
man  sich  mitunter  auch  von  nicht  militärischen  Gesichtspunkten,  z.  B. 
von  der  Rücksichtnahme  auf  die  Zollerhebung,  bei  der  Anlage  bestim- 
men lassen.  Aber  selbst  in  diesem  Falle  waren  die  für  eine  Demar- 
kationslinie zu  starken  Besatzungen  der  sämtliche  Heerstrafsen  beherr- 
schenden Kastelle,  für  deren  rasche  Zusammenziehung  die  meist  gerad- 
linige Anlage  des  Limes  wohl  am  meisten  berechnet  war,  überdies  ver- 
stärkt durch  die  Kastellbesatzuugen  der  in  geringen  Entfernungen  hinter 
dem  Limes  liegenden  Etappenstrafsen  dazu  bestimmt  und  meist  auch 
imstande,  die  Angriffe  feindlicher  Scharen  abzuschlagen.  Dafs  der  Limes 
durch  eine  Pfahlreihe  geschützt  war,  nimmt  Haupt  gegen  v.  Cohausen 
an,  die  Verteidigungsfähigkeit   wurde   durch  eine   Ödlandgrenze  erhöht. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LIL  (i887.  lU.)  6 


82  Römische  Staatsaltertümer. 

Für  die  späteren  Massenangriffe  behielt  der  Limes  die  Bedeutung  einer 
Allarmieruugslinie.  DaPs  er  seioe  Sehutzbestimmung  erfüllte,  beweist  die 
hinter  ihm  sich  entwickelnde  reiche  Kultur. 

Die  anspruchslose  Schrift  ist  recht  nützlich  und  verarbeitet  ein 
reiches  Material. 

Georg  Wolff  und  Otto  Da  hm,  Der  römische  Greuzwall  bei 
Hanau  mit  den  Kastellen  zu  Rückingen  und  Marköbel.  Progr.  Gymn. 
Hanau  1885.     Mit  vier  lithogr.  Tafeln. 

Zweck  der  Schrift  ist  die  Mitteilung  der  Resultate  der  Ausgra- 
bungen, welche  der  Hanauer  Bezirks-Verein  1883  und  1884  am  Pfahl- 
graben zwischen  Kinzig  und  Main  und  an  den  grofsen  Kastellen  zu 
Rückingen  und  Marköbel  vorgenommen  hat. 

An  dem  Kastell  in  Grofs-Krotzenburg  wurden  Winter  1882/3  die 
Fundamente  des  nördlichen  Turmes  der  Porta  praetoria  blofsgelegt.  Im 
Winter  1883/4  wurde  eine  Ziegelei  der  coh.  IV  Vindelicorum  gefunden. 
Zu  gleicher  Zeit  wurde  festgestellt,  dafs  der  Pfahlgraben  ungefähr  500  m 
vom  Kastell  entfernt  von  seiner  bisher  14  km  weit  eingehaltenen  süd- 
nördlichen Richtung  im  stumpfen  Winkel  in  eine  mehr  süd- südöstliche 
überging,  um  so  nicht  auf  die  Nordseite  des  Kastells  zu  treffen,  son- 
dern ]0  m  von  der  Nord -Ostecke  sich  mit  einer  neuen  Abschwenkung 
an  den  äufseren  Kastellgraben  anzuschliefsen.  Die  Grofs-Krotzenburger 
Ziegelei  versah  nach  Wolff  die  Mainkastelle  bis  nach  Miltenberg  mit 
Ziegeln. 

Gegenüber  der  weit  auseinandergehenden  Ansicht  über  die  Anlage 
und  Bestimmung  des  Lin)es  untersucht  Dahm  den  Teil  zwischen  Grofs- 
Krotzenburg  und  Rückingen  näher  und  findet,  dafs  derselbe  auf  eine 
vollkommene  Berücksichtigung  der  wesentlichsten  militärischen  Anforde- 
rungen, sowie  auf  ein  durchdachtes  und  konsequent  durchgeführtes  Sy- 
stem hinweist.  Nach  genauer  Darstellung  des  Terrains,  des  Grenzwalles, 
des  Zwischenkastells  Neuwirtshaus,  der  Wachttürme,  der  Strafsen  und 
Brücken  und  der  Besatzung  kommt  der  Verfasser  zu  folgendem  Ergebnis. 

Bei  der  Anlage  der  Wachttürme  war  man  nicht  nur  auf  eine  mög- 
lichst gleichmäfsige  Entfernung  derselben  von  einander  bedacht,  sondern 
trug  auch  dafür  Sorge,  dafs  eine  hinreichende  Bewachung  des  Pfahl- 
grabeus  an  allen  besonders  wichtigen  Punkten  desselben  ermöglicht 
wurde;  endlich  scheute  man  keine  Mühe,  um  in  zweckentsprechender 
Weise  durch  Anlage  von  Strafsen,  Brücken  und  Dämmen  die  Kommuni- 
kation der  Truppen  hinter  dem  Pfahlgraben  sicher  zu  stellen.  Beson- 
dere Beachtung  verdient  die  Sorgfalt,  mit  der  man  die  an  die  Sümpfe 
stofsenden  Enden  des  Grenzwalles  gegen  Umgehung  sicherte,  weil  man 
daraus  unbedingt  schliefsen  mufs,  dafs  der  Pfahlgraben  ein  sehr  wirk- 
sames Hindernis  bildete;  denn  andernfalls  wären  solche  Mafsnahmen 
nicht  erforderlich  gewesen,  besonders  nicht  an  den  Stelleu,  die  ohnehin 


C.    Die  Staatsverwaltung.    3.    Militärwesen.  83 

durch  Türme  bewacht  wurden.  Zu  dem  gleichen  Resultate  führt  die  An- 
lage eines  Spitzgrabens  und  wahrscheinlich  einer  Hecke,  Anlagen,  die 
gewöhnlich  nur  bei  Befestigungen  vorhanden  waren,  die  verteidigt  wur- 
den. Von  ganz  besonderer  "Wichtigkeit  ist  endlich  die  hinter  dem  Walle 
konstatierte  breite  Militärstrafse,  aus  der  wir  schliefsen  dürfen,  dafs 
nicht  nur  ein  unausgesetzter  Patrouillengang,  sondern  auch  gröfsere 
Truppenbewegungen  au  dem  Grenzwall  stattfanden.  Im  Frieden  mochte 
der  Grenzwail  in  der  Hauptsache  als  Zollgrenze  und  zur  Verhinderung 
räuberischer  Einfälle  dienen;  für  den  grofsen  Krieg  aber  bildeten  die 
obergermanischen  Befestigungen  in  ihrer  Gesamtheit  eine  permanente, 
fortifikatorisch  gesicherte  Vorposteukelte,  während  die  Hauptkastelle 
aufserdem  die  strategische  Bedeutung  von  Grenzfestungen  hatten. 

Im  Jahre  1883  gelang  es,  ein  Kastell  bei  Rückingen  an  der  Leip- 
zigerstrafse  aufzufinden.  Dasselbe  hatte  die  Gestalt  eines  länglichen 
Rechtecks  mit  abgerundeten  Ecken,  dessen  Längenaxe  von  WSW  nach 
ONO  nicht  ganz  genau  senkrecht  gegen  den  Limes  gerichtet  war.  Seine 
Länge  betrug  180,  seine  Breite  140  m,  so  dafs  es  seiner  Gröfse  noch 
zwischen  dem  Grofs  -  Krotzenburger  Kastell  und  der  Saalburg  in  der 
Mitte  liegt.  Der  ganze  Raum  war  umgeben  von  einer  Mauer,  die  nach 
innen  durch  eine  7  m  breite  Wallanschüttung  verstärkt  wurde;  an  der 
Aulsenseite  begleiteten  die  Mauer  zwei  Spitzgräben  von  je  7  m  Breite 
und  1,50  ni  Tiefe.  Das  Kastell  hat  die  üblichen  vier  Thore;  die  bei- 
den Seitenthore  sind  erheblich  nach  der  feindlichen  Seite  hin  vorge- 
rückt. Alle  Thore  waren  flankirt  von  je  zwei  nach  innen  vorspringen- 
den rechteckigen  Türmen,  während  sonstige  Eck-  und  Seitentürrae 
fehlten.  Den  breitesten  Eingang  hatte  mit  4,30  in  die  porta  principalis 
dextra,  während  die  porta  decumana  nur  3,30,  die  porta  praetoria  nur 
3  m  Abstand  zwischen  den  Türmen  zeigte.  Wahrscheinlich  war  das 
erste  Thor  das  Haupt  Verkehrsthor.  Auch  darin  zeigt  sich  etwas  Auf- 
fallendes, dafs  der  südliche  Turm  der  porta  praetoria  mit  4,20  ra  Breite 
im  Lichten  alle  anderen  Türme  um  mehr  als  1  m  Breite  übertrifft,  wäh- 
rend der  nördliche  Turm  desselben  Thores  nur  2,20  m  Breite  hatte, 
also  der  kleinste  von  allen  war.  Die  via  principalis  teilt  das  Lager  in 
das  dem  Feinde  zugekehrte  Vorderlagcr,  Praetentura,  und  das  bei  wei- 
tem gröfsere  Hinterlager,  Reteutura.  In  der  letzteren  befand  sich  das 
praetorium,  im  südlichen  Teil  der  Praetentura  ein  in  seinen  Fundamen- 
ten vollkommen  erhaltenes  Hypokaustum.  Die  Besatzung  des  Kastells 
bildete  wahrscheinlich  coh.  111  Dalmatarum.  Die  gefundenen  Münzen 
machen  es  wahrscheinlich,  dafs  das  Rückinger  Kastell  nicht  über  die 
Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  hinaus  behauptet  worden  ist. 

Ein  wohl  erhaltenes  Hypokaustum  wurde  auch  in  dem  Kastell  von 
Marköbel  entdeckt. 


6« 


34  Römische  Staatsal.tertümer. 

Jurien  de  la  Graviere,  La  marine  des  Ptol^ra^es  et  la  marine 
des  Romains  Tome  I:  la  marine  de  guerre;  Tome  II:  la  marine  raar- 
chande.    Paris  1885. 

Die  zwei  ersten  Kapitel  stellen  die  Riesenschiffe  der  alten  Zeit 
dar  und  die  Seeschlacht  bei  Salamis  auf  Cypern.  Erst  das  dritte  Ka- 
pitel beschäftigt  sich  mit  dem  römischen  Seewesen;  es  schildert  die  rö- 
mische Marine  im  ersten  punischen  Kriege  und  die  Kämpfe  von  Ecno- 
mos  und  den  ägatischen  Inseln. 

Bewundernswert  ist  die  grofse  Zahl  der  Schiffe,  welche  die  Römer 
in  kurzer  Zeit  aufbringen,  ebenso  der  Mut  des  Fufsvolkes,  der  sich  zum 
Kampfe  gegen  den  erfahrensten  Seestaat  bereit  finden  läfst  auf  dem  ihm 
fremden  Elemente,  die  Hartnäckigkeit  des  Senats,  der  die  Seeherrschaft 
Karthago  zu  entreifsen  unternimmt,  nicht  der  Enterhaken  des  Duilius. 
Die  Art,  wie  Regulus  und  Manlius  die  Fahrt  nach  Afrika  unternahmen, 
ist  tadellos.  Die  330  Schiffe  hatten  eine  Armee  von  140  000  Menschen 
an  Bord;  da  stellt  sich  ihnen  die  karthagische  Flotte,  die  aus  350  Schiffen 
bestand,  eutgegen  Die  Römer  formierten  vier  Geschwader,  die  zwei, 
welche  die  Konsuln  befehligten,  fuhren  in  konvergierenden  Linien;  die 
Spitzen  berührten  sich,  die  beiden  Reihen  bildeten  Fächerform,  die  ein- 
zelnen Schiffe  fuhren  parallel.  Ein  drittes  Geschwader  schlofs  diese 
Dreiecksstellung;  es  hatte  die  Transportschiffe  bei  sich  Das  vierte  Ge- 
schwader bildete  die  Reserve  und  hielt  sich  in  Frontstellung  hinter  der 
ganzen  Aufstellung;  dasselbe  deckte  die  Schiffe,  welche  das  dritte  Ge- 
schwader im  Schlepptau  hatte,  und  die  Angriffs -Kolonnen,  die  sich  wie 
ein  Keil  in  das  feindliche  Centrum  bohren  sollten.  Das  Reserve  -  Ge- 
schwader hatte  die  Aufgabe,  die  Flügel  im  Falle  feindlicher  Bedrohung 
zu  unterstützen.  Die  Karthager  hielten  dem  Stofse  der  römischen  Ge- 
schwader nicht  stand,  sondern  öffneten  ihre  Reihen  und  liefsen  sie  durch, 
schlössen  sich  aber  sofort  rechts  und  links  von  ihnen  und  die  römische 
Flotte  war  verloren,  wenn  die  Karthager  ihre  günstige  Situation  zu  be- 
nutzen wufsten.  Das  dritte  und  vierte  Geschwader  waren  in  der  Flanke 
bedroht.  Wohl  hemmten  jetzt  die  Konsuln  ihre  rasche  Fahrt;  aber  um- 
kehren konnten  sie  nicht;  denn  die  karthagischen  Schiffe  legten  sich 
zwischen  sie  und  das  dritte  und  vierte  Geschwader:  so  mufsten  zwei 
von  einander  völlig  unabhängige  Kämpfe  geliefert  werden.  Der  kartha- 
gische linke  Flügel  findet  einen  mutigen  Widerstand,  während  der  rechte 
unter  Hanno  mit  Ungestüm  vorgeht  und  zwar  gegen  das  vierte  Ge- 
schwader; sobald  der  Angriff  begonnen  hatte,  brach  eine  karthagische 
Abteilung  aus  dem  Hinterhalte  auf  das  dritte  römische  hervor,  das  so- 
fort die  Schlepptaue  kappt  und  die  Transportschiffe  ihrem  Schicksale 
überläfst;  aber  trotzdem  wird  es  von  den  karthagischen  gegen  das  Ge- 
stade getrieben.  Im  Manöverieren  waren  die  Karthager  den  Römern 
bei  weitem  überlegen ;  aber  dieses  Übergewicht  ging  sofort  verloren,  als 


C.    Die  Staatsverwaltung.     3.    Militärwesen  85 

es  zum  Nahkampfe  kam.  Zuerst  flohen  einige  Schiffe  Hamilkars;  sie 
führten  den  Rückzug  Hannos  herbei.  Unterdessen  kam  Regulus  dem 
vierten  Geschwader,  dann  dem  dritten  zuhilfe.  Jetzt  ist  die  Nieder- 
lage der  Karthager  entschieden:  94  Schiffe  sind  ganz  oder  teilweise  ver- 
nichtet, während  der  Verlust  der  Römer  nur  25  Schiffe  betrug. 

Mittels  seiner  reichen  Erfahrung  führt  uns  der  Verfasser  die  Un- 
glücksfälle, welche  die  Römer  mit  ihren  Flotten  in  den  nächsten  Jahren 
erlitten,  vor,  wobei  er  stets  die  modernen  Verhältnisse  zur  Erklärung 
beizieht  und  nachweist,  wie  viel  auch  die  Neueren  aus  der  Geschichte 
des  Seewesens  bei  den  Alten  noch  lernen  können. 

Die  ungünstige  Lage  der  Römer  im  Seekriege  änderte  sich  erst, 
als  dieselben  anfingen,  leichtere  Schiffe  zu  bauen.  Am  meisten  hatte 
ihnen  die  ünbekanntschaft  ihrer  höheren  Offiziere  mit  dem  Meere  und 
den  Winden  geschadet;  während  die  Karthager  zur  rechten  Zeit  die 
deckenden  Vorgebirge  suchten,  gingen  die  römischen  Schiffe  durch  die 
Stürme  zugrunde. 

Endlich  machte  eine  neue  Flotte  aus  200  Fünfruderern  dem 
Kriege  ein  Ende.  Hamilkar  hielt  sich  in  seinen  Verschanzungen  zwi- 
schen dem  Eryx  und  Panormos  nur  durch  die  karthagische  Zufuhr  oder 
durch  Raubfahrten  an  die  italienischen  Küsten.  Da  wurde  seine  Exi- 
stenz durch  die  plötzliche  Ankunft  des  Konsuls  Lutatius  bedroht.  Kar- 
thago schickte  ihm  unter  Hanno  eine  Kriegsflotte  zuhilfe,  die  zugleich 
Getreide  brachte.  Er  ankerte  unter  der  Insel  Maritimo,  die  von  den 
Römern  unbesetzt  gelassen  worden  war.  Von  hier  wollte  er  mit  dem 
ersten  günstigen  Winde  zum  Lager  Hamilkars  fahren,  seine  Fracht  aus- 
laden und  die  besten  Soldaten  an  Bord  nehmen,  um  eine  Seeschlacht 
zu  liefern.  Lutatius  wollte  ihn  sofort  zum  Kampfe  zwingen  und  nahm 
bei  Favignana  Aufstellung,  wo  er  Maritimo,  Lilybaeum  und  Trapani  be- 
obachten konnte.  Bald  erhob  sich  ein  Hannos  Unternehmen  günstiger 
Westwind,  und  Lutatius,  der  die  karthagischen  Schiffe  die  Segel  hissen 
sah,  beschlofs  ihnen  den  Weg  zu  verlegen  und  nahm  zwischen  den  Kar- 
thagern und  dem  Lande  Stellung.  Die  Karthager,  statt  weiter  zu  fah- 
ren, zogen  die  Segel  ein  und  machten  sich  zum  Kampfe  bereit.  Der 
Westwind  legte  sich  und  nun  waren  die  Römer  überlegen,  70  Schiffe 
wurden  genommen,  50  sanken;  Lutatius  fuhr  nach  Lilybaeum  und  schiffte 
10  000  Gefangene  aus.  Der  Fehler  war,  dafs  Hanno  seine  erste  Auf- 
gabe, vor  allem  seine  Getreideschiffe  in  Sicherheit  zu  bringen,  nicht 
durchführte. 

Das  vierte  Kapitel  schildert  die  Kämpfe  zwischen  Antonius  und 
Augustus  und  speciell  die  Schlacht  von  Aktium.  Antonius  hatte  500 
Kriegsschiffe,  Augustus  250;  unter  denen  des  ersteren  befanden  sich  ge- 
waltige Schiffsriesen,  Okteren,  Dekeren;  aber  sie  waren  sehr  schwer- 
fällig und  schlecht  bemannt.  Zu  ihrer  vollständigen  Armierung  hätte  man 
über  100  000  Mann  gebraucht.     Dagegen  waren  die  Liburner  Octavians 


86  Römische  Staatsaltertümer. 

sehr  leicht,  in  zweijährigen  Kämpfen  geschult  und  von  Agrippa  geführt. 
Die  Flotte  des  Antonius  lag  unter  dem  Vorgebirge  Aktium  und  wurde 
von  den  Feinden  überrascht.  Die  meisten  Schiffe  hatten  noch  keine 
Bemannung  an  Seesoldaten.  Aber  der  Kommandant  weifs  sich  zu  hel- 
fen; er  bewaffnet  die  Matrosen  und  läfst  die  Ruder  fertig  zur  Fahrt 
machen.  Dadurch  täuscht  er  Agrippa,  der  ein  Lager  bezieht,  aber  nicht 
angreift.  Der  beginnende  Verrat  zwang  Antonius  einen  Versuch  zu 
machen,  den  Orient  zu  gewinnen;  er  unternimmt  ihn  mit  360  Schiffen, 
die  70  000  Mann  Fufsvolk  und  2000  Bogenschützen  an  Bord  nahmen. 
Aber  die  Flotte  des  Antonius  hatte  für  den  Angriff  eine  üble  Stellung; 
sie  konnte  sich  in  der  Enge  von  Prevesa  nicht  entfalten,  an  deren  Aus- 
gang Octavian  seine  Schiffe  aufgestellt  hatte.  Antonius  und  Publikola 
bildeten  die  Tete,  Coelius  die  Nachhut,  Octavius  und  Insteius  das  Cen- 
trum; am  meisten  war  der  rechte  Flügel  unter  Octavian  bedroht,  er 
machte  eine  Bewegung  rückwärts.  Die  Schiffe  des  Antonius  kamen  in- 
folge eines  starken  Nordwindes,  der  ihnen  entgegen  wehte,  nur  langsam 
vorwärts.  Wenn  sie  in  die  offene  See  kamen,  war  für  Octavian  jede  Mög- 
lichkeit der  Umklammerung  verloren.  Schon  hielt  Publikola  mit  der 
Vorhut  Agrippa  im  Schach.  Als  dieser  ihn  umfassen  wollte,  trennte  sich 
jener  vom  Centrum.  Als  Octavian  hier  den  Kampf  entbrennen  sah,  liefs 
er  den  rechten  Flügel  sofort  wieder  vorgehen.  Der  Kampf  verlief  in  der 
Weise,  dafs  drei  bis  vier  leichte  Liburner  eines  der  grofsen  schweren 
Schiffe  des  Antonius  angriffen  und  mit  einem  Hagel  von  Pfeilen,  Steinen 
und  Wurfspiefsen  überschütteten.  Das  Ceutrum  des  Antonius  wurde 
heftig  bedrängt  durch  Arruntius;  er  selbst  kämpfte  gegen  Octavian.  Mag 
man  annehmen,  dai's  die  60  Schiffe  der  Kleopatra  flohen,  als  sie  die 
Spitze  von  Akarnanien  umfahren  hatten;  sicher  ist,  dafs  Antonius  nicht 
geflohen  ist.  Er  hatte  von  vornherein  den  Plan,  mit  seinen  Segeln, 
da  er  zu  wenig  Ruderer  hatte,  die  Blokade  des  Octavian  zu  durchbre- 
chen; der  ganze  Kampf  dauerte  vier  Stunden.  300  Schiffe  ergaben  sich 
dem  Sieger. 

Das  sechste  Kapitel  beschäftigt  sich  mit  der  Marine  unter  den 
Kaisern,  ohne  irgend  etwas  Neues  zu  bringen;  Kapitel  7  bespricht  die 
See  Expeditionen  unter  Claudius  und  unter  Septimius  Severus;  auch  hier 
ist  nichts  zu  erwähnen,  aufser  dafs  der  Verfasser  eine  kurze  Aufzählung 
aller  mit  dem  Meere  in  Verbindung  stehenden  Unternehmungen  in  dem 
erwähnten  Zeiträume  giebt.  Kapitel  8  schildert  die  ersten  Barbaren- 
eiufälle  in  das  Reich  und  bereitet  nur  durch  eine  historische  Schilde- 
rung der  Goteneinfälle  das  neunte  vor  »les  flottilles  des  Goths«.  Ihre 
leichten  Piratenschiffe  geben  dem  Verfasser  wieder  Veranlassung  zu 
einem  heftigen  Auslall  gegen  die  moderne  Sucht,  den  Seekrieg  mit  un- 
beweglichen Riesen  zu  führen.  Er  ist  der  Ansicht,  dafs  der  Landungs- 
krieg nur  dann  Aussichten  hat,  wenn  kleine  Flotten  leichter  Fahrzeuge 
und  mit  leicht  handhabbaren  Geschützen   ~   Land- Torpedos    -  ausge- 


I 


C.    Die  Staatsverwaltung.     3.    Militärwesen.  87 

stattet,  tiberall  ohne  grofse  Vorbereitungen  hingeschickt  werden  können. 
Kapitel  10  beschäftigt  sich  nur  mit  der  Frage  der  Landung  für  moderne 
Heere  und  Flotten,  Kapitel  11  setzt  die  Erzählung  des  neunten  fort, 
die  es  bis  auf  Probus  führt.  Auch  hier  werden  Lieblingsfragen  des  Ver- 
fassers über  moderne  Marineverhältnisse  erörtert.  So  glaubt  er,  dafs 
in  Zukunft  man  eine  doppelte  Seemacht  haben  müsse,  eine  wissenschaft- 
liche und  eine  praktische,  welche  eine  durchaus  verschiedene  Bildung 
und  Behandlung  erfordern  würden.  Kapitel  12  spricht  von  der  Grün- 
dung des  byzantinischen  Reiches.  Dieses  ist  die  Zeit,  welche  die  von 
den  Goten  benutzten  Flottillen  weiter  ausbildet,  ohne  die  grofsen  Schifie 
ganz  auszuschliefsen.  Im  13.  Kapitel  spricht  der  Verfasser  von  den 
Lotsen  im  fünfte»  Jahrhundert  nach  Chr.,  indem  er  die  Gedanken  Four- 
uiers  in  seiner  Hydrographie  de  la  mer  und  die  der  von  K.  K.  Müller 
aus  einer  Handschrift  der  Ambrosiana  herausgegebenen  griechischen 
Schrift  über  den  Seekrieg  (Würzburg  1882)  einander  gegenüber  stellt. 
Aber  das  geschieht  auf  kaum  zwei  Seiten,  während  auf  den  übrigen 
zwölf  nur  von  der  Bedeutung  des  Lotsen  in  der  heutigen  Marine  die 
Rede  ist.  Kapitel  14  les  navires  eclaireurs  spricht  in  ähnlicher  Weise 
über  eine  Vorschrift  der  byzantinischen  Marine,  wonach  durch  leichte 
Schiffe  ein  geordneter  Aufklärungsdienst  eingerichtet  werden  sollte,  der 
sich  optischer  Signale  bediente;  aber  auch  hier  sind  die  Reflexionen 
über  die  modernen  Einrichtungen  des  Sicherheitsdienstes  die  Haupt- 
sache. Kapitel  15  will  die  Taktik  der  Byzantiner  und  die  moderne  zur 
See  in  Vergleich  stellen.  Es  wird  auch  ein  wenig  von  den  Byzantinern 
geredet,  aber  nur  um  die  modernen  Verhältnisse  von  dieser  Grundlage 
aus  zu  erörtern.  Das  Schlufskapitel  bespricht  in  ähnlicher  Weise  die 
Wahl  des  Kampfplatzes.  Der  Verfasser  teilt  zuerst  die  Anordnungen  in 
der  von  Müller  herausgegebenen  Schrift  mit  und  wendet  sich  dann  wie- 
der zu  den  modernen  Verhältnissen, 

Der  zweite  Band  kann  hier  nicht  in  Betracht  kommen;  er  bespricht 
in  ähnlicher  Weise  die  Handelsmarine. 

Wer  von  dem  Buche  Belehrung  über  Einzelheiten  der  antiken 
Marine  erwartet,  wird  dasselbe  enttäuscht  aus  der  Hand  legen.  Der 
Verfasser  benutzt  blofs  die  antiken  Verhältnisse,  um  in  der  Regel  für 
seine  Ideen  Propaganda  zu  machen.  Er  hätte  deshalb  besser  einen  be- 
zeichnenderen Titel  gewählt;  der  jetzige  mufs  viele  Leser  irreführen. 

4.    Recht  und  Gericht. 

A.  Zocco-Rosa,  L'eta  preistorica  ed  il  periodo  teologico  me- 
laficico  del  diritto  penale  k  Roma.    Catania  1884. 

Derselbe.  Principii  d'  una  preistoria  del  diritto  come  propeteudica 
alla  preistoria  del  diritto  Romano.  Milano  1885. 

In  der  ersten  Schrift  wird  in  einem  allgemeinen  Teile  die  Frage 
über  die  Entstehung  und  die  Stadien  des  Strafrechts  in  philosophischer 


88  Römische  Staatsaltertümer. 

Erwägung  dargestellt,  oft  polemisch.  Der  zweite  besondere  giebt  die  An- 
wendung der  allgemeinen  Sätze  auf  Rom.  Als  prähistorische  Form  des  Straf- 
rechts wird  in  Rom  die  Rache,  die  der  Einzelne  übt,  gefunden;  früher 
existierte  auch  die  Blutrache,  die  Pflicht  des  Geschlechtes  war.  Ihr 
folgte  die  Stufe  der  pacio  d.  h.  des  Vergleichs,  der  eine  Schadloshal- 
tung des  Beleidigten  erstrebt.  Spuren  der  Rache  des  Einzelnen  zeigen 
sich  in  dem  Rechte  des  Ehemannes,  den  Ehebrecher  und  die  Ehebrecherin, 
welche  auf  der  That  ertappt  sind,  zu  töten  ,  und  in  dem  Gerichte,  wel- 
ches der  Hausvater  über  seine  Frau  in  bestimmten  P'ällen  halten  kann; 
Spuren  der  Blutrache  finden  sich  in  Erzählungen  bei  Gellius,  Valerius 
Maximus,  Ammianus  Marcellinus,  Cicero  und  in  manchen  Gesetzesstellen, 
wo  von  ultus  fuerit  necem,  ulciscenda  morte,  mortem  vindicare,  necem 
testatoris  inultani  omisisse  gesprochen  wird;  Spuren  der  pacio  finden 
sich  in  der  Bestimmung  der  Zwölftafeln  si  membrum  rupsit  ni  cum  eo 
pacit  talio  esto.  Von  gerichtlichem  Zweikampf  und  Gottesurteilen  finden 
sich  in  Rom  keine  sicheren  Spuren. 

Obgleich  es  in  Rom  keine  Thebkratie  gab,  war  doch  der  Einflufs 
der  Theologie  auf  das  Leben  in  allen  Zeiten  ziemlich  bedeutend:  er 
spricht  sich  in  dem  fas  aus.  Die  Unzucht  der  Vestalin,  die  Entweihung  des 
Altars,  die  Verrückung  der  Grenzen,  der  Verrat  des  Patrones  am  Klien- 
ten waren  Vergehen  zugleich  gegen  Menschen  und  gegen  Götter;  die 
sacratio  capitis  und  der  horao  sacer  bezeichneten  die  Folge  solcher  Ver- 
gehen. Auch  die  Bezeichnung  supplicium  verrät  eine  ähnliche  Auffassung, 
da  nach  Isidorus  bei  dieser  Strafe  delibatur  aliquid  deo.  Und  auf  die 
Enthauptung  und  Erdrosselung  des  Verurteilten  folgten  supplicationes 
und  lectisternia.  Selbst  in  den  Zwölftafeln  zeigt  sich  noch  dieser  Ein- 
flufs in  der  Härte  der  Strafen,  in  der  Weihung  des  Hauptes  des  Be- 
klagten an  die  unterirdischen  Götter,  in  der  Überweisung  seiner  Güter 
an  einen  Tempel,  in  der  Härte  gegen  die  Zauberei. 

In  der  zweiten  Schrift  stellt  der  Verfasser  die  Principien  einer 
Vorgeschichte  des  Rechts  im  allgemeinen  auf;  die  Beurteilung  desselben 
mufs  der  Rechtswissenschaft  überlassen  werden. 

Alfred  Pernice,  Volksrechtliches  und  amtsrechtliches  Verfahren 
in  der  römischen  Kaiserzeit.  In  juristischen  Abhandlungen.  Festgabe 
für  Georg  Beseler  zum  6.  Januar  1885.     Berlin  1885.     S.  49  —  78- 

Die  sogenannte  extraordinaria  cognitio,  die  seit  Diokletian  das  ge- 
wöhnliche Verfahren  in  bürgerlichen  Rechtsstreitigkeiten  bildet,  ist  nichts 
anderes,  als  das  Verwaltungsverfahren  vor  dem  Beamten,  übertragen 
auf  den  Civilprocefs  und  demgemäfs  abgeändert.  Die  Cognition  wird  be- 
reits in  republikanischer  Zeit  vom  Konsul,  vom  Censor,  in  bestimmten 
Sachen  selbst  vom  Prätor  angewendet. 

Die  Ergebnisse  der  wesentlich  juristischen  Untersuchung  sind  fol- 
gende:   1.  das  volksrechtliche  Verfahren  wurde  in  der  Stadt  (dorai)  aus- 


C.    Die  Staatsverwaltung.     4.    Recht  und  Gericht.  89 

schliefslich  vom  städtischen  Prätor  geleitet,  mager  das  amtsrechtliche  Ver- 
fahren in  einzelnen  ihm  besonders  überwiesenen  Fällen  daneben  noch  geübt 
haben  oder  nicht;  das  letztere  ist  wahrscheinlicher,  2.  Die  neuen  städti- 
schen Instanzen,  welche  sämtlich  nur  amtsrechtliches  Verfahren  kennen, 
beeinträchtigen  die  Stellung  des  Stadtprätors  nicht  wesentlich.   Sie  haben 

a)  neue    im    Edikte    nicht    berücksichtigte    Ansprüche    zu    verhandeln; 

b)  da  wo  sie  frei  konkurrieren,  wie  das  Kaisergericht,  wird  diese  Be- 
fugnis mit  Zurückhaltung  geltend  gemacht;  c)  die  Konkurrenz  der  kai- 
serlichen Präfekten  hält  sich  in  den  Schranken  polizeilicher  Hilfeleistung. 
3.  Dagegen  haben  die  Provinzial-Statthalter  (militiae)  auch  bürgerliche 
Rechtsstreitigkeiten  im  Verwaltungsverfahren  entschieden,  allgemein  wohl 
erst  seit  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts.  4.  Unter  diesen 
Umständen  ist  der  Schlufs  nicht  gewagt,  dafs  der  ordo  iudiciorum  nicht 
als  solcher  aufgehoben  wurde,  sondern  dafs  er  ganz  von  selbst  ver- 
schwand, als  die  diokletianische  Staatsordnung  dem  römischen  Stadt- 
prätor die  Gerichtsbarkeit  in  Civilsachen  entzog. 


Bericht    über    neuere    Publikationen    auf    dem 

Gebiete    der   Naturwissenschaft,    der  Technik, 

des  Handels  und  Verkehrs  im  Altertum. 


Von 

Professor  Dr.  S.  G  ü  n  t  h  e  r 

in  München. 


Indem  ein  ueuer  Berichterstatter  an  seine  Aufgabe  herantritt,  er- 
wächst ihm  zunächst  die  Pflicht,  die  Art  und  Weise  darzulegen,  wie  er 
sich  mit  der  Lösung  dieser  Aufgabe  abzufinden  gedenkt.  Es  versteht 
sich  von  selbst,  dafs  im  allgemeinen  der  Bericht  in  demselben  Rahmen 
sich  zu  bewegen  hat,  innerhalb  deren  er  von  den  früheren  Herren  Re- 
ferenten gehalten  wurde,  nur  nach  einer  Seite  hin  ist  auf  den  Wunsch 
des  Herrn  Herausgebers  die  Grenze  nicht  unerheblich  hinausgerückt 
worden. 

Alles,  was  der  exakten  Naturwissenschaft  im  engeren  Sinne,  der 
Physik  und  Astronomie,  zugehört,  bleibt  an  dieser  Stelle  ausgeschlossen, 
doch  wird  es  nicht  zu  vermeiden  sein,  dafs  einzelne  Dinge  auch  hier 
zur  Sprache  gelangen,  auf  welche  vielleicht  auch  unser  verehrter  Kol- 
lege von  der  andern  Seite  Anspruch  erhebt,  Dinge,  welche  dem  Grenz- 
gebiete angehören  und  auch  zu  den  von  uns  später  zu  behandelnden 
Gegenständen  in  der  engsten  Kausalbeziehung  stehen.  Wir  werden  dem- 
nach zunächst  jene  Arbeiten  in  betracht  ziehen,  welche  für  die  Geschichte 
der  Naturwissenschaft  im  Altertum  als  solche  Interesse  bieten.  Von 
hier  aus  wenden  wir  uns  der  Chemie  zu,  welcher  wir  sofort  auch  die 
chemisch-metallurgische  Technik  zurechnen;  daran  reiht  sich  die  Mine- 
ralogie samt  der  Technik  der  Metallgewinnung  und  Metallbearbeitung, 
die  Botanik  samt  Forstkultur  und  Ackerbau,  die  Zoologie  in  Verbindung 
sowohl  einerseits  der  mit  —  nicht  spezifisch  medizinischen  —  Anthro- 
pologie als  auch  andererseits  mit  dem  Jagdwesen.  Von  hier  vollzieht 
sich  der  Übergang  zu  Handel  und  Verkehr,  welche  beide  namentlich 
nach  ihrer  geographischen  Bedeutung  gewürdigt  werden  sollen,  und  da 
die  Entwicklung  der  Schiffahrt  eine  der  unerläfslichsten  Voraussetzungen 
für  die  Erstarkung  des  Völkerverkehrs  darstellt,  so  werden  wir  nicht 
umhin  können ,  auch  die  antike  Schiffahrt   und  Schiffahrtskunde  mit  ins 


Naturwissenschaft.  91 

Bereich  unserer  Betrachtung  hereinzuziehen.  —  Der  Leser  wolle  jedoch 
aus  dem,  was  wir  oben  hinsichtlich  der  Technik  bemerkten,  nicht  etwa 
schliefsen,  dafs  er  aus  diesem  Berichte  ein  Bild  von  dem  gegenwärtigen 
Stande  unseres  Wissens  auf  dem  Felde  der  griechisch-römischen  Tech- 
nologie erhalten  solle:  es  wird  hier  einzig  und  allein  der  die  Naturkräfte 
dem  Menschen  dienstbar  machenden,  also  der  rein  naturwissenschaftlichen 
Seite  der  Technik  Rechnung  getragen ,  während  auf  die  so  wichtige 
künstlerische  Seite  auch  nicht  andeutungsweise  eingegangen  werden 
kann.  Um  Beispiele  anzuführen,  so  gehören  das  bekannte  bedeutende 
Werk  von  Blümner  über  antike  Gewerbsthätigkeit,  die  Monographien 
von  Ch.  Henry  und  Donner- v.  Richter  über  Wandmalerei  nicht  in  unser 
Ressort,  während  z.  B.  allerdings  Studien  analytischer  Natur  über  die 
von  den  alten  Künstlern  verwendeten  Farbstoffe  in  jenem  ihren  natur- 
gemäfsen  Platz  finden. 

Nach  diesen  generellen  Bestimmungen  haben  wir  uns  auch  noch 
über  unsere  Auflassung  des  Wortes  Altertum  auszusprechen.  Es  ist  bis- 
lang in  diesem  Teile  des  philologischen  Jahresberichtes  Sitte  gewesen, 
jenen  Begriff  in  dem  denkbar  weitesten  Sinne  zu  fassen,  sich  also  durch- 
aus nicht  engherzig  auf  die  beiden  klassischen  Völker  zu  beschränken, 
sondern  insbesondere  auch  die  alten  orientalischen  Kulturvölker  voll 
und  ganz  zu  berücksichtigen.  Wir  gedenken  an  diesem  Gebrauche 
ebenso  wie  unsere  Vorgänger  festzuhalten .  und  auch  von  manchem  Re- 
sultate der  modernen  praehistorischen  Forschung  wird  Akt  zu  nehmen 
sein  —  allerdings  mit  dem  Vorbehalte,  dafs  ein  Eingehen  auf  Fragen, 
an  denen  nur  die  Anthropologie  anteil  nimmt,  vermieden  und  stets  nach 
Möglichkeit  auf  die  Beziehungen  zur  eigentlichen  Antike  hingewiesen 
werden  soll. 

Nunmehr  sind  wir  in  den  stand  gesetzt,  unsere  Berichterstattung 
selbst  aufzunehmen,  und  wir  beginnen  dieselbe  mit  einer  Schrift  von  sehr 
allgemeinem  Charakter,  welche  unsere  Einsicht  in  das  naturphiloso- 
phische Treiben  der  ältesten  Periode  zu  vermehren  und  zu  vertiefen 
sehr  geeignet  ist,  mit  einem  alten  Bekannten  in  neuer  Erscheinung. 

1)  H.  Ritter -L.  Preller,  Historia  philosophiae  Graecae.  Pars 
prima  septimum  edita.  Physicorum  doctrinae  recognitae  a  Fr.  Schult- 
heifs.    Gotha  1886.    F.  A.  Perthes. 

Berücksichtigt  sind  hier  die  Fragmente  von  Thaies,  Anaximander, 
Anaximenes,  Heraclit,  Pythagoras  und  seiner  Schule  (darunter  vornäm- 
lich Phiiolaus),  Xenophaues,  Parmenides,  Zeno,  Melissus,  Anaxagoras, 
Empedokles,  Leucipp,  Democrit,  Diogenes  ApoUoniates,  Archelaus  (von 
Athen  oder  Milet?)  und  Hippo  (aus  Rhegium).  Interessant  ist  u.  a.  der 
Nachweis,  dafs  Melissus  sich  als  von  Heraclit  und  Parmenides  beein- 
flufst  darstellt;  er  ist  ein  Vertreter  der  Lehre  von  der  ewigen  Verwand- 
lung der  Dinge:    ooxsT  ok  yj/xTv  töts  hzpjjLOv  ^"»xpo-^  ytvta&ai  xat  ro  ^u- 


92  Naturwissenschaft. 

^pbv  ^epfjLÖv ,  xac  rö  jidXBaxov  axXrjpov  xac  rö  axXrjpov  fidXBaxov  .  .  . 
Dem  Diogenes  ist  die  Identifizierung  der  unsichtbaren  Luft  mit  der 
gleichfalls  unsichtbaren  Seele  eigentümlich.  Archelaus  war  nach  dem 
Zeugnisse  späterer  christlicher  Schriftsteller,  die  aber,  wie  wir  seither 
besonders  durch  die  gewaltige  Forschungsarbeit  von  Diels  erfahren 
haben,  aus  nicht  ganz  schlechten  altern  Quellen  zu  schöpfen  in  der  Lage 
waren,  ein  Schüler  des  Anaxagoras.  Hippo  endlich,  der  den  Spuren  des 
Thaies  folgte,  liefs  das  feurige  Prinzip  vom  feucht-wässerigen  abstammen. 

Mit  den  Leistungen  einzelner  hervorragender  Männer  befassen 
sich  drei  nun  folgende  Arbeiten: 

2)  B.  Rothlauf,  Die  Physik  Piatos;  eine  Studie  auf  Grund  seiner 
Werke.     München  1887.    Programm. 

Die  Tendenz  des  Autors,  sich  ein  Urteil  über  die  gewählte  Vor- 
lage lediglich  auf  der  Basis  eigener  Lektüre  zu  bilden,  führt  fraglos  zu 
einer  sehr  objektiven  Berichterstattung  und  hat,  wie  auch  des  nämlichen 
Verfassers  ältere  Schrift  über  Plato  als  Mathematiker  erkennen  liefs, 
entschieden  ihr  gutes,  wenn  schon  die  Nichtberücksichtigung  der  vor- 
handenen Litteratur  solchen  Arbeiten  leicht  den  Stempel  einer  gewissen 
Einseitigkeit  aufdrückt.  Jedenfalls  hat  sich  der  Verfasser  sehr  gründ- 
lich in  den  grofsen  Philosophen  hineingelesen,  und  es  ist  zu  bedauern, 
dafs  ihm  nicht  der  Raum  vergönnt  war,  seine  Studie  jetzt  schon  zum 
Abschlüsse  zu  bringen.  Piatos  Naturlehre  ist  ihm  zufolge  rein  speku- 
lativ, zumal  Ton-  und  Sternkunde  müssen  auf  mathematischer  Grundlage 
aufgebaut  werden ,  wie  denn  im  siebenten  Buche  der  »Republika  die 
praktischen  Musiker  verspottet  und  überhaupt  die  Empiriker  ironisch 
den  wirklichen  Forschern  gegenübergestellt  werden;  dieselbe  Idee  kommt 
in  der  —  wenn  nicht  von  Plato  selbst,  so  doch  von  einem  treuen  Schü- 
ler ganz  in  dessen  Geiste  geschriebenen  —  »Epinomis«  für  die  Astro- 
nomie zur  Geltung.  Die  atomistische  Theorie  Piatos  offenbart  sich  am 
klarsten  im  »Timaeus«.  Der  leere  Raum  wird  hier  geleugnet,  er  ist 
erfüllt  mit  den  vier  Elementen,  und  diese  sind  selbst  nur  wieder  Aggre- 
gate aus  gewissen  Fundamentalkörpern,  die  aus  zwei  rechtwinkligen 
Dreiecken,  deren  spitze  Winkel  resp.  60*^  und  30°,  45°  und  45''  betragen, 
sich  bilden  lassen.  Für  das  Dodekaeder  hatte  diese  Atomenlehre  somit 
keinen  Platz  übrig,  die  Geometrie  wufste  es  eben  noch  nicht  zu  kon- 
struieren, da  sein  Elementardreieck  auf  dem  Satze  vom  goldenen  Schnitt 
beruht.  Sehr  mit  Recht  behauptet  der  scharfe  Denker,  dafs  es  im 
Welträume  kein  »oben«  und  »unten«  gebe,  dafs  letzteres  vielmehr  für 
unsere  Erde  lediglich  mit  dem  Sitze  der  Schwerkraft  zusammenfalle. 
Darauf,  dafs  Plato  die  Anziehungskraft  des  Erdkörpers  seiner  Masse 
proportional  setzt,  scheint  Rothlauf  zuerst  aufmerksam  gemacht  zu  haben. 
Dagegen  irrt  ersterer,  wenn  er  dichten  Körpern  auch  immer  eine  be- 
sonders grofse  Härte  zuspricht.    Interessant  sind  weiter  die  Erörterungen 


Naturwissenschaft.  93 

darüber,  ob  Plato,  als  er  seine  vier  regelraäftigen  Polyeder  nach  einer 
gewissen  Reihenfolge  ordnete,  bereits  den  Begriff  der  Standfestigkeit 
kannte  oder  nicht.  Jedenfalls  betont  derselbe  im  »Charmides«  die  Not- 
wendigkeit einer  »Statik«,  das  Wesen  der  Schraubenbewegung,  als  aus 
Translation  und  Rotation  sich  zusammensetzend  ,  ist  ihm  bekannt,  und 
es  werden  von  ihm  acht  Bewegungsarten  (»Gesetze«)  unterschieden,  die 
sich  dann  aber  wieder  auf  zwei  Grundtypen  Bewegung  der  Körper 

selbst  und  Bewegung  ihrer  Bestandteile  —  zurückführen  lassen  sollen. 
Farbe  und  Wärme  scheint  dabei  wirklich  als  eine  Art  von  Molekular- 
bewegung aufgefafst  zu  werden. 

Die  Flüssigkeiten  teilt  »Timaeus«  ein  in  leicht-  und  schwerflüssige. 
Erstere,  z.  B.  Wasser,  können  in  Luft  (Nebel,  Wolken)  verwandelt  wer- 
den, und  aus  dieser  Erfahrung  werden  allerhand  Schlüsse  meteorologi- 
scher Natur  gezogen.  Dabei  treibt  Plato  in  seiner  Art  Chemie:  die 
Elementarpolyeder  müssen  bei  einem  solchen  Urawandlungsprozesse  zer- 
fallen und  sich  in  anderer  als  der  bisherigen  Weise  wieder  vereinigen, 
und  das  kann  auch  in  der  umgekehrten  Reihenfolge  geschehen,  indem 
beispielsweise  2V2  Luftkörper  einen  Wasserkörper  ergeben.  Das  Wesen 
des  Luftdruckes  wird  zwar  nicht  scharf  präzisiert,  aber  eine  Ahnung 
des  richtigen  ist  doch  unzweifelhaft  vorhanden ,  wie  die  Theorie  des 
Atmens  im  »Timaeus«  darthut.  Sogar  magnetische  und  elektrische 
Kraftäufseruugen  sollen  durch  eine  Art  von  Luftdruck  ihre  Erklärung 
finden,  und  eben  damit  rechnen  auch  andere  Partien  in  Piatos  Physio- 
logie des  menschlichen  Organismus. 

Den  weitern  Darlegungen  des  Verfassers  über  platonische  Akustik 
und  Wärmelehre  sehen  wir  mit  Spannung  entgegen. 

3)  K.  B.  Hofmann,    Zur  Geschichte    der    Chemie.      Berg-   und 
hüttenmännische  Zeitung,  1885.    Nr.  28. 

In  dem  »Haushaltungsbuch«  des  altern  Cato  offenbart  sich,  wie 
hier  gezeigt  wird,  ein  richtiges,  wenn  auch  selbstredend  nur  der  prak- 
tischen Erfahrung  zu  verdankendes  Verständnis  für  gewisse  Naturpro- 
zesse. Das  Rosten  der  Metalle  und  die  dagegen  zu  ergreifenden  Schutz- 
mafsregeln  werden  sachgemäfs  erörtert,  ebenso  die  Mittel  zur  Bereitung 
von  Salzsoolen.  Bemerkenswerter  noch  aber  ist  eine  Vorschrift  zur  Be- 
reitung gewisser  breiartiger  Speisen  (De  re  rustica,  cap.  81):  Indito  in 
hirneam  fictilem,  eam  demittito  in  aulam  aheneam  aquae  calidae  plenam. 
Hierin  erblickt  der  Verfasser  eine  Anwendung  des  später  von  dem  Ara- 
ber Geber  rationell  verwerteten  Prinzipes,  durch  mittelbare  Erhitzung 
im  Wasserbad  zu  verhindern,  dafs  der  eigentlich  zu  erwärmende  Körper 
über  eine  gewisse  Temperatur  hinaus  erwärmt  werde.  Cato  hat  bestim- 
mend auf  mehrere  spätere  Schriftsteller  eingewirkt;  dies  beweist 


94  Naturwissenschaft. 

4)  P.  Weise,  Quaestionuni  Catoniarum  capita  V,  Göttingen  1886. 
Inaugural-Dissertation. 

Die  ersten  drei  Abschnitte  des  Schriftcbens  sind  völlig  sprach- 
wissenschaftlichen Inhaltes  und  berühren  uns  deshalb  an  diesem  Orte 
nicht  näher,  dagegen  handelt  das  vierte  Kapitel  von  dem  Einflüsse  des 
Buches  »De  re  rustica«  auf  die  spätem  Römer.  Varro  und  Gellius  zi- 
tieren dasselbe  verhältnismäfsig  selten,  Columella  und  Plinius  dagegen 
ziemlich  häufig,  zumal  das  17.  Buch  der  »Historia  naturalis«  lehnt  sich 
betreffs  der  Baunizucht  innig  an  Cato  an.  Genannt  wird  derselbe  auch 
von  Macrobius  und  von  einzelneu  der  durch  Keil  gesammelten  Gram- 
matiker. Die  letzte  Abteilung  verfolgt  wieder  einen  kritischen  Zweck, 
indem  die  ursprüngliche  Redaktionsform  des  Buches  zu  ermitteln  ge- 
sucht wird. 

Indem  wir  unser  Augenmerk  jetzt  speziell  der  antiken  Scheide- 
kunst zuwenden,  ziehen  zunächst  Veröffentlichungen  über  Alchemie  un- 
sere Aufmerksamkeit  auf  sieb. 

5)  H.  W.  Schäfer,  Die  Alchemie.  Ihr  ägyptisch  -  griechischer 
Ursprung  und  ihre  weitere  historische  Entwickelung.  Flensburg  1887. 
Programm. 

Wenn  man  von  den  unechten  Briefen  des  Manetho  absieht,  kommt 
zuerst  bei  Tertullian  der  Name  des  Hermes  Trismegistus  vor,  dessen 
dann  hundert  Jahre  später  auch  Lactantius  erwähnt.  Es  deutet  dieser 
Name  hin  auf  den  altägyptischen  Goit  der  Gelehrsamkeit,  Thoth,  den 
die  Griechen  ohne  weiters  zu  Hermes  umstempelten.  Clemens  Alexan- 
drinus,  ein  Zeitgenosse  des  ersten  lateinischen  Kirchenvaters,  nennt 
zuerst  die  42  heiligen  Rollen  der  Ägypter  »hermetische«  Schriften.  Dafs 
im  Nillande  die  Chemie  seit  sehr  alter  Zeit  empirisch  betrieben  ward, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen;  der  unlängst  entzifferte  Papyrus  von 
Leyden  gehört  zwar  der  nachchristlichen  Periode  an,  scheint  aber  nur 
altbewährte  Vorschriften  zu  enthalten,  und  seine  65  Regein  sind  für  die 
Geschichte  der  Metallurgie  von  entschiedener  Bedeutung.  Anweisungen 
zur  Herstellung  von  Legierungen  gingen  von  Alexandrien  aus  nach  Grie- 
chenland und  Italien  über;  mufste  doch  schon  81  v.  Chr.  ein  römisches 
Gesetz  gegen  Falschmünzerei  erlassen  werden.  Kaiser  Diocletian  liefs 
um  296  u.  Chr.  alle  von  der  Goldmacherei  handelnden  Bücher  verbren- 
nen, allein  wenigstens  für  Ägypten  brachte  diese  Radikalkur  keine  Hei- 
lung, denn  nach  Rufinus  betrieben  ums  Jahr  400  die  ägyptischen  Prie- 
ster nach  wie  vor  die  Goldkochkunst  in  alter  Weise,  und  wir  wissen 
auch,  dafs  der  byzantische  Präfekt  Themistus,  der  dies  sein  Amt  von 
362  bis  382  bekleidete,  alle  alchemistischen  Betrügereien  für  baare 
Münze  nahm. 

Der  oben  erwähnte,  in  Theben  aufgefundene  Papyrus  macht  An- 
gaben darüber,  wie  aus  dem  Stoff'  »Asem«,  einer  Legierung,   alle  mög- 


Naturwissenschaft.  95 

liehen  gold-  und  silberähnlichen  Körper  gewonnen  wurden.  Democrit 
und  Synesius  schildern  uns  die  alchemistischen  Tinkturen,  welche  die 
Verwandlung  unedler  in  edle  Metalle  befördern  sollen;  Quecksilber  und 
Schwefel  waren  die  unentbehrlichsten  Ingredienzien.  Als  höchste  litte- 
rarische Quelle  schätzte  man  ein  Werk  des  Alexandriners  Zosiraus  in 
28  Büchern.  Hieraus  und  aus  andern  Schriften  jener  Zeit  stammen  die 
zahlreichen  Kompilationen,  welche  oströmische  Alchemisten  zu  Ver- 
fassern haben  und  sich  von  einander  durchaus  nur  sehr  wenig  unter- 
scheiden. -  Von  S.  21  geht  unsere  Vorlage  zu  den  Arabern  über  und 
damit  über  den  uns  hier  beschäftigenden  Zeitabschnitt  hinaus. 

6)  M.  Berthelot,  Collection  des  Alchemistes  Grecqs.     Introduc- 
tion.    (Ohne  nähere  Ort-  und  Zeitangabe.) 

Diese  »Einleitung«  zerfällt  in  die  folgenden  acht  Bestandteile: 
I.   Les  papyrus  de  Leide. 
II.    Relations  entre  les  metaux  et  les  planetes. 

III.  La  sföre  de  Democrite  et  les  medecins  astrologues. 

IV.  Signes  et  notations  alchimiques. 
V.    Figures  d'appareils  et  autres. 

VI.    Renseignements  et  notices  sur  quelques  manuscrits. 
VII.    Sur  quelques  metaux  et  mineraux  provenant  de  l'antique 

Chaldee. 
VIII.  Notes  de  metallurgie,  de  mineralogie  et  diverses. 
Der  Bericht  wird  bis  zum  Erscheinen  des  Werkes  selbst  ver- 
schoben. Erwähnt  sei  für  jetzt  nur,  dafs  einer  der  in  Leyden  aufbe- 
wahrten Traktate  über  Goldmacherkunst  zu  den  wenigen  Litteraturpro- 
dukten  dieser  Gattung  gehören  dürfte,  welche  dem  von  Diocletian  über 
jene  verhängten  Autodafe  (s.  o.)  entgingen. 

Nunmehr  schliefst  sich  an  eine  Reihe  von  Referaten  über  die 
wissenschaftliche  Chemie  und  Metallurgie  der  Alten. 

7)  K.  B.  Hof  mann,    Zu  Aristoteles'  Meteorologie,  V,   9,  2  —  5. 
Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien.    1884.    S.  573  —  575. 

Das  häufig  vorkommende  Wort  rsyxTog  pflegt  lateinisch,  z.  B.  bei 
Ideler,  mit  humectabilis  wiedergegeben  zu  werden,  während  zugleich  von 
Körpern,  welche  die  durch  jenes  Wort  angedeutete  Eigenschaft  besitzen 
sollen,  behauptet  wird,  sie  seien  im  Wasser  löslich.  Beide  Angaben 
sind  unter  einander  unvereinbar.  Hofmann  übersetzt  daher  zsyyszai 
mit  »es  wird  im  Wasser  weich«.  Dann  hat  der  bis  jetzt  etwas  dunkle 
Satz  einen  guten  Sinn:  ^Earc  8k  twv  rrjxrätv  xal  rwv  dzTjxrojv  rä  /xkv 
TeyxTa  rä  8s  äzeyxra.  Salze  z.  B.  lösen  sich  im  Wasser,  erweichen 
sich  aber  nicht,  wogegen  Wolle  in  der  Flüssigkeit  weich  wird,  ohne  sich 
aufzulösen.      Es   gewinnt   den  Anschein,  dafs  Aristoteles   den  Grad  der 


96  Naturwissenschaft. 

Löslichkeit  einer   Substanz    als   durch   die  Gröfse  ihrer  Poren   bedingt 
annimmt. 

8)  K.  B.  Hofmann,  Über  die  Schraelzfarben  von  Teil  el  Jehüdjie; 
offener  Brief  an  Dr.  E.  Ritter  v.  Bergmann.  Berlin  1885.  (Separat 
aus  der  »Zeitschrift  für  ägyptische  Sprach-  und  Altertumskunde«.) 

Wir  haben  es  hier  mit  einer  Prüfung  der  polychromen  Figuren  in 
einem  Ramses  III.  geweihten  Tempel  zu  thun.  Das  Material  der  Ob- 
jekte ist  nach  Semper  ofayenzierter  Bimstein«,  Kieselsäure  mit  geringen 
Zuthaten  von  Thonerde  und  Calciumoxyd.  An  und  für  sich  ist  diese 
weiche  Masse  nicht  sehr  zweckentsprechend,  sie  wurde  auch  nur  gewählt, 
um  die  bleilose,  also  wenig  dauerhafte  Glasur  festzuhalten.  Dafs  die 
Glasur  kein  Blei  enthielt,  wird  erklärlich,  wenn  man  bedenkt,  dafs  Blei 
am  Nil  etwas  sehr  rares  war  und  an  Monumenten  uns  nur  selten,  und 
in  spärlichen  Mengen,  begegnet.  Der  ägyptische  Glasüberzug  entspricht 
durchaus  dem,  was  die  Kunstsprache  der  Porzellanfabrikation  heute  mit 
»Feldspatglasur«  bezeichnet,  doch  wird  durch  ihn  immerhin  auch  ein 
lebhafterer  Farbeneffekt  hervorgerufen.  Die  braunrote  Paste  der  Wand- 
gemälde erweist  sich  als  Eisenoxyd,  die  blaue  Schmelzfarbe  als  Kobalt- 
smalte,  die  schwarze  Hautfärbung  der  abgebildeten  Neger  ward  durch 
eisenhaltigen  Braunstein  bewirkt,  das  violette  Pigment  endlich  ist  Mangan, 
wie  bereits  Lepsius  herausgebracht  hatte.  Aufserdem  verstanden  die 
ägyptischen  Künstler  für  Gelb  auch  den  Ocker  zu  verwenden.  Was  die 
Auftraguug  der  Pasten  anlangt,  so  mufs  hierfür  von  einer  ganz  beson- 
dern Technik  Gebrauch  gemacht  worden  sein,  für  welche  sich  anderwärts 
ein  Analogon  nicht  findet. 

9)  K.  B.  Hofmann,  Beiträge  zur  Geschichte  der  antiken  Legie- 
rungen. Wien  1885.  (Separat  aus  Band  XVI  der  »Numismatischen 
Zeitschrift«.) 

Die  zehn  Unterabteilungen,  in  welche  diese  sehr  dankenswerte 
Untersuchung  zur  Chemie  und  namentlich  auch  zur  Physik  des  Alter- 
tums zerfällt,  sollen  getrennt  besprochen  werden. 

I.  Über  Brüchigkeit  des  antiken  Silbers.  Diese  charakteristische 
Eigenschaft  wurde  sowohl  an  Münzen  als  auch  au  Gegenständen  vom 
Hildesheimer  Silberfunde  wahrgenommen.  Der  Verfasser  analysierte,  um 
die  Ursache  zu  entdecken,  ein  Tetrabolon  von  Metapontum,  fand  ein  über- 
raschend geringes  spezifisches  Gewicht  und  einerseits  ein  krystalliuisches 
Gefüge  des  Prägemetalles,  andererseits  eine  Beimischung  von  Hornsilber. 
Letzterer  Umstand  erklärte  sich  daraus,  dafs  das  Objekt  in  salzhaltiger 
Erde  gelegen  war.  Wann  und  wie  dagegen  das  Silber  krystalliuisch 
wurde,  läfst  sich  nicht  wohl  aufkären,  doch  steht  jedenfalls  mit  diesem 
Umbildungsprozesse   die  so    sehr  geringe  Dichte  (0,812)  in  Verbindung 

II.  Über   Messing   als    Münzmetall.      Seit    Commodus    hören    die 


i 


Naturwissenschaft.  97 

reinen  Messingmünzen  mehr  und  mehr  auf  und  werden  durch  solche  aus 
zinkhaltiger  Bronze  verdrängt.  Hofmann  teilt  einige  Analysen  von  Mün- 
zen der  spätem  Kaiserzeit  mit,  denen  zufolge  die  Legierung  sich  stets 
weiter  und  weiter  vom  Messing  entfernt. 

III.  Über  die  Bestimmung  der  Zusammensetzung  des  Electrums 
aus  seinem  spezifischen  Gewichte.  Es  wird  zunächst  das  bekannte  Ver- 
fahren des  Archimedes  beschrieben,  welches  freilich  keine  sehr  genauen 
Ergebnisse  liefern  konnte,  da  es  auf  die  beim  Legieren  eintretende  Zu- 
sammenziehung  der  Metalle  keine  Rücksicht  nahm.  Nicht  unwahrschein- 
lich ist  es,  dafs  eben  von  Archimedes  auch  jenes  zweite  Verfahren  her- 
rührt, mit  welchem  uns  das  209  Verse  enthaltende  »Carmen  de  ponde- 
ribus«  bekannt  macht.  Dieses  Lehrgedicht  entstand  nach  Schenkl  um 
400  n.Chr.,  hat  mutmafslich  einen  gewissen  Flavius  Remnius  zum  Verfasser 
und  diskutiert  zwei  Methoden  zur  Bestimmung  spezifischer  Gewichte,  nach 
deren  jeder  auch  das  »Electrum«  sehr  wohl  untersucht  werden  kann. 
Hofmann  findet,  dafs  die  Hälfte  der  von  ihm  mit  allen  Kautelen  ge- 
prüften Hekten  einen  zwischen  34^/0  und  36°/ü  schwankenden  Goldgehalt 
besitzt;  nur  die  Kyzikener  und  die  Vereinsraünzen  weisen  einen  40 V« 
übersteigenden  Goldzusatz  auf. 

IV.  Über  die  Legierung  sizilianischer  Goldmünzen.  Äufserlich  er- 
scheinen diese  Geldstücke  sehr  rein;  die  Prüfung  durch  den  »Strich« 
ergicbt  wirkliches  Gold;  weiter  innen  aber  tritt  das  Electrum  zutage. 
Die  Goldfärbung  ist  dem  Anscheine  nach  absichtlich,  um  eine  Täuschung 
hervorzubringen,  durch  einen  »Zementierungprozefs«  hergestellt  worden. 

V.  Über  die  Legierung  kleinasiatischer  Elektroumünzen.  Sowohl 
die  mitylenischen,  phozaeischen  und  kyzikenischen  Hekten  als  auch  die 
lampsazenischen  Stateren  waren  nicht  aus  eigentlichem  Electrum,  son- 
dern aus  künstlichen  Legierungen  verfertigt. 

VI.  Über  die  Legierungsverhältnisse  sizilianischer  Goldmünzen. 
Eine  eingehende  Untersuchung  ergab,  dafs  der  höchste  Feingehalt  unter 
den  Königen  Agathocles,  Hicetas  und  Hiero  II.  erzielt  worden  ist. 

VII.  Über  den  Feingehalt  der  Regenbogenschlüsselchen.  Diese 
verschieden  geprägten  Münzen  zeichnen  sich  ebenfalls  durch  ihre  Rein- 
heit aus;  einige  solche,  die  man  bei  Kuttenberg  in  Böhmen  auffand,  haben 
von  97,50*^/0  bis  99,54%  reines  Gold  in  sich. 

VIII.  Goldlegierungen  einiger  Barbarenmünzen.  Bei  roh  gepräg- 
ten Münzen  gallischer,  mazedonischer  und  spätrömischer  Provenienz  ist 
der  Goldgehalt  ein  sehr  schwankender,  oft  äufserst  geringer  (bis  herab 
zu  8,790/0). 

IX.  Antimonmünze.  Schmuckgegenstände  aus  Antimon  sind  uns 
durch  Virchows  Beschreibung  (Verhandl.  d.  Berl.  Gesellsch.  f.  Anthro- 
pologie, 1884)  bekannt  geworden,  die  erste  Münze  aus  diesem  Metalle  ge- 
langt dagegen  hier  zur  Besprechung.  Dieselbe  entstammt  der  augustei- 
schen Epoche,  ist  gegossen  und  wurde  ehedem  für  eine  Bleimünze  gehalten. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LII.  (1887.  III.)  7 


98  Naturwissenschaft. 

X.  Anhang.  Der  Verfassei'  giebt  eine  Korrektionstabelle  zum  Ge- 
brauche für  diejenigen,  welche  selbst  antike  Legierungen  physikalisch 
auf  ihren  Gehalt  an  verschiedenen  Metallen   zu  prüfen  im  Sinne  haben. 

16)   K.  B.  Hof  mann,  Zur  Geschichte  des  Zinkes  bei  den  Alten. 
Berg-  und  hüttenmännische  Zeitung.    1885.    Nr.  46  —  51. 

Das  Metall  »Kadmia«  kommt  weder  bei  Theophrast  noch  in  der 
peripatetischen  Schrift  »De  mirabilibus  auscultationibus«  vor,  wohl  aber 
ist  dort  von  Messing  und  Galmei  die  Rede.  Die  metallurgischen  Ar- 
beiten des  Nymphodor  und  Jolas  sind  leider  verloren  gegangen,  denn 
in  ihnen  wäre  nach  Plinius  (Hist.  nat.,  lib.  XXXV.  cap.  22)  vielleicht 
etwas  über  xaSixca  zu  finden  gewesen.  Beckmann  erklärte  Kadmia  für 
zinkhaltiges  Erz  überhaupt;  Dioscorides  (lib.  V,  cap.  84)  scheint  darunter 
nicht  sowohl  reines  Zink  als  vielmehr  Zinkoxyd  zu  verstehen,  und  Pli- 
nius weicht  nur  scheinbar  von  Dioscorides  ab.  Aus  Strabos  Notizen  ist 
nicht  recht  klug  zu  werden,  während  Galenus  deutlicher  ist.  Wahr- 
scheinlich ist  zu  unterscheiden  zwischen  »künstlicher«  Kadmia  (Ofen- 
galmei)  und  »fossiler«  Kadmia,  welche  verschiedene,  durch  die  chemi- 
schen Gleichungen 

CO3  Zn  und  Si  O4  Z«2  -^  ?>H^0 
charakterisierte  Zinkerze    umfafst.      Auch    die   Zinkblende   {Zn  S)   war 
wohl  den  Alten  nicht  ganz  unbekannt. 

Hilfsmittel  zur  genauem  Untersuchung  sich  ähnlich  verhaltender 
Erze  standen  dem  Altertum  nicht  zur  Verfügung.  »Pyrites«  und  »Chal- 
kitis«  kannte  man  hauptsächlich  als  zinkführende  Erze.  Was  man 
unter  ixlau  und  aujpu  zu  verstehen  haben,  bleibt  unklar;  Hofmann  denkt 
an  Schwefelkies,  während  die  als  dc^puydg  bezeichneten  Massen  Schlacken 
von  kupfer-  und  zinkhaltigen  Erzen  gewesen  sein  mögen.  »Orichalcus«, 
schon  bei  Homer  und  Hesiod  erwähnt,  wird  mit  Messing  identifiziert, 
der  jedoch  damals  noch  keinen  Beisatz  von  Kadmia  hatte,  xaaaaspoi 
und  plumbum  candidum  bei  Plinius  sind  öfters  für  Zink  ausgegeben 
worden,  allein  es  erscheint  sicher,  dafs  es  sich  hier  um  Zinn  handelt; 
wäre  doch  sonst  der  Vergleich  von  Kassiteros  mit  dem  leicht  schmelz- 
baren Wachs  ein  ganz  unzutreffender.  Dafs  überhaupt  metallisches 
Zink  den  antiken  Völkern  bekannt  gewesen  sei,  schliefst  man  einzig  aus 
zwei  Stellen  bei  Dioscorides  und  Strabo,  allein  dagegen  spricht  der  Um- 
stand, dafs  die  Ausscheidung  des  reinen  Metalles  aus  seinen  Erzen  nur 
durch  einen  nicht  ganz  einfachen  Destillatiousprozefs  zu  ermöglichen 
ist.  Ebensowenig  sind  aus  Zink  gefertigte  Gegenstände  bekannt.  Nach 
Hofmann  ist  unser  »Galmei«  vielleicht  nur  eine  Verstümmelung  von 
xaSjxca;  das  indische  Zink  führte  den  Namen  »Tuttanego«,  worin  R.  Roth 
das  tamulische  tütünägam  wiederzuerkennen  glaubt. 


Naturwissenschaft.  99 

11)  K.  B.  Hof  mann,   Das  Blei  bei  den  Völkern  des  Altertums. 
Berlin  1885.     C.  Habel. 

Die  Kenntnis  des  Bleis  reicht  bis  zu  den  allerältesten  Schrift- 
denkmälern hinauf,  denn  es  kommt  als  Tributgegenstand  bereits  in  den 
für  Pharao  Thutmes  III.  angefertigten  Listen  vor,  und  zwar  liefern  das- 
selbe semitische  Völker  ab.  In  Ägypten  selbst  ward  es  somit  nicht  ge- 
funden, und  so  ist  denn  auch  seine  Verwendung  eine  sparsame  (s.  unter 
8);  dünne  Bleiziegel  begegnen  uns  im  Tempel  Ramses  IIL  zu  Medinet- 
Abu  (hier  irrtümlich  Aba  geschrieben).  In  den  ältesten  Veden  ist  von 
dem  Blei  noch  keine  Rede,  wohl  aber  in  den  späteren;  es  wurde  Men- 
nige (als  Schminkmittel)  daraus  bereitet.  Dafs  die  orientalischen  Völker- 
schaften sich  des  Bleis  als  Mörtel  beim  Festungsbau  bedienten,  ist  be- 
kannt, und  die  Juden  (Jesaias)  scheinen  das  Metall  auch  als  Mittel  zum 
Reinigen  edler  Metalle  benützt  zu  haben. 

Die  Hellenen  holten  ihr  Blei  aus  Bergwerken,   und  Athen   suchte 
dessen  Förderung  zu  monopolisieren.     Auch  Italien   war  nicht  bleiarm, 
die  Römer  betrieben  den  Bergbau  auf  der  Insel  Sardinien,  doch   bezog 
man  das  meiste  Material   aus  Gallien,  Britannien  und  Nordafrika,  und 
auch  in  Germanien  liefs   man   gelegentlich   auf  Blei   schürfen.     Die  Art 
der  bergmännischen  Gewinnung  und  der  nachherigen  Verarbeitung,  die 
Scheidung  des   reinen  Metalles  von   den  Erzen  u.  s.  w.  ist  ziemlich   gut 
bekannt,  sie  war  aber  eine  so  unvollkommene,  dafs  nach  Strabos  Bericht 
die  Schlacken  einer  nochmaligen  Ausschmelzuug  fähig  waren.    Die  Ver- 
sendung des  Bleis  erfolgte  in  Ziegelform,   und   die  Römer  prägten   auf 
diese  Ziegel  in  erhabener  Schrift  den  Namen  des  jeweiligen  Regenten. 
Zu  Kunstgegenständen  war  der  Stoff  nicht  sehr  geeignet,  nur  mit 
kleinen  Blei-Idolen  (Heiligenbildern)  wurde  ein  schwungvoller  Handel  be- 
trieben.    Technisch  ward  Blei  gern  zum   Bindemittel   gebraucht,   Blei- 
streifen mufsten  vielfach  den  jetzt  gebräuchlichen  Draht  ersetzen,   doch 
fand  Schlieraann  in  Hissarlik  auch  wirklichen  Bleidraht  auf.    Bleistücke 
dienten  dem  Baumeister  als  Lot,  dem  Fischer  zur  Beschwerung  seiner 
Netze,  dem  Schleuderer  im  Kriege  als  Projektile.   Man  gofs  diese  letz- 
teren wohl  auch  in  Formen  (Eicheln)  und  versah  solche  mit  einem  Stem- 
pel.    Die  Dichter  erzählen,  dafs  solche  Geschosse  hie  und  da  geschmol- 
zen seien;   diese  Angabe  wird    vom    Verfasser  beanstandet,    allein    sie 
erscheint  uns,  wenn  wir  uns  an  den  Grundsatz  der  mechanischen  Wärme- 
theorie erinnern,  nichtsdestoweniger  als  ganz   glaubwürdig,  ja  sie  wird 
später   von  Thomas  Aquinas  ganz  ausdrücklich   bekräftigt.     Die  Faust- 
kämpfer liebten  es,  Bleiknöpfe  in  die  Kampfriemen  zur  Verstärkung  des 
Schlages    einzuflechtau ,  Gewichte  und  (gefälschte)  Würfel,  Lineale  und 
sonstigen  geometrischen  Apparat  machte  man  aus  Blei,  Bleiröhren  spielten 
im  Kanalbau  eine  Rolle,  bis  Vitruvius  begründete  hygieiuische  Bedenken 
dagegen  geltend  machte.    Sonst  kommen  noch  als  Bleifabikate  vor  ge- 
wisse Tafeln  mit  Inschrift  (»Fluchtafeln«),  numidische  Münzen,  Marken, 

7» 


1 00  Naturwisaenschaft. 

die  dem  verschiedenartigsten  Gebrauche  dienten  (Visitenkarten).  Die 
Ärzte  hatten  das  Blei  in  ihrem  Arzneischatze.  —  Auch  der  Bronze  und  den 
Bronzemünzen  setzte  man  Blei  zu,  vermutlich,  weil  durch  solchen  Zusatz 
die  Einschmelzung  erschwert  wurde,  doch  verbot  Kaiser  Tacitus  Augustus 
dieses  Manöver.  Eine  Legierung  von  Blei  und  Zinn  verwendete  man 
beim  Löten.  Von  den  chemischen  Verbindungen  uusers  Metalles  wufste 
man  Bleiglätte,  Bleiweifs,  Mennige  und  Schwefelblei  darzustellen;  die 
bezüglichen  Prozesse  werden  von  Theophrast,  Dioscorides  und  Plinius 
erläutert.  Solche  Stoffe  fanden  in  der  antiken  Toilettenchemie  nur  allzu 
ausgedehnte  Anwendung,  wie  neben  andern  die  bekannte  Stelle  im  »Haus- 
gespenst« des  Plautus  beweist. 

Die  letzterwähnte  Schrift  hat  uns  bereits  aus  dem  chemisch-metal- 
lurgischen Gebiete  hinübergeführt  in  das  schlechtweg  mineralogische. 
Wir  gehen  deshalb  jetzt  über  zu  solchen  Publikationen,  welche  uns  mit 
dem  geschichtlichen  Auftreten  der  einzelnen  Metalle  bekannt  zu  machen 
bestimmt  sind. 

12)  Much,  Die  Kupferzeit  in  Europa  und  ihr  Verhältnis  zur  Kul- 
tur der  Indogermanen.     Wien  1886.    K.  K.  Hof-  und  Staatsdruckerei. 

Es  wird  neuerdings  von  berufener  Seite  immer  stärker  betont,  dafs 
der  Gebrauch  der  Metalle  schon  in  der  »Jüngern  Steinzeit«  ein  relativ 
weit  verbreiteter  gewesen  sein  müsse.  Der  Verfasser  selbst  hat  um- 
fassende Baggerungen  im  Mondsee  vorgenommen  und  dabei  neben  vielen 
Gebrauchsgegenständen  aus  Stein  und  Knochen  nicht  weniger  als  29  Ob- 
jekte aus  Kupfer  (Beile,  Dolche,  Spiralen  von  Kupferdraht)  zutage 
gefördert,  und  zwar  ist  der  chemischen  Analyse  zufolge  dieses  Kupfer 
ein  sehr  reines,  von  Schwefel  fast  ganz  freies.  Ähnliche  Funde  lieferten 
der  Attersee  und  das  Laibacher  Moos,  in  geringerer  Menge  auch  die 
Pfahlbauten  der  Schweiz,  und  so  scheint  bewiesen,  dafs  man  mit  der 
Verarbeitung  von  Kupfer  bereits  vor  dem  Auftreten  des  Nephrits  ver- 
traut geworden  war.  Virchow  beobachtete  ein  gleiches  für  nördlichere 
Gegenden  (Böhmen,  Mähren,  Preufsen),  und  auch  für  Italien,  Portugal 
und  die  normannischen  Inseln  ist  keine  Ausnahme  zu  konstatieren.  Die 
Thongefäfse  aus  der  in  Frage  kommenden  Zeit  sind  mit  hübschen  geo- 
metrischen Ornamenten  ausgestattet;  alle  diese  Gefäfse,  wie  nicht  minder 
die  auf  Thera  und  Therasia  und  in  Troas  ausgegrabenen  markieren  die 
Grenze  zwischen  neolithischer  und  Metall-Periode.  Much  giebt  dann 
eine  Übersicht  über  alle  jemals  gemachten  Kupferfunde,  mehr  denn  200 
an  der  Zahl.  Eine  chronologische  Unterscheidung  zwischen  den  einzel- 
nen Formen  der  Kupferbeile  u.  s.  w.,  wie  sie  von  Mortillet  versucht 
wurde,  hält  der  Verfasser  für  unthunlich,  dagegen  verraten  nach  seiner 
Ansicht  die  ausgebohrten  Hämmer  einen  Fortschritt  in  der  Kunstfertig- 
keit. Das  Volk  der  Steinzeit  verblieb  sefshaft  in  seinen  ursprünglichen 
Wohnsitzen,    lernte  aber  allmählich    den  Gebrauch  des  Schmelztiegels 


Naturwissenschaft.  101 

kennen,  und  solcher  Scbraelztiegel  hat  man  eine  ganze  Menge  gefunden, 
so  dafs  angenommen  werden  kann,  unsere  Altvordern  hätten  sich  mit 
der  Metallurgie  des  Kupfers  viel  beschäftigt.  Wir  sind  in  der  Lage, 
ihr  Verfahren  bei  der  Aufbereitung  der  Erze  wie  auch  beim  Schmelzen 
zu  kontrollieren,  da  einmal  sogar  die  Auffindung  eines  wirklichen  Schmelz- 
ofens geglückt  ist.  Alte  Kupfergruben  sind  in  der  Nähe  von  Bischofs- 
hofen  (Pongau)  und  Kitzbüchel  (östliches  Tirol)  nachgewiesen  worden; 
die  Arbeiten  wurden  sowohl  mit  steinernen  als  auch  mit  kupfernen  Werk- 
zeugen betrieben,  und  diese  Instrumente  wurden  anscheinend  in  unmittel- 
barer Nähe  des  Baus  fabrikmäfsig  erzeugt.  Man  irrt,  wenn  man  meint, 
die  Kupfertechnik  sei  von  der  Brouzetechnik  mit  einem  male  beseitigt 
worden,  es  bildeten  sich  vielmehr  beide  Industrien  nebeneinander  aus. 
Man  nimmt  wohl  am  besten  an,  dafs  die  Ureinwohner  das  Kupfer  nicht 
auf  dem  Handelswege  zugeführt  erhalten,  sondern  von  sich  aus  entdeckt 
haben,  vielleicht  dadurch,  dafs,  was  ja  gar  nicht  selten  vorkommt,  ein 
Flötz  von  Kupferkies  in  Brand  geriet.  Was  endlich  die  Rasse  der 
Kupferleute  angeht,  so  sind  es  nach  allen  Anzeichen  Arier  gewesen,  die 
ihre  Sitze  nicht  mehr  wechselten,  denn  seit  dem  Ende  der  »altern 
Steinzeit«  hat  es  keine  Nomaden  mehr  in  Europa  gegeben.  Auch  war 
allen  arischen  Völkern  für  das  Kupfer  ein  und  dieselbe  Bezeichnung  ge- 
mein, was  wohl  erklärlich  ist,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  dafs 
Kupfer  ein  internationales  Produkt  war,  während  Gold,  für  welches 
obiges  nicht  gilt,  in  der  That  auch  nur  in  der  südöstlichen  Ecke  des  in 
Rede  stehenden  Territoriums  aufgefunden  wurde. 

Von  Osteuropa  führen  uns  nach  dem  Westen,  nach  Aquitanien, 
und  zeitlich  wahrscheinlich  der  klassischen  Epoche  noch  ziemlich  nahe 

13)  Testut-Taillebois,  Les  tumulus  des  premiers  ages  du  fer 
dans  la  region  sous-pyreneenne.     Dax  1885. 

Die  Herren  Testut  und  Dufounet,  unterstützt  von  Taillebois  und 
Leonce  de  Behr,  haben  eine  Anzahl  von  »Grabhügeln«  in  den  weiten 
Ebenen  von  Ages  geöffnet,  und  es  hat  sich  da  wiederum,  wie  schon  bei 
früheren  Ausgrabungen,  herausgestellt,  dafs  man  es  hier  nicht  mit  Be- 
gräbnisplätzen, sondern  mit  Wohnungen  eines  Troglodytengeschlechtes 
zu  thun  habe.  Asche  und  Knochenüberreste  fehlen,  dagegen  sind  sehr 
eigentümliche  Kieselsteinbetten  vorhanden,  einmal  sogar  ein  zweischläfri- 
ges. An  andern  Orten  (Tarbes,  Mimbaste  u.  s.  w.)  mögen  die  Wohnun- 
gen lebender  nachmals  in  solche  toter  Menschen  umgewandelt  worden 
sein,  die  Regel  ist  dies  jedoch  nicht.  Man  nahm  früher  allgemein  an, 
leere  Tumuli  seien  ihres  Inhaltes  durch  Beraubung  verlustig  gegangen, 
allein  diese  Hypothese  ist  jetzt  überflüssig:  die  Bewohner  vertauschten 
eben  einfach  ihren  Wohnsitz  mit  einem  andern  und  nahmen  all  ihr 
Hausgeräte  mit.    In  der  Nähe  einzelner  Hügel  stöfst  man  auf  Höhlungen, 


102  Naturwissenschaft. 

in  denen  tiefer  unten  dicke  Schichten  von  Kohle  und  Asche  abwechseln, 
jedoch  auch  da  ist  nicht  an  Friedhöfe,  sondern  nur  an  Kochplätze  zu 
denken,  welche  sich  die  Bewohner  der  »Mardelles«  anlegten,  indem  sie 
zugleich  aus  der  ausgegrabenen  Erde  sich  ihre  »Wohnhügel»  aufwarfen. 

Drei  weitere  Abhandlungen  sind  dem  orientalischen  Altertum   ge- 
widmet. 

14)  G.  Bapst,  Sur  la  provenance  de  l'etain  dans  le  monde  an- 
cien.  Academie  des  inscriptions  et  helles  lettres;  comptes  rendus 
des  s6ances  de  l'ann^e  1886,  4.  serie,  vol.  XIV.  S.  247  —  255. 

Die  Frage,  woher  man  in  alter  Zeit  das  zur  Bronzefabrikation  er- 
forderliche Zinn  bezogen  habe,  ist  eine  strittige.  Französische  Forscher 
hatten  sich  zu  gunsten  des  Kaukasus  ausgesprochen,  Schliemann  war 
dieser  Ansicht  nicht  abgeneigt,  und  auch  der  Verfasser  selbst  hatte  so 
lange  an  derselben  festgehalten,  bis  ihn  eine  Reise  in  jenes  Gebirge 
von  deren  gänzlicher  Unhaltbarkeit  übezeugt  hatte.  Negativ  fiel  gleicher- 
weise das  Urteil  hervorragender  russischer  Topographen  und  Geologen 
aus,  darunter  dasjenige  Raddes  und  Abichs.  In  allerältester  Zeit  mag 
der  Zinnhandel  wohl  ausschliefslich  durch  Karawanenverkehr  betrieben 
worden  sein,  nach  Lenormant  vom  Hindukusch  aus.  Hingegen  glaubt 
Bapst  Einsprache  erheben  zu  müssen,  da  jene  Gegend  ganz  gewifs  vor 
5000  Jahren  nicht  minder  unzugänglich  war,  als  sie  es  heutzutage  ist. 
Ogorodnikoff  berichtet  von  alten  und  reichen  Zinngruben  nicht  weit  von 
Meschehed  in  Khorassan,  allein  da  er  selbe  nicht  mit  eigenen  Augen 
gesehen  hat,  so  ist  dieses  Zeugnis  nur  mit  Vorsicht  aufzunehmen;  immer- 
hin ist  Zinn  in  Persien  und  am  kaspischen  Meere  von  je  her  ein  sehr 
verbreitetes  Metall  gewesen.  Die  Behauptung  von  Sayce,  dafs  xaaal- 
Tepog  einen  akkadischen  Wortursprung  aufweise,  hat  ihre  Widerlegung 
durch  Oppert  gefunden,  und  die  mesopotamischen  Funde  haben  auch 
wirklich  keinerlei  Zinnsachen  ergeben.  Am  wahrscheinlichsten  sei  es 
immer  noch,  an  den  fernen  asiatischen  Osten,  z.  B.  an  die  Halbinsel 
von  Malakka,  zu  denken,  vielleicht  könnte  auch  Khotan  in  Frage  kommen, 
von  wo  möglicherweise  der  Jadeit  von  Hissarlik  stamme.  Im  ganzen 
aber  gewährt  keine  dieser  Hypothesen  vollkommene  Befriedigung. 

15)  J.  Havet,    Bericht  über  die  Sitzung  der  »Acad.  d.  inscr.  et 
b.  lettres«  vom  3.  Dezember  1886.    Revue  critique,  Annee  XX.  S.  483. 

Der  berühmte  Chemiker  Berthelot  (s.  6)  teilt  die  Analysen  mit, 
welche  er  an  verschiedenen  Metallgegenständen  assyrischen  und  baby- 
lonischen Ursprungs  vornahm.  Es  fand  sich  manches  merkwürdige;  so 
kommen  z.  B.  Gefäfse  aus  reinem  Zinn  und  Antimon  (s.  9)  vor,  ohne 
jedweden  Zinn -Beisatz,  und  ein  Täfelchen  von  Khorsabad  erwies  sich 
als  ganz  aus  Magnesiumkarbonat  zusammengesetzt. 


Naturwissenschaft.  103 

16)  G.  M ehrten s,  Das  Eisen  im  orientalischen  Altertum.  Wochen- 
blatt für  Baukunde.  8.  Jahrgang.  S.  306—309.  S.  426  —  428.  S.  466 
-468.  S.  486-489. 

Dieser  Essay  ist  auf  grund  der  bekannten  Werke  von  Liger,  Le- 
normant,  Day,  Beck  und  Andree  gearbeitet  und  gewährt  somit  einen 
guten  Überblick  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Frage.  Das  erste 
Metall,  welches  dem  Menschen  wirklich  Nutzen  verschaffte,  war  zweifel- 
los das  Kupfer.  Zinn  zog  erst  später,  wesentlich  als  Zinn-Kupfer- Legie- 
rung, die  allgemeinere  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Dagegen  ist  minder 
klar,  welchen  Platz  das  Eisen  chronologisch  in  der  Reihenfolge  der  Me- 
talle einnahm;  allzutief  wird  er  wohl  nicht  gewesen  sein,  da  die  Abson- 
derung des  Eisens  aus  seinen  Erzen  zu  den  metallurgisch  leichteren 
Prozeduren  gehört.  Eisenerze  sind  ebenso  häufig  als  gediegenes  Eisen 
selten,  vielleicht  lernte  man  zuerst  das  Meteoreisen  kennen  und  be- 
handeln. Die  Ägypter  hätten  sich,  wird  einmal  behauptet,  den  Himmel 
als  eisernes  Gewölbe  vorgestellt,  von  dem  ab  und  zu  Stücke  zur  Erde 
fielen,  allein  es  liegt  hier  wahrscheinlich  eine  Verwechslung  mit  der 
später  für  die  Meteorite  aufgestellten  Theorie  des  Anaxagoras  vor,  und 
schwerlich  ist  meteorisches  Eisen  schon  in  alter  Zeit  als  das  anerkannt 
worden,  was  es  wirklich  ist.  Plausibler  lauten  die  Erzählungen  von 
Strabo  und  Lucrez,  denen  gemäfs  das  Eisen  entdeckt  wurde,  als  bei 
einem  Waldbrande  eine  zutage  liegende  Erzader  flüssig  wurde,  denn 
das  berühmte  Zinn  der  Insel  Bangka  hat  in  der  That  auf  diese  Weise 
erst  im  Jahre  1710  sein  Dasein  verraten.  Die  in  Ägypten  aufgefunde- 
nen Eisenstücke,  abgesehen  von  einem  Bruchstücke  eines  Hammers  in 
der  Cheops-Pyramide,  gehören  insgesamt  der  Zeit  des  »neuen  Reiches« 
an,  allein  der  salpeterhaltige  Boden  des  Nillandes  kann  leicht  eine  um- 
fassende Zerstörung  eiserner  Geräte  aus  älterer  Zeit  bewirkt  haben. 
Die  blaue  Farbe  der  auf  den  Grabdenkmälern  abgebildeten  Werkzeuge 
soll  nach  Ebers  und  Lepsius  ebenso  das  Eisen  charakterisieren,  wie  der 
Bronze  das  Rotgelb  entspricht.  Meifsel  und  Spitzhämmer,  wie  sie  zur 
Ausführung  so  gigantischer  Steiumetzarbeiten  erfordert  wurden,  konnten 
nicht  wohl  von  Bronze,  sondern  nur  von  Stahl  gemacht  sein.  Jeden- 
falls mufsten  die  Ägypter  ihr  Eisen  aus  dem  Auslande  beziehen,  und 
thatsächlich  unterscheidet  ihre  Sprache  auch  zwischen  aethiopischem 
(men)  und  semitischem  (tehaset). 

In  China  mufs  um  2000  v.  Chr.  der  Gebrauch  von  »weichem  Eisen« 
und  »hartem  Eisen«  (Stahl?)  gang  und  gäbe  gewesen  sein,  und  die  chi- 
nesische Eisenindustrie,  die  sich  schon  sehr  früh  auch  auf  Gufseisen  er- 
streckte, ist  uralt,  daneben  ward  aber,  wie  v.  Richthofen  bezeugt,  die 
Bronzefabrikation  schon  unter  den  ersten  Kaisern  der  Tschoü- Dynastie 
(1766  V.  Chr.)  schwunghaft  betrieben.  Serisches  Eisen,  sagt  Plinius,  be- 
hauptet den  Preis  unter  sämtlichen  Eisensorten.  —  Indien  ist  mit  das 
Mutterland   des  Kunstgewerbes  in  Kupfer,   und   nach  Lafsen  haben  von 


104  Naturwissenschaft. 

dort  die  westwärts  lebenden  Völker  zuerst  ihr  Zinn  bezogen  (s.  14),  wo- 
mit in  Widerspruch  steht,  dafs  Plinius.  (lib.  XXXIV,  cap,  48)  die  Inder 
phönizisches  Zinn  gegen  Perlen  und  Edelsteine  eintauschen  läfst.  Der 
Norweger  Worsaae  betrachtet  Hindostan  als  die  Heimat  der  Bronze, 
allein  es  läfst  sich  für  ganz  Vorderindien  keine  der  Eisenzeit  vorauf- 
gehende Bronzezeit  nachweisen.  Auch  Eisen  ist  dortselbst  mindestens 
gleichzeitig  mit  dem  Kupfer  als  Gebrauchsmetall  aufgetreten,  die  indische 
Eisenbereitung  stand  vormals  auf  einer  weit  höheren  Stufe  als  jetzt, 
und  indische  Stahlgegenstände,  die  wir  aus  einer  bis  1500  Jahre  vor 
der  christlichen  Aera  hinaufreichenden  Zeit  besitzen,  erfreuten  sich  mit 
Fug  des  besten  Rufes.  Metallurgische  Fertigkeiten  scheinen  aus  dem 
Hindulande  auf  die  hinterindischen  Inseln  übergegangen  zu  sein;  es 
werden  nämlich  im  Sunda- Archipel  die  meisten  Metalle  mit  Sanskrit- 
Namen  bezeichnet,  nur  Gold,  Eisen  und  Zinn,  als  die  einheimischen,  mit 
malayischen.  —  Das  alte  Zendvolk  mufs  seinen  Überlieferungen  zufolge 
Eisen,  Blei,  Silber  und  Gold  gewerbsmäfsig  verarbeitet  haben,  und  die 
Gräberfunde  Turans  beweisen,  dafs  man  auch  in  jenem  Lande  die  Kunst 
der  Darstellung  von  Eisen  verstand.  In  Babylon  wurde  nur  wenig  Eisen- 
geräte ausgegraben,  etwas  mehr  auf  dem  Boden  des  alten  Niniveh.  Hin- 
sichtlich des  Zinns  verhält  es  sich  mit  beiden  Fundstätten  umgekehrt. 
Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  die  Bronze  eine  chaldäische  Erfindung 
oder  ein  Importartikel  war;  Lenormant  entscheidet  sich,  im  Hinblick 
auf  Strabo,  für  die  letztere  Alternative  und  meint,  Bronze  sei  vom  Pa- 
ropamisus  her  eingeführt  worden.  Von  besonderm  Interesse  war  neuer- 
dings ein  Fund  von  Place,  der  in  den  Ruinen  von  Khorsabad  ein  mäch- 
tiges Magazin  von  Eisenstücken  in  Luppen-  und  Barrenform  entdeckte, 
wohl  das  Arsenal  eines  altassyrischen  Despoten. 

Die  aus  Ägypten  auswandernden  Juden  bemächtigten  sich  eines 
an  rohem  und  verarbeitetem  Metalle  bereits  reichen  Landes,  und  zur 
Zeit  der  Könige  scheinen  sie  geschickte  Eisenschmiede  gewesen  zu  sein. 
Ihre  Propheten  sprechen  mitunter  vom  »Eisen  des  Nordens«,  worunter 
man  ohne  Zwang  Stahl  verstehen  kann;  derselbe  stammte  aus  Thubal, 
dem  Lande  der  Chalyber  bei  Trapezunt,  deren  einfache  Stahlbereitung 
uns  das  Buch  »De  mirabilibus  auscultationibus«  -  das  der  Verfasser 
wohl  nicht  mit  Recht  als  echt-aristotelisch  betrachtet  —  beschreibt.  Neben 
dem  chalybischen  Stahle,  der  sich  besonders  gut  für  Zimmermannswerk- 
zeuge geeignet  haben  soll,  schätzte  man  für  Feilen,  Bohrer,  Grabstichel 
den  spartanischen,  für  Messer  und  Raspeln  den  lydischen.  Dies  giebt 
wenigstens  Daimachus,  ein  Zeitgenosse  des  grofsen  Alexander,  au. 
Gute  Schmieden  sollen  auch  im  arabischen  Laude  am  Sinai  gestanden 
haben,  und  dafs  man  von  Damaskus  aus  ehedem  vorzügliche  Waffen  in 
den  Verkehr  brachte,  ist  eine  allbekannte  Thatsache.  Die  Phoenizier  be- 
sorgten (Hesekiel  27,  12)  den  Handel  mit  Metall  und  Metallwaren  und 
verschifften  neben  dem  Silber  insbesondere  auch  Bronze.    Sie  müssen  im 


Naturwissenschaft.  105 

Bronzegufs  erfahren  gewesen  sein  (Salomons  Tempel) .  allein  die  Erfin- 
dung dieser  Legierung  datiert  nicht  von  ihnen,  sondern,  wie  schon  ge- 
sagt, aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  Innerasien. 

An  den  Handel  und  Verkehr  mit  Metallen  reiht  sich  von  selbst 
derjenige  mit  einem  im  Altertum  hochgeschätzten  Mineral,  dem  Bern- 
stein. In  der  italienischen  Sprache  ist  für  diesen  Stoff  ausschliefslich 
der  im  Deutschen  minder  eindeutige  Name  »Ambra«  gebräuchlich ;  darauf- 
hin wird  der  nun  folgende  Titel  verständlich  sein: 

17)  A.  Stoppani,  L'ambra  nella  storia  e  nella  geologia  con 
speciale  riguardo  agli  antichi  popoli  d'Italia  nei  loro  rapporti  colle 
origini  e  collo  svolgimento  della  civiltä  in  Europa.  Mailand  1886. 
ü.  Hoepli. 

Von  diesem  sehr  umfassend  angelegten  Werke  kommt  für  uns  hier 
nur  der  erste,  195  Seiten  in  sich  schliefsende  Teil  in  betracht,  welcher 
die  geschichtlichen  Nachweisungen  enthält.  Zunächst  werden  natürlich 
mineralogisch- chemische  Erläuterungen  gegeben  (Formel  C^qH^O).  Bei 
den  Griechen  (Homer,  Herodot,  Plato,  Aristoteles,  Theophrast,  Diodon 
Dioscorides)  heifst  der  Stoff  rj^exrpov,  aber  auch  die  Bezeichnungen 
Xiyyoüptov  und  olibanum  kommen  frühe  vor,  während  die  Römer  die  Aus- 
drücke succinum,  amber,  ambrum,  ambarum  hatten.  Die  Etymologie  des 
Wortes  »Bernstein«,  welche  der  Verfasser  namhaft  macht  (von  »brennen«)? 
dürfte  wenige  befriedigen.  Die  erste  antiquarische  Abhandlung  über 
Electrum  schrieb  der  berühmte  Gesner  (Göttingen  1735).  Der  Ver- 
fasser durchmustert  nun  selbst  die  alte  Litteratur,  wobei  er  die  Unter- 
suchungen von  Heibig  zur  Richtschnur  wählt.  Der  Bernstein  war  schon 
tausend  Jahre  vor  Christi  Geburt  eine  Handelsware;  Aristoteles  bespricht 
seine  elektrischen  Eigenschaften,  und  aus  zahlreichen  Andeutungen  bei 
Plinius  erhellt,  dafs  unter  den  ersten  Kaisern,  insonderheit  unter  Nero, 
die  Bernsteinindustrie  einen  lebhaften  Aufschwung  nahm.  Dann  ist  von 
den  Aestyern  die  Rede,  allerdings  ohne  die  neueren  Forschungen  über 
diesen  Stamm  zu  verwerten;  an  diese  Aestyer  soll  der  Gotenkönig 
Friedrich  —  offenbar  einer  der  überhaupt  nicht  seltenen  Druckfehler 
(statt  Theodorich)  —  zu  beginn  des  sechsten  Jahrhunderts  unserer  Zeit- 
rechnung in   Sachen   des   Bernsteinhandels   einen  Brief  gerichtet  haben. 

Steigen  wir  in  die  praehistorische  Zeit  hinauf,  so  müssen  wir  es  un- 
entschieden lassen,  ob  der  Bernstein  bereits  in  der  palaeolithischen  Periode 
bekannt  war.  Für  die  baltischen  Gegenden  ist  dies  sehr  wahrschein- 
lich, für  Italien  kaum.  Auf  dem  anthropologischen  Kongrefs,  der  1874 
in  Stockholm  tagte,  gab  Bellucci  bekannt,  dafs  er  in  Turin  Bernstein- 
sachen zusammen  mit  Objekten  aus  der  Bronzezeit  aufgefunden  habe, 
allein  Pigorini  trat  dem  entgegen  und  plaidierte  dafür,  dafs  der  Bern- 
stein erst  in  der  Eisenzeit  seinen  Weg  nach  der  appenninischen  Halb- 
insel gefunden  habe.     Heibig  erklärte  sich,  gestützt  auf  seine  bei  Pes- 


106  Naturwissenschaft. 

chiera  gemachten  Pfahlbaufunde ,  zu  gunsten  Belluccis,  und  damit  würde 
auch  der  Umstand  stimmen,  dafs  in  skandinavischen  Gräbern  die  Bern- 
steingeräte gerade  mit  der  beginnenden  Eisenzeit  aufhören.  Im  allge- 
meinen werden  Ambra  und  Bronze  als  synchron  anzusehen  sein. 

In  Italien  selbst  müssen  zwei  Stämme  von  Urbewohnern  unter- 
schieden werden,  deren  einer  wirklich  autochthou  war,  während  der  an- 
dere von  auswärts  kam  und  sich  wohl  schon  in  der  altern  Steinzeit  in 
der  Emilia  ansiedelte.  Diese  Eindringlinge  waren  halbe  Troglodyten 
(s.  13),  nach  Chierici  den  Negern  von  Assab  vergleichbar,  doch  gehörten 
sie  zu  den  Ariern,  beziehungsweise  zu  den  Ario-Pelasgern.  Nachdem 
diese  »Ligurer«  sich  mit  den  Ureinwohnern  zu  Einem  Volke  verschmol- 
zen hatten,  nahm  die  jüngere  Steinzeit  ihren  Anfang,  in  welche  auch 
die  schweizerischen  Pfahlansiedlungen  zu  verweisen  sind.  Das  ganze 
Land  am  Südflusse  der  Alpen,  von  Piemont  bis  Friaul,  scheint  ziemlich 
unter  den  gleichen  Existenzbedingungen  gelebt  zu  haben;  Gegenstände 
aus  Bronze  kommen  gelegentlich,  aber  nur  spärlich  vor.  Die  Stein-  und 
Bronzeperiode,  durch  nahezu  gleichmäfsiges  Vorkommen  beider  Minera- 
lien gekennzeichnet,  ist  auf  das  Eingreifen  eines  neu  auf  der  Bildfläche 
erscheinenden  Volkes  zurückzuführen,  das  den  Steingebrauch  noch  nicht 
verlernt,  aber  auch  schon  anderweite  Kenntnis  in  sich  aufgenommen 
hatte  und  mutmafslich  von  der  Donau  her  übers  Gebirge  nach  dem  Po- 
lande  vordrang.  Stoppani  erblickt  in  diesem  Vordringen  den  Anfang 
eines  »Pelasgerreiches« ;  die  als  »Terramare«  bekannten  Tumuli  der 
Umgebung  von  Mantua  signalisieren  ihm  diese  Epoche.  Bernstein  findet 
sich  in  diesen  Denkmälern  nur  in  minimalen  Mengen  vor,  da  aber  von 
einem  regulären  Bernsteinhandel  jetzt  noch  keine  Spur  verbanden  ist, 
so  mufs  wohl  an  einen  vorübergehenden  Tauschverkehr  mit  einer  phoe- 
nizischen  oder  griechischen  Kolonie  gedacht  werden. 

Der  Bernsteinhandel  als  solcher  ist  ein  Charakteristicum  der  etrus- 
kischen  Epoche.  Wer  diese  Etrusker  waren,  hat  die  Forschung  noch 
nicht  endgültig  zu  ermitteln  vermocht;  Chierici,  Pigorini,  Strobel,  Hel- 
wig,  Unsteed  nehmen  die  Existenz  eines  Einwanderervolkes  an,  welches 
auf  italienischem  Boden  seinen  Wohnsitz  erst  zu  einer  Zeit  aufschlug, 
die  jünger  ist  als  die  prähistorischen  Denkmäler  der  Emilia.  Die  Unter- 
suchung der  Nekropole  der  Tarquinier  hat  dargethau,  dafs  es  sich  hier 
nicht  um  grundsätzlich  verschiedene  Kulturen,  sondern  einzig  und  allein 
um  verschiedene  Eutwicklungsstadien  der  nämlichen  alten  Kultur  zu 
thun  hat.  Vom  Trentino  und  von  den  euganeischen  Bergen  bis  in  die 
Abruzzen  hinein  haben  wir  Monumente  der  gleichen  Art  vor  uns,  und 
zwar  scheint  die  tuskische  Einwanderung  seit  dem  XI.  Säkulum  vor  Chr. 
im  gange  gewesen  zu  sein.  Die  Denkmäler  palaeoetruskischer  und  rein 
etruskischer  Provenienz  kündigen  ein  zweites  Bronzezeitalter  an,  welches 
selbst  wieder  in  zwei  Perioden  zerfällt,  und  auf  deren  letztere  folgt  die 


Naturwissenschaft.  107 

Eisenzeit.  In  ganz  Europa  soll  sich  diese  Periodeneinteilung  durchführen 
lassen  (?). 

Die  Kunst,  Bronze  zu  verarbeiten,  geht  seit  dem  Ende  der  neoli- 
thischen  Zeit  bis  zum  Auftreten  der  Römer  stets  Hand  in  Hand  mit  der 
Bernsteintechnik;  beide  Industrien  können  also  dazu  dienen,  die  allmäh- 
liche Ausbreitung  der  italischen  Völker  zu  kontrollieren.  Mit  dem  Ein- 
dringen der  Graecopelasger  begann  nahe  gleichzeitig  auch  die  Besied- 
lung des  westlichen  Mittelmeeres  durch  die  Phoenizier,  welche  im  »Ca- 
lifornien  der  Semiten«,  den  Scilly-Inseln  (?),  die  Zinnausbeute  betrieben. 
Jetzt  erst  gelangte  auch  in  Italien  die  Kunst  der  Metallausnützung  zu 
höherer  Blüte.  Stoppani  betrachtet  den  Zinnhandel  mit  England  als 
blofse  Hypothese,  da  ja  auch  Italien  mit  Zinngruben  gesegnet  und  so- 
mit in  den  stand  gesetzt  war,  der  phoenizischen  Beihilfe  zu  entraten. 
Die  Etrusker  waren  bergbaukundig,  Praktiker  wissen  die  von  ihnen  an- 
gelegten Minengänge  sehr  wohl  von  den  römischen  zu  unterscheiden, 
und  so  war  der  Tauschverkehr  mit  den  Phoeniziern  wenigstens  kein  ab- 
solut gebotener  für  sie,  weder  in  Zinn  noch  in  Ambra.  Allerdings  hat 
das  grofse  Handelsvolk  des  Altertum  auch  von  letzterem  Stoffe  Gewinn 
zu  ziehen  verstanden,  allein  es  hat  Import  und  Fabrikation  desselben 
nicht  in  solchem  Umfange  getrieben,  wie  das  tuskische.  Im  Verhältnis 
zu  der  "Widerstandsfähigkeit  des  Materiales  gegen  mechanische  Eingriffe 
ist  die  Menge  des  im  Etruskerlande  aufgefundenen  Bernsteines  eine 
ganz  ungeheure,  zumal  in  der  Totenstadt  von  Villanova.  Die  Arbeiten 
von  Pigorini  (Sepolcretto  gallico  scoperto  nelle  vizinanze  di  Parma, 
Bologna  1867)  und  Crespellani  (L'ambra  dei  sepolcretti  e  della  terra- 
mare  Modenesi,  Modena  1874)  haben  hierfür  sehr  wertvolle  Abschlüsse 
geliefert. 

Die  Thätigkeit  der  Phönizier  wartet  noch  vollkommener  Klar- 
stellung; es  ist  nicht  gewifs,  dafs  sie  direkt  aus  den  Nordmeeren  den 
Bernstein  holten  und  selbst  den  Etruskern  verkauften,  vielmehr  ist  die 
Mittlerschaft  anderer  Völker  gar  nicht  unwahrscheinlich,  Stoppani  meint 
sogar,  dafs  eben  die  Etrusker  selbst  vielfach  die  Vermittler  gespielt 
und  in  ihren  Häfen  den  Bernsteinhandel  lokalisiert  gehabt  hätten.  Die 
Italiker  verschafften  sich  den  Artikel  durch  den  Tausch  aus  den  nordi- 
schen Ländern,  welchen  sie  ihre  Fabrikate  zuführten.  Ganz  entblöfst 
von  Bernstein  war  auch  ihr  eigenes  Land  nicht,  denn  heute  noch  findet 
man  solchen  im  Appennin,  doch  kann  die  baltische  Provenienz  der  meisten 
Fundstücke  keinem  Zweifel  unterliegen.  Die  Ostsee  war  die  Spenderin 
des  Electrums,  noch  im  vorigen  Jahrhundert  scheint  daselbst  die  Bern- 
steinfischerei in  ebenderselben  primitiven  Weise  wie  in  altersgrauer  Vor- 
zeit betrieben  worden  zu  sein.  Die  autochthon- italienischen  Ambra- 
stücke haben  nach  Helms  Analysen  nur  wenig  Bernsteinsäure,  die  preufsi- 
schen  aber  um  so  mehr.  Aus  Etrurien  zogen  sich  verschlungene  Handels- 
strafseu    nach    dem  Norden,   um   deren  Aufklärung    sich   Sadowski    ein 


108i  Naturwissenschaft. 

grofses  Verdienst  erworben  hat,  und  nicht  weniger  als  neun  betretene 
Wege  —  nach  Nissen  dürfte,  wie  wir  beifügen,  deren  Zahl  sogar  eine 
noch  gröfsere  gewesen  sein    -   führten  über  die  Alpenkette  hinüber. 

Wir  haben  eine  genaue  Inhaltsanalyse  des  Stoppanischen  Buches 
für  wünschenswert  gehalten,  weil  es  uns  mit  der  Forschungsarbeit  und 
den  Resultaten  unserer  südlichen  Nachbarn  trefflich  bekannt  zu  machen 
geeignet  ist.  Ein  deutscher  Fachmann  wird  allerdings  bedauern,  dafs 
auf  die  zahlreichen  verwandten  Untersuchungen  in  der  Litteratur  ande- 
rer Völker  nicht  mehr  bedacht  genommen  ist. 

Programmgemäfs  wenden  wir  uns  jetzt  der  Gewinnung  und  Bear- 
beitung der  Metalle  bei  den  Alten  zu,  wovon  drei  Schriften  handeln. 

18)  Hirst,  On  the  Mining  Operations  of  the  Ancient  Romains, 
London  1885.  (Separat  aus  Vol.  XLII  des  »Journal  of  the  Royal 
Archeological  Institute  of  Great  Brittain  and  Ireland«.) 

Unserer  eigener  Bericht  mufs  sich  diesmal  auf  ein  anderes,  offen- 
bar aber  recht  gründliches  Referat  stützen,  welches  Liebl  veröffentlicht 
hat  (Blätter  für  das  bayer.  Gymnasialschulwesen,  22.  Band.  S.  465 ff.). 
Bergwerkbetrieb  fand  im  römischen  Altertum  hauptsächlich  statt  in  Ma- 
zedonien, Dalmatien,  Paunonien,  Dazien,  Südgallien,  Britannien,  auf  der 
iberischen  Halbinsel  und  auf  Zypern.  In  Staatsregierungen  unter  der 
Leitung  sogenannter  Publicani,  standen  nur  die  wenigsten  Minen,  die 
meisten  waren  an  Privatunternehmer  verpachtet  und  brachten  diesen 
um  so  reichern  Gewinn  ein,  je  schonungsloser  sie  ihre  Arbeiter  aus- 
nützten. Daher  das  harte  Los  der  »ad  metalla  damnati«.  Die  Felsen 
wurden  beim  Mangel  energischerer  Hilfsmittel  mit  Eisenkeilen  gesprengt, 
Pumpräder  schafften  das  eingedrungene  Wasser  aus  den  Schachten  in 
die  Höhe,  der  konische  Schmelzofen,  teilweise  schon  mit  Kohlen  geheizt, 
befand  sich  in  unmittelbarer  Nähe  der  Stollenöffnung.  Das  Wort  »ostilis« 
übersetzt  Liebl  mit  »Werkholz« ;  dergleichen  Hölzer  durften  nicht  zur 
Speisung  der  Öfen  verwendet  werden. 

19)  H.  Haussen,  De  metallis  atticis  commentatio  prior.  Hamburg 
1885.     Inaugural-Dissertatiou. 

Der  Inhalt  dieser  Schrift  bietet  im  allgemeinen  dem  Archäologen 
und  dem  Historiker  des  Bergrechtes  das  gröfsere  Interesse.  Über  die 
athenischen  Bergwerke  ist  nach  und  nach  eine  stattliche  Litteratur  an- 
gewachsen; der  Verfasser  hat  sich  mit  derselben  vertraut  gemacht,  kann 
sich  aber  auch  auf  autoptische  Wahrnehmungen  an  Ort  und  Stelle 
stützen.  Man  kennt  zur  Zeit  fünf  den  Bergbau  betreffende  Inschriften, 
welche  zum  teile  in  Köhlers  bekanntes  Werk  aufgenommen  sind;  eine 
befindet  sich  noch  im  Besitze  der  Verwaltung  der  Akropolis,  eine  im 
britischen  Museum  zu  London.  Diese  Inschriften  haben  es  ausschliefslich 
mit  administrativen  Bestimmungen  zu  thun,  namentlich  mit  der  Aus- 
fertigung der  Zessionsurkunden.     Dem  Käufer  einer  Grube  lag  nämlich 


Naturwissenschaft.  ]  09 

die  Pflicht  ob,  vor  Geriebt   deren  Örtlichkeit    und  Eigenschaften    auf- 
schreiben zu  lassen  {dTioypd(paaQ^o.i  jiizaUov). 

20)   Paehler,    Die  Löschung  des  Stahles  bei  den  Alten.     (Eine 
Erörterung  zu  Sophocles'  Ajax  650  fif.).    Wiesbaden  1885.    Programm. 

In  Vers  651  des  genannten  Trauerspieles  heifst  es:  ßa^^  atdrjpog 
cuQ  £&rj)^üvdrjv  ar6jj.</.,  und  auch  in  der  Odyssee  (IX,  393)  kommt  das 
Ablöschen  des  vorher  durch  Feuer  erweichten  Stahles  im  Wasser  vor. 
Die  Scholiasten  behaupten,  dafs  das  Eisen  durch  Eintauchen  in  Öl  weich 
werde,  allein  die  Technik  weifs  vom  Gegenteil  zu  berichten:  in  Öl  härtet 
sich  Metall  ebenso  wie  in  Wasser,  wenn  schon  nicht  in  gleichem  Mafse. 
Ob  von  Eisen  oder  Stahl  überhaupt  die  Rede,  ist  schwer  zu  unter- 
scheiden, da  die  rohen  Reduktionsprozesse  der  Alten  es  wohl  vorkommen 
liefsen,  dafs  kohlenstoffarmes  und  kohlenstoffreiches  Metall  (Eisen  und 
Stahl)  in  demselben  Klumpen  zusammen  sich  vorfanden. 

Der  Verfasser  stellt  mit  Rücksicht  auf  technisch  gebildete  Gewährs- 
männer, welche  er  befragt  hat,  fest,  dafs  kaltes  oder  lauwarmes  Öl  nicht 
zur  Erweichung,  sondern  gerade  umgekehrt  zur  Härtung  feiner  Werk- 
zeuge dient.  Öl  hat  eine  geringere  Wärmekapazität  als  Wasser  und 
ist  noch  dazu  ein  recht  schlechter  Wärmeleiter,  so  dafs  die  Abkühlung 
verhältnismäfsig  langsam  erfolgt,  die  Gefahr  des  sich -Werfens  und  Sprin- 
gens  mithin  geringer  wird.  Schölls  Meinung,  Sophokles  habe  auf  die 
Elastizität  des  Stahles  anspielen  wollen,  findet  ihre  Widerlegung  in  der 
Thatsache ,  dafs  diese  Eigenschaft  erst  später  durch  Philo  von  Byzanz 
entdeckt  worden  ist.  Auch  Schneidewin-Naucks  Vorschlag,  »geschmeidig« 
statt  »elastisch«  zu  setzen,  wird  verworfen.  Von  irgendwelcher  Mitwirkung 
des  Öles  könne  überhaupt  nicht  die  Sprache  sein,  nur  von  dem  dem 
Altertume  bekannten  Prozesse  des  Erweichens  im  Feuer.  Wenn  Stahl 
im  Zustande  heftiger  Erhitzung  plötzlich  in  Wasser  gesenkt  wird,  so 
wird  er  sehr  hart  und  gleichzeitig  sehr  spröde;  um  diese  Sprödigkeit 
zu  mildern,  erwärmt  man  das  Metall  wieder  und  kühlt  es  dann  mäfsig  ab, 
wobei  die  verschiedenen  Oberflächenfarben  des  »Anlassens«  entstehen. 
Die  Stelle  der  Antigone,  V.  473,  erklärt  Paehler  demnach  so :  Des  Mäd- 
chens harter  Sinn  wird  ebenso  wie  der  härteste  Stahl  gebrochen  werden, 
wenn  er,  überhitzt  aus  dem  Feuer  kommend,  unter  den  Schmiedhammer 
geschoben  wird.  Schiefslich  bringt  der  Verfasser  die  wenigstens  unter 
dem  technologischen  Gesichtspunkte  sehr  glückliche  Konjektur  in  ver- 
schlag, statt  ßa<p^  lieber  ßaövjj^  »durch  den  Glühofen«,  zu  lesen.  Dieses 
Wort  ist  uns  von  Hesychius  überliefert  worden. 

Ein  Anhang  handelt  von  dem  lykurgischen  Eintauchen  des  eiser- 
nen Geldes  in  Essig.  Stahl,  in  Essig  gelöscht,  wird  genau  ebenso  glas- 
hart, wie  wenn  er  in  Wasser  abgelöscht  worden  wäre,  allein  die  Alten 
glaubten  dies  nicht  und  schrieben  dem  Essig  eine  auflösende  Kraft  zu, 
welche  zu  haben  er  weit  entfernt  ist.    Auch  auf  den  Stahl  der  Chalyber 


HO  Naturwissenschaft. 

(s.  16)  kommt  der  Verfasser  anhangsweise  zu  sprechen  und  stellt  die 
Vermutung  auf,  jene  Völkerschaft  habe  nicht  wirklichen  Stahl  fabriziert, 
sondern  nur  Eisen  aus  FlufsgeröU  ausgeschmolzen  und  auf  diese  Art 
Roh-Luppen  hergestellt,  die  dann  anderwärts  erst  wieder  zu  —  aller- 
dings sehr  gutem  —  Stahle  umgeformt  worden  wären. 

Mit  dem  mineralogischen  Teile  unserer  Aufgabe  zu  Ende  gekommen, 
wenden  wir  uns  jetzt  deren  phytologischem  Teile  zu. 

21)  F.  Woenig,  Die  Pflanzen  im  alten  Ägypten,  ihre  Heimat, 
Geschichte,  Kultur  und  ihre  mannigfache  Verwendung  in  Kultus,  Sit- 
ten, Gebräuchen,  Medizin,  Kunst.     Leipzig  1886. 

Der  etwas  sehr  detaillierten  Einteilung  des  Werkes  in  gröfsere 
und  untergeordnete  Abschnitte  substituieren  wir  hier  eine  mehr  zusammen- 
fassende, welche  den  Vorteil  hat,  die  wichtigen  Partien  einheitlicher 
hervortreten  zu  lassen. 

I.  Der  Lotus.  Hiervon  lassen  sich  nach  schriftlichen  und  bild- 
lichen Überlieferungen  dreierlei  Arten  in  den  Gewässern  des  Nillandes 
unterscheiden  (die  spezifisch  ägyptische,  die  indische  und  die  blaue 
Nymphaea).  Merkwürdig  ist,  dafs  die  Lotuspflanze  erst  auf  relativ 
jungen  Monumenten  uns  begegnet,  so  dafs  sie  also  schwerlich,  wie 
Ernst  Meyer  und  De  CandoUe  annehmen,  so  alt  wie  die  ägyptische 
Kultur  selbst  ist.  Erst  seit  Herodots  Zeit  erscheint  ihr  Auftreten 
sichergestellt,  von  da  an  aber  mufs  ihre  Verwendung  zu  allen  möglichen 
—  auch  gottesdienstlichen  —  Zwecken  ungemein  rasch  platz  gegriffen 
haben,  und  besonders  in  den  Nekropolen  spielt  sie  eine  bedeutende  Rolle. 

n.  Die  Papyrusstaude.  Diese  Staude  reicht  chronologisch  weit 
höher  hinauf  und  mufs  dereinst  am  unteren  Nil  ebenso  in  förmlichen 
Schilfwäldern  vorgekommen  sein,  wie  sie  solche  Wälder  noch  jetzt 
in  Nubieu  und  im  Senaar  bildet.  Herodot  und  Theophrast  erzählen 
uns,  wie  äufserst  mannigfaltig  die  Ausnützung  des  Papyrus  sich  gestal- 
tete; man  afs  sie  geröstet,  kaute  ihren  Saft,  verfertigte  daraus  alle  nur 
möglichen  Gebrauchsgegenstände  (sogar  Boote).  Über  die  Vorgänge  bei 
der  Ernte  sind  wir  durch  ein  Grabdenkmal  aus  der  Zeit  der  V.  Dynastie 
(3566—  3333  v.  Chr.)  sehr  gut  informiert;  solche  umfängliche  Ernten 
hatten  zunächst  ihre  Bedeutung  für  die  Papierfabrikation.  Wie  man 
bei  letzterer  zuwerke  ging,  ist  leider  minder  gut  bekannt,  denn  die  be- 
züglichen Nachrichten  des  Plinius  sind  doch  gar  zu  neuen  Datums,  doch 
haben  die  Untersuchungen  von  Landolina  und  Seyffarth  einiges  Licht 
über  die  Sache  verbreitet.  Es  folgen  dann  noch  ausführliche  Angaben 
über  Schriften-  und  Bibliothekwesen,  welche  jedoch  nichts  sachlich  neues 
zu  bieten  beabsichtigen.  Zum  Schlüsse  wird  noch  von  dem  Verbreitungs- 
bezirke der  Papyruspflanze  gehandelt  und  dargethan,  dafs  dieselbe  noch 
bis  ins  XVUL  Jahrhundert  herein  in  Italien  —  zumal  in  Sizilien  und 
Calabrien  —  wild  gewachsen  ist. 


Naturwissenschaft.  Hl 

III.  Andere  Sumpfpflanzen.  Verschiedenen  griechischen  Zeugnissen 
zufolge  waren  überhaupt  die  Wurzeln  und  Knollen  der  Rohrgewächse 
eine  beliebte  Speise  der  alten  Ägypter.  Hierher  gehören  die  Erdmaudel 
(Cyperus  esculentus  L.),  das  spanische  Rohr  (Arundo  Donax  L),  gewisse 
in  der  Pharmazie  verwendete  Grasarten,  die  Wasserschere  (Strasistes 
aloides  L.),  vielleicht  auch  die  Binse,  schwerlich  aber  die  jetzt  so  häufig 
dortselbst  anzutreffende  echte  Aloe. 

IV.  Ackerbau.  Schon  in  den  ältesten  Sagen  treten  uns  Gottheiten 
als  Begründer  des  Zerealienbaus  entgegen.  Bedingt  war  der  ägyptische 
Feldbau  allerdings  durch  die  grofse,  periodische  Überschwemmung,  allein 
deren  Wirkung  war  durchaus  keine  so  unmittelbaüe,  wie  Herodot  glau- 
ben machen  will,  vielmehr  bedurfte  es  mancher  hydrotechnischer  Künste, 
um  auch  die  dem  Gebirge  zu  beiden  Seiten  näher  liegenden  Landes- 
teile an  jener  Wohlthat  teilnehmen  zu  lassen.  Pflug  und  Hacke  waren 
die  gewöhnlichen  Ackerwerkzeuge,  als  Zugtiere  dienten  nicht  Kamele, 
sondern  Rinder,  seltene  Pferde,  welche  einer  Rasse  mit  unschönen, 
dicken  Köpfen  angehörten.  Die  Art  der  Behandlung  des  geschnittenen 
Getreides  wird  durch  die  monumentalen  Abbildungen  gut  ersichtlich. 

V.  Brotpflanzen.  Die  älteste  Kulturpflanze  war  in  allen  Ländern, 
das  Reis-essende  China  ausgenommen,  der  Weizen;  nach  Unger  wurden 
drei  Arten  desselben  im  Nilthale  angebaut,  wozu  eine  an  sich  unklare 
Notiz  des  Plinius  stimmen  würde.  Spelt  galt  für  ein  geringwertiges 
Nahrungsmittel,  Gerste  ist  anscheinend  aus  dem  westlichen  Asien  ein- 
geführt worden  und  lieferte  ein  sehr  beliebtes  Bier,  vor  welchem  schon 
in  sehr  alter  Zeit  der  »Schreiber«  Ani  die  Studenten  warnen  zu  müssen 
vermeint.  Unsicherer  ist,  ob  Hirse  (Durra),  die  heutige  Hauptnahrung 
des  Fellah,  schon  zur  Pharaonenzeit  augebaut  ward,  keinesfalls  war  sie 
dem  alten  Ägypter  dasselbe,  was  sie  dem  Ägypter  von  heute  ist. 

VI.  Brotbäckerei.  Das  Wesen  dieser  Technik  bringen  Denkmäler 
(insbesondere  aus  der  Zeit  der  XX.  Dynastie,  um  1200  v.  Chr.)  zu 
unserer  Kenntnis.  Es  wurde  auch  viel  süfses  Gebäck  als  Leckerei 
bereitet. 

VII.  Leinkultur.  Nach  De  CandoUe  ist  der  Lein  ein  Asiate ,  die 
IV.  Dynastie  scheint  mit  seiner  Kultur  noch  nicht  vertraut  gewesen  zu 
sein,  aber  schon  die  XII.  bietet  ein  Bildwerk  mit  Flachsernte,  Weberei 
und  Spinnerei.  Gewebte  Byssusgewänder  bildeten  späterhin  einen  wich- 
tigen Exportartikel,  und  die  täglichen  Bedürfnisse  für  die  Kleidung  der 
Lebenden  sowohl  wie  der  Toten  haben  es  zuwege  gebracht,  dafs  ein 
sehr  grofser  Teil  der  ägyptischen  Gefilde  mit  Flachs  bestanden  war. 
Hanf  dagegen  war  den  Ägyptern  wie  den  älteren  Semiten  unbekannt. 

VIII.  Gemüsepflanzen.  Knoblauch  und  Zwiebeln  waren  beliebt,  ja 
man  widmete  ihnen  religiöse  Verehrung.  Der  erstere  sollte  nach  der 
umlaufenden  Ansicht  Mut  und  Stärke  verleihen,  und  es  sind  deshalb, 
wenn  Herodot  wahr  berichtet,  die  bei  der  grofsen  Pyramide  beschäftig- 


112  Naturwisseuschaft. 

ten  Bauleute  förmlich  mit  Knoblauch  gefüttert  wordeu.  Gerne  genossen 
ward  auch  die  Melone,  welche  ohnehin  afrikanischer  Abstammung  sein 
dürfte.  De  Candolles  Behauptung,  der  gemeine  Flaschenkürbis  sei  un- 
bekannt gewesen,  glaubt  Woeuig  durch  den  Hinweis  auf  eine  Skulptur 
widerlegen  zu  können.  Jedenfalls  war  die  Spargelkultur  eine  uralte. 
Die  Bohne  war  gering  geachtet,  doch  hat  sich  Samen  davon  in  thebai- 
schen  Gräbern  gefunden,  Linsen  dagegen  afs  man  gerne  und  hob  sie 
gerne  für  die  Zeit  der  Hungersnot  als  Reserve  auf.  Nicht  minder 
kannte  man  die  Rettige,  und  auch  sonst  war  kein  Mangel  an  efsbaren 
Pflanzen,  die  teilweise  aus  Ägypten  ihren  Weg  zu  den  Römern  fanden. 

IX.  Gewürzpflaiizen.  Der  Kümmel  der  Thebais,  ägyptischer  Anis 
und  Koriander  galten  bei  allen  Völkern  der  Antike  als  besonders  preis- 
würdig, Plinius  gedenkt  auch  des  berauschenden  Opiums.  Sesam,  Senf  und 
Majoran  sind  nicht  direkt  als  vorkommend  nachzuweisen,  dürften  aber 
trotzdem  den  Ägyptern  kaum  abzusprechen  sein. 

X.  Gartenbau.  Gemälde,  die  Rosellini  reproduziert  hat,  und  die 
aus  der  Zeit  der  XVHI.  Dynastie  (um  1600  v.  Chr.)  stammen,  orientie- 
ren uns  über  die  sehr  ausgebildete  Gärtnerkunst  der  Ägypter.  Malve, 
Jasmin,  Rittersporn,  Kornblume,  Pfefferminze,  Schotenweiderich,  Bitter- 
kraut kommen  in  Thebens  Grabstätten  nicht  selten  vor.  Das  Kranzwinden 
stellte  einen  regelrechten  und  geachteten  Kunstzweig  dar.  Nur  die 
Rose,  jetzt  üppig  an  den  Ufern  des  Niles  wuchernd,  hat  dem  Altertum 
gefehlt  (Uarda?). 

XI.  Weinbau.  Herodot  war  falsch  berichtet,  als  er  den  Ägyptern 
Kenntnis  und  Genufs  des  Weines  absprach.  Im  Gegenteile  ist  das  Nil- 
thal ein  wirkliches  Weinland  gewesen,  und  noch  mehr  gediehen  auf  dem 
Marschboden  des  Deltas  vortreffliche  Sorten,  von  welchen  nachmals 
Griechen  und  Römer  schwärmten.  Viele  Abbildungen  gestatten  uns  einen 
Einblick  in  den  Hergang  bei  einer  Lese;  für  das  Keltern  gab  es  das 
allen  Völkern  geläufige  primitive  Verfahren,  aber  auch  (in  Unterägypten) 
ein  verfeinertes.  Athenaeus  rühmt,  dafs  Trunkenheit  in  Ägypten  eine 
Seltenheit  sei,  allein  gewisse  Szenen  auf  Bildwerken  stehen  mit  diesem 
Lobe  leider  in  Widerspruch. 

XII.  Bäume  und  Sträucher  im  allgemeinen.  Bäume,  Ziersträucher 
und  Nutzholz  führte  man  vielfach  aus  dem  Auslande  ein.  Sehr  beliebt 
waren  Sykomore  und  Feige,  deren  Eigenart  auf  den  ägyptischen  Reliefs 
klarer  zum  Ausdruck  gelangt,  als  die  irgend  einer  anderen  Pflanze.  Als 
Schattenspender  war  die  Akazie  geschätzt.  Die  Dattelpalme  ward  wohl 
erst  seit  dem  Jahre  2500  v.  Chr.  in  Ägypten  kultiviert;  leider  hat  der  Ver- 
fasser die  vorzügliche  Monographie  über  diese  Pläne  von  Th.  Fischer  unbe- 
nutzt gelassen.  Granatäpfel  dagegen  sind  uralt-ägyptisch,  und  ein  gleiches 
gilt  für  das  sakral  gerne  gebrauchte  Olivenöl.  Die  Wüstenflora  war  sonst 
wie  jetzt,  durch  die  Tamariskensträucher  repräsentiert;  von  Taraarix 
gallica   bezogen  die    wandernden   Israeliten   ihr  »Manna«.     Baumwolle 


Naturwissenschaft.  ]  ]  3 

holte  man  vermutlich  aus  dem  Quellgebiete  des  blauen  Nil.  Gefärbt 
wurde  mit  Saflor  und  nicht  mit  dem  erst  im  Verlaufe  der  alexandrini- 
schen  Periode  bekannt  werdenden  Indigo.  Von  Balsamgewächsen  hat 
Dümichen  besonders  Myrrhe  und  Weihrauch  textuell  nachzuweisen  ver- 
mocht, doch  wurde  letzterer,  so  setzen  wir  hinzu,  in  der  ältesten  Zeit 
nicht  im  Inlande  gewonnen,  sondern  von  den  tributpflichtigen  Puna  zu 
Schiffe  eingefordert.  Die  Aufsicht  des  Tempellaboratoriums  von  Edfu  er- 
stattet Bericht  von  wohlriechenden  Harzen. 

XIII.  Heilkunde,  medizinische  Droguen  und  Behandlung  der  Mu- 
mien. Dieser  Abschnitt  bleibe  dem  Spezialberichterstatter  über  ältere 
Medizin  vorbehalten. 

XIV.  Pflanzenformen  im  Dienste  der  altägyptischen  Kunst.  Hier- 
her gehören  Holzsäulen  mit  Lotusblumen  —  Ornamentik,  Säulenkapitäle, 
zu  deren  Dekoration  Lotus,  Papyrus  und  Palmblätter  dienen  mufsten 
(Philae,  Luxor).  Auch  das  Kunstgewerbe,  vertreten  durch  Stockgriffe 
und  Parfümeriebüchschen,  suchte  die  heimatlichen  Pflanzengestalten 
nachzubilden.  — 

Das  Werk  von  Woenig  bietet  ein  reiches  Material  in  guter  Ord- 
nung dar.  Ein  Fachmann  der  Ägyptologie  hat  es  allerdings  nicht  ver- 
fafst,  und  so  darf  es  nicht  befremden,  dafs  nach  dieser  Seite  hin  ein- 
zelne Verstöfse  mit  unterlaufen  (vgl.  Erman  in  der  »ßerl.  Phil.  Wochen- 
schrift«, 6.  Jahrgang).  Der  Koruschnitt  wurde  z.  ß.  einmal  mit  dem 
Fällen  von  Bäumen  verwechselt.  Störend  ist  auch  die  häufig  mangel- 
hafte Rechtschreibung  der  griechischen  Wörter  —  Seite  237  ist  Ein 
Wort  durch  zwei  Fehler  entstellt  —  und  der  Gebrauch,  ein  und  die- 
selbe Zeichnung  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  immer  wieder  vorzu- 
führen. Dagegen  hat  die  Botanik  alle  Ursache,  für  diese  Gabe  dankbar 
zu  sein,  und  dafs  das  Buch  auch  sprachwissenschaftlich  seine  Verdienste 
habe,  hob  Abel  in  seiner  Rezension  desselben  (Nation,  dritter  Jahrgang) 
ausdrücklich  hervor. 

Inhaltliche  Ähnlichkeit  mit  dem  soeben  besprochenen  bietet  das 
nun  folgende,  das  Altertum  aber  nur  mehr  bei  Gelegenheit  streifende 
und  deshalb  auch  von  uns  kürzer  zu  behandelnde  Werk: 

22)  De  Candolle,  Der  Ursprung  der  Kulturpflanzen,  deutsch  von 
E.  Goeze.  Leipzig  1884.  F.  A.  Brockhaus. 

Es  ist  dies  der  64.  Band  der  von  Tyndall  und  J.  Rosenthal  ins 
Leben  gerufenen  »Internationalen  wissenschaftlichen  Bibliothek«.  Der 
berühmte  französische  Pflanzenforscher  nimmt  seiner  eigenen  Erklärung 
zufolge  seine  eigene  Wissenschaft,  ferner  die  Palaeontologie,  die  archäo- 
logisch-historische Forschung,  die  Geschichte  und  die  vergleichende 
Sprachkunde  zuhilfe,  um  über  den  Ort,  von  welchem  ein  Gewächs  her- 
stammt, Klarheit  zu  erhalten.  Über  die  philologischen  Kriterien  denkt 
jedoch  der  Verfasser  wohl  etwas  zu  leicht,   wie  seine  zu  weit  gehende 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LU.  (l887.  ÜI.)  8 


]  1 4  Naturwissenschaft 

Polemik  gegen  V.  Hehn  beweist.  Das  Verfahren  des  Werkes  bleibt  sich 
durchgehends  gleich:  jede  Spezies  wird  mit  grofser  Gelehrsamkeit  auf 
ihren  Ursprung  geprüft.  Wir  können  hier  selbstverständlich  nicht  auf 
Einzelheiten  uns  einlassen  und  bemerken  nur  in  Kürze,  dafs  eine  Ge- 
schichte der  antiken  Botanik  bei  De  Candolle  eine  Fülle  von  Belegstellen 
für  das  Auftreten  dieser  oder  jener  Pflanze  vorfinden  würde;  erinnert 
sei  z.  B.  an  die  Einführung  des  »Judeudorns«  aus  Syrien  unter  Kaiser 
Augustus  (Pliüius,  lib.  XV.  cap.  14).  Die  Übersetzung  liest  sich  gut. 
Mit  dem  Ölbaum  haben  sich  einige  Schriftsteller  näher  beschäftigt : 

23)  A.  Beding  er,  Der  Ölbaum.  Sammlung  von  Vorträgen,  her- 
ausgegeben durch  den  deutschen  Verein  zur  Verbreitung  gemeinnützi- 
ger Kenntnisse  in  Prag,  No.  113. 

Der  Ölbaum,  dieser  unvertilgbarste  aller  Bäume,  ist  in  Palästina, 
Griechenland  und  Italien  gleich  verbreitet.  In  Hellas  erscheint  er,  sagen- 
haft, erst  in  der  nachhomerischen  Zeit;  bekannt  ist  die  Anekdote  von 
dem  Milesier  Thaies,  der  eine  gute  Olivenernte  aus  physikalischen  Grün- 
den prognostiziert  und  dadurch  viel  Geld  verdient  haben  soll.  Nach 
Athen  scheint  sich  die  Ölbaumkultur  von  Megara  und  Salamis  aus  über- 
tragen zu  haben.  Italien,  vorab  das  Sabinerland,  war  reich  an  Öl,  und 
von  Massilia  aus  wurden  Südgallien  und  Ligurien  mit  herrlich  gedeihen- 
den Oliven  besiedelt  Inselchen  von  Ölbäumen  gedeihen  auch  an  den 
oberitalienischen  Seen  (der  bekannte  Hain  von  Torbole),  während  Theo- 
phrast  diese  Pflanze  noch  als  eine  beschrieben  hatte,  welche  nur  am 
Meeresufer  sich  wohlfühle.  Die  richtige  Vorstellung  vom  echten,  nicht 
blos  an  ein  graues  Weidengebüsch  erinnernden  Olivenwalde  erhält  der 
Reisende  aber  heutzutage  erst  auf  Corsica  oder  Corfu,  auf  welch'  letz- 
term  Eilande  Bäume  von  15  m  Höhe  keine  Seltenheit  sind,  und  wo  es 
mehr  als  500  000  solcher  Bäume  geben  soll.  Vom  Oktober  ab  pflegt 
man  dort  die  grüne  Frucht  zu  sammeln,  zu  essen  und  einzumachen,  ob- 
scLou  sie  ihre  volle  Reife  erst  im  Dezember  erlangt;  die  Ölmühlen  sind 
heute  meist  noch  ebenso  einfach,  wie  sie  uns  die  pompejanischen  Bilder 
vor  Augen  stellen.  Die  Olive  dient  in  der  verschiedensten  Zubereitung 
als  wichtigstes  Volksnahruugsmittel,  auch  in  der  Arzneikunde  wird  sie 
viel  angewendet,  und  die  Technik  weifs  dem  Ölbaum,  dessen  Holz  der 
Drechsler  schätzt,  alle  möglichen  brauchbaren  Seiten  abzugewinnen.  Man 
unterscheidet  den  »wilden«  und  den  »kultivierten«  Ölbaum;  ersterer 
(Oleaster)  hat  seine  nördlichste  Grenze  im  tirolischen  Sarcathale  er- 
reicht. Der  wohlriechende  Ölbaum  (Olea  flagrans)  ist  in  China  und  Japan 
heimisch.  Eine  Aphide  ist,  indem  sie  Löcher  in  den  Splint  bohrt,  der 
gefährlichste  Feind  des  Ölbaums,  doch  kommt  dieses  Insekt  glücklicher- 
weise liicht  überall,  in  Attika  nur  seilen  und  in  Südtirol  gar  nicht  vor. 
—  Litterarische  Nachweise  wird  niemand  in  dem  harmlosen,  anregend 
geschriebeneu  Büchlein  suchen. 


Naturwissenschaft.  115 

24)  O.Keller,  Zur  lateinischen  und  griechischen  Sprachgeschichte. 
Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik,  133.  Band.  S.  697—708. 

Von  den  verschiedenen  Aufsätzchen,  in  welche  diese  Abhandlung 
zerfällt,  berührt  uns  nur  ein  einziges,  nämlich  dasjenige,  welches  von 
der  Bedeutung  des  Wortes  iiopiac  handelt.  Dies  sind  bekanntlich  die 
»heiligen  Ölbäume«  Attikas,  allein  woher  diese  Bezeichnung  kam,  war 
bis  zur  Stunde  nicht  aufgeklärt.  Keller  zieht  die  Worte  fiopa  (Abtei- 
lung), [xopäZetv  (abteilen)  bei  und  erklärt  so  die  p.optac  als  »die  vom 
Staate  an  die  einzelnen  Grundbesitzer  ausgeteilten  Ölbäume«.  Bekannt- 
lich dachte  man  im  athenischen  Staate  von  der  Olivenkultur  so  hoch, 
dafs  man  um  ihretwillen  sogar  einer  sozialistischen  Auffassung  Raum 
gab  und  das  Recht  der  freien  Verfügung  über  Grund  und  Boden  teil- 
weise suspendierte. 

Freunde  der  Geschichte  der  botanischen  Terminologie  werden  nicht 
ohne  Gewinn  Einsicht  nehmen  von  der  folgenden  Schrift: 

25)  Petzold,  Die   Bedeutung  des  Griechischen  für  das  Verständ- 
nis der  Pflanzennamen.    Braunschweig  1886.    Programm. 

Ein  Hauptzweck  des  an  einer  lateinischen  Realschule  wirkendeu 
Verfassers  ist  die  Fü  hrung  des  Nachweises,  dafs  die  Nomenklatur  der 
Naturwissenschaften  von  dem  Schüler  auch  ohne  tiefere  Kenntnis  der 
klassischen  Sprachen  leicht  verstanden  werden  kann.  Wir  lassen  diesen 
Punkt,  den  wir  übrigens  in  der  Hauptsache  ebenso  wie  der  Verfasser 
beurteilen,  an  diesem  Orte  beiseite  und  halten  uns  einzig  an  das  Sach- 
liche. Besprochen  wird  nur  derjenige  Stammstoff,  der  sich  in  Garckes 
»Flora  von  Deutschland«  (Berlin  1882)  vorfindet,  und  dieser  Stoff  wird 
in  zwölf  Gruppen  abgeteilt.  Dann  ergiebt  sich  nachfolgendes:  1,4  ^/o  der 
Pflanzennamen  sind  noch  nicht  erklärte  oder  aus  entlegeneren  Idiomen  ab- 
geleitete Wörter;  1,5  •'/o  schreiben  sich  von  Eigennamen,  2,0^0  vom 
Stammlande  her;  2,1  "/<>  beziehen  sich  auf  Nahrungsmittel,  1,1  "/o  auf 
Verwendbarkeit  für  Haushaltungszwecke,  4,7  ^/o  auf  arzneiliche  Wirkung, 
1,7  7o  sind  Bezeichnungen  allgemeiner  Natur  (Adoxa,  Bryonia  u.  s.  w.); 
0,6^0  weisen  auf  die  Jahreszeiten  hin,  3,1^0  auf  Bodenbeschaffenheit 
und  Standort;  19,8 Vo  enthalten  Vergleiche  (Aster,  Clinopodium  u.  s.  w.); 
26,1*^/0  sind  Eigenschafts -Bezeichnungen  (Polyspermum,  Sphaerocarpus 
u.  s.  w.);  endlich  bei  36  %  ist  die  Deutung  unsicher.  Die  Wiederholungen 
einbegriffen,  kommen  in  unserer  modernen  botanischen  Kunstsprache  762 
althellenische  Ausdrücke  vor,  von  welchen  jedoch  170  dem  gebildeten  Nicht- 
Griechen ebenfalls  verständlich  sind,  und  der  Botaniker  hat  mit  so  viel 
Gedächtnismaterial  zu  arbeiten,  dafs  es  auf  die  wenigen  Fremdwörter 
kaum  mehr  ernstlich  ankommen  kann.  Übrigens  mufs  man  auch  be- 
denken, dafs  manche  unserer  gegenwärtigen  Pflanzennamen  etwas  ganz 
anderes  bedeuten,  als  was  Theophrast,  Dioscorides,  Plinius  darunter  ver- 

8» 


116  Naturwissenschaft. 

standen.  Auffallend  gering  ist  die  Anzahl  der  heute  noch  als  offizinell 
geltenden  Heilpflanzen  aus  dem  reichen  Arzneischatze  der  Alten,  eigent- 
lich sind  es  nur  noch  drei :  Althaea,  Archangelica  und  Rhamnus  cathar- 
ticus  (letzteres  erst  von  Alexander  Trallianus  eingeführt).  Wirklich  not- 
wendig für  den  botauischen  Tagesgebrauch  sind  nur  88  Namen,  von 
denen  18  auch  dem  blos  lateinisch  Könnenden  bekannt  sind,  und  für 
die  restierenden  70  Kunstwörter  bedarf  es  nur  der  Kenntnis  von  73 
griechischen  Vokabeln  (45  Haupt-,  23  Eigenschafts-  und  5  Zahlwörtern). 
Wir  können  nunmehr  zu  den  neueren  Arbeiten  über  antikes  Forst- 
wesen übergehen. 

26)  Chloros,  Forstwissenschaftliche  Leistungen  der  Altgriechen. 
Forstwissenschaftliches  Zentralblatt.  1885.  S.  15-  20. 

Der  Verfasser  weist  mit  Recht  darauf  hin,  dafs  man  wenigstens 
in  Athen  einige  Rücksicht  auf  staatliche  Schonung  der  Baumbestände 
nahm  (s.  24).  Die  Priesterschaft  schützte  die  heiligen  Haine,  ein  atti- 
sches Gesetz  suchte  der  Forstverwüstung  zu  steuern.  Theophrasts  bota- 
nische Bücher  werden,  wohl  ein  wenig  kühn,  direkt  als  »Forstenzyklo- 
pädie« angesprochen.  Freilich  ward  befriedigendes  nicht  erreicht;  wie 
schonungslos  gerade  die  Griechen  die  Abholzung  betrieben ,  wird  z.  B. 
in  dem  trefflichen  Werke  von  Neumann  Partsch  »Physikalische  Geogra- 
phie von  Griechenland«  (Breslau  1885)  überzeugend  dargethan.  Schon 
Plato  klagte  über  »das  Altern«  der  Berge. 

27)  A.  Seidensticker,  Waldgeschichte  des  Altertums;  ein  Hand- 
buch für  akademische  Vorlesungen.  Frankfurt  a  d.  0.  1886.  Trowitzsch 
u.  Sohn.  1.  Band.  Vor  Cäsar.  2.  Band.  Nach  Cäsar. 

Dieses  stattliche  Werk  greift  seine  Aufgabe  in  sehr  grofsem  Stile 
an,  und  der  Verfasser  bringt  auch  für  dieselbe  eine  gründliche  Belesen- 
heit in  den  alten  Schriftstellern  mit.  Was  dagegen  sein  Vorhaben  eini- 
germafsen  beeinträchtigt,  das  ist  das  etwas  pedantische  Schema,  nach 
welchem  er  arbeitet;  er  verfährt  gerade  so,  als  sollte  er  ein  modernes 
Handbuch  der  Forstkunde  liefern,  stellt  die  einem  solchen  entsprechen- 
den Kapitel  und  Paragraphen  mit  den  passenden  Titeln  hin  und  mufs 
dann  nicht  selten  einräumen,  dafs  zu  dem  Titel  der  Inhalt  fehle,  weil 
der  gerade  behandelte  Gegenstand  der  antiken  Welt  ganz  und  gar 
fehlte.  Auch  die  Einteilung  in  zwei  Bände  ist  nicht  von  Vorteil,  weil 
durch  dieselbe  mehrfach  Reproduktionen  bedingt  erscheinen. 

Zunächst  werden  die  Quellen  aufgezählt,  aus  denen  die  Darstel- 
lung schöpfen  konnte.  Der  Verfasser  lobt  (s.  26)  auch  seinerseits  den 
Theophrast,  weil  er  die  Lehre  vom  Standorte  der  Pflanzen,  die  Holztech- 
nologie und  Holznutzung  gehörig  berücksichtigt  habe.  Stets  mit  Rück- 
sicht auf  in  grofser  Anzahl  beigebrachte  Belegstellen  schildert  er  uns, 
was  das  Altertum  von  den  Wurzeln  der  Bäume,  von  Stamm,  Krone  und 


Naturwissenschaft.  117 

Rinde,  von  Nadeln  und  Blättern,  Früchten  und  krankhaften  Auswüchsen, 
Holz  und  Mark   wufste  oder  doch   zu  wissen   glaubte.     Das  Wachstum 
der  Stämme   ward   eben  auch   von  Theophrast  zuerst  genauer  studiert. 
Die  deskriptiven  Versuche  waren  unerheblich.     Nun   folgt   eine  anschei- 
nend   sehr   vollständige    Liste   griechischer   Baumnamen  nebst  Angaben 
über  die  Fundorte  der  Waldpflanzen    Bei  dem  Aschnitte  über  die  Kul- 
tur ausländischer  Gewächse  hätteu  wohl  die  Untersuchungen  Hehns  mehr 
Berücksichtigung    finden   sollen,    dessen    Buch   erst  im    zweiten  Bande, 
und  auch  da  nur   sporadisch  zitiert   wird.     Es   wird   hierauf  die  Frage 
aufgeworfen  und  besprochen,  wie  sich  die  einzelnen  Pflanzen  gegen  Bo- 
den und  Klima  verhielten,   worüber  Theophrast  manch  gute  Erfahrung 
gesammelt  hat.     Der  Verfasser  unterzieht  sich  anerkennenswerter  Weise 
der   Mühe,  die  Verbreitung  der  Wälder  durch  das  ganze  der  alten  Welt 
bekannt  gewesene  Ländergebiet  hindurch  zu   verfolgen  und  zugleich  die 
verschiedenen  Bezeichnungen,   welche  die  Alten  für  einen   mit  Bäumen 
bestandenen  Platz  hatten,  auf  ihre  forstliche  Bedeutung  zu  prüfen.    Inter- 
essant, aber  natürlich  nicht  strenge  durchführbar  ist   der  Versuch,  das 
Waldland    nach    den    »Eigentumsverhältnissen«    einzuteilen.     Die   Alten 
hatten  öffentliche ,  als  Grenzschutz   angepflanzte  und  deshalb  auch  vor 
Holzschlag    sorgsam  bewahrte   Forste,  wie   dies  Alexander    bei  seinem 
asiatischen  Zuge  mehrmals  zu  erfahren  bekam,  es  gab  ferner  in  grofser 
Anzahl,   bei  Heiden   und  Juden,   heilige  Haine,   und  dafs  ein  Teil   der 
italischen  Gebirgswaldung  Staatseigentum  gewesen,  v.ird  von  Livius  aus- 
drücklich bezeugt.     Nicht  minder  besafsen  weltliche  und  geistliche  Kor- 
porationen Privateigentum  an  Wald,  und  die  Fürsten  des  Orients  hielten 
etwas    auf  ihre  kolossalen  Jagdparks.     Das  Jagdrecht  im   allgemeinen 
war  ein   uneingeschränktes,   soweit  nicht  religiöse  Rücksichten  Einhalt 
thaten,  doch  unterschied  man  schon  im  alten  Rom  zwischen  Berufsjägern 
(venatores)  und  Dilettanten  (Sonntagsjägern,  venantes).    Erstere  besafsen 
ebenso   wie   ihre  modernen   Nachfolger  eine   eigene   technische  Sprache. 
Über  das  Fangen  von  Vögeln  mit  der  Leimrute  wäre  wohl  etwas   mehr 
zu  sagen  gewesen  (s.  34).     An  Jagdtieren  war  kein  Mangel;  der  Ver- 
fasser läfst  sich  die  Mühe  nicht  verdriefsen,  dieselben  insgesamt  aufzu- 
zählen.    Danach  fährt  er  fort  in  seiner  Charakteristik   der  Jagdverhält- 
nisse, stellt  fest  (s.  0.),  dafs  der  Begriff  der  »Lehnswälder«  dem  Alter- 
tum gänzlich  gemangelt  habe,  und  stellt  diesem  Defekt  das  Vorhanden- 
sein um  so  gröfserer  »Gutsvvaldungen«  gegenüber.     Rechte  zweiter  auf 
einen  in  anderem  Besitze  befindlichen  Forst  waren  fast  unbekannt.    Die 
Römer   der  Republik  verstanden  sich  nicht  auf  eine   geordnete  Wald- 
wirtschaft, hatten  infolge  dessen  auch  keine  Forstbeamten,  wogegen  die 
Orientalen  wenigstens  in   einzelnen  Fällen  ein  richtiges   Gefühl  für  die 
Wichtigkeit  des  ßaumschutzes   an   den  tag  legten.     Von  den   Athenern 
wird  nicht  gesprochen,  und  doch  hätten   sie  (s.  26)   einige  Anerkennung 
ihres  Strebens  verdient.    Dafs  nicht  alle  Teile  des  Jahres  für  die  Holz- 


118  Naturwissenschaft. 

nutzuDg  gleich  geeignet  seien,  hatte  bereits  der  umsichtige  Hesiod  be- 
merkt; allmählich  lernte  man  auch  manche  physikalische  Verschieden- 
heiten des  gefällten  Holzes  hinsichtlich  der  Härte,  der  Spaltbarkeit 
U.S.W,  kennen  und  nutzbar  machen.  Unsere  Vorlage  erzählt  ausführ- 
lich, wie  die  Alten  das  Holz  zum  Haus-  und  Schiffbau  verwendeten,  das 
Schneiden  der  Balken  aus  dem  Rundholz  nach  festen  Regeln  vornahmen, 
Brennholz  besorgten  und  die  Geschäfte  des  Kohlenbrenners  betrieben. 
Die  Verwertung  der  Baumfrüchte  und  Baumsäfte  war  eine  ziemlich  ra- 
tionelle, den  Baumschwamm  scheint  man  nicht  beachtet  zu  haben.  End- 
lich wird  auch  noch  der  Weide,  des  Viehtriebes  und  der  Streuhebung  ge- 
dacht, auf  welch  letztere  der  ältere  Cato  ein  scharfes  Auge  hatte.  Die 
»forstliche  Statik«  lag  im  argen,  viele  Komplexe  waren  völlig  betrieblos, 
also  »Urwald«,  doch  hatten  die  Römer  auch  ihre  arbusta,  welche  sie  im 
»Quincunx«  anpflanzten,  und  einzelne  regelrecht  angelegte  Saftwaldungen. 
Für  das  Schneiden,  Abästen  und  Schlagen  der  Bäume  hatten  sich  all- 
mählich Erfahrungsgrundsätze  ausgebildet;  zahme  Bäume  standen  in 
sorgfältig  gehüteten  Gärten,  die  Schöfslinge  wurden  zu  bestimmten 
Zeiten  und  in  bestimmter  gegenseitiger  Entfernung  eingesetzt,  und  bei 
letzterer  Thätigkeit  band  man  sich  sogar  an  geometrische  Vorschriften. 
»Quincunx«  bedeutet  im  allgemeinen  ein  gleichmaschiges,  lückenloses 
Netz  von  gleichschenkligen  Dreiecken,  in  deren  Endpunkte  die  Wurzel- 
stöcke kamen.  Bei  den  Hebräern  wurde,  wie  wohl  hätte  erwähnt  werden 
sollen,  bei  der  Anlage  von  Wein-  und  Gemüsegärten  mit  noch  mehr 
geometrischer  Feinheit  zu  werke  gegangen.  Eine  Tabelle  antiker  Längen- 
und  Flächenmafse  beschliefst  den  ersten  Band. 

Der  zweite  Band  beginnt  mit  einem  Litteratur -Katalog,  der  jedoch 
nicht  ganz  vollständig  ist.  So  fehlt  insonderheit  der  berühmte  Jagd- 
schriftsteller Oppianus;  später  wird  er  allerdings  einige  male  vom  Ver- 
fasser zitiert,  allein  merkwürdigerweise  —  und  gegen  die  sonstige  sehr 
achtbare  Gepflogenheit  des  Buches  —  ohne  nähere  Angabe  der  Stellen 
(so  z.  B.  S.  193  und  194).  Auch  das  über  die  Autoren  der  »Geoponica« 
Gesagte  bedarf  nach  Gemolls  neueren  Untersuchungen  (s.  28)  mancher 
Modifikation.  Wie  erwähnt,  stimmt  die  Anlage  beider  Teile  des  Seiden- 
stickerschen  Werkes  in  allen  Teilen  überein  ,  so  dafs  jetzt  die  Hervor- 
hebung einzelner  besonders  bemerkenswerter  Punkte  genügt.  Mit  den 
anatomischen  und  physiologischen  Grundgesetzen  der  Pflanzenstruktur 
wufste,  wie  wir  erfahren,  die  nachcäsarische  Periode  weit  besser  bescheid 
als  die  vorcäsarische,  die  Terminologie  hat  sich  entschieden  vervoll- 
kommnet, und  auch  klimatologische  Fragen  wufste  man  richtiger  aufzu- 
fassen. Die  Eigenart  des  britannischen  Küstenklimas  hat  übrigens  am 
schärfsten  der  Apologet  Minucius  Felix  erkannt.  Wie  ungleich  schärfer 
man  die  Bedingungen  für  den  Anbau  berücksichtigte,  erhellt  u.  a.  daraus, 
dafs  in  der  spätem  lateinischen  Sprache  nicht  weniger  als  35  besondere 
Namen  für  Waldarten  vorkommen,  welche  mit  einer  einzigen  Bauragat- 


Naturwissenschaft.  119 

tUDg  besetzt  waren.  Nach  langer  und  nicht  recht  motivierter  Abschwei- 
fung auf  die  Geschicke  des  Christentums  in  seinem  Jugendalter  (S.  163ff.) 
kommt  der  Autor  wieder  auf  den  »Gemeindewald«  zu  sprechen,  welchen 
einzelne  italische  Städte  besafsen  und  auch  auszubeuten  gelernt  hatten. 
Das  Verzeichnis  der  jagdbaren  und  gejagten  Tiere  ist  jetzt  ein  weit 
reichhaltigeres  geworden.  Unter  den  oströmischen  Kaisern  begegnet  uns 
zuerst  die  früher  unbekannte  »Bauernholzung«.  Den  feindlichen  Natur- 
ereignissen stand  man  jetzt  minder  gleichgiltig  denn  zuvor  gegenüber; 
so  handelt  Plinius  in  seinem  16.  Buche  ausführlicher  die  Krankheiten  der 
Bäume  ab.  Auch  wird  die  Holznutzung  eine  immer  verzweigtere,  na- 
mentlich nahm  die  Pechgewinnung  viele  Hände  in  anspruch.  Die  Ziegen 
(S.  359)  spielten  dem  Walde  gegenüber  auch  eine  vom  Verfasser  nicht 
genugsam  betonte  Rolle,  sie  waren  die  Waldverwüster  xar  k^o^ijv,  wie  sie 
es  heute  noch  auf  den  Alpenmatten  sind,  und  als  solche  schon  von  der 
alten  attischen  Komödie  anerkannt.  Der  Sinn  des  Wortes  macchia 
(S.  377)  wird  hier  zu  enge  gefafst;  man  vergleiche  die  lebendige  Schil- 
derung der  »Macquis«  bei  Neuraann-Partsch  (S.  214ff.).  Die  römische 
Gesetzgebung  zog  auch  den  Wald  in  ihr  Bereich,  behandelte  Nachhal- 
tigkeit im  Betriebe,  Stockausschlag,  Auspflanzung  und  Wiederaufforstung, 
und  so  konnten  unter  obrigkeitlichem  Schutze  auch  fixe  Regeln  der  Hau- 
barkeit  und  ein  System  der  rationellen  Waldverbesserung  {oevdpovo/xcx^ 
aoffta)  sich  ausbilden.  Pflanzschulen  waren  zu  Coluraellas  Zeit  nichts  sel- 
tenes mehr,  wie  denn  dieser  Agronom  selbst  ganz  eingehend  eine  von 
ihm  selber  begründete  »Ulmenschule«  beschreibt  und  Theorien  der  Baum- 
veredlung erörtert.  Zum  Schlüsse  werden  die  Ursachen  erwogen,  welche 
Waldentblöfsungen  und  Waldvermehrungen  hervorriefen.  Wir  können, 
wie  erwähnt,  das  fleifsige  Werk  als  Repertorium  für  jeden,  den  der  an- 
tike Wald  interessiert,  nur  empfehlen.  Anhangsweise  wollen  wir  aber 
noch  bemerken,  dafs  die  Angaben  über  römische  Feldmefskunst  in  ein- 
zelnen Punkten  der  Berichtigung  bedürfen;  die  Agrimensoreu  operierten 
nur  mit  ihrer  »Groma«  und  sicherlich  niemals  mit  dem  Mefstisch,  der 
vielmehr  erst  gegen  das  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  von  dem  Altdorfer 
Mathematiker  Johannes  Praetorius  erfunden  wurde. 

Von  der  Forstkultur  ist  nur  ein  Schritt  zur  Landwirtschaft,  mit 
welcher  sich  zwei  der  in  unser  Gebiet  fallenden  Schriften   beschäftigen. 

28)   Gern  oll,    Untersuchungen   über    die  Quellen,   den  Verfasser 
und  die  Abfassungszeit  der  Geoponica.     Berlin  1883.    Calvary. 

Das  eigentlich  philologische  Element  mufs  hier  natürlich  aufser 
acht  bleiben.  Die  Monographie  zerfällt  in  drei  Hauptabschnitte,  welche 
mit  A,  B,  C  bezeichnet  werden,  und  von  denen  A  wieder  in  vier  Unter- 
abteilungen zerfällt. 

A.  I.   Es  wird  gezeigt,  dafs  manches,  was  der  Sammler  selbst  aus 


1 20  Naturwissenschaft. 

eigenem  hinzugethan  haben  will,  in  Wahrheit  entlehnt  ist,  und  zwar  aus 
Dioscorides,  Georgius  Pachymeres  u.  a.  Autoren. 

A.  II.  Gelegentlich  wird  im  Zusammenhange  hingewiesen  auf  Ascle- 
pius,  Homer,  Hesiod,  Nestor  (?),  Juba,  Pseudo-Orpbeus,  den  E.  Meyers 
»Geschichte  der  Botanik«  (I,  S.  269ff.)  in  die  Zeit  des  Ptolemaeus  Phi- 
ladelphus  versetzt,  Plato,  Philostratus,  Plutarch,  Theophrast. 

A.  III.  Direkt  in  den  Kapitelüberschriften,  nicht  aber  im  Prooe- 
mium  werden  als  Quellenschriftsteller  namhaft  gemacht  Aphyrtus,  dessen 
Tierheilkunde  der  Kompilator  der  »Geoponica«  übrigens  nicht  im  Origi- 
nale vor  sich  gehabt  haben  kann,  Aratus,  von  dem  auch  weniger  die 
Urschrift  als  die  Scholiensamralung  benutzt  sein  kann,  Aristoteles  (je- 
doch nicht  die  »Georgica«,  wie  Val.  Rose  annahm),  Cassianus,  von  dem 
später  mehr  gesagt  wird,  Dionysius,  den  der  Sammler  wieder  nicht  di- 
rekt, sondern  nur  aus  Varro  kannte,  Hierocles  (ein  anscheinend  ge- 
fälschter Name),  Hippocrales,  der  nach  Anatolius  zitiert  wird,  Oppian, 
Pelagonius,  Ptolemaeus,  Pythagoras,  wobei  möglicherweise  an  das  spät- 
pythagoreische Buch  »De  herbarum  effectu«  zu  denken  wäre,  Theom- 
nestus,  für  den  wiederum  Anatolius  die  Mittelsperson  abgegeben  haben 
mag,  endlich  Xenophon. 

A.  IV.  Als  unmittelbare  Quellen  führt  die  Vorrede  auf  den  Afri- 
canus,  Verfasser  der  »Kesten«,  die  in  der  That  mehrfach  mit  den  »Geo- 
ponica« übereinstimmen,  den  Anatolius,  Berytius,  wohl  mit  dem  vorigen 
identisch,  den  Appulejus,  den  der  Kompilator  sicherlich  erst  aus  zweiter 
oder  dritter  Hand  kennt,  den  Democrit,  bezüglich  dessen  jedoch  E  Meyers 
Aussage  aufrecht  erhalten  bleibt,  dafs  keine  Stelle  des  Werkes  recht 
democritisch,  alles  vielmehr  nur  aus  Anatolius  herübergenommen  sei. 
Es  reihen  sich  ferner  an  Didymus,  den  der  Byzantiner  zwar  kennt,  aber 
auch  an  falschen  Stellen  nennt,  Diophaues,  zu  dem  er  im  gleichen  Ver- 
hältnisse steht,  Florentinus,  dessen  Bekanntschaft  abermals  nur  dem  Ana- 
tolius zu  danken  ist,  Fronto,  ein  ganz  unterschobener  Autor,  Leontinus, 
den  Anatolius  richtiger  Leo  nennt,  Pamphilus,  Paramus,  dessen  »Geor- 
gica« in  der  »Geoponica«  eine  bestenfalls  spärliche  Verwertung  gefunden 
haben  können,  die  Quintilier,  die  sicherlich  nicht  all'  das  wirklich  behauptet 
haben,  was  die  Geoponici  ihnen  zuschreiben,  Sotion,  dem  ein  wahrschein- 
lich niemals  geschriebenes  landwirtschaftliches  Werk  beigelegt  wird,  Ta- 
rentinus,  aus  dem  das  abgeschrieben  scheint,  was  angeblich  von  Julius 
Sextus  Africanus  herrührt,  Varro,  einer  der  wenigen  wirklich  —  wenn- 
schon mit  Unterschiebungen  —  benützten  Autoren,  schliefslich  Pseudo- 
Zoroaster,  eine  Erfindung  des  Anatolius.  Der  Kompilator  liefs  sich  nach 
diesen  Ermittelungen  wesentlich  nur  von  dem  »corpus  georgicum«  des 
Anatolius  leiten,  dessen  auch  Photius  gedenkt,  und  welches  einer  an- 
nähernden Rekonstruktion  fähig  zu  sein  scheint.  Anatolius  hat  die  mei- 
sten  der  QuellenschriftsteUer,    welche    sein  Nachtreter    unberechtigter- 


Naturwissenschaft.  121 

weise   als  seine  Vorlagen  hinstellt,  wirklich  gekannt.     Original  war  nur 
der  »Arbeitsplan«  der  »Geoponica«,  wie  im  einzelnen  nachgewiesen  wird. 

B.  Als  Autor  des  Sammelwerkes  ist  Cassianus  Bassus  Scholasticus 
(s.  0.)  anzusehen;  den  für  diese  Hypothese  in  Niclas'  Ausgabe  von  1781 
enthaltenen  Beweisen  lassen  sich  weitere  zur  seite  stellen.  Dagegen  ist 
die  bithynische  Herkunft  des  Cassianus  nichts  weniger  als  erwiesen,  ja 
selbst  das  steht  nicht  einmal  fest,  dafs  die  Arbeit  in  Konstantinopel  aus- 
geführt wurde. 

C.  Die  angeblichen  arabischen  Zitate  bei  Rasi,  Ibn-Al-Awam, 
Baithär  und  Serapion  beziehen  sich  nicht  auf  die  »Geoponica«,  sondern 
auf  ein  anderes  agronomisches  Werk,  welches  um  900  nach  Chr.  ein  ge- 
wisser Castus  zusammenschrieb.  Dagegen  scheint  Hedjadj,  der  150  Jahre 
nach  Rasi  auftrat,  den  Cassianus  wirklich  als  Autor  der  »Geoponica« 
zu  kennen,  und  zwischen  diese  beiden  Araber,  ins  Jahr  lOOO  ungefähr, 
dürfte  die  Zeit  des  Entstehens  unserer  Kompilation  fallen. 

Gemolls  Schrift  kann  als  Muster  einer  vorsichtigen,  tief  eindrin- 
genden und  alle  Nebenumstände  berücksichtigenden  quellenkritischen 
Untersuchung  gelten.  Umso  weniger  augenehm  berührt  die  herbe  Kritik 
E.  Meyers  (vornämlich  S.  263),  auf  dessen  Schultern  doch  alle  Forschung 
über  Pflanzenkunde  und  Pflanzenbau  bei  den  späteren  Griechen  steht, 
und  dem  der  Verfasser  ja  selbst  an  anderen  Orten  die  gebührende  An- 
erkennung nicht  vorenthalten  kann. 

29)  A.Kohl,    Abhandlung  über  italischen  Wein  mit  Bezugnahme 
auf  Horatius.  Straubing  1884.  Programm. 

Es  werden  vom  Verfasser  alle  Stellen  in  den  horazischen  Gedich- 
ten aufgesucht  und  aufgezählt,  in  welchen  Bacchus  eine  Rolle  spielt. 
Daran  reiht  sich  eine  kurze  Geschichte  des  altitalischen  Weinbaus,  der 
lange  Zeit  ein  sehr  bescheidenes  Dasein  führte,  denn  erst  seit  121  vor 
Chr.  (unter  dem  Konsul  Opimius)  wufste  sich  bei  den  Römern  der  ein- 
heimische Wein  neben  dem  aus  der  Fremde  eingeführten  Beachtung  zu 
verschaffen.  Speziell  schildert  der  Verfasser  von  Weiusorten  den  Cae- 
cuber,  Falerner,  Albaner,  Surrentiner,  Massicer,  Sinuessaner,  Calener, 
Formianer,  Sejenter  und  den  mareotischeu  Wein,  dessen  Reben  man 
aus  Uuteiägypten  (s  21)  auf  italischen  Boden  verpflanzt  hatte.  Nach- 
her verbreitet  sich  die  Abhandlung  über  die  Anlage  der  Weinpflanzun- 
gen, über  die  Aufbewahrung  und  Behandlung  feiner  Marken,  über  das 
Keltern  der  Trauben,  über  die  besonders  durch  die  Schriften  des  Palla- 
dius  klargelegte  Einrichtung  der  Keller,  über  die  Zusätze  des  Weines, 
über  Abziehen ,  Etikettieren  und  Flaschenverschlufs  und  über  die  ver- 
schiedenen Arten  der  Weingefäfse,  die  Schläuche  mit  inbegriffen.  Den 
Schlufs  bildet  die  Interpretation  von  Hör.  Sat.  H,  2,  123:  Statt  »culpa« 
soll  »cupa«  —  so  heifst  im  »Gastmahl  des  Trimalchio«  der  von  der 
Decke  herabhängende  Reif  —  gelesen  werden.  Nicht  übel  erscheint  die 


1 22  Naturwissenschaft. 

Übersetzung  von  »flos  candidus«  (Plinius,  lib.  XIV,  cap.  21)  mit  »Feder- 
weifser«. 

Da,  wo  von  den  Versetzungen  des  Weines  mit  anderen  Stoffen  die 
Rede  ist,  hat  die  Darstellung  eine  Lücke.  Es  wird  nämlich  nur  der 
Beimischung  von  Meerwasser  Erwähnung  gethan,  häufiger  war  aber 
wohl  noch  ein  Zusatz  von  Gips,  denn  Dioscorides  (lib.  V,  cap.  9)  glaubt 
vor  den  schlimmen  Folgen  des  Genusses  gegipster  Weine  für  die  Ge- 
sundheit gar  nicht  eindringlich  genug  warnen  zu  können.  — 

Der  nächste  Gegenstand  ,  welcher  uns  beschäftigt,  ist  allerdings 
nicht  der  antiken  Naturwissenschaft  entnommen,  wohl  aber  handelt  es 
sich  um  eine  naturwissenschaftliche  Frage,  deren  Klärung  erstlich  in 
archäologischer  Beziehung  nicht  unwichtig  ist,  und  zu  deren  Klärung 
zweitens  die  Argumente  grofsenteils  dem  Altertum  entlehnt  werden  müssen. 

30)  P.  R.  Hochegger,  Die  geschichtliche  Entwicklung  des  Far- 
bensinnes. Eine  psychologische  Studie  zur  Entwicklungsgeschichte 
der  Menschen.     Innsbruck  1884.     Wagner. 

Bekanntlich  erschien  vor  wenigen  Jahren  erst  eine  analog  betitelte 
Schrift  aus  der  Feder  des  bekannten  Philosophen  Marty,  mit  deren  Ten- 
denz Hochegger,  wie  er  selbst  angibt,  durchaus  übereinstimmt.  Den 
Beginn  der  vorliegenden  Schrift  macht  eine  geschichtliche  Skizze,  wel- 
che mit  peinlicher  Vollständigkeit  die  Stimmen  für  und  wider  die  Hy- 
pothese aufführt,  dafs  menschlicher  Farbensinn  eine  Entwicklungsge- 
schichte aufzuweisen  habe,  darunter  gehört  auch  manches  minder  be- 
kannte. Neu  war  dem  Referenten  z.  B.  die  Angabe,  dafs  J.  La  Roche 
in  Linz  die  Gladstone-Magnus'sche  Hypothese  auch  für  die  älteren  Lyri- 
ker und  für  die  Elegiker  der  klassischen  Zeit  als  giltig  nachzuweisen 
versucht  habe. 

Die  theoretische  Erörterung  nimmt  ihren  Ausgang  von  einer  schar- 
fen Definition  des  Wortes  »Farbensinn«,  da,  wie  nicht  mit  Unrecht  be- 
merkt wird,  der  gewöhnliche  Sprachgebrauch  zwischen  Farbenempfin- 
dungsvermögen, Farbengefühl  und  Farbenunterscheidungsvermögen  viel 
zu  wenig  scharf  zu  scheiden  pflege.  Mit  Wundt  erblickt  der  Verfasser 
in  der  Empfindung  ein  einfaches ,  in  der  Vorstellung  ein  zusammenge- 
setztes Etwas,  zu  welch  letzterm  die  Empfindungen  die  Elemente  lie- 
fern. Wahrnehmung  und  Vorstellung  setzeu  das  Sinuengedächtnis  und 
die  Assoziationsfähigkeit  voraus.  Somit  ist  auch  die  Empfindung  der 
Farben,  als  ein  mechanischer  Reizungsakt,  und  das  Farbengefühl,  das 
schon  auf  einem  ziemlich  komplizierten  psychischen  Prozesse  beruht, 
keineswegs  einunddasselbe.  Das  Farbenunterscheidungsvermögen  end- 
lich fällt  dem  Urteile  zu  und  steht  deshalb  auf  einer  noch  höhern  Stufe. 
Die  Frage  nach  einer  »Geschichte  des  Farbensinnes«  zu  stellen,  hält  der 
Verfasser  für  erlaubt,  nur  genüge  —  und  darin  wird  ihm  jedermann 
beipflichten,  -    die  Sprachvergleichung  an  sich  noch  nicht  zur  Lösung. 


Naturwissenschaft.  123 

Gleichwohl  wird  vorläufig  auch  auf  die  linguistische  Beweisführung 
eingegangen.  Die  homerische  Farbenterminologie  wird,  hauptsächlich 
nach  La  Roche  und  Lorz,  durchmustert,  und  es  ergibt  sich,  dafs  Homer 
bestimmte  Bezeichnungen  blos  für  Rot,  Schwarz  und  Weifs  besafs,  wäh- 
rend alle  übrigen  Farbennamen  ausschliefslich  Nuancen  bedeuten.  In  der 
That  scheinen  sich  die  alten  Dichter  —  vorab  auch  Pindar  und  Theocrit 
—  mehr  von  Abstufungen  des  Lichteffektes  als  von  wirklich  koloristi- 
schen Verschiedenheiten  haben  leiten  zu  lassen.  Langweilige  Farben  sind 
im  Sprachschatze  der  ludogermanen  früher  zur  lautlichen  Fixierung  ge- 
langt als  kurzwellige.  Doch  habe,  das  unternimmt  der  Verf.  zu  beweisen, 
die  Menschheit  niemals  unter  allgemeiner  Farbenblindheit  oder  Farbenla- 
tenz  gelitten.  Ägyptische,  etruskische,  assyrische,  altgriechische  Denkmäler 
lassen  häufig  blaue  Pigmentierung  erkennen,  und  wenn  Plinius  (lib.  XXXV, 
cap.  7)  es  als  eine  Eigentümlichkeit  der  griechischen  Künstler  hervorhebe, 
dafs  sie  mit  sehr  wenig  Farben  auszukommen  vermocht  hätten,  so  sei  das 
nur  geschehen,  um  zu  zeigen,  dafs  sich  auch  mit  geringen  Mitteln  grofses 
erreichen  lasse.  Um  solche  scheinbare  Anomalien  zu  erklären,  brauche 
man  nicht  an  eine  Änderung  der  Farbenempfindung,  sondern  lediglich 
an  eine  solche  des  Farbengefühls  zu  denken.  Allein  damit  macht  der 
Verf.  unwillkürlich  den  Anhängern  der  Entwicklungs-Hypothese  eine  ge- 
wisse Konzession;  das  Gefühl  ist  eben  durch  fortgesetzte  Übung  ein  ak- 
tiveres geworden.  Hochegger  gibt  dies  allerdings  nicht  zu,  vielmehr  er- 
klären sich  ihm  zufolge  die  nicht  zu  leugnenden  Sonderbarkeiten  des 
altgriechischen  Sprachgebrauches  1.  durch  die  Planlosigkeit  der  Sprach- 
bildung ,  2.  aus  der  Unkenntnis  des  natürlichen  Farbensystemes ,  3.  aus 
unserer  unzureichenden  Kenntnis  der  antiken  Farbennomeuklatur.  Letz- 
tere habe  gleichen  Schritt  gehalten  mit  der  Ausbildung  der  Maltechnik. 
Allerdings  habe,  dies  wird  eingeräumt,  die  Charakterisierung  eines  Ob- 
jektes durch  seine  Farbe  für  Homer  nur  einen  untergeordneten  Wert, 
jedoch  nur  deshalb,  weil  ihm  andere  und  bessere  Hilfsmittel  der  Kenn- 
zeichnung zu  geböte  stünden.  Ein  Hauptgrund  für  erwähnten  Mangel 
wird  auch  darin  gesucht,  dafs  der  Dichter  die  Natur  rein  naiv  betrachtet, 
während  wir  dies  angeblich  vom  sentimentalen  Standpunkte  aus  zu  thun 
gewohnt  sind.  Hochegger  polemisiert  gegen  die  Deutung,  welche  Glad- 
stone  und  Magnus  der  unvollkommenen  homerischen  Aufi"assung  des  Regen- 
bogens  geben;  unserer  Ansicht  nach  hat  er  dabei  vergessen,  dafs  auch 
Aristoteles,  der  Rationalist  reinsten  Wassers,  den  Regenbogen  nur  als 
»vierfarbig«  beschreibt.  Diese  Übereinstimmung  zweier  Autoren,  die 
unter  so  ganz  abweichenden  Umständen  lebten  und  schrieben,  gäbe  doch 
zu  denken. 

Die  Betrachtung  geht  nunmehr  auf  das  psychophysische  Gebiet 
über.  Wenn  man  im  Sinne  der  Deszendenzlehre  das  ganze  organische 
Leben  als  eine  aufsteigende  Reihe  ansieht,  so  kann  man  sich  eine  Weiter- 
bildung entweder  als  von  einer  »quantitativ  höheren  Leistung«   hervor- 


1 24  Naturwissenschaft. 

gerufen  oder  auch  als  eine  »qualitativ  verschiedene  Funktion«  des  Em- 
pfindungsvermögens vorstellen.    Nach  Darwin  wäre  die  Farbenempfindung 
ein  früh  erworbenes,  resp.  ererbtes  Gemeingut  des  Menschen  und  seiner 
tierischen  »Anverwandten«.    Sehr  viele  Versuche  sind  zur  Konstatierung 
der  Identität  oder  doch  mindestens  Analogie  von  menschlichem  und  tie- 
rischem Farbensinn  angestellt  worden,  welche  der  Verf.  für  beweiskräftig 
hält,  während  Magnus,  unsers  Erachtens   nicht  ohne  Grund,  mancherlei 
daran  auszusetzen  hat.    Hochegger  nimmt  in  der  Hauptsache  Partei  für 
den  Amerikaner  Grant  Allen,  dessen  Experimente  sich  allerdings  durch 
ihre  Vielseitigkeit  auszeichnen.     Weiterhin  wendet  sich  ersterer  zu  den 
von  Magnus  in  Verbindung  mit  Pechuel-Loesche  angeregten  ethnologischen 
Forschungen.    Denselben  ist  zu  entnehmen,  dafs  sich  die  Farbenempfin- 
dung  aller  Völker   ziemlich   innerhalb   derselben  Grenzen   bewegt,    dafs 
aber   doch   nicht  selten    —    besonders  klar  hat  dies  Almquist  bei  uord- 
sibirischen  Stämmen  nachgewiesen    —    eine  gewisse  Trägheit  der  Grün- 
und   Blauempfindung  sich    bemerklich   macht.      Die  Vorwürfe   des  Verf. 
gegen   die   bei   der  Anlage   der  Magnus'schen  Fragebogen   befolgte  Me- 
thode erscheinen  uns  nicht  ganz  gerechtfertigt,  wenn  auch  sachlich  viel- 
leicht eine  schärfere  Detaillierung  der  Fragepunkte  zu  wünschen  gewesen 
wäre,    denn  wer  den  Freiwilligen  der  Wissenschaft,  Missionären,  Kolo- 
nisten u.  s.  w.  zu  viel  zumutet,  wer  von  ihnen  fordert,  dafs  sie  auf  der 
einen   Seite   das  Farbenempfindungsvermögen   experimentell  prüfen  und 
auf  der  andern  das  sprachliche  Unterscheidungsvermögen  gesondert  unter- 
suchen  sollen,    der  erzielt  vermutlich   gar   kein  Ergebnis.     S.  104,  Z.  1 
v.  u.    scheint    sich   ein   sinnentstellender   Druckfehler    eingeschlichen    zu 
haben.      Unser  Verf.   ist  der  Überzeugung,  dafs  nur  Mangel  an  Übung 
in  der  Beurteilung,  nicht  aber  organische  Minderausbildung  die  Schuld 
trage,   wenn   bei  einzelnen  Naturvölkern  eine  gewisse  Reaktionslrägheit 
zum  Vorschein  kommt;  kann  er  es  da  den  Anhängern  einer  andern  Auf- 
fassung verübeln,  wenn  sie  diesen  Mangel  an  Übung  in  ihrem  Sinne  sich 
zurechtlegen?    Hochegger  nennt  Blau  und  Grün  »weniger  reizende  und 
herausfordernde  Farben«   und  glaubt,  dafs  damit  schon  das  Übergewicht 
von  Rot  und  Gelb  erklärt  sei,  allein  damit  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafs 
diese  Gegensätzlichkeit  der  Farben    von  kurzer  und  langer  Wellenlänge 
sich  schon  von  allem  Anfange  an  der  menschlichen  Netzhaut  gegenüber 
zur  Geltung   brachte.     Seinen  Schlufssatz  formuliert  der  Verf.   wie  folgt 
(S.  122):  »Es  ist  überhaupt  ein  allgemeines  psychisches  Gesetz:  Feinere 
Reize  werden  erst  durch  dauernde  Übung  von  einander  geschieden,  ebenso 
nahestehende.     Beispiele  zur  Erläuterung  dieses  Satzes   lassen  sich  aus 
allen  Sinnesgebieten  geben.«     Wir  erklären  uns  gerne  einverstanden,  be- 
streiten aber,  dafs  man  in  Konsequenz  dieses  Faktums  notwendig  zu  den 
vom  Verf.  selbst  gezogenen  Schiufsfolgerungen  kommen  müsse.    —    Ein 
»Nachtrag«  bringt  zahlreiche  Zitate  aus  Büchern  und  Aufsätzen,  welche 
erst   nach  Fertigstellung    seines  Buches    dem  Autor    bekannt  geworden 


Naturwissenschaft.  IO5 

waren;  die  Akribie  mag  bei  dieser  Zusammenfassung  etwas  gelitten 
haben,  so  bei  der  nicht  zutreffenden  Charakteristik  der  Beziehungen,  in 
welchen  Schreiber  dieser  Zeilen  zu  Magnus  steht.  Von  entschiedenem 
Werte  sind  die  Mitteilungen  über  Grabers  Versuche  mit  Tieren,  ob- 
gleich auch  sie  nicht  absolut  klar  ersehen  lassen,  ob  nicht  Veränderun- 
gen der  Lichtintensität  einen  mächtigeren  Einflufs  auf  den  tierischen  Orga- 
nismus ausüben  als  Farbenveränderungen.  —  Anzuerkennen  ist  der  ob- 
jektive Geist,  der  die  Schrift  durchzieht,  und  das  in  den  meisten  Fällen 
erkennbare  Bestreben,  auch  dem  Gegner  Gerechtigkeit  widerfahren  zu 
lassen.  Eine  um  so  unerquicklichere  Ausnahme  macht  die  Randnote  auf 
Seite  80. 

Mit  den  Tieren  des  Altertums  beschäftigen  sich  —  unter  sehr  ver- 
schiedenen Gesichtspunkten  —  drei  weitere  Schriften. 

31)  A.  V.  Edlinger,  Erklärung  der  Tiernamen  aus  allen  Sprach- 
gebieten.    Landshut  1886.     Ph.  Krüll. 

Hier  werden  185  Namen  sowohl  von  Tiergattungen  als  von  Tier- 
arten einer  etymologischen  Prüfung  unterzogen;  alle  möglichen  alten  und 
neuen  Sprachen  dienen  der  Vergleichung.  Vieles  ist  gewifs  philologisch, 
nicht  weniges  auch  naturhistorisch  von  Interesse,  so  die  Ableitung  des 
griechischen  za.(javopog  (Rentier)  von  gotisch  tarnjan,  verborgen  sein 
(Tarnkappe).  Es  wird  nämlich  bei  Plinius,  Aelian  und  in  der  »Perie- 
gesisa  des  Dionysius  dem  Ren  eine  Art  von  »Mimicry«  zugeschrieben, 
kraft  deren  es  seine  Hautfarbe  nach  Belieben  der  Farbe  der  Umgebung 
anzupassen  vermöge. 

32)  E.  Kurtz,    Tierbeobachtung    und    Tierliebhaberei    der    alten 
Griechen.     Leipzig.     Aug.  Neumann. 

Homer  widmet  dem  Hunde,  dem  Leithammel,  der  Taube,  dem  Rosse 
eigene  Verse  und  entnimmt  seine  Gleichnisse  mit  Vorliebe  der  Tierwelt. 
Ajax  wird  dem  Eber,  Paris  dem  ausgeruhten  Rosse  verglichen,  aber 
auch  den  Vergleich  mit  dem  hartnäckigen  Esel  mufs  sich  der  erstge- 
nannte gefallen  lassen.  Mit  Liebe  schildert  Euripides  den  Lauf  des  Rehs, 
und  die  Vögel,  besonders  die  Wandervögel,  erfreuen  sich  bei  den  atti- 
schen Dichtern  freundlicher  Beachtung.  Auch  in  den  hellenischen  Sprich- 
wörtern kommen  vielfach  Anspielungen  auf  Tiere  vor.  Daran  schliefst 
sich  eine  kurze  Charakterzeichnung  derjenigen  Tiere,  welche  im  Haus- 
halt des  Menschen  eine  bevorzugte  Stellung  einnehmen.  Pferd,  Hund, 
Hase  —  der  vielfach,  wie  der  moderne  Lapin,  eine  Art  von  Kinderspiel- 
zeug dargestellt  zu  haben  scheint  — ,  Hausgeflügel,  wozu  stellenweise 
auch  Kranich  und  Wachtel  gehörten,  gehören  in  diese  Kategorie,  weniger 
die  Katze,  deren  Stellung  als  offizielle  Mäusevertilgerin  im  alten  Grie- 
chenland das  Wiesel  einnahm.  Den  Hahn  schätzte  man  der  Hahnen- 
kämpfe wegen;  rhodische  und  tanagrische  Exemplare  galten  für  die  streit- 


]  26  Naturwissenschaft. 

barsten.  Auch  von  den  Cicaden  ist  öfters  die  Rede  (pompejanisches 
Mosaik).  Gute  Behandlung  der  Tiere  war  für  edlere  Naturen  selbst- 
verständlich, wenigstens  bei  den  Griechen,  denn  der  Römer  brachte  den 
Tieren  vorzugsweise  ein  mehr  praktisches  —  oft  nur  gastronomisches  — 
Interesse  entgegen. 

M.  C.  P.  Schmidt  macht  in  seiner  Anzeige  vorliegender  Schrift 
(Wochenschr.  f.  klass.  Philologie,  3.  Jahrgang)  die  treffende  Bemerkung, 
dafs  für  das  Vorhandensein  von  wirklichem  »Naturgefühl«  bei  den  Alten 
sich  unter  Umständen  bei  prosaischen  Schriftstellern  mehr  lernen  lasse 
als  bei  poetischen.    Als  Belege  werden  Pausanias  und  Curtius  angeführt. 

33)  B.  Loren tz,   Die  Taube  im  Altertum.      Würzen  1886.     Pro- 
gramm. 

I.  Die  Taube  im  allgemeinen.  Solange  das  Epos  die  griechische 
Litteratur  beherrscht,  begegnet  uns  nur  das  einzige  Wort  TziXsia,  und 
erst  bei  den  dramatischen  Dichtern  kommen  auch  andere  Taubenbezeich- 
nungen hinzu,  bei  Aeschylus  ^a^j  bei  Aristophanes  rpuycüv,  bei  Sophokles 
mpiazepd.  Aristoteles  endlich  kennt  noch  <pdrza  und  olvd:^.  Die  Natur- 
geschichte der  Tauben  war  nur  wenig  erforscht;  man  stritt  darüber,  ob 
ihnen  auch  wie  andern  Tieren  Galle  und  Milz  zukamen,  und  nur  über 
die  Begattung,  das  Legen  und  Brüten  hatte  man  genauere  Beobachtun- 
gen, wenngleich  auch  da,  man  denke  nur  an  die  bekannten  »Windeier«, 
Märchen  mit  unterliefen.  Am  meisten  befafste  man  sich  begreiflicher- 
weise mit  der  r.epiazspd,  der  coluraba  domestica.  Die  aristotelische  (pdrra 
ist  wohl  identisch  mit  (fdip  und  unterscheidet  sich  nicht  von  unserer  Rin- 
geltaube, palumbus.  olvdg  wird  mit  Hohltaube  (unsere  gröfste  Taubenart) 
identifiziert;  die  neXztdg,  dunkelfarbig  und  mit  rauhen  Füfsen,  ist  schwerer 
zu  bestimmen  und  war  anscheinend  eine  spezifisch  griechische  Spielart 
der  Felsentaube,  rpayiuv  ist  zweifelsohne  die  Turteltaube,  turtur,  und 
nuppaXcg ,  nach  Aristoteles  der  Turteltaube  feindlich  gesinnt,  dürfte  die 
indische  Papageitaube  gewesen  sein.  —  Allgemein  sah  man  in  der  Taube 
den  Typus  des  Flüchtigen  und  Furchtsamen,  des  Reinen  und  Keuschen, 
der  Sanftmut  und  Unschuld,  doch  werden  diese  Vögel  manchmal  auch 
als  unbesonnen  und  eitel  geschildert.  Die  Taubenzucht  lernten  die  Grie- 
chen von  den  Semiten,  doch  war  der  Taubenschlag,  neptazepeJjv ,  schon 
in  sehr  alter  Zeit  bekannt.  Wie  das  Taubenhaus  später  aussah,  ist  den 
Nachrichten  der  Geoponiker  zu  entnehmen;  es  war  häufig  sehr  grofs  und 
in  Einem  Schlage  befanden  sich  zu  Varros  Zeit  bis  zu  500  Stück.  Etwas 
anders  war  der  Gewahrsam  für  die  nicht  im  Hause  nistenden  Ringel- 
und  Turteltauben  eingerichtet,  denn  diese  waren  minder  leicht  zu  er- 
langen, und  es  wurde  sogar  die  Taubenfängerei  an  einzelnen  Orten, 
z.B.  in  Sparta,  von  gewissen  Leuten  {olvado&r^pai)  gewerbsmäfsig  be- 
trieben. In  der  Medizin  wurden  alle  möglichen  Teile  der  Taube  als 
Heilmittel  gegen  alle  möglichen  Krankheiten  angewandt.  Auch  Brieftauben 


Naturwissenschaft.  127 

gab  es ;  Aeliaü,  Atheoaeus  und  Plinius  berichten  von  deren  Leistungen, 
und  im  mutinensischeu  Kriege  organisierte  selbst  der  Konsul  Hirtius 
deren  Dienst  militärisch.  Im  Sprichworte  spielt  die  Taube  keine  ganz 
untergeordnete  Rolle,  und  auch  die  Kunst  nahm  von  ihr  Notiz,  so  bei 
Nestors  Becher  (Ilias  XI,  632)  und  in  einer  musivischen  Arbeit  des  Per- 
gameners  Sosus  (Pliuius,  lib.  XXXVI,  cap.  25). 

II.  Die  Taube  als  heiliges  Tier.  Ausgezeichnet  wurden  die  paphi- 
schen  und  dodoneischen  Tauben,  letztere  als  Symbol  des  wolkensarameln- 
den  und  re^^enspendenden  Zeus  (auf  grund  meteorologischer  Indizien). 
Auch  sonst  hat  dieses  Tier  im  Mythus,  sogar  im  germanischen,  eine 
eigenartige  Stellung,  sie  war  der  Unglücksvogel,  bei  den  Goten  im  be- 
sondern der  Leichenvogel. 

Auch  eine  kleine  aber  beachtenswerte  Note  zum  Jagdwesen  ist 
namhaft  zu  machen: 

34)  0.  Crusius,  ISETTIKA.    Hermes.    2 L  Band.    S.  487— 490. 

Unter  den  verschiedenen  Verfahrungsweisen,  den  Tieren  nachzu- 
stellen, nahm  der  Fang  mit  Leimruten  einen  bevorzugten  Platz  ein;  teilte 
doch  Oppian  sein  Jagdwerk  in  die  drei  Teile  xavT^yerixa,  aheortxd  und 
c^su-exä,  wovon  gerade  der  letzte  verloren  gegangen  ist.  Im  19.  Bande 
obengenannter  Zeitschrift  gab  nun  Zacher  einige  Aufschlüsse  über  dies 
Verfahren,  indem  er  sich  auf  die  Darstellungen  verschiedener  geschnit- 
tener Steine  bezog.  Genaueres  läfst  sich  nach  Crusius  noch  aus  gewissen 
antiken  Thonlampen  ersehen,  über  welche  0.  Jahn,  Birch,  C  R.  Smith 
und  Wieseler  geschrieben  haben.  Jahn  zumal  hat  in  den  Stäben,  welche 
der  beutelüsterne  Fuchs  emporhält,  Leimruten  erkannt;  sie  bestanden, 
was  neu  und  wichtig  ist,  aus  verschiedenen,  zusammengesteckten,  hohlen 
Röhren,  so  dafs  nur  das  Ende  des  obersten  Rohres  mit  Leim  bestrichen 
zu  sein  brauchte.  Einige  schwer  verständliche  Gedichte  der  »Anthologie« 
lassen  nunmehr  eine  ganz  einfache  Interpretation  zu. 

Technik  nnd  Handel  stehen  auf  unserm  Repertoire,  wie  viel  mehr 
also  die  Nautik,  welche  einerseits  eine  hoch  entwickelte  Technik,  ande- 
rerseits die  Grundlage  des  Welthandels  darstellt!  Hier  liegt  nun  ein 
Buch  vor,  welches  den  Namen  »Standard  work«  in  ungwöhnlich  hohem 
Mafse  verdienen  möchte. 

35)  A.  B reusing.  Die  Nautik  der  Alten.  Bremen  1886.    C.  Schüne- 
mann. 

Einer  kurzen  Einleitung,  in  welcher  der  Verf.  den  Widersinn  der 
Annahme,  dafs  eine  ganze  Reihe  von  Ruderbänken,  eine  über  der  an- 
deren, angebracht  gewesen  sei,  aus  physikalischen  Gründen  (Gesetze  der 
Pendelbewegung)  demonstriert,  folgen  neun  Kapitel. 

L  Schiffahrt  und  Steuermanuskunst.  Die  älteste  Schiffahrt  war 
mit  Ausschliefslichkeit  Küstenschiffahrt,  für  welche  es  einer  Steuermanns- 


1 28  Naturwissenschaft. 

kunst  im  heutigen  Sinne  nicht  bedurfte.  Man  hatte  Seelotsen,  welche 
ein  Schiff  begleiteten,  und  Hafenlotsen,  die  jenem  entgegenfuhren  und 
es  sicher  vor  Anker  brachten;  gefährliches  Fahrwasser  wurde  nach  Arriau 
nicht  selten  durch  eingerammte  Piähle  signalisiert,  und  sonst  mufste 
gegen  Untiefen  das  Ausbringen  des  Lotes  schützen.  Landmarken  waren 
in  den  der  alten  Welt  zugänglichen  Meeren  immer  sichtbar;  es  hätte 
z.B.  auf  das  schöne  Verzeichnis  solcher  Gipfelpunkte  bei  Neumann-Partsch 
(S.  148)  hingewiesen  werden  können.  Von  Leuchttürmen  dagegen  sind 
aufser  dem  Pharus  nur  diejenigen  von  Ostia  und  Ravenna  sicher  über- 
liefert. Nach  Vitruv  (lib.  V,  cap.  12)  war  man  im  Bau  guter  Häfen  schon 
ziemlich  weit  gekommen.  Auch  gab  es  Hiifsbücher,  den  späteren  »Por- 
tulanen« vergleichbar,  die  den  TzapdnXooQ,  didnXoug  und  nepcnXoug  genau 
verzeichnet  hatten  und  Notizen  über  den  Charakter  der  betreffenden 
Küste  enthielten.  Ein  solcher  aradtaanog  wird  nach  C.  Müller  für  die 
Küstenstrecke  Leptis- Karthago  mitgeteilt.  An  astronomische  Beobach- 
tungen war  auf  dem  schwankenden  Schiffe  natürlich  nicht  zu  denken, 
der  Schiffer  mufste  sich  demgemäfs  auf  die  Ermittlung  von  Kurs  und 
Distanz  beschränken.  Letzteres  freilich  war  nicht  leicht,  denn  Vitruvs 
See-Hodometer  mit  Rädergetriebe  scheinen  niemals  in  die  nautische 
Praxis  übergegangen  zu  sein,  und  so  war  die  Zeitrechnung  um  so  un- 
sicherer, als  es  bekanntermafsen  auch  an  guten  Uhren  gebrach.  Bei  tage 
richtete  man  sich,  so  gut  es  ging,  nach  dem  Stande  der  Sonne,  zur  Nacht 
zeit  nach  den  Sternen.  Auch  wurde  die  Wasserfärbuug  und  der  Wogen- 
gang als  Hilfsmittel  der  Ortsbestimmung  vermerkt,  wobei  aufgeholte 
Grundproben,  wie  auch  jetzt  noch,  zur  Unterstützung  dienen  mufsten. 
Den  Schlufs  dieses  ersten  Kapitels  macht  eine  kurze  Schilderung  der 
mathematischen  Geographie  der  Alten  und  ihrer  unvollkommenen  Wind- 
und  Strichrose,  wobei  jedoch  die  späteren  Verbesserungen  von  Tiraosthenes 
u.  s.  w.  (vgl.  Kaibel  im  20.  Bande  des  »Hermes«)  nicht  berücksichtigt  sind. 
IL  Das  Schiff.  Nahe  dem  Wasser  sind  die  Werften  {yaon^yta)  an- 
gelegt. Ein  »Holgen«  {blxög),  d.  h.  eine  aus  Erde,  Mauerwerk  oder 
Balken  hergestellte  Unterlage,  dient  zum  Heraufziehen  und  Hinablassen 
der  Fahrzeuge.  Die  rpomdela  des  Plato  und  Clemens  Alexandrinus  haben 
wir  uns  mutmafslich  als  »Stapelblöcke«  vorzustellen.  Den  Grundbalken 
des  Schiffsrumpfes  bildete  der  vierkantige  »Kiel»  {rpom'g),  der  auf  einer 
schützenden  »Bohle«  (^ikoapLo)  aufruhte.  Der  »Vorsteven«  hiefs  czeTpa, 
die  Bezeichnung  des  »Achtersteven«  ist  vielleicht  oXxsTov  gewesen,  wäh- 
rend das  »Steuerruder«  icpoXxatov  genannt  wurde.  Für  die  »Spanten« 
oder  »Rippen«  des  Schiffes  sind  allem  Anscheine  nach  verschiedene  Ter- 
mini technici  im  Gebrauche  gewesen,  zumal  ^pouy^oi^  wogegen  aaviq  die 
»Beplankung«  bedeutete.  Um  die  Spanten  an  der  Verschiebung  zu  hin- 
dern, legte  man  über  sie  einen  mit  entsprechenden  Einschnitten  ver- 
sehenen Balken,  die  dzuripa  rpomg  oder  »Kohlschwinne«.  Die  Knie  der 
beiden  Steven  waren  in   den  dazu  verwendeten  gebogenen  Wurzeln  der 


Naturwissenschaft.  1 29 

Nadelhölzer  von  selbst  gegeben.  Die  Nähte  der  Planken  kalfaterte  man 
mit  Werg,  Pech  und  Wachs  (Plinius.  IIb.  VI,  cap.  36),  aber  in  einzelnen 
Fällen  Moschiou  erzählt  es  vom  Könige  Hiero  —  wurde  die  Aufsen- 
seite  der  Schiffe  auch  durch  eine  Metallhaut  geschützt.  Das  »Vorderteilo 
hiefs  TLpöjpa^  das  »Hinterteil«  vp'jjxva,  die  »Seitenwand«  zol^og,  »Steuer- 
bord« -olyuq  uscuj^',  »Backbord«  zor/ug  e'jiüV'JiJ.og ,  die  »Bugrundung« 
Tzapzid,  das  den  Namen  des  Schiffes  tragende  Brett  r.ruyrj.  Der  »Raum« 
ist  identisch  mit  dem  griechischen  noßr)  vaug  oder  y.'j-og\  bekam  das 
Schiff  einen  »Leck«,  so  wurde  es  ')r.ipav:Xog.  Aus  den  zerstreuten  An- 
gaben über  das  Ausschöpfen  eingedrungenen  Wassers  ist  völlige  Klarheit 
nicht  zu  gewinnen,  soviel  jedoch  steht  fest,  dafs  es  keine  »Pumpen«  ge- 
geben hat.  Die  Schiffe  hatten  zum  teile  ein  auf  »Deckbalken«  (C^^a) 
ruhendes  Volldeck,  zum  teile,  wie  die  homerischen,  nur  Vorder-  und 
Hinterdeck.  Gegen  die  Mitte  hin  war  das  Schiffsdeck  regelmäfsig  etwas 
eingesenkt  und  mit  einer  »Schanze«  (txpia)  versehen.  Hinten  befand  sich 
unter  Deck  die  Vorratskammer  {xajXTirjXrj),  vorne  ein  Verschlag  für  Segel 
und  Taue,  vielleicht  auch  für  Trinkwasser  {dppavod^rjxrj^  bopuBrjxri).  Ein 
Geländer  ((fpdjpa)  pflegte  das  Verdeck  gegen  Wellenschlag  zu  .schützen. 
Die  Taue  wurden  zu  ihrer  Befestigung  um  einen  »Ständer«  {xdnrj^)  ge- 
schlungen; zum  gleichen  Zwecke  standen  am  Hafen  steinerne  »Boller« 
(XMfyCuvsg).  Die  Winden  mit  wagrechter  und  senkrechter  Welle  (»Brat- 
spill« und  Gangspill«)  wurden  arpoipsTa  und  mptrxyujyscs  zubenannt.  Am 
Hinter-^teven  brachte  man  gei'ii  Zierraten  (Drachenköpfe,  Götterfiguren)  an. 

HI.  Ballast  und  Ladung.  »Ballast«  (ip/xa)  mufste  jedes  Schiff  mit 
sich  führen,  »Ballast  einnehmen«  war  ippazc^scv.  Steine  wurden  ge- 
wöhnlich vorgezogen.  Die  »Ladung«  ((^öpTog  ä-/^i)og)  mufste  symmetrisch 
im  Räume  verteilt  und  ordentlich  festgestaut  werden;  die  den  Tiefgang 
markierende  »Ladeliuie«  bezeichnet  Hesychius  als  rdoug.  »Laden«  und 
»Löschen«  hiefs  resp.  im(popTiZ,EaB^ai  und  dnoipopzi^ea^at..  Die  Tragfähig- 
keit eines  Schiffes  wurde  nach  einem  nicht  näher  bekannten  dpipopzög 
bemessen,  wie  man  jetzt  ein  Schiff  auf  so  und  so  viel  »Lasten«  veran- 
schlagt, 

IV.  Takelung  des  Schiffes.  Nachdem  der  »Rumpf«  (ailp-'i^  axd(pog) 
vom  Helgen  abgelaufen  ist,  beginnt  der  Prozefs  der  Auftakelung.  Der 
»Mast«  (:<T-oV,  xardpziüv)  sollte  aus  einem  einzigen  Holzstücke  bestehen 
und  sich  nach  oben  zu  ein  wenig  verjüngen,  der  »Maslfufs«  {rtzapva)  war 
in  eine  »Kohlschwinnvertiefung«  {hjvög)  eingesetzt  und  konnte  sich  in 
den  rMpo.azdzo.t  um  eine  horizontale,  zur  Längsachse  des  Schiffes  normal 
gerichtete  Achse  bewegen.  Auch  war  er  zum  Niederlegen  eingerichtet, 
und  wenn  dies  geschah,  blieb  er  horizontal  in  der  cazuduxrj  (»Mastgabel« 
oder  »Mastschere«)  liegen.  Der  Mastkorb  oder  »Mars«  {xapyjjaiov)  war 
von  becherförmiger  Gestalt,  die  »Rahe«  {i.rJxpcov,  xzpala)  war  nach 
Athenaeus  ,  dessen  Angabe  durch  mehrere  Abbildungen  gestützt  wird, 
aus  zwei  Stücken  zusammengesetzt  und  endigte  in  den  »Nocken«  {dr.oxi- 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  f  1887    III  )  9 


1 30  Natiirwitisenschaft. 

pata).  Mehrere  Rahen  konnte  ein  griechischer  Mast  nicht  haben  Die 
den  Mast  haltenden  Taue  sind  die  xdhn  (»Stagtaue« ).  und  zwar 
ändern  sie  ihren  Namen  in  npöro'Mn,  wenn  sie  nach  vorne  führen,  was 
Boeckh  verkannt  hat;  den  nporovoc  entspricht  das  nach  hinten  führende 
»Bugstag«  oder  STitrovog.  Solchergestalt  sieht  sich  Bi'eusing  in  der  Lage, 
eine  durchaus  klare  und  überzeugende  Schilderung  vorn  Schiffbruche  des 
Odysseus  zu  entwerfen.  »Wanten«  oder  Strickleitern  waren  dem  antiken 
Schiffe  fremd,  wohl  aber  führte  vom  Verdeck  ins  Wasser  hinab  eine 
solche  Leiter  mit  Querhölzern  {xk^ixa^,  arunricvr]).  An  der  Rahe  hat  man 
sich  das  Segel  {laxtüv ,  latipoq)  befestigt  zu  denken,  andere  Segel  als 
dieses  grofse  Rahesegel  hatten  auch  Handelschiffe  nur  ausnahmsweise, 
Kriegsschiffe  überhaupt  nicht.  Aufgenähte  Lederstreifen  überzogen  und 
verstärkten  das  an  sich  viel  zu  schwache  Segel,  ein  Umstand,  durch 
welchen  sich  ein  schwieriger  Passus  bei  Lucian  einfach  erklärt.  Die 
dem  Segel  zum  Halte  dienenden  Taue  sind  heutzutage  »Schoten«  und 
»Halsen«,  damals  waren  es  Tiödzg  und  Tifjonuozg .  Je  nachdem  das  Schiff 
mit  einem  bestimmten  Winde  segeln  soll,  müssen  stets  auch  bestimmte 
Taue  nachgelassen  werden,  weshalb  auch  Odysseus,  um  auf  alles  gerüstet 
zu  sein,  immer  die  »Leeschote«  in  der  Hand  behält.  Tidvza  xdkov  xtvsiv 
ist  einerlei  mit  »alle  Segel  setzen«.  Wie  die  Griechen  verfuhren,  um 
das  Segel  teilweise  in  Falten  zu  legen,  ist  nicht  leicht  herauszubringen, 
weil  ihreSchiff'sterminologie  viele  mehrdeutige  Benennungen  besitzt.  Jeden- 
falls wurde  bei  sehr  heftigem  Winde  die  Rahe  auf  halbe  Masthöhe»  herab- 
gefiert«.  Die  »Brassen«  {'jnipai)  hatten  den  Zweck,  die  Rahe  um  ihre 
vertikale  Achse  zu  drehen,  die  »Toppenanten«  (c/idvrsg  ['?]  xspouXxoi) 
vermittelten  die  Bewegung  in  einundderselben  Vertikalebene.  Gröfsere 
Schiffe  waren  auch  wohl  mit  zwei  Masten,  einem  längern  und  kürzern, 
versehen,  und  dieser  letztere  hiefs  dann,  wie  Boeckh  eruierte,  larbg 
dxdrecog.  Auf  allen  Bildern  ist  dieser  Nebenmast  unter  sehr  spitzem 
Winkel  gegen  das  Vorderteil  geneigt,  ein  Segel  führte  er  nur  unter  be- 
sonders günstigen  Umständen.  Übrigens  trug  ein  Kriegsschiff",  was  Boeckh 
richtig  erkannte  und  Graser  mit  Unrecht  in  Abrede  stellte,  gar  keine 
Segel,  die  ihm  ja  bei  schnellen  Wendungen  nur  ein  schlimmes  Hindernis 
bereitet  haben  würden;  Octavian  mufste  bei  Actium  auf  die  Verfolgung  ver- 
zichten, weil  keine  Segel  aufgezogen  waren.  Selbst  der  grofse  Mast 
ruhte  während  des  Kampfes  in  seiner  Gabel,  nur  der  Vormast  blieb 
stehen  und  wirkte  wenigstens  bei  der  Verteidigung  insofern  mit,  als 
man  von  seiner  Rahe  schwere  Körper  auf  die  angreifenden  feindlichen 
Schiffe  herabstürzen  liefs.  Dem  Schiffe  eine  besondere  Geschwindigkeit 
verleihen  zu  helfen,  dazu  war  dieser  kleine  Mast  ganz  ungeeignet.  Unklar 
ist  der  Sinn  von  dprd/jiujv;  Möglicherweise  ist  darunter  eine  Vorrichtung  zu 
verstehen,  um  Gegenstände  aus  dem  Räume  auf  Deck  zu  bringen.  Das 
Vorsegel  war  im  Altertum  viereckig,  die  »Lateiner«  des  Mittelalters  hal- 
bierten  es   durch   seine  Diagonale   und  nannten  dieses  dreieckige  Segel 


l 


Naturwissenschaft.  131 

mezzana,  woraus  im  uiederdeutscbeu  »Mesan«  und  zuletzt  »Besan«  ge- 
worden ist.  Gröfsere  Kaulfahrer  der  Kaiserzeit  wai-en  noch  mit  einem 
dritten  Segel  ausgestattet,  das  am  Top  des  Hauptmastes  angebracht  war, 
die  Römer  bezeichneten  es  als  suppauum  (»Topsegel«).  Die  Zugkraft 
richtig  zu  lenken,  bediente  man  sich  der  festen  Rolle  {rpo^/ug)^  das 
»Takel«  oder  der  aus  festen  und  losen  Rollen  sich  zusammensetzende 
Flascheuzug  bewirkte  eine  erhebliche  Ersparung  von  Muskelkraft.  Das 
Befestigen  oder  »Belegen«  der  freien  Enden  des  Tauwerkes  durch  Blöcke 
(jispuvaC)  ist  unverändert  dasselbe  geblieben. 

V.  Das  Rudergeschirr.  Das  Schlagruder  (»Remen«)  heifst  bei 
Homer  ipsTfiuv,  der  Griff  xujnrj,  das  Blatt  Tir^Suv,  die  Ruderunterlage 
(»Dollbord«)  7pd<pr^^.  Das  Rückwärtsfahren  ohne  Wenden  (»über  Steuer 
streichen«)  beschreibt  sehr  deutlich  Cicero  (ad  Atticum,  XHI,  21).  Das 
Ruder  wurde  durch  einen  Lederring  {rpoTiog,  zpoircu-ijp)  am  Dollbord  fest- 
gehalten. Wenn  die  Ruderer,  wie  bei  Kriegsfahrzeugen,  unter  Deck 
safsen,  so  steckten  sie  ihre  Remen  durch  die  »Rojepforten«  {rpunrj/jLara) 
hindurch;  wie  aber  die  Sitzplätze  der  Ruderer  angebracht  waren,  das 
ist  kaum  sicher  auszumachen.  Das  Steuer  diente  zur  Lenkung  des  Schiffes; 
bei  gröfsern  Schiffen  waren  zwei  Steuerruder  im  Gebrauche,  und  es  kam 
nun  darauf  an,  das  jeweils  zweckentsprechende  zu  benützen.  So  handelt 
z.  B.  Kailides  bei  Polyaen  (V,  43) ,  indem  er  stets  dem  andringenden 
Feinde  das  gepanzerte  Vorderteil  entgegenzustellen  versteht.  Beide 
Ruder  gleichzeitig  zu  dirigieren,  war  gewifs  kein  Steuermann  imstande. 
Brauchte  man  die  Steuerremen  gerade  nicht,  so  hing  man  selbe  »aufsen- 
bords«  auf  und  band  sie  »binnenbords«  fest.  Manche  Fahrzeuge,  d/x^c- 
npujxvot  genannt,  waren  so  eingerichtet,  dafs  mau  das  Steuer  nach  Belie- 
ben an  diesem  oder  jenem  Orte  einzuhängen  vermochte,  wie  denn  über- 
haupt in  alter  Zeit  der  Gegensatz  zwischen  Vorder-  und  Hinterteil  kein 
so  scharf  ausgesprochener  war  wie  heutigen  Tages.  Jedes  Schiff  hatte 
zudem  lange  Stofstangen  {xovzuc)  an  bord,  um  anzuhalten,  fortzuschie- 
ben und  Zusammenstöfse  zu  vermeiden. 

VL  Das  Ankergeschirr.  Die  alten  Wikinger  halfen  sich  statt  der 
Anker  mit  »Senksteinen«,  welche  auch  die  ältesten  Griechen  als  euvac 
kannten,  dyxopa  war  wahrscheinlich  zuerst  nichts  anderes  als  ein  ins 
Festland  eingeschlagener  gekrümmter  Haken,  während  der  erste  wirk- 
liche Wurfauker  {^puumg)  vierspitzig  gewesen  zu  sein  scheint.  Der 
gegenwärtig  übliche  Schiffsanker  {äyxupa,  öcarofiog,  d/i^eßuXog)  soll  nach 
Strabo  von  Anacharsis  erfunden  worden  sein.  Die  »Ankerboje«  {aapydvrj) 
war  auch  den  antiken  Völkern  bekannt  und  bestand  aus  einem  mit  Kork- 
stücken gefüllten  Taugeflechte.  Die  Ankertaue  gingen  durch  Löcher  im 
Schiffskörper  (»Klüsen«.  d^Ba^;xoc)  hindurch,  und  zum  Hinablassen  des 
Ankers  war  der  »Krahnbalken«  {erMzcg)  da.  Für  gewöhnlich  verankerte 
man  das  Schiff  vom  Vorderteile  aus,  doch  gab  es  auch  ein  schönes  tak- 
tisches Seeschlacht -Manoeuvre,    welches  Arrian   uns  kennen  lehrt,    und 

9» 


1 32  Naturwissenschaft, 

dessen  Nerv  eben  im  Werten  der  Anker  vom  Hinterteile  aus  bestand. 
Galt  es,  das  Scbiff  genau  an  einem  bestimmten  Platze  festzuhalten,  so 
wurden  zwei  Anker  ausgebracht.  Diese  Anker  der  Alten  waren  jedoch 
nicht  schwer  und  widerstandsfähig  genug,  so  dafs  man  stets  deren  meh- 
rere in  Reserve  zu  halten  gezwungen  war.  Nach  Caesar  (Bell.  Gall., 
III,  13)  hätten  zuerst  die  Veneter  die  Kabeltaue  durch  eiserne  Aüker- 
ketten  ersetzt. 

VII.  Bewegung  des  Schiffes  nahe  dem  Strande.  Das  auf  dem  Lande 
{uil'ou  in:  (pa/xrJMou:)  stehende  Schiff  mag  zuhomerischer  Zeit  mit  den  blofsen 
Händen  ins  Wasser  geschoben  worden  sein  Den  Hergang  beim  Stapel- 
lauf eines  gröfsern  Schiffes  schildert  anschaulich  Apollonius  Rhodius 
(I,  367):  man  höhlte  einen  der  Breite  des  Fahrzeuges  entsprechenden 
Graben,  mit  einer  tiefern  Furche  für  den  Kiel,  aus  und  schob  nun  den 
auf  Walzen  ruhenden  Schiffskörper  mit  den  Schultern  vorwärts,  indem 
man  gleichzeitig  durch  gespannte  Taue  eiu  allzurasches  Fortschiefsen 
unmöglich  machte.  Das  Kommaudo  beim  Abstofsen  vom  Lande  hat  uns 
Lucian  aufbehalten.  Zunächst  ward  der  Landungssteg,  die  dnüßdßpa, 
weggenommen,  hierauf  lichtete  man  die  Anker.  Die  Haltetaue  (»Land- 
festen«, np'Jixvr^atd)  konnte  man  im  Momente  der  Gefahr  kappen  (Odys- 
seus  bei  den  Laestrygonen).  Die  Segel  gleich  nach  dem  Abstofsen  zu 
setzen,  war  nur  ausnahmsweise  angängig,  meistenteils  mufste  das  Schiff 
erst  durch  die  Remen  eine  Strecke  weit  fortbewegt  werden,  wie  auch 
die  Schlagruder  nach  Streichen  der  Segel  die  Annäherung  ans  Gestade 
zu  besorgen  hatten.  -/fninpaaBat  war  »auf  den  Strand  laufen« ;  wollte 
man  dies  vermeiden,  so  wendete  man  und  warf  Anker.  War  aber  ein 
längerer  Aufenthalt  beabsichtigt,  so  wurde  das  ganze  Schiff  »auf  den 
Strand  geholt«  (yewXKth). 

VIII.  Das  Blockschiff  des  Udysseus.  Die  aj^eoirj,  welche  sich  der 
Irrfahrer  auf  der  Insel  der  Kalypso  zimmerte,  war  von  je  ein  Zankapfel 
der  Gelehrten.  Ein  Flofs  kann  es  nicht  gewesen  sein,  darüber  hatte 
man  sich  geeinigt.  Nunmehr  zeigt  unser  Verf.,  wie  der  Held  mit  den 
ihm  von  der  Göttin  gelieferten  Werkzeugen  die  Balken  zuhieb  und  ver- 
band, den  Mastbaum  einpafste  und  das  »Zeug«  beschaffte.  Die  Schilde- 
rung des  Homer  verrät  gründliche  Bekanntschaft  mit  den  seemännischen 
Verhältnissen. 

IX.  Seereise  und  Schiffbruch  des  Paulus.  Um  an  einem  konkreten 
Falle  die  erläuterten  Wahrheiten  darzulegen,  gibt  der  Verf.  einen  de- 
taillierten Kommentar  zu  Kapitel  27  und  28  der  Apostelgeschichte.  Lehr- 
reich ist  insbesondere  die  Skizzierung  der  Schutzmittel,  deren  man  sich 
in  der  Nähe  der  gefahrdrohenden  Küsten  der  Insel  Kauda  bei  Kreta 
bediente. 

An  diesen  schon  so  reichen  Inhalt  reiht  sich  an  ein  sehr  sorgfältig 
gearbeitetes  »nautisches  Wörterbuch«,  ein  566  (!)  Stellen  umfassender 
»Iudex  der  Zitate«    und   eine  Erklärung  der  Zeichnungen.     Von  diesen 


Naturwissenschaft  133 

sind  15  in  den  Text  selber  eingedruckt,  und  vier  gröfsero  Blätter  am 
Schlüsse  erläutern  einzelne  im  Verlaufe  der  Darstellung  zu  näherer  Erör- 
terung gelangte  Vorkomnisse. 

Soviel  wir  sehen,  hat  das  Breusingsche  Buch  in  den  Fachblättern 
uneingeschränkte  Anerkennung  erfahren.  Man  kann  ja  wohl  einwenden, 
dafs  es  noch  manches  Bildwerk  gibt,  das  der  Verfasser  nicht  zur  Ver- 
gleichung  herangezogen  hat.  allein  sachlich  neue  Aufschlüsse  wären  hier- 
von wohl  kaum  zu  erwarten.  Einen  gleichfalls  durch  Originalität  aus- 
gezeichneten Nachtrag  zu  dem  Werke  bildet: 

36)  A.  B  reu  sing,  Nautisches  zu  Homeros.    Neue  Jahrbücher  für 
Philologie  und  Pädagogik.     133.  Band,  S.  81—90. 

Die  Ausbildung  der  Fabel  von  den  Symplegaden  erfolgte  auf 
Grundlage  der  perspektivischen  Wahrheit,  dafs  eine  enge  Durchfahrt 
vorne  und  hinten  geschlossen  erscheint,  wenn  man  sich  gerade  in  der 
Mitte  befindet.  Ebenso  ist  es  bei  den  Plankten  der  sizilischen  Meerenge 
wie  auch  bei  den  Säulen  des  Hercules  (Strabo,  III,  5).  Auch  die  Ge- 
schichte von  der  schwimmenden  Insel  des  Aeolus  mul's  einen  natürlichen 
Hintergrund  haben ;  Breusing  denkt  dabei  an  jene  bekannte  Erscheinung 
der  »anomalen«  Strahlenbrechung,  welche  bewirkt,  dafs  entfernte  Gegen- 
stände, welche  sich  über  dem  Horizonte  zeigen,  von  diesem  durch  einen 
schmalen  Luftstreifen  getrennt  erscheinen.  Das  Fragment  Pindars  bei 
Strabo  (X,  5),  wo  erwähnt  wird,  man  habe  die  Insel  Delos  in  der  Luft 
schweben  sehen,  erläutert  genugsam,  wie  man  dazu  kommen  konnte,  ein 
Eiland  als  »schwimmend«  zu  bezeichnen.  Eine  gleiche  Bewandnis  hatte 
es  vielleicht  mit  der  vr^ao^  jusrapafrj  an  der  Nilmündung. 

Ganz  und  gar  irrig  ist  die  mitunter  gehörte  Behauptung,  Homer 
habe  nur  zwei  Himmelsrichtungen  gekannt,  resp.  deutlich  unterschieden. 
Wahr  ist  nur  so  viel,  dafs  allerdings  die  Alten,  welche  nicht  auf  den 
Meridiandurchgang  der  Gestirne,  sondern  auf  die  Beobachtung  der  Äuf- 
und  Untergänge  ein  Hauptgewicht  legten,  die  Ostwestlinie  weit  mehr 
beachteten  als  die  Mittagslinie,  während  wir  es  gerade  umgekehrt  machen. 

Damit  sind  wir  von  selbst  bei  dem  letzten  Gegenstande  unserer 
Betrachtung,  dem  Handel,  angekommen. 

37)  0.  Schrader,   Linguistisch -historische  Forschungen  zur  Han- 
delsgeschichte und  Waarenkunde.     Jena  1886.     H.  Costenoble. 

Wir  führen  dieses  bedeutende  Werk  hier  an,  weil  es  den  Titel- 
worten nach  zunächst  hierher  zu  gehören  scheint.  Der  Schwerpunkt  des- 
selben liegt  jedoch,  wie  sich  bei  näherer  Einsichtnahme  ergab,  nach  der 
sprachwissenschaftlichen,  zumal  nach  der  sprachvergleichenden  Seite  hin, 
und  damit  erwuchs  für  uns  zugleich  die  Pflicht,  dasselbe  an  eine  der 
Sache  mehr  gewachsene  Berichterstattung  abzugeben. 


1 34  Naturwissenschaft. 

38)  Lieblein,  Handel  und  Schiffahrt  auf  dem  roten  Meere  in 
alten  Zeiten.    Nach  ägyptischen  Quellen.    Leipzig  1886.    J.  C  Hinrichs. 

Der  Aufpenhandel  des  Pharaonenreiches  ist  durch  zahlreiche  Zeug- 
nisse der  griechischen  Schriftsteller  konstatiert.  Weit  höher  reichen 
dagegen  die  bezüglichen  Schriftdenkmäler  des  Landes  selbst  hinauf;  ja 
die  älteste  vom  Seehandel  sprechende  Inschrift,  gefunden  unter  26  Grad 
n.  Br.  im  arabischen  Grenzgebirge,  stammt  sogar  aus  der  Zeit  der  V.  Dy- 
nastie (2700  V.  Chr,).  Der  Fundort  liegt  auf  der  alten  Karawanenstrafse 
zwischen  Koptos  und  dem  roten  Meere.  Unter  den  nun  folgenden 
Dynastien  werden  die  Inschriften  immer  häufiger  und  detaillierter;  das 
Volk,  mit  welchem  sich  jene  beschäftigen,  sind  die  »Bennu- Leute«,  die 
Vorfahren  und  Vorläufer  der  späteren  Phoenizier.  Die  lange  dauernden 
inneren  Wirren  der  nächstfolgenden  Zeit  haben  dem  Verkehr  offenbar 
grofsen  Abbruch  gethan,  denn  es  tritt  nunmehr  ein  längeres  Schweigen 
ein,  und  erst  unter  der  XI.  Dynastie  finden  wir  wieder  Aufzeichoungen 
im  Thale  Hammamat,  die  von  Arbeiten  in  den  dort  gelegeneu  Stein- 
brüchen zu  erzählen  wissen.  Unter  dem  letzten  Könige  obiger  Dynastie, 
Sanck-ka-ra  (um  2280  v.  Chr.)  berichtet  dessen  Kauzler,  dafs  er  aus- 
gesandt gewesen  sei,  um  Schiffe  nach  dem  Lande  »Pun«  zu  führen,  da 
habe  er  zunächst  Brunnen  auf  dem  Landwege  anlegen  lassen,  sei  so 
zum  Meere  vorgedrungen ,  habe  dort  Lastschiffe  bauen  lassen  und  so 
sei  es  ihm  gelungen,  die  Erzeugnisse  des  fremden  Landes  über  Kosseir 
glücklich  heimzubringen.  Auch  unter  der  XII.  Dynastie  kamen  Expe- 
ditionen nach  Pun  vor.  Die  Zeit  der  Hyksos  führt  eine  abermalige, 
längere  Unterbrechung  herbei;  um  1400  aber  erscheinen  in  einem  Tempel 
Thebens  bildliche  Darstellungen,  auf  denen  wirkliche  Meerschiffe,  in  der 
Bauart  scharf  von  den  eleganten  Nilgondeln  abstechend,  zu  sehen  sind. 
Wir  erblicken  auf  dem  zweiten  Bilde  die  Zusammenkunft  des  ägypti- 
schen Anführers  mit  dem  Fürsten  Parohu  von  Pun  und  dessen  —  ganz 
nach  Art  moderner  Negerinnen  —  unförmlich  dicker  Gemahlin  Ati.  Das 
dritte  Bild  führt  uns  in  eine  durch  ihre  eigentümliche  Flora  erkennbar 
gemachte  Landschaft  von  Pun ;  auf  dem  vierten  Bilde  werden  die  Schiffe 
beladen  und  rüsten  sich  zur  Abfahrt,  das  fünfte  zeigt  den  Vasallenfürsten 
zu  Füfsen  der  Königin  Makara,  welche  auf  dem  sechsten  den  mitge- 
brachten Tribut  mustert,  bestehend  in  Gold,  Elephanten,  Leoparden- 
feilen,  Straufseneiern,  Rindern  von  nubischem  Schlage,  Elfenbein,  Perl- 
mutter, Ebenholz,  Sykomoren  und  Weihrauch  von  Pun.  Die  Giraffe  ge- 
hörte nicht,  wie  Lepsius  annahm,  zu  den  Tributgegenständen  Puns,  son- 
dern zu  denjenigen  Äthiopiens.  Auf  dem  siebenten  Gemälde  endlich 
übergibt  Gott  Amon-Ra  der  Königin  feierlich  das  Land  Pun.  Dieses 
bleibt  nun  tributpflichtig,  es  wird  als  solches  auch  unter  der  XVIII.  und 
XIX.  Dynastie  registriert,  und  unter  Ramses  II.  sehen  wir  den  »Nagas« 
von  Pun,  was  Lieblein  mit  dem  heutigen  »Negus«  von  Habesch  identi- 
fiziert, an  religiösen  Zeremonien  teilnehmen.   Wiederum  erscheinen  unter 


Naturwissenschaft.  I35 

Ramses  III,  punische  Fürstensöhne  am  Königshofe  als  Begleiter  eiuer 
aus  ihrem  Laude,  wohiu  sie  ägyptische  Produkte  gebracht  hatte,  heim- 
kehrenden Expedition.  Die  Ptolemaeer  führten  fort,  was  die  Pharaonen 
begonnen  hatten,  und  begegneten  sich  in  ebendenselben  Zielen,  denn 
Strabo  bezeugt  ausdrücklich,  dafs  Ptolemaeus  Philadelphus  durch  Graben 
von  Brunnen  und  Strafsenbau  die  Verbindung  seines  Landes  mit  dem 
Südosten  neu  begründet  habe,  und  schildert  Koptos  neben  Mioshorraos 
als  das  grofse  Eniporinm  für  indischen,  arabischen  und  äthiopischen 
Warenbezug. 

Wo  aber  lag  nun  Pun?  Brugsch  sucht  es  im  südlichen  Arabien, 
Mariette  an  der  Küste  des  Somali-Landes,  Dümichen  spricht  sich  dafür 
aus,  dafs  es  sich  zu  beiden  Seiten  der  Babelmaudeb-Strafse  hingestreckt 
habe.  Lieblein  hält  dafür,  dafs  Pun  uranfänglich  ein  rein  asiatisches 
Land  war,  sich  aber  späterhin  allerdings  auch  nach  Afrika  hinüber  aus- 
dehnte. Es  hiefs  auch  »das  göttliche  Land«  und  nach  ihm  das  rote 
Meer  »das  Meer  des  göttlichen  Landes«.  Genauere  Nachrichten  über 
die  in  der  Stadt  Adulis  hauptsächlich  kursierenden  Handelswaren  ge- 
währt der  -  von  Fabricius  herausgegebene  —  »Periplus  des  erythraei- 
schen  Meeres«,  dessen  Angaben  durchaus  mit  dem  stimmen,  was  uns 
auch  die  hieroglyphischen  Inschriften  lehren;  nicht  minder  spricht  der 
Bericht  des  Agatharchides  dafür,  dafs  Pun,  welches  ägyptisch  »Pfort- 
land« bedeutete,  zu  beiden  Seiten  der  Meerenge  gelegen  war.  Die  Be- 
wohner sind  ohne  jeden  Zweifel  identisch  mit  den  späteren  Phoeniziern; 
Herodot  sagt  aus,  dafs  diese  letzteren  von  den  Ufern  des  erythraeischen 
Meeres  zu  ihren  späteren  Wohnplätzen  vorgedrungen  seien,  und  Lassen 
hat  diese  Aussage  gegen  Movers  vollständig  gerechtfertigt.  Auch  Lepsius 
stimmt  dieser  Ansicht  zu.  Selbst  das  Sanskritwort  Pani  scheint  auf  Pun 
(Puni,  Poeni  bei  den  Römern)  hinzudeuten. 

Indem  die  Puner  nördliche  Handelswege  aufsuchten,  konnten  sie 

1.  über  Mioshormos  und  Koptos  in  das  ägyptische  Nilthal, 

2.  auf  ebendieser  Strafse  an  die  Landenge  von  Suez, 

3.  über  den  aelamitischen  Busen  nach  Edom, 

4.  nordöstlich  an  den  persischen  Golf  und  nach  Mesopotamien 
gelangen.  Phönizische  Handelskolonien  raufs  es  in  der  Nähe  von  Koptos 
gegeben  haben,  z.  B.  Ha-Bennu,  d.  h.  »Haus  des  Phoenixvogels«.  In  Mem- 
phis durften  jene  ein  eigenes  Stadtviertel  bewohnen;  von  da  drangen  sie 
ins  Delta  ein ,  und  von  da  wieder  war  es  nicht  mehr  weit  zur  syrischen 
Küste.  Durch  den  Isthmus  von  Suez  führte  der  Kanal,  an  welchem 
Pharaonen,  Achaemeniden,  Ptolemaeer,  Caesaren  und  Kalifen  arbeiten 
liefsen ,  und  welcher  nach  Lieblein  schon  zu  Ramses'  IL  Zeit  befahrbar 
gewesen  sein  mufs.  Wahrscheinlich  war  mit  dem  Kanalbau  zuerst  unter 
Amenemha  III.  angefangen  worden.  In  der  Nähe  des  Timsah-  Sees  lag, 
wie  namentlich  auch  das  antoninische  Itinerar  beweist,  die  Stadt  He- 
roüpolis,  und  zwar  im  Westen,  und  die  Bitterseen  betrachtete  man  als 


1 36  Naturwissenschaft. 

äufsersten  Ausläufer  des  roten  Meeres.  Die  Punleute  fanden  sonach  um- 
soweniger  eine  Schwierigkeit  für  ihren  Weg  ins  Mittelmeer,  als  die  Zunge 
des  roten  Meeres  sich  damals  weiter  als  gegenwärtig  ins  Land  einbohrte. 
Im  Papyrus  Ebers  ist  ein  phönizischer  Arzt  genannt,  der  in  Byblos 
wohnte;  solche  Notizen  gewähren  Uns  ein  Bild  von  der  befolgten  Etappen- 
linie. Die  rote  Farbe,  welche  die  heilige  Schrift  den  Bewohnern  Edoms 
zuschreibt,  ist  charakteristisch  für  die  Puner,  so  dafs  es  nicht  ferne 
liegt,  an  das  Vorhandensein  punischer  Ansiedlungen  auch  im  Edomiter- 
lande  zu  denken.  Von  Elat  und  Elion-Geber,  wo  man  zuerst  festen  Fufs 
gefafst  hatte,  zogen  die  Karawanen  weiter  nach  Palaestina  und  Syrien. 
Das  »Ophir«  der  Bibel  ist  wahrscheinlich  nichts  anderes  als  Pun  gewe- 
sen, obwohl  die  Angaben  spätgriechischer  Reisender,  in  erster  Linie  des 
Kosmas  Lidopleustes,  jenes  sagenhafte  Land  mehr  ins  Innere  von  Afrika 
zu  verlegen  scheinen.  Vielleicht  ist  die  Danakilenküste  gemeint  gewesen; 
die  Danakil  nennen  sich  selbst  »Afer«,  und  als  »Afer«  sind  dieselben 
auf  den  ägyptischen  Denkmälern  verzeichnet  (Afri  der  Römer?)  Die 
Ophir- Waren  weisen  allerdings  zum  teile  auf  das  Innere,  etwa  auf  Dar- 
fur,  hin.  Was  den  oben  erwähnten  vierten  Invasionsweg  anbelangt,  so 
wird  er  vom  Verfasser  nicht  weiter  besprochen ;  dafs  Kuschiten  auf  ihm 
bis  an  den  persischen  Meerbusen  gelangt  seien,  wird  übrigens  von  Lep- 
sius  für  sehr  wahrscheinlich  gehalten.  Dieser  berühmte  Ägyptologe  hat 
selbst  den  folgenden  Satz  ausgesprochen:  »Die  Bun-Pun,  welche  uns  die 
ägyptischen  Denkmäler  kennen  lehren,  waren  die  Ur-Phoeniker,  die  in 
den  Babelmandeb -Ländern  den  ältesten  Welthandel  und  die  Kultur- 
elemente vermittelten  und,  indem  sie,  immer  Handel  treibend,  gegen 
Norden  zu  nach  dem  Mittelmeer  vorrückten,  legten  sie  in  Ägypten  und 
anderswo  verschiedene  Handelskolonien  an.« 

Dieser  Satz  des  Altmeisters  ist  durch  Liebleins  Schrift  in  ein  ganz 
neues  Licht  gerückt  und  mit  wertvollen  urkundlichen  Beweisen  versehen 
worden.  Diese  Schrift  zeichnet  sich  ebenso  durch  die  Sauberkeit  und 
die  lichtvolle  Art  der  Darstellung,  wie  auch  durch  die  Behutsamkeit  aus, 
mit  welcher  der  Verfasser  Hypothese  und  feste  Errungenschaft  ausein- 
anderhält. Das  Beweismaterial  ist  vollständig  beigebracht  und  verwertet, 
und  so  wurde  denn  auch  das  für  die  ältere  Handelsgeschichte  hochwich- 
tige Resultat  gewonnen,  dafs  es  ganz  irrig  ist,  die  Ägypter  als  ein  von 
jeher  die  Isolierung  liebendes  und  in  starrster  geographischer  Abgeschlos- 
senheit dahinlebendes,  höchstens  auf  politische  Unterdrückung  der  Nach- 
barvölker ausgehendes  Volk  zu  bezeichnen. 

39)  L.  Manzi,  II  commercio  in  Etiopia,  Nubia,  Abissinia,  Sudan 
ecc.  Dai  primordi  alla  dominazione  rausulmana.  Rom  1886.  Fratelli 
Centenari. 

Das  Buch  Manzis  schliefst  sich  seinem  Vorwurfe  nach  dem  soeben 
besprochenen  unmittelbar  an,  es  ist  jedoch  die  Absicht,  welche  der  Ver- 


I 


Naturwissenschaft.  J37 

fasser  erreichen  will,  insofern  eine  verschiedene,  als  es  sich  nicht  um 
die  Klarstellung  antiquarischer  Fragen,  sondern  um  die  aus  der  histo- 
rischen Forschung  für  gewisse  moderne  Zwecke  entfliefsenden  Nutzan- 
wendungen handelt.  Die  Veranlassung  zu  den  vom  Verfasser  unter- 
nommenen Studien  gab  nänilich  der  volkswirtschaftliche  Gedanke,  für  ita- 
lienische Exportartikel  neue  Absatzgebiete  in  Afrika  ausfindig  zu  machen. 
Es  wird  zunächst  von  den  Beziehungen  Salomos  zur  Königin  von  Saba 
gehandelt,  wobei  Saba  als  einerlei  mit  Tigre  in  Abessynien  angenommen 
wird  (?);  so  habe  dieses  Land  noch  zu  Beginn  des  XVI.  nachchristlichen 
Jahrhunderts  nach  den  Berichten  portugiesischer  Missionäre  und  italieni- 
scher Handelsleute  geheifsen  Manzi  hält  eine  Eroberung  Äthiopiens 
durch  die  arabischen  Sabaecr  für  gewifs,  welch  letztere  über  Assab  ins 
Innere  eingedrungen  sein  sollen.  Saba  I.  und  II.  (dieser  7.37  698  v.Chr.) 
seien  die  ersten  Herrscher  gewesen,  die  Hauptstadt  habe  gleichfalls  den 
Namen  Saba  geführt,  und  erst  seit  Kambyses  sei  dieser  Name  in  Meroe 
übergegangen.  Als  das  Äthiopien  der  ägyptischen  Monumente  habe  das 
jetzige  Nubien  mit  Senaar  und  Kordofan  zu  gelten;  das  mag  wohl  richtig 
sein,  allein  es  reimt  sich  mit  der  Zuteilung  des  Zwischenstromlandes 
schlecht  der  weitere  Satz  (S.  29) :  »La  frontiera  meridionale  nou  doveva 
oltrapassare  quella  parte,  dove  confluiscono  i  fiumi  Bianco  e  Azzurro.« 
Das  wäre  also  bei  Chartum. 

Der  Name  »Troglodyten«  ward  allen  Völkern  westlich  vom  süd- 
lichen Teile  des  roten  Meeres  beigelegt ;  nach  Curtius  sind  unter  diesen 
Höhlenbewohnern  zumeist  arabische  Stämme  zu  verstehen.  Noch  heute 
liebt  man  in  Assab  und  an  der  Danakilenküste  solche  Höhlenwohnungen 
(S.  17).  Mit  der  See  waren  die  Troglodyten  vertraut,  ja  sie  waren  an- 
scheinend sogar  Seeräuber,  und  erst  später  milderten  sich  unter  dem 
Einflüsse  lebhaften  Handelsverkehrs  ihre  Sitten.  Was  die  Ansicht  des 
Verfassers  betrifft,  dafs  schon  im  frühen  Altertum  italische  Völkerschaf- 
ten den  Weg  bis  ins  erythraeische  Meer  oder  doch  bis  an  die  ägypti- 
sche Küste  gefunden  hätten,  so  scheint  uns  dieselbe  etwas  zu  sehr  vom 
Patriotismus  diktiert  zu  sein.  Jedenfalls  jedoch  hatten  in  späterer  Zeit 
die  Griechen  ihr  Emporium  in  der  Delta-Stadt  Naukratis ,  deren  Stätte 
durch  die  Ausgrabungen  von  Flinders  Petrie  wiedergefunden  ist.  Auf 
dem  roten  Meere  hatte  wohl  zuerst  Eainses  III.,  der  Sesostris  der  Grie- 
chen eine  Flotte;  so  nimmt  der  Verfasser  an,  wir  aber  haben  von  Lieb- 
lein erfahren,  dafs  ägyptische  Schiffe  jenen  Golf  schon  ein  Jahrtausend 
früher  durchkreuzt  haben. 

Im  sechsten  Kapitel  seines  Buches  erörtert  Manzi  die  älteren 
Durchbohrungen  der  Landenge  von  Suez.  Ein  Kanal  mufs  bereits  unter 
der  XIX.  Dynastie  existiert  haben,  Darius  und  die  Ptolemaeer  vervoll- 
kommneten nur  die  schon  vorhandenen  Anlagen.  Die  Kenntnis  der  Rö- 
mer von  ägyptischen  und  äthiopischen  Dingen  war  im  allgemeinen  eine 
ziemlich  eingeschränkte  ;  Plinins  und  der  Manrctanier  Juba  nahmen  noch 


138  Natuiwisseaschaft. 

die  Identität  des  Nil  mit  dem  im  westlichsten  Afrika  eutspringenden  Niger 
an.  Genauer  war  über  den  Nilursprung  Ptoleraaeus  unterrichtet,  nach- 
dem freilich  schon  lange  vorher  Herodot  das  richtige  geahnt  hatte.  Als 
Schriftsteller  über  Äthiopien  werden  uns  Bion  und  Aristocreon,  Basilides 
von  Milet  und  Simonides  genannt,  allein  es  sind  das  für  uns  leider  blos 
leere  Namen.  Kaiser  Nero  sandte  eine  Expedition  zur  Erforschung  der 
Nilquellen  ab,  welche  890  Milien  jenseits  Meroes  auf  undurchdringliche 
Sümpfe  gestofsen  sein  soll.  Ptolemaeus  Philadelphus  begründete  beson- 
dere Speditionsplätze  für  den  Handel  mit  Elfenbein,  z.  B.  Ptolemais 
(Ras  Muedum).  Viele  Lokalitäten  jedoch  sind  strittig,  z.  B.  der  Sinus 
ignotus  (vielleicht  die  Bucht  von  Hawakil). 

Über  die  Art  des  äthiopischen  Ausfuhrhandels  kann  man  sich  durch 
die  Nachrichten  der  alten  Autoren  und  durch  die  Gräberfunde  ein  Ur- 
teil bilden.  In  erster  Reihe  standen  Steine  und  Steingeräte  aller  Art, 
darunter  auch  edle  Steine;  eine  gewisse  Varietät  von  Rubin  bezeichnet 
Plinius  ausdrücklich  als  äthiopisch.  Später,  in  der  Kaiserzeit,  entwickelte 
sich  ein  schwunghafter  Tierhandel  nach  Rom  und  Italien  überhaupt,  an 
welchen  viele  der  bei^  den  späteren  zoologischen  und  geographischen 
Schriftsteller  in  allzu  reicher  Menge  sich  vorfindenden  Tierfabeln  afri- 
kanischer Provenienz  gemahnen.  Daneben  wurden  auch  die  Korallen 
des  roten  Meeres,  Gewürze  und  Medizinalpfianzen  ins  Ausland  ver- 
frachtet; Arrian  nennt  uns  die  Hauptstapelorte  für  die  einzelnen  Pro- 
dukte. Weiterhin  geht  der  Verfasser  auf  die  Schicksale  des  christlichen 
Habesch  ein  und  verläfst  damit  den  von  uns  hier  einzuhaltenden  Boden ; 
nur  dessen  wollen  wir  noch  gedenken,  dafs  Justinian  einen  gewissen  Nonnus 
mit  einer  die  Anbahnung  freundlicher  Beziehungen  bezweckenden  Mission 
zu  den  Äthiopiern  schickte.  Der  Erfolg  der  Sendung  war  ein  prekärer, 
und  Nonnus  kehrte  un verrichteter  Dinge  zurück.  Der  letzte  Grieche, 
der  diese  Gegenden  selbst  sah,  war  der  ebenso  weitgereiste  als  aber- 
gläubige Kosraas  Indopleustes. 

40)   W.  Richter,    Handel    und  Verkehr  der    wichtigsten   Völker 
des  Mittelmeeres  im  Altertume.     Leipzig  1886.     E.  Seemann. 

Das  Buch  stellt  sich  dar  als  erstes  Bändchen  der  in  jenem  Ver- 
lage erscheinenden  »Kulturbilder  aus  dem  klassischen  Altertume«.  Neues 
zu  bringen,  ist  nicht  der  Zweck  des  Unternehmens,  doch  ist  das  Gege- 
bene den  besten  Quellen  entnommen  und  gut  zusammengestellt.  Es  be- 
ginnt mit  der  Handelsthätigkeit  der  Phoenizier,  alsdann  wird  die  kolo- 
nisierende Thätigkeit  der  Hellenen  im  Pontus  Euxinus  behandelt,  und 
der  dritte  Abschnitt  ist  den  griechischen  Pflanzstädten  im  allgemeinen 
gewidmet.  Es  folgt  die  Geschichte  der  Übertragung  des  gemünzten 
Geldes  aus  dem  Orient  nach  Griechenland,  woran  sich  eine  Darstellung 
der  antiken  Geld-  und  Wechselgeschäfte  reiht.  Ob  der  Verfasser  nicht 
zu  weit  geht  mit  der  Annahme,  dafs  die  griechischen  Kaufleute  wirklich 


Naturwissenschaft.  1 3g 

ihr  »Soll«  und  »Haben«  immer  auf  besondere  Blattseiten  gebucht  hätten, 
wollen  wir  dahingestellt  sein  lassen,  denn  damit  wäre  ja  schon  eine  ra- 
tionelle Buchhaltung  angebahnt  gewesen,  wie  sie  bisher  unbestritten  für 
eine  Erfindung  des  spätem  italienischen  Mittelalters  gegolten  hat.  Sehr 
ausführlich  und  ansprechend  wird  ein  athenischer  Wochenmarkt  geschil- 
dert. Hiernächst  sehen  wir  uns  von  Athen  hinübergeführt  nach  Kar- 
thago, das  mit  Rom  schon  frühzeitig  (348  v.  Chr.  nach  Mommsen)  einen 
Handelsvertrag  abgeschlossen  hatte  und  wesentlich  durch  seine  Monopo- 
lisierungstendenz den  Groll  der  andern  Republik  herausforderte.  Mit 
Alexander  und  der  Gründung  der  neu -ägyptischen  Metropole  beginnt  ein 
neues  Zeitalter  des  Weltverkehrs.  Jetzt  ist  es  möglich,  von  »Kapital- 
anlage und  Spekulationsgeschäft  der  römischen  Geldaristokratie«  zu 
sprechen.  Das  Zollsystem  Roms  war  in  seinen  Grundzügen  ein  so  ver- 
nünftiges, dafs  mancher  Staat  der  Jetztzeit  davon  lernen  könnte;  not- 
wendige Lebensbedürfnisse  waren  von  Zoll  und  Steuer  gänzlich  frei. 
Für  den  Import  sorgte  der  vom  Verfasser  eingehend  gekennzeichnete 
Grofshandel,  für  Strafsen-  und  Marktverkehr  waren  im  alten  Rom,  wie 
viele  bildliche  Darstellungen  ausweisen,  gute  Veranstaltungen  getroffen. 
Ein  Exkurs  auf  Wolle  und  Wollenmannfaktur  ist  sehr  belehrend;  korin- 
thische und  phrygische  Erzeugnisse  waren  am  meisten  gefragt.  Auch 
Handelsreisen  wurden  im  Becken  des  mittelländischen  Meeres  zahlreich 
unternommen,  obwohl  die  Seefahrt  noch  mit  manchem  jetzt  unbekanntem 
Hindernisse  zu  kämpfen  hatte,  während  zu  lande  das  vortreffliche  römi- 
sche Landstrafsensystem  seine  guten  Dienste  that.  Unseres  Dafürhal- 
tens hätte  letzteres,  zumal  soweit  es  die  Alpenstrafsen  angeht,  einer 
noch  umfassenderen  Besprechung  würdig  befunden  werden  sollen.  Zum 
Beschlüsse  wird  noch  eine  Charakteristik  des  Reichspostwesens  in  der 
Kaiserzeit  gegeben.  Viele  gute  Bilder  und  eine  allerdings  zu  kleine 
Karte  —  vielleicht  wäre  an  Stelle  letzterer  ein  römisches  Original -Iti- 
nerar  vorzuziehen  gewesen  -   sind  dem  instruktiven  Werkchen  beigegeben. 

Es  wird  niemand  wunder  nehmen,  wenn  der  nunmehr  zu  Ende  ge- 
brachte Bericht  trotz  des  emsigen  Suchens  des  Referenten  und  trotz 
der  eifrigen  Mitwirkung  der  Verlagshandlung  noch  sehr  an  Unvollstäu- 
digkeit  leidet.  In  der  Folgezeit  wird  sich  diesem  Mangel  mehr  und 
mehr  abhelfen  lassen,  besonders  wenn  die  Herren  Autoren  die  Redaktion 
oder  den  Berichterstatter  durch  Zusendung  ihrer  Schriften  resp.  von 
Separatabzügen  sonst  nicht  leicht  erhältlicher  Abhandlungen  zu  unter- 
stützen sich  bereit  finden  liefsen.  In  der  That  liegt  für  den  nächstfolgen- 
den Bericht  bereits  ziemlich  viel  Material  vor. 


Bericht   über  die   Litteratiir   des  Jahres  1886, 
welche  sich  auf  Encyklopädie  und  Methodologie 
der  klassischen  Philologie,  Geschichte  der  Alter- 
tumswissenschaft und  Bibliographie  beziehen 

(nebst  Nachträgen  zu  den  früheren  Jahren). 

Von 

Dr.  Karl  Hartfelder 

in  Heidelberg. 


Die  Arbeiten  allgemeinen  und  zusammenfassenden  Charakters  über 
unser  Gebiet  waren  im  Jahre  1886  nicht  sehr  zahlreich.  Voran  möge 
eine  Rede  stehen. 

Richard  Foerster,  Professor  der  klassischen  Altertumswissen- 
schaft. Die  Philologie  der  Gegenwart.  (Rede  zum  Antritt  des  Rektorats 
der  Königlichen  Christian-Albrecht-Universität  zu  Kiel  am  5.  März  1886). 
Kiel  1886.     Lex.  8»      25  S. 

Der  Redner,  welcher  über  die  klassische  Philologie  der  Gegenwart 
als  Wissenschaft  und  als  Gegenstand  des  akademischen  Unterrichts  spre- 
chen will,  würde  zufrieden  sein,  wenn  recht  viele  seiner  Zuhörer  seine 
Ausführungen  zwar  nicht  für  neu,  wohl  aber  für  wahr  halten  wollten. 

Verglichen  mit  dem  Stande,  welchen  die  klassische  Philologie  zur 
Zeit  August  Böckhs  aufwies,  ist  jetzt  zunächst  eine  grofse  Erweite- 
rung ihrer  Grenzen  festzustellen.  Die  Fragen,  welche  die  verglei- 
chende Sprachwissenschaft  und  ihre  jugendlichen  Töchter,  die  verglei- 
chende Religions  ,  Sitten-,  Rechts-,  Kunstgeschichte,  mit  einem  Worte 
die  vergleichende  Kulturgeschichte,  stellte,  mufsten  auch  von  der  klassi- 
schen Philologie  berücksichtigt  werden.  Insbesonders  aber  berührte  sich 
diese  mit  der  orientalischen  Philologie,  weil  man  über  die  ältesten, 
durch  Ausgrabungen  gewonnenen  Funde  künstlerischen  Charakters  Auf- 
schlufs  suchte. 

Zugleich  erweiterte  sich  die  Kenntnis  der  klassischen  Stät- 
ten: mau  denke  an  Troja,  Mykenä,  Tiryns,  Orchomenos,  Olympia,  Samo- 
thrake,  Athen,  Pergamum,  etruskische  Nekropolen,  das  römische  Forum 
und  vieles  andere.  Die  Ausgrabungen  an  diesen  Orten  förderten  zugleich 
eine  Fülle  herrlicher  Kunstwerke  zu  Tage. 


R.  Foerster,  Die  Philologie   der  Gegenwart  141 

Damit  war  verbuuden  eine  Vermehrung  der  Inschriften,  die 
zum  Teil  wichtige  Aufschlüsse  gewährten :  »Das  Corpus  der  griechischen 
Inschriften  von  Böckh  enthielt  noch  nicht  ganz  1000,  das  neue  unvollen- 
dete Corpus  inscriptionum  Atticarum  bereits  über  5700  attische  Inschrif- 
ten; im  Corpus  inscriptionum  Latinarum  sind  bisher  mehr  als  72000 
lateinische  Inschriften  bekannt  gemacht,  und  beinahe  ein  Drittel  harrt 
noch  der  Veröffentlichung.« 

Die  Litterat ur  ging  ebenfalls  nicht  leer  aus:  wenn  auch  kein 
vollständiges  bedeutendes  Litteraturwerk  zu  Tage  gekommen,  so  fanden 
sich  doch  zahlreiche  Bruchstücke  von  Alkmau,  Sappho,  Euripides,  Ari- 
stoteles u.  a. 

Die  Zahl  der  durch  alle  diese  Funde  neu  angeregten  Fragen  ist 
aufserordentlich  grofs. 

Die  Endgrenzen  der  Wissenschaft  wurden  ebenfalls  erweitert, 
indem  man  das  Mittel-  und  Neugriechische,  die  Schriftsteller  des  unter- 
gehenden Roms  etc.  heranzog  und  dadurch  neue  Beziehungen  zur  roma- 
nischen Philologie,  zur  Kirchen-  und  Rechtsgeschichte  gewann. 

Der  Erweiterung  nach  aufsen  entspricht  eine  Vertiefung  nach 
innen.  «Man  darf  der  klassischen  Philologie  der  Gegenwart  unbedenk- 
lich das  Zeugnis  ausstellen,  dafs  sie  sich  nicht  nur  viel  schwierigere  Auf- 
gaben und  höhere  Ziele  steckt,  sondern  auch  viel  entsagender  arbeitet 
als  vordem.« 

Dies  wird  nun  im  einzelnen  nachgewiesen  auf  dem  Gebiete  der 
Lautphysiologie,  Semasiologie,  Epigraphik,  Paläographie,  Editionsthätig- 
keit.  Für  die  Emendation  sind  die  Ziele  höher  gesteckt.  »Das  Inter- 
polationsgespenst, welches  lange  Zeit  umging,  ist  wenigstens  in  sehr  vie- 
len Fällen  glücklich  beschworen  worden.  Und  die  einstmalige  Panacee, 
Schwierigkeiten  einer  Stelle  dadurch  zu  heben  ,  dafs  mau  dieselben  für 
untergeschoben  erklärte,  hat  man  als  das,  was  sie  ist,  als  Scheiukur  er- 
kannt.« 

Andererseits  aber  hat  die  energische  Analyse  des  Inhalts  und 
Gedankengangs  den  Glauben  an  die  Einheitlichkeit  mancher  Werke 
für  immer  beseitigt.  »Lachmanns  Methode  ist  ein  Erbe  der  klassischen 
Philologie  geworden.« 

Auf  diesem  Wege  gelangte  man  zu  einer  wahrhaft  kritischen 
Litteratur-  und  Kunstgeschichte.  Einen  Fortschritt  in  methodi- 
scher Strenge  weisen  auf  die  historische  Kritik,  wie  die  Archäo- 
logie. »Auch  die  Mythologie,  das  Schmerzenskind  der  Philologie,  ist 
zu  guter  Letzt  zur  Mündigkeit  gelangt.«  Aber  wenn  auch  noch  manche 
wichtige  Fragen,  wie  die  Lösung  des  etruskischen  Rätsels,  ein  attisches 
Staatsrecht,  eine  historische  Syntax,  ein  griechisches  und  lateinisches 
Lexikon,  der  Zukunft  harren,  so  ist  unbestreitbar,  dafs  die  klassische 
Philologie  zu  keiner  Zeit  so  mächtige  Fortschritte  gemacht  hat. 

Im   grellsten  Gegensatz  dazu  steht  die  Thatsache,  dafs  zu  keiner 


142  Encyklopädie,  Mfthodologie  etc. 

Zeit  mehr  Klagen  über  die  Beschäftigung  mit  dem  klassischen  Altertum  laut 
wurden  als  gegenwärtig.  Ein  angesehener  junger  Philosoph  habe  seiner  vor 
kurzem  erschienenen  Geschichte  des  höheren  Unterrichtes  eine  Schlufs- 
betrachtung  beigefügt,  die  darin  gipfelt,  »dafs  er  den  Tag  nicht  mehr  ferne 
sieht,  wo  der  Unterricht  in  den  klassischen  Sprachen  vom  Gymnasium  ziem- 
lich verschwinden,  wo  Deutsch  und  Philosophie  an  deren  Stelle  treten 
werden«.  Hier  müssen  wir  übrigens  Pauisen  -  nur  dieser  kann  mit  dem 
angesehenen  jungen  Philosophen  gemeint  sein  —  gegen  Foerster  in  Schutz 
nehmen.  Das  hat  Pauisen  in  seiner  Schlufsbetrachtung  nicht  gethan.  Er 
unterscheidet  vielmehr  zwischen  Griechisch  und  Lateinisch;  für  jenes 
stellt  er  keineswegs  ein  vollständiges  Verschwinden,  sondern  nur  ein 
Fakultativwerdeu  in  Aussicht.  Derselbe  sagt  S.  780:  »(Die  Schule)  könnte 
für  die  erforderliche  Kenntnis  der  griechischen  Sprache  etwa  durch  An- 
gebot besonderer  Kurse  sorgen,  wie  es  gegenwärtig  die  Gymnasien  für 
das  Hebräische  thun;  das  eigentliche  litterarische  Studium  müfste  sie 
freilich  dem  Privatfleifs  und  dem  folgenden  Universitätsstudium  über- 
lassen; womit  übrigens  keineswegs  der  Ansicht  Ausdruck  gegeben  sein 
würde,  dafs  die  Kenntnis  der  griechischen  Sprache  nicht  sehr  viel  grö- 
fseren  Wert  und  ausgebreitetere  Anwendung  als  die  der  hebräischen 
habe.  Das  Griechische  wäre  damit  zu  der  Stellung  zurückgekehrt,  die 
es  im  vorigen  Jahrhundert  an  den  Lateinschulen  einnahm ,  nur  freilich 
mit  dem  L^nterschied,  dafs  damals  die  Künftigen  Theologen  mehr  als  die 
Hälfte,  jetzt  weniger  als  ein  Viertel  der  Schülerzahl  ausmachen.«  Vgl. 
dazu  noch  die  hohe  Anerkennung  des  Griechischen  unten  auf  S.  774. 
Bezüglich  des  Lateins  aber  ist  Pauisen  der  Meinung,  dafs  es  durchaus 
unentbehrlich  sei.  Indem  wir  diese  thatsächliche  Berichtigung  hiermit 
abschliefsen,  begnügen  wir  uns  au  dieser  Stelle  mit  der  objektiven 
Wiedergabe. 

Den  Kern  der  Klagen  über  die  klassische  Philologie  sieht  Foerster 
darin,  dafs  die  klassische  Altertumswissenschaft  an  ihrer  Bedeutung  als 
Humauitäts- Studium,  wie  Goethe  schon  sagte,  merkliche  Eiubufse  er- 
litten habe.  Diese  ist  aber  entstanden  durch  das  »Ueberwuchern  der 
Spezialisierung«,  deren  grofse  Gefahren  für  den  Beruf  des  Lehrers 
eindringlich  geschildert  werden.  Deswegen  aber  darf  der  Spezialisierung 
doch  nicht  der  Krieg  erklärt  werden,  und  ebenso  verderblich  wäre  es, 
die  philologischen  Universitätsstudieu  nur  für  den  praktischen  Zweck 
einzurichten.  Wohl  aber  soll  jeder  besonnene  Forscher  den  Blick  auf 
das  Ganze  gerichtet  halten,  und  andererseits  soll  auch  der  zukünftige 
Gymnasiallehrer  wissenschaftlich  arbeiten  lernen.  Dadurch  wird  das  Ge- 
fühl der  Schaffensfreudigkeit,  der  Sinn  für  Wahrheit  und  Wissenschaft 
geweckt. 

Als  Mittel  aber  gegen  das  Aufgehen  in  der  philologischen  Technik 
sagt  der  Verfasser:  »Lieber  alle  SpezialStudien  sei  gleichsam  als  Weihe 
ausgegossen    die  Versenkung    in    den  Geist  der  Antike,    als    den  Geist 


R.  Foerster,  Die  Philologie  der  Gegenwart.  148 

reinster  Humanität,  den  Geist  edler  Einfachheit  und  stiller  Gröfse,  tiefer 
Frömmigkeit,  besonnener  Mafshaltung ,  strenger  Zucht,  harmonischer 
Entfaltung  der  körperlichen  und  geistigen  Kräfte.  In  diesen  Geist  die 
künftigen  Lehrer  edler  dentsclier  Jugend  nicht  das  eine  oder  andere 
Mal  einzutauchen,  sondern  wirklich  einzuweihen,  muCs  das  A  und  ß  der 
Thätigkeit  des  akademischen  Lehrers  sein  und  bleiben  in  Vorlesungen, 
Uebungen,  Anweisungen,  wie  bei  festlichen  Gelegenheiten.«  Besonders 
geeignet  dazu  sind  die  Werke  der  Poesie  und  Kunst,  welche  deshalb 
den  Mittelpunkt  des  philologischen  Unterrichtes  bilden  müssen.  Daneben 
aber  soll  die  klassische  Philologie  dafür  sorgen,  dafs  ein  Teil  der  Semi- 
narübungen für  schulmäfsige  Erklärung  der  Schulschriftsteller  und  zur 
Anleitung  im  Unterrichten  verwendet  wird,  wie  dies  z.  ß.  die  Rostocker 
Seminarstatuten,  welche  von  Gottfried  Hermann  verfafst  sind,  verlangen. 
»Sie  sorge  dafür,  dafs  wenn  dann  »der  heilige  Frühling«  junger  philo- 
logischer Mannschaft  aus  dem  Heim  der  alma  mater  auszieht,  er  an 
gereifte  und  erfahrene  Lehrer  gewiesen  werde,  welche  sich  ihrer  als 
ältere  Freunde  annehmen.«  Die  klassische  Philologie  der  Gegenwart 
wendet  sich  ab  von  der  Zügellosigkeit  und  Selbstsucht  mancher  italieni- 
schen Humanisten;  »sie  glaubt,  dafs  die  Hingabe  an  die  grofsen  mensch- 
lichen Ideen  durch  die  von  Christus  gewollte  Gesinnung  verklärt  werde, 
indem  sie  erfolge  in  Demut  und  aus  Liebe,  als  dem  Abbilde  der  gött- 
lichen Liebe.« 

L.  v.  Urlichs  Grundlegung  und  Geschichte  der  klassischen  Alter- 
tumswissenschaft (Iwan  Müllers  Handbuch  der  klassischen  Altertums- 
Wissenschaft  I  S.  30 -126  b). 

Für  unsere  hier  gestellte  Aufgabe  kommt  nicht  die  »Grundlegung«, 
sondern  nur  der  zweite  Teil,  die  »Geschichte  der  klassischen  Altertums- 
wissenschaft« in  Betracht.  Zum  richtigen  Verständnis  dieses  kurzen  Ab- 
risses sind  die  für  das  Unternehmen  Iw.  Müllers  gezogenen  Grenzen  zu 
beachten,  welche  die  Vorrede  zum  ersten  Bande  in  folgende  Worte 
kleidet:  »Einerseits  gilt  es  den  verschiedenen  Anforderungen  der  Leser 
entgegenzukommen:  wissenschaftlich  ausgebildete  Philologen  wie  an- 
gehende Jünger  der  Wissenschaft  und  sonstige  Freunde  des  Altertums 
sollen  in  dem  Werk  die  gewünschte  Orientierung  und  Belehrung  finden; 
andererseits  soll  von  den  einzelnen  Disziplinen  ein  anschauliches  Bild 
nach  dem  dermaligen  Stand  der  Forschung,  wenn  auch  in  gedrängter 
Darstellung,  gegeben  worden.  Der  Ausführung  beider  Gesichtspunkte 
begegnen  unverkennbare  Schwierigkeiten.  Abgesehen  von  den  hohen 
Ansprüchen,  die  mau  an  den  stellt,  der  aus  der  gewaltig  angewachseneu 
monographischen  Litteratur  sichtend  und  ordnend  ein  überschaubares 
Ganzes  zu  gestalten  sucht,  ist  der  Mafsstab  dessen,  was  als  bekannt, 
was  als  nicht  bekannt  vorauszusetzen  ist,  was  der  blofsen  Andeutung, 
was  der  Ausführung  bedarf,  je  nach  dem  Stand  der  Kenntnisse,  mit  dem 


144  Encyklopädio,  Metliodologie  etc. 

der  Leser  an  das  Werk  herantritt,  ein  höchst  verschiedener  etc.«  Nach 
diesen  Worten  wird  niemand  in  der  Arbeit  von  Urlichs  eine  erschöpfende 
Geschichte  der  klassischen  Philologie  erwarten,  ein  Nachschlagewerk,  in 
dem  man  sich  für  alle  Fälle  Rats  erholen  kann.  Es  ist  vielmehr  eine 
Übersicht  über  den  Gang  der  Entwickehing,  in  die  nnr  so  viel  biogra- 
phisches Material  aufgenommen  wurde,  als  nötig  war,  um  die  charak- 
teristischen Richtungen  und  Züge  zu  beleuchten. 

Abschnitt  I  behandelt  »das  Altertum«.  Wir  werden  kurz  einge- 
führt in  den  Gegensatz  der  alexandrinischen  und  pergamenischen  Gram- 
matikerschule, der  Schulen  des  Aristarch  und  Krates  von  Mallos.  Der 
letztere  wurde  das  Bindeglied  zwischen  griechischer  und  römischer  Wis- 
senschaft: 159  v.  Chr.  wandert  er  nach  Rom  und  läfst  sich  daselbst  nieder. 
Unter  den  römischen  Philologen  zeichnet  sich  zunächst  M.  Terentius 
Varro  aus,  der  »als  das  Muster  eines  Philologen  dem  Umfange  seiner 
Kenntnisse  und  der  Fruchtbarkeit  seiner  vielseitigen  Schriftstellerei  nach« 
gelten  kann  (S.  33).  Didymus,  Apollonios  Dyskolos  und  Herodianos 
werden  kurz  gewürdigt.  Aus  den  Gelehrten  des  kaiserlichen  Rom  ragt 
besonders  Quintilian  hervor  mit  seinen  Büchern  de  institutione  oratoria, 
»eine  Schrift,  der  die  griechische  Litteratur  kein  gleiches  an  die  Seite 
setzen  kann«  (S.  35). 

Von  der  Schriftstellerei  der  letzten  Jahrhunderte  der  Kaiserzeit 
sagt  Urlichs,  dafs  sie  in  demselben  Grade  äufserlich  zunahm,  wie  ihr 
innerer  Wert  zurückging.  Der  Afrikaner  Martianus  Capella  und  Theo- 
derichs ausgezeichneter  Staatsmann  Cassiodorius  Senator  stehen  an  der 
Schwelle  von  Altertum  und  Mittelalter  und  wirken  bestimmend  auf  das 
letztere  ein. 

Der  zweite  Abschnitt  »das  Mittelalter«  ist  etwas  dürftig  geraten. 
Auf  nicht  ganz  zwei  Seiten  werden  uns  einige  Angaben  über  Isidorus 
von  Sevilla  (570-  636),  Alkuin,  Rhabanus  Maurus,  Beda,  auch  einige 
Byzantiner  gemacht.  Die  Armut  dieses  Kapitels  hätte  aus  dem  Werke 
von  A.  Specht  (Geschichte  des  Unterrichtswesens  in  Deutschland.  Stutt- 
gart 1885)  bereichert  werden  können.  So  lassen  sich  auch  zu  den  S.  38 
aufgezählten  lateinischen  Historikern,  die  man  im  Mittelalter  las,  noch 
manche  andere  hinzufügen. 

Inhaltsreicher  ist  Abschnitt  III:  »Die  Wiederbelebung  der  klassi- 
schen Studien,  die  italienische  Periode.«  Die  ganze  Epoche  wird  damit 
charakterisiert,  dafs  ihre  guten  Seiten,  das  Streben  nach  besserem  Latein, 
das  Aufsuchen  und  Bekanntmachen  von  alten  Handschriften  etc.  hervor- 
gehoben, zugleich  aber  bemerkt  wird,  dafs  die  Konzentrieruug  einer  phi- 
lologischen Wissenschaft  späteren  Geschlechtern  vorbehalten  geblieben. 
Nach  Petrarka,  den  berühmten  Florentiner  Humanisten,  Poggio  etc.  fin- 
den auch  weniger  bedeutende  kurze  Würdigung,  wie  der  Grieche  Ma- 
nuel Chrysoloras,  der  ältere  Guarino,  Cyriacus  oder  Ciriaco  Pizzicolli, 
der  wifsbegicrige  Kaufmann  von  Ankona,  »ein  älterer  Schlieinann«,  und 


ürlichs,  Geschichte  der  klassischen  Altertumswissenschaft.  145 

viele  andere.  Auch  der  canis  grammaticiis  Fr.  Robortelli  (1516-1566), 
der  aucli  ein  giündliclier  Hellenist  war,  ist  nicht  vergessen.  Der  Ab- 
schnitt schliefst:  »Im  ganzen  darf  man  sagen,  dafs  die  Studien  der  An- 
tike seit  dem  letzten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts  mehr  rück-  als  vor- 
wärts gingen.«  (S.  48.) 

Im  vierten  Abschnitte  »französisch- belgische  Periode«  werden  aus 
der  grofsen  Zahl  französischer  Philologen  im  16.  Jahrhundert  die  wich- 
tigsten hervorgehoben:  Dionysius  Lambinus,  der  bekannte  Gegner  der 
Scholastik  au  der  Pariser  Universität,  Wilhelm  Bude,  der  Verfasser  des 
Coniinentarius  linguae  Graecae  (I52ü),  Peter  Danes  oder  Danesius,  Adrian 
Turnebus.  sodann  die  Gelehrten  und  Buclidnicker  Stepliani  oder  Estieiine, 
ferner  das  glänzende  üreigestirn  Josef  Scaliger,  Isaak  Casanboims, 
Justus  Lipsius,  »denen  in  einigem  Abstand  als  vierter  Claudius  Salmasius 
sich  anreiht«.  Auch  die  gelehrten  Jesuiten  des  16.  und  17.  Jahrhun- 
derts, wie  l'etavius  und  Sirmond,  sind  niclit  vergessen. 

Als  Unterabteilung  des  vierten  Abschnittes  ist  »Deutschland«  auf- 
geführt, wobei  bis  auf  die  deutsche  Frührenaissance.  Männer  wie  Peter 
Luder  von  Kislau,  znrückgegriti'en  wird  Wilibald  Pnkheimer  {warum 
nicht  Pirckheimer?)  und  ein  anderer  Nürnberger,  tiartmann  Schedel,  der 
gelehrte  Koniad  Peutinger  in  Augsburg,  ein  umsichtiger  Sammler  von 
Münzen  und  Inschriften,  Konrad  Celtis,  der  Finder  der  Tabula  Peutin- 
geriana,  Desiderius  Erasmus  werden  genannt,  sowie  seine  drei  tüchti- 
gen jihilologischen  Schüler  uud  Freunde  ßeatus  Rhenanus,  Sigmund 
Gelenins  und  Heinrich  Glareanus,  von  denen  übrigens  der  fleif-.ige  Her- 
ausgeber Rhenanus  doch  derbedeutendste  sein  dürfte.  Wenn  aber  sodann 
J.  Canierarius  und  Micyllus  kurz  skizziert  werden,  so  sieht  man  nicht 
ein,  wesiialb  nicht  vor  allem  Melanchthon.  der  Lehrer  dieser  beiden  und 
vieler  andern  dazu,  gcliührend  gewürdigt  ist.  Nicht  richtig  ist  es. 
wenn  auf  S.  62  Rudolph  (warum  nicht  besser  Rudolf?)  Agricola  und 
Jakob  Wimpfejing  (so  und  nicht  Wimpheling  ist  walirsclieinlich  die  rich- 
tige Schreii)ung)  als  die  Stifter  des  Heidelberger  Humanismus  bezeichnet 
werden.  Heidelberg  hatte  schon  in  den  50er  und  60er  Jahren  eine 
humanistische  Blütezeit  erlebt:  damals  waren  Peter  Luder,  Matthias 
Widniann  von  Kemnat  und  ihre  Freunde  die  Vertreter  des  neuen  Geistes 
in  der  schönen  Neckarstadt.  Vgl.  darüber  meinen  Aufsatz:  »Heidel- 
berg und  der  Humanismus«  in  d.  Zeitschrift  f.  Allgem.  Gesch  etc.  1885. 
Heft  3,  S.  177  —  195.  —  Aber  die  späteren  deutschen  Philologen  hatten 
keine  grofse  Achtung  im  Auslande.  Der  gröfste  der  damaligen  Philo- 
logen, nämlich  Scaliger,  sagte:  Germani  liodie  valde  fatui  sunt  et  in- 
docti.  Die  Elsässer  und  Heidelberger  Philologen,  Johannes  Freinsheira 
und  seine  Schule,  schliefsen  den  Abschnitt  ab. 

Die  »niederländisch- englische  Periode«,  der  fünfte  Abschnitt,  schil- 
dert jene  Blütezeit  der  klassischen  Philologie,  welche  durch  die  Namen 
Hugo  Grotius,  Nikolaus  Heiusius,  Gronovius,  Gerhard  Joh.  Vossius  etc. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LII.   (1887.  III.)  \Q 


1 46  Geschichte  d^r  klassischen  Altertumswissenschaft. 

iü  den  Niederlanden  und  besonders  Bentley  bezeichnet  wird.  Letzterer 
ist  »der  zweite  Fürst  der  Wissenschaft«.  Kurz  läfst  sich  von  ihm  sagen: 
»Er  ist  der  erste  und  gröfste  Kritiker  gewesen  und  geblieben«  (S.  77). 
Gerühmt  werden  an  ihm  die  wunderbare  Leichtigkeit,  womit  die  scharf- 
sinnigsten Konjekturen  ihm  entströmen,  die  tiefe  Gelehrsamkeit,  die  ihn 
zum  ausgezeichnetsten  Wortkritiker  macht,  die  völlige  Beherrschung  des 
Stoffes,  vor  allem  aber  seine  neue  und  mafsgebende  Methode.  Von  seinen 
Werken  werden  besonders  hervorgehoben  seine  Epistola  ad  Millium  in 
der  Ausgabe  des  Johannes  Malala,  die  meisterhaften  Streitschriften  über 
die  falschen  Briefe  des  Phalaris  (wobei  S.  78  der  unangenehme  Druck- 
fehler »unentbehrliche«  für  »entbehrliche«  vorkommt),  die  Behandlung 
des  Kallimachus  in  der  Ausgabe  des  Graevius,  die  Ausgabe  des  Teren- 
tius  mit  den  Fabeln  des  Phädrus,  bei  dem  das  vorangedruckte  Sche- 
diasma  de  metris  Terentianis  eine  schöpferische  Leistung  war.  Gegen 
einen  solchen  Stern  (velut  Stella  inter  ignes  minores)  treten  Markland, 
Davies,  Tyrwhitt,  Porson,  Elmsley  u.  a.  weit  zurück.  Selbst  auf  die  er- 
mattete holländische  Gelehrsamkeit  wirkte  Bentleys  Einflufs  belebend  und 
reinigend  zurück:  Beweise  dafür  sind  Tiberius  Hemsterhuis,  Caspar  Lud- 
wig Valckenaer  und  David  Ruhnkenius.  Der  Schlufs  dieses  Abschnittes 
wird  durch  zwei  kurze  Mitteilungen  über  die  italienischen  und  franzö- 
sischen Philologen  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  gemacht. 

Der  sechste  Abschnitt  ist  »die  deutsche  Periode«.  Der  Verfasser 
findet,  dafs  es  keine  Anraafsung  ist,  wenn  man  der  Philologie  des  19.  Jahr- 
hunderts diesen  Namen  gebe.  Unter  dem  Einflufs  verschiedener  Um- 
stände erstarkte  die  deutsche  Philologie:  der  Wetteifer  der  jungen  Uni- 
versitäten Halle  und  Göttingen  mit  Jena  und  Leipzig,  die  Blüte  der 
Nationallitt eratur,  eine  ideenreiche  Philosophie.  Die  Namen  Lessing, 
Winckelmann,  Herder,  Goethe,  Schiller  sprechen  deutlich.  Dazu  kommt 
»das  Erbteil  der  Deutscheu,  der  Fleifs«  und  der  forschende  Ernst.  Zu- 
nächst ist  blofs  der  Fleifs  an  den  deutschen  Philologen  zu  rühmen.  Joh. 
Albert  Fabricius,  der  sächsische  Schulmann  Hederich,  dessen  Lexicon 
mythologicum  »bis  auf  die  neuere  Zeit  manchem  Archäologen  als  eine 
verschwiegene  Fundgrube  gedient  hat«,  Heusinger,  Kortte,  Damm,  beson- 
ders Joh.  Math.  Gesner  und  Joh.  Aug.  Ernesti,  von  denen  der  erstere  der 
bedeutendere  ist,  und  dessen  Schriften  nach  pädagogischen  Gesichts- 
punkten zu  beurteilen  sind.  Von  Ernesti  wird  geurteilt:  »Als  Kritiker 
flach,  in  der  Erklärung  verständig,  ist  Ernesti  lange  überschätzt  worden. 
Er  war  ein  gewandter  Latinist  und  hatte  sich  einen  guten  Begriff  der 
Latinität  aus  Cicero  gebildet;  seine  Exegese  ist  dürftig:  was  die  Hol- 
länder, unter  denen  er  Ruhnken  besonders  schätzte,  zu  viel,  das  that  er 
zu  wenig,  und  vor  der  divinatorischen  Kritik  hatte  er  eine  heilige  Scheu 
etc.«  Sein  Schüler  ist  Christ.  Gottlieb  Heyne  aus  Chemnitz,  1762  nach 
Göttingen  berufen,  der  eine  Reihe  von  Jahren  allgemein  verehrtes  Schul- 
haupt war  und  den  Ruf  des  gröfsten  deutschen  Philologen  genofs.    Die 


Urlichs,  Geschichte  der  klassischen  Allertumswissenschaft.  147 

Ausgaben  von  Vergil  und  Ilias  sind  seine  bedeutendsten  Arbeiten.  Aber 
bedeutender  als  die  Leipziger  Schule  ist  der  wunderliche  Autodidakt. 
Job.  Jak.  Reiske,  beachtenswert  als  Gräzist  und  Orientalist. 

Der  erste  Student  und  Professor  der  Philologie  war  Friedrich 
August  Wolf  aus  Haynrode  bei  Nordhausen  (1759  — 1824).  Epoche- 
machend waren  seine  Prolegomena  zur  Ilias,  welche  die  Konsequenzen 
ans  den  von  Villoison  veröfl'entlichten  Venetianischen  Homerscholien  zogen. 
Seine  Fehde  mit  seinem  ehemaligen  Lehrer  Heyne  in  den  Briefen  au 
diesen  (1797)  und  die  Fortsetzung  der  Fehde  durch  Vofs  und  Eichstädt 
veranlafste  Heine,  sich  auf  andere  Gebiete  zurückzuziehen.  Wolfs  Blüte- 
zeit ist  die  Thätigkeit  in  Halle.  »Er  hat  die  deutsche  Philologie  von 
dem  Übergewicht  der  holländischen  befreit;  er  hat  der  methodischen 
Kritik  durch  seinen  Homer  den  Weg  gewiesen;  er  hat  endlich  seine 
Bemühungen  vorzugsweise  den  edelsten  Werken  der  Litteratur  zuge- 
wendet.« (S.  101). 

Die  Darstellung  der  Geschichte  der  deutschen  Philologie  ist  sodann 
unterbrochen  durch  einen  kurzen  Überblick  (S.  101-  107)  über  die  gleich- 
zeitigen Philologen  in  den  Niederlanden  (Wyttenbach,  Hofmann -Peerl- 
kamp,  »durch  gelehrte  und  geistreiche  Hyperkritik  merkwürdig«),  Frank- 
reich (Villoison,  Boissonade,  Thurot,  Miliin  etc.),  Elsafs  (Brunck,  Schweig- 
häuser) und  England  (Porson,  Elmsley,  Gaisford,  Clinton,  Dodwell  etc.). 
Hierauf  kehrt  der  Verfasser  im  »zweiten  Abschnitt'*  wieder  zu  den 
Deutschen  zurück  (S.  107-  126  bj. 

Zu  den  Gegnern  Heynes  gehörte  sein  eigener  Schüler  Job.  Hein- 
rich Vofs  (1751 — 1826),  welcher  den  Lehrer  mit  grimmigem  Hasse  ver- 
folgte, und  der,  auch  von  seinen  dichterischen  Verdiensten  abgesehen, 
für  die  Philologie  viel  gethan  hat  (Mythologische  Briefe,  sachliche  Er- 
klärung der  Georgica,  Entdeckung  des  Lygdamus  etc.).  Doch  Heyne 
hatte  auch  dankbare  Schüler,  wie  Jacobs,  Schneider,  Thiersch  u.  a.,  die 
kurz  geschildert  werden. 

Auch  Wolf  zerfiel  mit  manchen  Schülern,  wie  z.  B.  mit  L.  Hein- 
dorf. Auf  andere  dagegen  wirkte  er  noch  lange  bestimmend  ein,  z.  B. 
Imm.  Bekker;  auch  Schleiermachers  Platostudien  waren  nicht  ohne  Wolfs 
Anregung,  wiewohl  das  Beste  daran  der  Theologe  selbst  gethan  hat. 

Wolfs  Einflufs  dauerte  auch  mittelbar  fort,  als  sich  »unter  einem 
ebenbürtigen  Nachfolger  eine  neue  philologische  Schule  gebildet  hatte«: 
Gottfried  Hermann  aus  Leipzig  (1772—1848)  war  der  gefeiertste  Lehrer 
einer  zahlreich  zusammenströmenden  Jugend,  auf  dem  Katheder  durch 
jede  Art  von  Vorzügen  glänzend,  seit  1801  auch  in  dem  engeren  Räume 
einer  philologischen  Gesellschaft  wirksam.  In  seinen  vielfachen  Fehden 
vielleicht  nicht  immer  billig,  ist  er  stets  bemüht,  die  reine  Philologie, 
wie  er  sie  anffafsfe,  vor  den  Trübungen  der  Neuerer  zu  schützen.  »In 
der  Kritik  leistet  Hermann  das  Höchste,  was  ohne  die  diplomatische 
Wertschälzuug  der  Handschriften  erreicht  werden  kann.« 

10» 


148  Geschichte  der  klassischen  Altertumswissenschaft, 

Seiu  grofser  Gegenpart  war  August  Böckh  aus  Karlsruhe  ( 1785 
bis  1867),  ein  Schüler  Wolfs  in  Halle,  der  nach  kurzer  Lehrthätigkeit 
in  Heidelbeig  1811  nach  Berlin  berufen  wurde,  das  neben  Schleiermacher 
und  Hegel  seinen  Ruhm  hauptsächlich  ihm  verdankte.  Mehr  als  50  Jahre 
als  Lehrer  thätig,  hat  er  mit  unermüdetem  Fleifse  gewirkt  und  Tau- 
senden von  Zuhörern  sein  besonnenes  Urteil  und  seine  umfassende  Ge- 
lehrsamkeit mitgeteilt.  »Man  darf  ihn  als  den  Meister  preisen,  welcher 
die  realen  Disciplineu  der  Altertumswissenschaft  auf  die  gleiche  Höhe 
mit  der  Kritik  und  Hermeneutik  gehoben  hat.«  (S.  116). 

Neben  Nicbuhr,  Eckhel,  Naeke  erhält  besonders  Gottlieb  Welcker 
(1784—1868)  eine  eingebende  und  pietätsvolle  Würdigung.  Gerühmt 
wird  sein  »Blick  auf  das  Ganze,  der  dem  sinnreichen  und  sinnenden 
Forscher  den  Beinamen  eines  weisen  Sehers  erworben  hat«.  In  seiner 
Fehde  mit  G.  Hermann  über  die  Tetralogieen  hat  er  schliefsHch  in  der 
Hauptsache  Recht  erhalten,  wie  Hermann  selbst  zugibt. 

Ebenfalls  mit  G.  Hermann  kämpfte  Karl  Ottfried  Müller  aus  Brieg 
(1797  —  1840),  Böckhs  fähigster  Schüler,  als  akademischer  Lehrer  in 
Göttingen  geliebt  und  bewundert,  Historiker  und  Philologe  zugleich,  der 
neben  dem  älteren  Lenormant  auf  dem  Kolonos  ein  würdiges  Grab  ge- 
funden, ein  Opfer  seines  glühendenden  Eifers. 

Neben  dem  bescheidenen  Göttling  finden  achtungsvolle  und  aner- 
kennende Erwähnung  Hand,  Nipperdey,  Preller,  Gruppe,  Schoell,  Lobeck, 
Meineke,  Bergk,  Ahrens,  Schneidewin,  ßamberger  u.  a.  Eine  besondere 
Bedeutung  hat  der  fiüh  verstorbene  Karl  Reisig  (1792  -  1829),  Her- 
manns genialster  Schüler,  dessen  Vorlesungen  über  lateinische  Sprach- 
wissenschaft von  Haase  herausgegeben  wurden. 

»Wenn  Reisig  nur  einen  Schüler  gebildet  hätte,  würde  man  seinen 
Einflufs  hoch  anschlagen  müssen:  Friedrich  Ritschi  aus  Grofs-Vargula 
in  Thüringen  (1806  -  1876).«  Nachdem  er  sich  1829  in  Halle  habilitiert, 
1832  aufberordentlicher  und  1833  in  Breslau  ordentlicher  Professor  ge- 
worden, wurde  er  1839  nach  Bonn  versetzt,  ging  1865  infolge  widriger 
Streitigkeiten  mit  0.  Jahn  nach  Leipzig,  ȟberall  mit  gleicher  Kraft 
und  gleichem  Erfolge  als  akademischer  Lehrer«  wirkend.  Bezüglich  des 
Streites  mit  Jahn  sagt  Urlichs  »Mit  beiden  Parteien  befreundet,  enthalte 
ich  mich  über  jenen  traurigen  Streit,  dessen  Verlauf  man  in  0.  Ribbecks 
Buche  über  seinen  Lehrer  nachlesen  mag,  eines  Urteils;  den  Entschlufs 
Ritschis,  sein  Amt  in  Bonn  aufzugeben,  darf  ich  männlich  und  mutig 
nennen.  Seine  Veidienste  um  die  Tragiker,  besonders  Aeschylos,  Plautus, 
die  Inschriften ,  die  Geschichte  der  lateinischen  Sprache,  um  das  Ver- 
ständnis des  Saturniers  etc.  werden  in  Anerkennung  dargelegt  und  zugleich 
bemerkt,  dafs  Ritschi  alles,  was  er  anfafste,  entweder  zum  Abschlufs  oder 
doch  einen  tüchtigen  Ruck  vorwärts  brachte. 

Karl  Lachmann  aus  Braunschweig  (1793—1851),  der  eine  uner- 
schütterliche Theorie  der  diplomatisch-historischen  Kritik  aufstellte  und 


Urlichs,  Geschichte  der  klassischen  Altertumswissenschaft  149 

an  mehreren  Schriftstellern  auch  ausübte;  Otto  Jahn  aus  Kiel  (1813  Ms 
1869),  der  Rivale  Ritschis,  gründlicher  Exeget  und  methodischer  Archäo- 
loge, mit  ihren  Schülern  schliefsen  die  Reihe  der  Norddeutschen  ab. 
Die  süddeutschen  Hochschulen  mit  ihren  zum  Teil  auch  aus  dem  Norden 
stammenden  Schulhäuptern  erfahren  zum  Schlüsse  noch  kurze  Würdi- 
gung: in  Bayern  Friedrich  Thiersch,  Spengel,  Döderlein,  Nägelsbach,  in 
Heidelberg  Fr.  Creuzer  und  sein  Schüler  Kayser,  in  der  Schweiz  Rremi, 
Orelli,  Köchly,  dessen  Thätigkeit  »auch  in  Heidelberg  lehrreich  und 
anregend«  war.  Eine  nur  zu  kurze  Zusammenstellung  der  Litteratur 
schlieft  das  Ganze  ab. 

Wenn  die  lebenden  Philologen,  von  denen  manche  doch  auch  schon 
einen  historischen  Namen  besitzen,  fragen,  warum  sie  fehlen,  so  erklärt 
der  Verfasser  am  Ende,  dafs  er  sich  grundsätzlich  versagt  habe.  Mit- 
lebende zu  erwähnen.  Nur  diejenigen,  deren  Thätigkeit  durch  den  Tod 
abgeschlossen,  erhielten  eine  Stelle  in  dieser  Geschichte  der  Philologie. 

Wohithuend  an  Urlichs  Darstellung  ist  die  leidenschaftslose  Ruhe, 
mit  der  das  19.  Jahrhundert  behandelt  wird.  Statt  der  Schwächen  und 
Unzulänglichkeiten  berichtet  der  Verfasser  lieber  von  den  guten  Eigen- 
schaften, die  jeder  der  Philologen  aufzuweisen  hat.  Keiner  Partei  un- 
bedingt augehörend,  seine  Fäden  nach  verschiedenen  Seiten  spinnend, 
sucht  er  in  objektiver  Weise  allen  gerecht  zu  werden. 

Was  die  Gruppierung  des  Stoffes  betrifft,  so  war  der  Gedanke, 
die  verschiedenen  Richtungen,  im  Anschlufs  an  die  litterarischen  Fehden 
Gottfried  Hermanns  zu  skizzieren,  vielleicht  nicht  sehr  glücklich.  Eine 
mehr  sachliche  Einteilung  hätte  den  Vorzug  gröfserer  Übersichtlichkeit 
gehabt.  Auch  hätten  in  verschiedenen  Perioden  die  allgemeinen  Zeit- 
und  Kulturverhältnisse,  auf  deren  Boden  die  Gelehrten  erwuchsen,  aus- 
giebiger geschildert  werden  sollen.  Es  würde  der  Darstellung  gewifs 
genützt  haben,  wenn  die  biographische  Anordnung  des  Stoffes  etwas  zu- 
rückgedrängt worden  wäre.  Die  Lektüre  des  Buches  wird  dadurch  er- 
schwert, dafs  Urlichs  vielfach  die  Einschachtelung  des  weniger  Wich- 
tigen in  das  Wichtigere  anwendet  und  dadurch  den  ruhigen  Flufs  der 
Darstellung  aufhält. 

Im  einzelnen  sind  wenig  Ausstellungen  zu  machen:  S.  58  wird 
Peter  Luder  »wunderlich«  genannt,  jedenfalls  ein  sonderbares  Prädikat 
für  den  lebenslustigen  und  leichtfertigen  Pfälzer  Humanisten.  Die  Be- 
zeichnung Elsässer  »Schulmann«  für  den  bekannten  Jakob  Wimpfeling 
(S.  62)  ist  jedenfalls  unrichtig.  Denn  Wimpfeling  hat  meines  Wissens 
nie  einer  eigentlichen  Schule  vorgestanden.  Er  hat  an  Universitäten 
gelehrt,  auch  Zöglinge  privatim  erzogen,  und  nur  seine  Theorie  bezieht 
sich  auf  die  Schule.  Sodann  könnte  man  nach  S.  62  annehmen,  der  Ver- 
fasser meine,  Rudolf  Agricola  sei  Lehrer  an  der  Universität  Heidel- 
berg gewesen.  Das  ist  bekanntlich  nicht  der  Fall.  Agricola  hat  in 
Heidelberg  gelehrt,  ohne  irgend  welche  offizielle  Beziehung  zur  Univer- 


150  Geschichte  der  klassischen  Altfitumswissenschaft. 

sität,  deren  Lehrkörper  er  nicht  angehört  hat.  —  Ein  störender  Druck- 
fehler ist  S.  119  Gottfried  für  Ottfried  Müller. 

Im  übrigen  aber  verdient  diese  knappe  Geschichte  der  Philologie 
warme  Empfehlung  Sie  erfüllt  gewifs  ihren  eigentlichen  Zweck,  d.h. 
sie  führt  schnell  und  sachgemäfs  in  den  Stoff  ein ,  wenn  auch  der  Stil 
oft  etwas  schleppend  ist. 

Dagegen  hat  die  am  Schlüsse  angehängte  Bibliographie  in  dieser 
dürftigen  Form  kaum  irgend  welchen  Wert.  Die  Mehrzahl  der  Mitarbeiter 
am  Handbuch  hat  auch  viel  reichere  und  ausgiebigere  bibliographische 
Angaben.  Aus  den  wenigen  Büchertiteln,  die  hier  ohne  rechtes  Prinzip 
zusammengestellt  sind,  läfst  sich  keine  rechte  Orientierung  gewinnen. 

Dr.  Franz  X.  von  Wegele,  Geschichte  der  deutschen  Historio- 
graphie seit  dem  Auftreten  des  Humanismus.  Auf  Veranlassung  Sr. 
Majestät  des  Königs  von  Bayern  herausgegeben  durch  die  historische 
Kommission  bei  der  Königlichen  Akademie  der  Wissenschaften.  Mün- 
chen und  Leipzig.     1885.     VH.  und  1093  S. 

Das  umfassende  Werk  ist  Band  20  der  Geschichte  der  Wissen- 
schaften, welche  die  Münchener  Akademie  veranlasst  hat,  und  deren 
19.  Band  Bursians  Geschichte  der  Philologie  ist.  Obgleich  dasselbe  unser 
Gebiet  nur  streift,  verdient  es  doch  eine  kurze  Berücksichtigung  an  dieser 
Stelle.  Manche  Abschnitte  berühren  sich  an  vielen  Punkten  mit  den 
entsprechenden  Abschnitten  bei  Bursian.  So  gibt  z.  B.  Kapitel  2  des 
ersten  Buches  (S.  30-90)  eine  Schilderung  der  historischen  Leistungen 
des  deutschen  Humanismus.  Nachdem  die  hervorragendsten  italienischen 
Historiker  humanistischer  Richtung  im  15.  Jahrhundert  vorgeführt  sind 
und  deren  Einflufs  als  ein  wohlthätiger  und  befruchtender  bezeichnet  ist, 
werden  die  deutschen  Humanisten,  soweit  sie  zu  der  Geschichte  Beziehung 
haben,  dargestellt.  Der  Verfasser  beginnt  mit  dem  Heidelberger  Huma- 
nistenkreis und  bespricht  besonders  eingehend  die  Frage  nach  jenem  bis 
jetzt  nicht  wieder  aufgefundenen  Geschichtswerk,  das  für  Kurfürst  Phi- 
lipp von  der  Pfalz  aus  den  Alten  zusammengestellt  worden  war.  Hart- 
maun  Schedel  (so  ist  S.  48  der  Druckfehler  zu  verbessern),  Johannes 
Nauclerus,  Konrad  Celtis,  Johannes  Trithemius  werden  skizziert  und  dann 
die  Bedeutuug  des  Kaisers  Maximilian  I.  für  die  deutsche  Kultur  ge- 
schildert. -  Aus  dem  zweiten  Buche  (Zeitalter  der  Gegenreformation 
und  des  Stillstandes)  sind  für  die  Geschichte  der  Philologie  von  beson- 
derem Interesse  die  Abschnitte:  die  Historiomathie  und  die  Chronologie 
(S.  344  ff.),  aus  dem  dritten  Buch  der  Abschnitt:  »die  historischen  Hilfs- 
wissenschaften« S.  542-562.  Aus  dem  letzten  Buch  ist  von  besonderer 
Wichtigkeit  die  Charakteristik  B.  G.  Niebuhrs  S.  995  ff.,  den  Wegele 
sehr  hoch  stellt:  »Als  der  eigentliche  Reformator  unserer  Gechichts- 
schreibung  gilt  B.  G.  Niebuhr.  Ihm  gegenüber  zu  treten,  heifst  das  Herz 
höher  schlagen  machen,  ihn  der  Nation  in  erschöpfendem  Mafse  in  das 


Fr.  N.  Wegele,  Goschichte  der  deutschon  Historiographie.  151 

Gedächtnis  zurückrufen  zu  dürfen ,  mag  als  eine  beneidenswerte  Aufgabe 
erscheinen.«  Selbstversändlich  hat  Wegele  für  die  mehr  philologischen 
Abschnitte  seines  Werkes  die  Arbeit  Bursiaus  eingehend  benützt. 

Immer  zahlreicher  werden  in  den  letzten  Jahren  die  Arbeiten,  welche 
sich  mit  der  Geschichte  des  Humanismus  beschäftigen.  Beginnen 
wir,  dem  Laufe  der  Geschichte  folgend,  mit  dem  italienischen  Hu- 
manismus. 

E.  Abel,   Isota  Nogarola  ( Geigers  Vierteljahrsschrift  I  323  —  355. 
440-473). 

Zu  den  bemerkenswertesten  Gestalten  der  italienischen  Renais- 
sance gehört  die  geistvolle  Isota  Nogarola,  aus  einer  der  ältesten  Adels- 
familien Ober-Italiens.  Wenn  der  Ahnherr  dieser  Familie  schon  im  Ge- 
folge Karls  d.  Gr.  nach  Italien  gekommen  sein  soll,  so  hätte  Abel  dazu 
bemerken  dürfen,  dafs  sehr  zahlreiche  Adelsfamilien  ihren  Ursprung  auf 
Karl  d.  Gr.  und  seine  Zeitgenossen  zurückführen  wollen.  Die  diplo- 
matischen Nachweise  fehlen  aber  in  der  Regel  so  vollständig,  dafs  auch 
eine  nur  oberflächliche  Prüfung  das  Luftige  solcher  Ansprüche  nachweisen 
kann.  Die  Familie  der  Nogarolas  brachte  eine  Reihe  hervorragender 
Namen  hervor:  ein  Giovanni  Nogarola  dichtete  italienische  Sonette  und 
Canzonen;  Leonardo  Nogarola,  der  Bruder  Isotas,  veröffentlichte  theolo- 
gische Schriften;  Girolamo  Nogarola  ist  ein  eleganter  lateinischer  Dichter 
etc.  Die  Männer  werden  durch  die  Frauen  des  Hauses  fast  noch  über- 
troffen :  da  sind  zu  nennen  die  gelehrte  Antonia  Nogarola  und  die  noch 
berühmtere  Angiola  Nogarola,  die  Tante  Isotas,  von  der  lateinische  Ge- 
dichte, Briefe  etc.  erhalten  sind,  ferner  Nostra,  Lucia,  Laura,  Guilia  im 
15.  und  Caterina  im  16.  Jahrhundert.  Der  gröfste  Stolz  der  Familie 
aber  sind  die  Schwestern  Zenevera  und  Isota. 

Da  der  Vater  Leonardo  früh  starb,  wurden  sie  von  ihrer  Mutter 
Bianca  erzogen,  die  mit  Cornelia,  der  Mutter  der  Graccheu,  gelegentlich 
verglichen  wurde.  Der  Unterricht  der  beiden  Mädchen  wurde  dem  Vero- 
neser  Humanisten  Martin  anvertraut,  welcher  vielleicht  Rixenius  mit 
Zunamen  geheifsen  hat.  Der  Erstlingsversuch  Isotas  im  Gebiet  der  la- 
teinischen Humanistenepistel  dürfte  ein  Brief  an  Ermolao  Barbaro  sein, 
worin  sie  ihm  zur  Erhebung  zum  apostolischen  Protonotar  Glück  wünscht. 
Der  erste  sicher  datierte  Brief  ihrer  Sammlung  ist  ein  vom  1.  Februar 
1436  datierter  Brief  des  Humanisten  Giorgio  Bevilacquas,  mit  dem  Isota 
und  ihre  Schwester  die  gleiche  geistige  Richtung  teilten.  Auch  mit  andern 
Humanisten  werden  briefliche  Verbindungen  angeknüpft,  z.  B.  mit  Giacomo 
Foscari,  dem  Sohne  des  Dogen  Francesco  Foscari,  in  Venedig,  und  dem 
berühmten  Guarino,  der  aber  im  Antworten  sich  etwas  spröd  zeigte. 

Um  so  eifriger  bemühten  sich  andere  humanistisch  gebildete  Män- 
ner, mit  den  Schwestern,  die  bald  zu  Ansehen  und  Ruhm  gelangten,  eine 
lebhafte  Korrespondenz   zu    unterhalten,    z.  B.   Girolamo  jGuarino,   der 


152  Geschichte  dps  Humanismus. 

Sohn  des  berühmten  Guarino,  der  Veroneser  Lodovico  Cendrata,  Nic- 
colo  Veniero,  Antonio  Cassario  aus  Palermo,  Feltrino  Boiardo.  Niccolo 
Barbo  u.  a. 

1438  flüchtete  Isota  vor  dem  Kriegsgetümmel  und  der  in  Verona 
wütenden  Pest  nach  Venedig,  wo  sie  drei  Jahre  im  Hause  ihres  Ver- 
wandten Antonio  Borromeo  verweilte.  Zenevera  dagegen  heiratete  1438 
Brnnoro  Gambnra.  einen  vornehmen  Brescianer,  und  verschwindet  vom 
litterarischen  Schauplatz.  In  die  Zeit  von  lo^^tas  venetianischem  Aufenthalte 
fällt  die  Korrpspondenz  mit  Damiano  dal  Rorgo.  dessen  Briefe  an  Isota 
lebens-  und  inhaltsvoller  sind   als   die  Antwortschreiben  der  Adressatin. 

1441  dürfte  Isota  wieder  nach  Verona  zurückgekehrt  sein,  und 
damit  beginnt  ein  neuer  Abschnitt  in  ihrem  Leben.  Sie  zieht  sich  von 
ihren  humanistischen  Freunden  zurück  und  widmet  sich  ausschliefslich 
theologischen  Studien  Dem  Beispiel  ihres  Bruders  Leonardo  folgend, 
hatte  sie  schon  in  früher  Jngend  Interesse  für  die  Kirchenväter  gehabt. 
Zahlreiche  Freier  aber  wies  sie  ab,  um  ganz  ihren  Studien  leben  zu 
können.  14.'iO,  im  Jahre  des  grofsen  Jubiläums,  unterbrach  sie  ihre 
Studien,  um  nach  Rom  zu  pilgern.  Hier  wurde  ihr  die  unerwartete  Ehre 
zu  teil,  vor  dem  Papste  Nikolaus  V. .  bekanntlich  einem  gebildeten  Hu- 
manisten, eine  lateinische  Rede  halten  zu  dürfen,  deren  feine  Eleganz 
die  Zuhörerschaft  entzückte. 

1451  wurde  sie  mit  Lodovico  Foscari,  dem  venetianischen  Statt- 
halter in  Verona,  bekannt.  Eine  Frucht  ihres  geistigen  Verkehrs  war 
der  Dialog  über  den  Sündetifall  Adams  und  Evas,  worin  Isota  für  Adam 
Paitei  ergreift  Die  1.563  im  Drucke  erschienene  Rezension  des  Dialogs 
ist  eine-  Fälschung,  für  einen  bestimmten  festlichen  Anlafs  zurecht  ge- 
macht. Der  Verkehr  Isotas  mit  Foscari  dauerte  (durch  Briefe)  auch 
fort,  als  dieser  Verona  verliefs. 

Später  ergab  sich  Isota  immer  mehr  religiösen  Übungen  und  Betrach- 
tungen neben  ihren  Studien,  und  nur  selten  unterbrach  sie  ihr  weltflüch- 
tiges Leben,  wie  im  Jahre  1453,  wo  sie  den  vom  Papste  zum  Bischof 
von  Verona  ernannten  Ermolao  Barbaro  mit  einem  lateinischen  Briefe 
begrüfste. 

Auf  Wunsch  eines  gewissen  Paters  Victor  de  Rosatis  hielt  Isota 
ihre  noch  erhaltene  Rede  über  den  heiligen  Hieronymus.  An  Papst 
Pins  II.  richtete  sie  zur  Zeit  des  Konzils  von  Mantua  (1459)  eine  latei- 
nische Epistel,  worin  sie  mit  begeisterten  Worten  zu  einem  Kreuzzuge 
gegen  die  Türken  aufforderte.  1461  schrieb  sie  ihren  berühmten  Trost- 
brief an  Jacobus  Antonius  Marcellus  über  den  Tod  von  dessen  achtjäh- 
rigem Sohne  Valerio.  1466  ist  sie  schon  krank  und  wahrscheinlich  bald 
nachher  auch  gestorben. 

Abel  erklärt  Isota  für  so  bedeutend,  weil  sie  unter  den  gelehrten 
und  schriftstellernden  Frauen  der  Zeit  allein  eine  prononcierte  litterari- 
sche Individualität  sei,  deren  Entwickelung  man  von  der  Jugend  bis  an 


E.  Abel,  Isota  Nogaroia.  153 

ihr  Lebensende  verfolgen  könne.  Ihre  Hauptstärke  liege  in  der  ge- 
schickten Handhabung  der  lateinischen  Form.  Wenn  ihren  Werken  auch 
kein  absoluter  Wert  beiwohne,  so  seien  dieselben  doch  von  den  Zeit- 
genossen bewundert  und  sie  selbst  um  dieselben  beneidet  worden.  Der 
Verfasser  glaubt  deshalb  Isota  Nogarola  unter  die  interessantesten  Ge- 
stalten der  Frührenaissance  einreihen  zu  müssen. 

Dieser  Aufsatz  ruht  auf  dem  soliden  Fundamente  des  folgenden 
Werkes: 

Isotae  Nogarolae  Veronensis  opera  quae  supersunt  omnia. 
Accodunt  Angeiac  et  Z^noverae  Nogarolae  epistolae  et  carmina.  Col- 
legit  Alexander  comes  Apponyi.  Edidit  et  praefatus  est  Euge- 
nius  Abel.  Vindobonae  apud  Gerold  et  socios  1886.  —  Vol.  I. 
S.  CLXXII  und  269.  Vol.  II.  S.  477. 

Graf  Apponyi.  dessen  Grofsmutter  eine  Nog.arola  war,  scheint  die 
Handschriften  aufgesucht  und  Abel  die  eigentliche  Editionsthätigkeit  be- 
sorgt zu  haben.  Der  Inhalt  der  sehr  schön  ausgestatteten  und  mit  einem 
Bilde  Isotas  versehenen  zwei  Bände  ist  folgender:  l.  Eine  lateinisch  ge- 
schriebene Vita  der  Isota  von  Abel.  S.  I  ~  CLV.  —  2.  Bericht  über  die 
Handschriften,  aus  denen  die  Ausgabe  geschöpft  ist.  Beispielsweise  seien 
genannt  ein  Codex  Vindobonensis  3481,  Veronensis  2.56,  Vaticanus  5127, 
3194,  Riccardianus  779,  Arundelianus  138,  Basileensis  T.  VIII  18,  Pari- 
sinus  8.580   u.   a.     —     3.     Isotae   Nogarolae  Codex  Epistolaris  Pars  I. 

5.  3-269,  enthaltend  den  Briefwechsel  von  1433  (-36?)  bis  1441.— 
4.  Pars  II  in  Bd.  II  mit  den  Briefen  von  1442  bis  1466.  —  5.  Isotae  No- 
garolae   de  Pari    aut   Impari  Evae    atque  Adae  Peccato   Dialogus.    — 

6.  Quaestio,  utrum  Adam  an  Eva  magis  peccaverit.  —  7.  Eiusdem  Elegia 
de  laudibus  Cyanei  ruris.  —  8.  Reden  Isotas;  Oratio  ad  Hermolanra 
Barbarum  Praesulem  Veronensem  und  Oratio  in  hiudem  beati  Hieronymi. 

An  die  Werke  Isotas  schliefsen  sich  die  litterarischen  Denkmäler 
von  zwei  anderen  berühmten  Frauen  der  Familie:  1.  Gedichte  und  Briefe 
von  und  an  Angela  Nogarola.  —   2.  Vier  Briefe  von  Zenevera  Nogarola. 

Eine  Appendix  enthält  zumeist  Schriftstücke  über  Isota  Nogarola, 
z.  B.  lo.  Marii  Philelphi  Soneti  ad  laudem  Isotae  Nogarolae,  Philippus 
Bergomensis  de  Isota  Nogarola,  ferner  Omniboni  Leonicensis  oratio  fu- 
nebris  pro  Elisabetha  de  Nogarolis  etc. 

Einige  Tafeln  mit  Faksimiles  der  benutzten  Handschriften  sowie 
ein  leider  sehr  mangelhafter  Index  der  Namen  macht  den  Schlafs  des 
sonst  verdienstvollen  und  nützlichen  Quellenwerkes.  Abel  hätte  sich  noch 
gröfseren  Dank  verdient,  wenn  er  auch  die  zahlreichen  Citate  aus  Pro- 
fanschriftstellern und  der  Bibel  nachgewiesen  hätte. 

Da  Isota  einen  ausgedehnten  Briefwechsel  mit  hervorragenden  Ver- 
tretern der  Renaissance  unterhielt,  so  ist  diese  Ausgabe  ihres  Codex 
epistolaris  eine  wichtige  Quelle   für  die  Geschichte  des  Humanismus  in 


154  Geschichte  des  Humanismus. 

Italien  während  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts.  Aus  der  Menge 
beachtenswerter  Namen  mögen  nur  einige  hervorgehoben  sein :  Omai- 
bonus  Leonicensis,  Georgias  Bevilacqua,  Jucobus  Foscarus,  Guarinus 
Verouensis,  Leonellus  Estensis.  Damianus  Burgus,  Andreas  Contrarius 
und  andere. 

Remigio  Sabbadini,  Briefe  des  Guarino  von  Verona  (Geigers 
Vierteljahrsschrift  I  103—116.     504—518.) 

Der  als  fleifsiger  Herausgeber  von  Humanistenbriefeii  bekannte 
italienische  Gelehrte  benützte  für  diese  Publikation  neben  zahlreichen 
italienischen  Handschriften  (aus  Venedig,  Mailand,  Rom,  Neapel,  Ferrara, 
Mödena)  auch  Material  aus  Münchener  Codices,  bei  dessen  Erliinguug 
ihm  A.  Wilraanns  und  Th.  Stangl  behilflich  waren.  Die  erste  Serie 
der  mitgeteilten  Briefe,  denen  Anmerkungen  mit  sachlichen  Erklärungen 
beigegeben  sind,  enthält  sechs  Nummern  von  1414  bis  1439.  Dieselben 
sind  gerichtet  an;  Viilesius,  Antonius  Corbinelli,  Thomas  aus  Fano  und 
Zeno  Othobellus,  Joann(  .s  Lamola,  Jacobus  Foscari,  Leonardo  Giustiniano 
und  Andrea  Giuliano.  Interessant  ist  besonders  Brief  Nr.  2,  worin 
Guarino  die  Ehe  gegen  Corbinelli  verteidigt:  Mulieres  magno  philoso- 
phantibus  impedimento  esse  dicis,  quod  quam  verum  sit,  uon  intellego  .  .  . 
Quodsi  hasce  propter  res  nuptias  iucrepas,  quia  laborem,  curam,  sollici- 
tudiuem  afferunt,  cave  ne  virtutem  quoque  increpare  cogaris,  und  nun 
folgen  echt  humanistische  Gründe:  auch  Cato,  Gracchus,  Scipio,  Cicero, 
Brutus,  Caesar,  Sokrates,  Solon,  Plutarch  (eine  schöne  Reihenfolge!)  seien 
Beweise  für  Guarinos  Ansicht;  denn  sie  hätten  sich,  obgleich  Ehemänner, 
im  Krieg  und  Frieden  ausgezeichnet.  Auch  Chryosoloras ,  doctissimus 
ac  prudentissimus  hac  aetate  homo,  sei  in  die  Ehe  getreten.  —  Die  zweite 
Serie  enthält  19  Briefe  Guarinos  au  Flavio  Bioudo  und  andere  Gelehrte 
von  1422—1428,  welche  die  1879  erschienene  Monographie  von  Alfied 
Masius  über  Flavio  Biondo  erfreulich  ergänzen.  Den  Schlufs  bilden 
vier  Schriftstücke  (darunter  ein  Brief  des  Flavio  Biondo),  in  denen  Nach- 
richten über  Biondos  Geschichtswerk  enthalten  sind.  —  Als  Druckfehler 
habe  ich  mir  notiert  S.  103,  Anm.  1:  in  den  Guarinos  Briefen.  S  106, 
Zeile  11  von  unten  ac  für  ae. 

Vom  italienischen  Humanismus  wurde  zunächst  der  französi- 
sche befruchtet. 

Ludwig  Geiger,  Studien  zur  Geschichte  des  französischen  Huma- 
nismus. I  Publio  Fausto  Andreiini  aus  Forli.  IL  Ein  lateinisches 
Epos  über  die  Jungfrau  von  Orleans.  III.  Tardif  als  Poggioübersetzer 
(c.  1490).  (Vierteljahrsschrift  für  Kultur  u.  Litteratur  der  Renais- 
sance I  S.  1—48.   297-322.     Nachtrag  zu  I  S.  533—539). 

Von  den  drei  Aufsätzen  kommt  hier  eigentlich  nur  der  erste  in 
Betracht,  insofern   ei   einen  Humanisten  behandelt,    der  auch  als  Lehrer 


! 


L.  Geiger,  Studieu  zur  Geschichte  des  franz    Humanismus.  155 

aufgetreten  ist.  Public  Fausto  Andreiini  wurde  1450  zu  Forli  geboren 
und  studierte  zuerst  in  Bologna  Jurisprudenz  als  Zwangswissenschaft, 
während  ihn  seine  Neigung  zu  den  Humaniora  zog.  Früh  kam  er  nach 
Rom,  wo  er  der  Schüler  des  Pomponio  Leto  wurde  und  bald  die  Dichter- 
krone erlangte.  Hier  begann  er  auch  zu  lehren;  1488  ging  er  nach 
Paris  und  wurde  1489  Professor  der  Rhetorik  und  Poesie  an  der  Uni- 
versität. Geiger  bespricht  nun  die  lateinischen  Gedichte  Andrelins,  auch 
die  ungedruckten,  welche  sich  in  einer  Pariser  Handschrift  finden.  Sein 
Streit  mit  Baibus,  in  dem  sich  auch  deutsche,  besonders  Elsässer  Hu- 
manisten ereiferten,  findet  eingehende  Darlegung.  Von  den  Deutschen 
war  Beatus  Rhenanus  nahe  mit  Andreiini  befreundet;  Sebastian  Murrho 
d.  J.,  Ottmar  Nachtigall  (Luscinius)  und  Matthias  Ringmann  genossen 
seinen  Unterricht.  Gegen  die  Urteile  des  Erasmus  über  Andrejini  wer- 
den Bedenken  geäufsert.  Dessen  Bedeutung  wird  hauptsächlich  in  den 
Anregungen  gesucht,  die  er  auf  eine  zahlreiche  Zuhörerschaft  ausübte: 
»er  war  ein  begeisterter  Freund  des  Altertums,  ein  eifriger  Verehrer 
der  Dichtkunst,  ein  thätiger  Lehrer,  dem  die  aus  allen  Ländern  nach 
Paris  strömende  Jugend  mit  Begierde  lauschte.  Das  eine  Verdienst 
bleibt  ihm  unbestritten,  dafs  er  den  Eifer  für  das  Studium  des  Alter- 
tums in  vielen  entzündet  und  dafs  er  längere  Zeit  allein,  später  in  Ge- 
meinschaft mit  andern,  wacker  und  unermüdet  die  Sache  des  Humanis- 
mus verteidigte.« 

Bonaventure  Des  Periers,  Sa  vie,  ses  poesies  par  Adolphe 
Chene  viere,  docteur  de  la  facult6  des  lettres  de  Paris.  Paris,  Plön. 
1886.     S".     H  und  261  S. 

Dieses  Buch,  das  ein  Stück  französischer  Litteratur-  und  Kultur- 
geschichte enthält,  behandelt  seinen  Stoff  in  vier  Teilen:  Biographie 
S.  1  104,  Poesies  S.  105—157,  Prosodie  de  Des  Periers  S.  159—172, 
La  langue  poetique  de  Des  Periers,  Grammaire  et  Syntaxe  S.  173  215. 
Daran  schliefst  sich  ein  französisches  Glossar  zum  Verständnis  der  be- 
sprochenen Dichtungen  S.  215—229  und  der  Nachtrag  S.  260  -  261.  Eine 
Bibliographie  du  recueil  des  oeuvres  S.  231  —  239,  eine  Appendix  über 
Les  discours  non  plus  melancoliques  que  divers  (Poitiers  1557),  welches 
seltene  Buch  Charles  Nodier  ebenfalls  auf  Des  Periers  zurückführen 
wollte,  und  ein  Verzeichnis  der  Eigennamen  beschliefst  die  Schrift.  — 
Nach  der  Meinung  des  Verfassers  ist  das  Geburtsjahr  Des  Periers  nicht 
1498,  wie  auf  einer  Tafel  des  angeblichen  Geburtshauses  zu  Arnay-le- 
Duc  steht,  sondern  c.  1510.  Des  Periers  spielt  dann  eine  Rolle  durch 
seine  Beziehungen  zur  bekannten  Margareta  von  Navarra.  Für  die  Ge- 
schichte der  Philologie  würde  er  noch  wichtiger,  wenn  er  der  Verfasser 
der  oben  erwähnten  Discours  wäre,  die  z.  B.  unter  anderm  folgende 
Kapitel  enthalten:  De  nos  historiens  qui  cherchent  l'origine  des  Gaulois 
et  des  Frangois;   Histoire  d'Hercule,  Pyrene,  Böbrix,  Brettan,   Celtine, 


156  Geschichte  des  Humanismus. 

Gelte,  Gaule  celtique;  Du  nom  de  la  riviere  d'Arar,  qui  s'appelle  au- 
jourd'hui  la  Saöne  etc.  Aber  Cheneviere  hält  die  Verfasserschaft  Dos 
Periers  für  unwahrscheinlich  und  glaubt  das  Buch,  wenigstens  teilweise, 
Vinet  und  Peletier  zusprechen  zu  müssen  (S.  247). 

fitudes  historiques  sur  le  XVIe  et  le  XVIIe  siecle  en  France 
par  Gabriel  Hanotaux.  Paris.  Librairie  Hachette  et  C*«-  1886.  8°. 
Vll  und  350  S. 

Von  diesem  Buche,  welches  aus  einzelnen,  für  Tagesblätter  ge- 
schriebenen Aufsätzen  erwachsen  ist,  kommt  für  uns  eigentlich  nur  das 
letzte  Kapitel:  »L'enseignement  public  en  France  avant  1789«  in  Betracht. 
Dasselbe  zerfällt  in  die  Abschnitte:  L'enseignement  primaire,  le  maitre 
d'ecole,  l'enseignement  secondaire  —  les  Colleges  de  jesuites.  Der  Ver- 
fasser, welcher  frei  ist  von  einseitiger  kirchlicher  Befangenheit,  schildert 
mit  französischer  Eleganz  den  Gang,  welchen  der  Unterricht  in  Frank- 
reich genommen  hat.  Von  der  Bildung  des  Mittelalters  hält  er  trotz  der 
Paradoxen  eines  M.  Simeon  Luce  nicht  viel.  Er  sieht  erst  in  der  Re- 
naissance den  Anfang  einer  besseren  Zeit:  »Qui  niera  la  barbarie  du 
moyen  äge?  Les  paradoxes  de  M.  Simeon  I^uce  ne  feront  pas  que 
l'^poque  des  Montfort  ou  des  Jean  le  Bon  ait  ete  le  siecle  des  lumieres. 
La  Renaissance,  malgre  tout,  reste  la  Renaissance,  et  nous  pouvons  dire 
que  c'est  avec  la  Reforme  que  se  propagea  le  premier  mouvement  favo- 
rable  ä  l'education  des  classes  inferieures.«  (S.  344.)  Luther  erhält  ein 
kurzes  Wort  der  Anerkennung;  das  bildungsfreundliche  Streben  des  Pro- 
testantismus wird  als  durch  seine  Entstehung  begründet  nachgewiesen: 
C'est  par  les  livres.  c'est  par  la  lecture,  c'est  par  les  ecoles  que  le  pro- 
testantisme  s'etablit.  Les  pays  protestants  prirent  des  lors,  en 
fait  d'instruction  primaire,  une  avance  qu'ils  ont  conservee 
jusqu'ä  nos  jours.  Doch  auch  die  Katholiken  blieben  nicht  zurück, 
und  besonders  das  Konzil  zu  Trient  verlangte  energisch  die  Einrichtung 
von  Schulen  und  die  Bestellung  von  Lehrern.  Immer  aber  bleibt  der 
Aufschwung  des  Unterrichts  mit  dem  Erscheinen  des  Protestantismus  ver- 
bunden. Die  Protestanten  unterrichteten,  um  anzugreifen,  die  Katho- 
liken, um  sich  zu  verteidigen.  Die  Art  und  Weise,  wie  die  katholische 
Kirche  sich  während  des  16.  Jahrhunderts  in  Frankreich  in  den  Besitz 
der  Schule  zu  setzen  suchte,  wird  durch  eine  Episode  zwischen  dem  Erz- 
bischof von  Cambrai  und  der  Stadt  Valeuciennes  veranschaulicht,  wobei 
S.  318  der  sinnzerstörende  Druckfehler  1504  in  1564  zu  verbessern  ist. 
Der  Verfasser  kommt  zu  dem  Resultat,  dafs  trotz  des  grofsen  Einflusses 
des  Jesuitenordens  der  Geist  Frankreichs  nicht  jesuitisch  geworden  ist: 
II  y  a  chez  nous  un  ressort,  une  gaiete,  une  bonne  humeur  gouailleuse 
qui  est  comme  la  reserve,  la  ressource  de  la  liberte.  L'ironie,  l'epi- 
gramme   moqueuse   eclatant  tout  ä  coup,    deroutent  le  saint  homme  et 


Is.  üri,  FranQois  Guyet.  157 

le   decouvrent.     L'ennui  aussi   et   le  pedantisme  le   perdent.     Oa  n'est 
pas  gai,  quand  on  ment  etc. 

Un  cercle  savant  au  XVII«  siecle.  Frangois  Guyet  (1575  —  1655) 
d'apres  des  documeiits  inedits  parlsaacüri  ancien  eleve  de  la  facuUe 
des  lettres  de  Paris,  agrege  de  l'universite.  docteur  es  lettres.  Paris. 
Librairie  Hachette  et  C«    1886.     XI  und  264  S. 

Die  Eugene  Benoist  gewidmete  Schrift,  welche  auch  unter  dessen 
und  Alfred  Croisets  Auspizien  gearbeitet  zu  sein  scheint,  ruht  auf  dem 
Fundamente  einer  ausgedehnten  Belesenheit,  die  neben  zahlreichen  am 
Anfange  verzeichneten  Druckschriften  auch  Manuscripte  der  National- 
bibliothek (besonders  Briefsammlungen),  des  Archivs  des  College  de  ßour- 
gogne.  des  Archivs  von  Angers  und  die  im  Britischen  Museum  befind- 
lichen adversaria  literaria  von  Ismael  Bullialdus  benutzte. 

Die  Einleitung  »Un  cercle  savant  au  XVII  ^  siecle«  S.  1—63  ver- 
sucht es,  den  Untergrund  zu  zeichnen,  aus  dem  Fr.  Guyet  emporgewach- 
sen ist.  Nur  so  begreife  man  die  Bedeutung  dieses  grofsen  Philologen, 
»qui  est  plus  d'une  fois  cite  par  les  philologues  allemands«.  Ohnedies 
sei  dieser  Abschnitt  der  französischen  Gelehrtengeschichte  so  gut  wie 
unbekannt:  nous  nous  y  sommes  arrete  d'autant  plus  volontiers  que  nous 
avons  rencontre  lä  un  coin  absolument  inexplore  de  l'histoire  de  l'eru- 
dition  en  France.  Unter  deu  Quellen  S.  3  war  neben  Bernhardy  jeden- 
falls auch  zu  erwähnen:  G.  Voigt,  Die  Wiederbelebung  des  classischen 
Altertums  oder  das  erste  Jahrhundert  des  Humanismus  (Berlin  1880  und 
1881,  2  Bände). 

In  der  Skizze  der  philologischen  Entwickelung  vor  Guyet  wird  zu- 
nächst geschildert,  wie  die  Philologie  in  Italien  geboren  wurde.  Methode 
aber  kam  erst  mit  Bude  und  Turnebe.  Mit  Denis  Lambin  beginnen 
sodann  die  beachtenswerten  Ausgaben  lateinischer  Schriftsteller:  Le  Cice- 
ron,  le  Lucrece,  le  Piaute  de  Lambin  sont  restes  des  modeles  du  genre. 
Gelegentlich  J.  Just.  Scaligers  wird  auch  Bernhardys  und  Bursians  Ur- 
teil angeführt.  Sodann  werden  wir  belehrt  über:  Le  Cabinet  Du  Puy, 
Jacques  de  Thou,  Claude  Du  Puy,  les  freres  Du  Puy  etc  Im  ganzen 
aber  erhält  dieser  Gelehrtenkreis  von  1600  —  1650  kein  günstiges  Urteil 
von  rein  philologischem  Stanpunkt  aus.  Bei  der  aesthetisierenden  Art, 
das  Altertum  zu  behandeln,  entfernte  man  sich  von  der  guten  Tradition 
eines  Scaliger,  Causaubonus  und  Turnebus.  Man  folgte  darin  nur  dem 
Einflufs  der  Jesuitencollegia:  on  chercha  moins  ä  eclairer,  par  une  dis- 
cussion  approfondie  des  textes,  les  teraoignages  des  anciens  qu'ä  faire 
sentir  les  beautes  de  leur  style. 

Zu  dem  Kreise  der  Du  Puy  gehörte  auch  Frangois  Guyet  (Uri 
entscheidet  sich  für  diese  Schreibweise  und  gegen  Guiet),  der  1575  in 
Angers  geboren  wurde.  Der  Geburtsort  war  trotz  archivalischer  Nach- 
forschungen nicht  festzustellen.    Die  Guyets  waren  eine  der  ältesten  und 


158  Geschichte  des  Humanismus. 

angeseheusteu  Familien  in  Anjou.  In  früher  Jugend  verlor  Frangois 
seine  Eltern  nnd  kam  unter  Vormünder,  welche  ihn  um  sein  ohnehin 
schon  bescheidenes  Vermögen  vollends  betrogen.  Über  die  ersten  25  Jahre 
des  grofsen  Philologen  weifs  man  sonst  beinahe  nichts.  1599  entschlofs 
er  sich  nach  Paris  zu  gehen,  wo  er  eine  ganze  Gesellschaft  von  Gelehrten 
und  Bibliotheken  mit  kostbaren  Handschriften  fand,  besonders  aber  das 
Haus  des  Präsidenten  de  Thou ,  in  dem  unter  Leitung  von  Pierre  und 
Jacques  Du  Piiy  sich  die  ausgezeichnetsten  Köpfe  zusammenfanden;  hier 
schuf  sich  der  junge  Philologe  bald  eine  geachtete  Stellung:  il  piit 
aussi,  gräce  ä  ses  grandes  qualites,  se  creer  dans  cette  societe  des 
amities  puissantes  et  acqu^rir  une  influence  qui  devait  grandir  de  jour 
en  jour. 

Aber  bald  ging  er  auf  Reisen,  besuchte  Italien,  wo  er  in  den  Buch- 
laden und  Akademien  schnell  heimisch  wurde,  ferner  Oesterreich,  Bayern 
und  kehrte  über  Strafsburg  zurück,  zu  spät,  um  den  inzwischen  gestor- 
benen Scaliger  noch  zu  treffen.  Von  den  Beobachtungen  und  Erfahrun- 
gen dieser  Reisen  pflegte  er  auch  später  noch  gerne  zu  erzählen. 

Er  erhielt  nun  zunächst  eine  Stelle  als  Erzieher  des  dritten  Sohnes 
des  Herzogs  d'Espernon,  eine  Thätigkeit,  die  für  Erzieher  und  Zögling 
gleich  nützlich  war.  Die  Einkünfte  eines  Priorats  verschafften  ihm  später 
die  Möglichkeit,  sich  in  das  College  de  Bourgogne  zu  Paris  zurückzu- 
ziehen: il  y  vecut  en  homme  qui  aime  Tantiquite  et  fait  des  ecrivains 
anciens  les  compagnons  de  son  existence,  pour  qui,  en  un  mot,  le  fond 
de  la  vie  c'est  un  abandon  complet  aux  lettres,  sans  ambition  personelle, 
Sans  autre  passion  que  celle  d'embellir  et  d'epurer  son  intelligence  (S.  81). 
Lange  von  fester  Gesundheit,  wurde  er  1636  von  einem  Steinleiden  be- 
fallen, das  eine  Operation  nöthig  machte,  die  er  in  würdigster  Weise 
überstand.  Den  13.  April  1655  starb  er,  umgeben  von  philologischen 
Freunden,  wie  Ismael  Boulliau  und  Menage. 

Kapitel  II  »Guyet  et  ses  amis«  schildert  zunächst  den  Charakter 
Guyets  und  seine  Freunde  Menage,  Balzac,  Nicolas  Bourbon.  Luillier. 
Saumaise,  le  P.  Petau  et  le  P.  Sirmond,  Gabriel  Naude.  Unter  den 
Eigenschaften  Guyets  werden  besonders  hervorgehoben  richtiges  Urteil, 
lebhafter  Geist  und  bedeutendes  Wissen.  Von  Hugo  Grotius  trennte 
ihn  die  Verachtung  des  Bieres,  das  der  Niederländer  ebenso  begeistert 
in  lateinischen  Versen  feierte,  wie  es  Guyet  in  lateinischen  Hexametern 
als  Gift  für  seine  Kelten  erklärte. 

Der  zweite  Teil  des  Buches  beschäftigt  sich  mit  den  Leistungen 
Guyets  und  gibt  in  einem  ersten  Abschnitt  den  Tableau  bibliographique, 
um  sodann  zu  einer  eingehenden  Würdigung  seiner  Leistungen  über- 
zugehen. Seine  Kritik  wird  als  kühn,  ja  verwegen  bezeichnet:  vir  ille 
aij&dorjg  in  literis  Graecis  latinisque  versatissimus,  sagt  Ismail  Boulliau 
von  Guyet.  Unter  den  weiteren  Zeugen  über  diesen  finden  wir  auch 
Schoemann  bezüglich  des  Hesiod  (S.  155)  und  Ritschi  wegen  Terenz  und 


R.  Förster.  Lucian  in  der  Renaissance.  159 

Plautus.  In  seinen  Terenzarbeiten  ist  Guyet  Vorläufer  Bentleys,  der 
aber  gegen  ihn  nicht,  gerecht  ist.  In  der  Horazkritik  ist  er  ein  Vor- 
läufer von  Hofmann  Peerlkamp:  apres  Lucien  Müller,  Teuö'el,  Eckstein, 
apres  Keller  et  surtout  apres  M.  Benoist  et  M.  Boissier,  il  peut  pa- 
raitre  superflu  de  refaire  la  critique  de  cette  methode  qui  consiste  ä 
retrancher  d'Horace  et  ä  considerer  comme  interpole  tout  passage  qui 
est  juge  indigne  du  genie  de  ce  poete  (S.  171).  Bezüglich  der  zahlrei- 
chen Aenderungen  des  Terenz-  und  Plantustextes  wird  betont,  dafs  sie 
auf  einer  ungenügenden  Kenntnis  der  prosodischen  und  metrischen  Ge- 
setze beruhen,  und  Ritschis  Urteil  citiert,  der  von  Bothe  und  Guyet  sagt : 
In  quibus  Ingenium  et  acumeu,  ars  non  fuit  et  disciplina.  Praecipuae 
autem  eis  fraudi  metricnm  genus  omne  fuit  etc. 

In  einem  weiteren  Abschnitt  wird  Guyet  als  Linguist  geschildert. 
Besonders  grofs  war  sein  Eifer  für  die  Etymologie.  Aber  ohne  eine 
wissenschaftliche  Erkenntnis  der  Sprachenverwandtschaft,  wie  sie  erst 
durch  die  Sprachvergleichung  kam,  sind  seine  Etymologien  doch  nur 
Einfälle  mit  negativem  Resultat,  wofür  Belege  aus  der  Handschrift 
Nr.  11,271  der  Bibliotheque  nationale  mitgeteilt  werden,  von  denen  bei- 
spielsweise folgendes  hier  stehen  mag:  Torvus.  ^rp£<pco,  avpo<p6g,  arpo- 
ßog,  Topßog,  torvus  (S.  201). 

Betrachtungen  über  den  Dichter  und  Stilisten  Guyet,  sowie  ein 
Anhang  mit  allerlei  Aktenstücken ,  wie  Briefen  philologischen  Inhalts, 
Mitteilungen  aus  den  ungedruckten  Arbeiten  Guyets  und  einem  Namens- 
register beschliefsen  das  lesenswerte  Buch. 

Auch  der  deutsche  Humanismus  ist  in  seinen  ersten  Stadien 
durchaus  von  Italien  abhängig.  Die  Verbindung  der  Arbeiten  über  ita- 
lienischen und  deutschen  Humanismus  mag  eine  Arbeit  bilden,  die  sich 
auf  beide  Gebiete  erstreckt: 

Richard  Förster,  liucian  in  der  Renaissance.  (Aus  einer  Rede, 
gehalten  zu  Kaisers  Geburtstag  am  22.  März  1886,  durch  Zusätze  und 
Anmerkungen  vermehrt,  Archiv  für  Litteraturgeschichte  XIV  (1886) 
337  —  363) 

Obgleich  Lucian  einer  Zeit  entstammt,  welche  nicht  mehr  fähig 
war,  Ideale  aus  sich  hervorzubringen,  so  wird  er  doch  der  eigentliche 
Lieblingsschriftsteller  der  Renaissance,  seitdem  ihn  «die  von  Findersehn- 
sucht nach  Konstantinopel  getriebenen  Entdeckungsreisenden,  wieAurispa 
und  Filelfo«  nach  Italien  gebracht  hatten.  Zunächst  übersetzte  man 
einzelne  Schriften  ins  Lateinische;  zuerst  geschah  dies  durch  die  Ita- 
liener wie  Guarino,  Rinucci,  Poggio  und  Lago,  dann  auch  durch  Deutsche, 
wie  Rudolf  Agricola,  Erasmus,  Wilibald  Pirckheimer,  Petrus  Mosellanus, 
Ottomar  Luscinius,  Philipp  Melanthon;  auch  durch  den  Engländer  Tho- 
mas Morus.  Den  lateinischen  Uebersetzungen  folgten  deutsche  von  Niklas 
von  Wyle.  Dietrich  von  Plenningen  und  anderen. 


160  Geschichte  des  Humanismus. 

Noch  häufiger,  als  die  Uebersetzungen,  sind  die  Nachahmungen 
Lucians,  z.B.  durch  Celio  Calcagnini,  Pirckheimer,  Moltzer  oder  Mi- 
cjilus  (Apelles  in  Ägypten  oder  die  Calumnia),  Hans  Sachs,  besonders 
Ulrich  von  Hütten  (Phalarismus,  Aula,  die  Anschauenden,  Arininius), 
Erasmus,  Morus  (Utopia).  Rabelais. 

Auch  für  die  bildende  Kunst  der  Zeit  lieferte  Lucian  Stoffe  und 
Motive,  wie  z.  B.  für  Botticelli,  Albrecht  Dürer,  Michel  Angelo  etc.  — 
Zu  S.  357,  Anm.  9  sei  bemerkt,  dafs  man  über  0.  Luscinius  sich  jetzt 
am  besten  aus  Ch.  Schmidt,  Histoire  litteraire  de  l'Alsace,  belehrt. 
Weiteren  Stoff  für  dieses  Thema  findet  Förster  sodann  in  dem  von  Hora- 
witz  und  mir  herausgegebenen  Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus  (vgl. 
Register). 

Der  ältere  deutsche  Humanismus,  der  besonders  im  süd- 
westlichen Deutschland  seinen  Sitz  hat,  steht  zwar  dem  italienischen 
noch  nahe,  geht  aber  in  manchem  doch  seine  eigenen  Wege,  wie  fol- 
gende Arbeit  zeigt: 

L.  Buschkiel,  Nationalgefühl  und  Vaterlandsliebe  im  älteren 
deutschen  Humanismus.  Abhandlung  zum  Programm  des  König!.  Gym- 
nasiums zu  Chemnitz  für  das  Schuljahr  Ostern  1886  bis  Ostern  1887. 
Chemnitz.     1887.  4.   (Progr.  Nr.  496). 

Der  Verfasser  hat  sich  mit  Rücksicht  auf  den  ihm  zu  Gebote  ste- 
henden Raum  auf  die  älteren  deutschen  Humanisten  beschränkt  (der  Pa- 
triotismus der  Jüngern,  z.  B.  Ulrichs  von  Hütten,  ist  unbestritten),  und 
unter  diesen  hat  er  wiederum  Konrad  Celtis  aus  Raummangel  fast  über- 
gehen müssen.  Trotzdem  ist  seine  Arbeit  ein  dankenswerter  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Humanismus,  den  er  gegen  die  Anklage  in  Schutz  nimmt, 
er  verachte  die  deutsche  Muttersprache.  Das  widerlegen  schon  die  zahl- 
reichen Übertragungen  klassischer  Autoren  ins  Deutsche,  welche  durch 
deutsche  Humanisten,  wie  Reuclilin,  Werner  von  Themar  und  Dietrich 
von  Plenningen  und  andere  angefertigt  wurden.  Dieselben  rühmten  gegen 
den  Hochmut  der  Italiener  Deutschland  und  seine  Maciit,  besonders 
Kaiser  Maximilian,  der  fast  überscliwenglich  gefeiert  wurde  als  ein  zweiter 
Alexander  oder  Kail  d.  Gr.  Der  Patriotismus  führte  zur  Pflege  der  deut- 
schen Geschichte,  teils  durch  Abfassung  besonderer  Geschichtswerke,  so 
Wimpfeling  und  Trithemius,  teils  zur  Edition  mittelalterlicher  Quellen- 
schriftsteller, wie  die  Werke  der  Nonne  Roswitha,  Gesta  Henrici  IV,  Lam- 
bert von  Hersfeld,  Liudpiand  und  vieler  anderer.  Besonderen  Wert  legte 
man  darauf,  dafs  die  Erfindung  der  Donnerbüchse  (bombarda)  und  der 
Buchdruckerkunst  durch  Deutsche  gemacht  worden.  Bald  glaubte  man 
sich  den  übermütigen  Italienern,  die  geringschätzig  auf  die  deutschen 
»Barbaren"  herabsahen,  auch  in  der  Dichtkunst  gewachsen.  Daraus  er- 
wuchs auch  die  gegenseitige  Beweihräucherung  und  überschwengliche  Ver- 
herrlichung mancher  Humanisten. 


G.  Knod,  Jacob  Wimpfeling.  .    161 

Damit  nicht  zufriedeu,  wollte  man  auch  in  den  bildenden  Künsten 
eine  hervorragende  Stelle  einnehmen.  Wimpfeling  verwies  stolz  auf  das 
Strafsburger  Münster  und  die  Gemälde  Martin  Schöns,  Celtis  aber  preist 
das  Spiel  und  den  Gesang  einer  gewissen  Anna.  Besonders  aber  fühlte 
man  sich  den  Welschen  sittlich  überlegen,  indem  man  die  deutschen 
Charaktereigenschaften  mit  den  Farben  des  Caesar  und  Tacitus  malte. 
Andererseits  aber  klagte  man  aus  Patriotismus  doch  auch  wieder  über  den 
Verfall  Deutschlands,  über  den  Rückgang  seiner  Macht,  die  Sittenlosig- 
keit  seiner  Bewohner.  Einer  der  gröl'sten  Patrioten  ist  der  allzeit  streit- 
bare Jakob  Wimpfeling.  —  Ein  ganzes  Arsenal  ähnlicher  Gründe  des 
Patriotismus  findet  Buschkiel  in  der  Exegesis  Germaniae  von  Franciscus 
Irenikus,  die  1518  in  Hagenau  bei  Thomas  Anshelm  zum  ersten  Mal  er- 
schienen ist.  —  Zu  S.  5  Anm.  1  sei  bemerkt,  dafs  die  beste  Biographie 
Wimpfelings  jetat  die  in  der  Histoire  litteraire  de  l'Alsace  von  Charles 
Schmidt  enthaltene  ist.  Ferner  ist  zu  S.  8  zu  bemerken,  dafs  Dalberg 
auch  sehr  häufig  unter  dem  Namen  Camerarius  erscheint. 

Jakob  Wimpfeling,  dem  Pädagogen  unter  den  älteren  Huma- 
nisten, gelten  mehrere  Publikationen  des  unermüdlichen  und  sorgfältigen 
G.  Knod: 

Gustav  Knod,  Jakob  Wimpfeling  und  Daniel  Zanckenried.  Ein 
Streit  über  die  Passion  Christi  (Archiv  für  Litteraturgesch.  Bd.  XIV 
(1886)  1-16. 

Aus  einer  neuerdings  durch  die  Strafsburger  Universitätsbibliothek 
erworbenen  Handschrift  mit  Wimpfelingiana,  werden  zehn  Aktenstücke  mit- 
geteilt, die  sich  auf  einen  in  Heidelberg  geführten  theologischen  Streit 
beziehen.  Daniel  Zanckenried  hatte  gepredigt,  Christus  habe  nackt,  ohne 
jede  Bekleidung,  am  Kreuze  gehangen,  und  war  deshalb  von  Wimpfeling 
ebenfalls  in  einer  Predigt  augegriffen  worden,  der  eine  solche  Äufse- 
rung  unschicklich  und,  weil  nicht  in  den  Evangelien  stehend,  unnötig 
fand.  Die  Universität  Heidelberg  mufste  sich  mit  dem  Streite  beschäf- 
tigen; aus  den  Aktenstücken  geht  aber  nicht  hervor,  wer  Recht  behalten. 
Humanistisch  ist  Wimpfelings  Meinung  insofern,  als  er  von  den  späteren 
ausgeschmückten  Legenden    auf  die  Quelle  der  Evangelien  zurücklenkt. 

F.  Falk,  Zu  Daniel  Zangenried  (Archiv  für  Litteraturgeschichte 
XIV  (1886)  S.  442). 

Die  Notiz  macht  auf  eine  Schrift  Zangenrieds  (Corapendiosus  trac- 
talulub  de  Forma  absolvendi)  aufmerksam,  sowie  auf  die  Thatsache,  dafs 
der  bekannte  Nikolaus  Ellenbog  zu  Heidelberg    bei  Zangenried  wohnte. 

Gustav  Knod,  Wimpfelingiana  (Birlingers  Alemannia  1885/86. 
S.  227  —  237). 

Aus  einer  Basler  und  einer  Strafsburger  Handschrift  teilt  Knod 
zehn  Briefe  Wimpfelings  mit,  von  denen  Nr.  1  Aufschlufs  über  die  lange 

Jabreibericht  für  AltertbumswisaeoBCbaft  LII.  (1887.  III.)  H 


162  Geschichte  des  Humanismus. 

Vorarbeit  Wimpfelings  zu  seiner  Epithoma  Germanorum,  Nr.  2-6  über 
die  von  Sebastian  Murr  vorbereitete  Ausgabe  des  als  Lehrbuch  viel  ge- 
brauchten Baptista  Mantuanus  geben.  Brief  Nr.  8  enthält  einige  dan- 
kenswerte Notizen  zu  dem  Streite  über  die  unbefleckte  Empfängnis 
Mariae,  der  um  die  Wende  des  15.  Jahrhunderts  die  Gemüter  der  ober- 
rheinischen Humanisten  erhitzte.  Brief  Nr  10  erweitert  unsere  Kenntnis  von 
der  Biographie  Wimpfelings  insofern,  als  er  wahrscheinlich  macht,  dafs  der- 
selbe auch  Pfarrer  in  Sulz  im  Elfafs  gewesen  ist.  S.  229  mufs  29.  Februar 
geschrieben  werden,  weil  1496  ein  Schaltjahr  war.  In  der  Wiedergabe 
des  Textes  scheint  mir  Knod  zu  ängstlich  zu  sein.  Besonders  erschwert 
die  unsinnige  Interpunktion,  die  getreu  nach  der  Handschrift  gegeben 
ist,  das  schnelle  Verständnis.  So  konnte  auch  S.  234  oben  das  völlig 
unmögliche  assque  in  absque  geändert  werden;  indicati  einige  Zeilen 
spä'er  ist  Druckfehler  für  indicati.  Das  mittens  falcem  in  messem  stammt 
wohl  aus  Apokal.  14,  15.  Uniuersitatis  Friburg.  S.  235  wird  schwer- 
lich richtig  sein. 

Gwstav  Knod.  Zwei  annoyme  Schriften  Wimpfelings   (L.  Geigers 
Vierteljahrsschrift  II  (1887)  S.  267-28  2). 

Der  ohnedem  sehr  umfassende  Index  bibliographicus  Wimpfelings, 
welchen  K.  Schmidt  in  seiner  Histoire  litteraire  d'Alsace  veröffentlicht 
hat,  wird  hier  durch  zwei  weitere  anonym  erschienene  Schriften  des  El- 
sässer  Humanisten  ergänzt.  Die  erste:  Carmina  Prosae  et  Rithmi  edit. 
in  laudeni  pudicicie  sacerdotalis  contra  Prosam  excusare  conantem  scan- 
dalosissimum  Concubinatum.  S.  1.  e.  a.  (Arg.  1511)  nimmt  Teil  an  dem 
litterarischen  Kampfe,  welchen  Wimpfeling  gegen  im  Konkubinat  lebende 
Priester  führte.  Die  zweite:  Concordata  Principum  Nationis  Germanicae 
Cum  Argumentis  siue  Summarijs  iam  iam  additis  etc.  (Argentinae  1513) 
bezieht  sich  auf  die  kirchlichen  Reformpläne  Wimpfelings,  durch  welche 
er  der  mafslosen  Ausbeutung  der  deutschen  Kirche  durch  die  Geldgier 
der  römischen  Kurie  abzuhelfen  suchte.  Knod  hat  durch  seine  kenntnis- 
reiche Beweisführung  die  im  Thema  ausgesprochene  Vermutung  sehr 
wahrscheinlich  gemacht. 

A.  Birlinger,  Erinnerung  an  Geiler  von  Kaisersberg  (Birlingers 
Alemannia  XIV  (1886)  S.  59-- 61). 

Aus  einer  Neresheimer  Handschrift  (16-,  17.  Jahrh.)  und  zwei  sel- 
tenen Büchern  werden  einige  Aussprüche  des  berühmten  Elsässer  Huma- 
nisten und  ein  Datum  über  den  Tod  seines  Vaters,  das  aber  schon  be- 
kannt war,  mitgeteilt. 


G.  Knod,  Jacob  Spiegel.  163 

Dr.  Gustav  Knod,  Oberlehrer.  Jacob  Spiegel  aus  Schlettstadt. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  deutschen  Humanismus.  Beilage  zum 
Programm  des  Realgymnasiums,  resp.  Gymnasiums  zu  Schlettstadt. 
Strafsburg.  Buchdruckerei  von  R.  Schulz  u.  Cie.  1884.  4°  (Progr. 
Nr.  480),   59  S.    -    Zweiter  Teil  1886  (Progr.  Nr.  472)  31  S. 

Der  Inhalt  dieser  sorgfältigen  und  verdienstlichen  Monographie, 
welche  auch  bereits  den  anerkennenden  Beifall  Ludwig  Geigers,  des  Kenners 
auf  dem  Gebiete  der  Renaissance,  gefunden  hat,  gehört  nur  teilweise  in  den 
Rahnien  unserer  Aufgabe.  Die  Arbeit  zieht  gedruckte  und  ungedruckte 
Materialien  heran  und  ist  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  den  Bildern  El- 
sässer  Humanisten,  welche  Ch.  Schmidt  in  seiner  zweihändigen  Histoire 
litteraire  de  TAIsace  vor  einigen  Jahren  verötfentlicht  hat. 

Jacob  Spiegel  wurde  Ende  1483  oder  Anfang  1484  zu  Schlettstadt 
als  Sohn  des  Bürgers  Jakob  Spiegel  und  der  Magdalena  Wimpfeling, 
der  Schwester  des  bekannten  Humanisten  Jakob  Wimpfeling,  geboren. 
Seine  ersten  Kenntnisse  erwarb  er  sich  in  der  berühmten  Schlettstadter 
Lateinschule,  welche  schon  durch  den  Westfalen  Dringenberg  hohes  An- 
sehen erworben  hatte,  und  die  seit  1477  Crato  Hofmann  aus  Udenheim 
leitete.  In  dieser  Schule  herrschte  der  Geist  der  niederländischen  Iliero- 
nymianer:  »Erziehung  zur  Sittlichkeit  war  höchste  pädagogische  Weis- 
heit, Einfailiheit  und  Natürlichkeit  das  Geheimnis  der  Methode«.  Unter 
seinen  Mitschülern  haben  sich  viele  später  einen  Namen  gemacht,  Ja- 
kob Villiiigcr,  Matthias  Ringmann  Philesius,  Matthias  Schürer,  Hierony- 
mus  Gebwilei»,  Paulus  Phrygio,  Beatus  Rhenanus  und  Beatus  Arnoaldus. 
Neunjährig,  siedelte  Spiegel  nach  Speyer  über,  um  daselbst  unter  Lei- 
tung seines  Oheims  Wimpfeling  seine  Studien  fortzusetzen.  149«  zog  er 
nach  Heidelberg,  wo  er  aber  eist  den  7.  Oktober  1497  immatrikuliert 
wurde.  Trotz  des  zahlreichen  Humanistenkreises  in  der  Stadt  war  die 
Universität  noch  ganz  in  den  Händen  der  Scholastiker;  so  fand  der 
junge  Spiegel  in  Heidelberg  »eitel  mittelalterliche  Barbarei  auf  dem  Ka- 
theder«. Als  im  Jahre  1497  im  Hause  Dalbergs  die  Scaenica  progym- 
nasraata  aufgeführt  wurden,  war  Spiegel  einer  der  Mitspielenden,  welche 
nach  der  Darstellung  von  dem  liberalen  Camerarius  bewirtet  und  mit 
goldenen  Ringen  und  Münzen  beschenkt  wurden. 

Auch  in  Freiburg  und  Tübingen  hat  Spiegel  studiert;  doch  fehlt 
sein  Name  in  der  Matrikel  der  ersteren  Universität,  obgleich  er  den 
Freiburger  Juristen  Zasins  sehr  häufig  seinen  Lehrer  nennt.  1504  ist 
er  bereits  Candidatus  aulae;  die  Aufnahme  in  die  kaiserliche  Kanzlei 
dürfte  er  seinem  etwas  älteren  Jugendgenossen  Jakob  Villinger  von  Schö- 
nenberg verdanken.  Durch  diese  Stellung  wurde  er  der  Kollege  einer 
grofsen  Zahl  humanistisch  gebildeter  Männer. 

Sein  Amt  führte  ihn  nach  Wien  und  damit  in  die  Nähe  des  huma- 
nistischen Kreises,  der  sich  in  der  fröhlichen  Donaustadt  um  den  »deut- 
schen Erzhumanisten«  Kourad  Celtis  gesammelt  hatte.    Dessen  Freunde 

11* 


164  Geschichte  des  Humanismus. 

und  Schüler  werden  auch  seine  Freunde:  nur  beispielsweise  seien  ge- 
nannt Joachim  von  Watt,  bekannter  als  Vadianus,  von  St.  Gallen,  Niko- 
laus Gerbel  aus  Pforzheim,  Georg  Collimitius  etc.  Überhaupt  treffen 
wir  ihn  in  den  nächsten  Jahren  im  innigen  Verkehr  mit  den  besten  Na- 
men unter  den  deutschen  Humanisten. 

Der  Tod  des  Kaisers  Maximilians  I.  brachte  ihn  zunächst  um  seine 
Stelle  in  der  Kanzlei.  Den  I.März  1520  ist  er  aber  wieder  als  regius 
a  secretis  bezeichnet:  er  war  in  den  Dienst  des  neuerwählten  Karl  V. 
übergetreten. 

Das  Verhältnis  Spiegels  zu  den  Mitgliedern  der  Schlettstadter  So- 
dalitas  litteraria,  welche  mit  Ausnahme  des  merkwürdigen  Erasmianers 
und  späteren  Wiedertäuferfreundes  Paulus  Volz  alle  die  Schule  Schlett- 
stadts  durchlaufen  hatten,  wird  kurz  beleuchtet.  Mit  dem  Oheim  Wim- 
pfeling  ,  der  auch  zur  Sodalitas  gehörte,  teilte  er  die  »von  Wirapfeling 
der  ganzen  oberrheinischen  Humanistengruppe  eingeimpften  pedantisch- 
beschränkten  Anschauungen  über  Poesie  und  Poeten«.  Schon  1512  em- 
pfahl er  in  seinem  Kommentar  zu  Reuchlins  Scaenica  progymnasmata 
die  carmina  castiori  eloquio  descripta,  wie  Prudentius,  Rhabanus,  Joannes 
Picus  iunior  etc. 

Für  unser  Thema  ist  es  von  Bedeutung,  dafs  Spiegel  im  Jahre  1522 
auf  Bitten  seines  ehemaligen  Lehrers  Florentius  von  Venningen,  der  in- 
zwischen kurfürstlich  pfälzischer  Kanzler  geworden  war,  ein  Gutachten 
über  die  dringend  notwendig  gewordene  Reform  der  Universität  Heidel- 
berg ausgearbeitet  hat  Welchen  thatsächlichen  Einflufs  dasselbe  ge- 
habt, werden  wir  freilich  erst  dann  beurteilen  können,  wenn  wir  die  einst- 
weilen verlorene  Heidelberger  Reformation  der  zwanziger  Jahre  wieder 
aufgefunden  haben. 

Der  Sturz  des  Kauzlers  Ortenburg  trieb  auch  Spiegel  im  Jahre  1526 
aus  dem  habsburgischen  Dienst,  in  dem  er  21  Jahre  gestanden  hat.  Nur 
mit  einer  kleinen  Pension  bedacht,  zog  er  sich  nach  Schlettstadt  zurück. 
Nur  sehr  lückenhaft  sind  wir  von  da  an  über  sein  Leben  unterrichtet, 
das  er  im  Laufe  des  Jahres  1547  beschlossen  haben  dürfte.  Bezüglich 
Spiegels  religiöser  Stellung  sagt  Kuod :  »Von  Hause  aus  in  religiöser 
Hinsicht  im  innersten  Herzen  indifferent,  ist  sein  Interesse  an  der  grofsen 
religiösen  Bewegung  seiner  Zeit  trotz  seines  gelegentlich  mit  Osten- 
tation getragenen  theologischen  Mäntelchens  lediglich  politischer  Natur.« 
Früher  für  Huttens  und  Stromers  Pläne  eingenommen,  wollte  er  sich 
später  mit  einer  erasmischen  Reform  der  Kirche  begnügen.  Den  gröfsten 
Mangel  seines  Wesens  sieht  sein  Biograph  in  der  mangcluden  sittlichen 
Energie  des  Charakters,  »welche  allein  der  Persönlichkeit  des  Menschen 
ihren  ethischen  Wert  verleiht«. 

Unter  den  »Beilagen«  ist  zunächst  zu  erwähnen  ein  sorgfältiger 
Index  bibliographicus  mit  22  Nummern,  aus  welchem  besonders  hervor- 
gehoben sein  mögen:   Joannis  Reuchlin  Phorcensis  Scaenica  progymnas- 


Horawitz  und  Hartfolder,  Briefwechsel  des  Rhenanus.  165 

mata.  hoc  est  ludicra  praeexercitamenta,  cum  explanatione  Jacobi  Spiegel. 
Tubing.  1512.  —  Isocratis  de  regno  gubernando,  ad  Nicoclem  über  a 
Martine  Philetico  interprete.  Argeut.  1514.  —  Die  Abteilung  B.  ent- 
hält 12  Briefe  von  und  an  Spiegel,  in  welchen  mancherlei  Notizen  über 
Vadiau,  Wimpfeling,  Beatus  Rhenanus  und  andere  Humanisten  enthalten 
sind.  —  Ein  gut  gelungener  Holzschnitt,  welcher  das  Wappen  Spiegels 
wiedergibt,  ist  dem  ersten  Teil  beigefügt. 

Möchte  der  unermüdliche  Verfasser  seine  Bemühungen  um  die  Ge- 
schichte des  Humanismus  im  südwestlichen  Deutschland,  speziell  im  Elsafs, 
in  der  bisherigen  Weise  auch  in  Zukunft  fortsetzen. 

Ebenfalls  zu  den  oberdeutschen  Humanisten  gehört  der  bedeutende 
Philologe  Beatus  Rhenanus: 

Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus.  Gesammelt  und  herausgegeben 
von  Dr.  Adalbert  Horawitz  und  Dr.  Karl  Hartfelder.  Leipzig. 
Teubner.    1886.    8".    XXIV  und  700  S. 

In  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  hatte  in  den  Jahreu 
1872—1874  Ad.  Horawitz  eine  aus  vier  Teilen  bestehende  Monographie 
des  berühmten  Elsässer  Humanisten  Beatus  Rhenanus  veröffentlicht.  Die- 
selbe behandelte  sein  im  ganzen  sehr  einfach  verlaufendes  Leben,  seine 
Stellung  zur  Reformation,  der  er  anfangs  als  Erasmianer  freudig  zu- 
jubelte, um  sich  dann  in  den  zwanziger  Jahren  kühl  von  ihr  zurückzu- 
ziehen, seine  zahlreichen  litterarischen  Leistungen,  zum  Teil  in  Klassiker- 
und  Kirchenväter-Ausgaben  bestehend,  die  meist  in  Basel  erschienen, 
sowie  sein  für  das  16.  Jahrhundert  epochemachendes  Werk  über  die 
deutsche  Geschichte:  Beati  Rhenani  Selestadiensis  Rerum  Germanicarum 
libri  tres  (Basel  bei  Frohen  1531).  Horawitz  hatte  für  seine  Arbeiten 
den  Reichtum  der  handschriftlichen  Brieflitteratur  des  Rhenanus  wenig- 
stens eingesehen  und  teilweise  benutzt.  So  gewann  er  die  Ueberzeugung, 
dafs  dieser  Schatz  von  wertvollsten  Materialien  durch  eine  Publikation 
auch  anderen  gelehrten  Arbeitern  zugänglich  gemacht  werden  sollte. 
Auf  seine  freundschaftliche  Aufforderung  schlofs  ich  mich  ihm  als  Mitheraus- 
geber an,  und  in  dem  oben  erwähnten  umfangreichen  Bande  liegt  nun  das 
Resultat  viejjähriger  gemeinsamer  Arbeit  vor,  die  um  so  mühsamer  war, 
als  wir  uns  blofs  brieflich  verständigen  konnten.  Nur  bedeutende  Opfer 
an  Zeit  und  Geld  ermöglichten  die  Fertigstellung  der  Briefsammlung, 
deren  grufser  Wert  für  Geschichte  der  klassischen  und  germanischen 
Philologie,  der  Buchdruckerkunst,  der  deutschen  Alterturaskunde,  der 
Kirchengeschichte,  der  Historiographie,  der  Profangeschichte  etc.  bereits 
von  verschiedenen  Gelehrten  wie  L.  Geiger,  G.  Kawerau,  AI.  Schulte, 
H.  Hagen,  G.  Voigt,  Erichson,  G.  Knod,  B.  Kubier,  H.  Holstein, 
Th.  Brieger  unter  andern  anerkannt  wurde. 

Der  Inhalt  der  Briefsammlung  besteht  aus  folgenden  Teilen: 

1.   Wiederabdruck   der   Vita   Beati   Rhenani   von  dem   berühmten 


166 


Geschichte  des  Humanismus. 


Strafsburger  Schulrektor  Johannes  Sturm,  die  in  ihrem  eleganten  Latein 
einen  zuverlässigen,  leider  nur  zu  kurzen  Abrifs  von  dem  Leben  des 
berühmten   Gelehrten  bietet. 

2)  Briefe  von  und  an  Rhenanus  S.  12—576.  Dieselben  zerfallen 
in  zwei  Klassen,  in  datierte  und  undatierte.  Die  ersten  umfassen  die 
Jahre  1507—1546,  bis  zum  Todesjahr  des  Rhenanus.  Die  413  Nummern, 
welche  der  Mehrzahl  nach  hier  zum  ersten  Mal  im  Drucke  erscheinen, 
stammen  meist  aus  der  städtischen  Bibliothek  zu  Schlettstadt,  in  welche 
die  Bibliothek  des  Rhenanus  mit  ihrem  Schatz  von  Handschriften  und 
alten  Drucken  übergegangen  ist.  Aber  auch  andere  Handschriften  haben, 
wenn  gleich  in  geringerem  Grade,  beigesteuert,  so  die  Briefcodices  des  ehe- 
maligen Basler  Kiichenarchivs,  die  jetzt  in  die  dortige  Universitätsbibliothek 
übergegangen  sind:  einige  Briefe  stammen  aus  der  Hamburger  Stadt- 
bibliothek, aus  dem  Münchener  Codex  latinus  4007,  welcher  die  Korre- 
spondenz des  früh  verstorbenen  Humanisten  Michael  Hummeiberg  aus 
Ravensburg  enthält,  aus  dem  haudschriitlichen  Thesaurus  B.uimianus  in 
Strafsburg  und  aus  Codex  palatinus  Nr.  8457  in  Wien.  Eine  ziemliche 
Anzahl  ist  alten  Drucken  entnommen,  besonders  den  Ausgaben  des 
Rhenanus,  welche  meist  mit  sogenannten  Dedikationsepisteln  versehen 
sind,  worin  olt  wichtige  Nachrichten  über  Persönlichkeiten  und  Hand- 
schriften  niedergelegt  wurden. 

Die  undatierten  Briefe,  S.  556-576,  entstammen  denselben  Quellen. 
Wenn  irgend  möglich,  wurde  eine  ungefähre  Datierung  versucht,  die 
wenigstens  bei  einigen    eine  nahezu  sichere  Bestimmung  herbeiführte. 

Wir  hielten  es  für  das  angemessenste,  überall  die  Briefe  in  ex- 
tenso zu  geben  und  auch  da  nicht  zum  Regest  überzugehen,  wo  schon 
ein  vollständiger  Druck  vorlag.  Eine  auszugsweise  Wiedergabe  mag 
bei  Urkunden  in  den  meisten  Fällen,  besonders  wenn  noch  die  Zeugen 
mit  angegeben  werden,  den  Abdruck  im  ganzen  entbehrlich  machen. 
Anders  liegt  die  Sache  bei  Briefen.  Je  mehr  ein  Brief  das  ist,  was  er 
wirklich  sein  soll,  nämlich  der  momentane  Ergufs  der  Gedanken  und 
Gefühle  des  Schreibers,  und  keine  stilisierte  Abhandlung,  die  nur  in 
Adresse  und  Unterschrift  die  Form  des  Briefes  festhält,  desto  weniger 
kann  ein  Regest  denselben  ersetzen.  Gerade  die  gelegentlichen  Einzel- 
bemerkungen, die  Grüfse  am  Schlufse  und  dergleichen,  die  doch  keine 
Aufnahme  in  ein  Regest  finden  könnten,  sind  für  manche  Zwecke  das 
Wichtigste  in  solchen  Schriftstücken.  Trotzdem  wir  diese  Gedanken  in 
der  Einleitung  darlegten,  glaubte  Ludwig  Geiger  in  seiner  Besprechung 
unseres  Buches  (Vierteljahrsschrift  für  Kultur  und  Litteratur  der  Re- 
naissance Bd.  n,  S.  119)  ein  entgegengesetztes  Verfahren  empfehlen  zu 
müssen.  Nicht  blofs  die  gedruckten  Briefe  sollten  blofs  in  Regesten 
mitgeteilt  werden,  »man  hätte  noch  weiter  gehen  und  selbst  von  diesen 
handschriftlichen  zwar  ein  vollständiges  Verzeichnis  des  Inhalts  mit  ein- 
zelnen Proben   des  Textes,  aber  doch  nur  eine  Auswahl  der  Briefe  selbst 


Horawitz  und  Hartfelder,  Briefwechsel  des  Rhenanus.  167 

geben  können.«  Und  weshalb  das?  »Man  mnfs  das  Wichtige  auslesen 
und  vollständig  darbieten,  das  Unwichtige  andeuten  und  ganz  beiseite 
lassen.«  Aber  da  liegt  die  Schwierigkeit:  der  Begriff  des  Wichtigen  ist 
nicht  absolut,  sondern  sehr  relativ.  Vieles,  was  Geiger,  dem  fleifsigen 
Arbeiter  auf  dem  Felde  der  Geschichte  der  Renaissance,  sehr  wichtig 
erscheint,  wird  dem  Kirchenhistoriker  sehr  unwichtig  erscheinen  und 
umgekehrt  Wer  eine  Geschichte  der  klassischen  Philologie  schreibt, 
legt  den  Wert  auf  ganz  andere  Angaben,  als  wer  aus  unserer  ßriei- 
sammlung  Materialien  zur  Geschichte  der  germanischen  Philologie  oder 
deutschen  Historiographie  Sucht.  Wir  mufsten  aber  verschiedenen  Be- 
dürfnissen entsprechen.  Was  nützt  eine  Publikation,  die  beständig  auf 
haudsciiriftliche  Vorbigen  oder  auf  Bücher  hinweist,  die  beinahe  ebenso 
selteu  sind  als  Handschriften?  Das  heifst  die  gelehrte  Arbeit  nicht  er- 
leichtern, sondern  erschweren.  Wie  unpraktisch  das  von  Geiger  em- 
pfohlene Verfahren  ist,  kann  man  am  besten  aus  dessen  Publikation  des 
Reuchlinschen  Briefwechsels  sehen.  In  diesem  Werke  wurden  die  schon 
früher  gedruckten  Briefe  nur  in  Regestenform  verzeichnet,  so  dafs  man 
jetzt  statt  eines  Buches  deren  immer  mehrere  braucht,  darunter  solche,  die 
wegen  ihrer  Seltenheit  in  vielen  Bibliotheken  nicht  vorhanden  sind.  Ein 
erschöpfendes  Namenregister  kann  in  diesem  Falle  auch  nicht  beige- 
geben werden,  wie  ein  solches  auch  bei  Geiger  fehlt.  Welch  eine  Eiu- 
bufse  das  für  Arbeiten  über  die  Zeit  der  Renaissance  ist,  weifs  aber 
jeder  Kundige. 

Der  Inhalt  der  Briefe  ist  sehr  mannigfaltig.  Wir  erhalten  da 
Mitteilungen  zur  Gelehrtengeschichte,  zur  Geschichte  der  Buchdrucker 
kunst.  des  Unterrichtes,  der  Philologie,  der  Historiographie  etc.,  von  denen 
manche  schon  benutzt,  viele  aber  auch  bis  jetzt  unbenutzt  sind.  Aus 
den  Namen  der  Adressaten  mögen  einige  hervorgehoben  sein:  Johannes 
Aventinus,  Sebastian  Brant,  Dcsiderius  Erasmus,  Faber  Stapulensis, 
Johannes  Froben,  Johannes  Herwagen,  Wolfgang  Lazius,  Willibald  Pirck- 
heimer,  Georg  Spalatinus,  Jakob  Spiegel,  Jakob  Wimpfeling,  Ulrich  Zasius 
und  Ulrich  Zwingli.  Die  meisten  derselben  kommen  auch  als  Briefschreiber 
vor;  aufserdem  aber  auch  noch  einige  andere,  wie  Bruno  Amerbach,  Ra- 
dius Ascensius,  Albert  Burer,  die  beiden  Hummelberg,  Ulrich  von  Hütten, 
Konrad  Peutinger,  Aegidius  Tschudi  und  viele  andere.  Der  Kreis  des 
Erasmus  ist  am    stärksten  vertreten,  aber  auch  andere  fehlen  nicht. 

Aufserdem  sind  sämtliche  Dedikationsepistelu  des  Rhenanus  in 
vollständigem  Abdruck  beigegeben,  welche  für  die  Geschichte  der  Philo- 
logie von  besonderem  Interesse  sein  dürften.  Sie  geben  Auskunft  über 
die  benutzten  Handschriften ,  über  die  befolgte  Methode  der  Edition, 
über  die  von  den  Zeitgenossen  dem  Schriftsteller  zugemessene  Wert- 
schätzung und  vieles  andere.  Dem  Abdruck  der  Briefe  sind  erklärende 
Anmerkungen  beigegeben,  die  manchen  wegen  der  litterarischen  Nach» 
Weisungen  erwünscht  sein    dürften. 


168    .  Geschichte  des  Humanismus. 

3.  Ein  Nachtrag  von  18  Nummern  enthält  diejenigen  Briefe,  welche 
mir  erst  während  des  Druckes  der  anderen  bekannt  wurden.  Während 
nämlich  alles  Frühere  gemeinsame  Arbeit  mit  Horawitz  war,  ist  Nr.  3 
bis  zum  Schlufs  alleinige  Arbeit  von  mir,  für  die  ich  auch  die  Verant- 
wortung allein  zu  tragen  habe. 

4.  S.  590  und  591  enthält  einen  bisher  unbekannten  Brief  Erbs 
über  den  Tod  des  Rhenanus,  welcher  zeigt,  dafs  derselbe  den  Evan- 
gelischen keineswegs  so  fern  stand,  wie  man  bisher  annahm. 

5.  Ein  Index  bibliographicus  von  68  Nummern,  zu  dem  Knod  und 
Horawitz  tüchtige  Vorarbeiten  geliefert  hatten.  Unter  den  von  Rhenanus 
herausgegebenen  Büchern  seien  hier  folgende  verzeichnet:  Opera  Pom- 
ponii  Laeti  (Argent.  1510),  Decretum  Gratiani  (Basel  1512),  Gregorius 
Nyssenus  (Argent.  1512),  C  Plinii  Secundi  Epistol.  libri  X  (Argent. 
1514),  C.  Plinii  De  viris  illustribus  (Argent  1514),  L.  Annaei  Senecae 
De  morte  Claudii  Caesaris  (Basil.  1515),  Aeneas  Platonicus  de  immor- 
talitate  animae  (Basil  1516),  Curii  Lanciloti  Pasii  de  arte  grammatica 
(Seiest.  1517),  Quintus  Curtius  (Argent.  1518),  Cornelii  Taciti  historia 
(Basel  1519),  Prudentius  (Schlettstadt  1520),  Ausgabe  der  Panegyrici 
(Basel  1520),  Vellejus  Paterculus  (Basel  1520),  Terenzausgabe  (Basel 
1521),  Tertuliian  (Basel  1521),  Autores  historiae  ecclesiasticae  (Basel 
1523),  In  Plinium  (Basel  1526),  Opera  L.  Annaei  Senecae  (Basel  1529), 
Procopius  (Basel  1531),  Epitome  grammaticae  Graecae  (Basel  1532), 
Cornelius  Tacitus  Annales  (Basel  1533),  Livii  Decades  tres  (Basel  1535), 
Origenes  (Basel  1536),  Gesamtausgabe  der  V\^erke  des  Erasmus 
(Basel  1540). 

6.  Eine  Anzahl  lateinischer,  von  Rhenanus  verfafster  Inschriften 
auf  Glieder  seiner  Familie  sowie  auf  hervorragende  befreundete  Männer, 
wie  Thomas  "Wolf  d.  j..  Geiler  von  Kaisersberg,  Matthias  Ringmann 
(Philesius),  Jakob  Win)pfeling,  Hieronymus  Gebwiler. 

7.  Sechs  Gedichte  des  Rhenanus,  meist  aus  seiner  frühesten  Pe- 
riode stammend,  die  er  als  Freundesgaben  zu  Büchern  beisteuerte. 

8.  19  Epigramme  auf  Rhenanus,  meist  in  Versen,  gedichtet  von 
Sapidus,  Ursinus  Velius  u.  a. 

Den  Abschlufs  bilden  drei  Register:  ein  Register  der  Briefschreiber, 
ein  zweites  der  Adressaten  und  ein  Namenverzeichnis,  das,  von  S.  643 
bis  700  reichend,  auch  die  Adjektiva  der  Eigennamen  und  die  verschie- 
denen Namensformen  berücksichtigt.  Es  möge  gestattet  sein,  hier  einige 
Verbesserungen  zu  demselben  nachzutragen:  S.  640  ist  Harzbach  in 
Heresbach  zu  ändern,  zu  Job.  Mains  ist  396  nachzutragen  und  S.  641 
Joannes  Chraius  zu  tilgen.  —  S.  644  ist  Agricola,  Job.  in  Georg  zu  ver- 
bessern; S.  648  ist  bei  H.  Baidung  586  für  486  zu  setzen.  —  S.  650 
Bliensweiler  ist  nicht  als  ausgegangen  zu  bezeichnen.  —  S.  652  ist  Bur- 
borus  in  Burlerus  zu  ändern.  —  S.  653  ist  Chraius  zu  tilgen.  —  S.  656 
ist  Darus  in  Davus   zu  verbessern.    —    S-  657   bei  Egerinus   ist  zu  ver- 


Ad.  Bücble,  Der  Humanist  N.  Gerbel.  169 

weisen  auf  Melchior.  —  S.  661  ist  bei  Kasp  Fry  265  einzusehalten.  — 
S.  679  ist  Nymwegen  ganz  zu  streichen. 

Einige  wertvolle  Ergänzungen  wurden  gegeben  von  G.  Kawerau 
(Theol.  Literaturbl.  1886  Nr.  41,  S.  383)  und  besonders  Gustav  Knod 
Centralblatt   für  Bibliothekweseu  1887,  S.  305-315). 

Demselben  Kreise,  wie  Khenanus,  gehören  auch  Gerbel  und  Reuchlin 
an,  die  ebenfalls  mit  zwei  Arbeiten  vertreten  sind: 

Adolf  ßüchle,  Der  Humanist  Nikolaus  Gerbel  aus  Pforz- 
heim. Dem  Karlsruher  Gymnasium  zur  dritten  Säkularfeier  zuge- 
eignet. Durlach  1886.  (Beilage  zum  Programm  des  Pro-  und  Real- 
gymnasiums Durlach  Nr.  567). 

Gerbel  gehört  zu  jenen  Humanisten,  welche  die  grofse  Entwickelung 
der  deutschen  Geschichte  aus  dem  Humanismus  zur  Reformation,  von 
Erasmus  zu  Luther  durchmachten,  und  verdient  als  ein  vielgenannter 
Name,  als  tüchtiger  Gelehrter  und  fieifsiger  Editor  in  der  That 
eine  monographische  Behandlung.  Der  Verfasser  hat  seinen  Stoff  in 
vier  Abschnitten  behandelt,  deren  erster  die  Entwickelung  und  seine 
rein  humanistische  Zeit  behandelt.  Geboren  c.  1490  in  der  Stadt  Reuchlins, 
die  im  15.  und  16.  Jahrhundert  erstaunlich  reich  an  Talenten  war,  be- 
suchte er  vermutlich  dieselbe  Schule  wie  dieser,  nur  etwas  später.  So- 
dann wendet  er  sich  nach  Wien,  wo  er  mit  dem  humanistischen  Kreise 
des  Konrad  Celtis  befreundet  wird  und  1502  z.  B.  der  Dichterkrönung 
des  Stabius  beiwohnt.  1504  ist  er  Mitglied  der  sodalitas  litteraria  des 
Celtis.  1506  (vielleicht  bis  1508)  ist  er  in  Köln,  von  wo  er  eine  Ver- 
bindung mit  dem  gelehrten  und  humanistischen  Abte  Trithemius  an- 
knüpft. Nach  einem  vermuthlich  kurzen  Aufenthalt  in  der  Heimatstadt 
verweilt  er  1508-1512  in  Tübingen,  und  1513  finden  wir  ihn  abermals 
in  "Wien,  wo  er  am  l.  November  bei  der  Ueberführung  der  sterblichen 
Reste  Friedrichs  HI.  aus  der  Stephanskirche  in  das  Mausoleum  zugegen 
ist.  Sodann  holt  er  sich  in  Italien,  dem  Lande  der  Sehnsucht  für  jedes 
echte  Humanistenherz,  und  zwar  in  Bologna,  den  juristischen  Doktorhut. 
Ende  des  Jahres  1514  aber  ist  er  schon  wieder  am  Oberrhein,  in  leb- 
haftem Verkehr  mit  den  dortigen  Humanisten  und  Buchdruckern.  Natür- 
lich fehlt  ein  solcher  Mann  nicht  im  exercitus  der  Reuchlinisten.  Mafs- 
gebend  dürfte  die  schon  von  Wien  aus  mit  Strafsburg  angeknüpfte  Ver- 
bindung gewesen  sein:  in  der  1513  bei  Schurer  in  Strafsburg  erschie- 
nenen Ausgabe  der  Oden  des  Celtis  steht  auch  ein  Epigramma  Nicolai 
Gerbelii  Phorcensis,  das  Büchle  S.  7  mit  Recht  ganz  abdruckt. 

Der  zweite  Abschnitt  belehrt  uns  über  Gerbeis  Stellung  zur 
Reformation  und  seinen  Verkehr  mit  hervorragenden  Theologen  der 
neuen  Kirche,  wozu  er  in  Strafsburg,  von  jetzt  an  bis  zu  seinem  am 
20.  Januar  1560  erfolgten  Tode  sein  dauernder  Aufenthaltsort,  reichlich 
Gelegenheit   hatte.      Obgleich  ein    Süddeutscher    und   in   der  Burg  des 


170  Geschichte  des  Humanismus 

süddeutschen  Protestantismus  wohnend,  steht  er  mit  seiner  Sympathie 
doch  auf  Luthers  und  Melanchfhons  Seite,  mit  denen  er  in  dauerndem 
Briefwechsel  bleibt.  Dadurch  wird  er  freilich  den  Strafsburger  Theo- 
logen verdächtig  und  vereinsamt  in  dem  reichen  Getriebe  der  grofsen 
Stadt.  Gegen  den  Vorwurf,  dafs  Gerbel  ein  Intrigant  und  Zwischen- 
träger gewesen,  nimmt  Büchle  seinen  Gelehrten  in  Schutz:  »Er  war  eine 
stille  Gelehrtennatur,  dem  Kampfe  der  Parteien  nicht  gewachsen;  dem 
hohen  Flug  der  Strafsburger  Reformatoren  konnte  er  nicht  folgen.  Das 
Mysteriöse  der  Religion  war  ihm  Bedürfnis«  (S.  14). 

Ein  dritter  Abschnitt  behandelt  seine  litterarische  Thätigkeit,  die 
zum  Teil  Hand  in  Hand  mit  seiner  Lehrertliätigkeit  an  der  Strafsburger 
Schule  geht.  Er  ist  der  Herausgeber  vieler  Texte,  aber  auch  Darsteller, 
z.  B.  in  seinem  bedeutendsten  Werke,  der  descriptio  Graeciae,  die  1550, 
in  sieben  Büchern  abgeteilt,  erschienen  ist.  »Man  lernt  daraus  einen 
für  die  Heimat  des  Humanismus  begeisterten  Gelehrten,  aber  auch  einen 
Schriftsteller  von  Ge schmück  kennen,  welcher  die  trockene  Materie  frisch 
und  lebendig  zu  behandeln  weifs.  Denn  er  gibt  kein  langweiliges  Re- 
gister von  Ländern  und  Städten,  Bergen,  Flüssen  und  Meeren,  sondern 
verknüpft  die  Beschreibung  des  Landes  mit  Sitten  und  Lebensweise  der 
Bewohner,  mit  der  Geschichte  der  Völker,  mit  den  Sagen  des  Mythos 
und  der  Dichtung.o     (S.   17). 

Der  vierte  Abschnitt  behandelt  seine  Familienverhältnisse  und 
einige  seiner  Freundschaftsverbindungen.  Zu  den  Freunden  gehörte 
unter  andern  auch  Michael  Hummelberg  (so  und  nicht  Hummelberger 
lautet  der  eigentliche  Name,  wie  aus  dem  Eintrag  der  Heidelberger  Ma- 
trikel hervorgeht). 

Der  Anhang  I  enthält  eine  chronologische  Übersicht  seines  weit- 
verzweigten Briefwechsels.  Aus  den  112  (eigentlich  114)  verzeichneten 
Briefen,  die  durch  Datum  und  Anfangsworte  bezeichnet  sind,  ergiebt 
sich,  dafs  er  mit  Reuchlin,  Erasmus,  Luther,  Melanchthon,  Hütten,  Schürer, 
Hummelberg,  Biitzer,  Justus  Jonas,  Schwebel,  Spalatin,  Vadian  und 
anderen  Gelehrten  in  Verbindung  gestanden  hat. 

Anhang  H  gibt  ein  34  Nummern  enthaltendes  Verzeichnis  von 
Schriften,  bei  deren  Veröffentlichung  Gerbel  mehr  oder  weniger  beteiligt 
war.  Aus  dieser  Zahl  mögen,  gemäfs  dem  Zwecke  des  Jahresberichtes, 
folgende  hervorgehoben  sein:  G.  Simier  Vimpinensis  observationes  de 
arte  grammatica  (Tübingen  1512),  Poraponins  Mela  (Wien  1512), 
M.  Bernardus  Pergerius  Grammatices  institutiones  (Wien  1513), 
P.  Ovidii  Metamorphoseon  libr.  XV  (Strafsburg  1515),  Flavii  Phi- 
lostrati  de  vitis  Sophistaium  (Strafsburg  1516),  Cicero  de  amicitia, 
de  senectute,  paradoxa  tSirafsburg  1516),  L.  Apuleius  Madauiensis 
Florid.  libri  quatuor  (Strafsburg  1516),  Gellii  Noct.  Attic.  (Strafsburg 
1517),  Sali  US  t  (Strafsburg  1517),  Novura  Testamentum  Graece  (Hagenau 


Ad.  Büchle,   Der  Humanist  N.   Gorbel  171 

1521).  Terentianae  comoediae  sex  (Strafsburg  1521),  Institutio 
puerilis  literarum  Graecarum  Phil.  Me  larich  thonis  (Hagenau  1525), 
Grammatica  graeca  a  Pliil.  Melanchthone  (Basel  1538),  Appian  (Strafs- 
burg 1539),  Lykophron  (1542),  Joannis  Tzetzae  variar.  historiarura 
über  (Basel  1546),  Sophiaui  libri  septeni  (Basel  155U)  u.  a.  —  Zu  der 
im  Jahre  1519  bei  Sdiurer  in  Strafsburg  erschienenen  Ausgabe  der 
Fabulae  sei  bemerkt,  dafs  auch  eine  Ausgabe  desselben  Buches  vom 
Jahre  1520  existiert,  die  in  Löwen  gedruckt  wurde,  und  welche  z.  B. 
die  Heidelberger  Bibliothek  besitzt.  Bei  manchen  dieser  Schriften  scheint 
übrigens  seine   Mitwiikung  sehr  gering  gewesen  zu  sein. 

Der  Verfasser  hat  es  verschmäht,  seine  Darstellung  durch  fort- 
laufende Citate  unter  dem  Texte  zu  belegen.  Dafür  stellt  er  S.  21  und 
28  seine  Quellen  nur  summarisch  zusammen.  Eine  Nachprüfung  vieler 
Einzelheiten  hat  mir  nun  die  Zuverlässigkeit  seiner  Angaben  ergeben, 
und  ich  mufs  es  daher  bedauern,  dafs  er  es  den  Benutzern  seiner 
fleifsigen  und  ansprechend  geschriebenen  Schrift  so  schwer  gemacht  hat. 
Nichts  destowe  niger  wii'd  sich  das  Material  über  Gerbel  noch  etwas  ver- 
mehren lassen,  wenn  auch  dem  Verfasser  kein  Vorwurf  daraus  gemacht 
werden  soll,  dafs  er  neben  sehr  zahlreichen  Büchern,  aus  denen  er  das 
zerstreute  Material  sammeln  mufste,  noch  einige  weitere  hätte  benützen 
können.  Beispielsweise  sei  auf  die  von  mir  gemeinsam  mit  Adalbert 
Horawitz  besorgte  Ausgabe  des  Briefwechsels  von  ßeatus  Rhenanus 
(Leipzig  1886)  verwiesen.  Da  erfahren  wir  aus  einem  Briefe  vom  Jahre 
1515  (S.  80),  dafs  Gerbel  mit  Sebastian  Braut,  Hieronymus  Gebwiler, 
Jakob  Sturm  und  andern  zur  Straf^burger  sodalitas  litteraria  gehörte. 
Nach  S.  200  ist  er  1520  mit  dem  bekannten  Feuergeiste  Otto  Brunfels 
befreundet,  eine  Freundschaft,  die  nach  S.  253  auch  noch  weiter  ange- 
dauert hat.  1523  mufs  der  später  getrübte  freundschaftliche  Verkehr 
mit  dem  Strafsburger  Reformator  Martin  Butzer  nach  S.  320  noch  leb- 
haft gewesen  sein  etc.  -  Eine  weitere  Notiz  findet  sich  bei  Ed.  Winkel- 
mann, Urkundenbuch  der  Universität  Heidelberg  (Heidelberg  1886) 
L  218;  darnach  wurde  Gerbel  unter  den  ehrendsten  Ausdrücken  von 
dem  bekannten  Humanisten  J.  Spiegel  als  Lehrer  des  Lateinischen  und 
Griechischen  für  die  zu  reorganisierende  Universität  Heidelberg  vorge- 
schlagen Die  Worte  lauten:  Grecam  et  Latinara  lecturam  unus  obire 
potest.  Nicolaus  Gerbelius  doctor,  qui  nunc  Argentine  agit,  meo  iudicio 
conducendus  esset.  Vir  est  multe  erudicionis,  inculpate  vitc  et  magni 
Hominis  apud  exteros  etc.  Vergl.  auch  G.  Knod  in  der  Zeitschrift  für 
die  Geschichte  des  Oberrheines.  Bd.  40  (N.  F.  Bd.  1)  S.  335.  Freilich 
ist  aus  dieser  Berufung  nichts  geworden.  —  Das  gute  Verhältnis  zu 
Melanchthon  hat  bis  in  die  spätere  Lebenszeit  Gerbeis  angedauert.  Ein 
Brief  Melanchthons  an  den  berühmten  Strafsburger  Pädagogen  Sturm  vom 
Jahre  1542  (Corp.  Reff.  IV  905)  schliefst:  Salutem  opto  D.  Gerbelio, 
D.   Sapido    et   Oratoni  nostro.   und  ein   andii  •;    von    1553    (Corp.   Reff. 


172  Geschichte  des  Humanismus. 

VIII  48):  Salutem  vobis   omnibus  opto,  D.  Jacobo  Sturmio,   D.  Johanni 
Sturmio,  D.  Gerbellio. 

Ludwig  Geiger  Ftinf  Briefe  Reucblins  (Geigers  Vierteljahrs- 
schrift I  116-  121). 

Diese  Briefe  Reucblins  an  Sebastian  Brant  in  Strafsburg  waren 
Geiger  bei  der  Ausarbeitung  seiner  Reuchlinbiographie  und  bei  der 
Sammlung  des  Reuchlinschen  Briefwechsels  unbekannt  geblieben  Sie 
stammen  aus  zwei  Strafsburger  Archiven,  aus  denen  sie  schon  Gh.  Schmidt 
für  seine  gelehrte  Histoire  litteraire  de  l'Alsace  benützte.  Von  den 
zwei  ersten  Briefen  (Baden  1503)  ist  der  zweite  von  Interesse  wegen 
der  scherzhaften  Bemerkung  über  Reucblins  Frau.  Die  drei  letzten  aus 
den  Jahren  1513  und  1514  beziehen  sich  auf  den  Reuchlinschen  Handel 
wegen  der  Judenbücher  und  sind  eigentlich  Werbungen,  um  die  Teil- 
nahme der  Elsässer  Humanisten  für  Reuchlin  zu  gewinnen.  Zu  Brief  II 
sei  bemerkt,  dafs  der  Ausruf:  »o  tempora,  o  mores«  von  Cicero  stammt, 
der  sich  desselben  wiederholt  bedient.  Vgl.  Verrin.  IV  56.  Catil  I,  2. 
Pro  dom.   137.    Pro  Deiot.  11,  31. 

Karl  Hartfelder  Analekten  zur  Geschichte  des  Humanismus  in 
Südwestdeutschlaud  (Geigers  Vierteljahrsschrift  für  Kultur  und  Litte- 
ratur  der  Renaissance  I  121—128.   494-503). 

Gedichte,  Urkunden,  Regesten,  Einzelnotizen  aus  verschiedenen 
Bibliotheken  und  Archiven.  Sie  beziehen  sich  auf  folgende  Männer: 
1)  Jakob  Wimpfeling,  besonders  dessen  Verhältnis  zu  Matthias  Widman 
von  Kemnat,  dem  Verfasser  der  bekannten  Chronik  über  Friedrich  den 
Siegreichen  von  der  Pfalz,  sowie  sein  Verhältnis  zur  Universität  Heidel- 
berg betreffend.  —  2)  Dietrich  von  Plenningen.  von  R.  Agricola  in 
Plinius  latinisiert,  welcher  kurfürstlicher  Rat  zu  Heidelberg  war  und 
sich  durch  Uebersetzungen  klassischer  Autoren  ins  Lateinische  bekannt 
gemacht  hnt.  Die  Urkunden  umfassen  die  Jahre  1488—1494.  — 
3)  Matthias  von  Kemnat.  Meist  Gedichte  dieses  humanistisch  gebildeten 
Historikers,  welche  Hofman  nicht  in  den  Abdruck  von  Matthias'  Chronik 
in  den  »Quellen  und  Erörterungen  zur  baierischen  und  deutschen  Ge-, 
schichte«  aufgenommen  hat.  Eine  Notiz  aus  Cod.  Heidelberg  358  gibt 
den  1.  April  1476  als  Todestag  des  Matthias  an.  —  4)  Pallas  Spangel, 
ein  humanistisch  gebildeter  Theologe,  der  ein  Freund  R.  Agricolas  und 
später  der  Lehrer  Melanchthons  in  Heidelberg  war.  —  5)  Adolf  Occo, 
ein  humanistisch  gebildeter  Friese  aus  dem  Freundeskreise  des  Agricola 
und  Konrad  Celtis,  der  auch  vorübergehend  Leibarzt  des  Kurfürsten 
Philipp  von  der  Pfalz  war.  —  6)  Johann  Vigilius  (eigentlich  Wacker) 
von  Sinsheim,  ein  humanistischer  Jurist  an  der  Universität  Heidelberg, 
ein  Freund  von  Celtis,  ein  Mann  von  grofsem  praktischen  Geschick.  — 
7)  Johannes  Tolhopf  (Tolophus),   ein  Freund  des  Celtis  aus  geistlichem 


Ad.  Horawitz,    Über  die  Colloquia  des  Erasmus.  173 

Stande.  -  8)  Werner  von  Themar,  humanistischer  Dichter  in  Heidel- 
berg und  Lehrer  an  dortiger  Universität.  —  9)  Hartmaun  Schedel,  der 
bekannte  Nürnberger  Arzt,  der  vorübergehend  auch  im  Dienste  des  Kur- 
fürsten Philipp  gestanden.  —  10)  Johannes  Oekolampad,  der  spätere 
Reformator  Basels,  welcher  1506  zum  Pädagogen  der  kurfürstlichen 
Prinzen  in  Heidelberg  bestellt  wurde. 

Der  gröfste  unter  allen  erwähnten  Humanisten  ist  Desiderius 
Erasmus : 

Adalbert  Horawitz,  Über  die  »Colloquia«  des  Erasmus  von 
Rotterdam  (Hist.  Taschenbuch,  VI.  Folge,  Jahrg.  6.  S.  51—121). 

Gewifs  ein  Vorläufer  der  grofsen  Arbeit  über  Erasmus,  welche 
Horawitz  in  Aussicht  gestellt  hat.  Der  Verfasser  will  dieses  viel- 
gepriesene und  doch  nur  selten  gelesene  Buch  durch  eine  Analyse  be- 
kannter machen.  Er  gibt  zunächst  eine  Geschichte  der  Entstehung  des 
Werkes,  dessen  Anfänge  bis  in  die  Jahre  1498  oder  1499,  in  die  Zeit 
von  Erasmus'  Pariser  Aufenthalt,  hinaufreichen.  Er  hatte  damals  eine 
Reihe  lateinischer  Floskeln,  wie  man  sie  für  den  täglichen  Verkehr 
brauchte,  zusammengestellt  und  seinem  Freunde ,  dem  Augustiner  Aug. 
Caminadus,  übergeben.  Diese  für  den  gelegentlichen  Gebrauch  ange- 
legte Sammlung  war  nicht  zur  Veröffentlichung  bestimmt;  trotzdem 
wurde  sie  ohne  Wissen  und  Willen  des  Erasmus  gedruckt.  Es  ist  das 
wohl  eine  Pariser  Ausgabe  vom  Jahre  1518,  welche  Horawitz  nicht 
erwähnt,  und  welche  im  Repertoire  des  ouvrages  pedagogiques 
dn  XVI^  siecle  (Paris  1886)  S.  227  verzeichnet  ist:  Parisiis.  H.  Stephanus. 
1518  in — 4°,  63  feuillets.  Horawitz  erwähnt  sodann,  dafs  Beatus  Rhe- 
nanus,  der  Vertraute  und  Liebling  des  Erasmus,  im  Jahre  1518  bei 
Johannes  Frohen  in  Basel  eine  Ausgabe  der  Colloquia  veranstaltet  habe 
und  zwar  nach  einem  Manuskripte,  das  Frohen  von  Lambertus  Hollonius 
erhalten  hatte.  Aber  diese  Ausgabe  erregte,  wie  es  scheint,  das  Mifs- 
fallen  des  Erasmus,  welcher  sofort  eine  neue  Ausgabe  veranstaltete, 
deren  Vorrede  vom  l.  Januar  1519  datiert  ist.  Die  Ausgabe  des  Jahres 
1524  war  sodann  sehr  erweitert.  Erst  dieser  sehr  vermehrten  Form 
des  Buches  legt  Horawitz  »eine  grofse  pädagogische  Tendenz«  bei:  »es 
sind  auch  Kabinetsstücke  satirischer  Darstellung,  aber  stets  dem  Zwecke 
der  Volkserziehung  und  Volksverbesserung  dienend.«  Als  Vorbilder 
werden  Lukian  und  Lorenzo  Valla  angegeben  »Ganz  falsch  aber  ist 
die  Beschuldigung  des  älteren  Scaliger,  Erasmus  habe  ein  Gespräch  aus 
dem  venetianischen  Schriftsteller  Nicolaus  Leonicenus  Thomäus  ge- 
nommen, einfach  schon  deshalb,  weil  dessen  Dialoge  erst  nach  denen 
des  Erasmus  erschienen«  (S.  62). 

In  einem  zweiten  Teile  führt  Horawitz  den  in  der  That  sehr 
mannigfaltigen  Inhalt  des  Buches  vor.  Manche  Gespräche,  wie  Monita 
paedagogica  ,    Convivium   religiosum,  Virgo  ixcaüyaixog,  werden  ausführ- 


174  Geschichte  des  Humanismus. 

lieber  wiedergegeben;  wieder  andere  wie  das  Convivium  poeticum,  Con- 
vivium  fahulosum,  Eclio,  nur  kurz  skizziert.  Am  Schlüsse  erhalten  wir 
Mitieihiiigen  über  die  weiteren  Schicksale  des  vielgelesenen  und  weit 
verbreiteten  Schulbuches.  Obgleich  auf  den  Index  gesetzt,  wurde  es  in 
mehrere  Sjiracben  übertragen.  Mehrmals  hat  Erasmus  für  sein  ange- 
griffenes Werk  das  Wort  ergriffen,  gewifs  ohne  seine  Gegner,  die  Mönche 
und  »Sophisten«,  die  er  so  unbarmherzig  in  dem  Buche  gegeifselt  hatte, 
überzeugen  zu  können.  Wenn  aber  Horawitz  am  Schlnsse  seines  an- 
ziehend geschriebenen  Aufsatzes  meint,  die  eigentliche  Opposition  gegen 
das  Werk  aus  dem  Umstände  erklären  zu  müssen,  dafs  es  noch  Mil- 
lionen Menschen  gebe,  die  in  jedem  berechtigten  Tadel  einen  Angriff 
auf  die  römiscli-katbolische  Kirche  sehen,  so  trifft  das  die  Sache  doch 
nur  halb.  Gewifs  ist  das  Werk  wegen  seiner  Angriffe  auf  die  damalige 
verweltlichte  Kirche  auf  den  römischen  Index  gekommen.  Aber  das 
Buch  erregt  auch  sittliche  und  pädagogische  Bedenken,  wie  Horawitz 
selbst  zugibt:  man  denke  z.  B.  an  die  Gespräche  »Die  Wöchnerin«  und 
»Das  Gespräch  des  Jünglings  mit  der  Dirne«.  Melanchthon,  welcher 
das  Buch  als  Schulbuch  für  die  evangelischen  Schulen  empfahl,  wünschte 
es  doch  nur  mit  Auswahl  gelesen.  In  der  Visiiationsordnung  von  1528 
sagt  er:  »Man  sol  aus  den  Colloquiis  Erasmi  welen,  die  den  kin- 
dern  nützlich  und  züchtig  sind«  Vergl.  Corpus  Reformat.  Bd. 
26,  92.  Auch  der  Protestant  Raum  er  (Geschichte  der  Pädagogik  F  l!0) 
sagt:  »Wie  man  nur  ein  solches  Buch  in  unzähligen  Schulen  einführen 
konnte!«  »Was  sollten  die  Knaben  mit  Gesprächen  über  so  viele  Gegen- 
stände, von  denen  sie  nichts  verstehen,  mit  solchen,  in  denen  Lehrer 
verspottet  werden,  mit  Unterhaltungen  zweier  Weiber  über  ihre  Männer, 
eines  Freiers  mit  einem  Mädchen,  um  welches  er  wirbt,  und  gar  mit 
dem  colloquium  »Adolescentis  et  scorti.« 

Die  Brücke  zwischen  dem  ober-  und  niederrheinischen  Huma- 
nismus bildet  der  Friese  Rudolf  Agricola: 

Karl  Hartfelder,  Unedirte  Briefe  von  Rudolf  Agricola.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Humanismus  (Festschiift  der  badischen 
Gymnasien.  Gewidmet  der  Universität  Heidelberg  zur  Feier  des 
500jährigen  Jubiläums.     Karlsruhe  1886.    4°.    S.  1-36). 

Ich  habe  die  26  Briefe  einer  Stuttgarter  Handschrift  entnommen, 
deren  Inhalt  Fr.  Pfeiffer  schon  1849  im  Serapeum  verzeichnet  hatte,  und 
auf  die  neuerdings  Karl  Morneweg  wieder  aufmerksam  machte.  Die 
Adressaten  der  Briefe  sind  Johann  von  Dalberg,  gewöhnlich  Camerarius 
genannt,  Bischof  von  Worms  und  Kurator  der  Universität  Heidelberg, 
sodann  sein  und  Agricolas  J>eund,  Dietrich  von  Plenningen,  geminnt 
Plinius,  kurfürstlich  pfälzischer  Rat  und  Humanist,  dessen  Bruder 
Johannes  von  Plenningen,  Kanonikus  in  Worms,  Albert  Goyer,  Adolf 
Occo,  ein  Friese  mit  humanistischer  Bildung,  der  Arzt  in  Augsburg  und 


Liessem,   Hermann  van  dem  Busche.  ]75 

später  Leibarzt  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz  war,  der  Strafsburger 
Buchhändler  Adolf  Rusch,  gewöhnlich  Ruscus  genannt,  dem  Agricola 
Bücherbestellu'igen  nach  Frankfurt  mitgab,  ferner  Johannes  Vredewolt 
und  Walter  Woudensis. 

In  der  Einleitung  stellte  ich  biographische  Notizen  über  diese 
Männer  zusammen  und  verband  dieselben  mit  einer  kurzen  Würdigung 
Agricolas,  die  sich  hauptsächlich  auf  die  Aussprüche  des  Desiderius 
Erasmus  und  Philipp  Melanchthon  stützt. 

Die  Biiefe,  welciie  au  verschiedenen  Orten  Italiens,  wie  Pavia  und 
Ferrara,  auch  Deutschlands,  wie  Dillingen,  Heidelberg,  Köln,  Koblenz, 
Germersheim  etc.  geschrieben  sind  und  in  die  Jahre  1469-1485  füllen, 
führen  uns  in  das  eigentümliche  humanistische  Treiben  der  Zeit  ein  und 
geben  mancherlei  Aufschlüsse  über  die  Beziehung(  n  Italiens  zu  Deutsch- 
land. Sie  geben  Mittbeilungen  über  das  Leben  Agricolas  in  Italien, 
die  mannigfaltigen  litterarischen  Interessen  der  Gelehrten,  Zustände  in 
Heidelberg  und  anderes.  —  Zu  den  S.  3  zusammengestellten  Notizen 
über  Werke  Agricolas  füge  ich  jetzt  noch  hinzu:  W.  Senguerdius,  Jac. 
Gronovius,  Joann.  Heymann,  Catalog.  biblioth.  publ.  univers.  Lngduno- 
Batav.  (Lugdun.  Batav.  1716)  steht  S.  382:  Plinii  secundi  epistolae, 
adscribitur  in  fine  rubrica:  Rodolphus  Agricola  Phrisius  Ferrariae  ab- 
solvit  Anno  Christi  MCCCC°  LXXVIIIo  kl.'  Decembr.  Lector  perpetuum 
vale.  In  chart.  —  Zu  Raimundus  S.  32  vergl.  J.  Janssen  Geschichte 
des  deutscheu  Volkes  P  983.  Fr.  Paulseu  Geschichte  des  gelehrten 
Unterrichts  S.  80. 

Oberlehrer  Dr.  Liessem,  Hermann  van  dem  Busche.  Sein  Leben 
und  seine  Schriften  Teil  1— III.  (Beilage  zum  Programm  des  Kaiser 
Wilhelm -Gymnasiums  zu  Köln.  Köln  1884-1886.  4°.)  Auch  im 
Buchhandel  erschienen. 

Der  Verfasser  bietet  hier  eine  verbesserte  Erweiterung  seiner  im 
Jahre  1866  erschienenen  Arbeit:  De  Hermanni  Buschii  vita  et  scriptis 
commentatio  historica.  Bonnae  1866.  Hermann  van  dem  Busche,  latini- 
siert Hermannus  Buschius,  entstammte  einer  alten  Familie,  die  gegen 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  Schlofs  Sassenburg  im  Müiisterlande  besafs, 
woselbst  auch  Hermann  1468  geboren  wurde.  Seine  Scbulkeuntnisse 
sammelte  er  unter  dem  Domprobst  Rudolf  von  Langen  in  Münster  und 
unter  Alexander  Hegius  in  Deventer.  Akademische  Studien  machte  er 
in  Heidelberg,  Tübingen,  Italien  bei  Pomponius  Laetus  und  Köln.  Un- 
zufrieden mit  dieser  letzteren  Stadt  begann  er  eine  Wanderung  durch 
Norddeutschland,  wobei  er  nach  Hamm,  Münster,  Osnabrück,  Bremen, 
Hamburg,  Lübeck,  Wismar  und  Rostock  kam.  Streitigkeiten  mit  Til- 
mann  Heuerling  vertrieben  ihn  von  letzterer  Universität  nach  Greifswald 
und  hierauf  nach  Wittenberg,  wo  er  an  der  neu  gegründeten  Schule  vor- 
übergehend lehrte.    Länger  blieb  er  in  Leipzig.    Ein  kampflustiger  Poet, 


176  Geschichte  des  Humanismas. 

lag  er  auch  bald  hier  im  Streit  mit  den  Vertretern  der  Scholastik,  wo- 
durch er  veranjafst  wurde,  1507  die  Hochschule  zu  verlassen  und  sich 
wieder  nach  Köln  zu  wenden.  Ein  von  ihm  selbst  verfafstes  und  nach 
jonischer  Melodie  gesungenes  Loblied  auf  die  Stadt  Köln  hat  ihm  später 
sogar  das  Lob  des  Erasmus  eingetragen,  welch  letzterer  es  erst  durch 
Glareau  kennen  gelernt  hat.  Das  Lob  aber,  welches  Glarean  und 
Erasmus  der  »Flora«  —  so  heifst  das  Loblied  -  spendeten,  findet  in 
Liessem  einen  scharfen  Kritiker  (S.  31-41).  Neben  seinen  huma- 
nistischen Studien  trieb  Busch  auch  juristische,  und  seine  im  Jahre  1503 
zu  Leipzig  vollzogene  Promotion  zum  Baccalar  des  Civilrechte.s  wurde 
1508  in  Köln  anerkannt.  Aber  Herzenssache  blieben  ihm  doch  die  Hu- 
maniora und  nicht  die  Jurisprudenz.  In  Köln  bekämpfte  er  auch  das 
Doktrinale  des  Alexander  de  Villa  dei,  des  üblichen  scholastischen  Lehr- 
buches für  den  Lateiuunterricht.  In  der  nächsten  Zeit  schlofs  er  mit 
dem  italienischen  Juristen  Petrus  von  Ravenna,  der  vorübergehend  in 
Köln  lehrte,  Freundschaft,  den  auch  Ortvinus  Gratius  in  seinem  Critico- 
mastix  verteidigte.  Aber  die  Vertreibung  des  Petrus  von  Ravenna  und 
andere  Umstände  zerstörten  die  Freundschaft  Buschs  mit  Ortvinus 
Gratius.  Ueberall  sind  die  Werke  Buschs  an  der  ihnen  chronologisch 
zugehörigen  Stelle  sachgemäfs  besprochen.  Eine  Beilage  (S.  58  -  70) 
bringt  sehr  dankenswerte,  aus  den  Akten  der  Kölner  Universität  ge- 
schöpfte Mittheiluugen  über  jene  feierlichste  Form  der  mittelalterlichen 
Disputation,  die  man  quodlibetische  nannte. 

Aus  der  sorgfältigen  und  kenntnisreichen  Arbeit  gewinnen  wir 
manche  wertvolle  neue  Erkenntnisse  über  die  Geschichte  des  Huma- 
nismus. Trotzdem  möchten  wir  aber  zunächst  auf  mehrere  Einzelheiten 
aufmerksam  machen,  die  vielleicht  anders  zu  gestalten  waren.  So  isi 
z.  B.  der  Wittenberger  Aufenthalt  Buschs  (S.  10)  zu  aphoristisch  ge- 
halten. Hier  konnten  gewifs  aus  den  Quellen  noch  weitere  Angaben 
gewonnen  werden.  Sodann  ist  die  Schilderung  der  Universität  Leipzig 
am  Ende  des  Mittelalters  (S.  22  ff.)  viel  zu  günstig.  Aus  den  von  B. 
Stübel  veröffentlichten  Akten  und  Urkunden  (Urkundenbuch  der  Uni- 
versität Leipzig  von  1409  -  1555  als  Bd.  XI  des  Codex  diplomaticus 
Saxoniae)  ergibt  sich,  dafs  Leipzig  um  1500  tief  gesunken  war.  Die 
Lehrstühle  waren  mit  Männern  besetzt,  die  zum  Teil  gar  nicht  in 
Leipzig  wohnten,  sondern  sich  Jahre  lang  anderwärts  aufhielten.  Die 
anwesenden  aber  waren  faul  oder  unwissend,  in  beständigem  Streit  unter- 
einander, bestechlich  und  neidisch,  die  Studentenschaft  roh,  faul  und 
unwissend,  wenigstens  einem  grofsen  Teile  nach.  Statt  zahlreicher  Be- 
lege verweisen  wir  nur  auf  Nr.  252,  276,  278,  282  und  299  des  ge- 
nannten Urkundenbuchs,  durch  die  wir  den  Eindruck  eines  vollständigen 
Verfalls  der  ehemals  blühenden  Anstalt  gewinnen.  —  In  der  Auseinander- 
setzung über  den  Streit  des  Petrus  Ravennas  (S.  52  ff)  werden  die 
eigentlichen  Anklagepunkte  gegen  Petrus   nicht  recht  deutlich,   so  aus- 


G.  Bauch,  Hutteniana.  177 

führlich  sonst  der  Streit  dargestellt  ist.  Was  aber  die  Auffassung  des 
Humanismus  überhaupt  betrifft,  so  ist  Liessem  abhängig  von  Job.  Janssen 
und  Friedr.  Paulsen.  Was  wir  z.  B.  S.  31  ff.,  37  ff.  und  sonst  lesen,  sind 
nur  Variationen  der  Töne,  welche  die  beiden  genannten  Gelehrten  an- 
geschlagen haben.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  zu  untersuchen,  wie  weit 
dieselben  berechtigt  sind.  Aber  auffallend  bleibt  immer,  wie  man  bei 
einer  im  Grunde  so  geringschätzigen  Meinung  wenigstens  von  den  spä- 
teren Humanisten  sich  doch  einen  solchen  Mann  zum  Gegenstand  einer 
Monographie  erwählen  kann.  Denn  eine  Satire  wollte  der  Verfasser  doch 
nicht  schreiben.  Eine  Monographie  soll  ja  kein  Panegyrikus  sein,  aber 
der  Monograph  mufs  sich  doch  mit  Liebe  und  Freude  in  seinen  Stoff 
versenken  können.  Unmöglich  aber  kann  Liessem  Freude  an  dem  von 
ihm  behandelten  Helden  haben,  wenn  er  doch  im  Grunde  so  gering  von 
den  Männern  denkt,  zu  deren  bedeutendsten  Hermann  van  dem  Busche 
gehört. 

Neuerdings  findet  zahlreiche  Freunde  wie  Gegner  Ulrich  von 
Hütten: 

Gustav  Bauch,  Hutteniana  (Geigers  Vierteljahrsschrift  I  486 
bis  494). 

Erweiterungen  zu  der  prächtigen  Ausgabe  der  Werke  Huttens  von 
Böcking,  bestehend  in:  1)  einer  Mittheilung  aus  der  Matrikel  der  ehe- 
maligen Universität  Frankfurt  a.  0.  über  Hütten  und  seine  geistes- 
verwandten Freunde,  z.  B.  Arnold  Glauburg  von  Frankfurt,  Johannes 
Hütten,  Hermann  Trebelius  von  Eisenach  und  andere.  —  2)  Zwei  Briefe, 
von  denen  der  erste  (Hütten  an  Petrus  Mosellanus  4.  Juni  1520)  den 
Druck  bei  Böcking  verbessert,  der  zweite  (Rudbertus  Moshamer  und 
Paulus  Geraeander  an  Hütten  l.  Februar  1521)  bisher  ungedruckt  war. 
—  3)  einer  Stelle  über  Hütten  aus  der  überaus  seltenen  Schrift:  »Ad 
principes  christianos  de  religione  ac  communi  concordia»  von  dem  huma- 
nistisch gebildeten  Georg  Sauermann,  der  wieder  zur  katholischen  Kirche 
zurückkehrte:  »Von  keinem  zeitgenössischen  Gegner  wird  die  schreck- 
liche Krankheit  des  unglücklichen  Ritters  so  rücksichtslos  ausgebeutet, 
um  Ekel  gegen  ihn  zu  erwecken,«  wie  von  Sauermann. 

Georg  Ellinger,  Ueber  Huttens  Charakter  (Geigers  Vierteljahrs- 
schrift I  244—247). 

W.  Maurenbrecher  hat  neuerdings  in  seiner  »Geschichte  der 
katholischen  Reformation«  über  Hütten  so  abfällig  geurteilt,  dafs  er  den 
patriotischen  Humanisten  einen  Mann  ohne  Charakter  nannte.  Ellinger 
sucht  nachzuweisen,  dafs  die  drei  Gründe,  worauf  Maurenbrecher  sein 
Urteil  gründet,  nicht  stichhaltig  sind.  Insbesonders  weist  er  den  Vor- 
wurf zurück,  als  ob  Hütten  im  Jahre  1521  eine  Pension  im  Betrage  von 
400  Gulden  von  Kaiser  Karl  V.  angenommen,  um  dafür  in  dem  luthe- 
rischen Handel  zu  schweigen.     Ellinger  behauptet,  dafs  Maurenbrechcr 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  Lü.  (1887.  III.)  12 


178  Geschichte  des  Humanismus. 

eine  Stelle  in  der  Schrift  des  Otto  Brunlels,  welche  dieser  nach  Huttens 
Tode  gegen  die  Spongia  Erasmi  gerichtet,  niifsverstanden,  dafs  die 
400  Gulden  zwar  Hütten  angeboten,  von  diesem  aber  abgelehnt  wor- 
den seien. 

Einer  der  gröfsten  unter  den  humanistisch  gebildeten  Männern 
wird  immer  bleiben  der  Nürnberger  Patrizier: 

Will  bald  Pirckheimer  als  Geschichtschreiber.  Inaugural- 
Dissertation  zur  Erlangung  der  Doktorwürde  vorgelegt  der  hohen 
philosophischen  Fakultät  der  Universität  Basel  von  Otto  Markwart. 
Zürich.    Meyer  &  Zeller.    1886.    8«.    X  und  173  S. 

Nur  wegen  der  grofsen  Bedeutung,  die  Pirckheimer  als  Humanist 
hat,  mufs  diese  gründliche  und  sorgfältige  Schrift  auch  an  dieser  Stelle 
besprochen  werden:  ihrem  Hauptinhalt  nach  ist  sie  ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte und  zur  Geschichte  der  Historiographie.  Pirckheimer  nahm 
als  Anführer  des  Nürnbergischen  Kontingentes  1499  Auteil  au  dem  so- 
genannten Schwaben-,  wie  die  Schweizer,  oder  Schweizerkrieg,  wie  die 
Deutscheu  sagen,  durch  den  die  Schweiz  faktisch  vom  Deutschen  Reiche 
unabhängig  wurde.  Seine  Erlebnisse,  die  er  tagebuchartig  aufgezeichnet 
haben  mufs  (er  hat  übrigens  an  keiner  grösseren  Schlacht  des  Krieges  Teil 
genommen),  verarbeitete  er  mit  anderen  Quellen  kurz  vor  seinem  Tode, 
1530,  zu  einer  lateinisch  geschriebenen  Monographie  des  Krieges,  das 
bellum  Suitense,  dessen  Besprechung  und  kritische  Zergliederung  den 
Hauptinhalt  von  Markwarts  Dissertation  bildet.  Sonst  kommen  von 
Pirckheimer  als  historische  Arbeiten  nur  noch  in  Betracht:  sein  Brief 
an  B.  Egnatius  über  die  deutschen  Städte,  ein  kleines  Fragment  über 
die  römischen  Altertümer  in  Trier  und  die  1530  erschienene  Germaniae 
ex  variis  scriptoribus  perbrevis  explicatio,  welch  letztere  eine  Art 
»Deutsche  Altertumskunde«  in  lateinischer  Sprache,  ein  Seitenstück  zu  der 
Exegesis   Germaniae  des  Franciscus  Irenicus  ist. 

Wir  besitzen  von  Pirckheimer  weder  eine  genügende  Ausgabe  seiner 
Werke  noch  eine  den  heutigen  Anforderungen  entsprechende  Biographie. 
Die  von  Goldast  herausgegebenen  Opera  sind  nicht  blofs  unvollständig 
und  ungeordnet,  wie  Markwart  hervorhebt,  sondern  auch  sehr  unzu- 
verlässig im  Text,  besonders  in  den  Briefen.  Die  Herstellung  einer  Aus- 
gabe wie  einer  monographischen  Behandlung  hat  aber  grofse  Schwierig- 
keiten, weil  der  litterarische  Nachlafs  Pirckheimers,  der  keinen  Sohn 
hinterliefs ,  in  englischen  Privatbesitz  übergegangen  ist,  so  dafs  seiner 
Benützung  vielleicht  unüberwindliche  Schwierigkeiten  entgegenstehen. 
Übrigens  glaube  ich  ergänzend  versichern  zu  dürfen,  dafs  eine  sehr  sorg- 
fältige Durchsuchung  der  handschriftlichen  Schätze  unserer  deutschen 
Bibliotheken  schon  manches  Material  liefern  würde. 

Aus  der  kurzen  Biographie  Pirckheimers  (S.  8  ff.)  erfahren  wir,  dafs 
derselbe  in  Padua  drei  Jahre    und  in  Pavia  vier  Jahre  studierte.     Seine 


0,  Markwart,  W.  Pirckheimer.  179 

humanistische  Schriftstellerei  begann  er  erst  c  1511,  und  für  die  Ge- 
schichte der  Philologie  komraen  besonders  seine  Übersetzungen  klassischer 
Autoren  ins  Lateinische  und  Deutsche  in  Betracht.  An  dem  Reuchlin- 
schen  Handel  nahm  er  begeisterten  Anteil  als  Reuchlinista;  später  ver- 
höhnte er  den  Gegner  Luthers,  den  bekannten  Johann  Eck,  in  seinem 
Eccius  dedolatus,  verkehrte  freundschaftlich  mit  vielen  Humanisten,  wie 
Konrad  Celtis,  Beatus  Rhenanus,  mit  dessen  Studien  sich  seine  eigenen 
begegneten,  mit  Erasmus,  auch  mit  Melanchthon,  selbst  dann  noch,  als 
er,  ein  kränklich  gewordener  Greis,  sich  verstimmt  von  den  Evangelischen 
zurückzog. 

Sehr  ansprechend  für  die  Würdigung  des  deutschen  Humanismus 
sind  in  Markwarts  Schrift  die  Abschnitte:  Der  patriotische  Zug,  nämlich 
der  deutschen  Humanisten,  S.  37  —  55,  Anfänge  der  Kritik,  S.  55—64, 
Sprachliches,  S.  64  —  76,  Etymologien,  S.  76  78,  Pirckheimers  spezielle 
Verdienste,  S.  79-86. 

An  manchen  Stellen  hätte  der  Verfasser  seine  Darstellung  durch 
Heranziehung  weiterer  humanistischer  Litteratur  bereichern  können. 
So  würde  z.  B.  S  37-55  noch  inhaltsreicher  geworden  sein,  wenn  Mark- 
wart die  Geschichte  der  germanischen  Philologie  von  Rudolf  von  Raumer 
(München  1870)  gekannt  hätte.  Auch  hätte  Bezolds  schöne  Arbeit  über 
Celtis  in  Sybels  Historischer  Zeitschrift  und  die  Arbeiten  von  Adalbert 
Horawitz  über  Beatus  Rhenanus  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener 
Akademie  treffende  und  charakteristische  Data  geliefert.  Für  das  Ka- 
pitel über  den  Patriotismus  der  Humanisten  ist  seitdem  eine  Mono- 
graphie von  Buschkiel  (Chemnitzer  Programm),  welches  oben  S.  160 
besprochen  ist,  erschienen,  die  sich  in  den  Grundanschauungen  mit 
Markwarts  Arbeiten  deckt.  Beachtenswert  ist  die  Behauptung  S.  65, 
dafs  der  deutsche  Humanismus,  ähnlich  wie  Hütten,  sich  wahr- 
scheinlich der  deutschen  Sprache  zugewandt  hätte,  wenn  er  in 
seiner  Entwickelung  nicht  gestört  worden  wäre.  Als  sehr  zu- 
treffend müssen  die  Bemerkungen  über  Pirckheimers  lateinischen  Stil, 
S.  68  ff.  bezeichnet  werden,  die  auf  die  meisten  Humanisten  übertragbar 
sind.  Doch  würde  vielleicht  Markwart  besser  den  Ausdruck  »Pirck- 
heimers legere  Darstellungsweise«  vermieden  haben.  —  Zu  S.  21  Anm. 
sei  bemerkt,  dafs  eine  Wiedergabe  des  Dürerschen  Bildes  von  Pirck- 
heimer sich  auch  bei  L.  Geiger,  Renaissance  und  Humanismus  (Berlin 
1882)  S.  377  befindet. 

Eine  Verbindung  zwischen  den  Humanisten  im  Osten  und  Westen 
Deutschlands  repräsentiert  Rhagius  Aesticampianus: 

F.    Falk,   Zu  Bauch,   Ragius    Aesticampianus   (Archiv  XII,   321) 
[Archiv  für  Litteraturgeschichte  XIV  (1886),  S.  441  und  442|. 

Zu  der  gründlichen  und  sorgfältigen  Arbeit  Bauchs  fügt  Falk 
einige  kurze  Notizen,  welche  Jakob  Merstetter  aus  Ehingen,  Job.  Monster, 
Theoderich  Gresemund  und  Johannes  Huttich  betreffen. 

12* 


180  Geschichte  des  Humanismus. 

Gustav  Bauch,  Caspar  Ursinus  Velius  der  Hofhistoriograph  Fer- 
dinands I.  und  Erzieher  Maximilians  II.  Budapest.  Friedrich  Kilian. 
1886.    Lex.-80.    84  S. 

Mit  einer  kleinen  Apologie  des  Humanismus  beginnend,  sagt  der 
durch  mehrere  gediegene  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  bereits  bekannte 
Verfasser:  »Für  Neuschöpfungen  ergeben  sich  drei  Gebiete  literarischer 
Thätigkeit,  in  welchen  die  Form  am  meisten  zur  Geltung  kommen  kann, 
die  Poesie,  die  Kunstrede  und  die  aktuelle  Geschichtsschreibung.  Diese 
Gebiete  alle  drei  hat  der  Mann  angebaut,  mit  welchem  sich  die  folgen- 
den Zeilen  beschäftigen  sollen,  Caspar  Ursinus  Velius.«  (S.  4.)  Er  ge- 
hört zu  jenen  Humanisten,  welche  für  den  österreichisch-ungarischen 
Osten  die  Vermittler  zwischen  Früh-  und  Spätrenaissance  sind.  Als 
eigentlicher  Name  des  Humanisten  wird  mit  Wahrscheinlichkeit  Bern- 
hard nachgewiesen.  Velius  soll  er  heifsen,  weil  er  während  seines  Auf- 
enthaltes in  Rom  in  dem  ehemals  Velia  genannten  Stadtteile  gewohnt 
hat.  1503  zu  Schweidnitz  in  Schlesien  geboren,  macht  er  Studien  zu 
Krakau,  sodann  in  Leipzig,  wo  er  Rhagius  Aesticampianus  hörte  und 
selbst  schon  als  Lehrer  des  Griechischen  auftrat.  Sodann  nahm  er 
Dienste  bei  dem  humanistisch  gebildeten  Bischof  von  Gurk,  Matthäus 
Lang,  dem  Staatsmann  des  Kaisers  Maximilian  I.,  mit  dem  er  weit 
herumzog,  auch  nach  Italien  kam.  In  Rom  wurde  er  mit  dem  bekannten 
Mäcenas  Coritius  bekannt,  den  er,  wie  viele  andere  Humanisten,  in 
lateinischen  Gedichten  pries.  Auch  mit  deutschen  Landsleuten  verkehrte 
er  in  der  ewigen  Stadt,  von  denen  Christoph  von  Suchten,  Stephanus 
Rosinus  aus  Augsburg,  Petreius  Aperbach  und  andere  genannt  sein 
mögen.  Hier  dichtete  er  auch  heroische  Lobgedichte  auf  Kaiser  Max  I. 
und  Heinrich  VIII.  von  England.  1514  im  Spätherbste  verliefs  er  Rom 
und  trat  wieder  in  den  Dienst  des  Mathäus  Lang  zurück,  in  dessen 
Begleitung  er  sodann  von  Augsburg  nach  Wien  reiste,  wo  er  sich  1515 
an  der  Universität  immatrikulieren  liefs.  Hier  wurde  er  von  der  herr- 
schenden Modekrankheit  der  Syphilis  befallen,  mufste  aber  im  nächsten 
Jahre  in  die  ihm  immer  weniger  zusagende  Stellung  bei  Lang  zurück- 
kehren. 

Ohne  sein  Wissen  veröffentlichte  der  mit  ihm  befreundete  Georg 
von  Logau  eine  unvollständige  und  unkorrekte  Sammlung  seiner  latei- 
nischen Gedichte  zu  Wien  im  Jahre  1517.  Die  Güte  des  Mäcenas 
Thurzo,  der  ihm  ein  Kanonikat  in  Breslau  verlieh,  ermöglichte  ihm  end- 
lich, den  unfruchtbaren  Dienst  des  unterdessen  zum  Kardinal  erhobenen 
Lang  zu  verlassen.  Er  scheint  in  der  nächsten  Zeit  der  Sekretär  des 
freigebigen  Gönners  gewesen  zu  sein.  Bei  seiner  Rückkehr  nach  Wien 
vermifste  er  besonders  den  ihm  früher  lieb  gewordenen  Vadian  aus  St. 
Gallen,  welcher  in  sein  Vaterland  zurückgekehrt  war  und  bald  ein  Vor- 
kämpfer der  Reformation  wurde,  während  Ursinus  katholisch  blieb. 

Parallel  mit  seinen  zahlreichen  Reisen  geht  beständig  die  poetische 


G.  Bauch,  Caspar  Ursinus  Velius.  181 

Produktion.  Gröfsere  und  kleinere  lateinische  Gelegenheitsgedichte  ver- 
schiedensten Inhaltes  für  Gönner  und  Freunde  erscheinen  da  und  dort 
im  Druck,  unter  denen  z.  ß.  ein  Epithalamion  für  die  Hochzeit  Ferdi- 
nands I.  mit  Anna  von  Ungarn  erwähnt  sein  möge. 

Die  Pest  des  Jahres  1521  vertrieb  unsern  Poeten  aus  Wien  an 
den  Oberrhein.  In  Basel  gewann  er  sich  Beatus  Rhenanus  und  die 
Brüder  Amerbach  zu  Freunden,  bis  er  endlich  auch  den  abgöttisch  ver- 
ehrten Erasmus  in  genannter  Stadt  begrüfsen  durfte.  Derselbe  würdigte 
ihn  sogar  seiner  ausgezeichneten  Freundschaft.  1522  siedelte  Ursinus 
sodann  nach  Freiburg  über,  wo  er  den  1.  Februar  immatrikuliert  wurde 
und  sich  an  Zasius  anschlofs.  Eine  Frucht  dieser  Verbindungen  war  es, 
dafs  1522  seine  Gedichte  (Poematum  libri  quinque)  bei  Frohen  in  Basel 
gedruckt  wurden. 

Die  mit  dem  Fortschreiten  der  deutschen  Reformation  verknüpften 
Unruhen  trieben  den  Dichter  wieder  nach  Italien,  wo  er  aber  im  Rom 
Hadrians  VI.  sich  nicht  mehr  so  beglückt  fühlte  wie  bei  seinem  ersten 
Aufenthalte.  1524  übernahm  er  den  Lehrstuhl  für  Rhetorik  an  der 
Wiener  Hochschule,  eine  Thätigkeit,  die  ihn  aber  nicht  ganz  befriedigte. 
1526  begleitete  er  König  Ferdinand  als  offizieller  Historiograph  in  den 
Krieg  nach  Ungarn,  woselbst  er  von  früher  her  schon  viele  Verbindungen 
hatte.  Später  mit  dem  ehrenvollen  Amte  eines  Erziehers  der  Kinder 
Ferdinands  betraut,  rafft  ihn  den  5.  März  1539  ein  rätselhafter  Tod 
(Bauch  findet  einen  Selbstmord  nicht  unwahrscheinlich)  plötzlich  hinweg, 
so  dafs  er  das  Hauptwerk  seines  Lebens,  eine  Geschichte  Ferdinands  L, 
als  Torso  hinterläfst.  Das  beigegebene  chronologische  Verzeichnis  der 
Schriften  des  Ursinus  zählt  60  Nummern.  Die  sorgfältige  Arbeit  ist 
zum  Teil  auf  handschriftlichen  Quellen  aufgebaut.  Doch  hätte  Bauch 
es  den  Benutzern  etwas  leichter  machen  und  bei  den  zahlreichen  citierten 
Briefen  auch  den  Fundort  angeben  sollen.  Im  übrigen  wird  kein  Leser 
die  Arbeit  ohne  reiche  Belehrung  aus  der  Hand  legen. 

Mit  Bauchs  Arbeit  über  Caspar  Ursinus  Velius  berührt  sich  durch 
den  römischen  Aufenthalt  des  Ursinus  folgende: 

Ludwig  Geiger,  Der  älteste  römische  Musenalmanach  (Geigers 
Vierteljahrsschrift  I  145—161). 

Mit  dem  ältesten  römischen  Musenalmanach  ist  die  im  Jahre  1524 
in  Rom  erschienene  kleine  Schrift  Coryciana  gemeint,  die  ihren  Namen 
von  dem  in  Rom  lebenden  Luxemburger  Johann  Goritz  (gewöhnlich 
Corycius  genannt,  mit  Beziehung  auf  Vergil  Georg.  IV  127)  erhalten  hat. 
Derselbe  bekleidete  die  Stelle  eines  päpstlichen  Notars  und  war  von 
Gelehrten  und  Beamten  hoch  geachtet;  zugleich  Mittelpunkt  eines  Kreises 
begabter  und  humanistisch  gebildeter  Männer,  zumeist  Italiener,  auch 
einiger  Deutscher,  die  sich  während  ihres  römischen  Aufenthaltes  an- 
schlössen, wie  Petrus  Aperbach,   Janus  Hadelius,    Ulrich   von  Hütten, 


]82  Geschichte  des  Humanismus. 

Cajus  Silvanus,  Seb.  Sprenz,  Job.  Cbr.  Suchthenius  und  Kaspar  Ursinus. 
Von  den  italienischen  Genossen  erhalten  wir  eine  eingehendere  Schilderung: 
Pietro  Bembo,  Baldassare  Castiglione,  M.  A.  Flaminio  und  Paolo  Giovio. 
Eine  besondere  Hochschätzung  genofs  in  diesem  Kreise  eine  Marmor- 
gruppe der  heiligen  Anna  und  Madonna  mit  dem  Jesuskinde,  welche 
Goritz  1512  bei  Sausoviuo  bestellt  hatte,  und  die  jetzt  noch  —  freilich 
sehr  unvorteilhaft  aufgestellt  —  sich  in  einer  Kapelle  der  Kirche 
S.  Agostino  zu  Rom  befindet.  Corycius  wurde  ein  Opfer  der  im  Jahre 
1527  erfolgten  Einnahme  Roms  durch  die  Deutschen ,  die  ihn  aus  der 
ewigen  Stadt  vertrieb.  Auf  der  Flucht  nach  Deutschland  starb  er  arm 
in  Verona. 

Gustav  Bauch,  Johannes  Hadus-Hadelius.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Humanismus  an  der  Ostsee  (Geigers  Vierteljahrs- 
schrift I  206-228). 

Nach  Konrad  Celtis,  Hermann  van  dem  Busche  und  Ulrich  von 
Hütten  ist  Hadus  der  vierte  Wanderprediger  des  Humanismus  an  der 
Ostsee.  Wahrscheinlich  Hadeke  ursprünglich  heifsend,  latinisiert  er  sich 
seit  1513  in  Hadus  und  seit  1517  in  P.  Janus  Hadelius.  Vielleicht 
stammt  er  aus  Stade.  Seine  Studien  begann  er  unter  dem  italienischen 
Humanisten  und  Poeten  Riccardo  Sbruglio  aus  Friaul  in  Leipzig,  dem 
er  1508  nach  Wittenberg  folgte,  nachdem  er  schon  in  Leipzig  als  Lehrer 
aufgetreten  war.  Nachdem  1513  Sbruglio,  schon  früher  durch  Konrad 
Mutian  an  den  kurfürstlich-brandenburgischen  Rat  Eitelwolf  von  Stein 
empfohlen,  an  die  neugegründete  Universität  Frankfurt  a.  0.  über- 
gegangen, folgte  ihm  Hadus  auch  dorthin.  Aber  bereits  1514  wurde  er 
Lehrer  der  humanistischen  Disziplinen  an  der  pomraerschen  Universität 
Greifswald.  Nur  ein  Jahr  hielt  er  in  dieser  ziemlich  unsicheren  Stellung 
aus,  dann  wandte  er  sich  nach  dem  nahen  Rostock,  wo  er  ohne  Gebühr 
1515  in  die  Matrikel  eingetragen  wurde.  Magister  Egbert  Harlem, 
Baccalar  der  Theologie,  der  einst  Hütten  freundlich  aufgenommen  hatte, 
nahm  auch  den  neuen  humanistischen  Ankömmling  in  sein  Haus  auf, 
und  an  dessen  Tisch  wurde  er  mit  anderen  angesehenen  Universitäts- 
lehrern bekannt,  so  dafs  er  festen  Fufs  an  der  Universität  zu  fassen 
hoffen  konnte.  Aber  die  Gegnerschaft  des  Magisters  Heinrich  Cother 
verleidete  ihm  den  Aufenthalt  in  Rostock,  so  dafs  er  1516  sich  von 
neuem  auf  die  Wanderschaft  begab.  In  Frankfurt  a.  0.  fand  er  alles  im 
Schrecken  von  der  in  der  Stadt  mächtig  wütenden  Pest,  was  ihm  den 
Anlafs  zu  seinem  besten  Gedichte:  Elegia  ad  Rambertum  clariss. 
Rostochii  medicum  quiddam  de  pestilentia  mirum  gab.  Von  da  zog  er 
über  Breslau  nach  Krakau,  dessen  Universität  damals  auf  dem  Höhe- 
punkte ihrer  Blüte  stand,  und  wo  er  trotz  der  hier  ebenfalls  wütenden 
Pest  vorerst  blieb.  Als  er  aber  auch  hier  nicht  fand,  was  er  suchte, 
wandte  er  sich  nach  Wien,  wo  er  1517  von  Kaiser  Max  L  zum  Dichter 


G.  Bauch,   Johannes  Hadus-Hadelius,  183 

gekrönt  wurde.  Schon  1518  aber  ist  er  auf  dem  Wege  nach  Italien, 
wo  er  in  Rom  in  den  Kreis  des  Luxemburgers  Goritz  aufgenommen 
wurde,  wie  wir  aus  der  Elegie  »In  statuas  Corycianast  in  der  Coryciana 
sehen.  Weiter  aber  können  wir  seine  Spur  nicht  verfolgen.  »Ob  er 
überhaupt  wieder  nach  Deutschland  zurückgekehrt  ist,  bleibt  uns  ganz 
unbekannt;  in  Rostock,  wohin  er  von  Italien  wieder  seine  Schritte  lenken 
wollte,  ist  er  jedenfalls  niemals  wieder  aufgetreten.  Und  so  schliefst 
für  uns  sein  Leben  wieder,  wie  es    begonnen,  im  Dunkel.« 

Professor  Dr.  Adalbert  Horawitz,  Zur  Geschichte  des  Huma- 
nismus in  den  Alpenländern.  I.  Wien.  C.  Gerolds  Sohn.  1886.  8°. 
52  S.  (Separatabdruck  aus  Bd.  111.  Heft  l.  S.  331  der  Sitzungs- 
berichte der  Wiener  Akademie,  phil.-histor.  Cl.). 

Die  Publikation  enthält  32  ungedruckte  Briefe  in  lateinischer 
Sprache  mit  kurzer  Einleitung.  Dieselben  beweisen,  dafs  im  Anfang 
des  16.  Jahrhunderts  die  humanistische  Bildung  auch  in  die  stillen 
Klöster  der  Alpen  Oesterreichs  ihren  Einzug  gehalten  hatte.  Aller- 
dings sind  die  meisten  Briefe  keine  specimina  eruditionis,  manche 
wimmeln  im  Gegenteil  von  Germanismen  und  sonstigen  Fehlern,  so  dafs 
man  den  guten  Willen  für  die  That  nehmen  mufs.  Die  Briefe  stammen 
zunächst  aus  zwei  Salzburger  Handschriften,  deren  erste  aus  der  Salz- 
burger Studienbibliothek  »Scrinioli  Georg  Commentarii  in  Jonam  et 
Ecclesiasten«  katalogisiert  ist,  deren  zweite  dem  Stift  St.  Peter  in  Salz- 
burg angehört.  Einzelne  Briefe  sind  wertvoll  als  Belege  für  das  hohe 
Ansehen ,  das  der  bekannte  Kardinal  Matthäus  Lang  von  Augsburg, 
'einer  der  gefeiertsten  Patrone  der  Humanisten,  auch  in  den  Kreisen  der 
Klosterbrüder  genofs.  Die  Briefschreiber  sind  zumeist  sonst  unbekannt, 
die  Gegenstände,  worüber  sie  sich  unterhalten,  wenig  bedeutend. 

Im  einzelnen  ist  zu  bemerken,  dafs  das  Citat  S.  4.  Anm.  2  genauer 
sein  mufste.  -  S.  11.  Zeile  11  ist  das  Komma  hinter  tempus  als  sinn- 
störend zu  tilgen.  —  S.  22  in  der  Mitte  scheint  Jonah  Druckfehler 
für  Jonam.  —  In  der  zweiten  Hälfte  von  S.  24  sind  entweder  mehrere 
Druckfehler  oder  der  Verfasser  schreibt  sehr  schlecht  lateinisch.  — 
S.  27.  Z.  6  von  unten  ist  ipe  offenbar  Druckfehler  für  ipse.  —  S.  32  ist 
bei  Brief  Nr.  12  das  Datum  vergessen.  —  S.  33  in  Brief  Nr.  12  ist 
Valle  wohl  in  valde  zu  verbessern.  —  S.  33.  Anm.  2  war  nicht  von 
Grafs  »Schrift«,  sondern  »Aufsatz«  zu  reden,  da  diese  Arbeit  in  der 
Niednerschen  Zeitschrift  für  historische  Theologie  erschienen  ist.  —  S.  34 
am  Ende  von  Brief  XIII  ist  Silispone  vermutlich  Druckfehler  für  Salis- 
pone  etc. 

Dr.  Reinhard  Kade,  Studien  zum  Freiberger  Chronisten  Andreas 
Möller  (Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein ,  herausgegeben 
von  H.  Gerlach.  Heft  23.  1886.  S.  1-  20). 

Diese  Arbeit  mufs  hier  kurz  erwähnt  werden,  weil  Möller,  Kon- 
rektor am   Freiberger    Gymnasium  (1624-1637)    bei    einer   öffentlichen 


184  Geschichte  des  Humanismus. 

Aufführung  des  Plautus  Aulularia  benutzte,  allerdings  Anfang  und  Ende 
für  seinen  Zweck  zurecht  machte,  lateinische  Prologe  und  Epiloge  hinzu- 
dichtete und  die  Zwischenakte  durch  ein  selbstgefertigtes  deutsches  Lust- 
spiel ausfüllte. 

Alex.  Kolbe,  Was  haben  wir  an  Bugenhagen?  Festrede  am 
24.  Juni  1885.  (Programm  des  Bugenhagenschen  Gymnasiums  zu 
Treptow  an  der  Rega.    Treptow  a.  R.  1886.  4°.  12  S). 

Eine  zum  Jubiläum  Bugenhagens  gehaltene  Festrede  in  biblischem 
Tone,  die  aber  keine  Förderung  zur  Bugenhagenforschung  bringt.  Wert- 
voll dürften  vielleicht  die  alten  Bugenhagen-Bilder  sein,  auf  welche  der 
Redner  hinweist,  die  sich  in  dem  Schularchiv  gefunden  haben. 

Georg  Mäcropedius,  Ein  Beitrag  zur  Litteraturgeschichte  des 
sechszehnten  Jahrhunderts.  Von  Dr.  Daniel  Jacoby,  Oberlehrer. 
Berlin.  1886.  4*^.  (Beilage  zum  Programm  des  Königstädtischen  Gym- 
nasiums.   Ostern  1886.    Programm  Nr.  63.)  31  S. 

Der  Verfasser  hat  in  dieser  fleifsigen  Schrift  seinen  Artikel  »Mä- 
cropedius« in  der  Allgemeinen  deutschen  Bigraphie  vervollständigt  und 
besonders  mit  einer  wertvollen  Bibliographie  des  Mäcropedius  ausge- 
stattet. Danach  hiefs  Georg  Mäcropedius,  geboren  1474  oder  1475  in 
Gemerten  bei  Herzogenbusch,  eigentlich  Lankveld  oder  Langhveldt. 
Nach  Vollenduug  seiner  Studien  trat  er  in  die  Genossenschaft  der  Brüder 
vom  gemeinsamen  Leben  oder  Hieronymianer,  auch  Gregorianer  genannt, 
und  leitete  deren  berühmte  Schule  zu  Herzogenbusch,  dann  die  Schule 
von  Lüttich,  die  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  als  die  beste  aller 
Brüderschulen  galt,  dann  die  Schule  zu  Utrecht  bis  1552;  den  nach 
Herzogenbusch  Zurückgekehrten  raffte  1558  ein  hitziges  Fieber  hinweg. 
Der  als  Lehrer  hochgeschätzte  Mann  hatte  trotz  seiner  Gewissen- 
haftigkeit und  seines  Fleifses  in  der  Schule  noch  Zeit  zur  Abfassung 
zahlreicher  Lehrbücher  und  lateinischer  Dramen.  Aus  seiner  Schule 
gingen  beinahe  alle  bedeutenderen  Männer  Hollands  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  hervor,  von  denen  nur  einige  genannt  sein 
mögen:  Joannes  Sasgert  (Saskerides),  Estius,  Haräus,  Heure,  W.  Ganter, 
bekannt  durch  seine  Anmerkungen  zu  Aeschylus  und  Euripides,  Cor- 
nelius Valerius,   eigentlich  Wouters  etc. 

Die  Bibliographie  des  Mäcropedius  enthält  Schulschriften  und 
Dramen.  Aus  der  ersten  Klasse,  die  Jacoby  nur  verzeichnet,  nicht  be- 
spricht, weil  er  blofs  den  Dramatiker  würdigen  will,  seien  hervorgehoben : 
Graecarum  Institutionum  Rudimenta.  Busciducis.  Hatard,  1535,  Insti- 
tutiones  Grammaticae  (welcher  Sprache?)  ebendaselbst  1538,  Syntaxeos 
Praecepta  (wohl  für  Griechisch?)  ebendaselbst  1538,  Nominum  et  Ver- 
borum  Quae  in  Institutionibus  Grammaticis  G.  Macropedii  Exeraplorum 
loco  passim  assumuntur  Germanica  interpretatio.  Antv.  1552,  Funda- 
mentum  Scholasticorum.  ültraiecti  1538,  Prosoedia  G.  Macropedii.  Antv 


D.  Jacoby,  Georg  Macropedius.  185 

1550,  Simplex  disserendi  Ratio.  Buseid.  1536,  Methodus  de  Conscri- 
bendis  Epistolis.  Dilingae  1561  etc. 

Nach  Jacobys  Ansicht  besitzen  wir  von  Macropedius  nur  12  latei- 
nische Dramen,  da  derselbe  weder  eine  »Susanna«  noch  »Passio  Christi« 
geschrieben  hat.  Von  den  Dramen  werden  aus  Maugel  an  Raum  nur 
drei  besprochen:  Asotus,  eine  Bearbeitung  des  Gleichnisses  vom  ver- 
lorenen Sohn,  Petriscus  und  Josephus. 

Als  Dramatiker  ist  Macropedius  abhängig  von  Reuchlins  Dramen 
Henno  und  Sergius,  wie  er  selbst  angibt,  übertrifft  aber  sein  Vorbild  in 
mancher  Beziehung.  Seine  Figuren  werden  schon  durch  die  Namen 
charakterisiert:  Der  fleifsige  Jüngling  Philomathes,  der  Taugenichts 
Clopicus,  der  gutmütige  Eumanius  etc.  Vielleicht  behandelt  Jacoby  die 
humanistische  und  pädagogische  Bedeutung  des  Macropedius  in  einer 
Fortsetzung,  wobei  freilich  die  Anschauung,  dafs  derselbe  der  bedeu- 
tendste Gramatiker  seiner  Zeit  sei  (S.  5),  modifiziert  werden  müfste. 

Gustaf  Leithäuser,  Hans  Holbein  der  Jüngere  in  seinem  Ver- 
hältnisse zur  Antike  und  zum  Humanismus.  Hamburg.  1886.  4".  31  S. 
(Programm-Beilage  des  Johanneums). 

Ausgehend  von  der  zweibändigen  Arbeit  Alfred  Woltmauns  »Hol- 
bein und  seine  Zeit«  (2.  Aufl.  1874—1876),  die  als  »ein  unvergleich- 
liches Werk«  bezeichnet  wird,  sucht  der  Verfasser,  noch  eingehender  als 
Woltmann,  das  Verhältnis  Holbeins  zur  Antike  zu  bestimmen.  Unter 
den  Humanisten  haben  der  Baseler  Mäcenas  Bonifacius  Amerbach,  der 
berühmte  Desiderius  Erasmus  und  der  Engländer  Thomas  Morus  die 
"innigsten  Beziehungen  zu  dem  Maler  gehabt,  der  besonders  auch  für 
die  Titelblätter  der  Baseler  Drucke  des  Erasmus  seine  Kunst  angewendet 
hat:  »Wie  viel  geistige  Förderung  aber  mufste  der  Maler  hierbei  aus 
dem  persönlichen  Verkehr  mit  einem  Manne  gewinnen,  der  mit  über- 
legenem Wissen  den  Zauber  herzgewinnender  Liebenswürdigkeit  ver- 
band« (S.  3).  Der  Verfasser  bekämpft  nun  bei  einer  ganzen  Anzahl  von 
Holbeinschen  Bildern,  besonders  den  cyklischen  Gemälden,  die  Deutung 
Weltmanns  —  wie  mir  scheint  —  mit  Erfolg.  Sicherlich  hat  er  mit 
der  Polemik  S.  10  Recht,  wenn  er  erklärt,  dafs  die  Gegenüberstellung 
des  klassischen  Altertums  und  der  Bibel  nichts  Befremdliches  hat.  Das 
ist  vielmehr  bei  den  meisten  deutschen  Humanisten  die  Regelj,  dafs 
eine  biblische  Theologie  und  eine  mafsvoUe  Kultur  der  Renaissance  im 
innigsten  Bunde  stehen.  Wenn  aber  der  Verfasser  die  Latinisierung 
Amerbach  in  Amorbach  für  Bonifaz  Amerbach  besonders  bezeichnend 
findet  (S.  7),  so  ist  zu  bemerken,  dafs  diese  latinisierte  Form  auch  bei 
den  andern  Amerbachen,  Johann,  Basilius  und  Bruno  die  übliche 
Namensform  ist,  wie  sich  z.  B.  aus  dem  von  Horawitz  und  mir  edierten 
Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus  ergibt.  —  Eine  wertvolle  Bereicherung 
seiner  Arbeit  findet  Leithäuser  jetzt  in  dem  S.  Vögelinschen  Aufsatz 
(Repertorium  für  Kunstwissenschaft.  Band  X.  S.  345). 


186  Geschichte  des  Humanismus. 

Johann  von  Äntoniwiecz,  Zur  Geschichte  des  Humanismus  und 
der  Renaissance  in  Polen  (Münchener  Allgemeine  Zeitung.  1886.  Bei- 
lage Nr.  327.  328). 

Der  Verfasser  bandelt  gelegentlich  eines  Werkes  von  Kazimiers 
Morawski  (1884)  über  den  polnischen  Humanisten  Andreas  Patricius 
Nidecki  (Andrzej  Patrycy  Nidecki  1522—1572),  welcher  auch  vielfach 
mit  deutschen  Humanisten  und  Gelehrten  verkehrt  hat.  Zugleich  macht 
er  auf  eine  Spur  aufmerksam,  wonach  sich  handschriftliche  Briefe  des 
genannten  Humanisten  früher  in  Eichstädt  befanden,  und  die  jetzt  in 
einem  bayerischen  Kreisarchiv  in  unbeachteter  Verborgenheit  schlummern 
dürften. 

Philippi  Me'lauchthonis  studia  philosophica,  quam  rationem  et 
quid  moraenti  ad  eins  theologiam  habuerint,  quaeritur.  Dissertatio  in- 
auguralis  philosophica  quam  consensu  et  auctoritate  amplissimi  philo- 
sophorum  ordinis  in  universitate  Fridericiana  Halensi  ad  summos  in 
philosophia  honores  rite  capessendos  etc.  publice  defendet  auctor 
Otto  Riemanu,  pastor  ecclesiae  evangelicae.  Halis  Saxonum  1885. 
80.  57  S. 

Der  Verfasser  verbreitet  sich  kurz  über  den  Bildungsgang  Me- 
lanchthous  und  zeigt,  wie  er  kurz  nach  seiner  Berufung  nach  Wittenberg, 
unter  den  Einflufs  Luthers  kommend,  Aristoteles  gering  schätzte,  bald 
aber  die  feste  Überzeugung  gewann,  dafs  die  Theologie  der  Philosophie 
nicht  entbehren  könne.  Ilias  raalorum  est  inerudita  theologia,  heifst 
sein  charakteristischer  Ausspruch,  dem  er  bis  an  das  Ende  seines  Lebens 
treu  geblieben.  Riemann  sucht  nun  nachzuweisen,  inwiefern  die  Dia- 
lektik, Physik  oder,  wie  man  damals  sagte,  die  Physiologie  und  Ethik 
sich  zu  seinen  theologischen  Ansichten  verhalten  haben.  Leider  hat  sich 
der  Verfasser  sein  Ziel  nicht  sehr  hoch  gesteckt.  Insbesonders  hat  er 
es  unterlassen,  sich  mit  der  ausgedehnten  Litteratur  über  den  behan- 
delten Gegenstand  bekannt  zu  machen.  Man  darf  wohl  mit  Recht  fragen, 
wozu  alle  geistige  Arbeit  dienen  soll,  wenn  die  Nachfolger  es  nicht  der 
Mühe  wert  erachten,  die  Vorgänger  zu  studieren,  ehe  sie  sich  selbst  ver- 
nehmen lassen.  Wenn  jeder  die  Sache  wieder  von  vorn  anfängt,  so  be- 
kommen wir  von  der  geistigen  Thätigkeit  das  Bild  einer  Sisyphusarbeit. 
In  der  nahezu  gänzlichen  Nichtbeachtung  der  Vorgänger  liegt  denn  auch 
der  Grund,  weshalb  Riemann  die  hier  in  Frage  kommenden  Probleme 
nicht  gefördert  hat.  Statt  aller  weiteren  Beispiele  will  ich  nur  auf 
eines  aufmerksam  machen.  In  dem  Abschnitte  über  Ethik  mufsten  min- 
destens folgende  zwei  Arbeiten  berücksichtigt  werden:  Schwarz,  Me- 
lanchthon  als  Ethiker  (Theologische  Studien  und  Kritiken  1853.  S.  17) 
und  Chr.  E.  Luthardt,  Melanchthons  Arbeiten  im  Gebiet  der  Moral. 
Leipzig.  Universitätsschrift  1884.  Was  soll  man  ferner  dazu  sagen, 
dafs  Riemann  nicht  einmal  die  wichtigste  Arbeit  über  den  von  ihm  bear- 


0.  Riemann,  Ph.  Melanchthonis  studia.  187 

beiteten  Gegenstand,  das  Buch  Herrlingers  über  die  Theologie  Me- 
lanchthons,  das  schon  1879  (Gotha.  Perthes)  erschienen  ist,  beige- 
zogen hat? 

Ein  fernerer  Mangel  des  Schriftchens  besteht  darin,  dafs  der  Ver- 
fasser nicht  den  Nachweis  versucht  hat ,  wie  die  späteren  Bearbeitungen 
der  Melanchthonschen  Bücher  in  der  Regel  einen  nicht  unwesentlich 
veränderten  Standpunkt  aufweisen.  Insbesondere  wäre  zu  zeigen  ge- 
wesen, wie  Melanchthon  mit  zunehmenden  Jahren  der  Theologie  einen 
immer  gröfseren  Einflufs  auf  seine  philosophischen  Ansichten  gestattete. 
Dies  dürfte  freilich  in  der  Physik  und  Ethik  deutlicher  nachzuweisen 
sein  als  in  der  Dialektik. 

Aufserdem  wäre  vielleicht  auch  die  Rhetorik  Melanchthons  bei- 
zuziehen gewesen,  schon  deshalb,  weil  Rhetorik  und  Dialektik  bei  ihm 
fast  unzertrennlich  sind,  wie  schon  bei  früheren  Humanisten,  von  denen 
nur  Rudolf  Agricola  angeführt  sein  soll.  Wenn  ferner  Riemann  am 
Schlüsse  die  Friedensliebe  Melanchthons  hervorhebt  (S.  52),  so  ist  das 
schon  richtig;  nur  dürfte  das  gewählte  Beispiel,  das  Verhalten  gegen 
Hütten  (1523),  nicht  besonders  glücklich  sein.  Denn  die  Urteile  über 
Huttens  Streit  mit  Erasmus  hatten  ihren  letzten  Grund  in  andern  Rück- 
sichten. Die  Wittenberger  wollten  sich  damals  den  einflufsreichen  Hu- 
manistenkönig in  Basel  nicht  zum  Feinde  machen.  Man  darf  eben 
solche  briefliche  Äufscrungen  nicht  aus  ihrem  natürlichen  Zusammenhang 
reifsen,  wenn  man  nicht  das  richtige  Verständnis  zerstören  will.  —  Das 
Latein  des  Verfassers  ist  nicht  frei  von  Germanismen:  ich  erinnere  nur 
an  saepius  für  öfters,  wo  saepe  stehen  müfste.  --  S.  13  hat  Riemann 
nach  Corp.  Reff.  XI  17  citiert:  et  qui  alioqui  Graecis  obscurus,  xal  xh 
Xo^ta  similis  videtur,  was  gar  keinen  Sinn  hat;  es  mufs  vielmehr  xal 
Tip  Ao$c'(/L  heifsen. 

Ernst  Koch,  Magister  Stephan  Reich  (Riccius).  Sein  Leben  und 
seine  Schriften  (1512—1588).  Mit  Reichs  Bildnis  in  Lichtdruck. 
Meiningen  1886.    40  S. 

Unter  den  Schülern  Melanchthons,  deren  Name  auch  in  der  Ge- 
schichte der  Philologie  genannt  werden  mufs,  nimmt  Reich  (oder  latini- 
siert Riccius)  einen  hervorragenden  Platz  ein.  Geboren  1512  zu  Kahla 
(im  heutigen  Sachsen-Altenburg),  besuchte  er  die  Lateinschule  zu  Jena, 
wo  Franciscus  Mohr  und  Andreas  Misenus  seine  Lehrer  waren.  1529 
begann  er  seine  Studien  in  Wittenberg,  1533  ging  er  nach  Posen,  wo 
er  im  Hause  des  Niederländers  Stratius  eine  Stellung  fand.  1535  nach 
Wittenberg  zurückgekehrt,  studierte  er  noch  ein  Jahr,  um  dann  1536 
oder  schon  1537  das  Rektorat  der  Stadtschule  in  Jena  anzutreten.  1540 
siedelte  er  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Saalfeld  über.  Hierauf  ging  er 
ins  geistliche  Amt  über,  und  nach  vorübergehender  Thätigkeit  in  Langen- 
bchade  und  Kahla  findet  er  dauernde  Stellung  als  Pfarrer  der  zum  Amte 


188  Geschichte  des  Humanismus. 

Weifsenfeis  gehörigen  Lissen.  Von  den  zahlreichen  Schriften  des  fleifsigen 
Mannes  sind  hier  zu  erwähnen:  Übersetzung  der  drei  olynthischen  Reden 
des  Demosthenes  1540  (Cod.  chart.  A.  588  zu  Gotha),  Übersetzung  der 
beiden  Reden  des  Demosthenes  gegen  Aristogeiton  1542  (Cod.  chart.  B. 
439  in  Gotha),  Quaestiunculae  in  Eclogas  Virgilii  (Frankfurt  1546),  Ar- 
gumenta in  M.  Tullii  Ciceronis  epistolas  familiäres  (Nürnberg  1556), 
Argumenta  seu  dispositiones  rhetoricae  in  eclogas  Virgilii  (Weifsenfeis 
1565),  Kommentar  zu  sechs  Komödien  des  Tereuz  (Weifsenfeis  1566), 
eine  deutsche  Übersetzung  der  Bucolica  Vergils  (1568),  eine  deutsche 
Übersetzung  der  von  Sturm  getroffenen  Auswahl  von  Ciceros  Briefen 
(1568),  ein  Kommentar  zu  ausgewählten  Reden  Ciceros  (1568),  deutsche 
Übersetzung  des  ersten  Buches  von  Ciceros  Briefen  an  seine  vertrauten 
Freunde  (157o  gedruckt).  Der  Schwerpunkt  der  Kochschen  Arbeit,  deren 
zweiter  Teil  hoffentlich  bald  erscheint,  liegt  in  der  genauen  Bibliographie 
der  Reichschen  Schriften.  Übrigens  hätten  manche  Citate  mit  Rücksicht 
auf  das  Corpus  Reformatorum  kürzer  gefafst  sein  können.  Der  Brief 
an  Stratius  (Oktober  1533)  S.  7  steht  schon  Corp.  Reff.  II  681,  der 
nächste  ebendaselbst  (Wittenberg  1533)  1.  1.  693,  der  nächste,  anfangend 
Spero  ad.  te,  1.  1.  688,  und  der  am  Ende  der  Seite  S.  689.  Möchte  es 
dem  Verfasser  möglich  sein,  seine  fleifsige  Arbeit  mit  einem  zweiten 
Teil,  der  eine  Charakteristik  der  Reichschen  Leistungen  enthält,  zu 
Ende  zu  führen. 

W.  Crecelius,  Ein  Brief  von  Johann  Sturm  (Birlingers  Ale- 
mannia XIV  (1886)  S.  52  und  53). 

Der  Brief  des  berühmten  Strafsburger  Pädagogen,  datiert  Strafs- 
burg den  7.  Januar  1570,  ist  an  Georg  Ludwig  Hütten  gerichtet  und 
entstammt  dem  Cod.  Pal.  1902  der  Vatikanischen  Bibliothek.  Derselbe 
bezieht  sieh  auf  einen  gewissen  Biotins,  dessen  Eigenschaften  gerühmt 
werden. 

Wilhelm  Crecelius,  Johann  Leonhard  Weidner,  Rektor  der 
Lateinschule  zu  Elberfeld,  Fortsetzer  von  Zincgrefs  Apophthegmata. 
(Beilage  zum  Programm  des  Gymnasiums  zu  Elberfeld.  1886.  Programm 
Nr.  401.)  20.  S. 

Diese  inhaltreiche  kleine  Arbeit  des  auf  dem  Felde  der  Gelehrten- 
geschichte rühmlich  bekannten  Verfassers  ist  der  dritte  Teil  zu:  »Die 
Anfänge  des  Schulwesens  in  Elberfeld.  Nebst  Nachträgen  zu  Bouter- 
weks  Geschichte  der  Lateinischen  Schule.«  J.  L.  Weidner  wurde  als 
Sohn  eines  Pfarrers  den  11.  November  1588  zu  Ottersheim  bei  Dirm- 
stein in  der  Pfalz  geboren,  besuchte  seit  1600  das  Gymnasium  und 
später  die  Universität  Heidelberg,  wo  er  Schüler  des  berühmten  Janus 
Gruterus  war,  wurde  1612  Lehrer  zu  Neuhausen  bei  Worms,  1615  —  1619 
Rektor  der  Lateinschule  zu  Elberfeld,  1619—1622  in  der  gleichen 
Stellung  zu  Montjoie,  1622-1623  Konrektor  der  reformierten  Schule  zu 


W.  Crecelius,  Job.  Leonh.  Weidner.  189 

Düsseldorf,  1623—1636  Rektor  zu  Duisburg,  1636—1648  Konrektor  zu 
Nymwegen,  1648-1650  Rektor  zu  Maastricht,  1650— 1655,  wo  er  starb, 
Rektor  des  ueuorganisierten  Gymnasiums  Heidelberg.  Durch  seine  Apo- 
phthegmata  (1644)  ist  er  auch  nicht  unwichtig  für  die  deutsche  Litteratur. 
Zugleich  behauptet  er  eine  Stelle  unter  den  lateinischen  Poeten  der 
Deutschen. 

Aus  dem  zweiten  Bande  der  Töpkeschen  Matrikelpublikation  lassen 
sich  einige  Ergänzungen  zu  Crecelius'  Arbeit  beifügen.  Wenn  daselbst 
S.  240  zum  17.  Mai  1608:  »Joannes  Leonardus  Weisnerus  Ottershe- 
raiensis  Palat.«  steht,  so  ist  Weisnerus  gewifs  in  Weidnerus  zu  ver- 
bessern. Über  Julius  Ziucgref  findet  sich  S.  237  zum  5.  Oktober  1607 
der  Eintrag:  Julius  Wilhelmus  Zinckgräf,  licentiati  Laurentij  filius, 
Heidelbergensis.  Zu  Friedrich  Lingelsheim  (S.  3)  vergl.  S.  235 :  Fride- 
ricus  Lingelsheimius,  doctoris  Georgii  Michaelis  consiliarij  electoralis 
Intimi  filius  25.  Juni  1607;  zu  Werner  Teschenraacher  vergl.  S.  234: 
Wernerus  Teschenmacher,  Elverfeldensis  Montanus  den  10.  April  1607. 
Ein  Petrus  Täschenmacher ,  Elverveldomontensis  wurde  den  30.  Sep- 
tember 1606  in  Heidelberg  immatrikuliert ,  und  nach  S.  475  machte 
Werner  Teschenraacher  den  16.  Februar  1609  sein  Examen  als  Ma- 
gister artium. 

W.    Crecelius,     Zu    Zingrefs    Briefen    an    Gruter    (Archiv    für 
Litteraturgeschichte  XIV  (1886)  S.  317  und  318). 

Aus  Cod.  Pal.  1907  der  Vatikana ,  welcher  einen  Teil  der  Korre- 
spondenz  von  Janus  Gruter  aus   den   letzten  Jahren  vor   der  Einnahme 
Heidelbergs  durch  die  Bayern  enthält,  werden  einige  Lesarten  zu  den 
in  Band  VHI  derselben    Zeitschrift  veröffentlichten  Briefen  mitgeteilt. 
Max  Lossen,    Briefe  von  Andreas  Masius  und  seinen  Freunden 
1538-1573.  Leipzig.  Dürr.  1886.  XX  und  537  S.  (Band  H  der  Publi- 
kationen der  Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskunde). 

Obgleich  diese  wertvolle  Veröffentlichung  ihren  Hauptwert  durch 
den  mannigfaltigen  geschichtlichen  Inhalt  hat,  so  mufs  sie  doch  auch  an 
dieser  Stelle  erwähnt  werden.  Das  Vorwort  (S.  VII— IX)  gibt  Auskunft 
über  die  Editionsgrundsätze,  die  nur  wenig  von  den  von  Menzel  für 
die  Publikationen  der  Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskunde  auf- 
gestellten abweichen.  Wenn  der  Herausgeber  sagt:  »Die  lateinische 
Orthographie  ist  in  Originalbriefen  regelmäfsig  nach  der  Vorlage  bei- 
behalten; in  blofsen  Kopien  ist  mitunter  von  Wilhelm  Brambachs  Hülfs- 
büchlein  für  lateinische  Rechtschreibung  Gebrauch  gemacht,«  so  scheint 
dies  nicht  berechtigt.  Denn  Brambach  wollte  die  urkundlich  richtige 
Schreibweise  der  alten  Römer  feststellen,  nicht  aber  die  sehr  veränderte 
Orthographie  des  Mittelalters  und  der  Humanisten.  In  dem  Falle,  dafs 
nur  Kopien  und  nicht  Originalien  vorlagen,  mufste  vielmehr  nach  der 
Analogie  der  Originale  verfahren  werden.  S.  X— XIII  wird  über  die 
Fundstätten  der  gedruckten  und  nicht  gedruckten  Briefe  berichtet.   Von 


190  Geschichte  des  Humanismus. 

sieben  Orten  hat  Lossen  sein  ungedrucktes  Material  bezogen.  Den 
Briefen  selbst  ist  ein  kurzer  Überblick  über  das  Leben  des  Masius  vor- 
angestellt, die  nur  wenig  erweiterte  Reproduktion  des  Lossenschen  Ar- 
tikels für  die  Allgemeine  deutsche  Biographie.  Nur  die  Anekdota  sind 
in  extenso  abgedruckt,  und  auch  diese  nicht  immer,  die  gedruckten 
werden  inhaltlich  verzeichnet.  Ein  ausführliches  Sach-  und  Namen- 
register beschliefst  den  stattlichen  Band,  der  aber  eine  reichere  Aus- 
beute für  die  Geschichte  der  orientalischen  Sprachstudien,  welchen  sich 
Masius  eifrig  zugewendet  hatte,  als  für  die  Geschichte  der  klassischen 
Philologie  enthält.  Die  Publikation  zeichnet  sich  durch  die  gediegene 
Gelehrsamkeit  der  Anmerkungen  aus,  obgleich  da  noch  ab  und  zu  einiges 
zu  bessern  ist.  So  sollten  z.  B.  die  klassischen  Citate  regelmäfsig  nach- 
gewiesen sein.  Im  Register  fehlt  Hubrecht  206,  und  dabei  sollte  auf 
Leodius  verwiesen  sein,  denn  Hubrecht  ist  sicher  Hubert  Thomas  Leo- 
dius,  der  bekannte  Sekretär  des  Kurfürsten  Friedrich  II.  von  der  Pfalz. 
Unter  Melanchthon  im  Register  ist  227  in  226  zu  ändern.  Die  Be- 
merkung S.  XVII:  »Während  seines  Aufenthaltes  in  Rom  war  Masius 
auch  von  Kurfürst  Friedrich  II.  von  der  Pfalz  mit  gewissen  nicht  genau 
bekannten  Geschäften  beauftragt,«  findet  jetzt  durch  Ed.  Winkelmann, 
Urkundenbuch  der  Universität  Heidelberg  I  249.  250  eine  erfreuliche 
Erklärung. 

An  Drucken  mittelalterlicher  und  humanistischer  Poesie  ist  noch 
zu  verzeichnen: 

Gustavus  Milchsack,  Hymni  et  Sequentiae  cum  compluribus 
aliis  latinis  et  gallicis  nee  non  theotiscis  carminibus  medio  aevo  com- 
positis,  quae  ex  libris  impressis  et  ex  codicibus  manuscriptis  saecu- 
lorum  a  IX  usque  ad  XVI  partim  post  M.  Flacii  Illyrici  curas  con- 
gessit  variisque  lectionibus  et  nunc  primum  in  lucem  prodidit.  Pars 
prior.  Halis  Saxouum.  Sumptibus  Maximiliani  Niemeyer  Bibliopolae. 
Lipsiae  in  officina  G.  Drugulin  typis  Impressum  MDCCCLXXXVI. 
8».  224  S. 

Schon  der  Titel  dieses  Buches,  der  in  seiner  Länge  an  die  ehr- 
liche und  umständliche  Breite  eines  Schriftstellers  etwa  aus  dem  17. 
Jahrhundert  erinnert,  gibt  dem  Leser  allerlei  Rätsel  zur  Lösung  auf. 
Wenn  die  Hymnen  zum  Teil  aus  gedruckten  Büchern  stammen,  so  ist 
das  »nunc  primum  in  lucem  prodidit«  unbegreiflich.  Auch  nach  den  auf 
dem  Titelblatt  angekündigten  variae  lectiones  sieht  man  sich  im  Buche 
vergeblich 'um,  oder  sollen  sie  erst  in  der  pars  posterior  folgen?  Das 
Buch  hat  gar  keine  Prolegomena,  so  dafs  mau  über  die  grundlegenden 
Fragen  keine  Auskunft  erhält.  Von  keinem  einzigen  Gedicht  erfahren 
wir,  woher  Milchsack  es  entnommen  hat,  ob  aus  einem  Druck  oder  einer 
Handschrift?  Wir  werden  auch  darüber  nicht  belehrt,  ob  die  aus  Hand- 
schriften  entlehnten    Hymnen   vielleicht   nicht   trotzdem   schon   gedruckt 


G.  Milchsack,  Hymni.  191 

sind.  Ebenso  wenig  wird  darüber  Aufschlufs  gegeben,  nach  welchem 
Prinzip  die  Hymni  geordnet  sind.  Das  ganze  Buch  macht  den  Eindruck, 
als    ob  es  ein  Dilettant  für  asketische  Zwecke  zusammengestellt  hätte. 

Im  übrigen  aber  mufs  anerkannt  werden,  dafs  sowohl  unter  den 
Hymnen  auf  Heilige,  welche  den  ersten  Teil  bilden,  wie  unter  den  Car- 
mina  vagorura  des  zweiten  Teiles  einzelne  von  seltener  poetischer  Schön- 
heit in  Sprache  und  Inhalt  sind. 

Möchte  der  Verfasser  sich  entschliefsen,  in  seiner  Pars  posterior 
das  im  ersten  Teil  Versäumte  nachzuholen  und  wie  Fr.  X.  Mone  in 
seiner  Hymnensammlung  auf  alle  erwähnten  Fragen  genügende  Aus- 
kunft geben. 

Lyra  Doctorum.  Carmina  lyrica  a  viris  doctis  recentiorura  tem- 
porum  composita  elegit  Joannes  Draheim.  Lipsiae  in  aedibus 
B.  G.  Teubneri.  1886.  kl.  8*.  210  S. 

Eine  Anthologie  neulateinischer  Dichter  aus  der  Zeit  des  Huma- 
nismus bis  zur  neuesten  Gegenwart.  Die  kleine  Schrift  ist  in  drei 
Bücher  eingeteilt,  von  denen  das  erste  47,  das  zweite  26  und  das  dritte 
wieder  47  Nummern  hat.  Alcäische  und  sapphische  Oden  wiegen  vor, 
doch  sind  auch  andere  Versmafse  vertreten.  Von  den  Verfassern  seien 
beispielsweise  genannt:  P.  Bembus,  Jan.  Broukhusius,  K.  Celtis,  Petr. 
Crinitus,  Des.  Erasmus,  H.  Grotius,  Gottfried  Hermann,  Helius  Eobanus 
Hessus,  Ulr.  von  Hütten,  Just.  Lipsius,  Petrus  Lotichius  Secundus, 
P.  Melissus,  Muretus,  Poggius,  Ang.  Politianus,  Scaliger,  Maur.  Seyffertus, 
G*  Vossius.  Besonders  möge  auf  die  Gedichte  von  Ernst  Ranke,  da- 
runter eines  an  seinen  Bruder  Leopold,  aufmerksam  gemacht  sein.  Den 
Schlufs  des  Buches  machen:  Nomina  poetarum  (alphabetisch  geordnet), 
Initia  carminum  und  eine  kurze  Aduotatio.  Für  eine  neue  Auflage 
möchte  ich  drei  Wünsche  äufsern :  mit  dem  Namensregister  der  Dichter 
möchten  ganz  kurze  biographische  Daten  verbunden  werden;  dann  sollten 
kurz  die  Schriften  verzeichnet  werden,  welchen  die  Gedichte  entnommen 
sind,  und  scbliefslich  wären  ganz  kurze  sachliche  Erklärungen  am  Ende 
beizufügen,   wenn  nicht  vieles  unverständlich  bleiben  soll. 

Die  Geschichte  des  Buchdrucks,  welche  immer  mit  der  Geschichte 
der  Wissenschaft  im  allgemeinen  und  des  Humanismus  im  besonderen 
in  Verbindung  gestanden  hat,  möge  durch  einige  Publikationen  hier 
vertreten  sein : 

Le  Livre.  L'illustration  —  la  reliure.  ]&tude  historique  som- 
maire  par  Henri  Bouchot,  ancien  eleve  de  l'ecole  nationale  des 
chartes,  attache  au  departement  des  estampes  de  la  bibliotheque  natio- 
nale. Paris.  Maison  Quantin.  8°.  320  S.  (Bibliotheque  de  i'enseigneraent 
des  beaux-arts,  publiee  sous  la  direction  de  M.  Jules  Comte). 

Ein  ansprechendes  und  nützliches  Buch.  Der  Verfasser  hat  es 
keineswegs  darauf  abgesehen,  viel  neue  Entdeckungen  zu  macheu,    son- 


192  Geschichte  der  Buchdruckerkunst. 

dem  er  will  das  vorhandene  Material  einem  weiteren  Leserkreis  in 
ansprechender  Form  vorführen.  Ab  und  zu  teilt  er  auch  neue  Be- 
merkungen mit.  In  neun  Kapiteln  führt  er  die  Geschichte  von  den 
ersten  Anfängen  der  Druckkunst  herab  bis  zur  Gegenwart.  Die  letzten 
Abschnitte  sind  der  Behandlung  von  Typen,  Druck,  Papier,  Drucker- 
schwärze, Einband,  Bibliothek  noch  ganz  besonders  gewidmet. 

In  der  zur  Zeit  viel  verhandelten  Frage  der  Priorität  der  Er- 
findung des  Buchdrucks  —  ob  der  Deutsche  Gutenberg  oder  der  Nieder- 
länder Coster?  —  sagt  Bouchot  S.  16:  »Junius,  on  le  voit,  attribue  ä 
Laurent  de  Coster  la  premiere  Impression  du  speculum  (der  genaue 
Titel  des  Buches  ist:  Speculum  humanae  salvationis) ,  non  plus  l'ira- 
pression  purement  xylographiqne  des  donats  k  composition'  fixe,  mais 
Celle  dejä  plus  avancee  eu  caracteres  mobiles.  Pour  dire  vrai,  ce  livre 
eut  au  moins  quatre  editions  semblables  par  les  gravures  et  le  corps 
de  lettres,  mais  differant  par  le  texte.  II  faut  donc  admettre  la  fönte 
dejä  repandue,  et  l'imprimerie  decouverte,  car  la  meme  police  ue  pou- 
vait  convenir  ä  plusieurs  langues  etc.«  und  S.  22:  »Sans  doute,  comrae 
bien  d'autres,  il  avait  eu  eutre  les  malus  un  des  ouvrages  iraprimes  de 
Laurent  de  Coster,  et  l'idee  lui  etait  venue  de  s'appropier  un  proced6 
dans  l'enfance.« 

Mit  der  deutschen  Litteratur  über  seinen  Gegenstand  scheint  der 
Verfasser  nur  mäfsig  bekannt  zu  sein.  Auch  sind  manche  Einzelheiten 
in  dem  Buche  zu  berichtigen;  so  z.  B.  S.  154:  der  berühmte  Christophe 
Plantin  in  Antwerpen  ist  nicht  in  Tours,  sondern  zu  Moutlouis  bei  Tours 
geboren.  Vergl.  L.  Degeorge,  La  Maison  Plantin  (Paris  1886)  S.  5. 
Auch  wären  noch  manche  Zusätze  zu  machen.  Auf  S.  314  raufste  unter 
den  berühmten  Bibliotheken  Deutschlands  im  17.  Jahrhundert  notwendig 
neben  der  zu  Wolfenbüttel  auch  die  herrliche  Palatina  in  Heidelberg 
genannt  werden,  welche  freilich  dann  nach  Rom  geschleppt  wurde.  Auf 
S.  317  war  bei  München  der  seltene  Handschriftenreichtura  dieser  Biblio- 
thek und  die  im  höchsten  Grade  zu  rühmende  Liberalität  in  der  Be- 
nutzung zu  erwähnen. 

Einen  besonderen  Wert  verleihen  dem  Buch  die  sehr  zahlreichen 
und  meist  wohlgelungenen  Facsimiles,  von  denen  einige  hier  genannt 
sein  mögen:  fipreuve  de  Donat  tir6e  sur  un  xylographe  original  con- 
serve  ä  la  Bibliotheque  nationale,  Figure  xylographique  de  l'Ars  mo- 
riendi,  Figure  de  l'ecole  de  Martin  Schongauer  tiree  du  Rationarium 
evangelistarum  de  1505,  Lettres  d'indulgences  de  1' Edition  dite  de  31 
lignes ,  imprimee  ä  Mayence  1454,  Fragment  de  la  Bible  Mazarine, 
Signature  du  Catholicon  presum6  imprime  par  Gutenberg  und  viele  andere. 

F.  M.,  Zur  Methodik  des  Sammeins  von  Incunabeln.  Wien.  Ver- 
lag der  »Österreichischen  Buchhändler-Correspondenz.«  1886.  8^.  15  S. 


J.  Köhler,  Die  Handschriften-  und  Incunabelndrucke.  193 

langt  zwei  Klassen  von  Katalogen:  Notwendige  Kataloge  und  wünschens- 
werte Spezialkataloge.  Zu  den  ersten  gehören:  1)  Alphabetischer  Haupt- 
katalog als  Zettelkatalog.  2)  Topographisch -typographischer  Katalog. 
3)  Chronologischer  Katalog  nach  Jahrgängen.  4)  Inhaltlicher  (Real-) 
Katalog.    5)  Verzeichnis  der  Drucke  mit  Holzschnitten. 

J.  Köhler,  Die  Handschriften-  und  Inkunabelndrucke  der 
Rastatter  Gymnasiumsbibliothek.  Beilage  zum  Programm  des  Grofs- 
herzoglichen  Gymnasiums  zu  Rastatt  für  das  Jahr  1886.  Rastatt. 
40.  24  S. 

Die  Anstalt  besitzt  14  Handschriften  theologischen  Inhalts,  131 
Inkunabeln  lateinischer  und  griechischer  Drucke  und  22  deutsche  In- 
kunabeln. Unter  den  lateinischen  und  griechischen  Inkunabeln  sind  viele 
Nummern,  die  auch  für  die  Geschichte  der  Philosophie  von  Wert  sind, 
wie  z.  B.  Aesopus  grecus  per  Laurentium  Vallensem  (in  latinum  ser- 
monem)  traductus  (Norimbergae  s.  a.  4^),  Aristotelis  Physicorum  libri 
octo.  De  celo  et  mundo  libri  quatuor  etc.  Nova  translatio  ab  Averoi 
commentata.  Impressum  per  Andream  de  Asula.  (Venetiis  1483.  2°), 
Sebastian  Brant  Carmen  de  moribus  et  facetiis  (1490),  Seb.  Brant  Faceti 
über,  docens  mores  iuvenum  (Basil  1499),  Diomedis,  Phocae,  Capri, 
Agraetii,  aliorum  grammaticorum  de  arte  grammatica  Libri  (Venet.  1500), 
JcoaxopcSau,  fhoaxcoo  '  Ava^apßscug,  Uspl  uhjg  lazpixrjg  ßcßXta  kvvsa  etc. 
(Venet.  1499),  'F-uiioXoycxov  ixiya  (Eve~.  1499),  Marsilii  Ficini  epistolae 
(1497),  Gellius  (Ven.  1500)  etc.  Unter  den  Druckorten  ist  Augsburg, 
Basel,  Strafsburg  und  Venedig  am  häufigsten  vertreten.  Neben  der 
Theologie  stellen  die  römischen  und  griechischen  Schriftsteller  die 
meisten  Nummern. 

Leon  Degeorge,  La  Maison  Plantin  ä  Anvers.  Monographie 
complete  de  cette  imprimerie  celebre,  documents  historiques  sur  Tim- 
primerie,  liste  chronologique  des  ouvrages  imprim4s  par  Plantin  de 
1555  ä  1589.  Troisieme  edition  dounant  la  Genealogie  de  la  famille 
Plantin-Moretus,  le  Portrait  et  la  Marque  du  grand  imprimeur,  d'apres 
Wiericx  et  huit  dessius  de  M.  Maurice  Degeorge.  Paris.  Firrain  — 
Didot  et  Cie.  1886.  8«.  IX  et  212  p. 

Es  ist  ein  schönes  und  ehrendes  Zeugnis  für  den  französischen 
Büchermarkt,  dafs  eine  Monographie  über  die  Schätze  der  Plantin- 
Sammlung  zu  Antwerpen  drei  Auflagen  erleben  konnte,  wobei  freilich 
nicht  verschwiegen  werden  soll,  dafs  die  Empfehlung  des  Werkes  als 
für  Schulpreise  geignet  durch  das  belgische  Unterrichts-Ministerium  diesen 
Erfolg  wesentlich  mitbefördert  hat.  1875  kaufte  die  Stadt  Antwerpen  um 
die  Summe  von  1200  000  Francs  das  Haus,  in  welchem  einst  der  welt- 
berühmte,   aus   einem   Dorfe  bei   Tours   stammende   Buchdrucker    Chri- 


194  Geschichte  der  Universitäten. 

bibliographischen  und  sonstigen  Schätze  dieser  jetzt  zur  städtischen 
Sammlung  erhobeneu  Maisou  Plantin  sind  allerdings  unvergleichlich.  Sie 
repräsentiereu  ein  bedeutungsvolles  Stück  Kunst-  und  Kulturgeschichte. 
Die  ersten  Abschnitte  des  Buches  geben  Auskunft  über  Plantiu  und 
seine  Familie;  ein  Stammbaum  reicht  bis  zur  neuesten  Gegenwart,  frei- 
lich nicht  mit  dem  Namen  Plantin,  da  der  einzige  Sohn  des  Buch- 
druckers früh  starb  und  nur  vier  Töchter  von  den  Kindern  übrig  blieben. 
Eine  Anzahl  der  bei  Plantin  erschienenen  Werke  findet  eine  Bespi'cchung. 
Besonders  hervorzuheben  bleibt  die  Polyglottenbibel,  über  welche  übrigens 
aus  dem  von  Lossen  herausgegebenen  Briefwechsel  des  Andreas  Masius, 
der  an  den  ersten  Abschnitten  noch  mitgearbeitet  hat,  noch  mancherlei 
zu  gewinnen  gewesen  wäre.  Von  S.  134—212  reicht  das  chronologische 
Verzeichnis  der  bei  Plantin  gedruckten  Bücher,  wofür  Degeorge  gute 
Vorarbeiten  hatte.  Viele  von  den  hier  verzeichneten  Büchern  sind  bibio- 
graphische Seltenheiten, so  dafs  mir  dieMöglichkeit  einer  genauen  Kontrolle 
maugelt.  Trotzdem  sind  mir  einige  Druckfehler  und  Verstöfse  aufgefallen: 
S.  186  bei  Evangelia  adversaria  ist  emendatoria  vermutlich  zu  verändern  in 
emendatiora;  S.  210  bei  Officium  -diurnum  ist  concili  Tridentinii  zu  ver- 
ändern in  concilii  Tridentini;  S.  212  unter  Bellarminus  ist  der  Flaccus 
Ilyricus  wahrscheinlich  zu  verbessern  in  Flacius  lUyricus,  wie  der  be- 
kannte lutherische  Streittheologe  geheifsen  hat.  Wenn  wir  bedenken, 
dafs  Lipsius  und  Divaeus  bei  Plantin  drucken  liefsen,  so  erhellt  daraus 
auch  der  Wert  der  Publikation  für  die  Geschichte  der  Philologie.  Ohne- 
dem wimmelt  es  in  dem  Verzeichnis  von  Klassikerausgaben. 

Einen  reichen  Ertrag  für  üniversitätsgeschichte  warf  das 
500jährige  Jubiläum  der  Universität  Heidelberg  ab.  Die  wichtigsten 
Festschriften,  die  unser  Gebiet  streifen,  mögen  hier  knrz  besprochen 
werden. 

Aus  der  Fülle  von  Festbeschreibungen,  welche  Tagesblätter  und 
periodisch  erscheinende  Zeitschriften  über  das  Heidelberger  Jubiläum 
brachten,  sei  besonders  hervorgehoben: 

S(amuel)  Br(andt),  Das  fünfhundertjährige  Jubiläum  der  Uni- 
versität Heidelberg  den  2.  7.  August  1886  (Berliner  Philologische 
Wochenschrift.  VI.  Nr.  39  und  40). 

Hier  werden  besonders  die  für  Philologen  bemerkenswerten  That- 
sacheu  zusammengestellt.  Unter  den  eingeladenen  Vertretern  fremder 
Hochschulen  werden  auch  folgende  philologische  Namen  aufgezählt:  Brunn, 
Dittenberger,  Rieh.  Foerster,"  Geizer,  Hagen,  Hartel,  Kuhn,  Gust.  Meyer, 
Mommsen,  Ribbeck,  Rud.  Scholl,  Schwabe,  Urlichs,  Usener,  Ussing, 
Windisch.  Aus  den  Festschriften,  mit  welchen  die  Universität  gefeiert 
wurde,  hebt  Brandt  diejenigen  hervor,  welche  in  irgendeiner  Beziehung 
zur  Philologie  stehen.  Nicht  eigentliche  Festschrift,  wenn  auch  der  Uni- 
versität am  Festtage  als  Geschenk  überreicht,  siiid  die  Bände  des  Hand- 


S.  Brandt,   Das  fünthundertjährige  Jubiläum  der  Universität.         ]  95 

Schriften-  imd  Druckschriften -Katcalogs  über  die  ehemalige,  nach  Rom 
geschleppte  Palatina,  die  übrigens  noch  nicht  ganz  abgeschlossen  sind. 
Aus  der  grol'sen  Zahl  von  Adressen  und  dergleichen  wird  als  die  Krone 
aller  Elogia  die  von  Momrasen  im  Auftrag  der  Universität  Berlin  ver- 
fafste  lateinische  Inschrift  auf  einer  Broncetafel  im  Wortlaut  mitgeteilt. 
Der  Verfasser  schliefst  seinen  schönen  Aufsatz:  »Werfen  wir  einen  Blick 
rückwärts  auf  die  Heidelberger  Universitätsjubiläen,  so  weit  solche  ge- 
feiert worden  sind,  so  ist  noch  nie  dieses  Fest  auch  nur  im  entferntesten 
unter  gleich  günstigen  und  frohen  Auspizien  begangen  worden  wie  heute. 
Hoffen  wir  darum,  dafs,  wenn  nach  hundert  Jahren  eine  andere  Gene- 
ration sich  zusammenfindet,  um  die  Tage  zu  feiern,  die,  wie  der  Herold 
bei  den  römischen  Säkularspielen  ausrief,  nee  spectasset  quisquam  nee 
spectaturus  esset,  ihr  die  Jubelfeier  des  Jahres  1886  als  die  Inaugu- 
rierung eines  glücklichen  Jahrhunderts  erscheinen  und  ihr  selbst  der 
Eintritt  in  ein  noch  glücklicheres  verliehen  werden  möge,  innerlich  stark 
durch  die  Macht  des  deutschen  Geistes,  kraftvoll  nach  aufsen  unter  dem 
Banner  des  deutschen  Reiches.« 

Eduard  Winkelmanu,  Urkundenbuch  der  Universität  Heidel- 
berg. Zur  fünfhundertjährigen  Stiftungsfeier  der  Universität  im  Auf- 
trage derselben  herausgegeben.  Heidelberg.  Winter.  1886.  Bd.  I.  Ui'- 
kunden.  XIV  und  496  S.  -    Bd.  II.  Regesten.  405  S. 

Unter  allen  Jubiläumsschriften  steht  unstreitig  das  Urkundenbuch 
a»  der  Spitze.  Dasselbe  ist  mehrere  Jahre  durch  den  bewährten  Her- 
ausgeber Winkelmann  und  seinen  Schüler,  Dr.  A.  Koch,  auf  das  sorg- 
fältigste vorbereitet  worden.  Die  Archive  und  Bibliotheken  zu  Heidel- 
berg, Karlsruhe,  München,  Amberg,  Speier,  Würzburg,  Darmstadt, 
Stuttgart,  Frankfurt  und  Strafsburg  steuerten  ein  reiches,  zum  Teil  noch 
ganz  unbekanntes  Material,  das  entweder  in  extenso  abgedruckt  oder  in 
Regestenform  mitgeteilt  wurde.  Auch  schon  gedruckte  Stücke  wurden 
in  zuverlässiger  Form  nochmals  gegeben,  wenn  dies  nötig  schien.  Beiden 
Bänden  ist  ein  sorgfältiges  Namen-  und  Sachregister  beigegeben. 

Der  Inhalt  des  2.  Bandes  ist  mit  grofser  Mühe  aus  sehr  zahlreichen 
gedruckten  und  ungedruckten  Quellen  gesammelt.  Trotzdem  hätte  sich  der- 
selbe besonders  aus  den  Briefsammlungen  von  Gelehrten  des  16.  Jahrh. 
noch  mannigfach  durch  belangreiche  Stücke  erweitern  lassen,  wie  ich  an 
einem  Beispiel  zeigen  will.  In  Band  II  sind  in  den  Regesten  Nr.  1007  bis 
1010  die  Stellen  aus  Melanchthons  Briefwechsel  (Corpus  Reformatorum, 
ed.  Bretschneider)  zusammengestellt,  welche  sich  auf  dessen  Berufung 
nach  Heidelberg  im  Jahre  1557  beziehen.  Dabei  aber  sind  zwei  Stellen 
übersehen,  von  denen  die  erste  (Corp.  Reff.  IX  121  folgendermafsen 
lautet:  »ludicio  autem  et  hoc  tibi  (sc.  H.  Langueto)  significandum  esse, 
me  literis  Palatini  Electoris  in  patriam  vocari;  quo  si  proficiscerer, 
maxime  velim  te  mecum  esse,  quia  prudentiam  tuam  et  fidem  sperarem 

13» 


196  Geschichte  der  Universitäten. 

ibi  mihi  usui  fore  et  facile  in  aula  Palatiua  locum  inventurus  esses.  Non- 
clum  autem  de  profectioue  decrevi,  quia  et  nostrae  aulae  cognoscenda 
est  Yolimtas. «  Die  Stelle  ist  dadurch  wichtig,  dafs  sie  schon  im  März 
1557  geschrieben,  also  das  früheste  Zeugnis  für  die  Berufung  ist,  aufser- 
dem  Melanchthon  nicht  gerade  abgeneigt  zur  Annahme  der  Berufung 
zeigt.  Noch  wichtiger  ist  die  zweite  Stelle,  aus  einem  Briefe  vom 
18.  April  1557,  an  den  kurfürstlichen  Rat  Mordeisen,  welche  die  ent- 
schiedene Zusage  enthält,  in  Wittenberg  bleiben  zu  wollen  und  die 
Gründe  dafür  angibt.  Vergl.  Corp.  Reff.  IX  137.  -  Von  einem  Plane 
des  Kurfürsten  Ottheinrich,  40  weitere  Stipendiatenstellen  in  Heidelberg 
schaffen  zu  wollen,  berichtet  Corp.  Reff.  IX  743.  —  Sodann  konnte  über 
den  Abendmahlstreit  an  der  Universität  Corp.  Reff.  IX  959  und  960  ff. 
als  Regest  unter  dem  1.  November  1559  verzeichnet  werden.  —  Ganz 
übersehen  ist  ferner,  dafs  Melanchthon  schon  1553  einen  Ruf  nach 
Heidelberg  hatte.  Vergl.  den  Brief  vom  18.  Jnni  1554  an  D.  Chyträus: 
Expecto  a  te  literas  de  vocatione  Palatini  Friderici  (es  ist  Fried- 
rich IL).  Corp.  Reff.  VIII  110.  Dafs  diese  vocatio  so  und  nicht  anders 
zu  verstehen  ist,  ergibt  sieh  sodann  aus  einem  Briefe  an  Milichius  vom 
13.  August  1553,  worin  wir  lesen:  Senex  Palatinus  Elector  literis  me 
benignissime  scriptis  vocat  in  patriam  etc.  (VIII  137)  und  weitere  Er- 
läuterung finden  die  zwei  Stellen  durch  den  Brief  an  Chyträus  vom 
17.  August  1553  (VIII  140):  Cum  ante  octiduum  haue  epistolam  Elect. 
Palatini,  quam  nunc  tibi  mitto,  inclusam  huic  pagellae,  accepissem,  res- 
pondi  subito  ac  misi  Palatino  tuas  epistolas  duas  ad  me  scriptas,  ut 
tuam  voluntatem  ex  eis  cognosceret  etc.  Auch  die  Verbesserung  (Ur- 
kundenbuch  I  310.  Nr.  203)  von  Melanthonis  in  Melanchthonis  ist  nicht 
richtig,  denn  seit  1531  schreibt  sich  Melanchthon  selbst  stets  ohne  eh. 
—  Zur  Berufung  des  Micyllus  nach  Heidelberg  konnte  noch  die  Stelle 
Corp.  Reff.  III  389  aufgenommen  werden.  —  Wenn  die  Urkunden  oder 
Regesten  schon  gedruckt  sind,  so  ist  das  in  der  Regel  angegeben.  Über- 
sehen wurde,  dafs  die  beiden  Briefe  der  Regesten  Nr.  1265  und  1266 
(II  147)  schon  gedruckt  sind,  und  zwar  bei  Alb.  Müller,  Daniel 
Tossanus'  Leben  und  Wirken  (Flensburg.  Progr.  1882)  S.  4.  —  Tanta- 
retos  I.  S.  215.  Zeile  6  mufs  verbessert  werden  in  Tartaretos  und  Be- 
redanos  1.  1.  in  Buridanos,  welche  beiden  Fehler  auch  ins  Register  über- 
gegangen sind.  Vergl.  dazu  Hutteni  opp.  ed.  Böcking.  suppl.  II  320 
und  483.  Das  daselbst  stehende  Uuisores  ist  jedenfalls  auch  falsch ; 
doch  kann  ich  zur  Zeit  das  Richtige  nicht  angeben.  —  Bei  manchen 
Namen  sind  Erörterungen  hinzugefügt,  die  vielleicht  reichlicher  bemessen 
sein  konnten.  So  hätte  vielleicht  der  Alexander  I.  217  (Zeile  25),  der 
übrigens  auch  im  Register  fehlt,  als  Alexander  de  villa  dei,  der  Haupt- 
grammatiker des  ausgehenden  Mittelalters,  erklärt  werden  können.  Auch 
zu  Gregorius  Carthusiensis  war  vielleicht  zu  bemerken,  dafs  es  der  be- 
kannte Karthäuserprior  Gregor  Reisch  von  Freiburg,  der  Verfasser  der 


Ed    Wiukelmauu,  ürkuudenbuch  der  Uuiversität  Heidelberg.         197 

viel  gebrauchten  Margarita  philosophica,  ist,  über  den  jetzt  L.  Geiger, 
Renaissance  und  Humanismus  (Berlin  1882)  S.  499,  nachzusehen  ist. 
Trapesuntius  S.  215  ist  der  bekannte  Grieche  Georg  Trapezuntius. 
Raum  er,  Geschichte  der  Pädagogik  I  38.  Der  angebliche  Caesar  Ju- 
lianus I  215  ist  vielmehr  der  bekannte  Gelehrte  Johannes  Caesarius, 
über  den  Hütten i  opp.  ed.  Böcking  suppl  H  333  nachzusehen  ist.  In 
den  beiden  Registern  (Sach-  und  Namenregister),  die  ausführlich  und 
zuverlässig  sind,  sind  mir  aufser  den  erwähnten  nur  folgende  kleine  Ver- 
sehen aufgefallen  und  zwar  in  Band  H:  bei  Johannes  Dozierius  Leont. 
mufs  es  966  statt  965  heifsen;  bei  Esrom  dürfte  vielleicht  bemerkt  sein, 
dafs  Esrom  Rüdiger  gemeint  ist.  Bei  Jakob  Wimpfeling  ist  Reg.  Nr. 
588  vergessen. 

Gustav  Toepke,  Die  Matrikel  der  Universität  Heidelberg  von 
1386  bis  1662.  Erster  Theil  von  1386  bis  1553.  Heidelberg.  In 
Commission  bei  Carl  Winter.  1884.  —  Zweiter  Teil  von  1554  bis  1662. 
Heidelberg  1886. 

Unter  den  historischen  Arbeiten,  mit  welchen  das  500jährige  Ju- 
biläum der  Universität  Heidelberg  gefeiert  wurde,  ist  neben  Winkel- 
manns Urkundenbuch  der  Universität  unstreitig  das  monumentalste  Werk 
die  Ausgabe  der  Matrikel  durch  Gustav  Töpke.  Wie  hoch  die  akade- 
mische Köperschaft  diese  litterarische  Ehrengabe  schätzte,  ergibt  sich 
aus  der  Thatsache,  dafs  der  Herausgeber  durch  den  philosophischen 
Ehrendoktor  ausgezeichnet  worden  ist.  Die  zwei  stattlichen  und  schön 
ausgestatteten  Bände  enthalten  nicht  blofs  die  Matrikel  bis  zum  Jahre 
1662,  sondern  noch  folgende  wertvolle  Beilagen:  Calendarium  acade- 
micum  vom  Jahre  1387,  Juramenta  intitulandorum,  Vermögensverzeichnis 
der  Universität  vom  Jahre  1396,  Accessionskatalog  der  Universitäts- 
bibliothek von  1396  bis  1432  im  ersten  Band,  und  im  zweiten  Band 
Matricula  universitatis  1663-1668,  Album  magistrorum  1391—1620, 
Matricula  Alumnorum  juris  1527 — 1581,  Catalogus  promotorum  in  jure 
1386—1581.  Matricula  studiosorum  theologiae  1556-1685,  Promotiones 
factae  in  facultate  theologica  1404 — 1686,  Sy Ilabus  rectorum  universitatis 
1386-1668,  nicht  zu  vergessen  die  74  Seiten  starke  Einleitung  zum 
ersten  Band,  die  jeden  wünschenswerten  Aufschlufs  über  die  hand- 
schriftlichen Vorlagen,  die  Immatrikulation  selbst  und  anderes  erteilt. 
Durch  dieses  Werk  ist  der  Syllabus  rectorum  Heidelbergensium  von 
Schwab  antiquiert,  besonders  auch  durch  die  grofse  Sorgfalt  und  Akribie 
in  der  Wiedergabe  der  handschriftlichen  Vorlage.  Ich  habe  viele  Seiten 
der  Handschrift  (des  zweiten  Bandes)  mit  dem  Drucke  kollationiert  und 
kann  konstatieren,  dafs  nur  ganz  selten  ein  Versehen  mitunterläuft.  Welche 
Fülle  wertvollsten  Stoffes  für  die  Universitätsgeschichte  aus  dem  Werke 
zu  gewinnen  ist,  zeigt  der  ebenfalls  zum  Jubiläum  erschienene  erste  Band 
der  Geschichte  der  Universität  von  August  Thorbecke,  dessen  Dar- 


198  Geschichte  der  Uuiversitäten. 

Stellung  sich  zum  Teil  auf  der  Töpkeschen  Matrikel  aufbaut.  Vergl.  die 
Anmerkungen,  besonders  auch  S.  49.  Aber  auch  die  Adels-,  Gelehrten- 
uud  Kirchen geschichte  erhält  reichlichen  Zuflufs.  Ich  habe  eingehend 
die  Jahre  1460  -  1520  auf  diesen  Gesichtspunkt  hin  durchgesehen  und 
will  nur  kurz  hier  zusammenstellen,  was  für  Ergänzungen  und  Verbes 
serungen  vorhandener  Darstellungen  sich  mir  dabei  ergaben:  S.  303  (1460) 
Pallas  de  Noua  ciuitate  ist  gewifs  P.  Spangel  und  Ergänzung  zu  Bey- 
schlag,  Versuch  einer  vollständigen  Lebensbeschreibung  Brentii  (Hall 
1735)  I  259.  -  S.  337  Conradus  Summenhart  de  Calw  24.  April  1472 
ist  Ergänzung  zu  Fr.  X.  Linsenmann  Konrad  Summenhart.  Ein  Kultur- 
bild etc.  (Tübingen  1877)  S.  3.  —  S.  323,  324  und  364  finden  sich  un- 
benutzte Angaben  über  Johannes  Wacker  von  Sinsheim,  den  seine 
humanistischen  Freunde  Vigilius  nannten.  —  S.  338  Bernhardus 
Adelman,  canonicus  ecclesie  Eystetensis  30  (?)  Juni  1472  ist  Ergänzung 
zur  Arbeit  Liers  in  der  Zeitschrift  des  historischen  Vereins  für 
Schwaben  und  Neuburg  VII  87.  —  S.  343  Jeronimus  ßaldung  de  Ga- 
mundia  August.  24.  Mai  1474  ist  eine  dankenswerte  Angabe  über  den 
späteren  kaiserlichen  Rat  und  Nachfolger  des  Zasius  in  Freiburg. 
H.  Schreiber,  Geschichte  der  Universität  Freiburg  I  83.  S.  343 
Johannes  Sauffensteiu  de  Schwanfeit  27.  Juni  1474  ist  ein  Beitrag  zur 
Erklärung  des  Codex  epistolaris  des  Celtis,  da  Werner  von  Themar  und 
Celtis  über  diesen  Edelmann  unterhandeln.  -  S.  353  Nicolaus  de  Ni- 
densteiu  professus  in  Schenaugia  XII  April  1477  ist  Ergänzung  zu  meiner 
Arbeit  über  Werner  von  Themar  (Karlsruhe  1880)  S.  12.  —  S.  367 
Martinas  Ergershem  de  Schlettzstadt  4.  September  1481  ist  Ver- 
besserung zu  Horawitz  und  Hartfelder,  Briefwechsel  des  Beatus 
Rhenanus  (Leipzig  1886)  S.  72.  —  S.  376  Adam  Wernher  de  Themar 
Erpipelensis  dioc.  1.  Oktober  1484  ist  Ergänzung  zu  meiner  Arbeit  über 
diesen  Humanisten  S.  2.  —  S.  383  Laurencius  Truchsesz,  canonicus 
maioris  ecclesie  Wormaciensis  19.  Juni  1486  ist  Ergänzung  zu  Asch- 
bach, Die  früheren  Wauderjahre  des  Conrad  Celtis  S.  121.  Anm.  7.  - 
S.  388  Thomas  Rapp  de  Durlach  Spir.  dyoc.  31.  Oktober  1487  ist  der 
bekannte   Freund  des  Erasmus  und  Beatus   Rhenanus.  S.  403  Con- 

radus Leontorius  Mulbronuensis  Spirensis  dioc.  IX  Kai.  Jul.  1492  ist 
Ergänzung  zu  mehreren  Darstellungen  über  diesen  humanistisch  gebil- 
deten Cisterzienser.  —  S.  411  Ottmarus  Nachtgall  de  Argentina  Wormac. 
dioc.  XV  Kai.  Aug.  1494  ist  Ergänzung  zu  Ch.  Schmidt,  Histoire 
litter.  de  l'Alsace  II  175.  —  S.  422  Johannes  Botzheym  de  Saszbach 
dyoc.  Argent.  23.  Oktober  1496  ist  Ergänzung  zuWalchner,  Johannes 
Bozheim  (Schaffhausen  1836)  S.  4.  -  S.  425  Nicolaus  de  EUenbog  de 
Memingeu  August,  dyoc.  XII  Jul.  1497  verbessert  L.  Geiger,  Nikol. 
Ellenbog,  ein  Humanist  und  Theologe  (Wien  1870)  S.  8.  —  S.  429 
Joannes  Meyer  de  Eck  August,  dioc.  XIV  Kai.  Jun.  1498  berichtigt 
Wiedemann   Dr.  Job.  Eck  S.  4.  —  S.  433  Theodericus  Gresmondus 


G.  Toepke,  Die  Matrikel  der  Universität  Heidelberg.  199 

Spirensis,  legum  doctor,  IUI  Kai.  Junii  erglänzt  die  Arbeit  im  Archiv 
für  Litteraturgeschichte  XII  348.  —  S.  442  Mihael  Hummelberg  de 
Rauenspiug  Constanc.  dioc.  7.  September  1501  rektifiziert  den  Namen 
und  ergänzt  Ad.  Horawitz,  Michael  Hummelberger  (Berlin  1875)  S.  9. 

—  S.  452  Joannes  Symler  Wympinensis  Wormat.  dioces.  12  Kai.  April 
1504  ergänzt  Ad.  Horawitz,  Griechische  Studien  (Berlin  1884)  S.  14. 

—  S.  472  Philippus  Swartzerd  de  Brethenn  (Melanchthon)  Spir.  dioc. 
XIIII  Okt.  1509  verbessert  alle  Darstellungen  über  Melanchthon,  die  ich 
eingesehen  habe,  so  auch  zuletzt  C.  Schmidt,  Ph.  Melanchthon  (Elber- 
feld  1861)  S.  6.  —  S.  482  Fr.  Joannes  Svreblin  ex  Phortzheym  dioc. 
Spir.  21.  Juli  1511  ergänzt  den  Artikel  Neys  in  der  Theologischen  Real- 
encyklopädie  2.  Aufl.  XIII  736.  —  S.  484  Erhardus  Sclmepff  ex  Heyl- 
pronna  dioc.  Herbipol.  11.  Dezember  1511  ergänzt  den  Artikel  Wagen- 
manns im  gleichen  Werk.  —  S.  434  die  Angabe,  dafs  Oekolampad  den 
26.  Mai  1501  zu  Heidelberg  baccalaureus  und  zwar  via  antiqua  wurde, 
verbesset  die  Angabe  Herzogs  im  gleichen  Werk  X  709. 

Bezüglich  einiger  kleiner  Ausstellungen  an  der  Edition  verweise  ich  auf 
meine  ausführliche  Rezension,  welche  in  Sybels  Historischer  Zeitschrift 
N.  F.  Bd.  21  (1887)  S.  546—549  erschienen  ist.  Es  fehlt  jetzt  noch 
der  dritte  Band,  welcher  die  Register  bringen  soll,  allerdings  eine 
schwierige,  aber  sehr  wichtige  Aufgabe.  Bei  der  gegenwärtigen  Betrieb- 
samkeit auf  dem  Felde  der  Gelehrten-  und  Unterrichtsgeschichte  wird 
die  Heidelberger  Matrikel  eine  vielen  willkommene  Quelle  sein. 

August  Thorbeck e,  Geschichte  der  Universität  Heidelberg  im 
Auftrage  der  Universität  dargestellt.  Abteilung  I.  Heidelberg.  Koester. 
1886.  8".  116  S.  und  94  S.  Anmerkungen. 

Neben  dem  Urkundenbuche  veranlafste  die  Universität  Heidelberg 
zu  ihrem  500jährigen  Jubiläum  noch  die  Abfassung  einer  Geschichte  der 
Hochschule  und  beauftragte  damit  August  Thorbecke  in  Heidelberg. 
Zwar  hatte  man  schon  seither  das  zweibändige  Werk  von  Hofrat  Hautz 
über  denselben  Gegenstand,  aber  dasselbe  genügte  den  Anforderungen 
in  keiner  Weise.  Es  waren  mehr  Materialien  zu  einer  zusammen- 
hängenden Darstellung  als  eine  solche;  auch  entbehrte  es  der  notwen- 
digen Zuverlässigkeit.  Thorbeckes  Werk  zeichnet  sich  nun  ebenso  sehr 
durch  eine  ansprechende  Darstellung  wie  durch  gründliche  Benutzung 
der  gedruckten  und  ungedruckten  Quellen  aus. 

Der  Verfasser  behandelt  in  dieser  ersten  Abteilung  nicht  ganz  das 
erste  Jahrhundert  der  Hochschule  in  drei  Kapiteln:  1)  Die  Gründung. 
2)  Äufsere  Geschichte  der  Universität  von  Ruprecht  I.  (1886)  bis  zum 
Tode  Ludwigs  IV.  (1449).  3)  Die  Organisation  der  Universität  und  der 
Lehrgang  in  den  Fakultäten.  Den  Schlufs  machen  sehr  reichliche  An- 
merkungen. 

Der    Gründer    der    Hochschule   ist  Kurfürst   Ruprecht  I.  von  der 


200  Geschichte  der  Universitäten. 

Pfalz.  »Auf  der  Höhe  des  Lebens,  ein  77jähriger,  der  schon  vor  Jahren 
die  Möglichkeit  seines  Todes  bedacht' hatte,  fafste  er  den  Beschlufs,  die 
kriegerische  Arbeit  seiner  bewegten  Regierung  durch  ein  Werk  des 
Friedens  zu  krönen:  er  führte  1386  den  Gedanken  aus,  dem  Beispiele, 
das  Prag  und  Wien  ihm  zeigten,  zu  folgen  und  auch  seiner  Residenz- 
stadt am  Neckar  den  Vorzug  eines  Generalstudiums  zu  schenken.«  (S.  5). 
Es  traf  sich  glücklich,  dafs  um  diese  Zeit  in  Folge  der  Wirren,  welche 
durch  das  päpstliche  Schisma  die  Universität  Paris  ergriffen,  eine  An- 
zahl Lehrer  diese  Hochschule  verliefsen,  welche  sodann  von  dem  Kur- 
fürsten für  Heidelberg  gewonnen  wurden.  Der  bedeutendste  derselben 
war  Marsilius  von  Inghen,  von  Geburt  ein  Niederländer  (aus  Inghen  in 
Geldern),  der  eigentliche  Organisator  der  neuen  Schule,  für  welche  Paris 
das  Muster  wurde.  Mit  Marsilius  eröffneten  Reginald  und  Heilmann  als 
erste  Lehrer  die  Schule  den  18.  Oktober  1386  durch  eine  feierliche 
Messe  in  der  Heidelberger  Heiliggeistkirche. 

Als  des  Marsilius  Rektorat  1387  zu  Ende  ging,  zählte  man  bereits 
16  Lehrer,  darunter  12  Artisten,  von  welchen  zehn  ihre  akademischen 
Grade  in  Prag,  drei  in  Paris  erworben  hatten.  Auch  die  Zahl  der 
Studierenden  wuchs  schnell :  schon  nach  Jahresfrist  waren  482  Namen 
im  Matrikelbuch  eingetragen.  Die  Richtung  der  Schule  war  gegen  den 
schismatischen  Papst  von  Avignon  und  für  Urban  VL  in  Rom,  der  auch 
die  Bestätigungsbulle  für  das  neue  Generalstudium  ausfertigte. 

Zum  Glücke  blieb  die  junge  Schule  in  den  ersten  60  Jahren  ihres 
Bestehens  von  schweren  Krisen  verschont.  Die  offene  Hand  der  Kur- 
fürsten und  die  wichtige  Gunst  der  Kirche  liefseu  sie  schön  aufblühen 
und  ruhig  sich  ausgestalten.  Bekannte  Namen  unter  den  Lehrei'n  vei'- 
schafften  der  Hochschule  Ruhm  und  zahlreiche  Schüler,  hauptsächlich 
aus  dem  Gebiete  des  Mittel-  und  Oberrheines  und  aus  den  Maingegenden, 
während  allmählich  der  anfängliche  Zuzug  vom  Niederrhein  nachliefs. 
Besonders  wichtig  war  die  Organisation  des  Heiliggeiststiftes  vom  Jahre 
1413,  dessen  12,  bald  13  Kanonikate  mit  den  Professuren  der  Univer- 
sität in  der  Weise  verbunden  wurden,  dafs  sie  den  drei  Lehrern  der 
Theologie  und  des  kanonischen  Rechtes,  dem  einen  Doktor  der  Medizin, 
drei  lesenden  Magistern  der  Artistenfakultät,  den  Predigern  von  St.  Peter 
und  Heiliggeist,  die  wo  möglich  Baccalarien  der  heiligen  Schrift  sein 
sollten,  zufielen.  Gelegentlich  des  Konstanzer  Concils  trat  die  Hoch- 
schule dem  neu  gewählten  Papst  Martin  V.  ohne  Widerstreben  bei,  nach- 
dem ihre  Vertreter  in  dem  grofsen  Kampf  für  Reform  in  erster  Linie 
gestanden.  Auf  dem  Basler  Concil  machten  sich  die  Heidelberger  in 
keiner  Weise  bemerklich.  Die  Lehren  von  Hufs  und  Wykleff  hat  Hei- 
delberg auf  das  entschiedenste  verdammt. 

Das  dritte  Kapitel  schildert  zunächst  die  Organisation  der  Univer- 
sität, deren  oberste  Instanz  die  Versammlung  der  Doktoren  und  Magister 
war,  wobei  Doktoren  zumeist  die  Höchstgraduierten  der  drei  oberen  Fa- 


A.  Thorbecke,  Geschichte  der  Universität  Heidelberg.  201 

kultäten.  der  Theologen,  Juristen  und  Mediziner,  und  Magister  die  Höchst- 
graduierteu  der  philosophischen  oder  Artistenfakultät  bezeichnen.  Ihre 
Stellung  untereinander  und  zum  Rektor  wird  eingehend  geschildert. 
Die  Funktionen  des  letzteren  waren  sehr  mannigfaltig,  polizeiliche,  richter- 
liche und  finanzielle.  Wir  erhalten  sodann  Aufschlufs  über  den  Akt  der 
Intitulatiou,  wie  man  früher  für  Immatrikulation  sagte,  und  deren  Be- 
dingungen; mit  dieser  war  die  Deposition  verbunden,  welche  Thorbecke 
mit  Hilfe  des  von  Zarncke  wieder  veröflentlichten  Manuale  scholarium 
beschreibt.  Der  von  der  Depositiou  zu  unterscheidende  Pennalisraus, 
der  seit  der  Verrohung  des  30 jährigen  Krieges  blühte,  hat  in  Heidel- 
berg keine  Aufnahme  gefunden.  Das  Leben  und  Treiben  der  Scholaren 
wird  nach  den  Gesichtspunkten  Lehre  und  Zucht  behandelt. 

Bezüglich  des  Lehrstoffes  waren  die  Universitäten  des  Mittel- 
alters von  denen  der  Neuzeit  wesentlich  verschieden.  Wenn  die  jetzigen 
Universitätslehrer  ihre  Hauptaufgabe  darin  sehen,  die  Forschung  weiter 
zu  führen  und  zu  neuen  Erkenntnissen  zu  gelangen,  so  waren  dagegen 
die  mittelalterlichen  Professoren  bemüht,  den  als  vorbanden  ange- 
nommeneu Stoff  des  Wissens  ihren  Zuhörern  methodisch  beizubringen. 
Die  Dogmen  der  Kirche,  der  Inhalt  der  kirchlichen  und  kaiserlichen 
Rechtsbücher  (ins  canonicum  et  civilc),  die  Lehren  der  griechischen 
Ärzte  und  ihrer  arabischen  Kommentatoren,  die  Bücher  des  Aristoteles 
mit  ihren  Erklärungen  enthielten  die  Substanz  des  Wissens,  dessen  Be- 
reich zunächst  keiner  Erweiterung  bedurfte;  vielmehr  war  dessen  Be- 
festigung im  Geiste  und  Gedächtnis  der  Schüler  die  Lehraufgabe,  die 
durch  Vorlesung  (lectio)  und  Übung  (disputatio)  erreicht  wurde. 
Ja  die  letztere  übertraf  an  Bedeutung  die  erste. 

Die  wichtigste  aller  Disputationen  war  die  jährlich  wiederkehrende 
grofse  »Disputationsschlacht«  (disputatio  de  quolibet,  quotlibetaria,  quot- 
libetaris,  cyclica),  die  mehrere  Tage  dauerte  und  mit  einem  heiteren 
Nachspiel,  der  bekannten  akademischen  Scherzrede,  quaestio  accessoria, 
endete.  Für  deren  Darstellung  hätte  Thorbecke  noch  einiges  aus  Lies- 
sems dritten  Programm  über  Hermann  van  dem  Busche  (Köln  1886) 
S.   58    gewinnen    können. 

Die  zahlreichsten  Schüler  hatte  die  philosophische  oder  Artisten- 
fakultät, welche  die  Vorbereitung  für  die  drei  oberen  besorgte,  und  deren 
Lehrer  zugleich  Schüler  in  der  oberen  waren.  Der  Lehrgang  war  durch 
die  Erwerbung  der  Grade,  die  aber  von  vielen  vernachlässigt  wurde, 
streng  geregelt.  Die  verschiedeneu  Stufen  der  akademischen  Würden 
oder  Grade,  Baccalar,  Magister,  Liceutiat,  Doktor,  wurden  durch  Prü- 
fungen, bei  denen  der  Eid  eine  wichtige  Rolle  spielte,  gesucht  und 
meistens  in  einer  entsprechenden  Feierlichkeit  erworben.  x\m  wenigsten 
ausführlich  handelt  der  Verfasser  von  der  medizinischen  Fakultät,  weil 
die  Akten  derselben,  die  noch  im  30jährigen  Kriege  gerettet  worden 
waren,  verloren  gegangen  sind.   Bei  dem  durchaus  kirchlichen  Charakter 


202  Geschichte  der  Universitäten. 

der  mittelalterlichen  Universitäten  (die  Lehrer  waren  alle,  einen  einzigen 
Mediziner  ausgenommen ,  Geistliche)  war  der  theologische  Doktor  die 
höchste  akademische  Würde  und  konnte  nur  nach  langjähriger  Vor- 
bereitung, aber  ohne  eigentliches  Examen,  erreicht  werden.  »Wem  es 
gelungen  war,  diese  höchste  Stufe  gelehrten  Lebens  zu  erreichen,  hinter 
dem  lagen  Jahre  voll  mühsamer  und  eigentümlicher  Arbeit,  eine  Arbeit, 
so  ganz  anders,  wie  die  wissenschaftliche  Welt  einer  späteren  Zeit  sie 
denkt  und  pflegt,  und  doch  wohl  geschaffen,  der  Auffassung,  die  jene 
Epoche  erfüllte,  zu  dienen.«  Es  ist  ein  schönes  Bild  geistigen  Strebens, 
was  der  Verfasser  vor  unseren  Augen  entrollt.  Aber  es  darf  nicht  ver- 
gessen werden,  dafs  er  uns  nur  das  Ideal  gezeichnet  hat.  Zwischen 
Ideal  und  Wirklichkeit  gähnte  ofr,  besonders  am  Ende  des  Mittelalters, 
eine  tiefe  Kluft.  Möge  dem  Verfasser  vergönnt  sein,  uns  recht  bald  den 
Schlufs  seiner  Arbeit  im  Drucke  vorzulegen. 

Heidelberger  Erinnerungen.  Am  Vorabend  der  fünften 
Säkularfeier  der  Universität  Von  Georg  Weber.  Stuttgart.  Cotta. 
1886.  80.  VIII  und  310  S. 

Diese  Schrift  des  bekannten  Verfassers  der  »Allgemeinen  Welt- 
geschichte« ist  aus  Aufsätzen  erwachsen,  welche  zuerst  in  der  Allge- 
meinen Zeitung  erschienen  sind.  Nach  einer  kui'zen  Vorrede,  worin  der 
Verfasser  seinen  Standpunkt  darlegt,  folgen  fünf  Abschnitte:  1)  Aus  der 
Geschichte  Alt-Heidelbergs.  2)  Heidelberg  und  die  Ruperta  in  drei 
Jahrhunderten.  3)  Heidelberg  und  die  Ruperto-Carola  in  den  Jugend- 
tagen ihrer  Regeneration.  4)  Heidelberg  und  die  Universität  in  den 
vierziger  und  fünfziger  Jahren.  5)  J.  C.  Bhmtschli  und  seine  Denk- 
würdigkeiten. So  anziehend  die  zwei  ersten  Abschnitte  geschrieben  sind, 
wie  das  von  dem  Heidelberger  Historiker  nicht  anders  zu  erwarten  ist, 
s6  können  doch  nur  die  drei  letzten  Abschnitte  einen  selbständigen  Wert 
beanspruchen.  Der  hochbetagte  Verfasser  mit  seinem  guten  Gedächtnis, 
der  hier  selbst  zur  Geschichtsquelle  wird,  teilt  aus  seinen  Erlebnissen 
und  Beobachtungen  manchen  charakteristischen  Zug  mit,  der  sonst  der 
Geschichte  verloren  gegangen  wäre  Er  selbst  sagt  darin  in  der  Vor- 
rede (S.  VIII):  »Kleine  markante  und  scherzhafte  Farbentöne  in  der 
Lebenserscheinung  einzelner  Persönlichkeiten  möge  man  mit  Nachsicht 
aufnehmen.  Sie  sollten  das  Gesamtbild  mit  einigen  heitern  Zügen  be- 
leben.« Wer  in  den  harmlosen  Späfscheu  oder  in  den  ironisch-humo- 
ristischen Zügen,  die  hie  und  da  eingestreut  sind,  schlimme  Gedanken 
oder  lieblose  Absichten  erblicken  wollte,  dem  möchten  wir  den  Spruch 
des  ritterlichen  englischen  Königs  ins  Gedächtnis  rufen:  »Hony  soit  qui  mal 
y  pense.«  Die  lange  Reihe  glänzender  Gelehrten,  welche  seit  50  Jahren  in 
Heidelberg  wirkten,  kannte  der  Verfasser  fast  alle;  mit  manchen  pflegte  er 
sogar  vertrauten  freundschaftlichen  Verkehr,  so  dafs  er  eine  Fülle  wert- 
voller Notizen  darbieten  kann.   Für  die  Geschichte  der  Philologie  kommen 


(j.  Weber,  Heidelberger  Eriunerungeu.  203 

in  Betracht  die  ScLilderuDg  Creuzers  (S.  111  ff.),  welche  zu  der  be- 
kauuten  Rede  Bernhard  Starks  über  diesen  Gelehrten  manchen  ergän- 
zenden Zug  hinzufügt,  von  Johann  Heinrich  Vofs  (S.  145  ff.),  der 
zwar  nicht  der  Universität  Heidelberg  augehörte,  aber  doch  von  seinem 
stillen  Gelehrtenhaus,  das  er  fast  nie  verliefs,  einen  bestimmenden  Ein- 
flufs  auf  die  Besetzung  der  Lehrstühle  ausübte,  des  Historikers  Schlosser 
(S.  160  flV),  dessen  pietätsvoller  Schüler  G.  Weber  selbst  ist.  Die  wissen- 
schaftliche Bedeutung  dieser  Männer  wird  zwar  ebenfalls  gewürdigt,  aber 
der  Schwerinmkt  des  Buches  liegt  in  der  anschaulichen  Schilderung  der 
Persönlichkeiten ,  ihrer  gesellschaftlichen  Stellung  und  Lebensgewohn- 
heiten. Der  Geschichtsschreiber  der  Universität  Heidelberg  wird  hier 
manchen   wertvollen  Baustein  für  seine  Zwecke  finden. 

Festrede  zur  fünfhundertjährigen  Jubelfeier  der  Ruprecht-Karls- 
Hochschule  zu  Heidelberg,  gehalten  in  der  Heiliggeistkirche  den 
4.  August  1886  von  Dr.  Kuno  Fischer,  Grofsh.  Bad.  wirkl.  Geh. 
Rat  etc.    Heidelberg.  Winter.  1886.  8^.  08  S. 

Der  Stoff  der  Rede,  welche  bekanntlich  den  grofsen  Rede -Akt 
des  Jubiläums  darstellte,  ist  in  15  Abschnitte  gegliedert  und  gibt 
eine  Geschichte  der  Universität  von  ihrer  Gründung  bis  zur  Gegen- 
wart. Der  Redner  verschmähte  die  Beigabe  eines  gelehrten  Appa- 
rates, aber  der  Kundige  fühlt,  dafs  die  Darstellung  auf  zuverlässigem 
Fundamente  sich  erhebt.  Kein  Versäudiger  erwartet  von  einer  solchen 
Festrede,  dafs  sie  neue  Einzelaugaben  bringt  oder  die  bisherigen  Dar- 
stellungen durch  neue  Aufschlüsse  aus  den  Quellen  berichtigt  Fischer 
setzte  sich  zur  Aufgabe,  das  Leben  und  die  Eutwickelung  der  schick- 
salsreichen Hochschule  in  ihren  charakteristischen  Momenten  darzu- 
stellen mit  steter  Beziehung  auf  die  allgemeine  Geschichte  und  Bildung 
der  Zeit.  Darum  haben  diejenigen  Abschnitte,  in  welchen  die  eigen- 
tümliche Bildung  einzelner  Epochen  veranschaulicht  wird,  besonderen 
Wert.  In  edler  Sprache,  frei  von  Polemik  und  immer  auf  die  Sache  ge- 
richtet, werden  die  bunten  Schicksale  der  alten  Universität  charakterisiert. 
Ab  und  zu  erhebt  sich  die  Rede  zu  fast  dichterischem  Schwünge,  wie  z.  B. 
in  der  Schilderung  von  Heidelbergs  paradiesischer  Lage  und  seiner  herr- 
lichen Schlofsruine,  »dieses  grofse  Epos  in  Stein,  an  dem  die  Zeitalter 
dreier  Jahrhunderte,  jedes  in  seiner  Art,  nach  den  Bedürfnissen  und 
dem  Kunstsinn  seiner  Herrscher  gleichsam  rhapsodisch  fortgebaut  und 
fortgedichtet  haben,  und  das  nun  verlassen,  ein  Denkmal  der  Ver- 
gangenheit, dasteht  wie  kein  zweites  in  Deutschland.  Seine  Ruinen 
sind  die  Wunden  und  Narben,  die  uns  täglich  und  stündlich  den  Text 
predigen:  Heidelberga  deleta!  W^unden  und  Narben  sind  auch  Ehren. 
Du  Stadt  an  Ehren  reich  etc.«  (S.  11).   Gelegentlich  wird  die  Darstellung 


204  Geschichte  der  Universitäten. 

unterbrochen  durch  geistvolle  Beobachtungen  und  Reflexionen,  wie  z.  B. 
S.  90,  wo  bezüglich  der  Reorganisation  der  Hochschule  durch  Karl  Fried- 
rich von  Baden  bemerkt  wird,  »dafs  in  der  Verwaltung  einer  Universität 
die  Hauptsache  nicht  ist,  was  auf  dem  Papier  steht,  sondern  was  auf 
dem  Katheder  steht.« 

Almanach  der  Universität  Heidelberg  für  das  Jubiläums- 
jahr 1886.  Herausgegeben  von  Dr.  Paul  Hintzelmaun,  Uuiver- 
sitätsbibliothekar.  Mit  zwei  Bildnissen,  einer  Tabelle  und  einem  Plan. 
Heidelberg.  Winter.  1886.  V  und  269  S. 

Ein  nützliches  Buch  zum  Nachschlagen,  das  folgenden  Inhalt  hat: 
Kalender  für  1886  mit  Angabe  der  für  die  Universität  Heidelberg  wich- 
tigen Gedenktage,  Chronik  der  Universität,  das  13.  Organisationsedikt 
Karl  Friedrichs  vom  Jahre  1803,  Verordnungen  über  die  Organisation 
der  Universität  Heidelberg  vom  22.  Mai  1862,  27.  November  1865  und 
28.  Dezember  1871,  akademische  Vorschriften  vom  Jahre  1868,  Frequenz 
der  Universität  seit  1803,  mit  Tabelle  in  graphischer  Darstellung,  Ver- 
zeichnis sämtlicher  Rektoren  und  Prorektoren  seit  1386,  Verzeichnis  der 
Professoren  und  Privatdozenten  seit  1803  (mit  Ausschlufs  des  gegen- 
wärtigen Lehrerpersonals),  jetziges  Lehrerpersonal:  Biographien  mit 
Angabe  der  Hauptschriften  und  der  Vorlesungen  der  einzelnen  Dozenten, 
Stipendien  und  Stiftungen,  akademische  Preisverteilung,  Habilitations- 
Ordnungen,  Universitätgebäude,  Universitätsinstitute,  wissenschaftliche 
Vereine,  Statuten  des  Ausschusses  der  Studentenschaft,  studentische  Ver- 
einigungen, Index. 

Das  Stift  der  Königlichen  Kapelle  zum  Heiligen  Geist  und  die 
Universität  Heidelberg  in  ihrer  Verbindung  von  1413.  Original- 
stiftungsurkunden des  Kurfürsten  Ludwig  III.  zur  fünfhundertjährigen 
Jubelfeier^der  Hochschule  veröffentlicht  von  Dr.  Nicolaus  Thoemes. 
Heidelberg.    C.  Winters  Universitätsbuchhandlung  1886.  8^.  23  S. 

Aus  einem  Aktenbande,  der  die  Schriftstücke  der  Kurpfälzer  Re- 
gierung »von  1719  über  die  Streitigkeiten  des  Jahres  1719  um  den  Be- 
sitz der  Heiliggeistkirche  enthält«  (leider  sagt  Thoemes  nicht,  wo  sich 
dieser  Aktenband  befindet) ,  veröffentlicht  der  Herausgeber  zwei  Akten- 
stücke, welche  eine  Ergänzung  zu  Winkelmanns  Urkundenbuch  enthalten. 
Sowohl  der  lateinische  wie  der  deutsche  Text  scheinen  mir  sehr  moder- 
nisiert, wie  ich  an  vielen  Stellen  vermute.  Ob  diese  Modernisierung 
dem  Herausgeber  oder  seiner  Vorlage  zur  Last  fällt,  kann  man  nicht 
entscheiden,  da  der  Herausgeber  sich  darüber  ausschweigt.  Übrigens 
wäre  es  gewifs  nützlicher  gewesen,  nicht  blofs  die  einfachen  Abdrücke 
zu  liefern,  sondern  auch  erklärende  Erläuterungen  beizufügen. 


Th.  Palatinus,  Heidelberg  und  seine  Universität.  205 

Heidelberg  und  seine  Universität.  Von  Theodor  Palatinus. 
Freiburg  i.  B.   1886.  VIII  und  172  S. 

Der  Pseudonyme  Verfasser  gibt  in  der  Vorrede  den  Grund  an, 
der  ihn  zur  Abfassung  seines  Buches  veranlafst  bat.  Die  bisherigen 
Schriften  scheinen  ihm  »den  innigen  Zusammenhang  der  »xilma  Ruperta« 
mit  der  katholischen  Kirche  und  deren  Instituten,  in  welchem  sie  die 
längere  Zeit  ihres  Bestandes  lebte,  in  ihren  Darstellungen  mehr  oder 
weniger  aufser  Acht  zu  lassen.« 

»Auch  die  von  Professer  Kuno  Fischer  gehaltene  Festrede  er- 
gänzte nicht  den  Mangel ,  der  sich  in  jenen  Jubiläumsschriften  fühlbar 
macht.  Von  den  wesentlichen  Verdiensten  der  Päpste  um  die  Neckar- 
hochschule erwähnte  diese  dreistündige  Rede  fast  nichts;  der  reichen 
und  fruchtbaren  Wirksamkeit  der  Ordensleute  an  der  Heidelberger  Uni- 
versität gedachte  der  Festredner  mit  keinem  Wort.«  Ich  weifs  nicht, 
ob  der,  nach  dem  Stile  seiner  Schrift  zu  urteilen,  jedenfalls  noch  ziem- 
lich jugendliche  Verfasser  die  massenhafte  ältere  Litteratur  über  die 
Universität  Heidelberg  so  gründlich  durchgearbeitet  hat,  dafs  er  zu  einem 
solch  absprechenden  Urteil  berechtigt  ist.  Nach  der  vorliegenden  Probe 
seiner  Gelehrsamkeit  müfste  ich  dies  sehr  bezweifeln.  Aber  der  Ver- 
fasser soll  Recht  haben;  hat  er  nun  selbst  die  ihm  gestellte  Aufgabe  ge- 
löst?    Gehen  wir  auf  das  Einzelne  ein. 

Da  ist  schon  der  Titel  zum  mindesten  schief.  »Heidelberg  und 
seine  Universität«  läfst  erwarten,  dafs  wir  irgend  etwas  Nennenswertes 
und  Neues  über  die  Geschichte  Heidelbergs,  worüber  in  der  That  noch 
viel  zu  sagen  wäre,  erfahren.  Diese  Erwartung  aber  wird  bei  der  Lek- 
türe getäuscht.  Was  von  Heidelberg  gesagt  wird,  ist  nebensächlich  und 
aus  abgeleiteten  Quellen  geschöpft,  und  der  Titel  müfste  richtiger  heifsen: 
»die  Universität  Heidelberg  mit  gelegentlichen  Seitenblicken  auf  die  Ge- 
schichte der  Stadt.« 

Der  Verfasser  hat  seinen  Stoff  in  16  Abschnitte  geteilt,  wovon  der 
letzte  (»Schlufswort«)  auch  Wünsche  des  Verfassers  vorträgt.  Bei  jeder 
historischen  Arbeit  fragt  man  mit  Recht  nach  den  Quellen?  Was  für 
Quellen  hat  der  Verfasser  benützt?  Da  citiert  er  ab  und  zu  auch  hand- 
schriftliche, aber  eine  aufmerksame  Nachprüfung  zeigt,  dafs  weitaus  das 
Meiste  aus  gedruckten  Büchern  geschöpft  ist.  Aber  auch  daraus  wollen 
wir  ihm  keinen  Vorwurf  machen,  wenn  man  gleich  erwarten  konnte,  dafs 
dann  Palatinus  etwas  weniger  scharf  über  Vorgänger  urteilte,  deren 
Bücher  er  so  fleifsig  ausbeutet. 

Leider  aber  ist  das,  was  nun  der  Verfasser  selbst  bietet,  durchaus 
flüchtig  und  oberflächlich  gearbeitet.  An  vielen  Stellen  verrät  derselbe 
eine  Nachlässigkeit  der  Arbeit,  die  seine  Schrift  für  nachfolgende  Ge- 
lehrte unbrauchbar  macht.  Ich  könnte  dies  an  den  meisten  Abschnitten 
nachweisen.  Aus  Mangel  an  Raum  will  ich  dies  nur  an  einem  Kapitel 
zeigen.  Ich  greife  Abschnitt  III  heraus,  der  die  »Glanzperiode  der  Hoch- 


206  Geschichte  der  Universitäten. 

schule  und  ihr  rasches  Sinken  in  Folge  der  Reformation«  überschrieben 
ist.  Unter  »Glanzperiode  der  Hochschule«  versteht  der  Verfasser  die 
humanistische  Zeit,  und  da  werden  als  Repräsentanten  »des  europäischen 
Rufes«  von  Heidelberg  genannt;  Dalberg,  Pleuningen,  Agricola,  Celtis, 
Wimpfeling,  Trithemius,  Reuchlin  und  Pirkheimer.  Analysieren  wir  ein- 
mal diese  Aufzählung:  da  fällt  zunächst  Plenuiugen  auf.  Derselbe  war 
allerdings  kurfürstlicher  Rat  in  Heidelberg,  hat  aber  mit  der  Universität 
nie  etwas  zu  thun  gehabt.  In  dem  zweibändigen  Urkundenbuch  Winkel- 
manns kommt  nicht  einmal  sein  Name  vor.  Doch  weiter  zum  folgenden: 
Agricola.  Der  Friese  Rudolf  Agricola  hat  ein,  vielleicht  auch  zwei 
Jahre  in  Heidelberg  als  Freund  Dalbergs  gelebt,  in  dessen  Haus  ab  und 
zu  auch  einen  Vortrag  gehalten,  aber  mit  der  Universität  hatte  er  keine 
amtliche  Verbindung  und  wollte  auch  keine  haben.  Doch  weiter  zu 
Celtis!  Derselbe  war  allerdings  Student  in  Heidelberg,  aber  die  Gelehr- 
samkeit der  Studenten  macht  die  Hochschulen  nicht  berühmt,  und  als 
er  später  noch  einmal  für  kurze  Zeit  nach  Heidelberg  kam,  da  hatte  er 
mit  der  Universität  nichts  zu  thun,  sondern  er  war  Erzieher  im  kurfürst- 
lichen Schlosse.  Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  Trithemius  und  Johann 
Reuchlin.  Beide  waren  zwar  Freunde  des  Kurfürsten  Philipp,  aber  mit 
dem  Lehrkörper  der  Universität  standen  sie  in  keiner  offiziellen  Be- 
ziehung. Ganz  kurios  aber  nimmt  sich  Wilibald  Pirckheimer  (so  hätte 
Palatinus  schreiben  sollen)  an  dieser  Stelle  aus.  Meines  Wissens  ist 
derselbe  niemals  in  Heidelberg  gewesen!  Der  Verfasser  hat  Heidelberg 
und  die  sodalitas  litteraria  Rhenana  verwechselt,  welch  letztere  aber 
ihren  eigentlichen  Sitz  gar  nicht  in  Heidelberg  hatte.  Aber  auch  in 
dieser  Form  ist  die  Aufzählung  zu  beanstanden;  denn  Agricola  und 
Wimpfeling  haben  nie  zur  Sodalitas  gehört.  Damit  aber  nicht  genug! 
Die  vom  Verfasser  angeführten  Namen  passen  gröfstenteils  gar  nicht; 
dafür  sind  ihm  aber  die  Namen,  die  er  hätte  anführen  müssen,  meist 
unbekannt:  ich  will  hier  einige  von  den  Lehrern  mit  humanistischer 
Bildung  nennen :  der  Jurist  Johann  Wacker,  genannt  Vigilius,  besonders 
Adam  Werner  von  Themar,  anfangs  Artist,  dann  Jurist,  der  hochge- 
achtete Theologe  Pallas  Spangel  aus  Neustadt,  der  Gräcist  Dionysius 
Reuchlin,  der  Bruder  des  berühmten  Johannes,  sodann  der  Theologe 
Joannes  Scultetus  Pruthenus  und  andere.  Ebenso  unzuverlässig  ist 
nahezu  aber  alles,  was  noch  auf  S.  25  steht. 

Doch  davon  genug.  Schlagen  wir  das  Blatt  herum.  Da  lesen  wir 
auf  der  nächsten  Seite,  dafs  die  Hochschule  am  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts sehr  geblüht,  dafs  sie  aber  im  zweiten  Teil  des  16.  Jahrhunderts 
rasch  verwelkte.  Prüfen  wir  einmal  diese  Angaben  mit  Hilfe  der  Töp- 
keschen  Ausgabe  der  Heidelberger  Matrikel,  welche  Palatinus  kennt  und 
mit  reichlichem  Lob  bedenkt.  Aufs  Geradewohl  greife  ich  da  die  Jahre 
1491  —  1495  heraus.  Dieselben  weisen  folgende  Zahlen  von  Immatriku- 
lationen nach:    98,  90,  173,  144  und   211.     Vergleichen  wir    damit    die 


Th.  Palatiuus,  Heidelberg  und  seine  Universität.  '207 

Zahlen  gerade  hundert  Jahre  später,  1591—1595,  so  ergeben  sich  da- 
selbst 176,  246,  196,  193  und  161.  Ich  dächte,  diese  Zahlen  sprechen 
für  sich  selbst.  Wenn  der  Verfasser  überhaupt  gründlich  mit  der  Ge- 
schichte der  Hochschule  vertraut  wäre,  so  würde  er  wissen,  dafs,  abge- 
sehen vom  19.  Jahrhundert,  Heidelbergs  Hochschule  nie  schöner  geblüht, 
nie  mehr  Studenten  und  berühmtere  Lehrer  gehabt  hat  als  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  bis  zum  30jährigen  Krieg.  Immatrikulationen, 
die  sich  zwischen  200  und  300  bewegen,  gehören  nicht  zu  den  Selten- 
heiten und,  was  sehr  charakteristisch  ist,  darunter  Studenten  von  weit  her 
und  aus  aller  Herren  Länder.  Daraus  mag  sich  jeder  den  Grad  der  Zu- 
verlässigkeit von  Palatinus'  Angaben  abnehmen. 

Von  der  Art  und  Weise,  wie  Palatiuus  arbeitet,  noch  eine  be- 
zeichnende Probe!  Ab  und  zu  liest  man  unter  dem  Texte  Verweisungen 
auf  die  nur  handschriftlich  vorhandenen  Annalen  der  Universität,  welche 
auf  der  Universitätsbibliothek  aufbewahrt  werden.  Der  Leser  soll  ver- 
mutlich dadurch  dgn  Eindruck  gewinnen,  als  ob  der  Verfasser  tiefe  hand- 
schriftliche Studien  für  seine  Schrift  gemacht  hat.  Was  aber  von  diesen 
Citateu  zu  halten  ist,  will  ich  an  einem  Beispiel  zeigen,  zu  dem  ich  nur 
aus  Rauniersparnifs  keine  weiteren  füge.  Da  lesen  wir  z.  B.  S.  27: 
»Damals  gab  es  Jahre,  wo  in  Heidelberg  nur  14  oder  25  Studenten  im- 
matrikulirt  wurden,  wie  dies  anno  1520  uud  1529  der  Fall  war.  An. 
Un.  T.  F.  129.  a.«  Da  mir  diese  Zahl  unwahrscheinlich  vorkam,  so 
schlug  ich  Töpkes  Matrikel  auf,  was  auch  Palatinus  hätte  thun  soUen; 
denn  dieses  Buch  stand  ihm  ebenso  gut  zu  Gebot,  wie  mir.  Da  finde 
ich  denn  zunächst,  dafs  beide  Zahlen  total  falsch  sind.  Laut  Matrikel 
wurden  1520  in  Heidelberg  nicht  weniger  als  174  Studenten  und  im 
Jahre  1529  noch  57  Studenten  immatrikuliert.  Palatinus  gibt  14  und  25 
an!  Da  ich  nun  nicht  annehmen  konnte  und  mochte,  dafs  der  Verfasser 
sein  Citat  aus  den  Fingernägeln  gesogen  hat,  so  begab  ich  mich  auf  die 
Bibliothek,  um  der  Sache  weiter  nachzugehen.  Da  erfahre  ich  denn 
zunächst,  dafs  eine  solche  handschriftliche  Bezeichnung,  wie  Palatinus 
angibt,  gar  nicht  existiert,  dafs  aber  nach  dem  Inhalt  des  Citats  der 
Band  Annalen,  welcher  362,  5  bezeichnet  ist,  gemeint  sein  müsse.  Ich 
schlage  nun  Fol.  129  auf,  finde  da  zwar  die  Klage,  dafs  es  in  den  20er 
Jahren  des  16.  Jahrhunderts  übel  in  Heidelberg  aussah,  dafs  es  bald 
mehr  Professoren  als  Studenten  gäbe,  aber  von  den  Zahlen  des  Palatinus 
keine  Spur.  Sapienti  sat!  Wir  fragen  zum  Schlüsse,  wie  darf  man  bei 
solcher  Leichtfertigkeit  und  Oberflächlichkeit  es  sich  herausnehmen,  über 
Häufser  und  andere  Gelehrte  in  der  absprechendsten  Form  zu  urteilen? 

Gustav  Knod,  Wimpfeliug  und  die  Universität  Heidelberg  (Zeit- 
schrift für  die  Geschichte  des  Überrheins  Bd.  40  (N.F.Bd.  1)S.317— 335). 

Während  die  Mehrzahl  der  akademischen  Lehrer  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  der  Scholastik  treu  blieb,  hat  Jakob  Wimpfeliug   aus 


208  Geschichte  der  Universitäten. 

Schlettstadt  »in  14jähriger  Lehrthätigkeit  eine  ganze  Humanisten- 
generation erzogen;  im  Kampfe  gegen  den  Heidelberger  Scholasticismus 
vornehmlich  ist  Wimpfeling  zum  Vater  des  oberrheinischen  Humanismus 
geworden«  (S.  318).  Schon  als  Student  hatie  Wimpfeling  1469  die  Uni- 
versität Heidelberg  aufgesucht  und  war  mit  dem  humanistisch  gebildeten 
Matthias  von  Kemnat  bekannt  geworden.  1471  wurde  er  Lehrer  der 
Heidelberger  Artistenfakultät,  wahrscheinlich  ohne  sofort  in  neuen  Bahnen 
zu  wandeln.  Für  die  Kenntnis  seiner  ersten  Lehrthätigkeit  von  1471 
bis  1483  ist  die  von  Knod  unter  I  mitgeteilte  Oratiuncula  pro  bacca- 
laureatu  Ulrico  de  Rotuila  conferendo,  1479  (S.  325  —  328)  ein  dankens- 
werter Beitrag.  1483  durch  die  Pest  aus  Heidelberg  verscheucht,  kehrt 
er  nach  einem  längeren  Aufenthalt  in  der  elsässischen  Heimat  und  in 
Speyer  erst  1498  als  Lehrer  nach  Heidelberg  zurück;  dieses  Lehramt 
legte  er  1.501  von  neuem  nieder.  Von  besonderem  Werte  sind  unter 
den  urkundlichen  Beilagen  Nr.  V,  ein  für  den  Kanzler  Florentius  von 
Venningen  bestimmtes  Gutachten  Wimpfelings  von  1521,  wie  die  Uni- 
versität Heidelberg  in  humanistischem  Siune  reformiert  werden  könne, 
und  Nr.  VI  ein  Gutachten  des  Schlettstadter  Humanisten  Jakob  Spiegel 
gleichen  Inhalts,  zwei  Stücke,  die  auch  in  Winkelmanns  Urkundenbuch 
der  Universität  Heidelberg  zu  gleicher  Zeit  gedruckt  wurden.  Eine  Ver- 
gleichung  der  beiden  Drucke  ergibt,  dafs  Knod  zwar  das  e  des  Genetivs 
und  Dativs  der  ersten  Deklination  in  ae  auflöst,  auch  sonst  die  Ortho- 
graphie modernisiert,  aber  die  Interpunktion  der  handschriftlichen  Vor- 
lage, die  oft  unsinnig  ist,  unverändert  wiedergibt.  Wenn  die  Texte  aber 
leicht  benutzt  werden  sollen,  müssen  sie  mindestens  durch  unsere  heutige 
Interpunktion  verständlich  gemacht  werden.  So  müssen  z.  B.  die  Worte 
S.  332  (gegen  Ende  des  Textes)  so  interpungiert  werden,  um  recht  ver- 
ständlich zu  werden:  Is  verba  summatim  repetiit,  ad  orania  respondens 
et  subiungens:  »Vadatis  et  discatis  melius.«  Oder  einige  Zeilen  später: 
Magnae  faraae  theologus  non  potuit  legere  haec  euangelica  verba:  »Me 
oportet  minui,  illum  autem  crescere,«  et  diu  intra  submurmurans  tandem 
me  cubito  pupugit,  sciscitans,  quomodo  legeret  hoc  verbum,  puta  »minui.« 
Die  Stelle,  welche  der  berühmte  Theologe  nicht  kannte,  ist  Ev.  Joh.  3,30. 
Der  Alexander  S.  333  ist  wohl  Alexander  de  villa  dei,  der  gewöhnliche 
Grammatiker  des  ausgehenden  Mittelalters.  —  Es  ist  neuerdings  üblich 
geworden,  die  mittelalterlichen  Universitäten  auf  Kosten  der  reorgani- 
sierten und  reformierten  des  16.  Jahrhunderts  zu  loben.  Für  Anhänger 
dieser  Meinung  ist  es  sehr  nützlich,  das  Urteil  eines  so  ernsten  und  gut 
katholischen  Mannes,  wie  Wimpfeling,  der  Feind  Luthers,  war,  zu  lesen, 
über  das  Knod  S.  322  referiert.  Im  übrigen  ist  auch  dieser  Aufsatz 
ein  rühmliches  Zeugnis  von  den  Kenntnissen  und  der  Sorgfalt  ihres 
Verfassers. 


H.  Hagen,  Briefe  von  Heidelberger  Professoren.  209 

Hermann  Hagen,  Briefe  von  Heidelberger  Professoren  und  Stu- 
denten verfafst  vor  dreihundert  Jahren.  Der  Universität  Heidelberg 
zur  Feier  ihres  500jährigen  Bestehens  im  Auftrag  der  Universität  Bern 
dargebracht.     Heidelberg.    Carl  Winter.    1886.    4».    127  S. 

Hagens  Arbeit  gehört  zu  den  nicht  sehr  zahlreichen  Festschriften, 
aus  denen  der  Geschichtschreiber  der  Universität  Heidelberg  ein  reiches 
Material  gewinnen  kann.  Sie  zerfällt  in  Einleitung  (S.  1  -  24),  Abdruck 
von  Briefen  (25-98),  Anmerkungen  (S.  99-  122)  und  Namen-  und  Sach- 
register (S.  123—127). 

Die  Einleitung  gibt  zunächst  darüber  Aufschlufs,  dafs  die  zahl- 
reichen Briefe,  von  denen  bis  jetzt  nur  zwei  und  auch  diese  nur  unge- 
nügend gedruckt  waren,  vier  Berner  Handschriften  entstammen:  Nr. A.27, 
A.  30,  Hist.  Helv.  UI  196  und  Hist.  Helv.  HI  200.  Aus  diesen  wurde 
nur  eine  Auswahl  gegeben,  bestimmt  durch  den  Zweck  der  Schrift,  in- 
dem nur  solches  aufgenommen  wurde,  das  die  Beziehungen  zwischen 
Heidelberg  und  Bern  erläuterte.  Die  Handschriften  enthalten  viel  mehr, 
so  z.  B.  Hist.  Helv.  HI  196  65  und  Hist.  Helv.  III  200  wenigstens  40 
Briefe,  deren  Briefschreiber,  Adressaten  und  Daten  S.  7  —  9  angegeben 
werden.  Daran  schliefsen  sich  Personalnotizen  über  die  in  den  abge- 
druckten Briefen  vorkommenden  Persönlichkeiten:  die  Heidelberger 
Professoren  Daniel  Tossanus,  Thomas  Erastus,  Simon  Grynaeus,  Johann 
Jakob  Grynaeus,  David  Pareus  und  Georgius  Sohn,  die  Berner  Pfarrer 
und  Professoren  Wolfgang  und  Abraham  Musculus,  Johannes  Haller, 
Petrus  Hybuer,  Valentin  und  Wolfgaug  Ampelauder  (der  deutsche  Name 
war  Rebmann)  und  Johann  Jakob  Forer,  die  Berner  Studenten  Jakob 
und  Rudolf  Ampelander;  Huldreich  Trog  und  Wolfgang  von  Erlach. 

Diese  Personalnotizen  sind  der  schwächste  Teil  der  Schrift.  Die 
von  Hagen  benutzten  Quellen,  wie  z.  B.  Hautz  (Geschichte  der  Univer- 
sität Heidelberg  in  zwei  Bänden),  sind  nicht  immer  zuverlässig,  und  so 
bedarf  der  Abschnitt  einer  gründlichen  Revision.  Diese  ist  jetzt  mit 
zwei  anderen  Werken,  die  ebenfalls  zum  Jubiläum  erschienen  sind,  und 
die  also  Hagen  noch  nicht  benützen  konnte,  nämlich  mit  Eduard  Winkel- 
manns Urkuudenbuch  der  Universität  Heidelberg  und  Gustav  Töpkes 
Ausgabe  der  Heidelberger  Matrikel,  unschwer  vorzunehmen.  Vergl.  dazu 
auch  meine  Besprechung  in  der  Berliner  philologischen  Wochenschrift 
1887  Nr.  30/31.  Interessant  sind  die  Mitteilungen  aus  dem  auf  der  Berner 
Stadtbibliothek  befindlichen  und  handschriftlich  erhaltenen  Stammbuch 
des  Studenten  Johann  Rudolf  Arapelander.  Unter  den  vertretenen  Namen 
mögen  erwähnt  sein:  Jacobus  Kimedoncius,  die  lateinischen  Dichter  Jo- 
hannes Posthius  und  Paulus  Melissus  und  besonders  der  berühmte  Hen- 
ricus  Stephanus,  dessen  Eintrag  vom  6.  Mai  1588  lautet:  Cogitare  prin- 
cipem  oportet,  quam  sit  propinquus  xopaxt  b  x6Xa$,  quum  unius 
tautum  literae  sit  discrimen.  ^0  xuXa$  zou  xupaxog  kvl  /xovov  yprinftan 
dta(pifjBt. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschafr  LU.  (1887.  HI.?  14 


210  Geschichte  der  Universitäten. 

Der  zweite  Teil,  der  eigentliche  Kern  der  Arbeit,  enthält  den  Ab- 
druck von  54  lateinischen  Briefen  aus  den  Jahren  1561—1589,  die  in 
folgende  Klassen  zusammengeordnet  sind:  I.  Briefe  von  Heidelberger 
Professoren  (18  Nummern).  II.  Briefe  von  und  an  Jakob  Ampelander 
(8  Nummern).  III.  Briefe  von  und  an  Johann  Rudolf  Ampelander  (12 
Nummern).  IV.  Briefe  von  Huldreich  Trog  (14  Nummern).  V.  Briefe 
von  Wolfgang  von  Erlach  (2  Nummern).  Hagen  hat  durch  seine  sorg- 
fältige Textbehandlung,  durch  Inhaltsangaben  über  jeden  einzelnen  Brief 
und  reichliche  Anmerkungen  deren  Benutzung  sehr  erleichtert.  Was  den 
Inhalt  der  Briefe  betrifft,  so  streift  er  vielfach  Profan-  und  Kirchen- 
geschichte, für  welche  er  nicht  uuverächtliche  Beiträge  enthält.  Mit 
Recht  hat  ein  Rezensent  gesagt,  dafs  die  Briefe  der  studierenden  Söhne 
interessanter  seien  als  die  der  besorgten  Väter.  Aus  den  Studenten- 
briefen erfahren  wir  vielerlei  über  das  innere  Leben  der  Hochschule 
Heidelberg,  über  das  Leben  in  dem  berühmten  Sapienzkollegium  etc. 
S.  39  werden  vier  Anschlagszettel  mitgeteilt  (zwei  von  Daniel  Tossanus 
und  zwei  von  Georgius  Sohn).  S.  75  gibt  ein  Professoreuverzeichnis  aus 
dem  Jahre  1585.  Andere  Briefe  berichten  von  akademischen  Disputationen, 
von  den  Preisen  im  damaligen  Heidelberg  u.  s.  w.  Diese  Dinge  haben 
einen  mehr  als  lokalen  Wert,  wenn  wir  bedenken,  dafs  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  Heidelberg  eine  der  glänzendsten  deutschen 
Universitäten  gewesen,  an  welcher  auch  zugleich  sehr  zahlreiche  Nicht- 
deutsche studierten. 

Unter  den  Anmerkungen  ist  S.  119  aus  Cod.  Bern  A  27.  Nr.  19 
ein  ausführlicher  Originalbericht  über  einen  Studentenkrawall  in  Witten- 
berg, datiert  von  3.  Februar  1545,  mitgeteilt,  bei  welchem  Melanchthon 
eine  wichtige,  aber  höchst  achtungswerte  Rolle  gespielt  hat,  und  der 
meines  Wissens  anderweitig  nicht  bekannt  ist  (auch  Hagen  bringt  keine 
sonstigen  Nachweisungen).  Dadurch  erläutert  sich  nun  sehr  erfreulich 
ein  Schriftstück,  das  Corpus  Reformatorum,  ed.  Bretschneider  V  671  ab- 
gedruckt ist  und  bis  jetzt  ziemlich  in  der  Luft  hing.  Andererseits  er- 
sehen wir  aber  auch  aus  diesem  wieder,  dafs  der  Student,  dessen  Ge- 
fangensetzung den  Anlafs  zum  Krawall  gegeben  hat,  vermutlich  ein 
Hamburger  gewesen  ist. 

Der  beigegebene  Index,  von  dem  wir  nur  wünschten,  dafs  er  die 
Seitenzahl  und  nicht  die  Zahlen  der  Briefabteilungen  geben  möchte,  ist 
zuverlässig  und  befördert  die  Benutzung  der  ansprechenden  und  dankens- 
werten Publikation. 

Der  Züricher  Professor  Johann  Heinrich  Hottinger  in  Heidelberg 
1655—1661.  Von  Dr.  Heinrich  Steiner,  Professor  der  Theologie 
in  Zürich.    Zürich.   Schulthefs  1886.   4«.   61  S. 

Eine  sehr  gehaltvolle,  aus  guten  Quellen  geschöpfte  Arbeit  über 
den  bekannten  Schweizer  Gelehrten.     Die  S.  38-61  enthalten  den  Ab- 


J.  Leyser,  Die  Neustadter  Hochschule.  211 

druck  archivalischer  Beilagen.  Im  übrigen  mufs  hier  auf  eine  genauere 
Wiedergabe  des  Inhalts  verzichtet  werden,  da  Hottinger  als  Theologe 
aufserhalb  der  uns  hier  gestellten  Aufgabe  ist. 

J.  Leyser,  Die  Neustadter  Hochschule.  (Collegiura  Casimi- 
rianum.)  Eine  Festgabe  zur  fünften  Säcularfeier  der  Ruperto-Carola. 
Neustadt  a.  H.     A.  H.  Gottschick- Witter.    1886.    41  S. 

Der  Sieg  der  Reformation  in  der  Kurpfalz  vollzog  sich  durch  die 
im  Jahre  1556  erlassene  Kirchen-Ordnung  des  Kurfürsten  Ottheinrich, 
der  aber  schon  1559  starb.  Unter  seinem  Nachfolger  Friedrich  III.  ent- 
stand ein  heftiger  Streit  über  die  Abendraahlslehre  zwischen  dem  streng 
lutherischen  Tilemann  Heshusius  und  dem  zum  Zwinglianismus  neigenden 
Diakonen  Kiebitz.  Der  Kurfürst  setzte  die  beiden  ab  und  ein  nach- 
träglich eingeholtes  Gutachten  Melanchthons  rechtfertigte  das  Verfahren 
des  Kurfürsten.  Vom  Philippismus  schritt  der  Kurfürst  in  den  nächsten 
Jahren  zum  Calvinisraus  fort.  Aber  bei  seinem  im  Jahre  1576  erfolgten 
Tode  erfolgte  eine  Reaktion,  indem  sein  lutherischer  Nachfolger  Lud- 
wig VI.  mit  allen  Mitteln  den  Calvinismus  zu  beseitigen  suchte.  Da 
hierdurch  auch  die  Universität  Heidelberg  in  lutherische  Hände  kam, 
so  errichtete  Pfalzgraf  Juhann  Casimir,  der  jüngere  Bruder  Ludwigs  VI., 
welchem  durch  das  väterliche  Testament  ein  kleines  Stück  Land  zuge- 
fallen war,  im  Jahre  1578  in  Neustadt  a.  H.  eine  neue  Hochschule  mit 
Pädagogium  rein  calvinischen  Charakters.  Die  Stiftungsurkunde,  welche 
Leyser  S.  17  —  23  abdruckt,  weist  so  bedeutende  Mittel  für  die  Schulen 
an,  dafs  ohne  beträchtliche  Gelder  aus  Frankreich  die  Schulen  nicht  zu 
halten  gewesen  sein  würden.  So  waren  z.  B.  60  Stellen  in  der  Burse 
vorgesehen.  »Wir  entnehmen  aus  der  Stiftungsurkunde,  dafs  die  neue 
Akademie  zu  Neustadt,  was  ihre  reiche  Dotierung  betrifft,  der  älteren 
Schwester  zu  Heidelberg  fast  gleich  kam«  (S.  23).  Übertroffen  hat  sie 
dieselbe  jedenfalls  an  Glanz  durch  den  Ruhm  ihrer  theologischen  Lehrer, 
unter  welchen  Zacharius  Ursinus,  Daniel  Tossanus,  Hieronymus  Zanchius 
und  Franciscus  Junius  hervorgehoben  sein  mögen,  über  welche  Leyser 
biographische  Daten  gibt.  Die  Zahl  der  Lehrer  mehrte  sich  besonders 
seit  1580,  wo  man  von  den  Lehrern  der  Heidelberger  Hochschule  die 
Unterschrift  der  Concordienformel  verlangte.  Die  meisten  Professoren 
verweigerten  dieselbe  und  erhielten  nach  ihrer  Entlassung  Stellen  in 
Neustadt.  Aber  der  hohen  Schule  war  nur  ein  kurzes  Dasein  beschieden. 
Als  1583  Ludwig  VI.  gestorben  und  Johann  Casimir  Administrator  der 
Pfalz  wurde,  rief  er  die  Lehrer  aus  Neustadt  wieder  in  ihre  alten  Stellen 
nach  Heidelberg  zurück.  Ein  Pädagogium  war  das  einzige,  was  von  der 
Universität  der  Stadt  Neustadt  verblieb.  —  Die  ansprechend  geschrie- 
bene Schrift  bringt  im  Grunde  recht  wenig  Neues.  Der  Verfasser  scheint 
auch  die  einschlagende  Litteratur  nicht  genügend  zu  kennen.  So  beruft 
er    sich  für  Friedrich  III.  wiederholt  auf  die  gänzlich  antiquierte  Arbeit 

14* 


212  Geschichte  der  Universitäten. 

Wundts.  Dagegen  die  wichtigen  Publikationen  Kluckhohns  über  denselben 
Fürsten  schienen  ihm  unbekannt  oder  wenigstens  von  ihm  nicht  benützt 
worden  zu  sein.  Das  Gleiche  gilt  bezüglich  der  Hauptperson  der  ganzen 
Schrift,  dem  Pfalzgrafen  Johann  Casimir.  Über  diesen  Fürsten  darf  nie- 
mand schreiben ,  der  nicht  seinen  durch  Friedrich  von  Bezold  im  Auf- 
trage der  Münchener  Akademie  herausgegebenen  Briefwechsel  gründlich 
studiert  hat.  Leyser  scheint  dieses  wichtige  Werk  nicht  einmal  gekannt 
zu  haben.  So  gehört  seine  Arbeit  zu  jenen  heutzutage  leider  sehr  zahl- 
reichen Schriften,  die  das  behandelte  Problem  nicht  fördern,  weil  sie 
ohne  genügende  Kenntnis  der  Litteratur  unternommen  werden.  Die  bei- 
gegebenen hübschen  Bilder  sind  keine  Entschädigung  für  die  wissen- 
schaftliche Mangelhaftigkeit  der  Schrift. 

HeidelbergerStudentenlebenzu  Anfang  unseres  Jahrhunderts. 
Nach  Briefen  und  Acten  von  Dr.  Ed.  Heyck,  Heidelberg.  Winter. 
1886.  80.  94  S. 

Eine  ansprechend  geschriebene  kleine  Schrift,  die  zum  Teil  Pa- 
pieren der  Vossischen  Familie  entstammt.  Der  Stoff  ist  in  folgende  Ka- 
pitel verteilt:  Wiederherstellung  der  Universität  durch  Karl  Friedrich 
von  Baden  und  Heranbildung  einer  neuen  Studentenschaft,  Auszug  nach 
Neuenheim,  Streit  mit  den  Handwerksburschen,  Thibauts  erstes  Pro- 
rektorat, studentisches  und  geselliges  Leben,  Landsmannschaften  und 
Korps,  das  Erwachen  des  nationalen  Gedankens,  die  Heidelberger  Bur- 
schenschaft. Für  die  jetzt  noch  vorhandenen  Lobredner  des  gänzlichen  Ver- 
falls der  Universität  unter  Karl  Theodor  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  ist  es  lehrreich,  die  aus  den  amtlichen  Akten  geschöpften  Be- 
merkungen auf  S.  2  zu  lesen.  So  heifst  es  z.  B.:  »Durch  Äufserlich- 
keiten  wollte  man  das  schon  in  den  Kern  gedrungene  Übel  heilen.  So 
war,  um  ein  Beispiel  zu  geben,  geraten  worden,  durch  eine  von  den 
Studierenden  auf  der  Brust  zu  tragende  Medaille  mit  dem  Bildnisse 
Karl  Theodors  der  Universität  eine  gröfsere  Anzahl  Jünger  zuzuführen 
und  durch  dasselbe  Mittel  der  letzteren  Leben  und  Treiben  auf  eine 
höhere  sittliche  Stufe  zu  heben«  (!). 

Karl  Hartfelder,  Der  Humanismus  und  die  Heidelberger 
Klöster  (Festschrift  zur  fünfhundertjährigen  Stiftungsfeier  der  Univer- 
sität Heidelberg,  veröffentlicht  von  dem  historisch-philosophischen 
Verein  zu  Heidelberg  (Leipzig  1886)  S.  3—20). 

Ausgehend  von  dem  Gedanken,  dafs  keineswegs  alle  Mönche  dem 
neuen  Lichte  der  humanae  litterae  so  feindlich  gegenüber  standen,  wie 
mau  dies  nach  den  Schriften  des  Erasmus  und  seiner  Anhänger  denken 
sollte,  suchte  ich  das  auf  einem  bestimmten  Punkte,  an  den  Heidel- 
berger Klöstern  nachzuweisen.  Da  finden  wir  zunächst  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts    das  den   Cisterziensern   gehörige   St.  Jakobsstift,   in 


K.  Hartfelder,  Der  Humanismus  etc.  213 

welchem  der  bekannte  Werner  von  Themar  die  Zöglinge  zu  den  huma- 
nistischen Wissenschaften  anleitet.  Dem  glänzenden  Dalbergschen  Kreise 
gehören  der  Cisterzienser  Konrad  Leontorius  aus  Maulbronn  und  der 
Prämonstratenser  Dracontius  an.  Die  1501  in  Heidelberg  abgehaltene 
Disputation  über  die  unbefleckte  Empfängnis  Mariae  erregt  ebenso  sehr 
die  Teilnahme  der  Humanisten  wie  Scholastiker,  und  der  im  Heidelberger 
Dominikanerkloster  befindliche  Bruder  Martin  Butzer  aus  Schlettstadt 
ist  ein  unbedingter  Erasmianer  während  seiner  Klosterzeit.  Herr  Pfarrer 
Falk  macht  mich  noch  auf  seine  in  den  Histor.-polit.  Blättern  (Bd.  78, 
924)  erschienenen  Mitteilungen  aufmerksam. 

Eine  ganze  Anzahl  populär  geschriebener  und  zugleich  auf  tüch- 
tiger Sachkenntnis  beruhender  Aufsätze  über  einzelne  Abschnitte  aus 
der  Geschichte  der  Heidelberger  Universität  brachte  die  von  Karl  Bartsch 
herausgegebene  Festchrouik  Ruperto-Carola: 

1)  Adolf   Koch,     Die  Gründung  der  Heidelberger  Universität. 
S.  13—15.  24—27. 

Ausgehend  von  den  allgemeinen  Zeitverhältnissen  des  14.  Jahr- 
hunderts schildert  der  sachkundige  Verfasser  (er  war  Mitarbeiter  Winkel- 
manns beim  Urkundenbuche  der  Universität)  die  Gründung  der  Hoch- 
schule durch  Ruprecht  I.,  Kurfürsten  von  der  Pfalz,  der,  obgleich  nur 
seiner  deutschen  Muttersprache  kundig,  doch  den  Wert  einer  umfassenden 
wissenschaftlichen  Bildung  zu  schätzen  wufste:  »Ruprecht  hat  selbst 
einmal  in  einem  Briefe  an  König  Karl  V.  von  Frankreich  ausgesprochen, 
dafs  er  allein  seine  Muttersprache  verstehe  und  keine  gelehrte  Bildung 
besitze.  Aber  er  mochte  in  den  vielverschlungenen  diplomatischen  Ver- 
handlungen jener  Zeit  wohl  mehr  als  einmal  bitter  fühlen,  welchen  Vor- 
teil es  gab,  des  Lateinischen  mächtig  und  mit  der  gelehrten  Bildung 
vertraut  zu  sein.«  An  der  Hand  der  ältesten  Urkunden  wird  sodann  die 
anfängliche,  sehr  einfache  Einrichtung  geschildert.  Die  Zahl  der  Lehrer 
war  nur  klein,  als  den  18.  Oktober  1386  das  Studium  generale  durch 
eine  feierliche  Messe  in  der  Kirche  zum  heiligen  Geist  eröffnet  wurde. 
Marsilius  von  Inghen  las  summo  mane  über  Logik,  Magister  Reginald 
um  acht  Uhr  über  den  Titusbrief  und  Magister  Heylmann  eine  Stunde 
nach  Mittag  über  die  Physik  des  Aristoteles.  Dem  Aufsatz  ist  ein  ver- 
kleinertes   Facsimile  der  Stiftungsurkunde  beigegeben. 

2)  Karl    Obser,    Die    Universität   Heidelberg    unter    der    Re- 
gierung Karl  Friedrichs  (1802—1811).    S.  21—24.  41—43. 

Der  Markgraf  und  spätere  erste  Grofsherzog  Karl  Friedrich  von 
Baden  ist  tbatsächlich  der  Neubegründer  der  Universität  Heidelberg, 
die  im  Laufe  des  18.  Jahrhunderts  und  durch  die  Stürme  der  Franzosen- 
zeit tief  herabgekommen  war.  1802  fiel  die  rechtsrheinische  Pfalz  an 
Baden  und  die  dem  gänzlichen  Untergange  nahe  Hochschule  erhielt  nun 


216  Geschichte  der  Universitäten. 

Friedrich  Karl  von  Schönborn  1731  und  1734,  welche  das  Griechische 
und  Deutsche  empfahlen.  Die  Aufhebung  des  Jesuitenordens  brachte 
keine  gröfsere  Veränderung  hervor  ,  da  die  jetzigen  Exjesuiten  ihre 
Stellen  behielten ;  unter  den  neuangestellten  Weltgeistlichen  befand 
sich  auch  Professor  Specht  als  Lehrer  des  Griechischen.  Beim  Jubi- 
läum 1782  wurde  Würzburg  als  die  beste  katholische  Universität  nach 
Wien  gepriesen.  Neben  dem  Physiker  Egell  las  der  auch  als  Schul- 
mann geschätzte  Andres  über  Lessings  Laokoou;  seine  Chrestomathia 
Quinctiliana,  kritisch  ohne  Wert,  ist  zweckmäfsig  ausgewählt.  Auf  Be- 
treiben von  Franz  Ludwig  erschienen  damals  in  Würzburg  eine  Reihe 
Klassikerausgaben,  freilich  mit  mangelhafter  Hermeneutik  und  Kritik. 

Als  der  Freund  des  Bischofs,  der  Rektor  Dalberg,  wegen  der 
eventuellen  Einführung  der  deutschen  Sprache  Umfrage  hielt,  waren 
blofs  die  Theologen  dafür.  Die  Mediziner  meinten,  »lauter  deutsche 
Schriften  würden  in  der  Religion  nichts  bilden  als  Schwärmer,  in  der 
Jurisprudenz   politische  Kannengiefser  und  in  der  Medizin  Pfuscher.« 

Am  Ende  des  Jahrhunderts  herrschte  in  der  philosophischen  Fa- 
kultät das  System  Kants,  vertreten  durch  den  scharfsinnigen  P.  Reufs. 
1794  erfolgte  die  Scheidung  der  philosophischen  Fakultät  und  des  Gym- 
nasiums, wobei  das  letztere  um  zwei  Klassen  vermehrt  wurde,  nicht  ohne 
dafs  es  zu  allerlei  Reibereien  zwischen  Reufs  und  den  Lehrern  des  Gym- 
nasiums gekommen  wäre.  Auch  nach  Reufsens  Tod  behauptete  die  kan- 
tische Philosophie  ihre  Herrschaft  durch  die  Berufung  von  Andreas  Metz, 
dem  Verfasser  einer  Schrift  »Kurze  und  deutliche  Darstellung  des  kan- 
tischen Systems.«  Was  die  Lehre  der  Fakultät  betrifft,  so  war  sie  »nicht 
ungenügend,  aber  dürftig  bestellt;  die  Litteratur  bestand  gröfstenteils 
aus  Rezensionen  in  den  achtungswerten  gelehrten  Anzeigen  und  latei- 
nischen Lehr-  und  Handbüchern,  die  Wissenschaft  wurde  mehr  fortge- 
führt als  gefördert.« 

1803  erfolgte  die  neue  Organisation  der  Universität,  aus  welcher 
der  allmächtige  Graf  Thürheim  ein  zweites  Göttingen  machen  wollte. 
Trotz  mancher  Mifsgriffe  brachte  er  neues  Leben  in  die  Anstalt  durch 
den  Grundsatz  der  gelehrten  Freizügigkeit,  das  System  unterschieds- 
loser Berufungen  berühmter  Gelehrter,  das  Prinzip  der  Lehrfreiheit  und 
die  Begründung  des  Privatdozententums ,  »der  Pflanzschule  bewährter 
Universitätslehrer.«  Die  Seele  der  Fakultät  wurde  der  schon  damals 
hochberühmte  Schelling,  der  von  seinen  Bamberger  Freunden  empfohlen 
worden.  Der  glänzende  Besuch  seiner  Vorlesungen  nahm  später  etwas 
ab.  Sonst  unbefangen  gegen  Personen  und  Sachen,  ertrug  er  keinen 
Widerspruch  gegen  sein  System,  und  doch  fand  dasselbe  viele  Wider- 
sacher an  Wagner,  Berg,  Metz  und  andern.  Graf  Thürheim  mufste  ihn 
an  sein  Versprechen  erinnern,  sich  der  Polemik  enthalten  zu  wollen. 

Am  schlimmsten  stand  es  mit  der  Philologie.  Man  sprach  von 
Creuzer  und  J.  H.  Vofs,  aber  beide  verlangten  die  Gründung  eines  philo- 


L.  V.  Urlichs,  Die  philosophische  Fakultät  in  Würzburg.  217 

logischen  Seminars  und  Vofs  auch  noch  die  Leitung  des  Gymnasiums. 
Fr.  Schlegel,  der  sich  selbst  anbot,  fand  blofs  durch  seinen  Gegner 
Schelling  Unterstützung.  Schleiermacher  war  1804  berufen  worden,  hatte 
aber  abgelehnt.  Die  Theologen  und  der  Gymnasialprofessor  Blümm 
mufsten  aushelfen. 

Unter  den  Philologen  der  nächsten  Zeit  ist  besonders  zu  nennen 
Richarz,  der  1835  Bischof  wurde,  und  sein  Nachfolger  Lasaulx,  »mit 
allen  Gaben  des  Universitätslehrers  ausgestattet,  tiefes  religiöses  Gefühl, 
reine  Begeisterung  für  die  Gedanken  und  die  Formen  des  Altertums, 
Bekanntschaft  mit  dem  Stande  der  Forschung,  eine  gebietende  Persön- 
lichkeit und  natürliche  Beredsamkeit.«  Seine  Ergänzung  fand  er  in  dem 
Grammatiker  Reuter. 

Redner  preist  sodann  den  jetzigen  Zustand  der  Fakultät,  die  15 
Ordinarii,  4  aufserordentliche  Professoren,  T  Privatdozenten  und  1  Ad- 
junkten zähle.  »Jeuer  zänkische  Neid,  welcher  in  früheren  Zeiten  in  den 
Hallen  der  Wissenschaft  sein  Wesen  trieb,  ist  überwunden;  er  hat  einem 
einträchtigen  Wetteifer  Platz  gemacht ;  unsere  Fakultät  hat,  als  es  einen 
Schimmer  der  Hoffnung  gab,  in  Ritschi  einen  Meister  der  Philologie 
zu  gewinnen,  nicht  daran  gedacht,  dafs  sein  Glanz  andere  verdunkeln 
könnte.«  Die  Fakultät  sucht  nicht  blofs  theoretisch  in  die  Wissenschaft 
einzuführen,  sie  will  auch  durch  die  Berücksichtigung  der  Aufgaben  und 
Bedürfnisse  der  Mittelschule  ihre  Leistungen  für  das  Leben  fruchtbar 
machen.  »In  ihrem  Scliofse  haben  beide  Methoden  des  Unterrichts,  die 
in  den  Mittelschulen  einander  den  Vorrang  streitig  machen,  gleich- 
mäfsig  Raum.« 

F.  V.  Krones,  Zur  Geschichte  des  Grazer  Studentenlebens  in  den 
Zeiten  der  Jcsuitenhochschule  1586-1773  (Zeitschrift  für  Allgemeine 
Geschichte,  Kultur-,  Litteratur-  und  Kunstgeschichte  IH  (1886)  S.  106 
bis  113.    212-223). 

Auf  Grund  der  Universitätsmatrikel  und  von  Akten  des  steierra. 
Statthalterei-Archivs  gibt  der  Verfasser  eine  Schilderung  der  Jesuiten- 
schule zu  Graz,  die  1585/86  entstanden  war,  aber  nur  die  zwei  Fakul- 
täten der  Theologie  und  Philosophie  hatte.  In  der  Stadt  selbst  (Steier- 
mark hatte  damals  noch  viele  Protestanten)  war  man  den  »Jesuiten- 
studenten« nie  besonders  geneigt.  Trotz  des  überwiegend  kirchlichen 
Geistes  der  Jesuitenhochschule  waren  ihre  Studenten  lustig  und  lebens- 
froh, was  aus  den  mancherlei  Excessen  derselben  sich  ergibt.  Ein  be- 
sonderes Aufsehen  erregte  der  »Depositions-Tumult«  des  Jahres  1726, 
bei  dem  es  sogar  Tote  und  Verwundete  gab,  und  der  unter  anderra 
auch  die  Folge  hatte,  dafs  von  da  an  die  Deposition  nur  noch  ein  be- 
scheidenes Dasein  innerhalb  der  Schulräume  fristete. 


218  Geschichte  der  Universitäten. 

Kleiue  ueue  Beiträge  zur  älteren  Geschichte  der  Hochschule 
GieFseu.  Yon  Professor  Dr.  0.  Buchner.  (Festschrift  zur  Be- 
grüfsuiig  der  38.  Versammhiiig  Deutscher  Philologen  und  Schulmänner, 
dargebracht  von  dem  Grofsh.  Realgymnasium  und  der  Realschule  zu 
Giefsen.    Giefsen  1885.   S.  27-48). 

Der  Verfasser,  welcher  erklärt,  eine  ausführlichere  Geschichte  der 
Universität  Giefsen  sei  trotz  der  Arbeiten  von  Nebel,  Crome,  Klein, 
Hesse  und  anderen  noch  nicht  geschrieben,  will  einige  Beiträge  liefern, 
wobei  besonders  der  schriftliche  Verkehr  zwischen  Landesherrn  und 
Universität  ins  Auge  gefafst  ist.  Die  Materialien  sind  nach  folgenden 
Rubriken  geordnet:  Die  Professoren,  Hilfslehrer:  Fechtmeister,  Tanz- 
meister, Bereiter,  Sprachmeister,  Pedellen  (Ministri  publici  oder  acade- 
mici)  und  Praeceptores  classici,  d.  h.  Lehrer  am  Pädagogium,  welche 
häufig  zu  Lehrern  an  der  Hochschule  aufrückten. 

Die  Matrikel  der  Universität  Rostock.  L  Michaeli  1419  bis 
Ostern  1425.  Herausgegeben  und  dem  Verein  für  mecklenburgische 
Geschichte  und  Alterthumskunde  zum  12.  Juli  1886  gewidmet  von 
Dr.  Adolph  Hofmeister,  Custos  der  Grofsh.  Universitäts-Bibliothek. 
Schwerin.    Sandmeyersche  Hofbuchdruckerei.    1886.    4°.    20  S. 

Zu  den  deutschen  Universitäten,  deren  Matrikeln  bis  jetzt  unge- 
druckt sind  und^war  zum  grofsen  Schaden  unserer  Kenntnis  des  geistigen 
Lebens  im  nördlichen  Deutschland,  gehört  auch  Rostock,  obgleich  »die 
Bedeutung  dieser  Hochschule  für  den  ganzen  Norden  Europas,  dessen 
einzige  Universität  sie  beinahe  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch  war, 
allseitig  gewürdigt  worden.«  Wir  erhalten  aber  nun  die  Mitteilung,  dafs 
wir  in  den  nächsten  Jahren  eine  Ausgabe  der  Matrikel,  welche  Hof- 
meister mit  Staatsunterstützung  veranstaltet,  zu  erwarten  haben.  Die 
kleine  Schrift  ist  nur  eine  vorläufige  Probe.  Zu  Grunde  liegen  dabei 
die  Matrikeln  der  Universität  und  der  philologischen  Fakultät,  zwei 
Pergamenthandschriften,  die  S.  IV  und  V  beschrieben  sind. 

Bezüglich  der  Editionsweise  sagt  der  Herausgeber,  dafs  die  für 
das  mecklenburgische  Urkundenbuch  aufgestellten  Grundsätze  mafsgebend 
gewesen  seien:  »Sämtliche  Eigennamen  sind  buchstabengetreu  wieder- 
gegeben, doch  ist  an  Stelle  des  öfter  am  Anfang  der  Namen  vorkom- 
menden Ff  ein  einfaches  F  gesetzt.  Ferner  sind  u  und  n,  rai  und  nu 
etc.,  c  und  t,  mitunter  auch  o  und  e  in  der  hier  allein  in  Frage  kom- 
menden ersten  Hand  des  Originals  nur  sehr  schwer  oder  gar  nicht  zu 
unterscheiden,  so  dafs  Irrtümer  wohl  kaum  vermieden  werden  konnten. 
Wo  der  hier  vorliegende  Text  von  den  früher  veröffentlichten  Auszügen 
im  Rostocker  Etwas,  bei  Krabbe,  Krause,  Böthführ  und  anderen  ab- 
weicht, geschieht  es  mit  Vorbedacht,  weshalb  auf  eine  besondere  Her- 
vorhebung dieser  Abweichungen  verzichtet  ist  etc  «  Die  Benutzung  wird 
in  dankenswerter  Weise   dadurch   erleichtert,    dafs   die   Namen  gezählt 


Ad.  Hofmeister,  Die  Matrikel  der  Universität  Rostock.  219 

sind,  wofür  die  Ziffern  am  Rande  stehen.  Am  Schlüsse  der  Namen, 
welche  jeweils  in  einem  Semester  als  neu  immatrikuliert  eingetragen 
wurden,  folgen  dann  die  Namen  aus  der  Matrikel  der  Artisten  in  klei- 
nerer Schrift.  Gerade  diese  Mitteilungen  dürften,  als  bisher  fast  ganz 
unbenutzt,   von  besonderem  Werte  sein. 

Ebenso  verdient  es  Zustimmung,  dal's  der  Herausgeber  für  eine 
Anzahl  sehr  häufig  vorkommender  Worte,  die  in  der  handschriftlichen 
Vorlage  selbst  willkürlich  wechselnder  Abbreviatur  unterliegen ,  eine 
Reihe  feststehender  Abkürzungen  verwendet  hat.  Solche  Worte  sind 
z.   B.  baccalarius,  dyocesis,  licenciatus,  mngister,  pauper,  dominus  etc. 

Hoffen  wir,  dafs  es  dem  Herausgeber  gelingen  möge,  sein  nütz- 
liches Werk  zur  baldigen  Vollendung  zu  führen. 

Arnold  Luschin  von  Ebengreuth,  Balthasar  Weydacher.  Ein 
Studeutenabenteuer  zu  Padua  (Zeitschrift  für  Allgemeine  Geschichte 
HI  (1886)  S.  805—817). 

In  Padua  studierten  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts viele  Deutsche;  die  1546  begonnene  Matrikel  der  deutschen 
Juristen  enthält  in  den  ersten  25  Jahren  über  1600  Einträge,  die  frei- 
lich nicht  alle  auf  Studenten  gehen ,  da  auch  durchreisende  Staats- 
personeu  eingetragen  wurden.  Unter  den  Deutschen  waren  viele  Nicht- 
Katholiken, die  man  aber  stillschweigend  duldete,  wenn  sie  sich  nicht 
bemerklich  machten.  Unter  den  Deutschen  war  seit  1570  auch  Bal- 
tbasar Weydacher  aus  Mühldorf  in  Bayern,  der  als  Erzieher  fünf  junge 
Freiherrn  von  Herberstein  begleitete  und  der  Ketzerei  verdächtig  wurde. 
Der  Bischof  liefs  ihn  festnehmen  und  gab  ihn  trotz  Verwendung  der 
deutschen  Studentenschaft  beim  Dogen  in  Venedig  nicht  frei.  Erst  eine 
Erklärung  Weydachers  vor  der  Inquisition,  an  die  er  ausgeliefert  worden, 
liefs  ihn  der  drohenden  Gefahr  entgehen. 

Aus  dem  deutschen  Universitätsleben  des  sechzehnten  Jahrhunderts. 
Von  Johannes  Janssen.     Frankfurt  a.  M.  und  Luzern.  1886.  31  S. 

Der  Verfasser  dieser  Broschüre  ist  derselbe  Janssen,  welcher  die 
bekannte  »Geschichte  des  deutschen  Volkes  seit  dem  Ausgang  des 
Mittelalters«  geschrieben  hat.  Die  Leser  dieses  streng  katholischen  Ge- 
schichtswerkes dürften  aus  unserer  Broschüre  nicht  viel  Neues  erfahren. 
Dieselbe  entrollt  ein  Bild  der  gröfsten  Roheit  und  Gemeinheit,  wie  sie 
nach  Janssens  Meinung  unter  Professoren  und  Studenten  an  den  pro- 
testantischen Universitäten  Deutschlands  im  16.  Jahrhundert  geherrscht 
haben.  Ausgehend  von  Aussprüchen  Luthers  und  Melauchthons,  in  wel- 
chen die  damaligen  Universitäten  mit  scharfen  Worten  verurteilt  werden, 
wird  die  Reformation  für  den  angeblichen  Verfall  der  Schulen  verant- 
wortlich gemacht.  Es  werden  eine  grofse  Anzahl  protestantischer  Schrift- 
steller  angeführt,    die   beweisen   sollen,    dal's  die   gleiche  sittliche    Ver- 


218  Geschichte  der  Uuiversitäteu. 

Kleiue  neue  Beiträge  zur  älteren  Geschichte  der  Hochschule 
Giefsen.  Von  Professor  Dr.  0.  Buchner.  (Festschrift  zur  Be- 
grüfsuug  der  38.  Versanmilung  Deutscher  Philologen  und  Schulmänner, 
dargebracht  von  dem  Grofsh.  Realgymnasium  und  der  Realschule  zu 
Giefsen.     Giefsen  1885.    S.  27-48). 

Der  Verfasser,  welcher  erklärt,  eine  ausführlichere  Geschichte  der 
Universität  Giefsen  sei  trotz  der  Arbeiten  von  Nebel,  Crome,  Klein, 
Hesse  und  anderen  noch  nicht  geschrieben,  will  einige  Beiträge  liefern, 
wobei  besonders  der  schriftliche  Verkehr  zwischen  Landesherrn  und 
Universität  ins  Auge  gefafst  ist.  Die  Materialien  sind  nach  folgenden 
Rubriken  geordnet:  Die  Professoren,  Hilfslehrer:  Fechtmeister,  Tanz- 
raeister,  Bereiter,  Sprachmeister,  Pedellen  (Ministri  publici  oder  acade- 
mici)  und  Praeceptores  classici,  d.  h.  Lehrer  am  Pädagogium,  welche 
häutig  zu  Lehrern  an  der  Hochschule  aufrückten. 

Die  Matrikel  der  Universität  Rostock.  L  Michaeli  1419  bis 
Ostern  1425.  Herausgegeben  und  dem  Verein  für  mecklenburgische 
Geschichte  und  Alterthumskunde  zum  12.  Juli  1886  gewidmet  von 
Dr.  Adolph  Hofmeister,  Gustos  der  Grofsh.  Universitäts-Bibliothek. 
Schwerin.    Saudmeyersche  Hofbuchdruckerei.    1886.    4''.    20  S. 

Zu  den  deutschen  Universitäten,  deren  Matrikeln  bis  jetzt  unge- 
druckt sind  und  >zwar  zum  grofseu  Schaden  unserer  Kenntnis  des  geistigen 
Lebens  im  nördlichen  Deutschland,  gehört  auch  Rostock,  obgleich  »die 
Bedeutung  dieser  Hochschule  für  den  ganzen  Norden  Europas,  dessen 
einzige  Universität  sie  beinahe  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch  war, 
allseitig  gewürdigt  worden.«  Wir  erhalten  aber  nun  die  Mitteilung,  dafs 
wir  in  den  nächsten  Jahren  eine  Ausgabe  der  Matrikel,  welche  Hof- 
meister mit  Staatsunterstützung  veranstaltet,  zu  erwarten  haben.  Die 
kleine  Schrift  ist  nur  eine  vorläufige  Probe.  Zu  Grunde  liegen  dabei 
die  Matrikeln  der  Universität  und  der  philologischen  Fakultät,  zwei 
Pergamenthandschriften,  die  S.  IV  und  V  beschrieben  sind. 

Bezüglich  der  Editionsweise  sagt  der  Herausgeber,  dafs  die  für 
das  mecklenburgische  Urkundenbuch  aufgestellten  Grundsätze  mafsgebend 
gewesen  seien:  »Sämtliche  Eigennamen  sind  buchstabengetreu  wieder- 
gegeben, doch  ist  au  Stelle  des  öfter  am  Anfang  der  Namen  vorkom- 
menden Ff  ein  einfaches  F  gesetzt.  Ferner  sind  u  und  n,  rai  und  nu 
etc.,  c  und  t,  mitunter  auch  o  und  e  in  der  hier  allein  in  Frage  kom- 
menden ersten  Hand  des  Originals  nur  sehr  schwer  oder  gar  nicht  zu 
unterscheiden,  so  dafs  Irrtümer  wohl  kaum  vermieden  werden  konnten. 
Wo  der  hier  vorliegende  Text  von  den  früher  veröffentlichten  Auszügen 
im  Rostocker  Etwas,  bei  Krabbe,  Krause,  Böthführ  und  anderen  ab- 
weicht, geschieht  es  mit  Vorbedacht,  weshalb  auf  eine  besondere  Her- 
vorhebung dieser  Abweichungen  verzichtet  ist  ctc  «  Die  Benutzung  wird 
in  dankenswerter  Weise   dadurch   erleichtert,    dafs   die   Namen  gezählt 


Ad.  Hofmeister,  Die  Matrikel  der  Universität  Rostock.  219 

sind,  wofür  die  Ziffern  am  Rande  stehen.  Am  Schlüsse  der  Namen, 
welche  jeweils  in  einem  Semester  als  neu  immatrikuliert  eingetragen 
wurden,  folgen  dann  die  Namen  aus  der  Matrikel  der  Artisten  in  klei- 
nerer Schrift.  Gerade  diese  Mitteilungen  dürften,  als  bisher  fast  ganz 
unbenutzt,   von  besonderem  Werte  sein. 

Ebenso  verdient  es  Zustimmung,  dafs  der  Herausgeber  für  eine 
Anzahl  sehr  häufig  vorkommender  Worte,  die  in  der  handschriftlichen 
Vorlage  selbst  willkürlich  wechselnder  Abbreviatur  unterliegen,  eine 
Reihe  feststehender  Abkürzungen  verwendet  hat.  Solche  Worte  sind 
z.  B.  baccalarius,  dyocesis,  licenciatus,  miigister,  pauper,  dominus  etc. 

Hoffen  wir,  dafs  es  dem  Herausgeber  gelingen  möge,  sein  nütz- 
liches Werk  zur  baldigen  Vollendung  zu  führen. 

Arnold  Lusch in  von  Eb engreu th,  Balthasar  Weydacher.  Ein 
Studentenabenteuer  zu  Padua  (Zeitschrift  für  Allgemeine  Geschichte 
HI  (1886)  S.  805—817). 

In  Padua  studierten  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts viele  Deutsche;  die  1546  begonnene  Matrikel  der  deutschen 
Juristen  enthält  in  den  ersten  25  Jahren  über  1600  Einträge,  die  frei- 
lich nicht  alle  auf  Studenten  gehen,  da  auch  durchreisende  Staats- 
personeu  eingetragen  wurden.  Unter  den  Deutschen  waren  viele  Nicht- 
Katholiken, die  man  aber  stillschweigend  duldete,  wenn  sie  sich  nicht 
bemeiklich  machten.  Unter  den  Deutschen  war  seit  1570  auch  Bal- 
thasar Weydacher  aus  Mühldorf  in  Bayern,  der  als  Erzieher  fünf  junge 
Freiherru  von  Herberstein  begleitete  und  der  Ketzerei  verdächtig  wurde. 
Der  Bischof  liefs  ihn  festnehmen  und  gab  ihn  trotz  Verwendung  der 
deutschen  Studentenschaft  beim  Dogen  in  Venedig  nicht  frei.  Erst  eine 
Erklärung  Weydachers  vor  der  Inquisition,  an  die  er  ausgeliefert  worden, 
liefs  ihn  der  drohenden  Gefahr  entgehen. 

Aus  dem  deutschen  Universitätsleben  des  sechzehnten  Jahrhunderts. 
Von  Johannes  Janssen.     Frankfurt  a.  M.  und  Luzern.  1880.  31  S. 

Der  Verfasser  dieser  Broschüre  ist  derselbe  Janssen,  welcher  die 
bekannte  »Geschichte  des  deutschen  Volkes  seit  dem  Ausgang  des 
Mittelalters«  geschrieben  hat.  Die  Leser  dieses  streng  katholischen  Ge- 
schichtswerkes dürften  aus  unserer  Broschüre  nicht  viel  Neues  erfahren. 
Dieselbe,  entrollt  ein  Bild  der  gröfsten  Roheit  und  Gemeinheit,  wie  sie 
nach  Janssens  Meinung  unter  Professoren  und  Studenten  an  den  pro- 
testantischen Universitäten  Deutschlands  im  16.  Jahrhundert  geherrscht 
haben.  Ausgehend  von  Aussprüchen  Luthers  und  Melanchthous,  in  wel- 
chen die  damaligen  Universitäten  mit  scharfen  Worten  verurteilt  werden, 
wird  die  Reformation  für  den  angeblichen  Verfall  der  Schulen  verant- 
wortlich gemacht.  Es  werden  eine  grofse  Anzahl  protestantischer  Schrift- 
steller  angeführt,    diu   beweisen   sollen,    dafs   die  gleiche  sittliche    Ver- 


220  Geschichte  der  Universitäten. 

wilderuDg  und  Gemeinheit  an  allen  protestantischen  Hochschulen  ge- 
herrscht hat:  namentlich  genannt  sind  Wittenberg,  Jena,  Marburg,  Frank- 
furt a.  0.,  Königsberg,  Rostock,  Helmstädt,  Giefsen,  Tübingen.  Wenn 
man  nun  fragt:  wie  sah  es  an  den  katholisch  gebliebenen  Hochschulen 
schulen  um  dieselbe  Zeit  aus?  so  werden  wir  S.  8  folgenderraafsen  be- 
lehrt: »Auch  an  den  katholisch  gebliebenen  Hochschulen,  wie  in  Cöln, 
Freiburg  im  ßreisgau  und  in  Ingolstadt  traten  die  Wirkungen  der  all- 
gemeinen Zerrüttung  sowohl  in  dem  Verfall  der  Wissenschaften  als  der 
Sitten  oft  in  greller  Weise  hervor.«  Damit  wird  die  Reformation  also 
selbst  für  den  Verfall  der  katholischen  Universitäten  verantwortlich 
gemacht ! 

Der  Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  hat  nicht  die  Auf- 
gabe, die  Sache  irgend  einer  Konfession  gegen  die  andere  zu  führen.  Wir 
können  also  an  dieser  Stelle  aus  prinzipiellen  Gründen  auf  den  Streit 
Janssens  mit  seinen  protestantischen  Gegnern  nicht  eingehen.  Diese  letz- 
teren haben  vielmehr  die  Aufgabe,  sich  mit  eigener  Hand  der  Angriffe 
auf  ihre  Sache  zu  erwehren. 

Aber  über  den  kirchlichen  Interessen  steht  ein  höheres,  das  rein 
wissenschaftliche,  was  ausschliefslich  der  Wahrheit  dienen  will.  Von 
diesem  Standpunkte  aus  müssen  wir  Janssens  Aufstellungen  als  einer 
konfessionellen  Polemik  und  Tendenz  dienend  zurückweisen.  Aus  Mangel 
an  Raum  ist  es  hier  nicht  möglich,  auf  die  Schwächen  der  Janssen- 
schen  Darstellung  genauer  einzugehen;  vielleicht  finde  ich  Zeit  und  An- 
lafs,  dies  an  einer  anderen  Stelle  zu  thun.  Aber  auf  einige  Punkte 
darf  doch  in  aller  Kürze  hingewiesen  werden.  Zunächst  ist  es  voll- 
kommen richtig,  dafs  Luther  gleich  in  den  ersten  Jahren  seines  öffent- 
lichen Auftretens  die  Hochschulen  in  ihrem  damaligen  Zustand  »Moloch- 
tempel« und  »Mördergruben«  genannt  hat.  Aber  an  den  meisten 
damaligen  Universitäten  scheinen  auch  in  der  That  Zustände  geherrscht 
zu  haben,  welche  diese  harten  Worte  rechtfertigen.  Sehen  wir  einmal 
von  dem  gänzlich  verwerfenden  Urteil  der  Humanisten,  denen  man  zu 
wenig  Objektivität  zutraut,  vollständig  ab,  aber  auch  amtliche  Schrift- 
stücke, z.  B.  über  Leipzig  und  Heidelberg,  bestätigen  den  tiefen  Verfall 
dieser  Hochschulen,  und  hätten  wir  über  die  andern  Hochschulen  ein 
ähnliches  gedrucktes  Quellenmaterial  zur  Verfügung,  das  Urteil  würde 
schwerlich  anders  ausfallen.  Wir  verweisen  auf  S  tu  bei,  Urkundenbuch 
der  Universität  Leipzig  (Bd.  XI  des  Codex  diplomaticus  Saxoniae)  S.  333. 
378,  379  und  an  vielen  andern  Stellen.  Da  erfahren  wir,  wie  es  an  der 
noch  katholischen  Hochschule  aussieht:  die  Lehrer  sind  faul,  unwissend, 
zum  Teil  Jahre  lang  abwesend  von  Leipzig,  streitsüchtig,  schmutzig  hab- 
gierig, lassen  sich  bei  Promotionen  bestechen,  manche  auch  unsittlich 
trotz  ihres  geistlichen  Charakters.  Die  Studentenschaft  ist  noch  trauriger 
beschaffen:  manche  können  nicht  lateinisch  schreiben,  schwänzen  der 
Art,  dafs  sie  gar  nicht  wissen,   wo  gelesen  wird,  laufen  mit  unanstän- 


Job.  Janssen,  Aus  dem  deutschen  Universitätsleben.  221 

diger  Kleidung  herum,  die  manchmal  sogar  die  Geschlechtsteile  nicht 
verhüllt,  trinken  sich  voll,  liegen  in  beständigem  Hader  mit  den  Hand- 
werksburschen und  den  Bürgern  der  Stadt  u.  s.  w.  Doch  genug.  Diese 
Züge  liefsen  sich  mit  Leichtigkeit  verzehnfachen.  Wer  diese  Dinge 
kennt,  kann  ehrlicher  Weise  nicht  vod  einem  Rückgang  der  Hoch- 
schulen durch  die  Reformation  sprechen. 

Was  sodann  die  Berichte  über  Wittenberg  betrifft,  so  hat  Janssen 
nur  Gravierendes  angeführt.  Sehr  schöne  und  anerkennende  Berichte,  die 
jetzt  durch  den  Druck  jedem  zugänglich  sind,  scheinen  ihm  unbekannt 
geblieben  zu  sein. 

Wenn  er  ferner  S.  4  das  Urteil  des  Glareanus  aus  dem  Jahre  1550 
citiert :  »Die  jetzige  Jugend  ist  durchaus  so  schlecht,  dafs  sie  Sodoma 
und  Gomorrha  nahe  ist,«  so  geben  wir  Janssen  zweierlei  zu  bedenken. 
Dieses  Urteil  mufs  doch  zunächst  auf  die  katholische  akademische  Jugend 
eingeschränkt  werden;  denn  nur  diese  kannte  der  Freiburger  Lehrer, 
der  ein  heftiger  Gegner  der  Reformation  war.  Ein  verständiger  Mensch 
wird  unmöglich  die  Reformatoren  wegen  der  Verwilderung  der  akade- 
mischen Jugend  Freiburgs  ums  Jahr  1550  anklagen.  Sodann  aber  urteilt 
derselbe  Glareanus  schon  im  Jahre  1514,  also  drei  Jahre  vor  Beginn 
der  Reformation,  aufs  trostloseste  über  die  Zeit.  Er  fürchtet,  dafs  alle 
Wissenschaften  mit  den  klassischen  Sprachen  zu  Grunde  gehen  möchten. 
Vergl.  H.  Schreiber,  Glareanus  (Freiburg  1837)  S.  16. 

Was  aber  die  Zeugnisse  betrifft,  so  ist  nicht  jeder  Zeitgenosse  ein 
Zeuge  der  Wahrheit.  Der  Wert  der  von  Janssen  angeführten  Stellen 
ist  sehr  verschieden.  Es  hat  zu  allen  Zeiten  Menschen  gegeben,  die 
übertreiben  oder  geradezu  gegen  die  Wahrheit  verstofsen.  Die  Aus- 
sprüche der  verschiedensten  Menschen,  oft  ohne  Beachtung  der  Ver- 
anlassung ihrer  Aussprüche,  in  Reih  und  Glied  als  gewichtige  testes 
veritatis  aufmarschieren  zu  lassen,  ist  zum  mindestens  ein  angreifbares 
historisches  Verfahren ,  mögen  noch  so  viele  Anführungszeichen  zur  Er- 
zeugung des  beliebten  Quellen-  und  ßrunnengeschmacks  gesetzt  sein. 

Ein  fernerer  Mangel  dieser  Darstellung  besteht  in  dem  Umstand, 
wie  die  Quellen  herangezogen  worden.  Für  die  Methode  ist  es  sehr 
bezeichnend,  dafs  das  Schriftchen  Mohls  über  die  Sitten  der  Tübinger 
Studenten  im  16.  Jahrhundert  eine  seiner  Hauptquellen  ist.  Diese  kleine 
Schrift  ist  ein  Auszug  aus  den  Kriminalakten.  Welches  schiefe  Bild 
erzeugt  man,  wenn  man  blofs  solcher  Quellen  sich  bedient.  Zur  Ver- 
deutlichung wollen  wir  einmal  diese  Frage  auf  heutige  Verhältnise  über- 
tragen: wenn  z.  B.  von  1000  Studenten  einer  Hochschule  c.  100  mit  den 
akademischen  Gesetzen  in  Konflikt  kommen  und  deren  Vergehen  akten- 
mäfsig  werden,  so  hat  ein  späterer  Historiker  daran  ein  schätzbares 
Aktenmaterial.  Aber  von  dem  Fleifs  und  den  guten  Sitten  der  900 
anderen  Studenten  berichten  die  Akten  nichts;  denn  sie  sind  mit  der 
akademischen  Gerichtsbarkeit  nicht  in  Konflikt  geraten.     Wer  also,  wie 


222  Pädagogik  und  Schulgeschichte. 

Molil,  blofs  die  Skandale  der  Krimiilalakten  zusammenstellen  wollte, 
würde  doch  offenbar  dem  wahren  Thatbestand  nicht  gerecht  werden. 
Die  Menge  lateinischer  Dichter  und  tüchtiger  Gelehrter  am  Ende  des 
16.  und  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  vor  1618  beweist  aber  am  besten, 
dafs  die  deutschen  Studenten  der  protestantischen  Hochschulen  im 
16.  Jahrhundert  nicht  blofs  getrunken,  renommiert  und  noch  Schlimmeres 
getrieben  haben.  So  können  wir  in  der  Janssenschen  Schrift  nur  eine 
einseitige  Tendenzschrift  sehen,  welche  dem  objektiven  Thatbestand  durch- 
aus nicht  gerecht  wird. 

Den  Übergang  zur  Pädagogik  und  Schulgeschichte  möge  ein 
wichtiges  französisches  Werk  machen : 

Repertoire  des  ouvrages  pedagogiques  du  XVI«  siecle. 
(Bibliotheques  de  Paris  et  des  departements).  Paris.  Imprimerie 
nationale.    1886.    8.    XVI  und  733  S. 

Ein  sehr  nützliches  und  wertvolles  Buch,  das  für  alle  Arbeiter  auf 
dem  Felde  der  humanistischen  Pädagogik  zu  einem  unentbehrlichen  Nach- 
schlagewerk werden  wird.  Die  Vorrede  ist  ein  Rapport  ä  M.  le  ministre 
de  l'instruction  publique  de  beaux-arts  et  des  cultes,  in  welchem 
F.  ßuisson,  l'inspecteur  general,  Directeur  de  l'enseignement  primaire, 
der  eigentliche  Herausgeber  des  Werkes,  dessen  Entstehung  erzählt. 
Er  rühmt  die  grofse  Gefälligkeit  und  den  Eifer  der  Vorstände  zahl- 
reicher französischer  Bibliotheken,  ohne  deren  Unterstützung  das  Werk 
unmöglich  gewesen  wäre.  Das  Buch  besteht  aus  den  Titeln  pädagogischer 
Schriften  des  16.  Jahrhunderts,  die  nach  den  alphabetisch  geordneten 
Verfassern  verzeichnet  sind.  Bei  jedem  Werk  ist  die  Bibliothek  ange- 
geben, wo  sich  dasselbe  findet.  Aufser  dem  übrigens  oft  nur  summarisch 
verzeichneten  Titeln  ist  Jahreszahl,  Druckort  und  Format  angegeben. 
Unter  den  Namen  der  Verfasser  stehen  in  der  Regel  einige  biogra- 
phische Daten  und  manchmal  eine  Verweisung  auf  die  wichtigste  Litte- 
ratur  über  den  betreffenden  Gelehrten.  Von  S.  687-709  folgen  die 
anonymen  Werke. 

Ein  Index  Rerum  (S.  723—733)  gibt  die  Materien  der  Lehrbücher 
an,  so  dafs  man  z.  B.  alle  historischen  oder  alle  mathematischen  Lehr- 
bücher wieder  alphabetisch  geordnet  beisammen  hat. 

Beim  Studium  des  Werkes  fiel  mir  auf,  wie  zahlreich  die  franzö- 
sischen Nachdrucke  deutscher  Werke  sind,  so  dafs  sich  aus  diesem  Re- 
pertorium  mit  Sicherheit  ergibt,  dafs  schon  die  Franzosen  des  16.  Jahr- 
hunderts reichlich  von  der  geistigen  Arbeit  ihrer  geringgeschätzten 
östlichen  Nachbarn  gezehrt  haben.  Insbesouders  müssen  die  Bücher 
Melanchthons  in  Frankreich  einen  ausgedehnten  Benutzerkreis  gefunden 
haben;  sonst  würde  man  nicht  verstehen,  weshalb  sie  so  häufig  und  zwar 
an    verschiedenen   Orten    in   Frankreich    nachgedruckt   werden   konnten. 


Repertoire  des  ouvrages  pedagogiqueg  223 

Die  sonst  sehr  sorgfältige  Bibliographie  der  späteren  Bände  des  Corpus 
Reformatorum  läfst  sich  deshalb  aus  diesem  Repertoire  nicht  unwesent- 
lich erweitern. 

Nachdem  wir  den  Wert  des  Buches  anerkannt  haben,  müssen  wir 
aber  auch  darauf  hinweisen,  dafs  im  einzelneu  viele  Versehen  und  Fehler 
mit  untergelaufen  sind,  ven  denen  hier  einige  angeführt  sein  sollen.  S.  88 
steht  bei  Brassicanus  »ne  ä  Wittemberg.«  Der  Herausgeber  verwechselt 
also  die  Universität  Wittenberg  mit  dem  damaligen  Herzogtum  Würt- 
temberg! Denn  nur  das  letztere  konnte  er  meinen.  Freilich  ist  neuer- 
dings wahrscheinlich  gemacht  worden,  dafs  der  in  Württemberg  thätige 
Brassicanus  gar  nicht  aus  diesem  Lande,  sondern  aus  der  Reichsstadt 
Konstanz  stammte.  -  S.  115  steht  unter  Joachim  Camerarius,  geb.  1534, 
eine  Ausgabe  von  Epigrammata  graeca  et  latina  (Basel  1538)  verzeichnet, 
so  dafs  der  Verfasser  also  vier  Jahre  alt  gewesen  wäre,  als  er  Epi- 
gramme edierte!  Das  Rätsel  löst  sich  dadurch,  dafs  hier  der  Vater 
und  Sohn  Camerarius  verwechselt  sind.  —  S.  558  ist  das  Todesjahr 
Reuchlins  falsch  mit  1521  statt  1522  angegeben.  -  S.  428  wird  Schwarz- 
erde als  deutscher  Name  Melanchthons  angegeben.  Das  ist  falsch;  denn 
nur  die  Formen  Schwarzerdt  und  Schwartzerdt  sind  nachweisbar.  — 
S.  12  ist  unter  den  Schriften  des  Humanisten  Rudolf  Agricola  eine  Rede 
de  miseriis  paedagogorum  augegeben.  Schwerlich  ist  das  richtig.  Ver- 
mutlich liegt  hier  eine  Verwechselung  mit  der  so  betitelten  Rede  Me- 
lanchthons vor.  -  S.  435  wird  ein  Kölner  Drucker  Hero  Fuchs  ange- 
geben, was  vermutlich  ein  Irrtum  für  Hieronymus  Fuchs  ist.  —  S.  437 
werden  Tabulae  astronomiae  von  Melanchthon  angeführt,  die  in  Nürn- 
berg 1551  gedruckt  sein  sollen.  Es  ist  kaum  glaublich,  dafs  Melanch- 
thon ein  solches  Buch  geschrieben  hat.  Vermutlich  ist  das  eine  Ver- 
wechselung mit  dem  gleichnamigen  Werke  des  Nürnberger  Mathematikers 
Schoner,  zu  welchem  Melanchthon  eine  Praefatio  geschrieben  hat.  Vgl. 
dazu  Corpus  Reformatorum  HI  115.  —  Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit 
dem  Tractatus  de  sphaera  S.  437.  Einen  solchen  hat  Melanchthon  nicht 
geschrieben.  Es  ist  das  vielmehr ,  der  Liber  Joannis  de  Sacro  Busto  de 
sphaera,  zu  welchem  Melanchthon  1531  eine  an  Simon  Grynäus  ge- 
richtete  Vorrede  geschrieben  hat.     Vergl.  dazu  Corp.  Reff.  H  530. 

Was  sodann  die  Litferaturangaben  betrifft,  so  zeigt  sich  Buisson  mit 
der  deutschen  pädagogischen  Litteratur  sehr  wenig  vertraut.  So  ist  z.  B.  zu 
Rudolf  Agricola  S.  10  nichts  als  die  kleine  wertlose  Schrift  von  Bossert 
angeführt.  Von  der  viel  umfassenderen  deutschen  Litteratur  (ich  habe 
dieselbe  in  der  Festschrift  der  badischen  Gymnasien  zum  Heidelberger 
Jubiläum  S.  3  zusammengestellt)  ist  nichts  genannt.  Bei  Job.  Sturm 
S.  611  fehlen  die  beiden  Schriften  von  Kückelhahn  und  Laas,  bei  Blon- 
dus  S.  70  die  Arbeit  von  Masius;  bei  Erasmus  S.  227  ist  von  den  zahl- 
reichen Arbeiten  von  Ad.  Horawitz  nicht  eine  einzige  angeführt.  Diese 
Beispiele  liefsen  sich  noch  sehr  beträchtlich  vermehren. 


224  Pädagogik  und  Schulgeschichte. 

Monuraenta  Germaniae  Paedagogica. 

Mit  obigem  Titel  führt  sich  ein  litterariscbes  Unternehmen  ein, 
das  nicht  blofs  für  Geschichte,  Kirchengoschichte  etc ,  sondern  auch  ganz 
besonders  für  die  Philologie,  speciell  die  Geschichte  der  Philologie  von 
grofser  Bedeutung  werden  dürfte.  Der  Urheber  des  ganzen  ausgedehnten 
Planes  ist  Dr.  Karl  Kehrbach,  rühmlichst  bekannt  als  Herausgeber 
von  Herbarts  und  Kants  Schriften.  Als  Veranlassung  zur  Herausgabe 
der  Monumenta  Germaniae  Paedagogica  bezeichnet  derselbe  die  wieder- 
holt ausgesprochene  Beobachtung,  dafs  unsere  Geschichtswerke  der  Pä- 
dagogik einen  nur  ungenügenden  Einblick  in  die  deutschen  Unterrichts- 
und Erziehungsverhältnisse  vergangener  Zeiten  gewähren.  »Der  Grund 
dieser  offenkundigen  Thatsache  liegt  in  der  mangelhaften  Heranziehung 
des  bezüglichen  Quellenmaterials,  die  selbst  da  sich  zeigt,  wo  die  Ge- 
schichtschreiber der  Pädagogik  mit  gröfserer  Sorgfalt  und  Vorliebe  ge- 
arbeitet haben,  wie  z.  B.  bei  Raumer  in  den  Artikeln  über  Melanchthon 
und  Sturm.«  Diese  Quellen  sollen  nun  zugänglicher  gemacht,  insbeson- 
dere die  schon  gedruckten  vermehrt  werden  durch  Aufspürung  und  Her- 
beiziehung solcher,  die  bis  jetzt  in  den  Archiven  und  Bibliotheken  unbe- 
nutzt geruht  haben. 

Der  ausgearbeitete  »Plan«,  in  welchem  Kehrbach  über  den  Umfang 
und  die  Einteilung  des  Unternehmens  Bericht  ei-stattet,  beweist,  dafs 
Sorgfalt  und  Umsicht  dabei  nicht  fehlen.  Zahlreiche  Gelehrte  haben 
direkt  oder  indirekt  ihre  Mitarbeiterschaft  an  den  Monumenta  zu- 
gesagt; für  die  Leser  dieser  Zeitschrift  dürften  unter  den  zahlreichen 
Namen  folgende  von  Interesse  sein:  Oberstudienrat  Dr.  von  Dillmaun 
in  Stuttgart,  Schulrat  Dr.  Dittes  in  Wien,  Schulrat  Dr.  Eberhard  in 
Braunschweig,  Professor  Dr.  Eckstein  in  Leipzig,  Professor  Dr.  Eucken 
in  Jena,  Direktor  Professor  Dr.  Frick  in  Halle  a.  S.,  Dr.  Galland  in 
Strafsburg,  Geh.  Rat  Professor  Dr.  Giesebrecht,  Professor  Dr.  Grafs- 
berg er  in  Würzburg,  Professor  Dr.  von  Hartel  in  Wien,  Professor 
Dr.  Heinze  in  Leipzig,  Gymnasial-Direktor  Dr.  Ho  che  in  Hamburg, 
Professor  Dr.  Horawitz  in  Wien,  Professor  Dr.  Huemer  in  Wien, 
Prof.  Dr.  Kawerau  in  Magdeburg,  jetzt  Kiel,  Direktor  Dr.  Koldewey 
in  Brauuschweig,  Professor  Dr.  Krause  in  Zerbst,  Professor  Dr.  Jürgen 
Bona-Meyer  in  Bonn,  Professor  Dr.  Masius  in  Leipzig,  Professor 
Dr.  Schaarschmidt  in  Bonn,  Professor  Dr.  Sehen  kl  in  Wien,  Dr. 
Schepfs  in  Würzburg,  Professor  Dr.  Schiller  in  Giefsen,  Gymnasial- 
Direktor  Dr.  Stier  in  Zerbst,  Professor  Dr.  Uhlig  in  Heidelberg  und 
viele  andere.  Der  Herausgeber  hat  die  mitgeteilten  Ratschläge  reiflich 
erwogen  und  viele  in  seinem  Plane  schon  berücksichtigt. 

Die  Einteilung  der  Monumenta  paedagogica  ist  nun  folgende: 

Abteilung  1  soll  enthalten  die  Schulordnungen  kirch- 
lichen,  staatlichen  und    gemeindlichen    Charakters    nebst    den    internen 


Kehrbach,  Monumenta  Germaniae  Paedagogica.  225 

Schulgesetzen,  Visitationsprotokollen,  Ordenskonstitutionen,  Bestallungs- 
briefen etc. 

Abteilung  2  die  Schulbücher  der  betreibenden  Zeitabschnitte 
und  zwar  für  verschiedene  Fächer.  Kehrbach  hat  zu  dieser  Abteilung  eine 
wertvolle  Vorarbeit  geliefert  in  dem  »Versuch  einer  Liste  der  Schulbücher, 
die  zur  Zeit  des  Humanismus  im  engern  Sinne,  d.  h.  von  der  Mitte  des 
15.  bis  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  in  den  Schulen  Deutschlands 
gebraucht  worden  sind,«  welche  Zusammenstellung  dem  Plane  beigefügt 
ist.  Die  Abteilung  »Latein«  umfafst  Vokabularien,  Grammatiken,  latei- 
nische Übungsbücher,  Artes  versificandi  et  metrificandi  und  übertrifft 
alle  bisher  vorhandenen  ähnlichen  Zusammenstellungen  an  Vollständigkeit 
bei  weitem. 

In  der  dritten  Abteilung  »Pädagogische  Miscellanea«  sollen 
diejenigen  Dokumente  pädagogischen  Inhaltes  ediert  werden,  welche  in 
die  zwei  ersten  Abteilungen  nicht  passen,  also  Abhandlungen  zur  Päda- 
gogik, pädagogische  Theorien,  pädagogische  Gutachten,  Selbstbiogra- 
phisches, Schulreden,  Tischzuchten,  Akten  über  Erziehung  und  Unterricht 
einzelner  Personen,  Briefwechsel  unter  Schulmännern,  Schulkoraödien  und 
dergleichen. 

Die  vierte  Abteilung  soll  sodann  zusammenfassende  Darstel- 
lungen geben. 

Von  einer  chronologischen  Aufeinanderfolge  der  Publikationen  ist 
aus  zureichenden  Gründen  abgesehen.  Natürlich  wird  die  gröfste  Sorg- 
falt auf  die  Texte  verwendet  werden.  Jedem  Schulbuch  geht  eine  fach- 
wissenschaftliche,  pädagogische,  textkritische  und  bibliographische  Ein- 
leitung voran.  Sämtliche  Varianten  von  sachlichem  Werte  werden  unter 
dem  Texte  gegeben.  Namen-  und  Sachregister  fehlen  bei  keinem  Bande. 

Aus  der  grofsen  Zahl  von  Arbeiten,  die  bereits  in  Angriff  ge- 
nommen worden,  mögen  nur  einige  hervorgehoben  werden: 

1)  Direktor  Dr.  Köldewey  ediert  die  hervorragenden  Schulord- 
nungen Braunschweigs. 

2)  Professor  Dr.  Teutsch  die  Schulordnungen  Siebenbürgens. 

3)  Staatsrat  Professor  Dr.  Teichmüller  die  Schulordnungen  der 
Ostseeprovinzen. 

4)  Dr.  Kehrbach  das  Visitationsbüchlein  Melanchthons. 

5)  Dr.  Reichling  das  Doctrinale  des  Alexander  Gallus  (de  villa 
dei,  Villedieu). 

6.  Professor  Dr.  Huemer  das  Scholarium  fundamentum  des  Re- 
migius  von  Auxerre. 

7)  Direktor  Dr.  Uhlig  die  griechischen  Grammatiken  von  Chry- 
soloras,  Theodorus  Gaza,  Laskaris  und  anderen. 

8)  Dr.  0.  Franke  charakteristische  Schulkomödien. 

lahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.   (1887.  lU.)  15 


226  Geschichte  des  Schulwesens. 

9)  Professor  Dr.  Horawitz  schreibt  eine  zusammenfassende  Dar- 
stellung über  Desiderius  Erasmus  von  Rotterdam. 

10)  Professor  Dr.  Hartfelder  eine  solche  über  Melanchthon. 

Nach  mehrjähriger  Vorbereitung  hat  nun  das  Unternehmen  mit 
seinen  Publikationen  begonnen.     Bd.  I  hat  folgenden  Titel: 

Monumenta  Germaniae  Paedagogica.  Schulord- 
nungen, Schulbücher  und  pädagogische  Miscellaneen  aus  den  Landen  deut- 
scher Zunge.  Unter  Mitwirkung  einer  Anzahl  von  Fachgelehrten  herausge- 
geben von  Karl  Kehrbach.  Bd.  I.  Braunschweigische  Schulordnungen  1. 
Berlin.  A.  Hofmann  &  Comp.  1886.  —  Daneben  der  zweite  oder  Separat- 
Titel:  Braunschweigische  Schulordnungen  von  den  ältesten  Zeiten  bis 
zum  Jahre  1828  mit  Einleitung,  Anmerkungen,  Glossar  und  Register. 
Herausgegeben  von  Professor  D.  Dr.  Friedrich  Koldewey.  Erster 
Band.     Schulordnungen  der  Stadt  Braunschweig.  CCV  und  S.  602. 

Die  Einleitung  gibt  eine  auf  den  besten  Quellen  beruhende  Schul- 
geschichte der  Stadt  Braunschweig,  die  bis  1671  beinahe  so  frei  war  wie 
eine  freie  deutsche  Reichsstadt.  Im  Mittelalter  existierten  daselbst  zunächst 
die  beiden  Stiftsschulen  zu  St.  Blasien  und  zu  St.  Cyriaci  nebst  der  Kloster- 
schule zu  St.  Aegidien,  wozu  dann  im  Laufe  des  15.  Jahrhunderts  noch 
zwei  städtische  Schulen  hinzukamen:  das  Martineum  und  Katharineum. 
Wie  wenig  diese  Schulen  gegen  Ende  des  Mittelalters  billigen  An- 
forderungen entsprachen,  sowohl  in  den  Lehrgegenständen  als  in  der 
Stellung  der  Lehrer,  zeigt  sich  auch  hier  wie  fast  allerorten  in  Deutsch- 
land, obschon  Koldewey  diese  Fragen  fast  mehr  als  schonend  behandelt. 
Die  Reformation  brachte  sodann  durch  Johann  Bugenhagen  eine  Wieder- 
aufrichtung des  in  Verfall  geratenen  Schulwesens  im  Bunde  mit  der  üm- 
wandelung  der  Kirche.  Freilich  blieb  auch  hier  trotz  mannigfacher 
Verbesserungen,  z.  B.  der  Besserstellung  der  Lehrer,  noch  eine  grofse 
Kluft  zwischen  Ideal  und  Wirklichkeit,  was  die  immer  sich  wieder- 
holenden Reformversuche  am  besten  beweisen,  und  obgleich  hervor- 
ragende Namen,  wie  Medier,  Chemnitz,  Frischlin  unter  den  Leitern  des 
Schulwesens  auftreten.  Eine  bessere  Zeit  für  die  Schule  brach  an  mit 
Karl  L,  dem  Bundesgenossen  Friedrichs  des  Grofsen.  Besonders  die 
Pädagogik  des  Hallenser  Pietismus  hat  auch  in  Braunschweig  bedeut- 
same Leistungen  aufzuweisen.  Eine  kurze  Geschichte  des  Carolinums, 
dessen  Seele  eigentlich  Jerusalem  war,  veranschaulicht  die  Einrichtungen 
und  den  baldigen  Verfall  dieser  vielgenannten  eigentümlichen  Schule. 
In  einem  vierten  Abschnitte  wird  sodann  die  Geschichte  des  Braun- 
schweigischen  Schulwesens  bis  1828  herabgeführt:  aus  dem  Carolinum 
ist  das  Braunschweiger  Polytechnikum  geworden. 

In  dem  Abschnitt  II  (Textgestaltung)  gibt  Koldewey  Auskunft  über 
die  Grundsätze,  wonach  er  den  Text  gestaltet  hat,  und  die  etwas  ab- 
weichen von  den   im  »Plan«   in  Aussicht   genommenen.     Dieselben  sind 


Fr.  Koldewey,  Braunschweigische  Schulordnungen.  227 

übrigens  blofs  für  die  Koldeweysche  Publikation  mafsgebend,  und  es  ist 
damit  nicht  ausgeschlossen,  dafs  in  andern  Bcänden  nicht  nach  den  Grund- 
sätzen des  »Plans«  verfahren  wird.  Nur  sollte  von  einer  urkundlich  ge- 
nauen Wiedergabe  der  Orthograjihie  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  mit 
ihrer  unsinnigen  Konsonantenhäufung  ein   für  allemal  abgesehen  werden. 

Daran  schliefsen  sich  textkritische  und  bibliographische  Erläu- 
terungen zu  den  einzelnen  Stücken  des  folgenden  Abschnitts.  Darnach 
zu  urteilen,  hat  es  Koldewey,  wie  es  sich  für  eine  solche  Publikation 
auch  gehört,  sehr  genau  genommen:  er  verbessert  selbst  neuere  als  gut 
anerkannte  Textausgaben  einzelner  Aktenstücke.  Dann  folgen  die  Akten- 
stücke selbst,  chronologisch  geordnet,  von  Koldewey  mit  besonderen 
Überschriften  versehen;  eine  sachliche  Ordnung  würde  grofse  Unzuträg- 
lichkeiten im  Gefolge  gehabt  haben,  wenn  sie  überhaupt  durchführbar 
gewesen.  Diese  Aktenstücke  sind  in  der  Einleitung  schon  alle  ver- 
wertet; die  letztere  baut  sich  ganz  auf  diesem  Materiale  auf.  Der 
Leser  hat  also  die  Möglichkeit  einer  fortlaufenden  Kontrolle. 

S.  529— 5Y4  folgen  sodann  erklärende  Anmerkungen  zu  den  Akten- 
stücken, die  über  schwierige  Ausdrücke,  Personalien  etc.  berichten.  Be- 
sonders sei  auf  die  Erklärung  von  lupus  S.  548  und  von  Partikular- 
schulen S.  552  aufmerksam  gemacht.  Ein  Glossar  zum  Verständnis  der  nie- 
derdeutschen Urkunden,  ein  Verzeichnis  der  mehrfach  erwähnten  Schriften 
und  ein  Inhaltsverzeichnis  beschliefseu  die  schöne  Publikation,  welche  das 
ganze  Untern  ehmen  in  würdigster  Weise  eröffnet  hat.  Vollständige  Beherr- 
schung des  Stoffes,  gründliche  Kenntnis  der  weitschichtigen  Litteratur 
und  solide  Arbeit  vereinigen  sich  in  dieser  litterarischen  Leistung  zu 
erfreulicher  Harmonie,  wobei  nicht  vergessen  werden  soll,  dafs  ein 
warmer  Lokal  Patriotismus,  der  aber  niigends  einseitig  oder  aufdringlich 
ist,  dem  Verfasser  die  Feder  führte. 

Durch  den  ersten  Band  der  Monumenta  Germaniae  Paedagogica 
ist  eine  andere  Arbeit  desselben  Verfassers: 

Friedrich  Koldewey,  Die  Verfassung  der  Realschule  im  Hoch- 

fürstl.    Grofsen  Waisenhause  zu  Braunschweig   1754.      Braunschweig. 

1886.  4*^.  30  S.  {Programmbeilage  des   Herzoglichen   Realgymnasiums 

zu  Braunschvveig  Ostern  1886).     Programm  1886.    Nr.  631. 

vollständig    antiquiert,    da   sie  ihrem  wesentlichen  Inhalte  nach  in  die 

Monumenta,  deren  Vorläufer  sie  gewesen,  aufgenommen  worden. 

Fr.  Schmidt,    Bivium.     Ein  Beitrag  zur   mittelalterlichen  Päda- 
gogik (Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Pädagog.   Bd.   134,  549-555). 

Dafs  es  neben  dem  allbekannten  Trivium  und  Quadrivium  auch 
ein  Bivium  gab,  dürfte  wenig  bekannt  sein.  »Bivium  erstreckt  sich 
auf  die  sittliche  Bildung  des  Menschen  und  auf  die  in  der  Jugend  vor- 

15' 


228  Geschichte  des  Schulwesens. 

zunehmende  Entscheidung  über  den  Lebenswandel.«  Diese  Entscheidung 
ist  derselben  Art,  wie  sie  der  Sophist  Prodikos  aus  Keos  in  seiner 
Allegorie  vom  Herkules  am  Scheidewege  beschreibt,  die  in  Xenophons 
Memorabilien  II,  1,  21  überliefert  ist.  Der  Verfasser  stellt  die  Beleg- 
stellen aus  einer  Anzahl  mittelalterlicher  Schriften  zusammen,  wie 
Chronicon  Hugonis,  Vita  Conradi  archiepisc.  Trever.,  Chronik  Thiet- 
mars  von  Merseburg  etc.  Von  bivium  wurde  gebildet  biviator  =  qui 
ambulat  duabus  viis  (Glossar,  med.  et  inf.  latiu.  ed.  L.  Favre,  tom.  I). 

Oberlehrer  Wilhelm  Bötticher,  Des  Johann  Amos  Comenius 
Didactica  magna  und  deren  neueste  Übersetzungen  (Beilage  zum  Pro- 
gramm des  Realgymnasiums  und  Gymnasiums  in  Hagen.  Hagen.  1886. 
4.  16  S.). 

Der  Verfasser  gibt  zunächst  eine  kurze  Übersicht  über  das  Leben  des 
Comenius  (1592  —  1671),  beschreibt  sodann  genau  die  Ausgabe  von  Comenii 
opera  didactica  (Amsterdam)  und  behandelt  die  grofse  Unterrichtslehre 
desselben  in  der  Art,  dafs  er  auf  die  Fehler  der  in  der  letzten  Zeit  er- 
schienenen Übersetzungen  aufmerksam  macht.  Er  kommt  zu  dem  bereits 
in  der  Philol.  Rundschau  ausgesprochenen  Ergebnisse,  dafs  die  schon  in 
vier  Auflagen  erschienene  Übersetzung  Beegers  (Leipzig.  Hesse)  schlecht, 
dagegen  die  von  C.  Th.  Lion  (Langensalza)  und  von  G.  A.  Lindner 
(Wien.  Pichler)  empfehlenswert  seien. 

August  Ziel,  Johann  Raues  Schulenverbesserung.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  der  Pädagogik  des  17.  Jahrhunderts  (Beilage  zum  Pro- 
gramm des  König  1.  Gymnasiums  zu  Dresden-Neustadt.  Dresden  1886. 
40.)  31  S. 

Raue  wurde  im  Januar  1610  zu  Berlin  geboren  als  Sohn  des  Diakonus 
Kaue  an  der  Nikolaikirche,  eines  streng  orthodoxen  Lutheraners  und 
Poeta  Laureatus  Caesareus.  Auf  dem  Gymnasium  zum  Grauen  Kloster 
vorgebildet,  bezog  er  c.  1626  die  Hochschule  Wittenberg,  die  da- 
mals noch  ihren  Ruhm  behauptete,  zum  Studium  der  Philosophie  und 
Theologie.  1631  Magister  geworden,  geht  er  1632  nach  Erfurt,  wo 
er  1634  die  Professur  Historiarum  et  Eloquentiae  an  der  Univer- 
sität erhielt  und  Lehrer  am  Ratsgymnasium  wurde.  In  seinem  1635 
erschienenen  Nepos  sind  die  Lehrer  als  »hostes  adolescentiae«  be- 
zeichnet. Stellungen  in  Rostock,  Soröe  in  Dänemark,  Danzig  fesseln  ihn 
nicht  allzulang.  1654  wird  Raue  »General-Inspektor  aller  Schulen«  in 
der  Kur-Mark;  aber  schon  1659  wird  der  unstete  Mann  Bibliothekar, 
t  1679. 

Der  zweite  Teil  der  Arbeit  (S.  13—31)  behandelt  das  pädago- 
gische System  Raues,  das  ihn  als  Geistesverwandten  von  Männern  wie 
Ratichius,  Comenius  und  Schupp   erweist.     Bezüglich  der  Auswahl  der 


A.  Ziel,  Joh.  Raues  Schulverbesserung.  229 

Schulschriftsteller  sei  bemerkt,  dafs  er  z.  B.  Nepos,  den  er  selbst  auch 
herausgegeben  hat,  und  Caesar,  »epistolae  selectae  und  Excerpten«  von 
Cicero  empfiehlt,  aber  Plautus  und  Terenz  verwirft.  »Wenn  Raue  auch 
nicht  zu  den  bahnbrechenden  Führern  der  Reform  gehört,  so  bildet 
er  doch  ein  Glied  in  der  Kette  der  Männer,  durch  deren  Bestre- 
bungen neue  Formen  des  gelehrten  Unterrichts  in  Deutschland  herbei- 
geführt sind.« 

Oberlehrer  Dr.  Carl  Ackermann,  Die  pädagogische  Litteratur 
für  unseren  Regierungsbezirk  (Beilage  zum  Programm  der  Realschule 
zu  Cassel  für  das  Schuljahr  1885/86.    Cassel.    1886.    4».    14  S.). 

Veranlafst  ist  die  Arbeit  durch  den  Wunsch  der  Centralkommission 
für  wissenschaftliche  Landeskunde  in  Deutschland,  Vorarbeiten  zu  einer 
Bibliotheca  geographica  Germauiae  zu  erhalten.  Der  Stoff  ist  nach 
folgenden  Rubriken  geordnet:  I.  Universitäten.  II.  Academien.  III.  Gym- 
nasien, Realschulen,  Gewerbeschulen,  l.  Allgeraeines.  2.  Die  höhereu 
Schulen  der  einzelnen  Städte,  a.  Cassel.  b.  Fulda,  c  Hanau,  d.  Hers- 
feld, e.  Marburg,  f.  Rinteln,  g.  Eschwege.  h.  Schlüchtern,  i.  Wettern. 
IV.  Höheres  und  niederes  Schulwesen  vereinigt.  V.  Seminarien.  VI.  Volks- 
schulen.   VII.  Waisenhäuser,  Taubsturamen-Anstalten,  Rettungshäuser. 

Die  Zusammenstellung  scheint  mir  auch  in  dieser  erweiterten  Ge- 
stalt noch  immer  erweiterungsfähig.  So  ist  z.  B.  bei  I.  vergessen:  Bruno 
Hildebrand,  Urkundensammlung  über  die  Verfassung  und  Verwaltung 
der  Universität  Marburg  unter  Philipp  dem  Grofsraütigen.  Marburg. 
1848.  —  Ferner:  W.  Du  lieh  ins.  De  urbe  et  academia  Marburgensi, 
herausgegeben  von  Julius  Caesar  als  Marbnrger  Universitätsschrift  1863/64. 
—  Ferner:  J.  H.  Schminke,  De  origine  et  fatis  academiae  Marbur- 
gensis  17 17,  und  andere  Schriften,  die  bei  Hildebrand  citiert  sind. 

Indem  wir  zur  Schulgeschichte  im  engeren  Sinne  übergehen, 
wollen  wir  mit  Norddeutschland  den  Anfang  machen: 

Geschichte  des  Königlichen  Gymnasiums  zu  Marienburg  während 
der  Jahre  1860 — 1885.  Festschrift  zur  Feier  des  25jährigen  Bestehens 
der  Anstalt  als  Gymnasium  von  Ernst  Schmidt,  Gymnasial -Ober- 
lehrer. Marienburg.  1885.  4°.  (Programm -Beilage  für  1886.  Pro- 
gramm Nr.  35).    24  S. 

Marienburg  hatte  schon  früher  eine  Lateinschule,  die  seit  1798 
Gelehrteuschule  hiefs.  1816  wurde  dieselbe  in  eine  höhere  Bürgerschule 
verwaudelt  ohne  Prima  und  Sekunda.  Der  Versuch,  daraus  eine  Real- 
schule erster  Ordnung  zu  machen,  der  nach  1836  augestellt  wurde,  schei- 
terte, und  so  wurde  1860  ein  Gymnasium  mit  Realklassen  g^chaffen. 
Direktoren  der  Anstalt  waren:  Theodor  Breiter,  Fr.  Joh.  G.  Strehlke, 
Michael  Hayduck  und  Richard  Martens.  Die  Zahl  der  seit  1860  thäti.u' 
gewesenen  Lehrer  beträgt  53;  die  Ursache  dieses  sehr  grofsen  Wechsels 


230  Geschichte  des  Schulwesens. 

ist  besonders  die  geringe  Besoldung.  Programmabhandlungen  sind  23 
erschienen,  deren  Verfasser  und  Titel  aufgezählt  werden.  Die  Zahl  der 
Abiturienten  beträgt  bis  jetzt  224. 

Geschichte  des  Königlichen  Gymnasiums  zu  Conitz  seit  seiner 
Neubegründung  im  Jahre  1815,  von  Direktor  Professor  Dr.  Robert 
Thomaszewski.  Beilage  zum  65.  Jahresbericht  des  Gymnasiums  zu 
Conitz.     Conitz.    1886.    4P.  (Programm  Nr.  33)  69  S. 

Direktor  Goebel  hatte  einst  eine  Geschichte  des  Gymnasiums  ver- 
sprochen, war  aber  durch  seine  Ernennung  zum  Proviuzialschulrat  daran 
verhindert  worden.  Thomaszewski  löst  nun  dieses  Versprechen  ein  und 
behandelt,  auch  auf  Grund  von  Akten,  die  Geschichte  der  Anstalt  in 
den  Abschnitten:  1.  Die  Eröffnung  und  Entwickelung  des  Gymnasiums 
zu  Conitz.  2.  Verzeichnis  der  Direktoren  und  Lehrer  von  1815—1886. 
3.  Gymnasialgebäude.  4.  Frequenz.  5.  Die  Abiturienten.  6.  Die  finan- 
ziellen Verhältnisse,  7.  Legate,  Stiftungen,  Unterstützungen.  8.  Die 
Bibliotheken  und  Sammlungen  des  Gymnasiums.  9.  Die  Programme  und 
wissenschaftlichen  Abhandlungen.  ,10.  Pädagogische  und  discipliuarische 
Einrichtungen. 

Als  Staatsminister  von  Massow  1802  eine  Revision  der  Schule  zu 
Conitz  vornahm,  fand  er  zwei  Klassen  mit  48  und  24  Schülern  mit  zwei 
Lehrern,  und  selbst  diese  Schule  ging  während  der  Franzosenkriege  ein, 
indem  die  Schulzimmer  in  Lazarete  verwandelt  wurden.  Die  1815  neu 
gegründete  Anstalt  wurde  1821,  nach  einer  durch  den  Regierungsrat 
Jachmann  vorgenommenen  Revision,  den  übrigen  Gymnasien  Westpreufsens 
für  ebenbürtig  erklärt.  Die  Zahl  der  bisherigen  Direktoren  beträgt  acht, 
der  Lehrer  116.  Gesamtzahl  der  Schüler  in  den  Jahren  1884-86  war 
422,  365  und  343.  Unter  den  bisherigen  Abiturienten  waren  155  katho- 
lisch, 133  evangelisch  und  61  jüdisch. 

Oberlehrer  Dr.  Robert  Schmidt,  Beiträge  zur  ältesten  Ge- 
schichte des  CoUegium  Groeningianum  (1633  —  1714)  (Beilage  zum 
Programm  des  Königl.  und  Gröuing'schen  Gymnasiums  zu  Stargard  in 
Pommern.     Stargard.    1886.    4.    Programm  Nr.  127.    50  S.). 

Der  Verfasser,  der  mit  Umsicht  gedruckte  und  ungedruckte  Ma- 
terialien herangezogen  hat,  konnte  doch  wegen  Lückenhaftigkeit  des 
Materials  nur  »Beiträge«  und  keine  eigentliche  Geschichte  geben.  Das 
Collegium  hatte  seineu  Namen  von  seinem  Stifter,  dem  Bürgermeister 
Peter  Groening,  der  mitten  in  den  Schrecken  des  30jährigen  Krieges 
die  damals  sehr  namhafte  Summe  von  20000  Gulden  stiftete  »zu  An- 
und  Aufrichtung  eines  so  Christ-  und  löblichen  Collegii  den  wahren 
Armen  zum  Besten.«  Die  Anstalt,  zu  deren  Leiter  »der  berühmte  Gram- 
maticus«  M.  Johannes  Rhenius  berufen,  konnte  aber  in  solcher  Zeit 
nicht  recht  gedeihen.    1635  brannte  ihr  Auditorium,  zusammen  mit  dem 


R.  Schmidt,  CoUegium  Groeningianum.  231 

gröfsten  Teil  der  Stadt  Stargard,  uieder.  Der  Verfasser  schildert  sodann, 
wie  sich  die  Stadt  bemühte,  die  Anstalt  wieder  erstehen  zu  lassen. 
1668  konnte  sie  von  neuem  eröffnet  werden.  Das  Rektorat  bekleidete 
M.  Christophorus  Praetorius  bis  zum  Jahre  1677.  Neben  ihm  wirkten 
Jos.  Christ.  Neauder,  Christian  Schmidt  der  Conrector,  Gabriel  Schultze 
Subrector  und  Samuel  Vivenest,  Direktor  der  Musik  des  CoUegii.  Die 
Art  und  Weise,  wie  man  den  dienstuntauglich  gewordenen  Praetorius 
behandelte  (S.  18),  ist  ein  trauriges,  aber  leider  häufiges  Kapitel 
der  deutschen  Schulgeschichte.  1677-1704  war  sodann  Nikolaus  Bene- 
diktus  Pascha  (geboren  zu  Zittau  in  der  Lausitz,  früher  Adjunkt  der 
philosophischen  Fakultät  zu  Wittenberg)  und  1704-  1714  Joachim  Fried- 
rich Schmidt  Rektor  des  Collegiums,  das  eine  Art  von  einfacher  Uni- 
versität war.  1714  wurde  die  Anstalt  sodann  »illustriert«.  S.  39  —  50 
enthalten  einen   Anhang  von  nicht  unwichtigen  Aktenstücken. 

Hugo  Holstein,  Geschichte  der  ehemaligen  Schule  zu  Kloster 
Berge  (Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik.  2.  Abteilung.  Bd. 
132.  S.  508—518.  588  —  606.  Bd.  134.  S.  153—168.  201  213.  249 
—264.  297—309.  345-357.  393-410).  Auch  als  Separatausgabe 
erschienen. 

Kurz  vor  dem  Jahre  968,  wo  das  von  Kaiser  Otto  I.  gestiftete 
Moritzkloster  in  Magdeburg  Sitz  des  Domstiftes  wurde,  waren  die  Bene- 
diktinermönche von  St.  Moritz  in  das  für  sie  neu  gebaute,  vor  der  Suden- 
burg  im  Süden  der  Stadt  Magdeburg  (in  suburbio  civitatis  Magdebur- 
gensis)  gelegene,  dem  heiligen  Johannes  dem  Täufer  geweihte  Kloster  ein- 
gezogen. Weil  es  in  monte  prope  muros  Magdeburgenses  erbaut  war, 
wurde  es  später  Kloster  Berge  genannt.  Die  Zeiten  des  Mittelalters  und 
der  Reformation  werden  nur  in  allgemeinsten  Umrissen  skizziert.  Der 
letzte  katholische  Abt  des  Klosters  war  Petrus  Ulner;  er  trat  zur  luthe- 
rischen Konfession  über  und  hielt  1565  in  der  von  ihm  erbauten  Kloster- 
kirche die  erste  lutherische  Predigt  im  Kloster.  Schon  1563  wird  eine 
von   Uluer  im  Kloster  eingerichtete  Schule  erwähnt. 

Die  Geschichte  dieser  Schule  umfafst  die  drei  Perioden:  l.  1565 
bis  1686,  die  Blütezeit  von  1686— l762,gdie  dritte  Periode,  die  des  Ver- 
falls   bis  zur  Aufhebung  1810. 

Die  erste  Periode  ist  inauguriert  durch  den  erwähnten  Ulner,  der 
1523  zu  Gladbach  im  Herzogtum  Jülich  geboren  war.  Nach  seinem 
Übertritt  zum  Protestantismus  machte  er  Kandidaten  der  evangelischen 
Theologie  zu  Mitgliedern  seines  Konventes,  so  dafs  eine  Art  Prediger- 
seminar aus  seinem  Kloster  wurde,  aus  dem  viele  tüchtige  Geistliche 
hervorgingen.  Die  beneficia  des  Klosters  verwandte  er  zur  Errichtung 
einer  Schule,  in  der  »gelehrte,  sittsame  und  mit  guten  ingeuiis  begabte 
Studiosi«  aufgenommen  wurden.  Lehrer  an  dieser  Schule  waren  Martin 
Gallus  aus  Bunzlau,  Heinrich  Faulhauer,  Lambert  Dionysius,  Hieronymus 


232  Geschichte  des  Schulwesens. 

Bardenius  aus  Osterwieck,  Joachim  Schwerin  aus  Salzwedel,  Peter  Lepper 
aus  Gladbach  etc. 

In  diesem  Kloster  wurde  1577  die  Formula  concordiae,  das  soge- 
nannte bergische  Buch,  verfafst. 

Auf  Abt  Ulnar  folgte  Clemens  Strathusen  (1595  —  1621),  unter  dem 
Kaspar  Lilienzweig  und  Johann  Sommer  als  Lehrer  wirkten.  Unter  den 
Nachfolgern  machte  sich  der  1660  zum  Abt  erwählte  Sebastian  Göbel 
hoch  verdient  um  die  Wiederherstellung  der  verwüsteten  Klostergebäude, 
Er  wurde  auch  Mitglied  der  mit  der  Inspektion  der  Kirchen  und  Schulen 
des  Magdeburger  Landes  betrauten  Kommission.  Die  Scbule  zählte  da- 
mals nur  sechs  Knaben,  zu  deren  Unterricht  die  Konventualen  heran- 
gezogen wurden. 

Die  Zeit  von  1686  —  1762  ist  die  Blütezeit  der  Anstalt,  indem  sie 
durch  tüchtige  Äbte  und  Rektoren  zu  einer  der  vorzüglichsten  Bildungs- 
anstalten Deutschlands  erhoben  wurde.  Von  den  Lehrern,  die  das  Unter- 
richten zu  ihrem  Lebensberufe  machten,  werden  Benjamin  Hederich  und 
Werner  Jakob  Clausius  erwähnt.  Der  letzte,  welcher  1705  —  1709  als 
Lehrer  in  Kloster  Berge  wirkte,  schrieb  unter  anderem  auch:  De  artium 
cultura,  praesertim  de  matheseos  utilitate  (1706)  und  De  eruditione  et 
pietate  Job.  Pici  Mirandulaui  (1707). 

1709  wurde  Joachim  Justus  Breithaupt,  Professor  der  Theologie 
und  Direktor  des  theologischen  Seminars  zu  Halle,  Leiter,  der  Anstalt, 
um  hier  die  Grundsätze  des  vom  Hofe  protegierten  Pietismus  einzu- 
führen. Während  seiner  Amtsführung  sind  181  Zöglinge  aufgenommen 
worden.  Da  die  Akten  über  diese  Zeit  verloren  gegangen  sind,  so  wissen 
wir  nichts  unbedingt  Sicheres  über  die  in  dieser  Zeit  befolgte  Methode. 
Doch  nehmen  wir  gewifs  mit  Recht  an,  dafs  sie  sich  nicht  wesentlich 
von  der  unterschied,   die  Francke  und   die  anderen  Pietisten  befolgten. 

Unter  Breithaupts  Nachfolger,  Johann  Adam  Steinmetz,  nahm  die 
Anstalt  derart  zu,  dafs  jährlich  40-50  Schüler  aufgenommen  wurden. 
Die  Anstalt  hatte  meist  mehr  als  150  Schüler  zu  gleicher  Zeit,  und 
während  der  30jährigen  Amtsführung  des  Genannten  wurden  im  ganzen 
930  Schüler  recipiert.  »In  ganz  Deutschland  galt  die  klosterbergische 
Schule  für  eine  der  besten  Erziehungsanstalten,  und  wenn  sie  auch 
als  eine  Pflanzstätte  des  Pietismus  bekannt  war,  so  wurde  sie  doch  von 
allen  Seiten  begehrt,  weil  man  wufste,  dafs  kein  gewaltsamer  Bekehrungs- 
zwang ausgeübt  wurde.« 

Unter  den  Schülern  war  auch  Chr.  Martin  Wieland  von  1747  bis 
1749,  der  daselbst  nach  Goethes  Ausspruch  »in  allen  concentrierten  ju- 
gendlichen Zaiigf'fühleii  gewandelt,  zu  höherer  litterarischer  Bildung  den 
Grund  gelegt.» 

Abt  Steinmetz,  der  sich  mit  ganzer  Kraft  der  Anstalt  widmete, 
zeichnete  sich  durch  Umsicht  und  Klugheit  aus.  Kein  Freund  von  vielen 
Schulgesetzen,  verlangte  er  um  so  strengere  Beobachtung  der  wenigen, 


Holstein,  Geschichte  der  Schule  zu  Kloster  Berge.  233 

die  wir  aus  der  »Kurzen  Nachricht  von  der  gegenwärtigen  Verfassung 
der  klosterbergischen  Pädagogii«  vom  Jahre  1752  kennen  lernen.  Cha- 
rakteristisch ist,  dafs  §  1  von  den  Lehrern  verlangt,  sie  sollten  »mit 
allem  ersinnlicheu  Fleifs  dahin  arbeiten,  dafs  die  Schüler  zu  einer  wahren 
Hochachtung  der  göttlichen  geoffenbarten  Religion  gebracht,  Christo 
ihrem  Heiland  zugeführt  und  im  Glauben  an  denselben  gegründet  wer- 
den.« Die  Redeakte  wurden  mit  besonderer  Vorliebe  und  Sorgfalt  ge- 
pflegt. 

Die  Tages-  und  Stuudenordnung  war  genau  geregelt.  Die  Lehr- 
stunden des  genau  detaillierten  Lehrplanes  waren  folgende:  wöchentlich 
3  Stunden  Religion,  3  Stunden  Griechisch,  10  Stunden  Latein,  3  Stunden 
Hebräisch,  2  Stunden  Fraiizösich,  3  Stunden  Anleitung  zur  Philosophie, 
2  Stunden  Mathematik,  2  Stunden  deutsche  Oratorie,  4  Stunden  Ge- 
schichte und  Geographie,  2  Stunden  Antiquitäten.  »Die  Nichtgriechen 
wurden  im  Französischen  unterrichtet.«  Dieser  Lehrplan  stimmt  im 
wesentlichen  mit  dem  Halleschen.  Beachtenswert  ist,  dafs  das  Griechische 
am  N.  T.  erlernt  wird  Latein  war  das  Hauptziel  des  Unterrichts,  wie 
man  auch  aus  dem  von  R.  Hoche  voröffentlichteu  Schulhefte  Wielands 
ersehen  kann.  Ein  günstiges  Bild  von  den  Zuständen  der  damaligen 
Schule  gibt  die  Selbstbiographie  Köpkens,  der  es  dankbar  anerkennt, 
dafs  er  im  Kloster  Berge  den  Grund  zu  seiner  ganzen  Bildung  gelegt 
habe.  Nur  Geschichte  und  Geographie  scheinen  weniger  gut  gegeben 
worden  zu  sein:  »Mir  schwärmten  eine  Menge  von  Namen  und  Be- 
gebenheiten im  Kopfe,  aber  ich  konnte  sie  nicht  ordnen.« 

Ein  dritter  Abschnitt  behandelt  das  »Pädagogium  in  seinem  Nieder- 
gange unter  Hahn,  Frommann,  Resewitz  und  Schewe  bis  zu  seiner  Auf- 
hebung (1762-1810).«  Als  Steinmetz  starb,  zählte  die  Anstalt  trotz 
des  siebenjährigen  Krieges  noch  90  Zöglinge;  bald  waren  es  aber  nur 
noch  22.  Der  von  Hahn  aufgestellte  Lehrplan  war  nur  dann  durchführ- 
bar, wenn  die  Lehrfächer  in  pietistischem  Sinne  gegeben  wurden.  So 
wurde  die  griechische  Sprache  nur  am  N,  T.  gelehrt,  aber  zum  sprach- 
lichen Element  trat  das  erbauliche  hinzu.  Hahn  suchte  es  dahin  zu 
bringen,  dafs  alle  Gegenstände  im  Lichte  des  Evangeliums  gegeben  wur- 
den. »So  löblich  dies  Streben  an  und  für  sich  war,  so  trug  es  doch 
den  Keim  zu  dem  Verfall  der  blühenden  Anstalt  in  sich.«  Die  unter 
Hahn  von  Rektor  Jona  verfafsten  wissenschaftlichen  Beilagen  von  1763 
bis  1765  gehören  zu  den  besten  Programmen,  welche  bis  dahin  aus  dem 
Lehrerkollegium  hervorgingen.  Bezüglich  der  gesunkenen  Frequenz  der 
Anstalt,  die  sogar  Friedrichs  des  Grofsen  Aufmerksamkeit  erregte  (es 
waren  1768  nur  23  Schüler)  tröstete  sich  Hahn  mit  Sturm:  mea  refert 
non  quam  plurimos  sed  quam  optimos  habeam  discipulos.  Der  König 
Friedrich  war  mit  der  Entschuldigung  nicht  zufrieden  und  verlaugte  vom 
Minister  die  Beseitigung  des  pietistischen  Direktors.  ;Er  wünschte  an 
seine  Stelle  »einen  andern  gelehrten  Schulmann,  welcher  dem  Pietismo 


234  Geschichte  des  Schulwesens. 

nicht   ergeben,  sonst  aber  die  Jugend  zur  Tugend   und   nützlichen  Glie- 
dern des  Staats  ohne  Kopfhengerey  zu  bilden  fähig  ist.« 

Eine  Kommission,  zu  der  Spaldiug  und -Sulzer  gehörten,  nahm 
eine  Inspektion  vor,  bei  welcher  der  Rektor  Kinderling  eine  gute  Censur 
bekam.  Die  Kommission  arbeitete  auch  eine  Instruktion  für  den  Unter- 
richt aus,  wonach  für  das  Latein  alle  ausschliefslich  grammatischen 
Stunden  abgeschafft  wurden.  In  der  Geschichte  wurde  erwähnt,  dafs  alle 
»unnötigen  Specialia«  abzuschaffen  seien.  Der  Abt  Hahn  aber  wurde  ab- 
gesetzt und  verliefs  Januar  1771  die  Anstalt,  um  dann  später  eine  ge- 
segnete Thätigkeit  zu  Aurich  in  Ostfriesland  als  General-Superintendent, 
Konsistorialrat  und  Scholarch  bis  1789  auszuüben.  Der  interimistische 
Rektor  Kinderling  trat  schon  1771  aus,  hat  aber  durch  litterarische  Ar- 
beiten über  die  Geschichte  des  Klosters  sein  fortdauerndes  Interesse 
bestätigt. 

Die  Berufung  des  berühmten  Heyne  auf  die  erledigte  Stelle  schei- 
terte schliefslich  an  dessen  Abneigung,  »Präzeptor  über  Präzeptoren«  zu 
sein  trotz  der  2000  Thaler  Gehalt.  Direktor  wurde  der  von  Teller 
empfohlene  Erhard  Andreas  Fromniann,  welcher  bisher  Direktor  des 
Gymnasiums  in  Koburg  gewesen.  Als  er  eintrat,  fand  er  noch  22  Schüler 
vor.  Bald  waren  es  130,  diese  hohe  Zahl  war  aber  auf  künstliche  Weise 
zu  Stande  gebracht  worden.  Für  den  abgehenden  Kinderling  wurde  der 
frühere  Rektor  Jona  wieder  berufen,  der  zwar  eine  reiche  Erfahrung  be- 
safs,  aber  zu  nachsichtig  gewesen  sein  dürfte. 

Nachdem  Frommann,  der  ein  guter  Lateiner  war,  Oktober  1774 
gestorben,  blieb  die  Abtsstelle  bis  1775  unbesetzt.  Über  die  damaligen 
Zustände  haben  wir  einen  Bericht  des  Dichters  Friedrich  von  Matthison, 
der  nicht  besonders  günstig  lautet.  Die  jungen  Herren  (als  solche 
spielten  sich  fast  alle  Schüler  auf)  wollten  sich,  wie  sie  sich  ausdrückten, 
»von  keinem  Präzeptor  etwas  bieten  lassen.«  Um  die  Abtsstelle  hatte 
sich  übrigens  Basedow  beworben,  konnte  sie  aber  wegen  seiner  Lebens- 
art nicht  erhalten.  Statt  seiner  wurde  Rcsewitz,  Pastor  der  deutschen 
St.  Peterskirche  in  Kopenhagen,  Verfasser  des  Buches  »Von  der  Er- 
ziehung des  Bürgers«!,  berufen,  nachdem  ihn  Nikolai  dem  Minister  Zed- 
litz  empfohlen  hatte.  1729  zu  Berlin  geboren  und  auf  dem  Joachiras- 
thalschen  Gymnasium  gebildet,  ist  er  einer  der  pädagogischen  Haupt- 
reformer im  Geiste  der  Aufklärung.  1775  führte  er  die  von  ihm  neu 
bearbeiteten  Schulgesetze  ein,  die  ein  charakteristisches  Zeugnis  seiner 
doktrinären  Art  sind.  Unter  den  Unterrichtsgegenständen  erscheint  auch 
Englisch  und,  was  ein  Kavalier  verstehen  mufste.  Tanzen  und  Reiten. 
Unter  den  Lehrern  ist  der  Dichter  Friedrich  Schmit  aus  Nürnberg  be- 
sonders zu  nennen,  der  aber  ebenso  wie  der  philologisch  tüchtige 
Perschke,  einer  der  besten  Schüler  Heynes,  mit  dem  herrischen  Resewitz 
nicht  auskam  und  deshalb  bald  die  Anstalt  verliefs.  Die  Sitten  der 
Zöglinge  verbesserten   sich  in   auffallender  Weise,  aber   Matthison,  der 


Holstein,  Geschichte  der  Schule  zu  Kloster  Berge.  235 

damals  Schüler  war,  sucht  den  Gruud  nicht  in  der  veränderten  Leitung, 
sondern  in  der  Lektüre  der  drei  Romane  »Werther«,  »Siegwart«  und 
»Sophiens  Reise«.  Trotzdem  rief  das  burschikose  Leben  mancher  Schüler 
allerlei  Strafverbote  hervor. 

Unter  Resewitz  wurde  Joh.  Gottfried  Gurlitt  1778  als  Oberlehrer 
berufen,  der  1797  zum  Direktor  aufstieg.  Die  tüchtigen  philologischen 
Kenntnisse  dieses  Mannes  sowie  seine  sonstige  ausgebreitete  Gelehr- 
samkeit übten  einen  günstigen  Einflufs,  der  nur  durch  die  Streitigkeiten 
mit  dem  Abte  gelähmt  wurde.  Die  Reformbestrebungen  des  Ministers 
von  Zedlitz  fanden  auch  im  Kloster  Berge  Eingang.  Ein  Kabiuets- 
schreiben  vom  15.  März  1780  verlangte,  dafs  das  Griechische  für  alle 
Schüler  obligatorisch  sein  solle:  »ohne  Ausnahme  müfsten  alle,  die  zum 
akademischen  Studium  bestimmt  seien,  Griechisch  lernen,  Ausländer  und 
Landeskinder.  Auch  könne  man  den  übrigen,  die  das  eigentliche  Studium 
nicht  zum  Hauptzweck  hätten,  zu  dieser  Sprache  Lust  macheu  teils  durch 
die  leichte  Methode  des  Unterrichts  teils  durch  die  wahrheitgemäfse  An- 
preisung etc.« 

Aber  mit  der  Schülerzahl  sah  es  bedenklich  aus.  Ein  Aufsatz  von 
von  Friedrich  Schulz  in  Wielands  »Deutschem  Merkur«  beging  die  In- 
diskretion, der  Welt  mitzuteilen ,  dafs  die  Anstalt  fast  so  viele  Lehrer 
wie  Schüler  habe.  Resewiiz  war  manchen  Angriffen  ausgesetzt.  Eine 
wenig  günstige  Beurteilung  fand  die  Schule  und  ihr  Leiter  auch  in 
einem  Gutachten  Cramers  aus  dem  Jahre  1778  ,  wo  die  Anstalt  noch 
59  Schüler  zählte,  das  aber  erst  neuerdings  bekannt  wurde.  Zu  den 
litterarischeu  Mitarbeitern  von  Resewitz,  die  für  seine  pädagogische 
Vierteljahrsschrift  Beiträge  lieferten,  gehören  Prediger  Villaume  in  Hal- 
berstadt, H.  M.  F.  Ebeling  und  Joh.  L.  Taue. 

Unter  dem  neuen  Minister  Wöllner  wurde  der  Abt  Resewitz  zu- 
nächst in  Folge  einer  Untersuchung  zur  Zahlung  einer  Geldsumme  ver- 
urteilt und  zwar  wegen  übler  Wirtschaft.  Zugleich  eröffnete  der  Konvent 
des  Klosters  unter  der  Leitung  des  gelehrten  Gurlitt  eine  Agitation  gegen 
den  Abt  Resewitz.  In  Berlin  dachte  man  au  eine  gänzliche  Aufliebuug 
des  Pädagogiums.  Eine  Visitation  des  Jahres  1794,  welche  sich  auch 
auf  das  Privatleben  von  Resewitz  erstreckte,  dem  man  das  Kartenspielen 
zum  Vorwurfe  machte,  legte  die  im  ganzen  unerfreulichen  Zustände  des 
Klosters  offen  dar. und  hielt  eine  »schleunige  und  reelle  Verbesserung« 
für  notwendig. 

1795  wurde  durch  das  General-Reglement  für  das  Kloster  Berge 
ein  Curatorium  eingesetzt  und  diesem  wichtige  Befugnisse  eingeräumt. 
Eine  neue  Opposition  des  Konvents  wurde  durch  »eine  fulminante  Ver- 
fügung« Wöllners,  die  alle  Urbanität  des  Tones,  in  dem  sonst  deutsche 
Behörden  verfügen,  gänzlich  vermissen  läl'st,  niedergeschlagen.  Abt  Re- 
sewitz, der  in  seinen  Einkünften   und  der  Stelle  belassen  wurde,   verlor 


236  Geschichte  des  Schulwesens. 

jedoch  die  Leitung  der  Schule,  die   au   den  Prediger  Schewe  übergiug. 
Gurlitt  aber  wurde  zweiter  Direktor  und  Professor. 

1798  wurde  Wöllner  entlassen.  Doch  der  Frieden  kehrte  noch 
nicht  wieder  in  Kloster  Berge,  indem  der  Lehrerkonvent  von  neuem  seine 
Rechte  geltend  machte.  1799  wurde  durch  ein  Regierungsreskript  die 
Rechtmäfsigkeit  von  gewissen  Forderungen  desselben  anerkannt,  aber  die 
1809  erfolgte  Aufhebung  der  Schule  liefs  dieses  Zugeständnis,  das  für 
die  Zukunft  gegeben  worden,  illusorisch  werden. 

Als  nach   Resewitzens  Beseitigung  Schewe   an  dessen   Stelle  trat, 
gab   es   bald  neuen  Streit  zwischen  diesem  und  Gurlitt,    da  die  Rechte 
beider  nicht  genau  abgegrenzt  waren.     Doch  besserte  sich  dieses  Ver- 
hältnis in  den  nächsten  Jahren,  und  auch  die  Frequenz  der  Anstalt  stieg 
in  erfreulicher  Weise.     Dies  war  hauptsächlich  das  Verdienst   Gurlitts, 
dessen  Kenntnisse  und  Gewissenhaftigkeit   durch    die  neue  Organisation 
sich  besser  bethätigen  konnten.    Besonders  die  Prima  gewann  ein  »vor- 
akademisches   Gepräge.«      Die    kunstgeschichtlichen   Abhandlungen    aus 
Gurlitts  Feder  fanden  besonderen  Beifall,  wie  z.  B.  die  Notiz  über  Job 
Winckelmann   1797,    über  antike  Köpfe,   Hermen  und  Büsten  1799  etc. 
Michaelis  1802  folgte   derselbe  einem  Rufe   als  Direktor  an   das  Johan 
ueum  in  Hamburg.     Die  preufsische  Regierung  machte  keine  Versuche 
den  tüchtigen  Mann   zu   halten,    trotzdem   dafs  sich   Gleim  für  ihn  ver 
wandt  hatte.     Derselbe  schied  übrigens   ohne    feindselige  Stimmung  von 
der  Anstalt. 

Sein  Nachfolger  wurde  Professor  Job.  Gottl.  Friedr.  Strafs  aus 
Grüneberg  in  der  Neumark,  der  seit  1791  Gouverneur  des  Kadettenkorps 
in  Berlin  war.  Schewe  stellte  demselben  ein  sehr  günstiges  Zeugnis 
aus:  »er  weifs  Ernst  und  Liebe  glücklich  mit  einander  zu  verbinden.« 
1805  erschienen  neue  »Gesetze  des  Pädagogiums  zu  Kloster  Berge  bei 
Magdeburg.« 

Verhängnisvoll  für  Berge  sollte  die  Katastrophe  Preufsens  von  1806 
werden.  Im  Oktober  wurde  der  Klosterhof  verschanzt.  »Die  herrliche, 
mehr  als  500  Schritt  lange,  der  »Poetengang«  genannte  Allee  von  zwei- 
bis  dreihuudertjährigeu  Eichen  und  Ulmen  fiel  unter  den  Äxten  der  be- 
lagerten Besatzung.«  Die  Anstalt  schien  trotz  der  durch  den  Krieg 
veränderten  Verhältnisse  einen  neuen  Aufschwung  nehmen  zu  wollen,  da 
wurde  durch  Dekret  der  westfälischen  Regierung  vom  10.  Dezember  1809 
die  Anstalt  aufgehoben. 

Nach  den  Freiheitskriegen  wurde  die  Schule  nicht  wieder  aufge- 
richtet, sondern  ihr  Vermögen  für  die  Universität  Halle  und  andere 
Schulzwecke  bestimmt. 

Der  Verfasser  schliefst  seine  lehrreiche  Darstellung  mit  folgenden 
Worten:  »So  erinnert  die  klosterbergische  Stiftung,  wenn  auch  kein 
monumentales  Zeichen  mehr  auf  das  reiche  Benediktinerkloster  mit  seiner 
berühmten  Schulanstalt  hinweist,  noch  fort  und  fort  an  eine  denkwürdige, 


Holstein,  Geschichte  der  Schule  zu  Kloster  Berge,  237 

an  historischen  Momenten  reiche  Vergangenheit  und  wirkt  noch  heute 
segensreich  für  hervorragende  Bildungsstätten  der  Provinz  Sachsen,  indem 
sie  der  Universität  Halle  alljährlich  bedeutende  Unterhaltungszuschüsse 
zuweist  und  fünf  Gymnasien  mit  ansehnlichen  Stipendien  für  solche 
Schüler  der  drei  oberen  Klassen  versieht,  welche  zum  Studieren  cut- 
schlossen  sind  und  durch  Anlagen,  Fleifs  und  Betragen  sich  ihren  Leh- 
rern empfehlen.« 

Oberlehrer  Dr.  Hugo  Kühlewein,  Mitteilungen  zur  ältesten  Ge- 
schichte der  Klosterschule  (Beilage  zum  Jahresbericht  über  die  Königl. 
Klosterschule  zu  Ilefeld  1885  —  1886.  Nordhausen.  1886.  4.  36  S.). 

Ilfeld  hat  wegen  seines  berühmten  Rektors  Neander  von  jeher 
die  Geschichtschreiber  der  Pädagogik  sehr  beschäftigt.  Der  Verfasser 
gibt  in  diesen  »Mitteilungen o  eine  Reihe  wertvoller,  meist  unbekannter 
Aktenstücke,  die  aus  den  Archiven  zu  Stolberg,  Wernigerode,  Ilfeld, 
Rudolstadt  und  besonders  Weimar  geschöpft  sind.  Wenn  aber  S.  2  uud  3 
der  Förstemannsche  Druck  einer  päpstlichen  Bulle  von  1408  nach  dem 
benützten  Weimarer  Kopialbuche  emeudiert  werden  soll,  so  ist  das  Um- 
gekehrte das  Richtige.  Förstemann  hat  an  fast  allen  abweichenden 
Stellen  das  Richtigere.  So  sind  gewifs  die  Genitivformen  beate  Marie, 
dicte  etc.  das  Urkundliche,  dagegen  die  Formen  mit  ae  von  dem  Ab- 
schreiber modernisiert.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Namen:  Swarz- 
parg,  Obelacker,  Steyn,  Radulpho  etc.  Sie  sind  die  urkundlich  richtigen 
und  Schwartzburg,  Abelacker,  Stein  und  Rudolphe  die  modernisierten. 

Die  mitgeteilten  wichtigeren  Aktenstücke  sind:  I.  Conventliste  vom 
Jahre  1482  und  die  vita  des  Prämonstratensers  Augustinus  Gruber. 
n.  Indicatio  eorum,  qui  discipuli  fuerunt  Neandri  Ilfeldae  ab  anno  50, 
30.  Juni  quo  die  venit  Ilfeldam.  Das  Verzeichnis  reicht  bis  1629,  wo 
die  Schule  zerstreut  wurde.  HI.  Leges  scholae  Ilfeldensis.  Anno  1580. 
4.  Julii.  —  Möge  der  Verfasser  seine  so  erfolgreichen  Nachforschungen 
auch  weiter  fortsetzen. 

R.  Boxberger,  Briefe  von  Karl  David  Ilgen  an  C.  A.  Böttiger 
(Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik.  Jahrg.  1884.  S.  463  ff- 
569  ff.   —    1885.  S.  317  ff.   —   1886  S.  476  ff.  632  ff.). 

Wertvolle  Mitteilungen  unter  anderem  über  die  Geschichte  von 
Pforta,  von  denen  die  letzten  aus  den  Jahren  1803  —  1805  stammen. 
Auch  Briefe  der  Frau  Ilgen  sind  dabei.  Ilgen  sieht  in  den  Fürsten- 
schulen das  Palladium  der  Humaniora  und  verlangt  darnach  die  Be- 
setzung der  Lehrerstelleu.  Er  betont  ferner,  dafs  die  eigentümlichen 
Verhältnisse  der  Anstalt  es  verlangen,  dafs  der  Lehrer  hauptsächlich 
Pädagog  sei.  Ganz  unschuldige  Dinge,  die  auch  Ilgen  dafür  hält,  geben 
in  Pforta  Anstofs  und  müssen  deshalb  vom  Lehrer  unterlassen  werden, 
wie  z.  B.  das  Schlittschuhlaufen,  eine  Dame  auf  dem  Stuhlschlitten  zu 


238  Geschichte  des  Schulwesens. 

fahren,  ihr  bei  Spaziergängen  den  Strickbeutel  tragen,  beim  Schlitten- 
fahren hinter  ihr  auf  der  Pritsche  sitzen  und  dergleichen.  In  demselben 
Briefe  (S.  636)  sagt  er  ferner:  »Mir  ist  schon  das  unangenehm,  wenn 
die  Lehrer  im  Winter  keinen  Schritt  aus  der  Stube  thun,  ohne  die  Che- 
nille  anzuziehen;  mit  der  Chenille  in  die  Lektionen,  zur  Visitation,  zu 
Tische  gehen;  den  Schülern  ist  es  verboten,  und  ich  habe  zu  diesem  Ver- 
bote meine  guten  Gründe;  aber  was  hat  es  für  eine  Wirkung,  wenn  sie 
die  Lehrer  beständig  in  der  Chenille  sehen?« 

Schacht,  Die  Lemgoer  Schulgesetze  vom  'Jahre  1597  (Beilage 
zum  Jahresbericht  des  Gymnasiums  zu  Lemgo  1885/86).  4*'.  9  S. 

Der  Herausgeber  hat  im  städtischen  Archive  zu  Lemgo  eine  bisher 
unbekannte  Sammlung  von  Schulgesetzen  entdeckt,  »welche  den  Verlust 
der  so  oft  genannten  Leges  vom  Jahre  1631  völlig  verschmerzen  läfst,« 
und  die  in  Lemgo  1597  gedruckt  worden  sind.  Der  Redaktor  ist  der 
damalige  Rektor  der  Lemgoer  Schule,  Martin  Hopingk,  der  vorher  in 
Soest  gewirkt  hatte.  Die  »Leges  Scholae  Lemgoviensis,  authoritate,  et 
decreto  Senatus  promulgatae,  et  nunc  recognitae«  sind  eingeleitet  durch 
eine  an  die  Schüler  gerichtete  Praefatio  und  bestehen  aus:  L  Tabula  de 
cultu  Deo  praestando.  —  IL  Tabula  de  Studiis.  —  III.  Tabula  de  Ac- 
tiouibus  moralibus.  —  Sanctiones.  Bezüglich  des  Inhaltes  sagt  der 
Herausgeber:  »Die  Zeit  war  eine  rauhe  und  rauh  waren  auch  die  Mittel, 
deren  Anwendung  man  für  die  Heilung  der  Schäden  derselben  für  not- 
wendig erachtete.  So  darf  es  uns  nicht  wundern,  wenn  wir  statt  einer 
Disziplinarordnung  einen  Strafcodex  vor  uns  sehen,  der  aber  charakte- 
ristisch ist  für  den  moralischen  Standpunkt  der  Zeitperiode,  welcher  er 
entstammt«  (S.  5). 

A.  Pannenborg,  Zur  Geschichte  des  Göttinger  Gymnasiums.  Bei- 
lage zum  Jubelprogramm  des  Königl.  Gymnasiums  und  Realgymnasiums 
zu  Göttingen  1886.   Göttingen.   1886.  Programm  Nr.  282.   4».   59  S. 

Der  Stoff  dieser  inhaltreichen  Arbeit  ist  aus  gedruckten  und  unge- 
druckten Quellen  geschöpft.  Seit  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts 
hatte  Göttingen  eine  lateinische  Stadtschule,  deren  Rektor  von  dem  Rate 
angestellt  wurde.  Die  Reformation  brachte  sodann  neue  Förderung. 
Über  den  Charakter  der  reformierten  Lateinschule  gibt  eine  bisher  unbe- 
nutzte Schulordnung  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  Auskunft,  deren 
Inhalt  S.  2—4  mitgeteilt  wird.  —  1542  wird  sodann  ein  Pädagogium 
errichtet  und  an  dasselbe  drei  Erfurter  und  ein  Witteuberger  Magister 
als  Lehrer  berufen.  Dieselben  zogen  aber  1544  wieder  ab,  als  der  be- 
kannte lutherische  Streittheologe  Morlinus  nach  Göttingen  berufen  wurde. 
Auch  später  noch  hatten  die  Lehrer  unter  den  Anfeindungen  der  Geist- 
lichkeit zu  leiden.  Neues  Leben  erhielt  die  Anstalt  durch  die  Berufung 
von  Henricus  Petreus  aus  Hardegsen,  der  früher  in  Frankfurt  a.  M.  ge- 


Pannenborg,  Zur  Geschichte  des  Göttinger  Gymnasiums.  239 

wesen,  im  Jahre  1584.  Aus  seiner  ^^xtaypuipca  (Frankfurt  1586)  werden 
S.  6  ff.  wichtige  Mitteilungen  gemacht.  Ein  Index  praelectionura  et  exer- 
citationum  von   1586  wird  S.  10     12  mitgeteilt. 

1612  wurde  der  bekannte  Georg  Andreas  Fabricius  aus  Herzberg 
berufen,  der  von  1612-1626  und  von  1633—1645  an  der  Anstalt  wirkte. 
Seine  grofsen  Verdienste,  zu  denen  auch  die  Auiführung  von  Schuldramen 
gehören,  werden  eingehend  gewürdigt.  Sehr  drollig  ist  die  Erzählung 
von  dem  Poltergeist,  der  sich  schliefslich  als  die  Dienstmagd  Martha 
entpuppte  (S.  27).  Einen  weiter  entwickelten  Zustand  der  Schule  zeigt 
sodann  der  Catalogus  Lectionum  von  1647  (S.  30).  Der  letzte  Rektor 
des  Pädagogiums  war  Christoph  Heuraann  (1717  —  1734).  1734  wurde 
sodann  die  neue  Stadtschule  errichtet,  die  bis  1798  gedauert  hat.  Deren 
Mängeln  suchte  1797  der  bekannte  Philologe  Heyne  durch  eine  neue 
Verfassung  abzuhelfen,  von  welcher  Pannenborg  sagt:  »Sie  war  ein 
genialer  Versuch,  den  verschiedenen  Anforderungen  des  bürgerlichen 
Lebens  und  der  Wissenschaft  zugleich  gerecht  zu  werden.« 

Professor  Dr.  Heinrich  Milz,  Geschichte  des  Königl.  katho- 
lischen Gymnasiums  an  Marzellen  zu  Köln.  Erster  Teil  die  Zeit  von 
1450—1630.  (Beilage  zum  Programm  dieser  Anstalt.  Köln  a.  Rh.  1886. 
4.  Programm  Nr.  394.  21  S.) 

Der  Verfasser  benutzte  neben  gedruckten  Quellen  auch  ein  Ma- 
nuskript: Historia  gymnasii  novi  trium  coronarum  soc.  Jesu  Coloniae 
per  annos  Christi  digesta  ab  anno  1555  (S.  4),  ohne  aber  anzugeben, 
wo  sich  dasselbe  zur  Zeit  befindet.  Die  Geschichte  der  Anstalt  knüpft 
an  die  bursa  Cucana  au ,  so  genannt  nach  dem  Stifter  Johann  Kuick 
(c  1450),  die  z.  B.  in  den  epistolae  obscurorum  virorum  eine  Rolle  spielt. 
Dieselbe  teilte  das  Schicksal  der  Hochschule  Köln,  die  in  der  Refor- 
mationszeit in  Übeln  Verfall  geriet.  Der  Rektor  Jakob  Leichius  aus 
Kochem  a.  d.  Mosel,  Vorstand  der  Cucanenburse,  verband  seit  1551  mit 
der  Burse  eine  Lateinschule  mit  acht  Präceptoren,  mufste  aber  1556 
weichen,  weil  er  zum  Luthertum  neigte  und  geheiratet  hatte.  Dadurch 
erlangten  die  Jesuiten,  die  schon  seit  1543  in  Köln  arbeiteten,  eine  will- 
kommene Gelegenheit,  Jugendunterricht  in  der  Stadt  zu  erteilen.  Der 
Stadtrat  und  ein  Teil  der  Bevölkerung  (1552  gab  es  sogar  einen  Volks- 
auflauf gegen  die  Jesuiten)  war  aber  dem  »energievollen  Orden«  abge- 
neigt. Die  Universität  wurde  erst  nachgiebiger,  als  der  Jesuit  Johann 
von  Reidt  beruhigende  Versicherungen  gegeben  hatte.  Den  1.  Februar 
1557  hielt  der  Orden  seineu  Einzug  in  Köln  und  weihte  sein  Haus  der 
Maria.  »Die  Verpfändung  seines  Ehrenwortes  hinderte  Johann  Rhetius 
keineswegs,  bald  nach  dem  Einzug  ein  vollständiges  Jesuiten-Kollegium 
einzurichten.«  (S.  10).  Die  Anstalt,  unter  deren  Lehrern  auch  Theo- 
dorus  Canisius  Neomagensis,  ein  Stiefbruder  des  Canisius,  war,  blühte 
schnell  empor.    Es  entstanden  dadurch  Streitigkeiten  mit  der  Universität, 


240  Gedichte  des  Schulwesens. 

deren  Artistenfakultät  verödete.  Trotz  der  Abneigung  vonseiten  der 
Universität  und  des  Domkapitels  dehnten  sie  ihre  Macht  immer  weiter 
aus.  Der  Unterricht  wurde  nach  Normen,  die  Rhetius  aufgestellt  hatte, 
erteilt.  Zu  ihren  pädagogischen  Verdiensten  gehört  unter  anderen  auch 
die  Beseitigung  der  quodlibetauischen  Disputation  mit  ihren  Auswüchsen. 
Seit  1570  beherrschten  sie  das  ganze  Unterrichtswesen  der  Stadt,  und 
das  Unglück  des  KolJegiumbrandes  1621  erweckte  nur  die  Teilnahme 
und  Opferfreudigkeit  der  Kölnischen  Bevölkerung  für  den  Orden. 

Die  Eutwickelung  des  höheren  Schulwesens  der  Stadt 
Mülheim  (Ruhr)  in  den  Jahren  1835  —  1885.  Aus  den  Akten 
dargestellt  von  Dr.  C.  Zietzschmann.  Beilage  zum  33.  Jahresbericht 
des  Realgymnasiums  zu  Mülheim  (Ruhr).  Mülheim  (Ruhr).  1886.  4. 
Programm  Nr.  443.  39  S. 

Der  Verfasser  stellt  seinen  Stoff  nach  der  Rektorenreihe  geordnet 
zusammen:  Kerlen,  Gallenkamp,  Kern,  Kruse,  Gruhl,  Henke,  Zietzsch- 
mann. Anhang  5  gibt  die  Namen  aller  Lehrer,  welche  an  der  Anstalt 
jemals  thätig  gewesen  sind,  in  chronologischer  Folge. 

Otto  Meltzer,  Die  Kreuzschule  zu  Dresden  bis  zur  Einführung 
der  Reformation  (1539).  Heft  7  der  Mitteilungen  des  Vereins  für  Ge- 
schichte und  Topographie  Dresdens  und  seiner  Umgebung.  Dresden. 
Kommission  bei  Carl  Tittmann.    1886. 

Der  Verfasser  dieser  kleinen  Schrift  hat  sich  schon  durch  zwei 
frühere  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kreuzschule  bekannt  gemacht  (Eine 
Ordnung  für  das  Alumnat  der  Kreuzschule  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts.  —  Über  dramatische  Aufführungen  an  der  Kreuzschule. 
Dresden  1883).  Wenn  seine  Darstellung  die  älteren  von  M.  Christian 
Schöttgen,  J.  Chr.  Hasche  und  H.  M.  Neubert  übertrifft,  so  beruht  dies 
auf  der  Benutzung  eines  reicheren  urkundlichen  Materials  in  Bd.  5  des 
Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae  und  zweier  Archive  in  Dresden. 
Der  erste  Abschnitt  handelt  von  der  »Entstehung  und  Art  der  Schule«. 
Der  Anfang  kann  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  werden.  1300  kommt 
urkundlich  ein  Cunradus  rector  puerorum  in  Dresden  und  1334  ein  Her- 
mannus  rector  parvulorum  in  Dresden  vor.  Ihren  Namen  hat  die  Schule 
von  dem  Verhältnis  zur  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz  erhalten.  Von  1370 
an  fliefst  dann  in  den  Rechnungen  des  sogenannten  »Brückenamtes«  eine 
ergiebigere  Quelle  zur  Geschichte  der  Schule.  —  Abschnitt  2  handelt  von 
dem  Schulgebäude.«  1491  durch  den  grofsen  Brand  Dresdens  in  Asche 
gelegt,  begann  erst  Frühjahr  1493  der  Neubau.  —  Abschnitt  3:  »Lehre 
und  Kirchendienst,  sowie  die  aus  ihnen  fliefsenden  Einkünfte  der  Lehrer 
und  Schüler«  konstatiert  zunächst  als  gebrauchte  Schulbücher:  Donat, 
Regulae  pueriles  Remigii,  Doctrinale  Alexandri,  Disticha  Catonis.   Schon 


0.  Meltzer,  die  Kreuzschulc  zu  Dresden.  241 

humanistische  Einwirkungen  beweist  Lektüre  paulinischer  Briefe,  des 
Valerius  Maximus  und  Betreibung  des  Griechischen.  Die  Besoldung  der 
Lehrer  bestand  aus  dem  Schulgeld  und  besonders  kirchlichen  Acci- 
denzien.  Bei  der  Einführung  der  Reformation  bekam  der  Rektor  120  fl., 
der  Supremus,  später  Konrektor  60  fl.  und  der  Kantor  wie  Infimus  je 
50  fl.  —  Der  4.  Abschnitt  stellt  die  Lehrer  zusammen:  Cunradus  1300, 
Hermannus  1334,  Franz  von  Dippoldiswalde  (spätestens  1407),  Peter  von 
Dresden  c.  1412,  1421  als  Ketzer  verbrannt,  Magister  Friedrich,  Gelfryt 
Weifse  1430,  Paul  Koppel  1440,  Nikolaus  Becherer  1447,  Nikolaus  Ple- 
tener  oder  Platener  1448  bis  vielleicht  1456,  vielleicht  M.  Johann  Geda 
c.  1459,  M.  Lorenz  Meifsner,  M.  Anton  Hondorff  1479,  M.  Ludwig  Götz 
oder  Götze  Werdensis  oder  de  Werdis  1485  bis  mindestens  1489 ,  über 
dessen  Bibliothek  wertvolle  Mitteilungen  gemacht  werden,  Nikolaus 
Ihener  1500,  Kilian  Kotzschberger  c.  1510,  M.  Job.  (Knesmaert)  1511. 
Um  diese  Zeit  kam  auch  der  bekannte  Thomas  Platter  an  die  Dres- 
dener Schule,  die  er  als  »nit  vast  ein  gutte  schul«  bezeichnet.  Von  1516 
bis  1522  war  M.  Georg  Döring  Lehrer,  sodann  M.  Dietrich  Lindemanu 
und  M.  Johann  Scheffel.  —  Ein  fünfter  Abschnitt  berichtet  über  Schüler- 
bestand und  Schulzucht.  Der  erste  bleibt  aus  Mangel  an  zuverlässigen 
Quellen  gänzlich  ungewifs.  Die  Schulzucht  verhinderte  gelegentliche 
Extravaganzen,  wie  sehr  ernste  Prügeleien,  einen  Kampf  mit  den  Schuei- 
dergesellen,  nicht.  Vor  der  Stadt  hatte  die  Schule  einen  Spielplatz 
(»Schimpfhaus«).  Anhang  I  beschäftigt  sich  mit  den  Schicksalen  des 
Schulmeisters  Peters  von  Dresden,  der  in  die  hussitische  Bewegung  mit 
verflochten  ist.  Weitere  Litteratur  dazu  fludet  Meltzer  bei  A.  Thor- 
becke,  Geschichte  der  Universität  Heidelberg  (Heidelberg  1886)  L  An- 
merkung S.  30.  Nr.  118.  Anhang  II  verzeichnet  die  noch  erhaltenen 
Bücher  aus  der  Bibliothek  des  oben  erwähnten  Götz.  —  Hoffentlich  be- 
schenkt uns  der  Verfasser  bald  mit  einer  ebenso  sorgfältigen  Fortsetzung 
seiner  Arbeit. 

Auch  Süddeutschland  hat  einige  tüchtige  Arbeiten  über  Schul- 
geschichte aufzuweisen : 

Carl  Engel,  Das  Schulwesen  in  Strafsburg  vor  der  Gründung 
des  protestantischen  Gymnasiums  1538.  Strafsburg.  J.  H.  Ed.  Heitz 
(Heitz  und  Mündel)  1886.  76  S.  (Beilage  zum  Programm  des  Pro- 
testantischen Gymnasiums  zu  Strafsburg). 

Der  Verfasser,  welcher  für  seine  gründliche  Arbeit  neben  der  aus- 
gedehnten gedruckten  Litteratur  besonders  das  Archiv  von  St.  Thomae 
und  das  Stadtarchiv  zu  Strafsburg  benutzte,  geht  bis  auf  die  ältesten  Zeiten 
zurück.  In  dem  ersten  Abschnitt  vom  6.-13-  Jahrhundert  (Stifter  und 
Stiftsschulen)  stellt  er  die  dürftigen  Notizen  für  diese  Zeit  zusammen,  er- 
wähnt die  Anfänge  der  später  reichen  Strafsburger  Stiftskirchen :  Münster, 
Thomaskirche ,  Alt-  und  Jung   St.  Peter.     Von   den   alten   Strafsburger 

Jahresbericht  für  Alterthumswisseoschafr  LH.  (1887.  UM  16 


242  Geschichte  des  Schulwesens. 

Bischöfen  machten  sich  um  den  Unterricht  Heddo,  Adeloch,  Uto  III., 
Erkanbold,  Werinhar  oder  Wernher  und  Wilhelm  verdient.  Von  824—826 
leitete  der  bekannte  Dichter  Ermoldus  Nigellus,  Abt  von  Aniane  in  Lan- 
guedoc,  welchen  Ludwig  d.  Fr.  nach  Strafsburg  verbannt  hatte,  daselbst 
den  Unterricht.  —  Die  zweite  Periode  vom  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
bis  1440  behandelt:  »Die  Stiftsschulen,  Bettelorden,  Universitäten  und 
Lehrhäuser«.  Von  den  Bettelorden  wurden  zuerst  die  Predigermönche 
oder  Dominikaner  durch  den  Bischof  Heinrich  von  Veringen  1224  nach 
Strafsburg  berufen.  In  ihrem  Kloster  lehrte  eine  Zeit  lang  Albertus 
Magnus,  der  doctor  universalis;  sodann  lebten  daselbst  die  berühmten 
Mystiker  Meister  Eckart  und  Tauler.  Aber  auch  das  Franziskaner- 
kloster (seit  1230  in  Strafsburg)  hatte  daselbst  eine  »Universität,  da 
neben  dem  Studium  der  sieben  Künste  auch  in  der  heil.  Schrift  gelesen 
und  öffentlich  disputiert  wurde«.  Ferner  werden  Klosterschulen  erwähnt 
bei  den  Wilhelmitern ,  Augustinern,  Johannitern  und  Karthäusern.  In 
diesen  Schulen  dürften  als  Lehrbücher  gebraucht  worden  sein:  Doctri- 
nale  des  Alexander  de  Villa  dei,  Gemma  gemmarum,  Graecismus,  Flo- 
rista,  Cisio-Janus,  Disticha  Catonis,  Aesop.  —  In  den  Stiftsschulen,  deren 
es  seit  1398  vier  gab,  wurde  aus  den  Schülern  auch  der  Kirchenchor 
(die  chorales)  gebildet.  Der  Unterricht  war  aus  Mangel  an  Büchern 
sehr  mühsam.  Denn  Bücher  waren  teuer  und  selten,  wenn  auch  jedes  Stift 
und  Kloster  eine  Bibliothek  besafs.  Freilich  waren  diese  nicht  grofs: 
das  St.  Thomaskapitel  z.  B.  hatte  50  Bände. 

Am  Schlüsse  der  Periode  erscheinen  sodann  die  ersten  Privat- 
schulen, von  denen  die  für  den  Elementarunterricht  Lehrhäuser,  geleitet 
von  Lehrmeistern  und  Lehrfrauen,  heifsen,  während  die  Lateinschulen  mit 
dem  Namen  Schulen  und  ihre  Lehrer  als  Schulmeister  bezeichnet  werden. 
Die  dritte  Periode  (von  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  bis  zur  Re- 
formation 1440-  1517)  behandelt  folgende  Gegenstände:  »der  Humanismus. 
Geiler  und  Wimpfeling;  ihre  Bemühungen  um  das  Schulwesen  in  Strafsburg. 
Verbesserung  des  Unterrichtes  in  den  Stiftsschulen.  Fortschritte  der  allge- 
meinen Bildung«.  Später  als  in  manchen  Nachbarstädten,  wie  Freiburg, 
Basel  und  Schlettstadt  kam  in  Strafsburg  der  Humanismus  in  Blüte.  Wäh- 
rend an  den  Schulen  der  drei  Städte  der  neue  Geist  schon  gesiegt  hatte, 
galt  von  Strafsburg  noch  der  Spottvers:  Doctis  atque  bonis  esse  no- 
verca  solet.  Bessere  Zeiten  beginnen,  seit  mit  dem  Jahre  1478  Geiler 
von  Kaisersberg  durch  Peter  Schotts  Bemühungen  Prediger  am  Münster 
geworden.  Nicht  als  ob  alle  Bestrebungen  des  beredten  und  hochgebil- 
deten Mannes  geglückt  wären  (vgl.  z.  B.  S.  24).  Besonders  suchte  er 
die  zügellosen  Schülerfeste,  die  Feste  des  heil.  Nikolaus  und  des  heil. 
Gregorius,  die  sog.  Königreiche  in  die  richtigen  Grenzen  einzuschränken. 

Von  der  gröfsten  Bedeutung  für  das  geistige  Leben  Strafsburgs 
war  die  im  Jahre  1500  erfolgte  Berufung  Sebastian  Brants,  des  Ver- 
fassers des  Narreuschiffes,  zum  Strafsburger  Stadtschreiber  und  der  im 


C.  Engel,  das  Schulwesen  in  Strafsburg.  243 

Jahr  1501  beginnende  Aufenthalt  Jakob  Wim  pfelings  im  Strafsburger 
Wilhelmitenkloster.  Der  letztere,  welcher  Zöglinge  annahm,  darunter 
den  später  hochberühmten  Stettmeister  Jakob  Sturm ,  legte  dem  Stadt- 
rate den  Plan  zur  Errichtung  eines  Gymnasiums,  d.  h.  einer  zwischen 
Lateinschule  und  Universität  in  der  Mitte  stehenden  Anstalt  vor,  dereu 
Zustandekommen  vielleicht  der  bekannte  Barfüfser  Thomas  Murner  hin- 
tertrieben hat.  Für  die  Kinder  der  Handwerker  war  eine  solche  Schule 
freilich  kein  Bedürfnis:  diese  wurden  in  die  deutschen  Schulen  geschickt, 
deren  von  1461  —  1466  fünf  nachgewiesen  werden  (S.  33). 

Aber  wenn  auch  der  Rat  sich  teilnahmslos  verhielt,  so  gelangte  der 
Humanismus  doch  zum  Sieg  in  den  Strafsburger  Schulen.  Nach  den 
Versuchen  von  Johann  Gallinarius  und  Matthias  Ringmann,  genannt 
Philesius ,  ist  von  entscheidender  Bedeutung,  dafs  1509  Hieronymus 
Gebwiler  von  Kaysersberg,  der  seit  1501  die  Schlettstädter  Schule  ge- 
leitet hatte,  an  die  Strafsburger  Domschule  berufen  wurde,  obgleich  er 
verheiratet  war.  15  Jahre  war  er  »nobilissimae  Argentinae  ecclesiae 
ludi  literarii  praefectus«.  Er  suchte  seine  Schule  dem  Ideale  des  mit 
ihm  innig  befreundeten  Wimpfeling  möglichst  anzuähnlichen.  »Die  grie- 
chische Sprache  und  zum  Teil  auch  der  griechische  Geist  hielten  ihren 
Einzug  in  Strafsburg  mit  Ottmar  Nachtigall  (Ottomarus  Luscinius)«, 
der  1514  seinen  Aufenthalt  im  Strafsburger  Johanniterkloster  auf  dem 
grünen  Wörth  nahm  und  auch  an  der  Domschule  Griechisch  lehrte. 
Von  Bedeutung  für  die  Studien  war  auch  die  von  Wimpfeling  präsidierte 
sodalitas  litteraria,  welche  gelegentlich  Erasmus  und  Beatus  Rhenanus 
sehr  auszeichnete.  Ein  Verzeichnis  der  dem  Verfasser  bekannt  gewor- 
denen Lehrer  in  Strafsburg  von  1116  bis  1517  schliefst  diesen  Ab- 
schnitt. —  Die  vierte  Periode  (1517—1538)  behandelt:  »Reformation. 
Verfall  der  Stifts-  und  Klosterschulen.  Anfänge  einer  Hochschule.  Volks- 
schulen. Drei  neue  lateinische  Schulen.  Gymnasium«.  Die  auch  über 
Strafsburg  hereinbrechende  Reformation  führte  zunächst  zu  einer  Auf- 
lösung der  bisherigen  Schulen:  Gebwiler  zieht  fort,  um  in  Hagenau  den 
Rest  seines  Lebens  zu  verbringen.  Die  Domherren  verlassen  gleichfalls 
meistens  die  Stadt.  Der  Stadtrat  nimmt  jetzt  die  Schulorganisation  in 
die  Hand  und  bestellt  eine  Viermännerkommission.  Das  Werk  schreitet 
jedoch  wegen  der  grofsen  Schwierigkeiten  nur  langsam  vorwärts.  Einen 
dürftigen  Ersatz  gewähren  einstweilen  die  im  humanistisch- reformato- 
rischen Sinne  geleiteten  Privatschulen  des  Lukas  Hackfurt  (genannt  Ba- 
thodius)  und  Otto  Bruufels.  In  dieselbe  Zeit  fallen  die  Anfänge  der 
Strafsburger  theologischen  Fakultät,  hervorgehend  aus  Vorlesungen  der 
reformatorischen  Prediger  Martin  Butzer,  Wolfgang  Capito,  Kaspar 
Hedio  u.  a. 

Bedeutungsvoll  war  die  1528  erfolgte  Ernennung  der  drei  Schul- 
herren oder  Scholarchen,  denen  zwei  Prediger,  Visitatores,  beigegeben 
wurden.     Zu  den  ersten  gehörte  besonders  Jakob  Sturm  von  Sturmeck. 

16* 


244  Geschichte  des  Schulwesens. 

Die  zwei  von  den  Schulherren  eröffneten  Lateinschulen  wurden  von  Brun- 
fels,  der  aber  1533  nach  Bern  ging,  und  Johann  Witz  (latinisiert  Sa- 
pidus),  der  1525  aus  dem  katholisch  gebliebenen  Schlettstadt  nach 
Strafsburg  übergesiedelt  war,  geleitet. 

1530  beschlofs  der  Rat  die  Reformierung  der  Lehrhäuser,  d.  h. 
der  deutschen  Schulen  und  die  Errichtung  von  besonderen  Schulen  für 
Knaben  und  Mädchen.  1534  wurde  von  den  Scholarchen  »eine  Ordnung 
der  Lehrmeister«  veröffentlicht,  welche  Engel  im  Anhang  abdruckt,  und 
wonach  der  deutsche  Unterricht  unter  die  Aufsicht  der  weltlichen  Be- 
hörde gestellt  ist.  —  Für  arme  Studenten  der  Theologie  wurde  durch 
ein  Internat  und  Stipendien  gesorgt. 

So  gliederte  sich  also  das  Strafsburger  Schulwesen  vor  dem  Be- 
ginn von  Sturms  Thätigkeit  in  drei  Stufen,  der  höhere  Unterricht  im 
Predigerkloster,  eine  Art  von  kleiner  Universität,  an  der  z.  B.  sogar 
Jurisprudenz  gelehrt  wurde,  sodann  die  Lateinschulen  und  die  Lehr- 
häuser, d.  h.  die  deutschen  Schulen  oder  eigentlich  Volksschulen.  Über 
sämtliche  gibt  der  Verfasser  bezüglich  der  Lehrer,  Lehrgegenstände, 
Schülerzahl  etc.  aus  handschriftlichen  Quellen  wertvolle  Aufschlüsse. 

Im  Januar  1537  siedelte  sodann  Johann  Sturm  aus  Paris  nach 
Strafsburg  über,  um  zuerst  als  Lehrer  am  CoUegium  Praedicatorum 
gegen  ein  Gehalt  von  100  (bald  150)  Gulden  zu  wirken.  Aber  schon 
im  nächsten  Jahre  wird  ihm  die  Gründung  des  Gymnasiums  übertragen, 
dessen  Entstehung  Engel  noch  kurz  beschreibt.  Die  Arbeit  schliefst:  »So- 
wie in  den  Sagen  die  Götter  bevorzugten  Heroen  bei  ihrer  Geburt  die 
schönsten  Gaben  bringen,  so  haben  dem  Gymnasium  der  Humanismus 
die  erneute  Antike,  die  Reformation  das  geläuterte  sittliche  und  reli- 
giöse Ideal,  Strafsburg  selbst  seinen  gereiften  praktischen  Sinn  als  An- 
gebinde dargebracht;  ja  selbst  das  Mittelalter  hat  ihm  seine  Gabe  nicht 
vorenthalten :  es  hat  ihm  die  von  den  Dominikanern  zu  ganz  anderen 
Zwecken  erbauten  Räumlichkeiten  und  die  von  den  Barfüfsern  ange- 
sammelten Geldmittel  überlassen«, 

Ganz  kurz  seien  hier  einige  Kleinigkeiten  notiert,  die  dem  Werte 
der  Schrift  keinen  Eintrag  thun.  Die  Schlacht  der  Franken  S.  5  war 
nicht  bei  Tolbiacum  (Zülpich),  sondern  vielleicht  im  untern  Elsafs.  — 
Die  richtige  Schreibung  des  Namens  des  Apostels  der  Deutschen  ist 
nicht  Bonifacius  (8.  6),  sondern  Bonifatius,  weil  er  von  boni  fati  abzu- 
leiten ist.  -  Die  Vermutung,  dafs  auch  die  weltlichen  Töchter  adeliger 
Familien  im  Frauenstift  St.  Stephan  Aufnahme  und  Unterricht  fanden 
(S.  9),  wird  sich  schwerlich  bestätigen.  —  Der  Herausgeber  der  Ency- 
klopädie  des  gesammten  Erziehungs-  und  Unterrichtsweseus  (S.  10)  heifst 
nicht  Schmidt,  sondern  Schmid.  —  »Mit  Brief  und  Siegel  beglaubigte 
Urkunden«  (S.  11)  ist  Tautologie,  denn  Brief  bedeutet  im  Mittelalter 
Urkunde.  —  Das  angebliche  »Oberhaupt  der  mystischen  Gottesfreunde«, 
mit  welchem  Rulman  Merswin  in  Verkehr  gestanden  haben  soll  (S.  19), 


C.  Engel,  das  Schulwesen  in  Strafsburg.  245 

dürfte  nach  den  Forschungen  des  P.  Denifle  in  das  Gebiet  des  Mythus 
zu  verweisen  sein.  Vgl.  dazu  P.  Mehlhorn  in  den  Jahrbüchern  für  pro- 
testantische Theologie  IX  159.  —  Das  Gutachten  Jak.  Sturms  (S.  45) 
ist  jetzt  zugänglicher  bei  E.  Winkelmann,  Urkundenbuch  der  Uni- 
versität Heidelberg  I  214. 

Ein  unangenehmer  Druckfehler  ist  1570  (S.  50)  für  1530.  —  Die 
Arbeit  ist  ein  wertvoller  Beitrag  zur  Geschichte  des  Schulwesens  und 
der  solide  Unterbau  für  die  Arbeiten  über  Sturm. 

A.  Lange  (Schrader),  Schule  zu  Schlettstadt  (Schmids  Ency- 
klopädie  des  gesamten  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  2.  Aufl. 
(Leipzig  1886)  VIL  Teil  2.  S.  119-128). 

Schrader  hat  Langes  Artikel  über  die  wichtige  Schlettstadter  Schule 
einer  Durchsicht  unterzogen  und  die  Litteratur  ergänzt.  Leider  ist  ihm 
Strüvers  Dissertation  und  die  noch  wichtigere,  zwar  kleine,  aber  wertvolle 
Arbeit  G.  Knods  »Zur  Schlettstadter  Schulgeschichte«  (Strafsburger  Stu- 
dien IL  4.  S.  431— 439)  unbekannt  geblieben,  der  feste  chronologische 
Daten  gefunden  hat.  Darnach  leitete  Dringenberg  die  Anstalt  von  1441 
bis  1477,  Crato  Hofmann  von  Udeuheim  1447-1501  u.  s.  w. 

Überblick  der  Geschichte  des  Gymnasiums  (in  Karlsruhe)  von  Di- 
rektor Dr.  Wen  dt  (Festschrift  zur  300  jährigen  Jubelfeier  des  Grofsh. 
Gymnasiums  in  Karlsruhe.  22.  Nov.  1886.  Mit  3  Tafeln.  Karlsruhe. 
1886.     S.  1  —  38). 

Auf  Grund  der  älteren  Arbeiten  K.  F.  Vierordts  und  H.  Funcks 
gibt  der  derzeitige  Direktor  der  Anstalt  eine  übersichtliche  Geschichte 
des  Gymnasiums  in  anziehender  Form.  Die  Schule,  1586  als  Gymna- 
sium illustre  in  Durlach  gegründet,  wurde  1721  wenigstens  zum  Teil 
nach  dem  neugegründeten  Karlsruhe  verlegt.  Besonderes  Interesse 
wandte  ihr  der  Markgraf  und  spätere  Grofsherzog  Karl  Friedrich  und 
der  jetzige  Grofsherzog  Friedrich  zu.  In  den  Veränderungen  der  An- 
stalt seit  150  Jahren  kann  ein  kundiges  Auge  alle  wichtigen  Stadien 
der  Pädagogik  der  Zeit  erkennen.  Die  letzten  Partien,  worin  der  Ver- 
fasser die  Darstellung  Vierordts  erweitert,  berichten  über  Lehrer,  Stiftun- 
gen, Schulfeiern  etc.  seit  1859  und  geben  das  Bild  einer  in  schönster 
Blüte  begriffenen  Schule. 

Mit  der  Geschichte  der  gleichen  Anstalt  beschäftigt  sich  auch 

Heinrich  Funck,  Über  den  Rheinländischen  Hausfreund  und  Jo- 
hann Peter  Hebel  (Festschrift  zur  300jährigen  Jubelfeier  des  Grofsh. 
Gymnasiums  in  Karlsruhe.     (Karlsruhe  1886)  S.  39—88). 

Eine  gut  geschriebene  Arbeit,  auf  archivalischen  Studien  beruhend, 
in  welcher  gezeigt  wird,  wie  Hebel,  der  von  1791  —  1824  Lehrer  und 
schliefslich  Direktor  des  Karlsruher  Gymnasiums  gewesen  ist,  dazu  kam, 


246  Geschichte  des  Schulwesens. 

seine  vielbewunderten  Kalendergeschichten  des  »Rheinländischen  Haus- 
freunds« zu  schreiben.  Die  Anstalt  besafs  nämlich  seit  1750  durch 
Markgraf  Karl  Friedrich  das  Privilegium  impressorium  für  die  in  der 
Markgrafschaft  zu  druckenden  Schriften.  Nach  mancherlei  Wechsel- 
fällen, wobei  das  Privilegium  sich  nicht  als  sehr  nutzbringend  erwiesen 
hatte,  wurde  1807  Hebel  mit  der  Abfassung  des  in  Baden  privilegierten 
Kalenders  betraut,  der  sich  durch  seine  populäre  Haltung  und  köst- 
lichen Geschichten  rasch  einen  Namen  machte.  Leider  zog  sich  Hebel 
bald  verstimmt  von  dieser  Thätigkeit  zurück,  und  1823  wurde  das  Ka- 
lender-Privilegium  durch  die  Regierung  der  Schule  entzogen. 

Professor  Dr.  Otto  Schanzenbach,  Aus  der  Geschichte  des 
Eberhard-Ludwig-Gymnasiums  in  Stuttgart  (Festschrift  zur  Jubelfeier 
des  Eberhard-Ludwig-Gymnasiums  in  Stuttgart.  Zugleich  Programm 
zum  Schlüsse  des  Schuljahres  1885—1886,  Stuttgart.  Liebich.  1886. 
40.     S.  1-104). 

In  bescheidener  Weise  nennt  der  Verfasser  seine  umfangreiche 
Arbeit  »Skizzen«,  da  er  nur  für  einen  erkrankten  und  später  verstor- 
benen Kollegen,  welcher  zu  dem  Jubiläum  der  Stadt  eine  Geschichte 
der  Anstalt  schreiben  sollte,  eingetreten  ist. 

Abschnitt  I.  »Aus  alten  Zeiten«  berichtet  von  der  ältesten  Schule 
Stuttgarts,  die  im  Anfange  des  14.  J  ahrhunderts  zuerst  nachweisbar  ist 
und  im  sog.  Schulhofe  lag.  Als  rectores  scholae  sind  bekannt  Pfaff 
(Pater)  Burkhard  Spiefs  (f  1378),  Mangold  von  Klübern,  N.  Beutelspach, 
Joh.  Wagner,  Leonhard  Mäder  von  Cannstatt.  Die  Einrichtung  der 
Schule  wird  erläutert  mit  Hilfe  der  1501  erlassenen  »Ordnung  der  Schul 
halben  in  Stuttgarteu«  (S.  6  —  8).  Es  war  eine  Vorbereitungsanstalt  für 
den  Kirchendienst  oder  den  gelehrte  Bildung  erfordernden  Staatsdienst. 
Der  Verfasser  meint,  das  ganze  Schulleben  in  diesem  düsteren  Hause, 
wo  eine  pedantische  Zucht  geherrscht,  sei  freudlos  gewesen. 

Der  zweite  Abschnitt  »Mehr  Licht«  (S.  9 — 15)  schildert,  wie  durch 
den  Geist  des  Humanismus,  der  an  der  1477  gegründeten  Hochschule  Tü- 
bingen b  edeutende  Vertreter  zählte,  ein  neues  Leben  in  die  Schule  gekommen. 
Dieses  geschah  besonders  durch  den  gelehrten,  talentvollen  und  fleifsigen 
Alexander  Marcoleon  (Märklin)  von  Marbach.  Auf  den  Humanismus 
folgte  die  Reformation.  Herzog  Christoph  von  Württemberg  ordnete 
1559  durch  die  mit  den  Ständen  verabschiedete  und  der  Kirchenordnung 
einverleibte  »Schul Verfassung  und  -Ordnung«  das  Schulwesen  im  pro- 
testantischen Sinne  so,  dafs  dieses  »Werk  aus  Einem  Gufs,  aere  peren- 
nius,  in  den  Grundzügen«  noch  den  jetzigen  Verhältnissen  zu  Grunde 
liegt.  Deutsche  und  lateinische  Schule  wurde  getrennt,  und  letztere 
in  ein  Pädagogium  von  fünf  Klassen  verwandelt.  Eine  sechste  Klasse 
fügte  sodann  Christophs  Sohn  Ludwig  hinzu.  Der  Pädagogarch  dieser 
Anstalt  hatte  bereits  das  bekannte,  heute  noch  bestehende  Laudexamen 


0.  Schanzenbach,  Aus  d.  Geschichte  d.  Eberh.-Ludw.-Gymn.         247 

zu  leiten.  Der  30jährige  Krieg  liefs  die  Schule  in  tiefen  Verfall  ge- 
raten. Die  Zahl  der  Schüler  ging  sehr  zurück,  und  für  die  verhun- 
gernden Lehrer  wurde  durch  Magistratspersonen  in  der  Stadt  Geld  ge- 
sammelt. 

Abschnitt  III  »Die  Weisheit  bauete  ihr  Haus  und  hieb  sieben 
Säulen«  (S.  16  —  23)  erzählt,  wie  das  Pädagogium  durch  den  Herzog  in 
ein  Gymnasium  verwandelt  und  1685  der  Grundstein  zu  einem  neuen 
Gebäude  gelegt  wurde,  auf  das  man  den  die  Überschrift  bildenden 
Spruch  Salomouis  anwandte.  An  diesem  Gymnasium  illustre,  wie  die 
Anstalt  fortan  hiefs ,  wurden  und  zwar  speziell  am  Obergymnasium  im 
Winter  nur  vier  und  im  Sommer  fünf  Vorlesungen  gehalten.  Gemütlich 
klingt  es,  wenn  der  Pädagogarch  zwei  Monate  die  Nachmittagsschule 
aussetzt  »ob  aegrotantem  Paedagogarchae  servulama. 

Abschnitt  IV  »Still  und  bewegt«  behandelt  die  Zustände  der  An- 
stalt im  18.  Jahrhundert.  Zuerst  werden  S.  24  in  einer  lebendigen  Schil- 
derung die  Lehrer  und  Lehrgegenstände  der  einzelnen  Klassen  vorge- 
führt. Auffallend  ist  die  grofse  Zahl  der  Lehrer  und  die  Reichhaltig- 
keit der  Fächer.  Wenn  man  bedenkt,  wie  schwer  auch  Württemberg 
durch  die  Franzosenkriege  heimgesucht  wurde,  so  wird  man  sich  über 
den  Verfall  der  Disziplin,  die  »Exorbitantion«,  nicht  wundern.  Nicht 
blofs  über  Unfleifs  und  Schwänzen  der  Lektionen,  sondern  sogar  über 
Buhlschaften  wird  geklagt.  Bedeutungsvoll  war  die  Ernennung  des  un- 
garischen Edelmannes  Michael  Bulyowsky  de  Dulicz,  eines  Polyhistors, 
im  Jahre  1696  zum  Professor  an  der  Anstalt,  dem  freilich  das  Rektorat 
das  bekannte  non  multa,  sed  multum  entgegenhielt. 

Abschnitt  V  »Frohe  Feste«  (S.  33—36)  berichtet  über  Festtage 
der  Schule,  woran  das  Stuttgarter  Gymnasium  nie  arm  war.  Das 
älteste  Schulfest,  von  dem  erzählt  wird,  ist  aus  dem  Jahr  1690,  wo 
der  nach  Tübingen  abgehende  Schüler  Burk  die  glückliche  Wiederkehr 
des  Herzogs  Eberhard  Ludwig  aus  Wien  feiert.  Der  gröfste  Freuden- 
tag aber  war  die  erste  Jubiläumsfeier  am  13.  September  1786,  über 
welche  der  Bericht  der  Schwäbischen  Chronik  von  Professor  Eiben  mit- 
geteilt wird. 

Abschnitt  VI  »Humanismus  und  Realismus«.  Eine  gefährliche  Kon- 
kurrenz für  das  Gymnasium  wurde  die  durch  Schillers  Leben  allbekannte 
Karlsschule,  die  den  veränderten  Zeitanschauungen  und  Zeitbedürfnissen 
Rechnung  trug,  während  es  dem  Gymnasium  immer  noch  an  einem  durch- 
gehenden Gesamtplan  mangelte.  Der  Lehrplan  vom  Jahre  1794  ist  die 
»reichste,  aber  seltsamste  Musterkarte«,  die  zugleich  zeigt,  wie  wenig 
die  weitverbreitete  Vorstellung  von  dem  früheren  Überwiegen  der  klas- 
sischen Sprachen  am  Gymnasium  der  Wirklichkeit  entspricht.  Doch 
war  das  Latein  der  solide  und  feste  Kern,  an  den  sich  das  Übrige  an- 
setzen konnte.  Aus  dieser  Schule  ging  trotzdem  eine  geistige  Kern- 
natur hervor  wie    der  Philosoph  Hegel,   »der   berühmteste  Schüler  der 


248  Geschichte  des  Schulwesens. 

Anstalt«  überhaupt.  Ein  charakteristisches  Aktenstück  ist  die  von  dem 
Direktor  Hang  verfafste  Abhandlung  De  Galantismo  litterario  eruditioni 
periculoso,  aus  der  ein  grofser  Abschnitt  mitgeteilt  wird.  Wenn  man 
aus  dieser  Veröffentlichung  des  Rektors  nichts  von  dem  Flügelschlag 
einer  neuen  Zeit  merkt,  so  ist  das  um  so  mehr  in  den  Abschiedsreden 
der  Schüler  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  der  Fall. 

Abschnitt  VII  »Embarras  de  richesse  et  richesse  d'embarras«  (S.  44 
bis  59).  Der  Tod  des  Herzogs  Karl  Eugen  brachte  die  Aufhebung  der 
Stuttgarter  Karlsschule  und  damit  die  Beseitigung  einer  lästigen  Kon- 
kurrenz, zugleich  aber  einen  starken  Zudrang  von  ehemaligen  Karls- 
schülern und  Lehrern  der  Karlsschule.  Gleichzeitig  klopfte  der  Realismus 
an  die  Pforten  der  Anstalt.  1794  und  1795  wurde  die  Einrichtung  des 
untern  und  obern  Gymnasiums  geschaffen,  die  für  jene  Zeit  einen  ge- 
waltigen Fortschritt  bezeichnete.  1796  wurde  denn  auch  die  Realschule 
abgezweigt  und  eröffnet.  1818  erhielt  das  Gymnasium  eine  neue  Orga- 
nisation, auf  der  die  jetzt  noch  bestehende  Einrichtung  im  wesentlichen 
beruht.  1867  wurden  realistische  Abteilungen  an  der  Schule  eingeführt, 
und  1871  wurde  das  Realgymnasium  als  selbständige  Anstalt  konsti- 
tuiert. Der  fortdauernde  Zudrang  führte  im  Jahre  1881  zu  einer  Tren- 
nung in  zwei  Gymnasien,  das  Karls-Gymnasium  und  Eberhard-Ludwigs- 
Gymnasium. 

Abschnitt  VIII  »In  die  Weite,  in  die  Tiefe,  in  die  Höhe«  hat  seine 
Überschrift  davon,  dafs  im  Unterricht  ein  Fortschreiten  in  diesen  drei 
Richtungen  statt  fand.  Der  Verfasser  verweist  hierfür  auf  den  Aufsatz 
»Ein  süddeutsches  Gymnasium«  von  Rektor  Schmid.  Ein  klassisches 
Zeugnis  für  diesen  Fortschritt  enthält  eine  Schilderung  des  bekannten 
Schulmannes  Karl  Ludwig  Roth,  in  der  Licht  und  Schatten  gerecht  ver- 
teilt sein  dürften.  Als  charakteristische  Merkmale  des  in  diesem  Zeit- 
raum herrschenden  Geistes  werden  Schulreden,  Programmbeilagen  und 
anderes  beigezogen  und  betont,  dafs  die  jetzige  Schule  längst  aufgehört 
hat,  einseitig  das  Altertum  zu  feiern,  dafs  daneben  die  Liebe  zu  dem 
vaterländischen  Boden,  die  Anhänglichkeit  an  die  engere  und  weitere 
Heimat,  der  Stolz  auf  vaterländische  Gröfse  gepflegt  wird. 

Abschnitt  IX  »Quod  munus  reipublicae  afferre  maius  meliusve  pos- 
sumus  quam  si  docemus  atque  erudimus  iuventutem  (Cic.  de  Divin.)«. 
S.  75-90  ist  der  kurzen  Charakteristik  einer  Anzahl  eigentümlicher 
und  bedeutender  Persönlichkeiten  unter  den  Lehrern  gewidmet:  »Was 
ist  eine  Schule  ohne  Männer  und  Meister  der  Schule?«  Den  Reigen  er- 
öffnet K.  L.  Roths  Schilderung  seiner  Lehrer  Joh.  Andr.  Werner,  Chr. 
Fr.  Roth  und  Friedr.  Ferd.  Drück.  Ein  weiterer  Abschnitt  gilt  Gustav 
Schwab,  der  Dichter  und  gefeierter  Lehrer  zugleich  war.  Es  folgen 
noch  kurze  Schilderungen  von  August  Pauly,  Holzer  und  Borel. 

Abschnitt  X  »Wer  ist  unsere  Hoffnung  oder  Freude  oder  Krone 
des  Ruhms?  (1  Thess.  2,  19)«   handelt  über  die  Schüler  der  Anstalt; 


0.  Schanzenbach,  Aus  d.  Geschichte  d.  Eberh.-Ludw.-Gymn.         249 

denn  »eine  Schule,  die  ihre  Geschichte  schreibt,  darf  auf  ihre  Lehrer 
nur  hinweisen  als  auf  Vorbilder  für  spätere  Geschlechter,  ihrer  Schüler 
aber  rühmt  sie  sich  wie  eine  Mutter«.  Der  Verfasser  betont  das  gute 
Verhältnis  der  Schule  zum  Haus,  wie  z.  B.  manche  Schenkungen  be- 
weisen. Sodann  werden  knappe  Skizzen  über  hervorragende  Schüler 
gegeben :  wie  Hofprediger  J.  R.  Hedinger,  Johann  Jakob  Moser,  den  Ju- 
risten Karl  Georg  von  Wächter,  Hof-  und  Domänenrat  J.  G.  Hartmann, 
den  Orientalisten  Martin  Haug,  den  Dichter  Christian  Gottlob  Barth. 

Ein  aus  den  Schülerlisten  gezogenes  Verzeichnis  hervorragender 
Schüler,  bei  dessen  Aufstellung  Professor  Julius  Hartraann  behilflich  war, 
war,  und  eine  Zusammenstellung  der  benutzten  Quellen  beschliefsen  die 
nützliche  und  gut  geschriebene  Schrift,  die  ich  mit  wachsendem  Inter- 
esse gelesen  habe. 

Prof.  Cölestin  Stampfer,  Chronik  des  k.  k.  Gymnasiums  zu  Me- 
ran  bis  zum  Jahre  1850  (Progr.  des  k.  k.  Ober-Gymnasiums  zu  Meran. 
Meran  1886).     58  S. 

Die  Arbeit  will  eine  Ergänzung  der  von  Dr.  A.  Jäger  1851  er- 
schienenen Geschichte  der  Anstalt  sein  und  »das  innere  Leben  der  An- 
stalt, den  jeweiligen  Lehrkörper,  die  Schülerzahl  und  besonders  die  mehr 
(sie!)  hervorragenden  Männer,  welche  aus  dem  Gymnasium  hervorge- 
gangen, zur  Kenntnis  bringen«.  Im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  nach- 
dem die  »wahre  Reform  auf  kirchlichem  Gebiete  in  Tirol  durchgedrungen 
war«,  habe  sich  das  Bestreben  geregt,  Schulen  zu  gründen  und  Bildung 
zu  verbreiten.  Durch  die  vereinten  Bemühungen  des  Abtes  im  Bene- 
diktinerstift Marienberg  und  der  Stadt  konnte  die  Anstalt  1725  eröffnet 
werden.  Annalistisch  werden  Lehrer  und  Schüler  zusammengestellt,  bei 
den  letztern  jeweils  die  Zahl  der  Romanen  verzeichnet.  Die  Prädikate, 
welche  den  Schülern  erteilt  worden,  machen  den  Eindruck,  als  ob  die 
Beurteilung  sich  von  dem  Grundsatze  gröfster  Milde  leiten  liefs.  Unter 
den  Schülern  des  Jahres  1841/42  steht  S.  49:  »Ignaz  Zingerle  von  Me- 
ran :  üniversitätsprofessor  in  Innsbruck,  Dichter  und  ein  in  Deutschland 
angesehener  Germanist«. 

Lebenserinnerungen  und  Amtserfahrungen  von  Dr.  L.  Wiese, 
Wirkl.  Geheim.  Ober-Regierungsrat  a.  D.  Zweite  Auflage.  Berlin, 
Wiegandt  und  Grieben  1886.  S^.  Bd.  L  VI  und  350  S.  -  Bd.  IL 
IV  und  224  S. 

Ein  wichtiges  Werk,  das  kein  dem  höheren  Lehrerstande  Ange- 
höriger ungelesen  lassen  sollte.  Der  Verfasser  ist  der  langjährige  ein- 
flufsreiche  und  sachkundige  Leiter  der  preufsischeu  Mittelschule,  dessen 
Erlebnisse  ein  Stück  preufsischer  und  damit  deutscher  Schulgeschichte, 
ja  deutscher  Kulturgeschichte  sind.  Wir  schulden  ihm  warmen  Dank, 
dafs  er  nach  seinem  im  Jahre  1875  erfolgten  Ausscheiden  aus  dem  Mi- 


250  Geschichte  des  Schulwesens. 

nisterium  sich  auf  vielseitiges  Auraten  entschlossen  hat,  seinen  Lebens- 
abend zu  Aufzeichnungen  über  seine  weitreichende  Thätigkeit  und  seine 
lehrreichen  Erfahrungen  zu  benutzen.  Aus  dem  ganzen  Werke  tritt 
uns  eine  klare  und  zielbewufste  Persönlichkeit  entgegen,  die  zu  dem 
gewählten  Lehrerberuf  wie  geschaffen  erscheint,  und  die  sodann  die 
selbst  gesammelten  Erfahrungen  in  einem  so  bedeutenden  Kreise  ver- 
werten kann,  wie  er  nur  selten  einem  tüchtigen  Pädagogen  zufällt. 

Den  30.  Dezember  1806  zu  Herford  in  Westfalen,  der  Heimats- 
stadt seiner  Mutter,  geboren  (sein  Vater  stammte  aus  Pommern),  wur- 
zelt Wiese  noch  ganz  in  der  Zeit  der  Freiheitskriege,  in  dem  dadurch 
bedingten  Aufschwung  unseres  Volkslebens.  1814  zu  Verwandten  nach 
Kolberg  gebracht,  hörte  er  den  alten  Nettelbeck  seine  Geschichten  und 
Späfse  erzählen.  Das  Jahr  1816  führte  ihn  nach  Berlin,  und  schon  der 
kleine  Knabe  fafste  hier  den  Entschlufs,  dermaleinst  Lehrer  zu  werden. 
In  der  Garnisonsschule,  in  der  er  später  unter  Leitung  des  Predigers 
Bernhardi  lernte,  wurde  er  einstens  durch  den  inspizierenden  Gneisenau 
ausgezeichnet.  Als  Schüler  der  Plamannschen  Anstalt  war  ihm  ver- 
gönnt, »wenigstens  noch  den  Nachsommer  einer  pädagogischen  Begeiste- 
rungo  zu  erleben,  die  einstens  Pestalozzi  entzündet  hatte.  Unter  den 
Lehrern  imponierte  ihm  der  Thüringer  Kritz,  als  er  sah,  wie  dieser 
während  des  Essens  »bisweilen  nebenher  und  ohne  irgend  ein  Hilfs- 
mittel zur  Hand  zu  haben,  die  Korrekturbogen  des  Böckhschen  Pindar 
für  die  Druckerei  las  und  berichtigte«. 

1822  ging  Wiese  in  das  Friedrich-Wilhelms-Gymnasium  über,  wo 
ihn  der  Direktor  Spilleke,  dessen  Schwiegersohn  er  später  wurde,  als 
wohl  vorbereitet  erklärte  und  nach  Obertertia  aufnahm.  Spilleke,  einem 
geborenen  Schulmanne,  und  dem  ihn  gut  ergänzenden  Dr.  Yxem  werden 
S.  21  ff.  Worte  dankbarer  Anerkennung  gezollt.  Besonders  genufsreich 
wurden  Winterabende,  an  denen  unter  Yxems  Leitung  Wiese  mit  einigen 
Mitschülern  platonische  Dialoge  lesen  durfte. 

1826  bezog  er  die  Universität  Berlin,  wo  er  sich  unter  Marhei- 
nekes  Rektorat  als  Theologe  inscribieren  liefs;  denn  Theologie  und 
Philologie  wollte  er  miteinander  studieren.  Von  den  Philologen  der 
Berliner  Hochschule  werden  geschildert  Karl  August  Böckh,  der  das 
Leben  des  Altertums  sehr  anziehend  darstellte,  Lachraann,  Immanuel 
Bekker,  der  zahlreiche  Zuhörer  weder  zu  erwarten  noch  zu  wünschen 
schien,  Zumpt,  der  in  seinen  Vorlesungen  auf  das  Bedürfnis  des  zu- 
künftigen Schulmanns  Rücksicht  nahm;  an  den  Übungen  des  philolo- 
gischen Seminars  beteiligte  er  sich  unter  Leitung  von  Buttmann,  Bern- 
hardy.  Lachmann  und  Böckh.  Durch  Mullach  erwarb  er  sich  einige 
Fertigkeit  im  Neugriechischen.  Im  Böckhschen  Seminar  wurde  auch 
die  Bekanntschaft  Heinrich  Abekens  gemacht,  aus  der  eine  Freundschaft 
fürs  Leben  wurde. 

Im  August  1829  promovierte  er  zu  Berlin  mit  einer  Dissertation: 


L  Wiese,  Lebenserinnerungen  251 

De  Val.  Messallae  Corvini  vita  et  studiis  doctrinae,  auf  die  ihn  längere 
Beschäftigung  mit  Tibull  geführt  und  deren  Wahl  Lachmann  gebilligt 
hatte.  Böckh  und  Hegel  waren  durchaus  humane  und  entgegenkom- 
mende Prüfungskommissäre,  und  Prof.  Bopp  gab  dem  neuen  Doktor  den 
üblichen  Kufs  nach  der  Promotion. 

Die  Lehrerthätigkeit  Wieses  kann  hier  nicht  im  einzelnen  verfolgt 
werden:  Probekandidat  am  Friedrich -Wilhelms -Gymnasium  zu  Berlin, 
Konrektor  am  Gymnasium  zu  Clausthal,  Prorektor  am  Gymnasium  zu 
Prenzlau,  Professor  am  Joachimsthalschen  Gymnasium  zu  Berlin  etc. 
Seine  Lehrerthätigkeit  wurde  ab  und  zu  durch  Reisen  unterbrochen, 
nach  Italien,  nach  Württemberg,  nach  England,  von  denen  besonders 
die  letztere  einen  wertvollen  litterarischen  Ertrag  für  die  Pädagogik 
gebracht  hat. 

Januar  1852  wurde  Wiese  zum  Kultusminister  Raumer  beschieden, 
der  ihm  einige  Aufträge,  Inspektionen,  in  der  nächsten  Zeit  zukommen 
liefs.  Wiese  hat  nie  erfahren,  wem  er  die  Empfehlung  zu  danken  hatte. 
Der  bisherige  Referent  für  höhere  Schulen,  GORR  Kortum,  der  sich 
durch  die  an  Wiese  erteilten  Aufträge  tief  gekränkt  fühlte,  nahm  seine 
Entlassung,  und  so  wurde  im  Juli  1852  dieser  zum  Regierungs-  und 
Schulrat  und  im  August  desselben  Jahres  zum  Geh.  Regierungs-  und 
vortragenden  Rat  im  Kultusministerium  ernannt.  In  dieser  Stellung  ver- 
blieb  er  unter  vier  Ministern,  v.  Raumer,  v.  Bethmann- Hollweg,  von 
Mühler  und  Falk,  Jeder  dieser  so  verschiedenartigen  Männer  wird  ge- 
schildert. Es  sind  das  wertvolle  Mitteilungen  eines  gut  unterrichteten 
Zeitgenossen,  der  zwar  einen  festen  prinzipiellen  Standpunkt  hatte,  aber 
es  verstand,  gut  zu  beobachten  und  auch  gegen  andere  gerecht  zu  sein. 

Die  Mitteilungen  dieser  Abschnitte  sind  ein  wichtiges  Stück  preufsi- 
scher  und  damit  auch  deutscher  Schulgeschichte,  und  keine  Frage,  welche 
seit  drei  Dezennien  unsere  Schulen  und  deren  Lehrer  tiefer  beschäftigt 
hat,  bleibt  unberührt:  Revision  der  Lehrpläne,  Prüfuugs-Reglement,  ün- 
terrichtsgesetz,  Realschulfrage,  Berechtigungswesen,  Bundes-  und  Reichs- 
schulkommission, Abiturientenprüfung,  Konfessionalität  der  Schulen,  Re- 
gelung der  deutschen  Orthographie  etc.,  über  alle  diese  Fragen  er- 
halten wir  bedeutungsvolle  Aufschlüsse,  die  als  Äufserungen  einer  durchaus 
ideal  gerichteten  und  geschäftstüchtigen  Persönlichkeit  auch  demjenigen 
Achtung  abnötigen,  welcher  sachlich  nicht  zustimmt.  Gerade  in  diesem 
Abschnitte  finden  sich  viele  Beispiele,  dafs  der  Verfasser  sich  bemüht, 
gerecht  zu  sein,  wie  er  auch  in  der  Einleitung  S.  V  sagt:  »Möchte  ich 
von  dem  dh^&züsiv  iv  dydrirj,  das  ich  mir  vorgesetzt,  nirgend  abge- 
wichen sein!« 

Der  Verfasser  nahm  einen  dem  Minister  Falk  entgegengesetzten 
Staudpunkt  ein.  Um  so  beachtenswerter  sind  deshalb  folgende  Worte 
über  denselben  (II  l):  »Von  den  etwas  mehr  als  sieben  Jahren  von 
i'alks  Wirksamkeit  als  Kultusminister  sind  es  die  ersten  vier,  während 


252  Geschichte  des  Schulwesens. 

welcher  ich  unmittelbar  Zeuge  seiner  Thätigkeit  gewesen  bin.  Bei  einem 
vergleichenden  Rückblick  raufs  ich  sagen,  dafs  er  von  den  vier  Mini- 
stern, denen  ich  gedient,  der  konsequenteste  und  durchgreifend  thätigste 
war.  Von  vorn  herein  stand  klar  und  bestimmt  vor  seiner  Seele,  was 
er  wollte  und  sollte,  ebenso  ein  umfassender  und  durchdachter  Plan 
der  Ausführung.«  Sein  Ziel  war,  das  ganze  Gebiet  der  Kirchen-  und 
Schulverwaltung  zu  revidieren,  »nach  neuen  Principien  zu  ordnen,  und 
schliefslich  durch  Specialgesetze  innerlich  zu  sichern  und  fest  zu  um- 
grenzen. An  diese  gewaltige  Arbeit  hat  er  mit  bewunderungswürdiger 
Ausdauer  seine  rüstige  Manneskraft  und  die  ganze  Energie  seines 
Geistes  gesetzt.«  Später  (S.  62)  lesen  wir  nochmals:  »Vergegenwärtige 
ich  mir  den  Minister  Falk  und  seine  Wirksamkeit,  so  erfüllt  mich  die 
aufrichtigste  Hochachtung  vor  der  Geradheit  und  Festigkeit  seines  Cha- 
rakters, vor  der  Humanität  seiner  Gesinnung  und  vor  der  Tüchtigkeit 
seines  ganzen  Wesens.  In  der  vollen  Hingebung  an  die  Aufgaben  des 
Amts  und  in  der  energischen  und  ausdauernden  Art  des  Arbeitens 
konnte  er  allen  seinen  Räten  ein  Vorbild  sein;  keiner  erreichte  ihn 
darin.  Seine  grofsen  Verdienste  um  das  Schulwesen  nach  der  mate- 
riellen Seite  durch  Besserung  der  äufsern  Lage  der  Lehrer  an  den 
niederen  und  höheren  Schulen,  ebenso  des  Einkoramens  vieler  evange- 
lischen Geistlichen  sowie  der  Emeriten  und  der  Witwen,  werden  unver- 
gessen bleiben.«  Die  Schwäche  von  Falks  Thätigkeit  findet  Wiese  in 
dem  Umstand,  dafs  derselbe  zu  einseitig  Jurist  war.  Die  Vorgänger 
Falks  hätten  zuerst  in  Verwaltungsämtern  gestanden,  Falk  nur  in  ju- 
ristischen. »Er  war  und  blieb  durch  und  durch  Jurist,  und  dies  cha- 
rakterisierte seine  principielle  Auffassung  und  Behandlung  aller  Gegen- 
stände.« 

Ein  »Anhang«  (S.  137—221)  enthält  eine  Anzahl  von  Kapiteln, 
deren  Inhalt  aus  der  langjährigen  Praxis  des  Verfassers  sich  ergeben 
hat.  Dieselben  sind  überschrieben:  Provinzielle  Verschiedenheiten,  Aus 
der  Schulverwaltung,  Directoren,  Lehrer,  Aus  dem  Unterricht.  Der  letzte 
Abschnitt  handelt  u.  a.  vom  Unterricht  im  Deutschen,  der  philosophischen 
Propädeutik,  Mathematik,  Naturgeschichte,  Geschichte,  neuereu  Sprachen, 
Religion.  In  diesen  letzten  Kapiteln  steckt  eine  Fülle  pädagogischer 
Weisheit,  die  durch  Einstreuung  humorvoller  Züge  und  Anekdoten  eine 
für  den  Leser  ansprechende  Form  gewinnt.  Ein  Kapitel  über  Schul- 
disziplin beschliefst  das  lehrreiche  Werk,  das  kein  Lehrer  an  höheren 
Schulen  ohne  den  gröfsten  Nutzen  lesen  wird. 

An  die  deutsche  Schulgeschichte  mögen  sich  hier  einige  Arbeiten 
über  französische  Schulgeschichte  anschliefsen,  womit  freilich 
kein  Anspruch  auf  Vollständigkeit  gemacht  werden  kann.  Viele  Publi- 
kationen über  dieses  Thema  wurden  mir  nicht  zugänglich. 


L.  Massebieau,  Schola  Aquitanica.  253 

Louis  Massebieau  {maltre  de  Conferences  ä  la  facult^  de  th^o- 
logie  protestante  de  Paris  et  ä  l'ecole  des  hautes  etudes)  Schola  Aqui- 
tanica. Programme  d'ötudes  du  College  de  Guyenne  au  XVP  siöcle. 
Reimprimö  avec  une  pr^face,  une  traduction  fran^aise  et  des  notes. 
Paris  1886.  77  S.  (Fascicule  nr.  7  von  Memoires  et  docuraents  sco- 
laires  publies  par  le  Mus6e  pedagogique). 

Das  College  von  Guyenne,  die  Schola  Aquitanica  zu  Bordeaux, 
ist  eine  der  bedeutsamsten  Anstalten  Frankreichs  im  16.  Jahrhundert. 
Das  in  dieser  kleinen  Schrift  veröffentlichte  Programm  der  Anstalt  hatte 
Elie  Vinet,  ein  Mathematiker  und  Historiograph  des  16.  Jahrhunderts, 
über  den  S.  55  der  Schrift  weitere  Aufschlüsse  gegeben  werden,  im 
Jahr  1583  drucken  lassen.  Aber  dasselbe  verdient  nach  des  jetzigen 
Herausgebers  Massebieaus  Meinung  noch  weiter  bekannt  zu  werden,  um 
so  mehr,  als  die  Angaben  daraus  in  M.  J.  Quicherats  sonst  trefflicher 
Histoire  de  Sainte-Barbe  ungenau  und  unvollständig  seien. 

In  der  Vorrede  (S.  V— XV)  ist  zunächst  die  geschichtliche  Ent- 
stehung des  Aktenstückes  dargestellt:  im  Jahre  1534,  »avant  la  reforme 
des  etudes  ä  Strafsbourg,  ä  Geneve,  ä  NImes,«  wandte  sich  der  Rat  von 
Bordeaux  an  Andre  de  Gouvea,  »sans  comparaison  le  plus  grand  prin- 
cipal  de  France,«  wie  ihn  sein  Schüler  Montaigne  nennt,  der  damals 
das  College  von  Sainte-Barbe  in  Paris  leitete,  wegen  seiner  Schule. 
Bordeaux  besafs  eine  Universität,  an  die  sich  das  College  anschlofs. 
Rat  und  Gouvea  einigten  sich  über  die  Einrichtung  der  Schule,  wobei 
vonseiten  Bordeaux's  nur  die  Bedingung  gestellt  wurde,  dafs  die  Neu- 
organisation nach  Pariser  Vorbild  erfolgen  müsse.  Gouvea  benutzte  für 
sein  Programm  die  Ratschläge  von  Maturin  Cordier  und  Claude  Budin. 

Am  Ende  der  Vorrede  teilt  der  gelehrte  Verfasser  mit,  dafs  er 
demnächst  eine  Geschichte  der  Universität  Paris  von  1500  bis  1530  ver- 
öffentlichen will:  J'essaierai,  dans  un  petit  livre  dont  les  materiaux 
sont  reunis  et  qui  paraltra  aussitöt  que  mon  activite  quotidienne  dans 
l'enseignement  m'aura  permis  de  le  rediger,  de  caracteriser  et  d'ap- 
precier,  au  moyen  des  ouvrages  des  Sylvius,  des  Jean  Pellisson  et  des 
Cordier,  cette  periode  qui  merite  d'etre  mieux  connue,  parce  qu'elle  me 
paralt  tout  ä  I'honneur  de  l'üniversite  de  Paris.«  Richtig  angefafst, 
könnte  diese  Arbeit  auch  für  die  deutsche  Gelehrtengeschichte  von  Be- 
deutung werden;  denn  zahlreiche  Deutsche  holten  am  Ende  des  15.  und 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  ihre  Ausbildung  in  Paris:  man  denke  z.  B. 
an  Heinrich  Glareanus  oder  Beatus  Rhenanus. 

Von  S.  2—37  folgt  sodann  der  Wiederabdruck  des  erwähnten 
Statuts  in  der  Weise,  dafs  links  der  lateinische  Originaltext  und  rechts 
die  französische  Übersetzung  steht.  Voran  geht  eine  epistola  des  Elias 
Vinetus  an  den  Leser  (Burdigalae  Cal.  Jul.  1583)  und  einige  einleitende 
Worte.    Die   docendi   ratio  in   ludo  Burdigalensi  ist  nach  den  zehn  or- 


254  Geschichte  des  Schulwesens 

dines  gegeben:  zuerst  kommt  der  decimus  ordo,  (kssen  Schüler  Alpha- 
betarii  oder  Abecedarii  heifsen :  Pueruli  sunt  et  minores  etiam  septem 
annis  pueruli,  ut  Fabius  placuit ,  unter  welchem  Fabius  nach  der  üb- 
lichen Ausdrucksweise  der  Zeit  Quintilian  zu  verstehen  ist. 

Hierauf  folgen  die  Abschnitte:  Doctores,  Publicae  praelectiones, 
Statuta  gymnasii  Aquitanici,  Festi  dies  civitatis  Burdigalensis,  et  quibus 
divis  sacri  sunt,  deren  es  nicht  wenige  sind  (im  Januar  z.  B.  allein  sind 
es  fünf  Tage,  natürlich  abgesehen  von  den  Sonntagen.  Die  Notes  S.  55 
bis  76,  welche  über  die  erwähnten  Gelehrten  und  über  Sachen  weitern 
Aufschlufs  geben,  beschliefsen  das  nützliche  und  lesenswerte  Schriftchen. 

E.  Veuclin,  Notes  historiques  sur  l'instruction  publique  avant  la 
revolution  dans  la  ville  de  Bernay  et  les  environs.  Premiere  partie 
d'un  Memoire  presente  au  Congres  des  Societes  savantes,  ä  la  Sor- 
bonne, en  1885.     Bernay.     V.  E.  Veuclin.     1886.     30  S. 

Der  Verfasser,  welcher  sich  durch  eine  beträchiliche  Anzahl  kleiner 
Arbeiten  zur  Geschichte  der  Normandie  bekannt  gemacht  hat,  gibt  in 
dieser  auf  sehr  schlechtem  Papier,  gedruckten  kleineu  Schrift  chrouik- 
artige  Notizen  über  Geschichte  des  Unterrichts  in  der  Stadt  Bernay  an 
der  Eure  vor  1789.  Dieselben  sind  gröfstenteils  archivalischen  Quellen 
entnommen.  Der  Zweck  der  Zusammenstellung  ergibt  sich  aus  einem 
vorgedruckten  Satze:  Pour  la  periode  anterieure  ä  1789,  M.  Veuclin  a 
constatö  que  l'autorite  religieuse  encourageait  l'instruction,  ein  Satz, 
der,  in  den  richtigen  Grenzen  verstanden,  von  keinem  Verständigen  in 
Deutschland  bestritten  wird. 

E.  Veuclin,  L'ancien  coUege  de  la  ville  de  Bernay.  Bernay.  V. 
E.  Veuclin.     1886.     50  S. 

Die  Gründung  eines  College  zu  Lisieux  1571  durch  den  Bischof 
daselbst  erweckte  das  Verlangen  nach  einer  ähnlichen  Anstalt  auch  in 
Bernay.  König  Heinrich  HI.  gab  1586  die  Erlaubnis  dazu.  Aber  die 
Wirren  der  Hugenottenkriege  und  andere  Notstände  liefsen  die  Ver- 
wirklichung des  Planes  erst  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  zu.  Die 
Arbeit  Veuclins  gibt  die  wichtigsten  Daten  der  Anstalt  im  Anschlufs  an 
die  Leiter  und  Lehrer  derselben. 

E.  Veuclin,  Les  petites  ecoles  et  la  revolution  (1789  —  1799) 
dans  les  districts  de  Bernay  et  de  Louviers.  Documents  locaux  iü& 
dits.     Bernay.     V.  E.  Veuclin.     1885.     126  S. 

Der  Verfasser  gibt  in  der  Vorrede  an,  dafs  er  folgende  fünf 
Punkte  erläutert  habe:  1.  Ce  qu'etaient  les  primitives  ecoles  et  les  Pre- 
miers educateurs  du  peuple.  —  2.  Limportance  que  l'on  attachait,  des 
11  y  a  plusieurs  siecles,  ä  l'instruction  primaire.  —  3.  Sa  Situation  ge- 
nerale, en   1789.         4.  Ce  que  la  premiere  Republique  fit  ä  son  6gard; 


E.  Veuclin,  Les  petites  ecoles  et  la  revolution.  255 

le  sentiment  des  populations  sur  les  ecoles  nationales;  les  resultats  ob- 
tenus.  —  5.  Que  le  programme  actuel  d'enseigneraent  primaire  n'a  rien 
innove,  quant  au  fond.  Der  letzte  Punkt  allein  schon  verrät,  dafs  der 
Verfasser  nicht  rein  historische  Zwecke  verfolgt.  Doch  dürfte  seine 
Arbeit  durch  die  ira  Drucke  mitgeteilten  Aktenstücke  von  Wert  für  die 
Schulgeschichte  der  Normaudie  sein. 

Von  dem  gegenwärtig  in  Frankreich  und  Belgien  tobenden  Kampfe 
um  die  humanistischen  Schulen  handeln  folgende  Arbeiten: 

La  question  du  Latin  de  M.  Frary  et  les  professions  liberales 
par  A.  Vessiot,  ancien  membre  du  Conseil  superieur  de  l'Instruc- 
tion  publique,  Inspecteur  d'academie  ä  Paris.  Deuxieme  edition. 
Paris.     Librairie  H.  Lecene  et  H.  Oudin.     1886.     71  S. 

In  Frankreich  wird  zur  Zeit,  wie  man  aus  dieser  kleinen  Streit- 
schrift ersehen  kann,  die  Frage  der  klassischen  Sprachen,  in  specie  des 
Lateins  mindestens  ebenso  heftig  erörtert  wie  in  Deutschland.  Es  dürfte, 
entsprechend  dem  Charakter  der  Romanen,  die  Debatte  noch  mit  einem 
gröfseren  Aufwand  von  Rhetorik  geführt  werden  als  wie  bei  uns.  Als 
Beispiel  dafür  mag  eine  Stelle  unserer  Schrift,  die  M.  Frary  bekämpft, 
dienen;  nachdem  angeführt  ist,  dafs  Frary  von  einer  aristocratie  des 
producteurs  spricht,  fährt  Vessiot  fort:  »M.  Frary  nous  declare  que  le 
producteur  seul  est  fecond,  corame  du  reste  son  nom  l'indique  assez,  et 
que  les  professions  dites  liberales,  sans  doute  parce  qu'elles  sont  enne- 
mies  de  la  liberte,  sont  steriles.  Aristocratie,  c'etait  dejä  trop;  mais 
aristocratie  sterile,  cela  crie  vengeance  et,  corame  dit  l'auteur,  »il  est 
temps  de  remettre  ces  geus-lä  ä  leur  place.«  Pour  ma  part,  je  suis 
effraye  du  nombre  d'aristocrates  qui  viennent  tout  ä  coup  de  se  reveler 
ä  moi,  et  dont  je  ne  soupQonnais  pas  l'existence.  Je  m'en  sens  entoure, 
presse,  enveloppe.  Medecins,  —  aristocrates!  Avocats,  avoues,  —  aristo- 
crates!  Juges,  procureurs,  —  aristocrates!  Professeurs  de  tout  rang, 
de  tout  ordre  etc.,  --  aristocrates,  aristocrates!  Ah  mais,  j'y  pense,  et 
moi,  moi-meme,  ne  suis- je  pas  un  aristocrate?  Ce  qui  me  console  un 
peu,  c'est  que  M.  Frary,  lui  aussi,  est  aristocrate,  au  premier  chef  etc.« 

Was  die  sonstigen  Gründe  und  Gegengründe  betrifft,  so  unter- 
scheidet sich  die  französische  Opposition  dadurch  von  der  deutschen, 
dafs  sie  mehr  die  politischen  und  national-ökonomischen  Gesichtspunkte 
betont,  während  wir  Deutsche  mehr  mit  Gründen  der  Geschichte,  Litte- 
ratur,  Philologie  und  Logik  kämpfen.  Man  vgl.  z.  B.  S.  21,  wo  vier  Ge- 
sichtspunkte national-ökonomischer  Art  als  Ausgangspunkte  für  den  An- 
griff auf  die  alten  Sprachen  aufgezählt  werden. 

Mit  den  vergangenen  und  gegenwärtigen  Verhältnissen  Deutsch- 
lands scheint  der  Verfasser  nicht  sehr  vertraut  zu  sein.  Sonst  hätte 
er  S.  70  kaum  schreiben  können:  »Ni  les  Anglais,  ni  les  Allemands 
n'out  Jamals  souge  k  proscrire  les  langues  grecque  et  latine;  rien  n'in- 


256  Geschichte  des  Schulwesens. 

dique  qu'ils  y  songent,  au  contraire.  II  n'est  pas  jiisqu'au  peuple  ame- 
ricain,  le  producteur  par  excellence,  qui  ne  travaille  ä  propager  chez 
lui  la  culture  de  ces  langues,  que  l'auteur  veut  extirper  chcz  nous.« 
Wer  in  Deutschland  lebt,  wird  kaum  begreifen  können,  wie  man  obige 
Behauptung  so  schlankweg  aufstellen  kann. 

La  Question  des  Humanites  par  Jos.  Keelhoff  docteur  en  Philo- 
sophie et  lettres.  Bruxelles.  J.  Lebögue  et  C'®  ,  imprimeurs-6di- 
teurs.     70  S. 

Diese  kleine  Schrift,  welche  zeigt,  dafs  der  Krieg  gegen  die  alten 
Sprachen  in  Belgien  und  Frankreich  mit  gröfserer  Heftigkeit  geführt 
wird  als  in  Deutschland,  ist  eigentlich  die  erweiterte  und  mit  Anmerkun- 
gen versehene  Gestalt  eines  Artikels,  welcher  ursprünglich  in  der  Revue 
de  Belgique  erschienen  war,  um  einen  Artikel  derselben  Revue  »De 
rinutilite  des  fitudes  humanitaires«  zu  bekämpfen. 

Der  Verfasser  geht  von  einer  Bemerkung  aus,  mit  welcher  Patin 
1833  seine  Vorlesungen  eröffnet  und  worin  er  über  die  Geringschätzung 
der  klassischen  Sprachen  geklagt  hatte.  Seitdem  hätten  die  Feinde  des 
klassischen  Unterrichtes  noch  an  Boden  gewonnen.  Gegen  den  Vor- 
wurf, dafs  das  Studium  der  alten  Sprachen  nicht  nützlich  sei,  wird  be- 
merkt: L'utilite  est  une  fort  belle  chose,  mais  le  tout  est  de  s'entendre 
sur  la  notion  de  l'utilite:  teile  chose  est  utile  ä  Tun,  et  teile  ä  l'autre; 
teile  est  utile  au  point  de  vue  materiel,  teile  autre  au  point  de  vue 
intellectuel. 

Nach  den  Auseinandersetzungen  von  S.  12  scheint  es,  dafs  man 
in  Belgien  noch  keine  Realschulen  hat,  sondern  eine  Art  von  Gabelung 
in  den  Schulen  eintreten  läfst:  eu  Belgique,  l'enseignement  professionnel 
existe  dans  les  athenees  au  meme  titre  que  les  humanites,  et  on  ne 
voit  donc  pas  de  quoi  peuvent  se  plaindre  les  adversaires  des  langues 
anciennes,  puisque  les  parents  ont  le  choix  et  que,  pour  aucune  fonc- 
tion,  les  humanites  ne  sont  exigees. 

Der  Verfasser  sucht  nun  zunächst  zu  beweisen,  dafs  die  klassi- 
schen Sprachen  den  Geist  besser  entwickeln  und  für  die  höheren  Stu- 
dien, selbst  für  die  technischen,  besser  vorbereiten  als  die  Realien,  les 
^tudes  professionnelles.  Der  Beweis  wird  mit  Hilfe  von  Autoritäten 
geführt,  unter  denen  auch  K.  A.  Böckh,  Tilscher  vom  Prager  Polytech- 
nikum, der  berühmte  Liebig  u.  a.  genannt  sind.  —  Den  zweiten  Vor- 
teil der  klassischen  Bildung  sieht  Keelhoff  in  der  Vertrautheit  mit  der 
klassischen  Litteratur,  deren  Wert  sogar  M.  Frary  anerkannt,  wenn  er 
sagt:  La  nature  peut  reproduire  un  Homere:  l'art  ne  peut  reproduire 
une  Iliade  et  une  Odyssee.  Diese  Vertrautheit  ist  aber  nur  durch  die 
Kenntnis  der  Sprachen  zu  gewinnen,  worin  diese  Werke  geschrieben 
sind.  In  diesem  Zusammenhang  erscheint  ihm  sogar  die  Erneuerung 
der  Übungen  in  lateinischer  Versifikation  nicht  so  übel. 


J.  Keelhoff,   La  Question  des  Hutnanites.  257 

Ferner  aber  ist  eine  wissenschaftliche  Erkenntnis  des  Französischen 
ohne  Lateinisch  unmöglich.  Wenn  man  dagegen  einwendet,  dann  müsse 
man  im  Grunde  Sanskrit  studieren,  so  ist  das  falsch;  denn  La  sanskrit 
n'est  pas  le  pere  du  grec  et  du  latin,  c'est  un  frere  aine  de  ces  deux 
langues. 

Ein  vierter  Abschnitt  beweist,  dafs  die  Humaniora  auch  für  juri- 
stische und  medizinische  Studien  nützlich  sind,  obgleich  das  Gegenteil 
behauptet  werde.  Denn  das  römische  Recht  ist  im  Grunde  kein  frem- 
des und  kein  totes  Recht,  und  für  die  Medizin  ist  der  Zusammenhang 
mit  den  antiken  Medizinern  von  Wichtigkeit.  Der  Verfasser  ist  aber 
weit  entfernt,  die  Berechtigung  anderer  Schulgegenstände,  wie  der  neue- 
ren Sprachen,  der  Geschichte  und  der  Geographie  zu  bestreiten. 

Zwölf  Thesen  am  Ende  formulieren  die  Forderungen  des  Ver- 
fassers, aus  welchen  Th.  VI  noch  angeführt  sein  mag:  Pour  les  auteurs 
grecs,  on  s'en  tiendra  strictement  aux  auteurs  attiques;  Lucien  et  Plu- 
tarque  auront  ä  disparaitre  des  programmes.  Ou  ne  commencera  Ho- 
mere et  Herodote  qu'en  seconde,  alors  qu'on  sera  suffisamment  farailia- 
rise  avec  les  formes  attiques. 

Institution  des  Chartreux.  De  I'etude  du  Grec  Discours  pro- 
nonce  ä  la  distribution  des  prix  le  29.  Juillet  1886  par  M.  l'Abbe 
Rivoyre  Frofesseur-Adjoint  de  Rhetorique.  Lyon.  Imprimerie  Schnei- 
der freres.     1886.     32  S. 

Der  Verfasser,  zu  dessen  Zuhörern  auch  zwei  Bischöfe  gehörten, 
führt  in  rhetorischer  Weise  sein  Thema  durch.  In  der  Einleitung  wird 
der  Begriff  Fortschritt  in  einer  Weise  charakterisiert,  dafs  man  in 
Deutschland  dafür  Radikalismus  setzen  würde:  Qu'il  s'agisse  de  poli- 
tique,  de  liiterature  ou  de  religion,  le  progres  consiste  dans  la  ruine 
de  tont  ce  qui  a  exist^  jusqua  nous.  Der  Fortschritt  darf  jedoch  im 
Unterricht  nicht  zur  Beseitigung  der  klassischen  Sprachen  führen:  la 
nature  morale  et  intellectuelle  de  l'homme  et  l'esprit  particulier  d'une 
nation  ne  chauge  pas.  —  In  dem  ersten  Teil  wird  nun  die  Behauptung 
verfochten,  dafs  unter  allen  Völkern  der  alten  und  neuen  Zeit  keines 
dem  französischen  ähnlicher  ist  als  das  griechische:  Si  nous  cherchons, 
parmi  les  peuples  anciens  et  modernes,  la  nation  qui  rappeile  le  mieux 
les  traits  essentiels  de  l'esprit  frangais,  l'equilibre  eutre  les  facultes,  la 
justesse  du  goüt,  la  delicatesse  des  seutiments,  la  superioritö  de  la  rai- 
son, nous  n'en  trouvons  qu'une:  c'est  la  nation  hellenique.  Die  Beweis- 
führung dafür,  gröfstenteils  geschichtlich,  ist  sehr  angreifbar  und  dürfte 
deutsche  Leser  schwerlich  überzeugen.  Zwei  Eigenschaften  legt  er 
den  beiden  genannten  Völkern  in  besonderem  Grade  bei:  le  courage 
militaire  et  l'amour  de  l'eloquence.  Das  Zeitalter  des  Perikles  und 
Ludwig  XIV  scheinen  ihm    besonders   ähnlich    und   die   Empfänglichkeit 

Jahresbericht  für  Altertbumawissenschaft  LH.    (1887.  III.)  17 


258  Gelehrten-  und  Schulgeschichte. 

für  geistige  Leistungen  bei  Griechen  und  Franzosen  gleich  lebhaft.  Im 
zweiten  Teil  der  Rede  wird  die  Notwendigkeit  und  der  Nutzen  der  klas- 
sischen Sprachen  für  die  Erziehung  bewiesen.  Das  Griechische  ist  eine 
geistige  Gymnastik  für  die  Jugend,  die  weder  durch  das  Englische, 
dessen  Aussprache  so  schwer  ist,  noch  durch  das  Deutsche  ersetzt  wer- 
den kann;  L'allemand  n'a  rien  ä  envier  au  grec  pour  les  difficultes, 
mais  les  flexions  pauvres,  ä  sonorite  indecise,  de  ses  decliuaisons  sont 
plutöt  des  signes  orthographiques,  destines  h  empecber  les  erreurs  ma- 
terielles dans  l'explication  dune  phrase  peu  claire  etc.  und  später:  La 
phrase  en  allemand  est  sans  mobilit^  süffisante:  sa  marche  lourde  et 
uniforme  deroute  notre  esprit  dout  l'allure  est  vive  et  prompte.  Notre 
instinct  de  logique  et  de  clarte  est  choque  par  ce  jeu  de  patience  et 
ces  artifices  de  pieces  ä  rapporter  qui  nous  exasperent  dans  les  periodes 
germaniques.  Also  das  Deutschlernen  ruiniert  den  Esprit  und  die  Logik 
der  Franzosen!  Die  Gründe,  mit  denen  der  beredte  Franzose  seinen 
Xoyos  imdecxTcxog  schliefst,  sind  zu  rhetorisch,  um  eine  wirkliche  För- 
derung des  Problems  zu  bieten. 

In  die  neue  und  neueste  Gelehrten-  und  Schulgeschichte 
führen  folgende  Arbeiten: 

Giuseppe  Biadego.  II  P.  Mansi  e  il  P.  Maraachi  (Aneddoto 
Muratoriano)  aggiuntavi  la  bibliografia  delle  lettere  a  stampa  di  L.  A. 
Muratori.     Verona.    F.  Geyer.     1886.     44  p. 

Gemeint  ist  eine  gelehrte  Abhandlung  von  P.  Mansi  »sopra  il 
codice  dell'  Anonirao  autore  veronese  publicato  da  Scipione  Maffei«  mit 
kirchengeschichtlichem  Inhalt  (Verona  1738);  dieselbe  fand  den  Beifall 
Muratoris,  wie  sich  aus  einem  Briefe  desselben  an  Mansi  vom  28.  Jan. 
1747  ergiebt,  der  S.  6  im  Wortlaute  mitgeteilt  wird.  Dagegen  schrieb 
jedoch  der  Predigermönch  Mamachi  »bibliotecario  e  teologo  della  Casa- 
natense«  in  zwei  Artikeln  im  Giornale  di  Roma  (1747).  Der  Brief,  wel- 
chen Muratori  darauf  an  Mamachi  schrieb,  ist  S.  8—10  aus  einer  Hand- 
schrift [der  bibl.  Casanatense  abgedruckt.  Die  Bibliographie  umfafst 
S.  19—44. 

Karl  Knortz,  Gustav  Seyffarth.  Eine  biographische  Skizze.  New- 
York.    E.  Steiger  &  Co.  1886. 

Nur  durch  lose  Fäden  hängt  der  Inhalt  dieses  kleinen  Buches  mit 
unserem  Thema  zusammen.  Der  bescheidene  Verfasser  selbst  bezeichnet 
dasselbe  als  einen  Vorläufer  für  eine  wissenschaftliche  Biographie,  deren 
Abfassung  er  von  einer  anderen  Feder  erhofft:  »Vorliegende  Schrift«, 
sagt  die  Einleitung,  »ist  nicht  für  Fachgelehrte,  am  allerwenigsten  aber 
für  Spezialisten  auf  dem  Gebiete  der  Ägyptologie  geschrieben,  sondern 
sie  soll  nur  zur   Erinnerung  an  einen  Mann  dienen,    der   sein   ganzes 


K.  Knortz,  G.  Seyffarth.  259 

langes  Leben  in  den  Dienst  der  Wissenschaft  stellte«.  Der  Inhalt  zer- 
fällt in  folgende  Abschnitte:  1.  G.  Seyffarths  Lebensgeschichte.  2.  Aus- 
züge aus  Seyffarths  Briefen  an  seine  Eltern  1826  —  28.  3.  Die  For- 
schungen Seyffarths.  Anhang:  I.  Aus  einem  Vortrag  Seyffarths  über 
den  Obelisken  im  New-Yorker  Central-Park.  IL  Ein  paar  Stimmen  aus 
älterer  Zeit  für  die  Richtigkeit  von  Seyffarths  System,  a.  Ein  Aufsatz 
von  Prof.  Dr.  Heine.  Wuttke.  185G.  b.  Eine  Kritik  aus  der  Deut- 
schen Allg.  Zeitung  1843:  »Seyffarth  und  de  Briere«.  III.  Chronolo- 
gisches Verzeichnis  der  Schriften  und  Abhandlungen  G.  Seyffarths. 

Seyffarth,  geboren  den  13.  Juli  1796  zu  Übigau  bei  Torgau  als 
Sohn  eines  streng  lutherischen  Pastors,  besuchte  die  Fürstenschule  zu 
Meifseu,  um  dann  die  Universität  Leipzig  zum  Studium  der  Theologie, 
Philologie,  Philosophie  etc.  zu  beziehen.  1824  doktorierte  er  mit  einer 
Arbeit :  De  sonis  literarum  Graecarum  tum  genuinis,  tum  adoptivis  libri 
duo.  Accedunt  commentatio  de  literis  Graecorum  subinde  usitatis,  dis- 
sertationes,  index  et  tabulae  duae,  wozu  der  Lehrer  Gottfried  Hermann 
eine  epistola  schrieb.  Nachdem  S.  sich  in  Leipzig  habilitiert  hatte, 
veranlafste  ihn  ein  Auftrag  bezüglich  der  Herausgabe  des  litterarischen 
Nachlasses  des  Aegyptologeu  Spohn  sich  speziell  der  Aegyptologie  zu- 
zuwenden. Dabei  wurde  er  der  Gegner  Champollions  und  seiner  Schule. 
Nach  grossen  Reisen  wurde  er  1830  Professor  der  Archäologie,  welche 
Stelle  er  1854  freiwillig  aufgab,  um  1856  nach  Amerika  zu  gehen. 
1856  —  1859  war  er  Lehrer  am  lutherischen  Predigerseminare  in  St.  Louis. 
Zum  grofsen  Leidwesen  der  Beteiligten  gab  er  diese  Stellung  auf  und 
siedelte  nach  New- York  über,  wo  er  mehr  wissenschaftliche  Hilfsmittel 
für  seine  Studien  hatte,  und  wo  er  1885  gestorben  ist.  Mehr  und  mehr 
hatte  er  sein  ausgedehntes  Wissen  in  den  Dienst  der  Theologie  gestellt, 
wie  an  seinem  Grabe  gerühmt  wurde:  »All  sein  Forschen  und  Arbeiten 
verfolgte  den  Zweck,  zu  beweisen,  dafs  die  heilige  Schrift  reine  lautere 
Wahrheit  sei.«  Seine  Abschriften  zahlreicher  Papyrushandschriften  (15 
Bände)  hat  er  der  New- York  Historical  Society  vermacht.  Sein  übriger 
Nachlass,  bestehend  aus  einer  sehr  ausgedehnten  Korrespondenz  und 
den  Manuskripten  zahlreicher  wissenschaftlicher  Arbeiten,  kommt  viel- 
leicht auf  die  Leipziger  Universitätsbibliothek. 

Der  Hauptwert  der  Schrift  besteht  in  der  Mitteilung  der  Briefe, 
die  einen  schönen  Einblick  in  das  wissenschaftliche  Leben  der  zwan- 
ziger Jahre  gewähren.  Interessant  ist  z.  B.  Seyffarths  Disputation  mit 
Champollion  zu  Rom  über  das  System  der  Entzifferung  hieroglyphischer 
Texte. 

Im  einzelnen  wäre  manches  zu  berichtigen:  die  Aufrichtung  der 
sächsischen  Fürstenschulen  (S.  8)  ist  kein  Werk  Friedrichs  des  Weisen, 
sondern  erst  Moritzens  von  Sachsen.  Der  Unterricht  auf  diesen  Schulen 
(S.  9)  war  nicht  vorzugsweise  religiöser  Natur,  sondern  man  trieb  alle 
Fächer    der    Lateinschule.       Der    Magister    Artium     und    Doktor    der 

17* 


260  Gelehrten-  und  Schulgeschichte. 

Philosophie  (S.  9)  ist  nichts  Verschiedenes,  sondern  dieselbe  Würde 
unter  verschiedener  Bezeichnung.  Auch  die  Erklärung  (S.  9),  warum 
die  Meifsener  Fürstenschüler  so  gut  lateinisch  sprachen,  ist  nicht  ge- 
nügend etc. 

Notice  sur  £mile  Egg  er,  Professeur  ä  la  faculte  des  lettres  de 
Paris,  membre  de  l'institut  (Academie  des  inscriptious  et  belles-lettres). 
Sa  vie  et  ses  travaux  par  Anatole  Bailly  professeur  au  lycee  d'Or- 
leans,  membre  du  conseil  acadömique  de  Paris.  Paris.  G.  Pedone- 
Lauriel,  editeur.     1886.     242  S. 

In  den  einleitenden  Sätzen  wird  von  Egger  gerühmt,  dafs  der  be- 
rühmte Gelehrte  auch  ein  gutes  Herz  hatte  und  der  Mensch  nicht  we- 
niger Achtung  verdiente  als  der  berühmte  Schriftsteller.  Die  Schrift  er- 
hebt auch  nicht  den  Anspruch  eine  ausreichende  Würdigung  des  Mannes 
zu  geben,  sie  will  nur  eine  einfache  Auseinandersetzung  (le  simple  ex- 
pose)  sein,  das  auch  in  dieser  Gestalt  genüge,  den  Leser  für  Egger  zu 
interessieren.  Mit  Vorliebe  wird  darauf  hingewiesen,  wie  derselbe  auch 
für  Gegenstände  und  Fragen  Interesse  bewies,  welche  nicht  direkt  mit 
der  klassischen  Altertumswissenschaft  zusammenhängen,  so  dafs  er  z.  B. 
wiederholt  zur  Sammlung  von  Provinzialismen  in  der  Gegend  von  Or- 
leans anregte:  Un  peu  orleanais  par  ma  uaissance  (et  j'aime  ä  m'en 
faire  honneur),  nous  disait-i),  je  ne  parcours  pas  ce  pays  saus  y  relever 
dans  la  bouche  du  peuple  quelques  -  uns  de  ces  mots  qu'ou  regrette  de 
voir  tomber  d'usage  parrai  les  gens  du  monde  poli  (S.  3). 

August  Emil  Egger,  geb.  den  18.  Juli  1813  zu  Paris,  stammte  aus 
einer  Familie,  deren  ursprüngliche  Heimat  in  der  Nähe  von  Klagenfurt 
in  Kärnthen  ist.  Ein  Freund  des  Hauses  prophezeite  dem  talentvollen  sie- 
benjährigen Knaben  eine  Pairsstelle,  welche  Weissagung  sich  nur  in  über- 
tragenem Sinn  erfüllt  hat.  Seit  1823  besuchte  er  das  College  Saint-Louis, 
zu  dessen  ausgezeichnetsten  Schülern  er  bis  1830  gehörte.  Trotz  des  To- 
des seines  Vaters,  welcher  für  die  Familie  ein  schwerer  Schlag  war,  ge- 
lang es  ihm  seine  Studien  fortzusetzen,  und  den  l.  August  1831  wurde  er 
bachelier.  Ungeachtet  der  Unterrichtsstunden,  die  er  aus  Mangel  an  Mitteln 
geben  mufste  und  zwar  in  Latein,  Griechisch  und  Französisch,  machte  er 
doch  seinen  Studieuweg  ziemlich  schnell:  licencie  27.  Juli  1832,  docteur 
27.  Juli  1833,  agrege  12.  September  1834.  Bei  dem  letzten  Akte  siegte 
er  mit  einem  lateinischen  Gedichte  in  Hexametern:  Songe  d'Ennius,  dessen 
Originalität  den  besonderen  Beifall  des  Präsidenten  Villeraain  erntete  und 
S.  127—129  des  Anhangs  abgedruckt  ist.  Für  das  Doktorexamen,  das 
er  entgegen  der  bestehenden  Übung  vor  der  agregation  machte,  hatte 
er  als  these  frangaise  gewählt:  £tude  sur  l'education,  et  particulierement 
sur  l'education  litteraire  chez  les  Romains,  depuis  la  fondation  de  Rome 
jusqu'aux  guerres  de  Sylla,  und  als  lateinische  These:  De  Archytae 
tarentini,  pythagorici  vita,  operibus  et  philosophia  disquisitio.     Er  fand 


A.  Bailly,  Notice  sur  Emile  Egger.  261 

sodann  Verwendung  am  College  Saint- Louis.  1838  bekam  er  »la  rbe- 
torique  supplementaire«  am  College  Henri  IV.  Trotz  des  kleinen  Ge- 
haltes legte  er  jetzt  schon  den  Grund  zu  seiner  später  so  überreichen 
Bibliothek. 

Der  fleifsig  weiter  studierende  Gelehrte  besuchte  in  den  folgenden 
Jahren  eine  von  M.  de  Lasteyrie  präsidierte  Societe  des  Methodes  d'en- 
seignement,  in  der  man  nach  seiner  scherzhaften  Erzählung  in  wenig  Jah- 
ren 80  Methoden  des  Lesens  behandelte.  Durch  die  Verniittelung  von  M. 
Dubois  wird  er  Mitarbeiter  des  Journal  general  de  Tlnstruction  publique. 
Besonderes  Interesse  gewannen  ihm  die  Vorträge  von  Hase  und  Boisso- 
nade  ab,  von  denen  der  erste  damals  an  der  £cole  des  langues  orien- 
tales  Neugriechisch  lehrte  und  der  zweite  damals  (1833)  seine  Publi- 
kation der  Anecdota  vollendete.  Beide  Männer  haben  einen  bedeuten- 
den Einflufs  auf  Egger  geübt. 

1844  wurde  er  suppleant  der  zweiten  Lehrkanzel  im  College  Saint- 
Louis.  Ein  grofser  Concours  desselben  Jahres  verschaffte  ihm  nach 
Ozanam  die  zweite  Stelle,  während  Berger  die  dritte  erhielt.  Das 
Urteil  lautete:  M.  Egger,  qu'un  prix  remporte  ä  l'Academie  des  inscrip- 
tions  et  belles-lettres  et  des  Services  distingues  dans  les  Colleges  de 
Paris  avaient  Signale  de  plus  pres  ä  notre  attention,  est  avant  tout  un 
philologue  tres  savaut  et  tres  habile;  mais  la  rapidite  de  sa  pensee,  la 
vivacite  de  sa  parole,  et  l'immense  avantage  qu'il  a  obtenu  dans  la  com- 
position  frangaise  qui  a  fait  partie  de  ce  concours,  prouvent  qu'il  est 
appele  ä  joindre  au  merite  de  savoir  beaucoup  le  talent  d'etre  ecoute.« 
Bis  1844  ist  er  ebenso  sehr  Hellenist  wie  Latinist,  seitdem  wendet  er 
sich  mehr  dem  Griechischen  zu.  An  der  Sorbonne  las  er  wöchentlich 
einmal  eine  legon  d'analyse  philologique  und  eine  de  critique  litteraire. 
Gegen  politische  und  andere  Streitigkeiten  verhielt  sich  unser  Gelehrter 
ablehnend;  obgleich  er  sich  über  die  Tagesereignisse  unterrichtete,  blieb 
er  doch  seinem  Berufe  als  Gelehrter  treu:  homme  de  science  il  se  re- 
servait  pour  la  science. 

Durch  seinen  Essai  sur  l'histoire  de  la  critique  chez  les  Grecs, 
womit  er  eine  Ausgabe  der  Poetik  des  Aristoteles  verband,  bahnte  er 
sich  1854  den  Weg  in  die  Akademie  oder  das  Institut,  die  Anstalt,  wo- 
nach die  stille  Sehnsucht  jedes  französischen  Gelehrten  geht.  30  Jahre 
lang  war  er  ein  aufmerksamer  Teilnehmer  bei  den  Sitzungen,  in  denen 
seine  ausgedehnte  Gelehrsamkeit  ihm  oft  Anlafs  zur  Beteiligung  bot. 
Allmählich  galt  er  bei  seinen  Kollegen  als  der  erste  und  vorzüglichste 
Philologe,  besonders  unter  den  Gräzisten:  dans  le  doraaine  special  des 
etudes  de  grammaire  et  d'antiquites ,  il  allait  devenir  comme  le  chef 
reconnu  de  toutes  les  fondations  et  de  tous  les  travaux.  Das  Jahr  1870 
vertrieb  ihn  nicht  aus  Paris;  obgleich  beinahe  60  Jahre  alt,  liefs  er  sich 
in  die  Liste  der  Veteranen  einschreiben,  denen  man  die  Bewachung  des 
Innern  von  Paris  anvertraute.     Als  sodann  nach  dem  Kriege  die  Repu- 


262  Gelehrten-  und  Schulgeschichte. 

blik  daran  ging,  ihr  ganzes  Unterrichtssystem  umzugestalten,  war  Eggers 
Name  einer  der  schwerwiegendsten  unter  den  zahlreichen  Projekten- 
raachern. 

In  dem  Schlufs  rühmt  der  Verfasser  unter  andern  guten  Eigen- 
schaften Eggers  besonders  sein  Pflichtgefühl,  seinen  Mut  im  Ertragen 
von  Leiden  des  Geistes  und  des  Körpers.  Der  sehr  umfangreiche  An- 
hang (S.  125  —  242)  hat  einen  sehr  maunichfaltigen  Inhalt:  Arbeiten 
Eggers,  darunter  auch  sein  Concours  pour  l'agregation  des  facultes 
(1840),  welcher  über  die  Oraisons  funebres  de  Bossuet  handelt,  zahl- 
reiche Briefe,  darunter  einer  von  Doctor  juris  Th.  Mommsen  aus  Altena 
vom  6.  Juni  1844,  worin  wir  Mommsen  bereits  mit  dem  Plane  des  Cor- 
pus inscriptionum  latiuarum  beschäftigt  finden.  Man  glaubt  sich  in  die 
Zeiten  des  Camerarius  und  Melanchthon  zurückversetzt,  wenn  man  da 
liest,  wie  Boissonade  und  Egger  sich  griechische  Briefe  schreiben.  Von 
deutschen  Philologen  ist  noch  Wilhelm  Freund,  der  bekannte  Verfasser 
des  lateinischen  Lexikons,  vertreten,  der  sich  bereit  erklärt,  in  dem 
von  der  französischen  Akademie  geplanten  Corpus  inscriptionum  latina- 
rum  die  Inschriften  aus  Ober-Italien,  Deutschland,  Britannien  und  ein 
Lexikon  epigraphicum  zu  übernehmen.  Auf  eine  Auswahl  aus  Eggers 
griechischen  und  lateinischen  Poesien  folgt  eine  umfangreiche  Biblio- 
graphie seiner  Arbeiten,  welche  auch  die  sehr  zahlreichen  Aufsätze  in 
Zeitschriften  und  Zeitungen  verzeichnet.  Von  den  gröfseren  Werken, 
welche  mehrere  Auflagen  erlebten,  mögen  erwähnt  sein :  Essai  sur  l'Hi- 
stoire  de  la  Critique  chez  les  Grecs,  suivi  de  la  Poetique  d'Aristote  etc. 
(zwei  Auflagen),  Notions  elementaires  de  grammaire  comparee,  pour  ser- 
vir  ä  l'etude  des  trois  langues  classiques,  conformeraent  au  nouveau  Pro- 
gramme officiel.  Paris  1852—  1880  (acht  Auflagen),  Aristote.  Poetique 
avec  des  extraits  de  la  Politique  et  des  Probleraes.  Texte  grec,  avec 
commentaires  en  fraugais  (sechs,  resp.  vier  Ausgaben),  Observations  et 
reflexions  sur  le  developpement  de  l'intelligeuce  et  du  langage  chez  les 
eufants  (vier  Auflagen),  Histoire  du  livre  depuis  ses  origines  jusqu'ä 
nos  jours  (vier  Auflagen).  Reden  und  Nekrologe  Eggers  beschliefsen 
das  lehrreiche  Werk,  das  auch  mit  seinem  Bilde  geschmückt  ist. 

Oscar  Sommer,  Gottfried  Semper.  Vortrag  gehalten  in  den 
Versammlungen  des  Architekten-  und  Ingenieur- Verein  (sie)  in  Frank- 
furt a.  M.  am  23.  XL  und  24.  XII.  1885.  Sonderabdruck  aus  der  Zeit- 
schrift für  Bauwesen.  Berlin  1886.  Verlag  von  Ernst  &  Korn  (Wil- 
helm Ernst).    Lex.  8.    45  S. 

Obgleich  ein  für  Techniker  bestimmter  Vortrag,  verdient  derselbe 
trotzdem  wegen  der  grofsen  Bedeutung  Sempers  für  die  Altertumswis- 
senschaft auch  an  dieser  Stelle  kurze  Erwähnung.  Die  Bedeutung  Sem- 
pers wird  S.  7  so  formuliert:  »Als  echter  Reformator  verwarf  er  nicht 
das  Vorhandene,  sondern  knüpfte  an  die  Weise  an,  welche  im  Volke  die 


0.  Sommer,  Gottfried  Seraper.  263 

tiefste  Wurzel  geschlagen  hatte.  Unbeirrt  durch  die  herrschenden  Moden 
und  die  Liebhabereien  einzelner  Kreise  der  Gebildeten  tritt  er  aus  in- 
nerster Überzeugung  ein  für  die  Überlieferung  des  Altertums. 
Er  erkennt  das  daraus  entstandene  wahrhaft  Grofse,  sieht  aber  zugleich, 
dafs  der  edle  Kern  bis  zur  Trockenheit  erstarrt  und  jeder  Eigenart  ver- 
lustig gegangen  ist.cr 

Von  seinem  Leben  werden  nur  die  wichtigsten  Thatsachen  mitge- 
teilt: 1803  in  Hamburg  geboren,  studiert  er  in  Göttingen  Mathematik 
und  Archäologie  und  geht  sodann  nach  Paris.  1830  führte  ihn  eine 
Studienreise  durch  Südfrankreich  nach  Italien  bis  nach  Rom,  wo  er 
länger  bleibt.  Sodann  geht  es  über  Sicilien  nach  Griechenland,  wo  er 
mit  seinem  Freunde  Gonry  die  Tempel  auf  ihre  farbige  Bemalung  unter- 
suchte und  überraschende  Entdeckungen  machte.  Die  Farbe  wurde  ihm 
zum  Schlüssel  für  das  Verständnis  griechischer  Baukunst.  Gleich  nach 
seiner  Rückkehr  nach  Deutschland  entstand  sein  Werk:  »Bemerkungen 
über  vielfarbige  Architektur  und  Skulptur  bei  den  Alten«.  Direktor 
der  Bauakademie  in  Dresden  geworden,  schafft  er  eine  grofse  Anzahl 
hervorragender  Werke,  darunter  auch  die  Bühnendekoration  zur  Anti- 
gene. Die  Revolution  des  Jahres  1848  trieb  ihn  ins  Ausland,  bis  er 
1855  an  das  Polytechnikum  nach  Zürich  berufen  wurde.  Als  seine  wich- 
tigste That  in  dieser  Stadt  wird  sein  Buch  »der  Stil  oder  praktische 
Ästhetik«  bezeichnet.  Schon  68  Jahre  alt,  wird  er  1871  als  Oberbau- 
rat zum  Neubau  der  Hofmuseen  und  des  Hofschauspielhauses  nach  Wien 
berufen.  1879  starb  er  in  Rom.  »Semper  machte  auf  jeden,  der  ihn 
kennen  lernte,  den  Eindruck  einer  bedeutenden  Persönlichkeit.  Es 
paarte  sich  in  ihm  ein  eigentümliches  Gemisch  von  Herbheit  und  Lebens- 
frische ;  oft  war  er  hypochondrisch,  stets  leidenschaftlich  und  bis  in  sein 
hohes  Alter  voll  künstlerischen  Feuers  und  schöpferischer  Kraft«. 

In  einem  zweiten  Abschnitte  »Sempers  Anschauungen  und  Lehr- 
ansichten« wird  eine  Übersicht  derselben  gegeben.  Ausgehend  von  dem 
Gedanken,  dafs  der  Einflufs  der  Antike  auf  alle  unsere  Verhältnisse  eine 
unbestrittene  Thatsache  ist,  fragt  er,  welche  Wege  einzuschlagen  seien. 
Die  Antwort  darauf  ist  deshalb  nicht  so  einfach,  weil  man  auf  das  Klima 
und  selbst  die  Sitten  des  Landes  Rücksicht  nehmen  mufste.  In  jedem 
Werke  der  Baukunst  sah  er  noch  etwas  mehr  als  ein  blofses  Baugerüst; 
er  sah  in  demselben  »eine  Wesenheit,  die  wie  eine  Pflanze  als  etwas  Ge- 
wachsenes erscheinen  mufste.« 

Eine  besondere  Bedeutung  hat  die  Stillehre,  deren  Gegenstand 
das  Entstehen  des  Schönen  in  der  Kunst  ist.  Stil  bei  einem  Kunst- 
werke heifst:  1.  Das  Erreichen  des  Zweckes  durch  die  Kunst gedanken. 
2.  Das  Anpassen  der  Grundgedanken  an  den  Stoff  in  Beziehung  auf 
die  waltenden  Naturkräfte.  3.  Die  organische  Gesetzmäfsigkeit  der 
Elemente  oder  einzelnen  Teile  und  das  Zusammenpassen  und  entspre- 
chende Bei-  und  Unterordnen  derselben.    4.  Die  dem  Stoff  angemessene 


264  Gelehrten-  und  Schulgeschichte. 

Behandlung  durch  die  technischen  Hülfsmittel  bei  Verkörperung  des 
Gedankens. 

Eine  klare  Zusammenfassung  der  Semperschen  Gedanken  findet 
Sommer  deshalb  schwierig,  weil  dessen  schwerfällige,  zopfige  Schreib- 
weise einem  solchen  Bestreben  trotz  der  Folgerichtigkeit  des  Inhaltes 
im  Wege  steht. 

Die  beiden  nächsten  Abschnitte:  »Welche  Schlüsse  zog  nun  Sem- 
per  aus  dieser  seiner  Lehre  für  uns  und  für  die  Zukunft  unserer  Bau- 
kunst?« und  »Sempers  Einflufs«  liegen  aufserhalb  der  hier  gestellten 
Aufgabe. 

Caroli  Julii  Caesaris  vitae  memoria  a  Leopoldo  Schmidtio 
conscripta  (Index  lectionum  der  Universität  Marburg  für  das  Winter- 
semester 1886  auf  1887.    4).     16  S. 

Für  die  Kenntnis  des  früheren  Lebens  von  Caesar  druckt  Schmidt 
das  Curriculum  vitae  ab,  mit  welchem  Caesar  1837  sich  um  den  Doktor- 
grad und  die  Venia  legendi  in  Marburg  bewarb.  Darnach  ist  er  1816 
in  Cassel  geboren,  absolvierte  das  Lyceum  Fridericianum  und  studierte 
seit  Frühling  1833  in  Marburg,  anfangs  Theologie  und  Philologie,  später 
nur  Philologie,  unter  Leitung  von  K.  Fr.  Hermann,  Hupfeld,  Kling, 
Sengler  etc.  1835  ging  er  nach  Göttingen  und  hörte  bei  Müller, 
Leutsch,  Herbart  und  Jakob  Grimm.  1836  bestand  er  das  Examen  als 
Kandidat  des  höheren  Lehramtes  und  erhielt  1837  die  Venia  legendi 
an  der  Universität  Marburg,  nachdem  K.  Fr.  Hermann  geurteilt  hatte, 
Caesars  Dissertation  »als  glänzendes  specimen  eruditionis  und  rühm- 
lichen Beweis  gesunden  Urteils  und  gründlichen  Forschens  unbedingt  zu 
approbieren«.  Nach  einem  Jahre,  das  er  mit  Studien  beschäftigt  zu 
Cassel  verbrachte,  trat  er  seine  Lehrthätigkeit  1838  in  Marburg  an. 
1842  wurde  er  extraordinarius ,  1853  Gehilfe  des  Direktors  des  philo- 
logischen Seminars,  1863  Ordinarius  und  im  gleichen  Jahre  auch  Di- 
rektor des  philologischen  Seminars.  Schon  seit  1848  war  er  auch  an 
der  Bibliothek  thätig,  seit  1882  Oberbibliothekar.  Zugleich  war  er  im 
Laufe  der  Jahre  Mitglied  verschiedener  Kommissionen. 

Sodann  bespricht  Schmidt  eine  Anzahl  Arbeiten  Caesars,  unter 
denen  neben  den  eigentlich  philologischen  sich  auch  einige  auf  die  Uni- 
versitäten und  ihre  Geschichte  bezüglichen  finden:  Die  Universität  als 
Genossenschaft  (1865),  die  Universität  Marburg  als  Stiftung  Philipps  des 
Grofsmütigen  (1867),  Christian  Wolff  in  Marburg  (1879).  Ein  vollstän- 
diges Verzeichnis  der  Arbeiten  Caesars  ist,  wie  Schmidt  ausdrücklich 
bemerkt,  nicht  beigegeben.  Der  Abdruck  der  Adresse,  womit  die  Uni- 
versität Marburg  im  Jahre  1886  den  70.  Geburtstag  Caesars  feierte,  be- 
schliefst das  kurze  pietätsvoll  geschriebene  Lebensbild. 


G.  K{inkel),  Erinnerungfln  an  H.  Köchly.  265 

G.  K(inkel),  Erinnerungen  an  Hermann  Köchlys  Thätigkeit  in 
Zürich  ( Zürcher  akademisches  Taschenbuch  für  1886/87.  Nach  offi- 
ziellen Quellen  bearbeitet  von  Rudolphi  und  Klemm.  S.  1  —  10). 

Dieser  kurze  Aufsatz  eines  Schülers  des  bekannten  Philologen 
giebt  eine  knappe  Übersicht  über  Köchlys  Thätigkeit  von  1849  bis  1864, 
d.  h.  von  seiner  Berufung  nach  Zürich  bis  zu  seiner  Übersiedelung  nach 
Heidelberg.  Erziehungsdirektor  Alfred  Eschers  Verdienst  bleibt  es,  den 
tüchtigen  Mann  aus  der  grofsen  Zahl  von  Bewerbern  um  die  Professur 
Orellis  herausgetunden  zu  haben.  Es  hätte  der  Arbeit  K.'s  nicht  zum 
Nachteil  gereicht,  wenn  er  auch  Einiges  über  die  vorzüricherische  Pe- 
riode seines  Lehrers  gesagt  hätte,  die  keineswegs  so  unbedeutend  war, 
wie  man  nach  dem  Schlufs  des  Aufsatzes  vermuten  könnte.  Wir  ver- 
weisen den  Verfasser  dafür  auf  die  letzten  Abschnitte  in  Paulsens  Ge- 
schichte des  höheren  Unterrichts. 

"Wenig  erfreulich  ist  S.  2,  wo  es  K.  für  notwendig  erachtet,  die 
badischen  Seminaristen,  ihre  philologische  Vorbildung  und  ihre  Tüchtig- 
keit herabzusetzen,  um  die  Züricher  Seminaristen,  zu  denen  der  Ver- 
fasser natürlich  selbst  gehört  hat,  in  einem  desto  helleren  Lichte  er- 
scheinen zu  lassen.  Wedn  daselbst  angeführt  wird,  dafs  »Bentley  und 
Hofmann  Peerlkamp  offenbar  unbekannte  Gröfsen  in  diesen  Kreisen« 
waren,  so  darf  man  fragen,  was  er  mit  diesen  Kreisen  meint.  Etwa  die 
eben  von  der  Schule  gekommenen  Füchse  des  Seminars?  Oder  viel- 
leicht die  gereifteren  Schüler  Kaysers,  Bährs  und  Starks?  Dafs  die 
ersteren  die  bekannten  und  um  Horaz  hoch  verdienten  Philologen  nicht 
kannten,  beweist  nur,  dafs  ihnen  Horaz  auf  der  Schule  so  ausgelegt 
worden,  wie  es  für  dieselbe  schicklich  ist.  Wenn  aber  ein  Ignorant, 
der  bei  Kayser  hörte,  Bentley  und  Horaz  nicht  kannte,  dann  ist  es 
jedenfalls  unberechtigt,  weitere  Schlüsse  allgemeinerer  Art  daraus  zu 
ziehen. 

Wenn  uns  aber  K.  glauben  machen  will,  dafs  solche  Versehen 
»in  Zürich  absolut  nicht  vorkommen«,  wie  er  sie  karrikierender  Weise 
aus  dem  Heidelberger  Seminar  berichtet,  so  wird  er  uns  vielleicht 
einige  Zweifel  gestatten.  Der  Schreiber  dieser  Zeilen  gehört  zu  den 
dankbaren  Schülern  Köchlys  aus  seiner  Heidelberger  Zeit,  die  in  Baden 
nicht  so  ganz  selten  sind,  und  bedauert,  dafs  Kinkel  diesen  Nachruf 
benützte,  um  allerlei  über  die  Heidelberger  Thätigkeit  Köchlys  zu 
behaupten ,  was  zum  mindesten  sehr  anfechtbar  ist.  Eine  gröfsere 
Objektivität  wäre  dem  Aufsatz  gewifs  ebensosehr  zu  statten  gekom- 
men, wie  wenn  der  Verfasser  seine  Darstellungsweise  etwas  besser  ab- 
gerundet hätte. 

Aus  der  Flut  von  Litteratur,  welche  der  gegenwärtige  Kampf 
auf  dem  Gebiet  des  höheren  Schulwesens  erzeugt,  wurden  mir 
folgende  Schriften  zugänglich: 


266  Gelehrten-  und  Schulgeschichte. 

Rektor  Dr.  Herapfing,  Die  grofse  Zahl  der  Abiturienten  der 
höheren  Lehranstalten  und  die  viel  gröfsere  Zahl  der  Schüler,  welche 
den  Kursus  nicht  vollenden,  nötigen  bei  den  gegenwärtigen  wirtschaft- 
lichen Verbältnissen  unseres  Volkes  zu  einer  andern,  auch  pädago- 
gisch zweckmäfsigeren  Folge  der  fremden  Sprachen  ira  Unterricht. 
(Beil.  z.  Progr.  des  Realprogymnasiums  zu  Marburg.  Marburg  1886. 
Progr.  No.  384.  28  S.). 

Der  Verfasser,  welcher  sine  ira  et  studio  schreiben  will  und  eine 
ziemliche  Litteratur  der  Frage  beherrscht,  schildert  die  gegenwärtig 
herrschenden  Zustände  und  kommt  zu  dem  Resultate,  dafs  96  Prozent 
der  gegenwärtigen  Schüler  nach  einem  Lehrplan  unterrichtet  werden, 
bei  welchem  auf  ihren  späteren  Beruf  keine  Rücksicht  genommen  wird. 
Von  den  vorgeschlagenen  Mitteln  zur  Abhilfe  weist  er  aufs  entschieden- 
ste den  ab,  »dafs  nur  derjenige  Schüler  die  Berechtigung  zum  Einjährig- 
Freiwilligen -Militärdienst  erhalten  soll,  welcher  das  Maturitätsexamen 
bestanden  hat«.  Dadurch  würde  die  ohnehin  schon  hohe  Zahl  der  Stu- 
dierenden noch  erhöht  und  dem  praktischen  Leben  manche  tüchtige 
Kraft  entzogen  werden.  Er  sieht  das  Heil  vielmehr  in  einer  andern 
Ordnung  des  fremdsprachlichen  Unterrichtes:  Sexta  und  Quinta  nur 
Französisch,  in  Quarta  kommt  das  Englische  hinzu.  In  Tertia  tritt 
Latein  mit  acht  bis  neun  Stunden  ein,  während  Französisch  und  Eng- 
lisch jetzt  einige  Stunden  verlieren.  Untersekunda  verschafft  das  Reife- 
zeugnis wie  bisher.  Erst  nach  Abgang  der  NichtStudierenden  beginnt 
sodann  mit  Obersekunda  das  Griechische. 

S.  Die  Reform  unserer  Gymnasien  nach  jesuitischer  Anschauung 
(Preufs.  Jahrbb.  Bd.  57  (1886)  S.  138-166). 

Der  Aufsatz  ist  eine  scharfe  und  eingehende  Kritik  der  Schrift 
des  Jesuitenpaters  G.  M.  Pachtler  »die  Reform  unserer  Gymnasien« 
(Paderborn  1883).  Bezüglich  der  vorgeschlagenen  Urawaudelung  des 
Lehrplans  kommt  der  anonyme  Verfasser  zu  dem  Resultate:  »Fassen 
wir  die  Ergebnisse  unserer  Ausführungen  in  kurzen  Worten  zusammen, 
so  erscheinen  als  die  charakteristischsten  und  zugleich  abstofsendsten 
Züge  des  Bildes,  welches  Pachtler  nach  dem  Modell  der  Jesuitenschuleu 
von  dem  Gymnasium  der  Zukunft  entwirft:  der  dürftige  Religionsunter- 
richt, die  vollständige  Vernachlässigung  der  deutscheu  Sprache  und 
Litteratur,  ferner  in  der  Geschichte  die  gedächtnifsmässige  Behandlung 
auf  den  unteren  Stufen  und  der  Mangel  des  vaterländischen  Gesichts- 
punktes, endlich  die  mechanische  Dressur  des  Gymnasiasten  zur  cicero- 
nianischen  Eloquenz  und  des  Lyceisten  durch  die  scholastische  Philoso- 
phie.« Ebenso  lehnt  der  Kritiker  die  Vorschläge  Pachtlers  über  die 
Heranbildung  der  Lehrer  ab. 


P.  Otto,  Die  höhere  Einheitsschule  267 

Oberlehrer  Paul  Otte,  Die  höhere  Einheitsschule,  eiu  Rückblick 
auf  die  seit  1873  gemachten,  in  Plänen  niedergelegten  Vorschläge 
und  Versuche  (Beil.  zum  32.  Jahresbericht  des  Realgymnasiums  zu 
Potsdam  1886.    4.    16  S.    Progr.  No.  103). 

Die  Arbeit  ist  eine  Ergänzung  zu  der  bei  Heuser  in  Neuwied  er- 
schienenen Broschüre  »Das  Gesamtgymnasium«  vom  gleichen  Verfasser. 
Er  will  wenigstens  die  wichtigsten  und  mit  ausführlichen  Plänen  ver- 
bundenen Vorschläge  durchmustern  und  auf  ihre  praktische  Brauchbar- 
keit hin  prüfen.  Der  Deutlichkeit  halber  sind  diese  Pläne  durch  Über- 
sichtstabellen veranschaulicht.  Die  vorgeführten  Vorschläge  rühren  her 
von  Eduard  von  Hartmann,  Laas,  L.  Vieweger,  Reisacker,  Fritsche, 
Ostendorf,  Vollhering  und  Nohl. 

Direktor  Lang  hoff,  Beitrag  zur  Klärung  des  Urteils  über  die 
höheren  Schulen  in  Preufsen  und  Deutschland  und  ihre  Berechtigun- 
gen (Beil.  zum  vierten  Jahresbericht  der  städtischen  Ober-Realschule 
zu  Potsdam.     Potsdam  1886.    4.    20  S.    Progr.  No.  104). 

Der  Verfasser,  welcher  S.  20  versichert,  seine  Gedanken  seien 
das  Ergebnis  langjähriger  Erfahrungen,  Beobachtungen  und  Reflexionen, 
bespricht  im  ganzen  in  ruhiger  Weise  folgende  Schulen :  Gymnasien, 
Real -Gymnasien,  Ober-Realschulen  und  die  höheren  Schulen  mit  sechs- 
bis  siebenjährigem  Kurs.  Bezüglich  der  Gymnasien  kommt  er  zu  dem 
Resultate,  dafs  man  ihre  Berechtigungen  beschränken  müsse,  da  sie 
für  manche  Fächer  keine  genügende  Vorbereitung  zu  geben  vermögen. 
Aber  auch  das  Streben  der  Real -Gymnasien  nach  vollständiger  Gleich- 
berechtigung mit  den  Gymnasien  scheint  ihm  aus  dem  gleichen  Grunde 
ungerechtfertigt.  Die  Ober-Realschulen  können  sich  nur  dann  erhalten, 
wenn  ihre  Berechtigungen  wesentlich  erweitert  werden.  Durch  eine 
Ergänzungsprüfung  im  Latein  (!)  sollen  sie  alle  Berechtigungen  des 
Realgymnasiums  erlangen  können.  —  Vgl.  dazu  Berliner  Philol.  Wochen- 
schrift VI  (1886)  No.  11.  S.  323. 

Prof.  Dr.  Buchen  au,  Die  höheren  deutschen  Knabenschulen. 
Bedenken  und  Wünsche  (Beilage  zum  Progr.  der  Realschule  beim 
Doventhor  zu  Bremen.     Bremen  1886.     Progr.  No.  659.  23  S.). 

Der  Verfasser  vertritt  den  Gedanken  der  Einheitsschule,  zuerst 
dreijährigen  Elementarunterricht,  dann  Beginn  des  gelehrten  Unter- 
richts mit  Französisch  (drei  Jahre  sechs  bis  acht  Stunden),  dann  erst 
Lateinisch  oder  Englisch  nach  Wahl  der  Eltern;  »aller  übrige  Unter- 
rieht  bleibt  gemeinsam«.  Diese  Schule,  die  eigentliche  Einheitsschule, 
giebt  die  Berechtigung  zum  Einjährig- Freiwilligen-Dienst.  In  ihr  soll 
von  Überbürdung  nicht  die  Rede  sein  können.  An  die  Einheitsschule 
schliefsen  sich  für  die,  welche  eine  höhere  Bildung  erstreben,  Schulen 


268  Gelehrten-  und  Schulgeschichte. 

von  dreijähriger  Dauer:  Das  sprachliche  Gymnasium  mit  Latein  und 
Griechisch  und  ein  bis  zwei  Stunden  Französisch,  das  Realgymnasium 
mit  Latein,  Französisch  und  Englisch,  und  die  Oberrealschule  (ohne 
neue  Fremdsprache)  mit  Mathematik,  Naturwissenschaften,  Zeichnen. 
Wenn  der  Verfasser  weiter  fährt:  »Welche  Lust  müfste  es  sein,  in  sol- 
chen Schulen  zu  unterrichten,  welche  nur  strebsame  junge  Leute  ohne 
alle  »Berechtigungsjäger«  als  Schüler  zählen!«  so  dürfte  vermutlich  auch 
im  Falle  der  Verwirklichung  dieses  Planes  Ideal  und  Wirklichkeit  immer 
noch  auseinander  liegen. 


Jahresbericht   über  römische    Geschichte   und 
Chronologie  für  1886. 

Von 

Geh.  Obersrhiilrat  Dr.  Hermann  Scliiller, 

Gymuasial-Direktor  und  Universitäts- Professor  in  Giefsen. 


1.  Zusammenfassende  Darstellungen. 

Edw.  A.  Freeraan,  The  chief  periods  of  european  history.  Six 
Lectures,  With  un  essay  on  Greek  cities  under  Roman  rule.  Lon- 
don 1886. 

Der  Verfasser  ist  bestrebt  in  England,  wo  noch  vielfach,  nament- 
lich auf  dem  Gebiete  der  mittelalterlichen  Geschichte,  recht  veraltete 
Anschaiumgen  bestehen,  richtigere  zu  verbreiten.  Von  den  sechs  Vor- 
lesungen, welche  in  dem  Buche  enthalten  sind,  gehören  in  den  Jahresbe- 
richt nur  die  zweite  bis  sechste.  In  der  zweiten  wird  in  grofsen  Zügen 
geschildert,  wie  Rom  das  Haupt  Europas  wurde;  mau  wird  nichts  We- 
sentliches von  den  Ergebnissen  der  neueren  Forschung  vermissen,  aber 
auch  kaum  Neues  finden;  das  Verdienst  liegt  in  der  prägnanten  und 
pikanten  Zuspitzung.  Am  besten  ist  die  dritte  Vorlesung,  welche  Roms 
Verhältnis  zu  den  nun  in  der  Geschichte  auftretenden  Stämmen,  vor 
allen  zu  den  Germauen,  schildert.  Mit  der  Lösung  der  Frage,  wann 
der  Verfall  des  Reiches  beginnt,  kann  man  sich  wohl  einverstanden  er- 
klären —  nicht  476  — ,  doch  wird  zuviel  bei  dem  Leser  vorausgesetzt. 
Die  Bedeutung  der  Kirche  in  diesem  Prozesse  ist  nicht  klargestellt.  Be- 
züglich der  Wirkungen  der  germanischen  Invasionen  wird  zu  wenig  ge- 
schieden zwischen  den  Aufsenlandschaften  und  den  alten  Kulturländern, 
wo  doch  die  Wechselwirkung  ganz  verschieden  war.  Bei  der  in  der 
vierten  Vorlesung  erörterten  Reichsteiluug  ist  das  staatsrechtliche  Ver- 
hältnis des  vierten  und  fünften  Jahrhunderts  nicht  so  scharf  geschieden, 
wie  wir  dies  Dank  Mommsens  Arbeiten  gewohnt  sind.  Auch  vermifst 
man  ungern  eine  Erörterung  der  mutmafslichen  Ursachen,  welche  die 
prinzipiell   festgehaltene    Reichseinheit   vernichteten.     Die  Autschlüsse, 


270  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

welche  in  der  vierten  Vorlesung  über  die  Nachwirkungen  des  römischen 
Reiches  gegeben  werden,  sind  nicht  befriedigend,  namentlich  wird  die 
Zeit,  wann  man  im  Westen ,  wann  im  Osten  die  letzten  Nachwirkungen 
anzusetzen  habe,  nicht  in  irgend  fruchtbarer  Weise  entschieden.  Inter- 
essant ist  die  Zusammenfassung  der  Nachwirkungen  selbst,  wo  wieder 
die  pikant  parallelisierende  Darstellung  äufserst  anziehend  ist.  Die 
letzte  Vorlesung  schildert  an  dem  Stande  der  modernen  Welt  die  grofsen 
Wandlungen,  welche  die  römische  durchzumachen  hatte,  ehe  sie  in  jene 
überging.  In  einem  Anhang  wird  die  Lage  der  griechischen  Städte 
unter  dem  römischen  Regimente  betrachtet,  nach  Marquardt  nur  eine 
Nacharbeit  ohne  wissenschaftlichen  Wert. 

V.  Casagrandi,    Lo    Spirito    della   storia    d'occidente.     Parte  I, 
Medio  evo.     Genova  188G. 

Von  diesem  Buche  gehören  nur  die  drei  ersten  Kapitel  in  den 
Jahresbericht.  Besonders  tiefe  Erfassung  des  Geistes  der  abendländi- 
schen Geschichte  zeigt  der  erste  Satz  gerade  nicht:  L'Evo  Medio  inco- 
mincia  con  la  caduta  dell  Impero  d'Occidente  ncl  476  e  termina  con 
quella  dell'  Impero  d'Oriente  nel  1453.  Ist  schon  der  erste  Termin  von 
V.  Gutschmidt,  Ebert  u.  a.  als  unzutreffend  erwiesen  worden,  so  gilt 
dies  noch  beinahe  in  höherem  Mafse  von  dem  zweiten.  Und  was  soll 
sich  Jemand  dabei  denken,  wenn  er  erfährt,  dafs  im  Altertum  absolut 
die  physische  Gewalt  herrscht,  die  danach  strebt,  unbegrenzte  Räume 
zu  umfassen,  während  im  Mittelalter  auch  die  physische  Gewalt  heiTscht, 
aber  nicht  absolut,  weil  sie  schon  mit  dem  Geiste  kämpft,  der  sich  der 
absoluten  Herrschaft  über  weite  Räume  widersetzt?  Im  zweiten  Kapitel 
wird  der  Einflufs  dargelegt,  den  Germanen-  und  Imperatorentum  auf 
einander  übten ,  ohne  dafs  man  irgend  Neues  erfährt.  Das  dritte  Ka- 
pitel giebt  die  Geschichte  der  ersten  Epoche  des  Mittelalters  (476  bis 
800)  —  die  Versuche  der  Reichsrestauration  durch  die  Barbaren.  Auf 
die  Invasion  der  Heruler  folgt  zunächst  14  Jahre  lang  Ruhe,  da  die 
Germanen  ihre  Eroberungen  gegenseitig  respektieren;  Ostrom  hält  sich 
notgedrungen  ruhig  ,  giebt  aber  seine  Ansprüche  auf  den  Westen  nicht 
auf.  Durch  das  römische  Papsttum  wird  der  Gedanke  des  Ersatzes 
der  physischen  Vereinigung  der  Staaten  durch  eine  geistige  geschaffen, 
deren  Leitung  Rom  haben  soll.  Dazu  trug  Odovakar  bei,  indem  er  den 
römischen  Bischof  als  Haupt  aller  Kirchen  anerkanute ;  der  Verfasser 
wird  schwerlich  in  der  Lage  sein,  diese  so  generell  hingestellte  Behaup- 
tung zu  erweisen;  darum  ist  auch  sein  Schlufs  unrichtig.  Eher  kann 
man  den  zweiten  Teil  seiner  Ausführungen  gelten  lassen,  dass  Odovakar 
mit  seinen  Eroberungen  in  Dalmatien,  Pannonien  und  Norikum  die  alte 
Vorstellung  des  Universalreiches  wieder  belebt  habe.  Der  grofse  Theo- 
derich erkennt,  dafs  diese  Weltherrschaft  ohne  Mitwirkung  Roms  und 
Italiens  nicht  möglich  ist;  aber  er  bedachte  nicht,  dafs  eine  solche  Mit- 


1.  Zusammenfasseude  Darstellungen.  271 

Wirkung  das  Natiönalgefühl  lebhaft  erwecken  mufste;  daraus  entstanden 
die  Kämpfe,  welche  der  Ostgotenherrschaft  ein  Ende  machten  und  dem 
oströmischen  Kaiser  ermöglichten  seine  Pläne  einer  Weltherrschaft  zu 
verwirklichen.  Die  Ost-  und  Westgoten,  die  Franken,  die  Burgunder 
zeigen  zwar  noch  die  Wirksamkeit  des  alten  Prinzips  der  physischen 
Gewalt,  aber  sie  ordnen  sich  doch  der  römischen  Kultur  unter  und  ge- 
wöhnen sich  im  römischen  Bischof  das  Haupt  der  Kirche  zu  sehen.  Am 
längsten  widerstanden  die  Longobarden  der  latinischen  Civilisation,  wel- 
che sie  zwei  Jahrhunderte  von  sich  fern  zu  halten  vermochten.  Aber 
gerade  dadurch  trugen  sie  zur  Befestigung  des  Papsttums  bei,  das  in 
dieser  Zeit  sein  Programm  feststellte:  1)  ein  weltliches  Herrschaftsge- 
biet, 2)  die  geistige  Ei'oberung  der  Welt,  3)  Erhaltung  der  alten  Supre- 
matie Roms,  4)  Übergang  der  Weltstadt  und  der  Suprematie  an  die 
Päpste. 

Das  Buch  wird  zunehmend  interessanter  und  stellt  die  geschicht- 
lichen Probleme  klar  und  vollständig  hin. 

P.  Guiraud  et  G.  Lacour-Gayet,  Histoire  romaine  depuis  la 
fondation  de  Rome  jusqu'a  l'invasion  des  barbares.    Paris  1885. 

Das  Buch  ist  ein  Schulbuch  und  enthält  auf  beinahe  500  Seiten 
die  ganze  römische  Geschichte.  Wenn  man  auch  davon  absieht,  dafs 
das  Buch  nach  unseren  Vorstellungen  von  einem  Schulbuche  absolut  un- 
brauchbar ist,  so  kann  man  doch  nicht  einsehen,  wozu  die  Angaben  über 
Quellen  und  moderne  Bearbeitungen  dienen  sollen,  welche  die  Einleitung 
enthält.  Dafs  die  französischen  Gymnasiasten  so  viel  wissenschaftlicher 
sein  sollen  als  die  deutschen,  ist  nicht  anzunehmen.  Wären  sie  es  aber, 
so  würden  sie  mit  diesen  Angaben  nicht  viel  anfangen  können.  Die 
Darstellung  der  römischen  Geschichte  bewegt  sich  in  den  gewöhnlichen 
Bahnen.  Dies  ist  namentlich  für  die  Kaisergeschichte  verfehlt,  wo  die 
Regierungen  der  unbedeutendsten  Kaiser  mit  dem  bekannten  Auekdoten- 
klatsch  gegeben  sind,  während  die  wirklich  bedeutenden  zu  wenig  her- 
vortreten. Doch  vielleicht  ist  dies,  der  Geschichte  des  Herrn  Duruy 
zuliebe,  im  officiellen  Programm  vorgeschrieben.  Im  Einzelnen  begeg- 
nen wir  vielfach  veralteten  und  wissenschaftlich  als  unrichtig  erwiesenen 
Angaben,  speciell  in  der  Kaiserzeit. 

Iginio  Gentile,  Storia  Romana  delle  origini  di  Roma  alla  ca- 
duta  deir  irapero  d'Occidente.  Compendio  ad  uso  delle  scuole  secon- 
dane.    Milano   1885. 

Ein  sehr  umfangreiches  Schulbuch,  dessen  Bewältigung  man  sich 
in  einem  deutschen  Gymnasium  nicht  vorstellen  könnte.  Die  Darstel- 
lung ist  anziehend,  die  Kenntnis  der  historischen  Fragen  meist  befriedi- 
gend. Nur  die  Kaisergeschichte  hat  wenig  Nutzen  aus  den  neueren  For- 
schungen gezogen :  sie  ist  eigentlich  veraltet. 


272  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

W,  Ihne,  Römische  Geschichte.    Sechster  Band.    Der  Kampf  um 
die  persönliche  Herrschaft.     Leipzig  1886. 

Der  sechste  Band  führt  uns  in  die  interessanteste  Periode  der 
römischen  Geschichte,  in  die  Vorbereitungsepoche  der  Monarchie.  Die 
demokratische  Neugestaltung  des  Staates,  welche  die  Gracchen  ver- 
sucht hatten,  war  gescheitert;  die  Restauration,  welche  Sulla  vom  aristo- 
kratischen Standpunkte  unternommen  hatte,  konnte  bei  der  Zersetzung 
des  römischen  Adels  und  der  Haltlosigkeit  des  Senats  kein  besseres 
Schicksal  haben,  und  so  konnte  die  alte  republikanische  Form  des  Staates 
weder  in  der  einen  noch  in  der  anderen  Form  fortbestehen.  Durchgrei- 
fende Versuche,  die  Republik  durch  Neugestaltung  zu  sichern,  wurden 
nicht  mehr  gemacht,  und  an  die  Stelle  von  reformierenden  Staatsmän- 
nern treten  jetzt  solche,  welche  auf  die  Begründung  ihrer  persönlichen 
Macht  ausgehen  und  die  alten  Parteinamen  und  Parteibestrebungen  nur 
als  Mittel  und  Vorwand  zu  ihren  Zwecken  persönlichen  Ehrgeizes  oder 
niederer  Habgier  benutzen.  Das  wesentlichste  Übel  ist  dem  Verfasser 
der  innere  Zwist  und  die  Zerfahrenheit  des  Beamtentums,  die  nur  durch 
die  erdrückende  Übermacht  eines  Einzelnen,  wie  Sulla,  oder  durch  Coa- 
litionen  gebändigt  und  in  eine  einheitliche  Regierung  verwandelt  werden 
konnten.  Hierin  liegt  für  ihn  die  geschichtliche  Notwendigkeit  der  Ver- 
bindungen der  Parteihäupter  wie  Pompeius,  Crassus,  Caesar,  die  durch 
die  Not  der  Zeit  gewissermafsen  gerechtfertigt  und  von  ihr  ins  Leben 
gerufen  waren. 

Von  den  Gegnern,  durch  deren  Niederwerfung  Pompeius  empor- 
kam ,  wird  Sertorius  von  Ihne  staatsmännisches  Talent  abgesprochen ; 
er  gilt  für  einen  kühnen  Abenteurer,  für  einen  vaterlandslosen  Condot- 
tiere.  Aber  dazu  stimmen  doch  manche  Züge  nicht,  die  auch  Ihne  an- 
erkennt ;  ein  solcher  hätte  nicht  auf  die  plaumäfsige  Romanisierung 
Spaniens  seine  Anstrengungen  gerichtet.  Mit  entschiedener  Vorliebe 
wird  das  Bild  des  Lucullus  gezeichnet;  dadurch  erscheint  er  doch  be- 
deutender, als  er  war.  Als  ein  Gradmesser  der  sittlichen  Zustände 
wird  der  Prozefs  des  Cluentius  ausführlich  geschildert;  aber  es  ist  im- 
merhin bedenklich  eine  Advokatenrede  in  dieser  Weise  zu  generalisieren, 
wenn  auch  Ihne  selbst  meint  »es  könne  sonst  nicht  immer  so  schlimm 
hergegangen  sein«.  Auch  Cicero  wird  gerettet:  »Ein  Mann,  der  eine 
solche  Rolle  gespielt  hat,  gehört  zu  den  Gröfsten  seines  Volkes«;  wir 
fürchten,  auch  hier  hat  sich  Ihne  von  dem  Gegensatze  gegen  Mommsen 
zu  weit  führen  lassen;  schon  seine  Zeitgenossen  haben  über  den  Men- 
schen Cicero  anders  geurteilt;  und  was  er  selbst  im  Verlaufe  seiner 
Darstellung  über  ihn  vorbringt,  ist  nicht  geeignet,  in  Cicero  einen 
grofsen  Mann  zu  erweisen.  In  diesem  Zusammenhang  wird  der  Prozefs 
gegen  Verres  ausführlicher  behandelt,  als  er  verdient.  Zu  Gunsten 
Catilinas   wird    alles   vorgebracht,    was  gesagt   werden  kann;    natürlich 


1.  Zusammenfassende  Darstellungen.  273 

bleibt  auch  so  noch  genug,  um  ihn  zum  moralischen  Ungeheuer  zu 
stempeln;  das  Verhalten  Ciceros  der  catilinarischen  Verschwörung  gegen- 
über wird  meines  Erachteus  zu  hyperkritisch  behandelt  und  der  eigenen 
Hypothese  gegenüber  der  Überlieferung  zu  grofse  Bedeutung  gegeben. 
Ob  man  in  dem  schliefslichen  Urteile  Pompeius  das  Schicksal  zeigen 
wollte,  das  aller  Revolutionäre  warte,  mufs  dahingestellt  bleiben;  be- 
stätigt durch  die  Folgezeit  wird  es  wenigstens  nicht. 

Die  Verbindung  Cäsars  mit  Pompeius  und  Crassus  entwickelte  sich 
nach  Ihue  naturgemäfs  und  mit  Notwendigkeit  aus  der  römischen  Ver- 
fassung. Sie  war  eigentlich  nur  eine  Rückkehr  zu  der  Form,  in  wel- 
cher anfänglich  die  Staatsgewalt  in  den  Händen  einiger  Magistrate  ver- 
einigt war.  Bei  Cäsars  Übernahme  des  gallischen  Krieges  wird  die  von 
Drumann  u.  a.  ihm  beigelegte  Absicht,  sich  dort  ein  Heer  heranzubilden 
und  sich  damit  zum  Herrscher  Roms  zu  machen,  wohl  mit  Recht  be- 
stritten: die  Vorbereitung  durch  einen  achtjährigen  Krieg  wäre  ein  be- 
denklicher und  unnötiger  Umweg  gewesen.  Bei  der  Darstellung  der 
Wahlen  im  Jahre  55  findet  sich  folgender  Passus:  »Der  Tod  der  Julia, 
die  später  nach  einem  Wochenbette  starb,  war  vielleicht  zum  Teil  die 
Folge  ihrer  durch  diese  (bei  den  Wahlen  erfolgte)  Fehlgeburt  geschwäch- 
ten Gesundheit,  und  der  Bruch  zwischen  Pompeius  und  Cäsar,  der  durch 
diesen  Tod  wenn  auch  nicht  herbeigeführt,  so  doch  erleichtert  wurde, 
hängt  also  durch  eine  Kette  von  Ursachen  und  Wirkungen  mit  den  fre- 
chen Willkürhandlungen  zusammen,  welche  sich  die  Triumvirn  zur  Errei- 
chung ihrer  Zwecke  erlaubten«.  Heifst  das  nicht  den  »Finger  Gottes« 
doch  gar  zu  gewaltsam  in  die  Geschichte  hinein  deuten?  Über  Cäsars 
Verhalten  gegen  die  Usipeter  und  Tencterer  wird  hart  geurteilt;  »schnöde 
Verräterei  gegen  alles  Völkerrecht  und  Billigkeit«  soll  er  im  Felde, 
»Verdrehung  und  Beschönigung  seiner  Handlungsweise«  in  seinem  Be- 
richte geübt  haben;  der  Zug  nach  Britannien  wird  als  tollkühn  bezeichnet. 
Doch  wird  ihm  von  Anfang  an  nicht  die  Absicht  zugeschrieben,  über 
Pompeius  hinweg  zur  Alleinherrschaft  zu  streben,  vielmehr  wollte  er, 
durch  Heiraten  mit  Pompeius  verschwägert,  gemeinsam  mit  diesem  herr- 
schen. Hätten  Julia  und  ihr  Sohn  länger  gelebt,  so  wäre  der  letztere 
Alleinherrscher  geworden.  Wer  mag  das  entscheiden?  Solche  Erwä- 
gungen sind  bisweilen  pikant,  aber  historisch  wertlos. 

Fragt  mau,  wie  sich  die  vorgeführte  Entwickelung  nach  Ihnes 
Ansicht  gestaltet  hat,  so  wird  man  in  Verlegenheit  kommen,  wenn  man 
tiefgreifende  Unterschiede  gegen  Mommsens  Darstellung  angeben  soll. 
In  Einzelheiten  wird  häufig  gegen  letzteren  polemisiert  —  aber  die  Ent- 
wickelung in  ihren  grofsen  Zügen  hat  auch  Ihue  nicht  anders  darstellen 
können.  Die  Wahl  zwischen  beiden  Darstellungen  ist  nicht  schwer  zu 
treffen,  da  die  Kunst  der  Darstellung  und  Charakterisierung,  der  weite 
politische  Blick,  die  juristische  Konstruktion,  die  Klarheit  der  Quellen- 
behandlung auch  jetzt  noch  unübertroffene  Vorzüge  Mommsens  sind. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LII.  (1887.  III.)  18 


274  Kömische  Geschichte  und  Chronologie 

G.  Winter,  Neuere  Darstellungen  der  römischen  Geschichte.   Z.  f. 
allg.  Gesch.  1886,  No.  6. 

Der  Verfasser  giebt  eine  kurz  charakterisierende  übersichtliche 
Darstellung  der  neueren  Arbeiten  über  römische  Geschichte,  die  den 
Zweck  hat,  den  Gebildeten  über  den  Stand  der  Hauj^tfragen  zu  orien- 
tieren. Ob  der  Verfasser  selbst  überall  wirklich  in  die  Tiefe  der  Pro- 
bleme eingedrungen  ist,  kann  nach  einzelnen  Äufserungen  zweifelhaft 
erscheinen. 

2    Arbeiten  über  Cüroiiologie. 

Bei  der  geradezu  beängstigenden  Fruchtbarkeit  der  chronologi- 
schen Forschung  empfiehlt  es  sich  diese  Arbeiten  unter  einer  besonde- 
ren Rubrik  zusammenzufassen.  Die  unzweifelhaft  in  einzelnen  Punkten 
verdienstliche  Arbeit  von  0.  Seeck,  die  Kalendertafel  der  Pontifices, 
Berlin  1885  kommt  hier  nicht  zur  Besprechung,  weil  dieselbe  in  dem 
Berichte  über  Privat-  und  Sacralaltertümer  behandelt  werden  wird.  Die 
Schrift  ist  Gegenstand  sehr  eingehender  Besprechungen  geworden  von 
Seiten  W.  Soltaus  im  Phil.  Anz.  16,  150  -158  und  Matzats  und  Dessaus 
im  zweiten  Bande  der  Wochenschrift  f.  klass.  Philol. 

W.  Soltau,  Prolegomena  zu  einer  römischen  Chronologie.    Berlin 
1886      (In  Histor.  Untersuch,  herausg.  von  J.  Jastrow  Heft  3.) 

In  einer  Einleitung  »Angabe  der  Probleme«  w'erden  die  Hypo- 
thesen von  Matzat  und  Seeck,  dafs  die  Römer  ein  Wandeljahr  hatten, 
und  dafs  die  römischen  Fasten  zahlreiche  Interpolationen  von  Jahren 
erfahren  haben,  für  unhaltbar  erklärt.  In  Kapitel  2  »die  Flaviusinschrift 
und  das  CensorenprotokoU«  wird  durch  eine  Betrachtung  der  ältesten 
Datierungen,  der  Flaviusinschrift  von  Varr.  449  und  des  Censorenproto- 
kolls  von  Varr.  362  das  Resultat  erwiesen,  dafs  beide  einer  gleichen 
Jahreszählung  für  die  Zeit  bis  zur  Alliaschlacht  folgen,  und  dafs  die 
Amtsjahrrechnung  des  Flavius  mit  der  des  Varro  übereinstimmt.  Da 
auf  diese  Weise  die  Zeit  seit  Varr.  454  gesichert  erscheint,  ist  noch  zu 
untersuchen,  wie  viele  Kalenderjahre  die  Amtsjahre  von  V.  364  bis 
V.  454  umfafsten.  Es  handelt  sich  hierbei  1.  um  die  Dauer  der  vier 
Diktatorenjahre,  2.  um  die  Dauer  der  fünf  Anarchiejahre.  Sie  wurden 
schon  in  Flavius'  Zeit  als  Amtsjahre  gerechnet,  sind  nicht  erst  später 
gefälscht.  Was  die  ersteren  betrifft,  so  waren  dieselben  ursprünglich 
Konsulatsjahre,  die  seit  der  Zeit  des  Polybius  bezw.  seit  Herausgabe 
der  annales  maximi  mit  den  Vorjahren  kombiniert  wurden,  um  die  Zahl 
der  Amtsjahre  der  Zahl  der  seit  dem  Dezemvirat  verflossenen  Kalender- 
jahre gleich  zu  machen.  Dafür  werden  folgende  vier  Beweise  gebracht: 
1.  die  Friedensvertragszeiten  zeigen,  dafs  die  Diktatorenjahre  mit  Ka- 
lenderjahren   zu    gleichen    seien.     2.   Einzelangaben    älterer    Chroniken 


2.  Arbeiten  über  Chronologie.  275 

zählen  die  Diktatorenjahre  als  volle  Kriegs-  oder  Kalenderjahre  mit. 
3.  Die  Intervalle  zwischen  den  Censuren  442,  447,  450,  455  zeigen, 
dafs  445  die  Dauer  eines  Kalenderjahres  hatte.  4.  Der  regelmäfsige 
Wechsel  patrizischer  und  plebeischer  Curulädilenpaare  zeigt  die  Annuität 
der  Diktatorenjahre. 

Durch  diese  Deutung  der  Diktatorenjahre  sollen,  wie  Kapitel  4 
ausführt,  folgende  Probleme  der  Lösung  näher  gebracht  werden:  1.  Wel- 
ches ist  der  wahre  Synchronismus  für  die  AUiaschlacht?  Der  Verfasser 
ist  der  Ansicht,  dafs  der  polybianische  Synchronismus  387  v.  Chr.  richtig 
ist.  2.  Wie  ist  es  zu  erklären,  dafs  fünf  Jahre  »ohne  Magistrate«  in 
den  Fasten  verzeichnet  sind  und  in  allen  Einzelrechnungen  als  fünf 
Jahre  mitgezählt  werden?  Die  Antwort  lautet:  Die  Anarchiejahre  sind 
chronologisch  festzuhalten.  Staatsrechtlich  zerfielen  sie  in  ein  historisch 
nachweisbares  Jahr  der  Anarchie  und  vier  Militärtribunatsjahre;  wäh- 
rend der  vierjährigen  Revolutionszeit  V.  380  -383  fungierten  patrizische 
Oberbeamte,  deren  rechtmäfsige  Wahl  von  den  Zeitgenossen  angezweifelt 
wurde,  und  welche,  sei  es  durch  diese  selbst,  sei  es  später  aus  den 
Fasten  ausgelassen  worden  sind.  Die  Namen  der  l7  bei  Diodor  fehlen- 
den Militärtribunen  sind  allerdings  nach  Diodor  in  die  Fasten  einge- 
schoben, aber  nicht  gefälscht,  sondern  nach  Angaben  alter  Stammbäume 
nachgetragen.  Durch  die  Zusammenfassung  von  fünf  Amtsjahren  unter  der 
Rubrik  solitudo  magistratuum  per  quinquennium  wurde  die  Zahl  der 
Fastenstellen  derjenigen  der  seit  dem  Dezemvirat  verflossenen  Kalender- 
jahre gleich  gemacht  und  für  Kundige  das  Verhältnis  von  Amtsjahr- 
rechnung und  wahrer  Zeit  übersichtlich  zum  Ausdruck  gebracht.  3.  Wie 
ist  es  zu  erklären,  dafs  Diodor  aufser  den  Diktatorenjahren  noch  zwei- 
mal fünf  Eponymen  zwischen  dem  Dezemvirat  und  den  licinischen  Ge- 
setzen fortläfst,  dagegen  zu  Ol.  90,  1  und  vor  dem  Dezemvirat  zu 
Ol.  82,  1  je  ein  Aratsjahr  mehr  bietet,  die  fünf  Eponymen  von  V.  360 
bis  364  aber  nach  der  AUiaschlacht  wiederholt?  Diese  Erscheinungen 
erklären  sich  aus  einer  Angabe  seiner  annalistischen  Quelle,  welche  der- 
selben Theorie  folgte,  denen  die  Diktatorenjahre  entstammten;  dafs 
nämlich  wahre  Zeit  gewonnen  werde,  wenn  nach  dem  Dezemvirate  vier 
Amtsjahre  übergangen,  vor  dem  Dezemvirat  ein  Jahr  mehr  gerechnet 
werde.  Da  nun  seine  Fasten  schon  die  Diktatorenjahre  übergingen,  so 
entstand  für  die  Zeit  vor  326  ein  Fehler  von  vier  Jahren,  welcher  durch 
die  Einschiebung  eines  Jahres  vor  dem  Dezemvirat  auf  drei  Jahre  redu- 
ziert ward. 

Polybios  2,  14  22  enthält,  wie  im  fünften  Kapitel  mitgeteilt  wird, 
nur  einen  Auszug  aus  dem  zweiten  Buche  von  Catos  Origines.  Da  nun 
der  polybianische  Bericht  eine  um  ungefähr  fünf  Jahre  reduzierte  Be- 
rechnung des  Intervalls  V.  364  bis  V.  459  bietet,  Cato  aber  nicht  nach 
Konsulatsjahren,  sondern  nach  natürlichen  (Kriegs-)  Jahren  rechnete,  so 
könnte  diese  Rechnung  nicht  um  vier  bis  fünf  Jahre  von  der  Polyb.  1,6 

18* 


276  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

überlieferten  differieren.  Da  nun  die  letztere  die  richtige  ist,  so  raufs 
angenommen  werden,  dafs  Polyb.  bei  Cato  XIII  aus  XIIX  verlesen  hat. 
Dieses  Versehen  hat  aber  auch  Diodor  beeinflufst.  Er  wollte  Polyb.  1,  6 
und  2,  18  in  Übereinstimmung  bringen,  und  machte  deshalb  die  Anar- 
chie einjährig,  warf  noch  dazu  V.  387,  im  Ganzen  also  fünf  Jahre  aus 
und  schob  nach  V.  364  fünf  Eponynien  ein.  Mifsverständnis  des  lateini- 
schen Autors,  den  er  als  Quelle  benutzte,  hat  ihn  in  diesem  Irrturae 
noch  bestärkt. 

In  Matzats  Buche  spielt  die  Enniusfinsternis  an  den  Nonen  des 
Juni  Cic.  de  rep.  1,  16  eine  grofse  Rolle.  Er  setzt  sie  21.  Juni  400 
V.  Chr.  Julian.  Aber  diese  fällt,  wie  Kapitel  6  zu  erweisen  unternimmt, 
nicht  auf  diesen  Termin,  sondern  6.  Mai  203  v.  Chr.  =  Non.  Juniis  DLI 
ab  U.  c.  Dieser  Ansatz  wird  in  Kapitel  7  durch  eine  Untersuchung 
über  die  Waffenstillstandsverhandlungen  von  203  —  302  v.  Chr.  zu  stützen 
versucht. 

In  Kapitel  8  wird  die  Beseitigung  der  Kalenderverwirrung  zu  An- 
fang des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  erörtert;  sie  ist  nur  allmählich 
eingetreten  ;  Extraschalttage  haben  nie  existiert.  Entstanden  war  die- 
selbe durch  eine  aufsergewöhnliche  Unterdrückung  aller  Schaltmonate 
im  ersten  Jahrzehnt  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  Die  früheren  Ur- 
sachen dieser  Kalenderverwirrung  werden  im  neunten  Kapitel  aufge- 
sucht. Die  Abweichungen  des  römischen  Kalenders  um  die  Mitte  des 
sechsten  Jahrhunderts  d.  St.  waren  bewufste  und  absichtliche  Verleug- 
nungen eines  gut  geordneten  Kalenderwesens.  Die  pontifices,  welche 
durch  l.  Acilia  191  v.  Chr.  wieder  die  Leitung  des  Kalenders  erhalten 
hatten,  suchten  sich  einen  fortdauernden  Einflufs  auf  den  Festkalender 
und  dessen  Umänderung  zu  sichern.  Der  völlige  Unglaube  an  die  heid- 
nischen Gottheiten  und  das  schnelle  Umsichgreifen  fremder  Kulte  brachte 
die  pontifices  dazu,  eine  Kombinierung  römischer  und  griechischer  Götter, 
Kulte  und  Glaubensanschauungen  anzustreben.  Dieses  Ziel  war  aber 
nur  zu  erreichen  bei  einer  Verschiebung  und  freieren  Ausetzung  der 
schon  bestehenden  Feste,  bei  einem  nicht  festen  Kalender. 

In  Kapitel  10  »das  altitalische  Sonnenjahr«  führt  der  Verfasser 
aus,  dafs,  da  das  korrupte  Mondjahr  der  Römer  den  Anforderungen  der 
Landwirtschaft,  Schiffahrt  und  Viehzucht  nicht  genügen  konnte,  wenig- 
stens die  Hauptabteilungen  des  Sonnenjahres  bekannt  sein  mufsten,  und 
dafs  in  der  That  in  Alba,  Tusculum,  Aricia  ein  solcher  Kalender  des 
Sonnenjahres  im  Gebrauche  war;  derselbe  war  nichts  anderes  als  eine 
Kombination  der  hesiodischen  und  eudoxischen  Ansetzungen  über  die 
Abteilungen  des  Sonnenjahres,  dessen  Hauptphasen  aber  wohl  schon 
früher  als  beide  den  Landleuten  und  Schiffern  bekannt  gewesen  sind. 

Kapitel  11  stellt  »drei  Probleme  der  römischen  Chronologie«  auf: 
1.  Wie  konnte  es  vulgäre  Ansicht  sein,  dafs  bis  auf  Flavius  trotz  der 
Publikation    des    Kalenders    durch    die  Decemvirn,    trotzdem    die    dies 


2.  Arbeiten  über  Chronologie.  277 

fasti  so  bekannt  waren,  dafs  man  nach  ihnen  und  von  ihnen  ab  datierte, 
nur  die  pontifices  gewufst  hätten  posset  lege  agi  necne?  2.  Wie  konn- 
ten die  Römer  in  einem  Mondsonuenjahre,  das  weder  mit  dem  Monde 
noch  —■  was  doch  beabsichtigt  war  —  mit  der  Sonne  ging,  1465 
statt  1461  Tage  in  der  Tetraeteris  rechnen?  Wie  kamen  sie  zu 
einem  solchen  ungeheuerlichen  Kalender,  zu  einem  Gemeinjahr  von  355 
Tagen,  welches  fast  um  einen  Tag  die  Dauer  des  früher  bei  den  Römern 
herrschenden  Mondjahres  von  354  Tagen  übertraf,  trotzdem  ja  die  Schal- 
tung von  22  +  23  +  22  -h  23  Tagen  in  acht  Jahren  die  genaue  Kennt- 
nis der  Oktaeteris  zur  Voraussetzung  hat?  3.  Was  geschah  bei  Kollision 
der  erfafsten  nundinae  und  der  dies  fasti?  Die  Lösung  wird  folgender- 
mafsen  gegeben :  Der  355.  Tag  war  bis  auf  Flavius  ein  frei  verwandter 
dies  iutercalaris  des  im  Übrigen  seit  dem  Dezemvirat  festen  Kalenders. 
Bei  richtiger  Auswahl  der  Nundinalbuchstaben  genügten  drei  dies  inter- 
calares  in  der  Tetraeteris,  um  eine  Kollision  aller  nundinae  mit  allen 
dies  fasti  zu  vermeiden.  Und  eine  solche  Ordnung  war  die  notwendige 
P'olge  des  Widerspruchs  zwischen  den  Zwöiftafeln  von  V.  303  und  der 
lex  sacrata  von  V.  304.  Man  griif  zu  einer  periodischen  Auslassung  von 
24  Tagen  in  fünf  32  jährigen  Cyklen  bis  zur  lex  Hortensia  (445  —  286 
V.  Chr.),  in  acht  32jährigen  Cyklen  bis  Ende  190  v.  Chr.,  von  da  kamen 
sechs  24jährige  bis  Ende  46  v.  Chr.  bei  355  +  378  +  355  +  377  = 
1465  Tagen  in  der  Tetraeteris. 

Soltaus  Stärke  liegt  in  dem  Nachweise  der  Schwächen  seiner  Geg- 
ner. Aber  nicht  überall  sind  seine  eigenen  Argumente  stärker.  So  wird 
besonders  die  Ansetzung  der  von  Ennius  erwähnten  Finsternis  starke 
Einwürfe  erwecken  müssen.  Auch  wird  vielleicht  nicht  Jedermann  über- 
zeugt sein,  dafs  Polyb.  2,  14—22  einen  Auszug  aus  Catos  Origines  giebt. 
Trotzdem  hat  die  Schrift  ihre  grofsen  Verdienste,  und  man  darf  auf 
die  von  ihm  in  Aussicht  gestellte  Chronologie  gespannt  sein,  da  er  mit 
der  Überlieferung  am  wenigsten  willkürlich  umspringt. 

W.  Soltau,  das  altitalische  Sonnenjahr.    Wochenschrift  f.  klass. 
Phil.  3,  1142  ff. 

Nach  Censorinus  22,  6  hatten  die  Monate  latinischer  Städte  eine  sehr 
verschiedene  Anzahl  von  Tagen,  bald  über  30,  bald  weniger.  Dies  kann 
nur  auf  ein  altes  Sonnenjahr  hinweisen.  Soltau  beweist  nun,  dafs  die 
schon  bei  Hesiod  so  wichtigen  Abschnitte  des  Sonnenjahres,  deren 
Kenntnis  für  Schiffer  und  Landwirte  gleich  unentbehrlich  war,  schon 
früh  auch  in  Mittelitalien  bekannt  und  allgemein  in  ihrem  Werte  aner- 
kannt gewesen  sind.  Die  Interessen  dieser  Berufskreise  drängten  aber 
dazu,  an  Stelle  der  alljährlichen  Beobachtung  ein  für  alle  Male  be- 
stimmte Intervalle  anzusetzen.  Diesen  Anforderungen  entsprachen  die 
genaueren  Berechnungen  und  Beobachtungen  der  Astronomen,  vor  allem 
des  Eudoxos,   dessen  Angaben    ebenfalls   schon   frühe   den  Italikern  be- 


278  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

kannt  geworden  sein  müssen.  Die  latinischen  Kalender  von  Alba,  Tus- 
culum,  Aricia  sind  nichts  anderes  als  eine  Kombination  der  hesiodei- 
schen  und  eudoxischen  Ansätze  über  die  Unterabteilungen  des  Sonnen- 
jahres. 

W.  Soltau,  Roms  Gründungstage  in  Sage  und  Geschichte.    Philol. 
45,  439  ff. 

Seit  der  Herausgabe  der  annales  maximi  (ca.  130  v.  Chr.)  bezw. 
seit  Polybios  bis  auf  Ciceros  letzte  Schriften  und  Atticus'  über  annalis 
(48  V.  Chr.)  war  Ol.  7,  2  =  751/50  allgemein  recipiertes  Gründungsjahr, 
somit  also  21.  April  750  Gründungsdatum  Roms.  Nun  war  24.  April  750 
6^4  Uhr  morgens  eine  Sonnenfinsternis,  auf  welche  von  der  bei  Herodot 
9,  10,  10  Bekker  erwähnten  epochemachenden  Finsternis  vom  2.  Okt.  480 
mit  15  chaldäischen  Cyklen  zurückgerechnet  werden  konnte.  Hierin  ist 
der  Ursprung  der  Annahme,  dafs  Rom  an  den  Palilia  gegründet  sei,  zu 
suchen.  Später  haben  Atticus,  Varro,  Tarutius  Roms  Gründung  Ol.  6,  3 
(754/3  v.  Chr.)  und  wenigstens  sicherlich  753  v.  Chr.  als  erstes  Jahr  ab 
urbe  condita  angesetzt.  Danach  mufste  der  Gründungstag  in  eine  andere 
Konstellation  verlegt  werden.  Tarutius  hat  bei  Lebzeiten  Ciceros  zwi- 
schen 48—44  v.  Chr.  Roms  Gründung  zur  Zeit  der  Palilia  d.  h,  21.  April 
altrömischen  Datums  angesetzt,  und  zwar  zu  einer  Zeit  dicht  vor  dem 
Vollmond.  Dieses  war  aber  nur  754  der  Fall,  wo  23.  April  Jul.  Voll- 
mond war.  Nach  Plut.  v.  Romul.  berechnete  aber  Tarutius  für  die  Con- 
ception  des  Romulus  19.  Dez.  772,  wo  die  Sonne  im  Steinbock  stand, 
für  seine  Geburt  18.  Sept.  771,  wo  die  Sonne  in  die  Waage  trat,  und 
die  Gründung  Roms  4.  April  753,  wo  die  Sonne  im  Widder  steht.  Letz- 
tere Angabe  widerspricht  durchaus  der  früheren  Berechnung  des  Taru- 
tius. Die  beiden  ersteren  Ansätze  erklären  sich  aus  dem  Leben  des 
Augustus ;  er  ist  beim  Eintritt  der  Sonne  in  die  Waage  (18.  Sept.  Jul.) 
geboren,  raufs  also  beim  Eintritt  der  Sonne  in  den  Steinbock  concipiert 
sein.  Von  dieser  Konstellation  lehrten  die  Astronomen,  dafs,  wer  unter 
ihr  geboren  sei,  einst  Herr  der  Welt  werden  solle-  Aus  höfischer  De- 
votion hat  Tarutius  seine  zweite  Rechnung  aufgestellt,  und  die  capito- 
linische  Magistratstafel,  die  sonst  vorrömisch  rechnete,  zählte  aus  Höflich- 
keit gegen  Augustus  und  in  Anbetracht  dieser  neuen  Rechnung  des 
Tarutius  ein  Jahr  weniger. 

Ludw.  Triemel,   Noch  einmal  das  Catonische  Gründungsdatum 
Roms.    N.  Jahrb.  f.  Philol.  133,  189  ff. 

Der  Verfasser  polemisiert  gegen  den  Aufsatz  von  Soltau  über  das 
Catonische  Gründungsdatum  Roms  (Jahresb.  1885,  235  ff.)  Schon  Diony- 
sios  und  Polybios  nehmen  an,  Cato  habe  nach  Eratosthenes,  troischer 
Aera  gerechnet.  Wenn  Soltau  behauptet,  Cato  könne  gar  nicht  nach 
Eratosthenes  gerechnet  haben,  weil  er  sonst  einen  'EUr^vcxög  ;(p6vog  an- 


2.  Arbeiten  über  Chronologie.  279 

gegeben  hätte,  was  Dionysios  direkt  in  Abrede  stelle,  so  ist  dies  ein 
Irrtum,  indem  unter  diesem  Ausdruck  durchaus  die  Rechnung  nach 
Olympiaden  zu  verstehen  ist.  Weiter  glaubt  Soltau  die  432  Jahre, 
welche  seit  Troias  Zerstörung  verflossen  waren,  in  400  +  32  zerlegen 
zu  sollen  und  findet  als  Teilungspunkt  die  erste  Olympiade.  Abgesehen 
davon,  dafs  Cato  dann  seine  Leser  über  seine  kunstvolle  Rechnung  hätte 
aufklären  müssen,  findet  TriemeJ  es  seltsam,  dafs  er  nicht  das  Einfachere 
vorzog,  32  Jahre  angab  und  also  von  Ol.  1,  1  aus  rechnete.  Auch  ist 
es  nicht  denkbar,  dafs  er  den  Durchschnittssalz  der  verschiedenen  troi- 
schen  Acren  gezogen  und  diesen  für  seine  Rechnung  verwendet  hat; 
denn  Varro  weifs  nichts  davon,  obgleich  er  die  verschiedenen  troischen 
Acren  zusammenstellte  und  das  Datum  Catos  für  die  Gründung  von 
Ameria  zeigt,  dafs  er  bis  in  die  älteste  Zeit  hinein  ganz  genau,  nicht 
nach  runden  Zahlen  rechnete.  Varro  gab  den  }<.(j.vuvs.q  des  Eratosthenes 
unzweifelhaft  vor  allen  übrigen  Berechnungen  den  Vorzug;  sollte  nun 
nicht  auch  Cato  dieselbe  Zählung  befolgt  d.  h.  etwas  über  400  oder 
genauer  407  Jahre  gezählt  haben?  Auch  Soltaus  zweiter  Beweis,  den 
er  auf  eine  Bemerkung  des  Servius  zu  Verg.  Aen.  1,  267  gründet,  ist 
nicht  stichhaltig.  Triemel  nimmt  bei  Servius  753  als  Gründungsjahr  an, 
und  erhält  dann  aus  360  +  70  =  1183  d.  h.  das  bekannte  Jahr  des 
Eratosthenes  und  für  Karthagos  Gründung  874/3.  Der  dritte  Beweis, 
der  aus  Cic.  de  rep.  2,  30  entnommen  ist,  ist  auch  nicht  richtig.  Denn 
Cicero  giebt  das  eine  mal  ungefähr  240  Jahre  als  solche  an,  das  andere 
mal  sagt  er  sogar,  es  seien  mit  Zurechnung  einiger  Interregnen  etwas 
mehr  als  240  Jahre;  jedenfalls  also  nicht  238,  wie  Soltau  will.  Auch 
die  Ansicht  Soltaus  über  die  Aufstellung  der  Regierungszeit  des  Ro- 
mulus  ist  unbegründet;  sie  läfst  sogar  den  Einwurf  zu,  dafs  er  37  Jahre 
und  das  37.  Jahr  für  ein  und  dasselbe  ausgeben  will.  Auch  ist  die 
Beachtung  der  chaldäischen  Sarosperiode  nicht  erwiesen,  sogar  uuwahr- 
schweinlich. 

W.  Soltau,  Das  Problem  der  fünfjährigen  solitudo  magistratuum. 
Sa.  aus  der  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  3,  1886,  783. 

Die  fünfjährige  Zeit  der  Anarchie  gilt  allgemein  als  ein  Haupt- 
problem der  römischen  Chronologie.  Thatsache  ist,  dafs  in  jeder  Amts- 
jahrrechnung der  republikanischen  Zeit  fünf  Jahre  für  diese  Anarchie 
berechnet  sind.  Wie  konnten  nun  die  Namen  fungierender  Magistrate 
in  den  Fasten  getilgt  oder  übergangen  werden?  Vor  allem  dann,  wenn 
der  Pontifex  Maximus,  der  die  Einträge  in  die  Annales  zu  vollziehen 
hatte,  an  der  Rechtmäfsigkeit  der  Wahl  Zweifel  hegte.  Derartige  Zweifel 
konnten  aber  entstehen,  wenn  der  wahlleitende  Beamte  bei  der  Meldung 
der  Kandidaten  die  Annahme  eines  Namens  verweigerte  oder  wenn  er 
sich  weigerte,  einen  Gewählten  zu  renuntiieren.  Die  fünf  Anarchiejahre 
könnten  sich  nun    so   erklären,   dafs  durch   die  Volkstribunen  während 


280  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

des  gröfseren  Teiles  eines  Jahres  die  Wahlen  vereitelt  wurden  und 
unter  Nichtachtung  tribuuizischer  Interzession  einige  Jahre  hindurch  irre- 
guläre Wahlen  stattfanden,  bei  denen  der  wahlleitende  Beamte  endlich 
eigenmächtig  der  komitialen  Entscheidung  vorgegriffen,  der  pontifex, 
sogleich  oder  später,  ihre  Aufnahme  in  die  Fasten  beanstandet  hätte. 
Für  diese  hypothetische  Annahme  spricht  die  stete  Wahl  von  nur  patri- 
zischen  Kollegien,  während  vor  der  Anarchie  bald  häufiger,  bald  selte- 
ner plebejische  Kriegstribunen  in  den  Fasten  erscheinen.  Es  ist  aber 
doch  nicht  gut  denkbar,  dafs  in  einer  Zeit,  wo  die  Majorität  des  popu- 
lus  stürmisch  nach  einem  plebeischen  Konsul  und  zugleich  nach  sehr 
wesentlichen  Reformen  rief,  ganz  ordnungsgemäfs  stets  patrizische  Epo- 
nymen  mit  Majorität  gewählt  worden  sind.  Unter  diesen  Umständen 
läfst  es  sich  wohl  denken,  dafs  gleichzeitige  oder  spätere  Fastenredak- 
toren eine  verschiedene  Stellung  zu  den  Resultaten  der  Wahlhandlung 
genommen  haben.  Spuren  einer  solchen  zeigen  sich  in  den  Jahren  400 
und  432.  Die  in  den  Anarchiejahren  ausgetilgten  patrizischen  Namen 
sind  bei  Diodor  erhalten,  aber  nicht,  wie  Mommsen  annimmt,  bei  später 
Interpolation  der  Fasten  willkürlich  entstanden,  sondern  aus  den  Fa- 
milienarchiven nachgetragen.  Es  sind  dieselben,  welche  die  Quelle  des 
Chronographen  unter  den  Eponymen  der  vier  Anarchiejahre  (380—383) 
vorfand.  Sie  waren  die  einstigen  Eponymen  jener  Jahre,  die  regel- 
mäfsige  Magistratsjahre  waren,  in  denen  jedoch  wegen  streitiger  Wahl 
die  Namen  getilgt  worden  waren.  Diese  Tilgung  der  vier  Eponymen 
und  ihre  Kombinierung  mit  dem  annus,  qui  fuit  sine  magistratibus  rührt 
von  einem  späteren  Redaktor  her.  Die  vier  Diktatorenjahre  und  vier 
der  Anarchiejahre  verdanken  ihren  Ursprung  derselben  Erwägung:  auch 
aus  der  nach  Eponymen  zählenden  Jahresliste  sollte  die  Zahl  der  Ka- 
lenderjahre ersichtlich  sein.  Die  ältere  Theorie  der  Anarchiejahre  diente 
diesem  Zwecke  nur  unvollkommen  und  ward  im  zweiten  Jahrhundert 
v.  Chr.,  vielleicht  schon  damals  nicht  recht  mehr  in  ihrem  Ursprung  be- 
kannt, durch  die  rationelleren  Diktatoreujahre  ersetzt.  Für  Diodors 
Zählweise  wird  nachgewiesen,  dafs  sein  Fehler  die  Unkenntnis  der  Be- 
deutung der  Diktatorenjahre  war. 

W.  So  1  tau,  Die  wahre  Dauer  der  Diktatorenjahre.    Wochenschr. 
f.  kl.  Philol.  3,  723  ff. 

Der  Verfasser  geht  davon  aus,  dafs  er  in  seinem  Aufsatz  über  die 
Inschriften  des  Flavius  (s.  Jahresb.  1885,  226)  den  Beweis  erbracht 
habe,  die  in  der  annalistischen  Tradition  übergangenen  Diktatorenjahre 
der  Kapitol  inischen  Fasten  seien  schon  von  Zeitgenossen  mitgezählt  wor- 
den. Sie  müssen  daher  ursprünglich  die  gleiche  Dauer  wie  andere  kon- 
sularische Jahre  gehabt  haben,  kurz  ganz  oder  nahezu  einem  Kalender- 
jahre gleich  gewesen  sein.  Dafür  führt  der  Verfasser  einen  einfachen 
Beweis    l.  die  Friedens  Vertragszeiten   zeigen,   dafs   die  Diktatorenjahre 


2-  Arbeiten  über  Chronologie.  281 

mit  Kalenderjahren  zu  gleichen  sind.  2.  Einzelangaben  älterer  Chro- 
niken zahlen  die  Diktatorenjahre  als  volle  Kriegs-  oder  Kalenderjahre 
mit.  3.  Die  Intervalle  zwischen  den  Censuren  442,  447,  450  und  455 
zeigen,  dafs  445  die.  Dauer  eines  Kalenderjahres  hatte.  4.  Der  regel- 
mäfsige  Wechsel  patrizischer  und  plebischer  Curulädilenpaare  zeigt  die 
Annuität  der  Diktatorenjahre. 

Auf  Grund  dieser  Untersuchung  formuliert  der  Verfasser  die  Frage 
nach  der  Bedeutung  der  Diktatorenjahre  folgenderraafsen :  Wie  ist  es 
zu  erklären,  dafs  von  den  bereits  von  Flavius  gezählten  204  Amtsjahren 
von  Ende  V.  245  —  449  incl.  in  der  Zeit  des  zweiten  Jahrhunderts,  sicher- 
lich in  der  zweiten  Hälfte  desselben,  und  dann  weiter  in  allen  Quellen 
des  darauf  folgenden  Jahrhunderts,  welche  auf  jene  Berichte  aus  dem 
zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  zurückgehen,  vier  regelrechte  Magistrats- 
jahre von  der  gewöhnlichen  Dauer  eines  konsularischen  Amtsjahres  als 
solche  gestrichen,  als  Diktatorenjahre  mit  dem  Vorjahre  kombiniert 
worden  sind?  Der  Satz,  dafs  x  Amtsjahre  =  x-y  Kalenderjahre  waren, 
konnte  keinem  kundigen  Römer  des  zweiten  Jahrhunderts  unbekannt 
sein.  Es  fragte  sich  nur,  wie  grofs  dieses  y  sei.  Diese  Frage  mufste 
bei  der  Umrechnung  der  wichtigsten  Epochen  der  römischen  Geschichte 
in  die  griechische  Zeitrechnung  wichtig  werden.  Wir  wissen  nun  be- 
stimmt, dafs  zu  Polybios  Zeit  die  angesehensten  Zeitgenossen  die  Be- 
setzung Roms  durch  die  Gallier  in  das  Jahr  387  v.  Chr.  setzten.  Hierin 
liegt,  dafs  kundige  Römer  und  Griechen  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  das  erste  Jahr  nach  dem  Dezemvirat  drei  Jahre  später 
als  Flavius,  fast  vier  Jahre  später  als  Fabius,  das  Kousulatsjahr  des 
Valerius  und  Horatius  von  März  ab  als  das  445.,  nicht  als  das  449.  Ka- 
lenderjahr V.  Chr.  angesetzt  haben  müssen.  Kurz  Kundige  müssen  die 
Theorie  aufgestellt  haben,  dafs  die  römische  Tafel  seit  dem  Dezemvirat 
vier  Stellen  mehr  zähle  als  die  attische  Archontenliste.  Weder  Cato 
noch  Polybios  können  beliebig  vier  römische  Konsulate  gestrichen  haben; 
es  mufs  vielmehr  nach  längeren  Erörterungen  eine  offizielle  Fasten-  und 
Annalenredaktion  diese  wesentliche  Modifikation  der  republikanischen 
Zeitrechnung  vorgenommen  und  zur  Geltung  gebracht  haben.  Als  solche 
kann  man  den  Abschlufs  der  römischen  Stadtchronik  in  80  BB.  um  130 
V.  Chr.  ansehen.  Dabei  sollte  die  für  synchronistische  Zwecke  unbrauch- 
bare, chronologisch  fehlerhafte  Amtsjahrrechnung  durch  eine  Reduktion 
auf  wahre  Zeit  verbessert  werden.  Wahre  Zeit  wurde  aber  nach  der 
zu  Cato-Polybios'  Zeit  herrschenden  Theorie  hergestellt,  wenn  im  Ver- 
laufe des  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.  vier  Eponymen  übergangen,  vor 
der  zweiten  secessio  ein  Jahr  mehr  gerechnet  wurde. 

W.  Soltau,    Die  Enniusfinsternis    an   den  Nonen  des  Juni.     Wo- 
chenschr.  f.  kl.  Philol.  3,  979  ff. 

Matzat  setzt  die  Cic.  de  rep.  1,  16,  25  erwähnte   Sonnenfinsternis 
=  der  des  julianischen  21.  Juni  400  v.  Chr.    Aber  die  Zahl  des  Palimp- 


282  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

sest  eDtscbeidet  nicht,  da  sie  nicht  aus  einer  besseren  Handschrift  nach- 
getragen ist.  Weitere  von  Cicero  selbst  gegebene  Kriterien  sind  bei 
jener  Gleichung  übersehen:  1.  Von  der  Enniusfinsternis  ist  man  durch 
Berechnung  früherer  Finsternisse  auf  das  Todesjahr  des  Romulus  zu- 
rückgelangt. Nun  kann  man  aber  von  400  v.  Chr.  mit  chaldäischen 
Cyklen  ebenso  wenig  auf  irgend  ein  Jahr  zwischen  714  und  708,  wie 
auf  dieses  letztere  zurückrechnen.  2.  Von  Konis  Juniis  der  von  Ennius 
überlieferten  Finsternis  hat  man  zurückrechnend  die  Nonae  Quinctiles 
als  Todestag  des  Romulus  herausgefunden.  Dies  war  aber  nicht  in  17 
bis  18  chaldäischen  Cyklen  möglich;  dazu  bedurfte  es  c.  30  X  H  Tage, 
also  ca.  30  X  18  =  540  Jahre.  3.  Diese  Finsternis  war  bei  Ennius  und 
den  annales  maximi  verzeichnet;  die  Jahresangabe  nur  bei  letzteren- 
Nun  ist  uns  vor  21 7  v.  Chr.  aus  römischen  Quellen  nichts  über  eine 
Sonnen-  oder  Mondfinsternis  überliefert.  Sollte  also  schon  vor  dem 
gallischen  Brande  eine  partielle  Sonnenfinsternis  notiert  worden  sein? 
4.  Ennius  bezeichnet  diese  Finsternis  mit  nox  Verdunkelung.  Wenn 
nun  auch  die  Sonne  zu  ^A  verdunkelt  war,  so  konnte  sie  doch  im  Jahre 
400  kein  solches  Aufsehen  machen,  dafs  sie  als  nox  in  das  Stadtbuch 
eingetragen  wurde:  das  Wort  nox  ist  also  poetische  Liceuz.  Dem  vier- 
ten Kriterium  legt  übrigens  Soltau  selbst  keine  grofse  Bedeutung  bei, 
ist  aber  der  Ansicht,  dafs  nach  Ciceros  Worten  die  Enniusfinsteruis 
nicht  in  das  Jahr  400  v.  Chr.  gehören  könne. 

W.  Soltau,   Die  Idus  als  dies  fasti.     N.  Jahrb.  für  Philol.  1886, 
279  f. 

Allgemein  nimmt  man  an,  dafs  die  Idus  vor  Caesar  nefasli  hia- 
lares  gewesen  seien.  Allerdings  tragen  sie  im  augustischen  Kalender 
die  Note  N  oder  NP,  aber  man  mufs  diese  Bezeichnung  als  Neuerung 
des  Augustus  ansehen. 

Job.  Weber,  Interpolationen  der  Fastentafel.   Philol.  44,  698. 

Zum  Jahre  276  d.  St.  =  478  v.  Chr.  wird  in  den  Fasti  Capitolinii 
als  Konsul  aufgeführt:  C.  Servilius  —  f.  —  n.  (Stru)ctus  Ahala,  während 
nach  den  Fasten  Diodors  rdiog  KopwjXiog  Aev-ouXog  Konsul  war.  Da- 
nach ist  der  erstere  Namen  eingeschoben  (Momuisen  Herrn.  5,  271  ff.). 
Zum  Jahre  276  liegt  somit  eine  doppelte  Fälschung  vor:  1.  der  Name 
C.  Servilius  Structus  ist  für  den  des  C.  Cornelius  Lentulus  eingesetzt, 
2.  ist  in  den  Fasti  Capitoliui  diesem  Namen  noch  das  zweite  Coguomen 
Ahala  beigegeben  worden.  Auch  zu  den  Jahren  327.  335.  336  und  337 
d.  St.  liegen  bezüglich  des  Cognomeus  Axilla  Fälschungen  vor.  Der 
Konsulartribun  der  drei  Jahre  335  -  337  hiefs  vielmehr  nach  den  über- 
einstimmenden Angaben  des  Chronogr.  von  354  und  Livius  C.  Servilius 
Structus.  Der  Konsul  des  Jahres  327  ist  bei  Diodor  derselbe,  der  also 
327  cons.  und   335  -   337  trib.  mil.   war.      Die  Absicht   bei  diesen  Fäl- 


2.  Arbeiten  über  Chronologie.  283 

schungen  war,  einen  C.  Servilius  mit  dem  Beinamen  Ahala  resp.  Axilla 
in  die  Fastentafel  zu  bringen.  Dasselbe  Cognomen  ist  im  Jahre  346. 
347.  352  interpoliert,  so  dafs  es  nur  mit  dem  Cognomen  Ahala  des 
Konsuls  der  Jahre  389.  392.  412  seine  Richtigkeit  hat,  weil  hier  zum 
ersten  male  alle  Quellen  übereinstimmen.  Der  einzige  Servilier,  welcher 
das  Cognomen  Axilla  =  Ahala  führt,  ist  der  Mörder  des  Sp.  Maelius. 
Dafs  man  anderen  in  der  Fastentafel  den  Beinamen  Ahala  gab,  sollte 
dazu  dienen,  den  Ruhm  derjenigen  Familie  der  Servilier,  welche  sich 
mit  dem  Beinamen  Ahala  benannte,  zu  verherrlichen;  hierzu  scheint 
man  alle  diejenigen  ausgewählt  zu  haben,  die  den  Vornamen  C.  führten. 
Zum  Schlüsse  entwirft  der  Verfasser  einen  Stammbaum  der  verschiede- 
nen Familien  der  Servilier  (Prisci  und  Structi). 

A.  Mommsen,  Reformen  des  römischen  Kalenders  in  den  Jahren 
45  und  8  v.  Chr. 

Die  Kalenderreform  des  Jahres  45  geriet  schon  nach  Cäsars  Tode 
in  Unordnung.  Die  Entstehung  derselben  wird  von  den  Schriftstellern 
verschieden  berechnet,  natürlich  auch  ihre  Heilung.  Wir  haben  anzu- 
nehmen, dafs  der  Anfang  45  in  Kraft  getretene  Kalender  Cäsars  auch 
in  Kraft  blieb  und  als  Regel  befolgt  wurde,  bis  nebenher  zugelassene 
Einschübe,  die  man  aus  Nachlässigkeit  nicht  kompensierte,  ein  solches 
Mafs  erreichten,  dafs  Cäsars  Reform  hinfällig  zu  werden  drohte  und 
Augustus  eingriff.  Die  augustischen  Schaltjahre  stimmten  mit  den 
Schaltjahren  a.  St.  überein,  und  nach  seiner  Reform  von  746  verlautet 
nichts  von  einer  ähnlichen  Mafsregel.  Cäsar  hatte  ebenfalls  365  und 
366  Tage  aufeinander  folgen  lassen  wollen;  aber  er  schaltete  zuerst  712. 
Augustus  nahm  709  als  Schaltjahr,  dann  wieder  713  etc.  Er  gedachte, 
wie  Cäsar,  seine  reformierte  Jahrfolge  an  Neumond  zu  knüpfen.  Wenn 
er  auf  die  cäsarischen  Neujahre  757  —  760  a.  u.  und  auf  den  cäsari- 
schen Sonnenkreis  eingetreten  wäre,  so  hätte  er  auf  synodischen  Anfang 
verzichtet.  Der  2.  Januar  757  fällt  ungefähr  um  die  Zeit  des  letzten  Vier- 
tels, 1.  Januar  758  dagegen  lehnt  sich  einer  am  Ende  des  Vorjahres 
stattfindenden  Conjuuction  an.  Dem  Jahre  758/5  n.  Chr.  korrespondiert 
433  V.  Chr.,  in  welchem  Jahre  Meton  seine  Zeitrechnung  begann.  Cäsar 
legte  das  Kallippische  Perioden  viertel,  Augustus  den  19  jährigen  Aus- 
schnitt von  Metons  Epoche  ab  zugrunde.  Im  Jahre  746  verordnete 
Augustus,  dafs  der  dem  Kalender  anhaftende  Fehler,  bestehend  in  drei 
Tagen,  die  man  zu  viel  gesetzt  hatte,  korrigiert  werden  sollte  durch 
zwölf  schaltlos  bleibende  Jahre.  Das  Berichtigungsgebiet  begann  746 
und  endete  757 ;  verboten  waren  die  drei  cäsarischen  Schaltjahre  748, 
752  und  756. 


284  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 


3.  Königszeit  und  Übergang  zur  Republik. 

Tb.  Mommsen,  Die  Tatiuslegeude.     Hermes  21,  750  ff. 

Die  an  den  wirksamsten  Bildern  reiche  Legende  des  Königs  Tatius 
zeigt  auf  einen  mächtigen  Dichter  oder  vielmehr  in  noch  höherem  Grade 
auf  einen  genialen  Maler  als  Urheber.  Die  Erzählung  ist  streng  ge- 
schlossen und  keine  Fortsetzung  der  Gründungsgeschichte,  vielmehr  mit 
dieser  in  Widerspruch  (Asyl,  Doppelherrschaft).  Die  in  der  Legende 
dem  sabinischen  Kriege  vorausgehenden  Kämpfe  gegen  Caenina,  Antem- 
nae  und  Crustumerium  gehören  wohl  nicht  zu  der  ursprünglichen  Er- 
zählung, sondern  wurden  eingeschoben,  um  die  Lücke  zwischen  dem 
Raube  und  der  Schlacht  durch  anderweitig  dem  Romulus  beigelegte 
Kriege  zu  füllen,  insbesondere  den  ersten  und  höchsten  Triumph  einzu- 
setzen. Die  Tatius-  wie  die  Remuslegende  sind  dem  Ziele  nach  gleich- 
artig, beide  hervorgegangen  aus  dem  Bestreben  der  jungen  Republik, 
ihre  Staatsform,  das  Doppelkönigtum,  als  Restauration  der  ursprünglich- 
sten Ordnung  des  römischen  Staatswesens  zu  rechtfertigen.  Aber  beide 
Erzählungen  gelangen  zu  demselben  Ziele  auf  völlig  verschiedenen  We- 
gen. Die  Zwillingserzählung  bewegt  sich  streng  in  dem  geschlossenen 
Kreis  des  römischen  durchaus  auf  sich  selbst  stehenden  Gemeinwesens, 
die  Tatiuslegeude  ist  gebaut  auf  die  Durchdringung  zweier  Nationen. 
Die  Legende  teilt  dabei  den  Sabineru  eine  sonderbare  Rolle  zu;  sie 
setzt  überall  das  gesamte  nomen  Sabinum  voraus,  giebt  ihm  aber  eine 
unmögliche  einheitliche  Organisation  mit  einem  König  und  läfst  es  in 
Rom  aufgehen,  während  doch  thatsächlich  dasselbe  fortbestand.  Diese 
seltsame  Rolle  erklärt  sich  aus  der  Thatsache,  dafs  im  fünften  Jahr- 
hundert der  Stadt  sich  die  Union  der  Latiner  und  Sabiner  vollzog;  die 
letzteren  wurden  464  zu  römischen  Bürgern  und  im  Jahre  486  zu  Voll- 
bürgern gemacht  und  der  neu  gebildeten  quirinischen  Tribus  zugewiesen. 
Diese  in  ihrer  Art  einzige  Union  stellt  die  Tatiuslegeude  dar.  Rom  ist 
für  diese  Epoche  der  kurze  Ausdruck  für  die  latinische  Nation.  Die 
Sabiner  derselben  Epoche  sind  die  föderierten  Gemeinden  und  Cures 
eine  von  ihnen.  Von  ihnen  ist  es  richtig,  dafs  sie  sämtlich  in  die  rö- 
mische Gemeinde  aufgingen  und  die  Stadt  Rom  der  Herrschaftssitz 
des  erweiterten  Gemeinwesens  wurde.  Für  diese  Zeit  spricht  auch  die 
Stimmung  und  Plastik,  welche  vielfach  an  die  Coriolanlegende  und  die 
in  beiden  so  bestimmt  hervortretende  Verherrlichung  der  Frauen  er- 
innert; ebenso  das  Begegnen  von  griechischen  Momenten  (Asyl)  und  die 
Voraussetzung,  dafs  die  Circusspiele  von  Bürgern  der  Nachbargemein- 
den besucht  werden;  die  Erwähnung  des  Jupiter  Stator-Tempels  deutet 
auf  Entstehung  nach  dem  Jahre  460  d.  St. 

Die  Einfügung  der  Tatiuslegeude  an  unrichtiger  Stelle  hat  viele 
Incougruenzen    verschuldet:    den   Sabinerkrieg,    das    Asyl,    den    achten 


3.  Königszeit  und  Republik.  285 

römischen  König,  die  Herleitung  der  örtlichen  Curiennamen  von  den  Ge- 
schlechtsnamen der  sabinischen  Weiber,  vor  allem  aber  jene  Emanci- 
pation  von  dem  Einmaleins,  die  sich  in  den  drei  Tribus  gegenüber  dem 
Doppelkönigtum,  der  Verdoppelung  des  Senats  von  100  auf  300,  der 
drei  Tribus  in  30  Curien,  die  durch  den  Hinzutritt  der  Sabiner  ent- 
stehen sollen,  kundgiebt. 

J.Barone,  La  fondation  de  Rome  et  le  cycle  legendaire  de  Ro- 
mulus  et  Remus.     Turin  1886 

bringt  nach  den  einschlägigen  Untersuchungen  von  Mommsen  nichts  Neues. 

B.  Büchsenschütz,  Bemerkungen  über  die  römische  Volkswirt- 
schaft der  Königszeit.     Pr.  des  Friedr.-Werd.  Gymn.    Berlin  1886. 

Der  Verfasser  geht  von  dem  Grundsatze  aus,  dafs  zu  allen  Zeiten 
die  Geschichte  des  römischen  Staates  auf  das  engste  mit  der  Geschichte 
der  socialen  und  wirtschaftlichen  Entvvickelung  des  römischen  Volkes 
verknüpft  ist  und  unsere  Einsicht  in  den  Gang  der  Geschichte  des  rö- 
mischen Staates  eine  vollkommenere  und  klarere  sein  würde,  wenn  wir 
das  wirtschaftliche  Leben  der  Römer  im  Einzelnen  genauer  kennen  wür- 
den. Für  eine  solche  Erkenntnis  der  ältesten  Zeiten  geben  einen  eini- 
germafsen  gewissen  Anhalt  nur  wirklich  aus  demselben  stammende  Über- 
reste, mögen  sie  nun  in  realen,  ununterbrochen  erhaltenen  Dingen  be- 
stehen oder  in  Einrichtungen ,  deren  Entwicklung  eine  so  notwendige 
gewesen  ist,  dafs  mit  einer  gewissen  Zuverlässigkeit  aus  dem  sicher 
Nachweisbaren  die  Vorstufen  desselben  abgeleitet  werden  können.  Ein- 
zelne Beiträge  mag  auch  die  Sprache  liefern,  soweit  deren  Geschichte 
rückwärts  verfolgt  werden  kann. 

Die  von  Mommsen  angenommene  Entstehung  Roms  aus  einer  burg- 
■  ähnlichen  Anlage,  welche  den  auf  zerstreuten  Höhen  wohnenden  Acker- 
bau und  Viehzucht  treibenden  Bewohnern  der  Umgegend  eine  gemein- 
same Zuflucht  in  Zeiten  feindlicher  Angriffe  bot,  ist  nicht  unwahrschein- 
lich. Schon  dem  ersten  Könige  wird  die  Einrichtung  einer  bestimmten 
Agrarverfassung  zugeschrieben.  Aber  wenn  auch  die  betreffenden  An- 
gaben vornehmlich  auf  Rückschlüssen  aus  späteren  Verhältnissen  be- 
ruhen, so  scheinen  doch,  ganz  abgesehen  von  dieser  Tradition,  That- 
sachen  vorhanden  zu  sein,  welche,  aus  jenen  Einrichtungen  hervorge- 
gangen, für  die  Realität  derselben  Zeugnis  ablegen.  So  ist  das  Bestehen 
der  Tribus  und  Curien  sicher;  wahrscheinlich  ist  auch,  dafs  die  Feld- 
mark der  Curie  von  dem  bestimmten  Laudgebiete  gleichen  Namens  ge- 
bildet wurde.  Dafs  dagegen  Romulus  zwei  Morgen  Ackerland  auf  den 
Mann  angewiesen  habe  und  eine  solche  Parzelle  heredium  genannt  worden 
sei  und  ein  Areal  von  200  Morgen  die  Flur  einer  Curie  gebildet  habe, 
ist  wenig  wahrscheinlich.  Dagegen  scheint  dem  Verfasser  die  Annahme 
einer  Feldgemeinschaft  vieles  für  sich  zu  haben;   dabei  liefse  sich  auch 


286  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

eine  einigermafsen  befriedigende  Vorstellung  von  der  Stellung  und  den 
wirtschaftlichen  Verhältnissen  der  Klienten  gewinnen;  sie  wären  dann 
zur  Bebauung  der  der  gens  gehörigen  geschlossenen  Flur  verpflichtet; 
dazu  würde  auch  die  jedenfalls  geringfügige  Zahl  der  Sklaven  stimmen. 

Einen  Einschnitt  machte  die  Verfassung  des  Servius.  Freilich  läfst 
sich  aus  derselben  nicht  mehr  als  ein  relativer  Mafsstab  für  die  ver- 
schiedene Gröfse  des  Grundeigentums  in  den  einzelneu  Klassen  gewinnen, 
und  auch  nur  mit  diesem  Ergebnisse  ist  es  schwer,  die  sonstigen  als 
bestehend  bezeugten  Verhältnisse  in  Einklang  zu  bringen.  So  kann  man 
z.  B.  die  Einteilung  in  Centurien  für  die  Bestimmung  der  Zahl  der  Haus- 
stände und  der  Grundstücke  nicht  gebrauchen.  Die  in  der  servianischen 
Verfassung  zutage  tretende  Verschiedenheit  des  Vermögens  d.  h.  im 
wesentlichen  des  Grundbesitzes,  zeigt  an,  dafs  zwischen  einer  Aufteilung 
der  Flur  und  der  Herstellung  jener  Verfassung  ein  ansehnlicher  Zeit- 
raum liegen  mufs.  Wenn  man  nicht  annehmen  will,  dafs  zur  Zeit  der 
Aufteilung  sehr  weitgehende  Verschiedenheiten  in  der  Berechtigung  der 
einzelnen  Bürger  bestanden  haben,  so  mufs  man  die  Vorstellung  fest- 
halten, dafs  die  den  Einzelnen  zugewiesenen  Grundstücke  gleiche  Gröfse 
gehabt  haben,  höchstens  dafs  für  zwei  verschieden  berechtigte  Stände, 
wie  eben  Patrizier  und  Plebejer  waren,  zweierlei  Mafs  festgesetzt  wor- 
den ist;  eine  Verschiedenheit  des  Grundeigentums,  die  eine  Abstufung 
in  vier  Klassen,  ganz  abgesehen  von  den  innerhalb  jeder  einzelnen  Klasse 
bestehenden  Unterschieden,  begründete,  konnte  in  natürlicher  Weise 
durch  Erbgang,  Kauf  und  Verkauf  in  einer  kurzen  Zeit  gewifs  sich  nicht 
ausbilden.  Dazu  kommt  das  Bedenken ,  dafs  nach  Mommsen  auf  8000 
Grundeigentümer  der  ersten  Klasse  nicht  mehr  als  9000  der  übrigen 
Klassen  zusammen  kommen  sollen.  Wollte  man  nun  zur  ersten  Klasse 
alle  Bürger  rechnen,  welche  im  Besitze  von  mindestens  einer  Hufe  von 
angeblich  20  Morgen  waren,  so  würde  umgekehrt  die  Erscheinung  be-' 
fremden,  dafs  eine  so  gröfse  Zahl  von  Bürgern  mit  ihrem  Grundeigen- 
turae  hinter  dem  Normalmafse  zurückblieb,  als  welches  doch  die  Hufe 
gelten  müfste.  Die  Plebejer  müfsten  dann  ein  geringeres  Mafs  von 
Landeigentum  erhalten  haben;  feststellen  läfst  sich  aber  hierüber  so 
wenig,  wie  über  die  Stellung  der  Klienten. 

So  viel  ergiebt  sich  jedenfalls,  dafs  die  Ungleichheit  des  Land- 
eigentums im  einzelnen  wahrscheinlich  viel  gröfser  gewesen  ist,  als  sie 
sich  im  Ganzen  in  der  Klasseneinteilung  des  Servius  darstellt,  und  dafs 
aus  dem  uns  zu  geböte  stehenden  Material  eine  Kenntnis  der  agrari- 
schen Verhältnisse  im  ältesten  Rom  nicht  einmal  in  den  allgemeinsten 
Umrissen  gewonnen  werden  kann.  Das  gleiche  Dunkel  liegt  über  den 
Agrarverhältnissen  in  den  ersten  Zeiten  der  Republik.  Eine  hervor- 
ragende Rolle  spielt  der  ager  publicus,  der  wohl  im  Wesentlichen  aus 
Weideland  bestand.  Eine  Occupation  durch  einzelne  Bürger  ist  für  die 
ältere  Zeit  nicht  nachweisbar. 


3.  Königszeit  und  Republik.  287 

Das  Handwerk  trat  gegen  den  Ackerbau  erheblich  zurück,  weil 
für  den  Handwerksbetrieb  geringes  Bedürfnis  vorhanden  war,  da  Geräte, 
Nahrung  und  Kleidung  im  Hause  gefertigt  wurden.  Als  Mitglieder  der 
von  Numa  angeblich  begründeten  Kollegien  wird  man  nur  Bürger  anzu- 
sehen haben.  Freilich  sind  diese  Kollegien  selbst  mit  den  Kulturzu- 
ständen jener  Zeit  schwer  in  Einklang  zu  bringen.  Sie  enthielten  Holz- 
arbeiter, in  geringerer  Zahl  Handwerker,  die  mit  Steinbauten  vertraut 
waren,  Kupferschmiede,  Waffenschmiede  und  Verfertiger  von  Haus-  und 
Feldgerät,  Garten-  und  Landarbeiter,  Töpfer;  dagegen  läfst  sich  nicht 
finden,  wie  es  ein  eigenes  Kollegium  der  Goldschmiede  und  Färber  gab, 
während  Walker  fehlten. 

Die  Lage  Roms  am  Tiber  begünstigte  die  Anknüpfung  und  Unter- 
haltung von  Handelsverbindungen  sowohl  mit  dem  Hinterlande,  als  nach 
der  Seeseite.  Doch  konnte  die  Schiffahrt  auf  dem  Tiber  und  seinen 
Nebenflüssen,  namentlich  ehe  durch  Stromregulirungen  derselben  eine 
wesentliche  Hilfe  geboten  wurde,  einem  lebhaften  und  regelmäfsig  be- 
triebeneu Handel  nicht  genügend  gedient  haben,  besonders  in  der  Rich- 
tung von  Rom  flufsaufwärts.  Commercielle  Bedeutung  konnte  die  Stadt 
erst  gewinnen,  als  sie  in  anderer,  namentlich  politischer  Beziehung  Eiu- 
flufs  auf  eine  weitere  Umgebung  gewonnen  hatte.  Von  einem  aktiven 
Handel  kann  in  den  ältesten  Zeiten  keine  Rede  sein,  da  sich  kaum 
etwas  auffinden  läfst,  was  Rom  zum  Verkauf  hätte  bieten  können.  Salz 
war  der  einzige  Handelsartikel  nach  dem  Binnenland.  Dafs  Rom  ein 
Platz  gewesen  wäre,  an  welchem  die  Produkte  anderer  Gegenden  zum 
gegenseitigen  Austausch  kamen,  ist  nicht  nachzuweisen,  da  sich  nicht 
finden  läfst,  welcher  Art  die  aus  dem  Binnenlande  kommenden  Produkte 
gewesen  sein  sollen.  Eher  könnte  Rom  ein  Stapelplatz  für  solche  Waren 
gewesen  sein,  die  von  der  See  her  eingeführt  weiteren  Vertrieb  nach 
dem  Innern  des  Landes  fanden.  Aber  das  Absatzgebiet  war  in  diesem 
Falle  auf  Sabiuer  und  einen  Teil  der  Latiner  beschränkt.  Metalle  und 
Erzeugnisse  der  Industrie  sind  unzweifelhaft  eingeführt  worden,  und 
ebenso  sicher  lassen  sich  Handelsverbindungen  mit  den  Griechen  in 
Unter-Italien  und  vielleicht  in  Sicilien  nachweisen.  Aber  wenn  man 
auch  diese  Beziehungen  anerkennt  und  ihnen  einen  verhältnisraäfsig 
hohen  Wert  beilegen  will,  so  kann  doch  die  unmittelbare  Beteiligung 
der  Römer  an  dem  vorausgesetzten  Handel  nicht  bedeutend  genug  ge- 
wesen sein,  um  ihrer  Stadt  eine  besondere  commercielle  Wichtigkeit  zu 
verschaffen.  So  finden  sich  denn  auch  keine  zuverlässigen  Spuren,  dafs 
sich  in  Rom  ein  Kaufmannsstand  gebildet  hat;  ein  Kollegium  der  Kauf- 
leute ist  erst  495  v.  Chr.  eingerichtet  worden,  und  zwar  so,  dafs  das- 
selbe in  unmittelbarer  Verbindung  mit  der  Versorgung  der  Stadt  mit 
Getreide  stand.  Mit  dem  Grofshandel  der  alten  Welt  ist  die  Schiffahrt 
zur  See  untrennbar  verbunden;  es  fehlt  aber  jedes  Anzeichen  dafür,  dafs 
die  Römer  der  ältesten  Zeit  sich  mit  derselben  befafst  haben.     Auch 


288  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

befindet  sich  unter  den  ursprünglichen  einheimischen  Göttern  der  Römer 
keiner,  der  zu  der  See  und  dem  Handel  in  Beziehung  stände.  Von 
äufseren  Einrichtungen  für  den  Handelsverkehr  ist  sehr  wenig  bekannt. 
Manches  spricht  dafür,  dafs  ausländische,  namentlich  etruskische  Kauf- 
leute in  Rom  thätig  gewesen  sind. 

So  läfst  sich  mit  den  uns  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  eine  nur 
einigermaCsen  befriedigende  Vorstellung  von  der  Volkswirtschaft  im  älte- 
sten Rom  selbst  durch  die  weitgehendsten  Kombinationen  nicht  gewinnen; 
diese  Unsicherheit  wird  durch  andere  Umstände  noch  bedeutend  ver- 
mehrt. So  ist  die  Ausdehnung  des  römischen  Gebietes  beim  Übergange 
zur  Republik  sehr  mäfsig,  ungefähr  von  einem  Flächeninhalte  von  zehn 
bis  zwölf  Quadrat -Meilen.  Derselben  entspricht  eine  Bevölkerungszahl 
von  500  000  Köpfen,  auf  die  die  ersten  Zensuszahlen  schliefseu  lassen; 
eine  so  dichte  Bevölkerungszahl  läfst  sich  aber  nicht  mit  den  volkswirt- 
schaftlichen Verhältnissen  vereinigen.  Aber  mit  einer  so  geringen  Boden- 
ausdehnung sind  auch  nicht  die  grofsartigen  Bauwerke  (Kloaken,  ser- 
vianische  Mauer,  kapitolinische  Tempel)  zu  vereinigen,  da  die  Mittel 
gar  nicht  aufzubringen  gewesen  wären;  an  Frondienste  allein  kann  man 
aber  nicht  denken,  da  solche  erst  unter  dem  letzten  Tarquinier  eine 
Rolle  spielen. 

Vielleicht  könnten  die  Berichte  über  die  Notlage  der  Plebeier  hier 
manchen  Aufschlufs  geben ;  aber  Entstehung  und  Wesen  der  materiellen 
Verschuldung  derselben  ist  völlig  in  Dunkel  gehüllt,  da  die  betreffenden 
Schriftstelleraugaben  unmöglich  richtig  sein  können.  Vielleicht  läfst  sich 
an  eine  andere  Form  der  Verschuldung  denken,  die  auf  einer  persön- 
lichen Abhängigkeit  der  Plebeier  von  den  Patriziern  und  auf  einer  da- 
mit in  untrennbarem  Zusammenhange  stehenden  Abhängigkeit  des  ple- 
beischeu  Grundbesitzes  von  den  Patriziern  beruht.  Die  Unmöglichkeit, 
den  aus  dieser  Abhängigkeit  entspringenden  Verpflichtungen  nachzu- 
kommen, läfst  sich  aus  ungünstigen  Zeitverhältnissen  viel  leichter  er- 
klären als  Geldschulden  in  dem  angenommenen  Umfange,  und  eine  er- 
klärliche Folge  würde  dann  auch  die  Einziehung  der  abhängigen  und 
verpflichteten  Güter,  sowie  selbst  die  Freiheitsberaubung  der  verpflich- 
teten Personen  haben  sein  können. 

Der  Verfasser  schliefst  damit,  dafs  er  darauf  hinweist,  wie  das 
negative  Resultat  seiner  Untersuchung  insofern  Wert  habe,  als  es  dazu 
beitragen  könne  zu  erweisen,  dafs  es  besser  sei,  über  das  Nichtwissen 
klar  zu  werden,  als  haltlose  Hypothesen  auf  Hypothesen  aufzubauen. 
Man  kann  ihm  darin  nur  zustimmen. 


4.  Zeit  des  Ständekampfes,  289 


4.    Zeit  des  Ständekanipfes  und  der  Eroberung  Italiens. 

Benedictus  Niese,  De  anualibus  Ronianis  observationes.    Mar- 
burg Univ.  Sehr.  1886. 

Ausgehend  von  den  ältesten  Annalisten,  welche  nur  selten  Namen 
der  handelnden  Personen  in  ihre  kurzen  Berichte  aufnehmen,  bestreitet 
der  Verfasser  die  Beweiskraft  der  von  den  Späteren  überlieferten  Namen 
im  allgemeinen,  da  dieselben  aus  Rücksicht  auf  bestimmte  Familien  oft 
gefälscht  worden  seien  (z.  B.  der  Claudier  und  Valerier).  Diese  Fäl- 
schungen erstreckten  sich  auch  auf  Frauennameu.  Die  gefälschten  Namen 
wurden  meist  den  Kousulatslisten  entnommen.  Eine  andere  Quelle,  na- 
mentlich für  plebeische  Namen,  eröffnete  sich  in  der  Zeit  der  Gracchen 
oder  Sullas. 

Während  Diodor  aufser  verschiedenen  anderen  Einzelheiten  des 
Sturzes  der  Dezemviralherrschaft  auch  keine  Namen  kennt,  wissen  Livius 
und  Dionysius  eine  Reihe  Einzelheiten  und  eine  Menge  Namen  anzu- 
führen, darunter  auch  die  der  zehn  neugewählten  Volkstribunen.  Vier  von 
diesen  Namen  erwähnte  Diodor  11,  68  im  Jahre  471  v.  Chr.  und  Piso 
bei  Liv.  2,  58;  und  da  es  undenkbar  ist,  dafs  Diodor  jene  Namen  der 
Dezemviralzeit  in  das  Jahr  471  zurückgeschoben  habe,  da  er  selbst  bei 
dem  Sturze  der  Dezemvirn  keine  Namen  nennt,  so  können  nur  jene 
älteren  Namen  in  die  spätere  Zeit  übertragen  worden  sein.  Die  Fäl- 
schung geschah  in  Ciceros  Zeit,  da  dieser  anfänglich  gar  keine,  später 
mehrere  Namen  kennt.  Was  den  bei  Livius  sich  findenden  L.  Mecilius 
betrifl't,  so  ist  dieser  spätere  Zuthat,  und  Diodor  hat  ihn  nicht  irrtüm- 
lich weggelassen,  sondern  Piso  hat  ihn  erfunden:  so  wurden  471  nur 
vier  Tribunen  eingesetzt.  Diodors  Worte  ermöglichen  die  Annahme, 
dafs  471  die  Vierzahl,  aber  auch  die,  dafs  erst  das  Tribunat  in  diesem 
Jahre  entstand.  Aus  der  namentlichen  Aufführung  der  Tribunen  ist 
Niese  geneigt,  die  letztere  Annahme  zu  begründen;  sie  wird  auch  da- 
durch empfohlen,  dafs  die  SchriftsteUernachrichten  über  die  Vorgänge 
des  Jahres  494  v.  Chr.  sehr  dissentieren.  Dagegen  berichten  Diodor 
wie  Piso  die  Namen  der  Tribunen  vor  471  übereinstimmend  und  in  der- 
selben Reihenfolge. 

Die  Bedenken,  welche  dieser  Annahme  entgegenstehen,  hat  Joh. 
Schmidt  im  Hermes  21,  46ofi".  dargelegt.  Er  nimmt  an,  dafs  die  Erwäh- 
nung der  Tribunen  im  Jahre  471  gerechtfertigt  sei,  weil  in  diesem  Jahre 
die  Verlegung  der  Wahl  aus  der  Versammlung  der  plebeischen  Curialen  in 
die  der  plebeischen  Tribulen  erfolgt  sei,  die  zunächst  für  diesen  Zweck  da- 
mals zuerst  eingerichtet  wurde.  Der  widerspruchsvollen  und  unbestimm- 
ten Überlieferung  über  das  Jahr  494  will  Schmidt  nicht  die  Bedeutung 
wie  Niese  beilegen.  Erstlich  seien  die  Variationen  durch  die  vielfache 
Beschäftigung  der  späteren  Zeit  mit  dieser  entlegeneren  Periode  zu  er- 

lahresbericht  für  Alterthumswisseaschaft  LII.  (1887.  lll.)  19 


290  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

klären;  sodann  aber  gingen  die  älteren  Gewährsmänner  bezüglich  der 
Zweizahl  gar  nicht,  auseinander;  wohl  seien  bei  ihnen  keine  Namen  ge- 
nannt; daraus  folge  aber  keineswegs,  dafs  sie  solche  nicht  gekannt 
hätten.  Dafs  in  den  Namen  der  drei  hinzugedichteten  Differenzen  be- 
ständen, sei  natürlich.  Aber  auch  in  den  Namen  vor  471  herrsche  kei- 
neswegs solche  Übereinstimmung,  wie  Niese  annehme.  Aufserdem  wider- 
spreche Nieses  Annahme  die  Notiz  des  Piso  bei  Liv.  2,  58  numero  etiara 
additos  tres  perinde  ac  duo  antea  fuerint,  woraus  doch  deutlich  die 
Einsetzung  von  zwei  Tribunen  sich  ergebe,  für  die  sich  kein  anderes 
Jahr  als  494  finden  lasse;  aber  auch  der  Wortlaut  von  Diodor  11,  68 
spreche  für  die  Beziehung  des  rors  r.pcü-cwv  auf  zi—apsg  und  enthalte 
darin  eine  Hindeutung  auf  die  Wahl  von   zwei  Tribunen   im  Jahre  494. 

C.  P.  Burger,   Ad  annalium  romanorum  reliquias  a  Diodoro  ser- 
vatas.    Mnemosyne  16,  1—9. 

Der  Verfasser  will  einige  Beiträge  zur  Berichtigung  der  bei  Dio- 
dor erhaltenen  Eigennamen  aus  den  Samniterkriegen  geben. 

19,  76  ist  überliefert  r.apl  Kbav  tmXc^,  deren  Lage  bis  jetzt  noch 
nicht  zu  finden  war.  Der  Verfasser  schlägt  vor,  izepl  TARAxcvav  zu 
lesen ,  da  die  betreffende  Stadt  in  Latium  gesucht  werden  raufs  und 
Taracina  den  Angriffen  der  Samniteu  stets  besonders  ausgesetzt  war. 
Dadurch  erhält  auch  der  Bericht  des  Livius  das  nötige  Licht.  Der  Sieg 
bei  Taracina  befreite  Latium  von  den  Einfällen  der  Samniteu  und  er- 
schlofs  den  Weg  zu  Auruukern  und  Campanern,  die  jetzt  ihre  Abfallge- 
lüste aufgaben. 

19,  101.  T)jv  TS  ^psTsjioywi/  tmXiv.  Schon  Cluver  vermutete,  dafs 
in  diesem  Namen  der  der  Stadt  Fregellae  stecke.  Der  Verfasser  meint 
aber,  dafs  die  Herstellung  -zr^v  -s  ^pzysllavojv  nuXtv  slXz  nicht  genügen 
würde,  und  schlägt  mit  Rücksicht  auf  Liv.  9,  12.  28.  23.  24  und  Diod. 
19,  72  vor:  ttjv  re  ^psysXXav  {^dvöxzr^aaTo   xal  tyjv  ^wp^avlLv  tmIiv  eile. 

19,  105.  iarpo-soaav  im  [loXczcov  Mappouxtvojv  obaav  rrahv.  Von 
einer  Stadt  Politium  giebt  es  sonst  keine  Spur;  auch  ist  nicht  zu  sehen, 
wie  die  Römer,  die  kaum  Latium  und  Campanien  wiedergewonnen  hatten, 
einen  Feldzug  gegen  die  Marruciner  unternehmen  konnten.  Der  Ver- 
fasser meint,  es  sei  zu  lesen  lhij.r.rjtav  youxeplvojv  ouorj.v  tmIcv. 

20,  26.  will  der  Verfasser  für  Kardppax-av  xal  iis.paovaiav  lesen: 
Kaiaziav  xal  KooßuXrepiav.  Und  indem  er  auch  vorher  nspl  zu  xaKoüp-s- 
vov  'IzdXiov  in  Tiavov  korrigiert  und  darunter  Teanum  Sidicin.  versteht, 
will  er  den  Kriegsschauplatz  und  damit  alle  diese  Orte  in  Samuiiim 
suchen;  das  Gebiet  auf  dem  rechten  Volturno  -  Ufer  würde  dann  in  rö- 
mische Hände  gekommen  sein.  Aber  ist  es  glaublich,  dafs  aus  Kooßuk- 
zsptav  Kepauvacav  geworden  ist?  Sollte  in  dem  letzteren  Namen  nicht 
eher  das  Cisauna  der  Scipioneuinschrift  zu  suchen  sein? 

20,  80  hatte  schon  Cluver  statt  Aljcvczatg  lesen  wollen  'Avayvczacg. 


4.  Zeit  des  Ständekampfes.  291 

Niebuhr  hatte  im  folgenden  statt  FlakrjviooQ  'AvayvLooQ  vorgeschlagen. 
Letzteres  ist  unmöglich,  da  Diodor  die  Bewohner  von  Anagnia  'Auayvira: 
nennt.  Der  Verfasser  schlägt  vor  statt  llaXrjvmog  zu  lesen  'Epvcxoug  — 
ebenfalls  eine  ziemlich  gewaltsame,  wenn  auch  inhaltlich  zutreffende  Les- 
art. Statt  ^fjooaivwMx  o'  BxnoXcopxrjaavTzg  dnsdovzo  tyjv  ^(öpav  schlägt 
er  vor  d(petXovro  z.  •^. 

Gleich  darauf  erwähnt  Diodor  rJ)Xiv  BCoXav,  die  ebenfalls  nirgends 
sonst  gefunden  wird.  Niebuhr  schlug  dafür  Borianum  vor.  Der  Ver- 
fasser bringt  dagegen  vor,  dafs  durch  die  Berichte  eine  Stadt  im  Ge- 
biete der  Falerner  verlangt  werde  und  conjiciert :  TprjßooXav,  das  in  der 
Nähe  von  Cales  liegt. 

Alle  diese  Vorschläge  sind  deswegen  bedenklich,  weil  wir  viel  zu 
wenig  über  die  alte  Topographie  dieser  Gegenden  wissen. 

K.J.  Neu  mann,  Wann  schrieb  Coelius  Antipater?  Philol.  45,  385  ff. 

Plin.  n.  h.  2,  169  sagt,  lange  vor  Cornelius  Nepos  habe  Coelius 
Antipater  jemanden  gesehen,  der  in  Handelsinteressen  von  Spanien  nach 
Äthiopien  geschifft  sei.  Coelius  hat  den  Tod  des  C.  Gracchus  überlebt, 
war  also  ein  Zeitgenosse  des  Eudoxos  von  Kyzikos.  Und  der  Afrika- 
umsegler,  den  er  gesehen  hat,  kann  in  der  That  ein  anderer  als  Eudoxos 
kaum  gewesen  sein.  Als  dieser  seine  atlantische  Expedition  vorberei- 
tete, ist  er  auch  in  Puteoli  gewesen.  Damals  kann  Coelius  ihn  gesehen 
und  später  gehört  haben,  dafs  die  geplante  Expedition  wirklich  zur  Aus- 
führung gekommen  sei.  Somit  wäre  für  die  Zeit,  in  der  Coelius  ge- 
schrieben hat,  ein  neuer  terminus  post  quem  anzusetzen.  In  einem  V^erke 
über  den  zweiten  punischen  Krieg,  bei  einer  Erörterung  des  karthagi- 
schen Gebiets  und  des  karthagischen  Handels  bot  sich  die  leichteste 
Gelegenheit,  von  einer  Umsegelung  Afrikas  und  von  den  Maurusiern  zu 
berichten.  Das  für  die  Abfassungszeit  von  Fg.  56  gewonnene  Datum 
bezieht  sich  also  auf  das  einzige  Werk  des  Coelius,  auf  sein  bellum 
Punicum;  dasselbe  kann  erst  mehrere  Jahre  nach  117  geschrieben  sein; 
denn  Eudoxos  hat  seine  indische  Reise  unmittelbar  nach  dem  117  v.  Chr. 
erfolgten  Tode  Euergetes  H.  unternommen. 

R.  Hartstein,  Über  die  Abfassungszeit  der  Geschichten  des  Poly- 
bius.    Philol.  45,  715  ff. 

Der  Aufsatz  ist  gegen  einzelne  Argumente  Thommens  (Jahresb. 
1885,  237  f.)  gerichtet.  Die  Argumentation,  wonach  Polyb.  26,  4,  4  um 
151  geschrieben  sein  müsse,  beruht  auf  Zerstreutheit;  denn  aus  der 
Thatsache,  dafs  die  dem  Ti.  Gracchus  163  vermählte  Cornelia  ihrem  Ge- 
mahl zwölf  Kinder  geboren  habe,  läfst  sich  nur  der  Schlufs  ziehen,  dafs 
derselbe  noch  das  Jahr  151  erlebt  hat,  aber  nicht,  dafs  er  im  Jahre  151 
gestorben  sein  müsse.  Wäre  das  Lob  der  That  des  Flamininus  vom 
Jahre  196  Polyb.  18,  46,  13     15  überhaupt  auffallend,   so  wäre  es  das 

19* 


292  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

nach  167  nicht  minder  als  nach  146,  und  vor  167  kann  dasselbe  doch 
sicherlich  nicht  geschrieben  sein.  Polyb.  1,  73,  3  verglichen  mit  19,  10,  5 
beweist,  dafs  an  letzterer  Stelle  der  Bestand  Karthagos  nicht  voraus 
gesetzt  werden  mufs.  Dafs  dasselbe  noch  bestand,  als  Polybios  12,  25,  3 
schrieb,  verrät  keine  Spur;  das  gleiche  gilt  für  9,  9,  9.  Stellen  des 
sechsten  Buches  setzen  allerdings  den  Bestand  Karthagos  voraus;  6,52, 
1  —  3;  52,  5  und  56,  1  —  3  hätten  nach  146  nicht  so  geschrieben  werden 
können.  Ebenso  sind  die  Bücher  III— V  vor  VI  entstanden.  Da  aber 
B.B.  VII  — XXX  mit  keiner  Spur  auf  eine  Abfassung  vor  dem  Jahre  146 
hinweisen,  so  verliert  Thommens  Behauptung,  dafs  Polyb.  seinen  ersten 
bis  167  reichenden  Plan  vor  150  wirklich  ausgeführt  hatte,  jegliche 
Stütze.  Aber  man  kann  auch  nicht  dabei  stehen  bleiben,  au  die  Stelle 
des  XXX  Buches  einfach  das  VI  als  die  Grenze  der  beiden  durch  ihre  Ab- 
fassungszeit getrennten  Teile  hinzustellen.  Thoramen  hat  auch  nicht  er- 
klärt, warum  sich  in  B.  III  ff.  Hindeutungen  auf  die  Zeit  nach  146  finden, 
in  den  beiden  ersten  dagegen  nicht,  ebenso  wenig,  warum  das  Prooemium 
von  B.  3  korrigiert  ist,  das  von  B.  1  dagegen  nicht.  B.  1  und  2,  die  Pro- 
paraskeue,  waren  bereits  publiziert  und  konnten  nicht  mehr  verändert 
werden,  während  B.  3—6  zwar  jedenfalls  schon  ausgearbeitet,  aber  noch 
nicht  veröffentlicht  waren.  An  ihnen  konnte  Polyb.  nach  Belieben  kor- 
rigieren ,  als  er  nach  längerer  Unterbrechung  an  die  Ausführung  des 
nunmehr  erweiterten  Planes  herantrat.  Nach  Thomraen  geschah  das 
erst  zwischen  132-129;  3,  39,  8  soll  sogar  ein  auf  das  Jahr  120  führen- 
der Nachtrag  sich  finden.  Aber  diese  Stelle  ist  längst  als  spätere  Inter- 
polation erkannt;  auch  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  der  bald  nach  211 
geborene  Polybios  im  Jahre  120  nicht  mehr  lebte.  Auch  kann  man 
nicht  einsehen ,  was  denn  nach  der  Rückkehr  von  seiner  politischen 
Mission  den  Geschichtschreiber  hätte  hindern  sollen,  den  Faden  wieder 
aufzunehmen,  den  er  vor  sechs  Jahren  hatte  fallen  lassen.  Aus  dem 
mächtigen  Eindruck  der  Ereignisse  von  146  hat  sich  die  Erweiterung 
des  ursprünglichen  Planes  ergeben.  Es  empfiehlt  sich,  auch  die  Aus- 
führung dieses  Planes  nicht  allzuweit  von  jenen  Ereignissen  abzurücken; 
denn  die  nun  folgende  Zeit  bis  zu  Scipios  Abgang  zum  numantinischen 
Kriege  bot  dem  Polybios  Jahre  der  Mufse. 

Liers,     Die    Theorie    der    Geschichtschreibung    des    Dionys  von 
Halikarnafs.     Progr.  des  Gymn.  Waidenburg  i.  Schi.  1886. 

Diese  Schrift  hat  für  die  römische  Geschichte  nur  insofern  einigen 
Wert,  als  sie  gewisse  durchgehends  erscheinende  Züge  und  Eigentüm- 
lichkeiten des  Dionysios  nachweist. 

0.  Baratieri,    La  leggenda  dei  Fabi.    Saggio  di  critica  militare 
con  una  carta  etc.     Roma  1886. 

Der  Verfasser  prüft   vom   militärischen  Standpunkte  die  Berichte 


4.  Zeit  des  Ständekampfes.  293 

über  die  Fabierschlacht  an  der  Cremera  und  gelangt  zu  dem  Ergeb- 
nisse, dafs  man  es  mit  einer  Legendenbildung  zu  tbun  bat. 

L.  A.  Kesper,  Commentatio  critica  de  Camillo  Volscorum  Victore. 
Diss.  Leyden  1886. 

Der  Verfasser  vermifst  eine  kritiscbe  Erörterung  der  Volskerkriege 
des  Camillus;  denn  Niebubr,  Clason,  Momrasen  scheinen  ihm  ohne  Gründe 
ihr  ziemlich  destructives  Urteil  abgegeben  zu  haben,  wenn  er  auch  in 
der  Hauptsache,  dafs  die  Camillustradition  vielfach  mit  legendenhaften 
Bestandteilen  ausgeschmückt  sei,  mit  ihnen  übereinstimmt. 

An  der  Überlieferung  ist  die  Thatsache  richtig,  dafs  die  Volsker 
mit  den  Römern  in  Kampf  gerieten,  als  erstere  Satricum  393  an  sich 
zogen.  Der  Verfasser  untersucht  aber  die  Einzelheiten  der  Überliefe- 
rung in  drei  Abschnitten,  1.  den  Bericht  des  Diodor,  Livius  und  PIu- 
tarch  über  den  Krieg  von  389,  2.  die  Tradition  über  die  Kriege  bis  386 
(nach  Livius)  bezw.  381  (nach  Livius  und  Plutarch),  3.  das  Ergebnis 
dieser  Berichte  für  die  Geschichte. 

Unter  den  Quellen  hat  Diodor  die  älteste  Tradition,  aber  es  finden 
sich  doch  auch  bei  Livius  und  Plutarch,  der  Dionysius  folgt,  Züge  alter 
guter  Überlieferung. 

ad.  1.  Bei  Diodor  ist  auch  hier  die  ältere  Überlieferung  erhalten. 
Wenn  Diodor  den  ersten  Krieg  in  das  Jahr  387  setzt,  so  hat  er  hier 
mindestens  die  Ereignisse  von  zwei,  vielleicht  von  drei  Jahren  in  eines 
zusammengezogen  (390  und  389  ev.  391  —  389).  Die  Entscheidungs- 
schlacht fand  nördlich  von  Lanuvium  statt,  vielleicht  in  der  Nähe  der 
ad  Sponsas  genannten  Örtlichkeit.  Die  Angabe,  dafs  Camillus  den 
'ZOjährigen  Krieg  gegen  die  Volsker  beendet  habe,  erklärt  der  Verfasser 
so.  Es  hat  einst  zwei  Traditionen  gegeben,  von  denen  die  eine  schon 
vor  459 ,  die  andere  erst  seit  diesem  Jahre  Kriege  mit  den  Volskern 
kannte.  Der  Sieg  des  Camillus  war  nicht  entscheidend,  die  Volsker 
wurden  nicht  unterworfen.  Bezüglich  des  dreifachen  Triumphes  des  Ca- 
millus tritt  der  Verfasser  der  Ansicht  von  Mommsen  bei. 

ad.  2.  Der  Verfasser  vergleicht  zunächst  die  Erzählung  über  den 
Krieg  von  386  mit  dem  Berichte  des  Livius  über  den  Volskerkrieg  von 
377,  untersucht  alsdann  den 'Bericht  des  Livius  und  Plutarch  über  die 
Thaten  des  Camillus  vom  Jahre  381  und  vergleicht  die  Berichte  über 
letzteren  Krieg  und  über  den  von  386.  Aus  der  Übereinstimmung,  wel- 
che die  Livianischen  Berichte  über  die  Jahre  386  und  381  unter  sich 
und  dann  weiter  mit  dem  Plutarchischen  Berichte  über  das  Jahr  381 
zeigen,  schliefst  der  Verfasser,  dafs  diese  drei  Berichte  dem  alleinigen  Be- 
streben der  Annalisten  entsprangen,  den  schon  im  Greisenalter  stehenden 
Camillus  nochmals  als  Sieger  über  die  Volsker  darzustellen.  Der  Be- 
richt über  den  Volskerkrieg  von  381  ist  entstanden  aus  dem  Berichte 
über  den  Etruskerkrieg  von  389,  wie  ihn  Diodor  und  Livius  geben;  der 


294  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Bericht  des  Livius  über  den  Krieg  von  386  ist  eine  schlechte  Wieder- 
holung des  Berichtes  von  389;  der  Verfasser  weist  im  Einzelneu  nach, 
wie  scheinbar  widersprechende  Thatsachen,  wie  z.  B.  die  Erwähnung  von 
Satricum  hereingekommen  und  überhaupt  die  abweichende  Gestaltung 
dieses  Krieges  entstanden  ist.  Der  Bericht  des  Livius  über  das  Jahr 
381  stammt  aus  der  jüngsten  Quelle,  dagegen  berichtet  Plutarch  die 
Vorfälle  dieses  Jahres  ebenfalls  zwar  nach  einer  jungen,  aber  doch  we- 
niger verdorbenen.  Bei  dem  Liviauischen  Berichte  des  Jahres  386  kann 
von  einer  Quelle  kaum  die  Rede  sein :  er  entstammt  der  schlechtesten 
Annalisteufabrik. 

ad.  3.  Wenn  Livius  vom  Jahre  377—346  von  Volskerkriegen  nichts 
berichtet,  so  folgt  daraus  nicht,  dafs  keine  stattfanden.  Im  Gegenteil. 
Er  berichtet  den  im  Jahre  393  erfolgten  Abfall  der  römischen  Kolonie 
Velitrae  nicht  d.  h.  die  Volsker  bemächtigten  sich  der  Stadt  und  ver- 
trieben die  Kolonisten.  Wenn  von  Feindseligkeit  zwischen  Rom  und 
Velitrae  die  Rede  ist,  so  handelt  es  sich  stets  um  Volskerkriege,  frei- 
lich um  andere  Volskerstämme  als  die  Volsci  Antiates.  Aber  selbst  mit 
den  letzteren  bestand  in  dieser  Zeit  keine  Waffenruhe.  Diese  Kämpfe 
mit  den  Antiates  drehen  sich  alle  um  Satricum;  die  Berichte  über  die- 
selben enthalten  häufig  Wiederholungen.  Nach  Livius  dauerten  sie  bis 
346;  in  Wirklichkeit  dürften  sie  nur  von  393  —  358  gewährt  haben.  Der 
Verfasser  versucht  für  diese  Kämpfe  eingehend  den  wirklichen  Sachver- 
halt festzustellen.  Auch  Velitrae  wurde  386  nicht  bezwungen,  denn  es 
verbindet  sich  385  mit  den  Antiaten  von  neuem;  auch  Präneste  war  Ve- 
litraes  Bundesgenossin.  Velitrae  wurde  nicht  in  diesem  Kriege  genom- 
men; denn  376  kann  es  von  neuem  die  römische  Mark  angreifen;  ebenso 
wenig  trotz  P^estus'  Zeugnis  Präneste;  weder  Livius  noch  Diodor  wissen 
etwas  davon.  Die  Veliterner  leisteten  bis  358  den  Römern  Widerstand, 
und  die  Römer  vermochten  ihre  Stadt  nicht  wieder  zu  nehmen.  Von 
358-338  herrscht  gegen  Velitrae  Waffenruhe,  obgleich  die  Stadt  den 
Volskern  blieb.  So  bleibt  folgendes  bestehen.  Rom  kämpfte  lange  mit 
Volskern  und  Äquern,  im  Ganzen  glücklich ;  erst  im  Vejentischen  Kriege 
konnte  es  dieser  alten  Gegner  nicht  mehr  völlig  Meister  werden.  Da 
kam  die  gallische  Invasion,  infolge  deren  die  Volsker  und  Äquer  die 
Waffen  ergriffen,  aber  von  Camillus  in  nicht  bedeutender  und  entschei- 
dender Schlacht  geschlagen  werden;  denn  Satricum  blieb  den  Volskern. 
Die  Volsci  Antiates  setzen  den  Kampf  fort,  während  die  Äquer,  des 
Krieges  müde,  sich  ruhig  verhielten.  Der  Volsker  werden  die  Römer 
so  weit  allmählich  Meister,  dafs  sie  an  die  Aufteilung  der  pomptinischen 
Mark  denken  und  an  die  Wiedergewinnung  von  Satricum,  Velitrae  etc.; 
dieser  Hoffnung  macht  der  Abfall  von  Präneste,  Tibur,  Tusculum,  schliefs- 
lich  sämtlicher  Latiner  und  der  Anfang  der  Feindseligkeiten  seitens  der 
Herniker  ein  Ende.  Diese  Kämpfe  dauerten  bis  351  und  waren  die 
Vorboten  des  grofsen  und  entscheidenden  Latinerkrieges  seit  338. 


5.  Zeit  der  punischeu  Kriege.  295 

Der  Verfasser  verfährt  im  Ganzen  vorsichtig;  man  wird  aber  doch 
seine  Resultate  noch  nicht  für  feststehend  ansehen  dürfen,  da  er  der 
schlechten  Überlieferung  noch  zu  grofses  Gewicht  beilegt. 

5.  Die  panischen  Kriege  nnd  die  Unterwerfung  der 
Mittelmeerländer. 

Die  Schrift  von  Th.  Arnold,   The  second  Punic  war,  being  chap- 
ters  of  the  History  of  Rome.    With  8  maps.    London  1886 

ist  noch  nicht  in  meinen  Besitz  gelangt. 

Justus  Buzello,  De  oppugnatione  Sagunti  quaestiones  chronolo- 
gicae.     Diss.     Königsberg  1886. 

Der  Verfasser  stellt  sich  die  Aufgabe,  das  Ergebnis  der  Disser- 
tation Sieglins  (die  Chronologie  der  Belagerung  von  Sagunt,  Leipzig 
1878),  dafs  die  Belagerung  von  Sagunt  in  das  Jahr  218  falle,  von  neuem 
zu  prüfen  und  zu  widerlegen.  In  einer  geradezu  barbarischen,  kaum 
eines  Tertianers  würdigen,  noch  dazu  durch  sehr  viele  Druckfehler  ent- 
stellten Latinität  entwickelt  er  ungefähr  folgende  Betrachtungen.  Wenn 
Sieglin  fragt:  1.  Warum  bleibt  Hannibal  vom  März  bis  Mai  unthätig  in 
Karthagena,  da  er  doch  jeden  Augenblick  erwarten  mufste,  dafs  die 
Römer  ihm  mit  ihrem  Angriffe  zuvorkommen  könnten,  und  warum  mach- 
ten andererseits  sich  die  Römer  diese  Zögerung  nicht  zu  nutze?  so  ist 
darauf  zu  erwidern:  Sieglin  nimmt  an,  Hannibal  habe  Anfang  August 
die  Pyrenäen  überstiegen  und  sei  Anfang  Juli  an  den  Ebro  gekommen; 
er  übersieht  aber,  dafs  Hannibal  zwischen  Ebro  und  Pyrenäen  mit 
vielen  Volksstämmen  zu  kämpfen  hatte;  man  darf  also  eher  die  doppelte 
Zeit  für  den  Zug  vom  Ebro  nach  den  Pyrenäen  in  Rechnung  bringen 
und  den  Übergang  über  den  Ebro  Anfang  Juni  setzen.  Brauchte  er 
aber  von  Karthagena  bis  zum  Ebro  14  Tage,  wie  Sieglin  berechnet,  so 
mufs  er  Mitte  Mai  aufgebrochen  sein.  Sieglin  hatte  es  ferner  undenk- 
bar gefunden,  dafs  Hannibal  (bis  Ende  Juni)  beinahe  sechs  Monate  war- 
ten mufste,  bis  ihm  Nachricht  über  die  karthagische  Kriegserklärung 
zukam.  Der  Verfasser  setzt  die  zweite  römische  Gesandtschaft  Ende 
Januar  und  nimmt  an,  dafs  Hannibal  nach  acht  Wochen  von  den  Ver- 
handlungen in  Karthago  Kunde  erhielt;  in  Rom  hatte  man  erst  Anfang 
218  von  dem  Falle  Sagunts  Kunde  erhalten,  nicht  schon  November  219, 
wie  Sieglin  meint.  Auch  kehrte  die  römische  Gesandtschaft  nicht  erst 
im  August  218  zurück. 

Die  zweite  Frage  Sieglins  lautet:  Aus  dem  Datum  des  Alpeuübcr- 
ganges  ergiebt  sich,  dafs  Scipio  erst  im  September  au  der  Rhone  an- 
langte. Da  nun  die  Kriegserklärung  bereits  im  November  219  erfolgt 
war,  wie  erklärt  sich  die  späte  Ankunft  Scipios,  wie  erklärt  sich  ferner 


296  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

der  Umstand,  dafs  Polybios  den  Scipio  bnu  t^v  wpacav  (im  März)  auf- 
brechen läfst  und  dieser  nach  einer  viertägigen  Fahrt  erst  im  Septem- 
ber an  der  Rhone  ist?  Der  Ausdruck  uno  rrjv  (jjpacav  bedeutet  nicht 
nur  im  Anfang  der  guten  Jahreszeit,  sondern  auch  im  Verlauf  derselben. 
Auch  war  das  Meer  erst  Mitte  März  offen,  Mitte  Mai  wagten  sich  erst 
Kriegsschiffe  in  die  See.  Dazu  kommt,  dafs  Italien  nicht  bedroht  schien 
und  die  Schnelligkeit  Hannibals  nicht  vorherzusehen  war;  aufserdem 
kam  der  Aufstand  der  Boier  dazwischen.  Die  dritte  Frage  Sieglins: 
Wie  erklärt  sich  die  Unthätigkeit  des  Konsuls  Sempronius,  der  eben- 
falls uTiu  TTjv  lopauxv  aufbricht,  eine  fieberhafte  Eile  in  den  Rüstungen 
entwickelt  und  doch  noch  immer  in  Sicilien  weilt,  als  Anfang  November 
218  die  Aufforderung  an  ihn  ergeht,  seinem  Kollegen  zu  Hilfe  zu  kom- 
men, weil  Hannibal  in  Italien  stehe?  beantwortet  sich  so,  dafs  wir  über 
die  Thätigkeit  des  Sempronius  nur  die  Hauptsachen  erfahren,  während 
von  seiner  Organisationsthätigkeit  für  Landheer,  Flotte,  Proviant  und 
Hilfsvölker  nicht  die  Rede  ist. 

Sieglin  hat  die  Erstürmung  Sagunts  in  das  Jahr  218  verlegt,  in- 
dem er  so  schliefst:  die  römischen  Gesandten  kommen  Mitte  August 
nach  Rom  zurück,  danach  hatten  sie  es  Anfang  Juli  verlassen.  Da  nun 
die  Kriegserklärung  unmittelbar  nach  dem  Fall  Sagunts  beschlossen  und 
ausgeführt  wurde,  so  ist  das  Eintreffen  dieser  Nachricht  auf  Ende  Juni 
festzusetzen:  danach  fand  die  Erstürmung  Sagunts  nicht  viel  vor  oder 
nach  Mitte  Juni  statt.  Zu  der  Ansetzung  der  Rückkehr  der  Gesandten 
auf  August  hat  ihm  Polybios  das  Material  liefern  müssen,  den  er  sonst 
nicht  für  glaubwürdig  hält,  und  Appian,  der  aber  'Avvtß.  4  ganz  andere 
Daten  giebt,  der  Hannibal  April  oder  Mai  aus  Spanien  aufbrechen 
läfst,  somit  die  Belagerung  Sagunts  im  Jahre  219   gesetzt  haben  mufs. 

Nach  Sieglin  überschreitet  Hannibal  Anfang  Juli  den  Ebro,  Anfang 
August  die  Pyrenäen  und  steht  im  September  an  der  Rhone.  Dann 
erklärt  sich  bei  der  Kürze  der  Belagerung,  warum  die  Römer  nicht  der 
Stadt  zu  Hilfe  kommen  konnten;  dann  können  die  Rüstungen  der  Römer 
erst  Anfang  August  fertig  sein,  dann  kann  auch  von  den  römischen 
Heerführern  der  eine  infolge  des  gallischen  Aufstandes  nicht  viel  vor 
1.  September  aufbrechen,  dem  andern  Konsul  bleibt  keine  Zeit  mehr 
übrig,  wenn  er  mehrere  Wochen  mit  den  Unternehmungen  nach  Malta 
und  den  Ligurischen  Inseln  verbrachte,  vor  Ende  Oktober  nach  Afrika 
überzusetzen.  Dadurch  wird  der  Bericht  des  Polybios  über  die  Winter- 
quartiere Hannibals ,  seine  Kriegsrüstungen ,  Entlassung  und  Sendung 
der  Truppen  umgestofsen,  während  der  des  Livius  als  richtig  befunden 
wird,  der  an  flagranter  Verwirrung  leidet  (z.  B.  drei  Gesandtschaften 
der  Römer  u.  a. )  enthält,  in  dem  Berichte  über  Saguut  dem  unzuver- 
lässigen Coelius  folgt  und  das  Genie  Hannibals  möglichst  abzuschwächen, 
sein  Glück  dagegen  zu  übertreiben  sucht.  Polybios  allein  aber  giebt 
eine  brauchbare  Chronologie. 


6.  Die  Revolution,  297 

Auch  die  Berechnung,  die  Sieglin  aus  der  Dauer  des  Kommandos 
von  Hamilkar  und  Hasdrubal  herleitet,  ist  nicht  genau.  Der  erstere 
hatte  es  fast  neun  Jahre  iune,  woraus  Sieglin  acht  Jahre  macht,  der 
letztere  fast  acht  Jahre,  woraus  volle  acht  Jahre  werden.  Auch  wissen 
wir  durchaus  nicht,  dafs  Hamilkar  seit  Frühling  236  das  Kommando  be- 
kleidete, Hannibal  mufs  221  an  die  Spitze  des  Heeres  getreten  sein; 
nur  bei  dieser  Annahme  ist  eine  einigermafsen  sichere  Chronologie  nötig. 
Dann   kam  Hasdrubal  229,  Hamilkar  237  an  das  Kommando. 

Schliefslich  sucht  der  Verfasser  noch  die  Erklärungen  Sieglins  zu 
beseitigen,  wie  man  zu  dem  falschen  Ansätze  der  Erstürmung  Sagunts 
im  Jahre  219  kam. 

Der  Verfasser  ist  glücklicher  in  der  Widerlegung  als  in  der  Auf- 
stellung positiver  chronologischer  Thatsachen,  für  die  in  der  Regel  eben 
nur  subjektive  Gründe,  nicht  genaue  Anhalte  oder  Überlieferung  be- 
stimmend waren. 

6.  Die  Revolution. 

Klimke,  Die  ältesten  Quellen  zur  Geschichte  der  Gracchen.  Progr. 
Gymn.  Königshütte  1886. 

Die  Frage  nach  den  Quellen  zur  Geschichte  der  Gracchen  ist  bei 
der  trümmerhaften  Gestalt  der  Überlieferung  sehr  schwierig,  aber  auch 
sehr  wichtig;  die  bisherigen  Untersuchungen  über  dieselbe  sind  unbe- 
friedigend. Klimke  will  von  den  ältesten  Berichten  ausgehen  und  schliefst 
Plutarch  aus,  »der,  einer  späteren  Zeit  angehörig,  durch  die  eigentüm- 
liche Art  seiner  Darstellung  und  seiner  Grundsätze  uns  am  wenigsten 
direkten  treuen  Aufschlufs  über  seine  Quellen  gewährt«.  Da  die  Quellen 
ersten  Ranges,  die  Zeitgenossen  Fannius  und  Tuditanus  für  uns  verloren 
sind  und  dem  Anscheine  nach  auch  die  zweiten  Ranges,  die  der  sullanischen 
Zeit  angehörigen  Claudius  Quadrigarius,  Valerius  Antias,  so  blieben  nur  die 
dritten  Ranges,  Cicero  und  seine  Zeitgenossen  Diodor  und  Sailust  übrig. 
Aber  es  ist  doch  in  dem  Aut.  ad  Herenn.  noch  eine,  wenn  auch  dürftige 
Quelle  aus  der  sullanischen  Zeit  übrig,  die  gute  Dienste  leisten  kann. 
Ebenso  folgt  Appian  einer  einzigen,  älteren  Quelle,  deren  Charakter  er 
häufig  ziemlich  treu  bewahrt.  Erst  auf  dieser  Grundlage  kann  man 
einen  Vergleich  zwischen  Appian  und  Plutarch  einer-,  Plutarch  und  den 
von  Livius  abhängigen  Berichten  anderseits  versuchen.  In  der  vorlie- 
genden Untersuchung  beschränkt  sich  der  Verfasser  auf  Appian,  Diodor, 
Aut.  ad  Herenn.  und  einen  Teil  der  Ciceronischen  Überlieferung. 

Zunächst  werden  die  charakteristischen  Eigenschaften  der  appiani- 
schen  Berichte  festgestellt:  Einfachheit  des  Stils,  die  sich  besonders  in 
Wiederholungen  zeigt;  Anschaulichkeit  und  Genauigkeit;  ruhige,  mafs- 
volle  Haltung,  die  blindem  Parteihasse  fern  bleibt,  doch  keine  Vorliebe 
für  die  Gracchen  zeigt;  der  Verfasser  dieses  Berichts  befand  sich  sicher 


298  Römische  Geschiebte  und  Chronologie. 

auf  aristokratischer  Seite  und  schrieb  vor  Sullas  Diktatur.  Er  war  aber 
auch  religiösen  Bedenken  zugänglich.  Appians  Quelle  war  lateinisch 
geschrieben;  er  hat  den  ihm  vorliegenden  Text  öfter  stark  gekürzt,  da 
es  ihm  darauf  ankam,  einen  logischen  Zusammenhang  in  den  Ereignissen 
zu  finden. 

Auch  Diodor  hat  eine  anschaulich  und  lebhaft  schildernde  Quelle 
mit  sehr  prononcierter  aristokratischer  Tendenz  benützt,  die  unzweifel- 
haft lateinisch  geschrieben  war;  aber  diese  Quelle  zeigt  nicht  blofs  in 
diesen  Punkten  Verwandtschaft  mit  der  Appians.  Auf  der  anderen  Seite 
sind  erhebliche  Unterschiede  vorhanden.  Der  Verfasser  zieht  den  Schlufs 
hieraus:  1.  der  Bericht  Diodors  ist  der  älteste,  gleichzeitige,  2.  die  Quelle 
Appians  hat  ihn  entweder  selbst  benützt  oder  einen  etwas  jüngeren 
Bericht,  der  diesen  älteren  Bericht  benützte  und  dabei  zugleich  scharf 
kritisierte. 

Diodors  Quelle  ist  L.  Calpurnius  Piso,  während  Appian  den  Asellio 
benützt  zu  haben  scheint. 

Wie  bei  allen  diesen  Quellenuntersuchungeu  gehört  Glaube  dazu, 
um  anzunehmen,  der  Verfasser  habe  alles  dies  bewiesen.  Wir  wollen 
zugeben,  dafs  die  Argumentation  vorsichtig  ist  und  Schritt  vor  Schritt 
geht;  aber  gewisse  Klüfte  sind  einmal  nicht  zu  überbrücken,  da  uns  die 
Tradition  im  Stiche  läfst.  So  scheint  mir  die  Frage,  ob  Diodor  und 
Appian  lateinische  oder  griechische  Quellen  benutzt  haben,  gar  nicht 
entscheidbar;  denn  die  wenigen  Irrtümer,  die  sich  nachweisen  lassen, 
können  eben  auch  Mifsverständnisse  einer  griechischen  Quelle  gewesen 
sein,  welche  lateinische  Schriften  benutzt  hat.  Auch  die  Eigenschaften 
dieser  Quellen  sind  aus  den  geringen  Spuren  nicht  mit  solcher  Sicher- 
heit erkennbar,  wie  dies  dem  Verfasser  scheint.  Endlich  ist  die  Frage, 
ob  Appian  Fannius  oder  Asellio  benutzte,  meines  Erachtens  gar  nicht  zu 
entscheiden ,   da  er  ebenso  gut  keinen  von  beiden  benutzt  haben   kann. 

Vincenzo  de  Vit,    Donde  abbiano  1  Cimbri  preso  le  mosse  per 
calare  in  Italia.    Roma  1886. 

Der  Verfasser  hat  in  einer  früheren  Arbeit  nachzuweisen  versucht, 
dafs  die  Cimbern  und  Teutonen  gemeinsam  von  der  Provence  aus  nach 
Italien  zu  gelangen  versuchten,  und  dafs  sie  ihren  Weg  durch  das  Ati- 
sonetal  (valle  d'Ossola)  nahmen.  Gegen  diese  Ansicht  hat  sich  Ober- 
ziner  (Trient  1886)  für  den  Weg  durch  das  Etschtal  ausgesprochen,  in- 
dem er  Cimbern  und  Teutonen  sich  an  der  Grenze  der  Beigen  trennen 
läfst.  De  Vit  weist  nun  an  dem  Berichte  von  Plutarch  im  Leben  des 
Marius  hauptsächlich  nach,  dafs  allein  seine  Annahme  berechtigt  ist, 
während  sein  Gegner  willkürliche  und  sprachlich  und  sachlich  unzu- 
lässige Hypothesen  aufstellt. 


6.  Die  Revolution.  299 

Wilh.  Votsch,  Cajus  Marius  als  Reformator  des  römischen  Heer- 
wesens in  Samml.  gemeinverst.  wissensch.  Vortr.  herausgegeben  von 
Virchow   und  v.  Holtzendorff.     N.  F.     1.  Ser.     Heft  6.     Berlin  1886. 

Was  der  Verfasser  über  Marius  und  sein  Verhältnis  zur  Adels- 
partei sowie  über  die  Quellen  zur  Geschichte  des  römischen  Kriegs- 
wesens beibringt,  sind  lauter  bekannte  Dinge.  Seine  Darstellung  des 
römischen  Heerwesens  bis  auf  Marius  hat  die  neueren  Forschungen  nicht 
benützt,  so  kann  auch  die  der  marianischen  Neuerungen  nicht  korrekt 
sein.  Die  Behandlung  der  Aushebung  hat  es  meist  mit  klaren  Verhält- 
nissen zu  thun;  darum  erfahren  wir  auch  aus  der  vorliegenden  Schrift 
darüber  weder  etwas  Falsches  noch  etwas  Neues;  der  Verfasser  giebt 
aber  eine  klare  Zusammenstellung  der  vorhandenen  Nachrichten.  In  der 
Bewaffnung  wird  dem  Marius  die  bekannte  Umwandlung  des  Pilum  zu- 
geschrieben, zugleich  aber  auch  angenommen,  dafs  durch  ihn  das  pilum 
die  gemeinsame  Waffe  aller  Legionssoldaten  wurde;  die  unklare  Er- 
setzung der  kleineren  Schilde  durch  gröfsere  bei  den  Hilfstruppen  hat 
auch  durch  den  Verfasser  keine  giöfsere  Klarheit  erhalten;  dasselbe 
gilt  von  der  Änderung  in  der  Ausrüstung.  Dagegen  ist  geradezu  falsch, 
was  bei  der  Einführung  des  Adlers  behauptet  wird,  die  Kohorten  hätten 
besondere  Fahnen  gehabt;  noch  unglaublicher  ist  die  Behauptung,  dafs 
der  erste  Manipel  jeder  Legion  drei  Fahnen  gehabt  habe.  Unter  den 
taktischen  Veränderungen  wird  Marius  die  Einführung  der  Kohorten- 
stellung ohne  zwingende  Beweise  zugeschrieben.  Was  über  das  Avance- 
ment der  Centurionen  gesagt  wird,  ist  veraltet.  Die  Bürgerreiterei  soll 
zur  Zeit  des  Marius  eingegangen  sein  und  der  letztere  soll  auf  ihre  Be- 
seitigung hingewirkt  haben.  Es  hätte  zwischen  römischen  und  bundes- 
genössischen  Reitern  unterschieden  werden  müssen;  die  ersteren  gingen 
schon  vor  dem  jugurthinischen,  die  letzteren  nach  dem  Bundesgenossen- 
kriege ein. 

So  ist  die  Schrift  für  die  Wissenschaft  wertlos. 

Joh.  Bier  eye,  Res  Numidarum  et  Maurorum  aunis  inde  ab  a. 
DCXLVHI  usque  ad  a  DCCVHI  ab  U.  c.  perscribantur.  Diss.  Halle  1885. 

Die  Forschung  über  die  nuraidische  und  maurische  Geschichte  in 
dem  erwähnten  Zeiträume  liegt  sehr  im  Argen;  man  darf  deshalb  dem 
Verfasser  dankbar  sein,  dafs  er  sich  dieser  Periode  zugewandt  hat. 

Nach  Beendigung  des  jugurthinischen  Krieges  wurde  auf  Marius' 
Veranlassung  der  gätulische  Teil  Numidiens,  den  Masinissa  unterworfen 
hatte,  frei  erklärt  und  der  Teil  Numidiens  zwischen  dem  Muluchath- 
flusse  und  der  Sladt  Saldae  zu  dem  Gebiete  des  Bocchus  geschlagen. 
Den  Rest  des  jugurthinischen  Reiches  erhielt  Gauda,  der  nach  CIL  2, 
3417  rex  heifst;  doch  herrschte  er  nur  kurze  Zeit.  Nach  seinem  Tode 
wurde    Hiempsal    König,   mit    dem    aber   gleichzeitig   Hiarbas  regierte. 


300  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Letzterem  gehörte  wahrscheinlich  das  nördliche  Gebiet  zwischen  Saldae 
und  Bulla  regia  mit  der  Hauptstadt  Cirta,  während  Hiempsal  über  den 
südlichen  Teil  herrschte  mit  der  Hauptstadt  Zama.  Letzterer  versuchte 
im  Jahre  666  den  Sohn  des  Marius  gefangen  zu  nehmen  und  wurde  672 
von  Cn.  Domitius  Ahenobarbus  vertrieben  und  sein  Land  an  Hiarbas  ge- 
geben. Im  folgenden  Jahre  vernichtete  aber  Pompeius  den  Domitius 
und  Hiarbas,  und  nun  erhielt  Hiempsal  wieder  ganz  Numidien,  auch 
den  gätulischen  Teil.  Durch  Bestechung  erhielt  er  sogar  679  die  einst 
von  Masinissa  occupierten  karthagischen  Länderkomplexe  bei  Hippo 
Diarrhytus,  und  692  scheint  er  auch  Cäsars  Zustimmung  erkauft  zu  haben. 
Aber  schon  im  folgenden  Jahre  trat  dieser  in  seiner  Prätur  für  Masi- 
nissa (der  auch  Masintha  und  Mastanesos(i)us  in  den  Quellen  heifst),  den 
Sohn  oder  sonstigen  Erben  des  Hiarbas  ein,  der  nach  seines  Vaters 
oder  Verwandten  Tode  sich  längere  Zeit  ruhig  gehalten  hatte.  Er  ging 
zunächst  mit  Cäsar  nach  Spanien,  erhielt  aber,  vielleicht  694,  sein  väter- 
liches Reich  wieder,  jedoch  als  Vasall  des  Hiempsal  oder  seines  Sohnes 
Juba,  mit  dem  er  auch  auf  Pompeius  Seite  gegen  Cäsar  kämpfte.  Hiemp- 
sal lebte  noch  692,  Juba  regierte  jedenfalls  —  ob  mit  seinem  Vater 
oder  allein,  ist  unsicher  —  698;  der  erstere  galt  für  einen  ausgezeich- 
net gebildeten  Mann,  der  auch  Handel  und  Ackerbau  bei  seinem  Volke 
förderte.  Sein  Gesicht  auf  den  Münzen  ist  streng,  mit  gefalteter  Stirne 
und  bartlos.  Die  Geschichte  Jubas  wird  eingehend  von  dem  Verfasser 
dargestellt,  ist  aber  in  allen  Zügen  bekannt.  Er  war  ein  hochmütiger, 
anmafsender  Despot,  der  sich  auch  den  Römern  gegenüber  keine  Schran- 
ken auferlegte;  bei  seinen  ünterthanen  war  er  sehr  verhafst  und  konnte 
sich  nur  durch  gallische  und  spanische  Leibwächter  halten,  dabei  war 
er  aber  voll  Hoheit  und  Würde  und  förderte  die  Baukunst,  sowie  Han- 
del und  Ackerbau.  Cäsar  machte  das  Land  zur  Provinz,  doch  wurden 
die  Gätuler  frei  und  ein  Teil  Numidiens  an  Bocchus  von  Mauretanien 
geschenkt  (wahrscheinlich  zwischen  Saldae  und  dem  Ampsaga;  Cirta  und 
Umgegend  erhielt  Sittius.  Erster  Prokonsul  wurde  C.  Sallustius  Crispus, 
der  aber  nicht  ganz  zwei  Jahre  diese  Stellung  bekleidete. 

Im  zweiten  Kapitel  legt  der  Verfasser  die  Geschichte  von  Maure- 
tanien dar.  Bocchus  L,  der  Zeitgenosse  Jugurthas,  war  verschlagen  und 
klug  und  erhielt  nach  Jugurthas  Sturze  ein  Dritteil  von  Numidien;  er 
blieb  mit  Sulla  ständig  in  freundlichem  Verhältnis.  Er  starb  um  673 
oder  674.  Die  bei  Plut.  Sertor.  c.  6  und  Sallust.  bist.  2,  65  genannten 
Fürsten  Ascalis,  der  Sohn  des  Iphtha,  und  Leptasta  waren  Könige  oder 
Fürsten  in  Tingitana  und  wahrscheinlich  Vasallen  des  Bocchus  I.,  dessen 
Nachfolger  seine  Söhne  Bogud  und  Bocchus  II.  waren,  der  erste  wahr- 
scheinlich in  Caesariensis,  der  andere  im  westlichen  Teile.  Von  674  bis 
705  erfahren  wir  über  Mauretanien  nur,  was  mit  Sittius  aus  Nuceria  im 
Zusammenhange  steht. 

Im   Bürgerkriege    waren  die   Könige   von    Mauretanien    entweder 


6.  Die  Revolution.  301 

neutral  oder  wahrscheinlich  auf  Seite  des  Pompeius.  Wahrscheinlich 
regierten  damals  die  Enkel  Bocchus  I. :  Bogud  II.  und  Bocchus  III.,  die 
die  gleichen  Namen  wie  ihre  Väter  führten.  Nach  Besiegung  Curios 
scheinen  beide  von  den  Ponipeianern  schlecht  behandelt  worden  zu  sein; 
denn  sie  schlössen  sich  Cäsar  an.  Doch  wurde  Bogud  durch  innere 
Streitigkeiten  in  Anspruch  genommen,  während  Bocchus  a  uf  Seite  Cäsars 
kämpfte.  Später  focht  Bogud  auf  Cäsars  Seite  bei  Munda,  während 
Bocchus  im  pompeianischen  Lager  stand;  der  erstere  trat  auf  Antonius', 
der  letztere  auf  Octavians  Seite:  jener  fand  in  Methone  durch  Agrippa 
seinen  Tod  (723),  Bocchus  hatte  sich  seines  Reiches  bemächtigt,  starb 
aber  noch  zwei  Jahre  vor  ihm. 

W.  Lilie,  De  coniuratione  Catilinaria  quaestio  chronologica.  Progr. 
Jauer  1886. 

Der  Verfasser  hofft  manches  in  der  Chronologie  der  Catilinarischen 
Verschwörung  berichtigen  zu  können.  Sallust  kam  es  auf  den  dramati- 
schen Effekt,  nicht  auf  genaue  zeitliche  Folge  an  (Beispiel  c.  26 — 32). 
Dagegen  ist  Cicero  für  diese  Fragen  die  erste  Autorität,  wenn  er  auch 
sonst  vielfach  zu  seinem  Vorteile  gefälscht  haben  mag.  Plutarch  und 
Dio  kann  man  zur  Unterstützung  heranziehen,  der  erstere  hat  wahr- 
scheinlich den  Livius  benutzt. 

Der  Verfasser  stellt  alsdann  die  Stellen  aus  Cicero  zusammen, 
welche  chronologische  Angaben  enthalten.  Zweifellos  wird  durch  die- 
selben entschieden  1.  dafs  a.  d.  XII  K.  Nov.  die  Seuatssitzung  stattfand, 
in  der  Cicero  über  das,  was  ihm  berichtet  worden  war,  ein  Resume  gab. 
2.  a.  d.  VI  K.  Nov.  griff  Manlius  zu  den  Waffen.  3.  auf  a.  d.  V  K.  Nov. 
bestimmte  Catilina  die  Ermordung  der  Aristokraten.  4.  K.  Nov.  fiel  die 
resultatlose  Überrumpelung  Pränestes.  5.  in  der  Nacht  vom  6/7  Nov. 
Zusammenkunft  der  Verschworenen  bei  M.  Laeca. 

Sallust  setzt  die  Konsularkomitien  vor  die  Seuatssitzung,  welche 
Cicero  diktatorische  Befugnis  übertrug,  während  sie  nach  der  Ansicht 
der  Erklärer  Ihatsächlich  nach  ihr  staltfanden,  und  rückt  die  Zusammen- 
kunft der  Verschworenen  bei  Laeca  und  die  erste  Catilinarische  Rede 
Ciceros  weit  auseinander,  während  sie  unmittelbar  auf  einander  folgten, 
und  in  der  Hauptsache  schliefsen  sich  Plutarch  und  Dio  Sallusts  Dar- 
stellung an.  Man  ist  nun  geneigt,  alle  drei  als  nichts  gegen  Ciceros 
Autorität  besagend  bei  Seite  zu  werfen.  Richtiger  erscheint  es  dem 
Verfasser  zu  versuchen,  wie  ihre  Berichte  in  Einklang  zu  bringen  sind. 
Ein  allgemeiner  Fehler  der  Erklärer  ist  die  Annahme,  in  der  Senats- 
sitzung vom  21.  Oktober  sei  den  Konsuln  diktatorische  Befugnis  über- 
tragen worden;  auf  Cicero  kann  sich  diese  Hypothese  nicht  berufen,  und 
dieser  erzählt  pro  Mur.  §  51  und  52,  dafs  auf  21.  Oktober  die  Konsu- 
larkomitien angesetzt  gewesen  seien;  auf  seinen  Bericht  habe  aber  der 
Senat  am  Tage  vorher  die  Konsularkoraitiea  abbestellt,  um  am  folgenden 


302  Römische  Geschichte  uud  Chronologie. 

Tage  Senatssitzuüg  halten  zu  können.  Catilina  sei  frech  geworden,  der 
Senat  aber  »neque  satis  tarnen  severe  pro  rei  indignitate  decrevisse«. 
Könnte  er  dies  sagen,  wenn  ihm  diktatorische  Gewalt  verliehen  worden 
wäre?  Aus  Ciceros  eignen  Worten  bis  tum  rebus  commotus  -  descendi 
in  campum  geht  aber  ferner  hervor,  dafs  irgend  welcher  bedeutende  Vor- 
fall zwischen  der  Senatssitzung  und  den  Komitien  nicht  liegen  kann. 
Also  fanden  diese  vor  der  Verleihung  der  diktatorischen  Gewalt  statt. 
Damit  stimmen  die  Berichte  Plutarchs  und  Dios  überein.  Irrig  ist  auch 
die  Ansicht,  dafs  die  Komitien  am  28.  Oktober  gehalten  worden  seien 
(hergeleitet  aus  Cic.  Catil.- 1,  7).  Den  Plan,  die  Aristokraten  zu  ermor- 
den, mufs  Catilina  schon  gehabt  haben,  als  die  Komitien,  die  ursprüng- 
lich am  21.  Oktober  stattfinden  sollten,  noch  nicht  verschoben  waren. 
Am  21.  wufste  schon  Cicero,  dafs  Catilina  am  28.  den  Mordplau  aus- 
führen wollte.  In  den  Komitien  wollte  er  nun  Cicero  und  seine  Mitbe- 
werber ermorden  lassen.  Die  Übertragung  diktatorischer  Befugnisse  er- 
folgte nach  Plutarch  erst  nach  den  Komitien  auf  die  Nachricht,  dafs  die 
Ermordung  der  Aristokraten  beabsichtigt  sei  und  Manlius  offen  zu  den 
Waffen  gegriffen  habe.  Wenn  man  erwartet,  dafs  Cicero  in  Cat.  1  §  8.  9 
die  Übertragung  diktatorischer  Befugnisse  erwähnen  sollte,  so  war  das 
nicht  nötig.  Der  Mord  der  Optimaten,  die  Ursache  des  Beschlusses,  war 
von  ihm  vorher  erwähnt;  aufserdem  war  aber  die  Diktatur  seine  schwäch- 
ste Seite;  er  hatte  das  scharfe  Schwert,  das  ihm  in  ihr  gegeben  war, 
nicht  benutzt.  Die  erste  Catiliuarische  Rede  wurde  vor  8.  Nov.  gehalten, 
wie  der  Verfasser  aus  Ciceros  Äufseruugen  zu  erweisen  sucht;  die  Stellen 
§  6  omnia  —  hesterno  die  und  §  12  hesterno  die  —  vocari  widersprechen  nur 
scheinbar.  Der  Verfasser  polemisiert  hier  hauptsächlich  gegen  die  von 
Mommsen  angenommene  Chronologie,  nebenbei  auch  gegen  Madvig,  Hacht- 
mann  und  Lange. 

Von  seiner  Ansicht  ausgehend,  dafs  die  erste  Catiliuarische  Rede 
vor  8.  Nov.  gehalten  sei,  legt  er  nach  Cic.  Cat.  1,  4  die  Komitien  auf 
den  22.  Oktober  und  den  Senatsbeschlufs  wegen  der  Diktatur  »vielleicht« 
auf  den  23.  Oktober.  Um  Asconius  damit  in  Einklang  zu  bringen,  der 
zwischen  der  Übertragung  der  Diktatur  und  der  ersten  Rede  18  Tage 
rechnet,  letzteren  einbegriffen,  nimmt  er  an,  dafs  hier  der  terminus  a 
quo  und  der  terminus  ad  quem  mitgerechnet  sei,  also  zehn  im  Oktober 
und  acht  im  November;  doch  hält  er  selbst  diese  Berechnungsweise  für 
unsicher. 

Schliefslich  versucht  der  Verfasser  die  Erzählung  des  Sallust  psy- 
chologisch zu  erklären. 

Petsch,  Die  historische  Glaubwürdigkeit  der  Coramentarien  Cäsars 
vom  gallischen  Kriege  nach  gegenwärtigem  Stande  der  Kritik.  Glück- 
stadt 1885  und  1886. 

Das  Ergebnis  dieser  Untersuchung  ist  Cäsar  günstig.  Dem  Ver- 
fasser scheint   bis  jetzt  noch   nicht  der  Beweis  erbracht  zu  sein,    dafs 


6.  Die  Revolution.  303 

Cäsar,  uDhekümmert  um  den  Widerspruch  so  vieler  Augenzeugen  seiner 
Thaten,  in  der  Darstellung  seiner  Kriegszüge  die  Rücksicht  auf  die 
Wahrheit  in  dem  Grade,  als  er  bezichtigt  wird,  aufser  acht  gelassen 
habe.  Wenn  Cäsar  vor  so  groben  Fälschungen  thatsächlich  nicht  zu- 
rückgeschreckt wäre,  so  müfste  sich  die  wahrheitsgemäfse  Überlieferung 
in  anderen  Quellen  finden,  die  aber  auf  weniger  parteiische  Gewährs- 
männer sich  stützen.  Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  Denn  überall,  wo 
diese  erheblichere  Abweichungen  und  Widersprüche  gegenüber  den  Com- 
mentarien  aufweisen,  lälst  sich  zeigen,  dafs  dieselben  meist  Mifsverständ- 
nissen  und  Verdrehungen  der  Erzählung  Cäsars  ihren  Ursprung  ver- 
danken, und  nicht  selten  gelangt  die  Darstellung  dieser  Quellen  ohne 
Rücksicht  auf  die  im  gegenteiligen  Sinne  übermittelten  Thatsachen  zu 
denselben  Resultaten  wie  der  Bericht  der  Commentarien.  Auch  wäre 
der  unzweifelhafte  schliefsliche  Erfolg  der  gallischen  Feldzüge  nicht  zu 
verstehen,  wenn  das  von  Cäsar  entworfene  Bild  oft  in  so  wesentlichen 
Punkten  absichtliche  Entstellungen  des  historischen  Thatbestandes  auf- 
zuweisen hätte.  Allerdings  schwindet  der  Eindruck  der  Unmittelbarkeit, 
welchen  die  Commentarien  erwecken,  bei  genauerer  Prüfung  und  mufs 
dem  feiner  Berechnung  weichen.  Da  die  Kriegsberichte  dazu  bestimmt 
sind,  die  eigenen  Thaten  des  Verfassers  den  Zeitgenossen  vorzuführen 
und  der  Na  chwelt  zu  überliefern  in  der  Auffassung,  welche  den  Zwecken 
desselben  zum  mindesten  nicht  widerstrebte,  sind  sie  von  dem  Wert 
objektiver  Geschichtsschreibung  weit  entfernt,  und  manches  würde  bei 
einer  unparteiischen  Schilderung  in  anderem  Lichte  erscheinen,  was  jetzt 
im  subjektiven  Interesse  oder  vom  römischen  Standpunkte  aus  darge- 
stellt wird.  Anderes  mag  Cäsar  als  nebensächlich  oder  den  Zwecken 
seiner  Schrift  fremd  verschwiegen  haben.  Aber  dagegen  mufs  aner- 
kannt werden,  dafs,  wie  er  die  Verdienste  seiner  Mitarbeiter  nicht 
schmälert,  er  auch  den  Feinden  im  allgemeinen  Gerechtigkeit  wider- 
fahren läfst.  Und  bei  aller  Beschönigung  einer  Thatsache  scheint  doch 
die  historische  Wahrheit  noch  deutlich  genug  durch.  Für  den  Vorwurf 
aber,  dafs  er  in  seinen  Berichten  Niederlagen  verheimliche  oder  solche 
geradezu  in  Siege  verwandele,  fehlt  es  noch  an  jeder  Begründung. 

Iginio  Gentile,  II  conflitto  di  Giulio  Cesare  col  senato.    Roma, 
Torino,  Firenze  1885. 

Nach  einer  nur  Bekanntes  bringenden  Einleitung  geht  der  Ver- 
fasser auf  den  Zusatz  zu  Pompeius  Gesetz  de  iure  magistratuura  ein, 
den  man  als  persönliche  Handlung  des  Pompeius  auffassen  konnte,  den 
aber  z.  B.  Cicero  als  durchaus  legal  ansah.  Pompeius  hatte  sich  im 
Jahre  52  seine  Provinzialverwaltung  auf  fünf  Jahre,  d.  h.  bis  zum  Ab- 
laufe des  Jahres  48  verlängern  lassen.  Da  aber  Cäsar  seine  Provinzen 
bis  Ende  49  behielt  und  sich  für  48  um  das  Konsulat  bewerben  durfte, 
so  erloschen   thatsächlich   beider  Machtbefugnisse   gleichzeitig.      Darum 


304  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

ist  es  wahrscheiülich,  dafs  die  Klausel  des  pompeiauischen  Gesetzes  zu 
gunsten  Cäsars  als  gültig  zu  betrachten  ist.  Gegen  Cäsar  war  das  Ge- 
setz des  Pompeius  de  ambitu  von  52  gerichtet,  da  es  rückwirkende  Kraft 
hatte  und  sehr  leicht  gegen  Cäsars  Bewerbung  und  Amtsführung  in  sei- 
nem ersten  Konsulate  gerichtet  werden  konnte. 

Der  Konflikt  begann  mit  dem  Antrag  des  M.  Claudius  Marcellus 
(cos  51  V.  Chr.)  über  die  Notwendigkeit,  Cäsar  in  Gallien  vor  Ablauf 
des  durch  lex  Licinia  —  Pompeia  gesetzten  Termines  einen  Nachfolger 
zu  geben.  Derselbe  fand  aber  im  Senate  keine  Unterstützung,  und 
Pompeius  erklärte,  dafs  über  die  Ernennung  von  Nachfolgern  im  galli- 
schen Kommando  nicht  vor  1.  März  50  verhandelt  werden  dürfe;  dieser 
Termin  wurde  auf  Pompeius  Antrag  später  auf  13.  November  50  ver- 
längert. Das  ganze  Jahr  51  und  ebenso  50  gingen  in  Wortkämpfen 
ohne  Entscheidung  hin.  Cäsar  erklärte  sich  bereit  die  beiden  Gallien 
abzutreten  und  mit  lllyricura  und  einer  Legion  bis  zu  seiner  Wahl  sich 
zu  begnügen.  Als  der  Vorschlag  keine  Annahme  fand,  erklärte  er  sich 
bereit,  mit  Pompeius  zugleich  die  Gewalt  uiedei'zulegen.  Was  darauf  er- 
folgte, ist  bekannt. 

Um  zwei  Fragen  handelt  es  sich  hierbei  •.  1.  Welches  war  der  ge- 
setzliche Endtermin  für  Cäsars  Statthalterschaft?  2.  Hatte  Cäsar  auf 
grund  der  lex  vom  Jahre  55  v.  Chr.  nicht  an  und  für  sich  Rechtsgrüude, 
um  dem  Verlangen  des  Senats  im  Jahre  49  entgegenzutreten? 

ad  1.  Nach  einer  Erörterung  der  hauptsächlichsten  früher  auf- 
gestellten Theorien  kommt  der  Verfasser  zu  dem  Resultate,  dafs  die 
Statthalterschaft  Cäsars  im  Jahre  50  ablief,  dafs  der  Tag  zwar  nicht 
bestimmt  werden  kann,  aber  jedenfalls  nach  dem  Sommer  des  Jahres 
fiel.  Aber  um  diesen  Tag  handelte  es  sich  nicht  mehr,  als  die  Krisis 
eintrat,  und  deshalb  ist  derselbe  auch  nur  von  untergeordneter  Be- 
deutung. 

ad  2.  Durch  das  Plebiszit,  welches  ihm  die  Bewerbung  um  das 
Konsulat  in  seiner  Abwesenheit  gestattete,  wurde  ihm  auch  das  Pro- 
konsulat verlängert  quoad  consul  fieret.  Aber  die  Giltigkeit  des  Plebis- 
zit wurde  auf  grund  der  lex  Pompeia  de  iure  magistratuum  bestritten, 
die  Klausel  als  persönliche  Zuthat  des  Pompeius  angefochten  und  in 
Abrede  gestellt,  dafs,  wenn  auch  die  Bewerbung  in  Abwesenheit  bewil- 
ligt wurde,  damit  eine  Verlängerung  der  Statthalterschaft  verbunden  sei. 
Und  Cäsar  verzichtete  mit  seiner  Forderung,  dafs  ihm  Illyrien  als  Pro- 
vinz belassen  werde,  auf  die  ihm  durch  das  Plebiszit  erteilten  Rechte. 
Indem  die  Gegenpartei  dies  abschlug,  setzten  sie  und  Pompeius  sich  in 
Widerspruch  mit  ihrem  eigenen,  letzterem  gegenüber  beobachteten  Ver- 
fahren und  mit  der  von  Pompeius  selbst  eingebrachten  Ausnahmebe- 
stimmung zu  gunsten  Cäsars.  Das  Gebot,  die  Provinz  vor  der  Wahl  zum 
Konsulat  abzugeben  und  in  Rom  zu  erscheinen,  d.  h.  die  Weigerung, 
das  Plebiszit  anzuerkennen,  war  das  Signal  zum  Bürgerkrieg.    Der  Buch- 


6.  Die  Revolution.  305 

Stabe  war  für  die  Aristokratie,  die  Billigkeit  für  Ctäsar,  Die  Gewaltthat 
des  Senats  gegen  die  Intercession  der  Tribunen  M-  Antonius  und  C.  Cas- 
sius  Longinus  gab  letzterem  auch  noch  einen  ausreichenden  Grund,  sich 
als  Verteidiger  des  öffentlichen  Rechtes  zu  gerieren. 

W.  Judeich,  Cäsar  im  Orient.  Kritische  Übersicht  der  Ereig- 
nisse vom  9.  August  48  bis  Oktober  47.  Mit  einer  Karte  und  vier 
Plänen.     Leipzig  1885. 

Der  Verfasser  entwickelt  in  einem  besonderen  Kapitel  die  Quellen- 
verhältnisse, die  er  durch  einen  Stammbaum  darstellt.  Er  unterscheidet 
unter  den  vorhandenen  Quellen  drei  Richtungen:  die  Cäsarische,  die 
Livianische  und  die  Strabonische.  Dio  benutzt  die  beiden  ersten,  Plu- 
tarch  die  beiden  letzten,  Appian  folgt  der  Strabonischen.  Freilich  ist  es 
lediglich  Hypothese ,  dafs  Appians  Quelle  die  ur.oixvr^iJLazrx  Strabos  ge- 
wesen seien,  der  auch  Plutarch  gefolgt  sei.  Wahrscheinlich  ist  nur,  dafs 
beide  einer  griechischen  Quelle  folgten. 

Für  die  Ereignisse  im  Oriente  werden  folgende  feststehende  Daten 
ermittelt:  9.  Aug.  706  Schlacht  bei  Pharsalus;  24.  Sept.  706  Tod  des 
Pompeius;  24.  März  707  Fall  von  Alexandria;  2.  Aug.  707  Schlacht  von 
Zela.  Nach  diesen  lassen  sich  die  zvvischenliegenden  Ereignisse  im  Orient 
und  auch  die  gleichzeitigen  im  Occidente,  welche  letzteren  in  einem 
Schlufskapitel  behandelt  werden,  mit  annähernder  Sicherheit  bestimmen. 
Die  einzelnen  Vorgänge  sind  sehr  eingehend  betrachtet  und  die  Berech- 
nungen sorgfältig  —  nur  die  auf  den  eurus  §  10  gegründete  ist,  wie 
die  Übersetzung  des  Windes  selbst,  falsch  -  ;  eine  synchronistische  Ta- 
belle stellt  die  Ergebnisse  anschaulich  zusammen.  Besonders  eingehend 
und  in  beständiger  Polemik  gegen  Mendelsohn  sind  die  Cäsarischen 
Judenedikte  behandelt.  Die  Schlacht  bei  Zela  wird  nach  neuen  topo- 
graphischen Untersuchungen  geschildert. 

So  ist  das  Buch  ein  wertvoller  Beitrag  zur  Cäsarischen  Zeitge- 
schichte. 

Rudolf  Schneider,  Ilerda.  Ein  Beitrag  zur  römischen  Kriegs- 
geschichte.    Berlin  1886. 

C.  Fabius,  Cäsars  Legat,  erhielt  von  seinem  General  den  Befehl, 
dem  Feinde  die  Pyrenäenpässe  zu  entreifsen  und  ging  über  den  Col 
Pertus  über  Barcelona  nach  Lerida  (13  -14  Marschtage).  Die  Pom- 
peianer  hatten  bei  Ilerda  ihr  Lager  aufgeschlagen;  die  Brücke  bei  der 
Stadt  bildete  ihre  Verbindung  mit  der  fruchtbaren  Ebene  östlich  von 
Ilerda.  Fabius  schlug  sein  Lager  bei  Corbins  vor  der  Noguera  Riba- 
gorzana.  Er  hatte  hier  zwei  Brücken  über  den  Segre  geschlagen,  um 
sich  den  Zugang  zu  dem  linken  Ufer  zu  sichern.  Die  obere  Brücke  be- 
fand sich  bei  Termens  6  km  oberhalb  Corbins.  Cäsar  wollte  alsbald 
nach  seiner  Ankunft   sich   zwischen  das  Lager    der  P()nii)cianer  und  die 

Jahresbericht  für  AlterOinmswissenschaft  LH.    (18S7.  111.)  20 


306  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Stadt  drängen  und  den  kleinen  Hügel,  der  fast  in  der  Mitte  dieser  bei- 
den Punkte  liegt,  besetzen.  Fort  Garden  liegt  auf  dem  etwa  600  m 
von  dem  Schlofsberge  von  Lerida,  der  dicht  bei  der  Brücke  noch  in  der 
Stadt  etwa  70  m  über  dem  Spiegel  des  Segre  sich  erhebt,  ansteigenden 
Plateau,  auf  welchem  die  Pompeianer  ihr  Lager  geschlagen  hatten.  Die 
Höhe  dieses  Plateaus  beträgt  nur  40  m  vom  Spiegel  des  Segre  aus  ge- 
rechnet, die  Länge  900— 1000  m,  seine  Breite  im  Osten  100,  im  Westen 
etwa  400  ra.  Zwischen  der  Citadelle  und  Fort  Garden  (etwa  600  m) 
senkt  sich  das  Terrain  erheblich,  bildet  aber  fast  gerade  in  der  Mitte 
wieder  einen  kleinen  Hügel ;  dies  ist  der  Punkt,  gegen  den  Cäsar  seinen 
ersten  Angriff  richtete.  Er  hatte  sich  im  Norden  der  Stadt  und  des 
feindlichen  Lagers,  600  m  vom  Fufse  des  Fort  Garden  im  Thale  ver- 
schanzt. Vor  ihm  lag  also  rechts  das  Fort,  links  Ilerda,  dazwischen 
die  Ebene  mit  dem  kleinen  Hügel  in  der  Mitte.  Hier  begann  der  Kampf, 
nahe  am  Lager  der  Feinde.  Bei  der  Verfolgung  aber  kamen  die  Pom- 
peianer mehr  nach  Osten;  deshalb  liefen  sie  beim  Angriff  der  neunten 
Legion  auf  die  Stadt  zu,  unter  deren  Mauern  jeuer  hartnäckige  Kampf 
stattfand. 

Zwei  Tage  nachher  rifs  das  Hochwasser  im  Segre  beide  Brücken 
des  Fabius  hinweg,  und  Cäsar  war  auf  dem  schmalen  Dreieck  zwischen 
Segre  und  Cinca  abgeschnitten.  Aber  bald  hatte  Cäsar  wieder  eine 
Brücke  über  den  Flufs  hergestellt.  Jetzt  konnte  er  auch  die  gallische 
Proviantkolonne,  die  auf  den  Höhen  bei  Camarasa  stand,  an  sich  ziehen. 
Camarasa  ist  von  Fort  Garden  33  Va  km  entfernt,  3  km  abwärts  liegt  auf 
dem  rechten  Segre -Ufer  Lloreuz;  zwischen  diesen  beiden  Punkten  be 
werkstelligte  Cäsar  den  Übergang. 

Um  den  Pompeianern  den  Rückzug  hinter  den  Ebro  zu  verlegen, 
stellte  Cäsar  3  —  4  km  oberhalb  Lerida  eine  künstliche  Furt  durch  teil- 
weise Ableitung  des  Segre  her.  Diese  Arbeit  wurde  zugleich  mit  der 
Schiffbrücke  bei  Octogesa  fertig,  über  welche  sich  die  Pompeianer  zu- 
rückziehen wollten.  So  wurde  es  möglich  ihren  Rückzug  zu  hindern. 
Die  Kapitulation  erfolgte  am  2.  August  705. 

Eine  Kritik  der  Spezialkarteu  zeigt,  wie  wenig  dieselben  den  An- 
sprüchen genügen  können.  Nur  zwei  Karten  können  als  Grundlage  für 
die  topographische  Untersuchung  dienen:  Blatt  40  aus  Stielers  Hand- 
atlas (1  :  500  000)  und  die  spanische  Proviuzialkarte  Lerida  von  Valverde 
(1  :  750  000);  danach  und  nach  beiläufigen  Angaben  in  den  kriegsgeschicht- 
liehen  Darstellungen  hat  Schneider  seine  Karten  konstruiert.  Octogesa 
glaubt  er  in  Flix  am  Ebro  finden,  wohin  noch  heute  der  einzige  Karren- 
weg von  Lerida  über  Granadella  führt.  Der  letzte  unglückliche  Vor- 
stofs  der  Pompeianer  richtete  sich  in  diesem  Falle  gegen  Llardecans, 
und  die  Kapitulation  erfolgte  nicht  weit  vom  Segre. 

Schneider  spricht  schliefslich  bezüglich  des  pompeianisehen  Kriegs- 
planes  seine  Ansicht   dahin   aus,   die   Stellung   bei    Ilerda   sei  nicht  als 


6.  Die  Revolution.  307 

eine  vorläufige  gedacht  gewesen,  sondern  sie  sollte  dazu  dienen,  Cäsars 
Einmarsch  und  Vordringen  völlig  zu  verhindern.  Wahrscheinlich  ist  der 
Plan  auf  direkten  Eiuflufs  des  Poinpeius  zurückzuführen,  und  bei  ein- 
heitlicher und  sicherer  Leitung  wäre  es  sicherlich  anders  gekommen. 
Er  hatte  an  eine  ähnliche  sichere  Defensive  wie  bei  Dyrrhachium  oder 
Pharsalus  gedacht;  aber  Cäsars  überlegenes  Genie  war  aufser  Ansatz 
geblieben. 

Emil  Jullien,  De  L.  Cornelio  Balbo  maiore.    Diss.  Paris  1886. 

Der  Verfasser  hat  die  Absicht  in  ßalbus,  dem  Vertrauten  Cäsars, 
uns  ein  Sittenbild  seiner  Zeit  vorzuführen.  Au  den  Arbeiten  der  Vor- 
gänger hat  er  weniger  Gelehrsamkeit  und  Fleifs  als  richtiges  Urteil  aus- 
zusetzen. Nun  ist  aber  letzteres  ein  relativer  Begriff;  wer  garantiert 
dem  Verfasser,  dafs  er  »das«  richtige  Urteil  besitzt?  Dasselbe  wird 
z.T.  bedingt  durch  die  Quellenbenutzung;  da  erweckt  der  Satz  gerade 
nicht  die  gröfste  Hoffnung:  »Adde  quod  fere  omnia,  quae  de  Balbo  com- 
perta  habemus,  non  ex  iis  libris  exprompta  sunt,  in  quibus  de  industria 
saepe  adulteratur  verum,  sed  ex  Tullianis  epistulis  quibus  nihil  siuce- 
rius,  nihil  fide  dignius;«  aber  der  Verfasser  kennt  doch  seinen  »Tul- 
lius«   genug,  um  ihm  nicht  alles  zu  glauben. 

Baibus'  Geburt  wird  ungefähr  in  das  Jahr  100  gesetzt;  der  Ein- 
tlufs  seiner  Vaterstadt  Gades  auf  seine  künftige  Gesinnung  und  Bildung 
wird  schön  nachgewiesen.  Das  Bürgerrecht  verdankte  er  dem  L.  Cor- 
nelius Lentulus  Crus,  das  Cognomen  soll  mit  Baal  zusammenhängen; 
er  gehörte  der  Tribus  Crustumiua,  einer  der  angesehensten,  an.  Bei 
Gelegenheit  seiner  Ernennung  zum  praefectus  fabrum  des  Cäsar  erhalten 
wir  eine  lange  Auseinandersetzung  über  die  praefecti  im  allgemeinen 
und  den  praefectus  fabrum  im  besonderen.  Sehr  ausführlich  werden  auch 
die  Dienste  geschildert,  welche  Baibus  Cäsar  bei  seiner  Bewerbung  um 
das  Konsulat  leistete;  nicht  minder  eingehend  die  Adoption  durch  Theo- 
phanes  und  die  Verstärkung  des  Einflusses,  welche  für  Baibus  daraus 
enstand.  Bei  dem  Prozesse  gegen  Baibus  wegen  unberechtigter  Aus- 
übung des  Bürgerrechts  handelte  es  sich  um  Zwietrachtserregung  unter 
den  drei  Verbündeten  Crassus,  Porapeius  und  Cäsar  und  speziell  um 
einen  Angriff  auf  den  letzteren;  die  Entscheidung  erfolgte  vor  1.  Sep- 
tember 698,  die  Anklage  war  noch  vor  März  oder  April  desselben  Jahres 
erhoben  worden;  hinter  dem  obskuren  Ankläger  stand  die  Optimateu- 
partei.  Der  Bund  zu  Luca  machte  der  Intrigue  ein  Ende.  Von  nun  an 
vertrat  Baibus  Cäsars  Interesse  in  Rom  und  verbrachte  alljährlich  einige 
Zeit  bei  ihm  in  Gallien  ;  er  gewann  namentlich  Cicero  und  kaufte  mög- 
lichst viele  Anhänger  für  Cäsar;  während  er  selbst  Privatmann  blieb, 
war  er  höchst  eiuflufsreich.  Die  Charakteristik  von  Baibus'  Schreibart 
ist  ganz  interessant,  aber  der  Verfasser  will  zu  viel  hinter  verhältnis- 
mäfsig  einfachen  Briefen  finden.    Im  Bürgerkriege  vertrat  Baibus  Milde 

20* 


308  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

und  Versöhnlichkeit;  nach  Cäsars  Sieg  stieg  sein  Einflufs  noch  mehr, 
aber  diesem  Grundsatze  blieb  er  auch  dann  treu.  Cicero  erfuhr  dies 
besonders,  und  selbst  seine  Lobschrift  auf  Cato  fand  Baibus'  Beifall. 
Wie  er  Cäsars  Geldverhältnisse  verwaltete,  wird  ausführlich,  aber,  wie 
dies  in  der  Natur  der  Verhältnisse  liegt,  ohne  befriedigendes  Resultat 
untersucht.  Daneben  hatte  er  Zeit  für  wissenschaftliche,  namentlich  phi- 
losophische Interessen  Nach  Cäsars  Tod  bedrohte  ihn  die  Rache  der 
Optimaten,  aber  auch  Antonius;  denn  Baibus  schlofs  sich  sofort  dera 
Erben  Cäsars  an  und  gewann  diesem  Cicero.  Er  sorgte  auch  dafür,  dafs 
der  Ruhm  des  grofsen  Cäsar  litterarische  Darstellung  fand:  aufsein  An- 
dringen vollendete  Hirtius  die  Commentarien  über  den  gallischen  Krieg, 
und  er  selbst  verfafste  eine  Schrift  über  Cäsar,  die  es  mit  der  Wahr- 
heit weniger  genau  als  mit  der  Verherrlichung  desselben  nahm;  ob  er 
die  Schrift  über  den  alexandrinischen  Krieg  verfafst  hat,  ist  ungewifs. 
Octavian  belohnte  des  Baibus  Dienste  mit  dera  Konsulate  (714),  für  das 
Cn.  Doraitius  Calvinus  und  C.  Asinius  PoUio  durch  Abdankung  Platz 
machen  mufsten.  Der  Verfasser  meint,  dafs  dies  geschehen  sei,  weil 
nach  dem  Perusiuischen  Kriege  die  Versöhnlichkeit  des  Baibus  beson- 
ders wünschenswert  erschienen  sei.  Mit  Atticus  verband  ihn  rege 
Freundschaft  bis  zu  dessen  Tod.  Über  seinen  eigenen  Tod  ist  nichts 
bekannt. 

So  ist  die  Schrift  ein  verdienstlicher  Beitrag  zur  Kenntnis  jener  Zeit. 

Roh.  Bodewig,    De  proeliis  apud  Mutinam  commissis  comm.  cri- 
tica.     Diss.  Münster.  Barmen  1886. 

Die  Einschliefsung  von  Mutina  durch  Antonius  begann  Ende  De- 
zember 44.  Am  7.  Januar  43  erhielt  Octavian  die  Nachricht  von  seiner 
Ernennung  zum  Propraetor  und  den  Auftrag,  mit  Hirtius  und  Pansa  den 
Krieg  gegen  Antonius  zu  führen.  In  einer  Anmerkung  führt  der  Ver- 
fasser aus,  dafs  wahrscheinlich  Hirtius  und  Pansa  nur  geringe  Streit- 
kräfte besafseu,  und  dafs  die  siebente  Legion,  welche  Drumann  Hirtius 
giebt,  erst  aus  den  von  Octavian  gewonnenen  Veteranen  gebildet  sei. 
Der  Sieg  bei  Claterna  fällt  Ende  Januar.  Der  Gewinn  von  Pollentia 
durch  Pontius  Aquila,  den  Legaten  des  D.  Brutus,  fällt  um  den  3.  März; 
denn  Mitte  März  gelangte  die  Nachricht  nach  Rom,  sie  brauchte  unge- 
fähr zwölf  Tage.  Ventidius,  der  für  Antonius  ein  Heer  sammelte,  war 
zwischen  15.  und  20.  März  im  Picenischen.  Der  Vormarsch  von  Octavian 
und  Hirtius  auf  Bononia  und  an  den  Scultennaflufs  begann  am  15.  März. 
Der  Scultenna  hatte  damals  einen  anderen  Lauf,  indem  ein  Arm  an  der 
Stadt  vorbeiflofs.  Noch  vor  Mitte  März  traf  Silanus  mit  den  Truppen 
des  Lepidus  vor  Mutina  ein.  Antonius  teilte  jetzt  seine  Truppen,  da 
Pansa  herannahte,  der  20.  März  mit  vier  Legionen  aus  Rom  marschierte. 
Ehe  Pansa  ankommen  konnte,  versuchte  Antonius  Ende  März  und  An- 
fang  April   Octavian   und   Hirtius   zum   Kampfe   zu  zwingen.      Antonius 


7.   Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  und  Antoniue.  309 

hatte  zwei  Lager,  das  eine  vor  Mutina,  das  andere  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Scultenna.  Um  die  Vereinigung  der  Senatsheere  zu  hindern, 
brach  Antonius  15.  April  auf,  um  Pansa  entgegenzugehen;  die  Schlacht 
von  Forum  Gallorum  war  die  Folge  dieses  Manoeuvres.  Die  entschei- 
dende Schlacht  vor  Mutina  fand  am  27.  April  statt.  Die  meisten  Daten 
darf  man  nur  als  annähernd  zutreffend  betrachten;  neue  Kriterien  hat 
der  Verfasser  nicht  beigebracht. 

B.  Kästner,  Die  Haltung  des  römischen  Senats  während  der  Be- 
lagerung von  Mutina.     Pr.  Gymn.  Coburg  1886. 

Die  Einleitung  giebt  eine  kurze  Schilderung  der  Parteiverhältnisse 
in  Rom  bis  zum  Kriege  von  Mutina,  dann  werden  die  vier  Parteien  im 
Senate  geschildert  und  daran  schliefst  sich  die  Darstellung  der  geschicht- 
lichen Ereignisse,  die  gar  nichts  Neues  bietet. 

7.  Die  Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  nnd  Antonine. 

über  die  Bestimmung  des  Monum.  Ancyr.  dauert  der  Streit  fort. 
(Vgl.  Jahresb.  f.  1884,  85  f.) 

Job.  Schmidt,    Über  die  Grabschrift  des  Augustus.     Philol.  45, 
393  -  410. 

Der  Verfasser  will  die  von  Bormann  ausführlicher  begründete  und 
von  ihm  gut  geheifsene  Ansicht,  dafs  wir  in  dem  Mon.  Anc.  die  Grab- 
schrift des  Augustus  hätten,  noch  weiter,  namentlich  gegen  0.  Hirsch- 
feld (vgl.  Jahresb.  f.  röni.  Gesch.  1884,  85)  verteidigen. 

Mommsen  und  Hirschfeld  hatten  betont,  dafs  der  Kaiser  bei  der 
Auswahl  des  Stoffes  seiner  Schrift  nur  das  aufgenommen  habe,  was  nach 
seinem  Wunsche  der  Pöbel  von  ihm  wissen  und  glauben  sollte.  Im 
Einzelnen  hat  Mommsen  erklärt,  die  Worte  Germaniam  ad  ostium  Albis 
flum[inis  pacavi]  bedeuteten  notwendig  eine  Ausdehnung  der  Reichs- 
grenze bis  an  die  Elbe,  und  wenn  er  auch  Germanien  nicht  als  Provinz 
bezeichne  und  damit  stillschweigend  die  Folgen  der  Niederlagen  des 
Varus  eingestehe,  so  sage  er  doch  nichtsdestoweniger,  dafs  Germanien 
zum  römischen  Reiche  gehöre.  Schmidt  meint,  Augustus'  Worte  könn- 
ten ebenso  gut  besagen,  dafs  es  dazu  gehört  habe;  pacavi  sei  doch  er- 
zählendes perfect.  Aber  wenn  Augustus  das  wirklich  ausdrücken  wollte, 
dann  hat  er  in  Wahrheit  das  gethan,  was  ihm  Hirschfeld  vorwirft,  d.  h. 
die  Wahrheit  verschleiert.  Denn  bei  pacavi  konnte  doch  niemand  daran 
denken,  dafs  Augustus  sagen  wollte,  was  er  doch  in  Wirklichkeit  nach 
Schmidts  Auffassung  sagt:  ich  habe  Germanien  bis  zur  Elberaündung 
befriedet,  aber  nachher  wieder  alles  verloren.  Wollte  Augustus 
mit  einigem  Rechte  den  Ausdruck  pacavi  brauchen,  so  mufs  man  an  die 
Expedition  des  Tiberius  im  Sommer  11  oder  12  denken,  wo  derselbe  weit  in 


310  Römische  Geschichte  uud  Chronologie. 

das  Innere  vordrang,  ohne  von  Feinden  behelligt  zu  werden;  dem  Römer 
konnte  eine  solche  Unternehmung  als  eine  Vollendung  des  pacare  Ger- 
maniam  erscheinen,  um  so  mehr,  als  bis  zu  dem  Tode  des  Kaisers  Ruhe 
herrschte. 

Hirschfeld  war  der  Ansicht,  Augustus  habe  das  Dokument  nicht 
als  Grabschrift  angesehen  wissen  wollen;  sonst  hätte  er  sich  nicht  redend 
eingeführt.  Schmidt  weist  eine  Reihe  von  Beispielen  nach,  in  denen  der 
Verstorbene  die  Thaten  und  Ehren  seines  Lebens  in  der  ersten  Person 
erzählt.  Zwar  fehle  der  Name  des  Verstorbenen,  denn  Augustus  habe 
darauf  rechnen  dürfen ,  dafs  sein  Testamentsvollstrecker  diesen  hinzu- 
fügen würde.  Hirschfeld  meinte,  weder  Augustus  noch  sonst  Jemand 
würde  seine  Grabschrift  mit  den  Worten  geschlossen  haben:  cum  scripsi 
haec,  annum  agebara  septuagensumum  sextum,  wobei  noch  zu  bedenken 
sei,  dafs  Augustus  doch  nicht  voraus  wissen  konnte,  dafs  dieses  Jahr 
das  letzte  seines  Lebens  sein  würde.  Schmidt  findet,  dafs  dieser  Schlufs 
wiederum  für  keine  andere  Gattung  von  Schriftstücken  so  gut  pafst,  wie 
für  eine  Grabschrift.  Denn  dieser  Schlufs  sei  das  Äquivalent  des  sonst 
gewöhnlichen  Schlusses  annos  vixit  tot.  Auch  habe  er  sich  und  seinen 
Erben  kleine  Änderungen  und  Nachträge  vorbehalten  müssen,  und  das 
sei  auch  bezüglich  des  Schlusses  der  Fall.  Ich  bezweifle,  ob  Hirsch- 
feld sich  durch  diese  Ausführung  widerlegt  erachten  wird.  Denn  That- 
sache  bleibt  auch  jetzt,  dafs  Anfang  und  Schlufs  erst  noch  einer  Ände- 
rung durch  den  Erben  bedurften  ,  um  die  von  Schmidt  selbst  als  not- 
wendig erachteten  Requisite  einer  Grabschrift  zu  besitzen. 

Hirschfeld  hatte  mit  Bormann  und  Mommsen  als  Überschrift  des 
Dokumentes  angenommen:  Res  gestae  Divi  Augusti,  quibus  orbem  ter- 
rarum  imperio  populi  R.  subiecit  et  impensae,  quas  iu  rempublicam  po- 
pulumque  R.  fecit;  Schmidt  bestreitet  diese  Annahme  und  will  in  den 
Worten  Suet.  Aug.  101  indicera  rerum  a  se  gestarum,  quem  vellet  incidi 
iu  tabulis  aeneis  Worte  oder  sogar  den  Wortlaut  aus  dem  Testamente 
des  Augustus  erkennen;  jedenfalls  lehren  sie  nach  seiner  Meinung  über 
die  Überschrift  des  Originals  in  Rom  gar  nichts.  Auch  haben  wir  nicht 
den  geringsten  Grund  für  die  Annahme,  dafs  die  Überschrift  des  mon. 
Aue  aus  der  des  stadtrömischen  Originalmonuraents  verändert  und  er- 
weitert sei;  sie  ist  nichts  als  das  nicht  nur  sprachlich  ungeschickte,  son- 
dern auch  sachlich  ungenügende,  mangelhafte  rubrum  des  galatischen 
Provinzialsekretärs. 

Das  Fehlen  des  charakteristischen  Zeichens  einer  römischen  Grab- 
schrift, der  Erwähnung  der  von  dem  Verstorbenen  bekleideten  Staats- 
ämter, braucht  Schmidt  zum  Beweise,  dafs  diese  Überschrift  über  dem 
römischen  Dokumente  nicht  gestanden  habe;  denn  dort  hätte  jener  Man- 
gel nie  bestehen  können.  Anders  sei  es,  wenn  Augustus  vielleicht  in 
seinem  Testament  das  betreifende  Volumen  zunächst  mit  der  kurzen  Be- 
zeichnung index  rerum  a  se  gestarum   eingeführt  hätte,   indem  er  dann 


7.  Zeit  der  Julior,   Claiidier,  Flavier  und  Antonine.  311 

sogleich   die  Bestimmung  zur  Grabscbrift   und  damit  eine  nähere  Cha- 
rakteristik hinzufügte. 

Weiter  weist  Schmidt  nach,  dafs  die  von  Hirschfeld  gemachte 
Unterscheidung  zwischen  Grabschrift  und  Ehrendenkmal  am  Grabe  nicht 
zutreffe,  ebenso  wenig,  was  er  über  die  Anbringung  des  Dokumentes 
sage.  Dieser  Teil  scheint  mir  der  glücklichste  des  Aufsatzes,  der  die 
Annahme,  wir  hätten  in  dem  Mon.  Anc.  die  Grabschrift  des  Augustus 
zu  erkennen,  erheblich  gestützt  hat. 

U.  V.  Wilamowitz-Möllcndorf,  Res  gestae  Divi  Augusti.   Her- 
mes 21,  623  ff. 

Der  Verfasser  hält  es  für  unzutreffend,  den  Ancyranern  zuzutrauen, 
sie  hätten  auf  die  Mauern  eines  Gotteshauses  die  Grabschrift  des  Gottes 
gesetzt.  Hadrian  hat  in  Athen  ein  Pantheon  errichtet  und  darin  eine 
Inschrift  über  die  Niederschlagung  der  jüdischen  Rebellion  setzen  lassen, 
worin  er  auch  alle  Gotteshäuser  aufgezählt  hat,  die  er  erbaut  oder 
restauriert  oder  sonst  verschönert  hatte,  und  alle  Geschenke,  die  er 
griechischen  oder  barbarischen  Gemeinden  hatte  angedeihen  lassen.  "Wahr- 
scheinlich war  diese  Inschrift  darauf  berechnet,  im  Wetteifer  zu  den 
»Thaten  des  Augustus«  zu  wirken.  Wenn  man  aber  auch  die  bewufste 
Anlehnung  leugnet,  so  läfst  sich  doch  nicht  bestreiten,  dafs  diese  römi- 
sche Inschrift  mit  der  des  Augustus  zur  selben  Klasse  gehört:  sie  stand 
im  Pantheon  und  war  keine  Grabschrift. 

Der  passendste  Titel  ist  immer  noch  der,  den  die  Schrift  des 
Augustus  erhielt,  als  Tiberius  sie  veröffentlichte.  Augustus  bestellte  mit 
75  Jahren  Haus  und  Familie  wie  jeder  Familienvater,,  stellte  für  die 
vielen  Ämter,  die  das  Vertrauen  des  römischen  Volkes  in  seine  Hand 
gelegt  hatte,  eine  Geschäftsübersicht  und  einen  Rechenschaftsbericht  zu- 
sammen, zog  die  Summe  seiner  Geschäftserfahrung  und  legte  sie  sowohl 
seinem  Auftraggeber,  wie  seinen  Mitbeamten  ans  Herz.  Seine  Leistun- 
gen und  Erfolge  sollten  zugleich  den  Divus  rechtfertigen.  Darum  stehen 
sie  vor  dem  Hause,  das  nur  für  die  Familie  des  Gottes  ein  Grab  ist, 
darum  stehen  sie  an  den  Wänden  der  Tempel  des  Gottes.  Will  man 
eine  Parallele,  so  können  den  Tipdqeig  Isßaarou  Bso~j  nur  npd^eig  Hpa- 
xUoug  entsprechen:  die  Albanische  Tafel  enthält  die  Apotheose  des  He- 
rakles. Aber  eine  Grabschrift  ist  die  Apotheose  auch  nicht.  Wenn 
Augustus  selbst  diesen  Bericht  verfafste,  so  ist  dies  keine  Ruhmredig- 
keit oder  Unehrlichkeit,  sondern  kurz  und  knapp  spricht  er  aus,  womit 
er  sich  den  Himmel  verdient  zu  haben  glaubt. 

H.  Nissen,  Die  litterarische  Bedeutung  des  Monura.  Ancyr.    Rh. 
Mus.  f.  Phil.  41,  481. 

Die   Einsicht  in   den  Zweck    und   die  Bedeutung  der  wichtigsten 
Urkunde  für  die  Geschichte   der  in  ihr  behandelten  Periode  ermöglicht 


312  Römische  Geschichte  uud  Chronologie 

erst  ihren  richtigen  Gebrauch.  Auch  Nissen  hält  sie  für  eine  Grab- 
schrift; sie  befand  sich  auf  zwei  freistehenden,  flach  an  die  Wand  gelehn- 
ten Stelen  am  Eingänge  des  Mausoleums.  Da  auf  der  Spitze  des  Grab- 
hügels das  eherne  Standbild  des  Erbauers  stand,  so  wufste  jeder  der  latei- 
nischen Zunge  Kundige,  auf  wen  die  Worte  annos  undeviginti  natus  etc. 
sich  bezogen.  Jede  Grabschrift  verfolgt  den  Zweck,  das  Gedächtnis  des 
Toten  bei  den  Lebenden  zu  erhalten.  Die  Art  und  Weise,  wie  dies  ge- 
schieht, wechselt  in  Rom,  und  gerade  Augustus  führte  einen  Umschwung 
herbei.  Die  von  ihm  errichtete  Grabstätte  liefs  an  Gröfse  und  Massen- 
haftigkeit  alle  bisherigen  Schöpfungen  Roms  weit  hinter  sich  und  wurde 
für  die  Zukunft  vorbildlich;  vorbildlich  wurde  aber  auch  die  Inschrift 
des  Mausoleums,  wie  Nissen  an  den  dem  Monura.  Ancyranum  vorher- 
gehenden Elegien  des  Forum  Augusti  und  der  Inschrift  des  Munatius 
Plancus  und  andererseits  an  der  des  Sulpicius  Quirinius,  des  Plautius 
und  der  Caecilia  Metella  darthut:  wie  der  gröfste  Bürger  der  Republik 
ein  Königsgrab  nachgebildet  hat,  hat  auch  seine  Sprache  den  Pomp  der 
Pharaonen  und  Grofskönige  sich  angeeignet  In  der  ersten  Person  mufste 
er  sprechen,  wenn- er  als  Mensch  zur  Nachwelt  reden  wollte,  weil  kein 
anderer  irdischer  Mund  der  erhabenen  Aufgabe  gewachsen  war.  Die  Auf- 
zeichnung des  Augustus  ist  keine  memoria  vitae,  wie  Hirschfeld  annimmt, 
und  deshalb  ist  es  unzulässig,  ihr  eine  meisterhafte  Verschleierung  der 
Thatsachen  vorzuwerfen :  das  Thema  einer  römischen  Grabschrift  ist  die 
gloria;  es  hebt  mit  den  ersten  Worten  des  Augustus  an  und  klingt  mit 
den  letzten  aus.  Doch  will  er  sich  auf  die  der  Bürgerschaft  geleisteten 
Dienste  und  die  von  dieser  empfangenen  Auszeichnungen  beschränken. 

Da  uns  die  Aufzeichnung  nicht  in  unverfälschter  Gestalt,  sondern 
mit  einer  unpassenden  Überschrift  uud  einem  noch  unpassenderen  Schlufs 
versehen  vorliegt,  ist  es  nicht  unmöglich,  dafs  im  Texte  gleichfalls  Ab- 
weichungen vorgekommen  sind ;  doch  können  diese  nur  gering  sein. 

Von  dem  Inhalte  giebt  Nissen  folgende  Disposition:  1.  Kap.  1 — 4 
Namen,  2.  Kap.  5—8  die  bürgerlichen  Magistraturen,  3.  9 — 14  aufser- 
ordentliche  Ehrenbezeugungen,  4.  15 — 18  die  mit  den  Ämtern  verbun- 
denen Aufwendungen  für  die  Bürgerschaft,  5.  19  —  21  Bauten  und  Er- 
gänzung der  unter  2  geschilderten  magistratischen  Thätigkeit,  6.  22—24 
Spiele  und  Gaben  au  die  Götter,  7.  25  —  30  custos  imperi  Romani, 
8.  31  —  33  praeses  totius  orbis  terrarum,  9.  34  —  35  Wiederherstellung 
der  Republik. 

Die  Überschrift  ist  Nissen  geneigt  auf  buchhändlerischen  Ursprung 
zurückzuführen;  die  Aufzählung  der  Summen  am  Ende  sollen  die  bie- 
deren Provinzialen  gemacht  haben,  um  den  Kaiser  gegen  die  Verstim- 
mung in  Schutz  zu  nehmen,  die  seine  geringen  Vermächtnisse  erzeugt 
hatten.  Indem  Sueton  der  Grabschrift  für  seine  vita  folgte,  ist  erstere 
das  Vorbild  der  späteren  Kaiserbiographieen  geworden. 

Gegen  diese  Ansicht  erheben   sich  doch  nicht  wenige  Bedenken. 


7.   Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  uud  Antonine.  3 13 

Die  Vorbikilichkeit  der  Grabschrift  des  Augiistus  für  die  Grabschriften 
des  Plautius  Silvanus  oder  Siilpicius  Qiiiriniiis  ist  doch  blofse  Behaup- 
tung; mit  demselben  Rechte  kann  man  die  Scipioneninschriften  dafür 
ansehen;  natürlich  ist  jetzt  der  Schauplatz  ein  anderer  und  damit  auch 
die  Verhältnisse;  dafs  einige  Könige  an  der  Donau  erwcähnt  werden, 
entspricht  einfach  den  Thatsachen,  ohne  dafs  an  den  Pomp  der  Pharao- 
nen dabei  zu  denken  ist.  Dafs  er  in  der  ersten  Person  reden  niufste,  wenn 
er  als  Mensch  zur  Nachwelt  reden  wollte,  wird  wohl  zutreffen,  wie  bei 
anderen  Menschen  auch.  Aber  die  Frage  ist  eben,' ob  er  diese  Ab- 
sicht hatte.  Auch  die  Behauptung,  dafs  er  sich  auf  die  der  Bürger- 
schaft geleisteten  Dienste  und  die  von  dieser  empfangenen  Auszeich- 
nungen beschränken  wollte,  ist  nicht  erwiesen;  man  kann  die  Erwäh- 
nung der  vom  Auslande  gesandten  Gesandtschaften  doch  auch  als  An- 
erkennung weiterer  Kreise  verstehen.  Auch  die  Disposition  Nissens  be- 
friedigt nicht;  sie  mufs  zugeben,  dafs  fast  unter  jeder  Rubrik  ein  und 
der  andere  Gedanke  sich  nicht  fügen  will.  Ebenso  klingt  doch  die  Er- 
klärung für  die  Anfügung  der  Summen  recht  wenig  wahrscheinlich.  Ob 
die  »biederen  Proviuzialen«  von  dieser  Verstimmung  überhaupt  etwas 
wufsteu?  Jedenfalls  ist  es  auffallend,  dafs  sie  in  so  plumper  Weise 
ihre  Ehrenrettung  ausführten.  Sollte  denn  der  Proviuziallandtag  von 
Asien,  der  die  Aufstellung  veranlafste,  keinen  einzigen  taktvollen  Men- 
schen in  seiner  Mitte  gehabt  haben,  der  zugleich  so  viel  Einsicht  be- 
safs,  um  zu  begreifen,  dafs  dieses  Anhängsel  unmöglich  seinen  Zweck 
erfüllen  konnte?  Wenn  die  Leute  mit  den  Legaten  unzufrieden  waren, 
so  half  doch  dagegen  nicht,  wenn  nochmals  die  frühereu  Aufwendungen 
aufgezählt  wurden,  die  ohnehin  Augustus  selbst  erwähnt  hatte. 

Aug.  Deppe,    Kriegszüge   des  Tiberius  in* Deutschland  4  und  5 
n.  Chr.     Bielefeld  1886. 

Der  Verfasser  will  in  dieser  Schrift  zeigen,  »wie  weit  die  Römer 
in  Deutschland  gekommen  waren,  als  Varus  den  Oberbefehl  am  Rhein 
übernahm,  und  wie  die  Sachen  lagen,  als  Arminius  sich  gegen  die  Römer 
wandte«.    Leider  kann  ich  nicht  sagen,  dafs  er  seine  Absicht  erreicht  hat. 

Die  Methode  Deppes  ist  bekannt.  Irgend  welche  Befestigungen  — 
und  wo  fänden  sich  nicht  solche  ?  —  werden  schlankweg  für  römisch 
erklärt  und  nun  aus  den  doch  selten  aus  Autopsie  stammenden  Schrift- 
stellernachrichten der  Nachweis  versucht,  dafs  hier  das  und  das  Römer- 
lager gewesen  sei.  Auf  Zahlen  kommt  es  dabei  nicht  an,  und  die  neue- 
reu Namen  lassen  sich  stets  mit  einigem  Drücken  und  Dehnen  in  den 
von  den  Alten  überlieferten  Bezeichnungen  wiedererkennen.  Mehrere  der 
hier  versuchten  Nachweise  solcher  Römerlager  werden  einfach  durch  den 
Umstand  hinfällig,  dafs  der  Verfasser  annimmt,  die  Legion  habe  im  An- 
fang des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  2     3000  Mann  und  500  Reiter  ge- 


314  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

habt,  während  in  der  That  dieselbe  mit  den  Auxilieo  8  —  10  000  Mann 
zählte. 

Der  Verfasser  kommentiert  zunächst  den  Bericht  des  Velleius  2,  105. 
Den  hier  nur  angedeuteten  Marsch  bis  zur  Weser  sucht  der  Verfasser 
zu  erforschen  und  meint,  dafs  er  sich  durch  das  Land  der  Angrivaren 
und  Dulgibiner  in  der  Richtung  von  Bielefeld  über  Herford,  Vlotho, 
Bückeburg,  Stadthagen  nach  Wunstorf  hin  bewegt  habe.  Bei  Vlotho 
würde  die  Weser  überschritten  worden  sein.  Das  Sommerlager,  welches 
Sentius  Saturninus  anlegte,  wird  an  einem  Punkte  des  mittleren  Osning 
in  der  Gegend  von  Bielefeld  und  zwar  zwischen  der  Bielefelder  Gebirgs- 
schlucht und  der  Dörenschlucht,  an  dem  Südostende  des  Töusberges  bei 
Oerlinghausen  gesucht.  Gründe  für  diese  Annahmen  werden  aus  der  Ent- 
deckung von  Feuerstellen  und  verrosteten  Eisensachen  auf  der  Dünburger 
Barne,  aus  der  uralten  Übergangsstelle  an  der  Weser  nach  dem  Dorfe  Mä- 
tuffeln  und  aus  allgemeinen  strategischen  Rücksichten  entnommen;  sie  sind 
aber  nirgends  wirklich  beweiskräftig.  Ebenso  wenig  läfst  sich  die  Ansicht 
als  erwiesen  ansehen,  dafs  Varus  fünf  Jahre  später  dieses  Sommerlager 
bezogen  habe  -  weil  sich  aus  Dio-56,  19.  24  und  Vell.  2,  17,  Flor.  2,  30 
und  Tac.  Ann.  2,  46  erweisen  lasse,  dafs  Varus  die  Soldaten  nicht  mit 
Schanzen  beschäftigt  habe.  Aber  die  hier  gemachten  Angaben  sind  so 
allgemein,  dafs  man  mit  denselben  nichts  anfangen  kann.  Das  von  Vel- 
leius a.  a.  0.  erwähnte  Winterlager  an  der  Mündung  des  Flusses  Julia 
wird  nicht  mit  Lipsius'  Konjektur  »Lupiae«  an  der  Lippe  gesucht,  son- 
dern Julia  soll  die  oberhalb  Ringboke  in  den  Elsener  Bach  von  Thüle 
her  mündende  Delegosse  sein,  welche  in  Urkunden  des  15.  Jahrhunderts 
Tulerbecke  heifst;  der  Fhifs  hiefs  in  den  ältesten  Zeiten  Diulje  d.  h. 
ein  Bach  mit  hohen  Ufern.  Und  zwischen  Ringboke  und  Thüle  befinden 
sich  die  Reste  eines  grofsen  Heerlagers.  Es  bedarf  keines  besonderen 
Hinweises,  auf  wie  schwachen  Füfsen  diese  ganze  Ausführung  steht. 

Im  Jahre  5  n.  Chr.  rückte  Tiberius  aus  dem  Winterlager  bei 
Thüle  etwa  über  Delbrück,  Gütersloh,  Dissen,  Osnabrück,  Engter  in  die 
Südseite  der  Chaukeu,  die  sich  den  Römern  anschlössen.  Auf  das  län- 
gere Verweilen  der  Römer  in  den  dortigen  Gegenden  werden  die  Funde 
von  Münzen,  Waffen,  Geräten  und  Schmucksachen  auf  der  Barenau  zu- 
rückgeführt. Von  da  zog  Tiberius  über  die  Weser  zur  Elbe  gerade  ost- 
wärts, also  in  der  Richtung  von  Minden  auf  Magdeburg,  wobei  er  sich 
an  der  Seite  der  norddeutschen  Gebirge  hielt.  Ohne  weiteres  nimmt 
Deppe  an,  dafs  Tiberius  auch  im  Jahre  5  ein  Sommerlager  zur  Siche- 
rung des  Rückzuges  errichtet  habe;  mit  diesem  bringt  er  die  Babilonje 
am  Mehnerberge  im  Wiehengebirge  unweit  Lübbecke  und  die  Isenburg 
am  Nordfufse  des  Deistergebirges  in  Beziehung.  Als  Tiberius  an  der 
Elbe  angelangt  war,  führte  er  das  Heer  stromabwärts;  aus  dem  Mon. 
Ancyr.  wird  geschlossen ,  dafs  er  eine  Umschiffung  von  Jütland  ausfüh. 
ren  liefs.     Mit  den  Legionen  zog  er  zurück  und  überschritt  in  der  Ge- 


7.  Zeit  der  Julior,  Claudier,  Flavier  und  Antonine.  315 

gend  von  Bremen  die  Weser,  bei  Rheine  die  Ems  und  zog  weiter  in  der 
Richtung  auf  Wesel,  während  Saturninus  wahrscheinlich  von  seinen  Stand- 
orten am  Deister,  am  Süntel  und  Osning,  um  alle  Posten  wieder  abzu- 
lösen, seinen  Weg  über  das  Kastell  Aliso  und  an  der  Lippe  hinunter  nahm. 

J.  Scherr,  Römische  Ccäsaren.  Caligula.  Gartenlaube  1886  No.  1—3 

giebt  in  der  bekannten  nach  Geistreichigkeit  und  Effekt  haschenden 
Manier  eine  für  die  historische  Kritik  ziemlich  wertlose  Konstruktion 
des  Charakters  und  der  Hauptregierungsthatsachen  des  Gaius  Caesar. 

Wiedemeister,  Der  Cäsarenwahnsinn  der  Julisch-Claudischen 
Kaiserfamilie,  geschildert  an  den  Kaisern  Tiberius,  Caligula,  Claudius, 
Nero.     Leipzig,  2.  Aufl.  1886. 

Wenn  das  Buch  wirklich  eine  zweite  Auflage  ist  (zum  ersten  Male 
erschien  es  Hannover  1875),  so  sieht  man,  dafs  der  Zug,  in  dem  Ver- 
brechen einen  psychischen  Defekt  zu  erkennen,  mächtig  im  Zunehmen 
begriffen  ist.  Selbst  ein  so  unmögliches  Unternehmen,  wie  das  auf  Grund 
vereinzelter  Berichte,  noch  dazu  von  lauter  Schriftstellern,  die  nicht  als 
Augenzeugen  geschrieben  haben,  den  Nachweis  zu  erbringen,  dafs  die 
Nachfolger  des  Augustus  an  hereditärer  Geisteskrankheit  gelitten  haben, 
findet  Käufer  und  erlebt  eine  zweite  Auflage. 

A.  Chambalu,  Flaviana.  (Forts,  v.  Phiiol.  44,  517.)  Philo!. 
45,  100  ff. 

Der  Verfasser  setzt  seine  Beiträge  zur  Geschichte  der  Flavier 
(Jahresb.  1885,  272  ff.)  fort.  IV.  Zum  Münzwesen  Vespasians.  Von  den 
nach  Tac.  bist.  2,  82  in  Antiocheia  geschlagenen  Gold-  und  Silbermün- 
zeu  bleiben  möglicherweise  nur  übrig  Coh.  2.  Aufl.  261.  571.  617.  Vor 
der  Rückkehr  Vespasians  nach  Rom  sind  wahrscheinlich  in  Rom  selbst 
keine  Münzen  geprägt  worden,  die  Prägung  im  grofsen  Mafsstabe  be- 
ginnt erst  71;  doch  mag  eine  grofse  Zahl  undatierter  Münzen  noch  ins 
Jahr  70  und  in  den  Anfang  von  71  gehören.  Eigene  Münzen  des  Titus 
finden  sich  erst  71  zu  Ephesus  geprägt  mit  dem  Avers:  Imp.  T.  Caesar 
Augusti  f.  Der  Abstand  des  Müuzreichturas  des  Jahres  71  von  der  Ar- 
mut der  folgenden  Jahre  ist  so  grofs,  dafs  der  Verfasser  ihn  nur  durch 
die  Annahme  glaubt  erklären  zu  können,  Vespasian  habe  auf  die  Aus- 
übung des  Münzrechts  kein  Gewicht  mehr  gelegt,  weil  er  dasselbe  mit 
Titus  teilen  mufste.  Vespasian  erscheint  hier  ungefähr  wie  ein  eigen- 
sinniges Kind,  das  ein  Spielzeug  nicht  mehr  mag,  weil  ein  zweites  daran 
Anteil  erhält.  Man  sieht,  wozu  den  Verfasser  seine  Annahme  eines 
feindseligen  Verhältnisses  zwischen  Vater  und  Sohn  treibt,  die  doch 
durch  nichts  motiviert  ist.  Können  aufserdem  die  zahlreichen  undatier- 
ten Münzen  nicht  in  die  Folgezeit  fallen? 


316  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Der  Verfasser  bat  sehr  sorgfältige  Münzverzeichnisse  beigegeben, 
die  aber  weniger  für  die  Geschichte  als  für  die  Nuniisraatilj  ergiebig  sind. 

J.  Asbach,  Die  Kriege  der  flavischen  Kaiser  an  der  Nordgrenze 
des  Reichs.     Bonn.  Jahrbb.  81,  26  ff. 

Der  Verfasser  schildert  zunächst  die  Unterwerfung  von  Britannien. 
Domitian  und  seine  Nachfolger  verzichteten  auf  die  kostspielige  Offen- 
sive gegen  die  Kaledonier  und  bemühten  sich  um  die  Befestigung  ihrer 
Defensivstellung  au  der  schottischen  Landenge  nördlich  von  Eburacum. 
Wenn  man  auch  gewöhnlich  annimmt,  dafs  die  Linie  vom  Solway  Firth 
bis  zum  Tyne  von  Hadrian  erbaut  worden  sei,  so  hindert  doch  nichts, 
den  ersten  Anfang  der  Einrichtung  eines  gesicherten  Grenzschutzes  in 
frühere  Zeit  zu  setzen;  denn  die  Anlage  von  Sperrforts  war  unerläfs- 
lich,  sobald  die  Regierung  auf  die  definitive  Unterwerfung  der  kaledo- 
nischen  Stämme  verzichtet  hatte.  Schon  Mommsen  hat  betont,  dafs  die 
Linie  vom  Firth  of  Clyde  zum  Firth  of  Forth  schon  von  Agricola  mit 
einer  Postenkette  besetzt  wurde.  Man  beschränkte  sich ,  entsprechend 
der  unter  Domitian  (?)  begonnenen  rätischen  Grenzwehr  auf  einen  an- 
sehnlichen Erdwall  mit  Graben  davor  und  Strafse  dahinter. 

Nach  dem  Bataverkriege  begann  Vespasian  die  Neuordnung  der 
Verhältnisse  am  Niederrhein,  indem  er  vier  Legionen  und  die  Mehrzahl 
der  germanischeu  Auxiliarcohorten  auflöste  und  neue  Legionen  hier  ihre 
Quartiere,  neue  Legaten  das  Kommando  erhielten.  Die  Brukterer  wur- 
den durch  einen  Kriegszug  unter  Rutilius  Galliens  zur  Auslieferung  der 
Seherin  Velleda  gezwungen.  Docb  wissen  wir  hierüber  wie  über  ein  an- 
deres Unternehmen,  bei  dem  nordgermanische  Stämme  mit  den  Römern 
in  Berührung  kamen,  nichts  Näheres. 

Weit  günstiger  ist  die  Überlieferung  für  den  obergermanischeu 
Grenzschutz.  Am  Oberrhein  wurde  vor  dem  Jahre  74  unter  dem  Kom- 
mando des  Cn.  Cornelius  Clemens  ein  Kampf  geführt,  der  dem  Legaten 
die  Triumphalauszeichnung  einbrachte.  Er  erbaute  die  Strafse  von  Ar- 
gentoratum  auf  das  rechte  Rheinufer.  Da  aber  Plinius  kein  römisches 
Gebiet  jenseits  des  Rheins  kennt,  auch  sonst  keine  Spur  auf  eine  An- 
nexion unter  Vespasian  hinweist,  so  will  Asbach  annehmen,  dafs  damals 
nur  eine  Art  von  Protektorat  über  das  Schwarzwald-  und  Neckargebiet 
eingerichtet  wurde.  Erst  der  Chattenkrieg  Domitians  führte  zur  defini- 
tiven Einverleibung.  Den  Anfang  dieses  Krieges  wird  man  schon  in 
das  Jahr  82  setzen  dürfen,  die  Entscheidung  erfolgte  jedenfalls  erst  im 
nächsten  Jahre.  Die  bei  Frontin  2,  11,  7  erwähnten  Kastelle  wurden 
etwa  zwischen  Main  und  Neckar  erbaut;  unter  dem  120  Millien  =  177  km 
langen  Limes  ist  die  zur  Sicherung  der  Dekumatenlande  und  des  Mainge- 
bietes angelegte  Militärlinie  zu  verstehen;  die  Münzlegende  von  85  Germa- 
nia capta  findet  ihre  einfachste  Erklärung,  wenn  damals  jene  Linie  fertig 
wurde.  In  den  Jahren  88  und  89  wurde  der  Krieg  mit  den  Chatten  erneuert; 


f 


7.   Zeit  der  Julier,  Claudier,  Klavier  und  Antonine.  317 

dieser  neue  Feldzug  scheint  zur  Anlage  der  Taunuslinie  und  zur  Unter- 
werfung einzelner  kleinerer  Völkerschaften  geführt  zu  haben,  die  vorher 
den  Chatten  botmäfsig  waren.  Domitian  konnte  zufrieden  sein :  die 
Macht  des  germanischen  Hauptvolkes  war  eingeschränkt  und  Germania 
sup.  wirksam  geschützt. 

Vespasian  konnte  die  Donauarmee  nicht  vermehren,  doch  legte  er 
um  73  zwei  Legionen  nach  Carnuntum  und  Vindobona,  zwei  andere  ver- 
tauschten die  dalmatischen  Garnisonen  mit  festen  Plätzen  an  dem  mösi- 
schen  Grenzufer.  Auch  ist  er  wahrscheinlich  der  Schöpfer  der  üonau- 
flottille  (classis  Flavia).  Gleich  nach  Titus'  Tode  gingen  die  Daker  zu 
nachhaltigem  Angriffe  über.  Dafs  schon  in  den  ersten  Jahren  Domitians 
diese  kriegerischen  Bewegungen  über  die  Donau  fluteten,  lehrt  das  Mili- 
tärdiplom vom  19.  Sept.  82.  Und  erst  85  schien  eine  Verminderung  der 
Heeresmacht  durch  Entlassung  der  Veteranen  unbedenklich.  Daraals 
sind  wohl  die  Siege  erfochten  worden,  von  denen  Eusebius  redet.  Moe- 
sien wurde  geteilt  und  für  L.  Funisulanus  Vettonianus  ein  gröfseres  Kom- 
mando über  Dalmatien,  Moesia  sup.  und  Pannonien  geschaffen.  Da  er 
vor  5.  Sept.  Legat  von  Pannonien  war  und  seine  Inschrift  zahlreiche 
ihm  im  Dakerkriege  gewordene  Auszeichnungen  erwähnt,  so  niufs  seine 
erfolgreiche  Operation  eine  glückliche  Wendung  des  Krieges  herbeige- 
führt haben.  Der  grofse  Einfall,  von  dem  Jordanes  berichtet,  mufs  ins 
folgende  Jahr  fallen,  da  auch  C  Oppius  Sabinus  erst  84  Konsul  war 
und  die  mösische  Statthalterschaft  nicht  unmittelbar  nach  dem  Konsu- 
late übertragen  wurde.  Die  Regierung  hatte  die  Gefahr  unterschätzt, 
Sabinus  wurde  geschlagen  und  fiel,  die  Kastelle  wurden  erobert,  viele  Beute 
von  den  Dakern  gemacht.  Domitian  ging  jetzt  selbst  nach  Mösien,  aber  der 
Gardepräfekt  Cornelius  Fuscus  wurde  geschlagen  und  fiel.  Domitian  war 
nach  Rom  zurück  gegangen,  weil  er  fürchten  raufste,  seine  Mifserfolge 
würden  seine  Stellung  gefälirden.  Er  war  in  der  letzten  Hälfte  des 
Jahres  86  zum  erstenmal  an  der  Donau,  nach  dem  Untergang  des  Fus- 
cus ging  er  wieder  dahin,  seiner  Abwesenheit  war  sicher  in  dem  Jahres- 
bericht von  88  gedacht,  der  bis  auf  einen  kleinen  Rest  verloren  ist.  Die 
Erfolge  des  Tettius  Julianus  fallen  Ende  88.  Thatsächlich  ist  auch,  dafs 
eine  Erhebung  der  Quaden,  Markomannen  und  Sarmaten,  also  aller  Völ- 
ker an  der  mittleren  Donau  auf  die  dakische  Kriegsführung  lähmend 
wirkte.  Über  dieses  bellum  Suebicum  et  Sarmaticum  gehen  die  An- 
sichten auseinander.  Asbach  scheint  der  Verlauf  der  Ereignisse  folgen- 
der gewesen  zu  sein.  Der  erste  Kampf  mit  den  Sarmaten  fällt  in  das 
Jahr  86,  er  war  nicht  bedeutend  und  ist  glücklich  beendet  worden. 
Während  des  zweiten  dakischen  Krieges  im  Jahre  88  erhoben  sich  Mar- 
komannen und  Quaden,  und  gegen  sie  zog  Domitian  von  Pannonien  aus 
zu  Felde.  Wahrscheinlich  standen  sie  mit  Decebalus  im  Bunde.  Die 
hier  erlittene  Niederlage  der  Römer  veranlafste  Domitian  zum  Frieden 
mit  den  Dakern,  aber  auch  zu  einem  gröfseren  allgemeinen  Kampfe,  eben 


318  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

dem  bellum  Suebicum  et  Sarmaticum,  das  im  Jahre  92  vom  Kaiser  selbst 
beendet  wurde.  In  diesen  Kämpfen  waren  die  Sarmaten  mit  germani- 
schen Völkern  verbündet.  Die  von  Sueton  und  Eutrop  erwähnte  Vernich- 
tung einer  Legion  fällt  ins  Jahr  92. 

Dafs  die  Friedensbedingungen  mit  Decebalus  nichts  beschimpfendes 
für  Rom  enthielten,  zeigt  die  Erwägung,  dafs  sich  seit  dem  Jahre  89 
Domitians  Stellung  in  Rom  befestigte  gegenüber  dem  Senate  (?)  und 
unter  Nerva  und  in  den  ersten  Jahren  Traians  dasselbe  Verhältnis  fort- 
bestand. Auch  folgt  eine  Zeit  friedlichen  Verkehrs  mit  den  Dakern. 
Dafs  die  Erweiterung  der  rätischen  Grenzen  über  die  Donau  hinaus 
schon  unter  Domitian  erfolgte,  ist  recht  zweifelhaft. 

Die  Chronologie  der  dakischen  Kriege,  namentlich  in  den  Jahren 
84—86  bleibt  auch  jetzt  noch  zweifelhaft;  denn  dafs  z.  B.  Oppius  Sabi- 
nus  nicht  schon  Sommer  oder  Herbst  84,  spätestens  Frühjahr  86  in 
Mösien  Legat  gewesen  sein  könnte,  wird  doch  nicht  dadurch  ausge- 
schlossen, dafs  die  mösische  Statthalterschaft  nicht  unmittelbar  nach  dem 
Konsulate  übertragen  wurde.  Ungewöhnliche  Zeiten  bedingten  unge- 
wöhnliche Mafsregeln.  Auch  die  zweimalige  Anwesenheit  Domitians  bleibt 
zweifelhaft.  Ebenso  ist  der  Verlauf  des  bellum  Suebicum  et  Sarmaticum 
in  drei  Aufzügen  lediglich  Hypothese. 

J.  Busse,  De  Taciti  Agricola.     Progr.  Hildesheim  1886. 

Der  Verfasser  stellt  zunächst  die  verschiedenen  Ansichten  über  die 
Bestimmung  des  Agricola  zusammen;  au  diese  Zusammenstellung  schliefst 
er  die  Darlegung  seiner  eigenen  Meinung  an.  Er  ist  der  Ansicht,  Ta- 
citus  habe  aus  Liebe  und  Pietät  nach  dem  Tode  seines  Schwiegervaters 
eine  Biographie  desselben  verfafst,  aber  dabei  nur  die  Hauptsachen  ein- 
gehender dargestellt;  nebenbei  wollte  er  auch  die  gemäfsigte  Haltung 
desselben  im  politischen  Leben  rechtfertigen.  Neu  ist  diese  Ansicht  be- 
kanntlich nicht,  und  auch  zur  Begründung  derselben  werden  keine  neuen 
Momente  beigebracht.  Aber  die  Schrift  ist  doch  für  Jeden,  der  sich 
mit  der  Agricolafrage  bekannt  machen  will,  von  gewissem  Werte,  weil 
sie  eine  klare  Zusammenstellung  der  Punkte  giebt,  auf  welche  es  bei 
der  Entscheidung  ankommt  und  weil  sie  auch  ziemlich  glücklich  einige 
Ansichten  widerlegt. 

W.  Schleusner,  Quae  ratio  inter  Taciti  Germaniam  ac  ceteros 
primi  saeculi  libros  Latinos,  in  quibus  Germani  tangantur,  intercedere 
videatur.    Progr.  Barmen  1886. 

Der  Verfasser  stellt  mit  Fleifs  eine  Anzahl  Stellen  zusammen,  aus 
denen  hervorgeht,  dafs  Tacitus  öfter  mit  Velleius,  Mela,  namentlich  aber 
mit  dem  älteren  Plinius  in  seiner  Darstellung  der  Germauen  überein- 
stimmt, so  dafs  er  entweder  dieselbe  Quelle  wie  jener  oder  zwei  Quellen 
benutzt  hat;  diese  Übereinstimmung  beschränkt  sich  nicht  allein  auf  die 


7.   Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  und  Antonine.  319 

Germania.  Warum  Tacitus  nicht  diese  Schriftsteller  selbst  benutzt  haben 
soll,  habe  ich  nicht  einsehen  können,  da  doch  der  Verfasser  eine  direkte 
Benutzung  auch  des  Cäsar  und  Sallust  annimmt. 

AI.  Riese,  Zu  den  römischen  Quellen  deutscher  Geschichte.    Rh. 
Mus.  f.  Phil.  41,  639. 

Die  Worte  Tac.  Germ.  41  über  die  Hermunduren  sollen  durch  die 
Notiz  sine  custode  transeuut  und  castra  nostra  andeuten,  dafs  damals 
gegen  diesen  feindlichen  Stamm  noch  keine  Grenzbefestigung  bestand. 
Viel  entschiedener  weist  auf  die  c.  29  erwcähnte  Limes -Befestigung  die 
Stelle  c.  32  hin:  Proximi  Chattis  certum  iam  alveo  Rhenum  quique  ter- 
minus  esse  sufficiat,  Usipii  ac  Tencteri  colunt.  Die  Chatten  grenzen  näm- 
lich an  Germ,  sup.,  die  beiden  andern  an  Germ.  inf.  Nur  sind  die  erstereu 
durch  den  Limes  vom  römischen  Reiche  getrennt,  die  letzteren  dagegen 
nicht,  da  der  Limes  bei  Rheinbrohl  den  Rhein  erreicht,  genau  gegen- 
über der  Mündung  des  Vinxtbachs.  Von  da  an  »genügt  der  Rhein  als 
Grenze«  heifst  also  so  viel:  Germ.  inf.  wurde  nicht  wie  Germ.  sup.  durch 
einen  Grenzwall  geschützt.  Vielleicht  gehen  die  Worte,  die  uns  über 
die  »ungefähre  Grenze«  zwischen  Chatten  uud  Usipiern  Belehrung  geben, 
auf  einen  amtlichen  Bericht  des  Statthalters  von  Unter- Germanien  zurück. 

Der  Verfasser  hält  den  aus  Suet.  Dom.  6  gezogenen  Schlufs,  dafs 
im  Jahre  88  oder  89  bei  Mainz  noch  keine  feste  Brücke  gewesen  sei, 
für  unberechtigt.  Denn  wenn  die  Schlacht  auch  nur  wenige  Stunden 
von  Mainz  entfernt  stattfand,  würde  die  Brücke  bei  der  Stadt  Mainz 
den  Germanen  schon  deswegen  nichts  genutzt  haben,  weil  sie  sehr  ver- 
spätet ^  ipsa  dimicationis  hora  —  ankamen  und  deshalb,  um  noch  mit- 
zukämpfen, nicht  den  geringsten  Umweg  machen  durften.  Darin,  dafs  die 
Stelle  aus  der  Diskussion  über  die  Mainzer  Brücke  fernzuhalten  sei, 
bin  ich  mit  dem  Verfasser  um  so  mehr  einverstanden,  als  noch  kein 
Mensch  bewiesen  hat,  dafs  der  Kriegsschauplatz  wirklich  bei  Mainz  war. 

Der  Verfasser  findet  endlich  in  den  Nomina  prouinciarum  omnium 
(Riese  Geogr.  lat.  minor.  S.  129)  in  den  Worten:  trans  castellum  Mogontia- 
censium  LXXX  leugas  trans  Rhenum  Romani  possederunt  eine  Bezugnahme 
auf  die  von  Domitian  per  centum  viginti  milia  passuum  geführten  Limi- 
tes. Er  will  darin  die  Angabe  der  Länge  der  Gienze,  nicht  der  von 
Mainz  aus  gemessenen  Tiefe  des  Gebiets  erblicken;  letztere  betrug  bis 
zum  fernsten  Punkt  des  wetterauischen  Limes  nur  30  Leugen  =  45  rö- 
mische Meilen.  Letztere  Bemerkung  würde  wenig  beweisen;  denn  man 
nahm  eben  an,  dafs  vorübergehend  der  Limes  nicht  die  Grenze  gebildet 
habe.  Nun  steht  aber  auch  nicht  fest,  was  der  Verfasser  als  festen 
Punkt  seiner  Rechnung  ansieht,  dafs  Domitian  den  Limes  von  Grofs- 
krotzenburg  bis  Rheinbrohl  errichtet  hat,  und  damit  verliert  seine  Kom- 
bination allen  Wert,  da  sie  sich  in  der  Haui)tsache  nur  auf  die  Zahl  von 
120  Miilien   stützte. 


320  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

H.  Dressel,    Untersuchungen   über  die  Chronologie   der  Ziegel- 
stempel der  Gens  Domitia.     Berlin  1886. 

In  dieser  W.  Henzen  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmeten  Schrift 
versucht  der  Verfasser  die  Zeitbestimmung  einer  der  wichtigsten  und 
zahlreichsten  Serien  der  römischen  Ziegelstempel,  die  man  gewöhnlich 
mit  dem  Namen  der  Domitiersterapel  bezeichnet.  Die  Untersuchung  be- 
fafst  sich  1.  mit  Personen,  welche  sämtlich  der  Geschichte  angehören: 
dem  Rechtsanwalt  L.  Domitius  Afer,  seinen  beiden  Adoptivsöhnen  Luca- 
nus und  TuUus,  und  mit  zwei  Frauen:  Domitia  Cn.  f.  Lucilla,  Tochter 
des  Lucanus  und  zugleich  Adoptivtochter  ihres  Oheims  Tullus  und  Do- 
mitia P.  f.  Lucilla,  Tochter  der  vorigen  und  Mutter  des  Kaisers  Mar- 
cus. 2.  Mit  einer  langen  Reilie  einfacher  Freigelassenen  und  Sklaven 
der  vorgenannten  Domitier.  Alle  diese  Personen  haben  teils  als  Be- 
sitzer parkartiger  Ziegeleien,  teils  als  Pächter,  Werkfiihrer  oder  Arbeiter 
in  denselben  länger  als  ein  Jahrhundert  hindurch  eine  ungeheure  Menge 
Backsteine  geliefert,  und  zwar  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  Bauthätig- 
keit  in  Rom  in  voller  Blüte  stand. 

Die  Familienangelegenheiten  der  Domitier  lernen  wir  aus  dem 
Brief  des  jüngeren  Plinius  8,  18  kennen.  Die  beiden  Adoptivsöhne  des 
Afer  Cn.  Domitius  Lucanus  und  Cn.  Domitius  Tullus  lebten  in  gröfster 
Eintracht,  die  sich  auf  alles,  selbst  auf  Besitz  und  Vermögen  erstreckte, 
da  zwischen  ihnen  völlige  Gütergemeinschaft  bestand.  Den  glänzenden 
Vermögensverhältnissen  der  Brüder  entsprach  durchaus  ihre  öffentliche 
Laufbahn,  welche  zwei  Inschriften  von  Fuligno  uns  melden  (Wilm. 
1148.  1149). 

Cn.  Domitius  Lucanus,  der  ältere  der  beiden,  heiratete  eine  Toch- 
ter des  Curtilius  Mancia ;  aus  dieser  Ehe  stammte  eine  Tochter,  deren 
Namen  nicht  überliefert  ist.  die  aber  Domitia  Cn.  f.  Lucilla  hiefs.  Zwi- 
schen dem  Schwiegervater  und  dem  Schwiegersöhne  herrschte  Unfriede, 
infolge  dessen  der  erstere  seine  Enkelin  nur  unter  der  Bedingung  zur 
Erbin  einsetzte,  dafs  Lucanus  sie  aus  der  väterlichen  Gewalt  entliefs. 
Dieser  kam  der  Bedingung  nach,  veraulafste  aber  gleichzeitig  seinen 
Bruder  Tullus,  das  Mädchen  zu  adoptieren.  So  blieb  die  Tochter  samt 
der  reichen  grofsväterlichen  Erbschaft  faktisch  in  der  Gewalt  des  Luca- 
nus; er  setzte  statt  ihrer  bei  seinem  Tode  seinen  Bruder  zum  Universal- 
erben ein,  da  er  überzeugt  war,  dafs  sein  Bruder  der  Nichte  das  Erbe 
nicht  schmälern  würde.  Des  Lucanus  Tod  fällt  zwischen  93  und  94. 
Tullus  heiratete  wahrscheinlich  erst  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  eine 
Frau  aus  einer  berühmten  Familie,  deren  Namen  wir  nicht  kennen. 
Trotz  der  Bemühungen  der  Erbschleicher  setzte  er  seine  Nichte  Domitia 
Lucilla  als  Haupterbin  ein;  wahrscheinlich  fällt  sein  Tod  ins  Jahr  108. 
Die  Nichte  Domitia  Lucilla  hatte,  aufser  einer  Tochter  gleichen  Namens, 
auch  noch  einen  Sohn,  der  aber  wahrscheinlich  in  früher  Jugend  starb. 


7.   Zeit  der  Julier,   Claudier,  Flavier  und  Antonine.  321 

Wahrscheinlich  war  die  Mutter  Domitia  Lucilla  zweimal  verheiratet  und  ' 
hatte  aus  erster  Ehe  ein  Kind,  durch  welches  sie  nach  dem  Tode  ihres 
Adoptivvaters  Grofsrautter  wurde.  Vielleicht  ist  dieser  Ex-Enkel  des 
Tullus  derselbe,  welcher  in  der  Pliniusstelle  Enkel  heifst;  in  diesem 
Falle  brauchte  man  nicht  anzunehmen,  dafs  Domitia  Lucilla  aus  zweiter 
Ehe  noch  einen  Sohn  gehabt  habe.  In  zweiter  Ehe  war  sie  die  Gattin 
des  P.  Calvisius  Tullus.  Die  jüngere  Domitia  wurde  mit  Annius  Verus 
vermählt  und  Mutter  des  Kaisers  Marcus.  Ihr  Tod  erfolgte  zwischen 
155/156  und  161.  Die  Vermählung  der  Mutter  fällt  etwa  in  das  Jahr 
109,  die  der  Tochter  etwa  120;  dagegen  mufs  die  erste  Ehe  der  Mutter 
etwa  in  das  Jahr  90,  ihre  Geburt  etwa  in  das  Jahr  75  gesetzt  werden. 
Von  Afer  sind  verhältnismäfsig  wenige  Ziegel  bekannt;  Lucanus 
und  Tullus  erscheinen  stets  gemeinsam  als  Besitzer  der  Ziegeleien  oder 
der  in  ihnen  arbeitenden  Sklaven  ;  erst  nach  dem  Tode  des  Lucanus  er- 
scheint der  Name  des  Tullus  allein.  Die  Stempel  der  älteren  und  der 
jüngeren  Domitia  sind  meist  sehr  schwer  zu  scheiden;  der  Verfasser  hat 
in  scharfsinniger  Weise  diese  Scheidung  versucht,  die  aber  hier  nicht 
weiter  verfolgt  werden  kann.  Ebenso  hat  er  die  Besitzer  der  Liberten- 
stempel  zu  ermitteln  und  unterzubringen  versucht.  Diese  Ergebnisse 
können  für  die  Entscheidung  über  die  Bauzeit  eines  aus  solchen  Ziegeln 
errichteten  Gebäudes  oder  sonstigen  Denkmals  von  grofsem  Werte  sein. 

M.  Pelisson,  Rome  sous  Trajan.   Religion,  administration,  lettres 
et  arts.     Paris  1886. 

Das  Buch  behandelt  ziemlich  eingehend  die  Kapitel  Religion, 
Wissenschaft  und  Kunst,  doch  ohne  wesentlich  neue  Gesichtspunkte  zu 
finden.  Auf  die  erheblichen  und  schwierigen  Fragen  der  inneren  und 
äufseren  Reichsverwaltung  wird  nicht  eingegangen.  Offenbar  hat  der 
Verfasser  mehr  an  ein  allgemein  gebildetes  als  wissenschaftlich  kontro- 
lierendes  Publikum  bei  seiner  Arbeit  gedacht. 

A.  D.  Xenopol,  Les  guerres  daciques  de  l'empereur  Traian.   Rev. 
bist.   1886  (11),  31,  291—312. 

Der  Verfasser  beansprucht  als  sein  Verdienst,  die  Reliefs  der  Tra- 
jaussäule  mit  Dio  in  Einklang  gebracht,  den  Weg  Traians  genau  be- 
stimmt und  einige  alte  Namen  nach  den  heute  gebräuchlichen  bestimmt 
zu  haben. 

Ich  kann  dem  Verfasser  nicht  beistimmen,  dafs  Traian  erst  in 
Folge  des  zweiten  Krieges  sich  durch  die  Rachsucht  habe  bestimmen 
lassen,  Dacien  zu  incorporieren  und  dafs  er  erkannt  habe,  die  Reichs- 
grenzen seien  jetzt  schon  zu  weit  ausgedehnt  Der  Verfasser  hat  offen- 
bar an  Arabien,  an  Mesopotamien  etc.  nicht  gedacht,  als  er  diese  Be- 
hauptung aufstellte. 

Bei  seiner  Abreise  aus  Rom  liefs  Traian  einen  Weg  in  die  Felsen 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  (1887.  UI»  21 


322  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

am  eisernen  Thore  brechen,  um  die  Schilfe  heraufzuziehen,  welche  die 
Vorräte  von  Mösien  nach  dem  Kriegsschauplatze  bringen  sollten.  Aber 
wäre  das  nicht  einfacher  von  Pannonien  aus  zu  haben  gewesen?  Die 
Basis  der  Operationen  war  Viminacium  (Kostolatz).  Unter  den  Offizieren 
Traians  figuriert  wieder  Lucius  (statt  Lusius)  Quietus.  Er  mufste  einer 
schon  vorhandenen  Strafse  folgen,  die  Handelszwecken  diente.  Bei  Vimi- 
nacium passierte  er  die  Donau  und  zog  über  Lederata,  Arcidava,  Cen- 
tum  putea,  Bersovia,  Aixis  durch  das  Timok-  und  Bistrathal  nach  Sar- 
mizegethusa  (Varhely).  Tapae  heifst  heute  Tapa  oder  Tapia;  der  Name 
Bersovia  findet  sich  in  dem  Flüsschen  Bersava  erhalten,  Azizis  (Aixis)  soll 
am  Poganitsch  gelegen  sein.  Tiviscum  lag  am  Zusammenflufs  von  Timok 
und  Bistra.  Im  Bistrathale  sollen  die  Römer  vom  Winter  überrascht 
worden  sein. 

Bei  der  zweiten  Expedition  schlug  Traian  einen  anderen  Weg  ein. 
Er  liefs  bei  Egeta-Drubetis  (Turnu-Severin)  eine  Brücke  bauen  und 
rückte  durch  den  Rotenturmpass  ein,  um  den  Dakern  den  Rückzug  in 
das  Innere  von  Siebenbürgen  abzuschneiden.  Der  Marsch  ging  über 
Amutria  (ad  Mutriam  =  Motru  Nebenflufs  des  Jiu)  nach  Pous  Aluti, 
von  da  nördlich  auf  dem  rechten  Ufer  des  01t  nach  Arutela  (an  einem 
Nebenflusse  der  Aluta,  Lotru). 

Der  Gewinn  der  Arbeit  ist  nicht  gerade  grofs,  da  die  wenigen 
etymologischen  Feststellungen  nicht  feststehen,  Grabungen,  Messungen  etc. 
aber  nicht  gemacht  sind;  auch  die  Ausbeute  der  Col.  Traiana  ist  mini- 
mal, und  der  Verfasser  hätte  schon  den  Mund  etwas  weniger  voll  neh- 
men dürfen. 

Alfred  Wiedemann,    Le  lettre  d'Adrian  ä  Servianus  sur  les 
Alexandrins.     Le  Musöon,  5,  456  ff. 

Der  Brief  soll  bald  nach  131  abgefafst  erscheinen,  in  welchem 
Jahre  der  Kaiser  Hadrian  in  Ägypten  war.  Die  Angabe,  dafs  er  aus 
einer  Schrift  des  Freigelassenen  Phlegon  entnommen  sei,  wird  durch  die 
Unbedeutendheit  des  Inhalts  gestützt;  auf  Abfassung  durch  Hadrian 
selbst  weist  nichts  mit  Bestimmtheit.  Die  Erwähnung  des  Verus  und 
Antoninus  macht  die  Glaubwürdigkeit  nicht  gröfser;  denn  wenn  man  an- 
nimmt, dafs  der  Brief  zwischen  131-  134  abgefafst  ist,  war  Verus  noch 
nicht  der  Sohn  Hadrians.  Noch  weniger  läfst  sich  begreifen,  wie  die 
Schmähsucht  der  Alexandriner  sich  gegen  Antoninus  (doch  wohl  A.  Pius) 
gerichtet  haben  sollte;  eher  läfst  sich  denken,  dafs  hier  eine  Verwechs- 
lung des  Antoninus  mit  Caracalla  untergelaufen  ist.  Inhaltlich  bringt 
der  Brief  teils  lauter  bekannte  Dinge,  teils  hält  er  das  nicht,  was  er 
verspricht:  er  will  über  das  ganze  ägyptische  Volk  handeln  und  kommt 
nicht  einmal  zu  einer  erschöpfenden  Behandlung  von  Alexandreia.  In 
anderen  Punkten  z.  B.  den  Notizen  über  die  Religionen  zeigt  der  Ver- 
fasser vollständige  Unkenntnis;  ebenso  ist  der  Bericht  über  die  Undank- 


7.  Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  und  Antonine.  323 

barkeit  der  Alexandriner  falsch.    Endlich  ist  der  Brief  unlogisch  dispo- 
niert.   Der  Brief  mufs  als  Fälschung  bezeichnet  werden. 

Emil  Schürer,  Geschichte  des  jüdischen  Volltes  im  Zeitalter 
Jesu  Christi.  Zweite  neu  bearbeite  Auflage.  Zweiter  Teil.  Leipzig, 
Hinrichs  1886. 

Das  rühmlich  bekannte  »Lehrbuch  der  Neutestamentlichen  Zeit- 
geschichte« des  Verfassers  erscheint  hier  in  neuer  Bearbeitung  unter  ver- 
ändertem Titel,  und  wenn  auch  der  alte  Rahmen  beibehalten  ist,  so  ist  doch 
innerhalb  desselben  das  Buch  fast  ein  ganz  neues  geworden.  "Was  in  der 
früheren  Schrift  auf  300  Seiten  zusammengedrängt  war,  umfafst  hier 
über  800;  so  viel  neuer  Stoff  ist  dem  Verfasser  infolge  erneuter  Lek- 
türe der  Quellen  und  fortgesetzter  Beschäftigung  mit  dem  Gegenstande 
zugewachsen.  Der  zweite  Teil  erscheint  aus  äufseren  Gründen  vor  dem 
ersten.  Aber  dies  wirkt  nicht  störend,  da  derselbe  für  sich  ein  relativ 
selbständiges  Ganzes  bildet. 

In  dem  zweiten  Teile  werden  die  inneren  Zustände  Palästinas  und 
des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu  Christi  geschildert.  Für  die  rö- 
mische Geschichte  ist  besonders  interessant  §  22  Allgemeine  Kulturver- 
hältnisse, indem  hier  die  Mischung  der  Bevölkerung  nachgewiesen,  die 
Landessprache  erörtert  und  die  Verbreitung  der  hellenistischen  Kultur 
in  den  nicht  jüdischen  Teilen  und  im  jüdischen  Gebiete  sorgfältig  ver- 
folgt wird;  auch  die  Darlegung  der  Stellung  des  Judentums  zum  Heiden- 
tum wird  recht  klar  vorgeführt.  Dafs  die  ausgebreitete  Gelehrsamkeit 
des  Verfassers  hier  maunichfach  interessante  neue  Punkte  gefunden  hat, 
kann  hier  nur  erwähnt  werden.  Auch  §  26  Pharisäer  und  Sadducäer, 
§  27  Schule  und  Synagoge,  §  28  das  Judentum  in  der  Zerstreuung,  ent- 
halten eine  Menge  von  Stoff,  welcher  die  schliefsliche  Katastrophe  ver- 
ständlich macht  und  deshalb  auch  für  die  römische  Geschichte  von  grofsem 
Werte  ist. 

So  wird  das  Werk  in  seiner  neuen  Gestalt  nicht  nur  für  jeden 
unentbehrlich,  der  sich  mit  den  Anfängen  des  Christentums  beschäftigt, 
sondern  auch  speziell  für  die  römische  Geschichte  ist  sein  Erscheinen 
dankbar  zu  begrüfsen. 

Mit  der  Stellung  der  Juden  unter  der  römischen  Herrschaft  be- 
schäftigen sich  die  Schriften  von 

H.  Grätz,    Die   Stellung   der   kleinasiatischen  Juden   unter    der 
Römerherrschaft.  Monatschrift  f.  d.  Gesch.  d.  Judenturas  1886  No.  8  und 

Hild,  Les  Juifs  devant  l'opinion  romaine.    Revue  des  etudes  juives 
1886  No.  21    und  22. 

Neues  Material  bringen  beide  Verfasser  nicht,  aber  sie  bemühen 
sich,  das  vorhandene  möglichst  zur  Glorifikation  ihrer  Glaubensgenossen 

21* 


324  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

auszubeuten.  Freilich  könnte  man  mit  demselben  Material  auch  das 
Gegenteil  erweisen.  Ob  dies  eine  wirksame  Bekämpfung  des  Antisemi- 
tismus ist? 

Ad.  Haruack,  Über  den  Ursprung  des  Lectorats   und  der  ande- 
ren niederen  Weihen.     Giefsen  1886. 

Anknüpfend  an  seine  Ausgabe  der  Aida^r]  rihv  dnoazoliuv  (Jahrb. 
f.  röm.  Gesch.  1884,  101  ff.)  erörtert  hier  der  Verfasser  die  dort  sich 
findende  Anordnung,  wonach  der  Lector  vor  den  Diakonen  steht;  diese 
Anordnung  steht  mit  der  herrschenden  Ansicht,  nach  der  das  Lector- 
amt  mit  den  übrigen  niederen  Kirchenämtern  seit  Ende  des  zweiten  oder 
Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  aus  dem  Diakonat  hervorging,  in  schwer 
zu  erklärendem  Widerspruche. 

Der  Verfasser  weist  nach ,  dafs  das  Lectorat  ursprünglich  eine 
ganz  andere  Natur  und  Bedeutung  gehabt,  diese  aber  eingebüfst  hat. 
In  Rom  hat  es  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
eine  tiefe  Stelle  eingenommen.  Es  bildet  dort  mit  den  Exorcisten  und 
Ostiariern  eine  Dienstleistung  am  Heiligen,  aber  eine  mechanische  und 
darum  niedere.  Zur  selben  Zeit  finden  sich  in  Karthago  noch  ältere 
Zustände  und  Auffassungen;  hier  wurden  Lectoren  zu  Presbytern  desig- 
niert, und  die  Lectoren  waren  Gehilfen  der  Presbyter  beim  Unterricht, 
aber  sie  galten  als  Laien.  Diese  Thatsachen  zeigen,  dafs  das  Lectorat 
sich  nicht  aus  dem  Diakonat  entwickelt  haben  kann,  sondern  seine  eigene 
Wurzel  neben  der  episkopal- diakonalen  Organisation  der  Gemeinde  ge 
habt  haben  mufs. 

Im  Oriente  wurde  der  Lector  nicht  zu  den  charismatischen  Per- 
sonen gerechnet.  Aber  die  Umwandlung  der  Bischöfe  und  Presbyter  in 
einen  Priesterstand,  der  hoch  über  der  Gemeinde  stand,  hat  allen  Cha- 
rismen ein  Ende  gemacht  und  die  Urheber  derselben  —  sie  wurden 
nunmehr  nur  nach  ihrem  Verhältnisse  zu  dem  Priestertum  gewertet  —  auf 
eine  tiefe  Stufe  herabgedrückt.  Im  einzelnen  verlief  dieser  Prozefs  an 
den  verschiedenen  Orten  verschieden.  Soweit  es  thunlich  war,  ging  die 
freie  Erbauungsrede,  die  im  ersten  und  einem  Teile  des  zweiten  Jahr- 
hunderts Sache  der  Propheten'  und  Lehrer  war,  auf  den  Bischof  resp. 
die  Presbyter  über.  Daneben  gab  es  aber  bis  gegen  Ende  des  zweiten 
Jahrhunderts  wahrscheinlich  überall  noch  freie  Lehrer,  Laien,  denen 
man  es  gestattete,  sogar  im  Gottesdienste  zu  sprechen  und  aufserhalb 
desselben  eine  Lehrthätigkeit  auszuüben.  Sie  genossen  ein  hohes  An- 
sehen und  besafsen  einen  Rang,  aber  kein  Amt.  Am  schwankendsten 
war  die  Stellung  des  Lectors.  In  der  Regel  stand  er  im  zweiten  Jahr- 
hundert ebenso  aufserhalb  des  Ordo  wie  der  Doctor  und  Exorcist,  in 
seiner  Thätigkeit  blieb  er  auf  die  Anagnose  beschränkt.  In  einzelnen 
katholischen  Gemeinden  des  Orients  fehlt  es  nicht  an  Ansätzen,  sowohl 
den  Lector  in    den  Ordo  hineinzuziehen,   als  auch  seine  Funktionen  zu 


7,  Zeit  der  Julier,  Claudier,  Flavier  und  Antonine.  325 

erweitern.  In  der  Jcda^^rj  steht  der  Lector  zwischen  Presbyter  und  Dia- 
kon d.  h.  er  sollte  in  die  Lücke  eintreten,  welche  das  allmähliche  Aus- 
sterben bezw.  Zurücktreten  der  Lehrer  zur  Folge  hatte.  Er  konnte  von 
da  auf  die  Seite  der  Geistesträger  rücken  und  zu  einem  rjyouiievog  in 
der  Gemeinde  werden ;  er  konnte  aber  auch,  als  gewählter  minister  und 
streng  auf  die  Auagnose  beschränkt,  in  eine  niedere  Sphäre  herabsinken. 
In  der  That  mufs  ihm  die  erstere  Aussicht  in  manchen  orientalischen 
Gemeinden  fast  sicher  gewesen  sein;  aber  schliefslich  hat  ihn  überall 
die  neue,  episkopale  Organisation  der  Gemeinden  ausgeschlossen  und 
tief  herabgedrückt.  In  der  Zeit  zwischen  Alexander  Severus  und  Phi- 
lippus  Arabs  (222  —  249)  wurde  zuerst  in  Rom,  dann  auch  sonst  im 
Abendlande  die  Einrichtung  von  clerici  minores  getroffen  und  Exorcist 
und  Lector  in  diesen  Stand  verwiesen.  In  dieser  Unterscheidung  von 
höheren  und  niederen,  vollziehenden  und  bediensteten  Klerikern,  von 
Priestern  und  von  Dienern  am  Heiligen  stellt  sich  aber  auch  zugleich 
eine  frappante  Übereinstimmung  mit  dem  römischen  Sa<;ralwesen  dar. 

Gleichzeitig  mit  Exorcist  und  Lector  als  clerici  minores  tauchen 
Subdiakonen,  Akoluthen  und  Ostiarier  auf,  letztere  drei  mit  Sicherheit 
zuerst  im  Jahre  250.  Die  Subdiakonen  sind  teils  die  überzähligen  Dia- 
konen (über  sieben)  und  die  oulxovot  ura^pi-cai  d.  h.  die  Gehilfen  der 
sieben  zu  den  niederen  Dienstleistungen.  In  diesem  doppelten  Charakter 
liegt  es  begründet,  dafs  sie  die  oberste  Stelle  unter  den  clerici  minores 
einnahmen,  stets  zu  dem  höheren  Klerus  gravitierten  und  endlich  durch 
Innocenz  III.  letzterem  zugeteilt  wurden.  Das  Bedürfnis,  Subdiakonen 
aufzustellen ,  rechtfertigt  also  keineswegs  die  Institution  der  clerici  mi- 
nores in  der  Kirche. 

Dagegen  völlig  befremdlich  und  wahre  Neulinge  sind  die  Ako- 
luthen und  Ostiarier;  sie  geben  auch  den  Schlüssel  zum  geschichtlichen 
Verständnis  der  ganzen,  so  folgenschweren  Institution.  Der  ostiarius  ist 
der  aedituus  minister  der  heidnischen  Tempel;  er  hatte  das  Öffnen  und 
Schliefsen  der  Thüren  zu  besorgen,  das  Ein-  und  Ausgehen  der  Gläu- 
bigen zu  überwachen,  verdächtigen  Personen  den  Eingang  zu  verweigern 
und  seit  der  strengeren  Unterscheidung  von  missa  catechumenorum  und 
missa  fidelium,  nach  Entlassung  der  Katechumenen,  Büfsenden  und  Un- 
gläubigen die  Thüren  zu  schliefsen.  Er  wurde  erst  nötig,  als  eigene 
kirchliche  Gebäude  vorhanden  waren  und  wie  die  Tempel  samt  dem 
gottesdienstlichen  Ceremoniell  als  ein  Heiliges  betrachtet  wurden,  d.  h. 
eben  seit  c.  225  Die  Akoluthen  sind  aus  den  Unterbeamten  der  heid- 
nischen Priester,  den  calatores  hervorgegangen;  während  der  ostiarius 
an  ein  Heiligtum  gebunden  war,  ist  der  Akoluth  an  eine  heilige  Person 
gebunden.  Akoluthen  und  Ostiarier  sind  durch  die  Bedürfnisse  des 
nach  heidnischem  Muster  bereicherten  kirchlichen  Priester-  und  Sacral- 
wesons  in  Rom  hervorgerufen  worden.  Dafs  man  aus  ihnen  einen  wirk- 
lichen und  streng  geschlossenen  ordo  zweiter  Stufe  schuf  und  in  diesen 


326  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Lectoren,  Exorcisten  und  Subdiakonen  einstellte,  ist  unter  den  Grofs- 
thaten  der  römischen  Gemeinde  zum  Ausbau  der  kirchlichen  Verfassung 
eine  der  gröfsten ;  denn  sie  schuf  hier  eine  Pflanzstätte  für  den  höheren 
Klerus,  eine  Vorschule  für  das  Priesteramt.  Indem  sie  es  jedem  er- 
möglichte, von  der  niedersten  Küsterstelle  aus  die  höchsten  Priester- 
würden zu  erreichen  und  anderseits  in  der  Regel  von  jedem  verlangte, 
der  Kirche  von  der  Pike  auf  zu  dienen,  hat  sie  mit  der  antiken  An- 
sicht, dafs  das  Priestertum  nur  bestimmten  Gesellschaftsklassen  zugäng- 
lich sei,  gebrochen  und  auch  die  Scheidewand  zwischen  Priestern  und 
Tempeldienern  niedergerissen. 

Ein  Epimetrum  führt  aus,  dafs  die  Übertragung  der  14  Regionen 
an  Diakonen  eine  Nachbildung  der  politischen  Einteilung  in  14  regiones 
unter  curatores  urbis  war;  wie  letztere  dem  Stadtpräfekten  unterstan- 
den und  hilfreich  sein  sollten,  so  waren  es  jene  für  den  Bischof.  Die 
Einsetzung  von  sieben  Subdiakonen  und  damit  die  Schöpfung  des  Sub- 
diakonats  überhaupt  ist  eine  Folge  der  Anordnung  des  Bischofs  Fabian, 
kraft  welcher  jede  Region  einen  kirchlichen  Kurator  erhielt,  während 
doch  die  alte  Siebenzahl  der  Diakonen  nicht  vermehrt  werden  sollte. 

Die  Schrift  ist  ein  weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  altchrist- 
lichen Verfassung. 

Paul  Allard,  Les  persecutions  en  Espagne  pendant  les  premiers 
siecles  de  christianisme.    Rev.  des  quest.  bist.  39,  Iff. 

Der  Verfasser  nimmt  auf  Grund  des  Muratorischen  Fragments  und 
einer  Notiz  des  heiligen  Hierouymus  an,  dafs  Paulus  selbst  in  Spanien 
gewesen  sei;  aber  diese  Nachrichten  beweisen  weiter  nichts,  als  dafs 
man  schon  früh  den  Paulus  dorthin  gelangen  liefs.  Wo  aber  liefs  man 
ihn  schliefslich  nicht  thätig  sein?  Der  Verfasser  nimmt  getreu  seiner 
Theorie  über  die  neronische  Verfolgung,  die  er  über  das  ganze  Reich 
ausdehnt,  an,  dafs  auch  in  Spanien  eine  solche  stattgefunden  habe;  Be- 
weise giebt  es  dafür  nicht,  aufser  einer  Märtyrerlegende  von  mehr  als 
zweifelhaftem  Werte.  Erst  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  er- 
fährt man  von  dem  spanischen  Christentum  In  der  Verfolgung  des 
Decius  zeigten  sich  einige  Bischöfe  schwach,  einer  erlitt  aber  den  Mär- 
tyrertod (259).  Von  anderen  Martyrien  erfahren  wir  nur  durch  Pruden- 
tius;  Allard  versetzt  sie  in  das  Jahr  303,  nicht  ohne  selbst  zu  fühlen, 
dafs  er  damit  den  Angaben  des  Prudentius  Gewalt  thut.  Die  Verfol- 
gung unter  Diokletian  wütete  besonders  in  Spanien,  wobei  sich  der  Vi- 
carius  Datianus  hervorthat.  Unter  den  Martyrien  werden  die  des  heili- 
gen Vincenz  und  der  heiligen  Eulalia  besonders  ausführlich  behandelt. 
Aber  selbst  Prudentius  weifs  uns  nur  einige  Orte  und  Thatsachen  zu 
nennen,  an  denen  Martyrien  bezeugt  sind;  ja  er  sagt  ausdrücklich,  dafs 
es  nur  wenige  gab.  Was  bleibt  also  von  der  angeblichen  Thätigkeit  des 
Datianus  übrig? 


8.  Zeit  der  Verwirrung  327 

0.  Marucchi,   Un'  Eroina  cristiana  sotto  il  regno  di  M.  Aurelio 
e  la  scoperta  del  suo  sepolcro.    Nuov.  Antol.  85,  409  ff. 

Es  handelt  sich  um  die  Auffindung  der  ehemaligen  Grabstätte  der 
heiligen  Felicitas,  die  mit  ihren  Söhnen  unter  Kaiser  Markus  162  den 
Märtyrertod  erlitt. 

Die  Abhandlung  von 

E.  Cuq,    De  la  nature  des  crimes  imputes  aux  Chretiens  d'apres 
Tacite  Mel.  d'Archeol.  et  Hist.  6,  715  ff. 

war  mir  nicht  zugänglich. 

8.  Die  Zeit  der  Verwirrung. 

0.  Seeck,  Die  Haloandrischen  Subskriptionen  und  die  Chronolo- 
gie des  Jahres  238  n.  Chr.     Rh.  Mus.  f.  Phil.  41,  161  ff. 

Seeck  will  die  Wertlosigkeit  der  Haloandrischen  Subskriptionen  an 
den  von  ihm  anderwärts  gewonnenen  Daten  für  das  Jahr  238  n.  Chr. 
feststellen.  Er  findet  folgende  Daten:  Erhebung  Gordians  den  16.  März; 
Aufbruch  Maximins  gegen  Italien  Ende  März  oder  Anfang  April;  Tod 
der  ersten  Gordiane  den  6.  April;  Wahl  des  Maximus  und  Balbinus 
den  16.  April;  Beginn  der  Belagerung  von  Aquileia  Anfang  Mai;  Tod 
Maximins  den  17.  Juni;  Tod  des  Maximus  und  Balbinus  den  23.  Juli. 
Alle  diese  Daten  sind  nach  seiner  Ansicht,  aufser  dem  Todestage  Maxi- 
mins, um  ein  paar  Tage  verrückbar,  aber  auch  nur  um  ein  paar  Tage. 
Man  mufs  dabei  einige  Willkürlichkeiten  in  Kauf  nehmen ,  ohne  die  es 
bei  Seeck  nun  einmal  nicht  geht.  Der  Chronograph  von  354  bildet 
überall  für  Seeck  die  Grundlage  seiner  Berechnungen  —  so  lange  es 
sonst  pafst.  Nun  würde  man  aber  mit  den  Angaben  des  Chronographen 
für  Maximins  Tod  auf  den  11.  Juli  238  kommen;  dies  pafst  nicht,  und 
da  findet  sich  in  der  Handschrift  ein  Fehler,  menses  HII  steht  da,  da 
aber  sonst  auch  einmal  ein  Strich  fehlt,  so  mufs  es  hier  menses  HI 
heifsen.  Natürlich  wird  alles  andere  damit  in  Übereinstimmung  gebracht. 
So  findet  z.  B.  Maximin  den  Isonzo  vom  schmelzenden  Schnee  der  Ge- 
birge angeschwollen,  dies  deutet  auf  Anfang  oder  Mitte  Mai  etc.  Auch 
das  Datum  für  die  Erhebung  Gordians  I.  ist  sehr  willkürlich  berechnet, 
und  ähnlich  ist  es  noch  mehrfach.  Trotzdem  hat  Seeck  bezüglich  seiner 
Verwerfung  der  Haloandrischen  Subskriptionen  ganz  recht.  Ist  das  aber 
neu?  Ich  habe  bereits  in  meiner  Kaisergeschichte  S.  790,  796  u.  öfter 
auf  die  Unzuverlässigkeit  derselben  hingewiesen,  und  mehr  wissen  wir 
nach  seiner  Untersuchung  auch  nicht.  Denn  wenn  »die  grofse  Mehrzahl 
derselben  unzweifelhaft  erfunden  ist  und  es  zur  Aussonderung  des  Echten 
hein  Mittel  giebt«,  so  wird  man  auch  künftig  nur  das  thun  können, 
was  man  bisher  auch  gethan  hat,  »bei  historischen  Untersuchungen  keine 


328  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Lesung  des  C.  Just,  benutzen,  die  nicht  auf  der  sicheren  Grundlage  der 
handschriftlichen  Überlieferung  ruht«.  Warum  aber  tant  de  bruit  pour 
une  Omelette? 

9.  Die  Zeit  der  Regeneration. 

Edm.  Meyer,  Über  die  Passio  Sanctorum  quatuor  coronatorura. 
Pr.  d.  Luisen-Gymn.    Berlin  1886. 

Der  Verfasser  widerlegt  die  Ansichten  von  Rossi  und  Erbes.  Der 
erstere  erblickt  in  den  Coronati  die  vier  Cornicularii,  wie  es  die  zweite 
Legende  ergiebt;  an  dem  Punkte,  wo  sie  fünf  Tage  lang  den  Hunden 
ausgesetzt  gelegen  haben,  ist  die  heilige  Kirche  der  quattro  Coronati 
erbaut;  ihr  Begräbnisplatz  ist  an  der  via  Lavicana,  drei  Millien  von 
Rom  in  einem  Kirchhof,  der  auch  Comitatus  hiefs  und  ein  Teil  der 
gröfseren  iuter  duas  lauros  genannten  Katakombe  war".  Frühzeitig, 
jedenfalls  vor  354,  sind  die  fünf  Pannonier,  die  mit  den  Gekrönten  einen 
Todestag  hatten,  nach  Rom  überführt  und  bei  den  vier  Gekrönten  be- 
graben: hier  hat  Leo  IV.  die  Gebeine  beider  Gruppen  ausgraben  und 
nach  Rom  in  die  Kirche  der  Gekrönten  bringen  lassen,  an  der  er  Pres- 
byter gewesen.  Die  Verbindung  der  Legenden  ist  nicht  nur  durch  den 
gleichen  Todestag  der  Gekrönten  und  der  Pannonier,  sondern  auch 
durch  ihre  Grabstätte  auf  einem  und  demselben  Kirchhof  herbeigeführt. 
Das  Jahr,  in  dem  das  Martyrium  der  Pannonier  stattfand,  ist  305  oder 
306:  das  römische  Martyrium  müsse,  wie  die  Erwähnung  des  heiligen 
Sebastian  zeige,  der  288  den  Tod  erlitten,  vor  das  panncnische  fallen. 
Meyer  weist  nach,  dafs  der  in  der  Legende  erwähnte  Bischof  Cyrill  von 
Antiocheia  nicht,  wie  Rossi  annimmt,  nach  803,  sondern  bereits  302  das 
Martyrium  erlitt;  auch  könne  dieser  gar  nicht  in  den  pannonischen 
Steinbrüchen  umgekommen  sein.  Der  als  Verfasser  der  Legende  von 
Rossi  ermittelte  »censualis  a  glebä  actuarius  nomine  porphyreus«  brauche 
nicht  unter  Diokletian  oder  Galerius  gelebt  zu  haben;  endlich  stimme 
die  in  der  Legende  gegebene  Beschreibung  sehr  gut  zu  Diokletian,  aber 
gar  nicht  zu  Galerius.  Dafs  die  Kirche  der  Gekrönten  an  dem  Platze 
stehe,  wo  die  Märtyrer  ausgesetzt  lagen,  sei  nicht  zu  erweisen  aus  den 
von  Rossi  vorgebrachten  Argumenten.  Die  Annahme,  dafs  die  vier  Ge- 
krönten auf  einem  und  demselben  Kirchhof  mit  den  Pannoniern  beige- 
setzt seien,  beruhe  auf  willkürlicher  Interpretation;  eine  Änderung  im 
Texte  (id  est  in  et)  verkenne  die  richtige  und  wohlverbürgte  Überliefe- 
rung, dafs  eine  Zeit  lang  die  vier  Gekrönten  mit  den  Pannoniern  identi- 
ficiert  wurden. 

Gegen  Erbes  wird  geltend  gemacht,  dafs  auch  er,  gleich  Rossi, 
die  Absicht  und  den  Zweck  des  Verfassers  des  rätselhaften  Epilogs  zur 
Legende  verkannt  habe.  Derselbe  wollte  eine  Antwort  geben  auf  die 
Frage,  wie  es  gekommen  sei,  dafs  fünf  Heilige  unter  dem  Namen  der 


9.  Zeit  der  Regeneration.  329 

vier  Gekrönten  gingen,  während  Erbes  annimmt,  dafs  der  Epilogist  aus 
römischem  Lokalpatriotismus  erklären  wolle,  wie  es  komme,  dafs  vier 
Pannonier  als  Römer  verehrt  werden.  Den  Widerspruch  der  Zahlen 
will  er  dadurch  lösen,  dafs  er  annimmt,  die  Fünfzahl  der  Pannonier 
rühre  von  dem  Epilogisten  her.  Auch  Erbes'  Lösung  der  chronologi- 
schen Frage  wird  zurückgewiesen.  Er  hatte  für  das  pannonische  Mar- 
tyrium den  8.  Nov.  302  angesetzt  und  gefunden,  dafs  zwischen  dem 
Triumphe  Diokletians  und  dem  Martyrium  die  42  Tage  und  11  Monate 
der  römischen  Legende  lägen.  Das  pannonische  Martyrium  sei  auch 
ganz  gut  möglich,  da  Diokletian  den  Winter  302/3  in  Nikomedieu  ver- 
bracht habe  und  sehr  wohl  in  Pannonien  gewesen  sein  könne.  Das  römi- 
sche Martyrium  sei  dann  nach  Ansicht  des  Redactors  in  das  Jahr  304 
gefallen.  Dagegen  wendet  Meyer  ein,  die  Verfolgung  habe  mit  den 
Terminalien  des  Jahres  303  begonnen  und  am  8.  November  304  sei  Dio- 
kletian nicht  mehr  in  Rom  gewesen.  Schliefslich  ist  Meyer  der  An- 
sicht, dafs  es  neben  der  allgemein  unter  dem  Titel  der  drei  Gekrönten 
bekannten  pannouischen  Legende  keine  andere  römische  Legende  ge- 
geben habe,  die  denselben  Titel  führte.  Als  Zeit,  in  der  die  Martyrien 
der  Legende  stattfanden,  hält  er  für  das  erste  293,  für  das  zweite 
303  fest. 

Gaston  Boissier,  fitudes  d'histoire  religieuse.     IL    La  conver- 
sion  de  Constantin.    Rev.  des  deux  Mondes  76,  51—72. 

Der  Verfasser  hält  alle  von  Eusebius  in  der  Vita  Constantini  ge- 
brachten Dokumente  für  echt  und  hegt  nur  einiges  Mifstrauen  gegen 
seine  Erzählungen. 

Die  Begünstigung  des  Christentums  durch  Constantius  Chlorus  re- 
duciert  Boissier  auf  eine  weniger  intensive  Verfolgung  desselben  in  Gal- 
lien. Sonst  hält  er  ihn  für  einen  Monotheisten,  der  gegen  andere  Kulte 
tolerant  war  und  sich  vielleicht  zum  Christentum  hingezogen  fühlte ;  an- 
gehört hat  er  demselben  sicherlich  nie.  So  war  Constantin  durch  seine 
Abkunft  ein  Freund  der  Christen,  deren  Lehren  er  frühzeitig  kennen 
lernte.  Am  Hofe  Diokletians  fühlte  er  sich  verdächtig  und  so  zu  den 
Gegnern,  welche  eben  die  Christen  waren,  uaturgemäfs  hingezogen; 
doch  blieb  er  Heide,  der  sich  gerne  als  Liebling  der  Götter  hinstellen 
liefs,  aber  den  Heiden  sein  Wohlwollen  bezeugte. 

Im  Jahre  311  trat  er  in  der  Weise,  wie  dies  Lactantius  und  Euse- 
bius berichten,  zum  Christentum  über.  Er  that  es  aus  Überzeugung, 
nicht  aus  Interesse;  denn  letzteres  ist  nicht  zu  finden:  die  Christen 
waren  zu  dieser  Zeit  noch  keine  Macht.  Constantin  fürchtete  die  Magie 
seiner  Gegner,  zweifelte  an  seiner  eigenen  Übermacht  und  war  so  leicht 
dem  Glauben  zugänglich,  dafs  der  Christengott  ihm  helfen  könne  und 
werde.  Aber  wäre  dus  nicht  auch  Interesse?  Dazu  kann  er  wirklich 
eine  Vision   gehabt  haben.     Damals  hat  er  das  christliche  Monogramm 


330  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

auf  die  Fahnen  gesetzt,  und  nach  dem  Siege  bekannte  er  sich  zum 
Christentuine  und  betrachtete  sich  von  da  an  als  das  auserwählte  Werk- 
zeug Christi  und  Gottes. 

Ich  kann  diesen  Ausführungen  gegenüber  nur  auf  meine  Darstel- 
lung in  meiner  Kaisergeschichte  verweisen:  ich  bin  jetzt  noch  mehr 
überzeugt  als  vorher,  dafs  uns  allein  Münzen  und  Inschriften  ein  wenig- 
stens in  den  von  ihnen  berichteten  Thatsachen  zuverlässiges  Bild  geben, 

Paul  Monod,  La  politique  religieuse  de  Constantin.    Diss.  Mon- 
tauban  1886. 

Der  Verfasser  glaubt  nicht  an  die  Bekehrung  Constantins  auf  dem 
Zuge  gegen  Maxentius  und  versucht  die  Kreuzeserscheinung  durch  me- 
teorologische Phänomene  und  nachfolgenden  Traum  zu  erklären.  Das 
Edikt  von  Mailand  ist  ihm  ein  Ausflufs  des  Wunsches,  den  Constantin 
hegte,  neutral  über  den  Religionen  zu  bleiben  und  das  Christentum 
seinen  politischen  Zwecken  dienstbar  zu  machen :  thatsächlich  begrün- 
dete er  aber  damit  auch  die  religiöse  Freiheit.  Die  Mafsregeln  Con- 
stantins nach  dem  Edikte  von  Mailand  haben  alle  dieselbe  Tendenz: 
die  Verstaatlichung  der  Kirche.  Er  ist  ihr  Pontifex  Maximus,  wie  der 
des  Heidentums.  Für  die  Kirche  selbst  war  seine  Politik  verderblich; 
denn  sie  verweltlichte  und  vergafs  ihre  hohe  sittliche  Bestimmung,  und 
sie  beugte  sich  den  Zwecken  der  kaiserlichen  Politik.  Sie  wurde  jetzt 
nicht  mehr  verfolgt,  aber,  was  schlimmer  war,  sie  wurde  zur  Verfolgerin. 

Herm.   Heck  er,    Zur   Geschichte   des    Kaisers   Julianus.     Eine 
Quellenstudie.     Progr.  Kreuznach  1886. 

Nach  einer  Einleitung,  in  welcher  der  Verfasser  in  sehr  subjek- 
tiver Weise  Nachrichten  über  Julianus  für  wahr  oder  falsch  erklärt, 
wendet  er  sich  zu  dem  Nachweise,  dafs  Ammian,  Libanius  und  Zosimus 
die  Aufzeichnungen  Julians  über  seine  Thaten  benutzt  haben.  Er  be- 
schränkt sich  dabei  vorläufig  auf  die  Zeit  von  der  Erhebung  Julians 
zum  Cäsar  bis  zum  Tode  des  Constantius.  Eine  geraeinsame  Quelle  in 
den  drei  Lebensbeschreibungen  Julians  ergiebt  sich  aus  der  Darstellung 
der  einzelnen  Ereignisse  in  derselben  Reihenfolge,  auch  wo  diese  nicht 
durch  die  chronologische  Folge  bedingt  ist  oder  gar  davon  abweicht; 
aus  der  vollständigen  Übereinstimmung  in  gröfseren  Partieen;  aus  ge- 
meinsamen Lücken  und  Fehlern  in  der  Darstellung  und  aus  der  viel- 
fach wörtlichen  Übereinstimmung  auch  in  nebensächlichen  Dingen.  Wenn 
trotzdem  die  Übereinstimmung  der  drei  Quellen  so  wenig  hervortritt, 
dafs  sie  bis  jetzt  nicht  aufgefallen  ist,  so  liegt  das  in  der  verschiede- 
nen Art  und  Weise,  in  welcher  die  Verfasser  die  gemeinsame  Quelle 
benutzt  haben. 

Der  Verfasser  stellt  zuerst  eine  Reihe  von  Abweichungen  bei  Am- 
mian, Libanius  und  Zosimus  zusammen,  die  meist  als  Entstellungen  und 


9.  Zeit  der  Regeneration.  331 

Fälschungen  bezeichnet  werden.  Alsdann  sucht  er  zu  zeigen,  dafs  Liba- 
nius  im  Epit.  und  Ammian  nach  derselben  Quelle  gearbeitet  haben,  und 
dafs  auch  Zosiraus  diese  Quelle  vor  sich  hatte,  wenn  er  ihr  auch  im 
allgemeinen  nicht  gefolgt  ist.  Diese  Quelle  sollen  die  Kommentare 
Julians  gewesen  sein.  Man  kann  dieses  für  Libanius  unbedingt  zugeben. 
Für  Ammian  dürfte  der  Nachweis  nicht  ausreichen.  Denn  das  Haupt- 
argument, die  zeitliche  Aufeinanderfolge  in  den  verschiedenen  Berichten, 
beweist  wenig,  da  dies  in  annalistisch  gehaltenen  Darstellungen  mehr 
oder  minder  der  Fall  sein  mufste.  Für  Zosimus  liegt  zu  wenig  Material 
zum  Vergleichen  und  zum  Beweisen  vor,  und  die  Erklärung  desselben, 
dafs  er  die  Kommentarien  Julians  kenne,  beweist  noch  nicht,  dafs  er 
sie  wirklich  benutzt,  nicht,  wie  wahrscheinlich,  nach  einer  daraus  schöp- 
fenden Vorlage  gearbeitet  hat. 

Die  Schrift  ist  recht  verdienstlich,  und  es  wäre  zu  wünschen,  dafs 
der  Verfasser  bald  die  angekündigte  Fortsetzung  seiner  Arbeit  erschei- 
nen liefse. 

Jul.  v.  Pflugk-Harttung,    Die   germanischen  Niederlassungen 
im  Römerreiche.     Allg.  Z.  Beil.  1886  No.  253  und  254. 

Als  die  Germanen  in  das  römische  Reich  einbrachen,  konnte  es 
keinen  grösseren  Gegensatz  geben  als  zwischen  ihnen  und  den  Römern. 
Hier  der  Grundgedanke  des  römischen  Gemeinwesens:  die  volle  Herr- 
schaft des  Staates  über  den  Menschen  und  die  des  Menschen  über  die 
Sache,  der  Staat  eine  kunstvolle  Maschine  in  der  Hand  des  Kaisers  mit 
wohlgegliedertem  Beamtenstand,  der  das  Leben  der  Bürger  überwachte 
und  beherrschte,  dem  nach  aufseu  und  innen  in  den  Legionen  und  Be- 
amten die  Macht  zu  Gebote  stand,  während  die  Steuern  die  nötigen 
Mittel  gewährten,  um  Krieger  und  Beamte  zu  nähren  und  zu  halten. 
Den  Germanen  fehlte  das  eigentliche  Bild  eines  Staates.  Den  König 
erhob  das  Volk,  es  wählte  die  Civilbeamten;  erst  in  den  Wanderungen 
wuchs  die  Macht  des  Königtums,  mithin  gewann  das  Amt-  und  Dienst- 
gefolge des  Königs  an  Bedeutung;  dadurch  verlor  die  Volksvertretung 
an  Bedeutung,  aber  sie  setzte  doch  noch  ihren  Willen  dem  Könige 
gegenüber  durch.  Das  Recht  beruhte  nicht  auf  dem  Boden  sondern 
auf  der  Person-  Noch  verschiedener  war  das  ökonomische  und  sociale 
Leben.  Die  Römer  safsen  in  Städten  mit  ausgebildetem  Handelsver- 
kehr, besafsen  ein  Kunststrafsen-Netz,  Handels-  und  Geldverkehr,  Über- 
lieferungen einer  stolzen  Nationalität  und  Litteratur.  Die  Germanen 
waren  Bauern-  und  Kriegervölker  ohne  Reichtum.  Der  stärkste  Gegen- 
satz lag  in  der  Sittlichkeit  und  in  der  Stellung  von  Mann  und  Weib.  Da- 
gegen in  der  Kultur  des  täglichen  Lebens  standen  sich  die  Provinzialen  und 
Germanen  nahe.  Die  Germanen  kamen  als  landsuchende  Völker;  den- 
noch brachte  ihre  Ankunft  keine  tiefen  Erschütterungen  hervor,  wie  zu 
erwarten  war:    sie   waren   gering  an  Zahl  und  die  romanischen  Länder 


332  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

entvölkert.  Auch  erfolgte  die  Ansiedlung  meist  durch  Vertrag.  Den 
Provinzialen  war  es  gleich,  wer  herrschte,  wenn  ihre  Lage  nur  erträg- 
lich wurde.  Im  allgemeinen  erfolgte  durch  die  Germanen  Vermehrung 
der  Wehrhaftigkeit ,  und  die  Rechtsunsicherheit  sowie  der  Krieg  aller 
gegen  alle  hörten  auf.  Von  Aufständen  der  Romanen  hört  man  nichts; 
vielfach  wurden  die  Germanen  herbeigesehnt,  und  die  günstigsten  Zeug- 
nisse werden  über  sie  laut.  Sie  brachten  ein  kräftiges  Gemeinwesen, 
Ordnung,  wohlthuende  Gerechtigkeit  und  Verminderung  der  Lasten. 
Ihre  kernhaftere  Sittlichkeit  verlieh  dem  Staatsleben  einen  Zug  von 
Strenge  und  Lauterkeit,  woran  die  Römer  schon  lange  nicht  mehr  ge- 
wohnt waren. 

Nie  hatte  man  das  Gesamtvolk  vor  sich  bei  den  Wanderungen, 
sondern  immer  nur  Abzweigungen.  Darum  machte  die  Ansiedlung  auch 
nirgends  Schwierigkeiten,  die  allerdings  in  verschiedener  Art  erfolgte. 

Gust.  Krüger,  Lucifer,  Bischof  von  Calaris  und  das  Schisma  der 
Luciferianer.     Leipzig  1886. 

Diese  sorgfältige  Monographie,  welche,  der  Lage  der  Dinge  ent- 
sprechend, wesentlich  theologischen  Charakter  trägt,  ist  für  die  Ge- 
schichte des  Kaisers  Constantius  von  besonderem  Interesse,  indem  sie 
hauptsächlich  die  Opposition  darstellt,  auf  welche  der  Kaiser  in  seinen 
Bestrebungen  stiefs.     Die  Details  gehören  in  die  Kirchengeschichte. 

Alb.  Güldenpeuning,  Geschichte  des  oströmischen  Reichs  unter 
den  Kaisern  Arkadius  und  Theodosius  II.     Halle  1885. 

Dieses  Buch  des  durch  seine  Arbeit  über  Theodosius  d.  Gr.  be- 
kannten Verfassers  könnte  eine  Lücke  in  den  Spezialdarstellungen  der 
Kaisergeschichte  ausfüllen.  Die  beiden  hier  geschilderten  Regierungen 
sind  deswegen  so  interessant,  weil  sie  den  Übergang  des  Römerreichs 
auf  die  Romäer  verkörpern.  Die  Darstellung  zerfällt  naturgemäfs  in 
zwei  Bücher,  welche  je  die  Regierung  des  Arkadius  und  des  Theodo- 
sius II.  behandeln.  Der  Verfasser  beginnt  mit  einer  Schilderung  der 
Vorzüge  der  Ost-  und  der  Westhälfte,  von  denen  die  letztere  die  erstere 
an  äufserem  Umfange  und  Produktenreichtum  übertraf,  während  die 
erstere  besser  geschlossen  und  leichter  zu  verteidigen  war,  eine  gröfsere 
Gleichartigkeit  der  einzelnen  Teile,  gleiche  geistige  Bildung  und  höhere 
Kultur  voraus  hatte.  Er  weist  dann  nach ,  wie  man  die  Reichseinheit 
festhielt;  es  fehlt  hier  der  Aufsatz  von  Momrasen  Hermes  17,  523  ff., 
der  in  präcisester  und  mannichfach  neuer  Weise  diese  Frage  erörtert 
hat.  Ebenda  hätte  der  Verfasser  sich  besser  an  Bethmann  Hollweg  als 
an  Walter  gehalten,  wenn  er  die  administrative  Gliederung  darstellen 
wollte.  Auch  die  Darstellung  der  militärischen  Verhältnisse  ist  vielfach 
ungenau,  und  namentlich  ist  nicht  berücksichtigt,  dafs  in  der  Notitia  für 
den  Westen  speziell  für  Stilicho  zugeschnittene  Einrichtungen  überliefert 


■    9.  Zeit  der  Kegeneration.  333 

sind.  Besser  gelungen  ist  die  Schilderung  von  Konstantiuopel.  Eigen- 
tümlich und  irreführend  ist  die  Bezeichnung  »im  Porphyrsaale  geboren« ; 
wer  denkt  dabei  an  »Purpur«? 

Die  Gestalt  des  Arkadius  tritt  zu  wenig  plastisch  hervor;  sie  hätte 
es  trotz  der  Unbedeutendheit  thun  können.  Von  den  beiden  Rivalen 
wird  Rufinus  vielleicht  zu  günstig  dargestellt;  einzelne  Striche,  die 
Claudian  entnommen  sind,  wären  besser  weggeblieben,  so  z.B.  dafs  er 
beabsichtigt  habe,  Cäsar  zu  werden,  oder  die  Schilderung  seiner  Ermor- 
dung. Eine  der  gelungensten  Partien  ist  die  Schilderung  des  Regiments 
des  Eunuchen  Eutropius;  doch  hätte  der  Gegensatz  zwischen  Germanen 
und  Römern  auch  hier  schärfer  betont  und  mehr  ausgeführt  werden 
dürfen;  an  vereinzelten  Zügen,  die  ein  klares  Bild  geben,  fehlt  es  jetzt 
so  wenig,  wie  im  vierten  Jahrhundert,  für  das  sie  Richter  gesammelt 
hat.  Das  letzte  Aufbäumen  des  Arianismus  in  Konstantinopel  dürfte 
auch  nicht  nach  Gebühr  gewürdigt  sein;  es  mufste  in  gröfserem  histo- 
rischen Zusammenhange  dargestellt  werden.  \uch  die  hierarchischen 
und  dogmatischen  Interessen,  die  sich  unter  Arkadius  geltend  machen, 
treten  nicht  klar  genug  hervor,  und  der  Verfasser  hat  hier  der  kind- 
lichen Überlieferung  zu  sehr  nachgegeben,  die  beinahe  päpstliche  An- 
mafsung  des  Job.  Chrysostomus  läfst  sich  in  der  Darstellung  zu  wenig 
erkennen. 

Im  zweiten  Buche  wird  zunächst  Stilichos  Fall  geschildert;  der 
Verfasser  hat  ja  Recht  darin,  dafs  er  denselben  nur  in  seinen  Bezie- 
hungen zu  Ostrom  berücksichtigt  hat,  aber  seine  Äufserungen  über  des 
Vandalen  Absichten  sind  sehr  unklar,  eigentlich  nichts  sagend.  "Wir 
mufsten  irgendwo  ein  klares  Bild  erhalten,  was  eigentlich  Stilicho  wollte, 
und  welche  Gegenpolitik  des  Ostreiches  er  dadurch  hervorrief. 

Dies  geschieht  aber  sicherlich  nicht,  wenn  man  S.  197  liest;  »Denn 
wenn  der  kühne  Vandale  auch  in  den  Jahren  395—407  gegen  den  Orient 
nichts  Feindliches  im  Schilde  geführt,  sondern  immer  nur  danach  ge- 
trachtet hatte,  wie  er  auch  hier  einen  heilsamen  Einfllufs  zum  Wohle 
des  ganzen  Reichs  ausüben  könne,  so  war  doch  diese  seine  Absicht  den 
jedesmaligen  Machthabern  in  Konstantinopel  immer  als  eine  Anmafsung 
und  lästige  Fessel  erschienen,  die  sie  um  jeden  Preis  fern  zu  halten 
suchten«.  Für  die  innere  Verwaltung  ergiebt  die  gesetzgeberische  Thä- 
tigkeit  Theodosius'  IL  ein  reiches  Material,  das  der  Verfasser  auch  fleifsig, 
doch  nicht  mit  der  umfassenden  Kenntnis,  die  hier  notwendig  ist,  be- 
nutzt hat.  Die  kirchlichen  Verhältnisse  werden  ziemlich  ausführlich  be- 
handelt, aber  doch  möchte  es  für  den  Nicht -Kenner  schwierig  sein, 
durch  die  Darstellung  Einsicht  in  die  grofsen  Strömungen  zu  erhalten, 
welche  sich  zu  dieser  Zeit  in  Lehre  und  Kultus  und  in  dem  Streben 
nach  weltlichem  Regimente  geltend  machten.  Eine  sehr  ausführliche 
und  durch  die  Reichhaltigkeit  der  Quellen  auch  interessante  Behand- 
lung   wird   den  Beziehungen   der  Hunnen   zum  Ostreiche  zuteil;    ob  sie 


334  Römische  Geschichte  uud  Chronofogie. 

aber  in  dieser  Form  in  solchem  Geschichtswerke  angebracht  war?  Die 
Charakterschilderung  Theodosius'  II.  ist  weit  besser  als  die  seines  Vaters; 
aber  auch  hier  fehlt  es,  wie  in  dem  Buche  überall,  an  verständiger,  con- 
sequeuter,  bedächtig  abwiegender  Kritik. 

Adolf  Harnack,  Lehrbuch  der  Dogmengeschichte.  Erster  Band. 
Die  Entstehung  des  kirchlichen  Dogmas.     Freiburg  i.  Br.  1886. 

Unter  der  Oberfläche  der  heidnischen  Entwickelung  des  Kaiser- 
reichs, welche  noch  die  drei  ersten  nachchristlichen  Jahrhunderte  schein- 
bar beherrscht,  bildet  sich  immer  stärker  die  christliche  Gegenströmung, 
welche  im  vierten  Jahrhundert  der  ersteren  Meister  wird.  Wie  die 
christliche  Kirche  sich  im  Inneren  entwickelte,  wie  ihre  Lehre  entstand, 
ist  vielfach  dunkel.  Aber  soviel  ist  von  dem  allgemein  historischen 
Standpunkte  doch  mit  Sicherheit  zu  erkennen,  dafs  diese  Entwickelung 
sich  nicht  den  in  der  Zeit  liegenden  Bildungsfaktoren  entziehen  konnte, 
dafs  dieselben  bald  mehr  bald  minder  intensiv  auf  dieselbe  einwirken 
mufsten.  Wie  sich  dieser  Anteil  nun  auf  die  einzelnen  Bildungsströ- 
mungen verteilt,  hat  der  Verfasser  in  bis  jetzt  unerreichter  Klarheit 
nachgewiesen.  Weder  rechts  noch  links  sehend  geht  er  einzig  auf  die 
Wahrheit  mit  echt  wissenschaftlicher  Methode  los.  Wenn  ich  mir  auch 
nicht  zutrauen  darf,  ihm  in  alle  Einzelheiten  seiner  Untersuchungen 
folgen  und  prüfen  zu  können,  ob  er  recht  oder  unrecht  hat,  so  bin  ich 
doch  überzeugt,  dafs  seine  Darstellung  der  Entwickelung  die  unpar- 
teiischste ist,  welche  bis  jetzt  auf  theologischem  Gebiete  gegeben  ist. 
Hoffentlich  wird  auch  unter  seinen  engeren  Fachgenossen  dieses  Ver- 
dienst immer  mehr  anerkannt  werden. 

Edw.  A.  Free  man,  Zur  Geschichte  des  Mittelalters.  Ausge- 
wählte historische  Essays.   Übersetzt  von  C.  J.  Locher.   Strafsburg  1886. 

Von  den  neun  Aufsätzen  kann  nur  der  erste  zum  Teil  im  Jahresb. 
f.  röm.  Gesch.  erwähnt  werden:  das  heilige  römische  Reich.  Mit  Recht 
betont  der  Verfasser,  dafs  Niemand  die  mittelalterliche  Geschichte  ver- 
stehen kann,  der  nicht  dabei  das  fortdauernde  Bestehen  des  römischen 
Reichs  in  Erwägung  zieht.  Er  führt  in  kurzen  aber  klaren  Zügen  dies 
an  einer  Besprechung  von  Bryce,  the  Italy  Roman  Empire,  der  ersten 
korrekten  englischen  Darstellung  des  mittelalterlichen  Reiches,  durch. 
Der  Mangel  einer  Nationalität  im  römischen  Kaiserreich,  von  der  Re- 
publik bereits  vorbereitet,  die  Umänderungen  Diokletians  und  Constan- 
tins  auf  dem  Gebiete  der  Verfassung,  Constantins  entscheidende  That 
auf  dem  Gebiete  der  Religion,  die  Entwickelung  der  Kirche  und  die 
Bedeutung  des  oströmischen  Kaisertums  werden  mit  scharfen  Strichen 
gezeichnet.  Man  wird  selten  auf  so  engem  Raum  so  drastisch  die  Be- 
deutung des  römischen  Kaiserreichs  für  das  heilige  römische  Reich  deut- 
scher Nation  dargestellt  finden. 


Jahresbericht 
über  die  griechischen  Sakralaltertümer, 

Von 

August  M  0  m  m  s  e  n 

in  Hamburg. 


4.  Artikel:    Athen. 

Über  attische  Sakralaltertümer  ist  in  dieser  Zeitschrift  zuletzt 
1873  referiert  worden.  Derjenige  also,  welcher  nach  so  langer  Pause 
den  Gegenstand  wieder  aufnahm,  hatte  sich  die  Frage  vorzulegen,  ob, 
dem  Titel  dieser  Zeitschrift  gemäfs,  eine  Berichterstattung  über  die 
neuesten  Erscheinungen  angezeigt  sei  oder  ob  es  sich  empfehle,  das 
Versäumte  einigermafsen  nachzuholen  und  auch  ältere  Arbeiten  zu  be- 
rücksichtigen. Die  verehrliche  Redaktion  hat  sich  in  letzterem  Sinne 
geäufsert:  es  bleibe  dem  Ermessen  des  Referenten  ganz  überlassen,  wie 
weit  er  zurückgreifen  wolle.  Hierauf  eingehend  habe  ich  zwar  jüngere 
Erscheinungen  bevorzugt  —  die  Mehrzahl  (elf)  der  Abhandlungen,  auf 
die  sich  der  Bericht  bezieht,  gehört  in  die  Jahre  1 883-- 1887  —  aber 
es  sind  auch  nicht  wenige  (neun)  ältere  Abhandlungen  in  den  Bericht 
aufgenommen,  solche,  aus  denen  meines  Erachtens  auch  jetzt  noch  Nutzen 
zu  ziehen  oder  Anregung  zu  gewinnen  ist.  Eine  in  solchem  Mafse  retro- 
spektive Betrachtung  führte  nun  freilich  zu  der  Unmöglichkeit,  in  einem 
Berichte  zu  Ende  zu  kommen.  Aber  diesem  Übelstande  —  denn  ein 
solcher  ist  es  --  wird  sich  ja  Abhülfe  schaffen  lassen  durch  Fort- 
setzungen in  späteren  Jahrgängen.  —  Zugleich  erhellt,  dafs  auf  Grund 
eines  Berichtes,  der  nur  als  Anfang  zu  betrachten  ist,  ein  den  jetzigen 
Stand  unserer  Kunde  umfassender  Gesamtüberblick  nicht  gegeben  wer- 
den konnte. 

Was  ich  den  Lesern  darbiete,  sind  mehr  Auszüge  aus  den  bezüg- 
lichen Schriften  als  Beurteilungen.  Allerdings  wird  man  hier  und  da 
eigene  Bemerkungen  nachtragsweise,  auch,  und  noch  öfter,  in  (  )  zwi- 
schengesetzte Glossen  finden,  aber  das  Hauptaugenmerk  war,  den  Inhalt, 
so  weit  er  Sakralaltertümer  betraf,  verständlich  wiederzugeben.  Zwei- 
feln und  Einwänden  habe  ich,  wenn  nach  Lage   meiner  Vorstudien  mir 


336  Griechische  Sakralaltertümer. 

die   Sache  noch  nicht    spruchreif  schien  oder   wenn  ich   später  auf  die 
Sache  zurückzukommen  beabsichtigte,  keinen  Ausdruck  gegeben. 

Der  Bericht  ist  geordnet  nach  den  Jahren,  in  welchen  die  bezüg- 
lichen Schriften  publiziert  sind.  Eine  Zeit  laug  hing  ich  dem  Gedanken 
nach,  alles  nach  Gegenständen  zu  disponieren,  aber  das  hätte  in  etlichen 
Fällen  dahin  geführt,  eine  und  dieselbe  Arbeit  an  mehr  als  einer  Stelle 
des  Berichtes  zu  behandeln,  also  sie  zu  zerstückeln. 

Herm.  Dettmer,    De   Hercule  Attico.     Bonn   1869.     72  Seiten. 
Inauguraldissertation. 

Es  wird  zuerst  von  dem  städtischen,  dann  von  dem  deraotischen 
Heraklesdienst  gehandelt.  Im  städtischen  Gau  Melite  gab  es  eine  be- 
deutende Weihstätte  des  Herakles  Alexikakos,  der  die  Pest  abgewendet 
haben  sollte.  Diesem  scheint  die  attische  Jugend  am  Apaturienfeste 
das  abgeschnittene  Haupthaar  geweiht  und  zugleich  eine  Weinspende 
{olvtarrjpia)  dargebracht  zu  haben..  Da  Herakles,  dem  zu  Gefallen  die 
kleinen  Mysterien  eingesetzt  sind,  zu  Melite  geweiht,  d.  h.  daselbst  vor- 
bereitet ward  für  die  Einweihung  in  die  kleinen  Mysterien,  deren  Ort 
Agrä  war,  so  mufs  der  melitische  Herakles  in  einem  näheren  Verhältnis 
zu  den  Mysteriengöttern  gestanden  haben.  (Man  kann  sich  hierbei  auch 
des  Umstandes  erinnern,  dafs  die  Daduchie  anderthalb  Jahrhunderte 
lang  von  Mitgliedern  einer  dem  Demos  Melite  angehörigen  Familie  be- 
kleidet ward;  vgl.  C  I.A.  III  1  S.  141  n.  676  und  Dittenberger  Hermes 
XX  S.  22)  —  Von  demotischen  Herakles-Heiligtümern  gab  es  in  Attika 
eine  grofse  Zahl,  darunter  einige,  um  die  sich  mehrere  Gaue  zu  ge- 
meinsamer Verehrung  zusammengethan  hatten.  Am  wichtigsten  sind  die 
Heraklesdienste  des  Kynosarges  und  der  marathonischen  Tetrapolis.  — 
Der  Gau  Diomeia,  zu  welchem  Kynosarges  gehört,  ist  nach  der  Legende 
von  Diomos,  dem  Liebling  des  Herakles,  benannt.  (Diomos  ist  jetzt 
auch  inschriftlich  nachweisbar  in  dem  Heraklesdienste  der  Masogäa; 
CI.A.  II  603:  Priester  des  Diomos.)  An  dem  kynosargischen  Kult  scheint 
sich  auch  der  Gau  Kollytos  beteiligt  zu  haben.  Das  Gymnasium  im 
Kynosarges  war  bestimmt  für  solche,  die  nicht  aus  echtem  Bürgerblut 
stammten ;  es  war  ein  Gesetz  aufgestellt,  nach  welchem  der  Priester  mit 
den  Parasiten  die  Epimenien  opfern  sollte  und  die  Parasiten  zu  stellen 
waren  aus  den  vu&oc  und  ihren  Söhnen.  Parasiten  finden  sich  auch  in 
anderen  Kulten;  ihre  Zahl  war  klein,  von  der  komischen  Übertreibung 
des  Diodor  von  Sinope  Athen.  VI  S.  239  (zwölf  Parasiten  des  Herakles) 
ist  gänzlich  abzusehen,  Müller  Fr.  Hist.  Gr.  II  121.  Die  sechzig  Spafs- 
macher,  eine  erst  in  Philipps  Zeit  aufgekommene  Genossenschaft,  welche 
sich  im  Herakleion  von  Diomeia  versammelte,  haben  nichts  gemein  mit 
den  Parasiten.  Die  Heraklesgruppe  des  attischen  Tierkreises  Philol. 
XXII  S.  385  ist  mit  C  Bötticher  auf  das  Fest  des  Kynosarges  zu  be- 
ziehen, doch  scheint   die  geflügelte  Figur  eine  Nike  zu  sein,  die  Äpfel 


Athen.  337 

als  Preise  verteilt;  Bötticher  hat  sie  für  Karpo,  die  eine  der  attischen 
Horeu,  gehalten.  (Am  nächsten  liegt  es,  in  der  geflügelten  Figur  das 
Zodiakalbild  der  Jungfrau  zu  sehen,  eine  Deutung,  die  Bötticher  S.  421 
mit  Gründen  ablehnt,  die  nicht  Stich  halten.)  Die  Bötticherschen  Er- 
gebnisse führen  dahin,  das  Fest  auf  den  4  Pyanepsion  zu  setzen.  (Ist 
Böttichers  Ergebnis,  dafs  die  Heraklesgrui)pe  sich  auf  den  Boedromion 
beziehe,  richtig,  so  mufs  es  bei  dem  Boedromion  bleiben,  zwei  attische 
Monate,  Boedr.  und  Pyan.,  geht  die  Heraklesgruppe  sicherlich  nicht  an; 
aber  Böttichers  Ergebnis  ist  nicht  plausibel;  die  Gruppe  scheint  viel- 
mehr den  Metagitnion  anzugehen,  s.  Bursian  im  Centralblatt  1866  n.  44.) 
—  Über  die  Demosth.  19,  86  und  125  vorkommenden  Herakleen  schwank- 
ten schon  alte  Erklärer,  ob  die  diomeischen  des  Kynosarges  oder  die 
marathonischen  zu  verstehen  seien.  Am  4  v.  E.  Skir.  Ol.  108,  2  ward 
angesichts  der  bedrohlichen  Lage  beschlossen,  dafs  das  Heraklesfest  in- 
nerhalb der  Stadt  zu  begehen  sei,  und  weiterhin  kam  man  zu  dem  Be- 
schlüsse, die  Pythien  (Metag.  Ol.  108,  3)  nicht  durch  Theoren  zu  be- 
schicken. Danach  ergiebt  sich  für  hypothetische  Ansätze  dieser  Hera- 
kleen als  Spielraum  die  Zeit  zwischen  Skir.  4  v.  E.  und  den  Pythien. 
Statt  des  älteren  Ansatzes  auf  den  Tag  nach  Skir.  4  v.  E.  werden  wir 
besser  den  nächsten  Heraklestag,  also  Hekat.  4,  wählen,  so  dafs  die  Feier 
in  ein  drittes  Olympiadenjahr  (Ol.  108,  3)  kommt.    Die  Alternative  Schol. 

Demosth.  19,  86  r«   HpdxXsca yj  rä  ev  Mapa&äjvi  rj  zv  ra»  Kuvuadpyet 

ist  zu  Gunsten  der  marathonischen  Herakleen  zu  entscheiden,  von  diesem 
Feste  spricht  Demosthenes  a.  0.;  eine  Feier  im  Kynosarges  gestattete, 
in  die  nahen  Stadtmauern  zu  flüchten,  war  aber  ganz  Athen  nach  Nord- 
attika  (Marathon)  gezogen,  so  befand  man  sich  viel  näher  am  Feinde 
und  viel  ferner  von  dem  schützenden  Ringe  des  Weichbildes.  Nun  sind 
aber  die  bei  Pollux  VHI  107  unter  den  Penteteriden  genannten  Hera- 
kleen verm.  die  marathonischen,  daher  anzunehmen  ist,  dafs  man  sie  in 
dem  für  Penteteriden  (Panathenäen,  Pythien)  bestimmten  je  dritten 
Olympiadenjahre  beging.  (Ich  gedenke  auf  diese  sinnreiche,  aber  doch 
nicht  einwendungsfreie  Hypothese  im  nächsten  Bericht  zurückzukommen.) 
Die  Übertragung  der  sämtlichen  Theseusdienste  Attikas  auf  Herakles,  vier 
ausgenommen ,  ist  ohne  Zweifel  unwahr  und  fingiert.  Seit  alter  Zeit 
mufs  Herakles  an  vielen  Orten  Attikas  verehrt  worden  sein,  dem  weit 
später  zu  Ehren  gekommenen  Theseus  hat  man  eine  kleine  Zahl  von 
Weihstätten  ausgemittelt  neben  den  längst  bestehenden  des  Herakles. 
Dichter  und  Atthidenschreiber  haben  aus  dieser  Sachlage  ein  Ergebnis 
der  Grofsmut  des  Theseus  gemacht,  als  sei  dieser  einst  im  Besitze  aller 
Herakleen  gewesen,  was  doch  nie  der  Fall  war. 

U.  Köhler,  Der  Areopag  in  Athen;  Hermes  VI  (1872)  S.  92  —  112. 

Man  hat    -    sagt  der  Verfasser         behauptet,   der   Areopag  als 
Blutgericht   sei  dem  Ares  heilig  gewesen.      Aber  die   gottesdienstlichen 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  (1887.  \\\.)  22 


338  Griechische  Sakralaltertümer. 

Beziehungen  der  Behörde,  die  auf  dem  Areopag  zusammentrat,  tj  £$ 
^Apecoo  Tcdyou  ßouXij^  führen  nicht  auf  Ares,  sondern  auf  die  Erinyen.  Der 
von  dem  areopagitischeu  Gerichtshof  Freigesprochene  hatte  zu  opfern 
in  dem  Heiligtum  der  Erinyen,  als  deren  Wohnsitz  die  Schlucht  an  der 
Ostseite  des  Hügels  seit  ältester  Zeit  angesehen  ward.  Die  Stiftung  des 
Gerichtshofs  ist  bei  Äschylos  verbunden  mit  der  Besänftigung  der  den 
Orest  verfolgenden  Erinyen,  welche  jetzt  ihren  attischen  Wohnsitz  und 
Kultus  erhalten.  —  Man  kann  sagen,  dafs  die  örtliche  Religion  den 
Gerichtshof  geschaffen  habe;  die  Altäre  der  gefürchteten  Göttinnen 
boten  Schutz  demjenigen,  welchen  man  eines  Verbrechens  wegen  ver- 
folgte; die  Stätte  nun,  wo  der  Verbrecher  Schutz  gefunden  hatte  und 
vorläufig  sich  aufhielt,  war  selbstverständlich  auch  die,  wo  sein  Verbre- 
chen untersucht  und  abgeurteilt  wurde;  so  führte  das  Asyl  der  Erinyen 
zur  Einrichtung  des  areopagitischeu  Gerichtshofes.  —  (Diesen  Ansichten 
wird  auch  der,  welcher  die  Namenserklärung  von  "Apetog  ndjoi  bean- 
standet und  über  die  S.  106  herangezogenen  Inschriften  anders  denkt,  bei- 
pflichten können.) 

Wie  entstand  also  der  Name  "Apsiug  mj.yoQ'^  Der  Verfasser  leitet 
ihn  davon  her,  dafs  Feinde,  wie  die  Perser  480,  sich  des  Areopags  als 
einer  Gegenburg  bedienten,  um  die  Burg  anzugreifen;  das  Volk  nannte 
den  für  Zwecke  des  Krieges  benutzten  Hügel  'Areshügel',  daraus  ergab 
sich  späterhin  ein  Kultus  des  Kriegsgottes  Ares,  und  endlich  —  nach 
den  Perserkriegen,  meint  der  Verfasser  —  ward  dem  Ares  auch  der 
von  Pausanias  erwähnte  Tempel  am  Areopag  gebaut.  Es  maugelt 
aber  an  Nachrichten  über  attischen  Areskult  und  diesem  Mangel  kann 
durch  Hypothesen  nicht  abgeholfen  werden.  —  Die  beiden  S.  106f.  her- 
angezogenen Inschriften  finden  sich  jetzt  als  n.  948  und  949  im  C  I.  A. 
II  2,  dazu  eine  dritte,  n.  950,  die  inzwischen  hinzugekommen  zu  sein 
scheint.  Alle  drei  beziehen  sich  auf  Lektisternien,  die  nach  Apollons 
Ausspruch  dem  Pluton  auszurichten  sind  durch  Funktionäre,  welche  der 
Hierophant  beauftragt  hat.  N.  949  soll  bei  Hag.  Hypapanti,  also  nicht 
weit  vom  Areopag,  gefunden  sein,  n.  950  am  Südabhang  der  Burg;  der 
Fundort  von  n.  948  ist  nicht  angegeben.  Der  Verfasser  nun  bezieht  das  dem 
Pluton  gerüstete  Polsterlager  und  Festmahl  auf  den  Areopag  und  das 
Heiligtum  der  Erinyen,  weil  sich  daselbst  unter  verschiedenen  Bildsäulen 
auch  die  des  Pluton  (Pausan.  I  28,  6)  befand.  Will  man  auf  den  Fund- 
ort Gewicht  legen,  so  leitet  der  von  n.  950  nicht  auf  den  Areopag  hin. 
Wichtiger  ist  das  Vorkommen  des  Hierophanten,  der  schwerlich  über 
den  Areopag  und  seine  Bräuche  zu  verfügen  hatte.  Das  seiner  Verfü- 
gung unterstellte  Heiligtum  kann  nur  das  städtische  Eleusinion  gewesen 
sein,  in  diesem  wird  man  das  Lektisternium  begangen,  hier  auch  die 
Inschriften  n.  948  —  950  aufgestellt  haben.  S.  P.  Foucart  Bulletin  de 
corr.  hellenique  VII  S.  392  f ,  und  unten  S.  359. 


Athen.  339 

U.  Köhler,  Der  Südabhang  der  Akropolis  zu  Athen  nach  den 
Ausgrabungen  der  archäol.  Gesellschaft;  Mitteilungen  des  deutschen 
Instituts  II  (1877)  S.  171  -  186  und  229-260,  nebst  Tafel  XIII— XVIII. 

Die  am  1.  Mai  1876  begonnenen  (und  20  Monate  lang  fortgesetzten) 
Ausgrabungen  westlich  vom  dionysischen  Theater  lassen  erkennen,  'dafs 
das  Terrain  zwischen  den  beiden  Theatern  von  Osten  nach  Westen  in 
drei  niedrigen  Terrassen  anstieg'.  Die  niedrigste  Terrasse  ist  also  die 
an  das  Theater  stofsende  östliche.  Vom  Rande  des  Theaters  mufs  eine 
Treppe  hinuntorgeführt  haben  auf  die  östliche  Terrasse.  Die  Treppe  war 
breit  —  neun  Meter,  die  Stützmauern  der  Treppe  inbegriffen  -  so  dafs 
eine  Prozession  bequem  durchziehen  konnte,  zu  welchem  Ende  die  West- 
wand des  Theaters  hier  unterbrochen  war. 

Den  gröfsten  Teil  der  östlichen  Terrasse  nahm  ein  Bezirk  ein, 
den  eine  in  Spuren  nachweisbare  Mauer  in  unregelmäfsigem  Viereck 
umgab.  Der  Bezirk  war  ohne  Zweifel  das  Asklepieion.  Die  gröfste  An- 
lage, deren  Fundamente  die  Freilegung  ans  Licht  gebracht  hat,  war 
eine  nach  Süden  schauende  Halle  mit  doppelter  Säulenstellung,  vermut- 
lich bestimmt,  'der  Bequemlichkeit  der  Kranken  und  anderen  Verehrer 
des  Gottes'  zu  dienen.  Später  scheint  sie  auch  benutzt  worden  zu  sein,  um 
Anathemata  unterzubringen;  die  zahlreich  aufgefundenen  Nachbildungen 
menschlicher  Güedmafsen, 'meist  in  Relief  auf  kleinen  viereckigen  Mar- 
mortafeln gearbeitet',  hat  man  nämlich  zwar  wohl  anfangs  in  Steinpfeiler 
(Atheuäon  V  S.  413)  oder  in  Aufsenwände  der  Tempelbauten  eingelassen, 
nachmals  aber,  wie  die  vermutlich  aus  dem  Asklepieion  stammende 
Inschrift  des  ersten  Jahrhunderts  vor  Chr.  C I.A.  II  639  lehrt,  ihre  Ver- 
legung nach  der  grofsen  Halle  angeordnet. 

Der  merkwürdigste  und  vielleicht  älteste  Teil  des  Hallengebäudes 
liegt  am  westlichen  Ende.  Hier  erhebt  sich  eine  Plattform  von  etwa 
drei  Meter  Höhe,  in  deren  Mitte  sich  ein  kreisrunder  Schacht  öffnet; 
die  Mündung  des  Schachtes  umstanden  vier  Säulen.  Es  war  dies  viel- 
leicht die  Opferstätte,  wo  an  den  tjpwoig^  die  C.I.A.  II  n.  453  b  mit  den 
Epidaurien  verbunden  vorkommen,  den  Heroen  d.  i.  den  Toten  gedient 
wurde,  indem  man  das  Opferbint  in  die  Tiefe  des  Schachtes  hinabrinnen 
liefs.  Auf  Tütendicust  führen  auch  andere  Funde,  Reliefdarstellungen 
des   Totenmahls  und  Inschriften,  die  einem  rjpojg  gelten. 

Auf  dem  beigegebenen  Plan  (Tafel  XIII)  findet  man  man  hinter 
der  grofsen  Halle  eine  'Tholos',  vor  der  grofsen  Halle,  dem  Schacht- 
bau  gegenüber,  ein  viereckiges  Gebäude  angegeben.  In  der  Tho- 
los,  einer  runden  nach  vorn  geöffneten  Grotte  im  Burgfelsen,  ent- 
springt eine  Quelle,  die  von  Pausanias  I  21,  4  erwähnte  xpijvrj  des  Äs- 
klepieions.  Das  hier  hervorrinnende  Wasser  flofs  in  der  ersten  Zeit, 
als  die  Tholos  aufgedeckt  worden  war,  reichlicher  als  jetzt;  der  Ge- 
schmack ist  brackig.  Früher  mag  die  Quelle  besseres  und  reich- 
licheres  Wasser   enthalten   haben.      In    der    christlichen    Zeit    hat    mau 

22* 


340  Griechische  Sakralaltertümer. 

die  Tholos  als  Kapelle  eingerichtet  und  das  Quellwasser  in  der  Art  süd- 
wärts geleitet,  dafs  es  östlich  au  den  Grundmauern  jenes  viereckigen 
Gebäudes  vorüber  in  einen  Brunnen  gelangte.  Mit  Hilfe  dieses  schon 
vor  den  Ausgrabungen  bekannten  Brunnens  haben  Pervanoglu  u.  a.  die 
Lage  des  Asklepiosheiligtums  fixiert,  und  in  der  That  scheint  das  vier- 
eckige Gebäude  für  den  alten  Tempel  des  Asklepios  C.  I.  A.  II  n.  489  b 
gehalten  werden  zu  können;  ein  später  gebauter  Tempel  mag  etwas 
weiter  ostwärts  gelegen  haben.  Das  neue  Material  führt  auch  zu  der 
Annahme,  dafs  es  im  Asklepieion  einen  heiligen  Hain  gegeben  habe; 
südlich   von  der  Halle  und  dem  Tempel  war  Platz  für  denselben. 

Was  Nebengottheiten  des  Asklepiosdienstes  angeht,  so  ist  die  Ver- 
bindung 'Aaxkrjmaj  xai.  'Tycsiq.  xal  tüj  'Tnvüj  neu;  sie  kommt  vor  in  einem 
Epigramm  des  ersten  Jahrhunderts  vor  Chr.,  Athenäon  VI  S.  326.  Doch 
auch  für  Verbindungen,  die  schon  vor  1876  bekannt  waren,  haben  die 
Ausgrabungen  der  archäol.  Gesellschaft  einiges  geliefert,  was  ihnen  mehr 
Bestimmtheit  und  Anschaulichkeit  giebt.  Dafs  neben  Asklepios  auch  die 
(aus  Schol.  Aristoph.  Plut.  701  und  Suid.  v.  'Hmovr)  namentlich  bekann- 
ten) Asklepiaden  verehrt  wurden,  liefs  sich  nach  dem  was  Pausanias 
I  24,  4  von  Bildern  des  Gottes  und  seiner  Kinder  im  Heiligtum  des 
Asklepios  berichtet,  vermuten,  doch  spricht  Pausanias  nicht  bestimmt 
aus,  dafs  sie  neben  dem  Vater  gottesdienstlicher  Ehre  genossen.  Jetzt 
sieht  man  auf  Reliefs,  die  1876  gefundea  wurden,  'in  der  Umgebung 
des  Asklepios  und  der  Hygieia  die  Asklepiaden  Machaon  Akeso  laso 
Panakeia';  die  Namen  sind  beigeschrieben.  In  einer  Altaraufschrift 
Athenäon  VI  S.  137  ist  von  ihnen  als  biioßwiioig  des  Asklepios  die 
Rede.  —  Zu  den  schon  vor  1876  bekannten  Verbindungen  gehört  auch 
die  mit  den  eleusinischen  Gottheiten;  da  die  herbstlichen  Asklepieen 
oder  Epidaurien  einen  Teil  des  Eleusinienfestes  ausmachen ,  so  mufste 
zwischen  Asklepios  und  den  in  dem  Feste  gefeierten  Mächten  der  Unter 
weit  ein  Bezug  obwalten.  Unter  den  neuen  Funden  nun  giebt  es  einige, 
die  geeignet  sind  diesen  Bezug  zu  illustrieren;  am  belehrendsten  ist 
das  Tafel  XVIII  abgebildete  Relief.  Es  stellt  Köre  Demeter  und 
Asklepios  dar,  welcher  Gruppe  sechs  Anbetende,  vielleicht  der  Ar- 
chon  ßasileus  und  sein  Beisitzer  nebst  den  vier  Epimeleten,  nahen;  ihr 
Gebet  richtet  sich  an  Asklepios,  der  den  Mittelpunkt  der  Darstellung 
bildet. 

Personal:  b  Ispehg  'AaxXrjmoü  xat  ' Tyisiag,  b  xXeiSou^og  xai  nop- 
(pöpog^  b  ^dxopog,  b  uno^dxopog.  Dazu  eine  für  die  Epidaurien  jedes 
mal  bestellte  Arrhephore.  Ein  gesondertes  Priesteramt  für  Hygieia  gab 
es  nicht.  Seit  dem  Bau  des  zweiten  Tempels  versah  der  Priester  den 
Dienst  auch  an  diesem.  Er  ward  durchs  Los  erwählt  auf  ein  Jahr,  seit 
Augustus  jedoch  auf  Lebenszeit.  Der  Kleiduch  und  die  Arrhephore 
wurden  durch  den  Priester  auf  ein  Jahr  bestellt,  vermutlich  auch  die 
anderen  Beamten.    Die  Funktionen  der  Kleiduchie  und  der  Arrhephorie 


Athen.  341 

übertrug  der  Priester  gern  seinen  Kindern.  Er  hatte  auch  des  Gottes 
Eigentum  zu  verwalten. 

Die  mittlere  Terrasse  liegt  nur  etwa  ^/i  Meter  höher  als  die  öst- 
liche, der  sie  ihrer  Umfaugslinie  nach  einigermafsen  gleicht  —  sie  bildet 
nämlich  ebenfalls  ein  unregelmäfsiges  Viereck  —  an  Umfang  aber  nach- 
steht. —  Pausanias  I  22  scheint  mit  den  Worten  uezä  8k  rö  lepbv  rob 
'AaxXrjmou  Taüzrj  rcpog  zrjv  äxpönoliv  couaiv  ^dfnoug  vaug  icrrr  xe^cüazai 
8k  npb  ad-oTj  pWipa  ' InzoXözu)  §  1  die  mittlere  Terrasse  zu  betreten.  Da 
nun  Aphrodite  Pandemos  ohne  Zweifel  die  geschlechtliche  Liebe  reprä- 
sentiert —  die  Alten  freilich  haben  sie  mehrfach  anders  gedeutet,  z.  ß. 
auf  die  Vereinigung  des  Volkes  durch  Theseus  (Pausan.),  doch  halte 
man  sich  an  Xen.  Symp.  VIII  9,  wo  sie  paSioupyuQ  heifst  —  da  mithin 
Aphrodite  Pandemos  mit  der  \i(ppo8cTrj  l(p  ' Itztioaütw  identisch  ist,  so 
mufs  die  Kultusstätte  dieser  Göttin  dem  pvrjpa  ^Irniolötip  xe^axrfxdvov 
nahe  gelegen  haben.  Pausanias  verweilt  also  §  3  ( 'Atppoocrrjv  8k  zrjv 
Ilr/ivorjjxo)^  xrX)  noch  bei  Werken  der  mittleren  Terrasse,  deren  Beschrei- 
bung also  sich  jedenfalls  bis  zu  den  Worten  zsj^vltojv  oo  tü)v  d<pave<nd- 
Twv  ausdehnt.  Wir  haben  also  den  Themisterapel,  das  Hippolytosgrab 
und  die  Stätte  wo  der  Aphrodite  und  Peitho  gedient  ward,  auf  der  mitt- 
leren Terrasse  zu  suchen.  Das  inschriftliche  Material ,  so  umfangreich 
es  durch  die  Ausgrabungen  von  1876 f.  geworden  ist,  bietet  wenig  Be- 
zügliches. Der  Name  der  Aphrodite  begegnet  auf  einem  am  Südabhang 
gefundenen  Monument,  welches  die  folgende  Aufschrift  trägt 

'  Eppüu  Nop.(pu)V  "Iai8og 

'A(ppo8£tzrjg 
Ilavög 

Kumanudis  nimmt  mit  Recht  an,  es  sei  dies  ein  Altar  mit  mehreren 
Escharen  gewesen.  Die  drei  zuerst  gruppierten  Götter  sind  die  des  Ge- 
schlechtstriebes, mithin  haben  wir  hier  die  Aphrodite  Pandemos,  die  auch 
die  hippolytische  {sip'  ''kTioXuzü})  hiefs.  Vermutlich  haben  sich  in  ihrem 
am  Südabhaug  der  Burg  erbauten  Tempel  Bilder  des  Hermes  und  des 
Pan  befunden.  Was  ^l)lx<pu)v  angeht,  so  hat  auch  ein  am  Südabhang 
angetroffenes  Reliefstück  die  Aufschrift  Nöpfatg.  Für  das  Vorhanden- 
sein eines  Isieions  am  Südabhang  kann  man  noch  die  Inschrift  C I.A.  III 
u.  162  =  C.I.Gr.  n.  481  heranziehen;  sie  ist  oberhalb  des  dionysischen 
Theaters  gefunden  und  bezieht  sich  auf  die  Errichtung  eines  Aphrodite- 
bildes im  Heiligtum  einer  anderen  Göttin,  wahrscheinlich  der  Isis.  Man 
darf  glauben,  dafs  die  Nymphenstätte  und  das  Isieion  nicht  weit  von 
dem  Aphrodision  lagen. 

Durch  die  Freilegung  der  mittleren  Terrasse  sind,  von  Osten  an- 
gefangen, zunächst  die  Fundamente  einer  Halle  ans  Licht  gekommen, 
welche  dieselbe  Tiefe  wie  die  des  Asklepieions  hatte,  aber  kürzer  und 
nur  mit  einer  Säulenreihe  versehen  war.     Die  Rückseite  hatte  vier  Ge- 


342  Griechische  Sakr'alaltertümer. 

mächer,  vermutlich  Wohngemächer  für  das  Tempelpersonal.  Etwas  weiter 
westlich  von  den  Amtswohnungen  fliefst  eine  Quelle ,  als  deren  einst- 
malige Schützerinneu  die  iuschriftlich  vorkommenden  Nymphen  angesehen 
werden  können.  In  der  Nähe  eine  Zisterne.  Geht  man  südwärts,  so 
trifft  man  die  Überbleibsel  eines  kleinen  Tempels  an,  an  dessen  Ost- 
ecke sich  ein  angebautes  Fundament  zeigt.  Es  war  dies  schwerlich  der 
Tempel  der  Aphrodite,  der  ein  Bauwerk  von  gröfseren  Dimensionen  ge- 
wesen sein  dürfte,  vgl.  C.I.A.  In.  2J2;  aber  nichts  hindert  anzunehmen, 
dafs  es  der  Themistempel  war.  Das  angebaute  Fundament  mag  Rest 
eines  Nymphenaltars  sein.  Westlich  vom  Themistempel  lag  ein  noch 
kleineres  schmales  Tempelchen,  vielleicht  das  Isieion.  Ruinen  die  auf 
das  Aphrodision  und  das  Hippolyteion  zu  deuten  wären,  sind  nicht  vor- 
handen; es  M'erden  diese  Stätten  südlich  von  den  Tempeln  der  Themis 
und  Isis  gelegen  haben,  wo  jetzt  die  grofse  Zisterne  ist,  bei  deren  Bau 
jene  antiken  Werke  zerstört  sein  mögen. 

Eine  abermalige  Steigung  des  Terrains  bildet  die  dritte  Terrasse, 
'welche  die  ganze  westliche  Hälfte  des  Burgabhanges  bis  zum  Hero- 
destheater  und  dem  oberhalb  desselben  steil  ansteigenden  Felsen  ein- 
nahm '.  Nordwestlich  Reste  einer  Umfangsmauer.  Demeter  Chloe  und 
Ge  Kurotrophos,  denen  dieser  Bezirk  gehörte,  waren  nicht  in  einer  ge- 
meinsamen Kapelle  oder  an  einem  gemeinsamen  Altar  vereinigt,  sondern 
das  ihnen  geheiligte  Grundstück,  I'rjg  Koufjorpo^otj  xat  ArjixrjTjjo:;  iepov 
XXörjg  (Pausan.),  hat  wie  verschiedene  Inschriften  lehren,  zweierlei  Stätten 
umfafst,  einen  Tempel  der  Demeter  Chloe  und  einen  eingefriedigten 
Raum,  arjxug,  welcher  dem  Dienste  der  Ge  Kurotrophos  gewidmet  war. 
Vgl.  C.I.A.  II  n.  375  und  631,  auch  III  n.  411. 

Die  neuen  Funde  führen  auch  auf  ein  am  Südabhange  der  Burg 
vorhanden  gewesenes  Heiligtum  des  Herakles,  vermutlich  des  ' [IpaxXrjg 
Mrjwc^g,  dem  eine  Weihstätte  gestiftet  ward  mit  Bezug  auf  einen  aus 
dem  Schatz  der  Athena  auf  der  Burg  gestohlenen  Kranz,  welcher  durch 
Herakles'  Vermitteluug  dem  Schatze  zurückgestellt  wurde.  Herakles  als 
Schatzhüter  der  Athena  erhielt  passend  seine  Stätte  an  der  Schwelle 
der  Burg.  — 

Eine  lehrreiche  Darlegung.  Es  ist  überzeugend  nachgewiesen,  wie 
die  Gottheiten  auf  die  verschiedenen  Terrassen  zu  verteilen  sind.  Im 
einzelnen  bleiben  Zweifel,  besonders  was  die  Ruinen  der  Mittelterrasse 
und  ihre  Inanspruchnahme  für  bestimmte  Götter  betrifft.  Gegen  die  Ver- 
mutung, der  Herakles  des  Südabhangs  sei  'HpaxXYjg  iHi/]w-rjg  gewesen, 
läfst  sich  einwenden;  eine  Widmung  wie  AoaiaTpd-rj  .  .  .  bnkp  zcjv 
7:ac8[u)v]  ' Hpo.xke7  dvid^rjxs  führt  nicht  auf  einen  Schützer  des  Eigentums, 
sondern  auf  einen  Schützer  der  Person;  nach  Cicero  de  divin.  I  25,  54 
hat  der  Diebstahl,  dessen  Entdeckung  zur  Stiftung  des  Herakles-Heilig- 
tums führte,  nicht  auf  der  Burg  stattgefunden,  sondern  das  gestohlene 
Kleinod  war  Eigentum  des  Herakles  gewesen. 


Athen.  843 

Was  durch  die  weitereu  Arbeiten  der  archäol.  Gesellschaft  am 
Serpetzes  entdeckt  worden  ist  (Mitteilungen  des  deutschen  Instituts  III 
(1878)  S.  147-155  nebst  Tafel  VII),  hat  für  die  ßaugeschichte  Athens 
seine  Wichtigkeit  --  man  fand  Überreste  einer  nicht  weniger  als  163  Meter 
langen  Stoa,  vermuthlich  einer  Gründung  des  Herodes  für  die  Besucher 
seines  Odeions,  sich  zwischen  den  Aufführungen  zu  ergehen  —  für  unsere 
Zwecke  ist  es  unwichtig. 

Carol.  Schul  tess,  De  Epimenide  Crete.     Bonn  1877.  61  Seiten. 
Inaugural-Dissertation. 

Für  die  attischen  Sakralaltertümer  ist  Folgendes  herauszuheben. 
Um  die  Zeit  der  epimenideischen  Wirksamkeit  in  Athen  zu  bestimmen, 
müssen  wir  —  lehrt  der  Verf.  —  absehen  von  der  auf  500  vor  Chr. 
führenden  Angabe  bei  Piaton  und  uns  halten  an  Cicero  u.  a. ,  die  den 
Epimenides  weit  früher  nach  Athen  kommen  lassen,  indem  sie  als  Au- 
lafs  seiner  Berufung  die  Ermordung  der  Anhänger  Kylons  (c.  612  vor 
Chr.)  und  die  auf  Athen  lastende  Blutschuld  {ro  KuXiuveiov  äyog)  be- 
zeichnen, mithin  den  kretischen  Weisen  zu  Solons  Zeitgenossen  machen. 
Dafür  spricht  insonderheit  der  Umstand,  dafs  das  was  Thuk.  I  126  von 
Verletzungen  des  Altarschutzes  gelegentlich  des  kylonischen  Agos  be- 
richtet, mit  den  Anordnungen  stimmt,  welche  dem  Epimenides  zugeschrie- 
ben werden.  Nach  Thukydides  suchten  die  Kylonianer  Schutz  am  Altare 
der  Burggöttin;  dann  nachdem  man  ihnen  Schonung  zugesagt,  liefsen 
sie  sich  hinwegführen,  wurden  aber  trotz  der  gegebenen  Zusage  getötet; 
einige,  die  während  des  Hinabsteigens  erkannten  was  ihnen  bevorstehe, 
hatten  abermals  Schutz  an  heiliger  Stätte  und  zwar  an  den  in  der  Nähe 
befindlichen  Altären  der  Semneu  gesucht,  wo  sie  dann  niedergemacht 
wurden.  Auf  letzteren  Thatbestand,  die  Verletzung  des  Asyls  bei  den 
Semnen,  beziehen  sich  die  meisten  Anordnungen  des  Epimenides.  Nach 
Diog.  Laert.  I  112  hat  Epimenides  das  athenische  Heiligtum  der  Semnen 
erbaut.  Auf  seinen  Rat  ferner  wurden  den  vor  dem  Areopag  rechtenden 
Parteien  gewisse  Plätze  angewiesen,  dem  Kläger  der  Stein  der  rücksichts- 
losen Verfolgung  {.rhatozcag)^  dem  Beklagten  der  Stein  des  Frevels 
(Jjßp£(t)g),  Cic.  de  leg.  II  11  und  Pausan.  I  28,  5;  am  Areopag  hatten 
die  Semnen  ihren  Sitz.  Dann  ist  nach  Diog,  Laert.  I  1 10  die  Stadt  da- 
mals entsündigt  und  die  Pest  beseitigt  worden  durch  gewisse  Tieropfer, 
schwarze  und  weifse  Schafe,  die  Epimenides  nach  dem  Areopag  führte 
und  von  da  aus  hierhin  und  dorthin  laufen  liefs,  um  sie  an  dem  Orte  wo 
ein  jedes  sich  niederlegte,  dem  betreffenden  Gotte  (ro)  npoarjxov-i  &£<jj) 
zu  schlachten;  daher  gebe  es  in  Attika  Altäre  ohne  Namen  {ßcufxoi 
dvwvunoc).  Der  betreffende  Gott  ist  vielleicht  Apollon  Agyieus,  wie  denn 
Epimenides  seine  Lustrationen  überhaupt  wohl  iin  Namen  des  ihm  hei- 
mischen Apoll  vollzog.  (Die  namenlosen  Altäre  dürften  sich  vielmehr  so 
erklären,  dafs  die  Schafe  dem  Gott  des  Ortes  wo  jedes  sich  niederlegte, 


344  Griechische  Sakralaltertümer. 

mithin  auch  unbekannten  Ortsgöttern  geopfert  wurden.)  Es  hat  also 
auch  bei  dieser  Opfercereraonie  der  Areopag  eine  wesentliche  Rolle, 
von  ihm,  dem  Wohnsitze  der  Semnen,  gehen  sämtliche  Opfertiere  ins 
attische  Land  hinaus.  Endlich  hat  Epimenides  die  Athener  auch  noch 
durch  Menschenopfer  ihrer  Sünden  entlastet;  es  waren  nach  Diog.  a.  0. 
zwei  Jünglinge,  die  den  Zorn  der  Gottheit  versöhnten.  (Da  die  Ge- 
opferten nicht  Jungfrauen,  sondern  Jünglinge  waren,  so  hat  diese  Sühne 
schwerlich  der  Athena  gegolten.  Athena  hatte  Anspruch  auf  eine  Sühne, 
denn  obschon  mau  ihren  Altar  nicht  mit  dem  Blute  der  Kylonianer  be- 
fleckt hatte,  war  ihr  doch  eine  Kränkung  zugefügt  durch  die  Ermordung 
ihrer  Altarschützlinge;  das  treulose  Verfahren  der  Gegenpartei  machte 
ja  den  Altarschutz  überhaupt  zunichte.  Als  Sühne  für  Athena  kann 
keine  der  dem  Epimenides  beigelegten  Anordnungen  gelten.  Also  eine 
Lücke  unserer  Tradition.) 

Hesych.  Boul^üyrjg  r^pujg  'A~Tcx6g  6  (cod.  iy)  TipwTug  ßoög  bno  dpo- 
Tpov  C^u^ag-  ixa^eTro  dk  'Empsvcor^g  xtX.  ist  nicht  mit  Bofsler  u.  a.  auf 
den  Kreter  Epimenides,  sondern  auf  einen  Athener  dieses  Namens  zu 
beziehen;  ein  Athener,  der  Epimenides  hiefs,  wurde  später  unter  dem 
Namen  Buzyges  als  heroischer  Stammvater  der  im  Athenadienst  thätigen 
Buzygen  verehrt.  (Der  Verf.  konnte  sich  auch  auf  Schol.  Äschin.  II  78 
berufen.  Dafs  aber  der  alte  Stammheros  der  Buzygen  ursprünglich  einen 
bürgerlichen  Namen  führte  und  dafs  der  bürgerliche  Name  in  der  Tra- 
dition festgehalten  ward,  ist  nicht  glaublich.  Der  Ahnherr  der  Keryken 
hiefs  durchaus  nur  Keryx,  von  einem  bürgerlichen  Namen  daneben  ver- 
lautet nichts.  Buzygen  wurden  auch  andere  Personen  mythischen  An- 
denkens geheifsen;  Gerhard  gr.  Myth.  §  640,  4.  Da  dann  auch  Athena 
eine  Sühne  zu  beanspruchen  hatte,  so  konnte  Epimenides,  der  vermut- 
lich dem  Ansprüche  genügte,  passend  Buzyge  genannt  werden,  wenn 
anders  die  Buzygen  nicht  lediglich  dem  Zeus  (Inschr.),  sondern  auch  der 
Athena  gedient  haben.) 

Die  Bildsäule  welche  'der  Knossier  Epimenides'  vor  dem  Tempel 
der  Demeter  und  Köre  in  Agrä  hatte  (Pausan.  I  14,  4),  bezieht  sich 
nicht  auf  die  bei  dem  kylonischen  Agos  gekränkten  Gottheiten;  sie  ist, 
wie  ein  früherer  Forscher  erkannte,  darum  aufgestellt  worden,  weil  Epi- 
menides den  Demeterkult  und  die  eleusinischen  Mysterien  wesentlich 
modifiziert  hat. 

C.  Robert,  De  Gratiis  Atticis  (Comment.  in  honoi'em  Theodori 
Mommsen,  Berolini  1877.  S  143-150). 

Der  Inhalt  läfst  sich  etwa  folgendermafsen  zusammenfassen.  Es 
wird  allgemein  angenommen,  sagt  der  Verf.,  dafs  in  Athen  ursprüng- 
lich nur  zwei  Chariten  verehrt  wurden  und  dafs  auch  die  späteren  Athe- 
ner nicht  aufhörten  zwei  Chariten  zu  verehren.  Man  beruft  sich  dabei 
auf  Pausan.  IX  35  §  1—3,  7    die  ßöoter  sagen,  dafs  Eteokles  zuerst  den 


Athen.  345 

Chariten  geopfert  hat;  sie  wissen,  dafs  er  eine  Dreibeit  von  Chariten 
feststellte,  erwähnen  aber  die  Namen  nicht.  Die  Lakedämonier  nehmen 
zwei  Chariten  an,  Kleta  und  Pbaenna;  den  Dienst  habe  Lakedämon, 
der  Taygete  Sohn,  gestiftet.  Es  sind  diese  beiden  Namen  angemessen; 
die  attischen  sind  es  ebenfalls,  denn  von  altersher  verehren  auch  die 
Athener  (nur)  Auxo  und  Hegemone  als  Chariten;  nämlich  Karpo  ist 
keine  Charis,  sondern  eine  Höre;  die  andere  Höre  wird  in  Athen  zu- 
gleich mit  Pandrosos  verehrt,  und  diese  nennen  sie  Thallo.  Zn  drei 
Chariten  sind  wir  erst  durch  Eteokles  gelangt.  Der  delische  Apoll  trägt 
drei  Chariten  auf  seiner  Hand  und  ebenso  befinden  sich  zu  Athen  am 
Eingange  der  Burg  drei  Chariten;  es  wird  bei  ihnen  eine  mystische 
Weihe  vollzogen.  Abweichend  von  der  späteren  Weise  sind  sie  nicht 
nackt,  sondern  bekleidet.  Sokrates,  Sophroniskos'  Sohn,  hat  den  Athe- 
nern diese  Bilder  {dyakiiara)  gearbeitet'.  Aus  letzterem  Umstände  er- 
hellt, dafs  schon  in  perikleischer  Zeit  drei  Chariten  auf  der  Burg  ver- 
ehrt wurden.  Nach  Belegen  für  die  aus  Tansanias  zu  entnehmende  Zwei- 
zahl sieht  man  sich  vergeblich  um,  kein  attischer  Autor  hat  zwei  Cha- 
riten erwähnt,  ebensowenig  zwei  Hören.  Aus  Hymn.  V  12  'Qpai,  xoa- 
lieia^v  ist  nichts  zu  schliefsen  (vgl.  Baumeister  S.  173).  Nirgends  findet 
sich  XäptTs,  Xapkoiv^  da  doch  sonst  wo  es  mit  der  Zweizahl  Ernst  ist, 
Duale  —  To;  ^£cy,  rhdxoiv  angewendet  werden.  Auch  der  mit  dem  De- 
mos geehrten  Chariten  sind  nicht  zwei,  sondern  drei,  wie  ein  Bildwerk 
im  Varvakion  lehrt:  drei  tanzende  Mädchen,  Beischrift  [rö)]  d:^{ixoj  xal 
zaig  Xdpiatv].  —  Der  am  Eingang  der  Burg  geübte  Gottesdienst  ging 
aufser  den  Chariten  noch  Artemis-Hekate  und  Hertnes  an. 

Was  die  Namen  SaUw  Aö^cö  Kapm!}  angeht,  so  sind  es  verwandte 
Wortbildungen.  Auch  der  Sinn  ist  verwandt.  Danach  haben  wir  Thallo, 
Auxo  und  Karpo  für  eine  schwesterliche  Gruppe  zu  halten,  die  auch  im 
Kultus  durch  die  gleichen  Bräuche  gefeiert  zu  werden  und  als  Triade 
zusammen  zu  bleiben  bestimmt  war.  So  finden  wir  sie  denn  bei  Hygin 
alle  drei  in  gleicher  Eigenschaft,  freilich  nicht  als  Chariten,  sondern  als 
Hören,  und  dürfen,  wenn  die  Charis  Auxo  (Pausan. )  bei  gottesdienst- 
lichem Anlafs  geehrt  wurde,  erwarten,  dafs  bei  demselben  Anlafs  auch 
Thallo  und  Karpo  als  Chariten  vorkamen.  Pausanias  nun  aber  will 
§  2  zwar  Auxo  als  Charis  anerkennen,  Karpo  aber  ist  ihm  Höre,  ob- 
schon  er  doch  wohl  Bräuche  im  Auge  hat,  an  denen  auch  Karpo  teil- 
nahm. Wenn  es  nämlich  bei  ihm  heifst:  Tt/xiuac  yap  ix  naAacou  xal 
'Aßr^vaToc  Xdpizag  A'^j^uj  xat  ' flysp.dvy^v  •  rb  jap  r^?  KapnouQ  kazlv  o'j  Xä- 
ptzog  älld  "üpaq  övojxo.,  so  scheint  er  zu  sagen  'Athen  hat  ehrende 
Bräuche  für  die  Chariten  Auxo  und  Hegemone,  und  zwar  seit  alter  Zeit; 
jetzt  ist  allerdings  auch  Karpo  Teilnehmerin  und  Mitinhaberin  der  Cha- 
ritenbräuche, also  ebenfalls  Charis,  aber  eine  unechte,  denn  sie  ist  erst 
in  historischen  Zeiten  hinzugekommen  und  gehört  nicht  wie  jene  ur- 
sprünglich zum  Charitengeschlecht,  sondern  zum  Geschlecht  der  Hören'. 


346  Griechische  Sakralaltertümer. 

Was  also  dem  Pausanias  wirklich  vorlag,  war  eine  gottesdienstliche  Ver- 
biuduug  Karpos  mit  Auxo  und  Hegemone,  in  der  auch  Karpo  eine  Charis 
war,  und  au  das  was  wirklich  vorlag,  müssen  wir  uns  halten,  von  Pau- 
sanias' Hypothese,  Karpo  sei  keine  geborene,  sondern  eine  gemachte 
Charis,  durchaus  absehn,  da  er  vom  älteren  Kultus  keine  Kunde  haben 
konnte.  Noch  weiter  wird  Thallo  von  den  Chariten  abgetrennt  durch 
Pausanias,  nämlich  nicht  blofs  für  eine  Höre  erklärt,  sondern  auch  einem 
andern  Dienste,  dem  der  Pandrosos  zugeschoben,  §  2  zfi  8s  evipq.  ribv 
'üpujv  vs/jiou<Tcv  6/j.oü  zfj  Ilavdpoaoj  zcfiäg  ol  'Af^rjvacoc,  ßaXXtu  rijv  f^suv 
livoiiäZovreg.  Aber  in  dem  Ephebenschwur,  Poll.  VHI  106  "laxopeq  beoi 
''AypaoXog  'EvodXcog  ^'AprjQ  Zeug  OaXXuj  Ao^cö  "Ilyspovrj^  sind  die  drei  letzten 
Gottheiten  zusammenzufassen  und  als  engverbunden  anzuerkennen,  so 
dafs,  wenn  Auxo  eine  Charis  ist,  auch  Thallo  eine  sein  mufs.  Bei  diesen 
gesonderten  Triaden,  Auxo  Karpo  Hegemone  (Triade  die  dem  Pausanias 
vorlag)  und  Thallo  Auxo  Hegemone  (Triade  die  sich  aus  dem  Ephebenschwur 
ergiebt),  dürfen  wir  nun  nicht  stehen  bleiben,  wenn  anders  Thallo  Auxo 
und  Karpo  zu  einander  gehörten  und,  ihrer  Bestimmung  nach  wenigstens, 
nicht  zu  trennen  waren.  So  gelangen  wir  denn  zu  einer  Tetrade:  Thallo 
Auxo  Karpo  Hegemone.  In  dieser  sind  Thallo  Auxo  und  Karpo  Cha- 
riten, mithin  Charitennamen  und  Horennamen  nicht  verschieden.  'Hege- 
mone' kennen  wir  als  Beinamen  der  Arterais  und  das  bezügliche  Ma- 
terial führt  auf  eine  so  nahe  Verwandtschaft  zwischen  Arterais-Hegemone 
und  Hekate,  dafs  wir  glauben  dürfen,  es  werde  mit  diesen  drei  Namen 
eine  und  dieselbe  Göttin  bezeichnet.  Hegemone  also  ist  Artemis-Hekate, 
eine  Glaubensthatsache,  die  in  späteren  Zeiten  vergessen  war,  wie  denn 
Pausanias  die  Hegemone  für  eine  Charis  gehalten  hat.  —  Soweit  die 
Inhaltsangabe.  — 

Dafs  Hegemone  mit  Artemis-Hekate  zu  identifizieren  sei,  hat 
A.  Furtwängler  (Mitteil.  III  128)  gebilligt  und  unstreitig  sind  die  vom 
Verf.  S.  146  beigebrachten  Stellen  der  Identifikation  günstig;  vgl.  auch 
Orph.  Hymn.  I  elg  Exärrjv  v.  7  rjjsiJ.6vrjV  vüiKprjv  xouporp6(pov  xtX.  Aber 
wer  die  Gleichung  Hegemone  =  Artemis-Hekate  annimmt,  wird  Poll.  VIII 
106  und  Paus.  IX  35,  2  für  eine  Zweizahl  von  Chariten  (Hören)  be- 
nutzen können.  Was  erstlich  Poll.  VIII  106  angeht,  so  stellen  die  drei 
letzten  der  Schwurgötter  Qallü)  Au$w  'Hyepowj,  zwei  Nebengottheiten  — 
Hören  oder  Chariten  —  und  als  dritte  die  Hauptgottheit  Hegemone  = 
Artemis-Hekate  dar.  Der  Verf.  freilich  will  S.  146,  dafs  im  Texte  des 
Pollux  AapTTiö   ausgefallen   sei  eine  Behauptung,    auf   die   man  sich 

nicht  einzulassen  braucht,  obwohl  die  sieben  Schwurgötter  allerdings  nur 
auf  Pollux  beruhen,  nicht  auch  auf  Stob.  Floril.  43,  48,  wo  der  Schwur 
ohne  Schwurgötter  überliefert  ist,  Hermann  Staatsalt  §  121,  6.  S.  149 
stellt  der  Verf.  dilemmatisch  auf,  der  Text  des  Ephebenschwurs  sei 
richtig,  Karpo  fehle,  aber  sie  fehle  nur  scheinbar,  in  Wahrheit  befinde 
sie  sich  unter  den  sieben  Schwurgöttern  als  Agraulos,  die  hier  des  Amtes 


Athen.  347 

der  Karpo  walte  (eius  muuere  fuugi).  Wir  sollen  also  die  erste  Scliwur- 
gottbeit  (Agraulos)  über  Enyalios  Ares  und  Zeus  hinweg  mit  den  drei 
letzten  verbinden.  Aber  auch  wenn  die  Abfolge  dem  dilemmatischen 
Vorschlage  des  Verf.  günstiger  wäre,  müfste  gegen  eine  maskierte  Karpo 
Protest  erhüben  werden;  wie  der  Ephebenschwur  Thallo  und  Auxo  ohne 
Karpo  nennt,  so  fehlt  Karpo  auch  bei  Clemens  Alex.  Protr,  S.  22  Pott 
ilix.rj  ziQ  xa\  KXio^d)  xai  jlrr/zat^  xac  ^'Arpono;  xai  Etfxapasi'Yj ,  Au$u)  ~e 
xat  HaUiö,  ai  'Arrcxa:,  welche  Stelle  der  Verf.  nicht  berücksichtigt  hat. 
^  Dann  Paus.  IX  35,  2.  Dürfen  wir  aus  den  Worten  zcfxojcyc  ydp  xrX. 
den  Schlufs  ziehn,  Pausanias  kenne  Auxo  Hegemone  und  Karpo  als  eine 
gottesdieustlich  vereinigte  Triade  —  S.  145  tres  deas  (Auxo  Hegemo- 
nen Carpo)  cultu  conjunctas  cognitas  habet  (Pausanias)  —  so  stellt  sich 
wiederum  Hegemone  =  Artemis- Hekate  mit  zwei  charitischen  Neben- 
gottheiten dar.  Ob  wir  Thallo  hinzunehmen  müssen  ist  fraglich.  Wie- 
wohl nämlich  unzweifelhaft  Thallo  Auxo  und  Karpo,  seit  man  die  Triade 
so  festgestellt  hatte,  auf  Kooperation  gewiesen  und  natürliche  Schwestern 
sind  ,  auch  wo  sie  für  sich  allein  als  tanzende  Gruppe  gedacht  oder  ge- 
bildet werden,  die  Dreizahl  keinem  Zweifel  unterliegt,  konuie  doch  wo 
sie  in  persönliche,  ganz  menschliche  Verhältnisse  eintraten,  die  Schranke 
gesprengt,  die  schwesterliche  Zusammengehörigkeit  aufgegeben  werden. 
So  kommt  eine  vereinzelte  Charis  Pasithee  vor;  Pasithee  soll  nämlich 
heiraten.  Ein  persönliches  Verhältnis  ist  es  auch,  wenn  Chariten  einer 
höheren  Göttin  als  Zofen  dienen,  und  die  homerischen  Fürstinnen  pfle- 
gen nicht  mehr  als  zwei  Zofen  zu  haben,  worauf  die  Bezeichnung  diKpl- 
■noloi  zu  beruhen  scheint;  vgl.  zu  Odyss.  I  331,  auch  Wieseler  zu  0.  Müllers 
Denkm.  B.  I  n.  42  (Hebe,  geführt  von  zwei  geringeren  Gottheiten).  Da- 
von unabhängig  kann  man  in  Betretf  der  Hören  die  Frage  thun,  ob  nicht 
Karpo  anfänglich  gefehlt  habe,  weil  bei  otpat  zunächst  immer  der  Lenz 
vorschwebte.  —  Über  die  drei  Charitenbilder  am  Eingang  der  Burg, 
bei  denen  geheime  Weihen  stattfanden,  hat  Pausanias  sich  nicht  ausge- 
sprochen, vielleicht  um  die  Schleier  des  Kultus  nicht  zu  sehr  zu  lüften. 
Da  ihm  Auxo  und  Hegemone  Chariten  sind,  so  könnte  er  eins  von  den 
Bildern  für  Auxo  und  eins  für  Hegemone  gehalten  haben;  war  dann 
das  dritte  in  seinen  Augen  eine  Karpo,  so  haben  wir  wieder  Hegemone 
mit  ihren  beiden  Dienerinneu.  Aber  Pausanias  könnte  auch  von  einer 
bestimmten  Benennung  der  für  den  Geheimdienst  benutzten  Bilder  ganz 
haben  absehen  wollen.  Dem  grofsen  Publikum  wurde  wohl  weiter  nichts 
gesagt  als  dafs  es  Charitenbilder  seien  und  darauf  beschränkt  sich  Pau- 
sanias. Ob  man  den  Geweihten  sagte,  es  seien  die  drei  Gestalten  der 
Hekate  oder  was  man  ihnen  sonst  sagte ,  läfst  sich  nicht  untersuchen. 
Obwohl  ich  in  wesentlichen  Punkten  dem  Verf.  nicht  beitreten 
kann,  auch  noch  anderes  -  Pyrphoios  als  Beinamen  der  Artemis,  s. 
Philol.  XXHI  491  und  CI.A.  Hl,  p.  83  n.  268,  das  Malsgebende  von 
Dualen  \\ie  rw  Dtw  (hä.y.oiv   für   eine  etwaige  Zwciheit  der  Chariten  — 


348  Griechische  Sakralaltertümer. 

zu  beanstanden  hätte,  ist  es  mir  doch  nicht  leid  gewesen  mich  mit  der 
Schrift  zu  beschäftigen.  Sie  ist  anregend  und  die  Vermutung  Hegemone 
betreffend   scheint  beachtenswert. 

W.  Dittenberger,  Die  attische  Panathenaidenära  (Commenta- 
tion.  in  honorem  Theodori  Mommsen,    Berolini  1877  S.  242  -  253). 

Auf  Inschriften  kommen  gezählte  Panathenaiden  vor  und  zwar  die 
7.  Lebas -Waddington  1620b,  die  29.  C.I.A.  Uli  p.  420  n.  1194,  die 
35.  a.  0.  p.  431  n.  1202.  Während  nun  frühere  Forscher  die  1.  Pana- 
thenaide  an  Hadrians  Besuch  in  Athen  geknüpft  haben,  sucht  der  Verf. 
zu  zeigen,  dafs  die  Panathenäidenreihe  von  dem  nach  Chr.  126/7  zu 
setzenden  Jahre  der  Agonothesie  des  Herodes  Atticus  laufe.  —  Im  Ein- 
gange werden  Vorfragen  erledigt.  Die  Datierung  nach  einer  gezählten 
Panathenaido,  z.  B.  kßooiij]  llavrSrjVatdi  L.-W.  1620b,  ist  nicht  so  zu 
nehmen  als  stehe  hier  die  Wahl  zwischen  vier  Jahren  frei,  sondern  wir 
haben  an  die  grofsen  Panathenäeu  und  das  Jahr  derselben  zu  denken. 
Von  den  drei  Belegen  L.-W.  1620b.  CI.A.  III  1194  und  1202  läfst  uns 
nur  der  zweite  unsicher  über  die  Bedeutung  der  gezählten  Panathenaide, 
der  erste  und  der  dritte  führen  bestimmt  auf  die  grofse  Feier.  (Da- 
nach ist  denn  auch  der  zweite  Beleg  im  C.I.A.  III  S.  420  einem  grofsen 
Panathenäenjahre  zugewiesen.  —  Alles  plausibel.)  -  Eine  zweite  Vor- 
frage gilt  dem  attischen  Kalenderjahre  der  hier  in  Betracht  kommenden 
Zeiten.  Der  Verf.  bemerkt,  es  "stehe  jetzt  fest,  dafs  vor  dem  Jahre 
139/40  nach  Chr.  das  Neujahr  auf  Boedr.  1  verlegt  sei.  (Das  Jahr  15 
seit  des  hochseligeu  Hadrian  erster  Anwesenheit  in  Athen,  welches  ein 
am  1.  Boedr.  beginnendes  Schaltjahr  gewesen  zu  sein  scheint,  C.I.A. III 
n.  1023,  ist  dem  Verf.  139/40  nach  Chr.;  er  setzt  nämlich  das  l.  Jahr 
der  Hadriansära  125/6  nach  Chr.  —  Allgemein  anerkannt  ist  die  Ver- 
legung des  Neujahrs  auf  1.  Boedr.  nicht,  s.  Unger  Zeitrechnung  der 
Griechen  und  Römer  §  42,  und  auch  ich  hege  noch  Zweifel ,  füge  mich 
aber  vorläufig  den  für  die  Verlegung  sprechenden  Gründen.)  Seit  der 
Änderung  des  Jahranfangs  ist  also  der  Monat  der  grofsen  Panathenäen 
nicht  mehr  der  erste  des  je  dritten,  sondern  der  vorletzte  des  je  zweiten 
attischen  Kalenderjahres  der  Olympiade. 

Der  Verfasser  wendet  sich  nun  den  einzelnen  Inschriften  zu  und 
sucht  Anhaltspunkte  auf,  welche  dienen  können  sie  in  Bezug  zu  den  Re- 
gierungszeiten der  Kaiser  zu  setzen  und  so  wenn  nicht  bestimmte  Jahre, 
so  doch  Grenzen  zu  erreichen.  Durch  Kombination  von  Lebas- Wadding- 
ton 1620b  mit  der  auf  demselben  Stein  stehenden  Inschrift  L.-W.  1620a 
ergeben  sich  als  Grenzen  der  7.  Panathenaide  130/1  —  154/5  nach  Chr., 
mithin  als  Grenzen  der  1.  106/7—130/1.  Durch  Erörterung  der  chro- 
nologischen Anhaltspunkte  welche  C.I.A.  III  n.  1202  darbietet,  wird  die 
Frühgrenze  noch  um  vier  Jahre  hinabgerückt;  die  in  n,  1202  vorkom- 
mende 35.  Panathenaide  ist  frühestens  246/7,  also   Pan.   1  frühestens 


Athen.  349 

110/1  zu  setzen.  Zu  einer  noch  tieferen  Hinabrückung  der  Frühgrenze 
führt  die  Wahrnehmung,  dafs  in  n.  1202  zwei  Söhne  des  Historikers 
Dexippos  als  Epheben  verzeichnet  werden.  Dexippos  hat  267  nach  Chr. 
die  Gotlien  besiegt;  hätte  er  246/7  nach  Chr.  erwachsene  Söhne  gehabt, 
so  würde  er  zur  Zeit  seines  Gothensieges  70  Jahr  gewesen  sein.  Da- 
nach ist  für  die  in  n.  1202  vorkommende  Panathenaide  35  frühestens 
254/5  nach  Chr.  anzunehmen,  was  für  Pan.  1  die  Frühgreuze  118/9 
nach  Chr.  ergiebt.  Somit  ist  festgestellt,  dafs  die  Panathenaidenära  ent- 
weder 118/9  oder  122/3  oder  126/7  oder  130/1  anfing.  (Die  Spätgrenze 
ist  die  aus  L.-W.  1620  a  und  b  ermittelte.  -  Gegen  diese  Bestimmun- 
gen ist  meines  Erachtens  nichts  einzuwenden.) 

Endlich  läfst  sich  noch  die  Spätgrenze  (130/1)  beseitigen.  Aus 
der  Gleichung  Panathenaide  1  =  130/1  nach  Chr.  folgt  für  Pan.  35  der 
Spätansatz  266/7  und  dieser  Ansatz  mufs  aus  folgenden  Gründen  ver- 
worfen werden.  Die  in  n.  1202  erwähnte  35.  Panathenaide  wird  die- 
jenige sein,  bei  welcher  laut  n.  716  der  Historiker  Dexippos  Agonothet 
war.  Eben  dieselbe  Panathenaide  ist  n.  70a  zu  verstehen;  aus  dieser 
Inschrift  ersehen  wir,  dafs  der  Historiker  Dexippos,  Agonothet  der 
grofsen  Pauathenäen,  sich  der  Ausrüstung  des  Panathenäenschiffes  an- 
nahm und  das  Bild  der  Göttin  aufstellte,  zh  soo{g  -rj]g  d^eoö  äviavrjlasv}. 
Der  rjMtoyoQ  naXMoog  KaXnoöpvtog  UpüxXo;  n.  1202  lin.  14 f.  hat  nichts 
zu  thun  mit  dem  hippischeu  Spiele  der  Heuiochen  und  Apobaten;  der 
welcher  die  Pallas  fährt,  mufs  derjenige  sein  welcher  das  von  Dexippos 
herrührende  edog  in  einem  Prozessionswagen  auf  die  Burg  befördert. 
(Diese  einmalige  Handlung  also  hätte  dem  der  sie  ausführte,  den  Titel 
eines  ijVio^og  IlaXMdog  gegeben?  sachgemäfs  war  Partizip.  Überhaupt 
müssen  die  Bräuche  jüngerer  Zeit  möglichst  auf  ältere  zurückgeführt 
werden.  —  Dafs  überall  dieselbe  35.  Panathenaide  zu  verstehen  sei, 
scheint  indes  der  Verf.  mit  Recht  anzunehmen.)  Ist  nun  aber  die  35.  Pa- 
nathenaide der  n.  1202  die  von  Dexippos  als  Agonotheten  ausgerüstete, 
so  kann  sie  nicht  266/7  nach  Chr.  angesetzt  werden  und  ergiebt  sich  als 
Spätgrenze  262/3,  mithin  für  Pan.  1  126/7.  (Wenn  wir  Dexippos'  Gothen- 
sieg  mit  dem  Verf.  in  das  Jahr  267  setzen,  so  wird  266/7  allerdings 
weniger  wahrscheinlich  für  die  von  Dexippos  ausgerüstete  Panathenaide  35. 
Noch  nachher,  als  Dexippos  seiner  Agonothetenpflicht  bereits  genügt 
hatte,  n.  716  lin.  5  dyüJVoBsryjaavra  tojv  /xeydXojv  IIava9rjVrxuov ,  und 
seine  Kinder  ihm  Denkmal  und  Inschrift  widmeten,  herrschte  tiefer 
Friede,  von  Einfällen  der  Barbaren  und  Feldherrnschaft  des  Dexippos 
wufste  und  ahnte  man  nichts,  n.  716  lin.  10  —  17.  Dafs  aber  noch  nach 
den  Pauathenäen  (nach  Anfang  August)  267  keine  Barbarenkämpfe 
in  Aussicht  standen,  ist,  wenn  dieselben  in  267  zu  setzen  sind,  weniger 
glaublich.  —  Allerdings  werden  die  Barbarenkämpfe  auch  zwei  Jahre 
später  gesetzt;  doch  mit  Unrecht  wie  es  scheint.)  Die  Panathenaiden 
laufen  also  von  118/9  oder  von  122/3  oder  von  12G/7  nach  Chr. 


350  Griechische  Sakr.alaltertümer. 

Der  Verf.  nun  findet  es  wahrscheinlich,  dafs  die  Panathenaidenära 
veranlafst  sei  durch  die  glänzende  Ägonothesie  des  Herodes  Atticus 
und  die  von  ihm  in  Aussicht  gestellte  Erbauung  des  panathenäischen 
Stadiums.  Als  Jahr  der  Ägonothesie  nimmt  er  126/7  an,  indem  für 
Herodes'  Archontat,  C.I. A.  III  n.  735,  127/8  zu  vermuten  sei  und  dies 
Amt  ihm  als  Belohnung  für  seine  im  Vorjahr  bewiesene  Freigebigkeit 
zuteil  geworden  sein  möge.  (Die  Vermutung  Herodes  habe  127/8  das 
Archontenamt  verwaltet,  beruht  auf  der  meines  Erachtens  unhaltbaren 
Hypothese  ,  dafs  die  von  Hadrians  Besuch  in  Athen  datierende  Ära  von 
125/6  ab  zu  rechnen  sei;  Herodes  nämlich  war  nach  n.  735  und  69  a  Archou 
im  3.  Jahre  seit  Hadrians  Besuch  in  Athen.  —  Dafs  das  Agonothetenjahr 
und  das  Archoutenjahr  des  Herodes  einander  unmittelbar  folgen,  trägt 
wenig  oder  nichts  aus  um  des  Verf.  System  zu  empfehlen.  —  Die  An- 
nahme, man  habe  von  125/6  ab  Jahre  seit  Hadrians  Besuch  gezählt  und 
gleich  im  folgenden  Jahre  dem  Herodes  dieselbe  Ehre  erwiesen,  ist  un- 
passend, überhaupt  sind  zwei  Ären  so  nebeneinander  wenig  wahrschein- 
lich. Vielleicht  liefse  sich  der  Versuch  machen ,  beide  an  126/7  = 
Ol.  226,  2  zu  knüpfen  und  statt  zweier  Ären  nur  eine  anzunehmen.  Die 
hadrianische  Jahrreihe  konnte,  sei  es  duich  blofsen  Zufall  sei  es  durch 
eine  den  Gegebenheiten  zu  Hülfe  kommende  Absicht,  so  eingerichtet 
sein,  dafs  sie  Panathenaiden  darstellte.) 

U.  Köhler,  Dokumente  zur  Geschichte  des  athenischen  Theaters 
(Mitteil.  III  (1878)  S.  104—134,  229  -258)  und  Corp.  Inscr.  Attic.  II  2 
p.  394  410  n.  971—977.  Auch  ist  Mitteil.  IV  S.  228,  2  berück- 
sichtigt. 

Die  Inschriften  n.  971 — 977  sind  gröfstenteils  bei  Abräumung  des 
Südfufses  der  Burg  1876  f.  gefunden.  N.  972  war  schon  früher  bekannt, 
von  einigen  der  übrigen  Nummern  dies  oder  jenes  Stück. 

Die  Komödie  ist  spät  rezipiert,  Aristot.  Poet.  5  xal  jap  lopov 
xaj/iatdwv  6(f>s  noza  6  äp^ajv  eSojxe.  Diese  vage  Bestimmung  wird  etwas 
mehr  eingegrenzt  durch  n.  97la.  \Ee\vox)^£iorjg  s^fopriyat,  MäyvrjQ  idcSaa- 
x£V.  zpaycudüiv  llepLxXr^^  XoXap.  S'/opij.^  Alayukog  B[d]toa(Tx£\v'\.  Es 
erhellt,  dafs  der  Lustspieldichter  Magnes  zur  Zeit  des  Äschylos  (f  456) 
und  Perikles  (f  429)  ein  Stück  aufgeführt  hat  an  den  grofsen  Dionysien, 
welchem  Feste  sämtliche  Verzeichnungen  der  n.  971  zu  gelten  scheinen. 
Da  dem  Äschylos,  als  er  seinen  letzten  Sieg,  mit  der  Orestee,  458  davon- 
trug, nicht  Perikles,  sondern  ein  anderer  als  Choreg  zur  Seite  stand,  so 
mufs  der  in  Fragm.  a  gemeinte  Agon  vor  458  fallen.  —  Vermutungsweise 
können  wir  noch  einen  Schritt  weiter  gehen.  Nach  Plutarch  hat  Peri- 
kles 40  Jahre  am  öffentlichen  Leben  teilgenommen.  Diese  Angabe  be- 
ruht vielleicht  darauf,  dafs  er  Choreg  war  bei  der  Aufführung  von  Äschylos' 
Sieben  gegen  Theben  im  Jahre  467;  von  467  bis  429  verlaufen  annä- 
hernd 40  Jahre.    Die  Angabe  stammt  also  aus  dem  Choregenverzeichnis 


Athen.  351 

und  wir  dürfen  glauben,  dafs  sich  Fragm.  a  auf  den  Agon  von  467  be- 
zieht. Danach  ist  denn  die  Komödie  schon  467  vor  Chr.  als  Teil  der 
dionysischen  Feste  öffentlich  anerkannt  gewesen.  (Dittenberger  u.  a.  sind 
dieser  Hypothese,  die  in  der  That  sehr  ansprechend  ist,  beigetreten. 
Sicher  ist,  dafs  die  Komödie  vor  458  rezipiert  ward).  —  Aus  C.I.G. 
n.  231  =  C. I.A.  n  n.  972  und  Hypothesis  Ar.  Plut.  hat  man  erkannt, 
dafs  seit  dem  Anfang  des  IV.  Jahrh.  im  komischen  Agon  nicht  mehr  je 
drei,  sondern  je  fünf  Stücke  konkurrierten.  Die  neuen  Funde  (n.  975) 
lehren,  dafs  die  Fünfzahl  von  komischen  Konkurrenten  überhaupt  jün- 
geres, noch  um  die  Mitte  des  II.  Jahrh.  befolgtes  Herkommen  war. 

Unterschiede  der  leuäischen  Dramatik  von  der  diony- 
sischen. Namen  von  Festen  kommen  in  n.  971-977  nicht  vor;  die 
Vermutung  n.  977  s  lin.  1  [-wv  Arjvaixujv  vixSjv]  zu  setzen,  entbehrt 
jedes  Anhaltes.  Um  die  Besonderheiten  der  Lenäen  und  Dionysien  zu 
ermitteln  und  die  Frage,  ob  an  beiden  Schauspielfesten  dieselben  Gattun- 
gen vorkamen  oder  nicht,  zu  entscheiden,  werden  wir  uns  anderswohin 
-wenden  müssen.  Die  Bestimmungen  über  das  Verkünden  eines  Kranzes, 
welche  aus  älterer  Zeit  sind,  nennen  nicht  den  Namen  des  Festes,  an 
welchem  die  Verkündigung  stattfinden  soll.  Es  ist  nämlich  in  dem  De- 
kret von  Ol.  92,  3  =  vor  Chr.  410/9  Arch.  Glaukippos  CI.  Ä.  I  p.  35 
n.  59  zu  schreiben  xai  [dvsmeTv  -ov  xijpuxa  rpaywdujv  zw]  dyujvc  a>v 
h[exa  abzov  u  dr^fiog  eazE(fdvoja]s.  (Der  Verf.  mifsbilligt  also  stillschwei- 
gends  die  C I. A.  a.  0.  vorgeschlagene  Ergänzung  xa\  [dvairnlv  Aiovo- 
mu)v  ....  Tw]  dycuvc.)  Ähnlich  heifst  es  in  einem  393  vor  Chr.  nach 
der  Schlacht  bei  Knidos  abgefafsten  Dekret  C.I.  A.  II  p.  397  n.  10  b  o 
ok  x\rjpi)$  dvajopzuadzüj  iv  tcD  Bsd'puj]:  or[a]y  o[j|  Tpa[yu>ool  Cdgl  oti 
b  dr^po;  ü  'ABrj]vo.iiuv  xtX.  Aus  den  beiden  Dekreten  ergieht  sich  für 
die  Zeit  bis  393,  dafs  nur  an  einem  Feste  und  wie  nicht  zu  bezweifeln, 
an  dem  der  grofsen  Dionysien  Trauerspiele  vorkamen.  Wären  auch  an 
den  Lenäen  Trauerspiele  vorgekommen,  so  würde  TpaywSujv  ro»  dycuvc 
{orav  oc  rpaywool  ojat)  eine  unzureichende  Bestimmung  gewesen  sein. 
(Später,  in  dem  1883  erschienenen  2.  Bande  des  C.I.  A.  II,  hat  der  Verf. 
Ausnahmen  von  dieser  Tragödienlosigkeit  des  Lenäenfestes  zugelassen. 
P.  397  n.  972  Kol.  II  nämlich  sind  tragische  Aufführungen  von  Ol.  90,  1 
und  2  =  vor  Chr.  420/18  verzeichnet;  ihre  Anzahl  ist  verhältnismäfsig 
klein  und  aus  der  geringeren  Zahl  möchte  der  Verf.  auf  das  geringere 
Fest,  die  Lenäen,  scbliefsen.  So  würde  sich  denn  so  ziemlich  das  er- 
geben, was  man  bei  A.  Müller  Bühnenaltert.  S.  315f.  ausgesprochen 
findet:  in  den  letzten  Dezennien  des  V.  Jahrhunderts  sei  zwar  ein  tra- 
gischer Lcnäenagon  eingerichtet  gewesen,  aber  es  habe  derselbe  zunächst 
nicht  jedes  Jahr  stattgefunden;  erst  später  sei  er  jährlich  begangen  wor- 
den. In  diese  Übergangszeit  würde  denn  auch  Agathons  tragischer  Le- 
näensieg  Ol.  90,  4  (vgl.  Heort.  46)  gehören,  nicht  als  Ausnahme,  indem 
wir  vielmehr  tragödicnlose  Lenäen   als  Ausnahme  zu  betrachten  hätten. 


352  Griechische  Sakralaltertümer. 

Ich  halte  U.  Köhlers  Schlufsfolgerungen ,  besonders  die  aus  C. I.A.  II 
n.  972  gemachte,  nicht  für  zwingend,  aber  ein  künftiger  Forscher  wird 
doch  jedenfalls  von  den  Köhlerschen  Ansichten,  etwa  mit  der  Modifi- 
kation die  ihnen  A.  Müller  gegeben  hat,  ausgehen  müssen.) 

Agonothesie.  Bei  einigen  P'esten  erhielten  diejenigen,  welche 
mit  ihren  Chören  gesiegt  hatten,  als  Preis  einen  Dreifufs  und  pflegten 
denselben  im  Bezirk  des  Festgottes  aufzustellen  unter  Zufügung  einer 
kurzen  Aufschrift,  die  der  Mit-  und  Nachwelt  den  Sieg  verkündete. 
Solcher  Aufschriften,  die  man  choregische  nennen  kann,  haben  sich  viele 
erhalten.  Sehen  wir  ab  von  einer  Minderzahl  choregischer  Titel,  die 
bald  so  bald  anders,  auch  wohl  metrisch,  also  nach  privater  Willkür 
abgefafst  sind,  so  können  wir  sagen,  dafs  es  zwei  Arten  gebe:  eine  jede 
mit  einer  gewissen  Strenge  und  Amtlichkeit  formuliert,  so  dafs  private 
Willkür  ausgeschlossen  ist.  (Die  eine  stellt  sich  beispielsweise  in  Athe- 
näon  I  S.  170  n.  3  dar:  ' lsiJUJWiJ.og  Ad^rjTog  'ExaXrjBev  jf^oprjywv  svixa 
Jsojvn'Sc  Alyr^tSc  natdwv  ^  EuxXrjg  ioidaaxs,  die  andere  in  C.  I.  Gr.  n.  225 
o  drjLLog  i^oprjyEc,  Uuddparog  ^p^sv,  dywvod^zrr^g,  0paaoxXrjg  ßpacrükXou 
AexeXaaug,  'Irmo&aivug  nacoujv  ivcxa,  ßiujv  Orjßaiog  rjuXet,  Upovo/xog  0rj- 
ßacog  e8l8aaxe)  Die  eine  Art  nennt  einen  einzelnen  Bürger  als  Cho- 
regen, die  andere  beginnt  mit  u  8r^/xog  exoprjyet  und  weiterhin  erscheint 
immer  ein  Agonothet.  Manche  haben  in  der  Agonothesie  etwas  Vor- 
übergehendes, eine  durch  die  Umstände  gebotene  Mafsnahme  erblicken 
wollen,  aber  es  ist  vielmehr  in  den  Titeln  die  einen  Bürger  als  Chore- 
gen nennen,  ein  älteres,  in  denen  die  auf  Choregie  des  Volkes  und  auf 
Agonothesie  lauten,  ein  jüngeres  Herkommen  zu  erkennen.  Rangabis 
hat  das  richtig  bemerkt.  In  den  besseren  Zeiten  Athens  war  die  Cho- 
regie Sache  der  einzelnen  Bürger,  Agonotheten  gab  es  nicht;  die  Ago- 
nothesie mufs  später  aufgekommen  sein.  Ebendahin  führen  die  Archonten- 
namen,  welche  den  choregischen  Titeln  nicht  selten  zugefügt  sind.  Einige 
derselben  C.I.Gr.  n.  22Gb,  Rang.  n.  976,  Bullet.  II.  S.  392  und  396 
nötigen,  wenn  Lesung  und  Ergänzung  richtig  ist,  zu  der  Annahme  einer 
Übergangszeit,  während  welcher  man  bald  dem  älteren,  bald  dem  jün- 
geren Herkommen  folgte.  Allein  solch  ein  Nebeneinander  ist  wenig  wahr- 
scheinlich ,  da  in  einem  bestimmten  Jahre  durch  Staatsdekret  die  Cho- 
regie der  Einzelnen  abgeschafft,  die  des  Volkes  nebst  dem  Agonotheten- 
tum  eingeführt  sein  wird.  Bei  näherer  Prüfung  ergiebt  sich  denn  auch, 
dafs  es  mit  jenen  vier  anscheinenden  Zeugnissen  nicht  viel  auf  sich  hat, 
und  dafs  der  späteste  Beleg  des  alten  Herkommens  nicht,  wie  nach  den 
dubiösen  Lesungen  C.I.Gr.  n.  226b  Xapcag  r^p^e  und  Rang.  n.  776  'Apta- 
zap^og  rjpj(_ev  anzunehmen  wäre,  aus  der  Zeit  nach  Ol.  121,  2  (Ende  der 
aufs  Jahr  sicheren  Archontate),  sondern  aus  Ol.  115,  1  Arch.  Neächmos 
ist,  die  beiden  Belege  des  neuen  Herkommens  Bullet.  II  S.  392  und  396 
aber  wahrscheinlich  dem  Jahre  Ol.  118,  2  Arch.  Anaxikrates  zuzuweisen, 
mithin  als  früheste  Belege  desselben  anzusehen  sind.  ( Letzteres  ist 
weniger  sicher,  da  es  noch  einen   zweiten  Archon  des  Namens  Anaxi- 


Athen.  353 

krates,  den  von  125,  2,  giebt;  doch  entscheidet  sich  auch  Reisch  S.  83 
für  118,  2.)  Es  mufs  danach  das  bezügliche  Staatsdekret  in  einem  der 
Jahre  115,  2 — 118,  2  erlassen  sein,  am  meisten  empfiehlt  sich  Ol.  117,  4 
=  309/8  vor  Chr.  Arch.  Demetrios,  weil  Demetrios  von  Phaleron  ja  auch 
manche  andere  Neuerungen  gemacht  hat.  (Auf  dieser  von  U.  Köhler 
trefflich  hergestellten  Grundlage  hat  Reisch  fortgebaut,  übrigens  im  De- 
tail nicht  immer  beistimmend.  Siehe  unten  S.  369.)  -  Das  über  jüngere 
und  ältere  Titel  choregischeu  Inhalts  Gesagte  gilt  nicht  von  ganz  späten 
Zeiten;  da  erscheint  wieder  der  Choreg,  neben  demselben  aber  auch  der 
Agonothet. 

Was  nun  den  Zweck  und  das  Wesen  des  Agonothetentums  betrifft, 
so  entnehmen  wir  aus  den  choregischeu  Titeln ,  dafs  es  sich  um  musi- 
sche Agouen  handelte.  Von  Gottheiten  und  gottesdienstlichen  Anlässen 
ist  in  den  nach  vorgeschriebenem  Schema  formulierten  Titeln  nie  die 
Rede,  aber  Dittenberger  Syll.  n.  422  heifst  es  [/]opr]yodvTsg  vcx^aavreg 
dvdße(ja[v  z]a>  äiowaa>  räyakiia  xal  zö/i  [ßcufxov],  und  auf  einem  bei 
Vari  befindlichen  Stein  rjouyd^ajzc  x^PV  ^^owaia  a[{j]ix[n]o7z  ev[txu}v'\, 
fivrjuoa'jvov  8k  {^zo)  vtxTjQ  zaoe  oiopov  [i'Br^xav],  Mitteil.  VII  S.  348,  Fas- 
sungen, die  private  Willkür  verraten.  Ebendasselbe  und  noch  manches 
aufserdem  entnehmen  wir  aus  etlichen  Ehrendekreten;  das  Volk  er- 
wählte den  Agonotheten  auf  ein  Jahr;  er  hatte  Sorge  zu  tragen  für  die 
(musischen)  Agonen  der  Dionysien  und  anderen  Feste  (C  I.  A.  II  n.  307), 
auch  gewisse  Opfer  zu  bringen  und  die  öffentliche  Aufstellung,  der  Preis- 
dreifüfse  zu  bewirken  (Athenäon  VII  S.  93).  Diese  Geschäfte  waren  mit 
bedeutenden  Ausgaben  verbunden;  dem  in  C  I.  A.  II  n.  379  belobten 
Agonotheten  kamen  sie  auf  7  Talente  zu  stehen.  Die  Agonothesie  war 
nicht  eine  dp/rj,  sondern  eine  irujiiXeia.  Wie  kam  man  nun  wohl  darauf, 
das  alte  Herkommen  der  Choregie  so  gänzlich  umzugestalten?  Ehedem 
hatte  die  einzelne  Phyle  aus  der  Zahl  ihrer  wohlhabendsten  Mitglieder 
den  Choregen  gestellt,  der  auf  seine  Kosten  die  Choreuten  zusammen- 
zubringen, sie  einüben  und  ausstaffieren  zu  lassen,  auch  den  als  Preis 
erlangten  Dreifufs  als  Denkmal  aufzustellen  hatte.  Aber  nachmals  ver- 
fügte nicht  jede  Phyle  über  eine  Anzahl  wohlhabender  Mitglieder,  unter 
denen  die  Choregie  herumgehen  konnte,  Geld  und  Gut  hatte  sich  in 
wenigen  Familien  angesammelt;  so  mufste  denn  das  alte  System  fallen. 
(Der  Verfasser,  ausgehend  von  n.  307  [iTTc/xs^jy^];^  ok  xat  tüjv  dywvujv 
TU))/  ze  AiovuataxuJv  xat  züjv  äXXujv ,  wird  wohl  seine  musische  Agono- 
thesie wenigstens  auch  auf  die  Thargelien  ausdehnen,  da  nach  ihm  dem 
Agonotheten  die  Sorge  'für  alle  auftretenden  Chöre'  oblag.  In  welchem 
Verhältnisse  wir  uns  den  umfangreichen  Geschäftskreis  eines  musischen 
Agonotheten  zu  der  auf  einzelne  Feste  gewieseneu  Agonothesie  zu  denken 
haben,  darüber  hat  der  Verfasser  sich  nicht  ausgesprochen.  Es  kommen 
Agonotheten  der  Theseen,  Eleusinien,  Panathenäen,  Delien  vor.     Nach- 

.Jahresbericht  für  AlterthumswissenBOhaft  LH.    (1887.  III.)  23 


354  Griechische  Saki-alaltertümer. 

träglich,  Mitteil.  IV  S.  328,  ist  der  Verfasser  auf  den  Gegenstand  ge- 
kommen, hat  ihn  aber  nicht  hinreichend  erörtert.) 

E.  Petersen,    Über    die  Preisrichter  der  grofsen   Dionysien   zu 
Athen.     Dorpater  Festprogramm  zum  12.  Dezember  1878.     25  S. 

Eine  Revision  der  älteren  Ansichten,  besonders  der  Sauppeschen. 
Nach  Sauppe  wurden,    wie  der  Verfasser  S.  22  und  1  f.  berichtet,  zu  je- 
dem Agon   von  den   Ratsmitgliedern   derjenigen  Stämme,   welche  Chöre 
für  den  Agon  stellten,  unter  Mitwirkung  der  Choregen,  solche  die  geeignet 
schienen   Bühneuleistungen   zu   beurteilen,   aus   allen  Athenern   gewählt. 
(^Dissens  des  Verfassers:  ein  Verfahren,  wie  Sauppe  es  sich  dachte,  würde 
zur  Parteilichkeit  geführt  haben;   es  ist  vielmehr  anzunehmen,  dafs  von 
allen  Stämmen   und  von  jedem  aus  seiner  eigenen  Mitte  gewählt  ward.) 
Die  Namen  der  Gewählten  that  man  in  Urnen,  deren  so  viele  waren  wie 
der  Agonen.     (Dissens  des  Verfassers:  die  Zahl  der  Urnen  ist  vielmehr 
mit  der  der   attischen  Stämme   übereingekommen.)     Die  Urnen  wurden 
dann   von   den  Prytanen   und  den  Choregen  versiegelt  und  den  Schatz- 
meistern  zur   Aufbewahrung  im   Opisthodom   des  Parthenon  übergeben, 
von  wo  man   sie   zu   den  Agonen    ins  Theater  schaffte.     Die   gewählten 
Bühnenrichter  fanden   sich    im  Theater  ein  ohne  offizielle  Aufforderung, 
nur  von  ihren  Wählern  benachrichtigt ;  allen  anderen  unbekannt  prüften 
sie  die  Leistungen  und  notierten  ihr  Urteil,   zu  welchem  Ende  sie  eine 
Schreibtafel,  Ypa/j.iuxzecov,  bei  sich  hatten.    (Dissens  des  Verfassers:  das 
von   Sauppe   angenommene  Inkognito   der  fungierenden   Richter   stimmt 
nicht   mit   der  Benutzung  des  ypcx/jL/xa-scov ,  durch  die  sich  der  Hinein- 
schreibende  notwendig  in  seiner  richterlichen  Eigenschaft  verriet;   auch 
werden  die  bei  Aristophanes  vorkommenden  Anreden  an  die  Richter  na- 
türlicher    wenn  wir  uns  diese    au   bestimmtem,   dem  Publikum  wohlbe- 
kannten Platze  denken.)    Nach  Beendigung  jedes  Agons  öffnete  der  Ar- 
chon  die  Urnen,  um  zu  losen,  und  zwar  zog  er  fünf  Namen  aus  den  Ur- 
nen; die  fünf  Gezogenen  wurden  dann  vereidigt    (Dissens  des  Verfassers: 
des  Richters  Schwur  konnte  nur   der  sein,  ordentlich  zuhören  und   ge- 
wissenhaft  richten  zu   wollen,   daher  denn   ein  Schwur  nach  dem  Agon 
nicht  zu  statuieren  ist;  der  Archon  wird  vor  Anfang  des  Agons  eine  ge- 
wisse Anzahl  aus  den  Gewählten  durchs  Los  erkoren  und  die  Erkorenen 
dann  sogleich  herbeigerufen  und  vereidigt  haben.    Was  nach  dem  Agon 
stattfand,    war  nicht  das   Schwören,    sondern   eine  abermalige   Losung, 
durch  welche  aus  der  Zahl  derer,  die  die  Bühnenleistung  geprüft  hatten, 
eine  Minderzahl    auserlesen    ward,    um   den   entscheidenden   Spruch   zu 
fällen )     Die  Entscheidung  der  fünf  ward  als  Endurteil  verkündigt. 

Obwohl  des  Verfassers  Ansichten  sich  aus  dieser  Zusammenstellung 
entnehmen  lassen,  wird  es  doch,  da  in  derselben  die  ältere  Hypothese 
leitend  war,  die  jüngere  nur  als  Abweichung,  einigermafsen  parergisch, 
gegeben   ist,   noch  aufserdem  nötig  sein,   den  Hergang  und  die  Aufein- 


Athen.  355 

anderfolge  der  einzelnen  Akte  nach  des  Verfassers  Setzungen  zur  Über- 
sicht zu  bringen,  wobei  sich  denn  auch  einiges  in  der  Zusammenstellung 
nicht  Enthaltene  hinzufügen  lassen  wird.  Der  Verfasser  also  denkt  sich 
die  Sache  so.  Eine  Zeit  laug  vor  dem  Feste  der  Dionysien  wählten 
unter  Mitwirkung  der  Choregen  die  Ratsmitglieder  der  zehn  (zwölf,  drei- 
zehn) Stämme,  jeder  Stamm  aus  sich,  eine  Anzahl  von  Männern,  aus 
welcher  demnächst  die  prüfenden  Bühnenrichter  zu  bestellen  waren.  Der 
einzelne  Stamm  that  die  von  ihm  Gewählten  in  eine  besondere  Urne,  so 
dafs  bei  zehn  Stämmen  der  Urnen  zehn  waren.  Eine  jede  enthielt  etwa 
doppelt  so  viele  Namen,  als  der  Stamm  unter  den  Prüfenden  Vertreter 
haben  sollte.  Die  Urnen,  von  den  Prytauen  und  den  Choregen  ver- 
schlossen und  versiegelt,  wurden  zunächst  im  Opisthodom  aufbewahrt. 
War  nun  das  Fest  herangekommen  und  die  vorläufig  von  den  Schatz- 
meistern der  Göttin  behütete  Zebnzahl  von  Urnen  ins  Theater  geschafft, 
so  begann  die  Erlösung  der  Bühueurichter.  Unmittelbar  vor  dem  An- 
fang eines  jeden  Agons  griff  der  Archen  in  jede  der  Urnen  und  zog, 
wodurch  eine  Beteiligung  aller  Stämme  erreicht  ward.  (Der  Verfasser 
bezeichnet  S.  22  diesen  Punkt  als  besonders  wichtig;  auch  wer  über  die 
Zahl  der  Urnen  anders  denke,  habe  die  Beteiligung  aller  Stämme  bei 
jedem  Gericht  festzuhalten.)  An  die  Erlösung  der  Prüfenden  schlofs 
sich  ohne  Verzug  die  feierliche  Vereidigung.  Die  Mitglieder  des  so  zu- 
stande gebrachten  Kollegiums  hatten  sich  an  den  ihnen  gebührenden 
Platz  zu  setzen  und  der  szenischen  Produktion  aufmerksam  zu  folgen, 
auch  das  Urteil,  zu  dem  sie  gelaugten,  in  ibre  Schreibtafeln  zu  notieren. 
Nach  dem  Agon  folgte  eine  zweite  Ziehung;  aus  denen,  die  hörend  und 
schauend  die  Leistung  geprüft  und  das  Ergebnis  niedergeschrieben  hatten, 
wurde  eine  ungerade  Zahl ,  fünf  bei  zehn  Stimmen,  bei  zwölf  (dreizehn) 
vielleicht  sieben,  ausgelost.  Dies  zweite  kleinere  Kollegium,  gleichsam 
ein  Komitee,  gebildet  aus  Mitgliedern  des  ersten,  hatte  die  Entschei- 
dung zu  fällen.  —  Wir  haben  also  drei  Gesamtheiten  auseinanderzu- 
halten, die  durch  Wahl  der  Stämme  zum  Bühnenrichteramt  Vorgeschla- 
genen (die  Präsentierten),  die  aus  diesen  erlosten  Bühneurichter,  welche 
zu  prüfen  hatten,  endlich  die  wiederum  aus  den  prüfenden  Richtern 
durch  eine  zweite  Losung  erkorenen  entscheideuden  Richter. 

Abgesehen  von  dem  einleitenden  Verfahren  (Präsentation  seitens 
der  Stämme,  Bewahrung  der  Namen  u.  s.  w.)  scheint  der  Verfasser  den 
Hergang  für  alle  Agonen  gleich,  also  bei  drei  Agonen  ebenso  viele  erste 
Losungen,  Vereidigungen  und  zweite  Losungen  anzunehmen,  indem  bei 
den  ersten  Losungen  immer  neue  Namen  gezogen,  die  einmal  gezogenen 
nicht  wieder  eingeworfen  wurden  für  den  folgenden  Tag. 

Sind  denn  nun  die  drei  Vereidigungen,  die  sechs  Losungen,  über- 
haupt die  ganze  Hypothese  des  Verfassers  durch  vorliegende  Beweis- 
stellen und  innere  Wahrscheinlichkeit  so  unterstützt  und  so  empfohlen, 
dafs  der  Zweifel  einmal  zum  Schweigen  gebracht  ist?  A.  Müller,  Bühuen- 

23* 


356  Griechische  Sakralaltertümer. 

altert.  S.  369ff. ,  bejaht  diese  Frage;  er  betrachtet  des  Verfassers  Er- 
gebnisse als  sicher  und  bat  sich  denselben  durchaus  angeschlossen;  vgl. 
indes  a.  0.  S.  372  Note  1  a.  E.,  wo  eine  kleine  Meinungsverschiedenheit 
hervortritt. 

Unstreitig  ist  E.  Petersens  Modifikation  der  Sauppescben  Ansichten 
im  allgemeinen  sehr  ansprechend  und  wofern  es  sich  um  ein  aut  aut 
zwischen  den  beiden  Hypothesen  handelte,  würde  man  allerdings  der 
jüngeren  Hypothese  vollständig  beitreten  müssen.  Aber  ein  organisches 
Ganze,  das  sich  nur  en  bloc  annehmen  liefse,  haben  wir  nicht  vor  uns, 
die  Sentenz  mufs  geteilt  werden.  Was  aus  Lysias  4,  3  gefolgert  wird, 
dafs  das  Kollegium  der  Prüfenden  mehr  Mitglieder  hatte  als  das  der 
Entscheidenden,  dafs  letzteres  aus  ersterem  mittelst  Loses  gebildet  ward, 
dafs  diese  Losung  nach  der  Aufführung  statt  hatte,  ist  sicher.  Ein  amt- 
liches Sitzen  der  Richter,  welches  auch  äufserlich  hervortrat  durch  einen 
ihnen  gewiesenen  besonderen  Platz  im  Theater,  hat  einen  hohen  Grad 
von  Wahrscheinlichkeit  (vgl.  Demosthenes  21,  18  nphg  toTq  xjjt-aTg,  was 
örtlich  zu  nehmen  ist).  Die  früher  vermutete  nachagonische  Vereidi- 
gung hat  E.  Petersen  in  überzeugender  Weise  widerlegt,  ohne  Zweifel 
war  das  Schwören  ein  voragonischer  Akt;  voragonische  Vereidigung  folgt 
mit  aller  Evidenz  aus  der  Midiana. 

Der  Annahme,  dafs  jede  Phyle  ihre  Urne  gehabt  habe,  giebt  Isokr. 

17,  33  wenig  Anhalt.    Der  Verfasser  scheint  die  Worte  Ilod^üdiofjov 

dvo:'$avTa  zag  bdptag  xai  zoog  xptzäg  e^eXuvza  so  verstanden  zu  haben, 
als  überliefere  der  Redner,  dafs  von  Pythodoros  alle  Urnen  geöffnet  und 
alle  Richternamen  herausgenommen  seien.  Letzteres  findet  er  rednerisch 
übertrieben,  ersteres  acceptiert  er  und  schliefst,  dafs  nicht  jeder  Ägon 
seine  Urne  gehabt  haben  könne;  'wenn  nämlich',  bemerkt  er  S.  21,  'Py- 
thodoros die  Urnen,  nicht  blofs  eine  öffnete,  so  müfste  er,  falls  jeder 
Agon  seine  Urne  hatte,  nicht  blofs  an  einem  Agon,  sondern  an  allen 
einen  persönlichen  Anteil  gehabt  haben,  was  schwer  denkbar  ist' .  Hatte 
also  nicht  jeder  Agon  seine  Urne,  so  folgt  —  ein  Drittes  giebt  es  nicht 
—  dafs  jeder  Phyle  eine  Urne  zukam,  die  Gesamtzahl  der  Urnen  der 
Phylenzahl  gleich  war.  Aber  sehr  leicht  könnte  zag  bopcag  rednerisch 
und  ungenau  sein  (wie  die  Mehrheit  von  Goldschmieden,  Demosthenes  21 
§62  zwv  ipudo^öiuv  auf  Rhetorik  hinauskommt;  §21  zoo  ipöaüiöou\ 
und  Pythodoros  nur  eine  einzige  Urne  geöffnet  haben.  Übrigens  ist  des 
Verfassers  Ansicht  über  die  Urneuzahl  keineswegs  von  der  Hand  zu  wei- 
sen, nur  dafs  Isokr.  a.  0.  keinen  hinreichenden  Beweis  ergiebt. 

So  weit  also  ist  die  jüngere  Hypothese  zwingend  oder  doch  an- 
nehmbar. Aber  die  Losungen  vor  jedem  Agon  und  die  an  den  Tagen 
nach  dem  ersten  stattfindenden  Vereidigungen  flöfsen  Zweifel  ein. 

Eine  erste,  jedem  Agon  vorangehende  Auslosung  prüfender  Richter 
wird  aus  Plutarch,  Kimon  8  gefolgert.  Es  heifst  daselbst,  der  Archen 
habe  in  Anbetracht  der  grofsen  Aufregung  des  Publikums  keine  Richter 


Athen.  357 

erlost  (ix^pcoae),  sondern  —  aufserordentlicherweise  —  die  (ohne 
Zweifel  eben  vor  Beginn  der  Aufführung  ins  Theater  tretenden)  zehn 
Feldherren  vereidigt.  Wir  müssen,  meint  der  Verfasser  S.  20,  verstehen, 
dafs  die  Feldherren  um  die  Zeit  und  Stunde  in  Eid  genommen  wurden, 
wo  der  Archon  nach  regelmäfsigem  Verfahren  die  prüfenden  Bühnen- 
richter hätte  auslosen  sollen.  Das  hat  seine  Richtigkeit.  Allein  es  beun- 
ruhigt, dafs  aus  Plutarch  zwar  die  'erste',  nicht  aber  auch  die  'zweite' 
Auslosung  entnommen  wird,  Lysias  aber,  dessen  Darstellung  4,  3  eine 
Richter-Auslosung  nach  dem  Agon  —  die  zweite  dem  Verfasser  zufolge 
—  mit  Sicherheit  ergiebt,  wiederum  von  einer  'ersten'  voragonischen 
Auslosung  nichts  zu  verstehen  giebt.  So  kann  sich  denn  ein  Zweifel 
regen,  ob  Plutarch  uns  nicht  irreführt,  und  der  Zweifel  steigert  sich 
durch  die  Erwägung,  dafs  vermöge  jenes  Schlusses  aus  Kimon  8  sich 
der  Hergang  weniger  gut  gestaltet,  indem  er  umständlicher  wird  und 
an  Würde  verliert.  Verwirft  man  das  indirekte  Zeugnis  des  Plutarch, 
so  fallen  die  ersten  Losungen  weg,  alle  von  den  Phylen  erwählten  Richter 
schwören  vor  dem  Agon  des  ersten  Spieltages,  um  sich  dann  gleich  an 
ihren  Platz  zu  begeben  und  der  Bühnenleistung  prüfend  zu  folgen,  und 
es  bedarf  nur  dieser  einen  Eidesleistung  für  das  ganze  Dionysienfest. 
Dafs  sich  an  den  Dionysien  bei  jedem  Agon  die  Handlung  des  Schwö- 
rens  vor  flammenden  Opfern  wiederholt  habe,  stimmt  nicht  recht  mit 
der  Würde  eines  solchen  Aktes;  man  schwur  wohl  gelegentlich  der 
grofsen  Eingangsopfer  des  ersten  Tages  und  zündete  nicht  an  den  fol- 
genden Tagen  kleine  Opfer  um  der  Eidesabnahme  willen  an.  Ich  glaube 
also,  dafs  wir  uns  einer  Folgerung  aus  dem  plutarchischen  ix^pwae  zu 
enthalten  haben;  nicht  als  ob  kxdXeaz  statt  ixXrjpwae  in  den  Text  zu 
setzen  wäre,  sondern  weil  Plutarchs  Darstellung  verkehrt  sein  wird;  er 
hat  ja  auch  sonst  so  manches  auf  dem  Kerbholz.  —  Für  den  ersten 
Spieltag,  denjenigen,  an  welchem  die  Chöre  auftraten,  steht  der  vor- 
agonische  Akt  des  Schwörens  durch  Demosthenes  21,  17  fest.  Wenn 
Plutarch  überliefert,  dafs  an  einem  Dramentage  der  Richtereid  geleistet 
ward  {opxuxjag  r^vdyxaas  xuHcaa:  xal  xplvai  xr/),  so  folgt  nicht,  dafs 
nach  sonstigem  Herkommen  vor  den  dramatischen  Agonen  Eidesabnahmen 
stattfanden;  der  Vorgang  war  ein  abnormer,  die  plötzlich  herangezoge- 
nen zehn  Feldherren  mufsten,  um  nicht  alle  Formalien  preiszugeben, 
wenigstens  den  üblichen  Eid  leisten.  —  Wer  nur  Losungen  nach  den 
Agonen  statuiert,  wird  anzunehmen  haben,  dafs  die  Namen  der  durchs 
Los  zur  Entscheidung  Berufenen  wieder  eingeworfen  wurden  für  den  fol- 
genden Tag. 

Über  ü  oiä  rAvzojv  xptrTjg  bei  Piaton,  Staat  IX  580  B  bemerkt 
der  Verfasser  S.  24,  '  wer  durchs  Los  zur  kleinen  Zahl  der  Entscheiden- 
den berufen  wurde  und  vorher  sowohl  unter  den  Gewählten,  in  der  Urne 
gelegen,  als  auch  danach  unter  den  Prüfenden  gesessen,  also  durch  alle 
Stadien   oder  besser  durch  alle  Kollegien  (auch  die  Gewählten  im  Kol- 


358  Griechische  Sakralaltertümer. 

legiura?)  hindurchgegangen  war,  konnte  treffend  als  o  oca  ndvzcov  xpt- 
TTjg  bezeichnet  werden'.  Danach  wäre  jeder  der  fünf  entscheidenden 
Richter  ein  8tä  ndvzivv  xpirrjg  und  8iä  ndvrwv  für  die  Platonstelle  ganz 
überflüssig.  Der  Zusammenhang  bei  Piaton  führt  dahin,  oiä  Tzdvnov  auf 
die  zu  beurteilenden  Objekte  zu  beziehen,  also  ndvTiuv  für  Genitiv  von 
ndvTa  zu  halten;  ein  bei  allen  Agonen  Beteiligter,  der  mithin  über  sehr 
verschiedene  Leistungen  zu  entscheiden  hat,  wird  von  Piaton  dem  ver- 
glichen, der  urteilen  soll  über  den  ßaatkxug,  rcpLoxparixos  u.  s.  w.  Statt 
nun  etwa  eine  stehende  Einrichtung  zu  statuieren,  vermöge  welcher  es 
einen  Präses  unter  den  fünf  gab,  der  an  allen  Spieltagen  derselbe  blieb, 
an  den  folgenden  Spieltagen  also  nur  vier  hinzugelost  wurden,  läfst  sich 
darauf  hinweisen,  dafs,  wenn  durch  Wiedereinwurf  der  Namen  derer, 
die  die  Entscheidung  gefällt,  die  Gesamtheit  der  Bühnenrichter,  aus 
welcher  man  zog,  für  jeden  neuen  Agon  wiederhergestellt  wurde,  eine 
und  dieselbe  Person  bei  allen  Agonen  unter  die  Entscheidenden  kommen 
konnte. 

Guil.   Petersen,    Quaestiones    de   historia    gentium   Atticarum. 
Schleswig  1880.     150  S.     Inaugural-Diss. 

Von  den  attischen  Geschlechtsfolgen,  die  der  Verfasser  sich  zur  Be- 
handlung ausgewählt  hat,  berühren  etliche  (Eumolpiden,  Keryken,  Bu- 
zygen,  Eteobutaden)  das  sakrale  Gebiet,  daher  denn  auch  auf  Dinge, 
die  demselben  angehören,  in  den  Quaestiones  eingegangen  wird.  So 
ist  z.  B.  im  IX.  Abschnitt  'Buzygae'  von  dem  Ahnherrn  Buzyges  die 
Rede,  dazu  von  dem  Eigennamen  Epimenides,  den  buzygischen  Ver- 
wünschungen, den  drei  heiligen  Pflügen;  auch  wird  vermutet,  das 
buzygische  Priestertum  sei  in  später  Zeit  erloschen  oder  beinahe  er- 
loschen. Alles  dies  ist  in  gedrängter  Kürze  vorgetragen  und  macht  nicht 
mehr  als  etwa  ein  Zehntel  des  Abschnittes  aus.  Diese  Kürze  ist  auf 
Kosten  der  Sache  erreicht;  die  von  Bofsler  angeregte  Frage,  ob  in  Epi- 
menides Buzyges  der  Kreter  zu  erkennen  sei,  erörtert  der  Verfasser 
nicht,  auch  die  Dissertation  von  C  Schultefs  wird  nicht  berücksichtigt; 
die  Vermutung  über  das  Erlöschen  des  buzygischen  Priestertums  in  später 
Zeit  wird  aufgestellt  ohne  Heranziehung  des  inschriftlichen  Materials 
(C.  I.  A.  III  n.  71.  273.  294),  aus  welchem  das  Vorhandensein  buzygi- 
scher  Priestertümer  für  späte  Zeiten  erhellt.  So  ist  denn  diese  Partie 
unzulänglich,  und  ähnliches  gilt  von  den  übrigen  gottesdienstlichen 
Exkursen.  Mit  mehr  Sorgfalt  hat  der  Verfasser  die  Genealogien  fest- 
gestellt und  historische  Notizen  für  die  einzelneu  in  den  Geschlechts- 
folgen vorkommenden  Personen  zusammengetragen;  dafs  die  Kompilation 
der  Nachrichten,  die  für  die  Familie  des  Kallias  und  Hipponikos  zu 
Gebot  stehen,  von  Fleifs  zeugt,  hat  auch  W.  Dittenberger  anerkannt. 
Die  genannte  Familie  gehörte  zu  den  Keryken,  deren  Beziehungen 
zu  Welt  und   Leben  sich   aus  den  biographischen  Fragmenten,   welche 


Athen.  359 

die  Quaestioues  enthalten,  recht  gut  entnehmen  läfst.  Dies  ist  auch  für 
die  Sakralaltertümer  keineswegs  gleichgültig;  die  Eumolpiden  haben  eine 
andere  öffentliche  Stellung  gehabt  als  die  Keryken. 

P.  Foucart,  Le  culte  de  Pluton  dans  la  religion  eleusinienne. 
Bulletin  de  corresp.  hellen.  VII  (1883)  p.  387—404.  —  Note  sur  repoque 
de  la  fete  des  A^wa  p.  514. 

Die  Untersuchung  ist  angeregt  worden  durch  die  eben  damals  (im 
Jahre  1883)  in  Eleusis  gefundene  Inschrift  aus  dem  Jahre  des  Kephi- 
sophon  Ol.  112,  4,  in  welcher  die  eleusinischen  Epistaten  und  die  Schatz- 
meister der  Göttinnen  Rechenschaft  ablegen.  Die  jetzt  unter  n.  834  b 
in  das  Corpus  Inscr.  Attic.  II  2  aufgenommene  Inschrift  enthält  nämlich 
mehrere  Erwähnungen  eines  im  Bau  begriffenen  Plutonstempels  (ro  zoü 
nXourcuvog)\  auch  kommt  das  Haloenfest  vor.  -  Der  Verfasser  zeigt, 
dafs  Lykurg  Urheber  des  Tempelbaus  gewesen  sein  mufs.  Nach  C.  I.  A.  II  2 
p.  522  n.  834b  Col.  I  lin.  11  [dp\^i[T]ixTovi  o  npoiXaßev  Auxoupyoo  xe- 
Xzüaavzog  xzX  hat  Lykurg  dem  Architekten  einen  Vorschufs  verschafft; 
er  war  112,  4  noch  Finanzdirektor.  Lykurg  hat  den  Plutonsdienst  nicht 
blofs  durch  Erbauung  des  Tempels  in  Eleusis  gefördert,  sondern  wahr- 
scheinlich auch  jene  dem  Pluton  im  städtischen  Eleusinion  zu  begehen- 
den Lektisternien  eingerichtet,  von  welchen  uns  C.  L  A.  II  2  n.  948 — 950 
Kunde  geben.  —  Unter  den  Ausgaben  der  sechsten  Prytanie  Arch.  Ke- 
phisophon  betrifft  die  erste  den  Altar  des  Pluton  und  die  Altäre  der 
beiden  Göttinnen,  p.  525  Col.  II  lin.  4;  sie  wurden  vermutlich  für  die 
auf  der  Inschrift  wenig  später  (lin  8)  erwähnten  Haben  zurecht  ge- 
macht, welche  mithin  dem  Pluton  und  den  beiden  Göttinnen,  Demeter 
und  Köre,  gegolten  haben.  Wenn  die  Haben  in  einem  Lukianscholion 
als  eine  eop-rj  ixoazrjpta  Tispiiy^ooaa  Ji^prjzpog  xal  KoprjQ  xal  Aiovuaou 
bezeichnet  werden,  so  darf  mau  das  für  eine  jüngere  Gestaltung  nehmen, 
in  der  Pluton  durch  Dionysos  verdrängt  ist.  Die  ältere  Trias  des  Ha- 
benfestes  erscheint  auch  p.  526  lin.  46  iTrap/ij  Arjprjxpt  xal  Köpjj  xal 
nXoÖTcuvt  p,  welcher  Posten  derselben  sechsten  Prytanie  angehört.  Plu- 
ton hat  längst  Anteil  gehabt  am  eleusinischen  Kultus;  offenbar  ist  in 
der  aus  dem  V.  Jahrhundert  vor  Chr.  herrührenden  Aparchen  -  Inschrift 
Bull.  IV  S-  227  lin.  38  ro»  TpirnoXspio  xal  rw  &£w  xal  r^  Se^  xal  tw 
EößouXüj  lepelov  sxdffroj  ziXeiov  unter  o  %zöq  Pluton  zu  verstehen.  Ly- 
kurg also,  indem  er  den  Bau  eines  Plutonstempels  in  Eleusis  veran- 
lafste  und  dem  Pluton  Laktisternien  stiftete,  hat  nicht  einen  neuen 
Gottesdienst  eingeführt. 

Die  Kalenderzeit  der  Haben  hat  der  Verfasser  zweimal  besprochen, 
p.  395  und  in  dem  Nachtrage  p.  514.  Zuerst,  als  er  die  Haben  der 
fünften  Prytanie  (Ephemeris  1883  S.  119)  noch  nicht  kannte,  meinte  er 
aus  den  Haben  der  sechsten  Prytanie  (C.  I.  A.  II  2  S.  525  lin.  7)  den 
Gamelion  folgern  zu  dürfen;  auf  diesen  Monat  schien  der  Festkalender 


360  Griechische  Sakralaltertümer. 

von  Mykonos  zu  führen.  Nur  nebenher  liefs  er  die  Möglichkeit  zu,  dafs 
die  Haloenfeier  schon  vorüber  gewesen  und  die  Zahlung  für  ein  am 
Ende  der  vorigen  Prytanie  geliefertes  Stück  Arbeit  erfolgt  sei,  unter  wel- 
cher Voraussetzung  der  Poseideon,  nach  Philochoros'  Angabe,  Monat  der 
Haloen  gewesen  sein  könne.  In  dem  Nachtrage  tritt  er  mit  Rücksicht 
auf  Ephem.  1883  S.  119  entschieden  für  den  von  Philochoros  überliefer- 
ten Monat  Poseideon  ein.  —  Was  seine  gegen  Heort.  S.  320  gerichtete 
Polemik  angeht,  so  scheint  er  meine  abermalige  Besprechung  des  Gegen- 
standes (Delphika  S.  272  f.)  übersehen  zu  haben. 

U.  Köhler,  Inschriften   der  Ergastinen.    Mitteil,  des  deutschen 
Instituts  Vni  (1883)  S.  57-66. 

In  einer  englischen  Privatsammlung  zu  Petworth  House  (Sussex) 
giebt  es  einen  Inschriftstein,  der  Reste  zweier  attischer  Psephismen 
später  Zeit  darbietet.  Von  dem  einen  (Petworth  House  A)  sind  wenige 
fragmentierte  Zeilen  erhalten,  die  Überbleibsel  des  andern  (Petw.  B) 
sind  umfangreicher.  Dem  Verfasser  zufolge  beziehen  sich  die  beiden 
Psephismen,  wie  auch  C.  I.  A.  II  n.  477.  956.  957.  957  b  auf  die  Arbei- 
terinnen {ipyaaTcvai,  Hesych.),  welche  beauftragt  waren,  der  Göttin  Athena 
den  Peplos  herzustellen.  Petw.  A  lin.  2  f.  [x]ai  7:apaMß[u)]acv  -hv  i(pi- 
T£iov  nlenXov  .  .  .  -rt»  .  .]  c/idrcov  i$dyw[(Tcv]  scheint  bestimmt  zu  werden, 
wie  man  beim  Wechsel  des  heiligen  Gewandes  verfahren  solle.  'E^s- 
recog  'diesjährig'.  Die  Herstellung  von  Petw.  B  wird  unterstützt  durch 
das  sehr  verwandte  Fragment  C.  I.  A.  11  n.  477.  Wenn  n.  477  lin.  8  und 
Petw.  B  lin.  12  von  der  Wolle  (t«  ipca)  die  Rede  ist,  die  von  Mädchen- 
händen im  Dienst  der  Athena  verarbeitet  worden,  so  kann  es  scheinen, 
dafs  Wollenarbeit  wenig  pafst  für  das  stolze  Feierkleid  der  Göttin; 
allein  der  Ausdruck  ipyd^sa&ac  rd  epca  mag  aus  Zeiten  stammen,  da 
man  den  Peplos  noch  einfacher  herstellte.  Entschlagen  wir  uns  also 
der  durch  Schol.  Clem.  Alex.  p.  9  lin.  33  Pott  ttjv  XeyopLivrjv  eipemiovTjv 
(pr^ah  rjv  oüraig  nepcedoüvTsg  ipc'ocg  x-X  nahe  gelegten  Vermutung,  dafs 
an  die  Wollenfäden  der  Eiresione  zu  denken  sei.  (Früher,  C.  I.  A.  II  1 
p.  285,  hatte  der  Verfasser  diesem  Gedanken  Raum  gegeben  und  die 
ipta  n.  477  lin.  8  auf  die  Eiresione  bezogen.)  Es  wurden  ja  der  Göttin 
nicht  viele  Eiresionen,  sondern,  so  viel  man  weifs,  nur  eine  einzige  dar- 
gebracht, und  um  einen  Ölzweig  mit  Wolle  zu  bewickeln,  können  doch 
nicht  hundert  oder  noch  mehr  Jungfrauen  thätig  gewesen  sein  —  aus 
den  Inschriften  ergiebt  sich  nämlich,  dafs  100  bis  120  Jungfrauen  dem 
epyd^sa&at  r«  ipta  obgelegen  haben.  Es  bleibt  also  nur  übrig,  an  den 
Peplos  und  die  Ergastinen  zu  denken.  —  Unter  den  verzeichneten  sind 
etliche  nachweislich  aus  vornehmen  Familien,  daher  zu  vermuten  steht, 
dafs  überhaupt  nur  adelige  Mädchen  an  der  heiligen  Arbeit  teilnahmen. 
—  Das  sTzl  Ar^ixo^dpoug  dp'/ovTog  abgefafste  Dekret  Petw.  B  gehört  dem 
Schrjftcharakter  nach  in  die  Zeit  vor  Chr.  100,  99,  98  .  .  .;  von  diesem 


Athen.  361 

Archon  Demochares  zu  scheiden  ist  ein  jüngerer  'Demochares,  Nach- 
folger des  Demetrios',  Athenäoii  VI  S.  190,  der  in  den  Jahren  vor  Chr. 
50,  49,  48  .  .  .  amtiert  hat;  vgl.  C  I.  A.  III  n.  1014  (s.  A.  Dumont,  Bul- 
letin I  S.  36  und  C.  I.  A.  III  1  S-  511).  Das  Psephisma  C  I.  A.  II  n.  477 
dürfte  ebenfalls  in  die  Zeit  vor  Chr.  100,  99,  98  ...  gehören  uud  [im 
npoxX]£oüg  äpy^ovToq  herzustellen  sein.  Prokies  (C.  I.  A.  II  n.  985)  war 
Archon  vor  Chr.  98/7  =  Ol.  170,  3;  Peplen  brachte  man  nur  dar  an 
dem  grofsen  Feste,  auf  welches  Petw.  B  lin.  22  f.  \yoo  dycDvoj&drou  tüjv 
Ilavaßr^vrxtujv  führt,  mithin  haben  wir  dritte  Olympiadenjahre  für  die  be- 
züglichen Psephismen  zu  wählen.  Die  spärlichen  Reste  der  Datierungen 
gestatten  eine  Herstellung  auf  Hekatombäon  U  =  Pryt.  1  Tag  11; 
zum  11.  Hek.,  einige  Tage  vor  den  Panathenäen,  hat  der  Peplos  fertig 
sein  müssen.  (Das  an  drei  Stellen  gesetzte  Tiinlüv  ist  an  keiner  sicher. 
Petw.  B  lin.  12  uud  13  beruht  es  vollständig  auf  Ergänzung;  Petw.  A 
lin.  2  giebt  die  Kopie  iifs-ecov^  der  dem  Abklatsch  folgende  Text  i<pi- 
Tstov  n[s7i^ov'?],  wo  das  vom  Verfasser  zugefügte  Fragezeichen  entweder 
Undeutlichkeit  des  Buchstabens  n  im  Abklatsch  anzeigt,  oder  darauf 
geht,  dafs  hier  des  mangelnden  Zusammenhanges  wegen  jede  Ergänzung 
dubiös  sei.  —  100  bis  120  Arbeiterinnen,  um  eine  Eiresione  zu  fabri- 
zieren, sind  allerdings  unwahrscheinlich,  aber  auch  die  Peplosarbeit  hat 
man  wohl  nicht  in  so  viele  Hände  gegeben.  Die  attischen  Mädchen, 
von  deren  Belobung  und  Bekränzung  die  Psephismen  reden  und  deren 
Namen  phylenweise  geordnet  folgen,  haben  nicht  blofs  Wollenarbeit  ge- 
macht im  Dienst  der  Athena,  sondern  auch  eine  goldene  Schale  zu 
100  Drachmen  geschenkt  uud  zwar  sowohl  im  Jahre  des  Demochares  als 
in  dem  des  Prokies  Ol.  170,  3.  Das  Verzeichnis  nun  wird  die  Namen 
derjenigen  enthalten,  deren  Väter  zu  den  100  Drachmen  beigesteuert 
haben.  Eine  Minderzahl  der  verzeichneten  wird  sich  dem  ipydC^a&ac 
T«  ipca  gewidmet  haben,  für  das  Verzeichnis  ist  das  nebensächlich.) 

W.  Dörpfeld,  Ein  antikes  Bauwerk  im  Piräus.    Mitteil,  des  deut- 
schen Instituts  IX  (1884)  S.  279—287 

U.  Köhler,  Die  Genossenschaft  der  Dionysiasten  im  Piräus.    Eben- 
daselbst S.  288—298. 

Gelegentlich  der  Aushebung  von  Fundamenten  für  ein  neues  Theater 
wurden  1884  im  Piräus  (Karaiskakisplatz,  Nordwestecke)  antike  Bau- 
reste aufgefunden;  sie  lagen  etwa  zwei  Meter  unter  der  heutigen  Ober- 
fläche. Man  fand  auch  drei  Inschriften.  Die  Reste  von  Mauern,  Estrichen, 
Zisternen,  Hallen  u.  a.  ergeben,  dafs  hier  einst  zwei  grofse  Gebäude 
waren,  ein  rechteckiges  Haus  mit  vielen  Gemächern  uud  ein  an  die  West- 
seite dieses  Recktecks  stofsender,  von  Säulenhallen  umgebener  Hof. 
Letzterer  lag  tiefer,  eine  Treppe  führte  von  dem  Hause  zu  ihm  hinab. 
Der  Hof  hatte  auf  drei  Seiten  Säulenhallen,  ob  auch  auf  der  vierten, 


362  Griechische  Sakralaltertümer. 

läfst  sich  noch  nicht  entscheiden;  die  Säulen  waren  vielleicht  dorisch; 
bei  der  östlichen  Halle  ein  Altar.  Der  Dionysostempel,  dessen  die  In- 
schriften erwähnen,  mufs  sich  innerhalb  des  Hofes  befunden  haben,  so  wie 
es  auch  in  Pompeji  einen  Tempel  giebt,  den  ein  Säulenhof  umschliefst; 
das  Innere  des  Hofes  ist  bisher  nicht  freigelegt.  Neben  der  Treppe, 
die  vom  Hause  zu  dem  Säulenhof  hinabführt,  ist  in  situ  eine  Plinthe 
mit  zwei  Vertiefungen  um  Inschriftstelen  aufzunehmen,  und  bei  der  Plinthe 
im  Schutt  die  Piräusinschrift  I,  ein  Psephisma  Arch.  Eupolemos,  aufge- 
funden worden  ;  I  liu.  30  f.  aber  liest  man  dvaypd[(pac  8s  zö  (fjrj^cafxrx 
rode  ev  ottj^jj  h&t'\vjj  xac  arr^aae  Tiapä  röv  vsdi  tou  Bsoä.  Den  Dionysos- 
tempel, Tov  vsuj  Too  &£oij,  habou  wir  hiernach  in  nächster  Nähe  bei  der 
Treppe,  ohne  Zweifel  innerhalb  des  Säulenhofes,  zu  dem  sie  hinabführte, 
zu  suchen.  (Über  diesen  Punkt  sind  die  beiden  Forscher  durchaus  einig.) 
Der  Raum,  welchen  der  Priester  Dionysios  den  Genossen  herrichten 
liefs,  dafs  sie  da  opferten,  Piräus-Inschr.  III  lin.  12  f.  töttuv  —  —  sie 
UV  aovcovzeg  Büa[cu]aiv  xaza  jxrjva  sxaarov  roi  Ö£ft>,  ist  der  Säulenhof 
um  den  Tempel,  in  II  lin.  2  reiievog  Büosv  genannt,  ein  Ort  unter  freiem 
Himmel.  (So  U.  Köhler,  Dörpfelds  Meinung,  der  ronog  eis  ov  xrX  sei 
ein  Saal  in  dem  Hause  gewesen,  ablehnend;  unter  Dach  wird  nicht  ge- 
opfert sein.) 

Die  drei  Inschriften  besagen  etwa  Folgendes.  Im  Eingange 
von  I  nennen  sich  fünfzehn  Orgeonen,  zuerst  der  Priester  Dionysios 
Agathokles'  Sohn  aus  Marathon,  der  wegen  freigebiger  Förderung  des 
Genossenschaftskults  in  diesem  ihm  geltenden  Ehrendekret  reiches  Lob 
erhält;  an  zweiter  Stelle  Agathokles  Dionysios'  des  Priesters  Sohn  aus 
Marathon,  einfacher  Orgeone  wie  die  weiter  folgenden.  Nach  der  Namen- 
liste beginnt  das  Dekret  i[m]  EuTtoXe/iou  äp^ovTug-  lloatdewvoQ  äyopa 
xopiq.'  zoo^ev  rocg  ätovoataazacg.  Die  Genossen  nennen  sich  in  ihren 
Urkunden  sy  aüvoSog,  ol  rijv  awooov  (den  Beitrag,  vgl.  C.I.  A.  II  n.  475) 
(pipüvzeg  rcD  ^£ai,  auch  —  in  den  Distichen  II  ^taaog^  am  häufigsten 
aber  opyewveg  und  äiovoaiaarai  Mit  Unrecht  hat  man  die  Bezeichnung 
dpyewvEg  auf  Verehrer  der  Göttermutter  beschränken  wollen.  —  Die 
Piräus- Inschrift  II  ist  metrisch,  drei  Distichen:  es  hat  dir,  Bakchos, 
diesen  Tempel  Dionysios  gegründet'  u.  s.  w.  —  III  Beschlufs  der  Ge- 
nossen aus  dem  Jahre  des  Archon  Hippakos,  datiert  wie  I.  Der  frei- 
gebige Priester  Dionysios  ist  gestorben;  was  die  Genossenschaft  ihm 
alles  zu  danken  hat,  wird  aufgezählt.  Die  Mitglieder  wollen  sein  An- 
denken ehren  in  seinen  Nachkommen,  und  übertragen,  wie  das  ihrem 
Gesetz  und  Herkommen  gemäfs  ist,  das  Priesteramt  auf  den  ältesten 
Sohn  des  Dionysios,  den  Agathokles,  und  zwar  auf  Lebenszeit.  Diony- 
sios aber  soll  ihnen  ein  Heros  sein,  sein  Bild  neben  dem  des  Bakchos 
aufgestellt  werden. 

Während  in    den  übrigen  Vereinen  der  Priester  durchs  Loos  er- 
nannt  wird   auf  Zeit,   haben   die   Dionysiasten   des  Piräus   die  Priester- 


Athen.  363 

würde  durch  Beschlufs  der  Genossenschaft  auf  Lebenszeit  Mitgliedern 
einer  und  derselben  Familie  verliehen.  Es  drücken  sich  die  Diouy- 
siasten  so  aus  (III),  als  sei  die  Wahl  eine  freie  gewesen;  man  mufs 
annehmen ,  dafs  sie  gebunden  war  an  die  Zustimmung  und  Bestätigung 
der  Genossen,  dafs  also  eine  condicio,  etwa  iäv  xal  zolg  opyeujac  ooxfj^ 
bestand.  Trotzdem  hat  das  Priesteramt,  wie  die  Inschriften  lehren,  that- 
sächlich  der  Familie  des  Dionysios  gehört.  —  Von  der  Familie  des  Dio- 
nysios  wird  auch  wohl  die  Stiftung  der  Genossenschaft  ausgegangen  sein, 
eine  Vermutung,  der  auch  die  Herkunft  aus  Marathon  Vorschub  thut, 
vgl.  C  I.  A.  II  u.  601  [rrjv]  jJ-kv  jicav  a-r\a\fu  £//  Mapad\u>vt  iv  tü>  tc/x£- 
vst  zoö  J:ov]'j(TO'j.  —  Das  rechteckige  Gebäude  mit  seinen  zahlreichen 
Gemächern  ist  das  Wohnhaus  der  Familie  des  Dionysios  gewesen;  das 
besondere  Verhältnis  dieser  Familie  zum  Kultus  der  Orgeönen  hat  da- 
hin geführt,   dafs  das  Kultlokal  der  Privatwohnung  angelehnt  wurde. 

Die  Piräus-Inschr.  III  bietet  das  erste  Beispiel  einer  Zuerkennung 
heroischer  Ehren,  lin.  46  ff.  (ppovzlaai  8k  roug  opyewvag,  onojg  dfrjpioa^fj 
äi\o\v()aiog  xal  ä[v]azsd^fj  kv  zw  tspu)  napä  rov  Bsov,  ono'j  xa[l]  o  r.azrjp 
auTüu.  Es  mufs  das  öfter  vorgekommen  sein;  so  wird  der  Staat  dem 
Phrurarchen  Diogenes,  der  nach  seinem  Tode  von  den  Epheben  durch 
Stieropfer  geehrt  wurde,  heroische  Ehren  zuerkannt  haben  (vgl.  CI.A.  II 1 
p.  249  n.  467  lin.  23). 

Die  drei  Piräus-Inschriften  gehören  in  die  Jahre  200  —  151  vor  Chr. 

W.  Ditten berger.  Die  eleusiuischen  Keryken.  Hermes  XX  (1885) 
S.  1  -  40. 

Das  attische  Geschlecht  der  Keryken,  zo  yevog  zö  KrjpOxojv,  be- 
ruhte auf  einer  genealogischen  Fiktion,  welche  den  Genneteo  einen  my- 
thischen Stammvater  gab.  Derartige  yivT]  sind  wohl  zu  scheiden  von 
eigentlichen  Geschlechtsfolgeu,  die,  wie  des  Buselos  aus  Öon  Nachkom- 
men, die  Buseliden,  auf  einen  menschlichen  Ahnherrn  zurückgingen  und 
ihre  Verwandtschaft  darthun  konnten,  während  jene  mythisch  begrün- 
deten yivrj  aus  Familien  bestanden,  die  nach  dem  Ausweis  der  Demo- 
tika  frühzeitig,  schon  vor  Klisthenes,  über  ganz  Attika  zerstreut  waren 
und  einen  verwandtschaftlichen  Zusammenhang  zwischen  Familie  und 
Familie  nicht  aufzuzeigen  hatten.  Solch  ein  viele  selbständige  Familien 
umfassendes  ydvog  ist  auch  das  der  Keryken.  Es  stellt  aber  zugleich 
eine  Zunft,  eine  ßerufsgenossenschaft  dar,  so  dafs  sich  die  Berufsgenossen 
nach  ihrer  verschiedenen  Thätigkeit  bei  Mysterien,  Wettspielen,  Fest- 
aufztigen,  im  Marktverkehr  spezialisieren  lassen;  wenn  also  Pollux  VIII  103 
u.  a.  von  mehreren  ydvrj  der  Keryken  reden,  so  folgt  daraus  nicht  eine 
Mehrheit  attischer  Kerykengeschlechter,  sondern  ydvrj  bedeutet  Arten. 
—  Die  Zugehörigkeit  zu  dem  Geschlecht  bestimmte  sich  durch  Abkunft 
von  väterlicher  Seite.  —  An  der  Spitze  der  Körperschaft,  die  sich  Ke- 
rykengeschlecht  nannte,   stand   ein  apj^wv  (yeveap^rjg),  der,   vermutlich 


364  Griechische  Sakralaltertümer. 

auf  ein  Jahr,  von  den  Genneten  und  aus  ihrem  Mittel  gewählt  war. 
Nach  C.  I.A.  III  n  1278  fungiert  das  Oberhaupt  der  Körperschaft  zugleich 
als  ihr  Priester;  auch  an  einem  Schatzmeister  kann  es  den  Keryken 
nicht  gefehlt  haben.  Es  ist  diesen  Ämtern  nichts  gemein  mit  den  aus 
dem  Kerykengeschlecht  besetzten  Mysterienämtern;  von  dem  Priester 
des  Geschlechts  wird  besonders  dem  Hermes  geopfert  worden  sein,  so- 
fern die  Keryken  diesen  Gott  als  ihren  Urahn  betrachteten.  —  Die  be- 
schliefsenden  Versammlungen  der  Keryken,  welche  wir  aus  Inschriften 
kennen  lernen,  mögen  zu  Eleusis  in  dem  Kr^pOxojv  olxog  C.  I.  A.  II  547 
gehalten  worden  sein.  Sie  gingen  teils  den  eleusinischen  Kultus,  teils 
die  eigenen  Dinge  an.  Es  finden  sich  auch  Versammlungen  der  Eumol- 
piden  und  Keryken,  die  man  mit  Unrecht  für  Organe  des  eleusinischen 
Gemeinwesens  hat  halten  wollen,  Dafs  in  C. I.A.  II  n.  605  ein  gemein- 
samer Vorstand  der  beiden  Yiwj  erscheint,  wird  auf  nachlässiger  Redak- 
tion beruhen;  Ephemer.  III  (1883)  S.  82  n.  10  erscheinen  zwei  Vorstände. 

Von  den  hohen  Ämtern  des  eleusinischen  Kultus  stand  die  Hiero- 
phantie  den  Eumolpiden  zu.  Auch  die  Exegese,  soweit  sie  eleusinische 
Bräuche  angeht,  wurde  nur  von  Eumolpiden  geübt,  wobei  allerdings  ab- 
zusehen ist  von  den  späten  Zeiten,  welchen  die  Inschrift  Bullet.  VI 
S.  436  angehört.  —  Der  meisten  Ämter  walteten  die  Keryken,  nicht 
blofs  desjenigen,  auf  welchem  der  Name  des  Geschlechts  beruhte,  son- 
dern auch  der  Daduchie  und  des  Altarpriestertums.  Dafs  die  Daduchie 
bei  dem  Geschlecht  der  Keryken  war,  erhellt  aus  Andokides  I  127  und 
116,  wie  auch  aus  jüngeren  Zeugnissen.  Ein  besonderes  Geschlecht  der 
Daduchen  hat  es  nicht  gegeben,  mit  Unrecht  ist  ein  solches  aus  Xen. 
Hell.  VI  3,  6  gefolgert  worden.  Was  die  Lykomiden  und  ihre  Beteili- 
gung an  Mysterien  betrifft,  so  dürfte  nicht  zuzugeben  sein,  dafs  ihnen 
die  eleusinische  Daduchie  übertragen  sei  und  kein  Hindernis  bestehen 
ihre  gottesdienstliche  Thätigkeit  auf  Phlya  zu  beschränken.  Nach  Pausan. 
I  37,  1  waren  einige  Nachkommen  des  Themistokles  (eleusinische)  Da- 
duchen und  Themistokles  war  Lykomide.  Allein  die  bei  Pausanias  ge- 
nannten Nachkommen,  Leon  Sophokles  Xenokles '  Sophokles ,  brauchen 
nicht  Lykomiden  gewesen  zu  sein,  weil  sie  möglicherweise  ihr  Geschlecht 
in  weiblicher  Linie  auf  Themistokles  zurückführten.  Aber  bei  der  blofsen 
Möglichkeit  haben  wir  nicht  stehen  zu  bleiben;  C  I.  Gr.  n.  388  wird  So- 
phokles, Xenokles'  Sohn,  als  Acharner  bezeichnet,  Themistokles  dagegen 
war  ein  Phrearrhier,  mithin  gehörte  seine  Descendenz  in  männlicher 
Linie  ebenfalls  dem  Demos  der  Phrearrhier,  nicht  dem  der  Acharner 
an.  —  Dafs  dem  Amte  des  Altarpriesters  Keryken  vorstanden,  lehrt 
C.  I.A.  III  n.  1278;  es  sind  Daduch  und  Altarpriester  im  selbigen  Geschlecht 
verzeichnet,  und  da  die  Daduchie  ein  kerykisches  Amt  war,  kann  das 
Geschlecht  kein  anderes  sein  als  das  der  Keryken. 

Die  drei  Ämter  waren  lebenslängliche;  ocfoow/^^aag  auf  Inschriften 
bedeutet  nicht  einen  abgegangenen,  sondern  einen  verstorbenen  Daduchen. 


Athen.  365 

—  Es  war  ein  jedes  Amt  an  eine  bestimmte  Familie  geknüpft  und  in 
dieser  erblich,  eine  Folgerung,  zu  der  wir  berechtigt  sind  durch  vor- 
kommende Fälle  des  Forterbens  der  Daduchie.  Der  Erbgang  läfst  sich 
nicht  feststellen ;  er  mag  sich  geregelt  haben  nach  Generationen.  Auch 
wissen  wir  nicht,  was  man  that,  wenn  der  Mannesstamm  einer  Familie 
erlosch ;  vielleicht  können  wir  annehmen,  dafs,  beim  Erlöschen  des  Manns- 
stamms, die  Tochter,  falls  sie  in  einen  andern  Zweig  des  Kerykenge- 
schlechtes  hineinheiratete,  die  Berechtigung  auf  den  Mann  übertrug.  — 
Auch  Nebenämter  des  eleusinischen  Kults  wurden  grofseuteils  aus  dem 
Kerykengeschlechte  besetzt. 

Die  Kerykeu  als  Ganzes  werden  berechtigt  gewesen  sein  über 
Staatsgelder,  die  ihnen  zur  Verfügung  gestellt  waren,  Beschlüsse  zu 
fassen,   und    werden  dafür  Rechenschaft  abgelegt  haben;  Äschin.  III  18. 

—  Der  einzelne  Keryke  oder  Eumolpide  ist  befugt  zur  Einweihung  (//ujy- 
atg,  ixusTv),  niemand  hat  sonst  die  Befugnis  des  ixoetv.  Wenn  der  Hiero- 
phant  oder  Daduch  jemanden  einweihte,  so  that  er  das  nicht  sowohl 
kraft  seines  Amtes,  als  vielmehr  weil  er  zu  den  berechtigten  yivrj  gehörte. 

Dafs  ein  Hierophant  zugleich  Staatsbeamter  ist,  kommt  nicht  vor. 
Für  die  Kaiserzeit  wenigstens,  aus  der  reichlich  Notizen  zu  Gebote 
stehen,  wird  das  nicht  zufällig  sein  und  man  darf  schliefsen,  dafs  der 
Hierophant  eine  Ausnahmestellung  gehabt  habe.  Die  aus  den  Keryken 
genommenen  Funktionäre  hingegen  übernahmen  auch  öffentliche  Auf- 
träge und  Geschäfte.  Der  Beweis  läfst  sich,  was  die  Blütezeit  Athens 
angeht,  nur  für  den  Daduchen  führen,  aus  der  Kaiserzeit  aber  giebt  es 
Belege  nicht  blofs  für  den  Daduchen,  sondern  auch  für  den  Hierokeryx 
und  den  Altarpriester.  -  Mit  dem  Beginn  der  Kaiserzeit  hat  sich  die 
öffentliche  Stellung  der  Keryken  noch  glänzender  gestaltet,  sie  erscheint 
als  eine  bevorrechtete,  indem  die  einst  unbedeutende,  in  der  Kaiserzeit 
aber  zu  hohem  Ansehen  gelangte  Stelle  des  xrjpo^  ßauXr^g  xac  drj/iou 
und  die  in  der  klassischen  Periode  nicht  nachweisbare,  in  der  Kaiser- 
zeit ebenfalls  hochansehnliche  Stelle  des  x^jouq  zrjg  i$  'Apetou  ndyou 
ßouXr^Q  ausschliefslich  mit  Angehörigen  des  Kerykengeschlechts  besetzt 
wurden. 

Eine  höchst  gründliche  Arbeit,  durch  die  unsere  Wissenschaft,  we- 
nigstens in  Betreff  der  Kaiserzeit,  einen  Schritt  vorwärts  kommt.  Bei 
dem  Mangel  direkter  Überlieferung  bleibt  dem  Forscher  weiter  nichts, 
als  die  Einzelfälle  zu  betrachten  und  je  nachdem  wie  sie  leiten,  sich 
eine  allgemeine  Ansicht  zu  bilden.  So  beruht  der  Nachweis,  dafs  jene 
beiden  hochansehnlichen  Heroldsämter  später  Zeit  ausschliefslich  mit 
Keryken  besetzt  wurden,  auf  einer  blofsen  Induktion,  die  aber  bei  der 
Menge  und  Zuverlässigkeit  der  Notizen  völlig  genügt.  Weniger  sicher  ist 
die  Induktion,  wo  es  gilt  ein  Erbrecht  nachzuweisen,  vermöge  dessen 
das  Mysterienamt  auf  den  Nachfolger  übergeht.  Was  sich  ergiebt,  ist 
das  Thatsächliche  des  Erbgangs,  ein  Herkommen.    Inwieweit  dasselbe  zu 


366  Griechische  Sakralaltertümer. 

einem  formellen  Rechte  ausgebildet,  ob  es  nicht  noch  an  eine  condicio,  vgl. 
oben  S.  363,  geknüpft  war,  läfst  sich  nicht  entnehmen.  Für  Ausnahme- 
fälle, z.  B.  wenn  eine  Familie  ausstarb,  ergab  das  Herkommen  nichts, 
und  wie  die  dann  eintretende  Instanz,  etwa  der  pytliische  Gott,  das 
Problem  entschied,  darüber  ist  schwerlich  eine  Norm  aufzustellen.  Auch 
sonst  bleiben  Zweifel,  die  ich  vortragen  würde,  wenn  ich  den  Forschun- 
gen des  Verfassers  das  Mafs  des  Studiums  dessen  sie  würdig  sind,  jetzt 
zuzuwenden  imstande  wäre. 

Aemil.  Reisch,  De  musicis  Graecor.  certaminibus.     Wien  1885. 
124  S. 

Was  wir  vor  uns  haben,  ist  eine  wesentlich  auf  Inschriften  beru- 
hende Darstellung  des  Entwickelungsganges  der  musischen  Agonen  Grie- 
chenlands, mit  der  Einschränkung,  dafs  die  Dramatik  ausgeschlossen 
oder  doch  nur  nebenher  berücksichtigt  ist.  Gegenwärtiger  Auszug  wird 
sich  an  die  Athen  betreffenden  Partien  der  Schrift  zu  halten  haben. 
Ich  ordne  ihn  so  viel  als  möglich  nach  den  Festen,  die  zu  musischen 
Agonen  Anlafs  gaben,  den  Panathenäen,  Dionysien  und  Thargelien. 

Panathenäen.  Wenn  Plutarch  von  dem  musischen  Agon  der 
Panathenäen  überliefert,  es  sei  derselbe  von  Perikles  gestiftet  worden 
(eine  Überlieferung,  die  noch  heutzutage  Vertreter  findet  —  H.  Guhrauer 
'zur  Geschichte  der  Aulodik'  1879  Waldeuburg  in  Schi.  S.  12),  so  ist 
dagegen  nicht  blofs  mit  Bezug  auf  die  einen  Teil  des  Agons  bildende 
Rhapsodik,  sondern  in  noch  weiterem  Umfange  Einspruch  zu  thun.  Es 
gab  schon  zu  Zeiten  der  Pisistratiden  ein  Odeion  und  in  diesem  älteren 
Odeion  sind  Rhapsoden  und  Kitharoden  aufgetreten.  Dafs  man  die 
seit  alter  Zeit  bei  den  Griechen  übliche  Kitharodik  zu  Athen  erst  in 
der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  zugelassen  habe,  ist  wenig  wahr- 
scheinlich; auch  die  alte  Inschrift  CI.  A.  IV  p.  40  n.  357  (sechstes  Jahr- 
hundert) 'Akxtßcog  dvdßr^xev  xc&apwoug  NrjatwzrjQ^  ferner  Plutarch  Them.  5 
führen  dahin,  dafs  Athen  schon  lange  vor  Perikles  dem  Zitherspiel  hold 
gewesen  ist.  Ebenso  wenig  ist  die  Flöte  erst  in  Perikles  Zeit  rezipiert 
worden,  wie  Aristot.  Pol.  VIII  6  S.  227  Bekk.  entnehmen  läfst.  Perikles 
hat  die  Panathenäen-Musik  ohne  Zweifel  sehr  gefördert  und  besser  ge- 
regelt, aber  zuerst  eingeführt  hat  er  Zither  und  Flöte  gewifs  nicht,  ge- 
schweige denn  den  Agon  gestiftet.  Von  Schol.  Aristoph.  Wölk.  971  wird 
abzusehen  sein.  —  Die  Vermutung,  dafs  die  ersten  Zeilen  der  unstreitig 
panathenäischen  Inschrift  Rang.  961  =  C.  I.  A.  II  2  p.  382  n.  965  a  sich 
auf  Rhapsodik  beziehen,  wird  jetzt  auch  durch  die  sehr  verwandte 
Inschrift  aus  Oropos  Ephemer.  1884  S.  128  n.  5  unterstützt.  —  Die 
Flötensänger,  Zitherspieler  und  Flötner  C.  I.  A.  II  n.  965a  lin.  12  —  22 
können  nur  einzeln  auftretende  Virtuosen  sein,  die,  ein  jeder  für  sich, 
einen  Preis  gewinnen  möchten;  mit  Unrecht  sind  Chöre  von  Flötensän- 
gern u.  s.  w.  verstanden  worden.     (Was  die  Flötensänger,  auXioSol,  an- 


Athen.  367 

geht,  so  bemerkt  auch  Guhrauer  S.  7,  dafs  wir  nicht  an  Chöre  und  Chor- 
lieder zu  denken  haben;  abXujoug  bezeichne  einen  Solosänger,  den  ein 
mehr  untergeordneter  Künstler,  ein  Aulet,  auf  seinem  Instrument  be- 
gleitet). —  Die  Kitharoden  (lin.  4)  und  Auleten  (lin.  20)  sind  ohne 
nähere  Bestimmung,  während  sich  lin.  12  und  15  dvdpdat  aukujodlg  und 
dvdfjdai  xSafjia-caiQ  findet;  ebenso  in  der  oropischen  Inschrift  lin.  4  —  7 
dvrj[p  xt\Bapt(Trri[s]  —  dvrjp  al)X(i)8u{g'\  —  abX^zrjg  —  xcBafJwdög  — . 
Vielleicht  ist  ein  Gegensatz  von  ävSpeg  und  Tiacdsg  anzunehmen  und  sind 
rtaidsg  abXwdot  und  naiSeg  xc^apcazac  vorangegangen.  —  Die  Chöre  des 
Panathenäenfestes  waren  weit  unbedeutender  als  die  an  den  Dionysien 
und  Thargelien  vorkommenden.  Was  die  spärlichen  Nachrichten  an- 
geht, so  scheint  Lys.  21,  2  xai  im  AtoxXioog  llava^r^vatoig  rotg  fiixpolg 
xuxXixü)  yopip  rptaxoaiag  {dpaip-dg  dvrjXcuaa)  darauf  zu  führen,  es  sei 
bei  den  kleinen  Panathenäen  nur  eine  Altersklasse  aufgetreten;  a.  0. 
nämlich  fehlt  die  sonst  zugefügte  Bestimmung  des  Lebensalters,  in  wel- 
chem die  Choreuten  standen.  (In  des  Verfassers  Darstellung  S.  22  f. 
vermifst  man  einen  bestimmten  Hinweis  darauf,  dafs  die  Lys.  21,  2  er- 
wähnte Leistung  zu  dem  musischen  Agon,  wie  wir  ihn  aus  CI.  A  I  n.  965  a 
kennen,  nicht  gehört  habe.  Der  in  C.  I.  A.  11  n.  965  a  erwähnte  Agon 
füllte  ohne  Zweifel  einen  Tag  der  grofsen  Panathenäen  aus  und  war 
durchaus  weltlich;  ein  solches  Musikfest  hatten  die  kleinen  Panathenäen 
—  von  diesen  ist  bei  Lysias  die  Rede  —  nicht.  Wenn  Chöre  wie  der 
bei  Lysias  erwähnte,  allerdings  wohl  ebenfalls  bei  dem  grofsen  Feste 
vorkamen,  so  kamen  sie  schwerlich  unter  der  weltlichen  Musik  des  musi- 
schen Panathenäentages,  sondern  von  dieser  gesondert  vor  als  etwas 
mehr  Gottesdienstliches.)  —  Bei  dem  langen  Fortbestehen  des  Pana- 
thenäenfestes mag  wohl  auch  der  musische  Agon  nicht  wenige  Ände- 
rungen erfahren  haben.  Es  fehlt  sehr  an  Zeugnissen.  Nach  Ephemer. 
1862  S.  249  n.  219  hat  Nikokles,  ohne  Zweifel  der  aus  Pausan.  I  37,  2 
bekannte  Kitharode,  einen  Sieg  in  seiner  Kunstleistung  gewonnen,  wo- 
nach damals,  Ende  des  vierten  Jahrhunderts,  noch  alles  beim  alten  ge- 
wesen sein  kann.  (Es  hätte  hier  nahe  gelegen,  auf  Diog  Laert.  III  56 
oiov  Ixeiyoi  zizpaat.  dpdp.aacv  r^yujvt^^uvxo  dcovuac'ocg  ^Ir^vacocg  Ilava&rjvacocg 
Xüzpo'.g  einzugehen,  nach  welcher  Stelle  anzunehmen  wäre,  das  seit  dem 
IV.  Jahrhundert  vor  Chr.  immer  mehr  Überhand  nehmende  Techniten- 
wesen  habe  auch  die  Panathenäen  ergriffen,  man  sei  im  Verlaufe  dahin 
gekommen,  auch  an  den  Panathenäen  Schauspiele  zu  geben.  0.  Lüders 
dionys.  Künstler  S.  110  ist  geneigt,  Diog.  Laert.  a.  0.  als  ein  'Zeugnis' 
anzusehen;  es  könne  nicht  auffallen,  meint  er,  dafs  in  späterer  Zeit 
auch  an  den  Panathenäen  scenische  Aufführungen  stattfanden.  Aber  es 
befremdet  doch  sehr,  die  altberühmten  Schauspielfeste  der  Dionysien  und 
Lenäen  mit  den  Panathenäen  und  Anthesterien  {Xuzpoig),  d.  h.  mit  sol- 
chen Festen  zusammengestellt  zu  sehen,  die  höchstens  in  der  Periode  des 
Verfalls  mitunter  vielleicht  dem  Technitentum  anheimgefallen  sein  könn- 


368  Griechische  Sakrälaltertümer. 

ten.  Vermutlich  hat  sich  Diogenes  Laert.  a.  0.  geirrt  und  haben  weder 
an  den  Anthesterien  noch  an  den  Panathenäen  dramatische  Vorstellun- 
gen stattgefunden.  Dahin  hat  sich  auch  neuerdings  A.  Müller  Bühnen- 
altertümer (1886)  S.  309  und  318  ausgesprochen.  Wenn  ich  also  in 
Übereinstimmung  mit  diesem  besonnenen  Forscher  Diogenes'  Behaup- 
tung nach  wie  vor,  s.  Heort.  S.  140,  für  irrtümlich  halte,  so  ist  mir 
doch  der  a.  0.  Note  gemachte  Versuch  zu  erklären,  wie  Diogenes  zu 
seinem  Irrtum  gekommen  sei,  allerdings  zweifelhaft  geworden.) 

Grofse  Dionysien.  Was  die  gottesdienstlichen  Anlässe  Chöre 
aufzuführen  und  Chorsiege  zu  gewinnen  anbetrifft,  so  sind  zunächst  die 
Dionysien,  dann  auch  die  Thargelien  zu  nennen,  da  es  an  diesen  Festen 
üblich  war,  den  Siegern  Dreifüfse  zu  geben;  andere  Feste  als  die  bei- 
den genannten  scheinen  die  Dreifüfse  nicht  anzugehen.  Der  epigraphi- 
sche Wortlaut  nun  lehrt  uns  nichts  darüber,  welche  Aufschriften  sich 
mit  dionysischen,  und  welche  sich  mit  thargelischen  Siegen  beschäftigen. 
Da  aber  die  dionysischen  Dreifüfse  bei  dem  Heiligtum  des  Dionysos,  die 
thargelischen  beim  Pythion  aufgestellt  wurden,  so  gestattet  der  Fund- 
ort eine  Mutmafsung.  Danach  haben  wir  denn  nicht  blofs  das  Monu- 
ment des  Lysikrates  samt  seinem  choregischen  Titel,  sondern  auch 
Ditteuberger  Syll.  n.  414  und  423  als  am  Südabhange  der  Burg  gefun- 
den den  Dionysien  anzueignen.  Übrigens  sind  wir  nicht  überall  auf 
diesen  nicht  völlig  sicheren  Weg  gewiesen;  von  C  I.  Gr.  n.  211  steht  es 
anderweitig  fest,  dafs  Dionysos'  Bezirk  der  Standort  war.  (Für  diony- 
sisch sind  auch  die  in  dem  grofsen  Verzeichnis  C  I.  A.  II  n.  971  vor- 
kommenden Chorsiege  zu  halten ;  sie  müssen  zum  zweiten  Mal  erwähnt 
gewesen  sein  in  Tripodentiteln  des  dionysischen  Bezirks.) 

Den  Thargelien  sind  zuzuweisen  die  choregischen  Titel  Athe- 
näon  I  S.  159  n.  1-3,  dazu  C.  I.  A.  n.  421,  jene  dem  älteren  Herkom- 
men gemäfs  formuliert,  dieser  von  freierer  Fassung.  Die  Steine  sind 
nämlich  am  rechten  Ufer  des  Ilissos,  mithin  in  der  Gegend  des  Pythion 
gefunden  worden.  -  Eine  späte  Überlieferung  lautet  dahin,  dafs  sich, 
um  einen  Thargelienchor  aufzustellen,  je  zwei  Phylen  vereinigt  hätten, 
während  für  die  einzelnen  Diouysienchöre  immer  nur  eine  Phyle  thätig 
war.  Es  läfst  sich  einiges  zu  Gunsten  dieser  Überlieferung  sagen ;  als 
wahr  dürfte  sie  indes  nicht  anzuerkennen  sein. 

Von  den  choregischen  Titeln  —  mögen  die  einzelnen  nun  dionysisch 
oder  thargelisch  sein  —  verdienen  die,  welche  dem  älteren  Herkommen 
gemäfs,  s.  oben  S  352,  formuliert  sind,  unsere  besondere  Aufmerksamkeit. 
Ihrer  sind  etwa  24.  Die  vorgeschriebene  Formel  wird  befolgt,  das  amt- 
liche Gepräge  gewahrt,  doch  ändert  sich  die  Fassung  ein  wenig,  und  diese 
Änderungen  sind  teilweise  merkwürdig  und  bezeichnend.  Im  V.  Jahr- 
hundert wird  der  Dichter  oder,  nach  inschriftlichem  Ausdruck,  Chorlehrer 
genannt,  eines  Auleten  aber  nicht  gedacht;  im  IV.  Jahrhundert  dagegen 
findet  sich  der  Aulet  fast  immer  hinzugefügt  und  zwar  so,   dafs  in  der 


Athen.  369 

ersten  Hälfte  des  genannten  Jahrhunderts  der  Name  des  Chorlehrers, 
in  der  zweiten  der  des  Auleten  vorangeht ;  dies  entspricht  der  Kunst- 
entvvickelung ,  anfangs  erfand  der  Dichter  die  Weise  zu  seinen  Liedern 
selbst,  im  Verlaufe  aber  machte  die  Tonkunst  Fortschritte,  es  wurden 
Musiker  vom  Fach  zugezogen,  die  Musik  gewann  endlich  den  Vorrang 
vor  der  Dichtkunst;  wie  nachmals  nicht  immer  neue  Schauspiele  auf  die 
Bühne  kamen,  so  wurde  den  Epigonen  auch  nicht  immer  neue  Lyrik 
geboten,  und  wenn,  was  vorgekommen  sein  wird,  zu  altbekannten  Lie- 
dern der  Aulet  eine  neue  Weise  geschaffen  hatte,  so  gehörte  ihm  der 
Beifall ,  Gedicht  und  Dichter  traten  zurück.  -  Beachtenswert  und  bis- 
her nicht  beachtet  ist  die  Thatsache,  dafs  wo  zwei  Phylen  sich  zur  Auf- 
stellung eines  Chors  verbinden,  der  Chor  nicht  aus  Männern,  sondern 
aus  Knaben  besteht.  Eine  einzelne  Phyle  war  nicht  immer  imstande, 
die  erforderliche  Anzahl  zu  stellen.  —  Man  hat  vermutet,  dafs  die  Kom- 
bination paarweise  zu  einer  Leistung  vereinigter  Phylen  auf  einer  nach 
dem  fünften  Jahrhundert  gesetzlich  regulierten  Norm  beruhe,  und  zwar 
dafs  die  Verbindung  der  Phylen  1  und  6,  2  und  4,  3  und  5,  7  und  9, 
8  und  10  herkömmlich  gewesen  sei.  Die  Hypothese  ist  schwach  be- 
gründet und  wohl  abzulehnen.  —  Das  choregische  Fragment  Mitteil.  HI 
S.  250  ist  nicht,  wie  a.  0,  geschehen,  auf  die  ältere,  sondern  auf  die 
jüngere  Formel  o  Sr^ixos  iyop-^yec  xzh  herzustellen.  Die  Worte  Xapcag 
Tjo^B  C.  L  Gr.  n.  226  b  sind  a.  0.  S.  240  mit  gutem  Grunde  für  fehler- 
haft erklärt  worden,  s.  oben  S.  352,  doch  dürfte  der  Fehler  nicht  in  dem 
Namen,  sondern  in  rjpys  liegen;  auf  dem  Steine  mochten  sich  Reste  des 
Wortes  TjuXz  d.  i.  Tjuket  befinden,  aus  denen  man  rjpys  machte.  (Beide 
Vorschläge  des  Verfassers  scheinen  beifallswürdig,  wie  denn  die  ganze 
Arbeit  Anerkennung  verdient.  Die  choregischen  Titel  sind  in  grofser 
Vollständigkeit  dargeboten  und  eine  bis  ins  Kleinste  eindringende  Kritik 
geübt,  ohne  dafs  darüber  die  allgemeinen  Gesichtspunkte  vernachlässigt 
wären.) 

E.  Petersen,  Zum  Erechtheion  Mitteil,  des  deutschen  Instituts 
X  (1885)  S.  1-10. 

Wir  haben  zwei  Hälften  des  Baues  zu  unterscheiden,  die  westliche 
und  die  östliche;  jene  liegt  neun  Fufs  tiefer  als  diese  und  eine  Verbindung 
-  Thür  und  Treppen  —  um  von  der  einen  Hälfte  in  die  andere  zu 
gelangen,  gab  es  nicht.  Die  höher  gelegene  Osthälfte  ist  auch  die  vor- 
nehmere, denn  hier  hat  Pallas  ihren  Wohnsitz,  der  als  ihr  vaog  (Pausan. 
I  27)  bezeichnet  wird,  während  die  Weihstätte  im  Westen,  welche  dem 
Erechtheus  gehört,  den  bescheideneren  Namen  oUrnw.  empfängt  (P.  26,  5 
iaxi  ok  xa\  o^xripa  'Epiyd^etüv  xo.lobiitvov  und  hernach  SmXouv  jap  eazc 
zo  oYxrjiio.).  Das 'Haus'  des  Erechtheus  bestand  aus  zwei  ineinander- 
gehenden  Gemächern,  einem  Vorgemach  und  einem  Hauptgemach.  Aus 
dem  Vorgemach,  CLGr.  I  p.  279  n.  160  §  6g  =  C.LA.  I  n.  322  lin.  71 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  (1887.  III.)  24 


370  Griechische  Sakralaltertümer. 

rÄ  7:fjo(TTofjL{ac[(jj],  gelangte  man  nordwärts  in  die  nördliche  Vorhalle  und 
südwärts  in  die  südliche  Vorhalle  (Korenhalle),  ostwärts  endlich  in  das 
Hauptgemach,  die  Cella  des  Poseidon -Erechtheus.  Pausanias'  8cnkoüv 
bezieht  sich  also  auf  das  Nebeneinander  oder  wie  man  auch  sagen  kann, 
Hintereinander  der  beiden  Gemächer.  Übereinander  liegende  Gemächer 
gab  es  nicht  im  Hause  des  Erechtheus;  diese  Hypothese  ist  neuerdings 
widerlegt  worden  von  Julius  u.  a.;  eine  Treppe  hoch,  im  Oberstock,  hat 
der  Altar  des  Poseidon -Erechtheus  nicht  gestanden.  Die  Altäre  des 
Poseidou- Erechtheus,  des  Butes,  des  Hephäst  werden  sich  im  Vorge- 
mach (Prostomiäon)  befunden  haben,  der  Salzwasserbrunnen  aber  und 
das  Dreizackmal  im  Hauptgemach  (Cella  des  Poseidou-Erechtheus).  Die 
iuschriftliche  Benennung  des  Vorgemachs:  Tipoazojxcalov  ist  als  Thüren- 
vorplatz  verstanden  worden.  Sie  ist  vieiraehr  auf  die  Mündung  {axu- 
jxiov)  des  Salzwasserbrunnens  zu  beziehen,  der  in  der  Cella  zu  Tage 
trat.  Der  Siuu  ist  danach:  Gemach  vor  dem  Brunnen.  -  An  der  In- 
schriftstelle C.  I.  Gr.  u.  160  §  6  werden  nach  dem  inneren  -o7j^og  aufge- 
führt zo~j  (seil.  Toc^ou)  iv  TW  npoa-ojxtaclu)]  —  —  T^g  ncxpaarddog 

Toy  (seil,  roc^ou)  npog  nhydlpa-og.  Der  roc^og  npög  Tüjyd^p.a-og  kann 
nur  die  Scheidewand  zwischen  Erechtheus'  Cella  und  Atheuas  Tempel 
sein,  dieser  Wand  stand  das  Bild  der  Göttin  ganz  nahe;  an  die  dem 
Bilde  gegenüber  befindliche  Thürwand  ist  also  nicht  zu  denken.  Die 
dem  Bilde  gegenüber  befindliche  Thürwand  ist  nicht  mit  tou  npug  tJj- 
yd^ixazog,  sondern  mit  zr^g  napaardoog  gemeint;  napaazdg  Wandvorsprung 
zur  Seite  der  Thür  kann  auch  Thürwand  bedeuten.  Wie  kommt  es  nun, 
dafs  die  drei  Querwände  nicht  nach  örtlicher  Nähe  folgen?  Der  Grund 
liegt  in  dem  Umstände,  dafs  die  Cella  mit  dem  Athenatempel  nicht 
durch  Treppe  und  Thür  verbunden  war;  nach  Besichtigung  der  Gemä- 
cher des  Erechtheus  mufste  ins  Freie  getreten  werden  um  dann  von 
Osten  her  in  den  Athenatempel  zu  gelangen.  Der  Besichtigung  folgte 
die  Aufzählung.  -  Nach  der  Inschrift  §  7  sv  -^  npoardast  r^  nphg  roö 
d^upwp.arog  zuv  ßaijxov  zoü  [^yj^y^oy  ä&szuv  hat  sich  in  der  nördlichen 
Vorhalle  der  Altar  des  Thyechos  d.  h.  des  unblutig  opfernden  Priesters 
befunden.  Nun  aber  überliefert  Pausanias  I  26,  5  diesen  Opferbrauch 
für  Zeus  Hypatos ,  dessen  Altar  am  Eingang  in  das  Erechtheion  stand. 
Es  ist  also  der  Altar,  welchen  der  Thyechos  bediente,  wahrscheinlich 
identisch  mit  dem  Altare  des  Zeus  Hypatos.  Wenn  von  letzterem  a.  0. 
gesagt  wird  npb  8k  zrjg  eloöSou  (vor  dem  Eingang  ins  Erechtheion) 
dc6g  icTzc  ßw[ibg  'TnaTou  iv&a  ifK^'u^ov  &uouatv  ouSdv  xzX.,  so  dürfen 
wir  den  Altar  nicht  irgendwo  aufserhalb  ansetzen  vor  den  Eingang  in 
irgendwelche  Prostasis ,  sondern  es  ist  der  Eingang  iu  die  Räume  des 
Erechtheus  selbst,  vor  dem  sich  der  Altar  befand.  Ein  in  der  nörd- 
lichen Prostasis,  nicht  vor  ihr,  erbauter  Altar  entspricht  also  der  Dar- 
stellung a.  0.  Pausanias  hat  dann  den  nördlichen  —  auch  wohl  von 
ihm  benutzten  Eingang  einfach  als  '  deu  Eingang '  bezeichnet,  was  eben- 


Athen.  371 

falls  angemessen,  da  der  nördliche  Eingang  der  Haupteingang  iu  das 
Erechtheion  ist.  (Der  Verfasser  bemerkt,  dafs  Bursian  Geogr.  I  317  zu 
ähnlichen  Ergebnissen  gelangt  sei.  Eine  derartige  Einstimmung  unab- 
hängiger Forscher  wird  auch  den,  der  noch  zweifeln  möchte,  aufmerk- 
sam machen  und  zu  einer  Prüfung  veranlassen,  die,  wie  ich  glaube,  da- 
hin führen  wird,  den  Ergebnissen  Bursians    und  Petersens  beizutreten.) 

C.  Robert,    Athena  Skiras   und   die  Skirophorien.     Hermes  XX 
(1885)  S.  349-379. 

^xifjdg  ist  auf  ampog  Kalkstein  zurückzuführen,  Athena  Skiras 
also  eine  Göttin  des  Kalksteinbodens.  Bei  dieser  Bedeutung  haben  wir, 
meint  der  Verfasser,  stehen  zu  bleiben  und  nicht  in  Athena  Skiras  eine  Be- 
schützerin des  Ölbaues  (alte  Hypothese)  zu  erbliken.  ^xipdq^  ehemaliger 
Name  von  Salamis,  besagt  weiter  nichts  als  Kalksteininsel.  Auch  axTpov 
'steiniges,  von  wildbewachsenen  Bäumen  bestandenes  Land'  ist  aus  den 
Tab.  Heracl.  C.  I.  Gr.  5779  heranzuziehen. 

Nach  älterer  (megarischer)  Sage  stammt  der  Skiraskult  zu  Phale- 
ron  aus  Salamis,  Skiron  oder  Skiros,  König  von  Megara  und  Salamis 
hatte  ihn  gestiftet.  In  der  jüngeren  (attischen)  Sage  finden  wir  den 
König  von  Megara  und  Salamis  umgewandelt;  Skiros,  Epouymos  des 
Vorortes  Skiron  am  Kephissos,  ein  aus  Eleusis  gekommener  Seher,  ist 
Urheber  des  phalerischen  Filialdienstes.  Noch  weiter  zurückgedrängt 
ist  der  salamiuische  Ursprung  in  der  attischen  Variante,  die  statt  des 
Skiros  den  Theseus  nennt.  Der  einstmalige  Zusammenhang  des  phale- 
rischen Kults  mit  Salamis  ist  dennoch  offenbar;  es  mufs  zu  Phaleron 
auch  einen  Altar  des  salaminischen  Menestheus  gegeben  haben,  indem 
Pausan.  I  1,  4  mißcov  zwv  (^jiszu^  Orjaioj^  zu  schreiben  ist. 

Die  am  12.  Skirophorion  von  der  Burg  nach  dem  Vororte  gehende 
Schirmprozession  hat  dem  Grabe  des  Sehers  Skiros  gegolten ;  mit  Athena 
Skiras  hat  sie  nichts  zu  thun,  einen  Tempel  dieser  Göttin  gab  es  im 
Vororte  Skiron  nicht.  Hätte  es  dort  einen  Tempel  der  Athena  Skiras 
gegeben,  so  würden  Pausanias  I  36,  3  u.  a.  ihn  erwähnen.  Pollux  IX  96 
(Würfelspiel  im  Skirastempel  des  Vororts)  und  andere  Belegstellen  be- 
ruhen, wie  Fresenius  bewiesen,  auf  dem  in  der  Benutzung  griechischer 
Quellen  unzuverlässigen  Sueton  r.zp\  muoiujv.  Die  Schirmprozession,  ge- 
führt von  der  Priesterin  der  Athena  Polias,  der  sich  zwei  Priester  an- 
schlössen, fand  im  Dienste  der  Polias,  nicht  in  dem  der  Skiras  statt; 
von  dieser  und  einem  Heiligtum  der  Athena  Skiras  als  dem  Prozessious- 
ziel  verlautet  nichts,  nur  Schol.  Arist.  Ekkl.  18  nennt  die  Schirmpro- 
zession ein  Fest  der  Skiras  Athena.  Aber  dies  Scholion  verdient  keinen 
Glauben.  Steph.  Byz.  v.  axlpo^  und  Schol.  Arist.  Thesm.  834  ergeben 
durch  Kombination  und  durch  Ausfüllung  der  mutmafslichen  Lücken  die 
unverdorbene  Üb  erlieferung  wie  folgt:  r«  ok  Ixtpa  (^Ixipoipopmvoq  tß\ 
Zxtpa  os)  Hysot^a'!  (paac  rcvsg  <(oi«)  rd  ycvo/isva  cepd  iv  t^  kopzfj  zaürr^ 

'    24*  ' 


372  Griechische  Sakralaltertümer. 

(bei  dem  Skira-Fest)  JrjprjZpt  xal  K6py],  (d.  axipa  xixlr^zixty-  ol  8s,  ort 
inl  Ixcpo)  SüBrat  'A&rjvrjac.  Der  Scholiast  Arist.  Ekkl.  18  mufs  im 
Zxtpw  zfj  'ABr^va  vor  sich  gehabt  und  aus  dieser  unrichtigen  Fassung 
seine  Behauptung :  Sxipa  kopzrj  iarc  rrj^  ^xtpdSog  ABrjväg  geschmiedet 
haben.  Eine  Stätte  der  Athena  Skiras  hat  der  Vorort  also  nicht  auf- 
zuweisen gehabt. 

Die  unverdorbene  Überlieferung  ergab  also  demetreische  Skira,  die 
nicht  im  Pyanepsion  als  ein  Tag  des  Thesmophorienfestes,  sondern  als 
eigenes  Fest  am  12.  Skirophorion  begangen  wurden.  Skira  oder  Skiro- 
phoria  als  eigenes  Demeterfest  finden  Anhalt  an  dem  von  E.  Rohde 
publizierten  Lukianscholion,  in  welchem  wir  drei  Feste  geschildert  finden : 
Thesraophorien ,  Skiropliorieu  und  Arrhetophorieu.  Was  der  Scholiast 
von  dem  Schweinehirten  Eubuleus  und  dessen  zugleich  mit  Köre  in  die 
unteren  Regionen  gesunkenen  Schweinen,  und  von  dem  darauf  anspie- 
lenden Brauch,  Schweine  in  die  tiefen  Wohastätten  (ra  piyapa)  hinab- 
zuwerfen, erzählt,  haben  wir  zu  beziehen  auf  die  Thesmophorien  des 
Pyanepsion.  Die  Schöpfweiber  [al  dv-Xrjzpiat ,  nicht,  wie  der  Verfasser 
schreibt  dvzXijptat)  und  das  Schöpfen  und  Heraufholen  der  verwesten 
Reste,  die  der  Saat  zugemisclit  werden  sollen  um  den  Kornertrag  zu 
mehren,  haben  wir  auf  die  demetreischen  Skirophorien  des  12.  Skiro- 
phorion zu  beziehen,  das  Backwerk  in  Gestalt  von  Schlaugen  und  Phal- 
len endlich  auf  das  dem  Herumtragen  des  mystischen  Backwerks  gel- 
tende Fest  der  Arrhetophorieu  (die  der  Verfasser  mit  den  Arrhephorien 
des  Skirophorion  zu  identifizieren  geneigt  scheint,  S.  372). 

Von  den  demetreischen  Zeremonien  also,  die  am  12.  Skirophorion 
im  städtischen  Thesmophorion  geübt  wurden,  ist  wohl  zu  unterscheiden 
das  am  selbigen  Tage  gebrachte  Totenopfer  für  Skiros,  tj  im  Zxcpaj 
leponoua  (Strabo).  Im  Vororte  Skiron  war  der  eleusinische  Seher 
Skiros  erschlagen  worden,  was  Sühne  verlangte.  Das  für  ihn  darge- 
brachte Opfer  sollte  zugleich  die  Aussöhnung  mit  Eleusis  darstellen, 
die  darauf  hinauskam,  dafs  Athena  jetzt  ihr  agrarisches  Amt  der  De- 
meter abtrat.  Daher  die  Beteiligung  der  Burgpriesterschaft  an  der 
Prozession. 

E.  Rohde,    Uxcpa,    im   JJxc'pcp    leponoua    Hermes    XXI    (1886) 
S.  116—125. 

Was  Schol.  Aristoph.  Thesm.  834  angeht,  so  tritt  Rohde  der  Robert- 
scheu  Herstellung  insoweit  bei,  als  vermöge  derselben  iv  z^  iopz^  zauzjj 
auf  die  Skira,  nicht  auf  die  Thesmophorien  geht.  Dafs  die  Skira  nicht 
einen  Teil  der  Thesmophorien  bildeten,  sondern  ein  selbstäudiges  Fest 
waren,  glaubt  er  bestätigen  zu  können  durch  die  von  Robert  über- 
sehene Inschrift  C.  I.  A.  II  n.  573b.  Weiterhin  wird  gezeigt,  dafs  inl 
^xtpip  nicht  auf  eine  Person  geht 'für  den  Skiros',  soudern  in  lokalem 
Sinne   zu   uehmeu  ist  'an   dem  Orte  Skiron'.     Die  Mehrzahl  der  Zeug- 


Athen.  373 

nisse  ergiebt  aufs  Klarste  diesen  Sinn,  und  gestatten  thun  den  lokalen 
Sinn  alle  Zeugnisse.  Wie  Robert  in  diesem  Punkte  Unrecht  hat,  so  ist 
auch  sein  Bemühen,  der  Athena  das  Opfer  des  Vorortes  abzusprechen, 
nicht  berechtigt.  Die  Frage,  wem  man  in]  ^xip(i}  'im  Vororte  Skiron' 
opferte,  wird  von  allen  Zeugen  dahin  beantwortet,  dafs  das  Opfer  der 
Athena  gegolten  habe.  Der  Schlufs  der  Robertschen  Herstellung  des 
Schol.  Arist  Thesm.  834  im  Hxcfjw  ßüszac  'AßrjMrjat  statt  zfj  'ABr]vä  ver™ 
dient  keinen  Beifall.  Die  von  Robert  verdächtigten  Belegstellen  sind 
nicht  alle  über  einen  Leisten  zu  schlagen;  Eustathios  mag  aus  Sueton 
mpt  r.atSiwv  geschöpft  haben,  dafs  aber  Pollux  IX  96  u.  a.  ihre  Angaben 
demselbigen  Autor  entlehnten,  ist  keineswegs  erwiesen.  Hinzuzufügen 
ist  Phot.  V.  Zxi'pov  TOTTog  'Aßr^vr^mv  i^'  oh  ol  /j.dvzscg  ixrx&iZovzo  .  xa\ 
Ixifjddog  Af^Tji'äg  hpüv  xal  tj  ioprrj  Zxtpa  .  ourw  0ep£xpdzrjQ.  Robert 
hat  diese  Stelle  nur  bis  ixa&iO^vzo  zitiert.  Sie  reiht  Namen  lose  anein- 
ander, aber  der  Urheber  der  Aneinanderreihung  wird  gemeint  haben, 
dafs  in  Skiron  ein  Tempel  der  Skiras  bestand  und  dafs  man  dieser 
Göttin  das  Skira-Fest  beging.  —  Auf  das  Stillschweigen  des  Pausanias 
I  36,  3  legt  Robert  selbst  wenig  Gewicht,  doch  auch  die  übrigen  argu- 
menta ex  silentio,  welche  er  geltend  macht,  sind  schwach.  Und  zur  Be- 
seitigung der  positiven  Angaben  über  einen  Skirastempel  im  Vorort  be- 
dürfte es  doch  gerade  starker  Argumente.  —  Auf  Grund  des  Lukian- 
Scholions  kann  nicht  mit  Robert  gesagt  werden,  das  Heraufholen  der 
verwesten  Überreste  sei  eine  Zeremonie  der  Skira  oder  Skirophoria. 
Wann  die  Schöpfweiber  thätig  waren,  ob  ihr  Herausschöpfen  der  Über- 
reste an  einer  selbständigen,  eigens  benannten  iopzrj  geschah,  darüber 
sagt  der  Scholiast  nichts ;  die  Thätigkeit  der  Schöpfweiber  erscheint  bei 
ihm  als  ein  unselbständiger  Akt,  als  blofse  Fortsetzung  des  au  den 
Thesmophorien  geübten  Hinabwerfens  von  Tieropfern.  Das  Heraus- 
schöpfen der  Überreste  hat  aber  nicht  blofs  nicht  zu  den  Thesmopho- 
rien, sondern  auch  nicht  zu  den  Skirophorien  gehört,  weil  ja  die  an 
den  Thesmophorien  ausgeführten  /luazT^pca  auch  axipofupia  genannt 
werden.  Überhaupt  giebt  die  Darstellung  des  Scholiasten  —  wunder- 
lich, wenig  geordnet  und  abspringend,  wie  sie  ist  —  keineswegs  die 
bestimmte  Anleitung,  welche  Robert  entnimmt.  —  Nebenher  (in  einer 
Note  zu  S.  123)  giebt  der  Verfasser  noch  'zu  bedenken,  ob  nicht  die 
ö-aTTcV-a  zü)v  ijxßhjfHvzujv,  welche  von  Gläubigen  mit  der  Saat  vermischt 
wurden,  eher  zur  Zeit  der  Aussaat  als  gerade  an  den  Skirophorien, 
mitten  im  Sommer,  heraufgeholt  sein  möchten '. 


Ich  mufs  mich  im  allgemeinen  für  Rohdes  Ansichten  entscheiden. 
Den  Zeugnissen  gegenüber  kann  das  Vorhandensein  eines  Skiras-Heilig- 
tums  in  Skiron  nicht  geleugnet  werden.  —  Besondere  Aufmerksamkeit 
dürfte  das  von  Rohde  nebenher  in  der  Note  S.  123  Bemerkte  verdienen. 
Die  Bereitung  jenes  saatfördernden  Geheimmittels  ward  begonnen  durch 


374  Griechische  Sakralaltertümer. 

das  Hinabwerfen  der  Tieropfer  und  die  Tieropfer  wurden  nach  Clemens 
Protr.  II  17  S.  14  Pott  am  Thesraophorienfeste  (Monat  Pyanepsion) 
hinabgeworfen.  Pyanepsion  ist  Saatnionat,  nach  Plutarch.  Dafs  die 
Überreste  acht  Monate  in  den  iieydpotg  blieben,  erst  im  hohen  Sommer 
ans  Licht  kamen,  ein  ganzes  Jahr  nach  dem  Hinab  werfen  zur  Anwen- 
dung gelangten  (Roberts  Ansicht),  ist  eine  unnatürliche  Vorstellung. 
Des  Geheimmittels  wird  man  sich  vielmehr  gleich  in  der  mit  Pyanepsion 
anhebenden  Saatzeit  bedient  haben.  Damit  kommen  wir  aber  wieder 
den  Thesmophorien  nahe.  -  Für  die  ältere  Deutung  der  Athena  Skiras 
als  Olivengöttin  giebt  es  allerdings  keine  zwingenden  Beweise;  vergl. 
Lolling  (Mitteil.  I  S.  130).  Aber  bestimmte  Gegengründe  haben  Lolling 
und  Robert  nicht  beigebracht,  daher  denn  die  ältere  Deutung  als  die 
sachgemäfseste  festzuhalten  sein  dürfte. 

zl.   OiXtog,    'EXsumvtaxä   dvdylufa.    'E^rj/ieplg   dp^atoXoytxi]   1886 
S.  19  -  32,    Dazu  Tafel  3. 

Von  den  beiden  unter  No.  1  und  2  abgebildeten  Reliefs,  die  im 
Oktober  1885  bei  den  Ausgrabungen  in  Eleusis  ans  Licht  gekommen 
sind,  stellt  No.  1  zwei  Lektisternien,  eins  neben  dem  andern,  dar.  Die 
erste  Figur  steht,  eine  Kanne  in  der  Hand,  bei  einem  grofsen  Misch- 
gefäfs,  ein  Mundschenk,  der  die  Tafelnden  zu  bedienen  hat.  Dann  ein 
gedeckter  Tisch  an  dem  zwei  Frauen  sitzen,  vermutlich  Persephone  und 
Demeter ;  die  eine  (Demeter)  hebt  die  Rechte  über  der  anderen  Haupt, 
einen  Kranz  oder  eine  Schale  haltend.  Auf  dies  Lektisternium  folgt 
ein  zweites,  die  Tischgenossen  sind  eine  Frau  und  ein  Mann,  den  Bei- 
schriften &sa  und  Bew  zufolge  eine  Göttin  (Persephone)  und  ein  Gott 
(Pluton).  Unter  dem  Ganzen :  Aömpayjdrjg  dvsßrjxe.  Da  im  städtischen 
Plutonsdienste  Lektisternien  stattgefunden  haben,  (C.I.A.  II  n.  948  sqq.) 
und  die  durch  beigeschriebenes  Öea  und  &sw  erläuterte  Darstellung 
offenbar  ein  plutonisches  Lektisternium  ist,  so  esheJlt,  dafs  dieser  Brauch 
nicht  blofs  in  der  Stadt,  sondern  auch  in  Eleusis  herkömmlich  war.  Die 
Wechsel  im  Leben  der  Persephone,  die  ein  Drittel  des  Jahres  in  der 
Unterwelt,  die  übrige  Zeit  in  den  lichten  Wohnungen  der  Olympier  zu- 
bringt, sind  mit  den  beiden  Bildern  des  eleusinischen  Reliefs  No.  1  er- 
schöpft; das  erste  zeigt  uns  Demeter,  die  sich  des  lenzlichen  Aufstieges 
ihres  Kindes  freut  und  es  bei  sich  bewirtet;  das  zweite  Bild  zeigt  uns 
wiederum  das  Kind  der  Demeter,  jedoch  als  Göttin  der  Unterwelt  an 
der  Seite  ihres  Gemahls,  zu  dem  sie  im  Herbste  hinabgestiegen  ist. 
Pluton  ist  in  dieser  Darstellung  nicht  der  schlimme  Räuber,  der  Demeter 
betrübt  hat,  sondern  alles  ist  hier  friedlich  und  freundlich;  das  der 
Satzung  Hymn.  463  ff.  Gemäfse  stellt  sich  dar  und  erweckt  ein  gewisses 
Behagen. 

Anderen  Sinnes  ist  das  Relief  No.  2;  es  stellt  den  wilden  Gott  der 
Unterwelt  und  die  von  ihm  geraubte  Köre  dar,  der  herbe  Gesichtsaus- 


Athen.  375 

druck,  die  abgewendeten  Blicke  lehren,  dafs  noch  kein  Einverständnis 
hergestellt  ist.  Über  den  Figuren  liest  man,  dafs  [Lakrateides  Sostratos' 
Sohn  aus  Ikaria]  Priester  des  Gottes  und  der  Göttin  und  des  Eubuleus 
das  Bildwerk  aufgestellt  haben.  Etwas  tiefer  verschiedene  Beischriften: 
IJXoÜt(uv  —  TpcTZTo^slfioQ]  —  Bsd  —  Aaxpa~et[dT^g]  ZojaTpdr[ou\  Ixa- 
pieöq.  Von  den  bezüglichen  Figuren  ist  der  Kopf  des  Pluton  und  der 
Kopf  der 'Göttin'  (Persephone)  erhalten,  dagegen  die  Figur  des  Trip- 
tolemos  und  die  des  Lakrateides  (Isäos  I  9)  verloren.  Auch  andere, 
durch  ßeischrifteu  uns  nicht  angedeutete  Figuren  mögen  verloren  sein. 

Die  beiden  Reliefs  sind  gefunden  in  der  Erdschicht,  welche  die 
Fundamente  eines  kleinen  Tempels  deckte  bei  dem  zerklüfteten  Felsen, 
dessen  Spitze  eine  Panagienkapelle  einnimmt,  westlich  von  den  kleinen 
Propyläen.  Vgl.  Bulletin  IX  p.  66  und  Tafel  I  (Plan).  Die  Fundamente 
sind  vielleicht  Überreste  jenes  Plutonstempels,  von  dem  die  eleusinische 
Inschrift  Arch.  Kephisophon  redet.  Die  Zerklüftungen  des  Felsens  dort 
mochten  für  Pforten  der  Unterwelt  gelten,  durch  welche  Köre  hinabstieg 
und  auch  alljährlich  wieder  emporstieg. 

Philios,  dessen  Darlegung  im  Obigen  epitomiert  ist,  bezieht  das 
erste  Lektisternium  (Demeter  und  Persephone)  auf  die  Wiedervereini- 
gung von  Mutter  und  Tochter  im  Lenz.  Einer  anderen  Jahreszeit  ge- 
hört nach  ihm  das  zweite  Lektisternium  an;  es  bezieht  sich  auf  den 
Anfang  des  Winters,  die  Zeit  wo  Persephone  alljährlich  hinabsteigt. 
Da  der  Gegenstand,  den  die  eine  Tischgenossin  über  der  anderen  Kopf 
hält,  nicht  sicher  erkennbar  (Philios  hält  ihn  für  eine  ipiäXri)^  der  Sinn 
dieser  Handlung  unklar  ist,  so  wäre  doch  auch  zu  erwägen,  ob  wir 
nicht  einen  Abschied  der  Mutter  von  der  Tochter  vor  uns  haben,  so 
dafs  beide  Lektisternien  derselben  Jahreszeit  angehören.  —  Soll  Köre 
die  vier  winterlichen  Monate  hindurch  in  der  Unterwelt  bleiben,  so 
mufs  ihre  Wiedervereinigung  mit  Pluton  vor  Poseideon  stattfinden  und 
danach  ist  das  der  Wiedervereinigung  geltende  Fest  der  Haloen  in  der 
Zeit  vor  Poseideon  zu  vermuten.  Aber  die  für  die  Haloen  überlieferte 
Zeit  ist  Poseideon  (Harpokr.  p.  13  Bekk.).  Diese  Schwierigkeit  ist  viel- 
leicht durch  die  populären  Haloen  zu  lösen.  Es  gab  neben  dem  eleusi- 
nischen  Hochfest  auch  Haloen  aufserhalb  Eleusis.  Populäre  Feste  dieses 
Namens,  bei  denen  es  auf  geselliges  Vergnügen  abgesehen  war,  beging 
man  in  Kollytos  und  wohl  auch  an  anderen  Orten.  Es  werden  sich  die- 
selben dem  eleusinischen  Hochfeste  zwanglos  angeschlossen  haben  und 
zwar  werden  sie  nach  dem  Hochfeste  stattgefunden  haben,  vermutlich 
im  Poseideon,  wie  ja  auch  die  zwanglosen  Ortsfeste  des  Bakchos  (länd- 
liche Dionysien)  diesem  Monat  angehören. 

0.  Band,  Das  attische  Demeter-Kore-Fest  der  Epikleidia.    Bei- 
lage zum  Programm  der  Margarethenschule.    Berlin  1887.    31  S. 

Gegenstand  der  Untersuchung,  deren  erste,  als  Vorarbeit  anzu- 


376  Griechische  Sakrälaltertümer. 

sehende  Hälfte  der  Verfasser  iu  dem  Programm  publiziert,  ist  C  I.  Gr. 
n.  523  =  C.  I.  A.  III  ü.  77,  besonders  lin.  1  -  3.  N.  523  ist  ein  Opfer- 
verzeichnis; es  kommen  teils  Substantive  (nunai^uv  vaarog),  teils  Adjek- 
tive (ow§exuv<paXog  ^ocvixaTos  vr^ifäXiog  up&övifaXog)  und  Partizipien  (xa- 
BijixBvog  iniTitTiXaaixivog)  vor,  um  die  Sorte  der  darzubringenden  Fladen 
anzugeben.  Das  veraulafst  den  Verfasser  zu  pemmatologischeu  Studien. 
Es  bilden  dieselben  das  I.  Kapitel,  dessen  Inhalt  sich  etwa  so  zusam- 
menfassen läfst. 

niXavoc  werden  allen  Göttern  dargebracht,  TiÖTtava  ebenfalls.   Letz- 
tere können  auch  Voropfer  sein,   sind   aber  iu  n.  523  die  Opfer  selbst. 
Sie   zerfallen   in   zwei    Klassen,    die    ujxfaXwzd    und   die   TtXaria.      Die 
Klasse  der  diifcxXojrd  hat  drei  Spezies  nzaoiKpaka,    TioÄo6iJ.<paXa^    kmne- 
rJaoiiiva.      Für   die  erste  Spezies  ist  erforderlich,   dafs  sich  ein  Nabel 
in  der  Mitte   befindet,   und   zunächst  hat  man   solche   nonava   zu  ver- 
stehen, die   überhaupt  nur   diesen   einzigen  Nabel  haben;    im  weiteren 
Sinne  werden  jedoch   auch   diejenigen  den   Namen   iJ.ea6ix<paXa  geführt 
haben ,   auf  welchen   mehrere    ojj.<paAot  um  einen  mittleren  herum  ange- 
bracht waren.     Unsere  Inschrift  bietet  keine  ixEaoixtpaXa,  allein  sie  wer- 
den ersetzt  durch  die  häufig  vorkommenden  ufjMv<paka,  welche  als  eine 
Unterart  der  ixeoüp-^aXa  zu  betrachten  sind;  es  hatte  nämlich  allerdings 
wohl  nicht  jedes  iieaoiKpaXov  einen  hochaufstehenden  {dp&6g)  Nabel  und 
war  /xsao/x^aXog  der  umfassendere  Begriff,  aber  in  der  Mitte  mufs  der 
dp&bg  opfaXog  sich  befunden  haben,  so  dafs  der  Spezies  iisaufi<paXa  die 
dpbovfala   als  Subspezies  zuzuweisen  sind.     Wir  finden  lin.  10  der  In- 
schrift op^6v(pa\o\>  ohne  nähere  Bestimmung,  unzweifelhaft  in  dem  Sinne 
eines  durch  einen  einzigen  Nabel  in  der  Mitte  verzierten  Gebäcks,  und 
mehrmals  mit  zugefügtem  dcuoexav^aXog,  entsprechend  dem  /leaüfi^aXog 
im   weiteren   Sinne,    wo    der  Mittelnabel   von   mehreren  Näbelchen   um- 
ringt ist.     In  n.  523   kommt  nonavov  upi^üvfaXov   wiederholt  vor,   sonst 
ist  das  Wort  dp&uvipaXov  nirgends  anzutreffen;  doch  kann   man   sagen, 
dafs  das  im   Totendienst  herkömmliche   Opferbrot,   dpi^oazdzrjg  (Eurip. 
Helen.  547)  genannt,  ziemlich  dasselbe  wie  nvrMvov  opb6v<paXov  gewesen 
sein  müsse.     Für  das  mit  nicht  mehr  als  einem  Nabel  versehene   ndna- 
vov  liefse  sich  die  Benennung  jxov6p<paXov  erwarten;   aber   es  ist  diese 
Benennung  nicht  nachweisbar;    was   sollte  sie   auch?    da  man  ja  schon 
bezeichnende  Namen  genug  hatte.     —     Die   zweite  Spezies  ist  die  der 
Tiunava    ■noXuöp<paXa.      Zu  ihr  gehört  das  häufig  auf  der  Inschrift  vor- 
kommende n.  o<uoex6v<paX(Jv.    Unter  dem  xaf^/jpevov  ouiozxövipaXov  haben 
wir  uns  ein  Popanon  zu  denken,  dessen  flachen  Mittelraum  zwölf  oinpa- 
Xot  umrandeten.     Das  dp&öv^aXov  SwSexov^aXov  könnte  auch  der  ersten 
Spezies  angeeignet  werden.  —  Die  dritte  Spezies  bilden  die  nönrxva  km- 
Ti£7tXaajxiva  '  mit  Aufgufs' ,  vermutlich  =  im^uroc.   —  Beispiele  zu  dieser 
Pemmatologie,    die   sich   aus    kunstarchäologischen  Werken  nachweisen 
lassen. 


Athen.  377 

Kapitel  II  bezieht  sich  auf  den  Anfang  der  Inschrift:  Msraytz- 
vtajvog  d^saeg  ß  .  .  .  \  rou  z/jg  navzsXzcag  rronavov  [dwosxöv]  \  ^aXov 
^otvixiacov  te\  vrjipöMov  und  verweilt  zunächst  bei  iiu.  1  ßsacg;  die  Mehr- 
heit weiblicher,  jedenfalls  zusammengehöriger  Gottheiten  habe  mau  auf 
Demeter  und  Köre  zu  deuten;  dahin  führe  auch  die  Nüchternheit  des 
Dargebrachten,  lin.  3  vr^^dhov.  Um  dann  die  Frage  zu  beantworten, 
welche  Sorge  es  gewesen,  die  den  attischen  Landmann  um  den  15.  Me- 
tagitnion  beschäftigte,  dafs  er  meinte  den  beiden  Göttinnen  an  dem  ge- 
nannten Tage  opferii  zu  müssen,  wird  auf  Landbau  und  Demeterdienst 
in  ihren  Wechselbeziehungen  eingegangen.  Auch  diese  Erörterung,  wel- 
cher der  übrige  Teil  des  Programms  von  S.  14  an  gewidmet  ist,  will 
nur  vorbereiten;  das  Endergebnifs  für  n  523  lin.  1  und  2  erfahren  wir 
nicht;  nach  dem  Titel  scheint  es,  dafs  der  Verfasser  den  Bräuchen  des 
15.  Metag.  den  Namen  Epikleidia  (vergl.  0.  Band  de  Dipolior.  sacro 
p.  39)  zu  vindizieren  gedenkt.  Ich  gebe  nun  eine  Skizze  dieser  zweiten 
Vorstudie. 

Demeterfrüchte  —  lehrt  der  Verfasser  -  sind  die  Getreidearton, 
doch  gehen  Demeter  auch  andere  Erträge  au,  Hülsenfrüchte  und  Ge- 
müse, auch  Mohn,  die  gyjpd  überhaupt,  während  die  xapnol  uypoc  dem 
Dionysos  gedankt  werden.  Li  einem  Orakel  bedeutet  Arj/x/jzrjp  das  Korn, 
welches  man  einstreut  und  erntet.  Als  Geberin  der  ßrotfrüchte  erhält 
sie  teils  allgemeine  Beiwörter  wie  (fspeaßcug  nAouzooozsipa,  teils  solche 
die  näher  auf  Cerealien  hinweisen,  l\z(v  (Sicilien)  iptkönopog  und  dergl. 
Nebenher  bemerkenswert  das  thessalische  Demeterheiligtura  der  Weizen- 
stadt Pyrasos ;  oriai  (Kreta)  =  xpSai\  also  ärjixrjzrjp  Gerstenmutter,  Korn- 
mutter. —  Andere  Epitheta  beziehen  sich  auf  bäuerliche  Thätigkeiten, 
eTiöypiug  Göttin  der  Furchen  oder  der  Schwaden,  Ttpor^podca  und  viele 
ähnliche.  Triptolemos  der  Dreimalpfiüger,  Trisaules  der  Dreimalfur- 
cher;  Disaules,  nicht  Dysaules.  —  Feste,  die  sich  dem  jährlichen  Gang 
der  Bodenbestellung  anschliefsen,  Proerosien,  Haloen  u.  a.  m.  -  Attri- 
bute der  Demeter  auf  Bildwerken.  Demeter  schafft  das  Grün  der 
Viehweiden,  daher  auch  die  Viehzucht  zu  ihrem  Bereiche  gehört;  dazu 
die  Bienenzucht  (weil  sie  den  Bienen  duftige  Kräuter  spriefsen  läfst). 
—  AZrjaia  dörrend  und  zeitigend,  xaüazcg  und  verwandte  Epitheta  wer- 
den der  Demeter  als  einer  Göttin  der  Witterung  und  der  Jahreszeit 
mehr  vom  meteorologischen  Gesichtspunkte  beigelegt. 

Aus  diesen  Andeutungen  werden  unsere  Leser  ersehen  haben,  dafs 
des  Verfassers  Vorstudien  die  Erfordernisse  eines  Apparats  zur  Erklä- 
rung und  Ergänzung  der  attischen  Inschrift  n.  523  weit  überschreiten. 
Dies  ist  an  und  für  sich  kein  Tadel  —  bieten  doch  die  umfangreichen 
Sammlungen  dem  Mitforscher  so  manches  Literessante,  aber  unter  der 
Heranziehung  von  Ding(>n,  die  ferner  liegen,  hat  die  für  die  Inschrift 
gebotene  Bezugnahme  auf  Attisches  offenbar  gelitten.  Besonders  die 
attischen  Inschriften  sind  nicht  ausreichend  benutzt.      Movuv<paXa  tindet 


378  Griechische  Sakralaltertümer. 

sich  in  einer  Aufschrift,  Mitteil,  des  deutschen  Instit.  II  S.  249;  vergl. 
Bulletin  de  corr.  hell.  VII  S.  68.  Die  Haloen  belegt  Verfasser  aus 
Autoren,  epigraphische  Zeugnisse  fehlen;  auf  einer  der  in  Eleusis  ge- 
fundenen Inschriften  kommt  aufser  'A?Ma  auch  rr^v  äXoj  rrjv  cepdv  (Ephe- 
mer. 1883  S.  121  lin.  20)  vor.  —  Da  es  unsicher  ist,  C.  I.  Gr.  n.  523 
lin.  1  ß[aac/.ecatg],  vgl.  Aristoph.  Frösche  383  f.  ttjv  xapno^öpov  ßoaiXetav 
AijiirjTpa  Bedv  und  C.  I.  Gr.  n.  2415  TzajißamXBta  &£ä  TzoXuätvuiie  Koöpa, 
zu  ergänzen  und  die  Herstellung  auf  irgend  ein  anderes  Epitheton  eben- 
falls unsicher  wäre,  so  haben  wir  auch  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen, 
dafs  die  Empfängerinnen  des  Opfers  blofs  durch  das  eine  Wort  l^ea^g 
bezeichnet  werden.  Um  diese  Möglichkeit  zu  prüfen  ist  der  inschrift- 
liche Sprachgebrauch  heranzuziehen.  C.I.  A.  II  n.  315  ist  [Ta\cg  [B]£a[c]g 
gesagt  statt  ro7v  &eo7v,  da  Demeter  und  Köre  gemeint  sind.  Das  Or- 
geonendekret  a.  0.  n.  622,  in  welchem  'die  beiden  Attisfeste'  vorkommen 
und  von  den  Göttinnen  {rag  dsdg)  die  Rede  ist,  dürfte  für  die  Erklä- 
rung von  C.  I.  Gr.  n.  523  weniger  mafsgebend  sein.  Dafs  n.  523  lin.  1 
&aaTg  ohne  Artikel  steht,  kann  man  auf  die  kurze  Ausdrucksweise  sol- 
cher Verzeichnisse  schieben;  so  findet  sich  statt  des  sonst  üblichen  to7v 
BeoTv  in  dem  Opferverzeichnis  C.I.  A.  I  u.  5  blofs  6*£o?w.  Die  Annahme  des 
Verfassers,  dafs  C.I. Gr.  n.  523  lin.  1  Demeter  und  Köre  gemeint  seien, 
mag  also,  obschon  sie  nicht  gerade  zwingend  ist,  doch  wohl  das  Wahre 
treffen. 


I 


Jahresbericht 
über  die  griechische  Epigraphik  für  1883 — 1887. 

Von 

Dr.  Wilhelm  Larfeld, 

Überlehrer  in  Remscheid. 


Erster  Teil. 

Die  folgende  Zusammenstellung  deckt  nicht  ganz  den  Zeitraum  des 
seit  dem  Erscheinen  von  Röhls  Jahresbericht  für  1878  —  1882  verflossenen 
Lustrums,  da  einerseits  ein  Teil  der  Publikationen  des  Jahres  1883  noch 
von  Röhl  benutzt  werden  konnte,  andrerseits  ein  nicht  unbedeutender 
Rest  der  Litteratur  von  1887,  um  das  Erscheinen  dieser  Blätter  nicht 
ungebührlich  zu  verzögern,  der  späteren  Fortsetzung  derselben  vorbe- 
halten werden  mufste.  Seit  Röhls  Bericht  hat  die  griechische  Epigraphik 
auf  allen  Gebieten  eine  derartige  Bereicherung  erfahren,  dafs  dem  jetzigen 
Berichterstatter  Kürze  die  oberste  Norm  bei  Behandlung  des  weitschich- 
tigen Materials  sein  zu  müssen  schien,  insofern  nur  immer  der  Zweck 
dieser  Blätter,  als  handliches  Nachschlagebuch  der  vorläufigen  Orientie- 
rung zu  dienen,  dadurch  nicht  in  Frage  gestellt  werden  würde.  Vor 
allem  will  der  vorliegende  Bericht  nicht  einen  Auszug  aus  den  um- 
fassenden und  leicht  zugänglichen  Sammelwerken  bieten,  in  denen  das 
epigraphische  Material  ohnehin  schon  übersichtlich  geordnet  zusammen- 
gestellt ist,  wie  namentlich  den  Publikationen  der  Berliner  und  Peters- 
burger Akademie,  des  Britischen  Museums  u.  a. ;  vielmehr  möchte  er 
zuverlässige  Wegweiserdienste  leisten  durch  die  mannigfach  zersprengte 
Litteratur  und  einen  bequemen  Überblick  über  das  für  die  verschieden- 
artigsten Studien  in  betracht  kommende  Material  auch  dem  ferner  Stehen- 
den ermöglichen.  Ausgeschlossen  von  der  Besprechung  sind  daher  zu- 
nächst alle  in  den  genannten  Sammlungen  neu  veröffentlichten  Urkunden. 
Was  von  epigraphischem  Material  aus  anderweitigen  Publikationen  in 
dieselben  übergegangen  und  somit  leichter  erreichbar  geworden  ist,  ist 
kurz  verzeichnet  worden.  Weiterhin  konnte  eine  Aufzählung  der  in  den 
vielen  kleineren  Sammelschriften  angehäuften  zahllosen  Varianten,  berich- 


380  Griechische  Epigraphik. 

tigten  Lesarten.,  Ergänzungsversuche  u.  s.  w.  unmöglich  in  den  Rahmen 
der  Behandlung  fallen,  wofern  letzterer  nicht  völlig  gesprengt  werden 
sollte  Gleichwohl  ist  aus  den  Schriften  geringeren  Umfangs  (Programm- 
abhandlungen, Dissertationen  u.  a.)  manches  verzeichnet  worden,  was 
sonst  voraussichtlich  bald  der  Vergessenheit  anheimgefallen  wäre.  Was 
sich  den  Gebieten  der  Sprachkunde,  Archäologie,  Chronologie  u.  s.  w. 
überweisen  liefs,  ist  meist  nur  kurz  registriert,  oft  ganz  übergangen 
worden,  zumal  hier  die  Mahnung,  nicht  in  ein  fremdes  Amt  zu  greifen, 
zu  beherzigen  war.  Als  nicht  in  das  Gebiet  der  Behandlung  fallend 
sind  alle  Inschriften  nicht-griechischen  Idioms  ausgeschieden  worden; 
so  die  nicht  wenig  zahlreichen  Denkmäler  keltischer  Herkunft,  die  lem- 
nisch-tyrrlienischen  Inschriften,  an  die  sich  bereits  eine  Litteratur  knüpft, 
die  zahlreichen  von  Benndorf  und  Niemann  mitgeteilten  lykischeu  In- 
schriften epichorischen  Alphabets  u.  s.  w.  Vasen,  Henkelinschriften  u.  dergl. 
waren  prinzipiell  ausgeschlossen ;  bisweilen  ist  auf  einen  besonders  inter- 
essanten Fund  kurz  hingewiesen  worden.  —  Wenn  im  übrigen  bei  der 
Aufführung  eines  so  umfangreichen  Mosaikgebäudes  hier  und  da  ein 
Stück  versprengten  Materials,  dessen  Herbeischaffung  vielleicht  sauern 
Schweifs  kostete,  unbeachtet  und  ungewertet  geblieben  ist,  so  werden 
diejenigen  am  wenigsten  mit  dem,  der  es  errichtet,  rechten  wollen,  denen 
die  Masse  des  von  allen  Seiten  zugetragenen  Materials  und  die  unge- 
heure Ausdehnung  des  Bauplatzes  nicht  unbekannt  ist. 

Aufser  den  gebräuchlicheren  Abkürzungen  habe  ich  namentlich 
folgende  angewandt:  BGH  =  Bulletin  de  correspondance  hellenique, 
HD  =  Bechtel,  Inschr.  ionischen  Dialekts,  KE0I  =  '0  iv  Kujvazavu- 
\>oorLÖlc.i  ' EXXrjviüog  (pdoXoyixhg  (TÜUoyog,  TTapdpTrjfxa  des  betreffenden 
Bandes,  MD  AI  =  Mitteil,  des  deutsch,  archäol.  Instit.  in  Athen,  Röhl  I. 
II  =  Röhls  Jahresbericht,  Bursian-Müller  X  1882  Bd.  32  S.  1-154  und 
XI  1883  Bd.  36  S.  1-  153,  SGDI  =  Collitz,  Sammlung  der  griech.  Dia- 
lektinschriften, SIB  =  Larfeld,  Sylloge  inscriptionum  Boeoticarum,  SIG 
=  Dittenberger,  Sylloge  inscriptionum  Graecarum. 

1.   Allgemeines. 

Seit  Erscheinen  der  jetzt  völlig  antiquierten  »Elementa  epigra- 
phices  Graecae«  von  Franz  (Berlin  1840)  hat  die  griechische  Epigra- 
phik einen  neuen  Bearbeiter  nicht  gefunden.  Nur  hin  und  wieder  wur- 
den mehr  oder  minder  gelungene  Anläufe  gemacht,  das  eine  oder  andere 
Feld  des  weiten  Gebietes  neu  zu  bebauen.  Um  so  freudiger  mufs  es 
begrüfst  werden,  dafs  ein  französischer  und  ein  deutscher  Gelehrter  in 
edlem  Wettstreit  nahezu  gleichzeitig  sich  der  schwierigen  Aufgabe  unter- 
zogen haben,  das  ins  Ungeheure  angewachsene  Inschriftenmaterial  einer 
neuen  Gesamtdarstellung  zu  unterziehen.  —  Nach  einer  Vorarbeit  von 
Reinach,  Manuel   de  philologie   classique.     Zwei  Bände.     Paris  1883. 


I.   Allgpoioines.  381 

1884.  Bd.  I:  fipigraphie,  paleographie ,  critique  des  textes  —  erschien 
desselben  Verfassers  Werk: 

Reinacli,  Traite  d'epigraphie  grecque,  precede  d'un  essai  sur  les 
inscriptious  grecques  par  C  T.  Newton,  traduit  avec  l'autorisation  de 
Tanteur,   augmente  de  notes   et  de  textes  epigraphiques  choisis.     Paris 

1885.  XLIV,  560  S.  gr.  8.  20  Fr.  —  Rez.:  Meister,  Berl.  philol.  Wochen- 
schr.  1886  n.  6  Sp.  165-172.  Mowat,  Bnlletin  epigr.  n.  6  S.  327—329. 
Laconr-Gayet,  Revue  de  Tinstruction  publique  en  Belgique  S.  117  119. 
J.  Taylor,  Academy  n.  735  Sp.  400.  Merriam,  American  Journal  of 
archaeology  S.  70-75.  'Eßoo/idg  n.  112  S.  191.  Athenaeum  n.  3070 
S.  278.  Pais,  Giornale  di  filol.  class.  S.  305  —  307.  E.  A.  G.,  Journal 
of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  306-308.  —  Inhalt:  Einleitung  mit 
praktischen  Winken  für  den  Epigraphiker:^)  Reisevorbereitungen,  Anlage 
eines  Taschenbuchs  mit  Notizen  über  das  schon  publizierte  Material  der 
zu  durchforschenden  Gebiete,  Beschaffung  und  Verwendung  eines  photo- 
graphischen Apparats,  Anfertigung  von  Abklatschen  und  Durchreibungen, 
Kopieen,  Vorbereitungen  zur  Publikation,  Umschrift  und  Kommentar. 
Teil  I  (S.  1  —  174)  handelt  von  den  griechischen  Inschriften  im  allge- 
meinen und  von  dem  Nutzen,  den  sie  für  die  Kenntnis  des  klassischen 
Altertums  gewähren,  wobei  der  Verf.  sich  beschränkt  auf  eine,  durch 
Anmerkungen  und  Hinweise  auf  neuere  Inschrifttexte  erweiterte  Über- 
setzung von  Newtons  1876  und  1878  in  der  Contemporary  Review  er- 
schienenen Abhandlungen  »On  greek  inscriptions«  (gesammelt  in  Essays 
on  art  and  archaeology,  London  1880  S  94-209;  deutsch  von  Imelmann, 
die  griechischen  Inschriften.  Hannover  1881  [vgl.  Röhl  I,  4]).  Teil  II 
(S.  175  560),  auf  die  Epigraphiker  von  Fach  berechnet  und  des  Verf. 
eignes  Werk,  behandelt:  Kap.  I  (S.  175  236)  Geschichte  des  griechi- 
schen Alphabets;  darin  Ligaturen  S.  212  ff.,  Interpunktion  214  ff.,  Zahl- 
zeichen 216  ff.,  zwei  Listen  der  Siglen  vor  und  nach  Chr.  225  ff.  Kap.  II 
(S.  237—293),  Orthographie  und  Grammatik  der  Inschriften  (jetzt  über- 
holt von  Meisterhans,  s.  S.  398f.).  Kap.  III  (S.  294-335)  Inschriften 
im  allgemeinen:  Material,  Aufstellung,  Steinmetzen  S.  305  ff.,  Sekretäre 
308  ff.,  Kosten  314  ff.,  Fehler  322  ff.,  Thukydidestext  330  ff.  Kap.  IV 
(S.  336-418)  öffentliche  Urkunden:  Dekrete  S.  339  ff.,  Epigramme  356  ff., 
Proxeniedekrete  358  ff-,  Ehren-  366  ff.,  Weihinschriften  373  ff.,  Kata- 
loge 387  ff.,  Orakeltäfelchen  394,  Königsbriefe  395  f.,  Richterentscheide 
396  ff.,  choregisch-agonistische  Inschriften  400  ff.,  Ephebeninschrifteu 
408  ff.  Kap.  V  (S.  419  472)  Privatinschriften:  Grenzsteine  S.  419  ff., 
Grabinschriften  423  ff.,  Verwünschungen  433  f.,  Künstlersignaturen  434  ff., 
tabulae  Iliacae  441  f.,  Gemälde-  442  f.,  Vasen-  443  ff.,  Lampen-  453  f., 


1)  Weiter  ausgeführt  in  der  Schrift:  Reinach,  Couseils  aux  voyageurs 
archeologues  en  Grece  et  dans  l'orient  helleniqiie.  Pari.s  1886.  116  S.  8. 
2,50  Mk. 


382  Griechische  Epigraphik. 

Henkel-  454  ff.,  Gemmeninschriften  460  ff.,  Inschriften  auf  Gewichten, 
Bronzen,  Bleistücken,  Schleudergeschossen,  Marken,  Billets  u.  a.  463  ff. 
Kap.  VI  (,S.  473  —  545)  Ergänzungen:  Listen  der  Kalender  S.  473  ff'.,  der 
Eigennamen  503  ff ,  Transskriptionen  bzw.  Übersetzungen  römiscber 
Namen  und  Titel  520  ff.,  Schicksale  der  Inschriften  538  ff.,  Sammlungen 
540  ff.  —  Schon  im  ersten  Teile  werden  in  den  dem  Verf.  eignen  Par- 
tieen  mehrfach  Vollständigkeit  und  Genauigkeit,  namentlich  hinsichtlich 
der  Bibliographie,  vermifst.  Am  augenscheinlichsten  zeigt  sich  der 
Mangel  exakter  Methode  und  sicherer  Beherrschung  des  Sprachmaterials 
in  den  beiden  ersten  Kapiteln  des  zweiten  Teils.  Die  Geschichte  des 
Alphabets  ist  im  Wesentlichen  nach  Lenormant  dargestellt,  doch  sind 
namentlich  auch  Kirchhoffs  »Studien«  ausgiebig  benutzt.  Die  griechi- 
schen Alphabete  sind  in  drei  Tabellen  nach  verschiedenen  Prinzipien 
gruppiert:  die  erste  enthält  im  Anschlufs  an  Kirchhoffs  Tafeln  der  ost- 
und  westgriechischen  Alphabete  eine  Anordnung  nach  Städten,  die  zweite 
und  dritte,  aus  Taylors  »Alphabet«  (s.  S.  384)  abgedruckt,  eine  »geo- 
graphische Einteilung«  (wiederum!)  in  neun,  bzw.  eine  »chronologische 
Entwicklung«  der  Alphabete  in  drei  Gruppen  (kadmeisches ,  ionisches 
und  hellenisches  Alphabet).  Da  jedoch  im  Texte  selbst  eine  vierte  Ein- 
teilung, nach  Lenormant,  befolgt  wird,  und  aufserdem  noch  mehrere  an- 
dere Gruppierungen  angeführt  werden,  so  ist  an  Stelle  der  durch  Kirch- 
hoff geschaffenen  Ordnung  hier  wieder  die  alte  Methodelosigkeit  ge- 
treten. Kap.  II  bietet  eine  Blumenlese  epigraphischer  Eigentümlich- 
keiten, aus  denen  der  Verf.  Kriterien  für  die  Chronologie  der  Inschriften 
zu  gewinnen  sucht.  Hauptsächlich  werden  die  attischen  Inschriften  be- 
rücksichtigt; doch  mahnen  Unzulänglichkeit  der  Materialsammlungen  und 
mangelnde  Sprachkenntnis  auch  hier  zur  Vorsicht.  Von  gröfserem  Wert 
ist  der  Inhalt  der  folgenden  Kapitel,  in  denen  Franz'  »Elementa«  aus- 
geschrieben und  ergänzt,  und  an  der  Hand  eines  reichlich  zusammen- 
getragenen Stoffs  mit  ausgiebiger  Benutzung  der  einschlägigen  Litteratur 
die  verschiedenen  Inschriftklassen  besprochen  werden.  Einzelne  Un- 
genauigkeiten  und  irrtümliche  Auffassungen  sind  auch  hier  zu  rügen.  -- 
Wenn  somit  das  Werk  als  Handbuch  der  Epigraphik  keineswegs  den 
Anforderungen  genügt,  so  wird  es  sich  doch,  mit  der  nötigen  Kritik  be- 
nutzt, zweckraäfsig  zu   rate  ziehen  lassen. 

Es  folge  die  wenig  später  erschienene  Abhandlung  —  zugleich  das 
letzte  Vermächtnis  —  des  leider  allzu  früh  dahingeschiedenen  deutschen 
Gelehrten: 

Hinrichs,  Griechische  Epigraphik  (Handbuch  der  klassischen 
Altertumswissenschaft,  herausgegeben  von  Iwan  Müller.  Bd.  I.  Nörd- 
lingen  1886.  S.  329  474).  -  Rez.:  Meisterhans,  Neue  philol.  Rund- 
schau 1886  n.  23  Sp.  365  -  367.  Meister,  Berl.  philol.  Wochenschr.  n.  42 
Sp.  1301  -  1304.  -  Inhalt:  A)  Einleitender  Teil.  1.  Begrifl"liche  De- 
finition   der   Epigraphik   (S.  331  ff\).     2.   Geschichtlicher  Rückblick  auf 


I.  Allgemeines.  383 

den  äufseren  Entwicklungsgang  und  die  Grundsätze  der  Behandlung  der 
griechischen  Epigraphik  (S.  335  ff.).  B)  Allgemeiner  Teil.  3.  Ursprung 
des  griechischen  Alphabets  (S.  359  ff.).  4.  Das  Alter  des  Schriftge- 
brauchs bei  den  Griechen  (S.  379  ff.).  5.  Die  Herübernahme  der  grie- 
chischen Schrift  (S.  389  ff.).  6.  Die  Eichtung  der  griechischen  Schrift 
und  ihre  Einzelentwicklung  (S.  407  ff.;  mit  einer  »Tafel  der  griechischen 
Alphabete«  nebst  Erläuterungen).  7.  Interpunktion,  Paragraphierung, 
Kompendien,  Zahlzeichen  etc.  bei  den  Griechen  (S.' 427  ff.).  8.  Tech- 
nik, Bemalung,  Kosten  und  Aufstellung  der  Inschriften  (S.  440  ff.).  C) 
Besonderer  Teil.  9.  Einteilung  der  griechischen  Inschriften  nach  Sprache 
und  Stoff  (S.  443  ff.).  10.  Die  Urkundensprache  bei  den  Griechen 
(S.  447  ff.).  —  Der  Verf.  erblickt  die  wichtigste  Aufgabe  eines  Hand- 
buches der  Epigraphik  in  der  möglichst  genauen  Darstellung  des  paläo- 
graphischen  Charakters  der  Inschriften;  demgemäfs  bietet  der  weitaus 
gröfste  Teil  seiner  Abhandlung  eine  Geschichte  des  griechischen  Al- 
phabets. Unstreitig  bildet  letztere  den  Glanzpunkt  des  Werks.  Klar 
und  übersichtlich  sind  die  Resultate  Kirchhoffs  dargestellt;  überall  ist 
das  neu  hinzugekommene,  weitschichtige  Material  mit  minutiösem  Fleifs 
zusammengetragen  und  verwertet.  Allein  den  Anforderungen,  die  an 
ein  Handbuch  der  griechischen  Epigraphik  zu  stellen  sind,  entspricht 
die  Hinrichs'sche  Arbeit  keineswegs.  Der  Begriff  der  Epigraphik  er- 
scheint ungebührlich  verengt.  Dem  Verf.  gelten  als  eigentliche  In- 
schriften nur  diejenigen  Urkunden,  »deren  Wegnahme  das  Material  ganz 
wertlos  machen  würde,  weil  sie  ihren  Zweck  in  sich  tragen«  (S.  334). 
Von  diesen  Inschriften  sind  getrennt  die  Auf-  oder  Bei  Schriften  auf 
Werken  der  Architektur.  Plastik  u.  s.  w.,  welche  in  einen  dürftigen  An- 
hang (S.  468  —  474)  verwiesen  werden.  —  Mit  einer  so  willkürlichen 
Trennung  wird  man  sich  nicht  einverstanden  erklären  können,  zumal  da 
kein  innerer  Grund  sich  ergeben  dürfte,  den  für  die  politische,  wie  für 
die  Litteratur-  und  Kunstgeschichte  oft  so  ungemein  wichtigen  Weih- 
und  Künstlerinschriften  das  Bürgerrecht  in  der  Epigraphik  zu  versagen, 
dagegen  den  ihrer  grofsen  Masse  nach  nicht  selten  recht  wertlosen  Grab- 
schriften es  zu  belassen.  Weit  glücklicher  ist  die  Auffassung  und  Dar- 
stellung dieser  sog.  Auf-  und  Beischriften  bei  Reinach,  S.  419—472, 
dessen  Werk  Hinrichs  erst  bei  der  Korrektur  der  letzten  Druckbogen 
zu  gesiebt  kam. 

So  bieten  beide,  völlig  unabhängig  von  einander  entstandene  Werke 
eine  willkommene  und  unentbehrliche  Ergänzung.  Die  Achillesferse  des 
französischen  Werkes  liegt  in  der  Darstellung  des  Alphabets,  die  Aus- 
führungen über  Stoff  und  Inhalt  der  Inschriften  sind  von  ungleich  grö- 
fserem  Werte;  umgekehrt  beruht  die  Stärke  des  deutschen  Werkes  in 
dem  paläographischen  Teile  desselben,  auf  den  übrigen  Gebieten  leistet 
es  geringere  Führerdienste.  Eine  erschöpfende  und  allseitig  befriedi- 
gende Darstellung  der  griechischen  Epigraphik  ist  weder  dem  deutschen, 


384  Griechische  Epigraphik. 

noch  dem  französisclien  Forscher  auf  den  ersten  Wurf  gehingen;  dem 
zukünftigen  Darsteller  haben  beide  wertvolle  Bausteine  zur  Errichtung 
des  Gebäudes  geliefert.  Ein  solcher  wird  auch  wohl  thun,  die  nament- 
lich von  R.  Meister  (s.  o.)  gegebenen  Winke  inbezug  auf  die  Anlage 
eines  epigraphischen  Handbuchs  zu  berücksichtigen. 

Von  sonstigen  Abhandlungen  allgemeineren  Inhalts  seien  hier 
erwähnt: 

Vallauri,  De  re  epigraphica.  Acroases  factae  in  R.  Athenaeo 
Taurinensi.     Senis  1885. 

Keelhoff,  L'epigraphie.     Bruxelles  1887.     32  S. 

Egg  er,  L'epigraphie  grecque  ä  l'academie  des  inscriptions  et  des 
belles  lettres.    Journal  des  Savants  1885   S.  111  —  117  und  258  —  266. 
Schätzenswerte  Aufsätze  über  Sammlung  und  Behandlung  der  Inschriften 
in  der  französischen  Akademie. 

HerondeVillefosse,  Du  droit  de  prop riete  des  copies  d'inscrip- 
tions.     BCH  YII  1883  S.  95-97. 

Correra,    Dell'    epigraphia    giuridica.     Rassegna    italiana   IV   1 

S.  72  ff.  

Da  in  der  vortrefflichen  Abhandlung  von  Hinrichs  (Gr.  Epi- 
graphik S.  359  —  426;  s.  o.)  diejenigen  Publikationen,  welche  die  in 
neuster  Zeit  wieder  lebhaft  erörterte  Frage  nach  dem  Ursprung  und 
der  Entwicklung  des  griechischen  Alphabets  zum  Gegenstande 
haben,  einer  eingehenden  kritischen  Würdigung  unterzogen  worden  sind, 
so  kann  hier  um  so  eher  davon  Abstand  genommen  werden,  auf  die 
mannigfachen  noch  schwebenden  Kontroversen  des  Näheren  einzugehen, 
als  der  Raum  für  die  notwendig  ausführlichere  Behandlung  derselben 
fehlen  würde.  Ich  begnüge  mich  daher,  auf  Hinrichs  zu  verweisen  und 
die  bedeutenderen  Erscheinungen  der  einschlägigen  Litteratur,  bis  auf 
die  Gegenwart  fortgeführt,  hier  kurz  zu  verzeichnen: 

Is.  Taylor,  The  aiphabet.  An  account  of  the  origin  and  develop- 
ment  of  letters.  2  vols.  London  1883.  8.  752  S.  4  Mk.  20  Pf. 
(Speziell  The  greek  aiphabet  II  S.  61     109.) 

Schlottmann  in  Riehms  Handwörterbuch  des  biblischen  Alter- 
tums für  gebildete  Bibelleser.  Bielefeld  und  Leipzig  1884.  S.  1416 
—1431. 

Clermont-Ganneau,    Origines    des  caracteres   complementaires 
de  I'alphabet  grec:  YOX^Ü.    Melanges  Graux  1884   S.  413-460.   - 
Cl.-G.s  Resultate  hat  sich  angeeignet  Haussouillier,  Note  sur  la  for- 
mation  des  caracteres  complementaires  de  I'alphabet  grec  d'apres  un  me- 
moire de  M.  Cl.-G.,  Revue  arch.  III  2  1884  S.  286  ff. 


I.  Allgemeines.  385 

V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Piniol.  Untersuchungen  Heft  Y 
1884  S.  280  ff.  und  Nachtrag  S.  IX  ff. 

Gardthausen,  ZurGeschichte  des  griechischen  Alphabets.  Y0XWa. 
Rhein.  Museum  40  1885  S.  599-610 
will  die  sich  widersprechenden  Ansichten  von  Taylor,  Clermont-Ganneau 
und  V.  Wilamowitz-Möllendorff  gegen  einander  abwägen  und  gelangt  zu 
selbständigen  Resultaten. 

V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Lectiones  epigraphicae.  Göttin- 
gen 1885.     4.     17  S.     80  Pf. 

Deecke  in  Baumeisters  Denkmälern  des  klassischen  Altertums. 
Münster  und  Leipzig.     1885.     S.  52  fi'. 

Gardner,  The  early  ionic  aiphabet.  Journal  of  hellenic  stu- 
dies  VII  1886  S.  220-239. 

Kirchhoff,  Studien  zur  Geschichte  des  griechischen  Alphabets. 
Vierte  umgearb.  Aufl.  Mit  einer  Karte  und  zwei  Alphabettafeln. 
Gütersloh  1887.  VI,  180  S.  gr.  8.  6  Mk.  (Rez.:  Stolz,  Neue  philol. 
Rundschau  n.  19  Sp.  301  f.,  E.  A.  G(ardner),  Journal  of  hellenic  stu- 
dies  VIII  1887  S.  533  f.) 

hält  die  Mittel,  mit  denen  die  Versuche  von  Taylor,  Clermont-Ganneau, 
V.  Wilamowitz  und  Gardthausen  unternommen  worden  sind,  für  trügerisch 
und  unzureichend  und  beharrt  bei  seinen  früheren  Anschauungen.  Doch 
wird  eine  Anzahl  der  bedeutendsten  epigraphischen  Denkmäler  jetzt  einer 
früheren  Periode  zugewiesen.  So  sind  die  ältesten  milesischen  Inschrif- 
ten dem  7.  Jahrb.  zugeteilt  (S.  27);  eine  Änderung,  die  für  die  frühste 
Geschichte  des  ionischen  Alphabets  von  gröfster  Wichtigkeit  ist.  Wäh- 
rend die  Abu-Simbel-Inschriften  demselben  Zeitraum  belassen  sind,  wie 
früher  (S.  47),  =  Ende  der  Regierung  Psammetichs  I.,  Ol.  40  (620 
v.  Chr.),  werden  die  Naukratisinschriften  der  zweiten  Hälfte  des  6.  Jahrb. 
v.  Chr.  zugeschrieben  (S.  45).  Eine  dankenswerte  Beigabe  ist  eine  Skizze 
des  phrygischen  und  lemnischen  Alphabets  (S.  54f.)  aufgrund  der  neueren 
Ausgrabungen.  In  anderen  Zweigen  des  griechischen  Alphabets  sind  die 
Änderungen  minder  bedeutend.  Die  Inschriften  von  Thera  bleiben  unter 
demselben  Datum,  wie  früher  (S.  61  ff.),  =  wahrscheinlich  vor  denen  von 
Abu-Simbel.  Die  attischen  Inschriften  gehen  durch  neue  Funde  jetzt  in 
das  7.  Jahrb.  zurück.  Als  Mutteralphabet  der  italischen  Alphabete  ist  nun- 
mehr dasjenige  von  Formello  zu  betrachten  (S.  135).  Nachträge  (S.  I74ff.) 
verzeichnen  die  neuerdings  aus  den  altkretischen  Inschriften  gewonnenen 
Resultate. 

Hirschfeld,  Rhein.  Museum  42  1887  S.  200  ff. 

Gardner,  Hirschfeld  und  Petrie,  Aufsätze  in  der  Academy 
1887.     14.  Mai,  9.  und  16.  Juli,  20.  und  27.  August. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  (1887.  III.)  25 


386  Griechische  Epigraphik. 

Roberts,  An  introduction  to  greek  epigraphy  I.  Cambridge  1887 
(s.  S.  388  f.). 
schliefst  sich  in  der  den  Inschriften  voraufgeschickten  historischen  Skizze 
über  das  griechische  Alphabet  (S.  1—22)  der  Hauptsache  nach  den  Re- 
sultaten Kirchhofs  an,  ohne  in  untergeordneten  Fragen  sich  abweichen- 
der Ansichten  zu  begeben.  Den  Inschrifttexten  der  verschiedenen  Land- 
schaften folgen  ausführliche  Abhandlungen  über  die  betreffenden  Alpha- 
bete. Die  Tafeln  der  altgriechischen  Alphabete  (S.  382-391)  sind  ganz 
im  Anschlufs  an  Kirchhoff  entworfen. 

»Die  Entdeckungen  der  letzten  zehn  Jahre  haben  uns  zwar  dem 
Endziele  der  Untersuchung  erheblich  genähert,  doch  kann  dasselbe  noch 
keineswegs  für  völlig  erreicht  gelten«  (Kirchhoö')  und  »the  unsolved  pro- 
blem  still  awaits  its  sphinx«  (Roberts). 

Kaiser,  De  inscriptionum  Graecarum  interpunctione.  Diss.  Leip- 
zig 1887.  8.  38  S.  1  Mk.  —  Rez. :  Keil,  Wochenschrift  für  klass. 
Philol.   1887  n.  21  Sp.  643  f. 

Die  Abhandlung  bietet  eine  statistische  Übersicht  über  das  Vor- 
kommen von  Interpunktionszeichen  in  den  älteren  griechischen  Inschriften 
(vor  400  V.  Chr.)  und  erschöpft  somit  ungefähr  das  Material  der  IGA 
und  des  CIA  I.  —  Cap.  I.  De  signis  interpunctionis.  Zwei  und  drei 
Punkte  finden  sich  vor  wie  nach  Euklid :  ungefähr  80  attische  Inschriften 
haben  zwei  (Nachweise  bei  Hinrichs,  Griech.  Epigr.  S.  428),  ungefähr 
70  drei  Punkte  (Hinrichs,  S.  427  f.).  Dasselbe  Schwanken  zeigt  sich  in 
den  nicht-attischen  Inschriften:  20  haben  zwei,  28  drei  Punkte,  einige 
beide  Zeichen  gemeinschaftlich  (Hinrichs  S.  428  f.)  |  begegnet  als  Inter- 
punktionszeichen nur  in  Inschriften  von  Kreta,  Thera  und  in  der  lako- 
nischen Inschrift  IGA  64.  Dieses  Zeichen  war  nur  vor  Aufnahme  des 
ionischen  Alphabets  möglich,  da  letzteres  dasselbe  als  i  verwendet;  eine 
Ausnahme  bildet  die  lakonische  Inschrift.  Ein  einziger  Punkt  findet 
sich  nur  in  unteritalischen  und  sizilischen  Inschriften:  IGA  509.  544 
(526?).  Aufser  andern,  vereinzelt  vorkommenden  Interpunktionszeichen 
(s.  auch  Hinrichs  S.  430)  sind  sicher  bezeugt  4,  5,  6  und  9  Punkte, 
alle  in  attischen  Inschriften.  —  Cap.  II.  De  usu  interpunctionis.  Die 
Dirae  Teiorum  IGA  497  zeigen  regelmäfsige  Woi'ttrennung  durch  Inter- 
punktion ;  doch  sind  Präpositionen,  Artikel  und  Partikeln  mit  dem  Nomen 
verbunden;  ebenso  IGA  544.  5.  42.  43a.  359.  498b.  502.  Bisweilen 
findet  sich  auch  Trennung  der  Satzglieder;  in  metrischen  Inschriften: 
IGA  342.  37,2-7.  349.  495.  CIA  I  333.  463.  467;  in  prosaischen  In- 
schriften: CIA  I  18.  31,  26.  140,  20  ff.  25,  5.  57^,  7.  59,  14.  282,  7. 
324,  63.  CIA  II  1  75,  7.  II  2  652.  1053.  Sehr  häufig  werden  Zahl- 
zeichen durch  E inschlief sung  in  Interpunktionszeichen  (bei  Zeilenschlufs 
nur  linksseitig)  als  erstere  gekennzeichnet  (vgl.  Hinrichs  S.  433);  doch 
ist  dieser  Brauch   sehr   inkonstant   und  verschwindet  in  römischer  Zeit. 


I.  Allgemeines.  387 

Verhältnismäfsig  selten  begegnet  die  Interpunktion  als  Abbreviatur- 
zeichen in  älteren  Inschriften  (vgl.  Hinrichs  S.  434  f.):  CIA  I  321,  3. 
338,  3.  4;  häufiger  in  nacheuklidischen  Inschriften.  Irrtümliche  Inter- 
punktion: IGA  321,  1.  7.  39.  CIA  I  433,  2.  CIG  34.  IGA  499,  5.  Von 
den  über  600  Nummern  der  IGA  haben  57  Interpunktion.  Die  alier- 
ältesten  entbehren  dieselbe;  doch  findet  sie  sich  in  einigen  linksläufigen 
und  Bustrophedoninschriften :  IGA  449.  471.  478  480.  492.  342.  Es 
läfst  sich  somit  Interpunktion  durch  das  sechste  und  fünfte  Jahrhundert 
hindurch  verfolgen;  genauere  Zeitgrenzen  zu  bestimmen,  ist  unmöglich. 
Von  den  298  Nummern  der  akademischen  Ausgabe  der  IGA  interpun- 
gieren  48;  das  Verhältnis  zu  den  nicht  intei'pungierenden  ist  folgendes: 
Thera  1:18,  Kreta  1:3,  Euböa  1:2,  Chalcis  1:17,  Böotien  2:66, 
ozolische  Lokrer  3  :  0,  Thessalien  2  :  7,  Lakonika  1  oder  2:31  oder  30, 
Hermione  1:1,  Elis  4:15,  Achaia  1:10,  Äolis  1:1,  lonieu  8:29, 
Argos  5:11,  Korinth  2  :  19,  Ägina  2:6,  Attika  9  :  15;  aufserdem  eine 
oder  zwei  Inschriften  unbekannter  Herkunft.  Ohne  Interpunktion  sind 
die  Inschriften  von  Melos,  opunt.  Lokrer,  Phocis,  Arkadien,  Faros,  Siphnos, 
Thasos,  Naxos,  Keos,  Sikyon,  Phlius,  Megara.  Namentlich  die  Inseln 
des  ägäischen  Meeres  scheinen  die  Interpunktion  nur  in  geringem  Um- 
fange angewendet  und,  wie  die  lonier,  frühzeitig  wieder  aufgegeben  zu 
haben.  In  Attika  war  dieselbe,  wenngleich  in  geringem  Umfange  und 
sehr  inkonstant,  lange  Zeit  gebräuchlich:  von  den  Inschriften  des  CIA  I 
hat  fast  der  fünfte  Teil  Interpunktion,  von  CIA  II  l  der  25.,  von  II  2 
fast  der  vierte  Teil;  doch  verwenden  die  nacheuklidischen  Inschriften 
die  Interpunktion  im  allgemeinen  nur  als  Merkmal  von  Zahlzeichen  und 
Abbreviaturen.  In  den  älteren  herrscht  dasselbe  Schwanken,  wie  ander- 
wärts. -  Cap.  III.  De  historia  interpunctionis.  Wahrscheinlich  er- 
hielten die  Griechen  die  Interpunktion  gleichzeitig  mit  dem  Alphabet 
von  den  Phöniziern.  Schon  der  Stein  des  Mesa  trennt  die  Worte  durch 
einen  Punkt,  die  Satzteile  durch  einen  Vertikalstrich.  Doch  vernach- 
lässigten die  lesegeübten  Griechen,  zuerst  die  lonier,  bald  den  Gebrauch 
der  Interpunktion,  namentlich  bei  der  Worttrennung.  Entweder  wurde 
den  Griechen  von  den  Phöniziern  nur  der  einfache  Punkt  überliefert, 
den  sie  bald  durch  einen  doppelten  und  dreifachen  ersetzten,  oder  — 
wahrscheinlicher  —  die  Phönizier  hatten  neben  dem  einfachen  auch  noch 
zwei  und  drei  Punkte  in  Gebrauch.  Reiner  Zufall  ist  es,  dafs  sich  der 
einfache  Punkt  bisher  bei  den  Griechen  nicht  gefunden  hat.  Auch  in 
italischen  Inschriften  begegnet  neben  dem  einfachen  Punkt  als  Wort- 
trennungszeichen (vgl.  Hinrichs  S.  429  f.)  nicht  selten  ein  doppelter  und 
dreifacher.  Wahrscheinlich  haben  die  Italiker,  wie  das  Alphabet,  so 
auch  den  einfachen  Punkt  von  den  Griechen  übernommen;  doch  bleibt 
diese  Ansicht  wegen  mangelnden  Inschriftenmaterials  vorläufig  Hypo- 
these. In  den  griechischen  Inschriften  ist  der  Gebrauch  von  Interpunk- 
tionszeichen so  schwankend,  dafs  aus  ihnen  sich  sichere  Argumente  für 

26* 


388  Griechische  Epigraphik. 

Alter  und  Herkunft  derselben  nicht  gewinnen  lassen.  Somit  kann  auf 
dem  Gebiete  der  griechischen  Interpunktion  ebenso,  wie  auf  dem  nahe- 
verwandten des  griechischen  Alphabets,  vorläufig  nur  von  »Studien«,  nicht 
von  einer  eigentlichen  »Geschichte«  die  Rede  sein. 


Von  Originalpublikationen  griechischer  Inschriften  ist 
zu  verzeichnen: 

The  coUection  of  ancient  greek  inscriptions  in  the  British  Museum 
edited  by  C.  T.  Newton.  —  Zu  Parti  Attica,  edited  by  E.  L.  Hicks, 
Oxford  1874,  161  S.  fol.  (s.  K.  Curtius,  Bursians  Jahresbericht  1874/5. 
Bd.  4.  S.  253  f.)  sind  hinzugekommen:  Part  II  edited  by  C.  T.  Newton, 
Oxford  1883,  157  S.  fol.  24  Mk.  (Bez.:  U.  Köhler,  LCB  1883  n.  50 
Sp.  1757  f.  Journal  des  Savants  1885,  Mai,  S.  258)  mit  über  hundert 
bisher  unedierten  Inschriften  von  Kalymna  und  einer  grofsen  Zahl  sol- 
cher von  Rhodos,  Kos  und  Lesbos.  —  Inhalt:  Chapter  I:  Megara  n.  136, 
Argolis  n.  137.  138.  140,  Lakonia  n.  139.  141-152,  Kythera  n.  153. 
154,  Arkadia  n.  155  —  157.  —  Chaptpr  II:  Boeotia  n.  158-  162,  Thes- 
saly  n.  163.  164,  Corcyra  n.  165-170,  Macedonia  n.  171  —  173.  — 
Chapter  III:  Thrace  n.  174  179,  Kimmerian  Bosporos  n.  180—206.  — 
Chapter  IV;  Islands  of  the  Aegean:  Thasos  n.  207,  Lesbos  n.  208  229, 
Samos  n.  230,  Kalymna  n.  231-334,  Kos  n.  335  —  341,  Telos  n.  342, 
Rhodos  n.  343-362,  Kassos  n.  363,  Karpathos  n.  364.  -  Chapter  V: 
Melos  n.  365  367,  Delos  n.  368—370,  los  n.  371,  Siphnos  n.  372,  Tenos 
n.  373—377.   —  Chapter  VI:  Krete  n.  378—381,  Cyprus  n.  382     398d. 

—  Inscriptions  of  unascertained  provenance,  probably  from  the  Archi- 
pelago:  n.  398  e.  f.  —  Part.  III,  section  I:  Priene  and  lasos  by  E.  L. 
Hicks.    Oxford  1886.    66  S.    fol.    10  Mk.  (darunter  wertvolle  Inedita). 

—  Inhalt:  Chapter  I:  Priene  n.  399 — 439.  Chapter  II:  lasos  n.  440— 
445.  —  Part.  III,  section  II  soll  die  Inschriften  von  Ephesos  umfassen. 

Nach  verschiedenen  Gesichtspunkten  geordnet  sind: 
Röhl,  Imagines  inscriptionum  Graecarura  antiquissimarum  in  usum 
scholarum  composuit  Berlin  1883.  III,  72  S.  kl.  fol.  4  Mk.  —  Rez.:  F.  Rühl, 
LCB  1883  n.  35  Sp.  1233.  Hinrichs,  DLZ  n.  46  Sp.  1028 f.  C.  Schäfer, 
Philol.  Rundschau  n.  34  Sp.  1074  —  1079.  K.  Curtius,  Philol.  Rundschau 
1885  n.  12  Sp  359—363.  Ein  für  akademische  Lehrzwecke  bemessener 
Auszug  aus  des  Verf.  gröfserem  Werk  Inscriptiones  Graecae  antiquissimae 
praeter  Atticas  in  Attica  repertas,  Berlin  1882,  IV,  193  S.  fol.  16  Mk.,  ent- 
haltend 370  Holzschnittfacsimilia  in  chronologischer  Anordnung  mit  Va- 
riantenangabe ;  wegen  Aufnahme  von  16  neuen  Inschriften  (s.  Hinrichs,  Griech. 
Epigr.  S.  354)  eine  nicht  unwesentliche  Ergänzung  des  grofsen  Werkes. 
Roberts,  An  introduction  to  greek  epigraphy.  Part  I:  The  archaic 
inscriptions  and  the  greek  aiphabet.    Cambridge  1887.    8.     XXI,  419  S. 

—  Inhalt:  I.  Historical  sketch  of  the  greek  aiphabet  (S.  1-21).  II.  In- 
scriptions illustrating  the  history  and  development  of  the  greek  aiphabet 


I.   Allgemeines.  389 

from  the  earliest  times  to  the  end  of  the  fifth  Century  B.  C.  (S.  21  —  309). 
Eastern  group.  A)  The  islands  of  the  Aegean  Sea  (S.  23  —  73).  B)  Attica, 
Argos,  Corinth  and  its  colonies,  Phlius,  Megara  and  its  colonies,  Aegina 
(S.  74-150).  C)  The  lonic  aiphabet  (S.  151-195).  Western  group: 
Euboea,  Eretrian  and  Chalcidian  colonies,  Boeotia,  Phocis,  Ozolian  Lo- 
cris,  Opuntian  Locris,  Thessaly,  Laconia,  Tarentum  and  the  neighbour- 
hood,  Arcadia,  Hermione,  Epidaurus,  Methana,  Elis,  Achaia  and  the 
Achaeau  colonies,  Cephallenia  and  Ithaca  (S.  196—309).  The  hellenising  al- 
phabets  of  Phrygia,  Lycia,  Paraphylia,  Cappadocia,  Carla,  Hispania 
(S.  310-320).  Im  Appendix  (S.  321—419)  u.  a.  Tables  of  alphabets 
(S.  882-391)  und  ausführlicher  Index  (S.  397-419).  —  Das  auf  einen 
gröfseren  Umfang  berechnete  Werk  will  als  Handbuch  zu  einem  Corpus 
inscriptionum  Graecarum  aufgefafst  sein.  Der  vorliegende  erste  Teil  ent- 
spricht der  ersten  Abteilung  des  CIG:  Tituli  antiquissima  scripturae 
forma  insigniores.  Er  enthält  die  Inschriften  nicht-ionischen  Alphabets, 
die  älter  sind  als  403  v.  Chr.  Den  geographisch  angeordneten  Inschrift- 
gruppen, innerhalb  deren  die  Inschriften  in  möglichst  treuem  Minuskel- 
text mit  Umschrift  und  Kommentar,  bisweilen  in  Faksimile  mitgeteilt 
sind,  folgen  Erörterungen  über  die  betreffenden  Alphabete.  Teil  II  soll 
eine  Auswahl  der  wichtigsten  Inschriften  in  Minuskeln  vom  4.  Jahi'h.  v.  Chr. 
bis  in  die  jüngste  Zeit  in  geographischer  Anordnung  mit  Unterabteilungen 
nach  Gegenstand,  Dialekt  und  Zeitperiode,  sowie  auch  diejenigen  »archai- 
schen« Inschriften  enthalten,  die  von  nicht  besonderer  Wichtigkeit  für 
die  Entwicklung  des  griechischen  Alphabets  sind.  —  Teil  I  enthält  gegen 
500  Inschriften  (die  Zahlen  laufen  bis  311;  doch  sind  häufig  zwei  oder 
mehrere  Texte  unter  einer  Nummer  zusammengefafst).  Alle  sind  aus- 
gewählt, um  die  allmähliche  Entwicklung  des  griechischen  Alphabets  bis 
zur  Annahme  des  ionischen  zu  veranschaulichen.  In  der  Einteilung 
der  Alphabete  stimmt  der  Verfasser  mit  Kirchhoff  überein  (s.  S.  385). 
Der  selbständige  Wert  des  Werkes  beruht  nicht  sowohl  in  der  über- 
sichtlichen Zusammenstellung  der  archaischen  Inschriften,  in  deren  Be- 
handlung ein  wesentlicher  Fortschritt  gegen  Röhls  IGA  schwerlich  zu 
erkennen  sein  dürfte,  als  vielmehr  in  den  mit  grofsem  Fleifs  und  durch- 
gängiger Beherrschung  des  Materials  geführten  Untersuchungen  über  die 
Entwicklung  der  einzelnen  Alphabete. 

Dittenberger,  Sylloge  inscriptionum  Graecarum.  Fase  I.  II. 
Leipzig  1883.  VIII,  805  S.  gr.  8.  16  Mk.  -  Bez.:  Gilbert,  Piniol.  An- 
zeiger 1884  n.  4  S.  220  f.  Hinrichs,  DLZ  n.  22  Sp  796—798.  P.  Cauer, 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  n.  33  Sp.  1025  - 1030  und  LCB  n.  33 
Sp.  1127f.  Meister,  Philol.  Rundschau  n.  27  Sp.  855-857.  H.  R., 
Histor.  Zeitschr.  1885  n.  2  S.  314.  Haussouillier,  Revue  crit.  n.  27  S.  1 
—  5;  vgl.  Hinrichs,  Griech.  Epigr.  S.  355.  —  Inhalt:  Pars  I  (nach  histo- 
rischen Gesichtspunkten  geordnet)  enthält  293  geschichtlich  merkwürdige 
Rats-  und  Volksbeschlüsse,  sowie  Staatsbriefe  späterer  Könige:  I.  Usque 


390  Griechische  Epigraphik. 

ad  finem  belli  Peloponnesiaci  (n.  1  — 4*7).  II.  A  fine  belli  Peloponne- 
siaci  ad  Alexandri  Magni  mortem  (n.  48—117).  III.  Ab  Alexandri  Magni 
raorte  ad  Corinthum  deletam  (n.   118  —  235).    IV.  Aetas  Romana  (n.  236 

—  293).  Pars  II  gruppiert  das  Material  nach  systematischen  Prinzipien: 
I.  Res  publicae.  1.  Rei  publicae  forma  ac  partes,  urbis  et  agri  termini 
(n.  294—311).     2.  Civium  et  peregrinorum  honores  et  privilegia  (n.  312 

—  332).    3.  Senatus,  magistratus,  iudicia  (n.  333-344).    4.  Varia  (n.  345 

—  354).  II.  Res  sacrae.  1.  Templa  et  delubra,  simulacra,  donaria,  su- 
pellex  Sacra  (n.  355  367).  2.  Sacerdotia  (n.  368-372).  3.  Sacrificia, 
pompae,  mysteria  aliaeque  caerimoniae  (n.  373  —  394).  4.  Certamina 
gymnica,  musica,  scaenica  (n.  395—425).  5.  Varia  (n.  426—432).  III.  Vita 
privata  (n.  433-470).  —  Die  für  die  Kenntnis  der  Geschichte  und  der 
Altertümer  hervorragend  wichtigen  Steinurkunden  sind  nach  dem  Vor- 
bilde von  Wilmanns'  Exempla  inscriptionum  latinarum,  Berlin  1873  mit 
ausgezeichneter  Sachkenntnis  und  praktischem  Geschick  vereinigt.  Lei- 
tender Grundsatz  ist  strenge  Beschränkung  auf  das  eigentlich  Sachliche. 
Alle  metrischen  Inschriften  sind  im  Hinblick  auf  Kaibels  Epigrammata 
Graeca  ex  lapidibus  conlecta  ausgeschlossen.  Leider  konnte  Newtons 
collection  of  anc  gr.  inscr.  part  II  (s.  S.  388)  nicht  mehr  benutzt  wer- 
den. Der  in  Minuskeln  genau  repräsentierte  Inschrifttext  liefert  eine 
erhebliche  Menge  neuer  Ergänzungen  und  wichtiger  Verbesserungen. 
Der  mit  minutiösem  Fleifs  zusammengestellte  Kommentar  bietet  vielfach 
neue  Datierungen  und  Erklärungen.  Mühevolle,  sachlich  geordnete  In- 
dices  (S.  665—805)  erleichtern  den  Gebrauch  des  vortrefflichen  Buches. 

Cauer,  Delectus  inscriptionum  Graecarum  propter  dialectum  me- 
morabilium  iterum  composuit.  Leipzig  1883.  XVI,  365  S.  8.  7  Mk. 
—  Rez.:  G.  Meyer,  Philo!.  Wochenschr.  1883  n.  41  Sp.  1286-1291. 
Meister,  LCB  1884  n  3  Sp.  91  f.  v.  Wilamowitz-Möllendorff,  Zeitschr. 
f.  Gymnasialwesen  38  Heft  2.  3  S.  105  -116.  Meister,  Philol.  Anzeiger 
S.  253  260.  Baudat,  Revue  crit.  n.  16  S.  303—305  C.  Schäfer,  Philol. 
Rundschau  n.  26  Sp.  825—831.  —  Inhalt:  I.  Tituli  Dorici  civitatura  Pe- 
loponnesiacarum  (n.  l-lll).  II.  Tituli  Dorici  civitatum  maris  Aegaei 
(n.  112  201).  III.  Tituli  Graeciae  septentrionalis  praeter  Thessaliam 
cum  Eleis  et  Achaicis  (n.  202-391).  IV.  Tituli  Thessalici  et  Lesbiaci 
(n.  392-441).  V.  Tituli  Arcadici  et  Cyprii  (n.  442-477).  VI.  Tituli 
lonici  praeter  Atticos  (n.  478  —  557).  —  Die  neue  Auflage  enthält  bei- 
nahe die  vierfache  Inschriftenzahl  der  ersten  (147).  Eine  grofse  Anzahl 
von  Texten,  deren  Fehlen  in  einer  Auswahl  der  sprachlich  wichtigeren 
Dialektinschriften  als  unliebsame  Lücke  empfunden  wurde,  ist  der  Samm- 
lung einverleibt  worden;  manche  überflüssige  nnd  zweifelhafte  sind  in 
Wegfall  gekommen.  Namentlich  Röhls  IGA,  deren  gröfserer  Teil  auf- 
genommen wurde,  haben  reiches  Zuwachsmaterial  geliefert.  Ausgeschlossen 
sind  die  ohnehin  im  CIA  leicht  zugänglichen  attischen  Inschriften,  da 
die  Veranschaulichung  der  Wandelungen  des  attischen  Dialekts  die  Auf- 


1.   Allgemeines.  391 

nähme  einer  unverhältnisraärsig  grofsen  Zahl  von  Texten  erfordert  hätte. 
Statt  der  früheren  Anordnung  der  Inschriften  nach  Dialekten  (Inscrip- 
tiones  Doricae,  Aeolicae,  lonicae)  ist  die  neue  Sammlung  eingeteilt  »ra- 
tione  neque  plane  grammatica  neque  plane  geographica«.  Für  die  Ein- 
teilung der  ionischen  Inschriften  haben  die  Winke  von  v.  Wilamowitz- 
MöUendorff,  Zeitschr.  für  Gymnasialwesen  31  1877  S.  645  gebührende 
Berücksichtigung  gefunden.  Vollständigkeit  der  Litteraturangaben  und 
des  kritischen  Apparats  ist  nicht  erstrebt;  Wiclitigeres  wird  nirgends 
vermifst.  Ein  knapper  chronologischer  und  sachlicher,  seltener  gram- 
matischer Kommentar,  dessen  wesentlicher  Inhalt  in  den  Indices  registriert 
ist,  dient  in  erwünschter  Weise  der  Orientierung.  Das  Buch,  welches 
in  der  vorliegenden  Gestalt  durchweg  als  neues  zu  gelten  hat,  wird  An- 
fängern auf  dem  Gebiete  der  Dialektologie  gute  Dienste  leisten. 

Sammlung  der  griechischen  Dialektinschriften  von  F.  Bech- 
tel,  A.  Bezzenberger,  F.  Blafs,  H.  Collitz,  W.  Deecke,  A.  Fick,  G.  Hin- 
richs'),  R.  Meister;  herausgeg.  von  H.  Collitz.     ~   Bisher  erschienen: 

Band  1.  Heft  1:  Deecke,  Die  griechisch-kyprischen  Inschriften 
in  epichorischer  Schrift.  Text  und  Umschreibung,  mit  einer  Schrifttafel 
(und  Wortindex).     Gott.  1883.    S.  1  -  80  n.  1  -212.     gr.  8.     2,50  Mk. 

—  Rez.  s.  unter  Heft  2.  —  Heft  2*:  Bechtel,  Die  äolischen  Inschriften. 
S.  81—120  n.  213-319.  Anhang:  Collitz,  Die  Gedichte  der  Balbilla. 
S.  120-124  n.  320  -323.    Fick,  Die  thessalischen  Inschriften.     S.  125 

—  143  n.  324-  373.  Gott.  1883.  gr,  8.  2  Mk.  —  Rez.  Heft  1  und  2: 
G.  Meyer,  Philol.  Rundschau  1883  n.  50  S.  1588-1590.  Sayce,  Aca- 
demy  n.  598  Sp.  268.  Voigt,  Bezzenb.  Beitr.  IX  1884  S.  159  —  172. 
Baudat,  Revue  crit.  n.  14  S.  265  f.  und  Joret  Chanzy  S.  270  —  273. 
Pauli,  Philol.  Rundschau  1884  n.  4  Sp.  102—106.  Cauer,  Wochenschr. 
f.  klass.  Philologie  n.  4  Sp.  97—102.  Dittenberger,  DLZ  n.  8  Sp.  270 f. 
LCB  n.  17  Sp.  603  f.     Larfeld,  Berl.  philol.  Wochenschr.  n.  19  Sp.  588 

—  592.   Heft  3:  Meister,  Die  böotischen  Inschriften.   Gott.  1884.   S   145 

—  309  n.  374—1146.  gr.  8.  5  Mk.  -  Rez.:  Cauer,  Wochenschr.  f. 
klass.  Philologie  1884  n.  33  Sp.  1030  1033  und  LCB  n.  39  Sp.  1361  f., 
Rivista  di  philologia  XII  S.  553 f.  Larfeld,  Berl.  philol.  Wochenschr. 
n.  46  Sp  1433  —  1437.  —  Heft  4:  Blafs,  Die  eleischen  Inschriften. 
S.  311  336  n.  1147—1180.  Bechtel,  Die  arkadischen  Inschriften. 
S.  337  361  n.  1181  —  1258.  Bezzenberger,  Die  pamphylischen  In- 
schriften. S.  362-370  n.  1259  —  1269  Bechtel,  Nachträge  zu  den 
äolischen  Inschriften.  S.  371-374  n.  1270  1277.  Fick,  Nachträge 
zu  den  thessalischen  Inschriften.  S.  375  -386  n.  1278  -1333.  Meister, 
Nachträge  und  Berichtigungen  zu  den  böotischen  Inschriften.  S.  387 
-406.    Gott.  1884.    gr.  8.    4,50  Mk.        Rez.:   Dittenberger,  DLZ  1885 


')  An  Stelle  des  dem  Unternehmen  vorzeitig  entrissenen  G.  Hinrichs 
ist  J.  Baunack  in  die  Reihe  der  Mitarbeiter  eingetreten. 


392  Griechische  Epigraphik. 

n.  6  Sp.  191.  Cauer,  LCB  u.  7  Sp.  21 2 f.  G.  Meyer,  Philol.  Rund- 
schau n.  11  Sp.  344—347.  Cauer,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  ii.  26 
Sp.  801-804.  Larfeld,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1885  n.  22  Sp.  673 
—676.  —  Bd.  I  Preis  14  Mk. 

Band  II.  Heft  1:  Fick,  Die  epirotischen,  akarnanischen,  ätolischen, 
änianischen  und  phthiotischen  Inschriften.  S.  1-46  n.  1334  —  1473, 
Bechtel,  Die  lokrischen  und  phokischen  Inschriften.  S.  47-89  n.  1474 
—1556.  Gott.  1885.  gr.  8.  3,60  Mk.  —  Rez.:  G.  Meyer,  LCB  1886 
n.  4  Sp.  131.  Dittenberger,  DLZ  n.  11  Sp.  367.  Larfeld,  Berl.  philol. 
Wochenschr.  n.  29/30  Sp.  927—929.  Stolz,  Neue  philol.  Rundschau  n.  14 
Sp.  217  f.    Cauer,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  n.  34  Sp.  1057-1059. 

Band  IV.  Heft  1 :  Meister,  Wortregister  zum  ersten  Bande.  Gott. 
1886.    gr.  8.    IV,  105  S.    5  Mk. 

Die  Sammlung  soll  -  mit  Ausnahme  der  attischen  Stein-Denk- 
mäler —  sämtliche  griechische  Dialektinschriften  umfassen.  Ein  grofser 
Teil  des  hier  behandelten  Materials  ist  aus  Bezzenbergers  Beiträgen  zur 
Kunde  der  indogermanischen  Sprachen  wiederholt.  Die  Inschrifttexte 
sind  in  Minuskeln  wiedergegeben ;  ein  gedrängter  litterarischer  Nachweis 
und  ein  knapp  bemessener  kritischer  Apparat  erhöhen  den  Wert  des  für 
Dialektstudien  unentbehrlichen  Werkes.  —  Über  den  näheren  Inhalt  der 
einzelnen  Inschriftgruppen  s.  die  betreffenden  Abteilungen  des  Berichts. 

Bechtel,  Die  Inschriften  des  ionischen  Dialekts.  Separatabdruck 
aus  Bd.  34  der  Abhandlungen  der  Kgl.  Gesellsch.  der  Wissensch.  zu 
Göttingen.  Gott.  1887.  VIII,  154  S.  4.  Mit  5  Taf.  8  Mk.  —  Inhalt: 
I.  Euboia  (S.  1—38).  1.  Chalkis  mit  Kolonieen  (n.  1  -  13),  2.  Eretria 
und  Styra  (n.  14-19),  3.  Kyme  (n.  20),  4.  Adespota  (n.  21.  22).  II.  Die 
Kykladen  (S.  38  66).  1.  Naxos  und  Keos  (n.  23-52),  2.  Delos,  Paros 
mit  Thasos  und  Pharos,  Siphnos  (n.  53-89),  3.  Die  übrigen  Kykladen 
(n.  90-92).  m.  Kleiuasien  (S.  67  —  150).  A)  Zwölf  Städte  (S.  67—139): 
1.  Miletos,  Myes,  Priene  (n.  93  —  144),  2.  Ephesos,  Kolophon,  Teos,  Kla- 
zomenai,  Phokaia  (n.  145  —  172),  3.  Chios  und  Erythrai  (n.  173—209), 
4.  Samos  mit  Kolonieen  (n.  210 — 237).  B)  Halikarnassos  und  die  übrigen 
Städte  Kariens  (n.  238-254).  C)  Asiatischen,  nicht  näher  zu  bestim- 
menden Ursprungs  (n.  255-263).  -  Adespota  (S.  150—152  n.  264—267). 
Zusätze  und  Berichtigungen  (S.  152-154).  -  Die  Sammlung,  eine  Vor- 
arbeit zu  einer  von  dem  Verfasser  beabsichtigten  Grammatik  der  griechi- 
schen Dialekte  auf  grund  der  Stammesgeschichte,  und  zugleich  der  schon 
jetzt  veröffentlichte  Rest  des  von  demselben  übernommenen  Teiles  der 
Collitzschen  SGDI  (s.  o.),  schliefst  die  bereits  in  Bd.  32  der  Abhandl. 
der  Gott.  Akademie  veröffentlichten  thasischeu  Theoreninschriften,  sowie 
die  chalcidischen  Vasen  und  die  Münzen  der  chalcidischen  Städte  auf 
Sizilien,  welche  in  der  SGDI  separat  behandelt  werden  sollen,  aus.  Die 
Inedita  beschränken  sich  auf  eine  Anzahl  Bleitäfelchen  von  Styra  (n.  19, 
434— 446  =  Taf.  II,  1-13)  und  eine  archaische  Grabschrift  von  Perin- 


I.    Allgemeines.  393 

thos  (n.  233  =  Taf.  II,  14);  aufserdem  konnte  eine  gröfsere  Zahl  neuer 
Abklatsche  und  Kopieen  (namentlich  der  im  Louvre  aufbewahrten  Blei- 
täfelchen von  Styra,  für  deren  neun  der  von  Röhl  II,  4  erhobene  Ver- 
dacht einer  Fälschung  Lenormants  schwerlich  bestehen  bleiben  kann) 
benutzt  werden.  Einige  Abklatsche  bisher  nicht  genügend  publizierter 
wichtiger  Denkmäler  sind  photolithographiert.  Von  Münzen  sind  nur  die 
mit  völlig  gesicherter  Lesung  herangezogen.  Bei  Anordnung  der  267  In- 
schriftnummern ist  der  Gedanke  leitend  gewesen,  dafs  die  Geschichte 
eines  Volksstammes  sich  in  der  Sprache  wioderspiegeln  müsse;  doch 
wird  namentlich  für  die  Gewinnung  von  Unterabteilungen  die  verhältnis- 
mäfsige  Unkenntnis  der  Dialekte  hinderlich  empfunden,  und  mufs  sich 
hier  die  Dialektologie  vorläufig  an  die  Ergebnisse  der  Paläographie  an- 
lehnen. So  beruht  die  Scheidung  der  Cykladen  (s.  o.)  lediglich  auf  der 
von  Kirchhoflf  und  Dittenberger  getroffenen  alphabetischen  Einteilung. 
Für  die  Gruppierung  der  karischen  Städte  ist  ein  wertvoller  Anhalts- 
punkt die  bekannte  Gliederung  Herodots;  einstweilen  hat  der  Verfasser 
die  zwölf  Städte  dem  ionisch-dorischen  Halikarnafs  gegenübergestellt.  — 
Als  besonders  dankenswerte  Zugabe  dürfen  die  den  einzelnen  Dialekt- 
gruppen beigegebenen  ausführlichen  Abhandlungen  sprachwissenschaft- 
lichen Inhalts  bezeichnet  werden. 


Von  lexikalisch-grammatischen  Arbeiten,  deren  ausführ- 
liche Behandlung  in  das  Gebiet  der  griechischen  Sprachkunde  fällt, 
seien  hier  erwähnt: 

2're^.  'AS.  Koufiavoudrjg,  I^uvayaiyrj  Xs^büjv  dd^riaaopiarajv  kv 
Tocg  iUrjvtxoTg  Xs^txoTg.  Athen  1883.  re',  399  S.  8.  14  Mk.  —  Rez.: 
Miller,  Journal  des  Savants  1884  S.  34  44.  Telfy,  Berl.  philol.  Wochen- 
schrift 1885  n.  29/30  Sp.  940—942.  —  In  dem  von  staunenswertem  Sam- 
raelfieifse  zeugenden  "Werke  sind  7506  echt  griechische  Wörter  registriert, 
die  in  den  bisherigen  Wörterbüchern  nicht  verzeichnet  {abrjaabptaxui) 
sind.  Als  Quellen  dienten  alle  bisherigen  Sammlungen  griechischer  In- 
schriften, sowie  ältere  und  neuere  Ausgaben  solcher  griechischen  Schrift- 
steller, deren  Sprachschatz  bisher  noch  nicht  ausgebeutet  war.  Auch 
römischen  Autoren  sind  griechische  Wörter  entlehnt,  die  in  den  bis- 
herigen Wörterbüchern  vergeblich  gesucht  werden.  Hierhin  gehören 
namentlich  auch  bisher  unbekannte  Namen  und  Beinamen  von  Gott- 
heiten, Festen,  Monaten  u.  s.  w.  Aufserdem  schöpfte  der  Verfasser  aus 
unzähligen  griechischen  Werken  römischer  und  byzantinischer  Zeit. 
Leider  ist  bei  manchen  Wörtern  die  Bedeutung  nicht  angegeben.  Da 
jedoch  ein  Wörterbuch  der  mannigfachen  Sonderausdrücke  der  griechi- 
schen Inschriften  ein  längst  gefühltes  Bedürfnis  war,  so  hat  sich  der 
Verfasser  durch  die  übersichtliche  Zusammenstellung  derselben  wie  durch 
die  überraschende  Bereicherung  des  griechischen  Sprachgutes  den  Dank 
nicht  nur  der  Epigrapliiker,  sondern  aller  Freunde  der  klassischen  Philo- 
logie erworben. 


394  Griechische  Epigraphik. 

Domenico  Pezzi,  La  grecitä  non  ionica  nelle  iscrizioni  piü  an- 
tiche.  Turin  1883.  64  S  gr.  4.  3,50  1.  -  Rez.:  Larfeld,  Berl.  philol. 
Wochenschr.  1885  n.  39  Sp.  1234 f.  —  Als  Zweck  der  Abhandlung  — 
eines  Separatabdruckes  aus  den  Berichten  der  Kgl.  Akad.  der  Wis- 
sensch.  zu  Turin  Bd.  35  S.  249-312  —  bezeichnet  der  Verfasser  die 
Untersuchung,  welches  die  charakteristischen  Unterschiede  der  griechi- 
schen a-  und  e-Dialekte  in  ihrem  ältesten  inschriftlich  erreichbaren  Zu- 
stande seien,  welche  dieser  Merkmale  mehreren  Dialekten  gemeinsam, 
welche  von  ihnen  ausschliefslich  dem  einen  oder  andern  gehören.  Die 
Untersuchung,  der  als  Grundlage  Röhls  IGA  dienen,  erstreckt  sich  auf 
den  Laut-  und  Formenbestand  der  vor  dem  4.  Jahrh.  v.  Chr.  abge- 
fafsten  Sprachdenkmäler  der  a- Dialekte.  Innerhalb  der  beiden  Haupt- 
teile: »Caratteri  comuni  a  dialetti  non  ionici«  und  »Alcuni  caratteri 
propra  di  singoli  dialetti  non  ionici«  werden  die  einzelnen  lautlichen 
und  sprachlichen  Erscheinungen  im  Anschlufs  an  Ahrens  in  besonderen 
Kategorieen  abgehandelt.  Der  erste  Teil  umfafst  die  Vokale  und  Kon- 
sonanten, Kontraktionen  und  Assimilationen,  die  Nominal-  und  Verbal- 
flexion; im  zweiten  werden  die  Besonderheiten  der  einzelnen  Dialekte 
besprochen.  In  »Considerazioni  generali«  wird  das  Facit  über  die  ge- 
samte Untersuchung  gezogen:  Die  erhaltenen  inschriftlichen  Quellen  ge- 
statten nicht,  einen  Stammbaum  der  griechischen  Dialekte  zu  kon- 
struieren; dieses  Bemühen  wird  sich  selbst  bei  reicherem  Inschriften- 
material wahrscheinlich  als  ein  vergebliches  erweisen. 

R.  Wagner,  Quaestiones  de  epigrammaticis  Graecis  ex  lapidibus 
collectis  graramaticae.  Diss.  Leipzig  1883.  VI,  127  S.  gr.  8.  2  Mk. 
~  Rez.:  Hinrichs,  DLZ  1883  n.  37  Sp.  1286f.  G.  Meyer,  Zeitschr.  f.  d. 
österr.  Gymn.  Bd.  34  1883  S.  615f.  —  Im  ersten  Teile  sucht  der  Ver- 
fasser Spuren  älterer  Mundarten  in  den  Epigrammen  nachzuweisen;  doch 
sind  wegen  des  verhältnismäfsig  späten  Ursprungs  dieser  Inschriften  die 
Resultate  am  wenigsten  befriedigend.  Der  zweite  Teil,  der  die  An- 
zeichen der  sinkenden  Gräcität  behandelt,  ist  von  gröfserem  Interesse 
und  hat  manches  beachtenswerte  Resultat  zutage  gefördert.  So  wird 
ein  Fall  von  i  für  sc  schon  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.  aus  Attika  bei- 
gebracht (freilich  in  der  Grabschrift  einer  Afrikanerin),  während  G.  Meyer 
die  Spuren  dieses  Lautwandels  nicht  über  das  Ende  des  2.  Jahrh.  hin- 
aus aufzuzeigen  vermochte.  Die  Polemik  gegen  rsi/zjy  (S.  37)  ist  be- 
rechtigt. Inbezug  auf  ooMg,  /ir^ßscg  (S.  92)  bleibt  G.  Meyer  (s.  o.) 
auch  nach  den  Ausführungen  von  G.  Curtius,  Leipz.  Studien  VI,  189ff. 
bei  seiner  früheren  Aulfassung.  »Die  Abschnitte  über  die  Vernach- 
lässigung der  Quantität  (S.  46 ff.)  und  über  die  prosodischen  und  me- 
trischen Unregelmäfsigkeiten  (S.  67  ff.)  scheinen  mir  die  besten  dieser 
Schrift  zu  sein,  mit  welcher  sich  der  Herr  Verfasser  ein  unleugbares 
Verdienst  um  die  Kenntnis  und  Beurteilung  inschriftlicher  Gräcität  er- 
worben hat«  (G.  M.). 


1.   Allgemeines.  395 

Von  archäologischen  Untersuchungen  auf  gruncl  der  In- 
schriften, deren  Text  bisweilen  in  dankenswerter  Weise  ergänzt  wird, 
erwähne  ich: 

Reisch,  De  musicis  Graecorum  certaminibus  capita  quattuor. 
Diss.  Wien  1885.  133  S.  8.  4  Mk.  —  Rez.:  v.  Jan,  Wochenschr.  f. 
klass.  Philol.  1886  n.  11  Sp.  332—343.  Brinck,  Berl.  philol.  Wochen- 
schrift n.  15  Sp.  453  459.  Thumser,  Zeitschr.  f  d.  österr.  Gymn.  37 
1886  S.  261  —  265.  Sittl,  Neue  philol.  Rundschau  n.  19  Sp.  298  f.  Rey- 
mann,  DLZ  1887  n.  7  Sp.  231-233.  IT.,  Philol.  Anzeiger  Bd.  16  S.  542 
544.  -  Inhalt:  I.  De  antiquissirais  Graecorum  certaminibus  musicis 
(S.  2  —  9).  II.  De  c.  m.,  quae  Athenis  inde  a  Pisistrati  temporibus  usque 
ad  Alexandri  aetatera  celebrabantur  (S.  10-48).  III.  De  c  m. ,  quae 
usque  ad  Alexandri  aetatem  apud  ceteras  gentes  Graecas  habebantur 
(S.  49—70).  IV.  De  c.  m. ,  quae  in  Graecia  ipsa  ab  Alexandri  tempo- 
ribus usque  ad  Augusti  aetatem  celebrabantur  (S.  71 — 115).  Appendix 
(Inschriften  von  Orchomenus,  Thespiä,  Oropus,  Euböa,  Theben,  Tanagra, 
Akräphia)  S.  116 — 130.     Indices  rerum  und  titulorum  S.  131  — 133 

Brinck,  Inscriptiones  Graecae  ad  choregiam  pertinentes.  Halle 
1885.  204  S.  8.  —  Inhalt:  Pars  I.  Inscriptiones  Atticae  ad  choregiam 
pertinentes.  A.  Inscriptiones  Atticae  choregicae  quae  vocantur.  I.  In- 
scriptiones choregicae  antiquiores  choregia  populi  et  agonothesia  insti- 
tuta,  in  quibus  antiqua  et  soUemnis  forma  est  observata  (n.  1-40). 
IL  Tituli  choregici  antiquiores  agonothesia  et  choregia  populi  instituta, 
in  quibus  sollemuis  forma  non  est  observata  (n.  41  —  55).  III.  Tituli, 
in  quibus  populus  choregus  inscriptus  est  (n.  56  69).  IV.  Tituli  cho- 
regici imperatorum  aetatis  (n.  70-78).  B.  Reliquiae  catalogi  tribuum, 
choregorum,  chorodidascalorum  (histriouum),  qui  magnis  Dionysiis  vice- 
runt  (n.  79  =  CIA  II  971  a-e).  C.  Decreta  tribuum  et  pagorum  facta 
in  honorem  choregorum  (n.  80  —  83).  -  Pars  II.  Reliquarum  civitatum 
tituli  ad  choregiam  pertinentes:  Salamis  (n.  84),  Orchomenus  (n.  85.  86), 
Delus  (n.  87—99),  Samus  (n.  100  102),  Teus  (n.  103.  104),  Miletus 
(n.  105.  106),  lasus  (n.  107  153),  Rhodus  (n.  154.  155).  —  Pars  III.  Ti- 
tuli incerti  loci  (n.  156.  157).  Den  Schlufs  bildet  ein  ausführlicher  Index 
nominum. 

In  das  Gebiet  der  Kunstarchäologie  gehören: 

Löwy,  Inschriften  griechischer  Bildhauer  mit  Faksimiles.  Ge- 
druckt mit  Unterstützung  der  kais.  Akad.  der  Wissensch.  zu  Wien. 
Leipzig  1885.  XL,  410  S.  gr.  4.  20  Mk.  -  Rez.:  Th.  Schreiber,  LCB 
1885  n.  36  Sp.  1230 f.  Hirschfeld,  Gott.  gel.  Anz.  n.  19  S.  770-773. 
Murray,  Academy  n.  697  Sp.  174.  Kuhnert,  Berl.  philol.  Wochenschr. 
n.  44  Sp.  1391  —  1395.  A.  Michaelis,  DLZ  n.  46  Sp.  1641f.  C,  Neue 
philol.  Rundschau  1886  n.  14  Sp.  218f.  E.  A.  G. ,  Journal  of  hellenic 
studies  VUI  1887  S.  304-306.  -  Ein  mit  peinlichster  Akribie  und 
bewundernswürdigem  Fleifs  ausgeführtes  grofsartiges  Werk,  welches  dem 


396  Griechische  Epigraphik. 

Forscher  durch  erschöpfende  Litteraturangaben  die  Wege  ebnet,  »eine 
Geschichte  der  griechischen  Plastik  in  Lapidarstil«.  Voraufgeschickt 
sind  S.  VII  -  XVI  eine  Anzahl  statistischer  Vorbemerkungen  über  An- 
bringung und  Fassung  der  Inschriften,  eine  Zusammenstellung  von  Do- 
kumenten, welche  litterarisch  bekannte  Künstler  erwähnen  und  ein  bi- 
bliographisches Register.  Von  den  beiden  Abteilungen  des  Werkes  ent- 
hält die  erste  die  Künstlersignaturen,  die  zweite  die  Künstlererwähnungen 
in  Inschriften.  Teil  I  ist  gegliedert:  A.  Originale,  angeordnet  nach  den 
Zeitepochen:  I.  6.  Jahrb.,  II.  5.  Jahrb.,  III.  4.  Jahrb.  bis  nach  Alexander, 
IV.  Hellenistische  Zeit,  V.  Mitte  des  2.  Jahrh.  bis  Ende  der  römischen 
Republik,  VI.  Römische  Kaiserzeit  —  sowie  nach  der  geographischen 
Lage  der  Heimat.  —  B.  Inschriften  mit  nicht  gesichertem  Bezug  auf 
Bildhauer.  C  Antike,  aber  nicht  ursprüngliche,  D.  Verdächtige  oder 
gefälschte  Signaturen.  —  Teil  II:  Künstlererwähnungen.  A.  An  Kunst- 
werke anknüpfend,  B.  Künstler  im  öffentlichen  und  privaten  Leben  und 
Künstlerfamilien.  —  Die  Benutzung  des  Werkes  wird  wesentlich  erleich- 
tert durch  acht  reichhaltige  Indices;  ein  neunter,  der  alle  in  den  Künst- 
lerinschriften vorkommenden  Personennamen  enthalten  soll,  wird  für  ein 
das  neuerdings  hinzugekommene  Material  umfassendes  Nachtrageheft  in 
Aussicht  gestellt. 

Choisy,  £tudes  epigraphiques  sur  Tarchitecture  grecque.  Paris 
1884.  VII,  233  S.  avec  fig.  et  planches.  4.  -  Rez.:  Egger,  Journal  des 
Savants  1884,  April,  S.  230 f.  E.  Fabricius,  Berl.  philol.  Wochenschr. 
n.  86  Sp.  1113-  1120,  n.  37  Sp.  1145—1150.  de  Ceuleneer,  Revue  de 
l'instr.  publique  en  Belgique  Bd.  27  S.  406-412.  —  Vier  getrennt  er- 
schienene Abhandlungen  über  griechische  Bauinschriften  sind  unter  obigem 
Titel  in  einem  Band  vereinigt:  1)  unter  dem  Spezialtitel:  L'arsenal  du 
Piree  die  grofse  Inschrift  über  die  Skeuothek  des  Philon  CIA  II  1054 
(vgl.  Hermes  XVII,  5 52 ff.);  2)  unter:  Les  murs  d'Athenes  die  von  0. 
Müller  zuerst  erklärte  Mauerbauinschrift  CIA  II  167;  3)  Besprechung 
der  auf  den  Bau  des  Erechtheions  bezüglichen  Urkunden;  4)  Baukon- 
trakt aus  Lebadea  Athen.  IV,  454,  wiederholt  und  interpretiert  von  Fa- 
bricius, De  architectura  Graeca,  Berlin  1881.  —  Ein  Anhang  enthält 
das  Verzeichnis  der  übrigen  auf  die  Architektur  bezüglichen  Inschriften 
mit  kurzen  Inhaltsangaben,  einem  Verzeichnis  technischer  Ausdrücke  mit 
französischer  Übersetzung  und  einen  Generalindex.  Jeder  Untersuchung 
ist  der  griechische  Text  mit  französischer  Übersetzung  voraufgeschickt; 
es  folgen  ausführliche  archäologische  Bemerkungen.  Aufser  Inhaltsüber- 
sicht und  griechischem  Wortverzeichnis  sind  jeder  Untersuchung  Tafeln 
in  Kupferstich  mit  erläuternden  Zeichnungen  beigegeben.  —  Vor  Choisys 
Abhandlung  unter  1)  verdient  Dörpfelds  gleichzeitig  erschienene,  auf 
genauerer  Textinterpretation  beruhende  Rekonstruktion  der  Skeuothek 
(MD AI  VIII,  147 ff.)  den  Vorzug.  2)  bringt  verschiedene  höchst  ein- 
leuchtende   neue    Ansichten.     L^nbeachtet   geblieben   ist   die    Datierung 


I.  Allgemeines.  397 

Köhlers  (MDAI  V,  276)  auf  307/6  v.  Chr.  Für  eine  abschliefsende  Be- 
handlung der  3)  Erechtheioninschriften ,  unter  welchen  die  Athen.  VII, 
482  f.  veröffentlichten  Rechnungsablagen  das  Hauptinteresse  in  Anspruch 
nehmen,  ist  vor  gänzlicher  Aufräuraung  der  Ruine  der  Zeitpunkt  noch 
nicht  gekommen.     Abhandlung  4)   ist  der  schwächste  Teil  des  Werkes. 


Die  längst  angezweifelte  Glaubwürdigkeit  des  für  die  griechische 
wie  lateinische  Epigraphik  gleich  wichtigen  Kyriacus  (er  schrieb  seinen 
Namen  halbgriechisch  mit  K)  von  Ancona  kann  nunmehr  als  erschüt- 
tert gelten,  und  moderne  Inschriftfälscher  mögen  den  biedern  Ankoni- 
taner  als  ihren  Schutzpatron  verehren.  —  Zuerst  erwies  Mommsen, 
Über  die  Berliner  Exzerptenhandschrift  des  Petrus  Douatus,^)  in  den 
Jahrbuch,  der  königl.  preufs.  Kunstsammlungen  IV  1883  S.  75.  78  das 
dreiste  Verfahren  des  Falsarius  an  einem  schlagenden  Beispiel:  Letz- 
terer will  nach  f.  81^  seines  Berichts  ein  aus  zwei  Hexametern  bestehen- 
des Epigramm  auf  einem  von  Hesiod  selbst  den  helikonischen  Musen 
geweihten  Dreifufs  »Atticis  consculptü  litteris«  an  Ort  und  Stelle  ge- 
lesen haben;  in  Wahrheit  stammt  »die  helikonische  Ortsangabe  aus  dem 
von  ihm  zitierten  Gellius,  der  Text  aus  der  Pianudeischen  Anthologie 
(A.  P.  7,  53),  das  Übrige  ist  freie  Erfindung«.  —  Hierauf  unterzog  Ku- 
bitschek  auf  grund  sorgfältiger  Abschriften  die  von  Kyriacus  über- 
lieferten Texte  einer  eingehenden  Prüfung  und  vervollständigte  in  den 
Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884  S.  102f.  das  Belastungs- 
material durch  den  Nachweis  von  vier  weiteren  Fälschungen:  1)  Das 
aus  einem  Distichon  bestehende  Grabepigramm  der  Sappho  f.  82'"  und 
90^  (an  letzterer  Stelle  von  Donatus  nachgetragen)  =  CIG  3555,  an- 
geblich in  Pergamon  gefunden,  ist  identisch  mit  einem  dem  Antipater 
Thessalonicensis  zugeschriebenen  Epigramm  der  Anthologie  (A.  P.  7,  15). 
2)  Das  aus  zwei  Hexametern  bestehende  Epitaphion  Homers  f.  82  unten 
=  A.  P.  7,  3  {äorjXav).  3)  Das  Epigramm  einer  Alexanderstatue  =  PI.  4, 
120  vs.  3.  4  CApyzXdoo^  ol  8k  'AaxXrjmdoou).  4)  Die  auf  Herod.  1,  187 
zurückzuführende  Erzählung  des  Plutarch,  apophth.  reg.  et  imp.  s.  v. 
Isjupdixtdog  VI  p.  661  Reiske  und  des  Stobäus  10,  53  von  der  Auf- 
schrift des  Grabmals  der  Semiramis,  in  welcher  dieselbe  denjenigen  ihrer 
Nachfolger,  der  des  Geldes  bedürfe,  auffordert,  ihr  Grabmal  zu  öffnen, 
worauf  Darius,  dieser  Aufforderung  entsprechend,  durch  eine  im  Grab- 
mal vorgefundene  Inschrift  wegen  seines  Golddurstes,  der  ihn  bewege, 
die  Ruhe  der  Toten  zu  stören,  gestraft  worden  sei,  hat  unserm  Ge- 
währsmann gleichfalls  das  Material  zu  ein  paar  Inschriften  (f.  82)  geliefert. 
Sein  Text  schliefst  sich  fast  wörtlich  an  Plutarch  und  Stobäus  an. 


1)  Diese  aus  dem  Hamiltonschen  Nachlasse  nach  Berlin  gebrachte  Hand- 
schrift (prov.  n.  458)  enthält  u.  a.  einen  eigenhändigen  Bericht  des  K  v.  A. 
über  seine  griechische  Reise  143.5/36  an  Petrus  Donatus. 


398  Griechische  Epigraphik. 

II.     AtticH  (nebst  SalaDDis). 
1.     Allgemeines. 

Corpus  inscriptionum  Atticarum  consilio  et  auctoritate  acad.  litt, 
reg.  Boruss.  editum.  Vol.  IL  Inscriptiones  Atticae  aetatis  quae  est 
inter  Euclidis  annum  et  Augusti  tempora  edidit  Ulricus  Koehler. 
Pars  altera,  tabulas  magistratuum ,  catalogos  nomiiium,  instrumenta 
iuris   privati  continens.     Berol.    1883.     VllI,   539  S.     Imp.-4.     54  Mk. 

—  Rez.:  Larfeld,  Berl.  philol.  Wocheuschr.  1884  n.  1  Sp.  9-12.  H. 
Droysen,  Mitteil,  aus  der  histor.  Litt.  XII  1884,  S.  Iff. ;  mit  bequemer  In- 
baltsübersicht  S.  6 — 16.  —  Von  den  im  Titel  angegebenen  drei  Teilen, 
in  die  das  Werk  zerfällt,  umfafst  der  erste  n.  642  —  856,  der  zweite 
n.  857  —  1052,  der  dritte  n.  1053—1153.  Die  Beigabe  umfangreicber 
Addenda  et  Corrigenda  (S.  506  —  539)  erwies  sich  als  notwendig  durch 
die  gleichzeitig  mit  Erscheinen  des  Werkes  an  der  Ostseite  der  Akro- 
polis  und  in  Eleusis  unternommenen  Ausgrabungen.  Die  Publikation 
beruht  gröfstenteils  auf  Autopsie  der  Steinurkunden.  Dieselbe  ist  um 
so  verdienstvoller,  als  es  bisher  an  einer  übersichtlichen  Zusammen- 
stellung des  umfangreichen,  seit  dem  Erscheinen  des  CIG  neugefundenen 
Inschriftenmaterials  vollständig  gebrach.  Peinlichste  Sorgfalt  in  der  Be- 
arbeitung, gewissenhafteste  Berücksichtigung  früherer  Publikationen  und 
sachkundige  Anordnung  charakterisieren  die  Sammlung.  Eine  Fülle  bis- 
heriger Anschauungen  über  die  attischen  Antiquitäten  erfährt  durch  die 
neuereu  Funde  Berichtigungen,  bzw.  genauere  Fixierungen. 

Corpus  inscriptionum  Atticarum  etc.  Vol.  IV  supplementacom- 
plexi  partis  primae  fasc.  II,  supplementorum  voluminis  primi  partem 
alteram  continens.  Composuit  A.  Kirchhoff.  Berol.  1887.  S.  57 — 132. 
Imp.-4.  Inhalt:  I.  Decreta  senatus,  populi,  pagorum  (S.  57  —  69). 
IL   Täbulae    magistratuum  (S.  70  —  77).     III.   Donariorum  tituli  (S.  78 

—  106).  IV.  Monumenta  sepulcralia  (S.  107  119).  V.  Termini  (S.  120 
—123).     VI.  Fragmenta   incerta    (S.    124.    125).     Varia  (S.  126-132). 

—  Das  vorliegende  zweite  Supplementheft  bildet  eine  Ergänzung  des 
ersten  (1877). 

Über  die  sprachliche  Ausbeute  der  attischen  Inschriften  vgl. 
die  von  v.  Bamberg,  Jahresber.  XII  1886  S.  Iff.  verzeichnete  Litteratur. 
Hier  seien  erwähnt: 

Meisterhans,  Grammatik  der  attischen  Inschriften.  Berlin  1885. 
VI,  119  S.  gr.  8.  4  Mk.  —  Rez.:  Riemann,  Revue  de  philol.  IX  1885 
S.  169  —  184.  Hinrichs,  DLZ  n.  51  Sp.  1821.  1822.  Lautensach,  Wochen- 
schrift f.  klass.  Philol.  1886  n.  8  S.  225—236.  J.  Wackernagel,  Philol. 
Anzeiger  XVI  1886  S.  65-81.  E.  S.,  LCB  1887  n.  53  Sp.  1822.  E. 
L.  H. ,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  299-302.    —    Inhalt: 


11.  Attica.  399 

Kap.  I:  Schrift  (attisches  und  ionisches  Alphabet  und  Lesezeichen)  S.  1  —  4. 
II.  Lautlehre  (Vokalismus  S.  5  —  34,  Konsonantismus  S.  34-47).  III. 
Flexionslehre  (Deklination  S.  48-74,  Konjugation  S.  74— 89).  IV.  Syn- 
tax (S.  89  —  109).  Sach-  und  Wortregister  S.  110-119.  —  Das  reiche 
inschriftliche  Material  ist  knapp,  jedoch  mit  Angabe  fast  sämtlicher  Be- 
legstellen (in  836  Noten  unter  dem  Text)  zusammengefafst.  Leider  konnte 
dasselbe  nicht  allseitig  ausgebeutet  werden,  da  das  CIA  noch  nicht  ab- 
geschlossen vorliegt.  Die  bisherige  Litteratur  über  den  attischen  Dia- 
lekt hat  Verwertung  und  zum  teil  Berichtigung  gefunden.  Als  Hand- 
buch der  Orthographie  und  dereu  historischeu  Entwicklung  leistet  das 
Buch  wesentliche  Dienste  für  die  Kontrole  der  alexandrinischen  Gram- 
matiker. Kein  Herausgeber  attischer  Autoren  wird  hinfort,  ohne  diese 
Resultate  zu  kennen,  den  Text  gestalten  dürfen.  —  Nach  Ausweis  der 
Inschriften  findet  sich  beispielsweise  e  für  unechtes  et.  ziemlich  konse- 
quent bis  380,  einzeln  bis  334,  u  für  ou  bis  360,  bzw.  270  v.  Chr. 
Die  richtige  Schreibung  vieler  Wörter  wird  festgestellt,  sowie  der  Unter- 
schied von  £?  und  e;?,  evexa  und  svsxsi»,  /lerä  und  «ryv.  tva  »wo«  findet 
sich  nur  ohne  Verbum,  nie  ionisches  snrjv,  r^v,  einfaches  finales  otto}; 
(ohne  av)  c  coni.  erst  343  v.  Chr. 

Lautensach,  Verbalflexion  der  attischen  Inschriften.  Progr.  des 
herzogl.  Gymnasium  Ernestinum.  Gotha  1887.  26  S.  4.  —  Bez.:  Mei- 
sterhans, Neue  philol.  Rundschau  1887  n.  18  Sp.  283.  Hecht,  DLZ  n.  30 
Sp.  1079  f.  —  Im  Gegensatze  zu  Meisterhans  (s.  o.),  den  im  ganzen  das 
Singulare  beschäftige,  ist  in  dieser  äufserst  sorgfältigen  Arbeit  eine  voll- 
ständige Verarbeitung  des  Stoffes  erstrebt,  da  das  Regelmäfsige  nicht 
weniger  Beachtung  verdiene,  als  das  Unregelmäfsige.  Der  Überblick 
über  die  Verbalflexion  ist  bis  gegen  das  Ende  des  1.  Jahrb.  v.  Chr.  aus- 
gedehnt, wobei  sich  auch  für  die  von  Meisterhans  behandelten  Punkte 
einige  Nachträge  ergeben. 

Hecht,  Orthographisch-dialektische  Forschungen  auf  grund  atti- 
scher Inschriften.  I.  Progr.  des  Wilhelms -Gymnasiums  zu  Königsberg. 
1885.  37  S  4  (Leipzig,  Fock.  1  Mk).  Bez.:  Sitzler,  Neue  philol.  Rund- 
schau 1886  Sp.  28.  29.  J.  Wackernagel,  Philol.  Anzeiger  XVI  1886 
S.  81—83.  —  II.  Progr.  des  Gymnasiums  zu  Gumbinneu.  1886.  16  S.  4. 
(Leipzig,  Fock.  60  Pf.).  Rez.:  Blafs,  LCB  1886  n.  48  Sp.  I716f. 
Sitzler,  Neue  philol.  Rundschau  1887  n.  5  Sp.  79  f.  —  Auf  grund  stati- 
stischer Tabellen  gelangt  Verfasser  zu  folgenden  Hauptresultaten  (I): 
Verstummte  Laute  werden  nicht  mehr  geschrieben  (stummes  v  ver- 
schwindet um  120  v.  Chr.).  Wenn  die  Aussprache  zwischen  zwei  Lau- 
ten schwankt,  so  nimmt  sie  das  Schriftzeichen  jenes  Lautes  an,  zu  dem 
sie  sich  hinneigt ;  daher  Übergang  von  a^,  sc,  oe  zu  «,  e,  o:  Iktpacsug  — 
JlsifjaoOg,  r.oisTv  —  nosTv.  Auslautendes  v  in  £v,  zöi',  -//v  u  s.  w.  sprach 
man  zwischen  430  und  350  v.  Chr.  wie  /i  vor  ß,  n,  ^,  (p,  wie  nasales 
Y  vor  ^,  X,  /,  dem  folgenden  Laute  gleich  vor  ^  und  fj.  (II)  sc  statt  rji 


400  Griecliische  Epigraphik. 

ist  seit  Ende  des  4.  Jahrh.  Iconsequent  beibehalten  wordeu.  Bis  ca. 
100  V.  Clir.  wurde  et  als  Diphthong  mit  Betonung  des  ersten  Bestand- 
teiles gesprochen,  ytyvojxac  sprach  man  bis  nach  300  v.  Chr. ,  von  da 
ab  ylvoiiai  bzw.  ys.tvuiim.  zx  scheint  erst  seit  Hadriau  durch  aa  ver- 
drängt worden  zu  sein  {ßaathaaa)  u.  s.  w. 

Schmolling,  Über  den  Gebrauch  einiger  Pronomina  auf  atti- 
schen Inschriften.  Progr.  des  Mariengymnasiums  zu  Stettin.  1882. 
20  S.  4.  Rez.:  Saalfeld,  Piniol.  Rundschau  1884  n.  38  Sp.  1215 f.  — 
Untersuchungen  über  den  epigraphischen  Gebrauch  von  oq,  oazcg  in  der 
nacheuklidischen  Periode.  Man  bemerkt  ein  Schwinden  von  Formen, 
die  allzu  üppig  dem  Boden  der  Sprache  entsprossen  waren,  hier  und  da 
auch  die  künstliche  Wiedererweckung  einer  schon  veralteten  Form. 

Riemann,  Le  dialecte  attique  d' apres  les  inscriptions.  Revue 
de  Philologie  IX  1885  Heft  1  liefert  manche  wertvolle  Ergänzungen  der 
vorigen  Schriften. 


Von  den  Arbeiten,  welche  die  archäologische  Seite  der  atti- 
schen Epigraphik  zum  Gegenstande  haben,  ist  zu  nennen: 

Miller,  De  decretis  Atticis  quaestiones  epigraphicae.  Diss.  Bres- 
lau 1885.  57  S.  8.  1  Mk.  -  Rez.:  Heydemann,  Wochenschr.  f.  klass. 
Philol.  1886  n.  15  Sp.  453-455.  Hinrichs,  DLZ  n.  1(5  Sp.  557-559. 
Seeliger,  Philol.  Anzeiger  XVII  1887  S.  7 f.  Ausführliche  Behandlung 
von  Hinrichs,  Griech.  Epigraphik  S.  451  ff.  —  Die  Hartelsche  Theorie 
über  das  Zustandekommen  athenischer  Staatsdekrete  wird  einer  eingehen- 
den Prüfung  unterzogen.  Kap.  I  handelt  von  dem  Unterschiede  der  pro- 
buleumatischen  Dekrete  und  der  Volksdekrete.  Erstere  sind  Beschlüsse, 
die  auf  grund  eiues  Vorschlages  der  Bule  zu  stände  kommen;  sie  haben 
entweder  1)  das  Präskript  ioo$s  r^  ßoulj^  xat  zw  Sr^/j.w  mit  probuleu- 
matischer  Formel  (von  Euklid  bis  Augustus),  oder  2)  dasselbe  Präskript 
ohne  die  probuleumatische  Formel  (vor  und  nach  Euklid  bis  Ol.  98), 
oder  3)  das  Präskript  £oo$e  rw  8^/j.w  mit  probuleumatischer  Formel 
(nach  Ol.  124).  Letztere  sind  Volksbeschlüsse,  denen  ein  in  der  Volks- 
versammlung gestellter  Antrag  (oder  mehrere)  zu  gründe  liegt,  nachdem 
die  Bule  in  ihrem  Probuleuma  keine  bestimmten  Vorschläge  gemacht 
und  die  Entscheidung  dem  Volke  überlassen  hatte;  sie  haben  stets  das 
Präskript  ido^s  zw  S^/jloj  ohne  probuleumatische  Formel  (von  Euklid 
bis  Augustus).  Kap.  II  handelt  über  Dekrete,  welche  Zusatzanträge 
(Amendements)  enthalten.  In  Kap  III  werden  einige  Dekrete  erläutert, 
aus  welchen  Hartel  hauptsächlich  doppelte  Lesung  in  der  Volksversamm- 
lung folgern  zu  müssen  glaubte. 

Für  die  epigraphisch-chronologischen  Arbeiten  sei  auf  den 
Jahresbericht  von  A.  Mommsen  in  diesen  Blättern  Bd.  XIII  1885  Heft  10 
— 12  verwiesen. 


II.   Attica.     2.  Rats-  und  Volksbeschlüsse.    Edikte.  401 

2.    Rats-  und  Volks beschlüsse  (Ehrendekrete  S.  417 ff.). 

Edikte'). 

Köhler,  MDAIIX  1884  S.  Il7ff.  (CIA  IV  2,  la.  Roberts  n.  45).  svo-seo 
Vier  Fragmente  einer  12  zeiligen  Inschrift  von  der  Akropolis  (Z.  1—6 
(TTot^riOüV^  die  Buchstaben  der  folgenden  in  unregelmäfsigen  Zwischen- 
räumen) enthalten  einen  Volksbeschlufs,  der  augenscheinlich  mit  der  Be- 
sitznahme von  Salamis  in  Verbindung  stand:  Gleichstellung  der  Bewohner 
von  Salamis  —  ohne  Zweifel  attischer  Kleruchen  —  in  bezug  auf  finan- 
zielle und  militärische  Leistungen  mit  athenischen  Bürgern,  Bestimmun- 
gen über  Verpachtung  von  Grundstücken,  die  jene  besafsen,  falls  sie 
ihren  Wohnsitz  aufserhalb  der  Insel  nehmen  würden.  —  Der  Beschlufs 
kann  nicht  viel  jünger  sein,  als  die  definitive  Besitznahme  der  Insel  durch 
die  Athener  (letztere  nach  Dunckers,  Gesch.  des  Altert.  VI  ^  S.  244ff. 
überzeugender  Ausführung  zwischen  575  und  559);  er  fällt  etwa  zwischen 
570  und  560  v.  Chr.  Aus  der  Beschaffenheit  der  Bestimmungen  läfst 
sich  schliefsen,  dafs  dieselben  dem  öffentlichen  Recht  der  Athener  noch 
neu  waren;  wie  auch  die  Bezugnahme  auf  die  salaminischen  Einrich- 
tungen in  späteren  Kleruchenurkunden  dafür  spricht,  dafs  Salamis  die 
erste  athenische  Kleruchie  war.  Die  Inschrift  liefert  den  bisher  ent- 
behrten Beweis,  dafs  unsere  geschichtliche  Überlieferung  bis  ins  6.  Jahrh. 
hinein  sich  auf  urkundliches  Material  stützt. 

Kumanudes,  'E(p.  dpx-  1884  Sp.  161  —  164.  Taf.  10.  Verbesse-  4i8 
rungen  Sp.  224  (CIA  IV  2,  53  a).  —  Psephisma  aus  dem  Archontat  des 
Antiphon  (418  v.  Chr.),  ausführlich  besprochen  von  E.  Curtius  in  der 
Sitzung  der  archäol.  Gesellschaft  zu  Berlin  vom  5.  Mai  1885  (vgl.  die 
Ausführungen  desselben  in  den  Sitzungsber.  der  Akad.  der  Wissensch. 
1885  S.  437  ft".  mit  einer  die  Lage  des  Heiligtums  darstellenden  Karten- 
skizze von  Kaupert);  genaue  sprachliche  und  sachliche  Prüfung  von 
Wheeler,  American  Journal  of  archaeology  III  1887  S.  38  49.  Taf.  3.  4. 
Die  Urkunde  bezieht  sich  auf  die  Säuberung  und  Verpachtung  des  ein 
Heiligtum  des  Kodros,  des  Neleus  und  der  Baatkrj  umschliefsenden  hei- 
ligen Bezirks,  der  in  einer  von  einem  Graben  durchfiossenen  Niederung 
lag,  zum  Zweck  einer  Wiederherstellung.  Der  Graben  soll  gereinigt  und 
der  Schlamm  (als  Dünger)  verkauft  werden;  dann  soll  der  heilige  Be- 
zirk eine  neue  Einfriedigung  und  eine  Bepflanzung  von  mindestens  200 
Ölbäumen  erhalten.  Der  Pächter  soll  über  den  Graben  und  alles  Regen- 
wasser des  Bezirkes  verfügen,  dessen  vier  Grenzen  genau  angegeben 
werden.  Von  den  drei  Inhabern  des  Heiligtums  wird  auch  Neleus  allein 
und  nach  ihm  das  Ganze  Neleion  genannt;  dasselbe  war  also  ein  Heroon 
des  Sohnes  des  Kodros,   des  Gründers  der  ionischen  Städte.     Die  Ver- 


1)  Die  auf  Delos  gefundeuen  Urkunden  s.  XII.  unter  üelus. 
Jahresbericht  flir  AUertbumswissenBchaft  LH.    (1887.  III.)  26 


402  Griechische  Epigraphik. 

anlassung  für  die  Athener,  gerade  diesem  Heiligtum  wieder  ihre  Auf- 
merksamkeit zuzuwenden,  mochte  in  der  Absicht  begründet  sein,  den  Zu- 
sammenhang Athens  mit  den  ionischen  Kolonieen,  wie  er  sich  in  der  Per- 
son des  Neleus,  dem  legendarischen  Führer  der  attischen  Kolonie  nach 
Milet,  verkörpert,  gerade  in  jener  Zeit  besonders  zu  betonen.  Vermut- 
lich war  jene  Stiftung  zur  Zeit  des  Themistokles  ei-folgt,  als  es  sich  um 
die  Beteiligung  Athens  am  ionischen  Aufstand  handelte.  Das  im  Ein- 
gange des  platonischen  Charmides  erwähnte  kpuv  r^g  Baathx^g,  wie 
unsre  Ausgaben  lesen,  oder  zrjg  Baadrjg,  wie  zwei  der  besten  Hand- 
schriften haben  und  offenbar  zu  schreiben  ist,  ist  kein  andres,  als  das 
in  der  Inschrift  genannte.  Somit  wird  durch  diesen  Fund  die  Szenerie 
jenes  Dialogs  festgestellt  und  werden  Löschckes  (Vermutungen  zur  griech. 
Kunstgesch.  und  zur  Topographie  Athens  S.  7)  Mutmafsungen  teils  be- 
stätigt, teils  modifiziert.  Mit  Hülfe  der  Inschrift  läfst  sich  die  Lage  der 
Heiligtümer  in  der  Nachbarschaft  des  Dionj^sosbezirks  und  nicht  weit 
vom  itonischen  Thore  bestimmen.  Die  Basile  ist  eine  Personifikation 
des  alten  Königtums,  von  der  sich  Spuren  auch  in  dem  Volksmärchen 
von  Basileia,  der  Uranostochter,  der  Erzieherin  ihrer  Geschwister,  finden. 
Wahrscheinlich  waren  nach  einheimischer  Überlieferung  auch  Kodros' 
Überreste  von  dem  Platze,  wo  er  gefallen,  hierhin  gebracht,  wie  ja  das 
Kodros-Epigramm  Kaibel  1083  auch  beide  Stätten  unterscheidet  und  mit 
dem  Ende  des  Königtums  die  Gründung  der  Dodekapolis  von  lonien 
verknüpft. 

vor  403  Derselbe,  'E^.  äpx-  1885  Sp.  211ff.  n.  8  (CIA  IV  2,  34).   Agora. 

Drei  Fragmente  einer  Stele,  von  denen  zwei  in  elf  Zeilenresten  den  An- 
fang eines  voreuklidischen  Psephisma  betreffs  des  cspbv  roTv  'Avdxocv  (der 
Dioskuren)  und  der  Verwaltung  desselben  enthalten.  Das  dritte,  zu  der- 
selben Stele  gehörige  Fragment  läfst  sich  nicht  unmittelbar  mit  den 
beiden  andern  verbinden,  ergänzt  jedoch  ein  viertes  Bruchstück,  CIA  I  34. 

desgl.  Derselbe,  'E<p.   dpx-  1883  Sp.  167ff.   n.  1   in  Minuskeln.     (CIA 

IV  2,  35b).  Museum  der  arch.  Gesellsch.  zu  Athen  n.  3674.  --  Wich- 
tiges Fragment  eines  voreuklidischen  azoi^rjdov  geschriebenen  Psephisma 
in  betreff  der  Feier  von  Festen  des  Hephaistos  und  der  Athena.  Vgl. 
Scholl,  Sitzungsber.  der  kgl.  bayr.  Akad.  d.  Wiss.  philol.-histor.  Klasse 
1887  S.  Iff. 

desgl.  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  l70f.  n.  2  in  Minuskeln.    (CIA  IV  2,  35c). 

Museum  der  arch.  Gesellsch.  n.  3718.  —  Fragment  eines  voreuklidi- 
schen Psephisma,  in  welchem  es  sich  um  Aussendung  von  Trieren  zu 
handeln  scheint;  wahrscheinlich  aus  der  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges. 
Z.  15:  iy  Maxeoovtag  scheint  sich  auf  die  Verhältnisse  Athens  zu  Ma- 
cedonien  zu  beziehen ;  vgl.  hierzu  CIA  I  40—43.  -  Einen  Herstellungs- 
und Erklärungsversuch  unternimmt  auf  grund  einer  zuverlässigeren  Ab- 


II.   Attica.    2.   Rats-  und  Volksbeschlüsse.     Edikte.  403 

Schrift  von  Köhler  Kirchhoff,  Sitz.-Ber.  der  Akad.  der  Wiss.  zu  Berlin 
XV   1886  S.  303-314. 

Derselbe,  'E(p.  dp^.  1885  Sp.  163;  Faks.  n.  2.    (CIA  IV  2,  62a).  vor  403 
Arg  verstümmelter  Anfang  eines  Volksbeschlusses,  in  welchem  vielleicht 
Euktemon,   der  Archon   des  Jahres   408  v.  Chr.,   erwähnt  wird.     Z.  4: 

Derselbe,   "E^.  dp;^.   1886  Sp.  95 f.  n.  1.  2.    (CIA  IV  2,  116  q.  p).  desgl. 
Schlufsreste    zweier    aToiyr^ouv    geschriebenen    voreuklidischen    Volksbe- 
schlüsse. 

Foucart,  BCH  XI  1887  S.  144.    Fragment  eines  Eats-  und  Volks-  394/3 
beschlusses  aus  dem  Archontat  des  Eubulides  (Ol.  96,  3  =  394/3  v.  Chr.), 
in  welchem  von  dem  Bunde  mit  Eretria  die  Rede  war.    Präskript:  Eps.- 
~ptiw\y   —    (2)  xai  'AHrjv[aauv  — . 

.  Köhler,  MD  AI  VII  1882  S.  3 13  ff.  Aus  drei  sehr  verstümmelten,  339/8 
16  -  17 zeiligen  Fragmenten  bestehende  Inschrift,  deren  zweites  bereits 
von  Kumanudes,  Athenaion  VI  S.  270  mitgeteilt  wurde.  Das  durch  eine 
thasische  Gesandtschaft  veranlafste  Psephisma  giebt  eine  weitere  Bestäti- 
gung der  von  Swoboda,  MD  AI  VII  S.  187  ff.  aus  einem  die  Klazomenier 
betreffenden  Volksbeschlusse  der  Athener  aus  Ol.  98,  2  =  387/6  v.  Chr. 
(vgl.  Röhl  I,  13)  hergeleiteten  Annahme,  »dafs  Athen  in  der  Zeit  nach 
der  Vernichtung  der  spartanischen  Flotte  bei  Knidos  den  Versuch,  seine 
Herrschaft  über  die  Seestädte  wiederherzustellen,  gemacht  und  nament- 
lich von  den  in  seiner  Botmäfsigkeit  befindlichen  Städten  das  Zwanzig- 
stel von  der  Ein-  und  Ausfuhr  zur  See,  ttjV  im  dpaaoßoüloo  sixoarrjv, 
wie  es  in  dem  Psephisma  heifst,  erhoben  habe.«  Zu  den  Ausführungen 
Swobodas  bemerkt  Köhler,  dafs,  wenngleich  der  Versuch  der  Wiederher- 
stellung der  athenischen  Seeherrschaft  von  der  Expedition  des  Tbrasy- 
bulos  —  wahrscheinlich  390/89  -  nicht  getrennt  werden  könne,  doch 
die  nach  ihm  benannte  Steuer  ins  5.  Jahrb.  zurückdatiert  werden  zu 
müssen  scheine.  Athen  sah  sich  genötigt,  von  dem  direkten  zum  in- 
direkten Besteuerungssystem  überzugehen,  weil  die  EinSchätzungssummen 
der  Bundesgenossen  während  des  Krieges  nicht  regelmäfsig  abgeliefert 
wurden  (vgl.  Thuk.  7,  28,  4);  auch  sahen  die  Griechen  des  5.  und 
4.  Jahrb.  in  der  direkten  Steuer  ein  dem  Freistaat  fremdes,  nur  als 
aufserordentliche  Mafsregel  in  Kriegszeiten  zulässiges  Institut.  Die  Steuer 
selbst  wurde  vom  Staate  nicht  durch  Beamte  erhoben,  sondern  an  Pächter 
gegen  Garantie  verkauft.  —  Den  Eigennamen  Zt^olpüvrjg  Z.  14:  ergänzt 
Köhler  nach  dem  von  Foucart,  Revue  arch.  XXXV  1878  S.  118  ff.  (Röhl 
a.  a.  0.)  zusammengesetzten  Psephisma  aus  Ol.  96,  3  und  hält  den  dor- 
tigen Träger  desselben  für  identisch  mit  dem  in  unserer  Urkunde  er- 
wähnten. Dadurch  würde  die  thasische  Herkunft  des  ersteren  wahr- 
scheinlich.    Iphikrates  und  Diotimos  haben  zur  Zeit  der  zweiten  Reise 

26* 


404  Griechische  Epigraphik. 

des  Antalkidas  nach  Snsa  das  athenische  Kegiraent  im  thrakischeu  Meere 
wiederhergestellt  (Xen.  Hell.  5,  1,  7.  25)  und  dadurch  die  thasische  Ge- 
sandtschaft veranlafst.  Das  Psephisma  fällt  demnach  in  das  Jahr  389/8 
V.  Chr.,  in  die  Zeit  zwischen  dem  Seezuge  Thrasybuls  und  dem  Beschlufs 
über  Klazomenai. 

385/4  Kumanudes,  'E(p.  dp-/.   1886   Sp.  97  n.  3.     Verstümmelter   An- 

fang eines  aror/rjohv  geschriebenen  Psephisma:  'Em  Js^cl&duu  äp^ovrog 
(Ol.  98,  4  =  385/4  v.  Chr.). 

373  Swoboda,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VII  1883  S.  36 ff. 

möchte  das  von  A.  Schäfer  und  Köhler  auf  ein  Bündnis  der  Athener 
und  Lacedämonier  mit  Amyntas  II.  von  Macedonien  zum  Zweck  der 
Wiedereinsetzung  des  letzteren  bezogene  und  auf  382  v.  Chr.  fixierte 
Fragment  eines  Psephisma  (CIA  II  add.  n.  15''  S.  397.  423)  auf  das 
Jahr  373  beziehen.  Gründe  hauptsächlich  S.  41  f. 

nach358  Kumanudcs,  %'.  dp-(.  1886  Sp.  97f.  n.  4.    Fragment  {(TToc;(r^§ov) 

•  eines  Bündnisses  der  Athener  mit  dem  nach  Ermordung  des  Thraker- 
königs Kotys  358  V.  Chr.  zur  Herrschaft  gelangten  Sohne  desselben  Ker- 
sebleptes  (so  dreimal)  und  zwei  andern:  Berisades  und  Amadokos.  Ein 
Z.  2  erwähnter  Medodokos  ist  unbekannt. 

_329/8  Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  211  ff.  mit  einer  Beilage.    SOzeilige, 

wohl  erhaltene  Marmorplatte ,  auf  welcher  fünf  einen  Salaminier  Hera- 
kleides betreffende  Aktenstücke  verzeichnet  sind.  Das  oberste,  ein  Volks- 
beschlufs  aus  Ol.  113,  4  =  325/4  v.  Chr.,  in  welchem  die  Errichtung  einer 
Stele  angeordnet  wird,  fällt  zeitlich  am  spätesten.  Erst  von  dem  zweiten 
Stücke  an  (Z.  29-46)  liegt  der  Aufzeichnung  die  chronologische  Reihen- 
folge zu  gründe;  dasselbe  giebt  die  Resultate  der  folgenden  Akten* 
stücke. 

Volksbeschlufs:  Der  Grofshändler  Herakleides  aus  (dem  kyprischen) 
Salamis  soll,  weil  er  zuerst  Athen  während  der  Teuerung  mit  wohlfeilem 
Getreide  (3000  Medimnen  zu  5  Drachmen  Z.  56 f.)  versorgt  hatte,  durch 
Verleihung  eines  goldenen  Kranzes  ausgezeichnet  werden.  Da  der  Ge- 
ehrte jedoch  auf  einer  weiteren  Fahrt  von  den  (pontischen)  Herakleoten 
aufgegriffen  und  sein  Fahrzeug  der  Segel  beraubt  worden  war,  soll  ein 
athenischer  Gesandte  an  den  Tyrannen  Dionysios  von  Herakleia  entsandt 
werden  mit  der  Bitte,  dem  Herakleides  die  Segel  wieder  auszuliefern 
und  in  Zukunft  nach  Athen  bestimmte  Schiffe  nicht  zu  belästigen.  Aus 
Z.  32,  verglichen  mit  V,  Iff.  und  I,  6  ff.,  geht  hervor,  dafs  dieses  Akten- 
stück unter  dem  Archontat  des  Kephisophon  Ol.  112,4  =  329/8  v.  Chr. 
votiert  war.  Die  Vorgeschichte  jenes  Psephismas  war  folgende:  III  Z.  47 
—  51.  Volksbeschlufs,  durch  welchen  die  Bule  angewiesen  wird,  ein  Pro- 
buleuma  betreffs  Herakleides  einzubringen.  IV  Z  52  -  66.  Probuleuma- 
tischer  Beschlufs  der  Bule  zu  Ehren  des  Herakleides:  Derselbe  soll  mit 


II,   Attica.    2.  Rats-  und  Volksbeschlüsse.    Edikte.  405 

einem  goldenen  Kranze  von  500  Drachmen  geehrt  und  dem  Volke  an- 
heimgestellt werden ,  demselben  weitere  Vergünstigungen  zu  teil  werden 
zu  lassen  (welch  letztere  durch  die  Verwendung  bei  dem  Tyrannen  Dio- 
nysios  zum  Ausdruck  gelangten).  V  Z.  67  -  80.  Probuleuma  des  Rates 
für  Herakleides,  weil  derselbe  sich  an  den  öffentlichen  Beiträgen  für  den 
Ankauf  vou  Getreide  mit  3000  Drachmen  beteiligt  hatte  (Ol.  113,  1  = 
328/7  V.  Chr.).  I  Z.  2—28.  Volksbeschlufs  zu  Ehren  des  Herakleides 
aus  Ol  113,  4  =  325/4  V.  Chr.,  wonach  derselbe  mit  einem  goldenen 
Kranze  und  den  Rechten  eines  Proxenos  und  Euergetes  geehrt  werden 
soll.  (Dieser  Teil  der  Urkunde  bestätigt  die  Entdeckung  Useners.  Rhein. 
Mus.  XXXIV,  392  f.  420  ff.,  dafs  die  Athener  die  Tage  /mst  slxdSag  rück- 
läufig gezählt  haben  und  dafs  das  Jahr  Ol  113,  4  eiu  Schaltjahr  gewesen 
sei  —  vgl.  Röhl.I,  7 f.).  Wie  IV  dem  II.  Stück,  so  liegt  V  dem  I.  zu 
gründe,  da  es  das  Probuleuma  zu  letzterem  enthält.  —  Mit  Hülfe  der 
Inschrift  läfst  sich  in  der  Schilderung  der  Teurung  bei  A.  Schäfer,  De- 
mosthenes  III,  268 f.  einiges  genauer  fassen:  Im  Jahre  330  war  die  Not 
da,  sie  dauerte  328  noch  fort  und  war  325  überwunden.  330  war  von 
einer  Anzahl  von  Grofshändlern  Frucht  zu  ermäfsigtem  Preise  eingeführt 
und  zwei  Jahre  später  freiwillige  Beiträge  zum  Ankauf  von  Getreide  ein- 
gerichtet worden.  Hiernach  bestimmt  Köhler  das  Datum  der  Rede  des 
Demosthenes  gegen  Phormion.  Ist  letztere  nach  38  f.  ein  Jahr  nach  den 
öffentlichen  Beiträgen  gehalten,  so  fällt  sie  in  das  Jahr  Ol.  113,  2  = 
327/6  V.  Chr. 

Kumanudes,  'E(p.  dp^.  1886  Sp.  lOOf.  n.  7.  Fragmentiertes  Prä-  324/3 
Skript  iaxuf/rßüv)  aus  dem  Archontat  des  Hegesias  (Ol.  114,  1  =  324/3 
V.  Chr.). 

Derselbe,    a.  a.  0.   Sp.  101   n.  8.     Fragment    {azoiyriohv)  eines  vor3i8/7 
Präskripts,  in  welchem  wahrscheinlich   der  bekannte  Redner  Demades 
(ermordet  318/7  v.  Chr.)  als  Sprecher  figuriert. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  102  n.  9.    Fragmentiertes  Präskript  (axoi.-  304/3 
X^jOuv),  mit  CIA  II  1,  256  zusammengehörig,  somit  aus  dem  Archontat 
des  Pherekles  (OL  119,1  =  304/3   v.  Chr.).     Es   handelt  sich  u.  a.   um 
ein  äyaXjxa. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  107  n.  15.    Reste  dreier  Zeilen,  wahrschein- 
lich auf  die  Aufnahme  eines  ^evog  unter  die  Bürger  bezüglich. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  12 ff.  n.  6.  Fragment  eines  (Tzoty^rjdov  ge-  Anfang 
schriebenen  Volksbeschlusses,  in  welchem  der  Name  der  prytaniereuden  hund. 
Phyle  vorsätzlich  getilgt  ist.  Da  11  Buchstaben  fehlen,  so  läfst  sich  der- 
selbe nur  zu  ^AvriYovtdog  oder  ilr^mz/jiddog  ergänzen.  Gleicherweise  ist 
der  Name  der  Phyle  auch  in  dem  Psephisma  CIA  II  1,  307b  aus  dem 
Archontat  des  Thersilochos  (289  oder  288  v.  Chr.)  getilgt.  Aus  jener 
Zeit  stammt  wahrscheinlich  auch  unser  Fragment. 


406  Griechische  Epigraphik. 

-268  Scholl,  Hermes  XXII  1887   S.  561    ergänzt  das  Dekret  Kuma- 

nudes,  Athenaion  VI,  271  aus  den  Jahren  276—272  oder  269/268  v.  Chr. 

V.  Domaszewski,  Arch.-epigr.  Mitt.  aus  Österreich  X  1886  S.  244. 
—  CIA  II  1,  476   Z.  21   ist  zu   lesen:  /li-pw  )fujpoüVT[c]   dTi6[il>]rj(7Ta 
otTTjpä  rj[ix\r/\u}ivtxca   rpia^    »denn  nur  ein  gestrichenes  Mafs   kann   als 
Mafsstab  für  ein  anderes  Mafs  dienen.« 
136  Kumanudes,'£'^.  äpy.  1885  Sp.  169.  Fragmentierter  Anfang  eines 

Volksbeschlusses  aus  dem  Archontat  des  Nikodemos  (nach  Dumont,  Fastes 
eponymiques  d'Athenes  =  136  v.  Chr.)- 

Dragatses,  Parnassos  VII  1884  S.  184.  Piräus.  Achtzeiliges, 
verstümmeltes  Fragment,  wahrscheinlich  Bewilligung  von  Geldsummen  für 
Kultzwecke  enthaltend  Z.  2:  Jcowaw^  Z.  4:  JJuhddc 'A&rjva,  Z.  8:  xupcav 
ehac  xriv  yvujixrjv. 

Kumanudes,  'E<p.  äpx-  1886  S.  107f.  n.  16.  17.  Fragmente  {arot- 
'/fjOüv)  von  Präskripten.  —  Sp.  105  n.  13.  Geringe  Schlufsreste  (wahr- 
scheinlich ixx).  —  Sp  114  n.  24.  Reste  aus  römischer  Zeit.  —  Sp.  100 
n.  6,  103f.  n.  10,  104  n.  11.    Fragmente  {cTotyrjdbv)  ungewissen  Inhalts. 

Anhang. 

Beschlüsse  anderer  Gemeinschaften.     Privaturkunden. 

r403  Milchhöfer,  Berl.  philoL  Wochenschr.  1887  n.  46  Sp.  1452.    Vor- 

euklidisches Fragment  aus  dem  Gebiete  des  bisher  nicht  festgelegten 
Demos  Sypalettos:  Tu  dsfioaiov  [ße-{2)ßatov  zov  yps[pd-{S)rov  roTg 
d7:o8[ofi-{4:evocg  tu  2^U7:{aX[eT-{5)Tcov  äv  reg  im[T[<T-{Q)s^:(T£c  Mj^aeug 
[ni-{*l)pi\  I  duaeug  dva  ...  (8)  .  .  ug  n'ipi  dfetX[£r-{Q)u]  y^tUag  8pa-j(ix[äg 
(10)  T\ot  xucvucTUi  IJ[u7:-{ll)a\^STrcov  ruva  .  .  (12)  .  .  zecov  zu  dpya[cü? 
(13)  x]pe[iazug. 

V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Hermes  XXII  1887  S.  254f.  er- 
gänzt das  Demengesetz  der  Skamboniden  {(tzoi^t^Söv)  CIA  I  l,  2C. 
396  Kumanudes,    '£^.   dpy.  1883  Sp.  69ff.    (CIA  II  2,  841'').      2rof- 

^r^dbv  geschriebener  Phratrienbeschlufs  (des  bisher  unbekannten  Ge- 
schlechtes der  Demotioniden)  aus  dem  Archontat  des  Phormion  (Ol.  96,  1 
=  396  V.  Chr.).  Es  wird  der  Anteil  des  Priesters  an  den  Opferspen- 
den der  neu  aufzunehmenden  Phratores ,  sowie  eine  Revision  des  Auf- 
nahmeraodus  in  verschärfter  Fassung  festgestellt.  —  Die  Inschrift  ist  aus- 
führlich behandelt  von  Szanto,  Zur  attischen  Phratrien-  und  Geschlechter- 
verfassung, Rhein.  Mus.  40  1885  S.  506—520  und  Gilbert,  Fleckeis. 
Jahrb.  185/136.  1887  S.  23—28. 

Dragumes,  'E^.  dpx-  1885  Sp.  183ff.  giebt  berichtigte  Lesungen 
und  Ergänzungen  zu  dem  Psephisma  der  Myrrhinusier.  Athenaion  III 
1875  S.  687ff.  =  CIA  11  1,578. 


II.  Attica.   2.  Beschlüsse  anderer  Gemeinschaften.  Privaturkunden.     407 

Bitten  berger,  Epigraphische  Miscellen,  in  den  »histor.  und 
philol.  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet« 
Berlin  1884  S.  300  Anm.  '2).  in  dem  grofsen  Psephisma  der  Bule  und 
des  Demos  von  Oropos  CIG  1570,  am  besten  bei  Newton,  Greek  in- 
scriptions  in  the  British  Museum  II  p.  22 ff.  n.  CLX  b  Z.  29,  wo  flAA- 
NIONOZ   auf  dem  Stein  steht,  ist  Iüd\^[yW^og  zu  lesen. 

Köhler,   MD  AI  IX   1884   S.  388.     Fragment  eines  Thiasotende-  nach  250 
kretes  auf  den  -a/xcag  Theon,  der  unter  dem  Archonten  Nikophon  (un- 
bekannt) sein  Amt  verwaltete,  und  einen  ypafi/jLazeOQ,  dessen  Name  nicht 
erwähnt  wird;  datiert  nach  dem  Archonten  Dionysios.    Beide  Archonten 
fallen  in  die  Zeit  nach  der  Mitte  des  3.  Jahrh.  v.  Chr. 

Latischew,  BGH  VII  1883  S.  250  n.  2.    Ein  auf  Tenos  gefun-  Rom. 

^  Zeit. 

denes  Inschriftfragment  enthält  den  Schlufs  eines  Briefes,  welcher  eine 
öffentliche  Angelegenheit,  die  in  irgend  welcher  Beziehung  zum  Piräus 
stand  (Z.  6),  behandelte.  Erwähnt  werden  die  Mitglieder  des  Areopag 
und  ihr  Herold  (Z.  1.  2.)  Eine  Beziehung  auf  die  Bewohner  von  Tenos 
ist  aus  dem  arg  verstümmelten  Fragment  nicht  ersichtlich.  Dem  Schrift- 
charakter nach  weist  der  Herausgeber  dasselbe  der  römischen  Zeit  zu, 
in  welcher  der  Areopag  eine  wichtige  Rolle  spielte  und  der  Herold  des- 
selben zu  den  ersten  Bürgern  Athens  zählte. 

Bases,  '/t^.  dp;^.  1884  Sp.  97 ff.  Amphiareion  zu  Oropos.  Schreiben  73 
der  römischen  Konsuln  M.]  Terentius  M.  f.  Varro  Lucullus  und  C.  Cassius 
L.  [f.  Long]inus  an  die  Oropier.  Letztere  hatten  Beschwerde  erhoben 
gegen  die  römischen  Steuerpächter,  die  auch  von  dem  durch  Sulla  ge- 
schenkten Tempelbezirk  des  Amphiaraos  Abgaben  eintreiben  wollten,  in- 
dem sie  geltend  machten,  in  der  lex  censoria  seien  nur  die  von  Sulla 
an  Götter  gemachten  Schenkungen  für  abgabenfrei  erklärt  worden,  Am- 
phiaraos jedoch  sei  nicht  zu  denselben  zu  rechnen.  Der  Senat,  von 
dessen  anwesenden  Mitgliedern  u.  a.  auch  Mdapxog  TuUcog  Madpxou 
uibg  KopvYjXca  Kcxipujv  (vgl.  de  nat.  Deor.  3,  18,  49;  über  die  Person 
der  anderen  wie  über  den  Rechtshandel  überhaupt  s.  Mommsen  »der 
Rechtsstreit  zwischen  Oropos  und  den  römischen  Steuerpächtern«,  Her- 
mes XX  1885  S.  268-285)  verzeichnet  ist,  entschied  in  einer  Sitzung 
vom  16.  Okt.  73  zu  Gunsten  der  Bittsteller. 

3.    Tabulae   magistratuum '). 

Kumanudes,  'E<p.  dpx-  1885  Sp.  161  mit  Faks.  (CIA  IV  2,  277b).  4i5 
Sechstes,  5  zeiliges  Bruchstück  der  Herraokopidenliste  aus  dem  Jahre  415 


1)  Die  auf  die  attiscb-delische  Amphiktyonie  bezüglichen  Urkunden,  die 
zwar  auf  Delos  gefunden,  jedoch  wegen  ihrer  arui^7]3bv  gehaltenen  Schreib- 
weise auf  athenischen  Ursprung  zurückzuführen  sind,  s.  XII  unter  »Dclusa. 


408  Griechische  Epigraphik. 

V.  Chr.  (die  vier  ersten  CIA  I  274-277,  vgl.  IV  1  S.  35;  ein  fünftes 
Athenaion  VII,  205 ff.,  =  CIA  IV  2,  277a,  vgl.  Röbl  I,  29;  alle  fünf 
vereinigt  SIG  37  —  41).  Das  neue  Fragment  schliefst  sich  an  keines  der 
bisherigen  an.  Die  in  letzteren  sich  öfter  wiederholende  Redensart  rwv 
mpl  äij.(pözepa  möchte  der  Herausgeber  auf  den  Hermokopidenfrevel  und 
die  Vespottung  der  Mysterien  beziehen. 

403  Tsuntas,  a.  a.  0.   Sp.  129  n.  1.     Akropolis.     Fragment  des  An- 

fanges einer  Übergabsurkunde  der  Schatzmeister  der  Athene  und  der 
anderen  Götter  aus  dem  Archontat  des  Eukleides.  Dasselbe  bestätigt 
die  Ansicht  Köhlers,  CIA  II  2,  642.  643,  dafs  die  beiden  bis  dahin  ge- 
trennten Ämter  in  dem  Amtsjahre  des  genannten  Archonten  vereinigt 
worden  seien.  Merkwürdig  ist,  dafs  aufser  dem  Schreiber  statt  der  ge- 
wöhnlichen zehn  nur  drei  Schatzmeister  begegnen. 

nfang  PhiHos,  'E<p.  dfr/.  1886  Sp.  185-206;  Nachträge  Sp.  272.  Eleusis. 

K'lfn'd.'  Auf  beiden  Seiten  axotirßhv  beschriebene  (105 -H  90  Z.),  arg  verstüm- 
melte Platte,  enthaltend  Bestimmungen  über  Baumaterial  (namentlich  Qua- 
lität und  Mafsverhältnisse  der  Steine),  nach  dem  Herausgeber  wohl  für 
den  Bau  der  Stoa  Pronaos  des  Eleusiuion.  Aus  dem  Präskript:  '£.ra- 
GTaxat  '' Elena tvluip)  —  folgt  Raum  für  mindestens  zehn  Namen  —  ist  zu 
schliefsen,  dafs  die  Materiallieferungen  von  den  erwähnten  Beamten  ver- 
dungen wurden.  Als  Baumeister  figuriert  ein  sonst  unbekannter  Phila- 
gros  (A,  6).  Die  Stadt  lieferte  nur  Blei  und  Eisen  für  die  Steinklam- 
mern und  rpo^ch[ca]v  ivrs^  (B,  90).  Dem  Schriftcharakter  nach 
(O  neben  OY,  E  neben  El)  fällt  die  Inschrift  in  die  erste  nacheukli- 
dische Zeit. 

396/4  Foucart,  BCH  XI  1887  S.  130.    Piräus.    'Em  /lco^dvTo{u)  äp^ov- 

{2)To{g),  Sxtpofopiujvog  (3)  prjvüg,  £{g]  zä  xaz'  r/-{4:)/JL£pav  ipya  Qzüy-{b)em 
To{b)Q   XiBo{u)g    äYo{o)at   (6)  juaBog    \    HPA     —     (7)    aior^ptiov   pc-{8) 

394/3  o&ög  \  PHhH.  —  S.  131  f.  Ebd.  'En  Ebßo{u)Xc8oü  äp^ovTo[g,  (2)  dnb 
To(u)  arjixe{t)o{u)  dp^dpe-{3)vov  ps^P^  ■^^(^)  perüjn-{^)o{o)  tmv  Ttolwv  rwv 
xaxd  (5)  To  'A(ppo8tatuv  im  0£${6)cä  i^covrc  FHHPAAAA'  P-H*^) 
aBcüirrjg)  JrjpoaBevrjg  B-i8)oc(ÜTco[g]  a[u]Trji  7Tpaaa-{d)y<uyrj[c]  rwv  IcHcuv.  — 
Die  aus  dem  Archontat  des  Diophantos  (Ol.  96,  2  =  395/4  v.  Chr.)  und 
des  Eubulides  (Ol.  96,  3  =  394/3  v.  Chr.)  stammenden  Inschriften  aus 
der  Zeit  der  Wiederherstellung  der  Befestigungswerke  des  Piräus  durch 
Konon  sind  wichtig  für  die  Topographie  des  Piräus.  Merkwürdig  ist 
die  Vernachlässigung  des  spir.  asper  in  Z.  3  der  ersteren  Inschrift:  xaz' 
rjpdpav. 

374/3  Köhler,  MD  AI  VIH  1883  S.  I72ff.   (CIA  U  2,  789  b).     Piräus. 

Fragment  einer  azor/rjSov  geschriebeneu  Werfturkunde,  zuerst  heraus- 
gegeben von  Dragatses,  Parnassos  VI  1882  S.  763,  von  Foucart, 
BCH  VII  1883  S.  148 ff.   nach   einem  Abklatsch  wiederholt.     Die  Reste 


II    Attica.     3.   Tabulae  magistratuum.  409 

der  92  Zeilen  des  Fragments  verteilen  sich  auf  16  Trieren,  von  denen 
8  zu  den  von  Timotheos  und  Chabrias  erbeuteten  gehören.  Diese  8  Ar- 
tikel giebt  Köhler  nach  neuer  Abschrift.  Hinter  dem  Namen  des  Ti- 
motheos sind  auf  dem  Stein  jedesmal  8  bzw.  11  Buchstaben  wegge- 
meifselt,  nach  Köhler  azparrjyolü]  und  tuu  (TTpa7rjyo[b].  Da  die  Veran- 
lassung zu  der  Tilgung  des  Aratstitels  in  dem  Ausgang  des  im  Nov.  373 
V.  Chr.  =  Ol.  101,  4  zur  Entscheidung  gekommenen  Prozesses  des  Ti- 
motheos zu  suchen  ist,  infolge  deren  letzterer  seines  Amtes  als  Stratege 
entsetzt  wurde,  und  andrerseits  die  in  den  Werftinscbriften  angeführten 
Prisen  des  Chabrias  und  Timotheos,  die  nach  Böckhs  glaubhafter  An- 
nahme in  den  Seeschlachten  bei  Naxos  und  Alyzia  (Ende  Ol.  101,  1 
=  376/5  V.Chr.)  gemacht  worden  waren,  erst  zu  Beginn  von  Ol.  101,  3 
(die  Angabe  a.  a.  0.  S.  175  oben:  Ol.  103,  3  beruht  auf  einem  Druck- 
fehler) =  374/3  V.  Chr.  in  die  Werfte  übergeführt  sein  können,  so  ist 
die  Urkunde  der  Werftbeamten  in  letzteres  Jahr  zu  setzen.  —  Den  hier 
zuerst  wiederholt  begegnenden  Ausdruck  ru  -/f^ä^xw/ia  zo  avcu  möchte 
Köhler  auf  das  oberhalb  des  Schiffsschnabels  befindliche  7ipus/j.ßüAiov 
beziehen. 

Dragumes,  MDAI  IX  1884   S.  203f.   schlägt  folgende  Lesungen 
bzw.  Ergänzungen  vor: 

CIA  II  2,     674  Z.  25:  yJcva]c  nc^[rj<Tcoufjys7^. 
»     II  2,     678  B  Z.  64:  xMg  d\/är\rud\-oq. 
B     II  2,     722 B  Z.  14:  {xleiq  d.vd\KmaTog  y^alxo^lr^x  — . 
(Von  den  beiden  von  Dragumes  gebotenen  Erklärungen  für  xXziq  dvdnat- 
(TTog  dürfte  die  letztere;  »mit  dem  Hammer  gearbeitet«  mit  bezug  auf  die 
Glosse   bei  Hesychios:    dvanaiOTpioeg-    afopcu  napä  zolg  -^alKeumv  den 
Vorzug  verdienen.) 

CIA  II  2,  835  Z.  67 f.: (rdpocov  8[{jo  izepa']  Idamdsg  zpscg  — ; 

Z.  70:  Idamdeg  |||  mit  Heranziehung  mehrerer  Parallelstellen. 

Kumanudes,   'E<p.  dp^.  1885    Sp.  165ff.   Faks.  n.  3.      Fragment  ca.  seo 
eines  Schiffsinventars;   73  Zeilenreste.     Z.  42  wird   ein  Archon  Kallide- 
mos  erwähnt;  nach  dem  Herausgeber  ist  diesem  das  Jahr  Ol.  105,  1  = 
360  V.  Chr.,  nicht   -   wie  gewöhnlich  der  Fall  —  dem  Archonten  Kalli- 
medes  zuzuweisen. 

P biliös,  '%.  dpy.  1883  Sp.  135 f.  n.  12.  Fragment  einer  Über-  356 
gabsurkunde  von  Gegenständen,  welche  zuerst  Leptines  ix  h'oc\Ärjg)  den 
Schatzmeistern  der  anderen  Götter  unter  dem  Archontat  des  Chariklei- 
des  (Ol.  104,  2  =  363  v.  Chr.)  übermittelte.  Letztere  hatten  dieselben 
den  Epistaten  zugestellt,  während  diese  sie  wieder  unter  dem  Archontat 
dos  Elpinos  (Ol.  106,  1  =  356  v.  Chr )  ihren  Amtsnachfolgern  über- 
geben. Aus  letzterem  Jahre  datiert  die  Urkunde.  —  Ein  Leptines  aus 
Küile   wird   von   Demosth.   gegen   Androtion   erwähnt.      Vielleicht  ist  es 


410  Griechische  Epigraphik. 

derselbe,    gegen    den   jener    seine   Rede    -»rtphg   Jenrc'vrjv«   schrieb   (vgl 
Schäfer,  Demosthenes  S.  358  ^). 

Foucart,  BCH  X  1886  S.  452.  Fragment  einer  Rechnungsur- 
kunde, in  welchem  Zahlungen  für  Arbeiten  an  öffentlichen  Gebäuden  auf- 
geführt werden.  Z.  3  ist  die  Rede  von  Arbeiten  am  Odeon,  Z.  7  von 
solchen  am  Parthenon,  Z.  8  an  einem  Altar.  Dem  Schriftcharakter  nach 
aus  der  1.  Hälfte  des  4.  Jahrh. 

Tsuntas,  'E^.  d,o/.  1883  Sp.  109ff.  Oberes  und  unteres  Frag- 
ment (die  Mitte  fehlt)  einer  aToc^rjdov  geschriebenen  Rechnungsurkunde 
der  imarazac  'EXeoatvolhv  und  der  rajuat  zolv  Qeüiv  (Demeter  und  Köre) 
über  den  Bau  eines  Plutontempels  in  Eleusis.  Der  zuerst  gefundene 
obere  Teil  umfafst:  A)  linke  Kolumne,  78  Zeilen  (Faks.  'E(p.  a.  a.  0. 
Taf.  9)  1.  und  2.  Prytanie;  B)  rechte  Kolumne,  76  Zeilen  (Faks.  Taf.  10) 
6.  Prytanie.  Der  später  gefundene  untere  Teil  umfafst:  a)  linke  Ko- 
lumne, 59  Zeilen,  4.  und  5.  Prytanie;  ß)  rechte  Kolumne,  83  Zeilen, 
10.  Prytanie;  f)  untere  Breitseite,  15  Zeilen.  Faks.  von  «,  ß,  y  Taf.  11. 
Die  ganze  untere  Breitseite  sowie  die  obere  linke  Ecke  des  Steins  sind 
zerstört.  A)  und  B)  speciell  behandelt  von  Foucart,  BCH  VH  1883 
S.  388ff.,  Köhler,  CIA  H  2,  834b,  Tsuntas,  a.  a.  0.  Sp.  127ff.  mit 
Besserungen  zu  denLesarten  desCIA.  Ergänzungen  und  Nachträge  Sp.  194 
unten.  Letzterer,  a.  a.  0.  Sp.  255  ff.  giebt  Bemerkungen  zu  a,  ß^  y.  Aufser- 
dem  behandelt  Foucart,  BCH  VHI  1884  S.  194  ff.  auf  grund  einer  neuen 
Kollation  und  mit  einigen  Besserungen  /5,  40  —  83  und  ^,  1  —  7.  —  Die  In- 
schrift datiert  aus  dem  Archontat  des  Kephisophon  (329/8  v.  Chr.)  während 
der  Verwaltung  des  Lykurgos.  Nach  wahrscheinlicher  Annahme  war  der 
Tempelbau  auf  ausdrückliches  Geheifs  dieses  um  die  religiösen  Institutionen 
Athens  hochverdienten  Staatsmannes  unternommen  worden  (A,  12:  Ao- 
xoupyoo  xsXeüaavTog).  Als  Beispiel  für  den  Inhalt  diene  die  Urkunde  der 
10.  Prytanie,  in  welcher  die  Epistaten  und  Schatzmeister  der  Göttinnen 
aufser  dem  gewöhnlichen  Verzeichnis  der  laufenden  Ausgaben  noch  ein  Ver- 
zeichnis der  Einnahmen  und  Ausgaben  für  das  ganze  Jahr  geben  und  zwar 
1.  der  Einkünfte  der  Domänen  des  Heiligtums  und  ihrer  Verwendung  (Z.  40 
—  49),  2.  Weihung  der  Erstlingsfrüchte  (Z.  50-83),  3.  Eröffnung  der 
Schätze  der  Demeter  und  der  Köre  (Z  1—7);  vgl.  hierzu  die  ausführ- 
lichen Erörterungen  Foucarts.  Letzterer  weist  BCH  VII,  514f.  auf  grund 
von  a,  47  —  50  übereinstimmend  mit  einer  Notiz  des  Philochoros  nach, 
dafs  das  in  der  Inschrift  erwähnte  Fest  der  Haloa  im  Poseideon  be- 
gangen wurde.  Interessant  ist,  dafs  als  Pächter  der  Ebene  Raria,  vor 
den  Thoren  von  Eleusis,  'Tnepeidr^g  rXaoxmnoo  KoUursug,  der  berühmte 
Redner,  mit  einer  jährlichen  Naturalienleistung  von  619  Medimnen  figu- 
riert. Für  die  Olympiade  werden  ihm  daher  —  mit  einem  Jahreszu- 
schlag von  64  Medimnen  als  imp.£Tpov  —  2732  Medimnen  verrechnet. 

P biliös,  '%.  dp;(.  1883  Sp.  Iff.  n.  1  (Taf.  I).  105 zeiliges  Frag- 
ment einer  Rechnungsurkuude  über  den  Bau  wahrscheinlich  einer  Stoa 


II.  Attica      3.  Tabulae  magistratuum.  411 

Pronaos  in  Eleusis,  wo  der  Stein  gefunden  wurde.  Die  Erwähnung  des 
Lykurgos  Z.  65  {xo.za  (l'rj<ftajj.a8rjiiou^  ?)  Juxoüpyog  ecmv)  macht  es  wahr- 
scheinlich, dafs  auch  dieser  Bau  während  der  Verwaltung  des  genannten 
Staatsmannes  auf  öffentliche  Kosten  ausgeführt  wurde.  Vitruvs  Notiz,  die 
Stoa  sei  durch  Philen  unter  Deraetrius  Phalereus  (318  ff.  v.  Chr.)  erbaut 
worden,  würde  nicht  widersprechen,  da  hier  von  der  Vollendung  des  meh- 
rere Jahre  in  Anspruch  nehmenden  Baues  die  Rede  ist. 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  165fl'.  Fragment  einer  Werftur-  32fi/5 
künde,  welches  ein  Verzeichnis  der  an  die  Trierarchen  gelieferten  Schiffe 
mit  dem  zugehörigen  Gerät  enthält  und  den  Anfang  der  Urkunde  CIA 
II  2,  808  aus  Ol.  112,  3  =  326/5  v.  Chr.  ergänzt.  Da  aus  der  Inschrift 
hervorgeht,  dafs  in  diesem  Jahre  mindestens  7  Kriegsschiffe  mit  einer 
Bemannung  von  ca.  1400  Mann  nach  Samos  beordert  waren,  so  folgert 
der  Herausgeber,  man  sei  in  Athen  auf  einen  Handstreich  der  vertrie- 
benen Samier  gefafst  gewesen  und  habe  deshalb  ein  Geschwader  bei  Sa- 
mos festgelegt.  Ein  zweites,  aus  5  Trieren  bestehendes  Geschwader 
unter  dem  Strategen  Thrasybulos  war  ausgerüstet  worden  im  zijv  [napa- 
no/xr.r]]^  -[ou\  ahou.  —  Neu  ist  die  aus  dem  Fragment  hervorgehende 
Thatsache,  dafs  der  Tamias  der  Paralos  während  seines  Amtsjahres  als 
solcher  die  Trierarchie  für  ein  anderes  Schiff  übernehmen  konnte.  Nach 
Köhlers  Ansicht  wurden  für  die  Paralos  Trierarchen  wohl  überhaupt 
nicht  bestellt,  sondern  der  Staat  trug  die  Kosten  für  Ausrüstung  und 
Instandhaltung  des  Schiffes,  und  der  vom  Volk  gewählte  Tamias  hatte 
die  Führung.  Die  Inkongruenz  des  Titels  und  der  Funktionen  scheint 
frühzeitig  Anlafs  zu  einer  gewissen  Unsicherheit  in  der  Bezeichnung  ge- 
geben zu  haben. 

T  SU  Utas,   '%  dpy.  1884  Sp.  167  ff.  (Faks.  Taf.  11).     Textbesse-  Zwisch. 
rungen  Sp.  224  u.     Auf  der  Akropolis   gefundene  Inschrift,   enthaltend    pei'JJs 
ein  Verbot   von  Kauf  und  Handel  in   geweihten  Bezirken   und   Strafan-  äVi^iT 
drohung  an  Zuwiderhandelnde.     Die  entweihten  Heiligtümer   sollen  aufs 
Neue  geweiht  werden.    Von  Z.  30  an  Verzeichnis  der  wiederhergestellten 
Tempel  und  heiligen  Bezirke.     Ergänzt  der  Herausgeber  Z.  25  richtig: 
'AzlrdÄou  jSaajcÄsojg ,   so  wäre   unter  diesem  Namen,   da  es   sich  um  Er- 
richtung von  Festungswerken  handelt,  der  in  dieser  Hinsicht  um  Athen 
im  Kampfe   mit  Macedonien   verdiente  Attalos  I.    (241     197  v.  Chr.)  zu 
verstehen.     In  Z.  47   wird   eines   otypazog   toTj   dx/o-sBevrog  unb  Mdyvou 
(seil.  noij.nr/'ou)   Erwähnung  gethan;   vgl.    Plutarch,  Pomp.  42.     Da  des 
in  baulicher  Hinsicht   um  Athen   so   hoch   verdienten  Hadrian  nicht  Er- 
wähnung geschieht,   so   schliefst  der  Herausgeber,  dafs  die  Inschrift  in 
die  Zeit  zwischen  Pompeius  und  Hadrian  falle. 

Kumanudes,  'E<f.  dpy.  1885  Sp.  163.    Fi'agment,  vielleicht  einer 
Rechnungsurkuude,  nur  Zahlen  enthaltend      Vgl.  CIA  I  545. 


412  Griechische  Epigraphik. 


4.    Catalogi. 

hsso  Köhler,  MDAI  X  1885   S.  106f.     Fragment  einer  Prytanenliste 

der  Phyle  Leontis;  nach  350  v.  Chr.  Durch  dasselbe  wird  ein  von  dem 
Herausgeber  MDAI  IV  1879  S.  102  angenommenes  Versehen  in  der  Re- 
daktion einer  andern  Prytanenliste  derselben  Phyle  aus  dem  Anfange 
des  4.  Jahrb.  (CIA  II  2,  864),  welches  den  Anschein  erwecke,  als  hätten 
innerhalb  jener  Phyle  drei  Demen  den  Namen  rioTuixog  geführt,  ausge- 
schlossen. Das  neue  Fragment  bestätigt  vielmehr,  dafs  es  thatsächlich 
drei  Demen  dieses  Namens  in  der  erwähnten  Phyle  gab,  deren  Mitglie- 
der als  nordjj.tot  xaßuTTsp&Ev,  11.  unsvspHsv  und  II.  dscpadcujvac  unter- 
schieden wurden. 

Kumanudes,  'E^.  dp^.  1886  Sp.  11  n.  5,  Sp.  13f.  n.  7,  in  Mi- 
nuskeln.    Fragmente  von  Namensverzeichnissen.     Macedonische  Zeit. 

hiit;  Derselbe,  '£,y.  dp^.  1883  Sp.  245 ff.    Piräus.    Verzeichnis  der  la- 

ßaZtaaxai  (Kultgenossenschaft  des  Sabazios)  aus  dem  Archontat  des 
Theokies  (unbekannter,  doch  wohl  vorchristlicher  römischer  Zeit;  das 
Jahr  des  in  dem  Zeilenrest  66  erwähnten  Archonten  Medeios  wird  von 
Hermann,  Gr.  Staatsaltert.  auf  116  v.  Chr.  angesetzt).  Auf  den  lepzbg 
und  den  durch  eine  und  dieselbe  Person  repräsentierten  -«///«?,  ypap.- 
/xareug  und  imps^rjzrjg  folgt  eine  Liste  von  51  epaviazai,  unter  welchen 
13  Fremde  und  1  Staatssklave. 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  I77ff  giebt  auf  grund  der  Frag- 
mente eines  Verzeichnisses  der  Mannschaften  athenischer  Trieren  von 
der  Akropolis  (CIA  II  2,  959)  einen  Exkurs  über  die  Bemannung  athe- 
nischer Kriegsschiffe. 

Derselbe,  MDAI  IX  1884  S.  291.  In  der  Liste  von  freiwilligen 
Beiträgen  für  einen  unbekannten  gemeinnützigen  Zweck  aus  dem  Ar- 
chontat des  Hermogenes  CIA  II  2,  983  Kol.  III  Z.  87—90  ist  auf  grund 
der  von  Dragatses,  'E(p.  äpj^.  1884  Sp.  39 ff',  veröffentlichten  und  von 
Köhler,  a.  a.  0.  S.  288  ff.  besprochenen  Dionysiasteninschriften  aus  dem 
Piräus  (s.  S.  421  f.)  herzustellen:  i\tovb\atog  ['Aya&]oxMoug  Mapa&(o{viog) 
ä  I  xai  btikp  tüjv  u]u>v  'Aya&oxMoug  J  |  xal  Acovuaco^u  d, 

97  Homolle,   BCH  VIII  1884  S.  127.     CIA  II  2,  985  D  27     29  ist 

auf  grund  delischer  Inschriften  zu  ergänzen:  impeXrjrtjg  [ArjXou  —  — 
(28)  nohjxX£iz[og  —  —  'AXs^dvdpou  0Xu\£ug  —  (29)  im  rd  lepd  ßed- 
[Xcpcg  (E(TTca:ou)  ix  Kspa]fxsujv. 

g^ach-  Kumanudes,  'E^.  dp-/^.  1885  Sp.  64.    Fragmentierte  Pylorenliste 

lich^    von  der  Akropolis.    Den  Pyloren  wird  das  Epitheton  dpejinTot  zuerteilt. 

Das  Jahr  des  Z.  5  f.  genannten  Archonten  Xpü(T[m]7zo5  fällt  nach  dem 

Herausgeber  in  die  nachchristliche  römische  Zeit. 


II.  Attica.    4.  Catalogi.    5.  Musische  Inschriften.  413 

Köhler,  MDAI  IX  1884  S.  387.  In  einem  Sammelbande  der 
griechischen  Nationalbibliothek  findet  sich  eine  italienisch  geschriebene 
Abhandlung  über  attische  luschriftsteine  aus  Malta  (mit  Taf.)  von  Fr. 
G(ioachino)  N(avarro).  Malta  1789.  Dieselbe  enthält  u.  a.  eine  genauere 
und  vollständigere  Kopie  Navarros  von  dem  Bruchstück  des  nach  Po- 
cockes  (angeblich  «Athenis«  gelesenen)  Abschrift  CIG  296  und  CIA  II  2, 
1035  mitgeteilten  Personenverzeichnisses. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  146f.  n.  5. 
Aus  den  wiederaufgefundenen  »M  S.  Inscriptions  collected  in  Greece  by 
C.  R.  Cockerell,  1810-  14«  wird  der  ausführlichere  Text  von  CIG  300 
mitgeteilt. 

5.    Musische    Inschriften. 

R  ei  seh,  De  musicis  Graecorum  certaminibus  capita  quattuor. 
Wien  1885  und  Brinck,  Inscriptiones  Graecae  ad  choregiam  pertinentes. 
Halle  1885  s.  S.  395). 

Philios,  "Ecp.  dpx-  1883  Sp.  189f.  (CIA  IV  2,  422 *.  Roberts  ^^^4^^^ 
n.  41a.)  Eleusis.  Bleierner  äX-rjp  mit  archaischer  Bustrophedonaufschrift 
(Hexameter):  naX[K)ujj.evoQ  vcxscrs-{2)v  = 'ETiacvsTog  fI-{S)o{ü)vsxa  to{u)8£ 
=  I/a.  —  Sind  die  beiden  letzten  Buchstaben  zu  'AXaJotg  und  nicht  zu 
äX-zr^pug  zu  ergänzen,  so  würde  sich  hieraus  die  Aufführung  gymnischer 
Wettkämpfe  an  jenem  Fest  ergeben.     Buchstaben:    B|  =  spir.  asper, 

Bergk,  Die  Abfassungszeit  der  Andromache  des  Euripides,  Hermes  423/2 
XVIII  1883   S.  487  —  510,   aus  dem  Nachlasse  herausgegeben  von  Hin- 
richs,   behandelt  S.    493 ff.    die   Inschrift  MDAI  III,    108   (Röhl   I,   35) 
über  die  Agone  von  Ol.  89,  2.  3  (423/2  v.  Chr.). 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  34  (CIA  IV  2,  337a).  Grofse  qua-  ca.  4i5 
dratische  Plinthe,  die  einen  entsprechend  grofsen  Dreifufs  trug,  mit  der 
Inschrift:  KXttaMvvjg  i^opsys^c)  AuToxpdzo{u)g  \  'Eps^9r/cdi,  Acyr/tdc-  | 
Ksosmrjg  ioioaaxz.  Auf  den  ersten  Blick  scheint  der  Chorodidaskalos 
mit  dem  von  Aristophanes,  Wolken  985  als  Repräsentat  der  alten  Bil- 
dung genannten  Dichter  hrjxsfor^g  identisch  zu  sein,  für  dessen  Namen 
Nauck,  Rhein.  Mus.  VI  1848  S.  431  auf  grund  der  Schollen  {Kudc'drjg), 
der  wahrscheinlich  aus  letzteren  geflossenen  Glossen  bei  Photios  (A'ij- 
didrjg)  und  Hesychs  (Kr^Beldrjg)  die  Lesung  Krjdecor^g  hergestellt  hat. 
Allein  der  aristophanische  Dichter  mufs  mindestens  ein  Menschenalter 
vor  Aufführung  der  Wolken,  somit  um  die  Mitte  des  5.  Jahrb.  geblüht 
haben;  die  Inschrift  dagegen  dürfte  kaum  älter  sein,  als  die  Mitte  des 
peloponnesischen  Krieges,  sowohl  wegen  der  ionischen  Schrift  (nur  2  mal 
e  =  e),  wie  ihrer  Fassung  (vgl.  Köhler,  MDAI  III,  231  =  Röhl  I,  36  u.) 
und  der  Ausrüstung  des  Chores  zweier  Phylen  durch  einen  Choregen.  Mög- 


414  Griechische  Epigraphik. 

licherweise  haben  der  Chorodidaskalos  der  Inschrift  und  der  Dithyramben- 
dichter  bei  Aristophanes  gar  nichts  mit  einander  zu  thun.  Mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  jedoch  dürfte  man  den  ersteren  für  einen  Sohn  oder 
Enkel  des  letzteren  halten.     Vgl.  Brinck,  a.  a.  0.  S.  103  f. 

Kumanudes  'E(p.  äp^.  1885  Sp.  213f.  n.  9.  Die  seit  Böckhs  un- 
vollkommener Publikation  (CIG  I  226''.  Add.  p.  909)  verschwundene 
Choregeninschrift,  die,  bisher  7  mal  herausgegeben,  zu  mannigfachen  Ver- 
mutungen Aulafs  gab,  ist  bei  den  Ausgrabungen  auf  der  Agora  wieder 
aufgefunden  worden.  Sie  lautet:  AI  I H  I  C  E  i  '  KA  (2)  Ulo&üoujpog  'Em- 
Zy])<o{u)  i^oprjY£{i),  (3)  ^Aptarapyog  iocSaaxs,  Xapcag  rjpy\a..  Aus  dem 
Schriftcharakter  (lOPC)  erhellt,  dafs  das  Archontat  des  anderweitig 
nicht  bekannten  Charias  nicht  mit  Böckh  in  die  Zeiten  hinabzurücken 
ist,  aus  denen  Archontenverzeichnisse  nicht  mehr  erhalten  sind  (nach 
Ol.  122  =  292  V.  Chr.).  Der  Herausgeber  möchte  demselben  das  Jahr 
Ol.  91,  2  =  415  V.  Chr.  zuweisen.  Alsdann  würde  der  für  dieses  Jahr 
angeführte  Name  des  Chabrias  auf  einem  litterarischen  Versehen  be- 
ruhen, indem  der  bekanntere  Name  des  inschriftlich  als  Archon  nicht 
nachweisbaren  athenischen  Feldherrn  den  weniger  bekannten  des  Charias 
verdrängt  hätte. 

Derselbe,  'E(p.  äpy.  1886  Sp.  9f.  n.  2.  Verstümmelte  Basis- 
inschrift von  der  Agora:  —  K\i)dad^rjvai£.ug  (2)  —  v\ix7j(To.g  (3)  ~  flav- 
8]tovt8i  (puXr^t.    Nach  dem  Herausgeber  Anfang  des  4.  Jahrh. 

Palaiologos  Georgiu,  a.  a.  0.  Sp.  267  -  270.  Akropolis.  Frag- 
ment, bestehend  aus  drei  Kolumnen,  von  denen  die  erste  und  dritte  fast 
gänzlich  verstümmelt  sind,  während  die  mittlere  drei  Verzeichnisse  von 
Siegern  in  musischen  Agonen  enthält.  Von  dem  ersten  Verzeichnis  sind 
nur  zwei  "Wortreste  erhalten,  das  zweite  (Em  0du\KÄioug),  Z.  3  —  13  ist 
bis  auf  zwei  herstellbare  Eigennamen  vollständig,  das  dritte  (Eni  "Aßpoj- 
vog-),  Z.  14—20  der  ersten  Hälfte  nach  erhalten.  Der  Archontenname 
des  zweiten  Verzeichnisses  läfst  sich  nach  der  am  Schlüsse  der  Hypo- 
thesis  des  Äschyleischen  Agamemnon  überlieferten  Didaskalie  der  Orestie, 
nach  welcher  i8c8dy&r]  -o  8pä}xa  hm  äp^ovrog  QiXoxXioog-  eyop^yei  Ee- 
voxlrfi  ''A(pt8vz(jg^  mit  Sicherheit  zu  Philokles  ergänzen,  da  Z.  11 — 13  er- 
halten ist:  rpaYajt8u)V  (12)  EevoxXrjg  A(piOva(cog)  iyoprj{yzi)^  (13)  Äiay^uloq 
iSßaaxev.  Hierdurch  wird  die  von  Meursius  vorgenommene  Verbesse- 
rung der  Zeitbestimmung  der  genannten  Didaskalie:  dXopmd8i  uy8uTj- 
xüarji  (statt  des  überlieferten  xtj'),  izet  ß'  urkundlich  bestätigt.  —  Für 
die  Litteraturgeschichte  wichtig  sind  auch  Z.  8—10:  xuj/i(v:8u>v  (9)  Eupu- 
xXai8r]g  iyoprjyei,  (10)  E'j(ppuvcog  ioc8aaxs,  da  ein  komischer  Dichter 
dieses  Namens  unbekannt  ist.  Die  Inschrift  erschliefst  aufserdem  den 
richtigen  Namen  des  Archonten  von  Ol.  80,  3  =  "Aßpcov  (Z.  14,;  so  ist 
demnach  bei  Diodor  11,  79  statt  des  überlieferten  Bituv  zu  schreiben. 
—  Die  Fragmente  ähnlichen  Inhalts  CIA  II  2,  97 1  a,  b,  e,  jetzt  im  Erd- 


II.  Attica.     5.   Musische  Inschriften.  415 

geschofs  des  Centi-almuseums,  stimmen  nach  dem  Herausgeber  dem  Schrift- 
charakter nach  vöUig  mit  dem  vorliegenden  überein  und  scheinen  daher 
nicht  älter  zu  sein,  als  die  zweite  Hälfte  des  4.  Jahrh.  Auch  die  Ab- 
kürzungen sind  dieselben;  z.  B.:  'A^iSw.:  und  i/opyj  =  ''A<pt8vacog,  eyu- 
Ijrjyet.  Wahrscheinlich  rühren  alle  diese  Fragmente  von  einer  und  der- 
selben, auf  der  Akropolis  aufgestellten  Urkunde  her,  die,  wie  schon 
Köhler  MDAI  HI,  10  vermutete,  ein  Verzeichnis  der  Sieger  in  den  mu- 
sischen Agonen  der  grofseu  Dionysien  enthielt  und  zweifelsohne  auf  den 
Redner  L3'kurgos  zurückzuführen  ist,  da  das  jüngste  Siegerverzeichnis 
CIA  n  2,  971  e  Kol.  2  aus  dem  Archontat  des  Aristophanes  (Ol.  112,  2 
=  331  V.  Chr.)  datiert.  Je  jünger  die  Verzeichnisse  waren,  um  so  aus- 
führlicher wurden  sie,  z.  B.  die,  in  denen  der  ~(>a.Ytxoi  briuxptzrjg  er- 
wähnt wird  (CIA  II  2,  971b  Z.  6  und  unsere  Inschrift  Kol.  3  Z.  8).  In 
allen  Verzeichnissen  spi-iugt  das  E  des  km  vor  dem  Archontennamen 
über  die  Anfangsbuchstaben  der  übrigen  Zeilen  heraus,  jedenfalls  um 
die  einzelnen  Jahre  besser  zu  unterscheiden. 

Köhler,   MDAI  VII  1882   S.  348  giebt  nach  einer  Revision  der  nach 350 
noch  bei  Vari  befindlichen  Choregeninschrift  Kaibel  925  eine  berichtigte 
Lesung  derselben  in  Minuskeln.    Die  Verse  stammen  von  einem  Privat- 
denkmal aus  der  Zeit  nach  Mitte  des  4.  Jahrh. 

Derselbe,  MDAI  X  1885  S.  231flf.  behandelt  ausführlich  die  cho-  319 
regische  Inschrift  des  Nikias  CIA  II  2,  1246  aus  dem  Jahre  319  v.  Chr. 

Kumanudes,  ' E^.  dpx-  1884  Sp.  128 ff.  n.  5  in  Minuskeln.    Mu-  '^■^^^^' 
sische  Inschrift  (aror/TjOÜv)^  nach  denT  Herausgeber  aus  dem  4.  vorchristl. 
Jahrh.     Der  Anfang  fehlt. 

Köhler,  MDAI  IX  1884  S.  49ff.  Vollständige  Lesung  der  zu-  282-280 
letzt  von  Kumanudes,  Philister  IV  541  (vgl.  'E(p.  äp^.  2.  Folge  n.  170 
— 175;  abgedruckt  bei  Dumont,  Fastes  eponym.  S  21)  herausgegebenen 
choregischen  Inschrift  aus  dem  Archontat  des  Nikias.  Glaukon,  der 
Stifter  des  choregischen  Denkmals,  war  nach  den  Kranzinschriften  auf 
den  abgewandten  Seiten  des  Gebälks  wegen  seiner  vortrefflichen  Lei- 
stungen als  Agonothet,  wie  als  Befehlshaber  der  Schwadron  seiner  Phyle, 
der  Antigonis,  bei  dem  Paradestück  der  Anthippasie  an  den  Olympieen 
und  den  grofsen  Panathenäen  nach  Ablauf  seines  Amtsjabres  vom  Volke 
bekränzt  worden;  Phylarch  mufs  derselbe  in  einem  der  vorhergehenden 
Jahre  gewesen  sein.  —  Mit  seinem  Bruder  Chremonides  fand  er  nach 
dem  Kriege  gegen  Antigonos  Gonatas  eine  Zufluchtsstätte  au  dem  ptole- 
mäischen  Hofe.  Da  noch  Ptolemaios  III.  (246  —  221  v.  Chr.)  ihm  in 
Olympia  eine  Statue  errichtet  hat  (Dittenberger,  Arch.  Zeit.  XXXVII 
S.  55  n.  231;  vgl.  Röhl  I,  79  0.),  so  ist  der  Nikias  unserer  Inschrift 
für  den  Otryneer  zu  halten,  dessen  Archontat  Ol.  124,  3  (282/1  v.  Chr.) 
oder  4  fällt.  Das  Bild  einer  Schwester  des  Glaukon  und  Chremonides, 
der  Aglaurospriesterin  Pheidostrate,   stand  auf  der  Akropolis  (Inschrift 


416  Griechiscbe  Epigrapbik. 

'E<p.  äpy_.   175.  Rang.  1111  u.  s.  w.),   das  des  Vaters,   Eteokles,  Kult- 
beamten des  Pluton  in  den  letzten  Dezennien  des  4.  Jahrh.  (CIA  II  948) 
am  Fufs  der  Burg  im  Bezirk  des  Dionysos  (Athenaion  VI,  378). 
um  1511  Kumanudes,   'E(p.  dp^.    1884  Sp.  121  ff.     Vier  agonistische  In- 

schriften aus  den  Trümmern  des  Amphiaraosheiligtums  zu  Oropos.  Die- 
selben sind  unter  einander  sowohl  wie  mit  einer  von  Rang.  II  S.  691 
publizierten  musischen  Inschrift  nahezu  gleichzeitig,  da  wiederholt  die- 
selben Namen  begegnen.  Nach  dem  Herausgeber  können  die  Inschriften 
nur  wenig  älter,  als  die  Zerstörung  Korinths  sein.  Bemerkenswert  und 
für  das  politische  Schaukelverhältnis  von  Oropos  zu  der  damaligen  Zeit 
charakteristisch  ist  der  Umstand,  dafs,  während  in  der  Inschrift  bei  Rang, 
mehrere  Athener  als  Agonisten  erwähnt  werden,  sich  in  unsern  Inschriften 
kein  einziger  findet. 

6.    Ephebeninschriften. 

^■{md"  Mylonas,  'Eip.dpx-  1883  Sp.  103.    Berichtigte  Abschrift  der  nach 

Pittakes,  ancienne  Athenes  S.  480  CIA  III  764  herausgegebenen  In- 
schrift; jetzt  im  Museum  der  archäol.  Gesellschaft  n.  8750.  Interessant 
ist  die  Form  'Ep/j.ä  statt  Ep/x^  in  dieser  aus  dem  2.  Jahrh.  v.  Chr.  stam- 
menden Inschrift. 

I.Jahr-  Foucart,  BCH  VII  1883  S.  75 f.  n.  3.    Piräus.    Zehn  ueUsa)r]ßoc 

hund.  I  r   II 

(nach  Censorinus,  de  die  nat.  14  15jährige  Knaben,  die  auf  der  Zwischen- 
stufe zwischen  Volksschule  und  Ephebie  unter  Leitung  eines  Lehrers 
dem  Studium  der  Litteratur  und«  der  Musik  obliegen  mochten)  weihen 
den  Musen  die  Bildsäule  ihres  8t8day.aXug  'Aprepcüv  0rj/xa[xsug.  Der 
Archen  Theodotos,  nach  dem  die  Inschrift  datiert  ist,  ist  unbekannt. 
Der  Herausgeber  möchte  letztere  auf  grund  der  Buchstabenformen,  na- 
mentlich des  Z,  etwa  dem  1.  Jahrh  v.  Chr.  zuweisen.  —  Desselben  Fund- 
orts ist  die  gleichaltrige  Inschrift  Parnasses  1880  S  491  (Röhl  I,  38). 
Dragatses,  'E^.  dp^-  1884  Sp.  187ff.  n.  1.  Piräus.  Bruchstück 
einer  Ephebenliste. 

Ende  Merriam,  American  Journal   of  philology  VI  1885  n.  21    S.  Iff. 

hund.  giebt  eine  berichtigte  Abschrift  der  seit  etwa  45  Jahren  im  Columbia 
College  zu  New-York  befindlichen  Ephebeninschiift  CIA  III  1079  (mit 
Photographie)  aus  der  Zeit  des  Claudian.  —  Abgedruckt  in  der  Berliner 
philol.  Wochenschr.  1885  u.  44  Sp.  1403  f. 

7.    Hymnen.    Opfervorschriften.    OrakeL 

ca.  400  Leonardos,   'E^.  dpy.    1885   Sp.  93 ff.   n.  1;   nach   einem   neuen 

Abklatsch  (ohne  Varianten)  Bechtel,  HD  18.  Bruchstück  einer  azoi- 
^rjoov  geschriebenen  Tempel-  und  Opferordnung  aus  dem  Amphiareion 
zu  Oropos.     V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Oropos  und  die  Graer,  Hermes 


II.   Attica     8.   Ehreninschriften.  417 

XXI  1886  S.  91  ff.  teilt  die  Inschrift  in  Wortlaut  und  Paraphrase  mit 
und  bestimmt  ihr  Datum  auf  411-402  oder  387—377  v.  Chr.  Als  das 
bis  jetzt  umfangreichste  Dokument  der  »eretrischen  Mundart«  ist  das  De- 
kret von  Wichtigkeit. 

Dragatses,  a-  a.  0.  Sp.  88 f.  Stele  mit  Opfervorschriften  aus 
dem  Piräus:  1.  Auf  das  Präskript:  Otol.  Kara  zdds  -fwHüsaBac  folgen 
die  von  dem  Asklepiospriester  Euthydemos  aus  Eleusis,  der  auch  die 
Stelen  errichtete,  aufgestellten  Vorschriften,  wonach  dem  Maleates,  dem 
Apollon,  dem  Hermes,  dem  lasos;  der  Akeso,  der  Panakeia,  sowie  den 
Hunden  und  Hundeführern  je  drei  -Kur.ava  zuerkannt  werden.  2.  Helios 
und  Mnemosyne  sollen  je  einen  dpsarrjp  und  ein  xr^piov^  Nephalios  drei 
Altäre  erhalten.     3.  ^ir^ifoHöi.     4.  Nrf\(faXioi  Tps(7)g  ßuj/ioi. 

Foucart,  BCH  VII  1883  S.  68  n.  1  giebt  die  von  Meletopulos, 
Atheuaion  X,  556  (Röhl  I,  39)  in  Minuskeln  publizierte  Opfervorschrift 
aus  dem  Piräus:  Mocpuc^  \  aptaTr^paq  \  |]||,  xripta  |||  in  Originaltypen. 
(Vgl.  die  ähnliche  Opfervorschrift  aus  dem  Piräus  'Ef.  dpy.  2784  und 
aus  dem  Asklepieion  Athenaion  V,  329.) 

8.     Ehren  in  Schriften, 
a)  Des  Rates  und  Volkes. 

Köhler,  MDAI  X  1885  S.  111.     Magula,  nördlich  von  Eleusis.  Anfang 

4  Jahr- 

I,Tür/rfiov  geschriebenes  Fragment  eines  Psephisma  zu  Ehren   der  Pry-  hund. 
tanen  einer  Phyle. 

Kumanudes,  'Ay.  dpy.  1886  Sp.  115.  Fragment  {azoryrjohv)  eines  desgl. 
Dekretes,  in  welchem  wahrscheinlich  jemand  zum  Bürger  und  Proxenos 
ernannt  wird. 

Derselbe,   'E<f.  dpy.    1883  Sp.  172.     Museum   der  arch.  Gesell- 388 
Schaft  n.  3771.    Zu  dem  Fragment  eines  Psephisma  aus  dem  Jahre  388 
v.  Chr.  CIA  II  1.  13   hat  sich   der  genau  anschliefsende  linke  Streifen 
von  10  Zeilen  zu  je  6  Buchstaben  gefunden.     Es  erhellt  jetzt,  dafs  der 
Name  des  Chiers,  auf  den  sich  das  Proxeniedekret  bezieht,  —  odoros  war. 

Derselbe,  'E<p.  dpy.  1886  Sp.  215f.  n.  1.  Auf  das  Präskript:  382/1 
Ko^XXuTBog  sypo-piidreuB-  (2)  —  'Aptaz'^'\ujt.  Itjiujvog  Bocüjtiuji  (3)  —  npo- 
^]ivojc  xai  züipyizr^i  •  folgt  ein  arg  verstümmeltes  Proxeniedekret  der  Bule 
und  des  Demos  auf  den  Genannten,  dem  Schriftcharakter  nach  aus  dem 
Anfang  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  Mit  Wahrscheinlichkeit  ergänzt  der  Heraus- 
geber den  verstümmelten  Archontennamen  Eu[avopog  (382/1  v.  Chr.). 

Köhler,    MDAI   VIII   1883  S.  223f.     Stein  aus  der  Ringmauer  ses-sso 
der  Akropolis,   der  zwei  in  Minuskeln  mitgeteilte  Psephismen  zu  Ehren 
eines  Komaios,   S.  des  Theodoros,   enthält;  beide  aus  demselben  Jahre. 
Das  zweite,  Z.  9-18,  in  welchem  Komaios  zum  Proxenos  ernannt  wird, 
gehört  einer  früheren  Prytanie  an,   als   das  erste,  Z.   1 — 8,  in   welchem 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  (1887.  III.)  27 


418  Griechische  Epigraphik. 

mit  den  Schlufsworten   auf  jenes  Bezug  genommen  wird.    Nach  Köhler 
fallen  die  Inschriften  zwischen  368  und  350  v.  Chr. 
ca.  350  Kumanudes,  'E(p.   dp-/-   1886   Sp.   2l7f.  n.  2.     Fragment  eines 

Belobigungsdekretes  auf  Bürger  von  Priene.     Wahrscheinlich  Mitte  des 
4.  Jahrh. 
ca. 346/5  Nikitsky,  MDAI  X  1885   S.  57 f.    Zweites,   a-zotyrrjoov  geschrie- 

benes Fragment  der  Inschrift  CIA  II  1 ,  141.  Ratsbeschlufs  zu  Ehren 
des  Kleomis,  S.  des  [Apoljlodoros,  aus  [Methyjmna,  der  mit  seinen  Nach- 
kommen zum  Proxenos  und  Euergetes  der  Athener  ernannt  werden  soll. 
Der  Geehrte  ist  wahrscheinlich  der  aus  Isokrates  bekannte  Tyrann  von 
Methymna  (Epist.  ad  Timoth.  §  8 f.,  deren  Abfassungszeit  etwa  346  oder 
345  V.  Chr.  fällt;  vgl.  Schäfer,  Demosthenes  I,  435  und  Blafs,  Attische 
Beredsamkeit  II,  303). 
336/5  Tsuntas,  "E<p.  dpx-  1885  Sp.  131ff.  n.  2.    Akropolis.    Ixoixrßhv 

geschriebenes  Ehrendekret  auf  Phyleus,  S.  des  Pausanias,  Charidemos  — 
und  deren  auvdp'^ovrzg  aus  dem  Archontat  des  Pythodelos. 

823/2  Dittenberger,  Ind.  schol.  Hai.     Winter  188.5/86  p.  X.     In  dem 

Ehrendekret  CIA  II  1,  181   ist  am   Schlufs  zu  lesen:  i[v\  fj  yiypamac 
^E/evlßpuroi  I  KXeoDvam  tu)  Tzpoyüvu)  toj  jlanüipcog  \  rj  npo^ev/a. 
4.jahr-  Demirales,   'E(p.   dp^.   1886   Sp.    135  —  138.     Akropolis.     Frag- 

ment (azot/rjoüv)  eines  Belobigungsdekretes  auf  die  Stadt  Tenedos,  deren 
auvedpog  Aratos  und  dessen  Brüder ;  wahrscheinlich  gleichzeitig  mit  den 
Fragmenten    eines    unter   dem  Archontat   des   Theophrastos    erlassenen 
Psephisma  zu  Ehren  der  Tenedier  und  des  Aratos  CIA  II  1,  117. 
desgl.  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  137—140.    Akropolis.    Fragmente  zweier 

aTotirjhhv  geschriebenen  Ehrendekrete. 

Mylonas,  ^E(p.  dp-^.  1883  Sp.  37 f.  n.  10.  Izoij^yjdbv  geschrie- 
bener Rats-  und  Volksbeschlufs ,  wonach  u.  a.  einem  Hipparchos  das 
Bürgerrecht  zuerkannt  und  gestattet  wird,  sich  die  betreffende  Phyle, 
den  Demos  und  die  Phratrie  zu  wählen. 

ca.  289  Kumanudes,  'E<p.  dp-/.   1884  Sp.  131   n.  1.     Akropolis.    Frag- 

ment eines  aroi/rjobv  geschriebenen  Psephisma  zu  Ehren  der  behufs 
Schlichtung  von  Rechtsstreitigkeiten  zwischen  Athenern  und  Böotern  er- 
wählten Lamier.  Obgleich  der  Archon  nicht  genannt  ist,  läfst  sich  doch 
aus  dem  Umstände,  dafs  der  Sprecher  Kalaides,  S.  des  Kalaides,  Xype- 
täion  auch  als  solcher  in  dem  Psephisma  CIA  11  1 ,  308  aus  dem  Ar- 
chontat des  Thersilochos  (um  289  v.  Chr.)  begegnet,  schliefsen,  dafs  auch 
unsere  Urkunde  in  das  Amtsjahr  des  letzteren  fällt. 

291-200  Durrbach,  BCH  VIII  1884  S.  327 f.     Fragment  eines  Ehrende- 

krets auf  die  Taxiarchen  aus  dem  Archontat  des  Philokrates,  dessen 
Name  in  der  bis  292/1  v.  Chr.  bekannten  Archontenliste  nicht  vorkommt. 
Die  in  der  Formel  em  tt^q  Arjixrjzpiddog  dojSexdrrjg  npuravscag  erwähnte 


II.   Attica.     8.   Ehreuinschriften.  4,19 

Phyle  wurde  307/6  v.  Chr.  errichtet;  sie  sowohl  wie  die  gleichzeitig  er- 
richtete Antigonis  verschwinden  nach  279/8  v.  Chr.  Statt  ihrer  wurde 
die  Ptolemais  während  der  Herrschaft  des  Ptolemaios  Philadelphos  (285 
— 247)  und  die  Attalis  200  v.  Chr.  errichtet.  Die  beiden  erstgenannten 
Phylen  müssen  demnach  um  die  Mitte  des  3.  Jahrh.  aufgehoben  worden 
sein.  Unser  Dekret  fällt  daher  in  die  Jahre  zwischen  291  und  späte- 
stens 200  V.  Chr. 

Tsuntas,  "E(p.  dpx-  1885  Sp.  141  fif.  n.  3.  Akropolis.  Ehrende-  25o- 
kret  auf  einen  Alexandriner  Alexandros,  Tijxiüjxevog  urto  -zoo  ßamXiujg 
rhoh/iacou,  wegen  seiner  Fürsorge  für  die  in  Ägypten  und  Kyrene  leben- 
den Griechen.  Da  die  Vereinigung  beider  Länder  unter  einem  Scepter 
vorausgesetzt  wird,  so  fällt  die  Inschrift  in  die  Jahre  250 — 244/3  v.  Chr., 
in  welch  letzterem  Jahre  Kyrene  wieder  abfiel;  oder  —  weniger  wahr- 
scheinlich in  beträchtlich  jüngere  Zeit,  als  Ägypten  abermals  jene 
Landschaft  unterworfen  hatte. 

Hauvette-Besnault,  BGH  VIII  1884  S.  472.  Fragment  eines 
Ratsbeschlusses  (Z.  11:  oso6^]&ac  tbc  ßouhc)  zu  Ehren  der  Megalopoliten 
in  Arkadien  (Z.  2/3:  MsyaXoTzoXLTiöv  —  —  twv  Auxac'ujv),  die  Theoren 
zu  einem  Agon  entsandt  zu  haben  scheinen. 

Kuraanudes,   'E^.   apy.    1884   Sp.    131  ff.  n.  2.     Fragmentiertes  Mace- 
Proxeniedekret  zu  Ehren  eines  Unbekannten  mit  dem  bisher  nicht  be-    Zeit, 
legten  Ausdruck:  y.al  (pulr^Q  xal  orj/xou  xal  ^parlpcag  elvac?  a]aTu}c  ddou- 
acdaacrß^ae,   yjg   a.v  ßouXr^rat.     Vgl.   Hesychs:    dooüaiov   ipaaruv ,    aop.- 
(fujvov  und  doouatr/.adiievü'.  •  ocEköfisvot,   üp.oloYobpEvot.    (J.  [u.  Th.]  Bau- 
nack,  Studien  I  1  S.  24.) 

Derselbe,  ''Eip.  dp-j^.  1886  Sp.  106  n.  14.  Fragment  (aroc^yjdbv) 
des  Ehrendekretes  auf  einen  Nikostratos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  109  n.  19.  Fragment  eines  Ehrendekretes 
auf  —  kies,  S.  des  Sotairos,  aus  Ami)hip[olis. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  llOf.  n.  21.  Vielleicht  Reste  eines  Ehren- 
dekretes auf  einen  Kyz]iken[er? 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  Ulf.  n.  22.  Fragment  {aroc^rjdov^  eines  ca.  i90 
Ehrendekretes?),  in  welchem  ein  Pausim[achos  und  ein  König  Eumenes 
erwähnt  werden.  Ersterer  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  Nau- 
archen  der  mit  den  Römern  und  König  Eumenes  II.  im  Kriege  gegen 
Antiochus  verbündeten  Rhodier,  dessen  Name  somit  allein  von  Appian 
23.  24  richtig  überliefert  wäre.  Das  auch  wegen  der  Fassung  des  Prä- 
skripts merkwürdige  Fragment  hat  stets  /\  =  A,  C  =  E- 

Derselbe,  a.  a.  0.  Wahrscheinlich  Fragmente  [aToc^Tjoav)  von 
Ehrendekreten:  Sp.  99  u.  5,  Sp.  105  n.  12,  Sp.  108 f.  n.  18,  Sp.  110  n.  20. 

Köhler,  MD  AI  VIII  1883  S.  58  ff.    Im  Besitz   des   Lord  Lecon-  iJ^hr- 
field  in  Petworth  House    befindliches,    oben    und    unten    verstümmeltes 

27* 


420  Griechische  Epigraphik. 

46  zeiliges  Fragment.  Z.  l — 6  und  7 — 26  Reste  von  zwei  Volksbeschlüssen 
zu  Ehren  der  Ergastinen,  die  der  Athene  einen  neuen  Peplos  gewebt 
und  eine  goldene  Schale  geweiht  haben  (vgl.  den  fragmentierten  Volks- 
beschlufs  CIA  II  1,  477).  Die  Z.  27 ff.  erhaltenen  Reste  einer  Liste  der 
mit  den  Namen  und  Demoticis  ihrer  Väter  verzeichneten  altadeligen 
Ergastinen  —  deren  Anzahl  nach  erhaltenen  Fragmenten  gegen  100  —  120 
betrug  —  gehören  der  1.  und  2.  sowie  der  4.  und  5.  Phyle  an.  Die 
Inschrift  scheint  in  den  Anfang  des  1.  Jahrb.  v.  Chr.  zu  fallen. 

Vor-  Derselbe,  MDAI  IX  1884  S.  162.     Zu  CIA  III  654  (CIG  416). 

steisch.  Hier  sind  zwei  Inschriften  durch  Irrtum  Fourmonts  oder  seiner  Exzerp- 
toren  zusammengeschrieben  worden.  Das  Original  der  ersteren  (Z.  1  3) 
befindet  sich  jetzt  im  Centralmuseum  zu  Athen.  Sie  ist  schwerlich  jünger 
als  der  Prinzipat  des  Augustus,  da  die  Fortdauer  des  Kriegsschatzamtes 
(Z.  3:  rcmtdja^avra  arpazauztxoJv)  in  der  Kaiserzeit  nicht  erweislich  ist 
und  auf  eine  ältere  Zeit  auch  die  kurze  Bezeichnung  des  Rates  in  der 
Eingangsformel  (H  ßou?i]rj  xal  6  drjiiog)  schliefsen  läfst. 

Areopag,  Rat  der  600  und  Volk  ehren:  1.  Philios,  'Ef.  äpy^.  1885 
Sp.  151  f.  n.  27  (Eleusis)  den  Acharner  C.  Caecilius  Casius;  2.  Kuma- 
51-54  nudes,  a-  a.  0.  Sp.  207  n.  1  den  Kaiser  Claudius,  aus  der  4.  Stra- 
tegie des  Tib.  Claudius  Novius  (vgl.  die  ganz  ähnliche  Ehreninschrift 
auf  den  Kaiser  Claudius  aus  der  Zeit  der  Strategie  des  Novius  CIG  III 
117-138  457;  aufserdem  613);  3.  u.  4.  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  208  n.  2.  3  (Frag- 
mente) den  Kaiser  Hadrian;  5.  u.  6.  Derselbe,  a.  a.  0  Sp.  209  n.  4.  5 
(Fragmente)  zwei  Unbekannte.  —  n.   l — 6  von  der  Agora. 

Der  Areopag  ehrt:  Philios,  'Ef.  dpy.  1883  Sp.  20  n.  4  den  Agrios 
Saturninus,  zov  xpazcarov,  u.  a.  slvsxa  .  .  .  r^g  Ttspl  ra>  i^s<b  euasßscag. 
Eleusis,  Basisinschrift. 

Der  Demos  der  Athener  ehrt:  Je/ir/ov  1885  n.  440  (vgl.  Berliner 
philol.  Wochenschrift  1885  u.  27  Umschlag  S.  4)  den  Demos  der  Lace- 
dämonier  euvocag  evexa.  —  Künstlerinschrift:  —  oXog  knoir^aa. 

Die  Athener  ehren:  Philios,  'E(p.  äpy.  1883  Sp.  141  f.  n.  15  in 
zwei  Distichen  die  Enkelin  und  Tochter  buolv  hndzu)v  'Apptavwv  ^  die 
Mystis  —  KKrj[ievziav7]  napa  /ItjoT.  —  Eleusis,  Basisinschrift. 

b)  Anderer  Gemeinschaften. 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  382f.  Zu  CIA  II  1,  605.  Frag- 
ment eines  Beschlusses  der  Keryken  (vgl.  Dittenberger,  Die  eleusini- 
schen  Keryken,  Hermes  XX  1885  S.  1  —  40)  und  Eumolpiden  zu  Ehren 
eines  Mannes,  dessen  Name  weggebrochen  ist,  und  seiner  beiden  Söhne 
Philonides  und  Dikaiarchos.  Auf  grund  der  delphischen  Proxenenliste 
.BCH  VII,  189,  wo  Köhler  Fragm.  B  Koi.  II,  34  liest:  'Ev  A(wöi.xdq. 
■zu.  Tipu^  jlüxw  dhAiuvcoag,  ergänzt  er  in  obiger  Inschrift  Z.  14 f.:   inai]- 


II.   Attica.     8.   EhnMiiusohriften.  421 

\ii(ra{t  0iX-\Lovc8rjV  Aaoocxsa  xac  zobg  houg  (so)  ahzoT)  0tla}Vc8rjV  xal  [Jc- 
xacjap^ov.  —  Latischew,  MD  AI  X  1885  S.  76  erweist  dagegen,  dafs 
Laodikeia  in  Syrien  gemeint  ist,  auf  grund  des  delphischen  Dekrets  Lebas 
880  zu  Ehren  eines  Jtxacapy^og  (PiXujvioa  Aaodtxeog,  welcher  identisch 
sein  mufs  mit  dem  einen  der  in  obiger  Proxenieliste  genannten  Brüder. 
Dikaiarchos  heifst  weiterhin  in  diesem  Dekret  Bürger  von  Laodikeia 
Tiorl  BaXdaaa  und  liefs  bereitwilligst  seine  Unterstützung  roTg  dcptxvoo- 
/isvoig  Js^Y^wv  TioTi  -zuv  ßaadea  'Avzco^ov  zu  teil  werden. 

Philios,  'Ey>.  dpx-  1883  Sp.  8lff.  n.  10.  Eleusis.  Die  Keryken  und 
Eumolpiden  "ehren  den  Hierophanten  Chairetios  aus  Eleusis  wegen  seiner 
eu\ioca  zig  zä  yivrj.  Die  Inschrift  stammt  aus  macedonischer  Zeit  und 
lehrt,  da  sie  den  Namen  des  Hierophanten  schon  zu  dessen  Lebzeiten  an- 
führt, dafs  dieselben  in  jener  Zeit  noch  nicht  cspxovufioi  waren  (vgl.  S.  427  u.). 

Hauvette-Besnault,  BCH  VIII  1884  S.  471.  Die  Thiasoten 
bekränzen  Menon,  Moschion,  Kallias,  Charixenos,  Euraathes. 

Foucart,  BCH  VII  1883  S.  69ff.  n.  2.  Dekret  der  Orgeonen  3.  jahr- 
im  Piräus.  Dieselben  ehren  den  Priester  Agathon,  S.  des  Agathokles, 
und  sein  Weib,  die  Priesterin  Zeuxion,  wegen  ihrer  Verdienste  um  den 
Kult  der  Göttin  (der  Magna  Mater?)  und  um  die  Genossenschaft  durch 
Verleihung  eines  goldenen  Kranzes.  Aus  je  zwei  Ehrenkränzen  über 
und  unter  dem  Dekret  mit  der  Inschrift:  Ot  &ca<rcüzac  (2)  'AydBiuva  (3) 
xai  zrjv  yuwuxa  (4)  auzoo  Zeo^iov  geht,  wenn  nicht  eine  Identität  beider 
Genossenschaften,  so  doch  eine  nahe  Beziehung  zwischen  beiden  hervor. 
Datiert  ist  das  Dekret  nach  dem  GIA  II  I,  620  erwähnten  Lysitheides. 
Das  Amtsjahr  dieses  in  der  bis  292  v.  Chr.  gesicherten  Liste  nicht  vor- 
kommenden Archonten  möchte  Foucart  wegen  der  azor/jjdov  geschrie- 
benen Inschrift,  die  noch  die  Buchstabenformen  OPC  wahrt,  dem 
3.  Jahrb.  v.  Chr.  zuweisen.  Letztere  würde  der  ersten  Hälfte  desselben 
angehören,  wenn  der  Sprecher  unseres  Dekrets,  Sokles,  mit  demjenigen 
des  aus  dem  Jahre  300  stammenden  Thiasotendekrets  BCH  III,  513 
(Röhl  I,  28)  identisch  wäre. 

Köhler,  MDAI  IX  1884  S.  288 ff.  giebt  drei  bei  Blofslegung  von  iso-ieo 
Kultgebäuden  der  Dionysiasten  im  Piräus  gefundene,  von  Dra- 
gatses,  'E<p.  dpx-  1884  Sp.  39 ff.  herausgegebene  und  auf  diese  Kult- 
genossenschaft bezügliche  Inschriften  mit  verbesserten  bezw.  ergänzten 
Lesungen:  I.  32 zeiliges  Ehrendekret  von  15  Kultgenossen  (Orgeonen) 
aus  dem  Archontat  des  Eupolemos  auf  Dionysios,  S.  des  Agathokles,  aus 
dem  Demos  Marathon,  den  Priester  und  Schatzmeister  der  Genossen- 
schaft, wegen  seiner  Herrichtung  des  Tempels  und  eines  Versamm- 
lungslokals sowie  wegen  sonstiger  Verdienste.  -  Auf  dem  untern  Teile 
des  Steines  befindet  sich  der  Rest  eines  zweiten  Dekrets  zu  Ehren  des 
Sprechers  des  ersten,  luXcov  l'lpiJMyivou  XuXayptüg.  —  IL  3  Distichen: 
Widmung  des  Tempelgründers  Dionysios  an  den  Dionysos  (s.  S.  432). 


422  Griechische  Epigraphik 

-  ni.  52 zeiliges  Ehrendekret  der  Orgeonen  aus  dem  Archontat  des 
Hippakos  auf  den  verstorbenen  Dionysios,  der  als  Heros  verehrt,  dessen 
Bildsäule  neben  der  seines  Vaters  und  des  Gottes  aufgestellt  und  dessen 
Ehrenämter  auf  seinen  Sohn  Agathokles  übertragen  werden  sollen.  — 
Durch  chronologische  Kombinationen  erweist  Köhler,  dafs  die  Archontate 
des  Eupolemos  und  Hippakos  dem  Zeitraum  von  180  -  160  v.  Chr.  zu- 
zuweisen sind.  Die  Mitglieder  der  Genossenschaft  der  Dionysiasten  ge- 
hören sämtlich  der  wohlhabenden  Klasse  des  athenischen  Bürgerstandes 
an.  Während  in  andern  bekannten  Kultgenossenschaften  der  Priester 
durch  das  Los  aus  der  Gesamtheit  der  Mitglieder  auf  bestirnmte  Zeit  er* 
nannt  wurde,  fand  bei  den  Dionysiasten  nach  Ausweis  unserer  Inschriften 
eine  Übertragung  der  Priesterwürde  durch  Genossenschaftsbeschlufs  auf 
Lebenszeit  an  Mitglieder  einer  und  derselben  Familie  nach  der  Erst- 
geburt statt.  Die  bevorzugte  Stellung  der  aufserdem  noch  durch  je  zwei 
Mitglieder  in  der  Genossenschaft  vertretenen  Familie  des  Dionysios,  die 
allem  Anschein  nach  den  Eupatriden  angehörte  und  von  der  auch  ander- 
weitig Mitglieder  bekannt  sind  (a.  a.  0.  S.  293),  macht  die  Stiftung  der 
Genossenschaft  durch  dieselbe  wahrscheinlich.  Eine  Beziehung  zum  Dio- 
nysoskult war  durch  die  Zugehörigkeit  der  Familie  zum  Demos  Marathon 
gegeben.  —  Von  den  blofsgelegten  baulichen  Anlagen  hält  Köhler  die 
eine,  ein  grofses  rechteckiges  Gebäude  mit  vielen  Gemächern,  für  das 
Stamm-  und  Wohnhaus  der  Familie  des  Dionysios,  die  andere,  einen  mit 
jenem  Gebäude  verbundenen  Säulenhof,  für  den  Versammlungsraum  der 
Dionysiasten,  während  in  der  Mitte  des  noch  nicht  aufgedeckten  Säulen- 
hofes nach  Dörpfeld,  a.  a.  0.  S.  286  und  Köhler  der  Tempel  des  Dio- 
nysos zu  suchen  wäre, 
um  160  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  293.    In  dem  Ehrendekret  der  Orgeonen 

aus  dem  Archontat  des  Sonikos  CIA  II  1,  624  Z.  24  (Röhl  I,  29)  ist 
herzustellen:  uno  r^g  cepecag  'Apc(rT[o]8!XY^g  r^g  yevofievr^g  im  [^IjnTidxoij 
äp^ovTog.  Der  Zusammenhang  macht  wahrscheinlich,  dafs  letzterer  das 
Archontat  im  Jahre  vor  Sonikos  verwaltet  hat.     Mitte  des  2.  Jahrh. 

Dragatses,  Parnassos  VII  1883  S.  773.  Piräus.  Die  iimopot 
ehren  den  va{öapxog  Argeios,  S.  des  Argeios,  aus  dem  Demos  Triko- 
rythos.     Vgl.  die  Weihinschrift  des  Geehrten  S.  432. 

Nach-  Philios,  'E<p.  dpx-   1883   Sp.  141  f.  n.  14.     Eleusis,  Basis.     Das 

lieh.    Geschlecht  der  Praxiergiden .  ehrt  die  Poliaspriesterin  2!aßztviavr) 

'AjidXüj  nach  Befragung  des  Areopags,  des  Rates  der  500  und  des  Volkes. 

Nachchristliche  römische  Zeit. 

143-160  Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  287ff.    Ein  rechteckiger  Würfel,  der 

auf  der  einen  Schmalseite  eine  Weihinschrift  der  Paraler  (vgl.  S.  431) 
trägt,  hat  auf  der  gegenüberstehenden  Seite  eine  Inschrift,  in  der  ol  iv 
Hsipa'i  Tipay paxeozal  oc  nepl  Ba{Xipiuv)  'Aya&6no8a  Me{ki-ia)  die 
Appia  Atilia  Regilla,   Gemahlin  des   Archiereus   Cl.  Herodes,  als  erste 


II.   Attica.    8.  Ehreninschriften.  423 

Priesterin  der  Töyri  r^s"  mjhojc:  nach  Befragung  t<5v  xparcaziov  'Apsona- 
yecTwv  ehren.  Folgen  in  zwei  Kolumnen  16  +  11  Namen  der  Stifter.  — 
Die  Geehrte  ist  die  zweite  Frau  des  Herodes  Atticus.  Der  weder  für 
den  Piräus  noch  für  Athen  sonst  bezeugte  Kult  der  7ü;^3y  tt^q  nöXeujg 
ist  demnach  um  die  Mitte  des  2.  nachchristl.  Jahrh.  eingerichtet  worden. 
—  Nach  Wachsmuth,  MD  AI  IX,  95  kann  nur  an  die  Tyche  gedacht 
werden,  der  Herodes  Atticus  auf  der  einen  Seite  seines  panathenäischen 
Stadiums  einen  Tempel  errichtete  und  deren  erste  Priesterin  somit  seine 
eigene  Frau  war.  Die  Zeit  der  Erbauung  dieses  Stadiums  fällt  dem- 
nach in  die  Zeit  der  zweiten  Ehe  des  Herodes  (143—160  n.  Chr.),  frühe- 
stens kurz  vor  143.  —  Sowohl  diese  Inschrift  wie  die  Widmung  der  Pa- 
raler  scheinen  im  Piräus  aufgestellt  gewesen  und  später  nach  Athen  ge- 
bracht worden  zu  sein. 

Eleusis.  Philios,  'i:^  dp^.  1884  Sp.  135 ff.  (Faks.  9).  A)  Ehren-  307-287 
dekret  {<T-oi^r/dov)  der  T£~ay/j.svoc  tujv  noXtriov  ^EXzoalvi  xac  iji  IlavdxrojL 
xal  im  0uXeT  auf  ihren  azpaTrjyog  'AptaTo^dvrjQ  'Apcarofievou  Aeoxovoehg 
aus  der  Zeit  des  Glanzes  des  ßaadebg  ArjpTjzpcog.  Der  Gefeierte  soll 
durch  Verleihung  eines  goldenen  Kranzes  und  Errichtung  einer  Bildsäule 
geehrt  werden.  B)  Auf  demselben  Stein,  gleichfalls  a-oc^r]86v,  Ehrendekret 
der  Eleusinier  auf  denselben  wegen  seiner  Verdienste  um  den  Demos 
der  Athener  und  den  Demos  der  Eleusinier.  C)  Liste  der  zur  Errich- 
tung der  Bildsäule  erwählten  Kommission.  —  Alle  drei  Inschriften  sind 
gleichaltrig  und  gehören  eng  zusammen.  Sie  fallen  zwischen  Ol.  118,  1 
=  307/6  V.  Chr.  (Eroberung  Athens  durch  Demetrios)  und  Ol.  123,  2 
=  287/6  V.  Chr.  (Vertreibung  des  Demetrios).  Im  Einzelnen  läfst  sich 
wegen  der  mangelhaften  Kunde  und  des  unzulänglichen  Materials  für 
die  Geschichte  der  Diadochen  ein  sicheres  Datum  nicht  feststellen.  — 
Ein  Zusatz  des  Herausgebers  Sp.  159  f.  Bemerkungen  und  verbesserte 
Lesarten  von  Pantazides  Sp.  213ff.:  Ein  'Apcaro^dvr^g  Jsuxovosug 
(ohne  Angabe  des  Vaternamens)  figuriert  als  Trierarch  im  lamischen 
Kriege  bei  Böckh,  Urkunden  über  attisches  Seewesen  XVII  a  Z.  102. 

Tsuntas,  'E^.  äp^.  1884  Sp.  71  ff.  Volksbeschlufs  der  Eleusinier 
zu  Ehren  des  Chorodidaskalos  Damasias,  S.  des  Dionysios,  aus  Theben; 
mit  Herstellung  von  Z.  11  durch  Pantazides.  Sp.  218. 

Philios,  'E^.  dpx-  1883  Sp.  133ff.  n.  11.  Volksbeschlufs  der 
Eleusinier  zu  Ehren  des  Peripolarchos  Smikythion  wegen  seiner  mili- 
tärischen Verdienste  um  die  Stadt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  19  n.  2.    Basis.    Die  Stadt  ehrt  röv  dw""  Hadria- 

r       ,  ,  msche 

zarcag  ixuazrjv  und  Hierokeryx  (vgl.  Dittenberger,  Hermes  XX  1885  S.  18  ff.),    Zeit. 
Agonotheten  bei  den  Hadrianischen  Spielen ,  Strategos  und  Archon  Ca- 
sianus,  der  als  Gesandter  aus  seiner  Heimat  nach  Britannien  gereist  war. 

Derselbe,   a.  a.  0.   Sp.  77  f.  n.  6.     Basis.     Die  Stadt  ehrt  den  "mfiso 
L.  Memmius  im  ßo)jiu)t  (vgl.  über  dieses  Amt  Dittenberger,  a.  a.  0.  S.  20ff. 
n.  3)  aus  dem  Demos  Thorikos,  dessen  Ehrenämter  und  Verdienste  aufge- 


424  Griechische  Epigraphik 

zählt  werden.  U.  a.  war  er  Archon  Eiiouymos  (vgl.  CIG  I  272  B  und  Du- 
mont,  Archontes  Atheuiens  S.  94),  vollzog  in  Gegenwart  des  Kaisers  Ha- 
drian  eine  Weihung  und  hatte  später  die  noch  gröfsere  Ehre,  die  drei  Kaiser 
L.  Verus,  M.  Aurelius  und  Commodus  zu  weihen;  s.  Dittenberger,  a.  a.  0. 
S.  33  (vgl.  die  Grabschrift  aus  Eleusis  S.  438  '%.  äp^.  1885  Sp.  147  ff.  n.  26). 
193-211  Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  148f.  n.  20.    Aus 

den  wiederaufgefundenen  »M  S.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C.  R. 
Cockerell,   1810—14.«     Die  Stadt  ehrt  die  Julia  Domna,  Gemahlin  des 
Septimius  Severus,  als  Mrjzipa  Kdarpwv. 
250-171  Oropos,  Amphiareion.  -   Leonardos,  'E(p.  api.  1886  Sp.  61  n.  19. 

Basis.  Der  Demos  von  Oropos  ehrt  den  Timarchos,  S.  des  Theodoros, 
in  Form  einer  Weihung  an  Amphiaraos.  —  Auf  demselben  Stein  Proxenie- 
dekret  der  Eule  und  des  Demos  von  Oropos  auf  den  Athener  Eubulides, 
S.  des  Kalliades;  datiert  nach  dem  Priester  Molottos.  Der  Sprecher 
Python,  S.  des  Kalligeiton,  begegnet  nach  dem  Herausgeber  auch  auf 
andern,  noch  unedierten  Psephismen  des  Amphiareion.  Eines  Uoü&ujvog 
KaAhytzovog  'üpcon;a>  d<psdpca-süovzog  geschieht  Erwähnung  in  der  In- 
schrift SIB 15  =  SGDI  494  (250-  171  v.Chr.).  Ein  Verwandter,  Kalligeiton, 
S.  des  Python,  errichtete  dem  Amphiaraos  an  derselben  Stelle  zwei  Weih- 
geschenke (Rang.,  Ant.  hell.  II  678  S.  259/60;  vgl.  auch  S.  252—262.  691). 
Vor-  Derselbe,  a.  a.  0.   Sp.   65  —  68  n.  22.     Basis.     Proxeniedekrete 

romisc  .  ^^^  g^jg  ^^^  ^gg  Demos  von  Oropos  1.  auf  den  Athener  Menekrates, 
S.  des  Hipparchos ;  datiert  nach  dem  böotischen  Archonten  Apollodoros, 
dem  städtischen  Pausanias  und  dem  Amphiaraospriester  Glaukon;  2.  auf 
Herakleitos,  S.  des  Euandros,  aus  Kassandreia;  datiert  nach  dem  böo- 
tischen Archonten  Philon  und  dem  Amphiaraospriester  Theodoros.  Beide 
74-44  Dekrete  aus  vorrömischer  Zeit.  —  Auf  demselben  Stein  Ehrendekret  des 
Demos  auf  P.  Servilius  C.  f.  Isauricus  ünarov  au-oxpdzopa  als  seinen 
(kazoü)  Wohlthäter  in  Form  einer  Weihung  an  Amphiaraos.  Der  Geehrte 
war  Konsul  79,  erhielt  den  Beinamen  Isauricus  74  und  starb  44  v.  Chr. 
Derselbe,  '£^.  dp^.  1885  Sp.  101  ff.  n.  4.  Der  Demos  von  Oropos 
ehrt  den  Cn.  Cornelius  Cn.  f.  L.  n.  Lentulus  als  Patron  und  Euergetes  in 
Form  einer  Weihung  an  Amphiaraos  und  Hygieia  Darunter  die  Künstler- 
inschrift des  Atheners  Herodoros,  S.  des  Sthennis  (vgl.  S.  427  o.).  —  Von 
sechs  auf  demselben  Stein  befindlichen  Proxeniedekreten  der  Oropier 
publiziert  der  Herausgeber  nur  eins:  auf  den  Macedonier  Philippos,  S. 
des  Alkimachos;  datiert:  'hpsujg  \4&rjvo8wpou  prjvög  'Akax}(.üp.zvzcuu  (so). 
Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  103 ff',  n.  5.  Der  Demos  der  Oropier  ehrt 
den  C.  Cornelius  L.  f.  Sulla  Epaphroditos  (=  Felix)  als  Soter  und  Euer- 
getes in  Form  einer  Weihung  au  den  Amphiaraos;  datiert  nach  dem 
Priester  Phrynichos.  Darunter  Küustlerinschrift  des  Teisikrates,  S.  des 
Thoinias.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  106  n.  6.  Der  Demos  der  Oropier 
ehrt  die  Met]ella  Caeciüa,  Gemahlin  des  L.  Sulla  [Epaphrojditos,  in  Form 
einer  Weihung  an  Amphiaraos  und  Hygieia. 


II.   Attica.     8.   Ehreiiiuschrifteu.  425 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  105if.  n.  7.  Der  Demos  der  Oropier  ehrt  den 
Q.  Caepio  Q.  f.  Brutus  als  Soter  und  Euergetes  in  Form  einer  Weibung 
an  den  Amphiaraos.  Darunter  Künstlerinscbrift  des  Thoinias,  S.  des 
Teisikrates,  aus  Sikyon.  —  Auf  demselben  Stein  Proxeniedekret  der 
Oropier  auf  den  Athener  Hermias,  S.  des  Nearchos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  109f.  n.  9.  Der  Demos  der  Oropier  ehrt 
den  Appius  Claudius  Appii  f.  Pulcher  in  Form  einer  Weihung  an  den 
Amphiaraos.  Künstlerinschrift  des  Böoters  Agatharchos,  S.  des  Diony- 
sios.     Datiert  nach  dem  Priester  Oropodoros. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  155f.  n.  13.  Der  Demos  der  Oropier 
ehrt  den  Legaten  und  Proprätor  Q.  Fufius  Q.  f.  Calenus  in  Form  einer 
Weihung  an  den  Amphiaraos.  —  Auf  demselben  Stein  Proxeniedekret 
der  Bule  und  des  Demos  auf  den  Athener  Philleas,  S.  des  Agasilaos. 
Darunter  (zu  der  ersteren  Inschrift  gehörig)  Künstlerinscbrift  eines  Simalos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  97ff.  n.  2.  Mit  Verbesserungen  Latischews 
wiederholt  von  Foucart,  BGH  X  1886  S.  458 f.  Vgl.  auch  v.  Wilamowitz- 
Möllendorff,  Hermes  XXI  1886  S.  102.  Der  Demos  der  Oropier  ehrt 
den  Hieron,  S.  des  Telekles,  aus  Aigeira.  Derselbe  soll  durch  einen 
Kranz  und  eine  Bildsäule  geehrt  werden,  deren  Verleihung  bei  dem  gym- 
nischen  Agon  der  grofsen  Amphiaraen  proklamiert  werden  soll.  Vor- 
christliche römische  Zeit. 

Derselbe,  'E^.  apx-  1886  Sp.  64f.  63  n.  21.  20.  Basen.  Der  Demos  ca.  ei 
von  Oropos  ehrt  in  Form  einer  Weihung  an  Amphiaraos  1.  den  Cn.  Cal- 
purnius  Cn.  f.  Piso  als  seinen  Wohlthäter;  2.  die  Paulla  Popillia  M.  f., 
Gattin  des  Vorigen  (Konsul  61  v.  Chr.).    Auf  beiden  Steinen  noch  Reste 
von  Proxeniedekreten. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  55  ff.  n.  17.  Basis.  Den  C.  Scribonius  nach  so 
C.  f.  Curio  ehren  die  Oropier  als  ihren  Patron  in  Form  einer  Weihung 
an  Amphiaraos.  Darunter  Künstlerinscbrift  des  auch  sonst  bekannten 
(Atheners)  Xenokrates.  —  Scribonius  war  50  v.  Chr.  Volkstribun  und 
förderte  den  Krieg  zwischen  Cäsar  und  Pompejus.  —  Die  Inschrift  ist 
über  eine  frühere  eingemeifselt;   es  folgen  Proxeniedekrete. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  57f.  n.  18.  Basis.  Der  Demos  ehrt  den  27—12 
M.  Agrippa  L.  f.,  dreimaligen  Konsul,  als  seinen  Wohlthäter.  Darunter 
Künstlerinscbrift  des  Metiochos ;  weiterhin  Proxeniedekrete.  Die  Inschrift, 
die  über  eine  ältere  eingemeifselt  ist,  fällt  zwischen  das  dritte  Konsulat 
und  den  Tod  des  Agrippa  (27-  12  v.  Chr);  vgl.  CIA  III  1,  575.  576. 
Löwy,  Inschr.  griech.  ßildh.  125  a.  —  Auf  demselben  Stein  (S.  59 f.)  u.  a. 
Proxeniedekret  der  Bule  und  des  Demos  von  Oropos  auf  den  Athener 
Ktesikrates,  S.  des  Zoilos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  69  —  72  n.  23.  Basis.  Proxeniedekrete 
des  Demos  von  Oropos  l.  auf  Kleopolis,  S.  des  Apollodoros,  aus  Lamp- 
sakos;    2.  auf  den  Athener  Aristyllos,  S.  des  Charidemos;  3.  auf  Apol- 


426  Griechische  Epigraphik. 

lonios,  S.  des  Meniskos,  aus  Kos.  -  Auf  demselben  Stein  Ehreninschrift 
auf  Megakleides  (s.  S.  427). 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  54  n.  15.  Basis.  Die  Oropier  errichten 
dem  Pisis,  S.  des  Chartas ,  eine  Bildsäule  in  Form  einer  Weihung  an 
Amphiaraos. 

4^ja'lrr-  Salamis.    —    Foucart,  BCH  X  1886   S.  451.    Fragment  eines 

hund.    azor/7j8üv  geschriebenen  Ehrendekrets  der  Salamiuier  auf  Chr . 

150-100  Ditten berger,  Epigraphische  Miscellen  in  den  »histor.  und  philol. 

Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl.  1884 
S.  299  f.  In  dem  Proxeniedekret  von  Oropos  CIG  1566,  am  genauesten 
bei  Newton,  Greek  inscriptions  in  the  British  Museum  II  p.  27  n.  CLXI, 
Z.  2  ist  statt  ülvu(pdov  0t/jidvog  herzustellen:  Ohoipilov  0i{XoTioc)ii£vog. 
Der  Fehler  des  Steinmetzen  findet  seine  Erklärung  darin,  dafs  derselbe 
von  (l)|  auf  Ol  abirrte.  Vermutlich  hatte  der  Kreter  seinen  seltenen 
Namen  zu  Ehren  des  berühmten  achäischen  Feldherrn  um  die  Zeit  er- 
halten, wo  letzterer  sich  auf  der  Insel  aufhielt  und  in  die  dortigen  Kämpfe 
eingriff.  Alsdann  würde  die  Inschrift  aus  der  2.  Hälfte  des  2.  Jahrh. 
V.  Chr.  stammen. 

c)   Von  privaten  und  ungenannten  Stiftern. 

4.  Jahr-  Ku  manu  des,   'E(p.  dp^-   1883   Sp.  21  f.     Athen,   Centralmuseum. 

Basisinschrift  in  zwei  Distichen,  in  welcher  ein  nicht  genannter  Sieger 
in  Tnnajv  zz  8p6/xucg  epyujv  zs  sv  dixikXa[tg  seine  nazpcda  Kexpomav  feiert. 
Darunter  Verzeichnis  seiner  zu  Ilion,  Klaros  (bei  Kolophon,  Spiele  un- 
bekannt) und  Ephesos  errungenen  Siege.  Nach  dem  Herausgeber  aus  dem 
4.  Jahrh. 

ca.  350  Derselbe,   'E^.  äpy^.   1886  Sp.    10  n.  3.   4.     Agora.    Fragmen- 

tierte Basisinschriften.  Dieselben  ei-gänzen  sich  ^u:  'Avd^apaig  M[e\ — | 
(polapi  -  .  Da  jener  Eigenname  äufserst  spärlich  vorkommt,  so  hält 
der  Herausgeber  es  für  nicht  unmöglich,  dafs  der  Träger  desselben  iden- 
tisch sei  mit  dem  in  dem  Psephisma  Athen.  VII,  96  aus  dem  Archontat 
des  Diotimos  (354  v.  Chr.)  begegnenden  gleichnamigen  Vater  des  ypo-p.- 
pazzug^  zumal  da  die  Buchstabenformen  übereinzustimmen  scheinen. 
350-300  Leonardos,  'Ef.   dpx-   1886  Sp.  55f.  n.  16.     Oropos,  Amphia- 

reion.  Basis.  Der  Athener  Charias,  S.  des  Neoptolemos,  ehrt  seinen 
Vater  N. ,  S.  des  Stratokies,  in  Form  einer  Weihung  an  Amphiaraos. 
Darunter  Künstlerinschrift  des  Atheners  Praxias,  S.  des  Lysimachos. 
Statt  ^ABrjvalog  iriurjas  war  anfänglich  geschrieben:  'Ayxu^&ev  inor^crs. 
Dedikant  und  Künstler  sind  bekannt;  die  Inschrift  fällt  in  die  zweite 
Hälfte  des  4.  Jahrh.  v.  Chr. 

Derselbe,  'E<p.  äpy^.  1885  Sp.  102  n.  3.  Ebd.  Der  König  (von 
Thracien,  Diadoche)  Lysimachos  ehrt  die  Gemahlin  seines  Bruders  Auto- 
dikos,  Hadeia,  in  Form  einer  Weihung  an  den  Amphiaraos.     Darunter 


II.  Attica.    8.   Ehreniuschriften.  427 

Künstlerinschrift  des  Atheners  Sthenuis  (vielleicht  Vater  des  Herodoros 
S.  424  n.  4),  S.  des  Herodoros. 

Derselbe,  'E<p.  dpx-  1886  Sp.  53  n.   14.    Ebd.    Künstlerinschrift  ca.  200 
(wohl  zu  einer  Widmung  gehörig)  des  Sosis.     Derselbe  begegnet  in  der 
Basisinschrift  vom  Helikon  Löwy,  Griech.  Bildh.  u.  150  (Röhl  I,  104). 
Letztere  wurde  von  dem  Herausgeber  Martha,  BCH  HI,  444  n.  2  dem 
Ende  des  3.  oder  Anfang  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.  zugewiesen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  70  n.  23.  Ebd.  Basis.  Aristomedes  er- 
richtet seinem  Bruder  Megakleides,  S.  des  Aristomenes,  eine  Bildsäule. 
Auf  demselben  Stein  drei  Proxeniedekrete  (s.  S.  425 f.). 

Derselbe,  'E(p.  apy.  1885  Sp.  107f.  n.  8.  Ebd.  Demokrite,  T. 
des  Theodoros,  ehrt  ihren  Vater  Theodoros,  S.  des  Archilochos,  sowie 
in  einer  zweiten  Inschrift  auf  demselben  Stein  ihren  und  des  Demainetos 
Sohn  Theodoros  in  Form  einer  Weihung  an  den  Amphiaraos.  Darunter 
die  Künstlerinschrift  des  Dionysios,  S.  des  Ariston. 

Philios,  'Elf.  äpi-  1885  Sp.  152f.  n.  28.  Eleusis,  Basisinschrift. 
Die  Appia  Annia  Regula  Atilia  Kaukidia  Tertulla,  T.  des  Konsuls  und 
Pontifex  Appius,  ehrt  (dviöjjxsv)  ihr  Mann,  der  Konsul  und  e^rjyrjTTjg 
(vgl.  zu  dieser  Würde  Dittenberger,  Hermes  XX  1885  S.  12  f.)  Herodes 
Marathonios. 

Lolliug,  MDAI  X  1885  S.  357f.  Oropos,  Kloster  Kalo-Livadi. 
Ariston,  Asklepiades  und  Timarchos,  Söhne  des  Timarchos,  ehren  ihre 
Mutter  Philippa,  T.  des  Timotheos,  in  Form  einer  Weihung. 

Skylitses,  Deltion  1885  n.  440.  Der  Herausgeber  fand  auf  seinem 
Gute  in  Kephissia  die  Inschrift  (wohl  nicht  Grabschrift):  L.  Bibullius 
Klerodes,  leiblicher  Sohn  des  Rufus,  Adoptivsohn  des  Herodes.  Vgl. 
Berliner  philol.  Wochenschr.  1885  n.  27  Umschlag  S.  4. 

Philios,  ^E<p.  dfjy.  1883  Sp.  20  n.  3.  Eleusis,  Basisinschrift  (wohl 
nicht  Grabschrift):  Mkagoras,  Hierokeryx  (vgl.  zu  diesem  Amte  Ditten- 
berger, a.  a.  0.  S.  18ff.)  und  Professor  der  Sophistik  {km  zr^g  xa&zopag 
ao^KTTiTjg),  Nachkomme  der  Philosophen  Plutarchos  und  Sextus.  Über 
Nik.  und  seine  Herkunft  vgl.  Lenormant,  Rech.  arch.  ä  Eleusis  S.  165. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  75  n.  5.  Ebd.  Basisinschrift  in  drei 
Distichen  zu  Ehren  einer  Praxagora,  deren  Eltern  8a8ou^oc  (vgl.  Ditten- 
berger, a.  a.  0.  S.  10 ff.)  waren  und  deren  Kinder  iioazaywyo]  sind. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  79f.  n.  7.  Ebd.  Basisinschrift  (vier  ca. ■]■  200 
Distichen)  zu  Ehren  eines  Hierophanten  und  früheren  Sophisten,  dessen 
Name  zu  Lebzeiten  nicht  genannt  werden  durfte  (vgl.  Lucian;  nach  Ditten- 
berger, a.  a.  0.  S.  13  Anm.  wurden  die  Hierophanten  und  andere  Priester 
erst  in  römischer  Zeit  als  Ispojvojxot  betrachtet).  Darunter  2'y2  Distichen 
als  Grabschrift  auf  den  nunmehr  Verstorbenen,  aus  welchen  als  Name 


428  Griechische  Epigraphik. 

desselben  ApoUonios  Poseidonios,  S.  des  Apollouios,  sich  erschliefseii 
läfst.  Der  Geehrte  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  von  Philostratus, 
vitt.  soph.  2,  20  erwähnten  Sophisten,  der  u.  a.  mit  einer  Gesandtschaft 
an  den  Kaiser  Septimius  Severus  betraut  wurde  (vgl.  Keil,  Hermes  XX 
1885  S.  627  ff.).     Vgl.  zu  S.  421  n.   10. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  137ff.  n.  13.  Ebd.,  Basisinschrift.  Die 
Priesterin  der  Demeter  und  der  Köre  Aelia  Epilampsis,  T.  des  Aelius 
Gelos  aus  Phaleron,  eine  Dame  aus  sehr  vornehmem  Geschlecht,  mit 
einer  au  Ehren  und  Würden  reichen  Verwandtschaft,  wird  von  ihrem 
Sohne,  dem  Archen  Eponymos  P.  Pöm(ponius)  Hegias  aus  Phaleron,  und 
ihrer  Enkelin  Epilampsis  geehrt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  144  n.  17.  Ebd.  Basisinschrift  auf  P. 
Aelius  Timosthenes  Berenikides,  einen  /lurjU-els  ä<p'  ka~taq. 

Derselbe,  'A>.  dir/_-  1885  Sp.  147f.  n.  25.  Ebd.,  Basis.  Publia 
Aelia  Herennia  ehrt  ihre  gleichnamige  —  und  des  P.  Aelius  Apollouius 
—  Tochter,  eine  ä^'  ka7'jj.q  ixua-^g,  in  Form  einer  Weihung  an  die 
Göttinnen. 

Derselbe,  'E(p.  apx-  1883  Sp.  144  n.  18.  Ebd.  Basisinschrift 
auf  Gl.  Themistokleia,  Tochter  und  Enkelin  zweier  daoouirjaavreg^  wohl 
eine  fiüarcg  d(p^  ka-iag. 

Derselbe,  'E(p.  ap^.  1885  Sp.  146  n.  24.  Ebd.  Basisinschrift  auf 
Honoratiane  Pol3'charmis,  r^v  xoi  0atvapizrjv,  T.  des  Honoratianos  Po- 
lycharmos  und  der  Claudia  Themistokleia,  Spröfsling  zweier  oado'r^i]- 
(Tavrsg,  ttjV  d^'  kartaq. 

Derselbe,  'E(p.  dpx-  1883  Sp.  145 f.  n.  19.  Ebd.  Basisinschrift. 
Den  Lysias,  S.  des  Artemon,  Paianieus,  einen  a^r'  kartag  /xurji^scg^  ehren 
in  Form  einer  Weihung  an  Demeter  und  Köre  Theotimos,  S.  des  Th., 
Theodote,  T.  des  Dositheos,  und  Onesako,  T.  des  Protimos,  alle  drei  My- 
rinusier. 

Derselbe,  'A^.  «/?/.  1885  Sp.  145  n.  23.  Ebd.,  Basisinschrift. 
Nach  Befragen  twv  as/j-vord-cov  'ApeoTxaystzwv  ehrt  den  T.  Fl.  Atimetos 
aus  Piräus,  -öv  ysvöpevov  d^'  karcag,  seine  Mutter  Papia  Onesime  in 
Form  einer  Weihung  an  die  Göttinneu. 

Kumanudes,  a.  a  0.  Sp.  211  n.  7.  Ebd.  Fragment:  flopTrcovca 
hXdpa  iipsca  —  |  —  kx  riov  i[§uo\i. 

Mylonas,  'E<p.  dp^.  1883  Sp.  101.  Fragment  eines  Ehrendekrets 
in  dorischem  Dialekt  auf  einen  Nijkias,  der  sich  durch  Gesandtschaften 
und  Leiturgieen,  durch  eine  Speisung  der  Römer,  durch  Choregieen  u.  s.  w. 
verdient  gemacht  hatte.  Wahrscheinlich  Duplikat  eines  in  dorischem  Ge- 
biet errichteten  Denkmals.     Aus  römischer  Zeit. 

vort2fi9  Kumanudes,  'E(p.  dp-/-  1885  Sp.  210  n.  6.  Agora.  Metrische  Ehren- 

inschrift auf  den  auch  aus  CIA  III  70.  714-717  bekannten  Redner  und 


II.   Attica.     9.  Weihinschritten.  429 

Geschichtschreiber  des  3.  nachchristl.  Jahrh.  P.  Herennius  Dexippus,  S. 
des  Ptolemaios,  aus  dem  Demos  Hermos,  der  um  269  n.  Chr.  als  An- 
führer der  Athener  die  in  Attika  einfallenden  Gothen  schlug  und  von 
dessen  Geschichtswerken  noch  einzelne  Fragmente  erhalten  sind  (Scriptt. 
hist.  Byz.  ed.  Bonn.  vol.  I).  Die  zum  teil  unleserliche  Inschrift  besteht 
aus  zwei  wenig  Kunst  verratenden  Epigrammen  zu  zwei  und  drei  Di- 
stichen. Wie  diese,  möchte  der  Herausgeber  auch  die  Ehreninschrift  CIA 
III  716  =  Kaibel  878  in  4-^-2  Distichen  zerlegen.  Alle  diese  Inschriften 
wurden  dem  Gefeierten  mit  obrigkeitlicher  Erlaubnis  von  dessen  Söhnen 
errichtet,  von  welchen  in  unserer  Inschrift  Auaty.Xirjg  zuerst  begegnet. 
Da  in  keiner  derselben  der  militärischen  Verdienste  des  D.  Erwähnung 
geschieht,  so  sind  alle  vor  269  n.  Chr.  zu  setzen. 

Derselbe,  'E<f.  a.fiy.  1886  Sp.  14  n.  8  in  Minuskeln.  Agora, 
Basis  Innerhalb  zweier  Kränze  dürftige  Inschriftreste;  in  dem  zweiten 
Kranze :  7WfJ[«5 . .  ug  \  ^etoo  —  |  'Ar.okXujviaüg.  Der  Demos  ApoUouia 
war  benannt  nach  Apollonis,  der  Mutter  Attalus  II.  (159 — 138  v.  Chr.). 

Köhler,  MDAI  IX  1884  S.  387.  Eine  italienische  Abhandlung 
über  attische  Inschriften  auf  Malta  in  der  griechischen  Nationalbibliothek 
(s.  S.  413  0.)  enthält  die  Ehreninschrift  der  Hierophantin  Philoxena,  die 
nach  Chandler  (»in  campo  Rario«  kopiert)  CIG  435  und  CIA  III  899 
wiedergegeben  ist;  sowie  das  Fragment  der  metrischen  Inschrift  eines 
Hierophanten,  nach  Chandler  (»in  campo  Eleusinio«)  CIG  401  und  CIA 
ni  713  abgedruckt.     Es  ergeben  sich  einige  unbedeutende  Variauten, 

Dittenberger,  Hermes  XIX  1884  S.  244f.  n.  3  erweist  den  auf 
dem  athenischen  Inschriftfragment  CIA  UI  721a  begegnenden  Jcxcwcog 
0ipjxog  tapsoQ  rcupipopog  i^  dy.ponoXzujg  als  identisch  mit  einem  der 
beiden  Anth.  Pal.  XVII,  322  erwähnten  Personen.  Hier  ist  demnach 
der  erste  der  beiden  iambischen  Trimeter  zu  emendieren:  0cpp.og  p.s 
0ipßov,  Tiopipöpog  zov  7:up(p6pov  -.  Offenbar  sind  beide  Verse  von 
der  athenischen  Basis  abgeschrieben. 


9.    Weihinschriften. 

Kabbadias,  'E<p.  apx-  1886  Sp.  79ff.  Archaische  Weihinschriften  Ar- 
von  der  Akropolis.  -  Sp.  79  n.  1.  Taf.  6,  l  (CIA  IV  2,  373  85).  Links-  ^^^''''''' 
läufiges,  metrisches  Fragment  in  den  Kannelüren  einer  ionischen  Säule: 
'AXxijj.ayog  //'  ä[>zhrjxsv  —  eu/uXeu  i.a&Xo{o)  o  — .  Sp.  80  n.  2.  Taf. 
6,  2  (CIA  IV  2,  373  ^^).  In  den  Kannelüren  einer  ionischen  Säule: 
Eusvlip  i7:ü\crj(7B-  \  Kcpov  d)/i(f[rjxä.  Der  Künstler  ist  unbekannt.  —  Sp.  81 
n.  3.  Taf.  6,  3  (CIA  IV  2,  373  9*).  Linksläufiges  Fragment  in  den  Kanne- 
lüren einer  dorischen  Säule:  —  äya?]Xfia  \  euj^erac  v  — .  Sp.  81  n.  4. 
Taf.  0,  4  ^CIA  IV  2,  373  ^M.    Fragment  {(rroi^rjdo)')  eines  Abakus.    Nach 


430  Griechische  Epigraphik. 

Robert,  Hermes  XXII  1887  S.  130  (vgl.  Berl.  philol.  Wochenschr.  1886 
n.  52  Sp.  1648):  Niap^os  a.v[zi9rjxev  Ho  xspaji£-(2)ug  epyöv  anap^Iv  [rd- 
briMmai.  (3)  'Avzlvop  eTi[ucr](rzv  fI-{4)o  Ebixdpo{'j)g  ~[o  äyaXiia.  Antenor 
ist  der  bekannte  Künstler  der  von  Xerxes  entführten  Tyrannenmörder. 
Ende  des  6.  Jahrh.  —  Sp.  81  n.  5.  Taf.  6,  5  (CIA  IV  2,  373  9»).  Basis- 
inscbrift:  Osöiocop^og  •  djl—  irMi-qazv.  {1)^ 0\>sai.iwg  [x  dvdBsxsv  \  dnap- 
^sv  (3)  rdßsvacac  \  Ho  2 p.ix(jd-o[u)  Hucug.  Der  Künstler  ist  wahrschein- 
lich der  bekannte  Theodoros  von  Samos;  vgl.  den  Herausgeber  Sp.  136. 

—  Sp.  133f.  (CIA  IV  2,  37395.  Roberts,  S.  64).  In  den  Kannelüren 
einer  dorischen  Säule:  —  "Ap]^ep/iog  STiocsasv  6  Xi\og.  (2)  —  dvs]d-sx£v 
'A^evacac  no?,to{6)^[ujc.  Nach  Weil  (vgl.  Berl.  philol.  Wochenschr.  1887 
n.  9  Sp.  288)  ist  der  Künstler  nicht  identisch  mit  dem  Verfertiger  der 
delischeu  Nike,  sondern  ein  jüngeres  Mitglied  derselben  Familie,  viel- 
leicht ein  Enkel  des  altern  Archermos.  Schriftcharakter  der  zweiten 
Hälfte  des  6.  Jahrh.  v.  Chr. 

desgl.  Mylonas,  'E(p.  dp^.  1883  Sp.  35  -  37.    Archaische  Weihinschriften 

von  der  Akropolis.  -  Sp.  35  u.  1  (CIA  IV  2,  373  ").  Lysias  weiht  der 
Athenaia  eine  dnap^^ij,  Euarchis  eine  osxdrrj.  —  n.  2  (CIA  IV  2,  373  ^^). 
Tychandros  weiht  der  Athenaia  eine  driap^rj.  —  Sp.  36  n.  3  (CIA  IV,  2 
373  ''9).  Der  Taschenspieler  Philon  weiht  in  einem  Distichon  der  Athe- 
naia einen  Dreifufs  nach  Besiegung  des  ""lanohg  (=  'laonoXcg)  'Apeaiou. 

—  n.  4  (CIA  IV  2,  373  8»):  NsoxMor^g  dvs&rjxsv.  —  u.  5  (CIA  IV  2, 
373  ^^):  Hierokleides  weiht  der  Athenaia  Poli[uchos]  eine  oexa-rj.  — 
Sp.  37  n.  6.  (CIA  IV  2,  373  82.  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  17).  Weih- 
geschenk des  Kriton,  S.  des  Skythes,  an  Athenaia.  —  n.  7  linksläufige 
Inschrift:  ^wcpiXog  iypaipazv.  —  n.  8:  Alücrcuv  eypacpazv  xdnoirjasv.  — 
n.  9  {ßouarpofT^SoM):  Aia^cvrjg  enörjasv. 

desgl.  Köhler,  MD  AI  X  1885  S.  77  (CIA  IV  2,  373  »\  Roberts  n.  46  a). 

Untersatz  mit  archaischer  Inschrift:  ^p.ixu^s  nXOvrpia  oexdrev  di^d&Ixsv. 

rar  415  Derselbe,  MDAI  VII  1882  S.  320  (CIA  IV  2,  418g).    Centralmu- 

seum.  Relieffragment  mit  Darstellung  einer  sitzenden  männlichen  Figur, 
der  eine  kleine,  nur  teilweise  erhaltene  männliche  Figur  gegenüber- 
stand. Darunter :  —  x]pdTsg  ]  xac  Ji/Ao|  —  c/iüXo{u)  |  Huts  '■  dvs\  -  — . 
Köhler  hält  das  Fragment  für  älter,  als  die  Mitte  des  peloponnesischen 
Krieges. 

Gleich-  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  222.    Zwei  Bruchstücke  eines  Kapitals  aus 

Porös  auf  der  Burg  mit  zwei  Epigrammen,  von  denen  das  erste,  gröfsere, 
ein  Distichon  in  archaischer  Schrift,  nicht  ganz  genau  CIA  IV  1,  373^  abge- 
druckt ist:  —  —  ves  xal  natdeg  i4[d]i[va]/a^  rJo'  äy[aXp.a  \  aTryaav&\]  He 
8'  aurloTg  eu(pp]ova  ^[ü//]o[v  exoc.  -  Weihung  und  Bitte  sind  gleich- 
falls vereinigt  in  dem  zweiten,  aus  der  ersten  Hälfte  des  4.  Jahrh.  stam- 
menden Epigramm  des  Phaidimides  an  Athene,  des  Sohnes  des  Pro- 
tarchos,  welch  letzterer  407  v.  Chr.  Hellenotamias  war;  vgl.  CIA  I  189. 


altrig. 


II.  Attica.    9.   Weihinschriften.  431 

Leonardos,  ''E<p.  d(r^.  1885  Sp.  155.    Oropos,  Amphiareion.    /i/z- ca.  4oo 
fiapdoip),  (2)  'A/i^c^u^o{(j),  (3)  'E[fJiioü?  — 

Kumanudes,  '%.  dp/.  1884  Sp.  83 f.    Weiliinschriften  auf  Apol-  desgl. 
Ion,  seinen  Sohn  Asklepios  und  seinen  Enkel  Machaon.    n.  l :  'A(7x?.s7:co{I)). 
n.  2:  Ma/dövog.    u.  3:  'AndUwvog  Ma^sdTo{u).    Ein  Heiligtum  des  Apollon 
Maleates  existierte  nach  Paus.  2,  27,  7  in  Epidauros  (vgl.  die  Inschriften 
unter  IV  2);  auch  wurde  er  nach  Paus.  3,  12,  8  in  Sparta  verehrt. 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  171.    Schmalseite  eines  rechteckigen  400-350 
Würfels,  der  ein  Weihgeschenk  trug,  welches  in  der  ersten  Hälfte  des 
4.  Jahrh.,  wie  es  scheint,  die  Mannschaft  der  Paralos  aus  dem  Erlös  der 
Beute  zweier  in  demselben  Jahre  davongetragener  Siege  gestiftet  hatte: 

Ol  ndpaXoi  d{Tiu  Twv cov  (2)  Ol  IldpaXoi  dnu  z[a)v cuv.    (3)  "Av&- 

innog  ETptrj[pdp/et.  —  Unterhalb  dieser  Inschrift  Ehreninschrift  auf  Appia 
Atilia  Regula  (s.  S.  422 f.). 

Mylonas,  'E<p.  dp^.  1885  Sp.  220.  Von  dem  Herausgeber  vorher  desgl. 
publiziert  in  der  Zeitschrift  "Qpa  1883  n.  353.  Akropolis,  Basisinschrift: 
0tXap]izrj  0doydp[oug  (2)  A/a]pv£wg  Bujdrrjp  —  —  (3)  ArMXrj^]cg  Ano- 
kij^toog  (4)  dvdf^r^xe.  (5)  ^fla)  (6)  Ildvocog  inur^as.  Der  Künstler  Pan- 
dios  ist  litterarisch  nur  bekannt  aus  Theophrast,  Trepl  ^urwv  laropiag 
9,  13,  4.  Durch  unsere  Inschrift  wird  sein  Name  gegen  die  handschrift- 
liche Überlieferung  {llavrtng^  Hdvdecug)  sichergestellt.  Den  Schriftcha- 
rakteren nach  (OiPO  gehört  die  Inschrift  etwa  in  die  erste  Hälfte 
des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  Wenn  der  Künstler  nach  Theophrasts  Bericht 
während  des  Baues  eines  Heiligtums  in  Tegea  durch  den  Genufs  eines 
giftigen  Krautes  den  Verstand  verlor,  so  kann  dies  nur  auf  den  zweiten 
Tempel  der  'AXia  Aßrjvd  zu  beziehen  sein,  der  nach  Paus.  8,  45,  4  von 
Skopas  erbaut  wurde.    Pandios  wäre  somit  ein  Zeitgenosse  des  letzteren. 

Köhler,  MDAI  X  1885  S.  282.    Die  Weihinschrift  CIG  470''  ist  zu  desgl. 
lesen:  N?]oiü(T(Jü 'A/s[X]ujüut  dvsB^rjxev  Euiiv^azoo  llacavtiujg  yuvi].    Nach  K. 
erste  Hälfte  des  4.  Jahrh. 

Kumanudes,  'E<f.  dp/.  1883  Sp.  249.  Weihgeschenk  aus  dem  342 
Piräus:  Otoe  hponoLrjaav-eg  dv-(2)s&S(Tav  im  ^loac/si'og  (so)  dp/ov[Tog' 
(3)  Ncxüjv,  EuTu/c8rjg,  (4)  Jr^pox^g  '•  Mavrc&sog.  Dem  Schriftcharakter 
nach  glaubt  der  Herausgeber  die  in  Minuskeln  publizierte  Inschrift  auf 
das  Archontat  des  Sosigenes  342  v.  Chr.,  nicht  auf  das  des  gleichnamigen 
Archonten,  dessen  Jahr  Dumont  zwischen  268  und  263  setzt,  beziehen 
zu  dürfen. 

Löwy,   'E^.   dp/.  Sp.  199  f.    Aus  Atalante   (kleine  Insel  an  der  4.  jahr- 
Südküste  Attikas).     Zwei  zusammengehörige   Steine   ergeben  die  Weih- 
inschrift: (1=1)  JiJvütTov,  ('')  'AnoAXcova  (2^)  i<t{?)  dvsßr]x-{^)e   OeoTiopnog- 
(3—6'*)  I^zpoTojv,  I  BoXüvtxog  \  erMir^adxav  \  Srjßaiio.  Die  von  dem  Heraus- 
geber wegen  der  Buchstabenformen  (OKMNPC)  dem  4.  Jahrh.  v.  Chr. 


432  Griechische  Epigraphik. 

zugewiesene  Inschrift  lehrt  uns  die  Namen  zweier  bisher  unbekannten 
böotischen  Künstler  kennen. 

Milch höf er,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1887  n.  25  Sp.  771.  Demos 
Ikaria.  Votivinschrift  des  Ikariers  Kephisios,  S.  des  Timar[chos?  an 
Dionysos.     Buchstaben  des  4.  Jahrb.  v.  Chr. 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  226.  Auf  dem  obern  Teil  einer 
Basis:  Eoiiaoeßrjg  (2)  Eucfdvou  E'jcuv[u-{S)ft£ug  Xajj.nddi  vc-{4:)xrjaag  ' Ep- 
jiata  dyiu-{5)voH-£rouvz[og  .    Die  bisher  inschriftlich  nicht  bekannten 

Hermäen  wurden  als  Schulfest  in  den  Gj'mnasien  und  Ringschuleu  ge- 
feiert. Darnach  wären  Eumareides  und  der  Agonothet,  dessen  Name  weg- 
gebrochen ist,  Epheben.    Wohl  nicht  älter,  als  Ende  des  3.  Jahrb.  v.  Chr. 

Dragatses,  "E<p.  dpy.  1884  Sp.  39ff.  Köhler,  MDAI  IX  1884. 
S.  288ff.  E.  Curtius  und  Kirchhoff  im  Sitzungsbericht  der  archäol. 
Gesellschaft  zu  Berlin  vom  6.  Mai  1884.  Piräus.  Metrische  Inschrift 
in  drei  Distichen,  in  welcher  der  Stifter  Dionysios  mit  der  Weihung  des 
von  ihm  gegründeten  Tempels  des  Dionysos  die  Bitte  um  Schutz  für  sich 
und  sein  Geschlecht  und  den  ganzen  Thiasos  vereinigt.  S.  die  Ehrende- 
krete der  Gi'5tv..dii' auf  denselben  S.  421  f. 

Foucart,  BCH  VII  1883  S.  507  behandelt  ein  noch  nicht  publi- 
ziertes Basrelief  aus  dem  Piräus  mit  der  Weihinschrift:  'Aptardp^^rj  J« 
Medr/Jo)  und  schliefst  daran  eine  Besprechung  der  schon  bekannten 
Weihungen  gleichen  Fundorts  an  diesen  Gott:  S.  508  n.  1  Weihung  der 
Hedistion  (vgl.  Röhl  I,  46),  n.  2  der  Hedyle,  S.  508 f.  n.  3—5  Darstel- 
lungen des  Gottes  unter  dem  Bilde  einer  Schlange  ohne  Inschrift,  S-  509 
n.  6  desgl.  mit  der  Wpihinschrif^-  —  -  '•.'  I^'P '■"(«;,  n.  7  Weihung 
des  Asklepiades,  s.  öiu  n.  8  aes  Herakleides' (vgl.  Röhl  I,  45),  n.  9  mit 
der  Aufschrift :  -  —  tdr/Jip.  Zur  Vervollständigung  vgl.  Röhl  I,  46.  — 
Foucart  führt  die  Weihungen,  da  in  ihnen  nie  ein  Demotikon  begegnet, 
auf  phönicische  Metöken  zurück,  die  dieselbem  ihrem  Gotte  Baal-Milik 
(so  die  wahrscheinlich  richtigste  Form)  =  Moloch  darbrachten. 

Dragatses,  Parnassos  VII  1883  S.  773.  Weihinschrift  aus  dem 
Piräus:  ^ApysTog  'Apyscoo  Tpcx[opü<Tcog  (2)  arparrjyyjaag  im  rop.  I]scpa\ca. 
(3)  'AypodcTsc  sonXoia  (4)  «v]£Ö;yx£v.  —  Vgl.  die  Ehreninschrift  auf  den- 
selben S.  422. 

Derselbe,  'Ef.  apy.  1884  Sp.  191  n.  2.  Piräus.  Basisinschrift: 
AnoXkofdvfig  Szpdziovog^  (2)  'Idaojv  ^'üj-^dpou  aclpe]&[i]vTsg  (3)  im  [zoü] 
cspoö  dvd&rjxav  ^eolg. 

Derselbe,    a.  a.  0.   Sp.   192  n.  3  mit  Faks.     Ebd.     Fragment: 

1  'Em-(dpp.oo  I  dvi&rjxsv  |  Mooviyiut.     Von  dem  Besitzer  durch 

Vermauern  in  den  Fundamenten  seines  Hauses  unzugänglich  gemacht. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  194  n.  6  mit  Faks.  Ebd.  Weihinschrift 
einer  böotischen  Urne:  Ntx6\azpdzrj  Ku[u\pozp6[<p(ü. 


II.  Attica.     9.  Weihinschriften.  433 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  219.  Ebd.  Basisinschrift :  ^h]peug  ^op- 
lilt'wv]  'H8i)Xoo  (2)  ' E\Keua{viog  'Aaxh^TicaJc  (3)  xal  Tjyceca  dvs&r]X£. 

Derselbe,  'E^.  dpx-  1885  Sp.  90.   Ebd.   ^iele:.' Epixatog  Au  QcXcuji. 
Meletopulos,   'E(p.  dpy.  1884  Sp.  69  n.  6.     Ebd.:  'Iipu}v  'Apri- 
IJ.\_t8t\  cjpacac. 

LoUiug,  MDAI  X  1885  S.  279  n.  1.  Marathon:  n\okooe[oxc(ov 
(2)  Tu)  lliowaw  [su-{S)(Tsߣcag  ivexa. 

Derselbe,   a.  a.  0.  S.  279  f.  n.  2.     Ebd.     Zwei  Fragmente  einer 

Altar  Inschrift:  'Aprsficdog Eüsi&ucwv.   Das  zweite  Fragment  wurde 

später  als  Grabstein  benutzt,  wie  die  Aufschrift  Meixecag  zeigt  (s.  S.  439). 

Derselbe,  a-  a.  0.  S.  283.  Sykamino,  eine  halbe  Stunde  von 
Oropos.  "Weihung  des  encpeXrj-Tjg  Hermen,  S.  des  Alexandros,  an  Herakles. 

Dragatses,  'Ecp.dpy.  1886  Sp.  49  n.  1.  Piräus.  Über  der  Relief- 
darstellung des  Zeus  Meilichios  Weihung  der  Kri]tobole  an  den  Zeus 
Milichios  (so). 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  51  n.  5.  Ebd.  Weihung: '£/7nylxooiff|  9]Bdeg. 

Philios,  a.a.O.  Sp.  19ff.  (Taf.  3,  1).  Eleusis.  Über  bzw.  unter 
der  Reliefdarstellung  eines  Mahles  des  Pluton  und  der  Persephone:  0zu)c^ 
&eät  —   Auaipaycdrjg  dvid^rjxe. 

Derselbe,  a.  a  0.  Sp.  25f.  (Taf.  3,  2).  Ebd.  Über  bzw.  zwischen 
der  Darstellung  eines  männlichen  und  weiblichen  Kopfes  fragmentierte 
Weihinschrift  des  Ikariers  Lakratei[des,  S.  des  Sostratos,  hpe.bg  9eou 
xdi  9zäg  (Pluton  und  Persephone)  und  des  Eubuleus  (Heros)  für  sich, 
seine  Söhne  und  eine  Tochter  an  Demeter  und  Köre. 

Derselbe,  a.  a.  0  Sp.  262  in  Minuskeln.  Ebd.  Basis  mit  Weihung 
des  Glykideus  (?),  S.  des  Apollodoros,  aus  dem  Demos  Kerameis,  und 
des  Myrrhinusiers  Diophantos,  S.  des  Diopeithes,  an  Eubuleus. 

Dragatses,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1887  n.  52  Sp.  1618.  Säulen- 
fi'agment  mit  der  etwas  frei  ergänzten  Inschrift:  —  rjg  rJaca[>c£ug  (2) 
'A(TxXrjm]wc  xa\  r[rjc  'Tyieiat  (3)  unkp  rou  nat\diou  d'v\^id^rjx£v. 

Dessau,  MDAI  VII  1882  S.  398ff.  Zu  den  bisher  bekannten  nachfu 
beiden  Fragmenten  der  Inschrift  vom  Fries  der  Arkadenreihe  am  Turm 
der  Winde  (CIA  II  1,  66)  kommt  als  drittes  die  Inschiift  eines  vor  der 
Westfront  des  Parthenon  gelegenen  und  mit  jenen  beiden  Stücken  so- 
wohl in  Gröfse  und  Charakter  der  Buchstaben  wie  in  den  Dimensionen 
völlig  übereinstimmenden  Marmorblockes:  —  g  rapyrjzxiog  |  —  o  dvi- 
i^rjxav.  Der  vervollständigte  Text,  dessen  Schlufs  unser  Fragment  bildet, 
lautet  jetzt:  —  —  —  xa\\  (l'*)  'Ai^rjvdt  Apyrjyixtdt  xai  ß-{2^)£ocg  Jfe- 
ßaa7o7-\[s  -  —  —  'Eppoysurjg  —  —  ou-]{3^)g  [apyrjTztog  ||  xal  —  — ] 
(1**)  Tjg  ' Epp.olydvoug  f  ]apyr^rTcog,  y6v-{2^)oj  dk  Jyj/irjTpcou  Mapa-\[^o)Vcou 
—      ](3'')y   dvidrjxoy.    Die  beiden  Dcdikanten  aus  dem  Gau  Gargettos 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LU.  (1887.  HI.)  28 


434  Griechische  Eprgraphik. 

sind  wahrscheinlich  Adoptivvater  und  Adoptivsohn ;  dem  Namen  des  letz- 
teren ist  aufser  dem  Namen  des  Adoptivvaters  auch  der  des  leiblichen 
Vaters  hinzugefügt.  Aus  dem  Umstände,  dafs  sowohl  am  Anfange  als 
vor  dem  Endgliede  je  ein  Block  fehlt,  läfst  sich  auf  eine  erhebliche 
Länge  des  Frieses  schliefsen.  Die  Inschrift  ist  zum  mindesten  —  wahr- 
scheinlich erheblich  —  jünger,  als  das  Todesjahr  des  Augustus  (14  n.  Chr.), 
da  man  vorher  nicht  wissen  konnte,  ob  dessen  Nachfolger  den  Titel  2e- 
ßacrzbg  annehmen  würde,  und  somit  von  mehreren  Bsol  ^sßaarol  zu  reden 
unthunlich  gewesen  wäre.  -  Die  Inschrift  des  gleichfalls  der  Athena 
Archegetis  geweihten  Marktthores  (CIA  III  65)  erwähnt  den  Augustus 
als  noch  lebend. 

10.   Grabschriften. 

480-430  Köhler,  MDAI  X  1885  S.  359ff.     »Die  attischen  Grabsteine  des 

5.  Jahrh.«  Auf  grund  des  Schriftcharakters  wird  unter  den  teilweise 
schon  edierten  Grabschriften  folgende  Anordnung  getroffen:  I.  Aus  der 
Zeit  zwischen  den  Perserkriegen  und  dem  peloponnesischen  Krieg.  — 
S.  361  n.  1  (CIA  IV  2,  491 1)  auf  beiden  Seiten  beschriebene  Platte; 
a)  Iöz7]pc8rjg^  I  [0]au[xapeT7j,  I  KaXXiaTOjxdj^rj.  b)  'AxrjparYog,  \  'Ap/dya[&og, 
I  Mupzcb.  —  S.  362  n.  2  (CIA  IV  2,  491  2):  2:x[o]\iag  \  Ms(r{(T)d\vcog.  — 
n.  3  (CIA  IV  2,  491  ^)  Vase:  0diaco5.  —  n.  4  (CIA  IV  2,  491  *)  =  Ku- 
manudes  2990.  —  n.  5  (CIA  IV  2,  491  ^)  'Ap/rnnr^g  l  Noup.£vco.  —  S.  363 
n.  6  (CIA  IV  2,  491  6)  =  Kum.  2740.  -  n.  7  (CIA  IV  2,  491  7):  0do$ls]>yi 
(H  statt  E).  —  n.  8  (CIA  IV  2,  491 8)  =  Kum.  2961.  Kaibel  73;  zu 
lesen:  Avde[ic8og  rode  arjpa-  xüxkcuc  ar£<pa-{'i)voua(c)v  [k\-aipot  pvrjpel[o]v 
dpetrjg  (3)  ouvsxa  xai  <pdcag.  'Hpo<pcX[rj\.  Av&epcg  (ß  und  E  statt  O 
und  H).  —  S.  364  n.  9  (Wolters-Friederichs,  Gipsabgüsse  des  Berl.  Mus. 
1020.  CIA  IV  2,  4919):  Als]o/4s]i'r^g  2prj-  (H  statt  E).  -  S.  365  n.  10 
(CIA  IV  2,  491  10)  =  Kum.  2951.  —  S.  365  f.  n.  11  (CIA  IV  2,  491  ») 
=  Kum.  3105.  Die  Verstorbenen,  Lysimachos  und  Polykrite,  sind  nach 
Scholl,  Hermes  XXII  1887  S.  559  f.  Enkel  und  Enkelin  des  Aristides.  — 
S.  366  n.  12  =  CIG  940.  CIA  III  3102.  Kum.  2799.  Mitte  des  5.  Jahrh. 
Gleichzeitig  CIG  1013.  -  n.  13  (CIA  IV  2,  491  i2)  =  Kum.  15.  Arch. 
Zeit.  XXIX  1871  S.  29.  Kaibel  36.  Bechtel,  HD  261:  »asiatischen, 
nicht  näher  zu  bestimmenden  Ursprungs«.  Nicht  jünger  als  Mitte  des 
5.  Jahrh.  —  S.  367  n.  14  (CIA  IV  2,  491  ^3)  =  Kum.  2269.  —  n.  15 
(CIA  IV  2,  491 1*)  =  Kum.  1814.  -  n.  16  (CIA  IV  2,  491 1^)  Stele: 
Naörrjg  \  Eu8rjfic8ö  \  Topwva\7og.  —  S.  368  n.  17  (CIA  IV  2,  491 1^)  Stele: 
Mixxog  i  KaUcxMSö  |  Topwmhg.  —  n.  18  (CIA  IV  2,  491  ")  Stele:  'Ap- 
Xtag  Nißpö  1  Av8pcö.  —  n.  19  (CIA  IV  2,  491  i^)  Platte:  Eu^pavrioTjg  \ 
MdvSpojmg  \  'AazonaXadög.  —  n.  20  (CIA  IV  2,  491  ^^)  =  'E<p.  dpi.  380. 
Kum.  2469.  —  n.  21  (CIA  IV  2,  491  ^o)  =  Dragatses,  Parnasses  1881 
S.  275  (Grabschr.  des  Äiaxpiiov).  —  S.  369  n.  22  (CIA  IV  2,  491  21) 
Stele:  'AU^d^mq  \  üpoxXeßö  |  AajKpaxrjvdg.  —  n.  25  =  CIG  973''.  'E<p. 


II.  Attica.     10.  Grabschriften.  435 

äpi-  1537.  CIA  III  3291.  -  n.  24  (CIA  IV  2,  49122)  =  Dragatses, 
Parnasses  1881  S.  275  (Grabschr.  des  Philon  aus  Salamis).  —  n.  25 
(CIA  IV  2,  491  23)  =  Kum.  3469;  voUstcändig :  Xapro  (Genet.  von  Xdpzrjg). 
~  S.  370  n.  26  (CIA  IV  2,  491^4)  Platte:  'A&7j\vo8\6tö.  —  n.  27  (CIA 
IV  2,  491  25)  =  Kum.  3185/5.  ._  n.  28  (CIA  IV  2,  491  26)  Stele:  Aiovo- 
ffoSwpou.  Darunter:  'AnoXXwvtorjg  \  Xeppovrjaeczrjg.  —  n.  29  (CIA  IV  2, 
491  27)  Pfeiler:  0dacvcg  \  vsddde  |  xerac  (so).  —  S.  371  n.  30  (CIA  IV,  2 
491  28)  =  'E^,  d.pi.  1682.  Kum.  2649.  —  n.  31  (CIA  IV  2  491  29)  =  Kum. 
3121.  —  n.  32  (CIA  IV  2,  491  30)  =  'E(p.  dp^.  2611.  Kum.  2629.  -  n.  33 
(CIA  IV  2,  491 31)  =  Kum.  3209.  —  S.  372  n.  34  (CIA  IV  2,  491  32)  = 
Kum.  3422.  —  n.  35  (CIA  IV  2,  491  33)  =  Kum.  3059.  —  n.  36  (CIA 
IV  2,  49134)  Täfelchen:  "ApcazoxXsux  |  £v[d-]dds  xecrac.  —  n.  37  (CIA 
IV  2,  491  35)  =  'i:^.  dp);.  1291.  2705.   Rang.   i486.   Kum.  587. 

Derselbe,  MDAI IX  1884  S.  389  (CIA  IV  2,  441).  Drittes  Fragment  457 
der  Totenliste  der  bei  Tanagra  gefallenen  und  im  äufseren  Kerameikos  be- 
statteten Argiver  oder  Kleonäer  (Fragm.  I.  II  =  CIA  I  441).  Erkennbar  Z.  1 : 
iv  Tav]dypac  Aa[xeoacnovi  — ,  Z.  2:  —  i  7ievBo[g.   Weiterhin  folgten  Eigen- 
namen, in  Kolumnen  geordnet.  —  A  =  ;',  0,  h  ^  >^,  O  =  o,  1^  C. 

Keil,  Hermes  XX  1885  S.  340 ff.  erweist  aus  metrischen  Gründen  423  oder 
das  dem  Simouides  zugeschriebene  Epigramm  Anth.  Pal.  VII,  258  als 
eine  Nachahmung  des  auf  die  attische  Totenliste  Kumanudes,  Athenaion 
X,  524 ff.  (Röhl  I,  50;  besprochen  von  Kirchhoff,  Hermes  XVII,  623  ff. 
und  auf  die  Vorgänge  von  Byzanz  423  oder  409  v.  Chr.  bezüglich)  fol- 
genden Epigramms  (CIA  IV  2,  446  a). 

Tsuntas,  'E(p.  dpx-  1886  Sp.  183f.  (CIA  IV  2,  462^1).    Fragmen-     Ar- 
tiertes  Namenverzeichnis  in  zwei  Kolumnen  (ohne  Vatersnamen)  von  der 
Stätte  der  Stoa  des  Attalos.     Voreuklidische  Zeit. 

Kumanudes,  a.  a.  0.  Sp.  9  n.  1  (CIA  IV  2,  462°).   Agora.  Frag-  desgi. 
ment  eines  voreuklidischen,  arot^rjdov  geschriebenen  Verzeichnisses  von 
Eigennamen. 

Köhler,  MDAI  X  1885  S.  403  n.  1  (CIA  IV  2,  477').  Schlufs 
einer  hexametrischen  Grabschrift,  von  dem  Vater  des  Toten,  Kallaischros, 
errichtet. 

Derselbe,   a.  a.  0.  S.  77  (Roberts  unter  46a).     Grabstein  eines  desgl. 
Wäschers:  'Ovr^ac/xog  \  nXaveijg. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  405  n.  3.     Grabstein  des  Hierokles.    Nicht  ca.  350 
jünger  als  Mitte  des  4.  Jahrb. 

Derselbe,   a.  a.  0.  n.  4.    Grabepigramm.    Distichon  auf  Lysilla.  desgl. 
Vgl.  Gomperz,  Archäol.-epigr.  Mittheil,  aus  Österreich  X  1886  S.  4lf. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  403f.  n.  2.    Haussoullier,  ßCH  X  1886  ca.  ko 
S.  162  f.     Grabstele  des  Ir^pug  loore^g,  seines  Weibes  Nixaj  und  seines 
Sohnes  Oeu^dug  c<jor£^g  mit  einem  wunderlichen,  äufserst  inkorrekten 

28* 


436  Griecbische  Epigraphik. 

Cento  (5  Hexameter  und  1  Pentameter)  aus  verschiedenen  Epigrammen. 
Das  Original  des  Anfanges  ist  ein  Epigramm  des  Simonides  (Anth.  Pal. 
VII  253  =  ßergk,  Poetae  lyrici  Gr.  p.  1149).  Nicht  jünger  als  Mitte 
des  3.  Jahrh. 

Derselbe,  MDAI  IX  1884  S.  301.  Hof  des  Centralmuseums : 
'AßpoXKig  I  iMcxcwvog  \  Krj<pcatiwQ  \  ^uyarr^p.  Darunter  ein  mit  Binden  um- 
wundener Schlüssel,  das  Symbol  der  priesterlichen  Würde.  Dafs  die 
Verstorbene  Poliaspriesterin  war,  geht  aus  der  nach  ihr  datierten  In- 
schrift Rang.  1122  (besser  Lebas,  Attique  361)  hervor.  Sonach  gehörte 
die  Familie  der  beiden  Staatsmänner  Mikion  und  Eurykleides  zum  Ge- 
schlecht der  Eteobutaden.  Der  Name  Habryllis  ist  neu.  Beide  Inschriften 
noch  aus  dem  2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  302.  Grabschrift  (lateinisch  und  griechisch) 
auf  Spenis,  errichtet  von  den  xöpm  und  yovecg  Primitivus  und  Soteira, 
in  Form  einer  Weihung  an  die  unterirdischen  Götter. 

Gomperz,  Archäol.-epigr.  Mittheil,  aus  Österreich  X  1886  S.  41  f. 
schlägt  zu  dem  Grabepigramm  Kaibel  68  die  Restitution  vor: 
"O^ßcov,  BuffjpuiV  ävo[(jov  xaXov  euzexvov  ia^^ov, 
TUfißos  od'   eu&dv[aTov  xpünzei  'ApcaTußcov  (?) 

Hauvette-Besnault,  BCH  VIII  1884  S.  470.  Thürschwelle  der 
Kirche  Panagia  Peristeriotissa  beim  Dorfe  Peristeri  in  der  Ebene  von 
Athen.  Fragmentierte  Grabschrift  in  Distichen  auf  einen  Krieger  {dp:^iov 
ipyov  dvitaaag)  Leonidas. 

Merriam,  American  Journal  of  philology  VI  1885  S.  6  n.  21. 
Grabstele  im  Columbia  College  zu  New- York  mit  den  Figuren  eines  Mannes 
und  eines  Knaben  und  der  Inschrift:  /lsxp\i\a  ^pr^azi,  \  ^acpe. 

Ad.  Michaelis,  Journal  of  hellenic  studies  V  1884  S.  150ff. 
Broom  Hall  (Schottland),  Sammlung  der  Elgin  marbles.  —  S.  151  f.  n.  13. 
Oberes  Ende  der  Grabstele  einer  'ApcaT6xAs{t)a,  aus  dem  Ende  des  5. 
oder  Anfang  des  4.  Jahrh. ;  mit  Resten  eines  späteren  Namens.  —  S.  151 
n.  11.  Grabrelief  mit  den  Namen:  0e6yevig,  Ntxddrjßog  rioXuUoip)  und 
Ntxopdyjj.  Erste  Hälfte  des  4.  Jahrh.  —  S.  150  n.  10.  Stele  mit  Re- 
liefdarstellung und  der  Aufschrift:  Xatpinnrj  \  Ebfpdvopog  \  Aafinrpscog. 
3.  Jahrh.  —  S.  152  n.  16.  Stele  eines  KoUccuv  mit  Reliefdarstellung. 
—  S.  153  n.  19.  Grabrelief  mit  der  Aufschrift:  Afpodtma  'OXop-noo  \ 
Ialap.ema  —  und  FlaravauxB  -  -.  Letzteres  Wort  ist  ägyptisch:  pat  = 
Swpov,  Anaiath  =  'Avaircg;  die  Bedeutung  beider  Aufschriften  ist  dem- 
nach ziemlich  dieselbe.  Kaiserzeit.  —  S.  155  n.  22.  Sarkophag  mit 
Reliefdarstellung  und  der  Aufschrift:  Al2cog'Emxpdz7jg  BepevcxcSrjg  Aüc'ou 
ZTjvojvog  (2)  Toü  k^rjyi^rou  ucög.    Kaiserzeit. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  146 ff.  Aus  den 
wiederaufgefundenen    »MS.  Inscriptious   coUected  in  Greece   by  C.  R. 


II,  Attica.     10.  Grabschriften.  437 

Cockerell,  1810—14«.  —  S.  146  n.  4.  Grabstein  der  Milesierin  Zosirae, 
T.  des  Kallinikos,  Gattin  des  Phokion  'Orpuveui:;  S.  148  n.  8:  des  The]s- 
mobulos,  S.  des  [Apjollodoros ,  aus  Klazomenai;  n.  10:  der  Aris]tobule 
9e]a{?)(Tmx^;  u.  18:  des  Hierokles  Uöptog  {Ilopog  —  Demos  der  Phyle 
'Axa/iavTcg). 

Köhler,  MD  AI  IX  1884  S.  387.  Eine  in  der  griechischen  National- 
bibliothek befindliche  italienisch  geschriebene  Abhandlung  über  attische 
Inschriftsteine  auf  Malta  (s.  S.  413)  enthält  zwei  zusammengehörige  Frag- 
mente einer  Grabstele  mit  der  bisher  nicht  bekannten  Aufschrift;  0sc§c- 
xpaTTjg  ilrjiioa&ivioog  \     Mup(HVo[ü]cno[g. 

Piräus.  —  Foucart,  BGH  IX  1885  S.  526.    Museum.    Grabschrift  400-350 
auf  SevoxXirjQ  'AyysXr^Bev  und   seine  Söhne  üoloiäprjq  und  'ApLazoxXirjg. 
Erste  Hälfte  des  4.  Jahrh. 

Dragatses,  Parnassos  VI  1882  S.  763.  Grabstein  des  Ktesiklees 
S.  des  Stesibolos,  aus  dem  Demos  Lamptrai;  a.  a.  0.  S.  970:  des  Para- 
monos  aus  Lamptrai  und  seines  Sohnes  Alexandros.  Derselbe,  Par- 
nassos VII  1883  S.  82:  des  Miltiades,  S.  des  Ophelos,  aus  dem  Demos 
Lakiadai;  S.  183  des  Aischines,  S.  des  Aischines,  aus  Salamis;   S.  381 

n.  1:  des ,  S-  des  Keph]isodo[tos?]  aus  dem  Demos  Araphen;  S.  383 

n.  11:  des  Tauridas,  S.  des  Dion,  aus  demselben  Demos;  S.  382  n.  6: 
der  Nikarete,  T.  des  Kritodemos,  aus  dem  Demos  Anaphlystos ;  n.  7 :  der 
Hilaron,  T.  des  Diphilos,  aus  dem  Demos  Aixone;  n.  8:  des  Dion,  S. 
des  Apollonios,  aus  dem  Demos  Acharnai;  n.  9:  des  Alexon,  S.  des  Theo- 
phanes,  aus  dem  Demos  Kothokidai  {Ko&o8cxrjQ\)\  n.  10:  des  Dionysios, 
S.  des  Dionysokles,  aus  dem  Demos  E(u)onymia;  Parn.  VIII  1884  S.  183 
des  -ogenes  und  -kjles  aus  dem  Demos  Acharnai. 

Derselbe,  '%.  dp-/-  1884  Sp.  194 f.  n.  7.  Reliefbild  eines  Mannes 
und  einer  Frau  mit  Säugling  auf  den  Armen  mit  der  Grabschrift:  Phere- 
kydes  und  —  Erato  aus  dem  Demos  Kephale.  —  S.  195  n.  8  Grabstein 
der  Aristophanta,  Frau  des  Aristobulos,  aus  dem  Demos  Korydallos. 

Derselbe,  'E<p.  dp^.  1885  Sp.  91.  Grabstein  des  Demetrios,  S. 
des  Kyknos,  aus  dem  Demos  Anaphlystos  (Nachkomme  des  Philochoros, 
dessen  von  Suidas  überlieferter  Vatername  Kyknos  durch  die  Prytanen- 
urkunde  CIA  II  2,  869  aus  der  Mitte  des  4.  Jahrh.  bestätigt  wird;  vgl. 
V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Hermes  XX  1885  S.  631).  —  S.  92  Reliefdar- 
stellung eines  Ehepaares,  der  Peisikrateia  und  des  Theochares  aus  dem 
Demos  Sunion. 

Meletopulos,  Parnassos  VI  1882  S.  972  n.  3.  Grabstein  des 
Kydatheners  Leon  und  der  Chairippe,  T.  des  Chairias,  aus  dem  Demos 
Anaphlystos;  S.  973  n.  8  der  Me[gjariste  und  Nikostrate,  T.  des  Me- 
nekles,  aus  dem  Demos  Phlya;  n.  9  des  Philophron,  S.  des  Kephisokles, 
seines  Weibes  Sanno  und  seines  Sohnes  Theophilos  aus  dem  Demos  Halai. 


438  Griechische  Epigraphik. 

Hauvette-Besnault,  BCH  VIII  1884  S.  472.  Grabstele  des 
Dexis,  S.  des  Dexikrates,  aus  dem  Demos  Herchia. 

Meletopulos,  Parnasses  VI  1882  S.  972  n.  1.  Grabstein  des 
Aristogeiton ,  S.  des  Aristogeiton,  aus  Naxos;  n.  4  des  Glaukias,  S.  des 
Diodoros,  aus  Klos  {Kcavög]  in  Bithyuien  an  der  Propontis,  vgl.  unten); 
n.  5  des  Arkaders  Praxitas,  S.  des  Praxidamos. 

Derselbe,  'E^.  äp^.  1884  Sp.  6 5 ff.  n.  1.  Metrische  Grabschrift 
(2  Hexameter  -|-  2  Distichen  +  2  Hexameter  +  1  Pentameter  -f-  1  Hexa- 
meter) auf  einen  Lysandros.  —  Sp.  67  n.  4.  Grabstele  der  Salzhändlerin 
Melitta.  —  Sp.  67  f.  n.  5.  Phönizische  und  griechische  Grabschrift,  gleich- 
lautend (demnach  wohl  identisch)  mit  GIG  859;  der  griechische  Teil:  jVoy- 
liTjvtoQ   \  KiTieug. 

Dragatses,  Parnassos  VI  1882  S.  770:  jSüjXipr]  \  Acovuaiou  \  Ktavrj 
(aus  Kios  an  der  Propontis;  s.  o.)-  —  'Ey.  äpy.  1884  Sp.  195  n.  9.  Frag- 
mentierte Grabschrift  der  Thebanerin  -dokleia  und  ihres  Landsmannes 
-okrates.  —  Parnassos  VII  1883  S.  383  n.  12.  Grabstein  des  Arme- 
niers Hermias. 

Derselbe,  Parnassos  VI  1882  S.  969f.  Stele  mit  dürftigen  Resten 
einer  älteren,  sowie  der  späteren  Grabschrift  eines  Aurelios.  VII  1883 
S.  183.  Grabstein  der  Biote,  T.  des  Pyrrhias;  S.  184  des  -athmoneus 
und  -phanes,  S.  des  Antiphon.  S.  383  n.  13  der  Moschine,  n.  14  der 
Nike.  —  'E<p.  dpx-  1884  Sp.  195  n.  10  (mit  Faks.)  Grabstein  des  Aphro- 
disios,  S.  des  Diokydas;  aus  christl.  Zeit  (?).  —  Sp.  198.  Stele  der  Ga- 
nondika  (!),  T.  des  Sokos,  Frau  des  Hermeios  (so). 

Meletopulos,  Parnassos  VI  1882  S.  972  n.  2.  Grabstein  des 
Plangon;  S.  973  n.  6  des  Straton,  S.  des  Euphranor;  n.  7  der  Artemisia. 

—  VII  1883  S.  80.  Grabstein  der  Eusoiske  (?);  des  Nikandros,  S.  des 
Parmenon. 

Dragatses,  'E<f.  dpx-  1886  Sp.  52  n.  7.  Reliefdarstellung  eines 
sitzenden  Mannes  mit  der  Inschrift:  Tuvvcag  Tüvvwvog  Tptxopüacog. 

Derselbe,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1887  n.  52  Sp.  1618.  Grab- 
steine: 1.  des  Perigenes,  S.  des  Dionysios,  aus  Milet;  2.  der  Phila  aus 
Herakleia;  3.  der  Nikostrate. 

Lechat,  BCH  XI  1887  S.  206.    Grabstele  des  J/cyv  |  lva<fXu-\(Tziug. 

—  Fragment  einer  andern  Stele:  -[X\{)aQ  oder  -\ii\üo.g. 

ca.  t2oo  Eleusis.  —  Philios,  'E<p.  dpy.  1885  Sp.  147ff.  n.  26.   Grabschrift 

in  10  Distichen  auf  eine  Tzupo^opuij  /Irjjxrizpug  umtpo^ov  ispocpavziv^  die 
u.  a.  den  Antoninus  und  Commodus  weihte  (vgl.  die  Ehreninschrift  aus 
Eleusis  S.  424),  errichtet  von  ihrer  Tochter  Eunike  und  deren  Söhnen. 
Der  Name  der  Verstorbenen,  deren  Tod  als  eine  Erlösung  dargestellt 
wird  (vgl.  die  folgende  Grabschrift  auf  Glaukos),  ist  nicht  genannt,  läfst 


II.  Attica.     10.  Grabschriften.  439 

sich  aber  aus  der  folgenden  Grabschrift  ihrer  Urenkelin  =  Isidote  er- 
schliefsen.  —  Aus  der  Kombination  beider  Inschriften  ergiebt  sich  ein 
Stammbaum  von  fünf  Generationen  derselben  Familie,  welche  Ehren- 
ämter in  Eleusis  bekleideten. 

Derselbe,   "Eip.  dp-/.  1883  Sp.  141ff.  n.  16.     Keil,  Hermes  XX  s jahr- 
1885  S.  625  f.  nach   einer  Revision.     Basis  mit  Grabschrift  in  14  Hexa-  n.  Chr. 
metern   auf   eine  Hierophantis   der  Demeter,  Eunike,  deren  Geschlecht 
verherrlicht  wird.     Durch  ihre  gleichnamige  Grofsmutter  väterlicherseits 
(s.  0.)  stammte  sie  von  dem  gegen  Ende  des  1.  Jahrh.  n.  Chr.  lebenden 
assyrischen  Sophisten  Isaios  (Plin.  ep.  3,  2  u.  a.)  ab. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  82 f.  n.  8.  Basisinschrift  in  3  Distichen  desgl. 
auf  den  Hierophanten  Glaukos  mit  dem  Schlüsse:  ~H  xaXbv  ix  fxaxdpcov 
liua-CTjpiov,  ob  fiüvov  ehai  \  Tbv  d^dvazov  BvrjzoTg  ob  xaxov ,  dXX'  dya&ov. 
Der  Verstorbene  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  n.  16  Z.  10.  11  " 
(s.  0.)  als  Bruder  des  Grofsvaters  väterlicherseits  der  Eunike  erwähnten 
Hierophanten,  sowie  mit  dem  von  Philostratus,  vitt.  Soph.  2,  20  als  Hiero- 
phant  und  Sophist  erwähnten  Glaukos  (vgl.  Keil,  a.  a.  0.  S.  627f.). 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  82  n.  9.  Basisinschrift:  " hpofdvTTjg  \ 
[iTioXXcmpcog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  145 f.  n.  20.  Basisinschrift  in  3  Distichen 
auf  Kallisto  und  ihren  Vater  Kallimachos.  Das  Denkmal  wurde  mit  Ge- 
nehmigung (oder  auf  Geheifs?)  des  Areopags  errichtet  (Toüto  de  nazpl 
(piXuit  p.oi  ^Apijcog  iunaazv  "Edprj). 

Hauvette-Besnault,  BGH  VHI  1884  S.  470.  Fragment  der  me- 
trischen Grabschrift  auf  einen  Eudaimon,  der  seinen  Namen  in  Wahr- 
heit trug,  weil  er  Kindeskinder  sah. 

Derselbe,  a.  a.  0  S.  471.  Dorf  Nea  Liosia.  Grabstein  des 
Apollophanes,  S.  des  Theokies,  aus  dem  Demos  Kephisia. 

Derselbe,  a.  a.  0.  In  der  Nähe  des  Dorfes.  Grabstein  der  Me- 
giste,  T.  des  Marathoniers  Dionysios,  Frau  des  Dionysios,  aus  dem  Demos 
Pallene. 

Marathon.  —  Lolling,  MDAI  X  1885  S.  280.  Grabschrift  auf 
einem  Altarfragment  mit  Weihinschrift  (S.  433):  Mztxzlag.  —  Grabstein 
des  Hegemon,  S.  des  Hegesias  (?). 

Spata.  —  Parnassos  VII  1883  S.  88  (Bericht).  Grofses,  nach 
Athen  gebrachtes  Epitaphion  mit  der  Darstellung  einer  sitzenden  Frau, 
vor  ihr  ein  stehendes  Mägdlein  mit  einer  Büchse  in  der  Hand:  der  Kal- 
listo, T.  des  Philokrates,  aus  dem  Demos  Konthyle. 

Oropos,  Amphiareion.  —  Leonardos,  ^E(p.  dp^.  1885  Sp.  153 
n.  10.     Grabstein  des  Pythodoros. 


440  Griechische  Epigraphik. 


11.   Grenzsteine. 


Ar-  Köhler,  MD  AI  X  1885  S.  281  (CIA  IV  2,  503  a).  Stein  mit  bial- 
phabeter  Inschrift.  Derselbe  Vermerk  in  etwas  verschiedener  Fassung, 
das  eine  Mal  in  attischer  Schrift  aus  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrh. 
(a),  das  andere  Mal  in  ionischer  Schrift  der  zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrh. 
(b).  b  wohl,  als  die  attische  Schrift  aufser  Gebrauch  kam,  der  Deut- 
lichkeit halber  hinzugefügt,    a:  Nüvfeat ,  \'AxsXujtüj[i  lepöv.    b:  ^x^' 

Xuj[f\oo,   N[ujJ.<pä>v ajv  Ispov. 

desgl.  Dragatses,  'E^.  äp^.  1884  Sp.  220  (CIA  IV  2,  521  h)  wiederholt 

in  Majuskeln  die  von  ihm  Parnossos  VI  1882  S.  248  (Röhl  I,  53)  heraus- 
gegebene Inschrift  aus  Munychia:  HOPO^  |  TOHIEPO. 

desgl.  Meletopulos,  Parnasses  VI  1882  S.  971  (CIA  IV  2,  519»).    Ar- 

chaische Inschrift  aus  dem  Piräus:  'Eimopiö  \  xal  Hodd  \  Hopog. 

u„  350  Antoniades,    'E^.  dp^.    1883  Sp.  67   (CIA  II  2,  1113).     Hypo- 

thekenstein: "Opog  j(cupco{u)  npocxog  (2)  %r.oxXecac  Ay]poxd-(S)po{u)g  Jeu- 
xovoiwg.  T.  (4)  ^'Oa]u)i  t.Xbc'ovo;  afi-(5)ov,]  Kzxpomdaig  \b-{Q)7tü\xeiTai  xal 
ylux[o-(^)pc']Sacg  xal  0Xöeü\qi.  —  »Es  wird  die  Mitgift  der  Hippokleia 
im  Betrage  eines  Talentes  auf  ein  Landgut  sichergestellt.  Auf  dem  Reste 
des  Wertes  derselben  schwebt  die  Hypothek  der  Kekropiden,  Lykomiden 
und  Phlyeer.  Das  Gut  war  der  Besitz  des  Ehegatten  der  Hippokleia, 
welcher  zunächst  die  Mitgift  seiner  Frau  darauf  sicherstellte  und  den 
übrigen  Wert  seines  Gutes  seiner  Phyle,  seinem  Geschlechte  und  Demos 
schenkte,  oder  was  wahrscheinlicher  ist,  testierte.«  Szanto.  Rhein.  Mus. 
XL  1885  S.  516f.  Nach  Schriftcharakter  (<]A/V\nC)  und  Orthographie 
(o  =  ou  in  ;i'tüjöw,  ~-)^dpoQ)  kann  der  Stein  aus  Demosthenischer  Zeit  stam- 
men, und  wahrscheinlich  ist  Demoehares  Z.  2/3  identisch  mit  dem  von 
Demosthenes,  xaTo.  "Afößoo  1,  15  erwähnten  Arjjxo^dprjg  b  AeuxovoeOg, 
welcher  die  Mutterschwester  des  Redners  zur  Frau  hatte  und  auch 
selbst  Redner  und  eifriger  Politiker  war,  wie  denn  Aeschines,  xard  Krrj- 
atfü)V7og  17 1  seine  namentliche  Erwähnung  aus  Furcht  vermeidet.  Hippo- 
kleia wäre  somit  Tochter  des  Grofsvaters  mütterlicherseits  des  Demo- 
sthenes, jenes  Gylon,  der,  wegen  Verrats  des  Kastells  Nymphaion  zum 
Tode  verurteilt,  zum  Bosporus  entfloh  und  dort  eine  reiche  Scythin  hei- 
ratete, von  der  er  nach  Äschines  zwei  Töchter  hatte,  die  sich  in  Athen 
verheirateten.  Hippokleia  wäre  dann  als  Tante  des  Demosthenes  die 
Schwester  seiner  Mutter  Kleobule. 

Philios,   'E^.  dpx-   1883  Sp.  147f.  n.  21.     Eleusis:  "Opog  ;^cy-(2) 
plo{v)   7Te7Tp-{2)apsvo{u)    in-{4:)l  Xöaei   7ia-{b)t8l    KaXha-(<o)rpdzo{u)    (7)    H- 

Meletopulos,  E<f.  dp^.  1884   Sp.  67   n.  2.    Piräus:  "Op()\g  yco- 
pioi)  (2)  neTTpapivoiu  (3)  sm  hjasL    \   HP   (4)  Xpcupiuvt   0u-{5)Xaacwc. 


II,  Attica.    11.  Grenzsteine.    12.  Varia.  441 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  68  n.  3.  Ebd.:  "Opo]g  ocxcaiv  (2)  nenpa- 
(3)//£Vtyv]  im  X-{^)üasi\. 

Dragatses,  'E(p.  dpy^.  1886  Sp.  50  n.  4.  Piräus :  t?/?]«^-  (2)  pv^- 
/i[a-(3)rog'  nu^-{4:)£]cdog  (5)  Jap<pa-{ß)xrjvrjg.  Darunter  Reste  einer 
Künstlerinschrift.  Der  Stein  diente  ursprünglich  wohl  als  Basis  einer 
Statue,  und  die  obige  Inschrift  wurde  später  eingemeifselt. 

12.    Varia. 
Kumanudes,  '£<r.  dpy.  1885  Sp.  216  n.  10  (CIA  IV  2,  559).   Auf     Ar- 

r  -n  ,.  chaisch. 

der  Agora  gefundenes,  pnsmenförmiges  Fragment,  auf  zwei  Seiten  — 
nicht  oToi^TjSov  —  beschrieben ;  nach  dem  Herausgeber  aus  dem  6.  Jahrh. 
V.  Chr.  Vielleicht  Bruchstück  der  solonischen  Gesetzestafeln,  wenn 
nicht  Original,  so  doch  wohl  gleichzeitige  Kopie  (?),  da  ein  oder  zwei 
bedeutsame  Worte  des  Fragments  als  in  den  solonischen  Gesetzen  vor- 
kommend bezeugt  werden.  Das  Erhaltene  lautet:  a)  —  oc\o^^oa■\ov. 
b)  —  8io\o&i)\vTaat\td£To\ov£T\v£(T^ae.  Buchstaben:  H  =  spir.  asper, 
D^l'N^.  Sp.  217  giebt  der  Herausgeber  einen  Rekonstruktionsversuch 
der  mit  Drehvorrichtung  versehenen  solonischen  ä^oveg. 

Meletopulos,   'E<p.  dpi.   1884  Sp.  70  n.  7.     Piräus.     Scherben-  desgl. 
Inschrift,  archaisch  und  linksläufig:  5030  |  M^VT  =  ^^ög  \  T(j'/\a. 

Dragatses,   a.  a.  0.   Sp.  193  n.  4  mit   Faks.   (CIA  IV  2,  558).  desgl. 
Zea.     Archaische  Inschrift  eines  Mannes  und  zweier  Hetären  (?):  'Apl- 
<Tep.-{2)og  \   xalög,  (3)   //o/lur/-(4)/i£  \   Aai{g\.     Buchstaben:  UMP^V. 

Köhler,  MDAI  VIII  1883  S.  359 ff.  mit  Beilage.  Akropolis.  In-  um  350 
Schriftfragment  mit  Bruchflächen  an  drei  Seiten  und  später  angebrachten 
Vertiefungen  auf  der  Oberfläche.  Der  Text  war  in  mehrere  nebenein- 
anderstehende Kolumnen  verteilt,  diese  wieder  nach  Paragraphen  geglie- 
dert; die  erste  Kolumne  fragmentarisch,  von  der  zweiten  nur  wenige 
Buchstaben  erhalten.  Die  dem  Schriftcharakter  nach  aus  der  Mitte  des 
4  Jahrh.  v.  Chr.  stammende  Inschrift  war  als  Anathem  im  Tempel  der 
Stadtgöttin  aufgestellt,  nach  der  Sitte  des  Altertums,  neue  Entdeckungen 
auf  diese  Weise  dem  Publikum  bekannt  zu  machen.  Köhler  hielt  das 
27 zeilige,  arg  verstümmelte  Fragment  zuerst  für  das  Bruchstück  einer 
alten  Grammatik,  änderte  jedoch  diese  Ansicht  nach  Erscheinen  der 
Gomperzschen  Schrift:  Über  ein  bisher  unbekanntes  griechisches 
Schriftsystem  aus  der  Mitte  des  vierten  vorchristl  Jahrh.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  der  Kurzschrift  und  der  rationellen  Alphabetik.  Mit  einer 
Tafel.  Wien  1884.  59  S.  gr.  8**.  Gomperz'  Resultate  wurden  modifi- 
ziert und  ergänzt  von  Mitzschke,  Eine  griechische  Kurzschrift  aus 
dem  vierten  vorchristl.  Jahrh.  Mit  Tafel.  Leipzig  1885.  28  S.  8''.  Die 
namentlich  durch  Gomperz'  Verdienst  errungenen  Ergebnisse  sind  kurz 
folgende:    Das   Fragment  enth.ält  Reste   des  Systems   einer  Kurzschrift, 


442  Griechische  Epigraphik. 

welche  —  im  Gegensatz  zu  den  neueren  Stenographiesystemen  —  die 
Konsonanten  an  den  Vokalzeichen  zur  Darstellung  bringt,  indem  bald 
vorn,  bald  hinten  an  verschiedenen  Stellen  der  letzteren  ein  kleiner  Quer- 
strich angesetzt  wird.  Von  den  14  Konsonanten  des  griechischen  Alpha- 
bets (nach  Ausschlufs  der  Doppelkonsonauten  C,  $,  <l')-  finden  7  auf  solche 
"Weise  ihre  Bezeichnung.  Wird  als  einfachster  Träger  des  Querstrichs 
die  Senkrechte  angenommen,  so  ergiebt  sich  folgendes  Schema  (nach 
Mitzschke,  mit  geringer  Modifikation  der  Gomperzschen  Ansätze): 


n-r-ß 


_  also    I   =   T,    I   =:   TT,     |_   =    V    u.  s    w. 

d 
In  bezug  auf  die  weitere  Ergänzung  des  Konsonantismus  gestattet  die 
rationelle  Alphabetik  des  Erfinders  einen  wahrscheinlichen  Schlufs  aus 
dem  Erhaltenen  auf  das  verloren  Gegangene.  Als  Gegenstück  zu  dem 
kurzen  Querstrich  (ein  solches  durch  den  Text  Z.  14 — 16:  ^  [//£v  | 
£u&]sca  xac  ßpa[-^£2a  \  Ypa]/xfxr]  angedeutet)  nimmt  Mitzschke  einerseits 
eine  gerade,  lange  Horizontallinie  zur  Bezeichnung  der  Konsonantenver- 
doppelung, andrerseits,  in  den  einzelnen  Ansätzen  mehrfach  von  Gom- 
perz  abweichend,  eine  krumme,  kurze  Horizontallinie  zur  Bezeichnung 
der  rückständigen  7  Konsonanten  an.    So  ergiebt  sich  das  weitere  Schema: 


■^  A     also    I   =  <T,    I  =  X,    |_^  =  A  u.  s  w. 

Die  Verlängerung  der  kurzen,  krummen  Linie  soll  wiederum  zur  Dar- 
stellung der  Konsonantenverdoppelung  gedient  haben.  Die  Bezeichnung 
der  drei  Doppelkonsonanten  bleibt  ungewifs.  Hinsichtlich  der  Rekon- 
struktion der  Vokalbezeichnung  weichen  Gomperz  und  Mitzschke  erheb- 
lich von  einander  ab.  Die  Frage,  wie  die  Diphthonge  dargestellt  worden 
seien,  wird  von  Gomperz  nicht  erörtert.  Auch  hinsichtlich  der  Bezeich- 
nung vokalloser  Konsonanten  lassen  sich  sichere  Anhaltspunkte  aus  dem 
gleichwohl  höchst  interessanten  und  für  die  Geschichte  der  Stenographie 
äufserst  wertvollen  Fragmente  nicht  gewinnen.  —  Vgl.  Landwehr, 
Über  ein  Kurzschriftsystem  des  4.  vorchristl.  Jahrb.  Philologus  44  1885 
S.  193 — 200,  und  die  Darstellung  von  Hinrichs,  Griechische  Epigraphik 
S.  412f. 

Mylonas,  'E^.  dp^.  1883  Sp.  105 f.    Richtertäfelchen  mit  der  Auf- 
schrift :  'Eni^dprjg  \  'AXatB{üg. 

Dragatses,  'E(p.  dpx-   1884  Sp.  194  n.  5   (mit  Faks.).     Piräus, 
Töpferstempel:  Unnap^ —  |  elg  Arjjivov  \   0£idu)V  'A&rj  — 


III.  Megaris.     Megara.  443 

Kumanudes,  "E<fi.  dpx-  1885  Sp.  168  (mit  Faks.  S^uudS^).  Zwei 
Seiten  eines  Steines  enthalten  wirr  durch  einander  geschriebene  Eigen- 
namen, ohne  Zusammenhang  und  von  verschiedenem  Schriftcharakter; 
vielleicht  nur  zur  Übung  des  Steinmetzen.  Etwa  aus  dem  2.  oder  3. 
nachchristl.  Jahrh.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  218  n.  11  (mit  Faks.). 
Ähnliches  Fragment.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  219.  Ähnliches  Frag- 
ment, mit  geringen  Resten  von  Eigennamen;  aus  römischer  Zeit.  —  Der- 
selbe, 'E<f.  dp^.  1886  Sp.  16.     Ähnlicher  Stein  aus  römischer  Zeit. 

Derselbe,  'E<p.  dpx-  1886  Sp.  15  n.  9.  Agora.  Auf  der  unteren 
Seite  eines  dorischen  Säulenkapitäls  mit  Buchstaben  aus  römischer  Zeit: 
/xevsTco.  Nach  dem  Herausgeber  wahrscheinlich  Vermerk  des  Baumeisters, 
dafs  der  Stein  als  unbrauchbares  Material  nicht  für  den  Bau  verwandt 
werden  sollte. 

III.    Megaris. 

Megara. 

Korolkow,  MDAI  VIII  1883  S.  181ff.  n.  1  (Roberts  u.  113).  um  450 
Bronzetäfelchen,  gefunden  lV'2  Stunden  nw.  von  Megara,  welches,  wie 
Spuren  von  Nagellöchern  vermuten  lassen,  wahrscheinlich  an  einer  stei- 
nernen Basis  befestigt  war,  mit  archaischer  Weihinschrift:  T]ocds  dreh 
)\ata-(2)g]  rav  8zxdra[v  (3)  dviBrjxav  'AH{a-{4:)väi.  Die  Inschrift  gehört 
nach  dem  Herausgeber  wegen  ihres  Schriftcharakters  in  die  Mitte  des 
5.  Jahrh.  v.  Chr.;  sie  ist  metrisch,  doch  ohne  wohlklingenden  Rhythmus; 
auch  fehlt  die  Cäsur.  Die  Tafel  wäre  nach  Vermutung  des  Herausgebers 
nach  einem  glücklichen  Einfall  der  Bewohner  einer  der  megarischen 
Komen  (Tripodiskos?)  auf  benachbartes  Gebiet  gestiftet  und  in  dem  länd- 
lichen Heiligtum  geweiht  worden.  Die  Namen  der  Dedikanten  Avaren 
dann  unterhalb  derselben  auf  das  Postament  geschrieben. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  183 ff.  n.  2.  Inschrift  aus  der  Peribolos-  ^oe 
mauer,  welche  den  heiligen  Bezirk  des  olympischeu  Zeus  umgab.  In 
einheimischem  Dialekt  abgefal'stes  Ehrendekret  auf  den  Böoter  Zo'ilos, 
S.  des  Kelainos,  Befehlshaber  der  Besatzung  des  Königs  Demetrius  in 
Aegosthenae.  Dem  Geehrten  wird  auf  Vorschlag  der  Aegostheniten  ein 
goldener  Kranz  und  das  megarische  Bürgerrecht  verliehen.  Die  auf 
unserm  Denkmal  genannten  sechs  Stratogen  begegnen  auch  in  andern 
Inschriften;  da  jedoch  wiederholt  drei  verschiedene  Eponymen  und  Se- 
kretäre neben  denselben  Strategen  erscheinen,  so  ist  zu  vermuten,  dafs 
in  Megara  —  wenigstens  ausnahmsweise  —  dieselben  Strategen  mehrere  • 
Jahre  nach  einander  im  Amte  bleiben,  bzw.  wiedergewählt  werden  konnten. 
—  Nach  Annahme  des  Herausgebers  dürfte  Zo'ilos  sich  bei  der  Belage- 
rung und  Einnahme  von  Megara  durch  Demetrius  Poliorcetes  im  Sommer 
307  die  Dankbarkeit  der  Megarenser  erworben  haben.     Doch  kann  das 


444  Griechische  Epigraphik. 

Dekret  nicht  aus  diesem  Jahre  datieren  wegen  der  Bezeichnung  des  De- 
metrius  als  ßamXebg  und  der  in  Vermehrung  der  Zahl  der  Strategen 
sich  äufsernden  Änderung  der  Verfassung;  wahrscheinlich  ist  es  in  einem 
auf  den  März  —  den  Anfang  des  megarischen  Jahres  —  folgenden  Monat 
des  Jahres  306  v.  Chr.  verfafst. 

Mahr-  Derselbe,  a    a.  0.  S.  189  n.  3.    Weihinschrift  von  sechs  »sapol 

hund.  und  einem  auXrjTag  an  Apollon  Prostaterios.  —  S.  189  f.  n.  4.  Stein  mit 
drei  Inschriften  (ungenau  CIG  1070):  1.  als  älteste  eine  Weihinschrift 
von  sechs  &eapol  und  dem  aus  der  vorhergehenden  Inschrift  bekannten 
auXrjTag  an  Apollon  Prostaterios;  darüber  2.  und  3.  Reste  von  zwei  In- 
schriften aus  der  Kaiserzeit,  deren  eine  sich  auf  eine  Julia,  wohl  die 
Tochter  des  Augustus,  bezieht.  —  Ist  der  n.  3  Z.  3  erwähnte  Erimnos, 
S.  des  Theomnastos,  identisch  mit  dem  bei  Foucart,  explic  des  inscr.  27 
genannten  Strategen,  so  würden  n.  3  und  4  in  den  Ausgang  des  4.  Jahrb. 
V.  Chr.  zu  setzen  sein. 

desgl.  Löwy,   MDAI  X  1885  S.  149^     Weih-  und  Künstlerinschrift  auf 

zwei  zusammengehörigen  Blöcken;  a)  Orjpaixivrjg  Tt/xo-,  darunter  mit 
kleinerer  Schrift:  Aöacmiog  knotet,  b)  -^dvou  dve&7]xe.  In  Lysippos  glaubt 
der  Herausgeber  den  berühmten  sikyonischen  Künstler  annehmen  und 
sonach  die  Inschrift  dem  Ausgange  des  4.  Jahrb.  zuweisen  zu  dürfen; 
der  vereinzelte  Gebrauch  des  Imperfekts  in  der  Künstlerinschrift  wäre 
hierfür  kein  Hindernis.  Derselbe  weist  ferner  auf  die  Möglichkeit  hin, 
dafs  das  aus  mehreren  Blöcken  bestehende  Bathron  zu  dem  von  Pau- 
sanias  1,  43,  6  erwähnten  Monumente  gehört  haben  könne. 

Korolkow,  MDAI  VIII  1888  S.  191  n.  5.  Weihinschrift  von  fünf 
8rx/jLtopyot  und  einem  ypu/xfiareug  an  Aphrodite.  Aus  der  Zeit  der  Zu- 
gehörigkeit von  Megaris  zum  achäischen  Bunde;  vgl.  Foucart,  explic.  12. 
Kabbadias,  'E^.  äpy.  1884  Sp.  29  n.  75.  (J.  [u.  Th.]  Baunack, 
Studien  auf  dem  Gebiete  des  Griechischen  und  der  arischen  Sprachen 
I  1  Leipzig  1886  n.  75.)  Epidauros.  Ehreninschrift  des  Damos  von  Me- 
gara  auf  Laphanta,  T.  des  Euanthes,  in  einheimischem  Dialekt.  Darunter 
Künstlerinschrift  (Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  n.  271^)  eines  -kies,  S, 
des  Kallikrates,  aus  Megalopolis.  —  S.  die  Geehrte  auch  unter  Epi- 
dauros S.  451  n.  88  und  S.  452  n.  14. 

ca.  150  Stschukareff,   'Eip.  dpy.  1886   Sp.  227ff.   n.  2.     Fragment  eines 

Ehrendekretes  auf  mehrere  Personen,  von  dem  Joh.  Schmidt,  MDAI  VI, 
352  n.  46  (Röhl  I,  57)  wegen  Zeitmangels  nur  die  ersten  Zeilen  ab- 
schreiben konnte.  Der  neue  Herausgeber  teilt  auch  den  Rest,  Z.  16 — 24, 
mit.  Z.  18:  'Piopatoog.  Zu  Z.  1  — 15  werden  einige  abweichende  Le- 
sungen bzw.  Ergänzungen  mitgeteilt.  Nach  Schmidt  würde  die  Inschrift 
in  die  Mitte  des  2.  vorchristl.  Jahrh.  fallen. 

100-60  Derselbe,    a.  a.  0.   Sp.  225 f.  n.  1.     Fragment   eines    Ehrende- 

kretes in  einheimischem  Dialekt,  in  welchem  es  sich  u.  a.  um  Errichtung 


III.  Megaris.    Megara,  Aegosthenae,  Eleutherae.  445 

einer  Bildsäule  handelt.  Z.  12  geschieht  eines  Madpxou  Kahtoco[u  Er- 
wähnung, wahrscheinlich  des  berühmten  Kedners  (Cicero,  Brutus  79.  80), 
der,  nachdem  er  57  v.  Chr.  Prätor  gewesen  (Post  red.  9.  22),  53  v.  Chr. 
eine  Rede  für  die  Tenedier  hielt  (Ad  Q.  fratr.  2,  9;  vgl.  Pauly,  Realenz. 
s.  V.  M.  Calidius).  Aus  letzterem  Umstände  läfst  sich  schliefsen,  dafs 
er  Griechenland  und  den  Orient  bereist  hatte.  Auch  der  Schriftcharakter 
weist  das  Psephisma  in  die  erste  Hälfte  des  1.  vorchristl.  Jahrh.  Z.  31 
begegnet  zum  ersten  Male  ein  imffzd/xwv  und  ein  /j.vd^(uv. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  231  f.  n.  3.    Fragment  einer  Ehreninschrift  t  ^7 
auf  den  Kaiser  Claudius. 

Novosadsky,  'E^.  dp^.  1885  Sp.  127f.;  weniger  gut  Dragumes, 
Parnasses  VI  1882  S.  856  f.  Fragmentierte  Ehreninschrift  von  Bule  und 
Demos  auf  Vitellia,  Gemahlin  (?)  des  xocpdvou  dp^tepiuig  Sabinus,  die 
selbst  auch  Priesterin  einer  Göttin  war. 

Stschukareff,  'E^.  dpx-   1886   Sp.  233 f.   n.  4.     Neue  Abschrift  nv-iss 
der  Fragmente  Lebas,  Megar.  48   (h)  und  Foucart,   Explic.   zu   dieser 
Inschrift  (a),  die   sich  zu  einer  Ehreninschrift  auf  den  Kaiser  Hadrian 
ergänzen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  5.    Bessere  Abschrift  von  CIG  1063. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  234  n.  6.  Grabstein  des  Anaxis,  S.  des 
Athanion.  —  Sp.  235  n.  -7.     Desgl.  der  Teimo,  T.  des  Ebapheou. 

Dragumes,  'E<p.  dp^.  1885  Sp.  158.    Brunnenstein:  KaXkxpaTrjg  \ 

—  • —  tjpsa I o . 

Derselbe,  a-  a.  0.  Dürftiges  Fragment  aus  junger  Zeit;  Z.  2: 
AaXcoo  KeXeu  — . 

Aegosthenae. 
Durrbach,  BCH  IX  1885  S.  318f.  n.  1—4.  Stein  mit  vier  In-  228-197 
Schriften :  n.  1  (Z.  1 — 8)  Proxeniedekret  auf  einen  Prigenes,  dessen  Eth- 
nikon  nicht  erhalten  ist,  wegen  seiner  Verdienste  um  die  Spiele  des  Me- 
lampus  (vgl.  Paus.  I,  44,  5).  —  u.  2  (Z.  9—11)  Ephebenliste ,  datiert: 
üajxazpiuo  äp^ovrog  iv  üy^/^r^azwt  (derselbe  als  apy^ojv  Boiiozolq  schon 
bekannt  aus  den  Inschriften  von  Hyettos  SIB  148.  149  =  SGDI  546. 
547).  —  n.  3  (Z.  11  — 14)  Ephebenliste,  KoiidMoo  ä\py_ov-oQ  h  'Oy- 
^r^azöJt.  —  n.  4  (Z.  15.  16)  Ephebenliste  mit  erloschener  Zeitbestimmung. 

—  Sämtlich  aus  der  Zeit  der  Zugehörigkeit  von  Megaris  zum  böotischen 
Bunde  (223 — 197  v.  Chr.);  in  einheimischer  Mundart. 

Dragumes,  'E(p.  dpy^.  1885  Sp.  160.  Grabstein  der  Meli[s]sa,  T. 
des  Melon. 

Eleutherae. 

Dragumes,  a.  a.  0.  Sp.  157.  Grabstele  der  Philinna,  T.  des 
Prasiön.    »Aus  guter  Zeit«. 


446  Griechische  Epigraphik. 

P  a  g  a  e. 

Durrbach,  BCH  IX  1885  S.  321f.  n.  5.  6.  Der  Damos  ehrt  den 
Soteles,  S.  des  Kallinikos,  und  den  Matrodoros,  S.  des  Pythodoros,  in 
Form  einer  Weihung  an  die  Götter.     Einheimischer  Dialekt. 

IV.   Peloponnesus. 

1.    Corinthus,  Sicyon,  Pblius. 

Blafs,  Bezzenb.  Beiträge  Xu  1887  S.  169—214  »Dialektinschriften 
von  Korinth,  Kleonai,  Sikyon,  Phleius  und  den  korinthischen  Kolonieen 
am  ionischen  Meere«  behandelt:  I.  Korinth  (Inschriften,  Vasen  u.  s.  w.) 
S.  169—181  u.  1—41.  II.  Kleonai  (Thongefäfs  und  Steininschrift)  S.  182 
n.  1.  2.  III.  Sikyon  (Inschriften  und  Vasen)  S.  182—184  n.  1—7. 
IV.  Phleius  (Inschriften)  S.  184  f.  n.  1 — 4.  —  [V.  Korinthische  Kolonieen 
in  und  um  Akarnanien:  Anaktorion,  Herakleia  (s.  unter  VII'*),  Leukas 
(s.  VIII),  Anibrakia  (s.  VII^)  S.  185—188  n.  l— 10.  VI.  Korkyra  (s.  VIII), 
Apollonia,  Dyrrhachion  (s.  VII«)  S.  188—213  n.  1—40.  VII.  Unbestimmt 
(Bleitäfelcheu  von  Dodona)  S.  213  f.] 

Corinthus. 

F ranke  1,  Jahrb.  des  kais.  deutsch,  arcli.  Inst.  I  1886  S.  48 — 53. 
Ein  im  Berliner  Museum  befindlicher,  aus  dem  Peloponnes  stammender 
bronzener  Frosch  trägt  die  Weihinschrift:  "Afj.[cu]v  2J[cu]v6ou  |  Bodaovc. 
Der  Schriftcharakter  weist  in  die  erste  Hälfte  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  und 
nach  Korinth.  Den  Beinamen  des  ApoUon,  Bodaiov^  erklärt  der  Heraus- 
geber von  der  Orakelspendung:  y>BorjV  dya&ug  zu  sein  ist  auch  für  einen 
Gott  nicht  unrühmlich,  und  wir  werden  mit  den  korinthischen  Ohren  nicht 
rechten  können,  dafs  die  prophetische  Stimme  ApoUons,  die  andern  als 
ein  aSstv  vorkam,  ihnen  nur  wie  ein  ßoäv  klang.« 

Löwy,  MDAIXI  1886  S.  150ff.  Taf.  V;  ungenau  Hestia,  13.  (25.) 
April  1886  n.  537  (Berl  philol.  Wochenschrift  1886  n.  22  Sp.  676).  Eine 
in  Korinth  gefundene,  jetzt  im  Ceutralmuseum  zu  Athen  aufbewahrte 
Grabstele  mit  der  Darstellung  eines  anstürmenden  Kriegers  trägt  die 
Giebelinschrift:  'A^xcag  0a>xe6g. 

Gerster,  BCH  VIII  1884  S.  232.  Basisinschrift  aus  einem  Po- 
seidontempel:  Tecadv[Tc]-(og,  Eöru^og,  EuxXtddag  [luaetoävt. 

P  h  1  i  u  s. 

Cousin  und  Durrbach,  BCH  IX  1885  S.  355.  Grabsteine  im 
Dorfe  Haghios  Georgios,  doch  mit  Sicherheit  zu  Phlius  gehörig,  n.  9: 
Ntxayöpaq.  u.  10:  6ujjidv-ag  (neu)  |  'Ap^txhcöa.  n.  W.^Ayvcüv ,  \  0oi- 
viaaag  (beide  Namen  zu  verschiedenen  Zeiten  geschrieben). 


IV.  Peloponnesus.    1.  Corinthus,  Sicyon,  Phlius.   2.  Argolis.         447 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  355 f.  n.  12.  Ebd.  Hermensäule.  Aur. 
Menedemos  Au^vioiog  (aus  Lychnis  in  Epirus?)  ebrt  seinen  Freund 
Cl.  Claudianus  Eumyrides  (neu),  den  Sohn  des  Lehrers  Cl.  Minucianus. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  356.  Kutsi,  Kapelle  des  heil.  Nikolaos. 
Grabstein :  'AXxav£~[o\  -  -. 

2.    Argolis. 

Scholl,  Griechische  Künstlerinschriften,  in  den  »historischen  und  iga  42 
philologischen  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet« 
Berlin  1884  S.  117  ff.  —  Aus  der  argivischen  Künstlerinschrift  vom  Weih- 
geschenk des  Praxiteles  in  Olympia  IGA  42  (Löwy,  Gr.  Bildh.  30'^' « 
mit  Nachtrag  S.  XVIII,  Roberts  n.  81  mit  Appendix  S.  378)  hat  Röhl, 
zu  dieser  Inschrift,  einen  förmlichen  Künstlerroman  herausgelesen.  Allein 
um  eine  Schwierigkeit  der  Interpretation  (die  ungewöhnliche  Stellung  des 
inocr^as)  zu  rechtfertigen,  werden  zwei  neue  hervorgerufen.  Gleichwohl 
ist  die  Stellung  und  der  Singular  des  Verbums  ohne  eigentlichen  An- 
stofs  und  aus  dem  herrschenden  Künstlergebrauch  zu  erklären.  »Argeios 
hiefs  der  Vater  des  Ageladas,  Grofsvater  des  Argeiadasa.  Bei  dieser 
Annahme  ist  die  Fassung  tadellos,  der  Artikel  {rdpyscw)  unentbehrlich. 
Auf  einen  Namen  Argeios  weist  auch  die  patronymische  Bildung  Argeiadas. 
In  dem  Künstler  Argeios  bei  Plinius  (»Ex  his  Polyclitus  discipulos  ha- 
buit  Argium,  Asopodorum«  cet )  steckt  ohne  Zweifel  ein  jüngerer  Träger 
dieses  im  Hause  des  Ageladas  erblichen  Namens;  als  Schüler  Polyklets 
würde  derselbe  der  zweiten  Generation  nach  Argeiadas  augehören.  So 
ergiebt  sich  eine  regelrechte  Diadoche  der  Künstlerfamilie:  Argeios  — 
Ageladas  —  Argeiadas  —  x  —  Argeios.  Die  Wege  oder  Umwege,  auf 
welchen  der  schwerlich  aus  Argos  stammende  Künstler  Argeios  zu  seinem 
Namen  und  der  Name  nach  Argos  gekommen  ist,  entziehen  sich  der 
Vermutung.  Gegen  die  Annahme  einer  Krasis  in  HAFEAAIAA  (=  o 
Ays^^atSa)  und  für  eine  ursprüngliche  Form  Hagelaidas  spricht  der  Um- 
stand, dafs  das  Fehlen  des  Artikels  Regel  ist.  Die  Überlieferung,  wo- 
nach der  dorische  Dialekt  in  ayioiiai  und  seinen  Ableitungen  die  Aspi- 
ration verschmähe,  wird  durch  die  ältesten  inschriftlichen  Zeugnisse 
(argivisch  'Ayrfixpdzrjg,  lakonisch  'Ayr/ia-pa-ug,  böotisch  'AyrjaavSpog)  wider- 
legt. Bei  Plinius  geben  an  den  drei  Stellen,  wo  der  Künstler  vorkommt, 
die  besten  Handschriften  übereinstimmend  Hageladas  und  Hageladae.  — 
V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Lectiones  epigraphicae,  Gott.  1885  S.  12 
und  Robert,  Archäol.  Märchen  (Philol.  Untersuch,  von  Kiefsling  und 
v.  Wilamowitz-Möllendorff  Heft  10.  1886)  S.  97  erklären  die  sonderbare 
Erscheinung,  dafs  das  Ethnikon  nicht  zu  Argeiadas  sondern  im  Genetiv 
zu  'AyeXacda  gezogen  ist,  mit  der  Annahme,  ersterer  sei  nicht  Sohn,  sondern 
Sklave  des  letzteren  gewesen.  Dagegen  nimmt  Studniczka,  MD  AI  XI 
1886  S.  449  f.  an,  Agelaidas  allein  habe  das  Bürgerrecht  von  Argos  be- 


448  Griechische  Epigraphik. 

sessen;  doch  sei  hieraus  nicht  zu  schliefsen,  dafs  Argeiadas  überhaupt 
keines  besessen  habe.  Er  habe  nur  das  des  Vaters  angegeben,  weil  es 
ehrenvoller  gewesen  sei,  als  sein  eigenes.  Der  ohne  Zweifel  aus  Sikyon, 
der  eigentlichen  Heimat  der  argivisch-sikyonischen  Schule,  gebürtige  Age- 
laidas  »erhielt  in  Anerkennung  seiner  künstlerischen  Verdienste  für  seine 
Person  das  Bürgerrecht  des  politischen  Vorortes  der  Landschaft,  wie 
später  Polyklet  u.  a.  Er  rühmte  sich  dessen  schon  in  dem  Namen,  den 
er  seinem  Sohne  gab,  »Sohn  des  Argeiers»,  und  dieser  in  der  Fassung 
der  Künstlerinschrift.« 

A  r  g  o  8. 

Novosadsky,  'Ey>.  dp^.  1885  Sp.  57.  Verstümmeltes  Proxenie- 
dekret  in  einheimischem  Dialekt  im  Besitze  eines  Gastwirtes  zu  Nauplion. 
Dasselbe  soll  aufgestellt  werden  elg  zu  Itpov  zoo  'A7i6llu}vo\q  t]o(5  Auxscou. 

Fränkel,  Archäol.  Ztg.  XL  1882  Sp.  383 ff.  (Roberts  n.  72). 
Archaische  Weihinschrift  auf  den  vier  Seitenkanten  einer  im  Berliner 
Museum  befindlichen,  mit  Sicherheit  aus  Argos  stammenden  Bronzebasis; 
linksläufig:  Töv  favdqo-\v  j  zul  Ncp-\d^a  •  dvi&-\sv.  Ein  Kennzeichen 
hohen  Altertums  ist  der  im  9  ^^^  O  fehlende  Punkt,  den  schon  die 
iGA43a  Totenliste  IGA  36  (vor  Ol.  80,  4)  zeigt.  —  Vielleicht  dient  unsere  Basis 
zur  Erklärung  des  gleichzeitig  mit  ihr  aufgetauchten  Bronzerades  IGA 
43a  (Roberts  n.  82a),  für  dessen  Lesung  TOIFANAKOI  statt  ruv 
favdxöv  man  ein  doppeltes  Versehen  des  Graveurs  annehmen  mufs.  Der 
Verdacht  liegt  nicht  fern,  dafs  die  Inschrift  auf  das  echte  Rad  nach  der 
oberflächlich  gelesenen  Basisinschrift  gefälscht  sei. 

M  y  c  e  D  a  e. 

4.jahr-  Baumgarten,  MDAI  VIII  1883  S.  141ff.  mit  Beilage.    Fragment 

eines  Säulenschaftes  aus  einer  Kapelle  unweit  des  Dorfes  ig  rä  0c^&:a, 
Va  Stunde  von  Mycenae,  jetzt  im  Schliemannmuseum  zu  Athen  n.  558. 
Um  die  obere  Hälfte  des  Schaftes  2V2  Schlangenwindungen,  die  in  einen 
Widderkopf  auslaufen.  Die  Schriftzüge  auf  den  Windungen  lassen  sich 
nicht  in  Worte  zusammenfassen.  Auf  dem  freien  Raum  unterhalb  der- 
selben die  rätselhafte  Inschrift:  e^eacr]  xaHrjzo  firjv  ...  (2)  npufrov  'Exdrrj 
aTa[c]  (3)  fitjapag  ndaiv  \  elra  8k  Oepas^üvrj  (4)  dyyiXXet  &eoTg'  r^drj 
rdde  ndvra.  —  B.  möchte  die  Inschrift  wegen  der  Buchstabenformen 
(O,  einmal  O,  MNPC)  dem  4.  Jahrh.  zuweisen.  Die  Erwähnung  der 
Persephone  (Z.  3)  macht  wahrscheinlich,  dafs  das  Monument  als  Grab- 
stein diente;  der  Widder  ist  das  übliche  Tier  der  Sühn-  und  Totenopfer; 
auch  Hekate  (Z.  2)  wird  öfters  auf  Grabsteinen  erwähnt.  Eine  Deutung 
der  Inschrift:  Den  Verletzern  dieser  oder  jener  Vorschrift  droht  zunächst 
Hekate  Schlimmes  an  {/ir^vüec),  dann  verklagt  {dyyeUec)  sie  Persephone 
bei  den  Göttern  (natürlich  den  unterirdischen)  —  hält  B.  für  bedenk- 


hund. 


IV.  Peloponnesus.    2.  Argolis:  Argos.  Mycenae.  Nemea.  Epidaurus.     449 

lieh,  weil  die  Sitte,  Grabschändern  mit  der  Rache  der  Persephone  zu 
drohen,  in  vorchristlicher  Zeit  sich  nicht  belegen  läfst  und  Persephone 
in  der  ihr  hier  zuerteilten  Funktion  als  äyysXog  unerhört  ist.  Obschon 
die  Inschrift  metrischen  Gehalt  zu  haben  scheint,  läfst  sich  ein  klares 
Schema  nicht  herstellen. 

Nemea. 

Cousin  und  Durrbach,  BGH  IX  1885  S.  349  n.  1.     Fragmen-  sjahr- 
tierte  Weihinschrift.     Auf  das  Präskript  J]j  'Apjetoi  ävi\if\ev  folgt  ein 
Uapxog  sTzdixTag  und  zwei  Paare  von  Härchen.     Merkwürdig  ist,  dafs 
ein  weiterer  llarch  gleichfalls  mit  der  Dualbezeichnung  üdp^w  angefügt 
ist,  ohne  dafs  der  Stein  weitere  Buchstabenreste  aufwiese. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  350  n.  2.  Geringe  Inschriftreste  mit  den  desgl. 
Namen  der  Phylen:  TUicov,  nav[^ü]^[äv],  Tpva&cojv.  Der  Name  der 
vierten,  der  Jupävsg,  ist  nicht  erhalten.  Während  die  bisherigen  pelo- 
ponnesischen  Inschriften,  welche  die  Namen  der  argivischen  Phjden 
boten,  sämtlich  der  Kaiserzeit  angehörten,  ist  unsere  Inschrift  mit  Wahr- 
scheinlichkeit ins  3.  Jahrh.  zu  setzen. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  351  n.  3:  2cxu[cuvc'u)v.  Wahrscheinlich 
Aufschrift  des  Schatzhauses  der  Sikyonier,  falls  die  griechischen  Gemein- 
den, wie  zu  Delphi  und  Olympia,  so  auch  in  Nemea  ihre  Gelder  depo- 
nierten. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  352  n.  4.  Fragmentierter  Anfang  eines 
Dekrets:  "E8o$£  zäc]  aXiaiai  t  .  . .  (2) .  . .  ■zs,xdp\yai  . . .  (3)  .  .  .  ßojXäg  . .  . 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  352 f.  n.  5.  6.  Arg  verstümmelte  Frag- 
mente unbestimmbaren  Inhalts. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  353  n.  7.  Geringe  Reste  eines  Dekrets; 
Z.  2:  pvdpovag,  3:  im/jj?,£(r&ac,  4:  dycüvoavg,  5.  6  zweimal  lepc^cwv. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  354  n.  8.  Fragment  einer  Rechnungs- 
urkunde. Z.  2:  r]uvg  k/ißdT[avg  (wohl  Landpächter).  Zahlzeichen:  P  100, 
P  50,  Ol,:  =:  —  wohl  Bezeichnung  von  Brüchen. 

Epidaurus. 

Sämtliche  von  Kabbadias,  'E^.  dpy^.  1883  —  85  veröffentlichte  In- 
schriften (n.  1 — 101)  aus  dem  Asklepiostempel  zu  Epidauros  sind  be- 
quem und  übersichtlich,  mit  eingehenden  sprachlichen  und  sachlichen 
Anmerkungen,  sowie  mit  chronologischer  Klassifizierung  und  ausführ- 
lichem Wortindex  zusammengestellt  von  J.  [u.  Th.]  Baunack,  Studien 
auf  dem  Gebiete  des  Griechischen  und  der  arischen  Sprachen  I  1  Leipz. 
1886.  S.  77 — 162.  Da  die  Zählung  der  Originalpublikation  von  Baunack 
beibehalten  worden  ist,  so  können  wiederholte  Hinweise  auf  seine  Aus- 
gabe entbehrt  werden. 

Jahresbericht  fUr  Alterthomswiasenschaft  LH.  (1887.  III.j  29 


450  Griechische  Epigraphik. 

ca.  400  Kabbadias,  'E(p.  dp^.  1886  Sp.  147—166  n.  103.    Aus  9  grofsen 

und  7  kleinen  Fragmenten  zusammengefügte,  oben  unvollständige  Platte, 
auf  beiden  Seiten  in  je  zwei  ungleich  breiten  Kolumnen  beschrieben. 
Die  schmalen  Kolumnen  bilden  die  Fortsetzung  der  breiteren.  Gesamt- 
umfang 305  Z.  Die  Inschrift  enthält  ein  ausführliches  Verzeichnis  der 
Ausgaben  für  den  Bau  des  Asklepiostempels ;  wahrscheinlich  aus  der 
ersten  nacheuklidischen  Zeit:  OY  und  O,  ß  und  O  neben  einander. 
In  den  beiden  gröfseren  Kolumnen  sind  die  gröfseren  Ausgaben  verzeich- 
net, in  den  kleineren  kleine  Ausgaben  für  verschiedene  Arbeiten  und  für 
den  Ankauf  verschiedener  G-egenstände.  Die  einzelnen  Teile  des  Baues 
wurden  an  die  mindestfordernden  Unternehmer  verdungen  (es  wechseln 
die  Schreibweisen :  YjAbto^  eiXe-u,  eXezo) ;  die  einen  übernahmen  die  Aus- 
führung der  Arbeiten,  andre  die  Lieferung  und  Beschaffung  des  Mate- 
rials, wieder  andre  nur  die  Beschaffung  desselben.  Die  Unternehmer 
sind  meist  Auswärtige,  z.  B.  aus  Korinth,  Argos,  Stymphalia,  Kreta.  Der 
ganze  Bau  wurde  geleitet  von  einem  Baumeister  Theodotos,  welcher 
einen  Jahreslohn  von  353  Drachmen  (=  1  Drachme  täglich)  erhielt  (so 
auch  in  Athen,  wo  der  Baumeister  36  Drachmen  während  der  Amtsdauer 
jeder  Prytanie  erhielt;  vgl.  CIA  I  324).  Da  derselbe  den  Lohn  für 
3^/2  Jahre  und  70  Tage  empfing,  so  scheint  der  Bau  diese  Zeitdauer  in 
anspruch  genommen  zu  haben.  —  Die  Unternehmer  stellten  Bürgen, 
wahrscheinlich  bekannte  einheimische  Bürger,  da  dieselben  nur  mit  ihren 
Hauptnamen  aufgeführt  werden.  Bemerkenswert  ist,  dafs  die  Unterneh- 
mer für  Lieferung  und  Beschaffung  der  Bausteine  ausschliefslich  Ko- 
rinther waren:  ein  Euterpidas  übernahm  die  Lieferung  und  Beschaffung 
derselben  für  die  Hälfte  des  arjxog  für  6167  Drachmen;  ein  Archikles 
nur  die  Lieferung  der  Steine  für  die  andere  Hälfte  für  etwas  mehr,  als 
4400  Drachmen;  ein  Lykios  wahrscheinlich  die  Herbeischaffung  derselben. 

Derselbe,  'E<p.  äpi-  1883  Sp.  92  n.  36  in  Majuskeln,  von  Bau- 
nack  umschrieben.  Fragment  {(jzoi^rjdov)  wahrscheinlich  einer  —  in  der 
1.  Pers.  Plur.  geführten  —  Unterhandlung  über  gottesdienstliche  An- 
gelegenheiten zwischen  den  Abgeordneten  einer  Phyle  und  dem  Volke. 

ti4— 37  Ehreninschriften  auf  fürstliche  Personen.    —   Derselbe,  E^. 

dp^.  1884  Sp.  31  u.  78.  Fragmentierte  Ehreninschrift:  Ttßipcov  Izßaazöv. 

154-68  Derselbe,    'E(p.   dpy.   1885    Sp.   28    n.   82.     Basisinschrift.     Die 

Stadt  der  Epidaurier  ehrt  Tcßspcov  KXaüdiov  Nipojva,  unarov,  zbv  ahzäg 
Tidrpoiva. 

t238  Derselbe,  'Ef.  dpy-  1883  Sp.  30  n.  11.    Ehreninschrift  auf  Furia 

{0poupca)  Tranquilla,  Gemahlin  Gordians  III.  (238 — 244  n.  Chr).  Hier- 
nach  ist  vielleicht  die  fragmentierte  Ehreninschrift  a.  a.  0.  Sp.  32  n.  79 
zu  ergänzen:  'AnuXig  d  zwv]  Erudaupi'ujv  (2)  0p{oüpiav)  TpavxoXXtav]  yu- 
vatxa  Kaccrapog  (3)  fopdcavod  Mdp}xou  ZeßaaToü. 


IV.  Peloponnesus.    2.  Argolis:  Epidaurus.  451 

Ehreninschriften  der  nokg  tcDi^  'Emdaupuuv  auf  Private.  —  Der- 
selbe, 'E(p.  äpi.  1883  Sp.  27  n.  4  auf  den  (sonst  unbekannten)  Koraö- 
diendichter  Diomedes,  S.  des  Athenodoros,  aus  Athen  (auf  derselben 
Basis  die  Weihinschrift  Sp.  28  n.  5;  s.  S.  454).  —  Sp.  29  n.  9  auf  Ni- 
katas,  S.  des  Sodamos,  aus  Epidauros,  äpcara  no^ireuö/isvov.  —  Sp.  30 
n.  10  auf  denselben:  ivaiov  (2)  Kopvr^hov^  J!(vaä/iou  olov^  Ncxd-iS)Tav, 
lepia  Tou  JJsßaarou  Jiac(Ta-{4)pog ,  8ts  dyujvoB^srijaavra,  7ipu)-{^)zov  rä 
'Ano?i?.(uvcETa  xa}  'A(Tx^a-(6)ms7a  xztoavzd  re  Kaiaa-{l)pecujv  Ttavdyoptv  xrX. 

—  Sp.  32  n.  16  auf  Publilia  Secunda,  T.  des  Cuaeus.  —  Sp.  86  n.  19  auf 
Tiberius  lulius,  Icdv^ou  uluv,  Claudianus.  —  Sp.  87  n.  20  auf  Laphanta, 
T.  des  Damophanes.  —  n.  21  auf  C  lul.,  Adxcovog  ulov,  Spartiacus.  — 
Sp.  89  n.  25.  26.  Zwei  Inschriften  auf  gleicher  Basis.  Die  Gymnasien 
in  Epidauros  und  die  au/xzoXtrsuovTsg  ehren  latiuva  'Ano^^cuvcou  'Emdau- 
pcov  YupLvamap'/rjaavza  iv  Juxsccuc  xzX.  Denselben  ehrt  die  Stadt.  —  n.  27 
auf  OuszoOpcov  üaxxcavav  zov  auvx^rixöv.  —  Sp.  90f.  n.  30.  31  (Frag- 
mente einer  gemeinschaftlichen  Basis)  1.  aufEuanthes,  S.  des  Eunomos, 
aus  Epidauros;  2.  auf  denselben,  etwas  ausführlicher;  3.  dürftiges  Frag- 
ment, ergänzt  von  Baunack  31a.  —  Sp.  91  n.  32  auf  Polykrates,  S.  des 
Euanthes,  aus  Epidauros  als  äyiovoMzrjg  der  AnoXXaivela^  AaxXamsTa  und 
Kmoapr^a.  —  'E<p.  dpx-  1884  Sp.  30  f  n.  77  auf  T.  Statilius,  S.  des  Ti- 
mokrates,  Lamprias.  Den  aus  vielen  Inschriften  bekannten  Stammbaum 
des  Geehrten  s.  Lebas  II,  151.  —  'E<p.  dpx-  1885  Sp.  192  n.  93;  an 
Stelle  einer  darüber  befindlichen  älteren  Inschrift.  Die  nuXig  (ohne  Art.) 
'Emoauplwv  ehrt  den  Thiasos,  S.  des  Aristodamos,  aus  Epidauros.  — 
Sp.  193  n.  95.    Basisinschrift,  von  welcher  nur  der  Schlufs   erhalten: 

Tu  xoc[v6v 1  Ncxo/isvr^g,  \   Tcpuavpazog  \   'ABr^vaToi  enürjaav.   Nach  den 

Buchstabenformen  möchte  der  Herausgeber  die  genannten  Künstler  dem 
4.  Jahrb.  v.  Chr.  zuweisen;  vgl.  Loewy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  n.  131a. 
Darüber  die  spätere  Zeile:  Arua  ^Apiazcnnou. 

Ehreninschriften  von  Privaten.  —  Derselbe,  'E^.  dpi-  1883 
Sp.  28 f  n.  7.  Damokles,  S.  des  D.,  ehrt  den  Eunomos,  S.  des  Arche- 
laos ,  in  Form  einer  Weihung  an  Asklepios.  Darunter  die  Künstler- 
inschrift: Euvoug  Euvu/iou  inocr^ae  {=  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  S.  189). 

—  Sp.  32  n.  15.  Laphanta,  T.  des  Telemachos,  aus  Epidauros  ehrt  ihren 
Gatten  Damokles,  S.  des  D.  —  E^.  dpi-  1885  Sp.  I89f  n.  88—91.  Vier 
zusammengehörige  Steinplatten  mit  Ehreninschriften  auf  Glieder  einer 
und  derselben  Familie,  deren  Stammbaum  sich  durch  fünf  Generationen 
verfolgen  läfst,  in  Form  von  Weihungen  an  Apollon  und  Asldapios:  n.  88 
Sodamos,  S.  des  Euklippos,  und  Laphanta,  T.  des  Telemachos,  aus  Epi- 
dauros ehren  die  Tochter  ihrer  Tochter  und  des  Euanthes,  Laphanta. 
n.  89  dasselbe  Ehepaar  ehrt  seine  Tochter  Chariko.  n.  90  Laphanta, 
T.  des  Telemachos,  aus  Epidauros  ehrt  ihren  Vater  T.,  Sohn  des  Tele- 
phanes,  und  ihre  Mutter  Chariko,  T.  des  Nikaretas.  n.  91  dieselbe  ehrt 
ihren  Mann  Sodamos,  S.  des  Euklippos.    Hierzu  gehörig:  'E<p.  dp^.  1883 

29* 


452  Griechische  Epigraphik. 

Sp.  32  n.  14:  Laphanta,  T.  des  Euanthes,  aus  Epidauros  ehrt  ihren 
Mann  Kleaichmidas,  S.  des  Kleandros,  in  Form  einer  Weihung  an  Apol- 
lon  und  Asklapios  (die  Stifterin,  vom  Sä/xog  Msjapiiov  geehrt,  s.  S.  444. 

—  'E(p.  äpi.  1884  Sp.  30  n.  76.  -  -  os  Gellios  ehrt  den  laimpü- 
zarov  bnarcxbv  xai  inai^opßcuzrjv  vr^g  'A'/auag  Cn.  Claudius  Leonticus. 
Der  Gefeierte  begegnet  auch  in  der  raegarischen  Inschrift  Rofs,  Intelli- 
genzblatt d.  Allg.  Littztg.  1844  n.  38  (Fouc,  Megara  56).  —  'E^.  dpx- 
1883  Sp.  85  n.  17.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  Publilius  Regulas 
(nach  dem  Druckfehlerverzeichnis  ist  '^PrjyXov  statt  Frjykov  zu  lesen).  — 
Sp.  88  n.  23.  24.  Zwei  Inschriften  auf  einer  Basis:  l.  Phaidrias  und 
Paulus  ehren  ihre  Mutter  Claudia,  T.  des  Tib.  Claudius  Polykrates,  Da- 
maro im  Auftrage  des  Vaters  Tib.  Claudius  Xenokles  nach  Erkenntnis 
des  Rats  und  Volkes.  2.  Weihinschrift  des  Priesters  Africanus  s.  S.  453  n.  24. 

—  Sp.  90  n.  29:  EncxzrjTov  ruv  suatßiazarov  u  (pcXog.  —  Sp.  152  n.  49. 
Paulus,  S.  des  lason,  und  Asklapias,  T.  des  Apollonidas,  aus  Epidauros 
ehren  ihren  Sohn  Mivav8po))  nopo<popr^aavza  in  Form  einer  Weihung  an 
Apollou  und  Asklapios.  —  'E(p.  äpy^.  1885  Sp.  29 f.  n.  83.  Archo,  T.  des 
Astyla'idas,  aus  Epidauros  ehrt  in  Form  eines  Weihgeschenks  an  Apol- 
lon  und  Asklapios  ihre  Mutter  Echekrateia,  T.  des  Damokles.  —  Sp.  194 
n.  96.  Olympias,  Olympiodoros  und  Nikis  ehren  ihren  Vater  Nikatas, 
S.  des  N.,  aus  Hermione  in  Form  einer  Weihung  an  Apollon  und  Asklapios. 

—  'E(p.  äpi-  1886  Sp.  249.  Eudamos,  S.  des  Teleas,  und  Timokratis,  T.  des 
Timon,  aus  Epidauros  ehren  ihren  Sohn  Teleas  in  Form  einer  Weihung 
an  Apollon  und  Asklapios.  Auf  demselben  Stein  die  jüngere  Weihinschrift 
des  Priesters  Africanus  (s.  S.  453).  —  'E(p.  d.px-  1883  Sp.  153  f.  n.  52. 
In  archaisierendem  Dialekt  ehren  die  Argiver  Straton  und  Thionis  ihre 
Söhne  (zh\>g  omvq)  unter  der  Form  einer  Weihung  an  Apollon  und  Askla- 
pios. Darunter  die  Künstlerinschrift:  ABrjvoyivrjg  'Apiazopivoog,  Aaßpiag 
äaponst&oug  'ApyeToc  inocrjcrrxv.  Dieselbe  Künstlerinschrift  auf  der  Basis  ^E^. 
äpi.  1885  Sp.  191  ff.  n.  92.  Vgl.  Loewy,  Inschriften  griech.  Bildhauer  n.  269. 

Weihinschriften.  —  Derselbe,  E(p.  dpx-  1885  Sp.  197f.  n.  101 
(Roberts  n.  289  a).  Archaische  Inschrift  eines  Erztäfelchens :  KaUcazpa-{'i) 
zog  dvsBax-{3)e  zdi'A<Tx{^)am-{4:)o]:  00  /idycpog.  —  'E^.  dp^.  1883  Sp.  25 
n.  1.  Z]rjvc  xa\  llsXiO)  [^x~\al  tmoiv  dEcysvisaacv  errichtet^)  ein  Weihge- 
schenk, dessen  Stele  mit  vier  Hexametern  erhalten  ist,  der  Hierophant 
AoyivYjg ^  Jyjoug  {:=  Demeter)  r.pÖTiokog,  llacTjovog  IpsOg.  Datum:  po8' 
izsi  (wohl  der  Ära  von  Aktium  =  143  n.  Chr.).  —  Sp,  147  n.  37.  Stele 
desselben  Stifters:  'AnoUaivc  (2)  kxazrjßeXizrjt  (3)  b  hpocpdvz^g  (4)  dto- 
yivTjg  (5)  xaz'  uvap.  Aufserdem  fünf  kleine  Marmoraltäre,  geweiht  von 
dem  lepzbg  ätoyivrjg:  1.  Sp.  148  n.  38:  leXrjvrj  tcoXlxjuvü/ioj;  2.  Sp.  149 
n.  39:  TsX[c(T^6p]wc  ^(v[zrj]pc;  3.  n.  40:  ' ryisc'^  Iiozeipq.  (ihr  Tempel  war 


1)  Mit  Dittenberger,  Epigraphische  Miscellen  in  den  »historischen  und 
philologischen  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet« 
Berlin  1884  S   291  ist  V.  3  efff'  zu  lesen. 


IV.  Peloponnesus.    2   Argolis:  Epidaurus.  453 

nach  Paus.  2,  27,  6  von  Antonin  während  der  letzten  Regierungsjahre 
Hadrians  erbaut  worden);  4.  n.  41:  ^A-nöXkuvi  Ma^sära;  5.  Sp.  150  n.  42: 
'AaxXrjTTiüj  ZwTrjpt.  Nach  4.  ergänzt  der  Herausgeber  die  Inschrift  gleichen 
Fundorts  Athenaion  X,  554  n.  7:  'AnöXXcovt  MaXeäzq.',  so  schon  Röhl  I,  60. 

—  Sp.  31  n.  12:  iiyc  OiXtu)  llupoiog  xaz'  ovap.  —  Sp.  87  n.  22.  M 
Kaaiiut  errichtet  Hellanokrates,  S.  des  Herakleides,  ein  Weihgeschenk. 
Über  das  Epitheton  Kämog  s.  Baunack.  —  Sp.  31  n.  13:  'AttüXXmvi  Aa- 
xXamw  KXauotavög.  —  Sp.  237 f.  n.  61.  Weihgeschenk  des  Tib.  Claudius 
Severus  aus  Sinope,  errichtet  dem  At:6XXu}vc  MaXedza  xal  Hajrr^pc  Aa- 
xX-r^mS)  zum  Dank  für  die  Heilung  des  Gottes  von  Kröpfen  im  Nacken 
und  vom  Krebs.  Ergänzungen  von  Baunack  n.  61.  —  'Ecp.  dpy.  1884 
Sp.  26  n.  67 :  'AttoXJojvc  xal  ' AaxXrjmwi  (Tuyyvw/ioacv  6  cspeug  '^EXixcbv  to 
pny'  =  183  (der  Hadrian.  Ära?).  —  'A>.  äpy.  1883  Sp.  24  n  64. 
'AnuXX\wvi  'TjTtazacü)  (nach  der  Stadt  Hypala)  errichten  ein  Weihgeschenk 
Pausantas  und  Komasios.  —  Sp.  27  n.  69.  Fragment:  'AnoXXwvog]  vo- 
fiioi)  Ncxcuv  JioxXsoug  riOpo(poprjaag.  —  Sp.  88  n.  24:  'AaxXrjmw  (2)  xXu- 
Tofirj-ciolc  (3)  'Afpcxavug  (4)  It  Ispsug  (5)  tu  ß' .  Auf  derselben  Basis 
die  Ehreninschrift  des  Phaidrias  und  Paulus  S.  452  n.  23.  —  '  E^. 
dpy.  1886  Sp.  249:  ' AaxXrjm&  x\cu  (2)  ^Tyeia  x\at  (3)  TeXBa(p6pü)  (4) 
dXe^cTTuvocg  (5)  "Acppixavog  (6)  u  Ispeug  zu  ß'.  Auf  demselben  Stein 
eine  ältere  Ehreninschrift  unter  der  Form  der  Weihung  (s.  S.  452).  — 
'E<p.  dpy.  1883  Sp.  150  n.  44:  'AaxXr^mu)  eoxoXoi  0tXmnog.  —  Sp.  154 
n.  53:  KXs]atypcdo.g  Aapocpdveog  lepebg  y£v6p.evog  'AaxXrjncwc.  —  Sj).  156 
n.  57:  ^hpoxXrjg  ' A<ppodetatoo  cepsijg  zoT>  2Jioz^pog  'AaxXrjmoü  IJrxv&ec'o) 
xaz'  ovap.  —  Sp.  157  n.  58.  Fragment:  'AaxXrjma)  lajzrjpt  u.  s.  w.  — 
'E<p.  apy.  1884  Sp.  21  n.  62.  'AaxXy^moJc  Atysojzrjt  errichtet  b  hpocpdv- 
zTjg  xai  lepebg  zoü  2(uz^pog  Mvaaiag  {Mvaaeou]  "^Epfiioveug  ein  Weihge- 
schenk xaz'  ovap.  Datum  aXß'  =  232  (der  Ära  von  Aktium  =  201  n.  Chr.?). 

—  Sp.  24  n.  65,  Fragment:  -  -  Jd  'AaxXrjmioc.  —  Sp.  27  n.  70:  'AaxXrj- 
ncoo  IJspya/jLifjvög.  —  Sp.  29  n.  74:  Ar^/idp?]azog 'Apiczepivou  Kopiv&iog 
AcrxXaztüJc.  [2!7:]ouocag  inocrjGs  A^rjvacog.  Der  Künstler  ist  unbekannt; 
vgl.  Löwy  n.  135  <!.  Nachtr.  S.  388.  Aus  hellenistischer  Zeit.  —  'E(p. 
dpy.  1885  Sp.  84  n.  85:  AaxXr^ruw  JJojzr^pc.  —  Sp.  84f.  n.  86:  Aypmirag 
za>  &£(v  zov  'AaxXrjmov  suyapcazwv.  —  Sp.  198  n.  100:  l4]pcazapyog  'Ep- 
ytvoo  AaxXamm.  —  E^.  dpy.  1883  Sp.  151  f.  n.  47:  'lepehg  HzazecXcog 
HexoüvSog  AcrxXrjmoo  nacmv  —  izet  oa  =  71  (der  Hadrianischen  Ära?).  — 
Sp.  89  n.  28:  AaxXrjmib  up^m  diovöaiog.  Wohl  von  demselben  Stifter 
^E(p.  dpy.  1885  Sp.  195  n.  98:  Apzip.t\bi\  bpi^tq.  Aiowatog  xaz'  ovap. 
Über  das  Epitheton  opbcog,  op^i'a  des  Asklapios  und  der  Artemis  {»dcozc 
BspaTieucüV  zoug  xazaxexXciJiivoug  daBsvecg  inocst  auzohg  dp&coug«)  s.  den 
Herausg.  Sp.  196  und  Baunack  zu  n.  28.  —  Sp.  156  n.  56:  11.  ÄiXiog 
diovuaiou  Avzcöyoo   lepaTioXriaag  AffxXrjmw  xal  zolg  iv  zw  Avaxsüu  &soTg. 

—  '£jp.  dpy.  1884  Sp.  23  f.  n.  63.  'AaxX[rjmw\  und  Tycsli^]  zeXea<pöpoig 
FlaijzaXuüzatg  errichtet  ein  Weihgeschenk  ' llpaxXtavug  b  Ispeüg  In  der 
thrakischen  Stadt  Pautalia  befand  sich  ein  Heiligtum  der  genannten  Gott- 


454  Griechische  Epigraphik. 

heiten.  —  'E^.  äpx-  1883  Sp.  151  n.  45.  Marmornes  Altärchen:  ^Ixixrjg 
MeXavwTiüg.  Von  demselben  die  Weihinscbrift  n.  46:  MTf]Tpl  Bewv  Ixirrjg 
xaz  ovap  MelavwnoQ  ereu^sv.  —  Sp.  153  n.  50.  Weihgeschenk  des  Me- 
nodoros,  S.  des  Aga[thokles],  nupol^opi^arxg]  an  drjprjrrjp  xapno^öpog.  — 
Sp.  155  n.  55.  Fragment  der  Weihinscbrift  eines  7itjpo[(fop^qag]  an  dr^- 
P-TjTrjp  xapno<p6pog.  —  Sp.  28  n.  5:  ''ApTipi[§'\og  na/x^uXa[c]ag  EoxpaTTjg 
EuxpdzEog  (auf  derselben  Basis  die  Ehreninschrift  n.  4;  s.  S.  451  o.).  — 
'Ef.  äpy.  1884  Sp.  27  n.  70:  'Apzdutzog  Tzpo^upcxlag.  —  'F.<p.  dpy.  1883 
Sp.  152  n.  48:  'Ap-ejxiBc  ^Exd-rjt  hnrjxowc  0dßouXXog.  —  'E<p.  apy.  1884 
Sp.  28  n.  72:  'ABi^väg  [xa]XXcspyou  ^AnoXKu)Viog  Jüjpac[oo7]  7iupo(poprj(jag 
TÖ  Zp'  e'og  =  107  (der  Ära  von  Aktiura?).  —  'E^.  dp/.  1885  Sp.  195 
n  97.  'A&Yj'^äc  rioXcdS:  errichtet  ein  Weihgeschenk  6  hpebg  -ou  JJcoz^pog 
^Aaxkfjmoo  AaSouyog  (Eigenname;  wahrscheinlich  derselbe  Dedikant  'E<p. 
dpi.  1886  Sp.  251  f.  n.  1;  s.  u.)  xaz'  ovap.  —  Sp.  196 f.  n.  99:  'HXm  xai 
z^o7v  ätoaxoupotv  lex{oov§og)  Ilojiimvvcog)  'IXapiavhg  AXxdazoo  Aaxsdai- 
jjidvtog  xaz'  ovap.  —  ' Ecp.  dp/.  1884  Sp.  25  n.  66:  Ildac  xal  miaatg 
Eimopog  lepanoXrjaag.  Datum:  py'  szog  =  43;  wahrscheinlich  der  Ha- 
drianischen  Ära,  die  mit  der  Münzenprägung  der  Epidaurier  zu  Ehren 
des  Kaisers  beginnt  (vgl.  Mionnet,  Suppl.  IV,  240  n.  26 — 32).  —  '£^. 
dp/.  1883  Sp.  150  n.  43.  Marmornes  Altärchen:  'EUou  ßujpov  'hpo- 
xXrjg  xaz^  ovap.  —  Sp.  91  n.  33:  Tzleaiföpioi.  —  Sp.  156  n.  57  bis. 
Von  einer  Altarinschrift  nur  lesbar:  TeXe<T(p6pu).  —  'E<p.  dpy^.  1884 
Sp.  26  n.  68.  Hexametrische  Weihinschrift:  Biup-ov  UavBecujt  cspeug 
tdp'joazo  Mog.  —  Sp.  28  n.  73.   Fragmentierte  Weihinschrift:  Müpiog  dv£- 

Y^Tjxe]  vuxzog  np ispsug  Nacx  - -.  —  'E^.  dp/.  1883  Sp.  154  n.  51. 

Weihgeschenk  der  lapopvdpoveg  Diodoros,  Nikomenes,  Lakritos,  Aristar- 
chos.  —  Sp.  28  n.  6.  Stele  mit  fragmentierter,  nahezu  gleichlautender 
Doppelinschrift;  u.  a. :  ' Eiiafpäg  Mdpxou  nopofop-fjaag.  —  Sp.  29  n.  8. 
Basis  mit  zwei  Inschriftfragmenten:  1.  eines  ■nopoipoprjaag -.i  2.  Fragment 
der  Inschrift  eines  Künstlers  Thysandros  (Löwy  S.  190).  —  Sp.  85  n.  18. 
Fragmentierte  Basisinschrift:  no\7:XtXio\g  — Sr^g  dvs&rjxev.  —  Sp.  27 
n.  3.  Kline  mit  der  Widmung:  'ApxeacXaog,  AüaavSpog  dvsMzav.  — 
Sp.  27  n.  2.  Basis  eines  Weihgeschenks:  Accov  Aapo^lXoo  'Apyslog  knocr^az 
(wiederholt  Keinach,  Rev.  arch.  III  1883  S.  396  und  Löwy  S.  189).  — 
Sp.  91  n.  34.  Fragment:  — aapidiovzog.  —  Sp.  92  n.  35.  Blumen  aus 
Thon  mit  der  Aufschrift:  'AaxlT^moTj.  —  'E(p.  dp-/.  1885  Sp.  193  f.  n.  94. 
Basisinschrift  des  Siegers  in  den  olympischen  Spielen  Apopug  nalg  0eo- 
8<upou  aus  Argos  in  drei  Hexametern. 

Staes,  'E^.  dp^.  1886  Sp.  249  (Taf.  11).  Zwei  Basisinschriften 
von  Statuen  der  Hygieia:  1.  T^  '^T^^q-  (2)  Fdiog  (3)  Mzpa  (=  Kurlohn). 
2.  Aoaipay^og  zfj  ipau-{2)~oü  ^ajzscpy^  xal  TöXea-(fi)<p6p(ü. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  251  ff.  (Taf.  12).  Petersen,  MDAI  XI 
1886  S.  309  ff.  —  Basisinschriften  dreier  Athenastatuetten:  1.  Staes, 
Sp.  251  f.     Petersen,   S.  309   n.  1   (Abbild.   S.  311):    \iBrjväi   Tpeca    6 


IV.  Peloponnesus.    2.  Argolis:  Epidaurus.  455 

cepeug  rou  Zcorrjpog  'AcrxXrjmorj  (2)  Mäp{xog)  'Iouv{cog)  Jaoau^og  (Eigen- 
name; wahrscheinlich  derselbe  Dedikant  '%.  dp/.  1885  Sp.  195  n.  97; 
s.  S.  454)  TU  (3)  prra'.  —  2.  Staes,  a.  a.  0.,  Petersen,  S.  316  u.  2.  In 
kursiven  Charakteren:  dsou  Tzlpoazayfj  'AXi^avopog  zrjv  'A9rjva:av  zfj  ''Apxi- 
/icoc.  Derselbe  Dedikant  Staes,  Sp  255:  'AXe^avdpog  \iaxlrjmu).  — 
3.  Staes,  Sp.  256;  Petersen,  S.  320  n.  3.  Distichon:  naTpoxa{aiyv^r\rjV 
' Aaxh^ruS)  ecaaz^  (der  Apostroph  völlig  deutlich)  (2)  'A&:^vrjv  (3)  'AaxdXou 

ix  yatr^g   awa-pa   <pipu)V  rd-{4:)vs8?.cg.     (5) im  c£pi]ajg  Aap.  Ncxi- 

pw-og.  Nach  Kumanudes,  Sp.  256,  ist  der  Dedikant  vielleicht  identisch 
mit  Genethlios  aus  Petra  in  Palästina,  einem  Sophisten  der  nachchrist- 
lichen römischen  Zeit. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  254:  'A&amg  dp'/a-{2)y£zi8og  (3)  'lepoxXrjg 
Xapc-{4:)xXzoug  7iopu-{ß)(fopY]aag  im.  (6)  cepeujg  XapcxXs-{7)oug  toü  Me- 
vdv-(8)8poo. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  247 f.  (Taf.  11).  Basis  einer  Asklepios- 
statue  mit  Widmung  (2  Distichen),  wonach  auf  grund  eines  Traumge- 
sichts der  apy^iepeug  ükobzap'/^og  aus  Athen  (xlzmig  {^sodijpuvog  'ArBtoog 
air^g  Z.  3)  und  daselbst  Ipunulog  Bpupioo  (=  Dionysos,  Z.  4),  als  hpa- 
TioXr^aag  sToug  pne'  (=  185  nach  dem  Besuche  Hadrians)  die  Statue 
weihte.  —  Dafs  der  Dedikant  in  dem  genannten  Jahre  leponuXog  des  As- 
klepios  war,  meldet  auch  eine  andere  Basisinschrift,  Sp.  249:  '0  dp^ia- 
psug  IJXou-ap^og  (2)  lepanoXr^aag  rS)  Sajxrjpi  (3)  'AaxXrjmäi  izoug  pixe' . 
—  Beide  Weihungen  zeigen  Schriftcharaktere  des  4.  Jahrh.  n.  Chr. 

Kabbadias,  'Ef.  äpx-  *1885  Sp.  65  —  74  n.  84  (Baunack  S.  147 
— 160).  Weihinschrift  in  dorischem  Dialekt  (namentlich  in  den  Partieen 
3.  und  6.  mit  lonismen  vermischt,  im  Päan:  KXso(prjpa).  Auf  das  Prä- 
skript: "laoXXog  J^cuxpazeug  '  EmSaupcog  (ein  sonst  unbekannter  Dichter) 
dvißr^xs  1  'AriöXXajvt  MaXsdzac  xac  'AaxXamüJc  folgen  in  ebensoviel  Versen 
als  Zeilen: 

1.  Z.  3  —  9.  7  trochäische  katalektische  Tetrameter.  Politisches 
Axiom  des  Dichters:  Das  Volk  besitzt  einen  sichern  Schutz  in  der  Tüch- 
tigkeit seines  aristokratischen  Regiments;  sollte  jedoch  einer  der  Aristo- 
kraten seine  Gewalt  mifsbrauchen,  so  mufs  das  Volk  ihn  seines  Amtes  ent- 
setzen und  bestrafen. 

2.  Z.  10 — 26.  17  Hexameter.  Der  Vorschlag  des  Dichters  wurde 
vom  Volke  zum  Gesetz  erhoben:  dafs  von  den  besten  Bürgern  Auser- 
wählte alljährlich  eine  feierliche  nupurj  zu  ApoUon  und  Asklepios  ver- 
anstalten und  für  alle  Bürger  Gesundheit,  gesetzliche  Ordnung,  Frieden 
und  Wohlstand  erflehen  sollten.  Alsdann  würde  der  Schutz  des  Zeus 
nicht  ausbleiben. 

3.  Z.  27 — 31.  Ein  Distichon  und  3  Hexameter  zum  Preise  des 
Apollon  und  des  Asklepios.  Malos  (wahrscheinlich  Sohn  des  Deukalion) 
ist  Stifter  des  Kultes  des  Apollon  Maleatas,  der  sich  sogar  bis  zu  dem 
thessalischen  Trikka  verbreitete. 


456  Griechische  Epigraphik. 

4.  Z.  32  —  36.  Prosaische  Mitteilung  eines  Orakelspruches,  der 
dem  Dichter  auf  sein  Befragen  von  dem  delphischen  Orakel  zu  teil  wurde : 
Er  solle  den  von  ihm  gedichteten  Päan  auf  Apollon  und  Asklepios  nieder- 
schreiben lassen. 

5.  Z.  37 — 56.  Päan  (für  den  offiziellen  Bittgang)  auf  Apollon  und 
Asklepios  (ohne  Versteilung)  in  ionici  a  minore,  akatalektisch  mit  Aus- 
nahme dreier  Verse,  enthaltend  die  Genealogie  des  Asklepios  (ausführ- 
licher und  anders  als  bei  Pausanias  2,  26,  4.  7):  Malos  erhält  von  Zeus 
die  Muse  Erato  zum  Weibe ;  ihrer  Tochter  Kleophema  und  des  Epidau- 
riers  Phlegyas  Tochter  ist  Aigle,  wegen  ihrer  Schönheit  auch  Koronis 
genannt.  Dieser  und  des  Apollon  Sohn  ist  Asklepios.  —  Über  die  Einzel- 
heiten des  Metrums  siehe  die  Ausführungen  des  athenischen  Professors 
Semitelos  Sp.  73 — 77,  vonBlafs,  Fleckeisens  Jahrbücher  Bd.  131/2  1885 
S.  823  —  825  und  von  v.  Wilamowitz-Möllendorff,  der  in  einer 
ausführlichen  Abhandlung:  Isyllos  von  Epidauros  (Philol.  Untersuch,  von 
Kiefsling  und  v.  W.-M.  Heft  9.  Berlin  1886.  VIII  und  202  S.  gr.  8. 
4  Mk.)  mit  umfassender  Gelehrsamkeit  die  Stellung  dieses  »talentlosen 
Poetasters  und  possenhaften  Politikers«  in  der  griechischen  Geschichts- 
und Kulturentwicklung  zu  bestimmen  sucht.  (Inhalt  der  Schrift:  1.  Die 
Gedichte  mit  kritischen  und  exegetischen  Bemerkungen;  2.  Folgerungen 
für  die  Geschichte,  durch  welche  interessante  Resultate  für  die  politische 
Gestaltung  des  Peloponnes  zu  Isyllos'  Zeit  gewonnen  werden;  3.  Folge- 
rungen für  die  Religion,  mit  ausführlicher  Behandlung  des  Asklepios- 
dienstes.  Bemerkenswert  ist  die  Rekonstruktion  einer  auf  ihn  bezüg- 
lichen Eöe  des  Hesiod.  Folgen  Exkurse.) 

6.  Z.  57^77 1).  21  Hexameter.  Bericht  über  die  wunderbare  Hülfe, 
die  Asklepios  den  Lacedämoniern  angedeihen  liefs,  als  Philipp  gegen  sie  zu 
Felde  zog.  Der  Dichter,  dem  als  Knaben  die  Offenbarung  des  Gottes  zu  teil 
wurde,  verkündete  die  hülfsbereite  Absicht  desselben  den  Lacedämoniern, 
die  den  Gott  durch  das  Fest  der  &eo$svca  ehrten  —  Nach  Kabbadias  und 
Wilamowitz  bezieht  sich  das  erwähnte  Ereignis  auf  den  Einfall  Philipps  II. 
von  Macedonien  in  den  Peloponnes  nach  der  Schlacht  bei  Chäronea. 
Der  Gesetzantrag  des  Isyllos  dürfte  nach  Wilamowitz  etwa  280  v.  Chr. 
fallen ;  doch  datiere  die  Inschrift  aus  dem  Greisenalter  des  Dichters,  vgl. 
Z.  58/59 :  'Ey  xetvotai  ^pövotg^  oxa  3^  OTparov  rjye  0tXinnog^  \  Elg  2ndp- 
XTjv  i&i^ojv  dveXöTv  ßaat?<rjt8a  ri/irjv.  —  Dagegen  bezieht  Blafs,  a.  a.  0. 
S.  822  die  erwähnte  Absicht  auf  den  Polyb.  5,  18  ff.  berichteten  Zug 
Philipps  III.  218  V.  Chr.  uud  weist  die  Inschrift  auf  grund  von  Schrei- 
bungen wie  inocxreipov  Z.  67,  awCovzt  Z.  7o  dem  Anfang  des  2.  Jahrh. 
v.  Chr.  zu. 

7.  Z.  78.  79.  Schlufs  in  2  Hexametern:  TaUzd  zoc,  w  (leydpKTze 
Sewv,  äviBif]XEv  ^'lauXXog,  \  TijioJv  arjv  äpezijv,  ujva^,  wanep  zb  dcxaiov. 


1)  Z.  72  liest  Blafs,  a.  a.  0.  S.  823  Anm.  1 :  wpae  vörjfia  statt  <bpas.v  ^^fia. 


IV.   Peloponnesus     2    Argolis:  Epidaurus.  457 

Heilinschriften.  —  Derselbe,  'E<p.  dp^-  1883  Sp.  199—216  n.  59. 
Eine  in  ihrer  Art  einzige,  vortrefflich  erhaltene,  126  Z.  umfassende  Stoi- 
chedoninschrift;  ein  Katalog  der  im  Tempel  des  Asklepios  geheilten 
Kranken  mit  ihren  wunderbaren  Heilungsgeschichten,  die  uns  anmuten, 
wie  die  Lektüre  alter  Legenden.  Ein  besonderes  Interesse  erweckt  die 
Inschrift  noch  dadurch,  dafs  sie  eine  der  sechs  von  Pausanias  (2,  27,  3) 
erwähnten  Steinurkuuden  ist,  die  derselbe  (oder  sein  Gewährsmann)  an 
Ort  und  Stelle  las.  Zu  vergleichen  ist  auch  die  Notiz  bei  Strabo  8,  373c. 
Nach  dem  Urteil  des  griechischen  Herausgebers  gehört  sie  dem  3.  Jahrh. 
V.  Chr.  an.  Besteht  jedoch  die  unten  zu  n.  9  erwähnte  Vermutung 
Zachers  zu  recht,  so  wäre  für  den  Text  einer  anzunehmenden  Vorlage 
unserer  Urkunde  ein  bedeutend  höheres  Alter  (spätestens  400  v.  Chr.) 
erwiesen  und  würde  die  Entstehung  der  Legenden  selbst  ins  5.  Jahrh. 
zu  verlegen  sein  (Zacher,  Hermes  XXI  1886  S.  468).  —  Der  interessante 
Inhalt  mag  einen  ausführlicheren  Bericht  über  die  aufgezeichneten  Kuren 
rechtfertigen.  —  Unter  der  gemeinsamen  Überschrift :  6öug.  Ti>ia  dyaßd. 
(2)  'ld]naza  zou  'AndUujvog  xai  zuTt  'AaxAamou  folgen  20  in  einheimi- 
schem Dialekt  abgefafste  Heilungsberichte,  deren  jedem  die  summarische 
Angabe  des  Namens  des  Patienten  und  meist  auch  seines  Leidens  voran- 
gestellt ist. 

1.  Z.  3 — 9.  Eine  Frau  Kleo  konnte  trotz  Sjähriger  Schwanger- 
schaft nicht  gebären.  Nachdem  sie  in  dem  Heiligtum  geschlafen,  genas 
sie  eines  Knäbleins,  welches  sich  alsbald  in  einer  Quelle  badete  und 
dann  fröhlich  neben  der  Mutter  einhersprang,  worauf  die  glückliche  Mutter 
ein  Weihgeschenk  in  Versen  (2  Hexameter  und  1  Pentameter;  Bücheier, 
Rhein.  Mus.  XXXIX  1884  S.  620;  über  den  dürftigen  Bau  derselben  v.  Wi- 
lamowitz-Möllendorff.  Hermes  XIX  1884  S.  449  Anm.  1)  errichtet. 
2.  Z.  9 — 22.  Ein  Weib  Ithmonika  aus  Pellene  bittet  im  Traume  den 
Asklepios,  er  möge  sie  mit  einer  Tochter  schwanger  werden  lassen.  Sie 
erklärt  ausdrücklich  auf  die  Frage  des  Gottes,  ein  weiteres  Anliegen 
nicht  zu  haben.  Infolge  dessen  gebiert  sie  das  Mägdlein  erst,  als  sie 
nach  dreijähriger  Schwangerschaft  den  Gott  auch  um  die  Geburt  gebeten 
hat.  3.  Z.  22 — 33.  Ein  Mann,  der  seiner  Finger  nicht  mächtig  ist, 
kommt  hülfeflehend,  verspottet  jedoch  die  Heilungslegenden  im  Tempel. 
Er  träumt,  am  Fufs  des  letzteren  zu  würfeln,  wobei  der  Gott  ihm  die 
Finger  wieder  gelenkig  mache.  Auf  die  Frage  des  Gottes  erklärt  er, 
jetzt  auch  den  Heilungsgeschichten  Glauben  schenken  zu  wollen.  Der 
Gott  begnügt  sich  mit  dieser  Sinnesänderung,  und  morgens  verläfst  der 
Patient  geheilt  das  Heiligtum.  4.  Z.  33 — 41.  Die  einäugige  Ambrosia 
aus  Athen  kommt  in  den  Tempel,  spottet  jedoch  über  die  Votivtafelu, 
nach  welchen  Lahme  und  Blinde  durch  ein  Traumgesicht  geheilt  sein 
sollten.  Im  Traum  erklärt  ihr  der  Gott,  sie  auf  die  Bedingung  hin  heilen 
zu  wollen,  dafs  sie  zur  Strafe  ihres  Unglaubens  ihm  ein  silbernes  Schwein 
weihe.    Nach  dieser  Zusicherung  schlitzt  er  ihr  das  kranke  Auge  auf 


458  "  Griechische  Epigraphik. 

und  giefst  Arznei  hinein.    Morgens  verläfst  sie-  gesund   das  Heiligtum. 

5.  Z.  41—48.  Ein  Vater  bringt  seinen  stummen  Sohn  in  den  Tempel. 
Nach  Darbringung  der  Opfer  fragt  der  Tempeldiener  den  Vater,  ob  er 
sich  verpflichten  wolle,  nach  erfolgter  Heilung  innerhalb  Jahresfrist  das 
Kurgeld  an  den  Gott  zu  entrichten,  worauf  der  Knabe  selbst  antwortet: 
»Ich  verpflichte  mich«;  und  von  Stund  an  hatte  er  die  Sprache  wieder. 

6.  Z.  48 — 54.  Der  Thessaler  Pandaros  hatte  das  Gesicht  voller  Warzen. 
Er  träumt,  der  Gott  unterbinde  dieselben  und  heifse  ihn  nach  Verlassen 
des  Heiligtums  die  Binde  abnehmen  und  ihm  weihen.  Nachdem  er  dies 
gethan,  ist  er  der  lästigen  Zugabe  los.  7.  Z.  54—68.  Zu  Hause  au- 
angekommen,  übergiebt  Pandaros  seinem  Landsmann  Echedoros,  der 
wegen  eines  gleichen  Leidens  die  Heilkraft  des  Gottes  erproben  möchte, 
eine  Summe  Geldes  als  Daukopfer  für  den  Gott.  Doch  behält  letzterer, 
in  Epidauros  angekommen,  das  Geld.  Auf  die  Frage  des  allwissenden 
Gottes  im  Traumgesicht  leugnet  er  den  Empfang  desselben,  erklärt  sich 
jedoch  bereit,  nach  erlangter  Heilung  eine  Votivtafel  zu  errichten.  Dai'auf 
legt  ihm  der  Gott  die  Binde  des  Pandaros  an  mit  dem  Geheifs,  sich  in 
der  Quelle  zu  waschen.  Als  er  dies  bei  Tagesanbruch  gethan,  sieht  er 
im  Spiegel  der  Quelle  sein  Antlitz  aufser  durch  die  eigenen  Warzen  auch 
noch  durch  die  des  Pandaros  entstellt.  Vgl.  die  alttestamentliche  Ge- 
schichte von  dem  aussätzigen  syrischen  Feldhaujitmann  Naemau  und 
Elisa's  habsüchtigem  Diener  Gehasi  2.  Kön.  5.  Von  Wichtigkeit  sind 
die  Ergänzungen  durch  v.  Wilamowitz-MöUendorff,  Hermes  XIX  1884 
S.  452;  vgl.  auch  zu  u.  3.  4.  10  S.  450f.  8.  Z.  68—71.  Euphanes,  ein 
mit  dem  Stein  behafteter  Knabe  aus  Epidauros,  schläft  im  Heiligtum. 
Auf  die  Frage  des  Gottes  im  Traum,  was  er  ihm  schenken  wolle,  wenn 
er  ihn  gesund  mache,  antwortet  er  treuherzig:  10  Würfel.  Lachend  dankt 
der  Gott  für  das  ihm  zugedachte  Geschenk,  und  bei  Tagesanbruch  ver- 
läfst der  Knabe  gesund  das  Heiligtum.  9.  Z.  72 — 78.  Ein  Einäugiger, 
der  statt  des  einen  Auges  nur  eine  leere  Höhle  hat,  wird  von  den  Kran- 
ken im  Tempel  wegen  seines  zuversichtlichen  Glaubens  verspottet  (der 
wahrscheinlich  auf  eine  ältere,  in  anderem  Alphabet  geschriebene  Ur- 
kunde zurückzuführende  Steinmetzfehler  iksyov  §7)  statt  eyiXiuv  8s  wird 
von  Zacher,  Hermes  XXI  1886  S.  467  verbessert).  Der  Gott  giefst  ihm 
im  Traum  eine  Arznei  in  die  leere  Augenhöhle,  und  er  verläfst  zweiäugig 
das  Heiligtum.  10.  Z.  79 — 89.  Ein  Lastträger  fällt  und  zerbricht  den 
Becher  seines  Herrn.  Als  er  traurig  die  Scherben  wieder  zusammen- 
setzt, höhnt  ihn  ein  Wandrer,  selbst  Asklepios  könne  den  Krug  nicht 
wieder  herstellen.  Er  sammelt  die  Scherben  in  einen  Sack  und  als  er 
das  Heiligtum  betritt,  zieht  er  den  Krug  unversehrt  hervor.  11.  Z.  90 
— 94.  Ein  Aischinas  besteigt,  als  die  Bittenden  schon  im  Tempel  schlafen, 
neugierig  einen  Baum  und  späht  in  das  Heiligtum.  Er  fällt  und  zer- 
schlägt sich  an  Pfählen  die  Augen.  Blind  fleht  der  reuige  Sünder  den 
Gott  um  Hülfe  an  und  wird  geheilt     12.   Z.  95—97.    Ein  Euippos  trug 


IV.  Peloponnebus.     2.  Argolis:  Epidaurus.  459 

6  Jahre  lang  eine  Lanzenspitze  im  Kinnbacken.  Im  Traum  scheint  der 
Gott  dieselbe  herauszuziehen  und  ihm  in  die  Hand  zu  geben.  Bei  Tages- 
anbruch verläfst  er  das  Heiligtum  gesund  mit  der  Lanzenspitze  in  der 
Hand.  13.  Z.  98 — 103.  In  der  Brust  eines  Mannes  aus  Torone  hatten 
Blutegel  {oEfxsÄsT.^;  nach  Hesych.  os/j.ßh7i  =  ßozXXat,  vgl.  u.  a.  Bücheier, 
Rhein.  Mus.  XXXIX  ]  884  S.  620)  ihre  Wohnstätte  aufgeschlagen,  die  ihm 
seine  tückische  Stiefmutter  in  einem  Trank  eingegeben  hatte.  Er  träumt, 
der  Gott  schlitze  ihm  die  Brust  auf,  gebe  ihm  die  Würmer  in  die  Hand 
und  nähe  die  Brust  wieder  zu.  Beim  Morgengrauen  verläfst  er  gesund 
das  Heiligtum  mit  dem  Gewürm  in  den  Händen.  14.  Z.  104 — 106.  Ein 
Mann  hat  einen  Stein  im  Schamglied.  Er  träumt,  er  pflege  Umgang  mit 
einem  schönen  Knaben.  Als  er  erwacht,  wirft  er  den  Stein  heraus  und 
trägt  ihn  In  der  Hand  mit  sich.  15.  Z.  107  — 110.  Den  siechen  Her- 
modikos  aus  Lampsakos  heifst  der  Gott  im  Traum  den  schwersten  Stein 
in  das  Heiligtum  tragen,  den  er  bewältigen  könne.  Er  schleppt  den 
vor  dem  Heiligtum  liegenden  Stein  in  den  Tempel.  16.  Z.  111.  112. 
Dem  lahmen  Nikanor  stiehlt  ein  ihm  erscheinender  Knabe  die  Krücke. 
Er  verfolgt  ihn  und  ist  geheilt.  17.  Z.  113 — 119.  Ein  Mann  mit  einem 
bösen  Geschwür  an  der  Zehe  wird  von  den  Dienern  täglich  in  das  Hei- 
ligtum gebracht.  Im  Schlaf  heilt  ihn  eine  aus  dem  Tempel  hervorkom- 
mende Schlange  durch  Lecken  mit  der  Zunge;  gesund  erwacht  er. 
18.  Z.  120 — 122.  Der  blinde  Alketas  'AXtxhg  glaubt  im  Traum,  der  Gott 
fahre  mit  den  Fingern  durch  seine  Augen,  worauf  er  die  Bäume  im 
Heiligtum  sehen  könne.  Bei  Tagesanbruch  geht  er  geheilt  von  dannen. 
—  Auch  Pausanias  (2,  36,  1)  oder  sein  Autor  las  diesen  Heilungsbe- 
richt. Ersterer  schiefst  aus  dem  Ethnikou  der  Urkunde  auf  eine  Stadt 
^AXiXTj^  deren  Ort  er  sogar  nachweisen  will.  Vgl.  v.  Wilamowitz-Möllen- 
dorff,  Hermes  XIX  1884  S.  449  Anm.  2.  Das  von  letzterem  S.  452 
Anm.  3  in  Tzparov  korrigierte  bprxTov  Z.  121  nimmt  Zacher,  Hermes  XXI 
1886  S.  467  Anm.  1  in  Schutz.  19.  Z.  122—125.  Dem  Heraieus  aus 
Mytilene,  der  wegen  seiner  Glatze  verspottet  wird,  verschafft  der  Gott 
durch  eine  Salbe  einen  üppigen  Haarwuchs.  20.  Z.  125.  126.  Der  blinde 
[Thjyson  aus  Hermione  wird  im  Traumgesicht  durch  das  Lecken  eines 
der  heiligen  Hunde  geheilt. 

Derselbe,  %.  äpx.  1885  Sp.  3  —  22  n.  80.  Zweiter  Heilungs- 
katalog, Fortsetzung  des  vorstehenden,  gleichfalls  a-oijrßöv^  134  Zeilen, 
aus  22  Fragmenten  zusammengesetzt.  23  Heilungsberichte:  15  Männer, 
8  Frauen. 

1.  Z.  1 — ^6.  Die  Lacedämonierin  Arata  ist  wassersüchtig.  Ihre 
Mutter  schläft  für  sie  im  Heiligtum  und  sieht  im  Traum  den  Gott  ihrer 
Tochter  den  Kopf  abschneiden,  den  Körper  umkehren,  das  Wasser  heraus- 
laufen lassen  und  nach  dieser  Prozedur  den  Kopf  wieder  aufsetzen.  In 
die  Heimat  zurückgekehrt,  findet  sie  ihre  Tochter,  die  dieselbe  Erschei- 
nung gehabt  hat,  gesund.    2.  Z.  7—9.    Der  blinde  Hermon  (aus  Thasos?) 


460  Griechische  Epigraphik. 

war  geheilt  worden,  entrichtete  jedoch  nicht  die  Kurkosten.  Der  Gott 
macht  ihn  abermals  blind,  und  er  kann  erst,  nachdem  er  zum  zweiten 
Mal  die  Hülfe  des  Gottes  in  Anspruch  genommen,  genesen.  3.  Z.  10 — 19 
(ausführlich  behandelt  'E<p.  dpy.  1883  Sp.  219f.).  Eine  Frau  Aristagora 
aus  Trözen  herbergte  einen  Bandwurm  im  Leibe.  Sie  träumte  im  Heiligtum 
des  Äsklepios  zu  Trözen,  die  oi[oi  zoö  ^]£o5  (nach  Zacher,  a.  a.  0.  S.  471 
=  die  von  den  rituellen  Kultusbeamten  zu  unterscheidenden  Ärzte,  die 
Asklepiaden,  welche  als  Söhne  des  Gottes  oder  in  der  Maske  des  Gottes 
selbst  die  Kur  vornahmen)  hätten  ihr  zwar  behufs  der  Kur  den  Kopf 
abgeschnitten,  jedoch  —  da  der  Gott  gerade  in  Epidauros  weilte  —  den- 
selben nicht  wieder  aufsetzen  können;  man  habe  daher  schleunigst  zum 
Gotte  geschickt.  Bei  Tagesanbruch  erblickt  der  Priester  thatsächlich 
den  Kopf  der  Frau  vom  Rumpfe  getrennt.  In  der  folgenden  Nacht 
träumt  ( ! )  Aristagora.  der  Gott  sei  aus  Epidauros  herbeigeeilt,  habe  ihr 
den  Kopf  wieder  aufgesetzt,  dann  den  Leib  aufgeschlitzt,  den  Wurm 
herausgenommen  und  endlich  den  Leib  wieder  zugenäht.  Nach  dieser 
Radikalkur  genas  die  Patientin.  —  Diese  wunderbare  Heilungslegende, 
die  nach  dem  Herausgeber  nicht  älter  als  das  4.  Jahrh.  v.  Chr.  sein 
kann,  stimmt  in  merkwürdiger  Weise  überein  mit  einer  von  Aelian,  nat. 
an.  9,  33  berichteten  Erzählung  des  um  die  Zeit  der  Perserkriege  blühen- 
den Historiographen  Hippys  von  Rhegion  (Müller,  fragm.  bist.  Gr.  II,  15). 
Da  nun  der  in  einigen  Punkten  abweichende  Bericht  des  Hippys  nicht 
auf  die  jüngere  Inschrift  zurückgeführt  werden  könne,  so  glaubt  der 
Herausgeber  als  gemeinschaftliche  Quelle  beider  die  vielleicht  an  ein 
Weihgeschenk  geknüpfte  Tradition  ansehen  zu  müssen.  Hiernach  be- 
stimme sich  das  Alter  der  meisten  andern  Heilungsberichte.  Doch  kommt 
v.  Wilamowitz-MöUendorff,  Hermes  XIX  1884  S.  442—452  in  einer  län- 
geren Abhandlung  über  »Hippys  von  Rhegion«  S.  450  zu  dem  Resultat, 
dafs  die  uns  erhaltenen  Zitate  einem  modernisierten,  halb  gefälschten 
Hippys  angehören,  dessen  Entstehung  um  250  v.  Chr.  fallen  dürfte,  wäh- 
rend Zacher,  Hermes  XXI  1886  S.  468f.  auf  grund  der  einfachen  und 
klaren  Erzählung  Allans  gegenüber  dem  verzwickten  und  konfusen  Be- 
richte des  Steines  dem  Historiographen  die  Priorität  vindiziert.  Auf 
entlegnere  Zeiten  deuten  gleichwohl  die  bisweilen  fehlenden  —  weil  ver- 
gessenen —  Namen  der  Patienten;  statt  deren  nur:  yuvrj  ztg,  dv:^p,  naTg. 
Ohne  Zweifel  waren  die  im  Tempel  aufgehängten  Votivtafeln  von  Wich- 
tigkeit für  die  spätere  schriftliche  Abfassung  des  Heilungskatalogs.  — 
4.  Z.  19  —  26.  Der  schiffbrüchige  Aristokritos  kommt  in  eine  wüste, 
rings  von  Felsen  eingeschlossene  Gegend,  aus  der  er  keinen  Ausweg  finden 
kann.  Sein  bekümmerter  Vater  träumt  im  Heiligtum,  der  Gott  führe  ihn 
zu  dem  Aufenthaltsort  seines  Sohnes.  Am  nächsten  Tage  spaltet  der 
Vater  einen  der  Felsen  und  befreit  den  sieben  Tage  eingeschlossen  ge- 
wesenen Sohn,  5.  Z.  26—35.  Sostrata  aus  Pherä  konnte  trotz  einjäh- 
riger Schwangerschaft  nicht  gebären.     Sie  wird  ins  Heiligtum  gebracht, 


IV.  Peloponnesus.    2.  Argolis:  Epidaurus.  4(51 

erhält  jedoch  kein  deutliches  Traumgesicht  und  kehrt  unverrichteter  Dinge 
wieder  zurück.  Unterwegs  stöfst  ein  stattlicher  Mann  auf  die  Gesell- 
schaft, läfst,  nachdem  er  das  Leiden  der  Patientin  erfahren,  die  Trag- 
bahre  hinsetzen,  schlitzt  dem  Weibe  den  Leib  auf  und  zieht  zwei  Schüsseln 
voll  Gewürms  hervor,  näht  dann  den  Leib  wieder  zu  und  heilt  so  die 
Kranke,  nachdem  er  sich  als  der  Gott  Asklepios  geoffenbart  und  be- 
fohlen, das  Heilgeld  nach  Epidauros  zu  entrichten.  6.  Z.  35 — 38.  Ein 
Knabe  aus  Aegina  mit  einem  Geschwür  im  Nacken  wird  von  einem  der 
heiligen  Hunde  durch  Lecken  geheilt.  7.  Z.  88  —  45.  Ein  Mann  mit 
einem  Geschwür  im  Leibe  sieht  im  Traum,  wie  der  Gott  den  Tempel- 
dienern befiehlt,  ihn  festzuhalten,  damit  er  den  Leib  aufschneide.  Der 
Patient  flieht,  wird  jedoch  ergriffen  und  an  einen  Thürring  gebunden, 
worauf  der  Gott  ihm  den  Leib  aufschlitzt,  das  Geschwür  herausnimmt 
und  nach  Zunähung  des  Leibes  ihn  aus  seinen  Banden  befreit.  So  wird 
er  geheilt;  der  Boden  aber  ist  am  nächsten  Morgen  ganz  mit  Blut  be- 
fleckt. 8.  Z.  45 — 49.  Der  mit  zahllosen  Läusen  behaftete  Kleinatas  aus 
Theben  sieht  im  Traum;  wie  der  Gott  ihn  nackt  auszieht  und  mit  einem 
adpoji  (?)  von  den  ungebetenen  Gästen  befreit.  Der  Plage  ledig  ver- 
läfst  er  den  Tempel.  9.  Z.  50 — 55.  Der  wegen  Kopfschmerzes  an  Schlaf- 
losigkeit leidende  Ägestratos  träumt,  der  Gott  unterrichte  ihn  nach  Hei- 
lung seines  Kopfschmerzes  in  den  Künsten  des  Pankration.  Am  folgen- 
den Tage  verläfst  er  gesund  das  Heiligtum  und  siegt  bald  hernach  im 
Pankration  zu  Nemea.  10.  Z.  55 — 60.  Gorgias  aus  Heraklea  litt  infolge 
einer  in  der  Schlacht  erhaltenen  Verwundung  an  der  Lunge  1V2  Jahre 
so  sehr  an  Auswurf,  dafs  er  67  Schüsseln  mit  demselben  füllte.  Er 
träumt  im  Heiligtum,  der  Gott  ziehe  die  Spitze  des  Geschosses  aus  der 
Wunde,  und  bei  Tagesanbruch  verläfst  er  den  Tempel  geheilt  mit  der 
Lanzenspitze  in  der  Hand.  —  Von  Z.  60  an  ist  die  Inschrift  nur  links 
vollständig  erhalten.  Ich  begnüge  mich  daher,  von  den  folgenden  Be- 
richten nur  die  Titel   anzuführen:    11.   Z.  60 — 63.    'Avapo/id^a  if  'Amc- 

po[u'\,   n[sp}   7Tac]du)V.      12.    Z.  63  —  68.     A [ru^^Joc   d(pd^a^ixoug. 

13.   Z.  69—76.     6]ipaavdpog  '^AXixug  <p&tatx6g.     14.   Z.  76  —  82. 

Der  Geheilte  idpuaazo  TSfisvog  'A(TxX\aTitüT).    15.  Z.  82 — 86.    ' A  8elva  nepc 

zi]xv(ov.    16.   Z.  86—95. 'EmSrwpiog  x^lüg.    17.   Z.  95—101.    Ka- 

(piatag (Bekehrung  eines  Ungläubigen).     18.  Z.  102 — 110.    KXsi- 

fisvi^g  'ApysTog  dxparrjg  [rou  (Tcü/JXXTog.  19.  Z.  110  — 116.  Jcacrog  Ku- 
p[avaTog,  der  seiner  Kniee  nicht  mächtig  ist.  20.  Z.  116 — 119.  'Av8po- 
ixi?]8a  ix  Ks9u[pag  =  Ko^pag  ?,  die  kinderlos  ist.  21.  Z.  119—122. 
T(aa)[v  —  —  löy/ai  (?)  -pio\^£ig  bnh  rov  ixp^^alpöv.  22.  Z.  122 — 129. 
^Epaair.Ta  ix  Ka<fij'.äv,  mit  einem  Unterleibsleiden  behaftet.  23.  Z.  129 
— 134.     NtxaaißoüXa  Ms&avta  nzpl  natoo^g. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  85 f-  n.  87.    Fragment  eines  dritten  Hei- 
lungskatalogs, gleichfalls  a~oi^rj86v\  Reste  von  vier  Heilungsberichten. 


4ti2  Griechische  Epigraphik. 

Erhalten  sind  die  Titel:  2.  Alsavßpos  Kpy^g.    3.  'AXx  — ,  ein  Einäugiger. 

Derselbe,  "£y:>.  dp^.  1883  Sp.  227—232  n.  60  (Baunack  S.  112 
— 117).  Heilurkunde  aus  spätrömischer  Zeit:  'Em  cepicog  IJo{n^cou) 
Aü{!ou)  'AvTtuxou.  Ein  mit  vielfachen  Krankheiten  behafteter,  nament- 
lich auch  an  Verdauungsstörungen  leidender  karischer  Sophist  M.  loü- 
Xiog  \4neUäg  Idpcsug  MoXaaeug  (wohl  Bezeichnung  der  engeren  in  Epi- 
dauros  wenig  bekannten,  und  der  weiteren  Heimat)  berichtet  den  Ver- 
lauf seiner  Kur  mit  ausführlicher  Angabe  der  ihm  auferlegten  Diät  und 
der  Methode  der  Therapie :  Der  Gott  befiehlt  ihm  im  Traumgesicht  u.  a., 
nur  Käsebutterbrot,  sowie  Selleriesalat,  gewässerten  Zitronensaft,  Milch 
mit  Honig  (letzteres,  damit  es  »durchschlagen«  kann)  zu  geniefsen.  Ferner 
soll  er  sich  bei  den  aquae  {npog  zaTg  dxoatg)  im  Bade  an  der  Wand 
reiben,  Rundgänge  auf  dem  Söller  machen,  die  Schaukeln  gebrauchen, 
sich  mit  feinem  Sande  beschmieren,  unbeschuht  spazieren  gehen,  in  das 
warme  Wasser  des  Bades  Wein  giefsen,  sich  ohne  Hülfe  eines  Dieners 
baden,  sich  mit  Senf  und  Salz  einreiben.  Nachdem  der  Patient  diese 
Kur  9  Tage  angewandt,  verbrennt  er  sich  am  nächsten  Tage  beim  Opfern 
die  Hand,  sodafs  Blasen  entstehen;  doch  heilt  dieselbe  bald  wieder.  Nun- 
mehr wird  ihm  aufgetragen,  sich  gegen  den  Kopfschmerz,  den  er  aufs 
Neue  infolge  gelehrter  Beschäftigung  bekommt,  mit  Anis  und  Öl  einzu- 
reiben ,  sowie  gegen  Entzündung  des  Zäpfchens  und  der  Mandeln .  mit 
Eiswasser  zu  gurgeln.  Nachdem  der  Gott  ihm  zu  guterletzt  noch  ein- 
geschärft, zum  Dank  für  seine  Genesung  den  Kurbericht  niederzuschrei- 
ben, wird  er  geheilt  entlassen.  —  Vgl.  Aristides,  Ispol  Xoyut  I,  461  f.  484. 
Für  Textgestaltung  und  Erklärung  sind  von  Wichtigkeit:  v.  Wilamo- 
witz-Möllendorff,  Isyllos  von  Epidauros,  S.  HO — 124,  Zacher, 
Hermes  XXI  1886  S.  473  Anm.  Pantazides,  'A>.  äpy.  1886  Sp.  141 
— 144.  Baunack,  Studien  I  1  S.  116  — 118  (mit  deutscher  Über- 
setzung). —  Die  Inschrift  ist  annähernd  bestimmbar  wegen  Erwähnung 
der  noch  erhaltenen  Reste  der  Wasserleitung  {dxuai  Z.  10.  18  =  aquae) 
des  Antoniuus  Pius,  angelegt  vor  dessen  Thronbesteigung. 

Derselbe,  a.  a.  0.   Sp.  155  n.  54.     Fragment  einer  metrischen 

Heilinschrift: iTTJrjxoo)   slrjzr^pc  ...  1  U]d/i^dog   zua{\)dpsvüg  \ 

d'\neXuaaTo  voüaou  \  (pthj  rMzpßi.  —  Pamphilos  war  ohne  Zweifel  der 
Priester,  der  für  die  Heilung  des  Kranken  gebetet  hatte. 

T  r  0  e  z  6  n. 

ca.  250  Mylonas,   BCH  X  1886  S.  139  —  143   (mit  Tafel).     Zusätze  und 

200 

Berichtigungen  von  demselben  a.  a.  0.  S.  335—338  (Baunack,  Studien  I  1 
S.  163—173).  Jetzt  irn  Museum  zu  Athen.  Fragment  einer  auf  beiden 
Seiten  beschriebenen  Platte.    Eine  Stadt,  deren  Name  nicht  erhalten  ist 


IV.  Peloponnesus.  2.  Argolis:  Troezen.  3.  Laconica  et  Messenia:  Sparta.     463 

(unzweifelhaft  Trözen),  beschliefst,  von  auswärtigen  Feinden  bedrängt, 
dafs  die  Bürgerschaft  mit  allen  Kräften  beisteuern  soll  zur  Aufführung 
von  Befestiguugsmauern  und  zum  Aufbau  dsr  Stadt.  Es  wird  eine  Kom- 
mission zur  Ausführung  dieses  Beschlusses  und  zur  Entgegennahme  der 
Beiträge  gewählt.  A  1—10  Volksbeschlufs ;  A  11  bis  B  Ende  16  -f-  22 
Beschlüsse  der  Genossenschaften  {naT/jcal  und  ydvrj)  hinsichtlich  der  Bei- 
steuer. Letztere  wird  in  der  Regel  von  einem  Einzigen,  bisweilen  auch 
von  mehreren  Repräsentanten  der  Körperschaften  geleistet.  Z.  37  liest 
Meister,  Berl  philol.  Wochenschr.  1886  n.  43  Sp.  1349:  ^Afjcarujva  Tav- 
xu/ia  (mit  syllabischer  Hyphäresis  für  Tavox6[ia)  statt  Apcazcumrav  Kojid. 

—  Wird  durch  ru  xolvov  tujv  \4yaiu)v  A  14  der  achäische  Bund  be- 
zeichnet, so  wäre  die  Inschrift  nicht  älter,  als  28Ö  v.  Chr.;  der  Schrift- 
charakter scheint  auf  die  zweite  Hälfte  des  3.  Jahrh.  zu  weisen.  Trözen 
gehörte  zum  achäischen  Bunde  seit  243  v.  Clir.  (Paus.  2,  8,  5.  Plut.. 
Arat.  24).  Vielleicht  mochte  sich  die  Stadt  durch  die  beschlossene  Mafs- 
regel  gegen  die  von  Kleomenes  III.,  der  ev  -^  J'Jixata  225  v.  Chr.  sieg- 
reich gewesen  war,  drohende  Gefahr  schützen  wollen  (vgl.  Polyb.  2,  52). 

—  Einheimischer  Dialekt. 

3.    Laconica   et   Messenia. 

Pischel,  Bezzenb.  Beitr.  VIT  1883  S.  335 f.  sucht  die  nach  Kirch-  iga  es 
hoffs  Vorgang  allgemein  für  lakonisclj  gehaltene  Xuthias-Inschrift  IGA  68 
vFick,  Bezzb.  Beitr.  V,  324  erklärte  sie  für  achäisch,  obwohl  der  Name 
des  Vaters  des  Xuthias,  Philachaios,  gegen  diese  Ansicht  spricht)  als 
nicht  lakonisch  zu  erweisen.  Er  liest  A  2:  AIKAYTOZHIIOA- 
NEAEZ0O  und  deutet  unter  Hinweis  auf  die  auch  sonst  (A  6,  B  9) 
in  der  Inschrift  begegnende  Umstellung  von  Buchstaben:  al  x  auzbg 
ZwTji^  dvsXtaBw;  vielleicht  sei  mit  weiterer  Umstellung  im  Anschlufs 
an  B  zu  schreiben:  at  y.{a)Z<^örjt^  auzög  dvc.Xea&uj.  Da  die  Inschrift  neben 
5  für  Spiritus  asper  H  für  rj  verwende,  so  sei  dieselbe  jünger,  als 
Kirchhoff  annehme,  zum  mindesten  jünger  als  die  Siegesinschrift  des  Da-. 
monon  IGA  79,  welche  nur  0  und  zwar  zur  Bezeichnung  des  rauhen 
Hauclilautes  biete.  Sie  sei  nicht  lakonisch,  da  sie  intervokales  a  fest- 
halte, während  jene  durchweg  Verhauchung  zeige. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  333  stellt  auf  grund  der  Röhlschen  Le-  iga  75 
sung  in  der  olympischen  Weihinschrift  IGA  75  (Roberts  261)  HIAFFO 
die  lakonische  Form  tÄfr^ug  (äolisch  YXlaag,  dialektisch  "XXzujg,  attisch 
7Xzu)g)  wieder  her  und  liest:  lXfrjU)[c  &u]^u)c  zuji  Aaxsdaijwvtioc.  Somit 
bleibe  der  von  Paus.  5,  24,  3  überlieferte  Text,  der  tXdio  &ufxaj  bietet, 
zu  recht  bestehen.    Vgl.  auch  Roberts  a.  a.  0. 

Sparta. 
Stolz,  Wiener  Studien  Vlü  1886  S.  161  f.  bestreitet  die  Zulässig-     iga 
keit  der  Erklärung  der  Bustrophedoninschrift  IGA  add.  uov.  49«  (Cauer  '^  49a.°^' 


464  Griechische  Epigraphik. 

Del.  3  n.  1):  AIOEIKETA  |  AIOAEY©ER  im  Sinne  von  Jr«? 
ixiza  Jtug  i^euf^ep[cu>,  da  schliefsendes  g  nach  einem  Vokal  und  vor  vo- 
kalischem Anlaut  des  folgenden  Wortes  nicht  wie  intervokales  a  zu  spir. 
asper  verflüchtigt  werde  (vgl.  IGA  61  =  Cauer  ^  6,  IGA  79  =  Cauer  ^  i7 
Z.  8.  14.  20.  32,  IGA  87  =  Cauer  2  20,  2)  oder  gar  nach  weiterer  Ver- 
flüchtigung des  letzteren  Krasis  eintreten  könne.  Eine  anderweitige  Er- 
klärung der  Inschrift  wird  nicht  versucht. 

Kabbadias,  'E^.  dp^.  1885  Sp.  28  n.  81.  (J.  Baunack,  Studien 
I  1  n.  81.)  Epidauros.  A  r.uhq  ä  zwv  Aaxs8atp.oviu)v  ehrt  den  Lykor- 
tas,  S.  des  Thearidas.  aus  Megalopolis.  Vgl.  v.  Wilamowitz-Möllendorff, 
Isyllos  von  Epidauros,  S.  4  Anm. 

Durrbach,  BCH  IX  1885  S.  517  n.  7.  Sparta,  Museum.  An- 
fang einer  Ehi'eninschritt  auf  den  Kaiser  Hadrian. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  513  n.  4.  Magula  bei  Sparta.  Bruchstück 
einer  Liste  von  Mitgliedern  einer  Genossenschaft  (ähnlich  Lebas-Foucart, 
Inscr.  du  Peloponnese  163  a).  Es  figurieren  ein  y{Xu(pa()g^  ein  ^i^Xcvo- 
Ttocog,  ein  ßa^aüg,  ein  Ypajxnareug,  ein  bnrjpizag^  ein  fidyscpos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  514  n.  5.  Mühle  von  Malatas  bei  Sparta. 
Liste  von  auvdpyovTsg.  An  der  Spitze  ein  Ti.  Claudius  Simedes  (pdo- 
aeßaazog  xal  (pilümizpiq  d.Tw  ysvoug^  am  Schlüsse  ein  7Tp{scßug)  C.  lulius 
Damokrates. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  514f.  n.  6.  In  derselben  Mühle.  Die  Stadt 
ehrt  den  Pomponius  Panthales  Diogenes  Aristeus  wegen  seiner  Verdienste 
als  dyopavo/jLog.  Es  sollen  demselben  zwölf  Statuen  errichtet  und  deren 
Kosten  von  Mitgliedern  seiner  Familie  und  von  städtischen  Beamten  ge- 
tragen werden.  Mehrere  der  genannten  Personen  sind  auch  sonst  in- 
schriftlich bekannt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  517  n.  8.  Sklavo-Chorio.  Basis.  Fragment 
einer  Ehreninschrift  auf  eine  Frau.  Die  Kosten  der  Statue  trägt  ihr 
Vater,  ein  Priester  twv  JJe[ß]a[(TT]a>v  [xal  twv]  B^eicjv  npoyuviuv  [«yrcuv. 

Job.  Baunack,  Rhein.  Museum  38  1883  S.  293 — 300  erklärt  das  auf 
zwei  Inschriften  der  Kaiserzeit  (Kumanudes,  Athenaion  I  1873  S.  255 
=  Foucart,  Explic.  II  n.  162  und  Kumanudes,  a.  a.  0.  S.  256  =  Fou- 
cart,  a.  a.  0.  n.  162a;  Kirchhoff,  Hermes  III  1868  S.  449 ff.)  begegnende 
rätselhafte  Wort  xaaarjpazupiv  =  xaT(a)&yjpar6pcov  (»o  xard  d^rjpuiv,  rrpog 
&rjpag  dyujvta-eog  dywva).  Die  im  ganzen  römischen  Reiche  so  beliebten 
Tierkämpfe  hätten  danach  auch  in  Lacedämon  Eingang  gefunden  und  die 
betreffenden  Spartaner  in  der  &7]pofxo.'yca,  im  musischen  Wettkampfe 
{p.wav  =  [Mouaav)  und  im  Diskuswerfen  {kwav  =  Xaüav  =  kafav  =  käav) 


IV.  Peloponnesns.  3.  Laconica  etMessenia:  Sellasia.  Geronthrae.  Gytheum  etc.  465 


S  e  1 1  a  s  i  a. 

Stolz,  Wiener  Studien  VIII  1886  S.  159ff.  Die  aus  der  Nähe  iga 
von  Sellasia  stammende  lakonische  Basisinschinft  IGA  add.  nov.  61a  ^eia?^' 
(Cauer  Del.  ^  n.  5,  Löwy,  Inschriften  griech.  Bildhauer  n.  34,  Roberts 
n.  255  a):  EijfiL)&c[g]  (2)  d-novafe  hält  man  nach  Röhls  Vorgang  für  eine 
Künstlerinschrift,  in  welcher  dnövafs  =  fecit  sein  soll.  Eine  befriedi- 
gende Erklärung  dieses  Verbums  ist  bisher  nicht  gegeben  worden.  Stolz 
sieht  in  derselben  die  Inschrift  eines  Dedikanten  oder  einer  Dedikantin 
und  gewinnt  auf  grund  der  Hesychischen  Glosse  vauscv  cxerei/ecv  für 
dnovdfio  die  Bedeutung  »wegbeten,  sühnen,  zur  Sühne  aufstellen  oder 
weihen.«  Das  Fehlen  des  Augments  mache  zwar  Schwierigkeiten,  dürfte 
jedoch  auf  den  Einflufs  des  epischen  Dialekts  zurückzuführen  sein. 

Geronthrae. 

Joh.  Schmidt,  MD  AI  VII  1882  S.  312  giebt  Berichtigungen  zu 
dem  von  ihm  a.  a.  0.  S.  22  ff.  (vgl.  Röhl  I,  62)  veröffentlichten  Frag- 
ment des  edictum  Diocletiani  de  pretiis. 

Gytheum. 

Milchhöfer,  Arch.  Ztg.  XLI  1883  Sp.  223 ff.  (Taf.  13,  1).  Aus- 
führliche Beschreibung  des  mehrfach  behandelten  (vgl.  den  Katalog  von 
Dressel  und  Milchhöfer  MD  AI  II  1877  S.  378  f.  n.  193)  Votivreliefs  an 
Demeter  und  Kora  mit  der  Weihinschrift:  2'cy-,  //«-,  oder  T:]<TtxpdT[rjs 
'Ay]a96x^£cav  räv  Idcav  ßuyarspa  \  Adjxazpt  xac  Kopq.  y^apiarijpiov. 

Epidaurus  Limera. 

Kumanudes,  ' E^.  dp^.  1884  Sp.  81  (mit  Faks.  von  n.  1  —  3). 
Tempel  des  ApoUon  Hyperteleates ,  westlich  von  dem  alten  Epidaurus 
Limera,  im  Gebiet  von  Asopos.  20  (darunter  nur  6  vollständig  erhal- 
tene) kupferne  Stirnbinden  von  7:üpo<p6pot  und  lepetg  'AnoXkojvog  TTiep- 
Tshd-ou,  auf  denen  nach  Ansicht  des  Herausg.  die  Namen  ihrer  Träger 
nach  deren  Tode  eingraviert  und  dann  die  Binden  in  chronologischer 
Folge  im  Tempel  angeheftet  wurden.  —  Die  Namen  der  nupo(f6pot 
sind:  Sosaron,  S.  des  Nikeros,  n.  1;  Chrysos  n.  2;  Asopos  (als  noupo- 
<pupog  bezeichnet)  n.  3;  die  der  lepeTg:  Kallikrates  n.  5;  ungewissen 
Amtes:  Damares,  S.  des  Tychippos,  n.  4;  Synegdemos,  S.  des  Philodemos, 
n.  6.  Die  Namen  der  übrigen  sind  zum  teil  nur  in  dürftigen  Buchstaben- 
resten erhalten,  zum  teil  ganz  erloschen,  n.  15  bietet  die  dorische  Form: 
"AnoXXojvog  ^TTTsprshdra.  Den  Schriftzügen  nach  teilt  der  Herausg.  sämt- 
liche Binden  der  nachchristl.  römischen  Zeit  zu,  mit  Ausnahme  von  n.  7, 
welche  räiv  xaliüv  ' EXXyjVixujv  -/^pöviov  sein  soll.  —  Karapanos,  a.  a.  0. 
Sp.  203—214  teilt  weitere  51  Aufschriften  gröfstenteils  von  Stirnbinden 

Jahresbericht  fUr  Alterthumawissenschaft  LII.    (1887.  III.)  3Q 


466  Griechische  Epigraphik. 

desselben  Fundorts  mit.  1.  Voreuklidische  Zeit.  Sp.  203  n.  1 
(Faks.  Taf.  3)  aus  dem  5.  oder  6.  Jahrb.,  linksiäufigM:  Tö]t  'Ans^{X)ovc 
Ho7:epT[eXedTac.  —  n.  2  (Faks.  Taf.  1).  Randinschrift  eines  ehernen  Ge- 
fäfses:  ' ATziX{X)]ovo<;  HunepreXedra.  —  n.  3  (Faks.  Taf.  1).  Randinschrift 
eines  ehernen  Gefäfses:  Toc  'A7:£MX)ovc  dvsl^sxs  Euovufiog.  —  2.  Nach- 
euklidische hellenische  Zeit.    n.  4  (Faks.  Taf.  1).    Gefäfsinschrift: 

TnepTeXsidTa.  —  Sp.  204  n.  5  (Faks.  Taf.  2):  Urs^a^vog  'Aye- 

Xatoü  Too  ^ ApKTToxpdroug  'Enidaupcog  zu  ß'  (diese  und  die  folgenden  In- 
schriften sind  durch  Punkte  hergestellt).  —  n.  6  u.  7:  —  TsXedra  und 
—  Xedra.  —  3.  Römische  Zeit,  a)  n.  8 — 20.  Stirnbinden  von  nopofopot. 
(Der  Name  des  Gottes:  An6llu)vog  ^Tmpxs.ledra  n.  8.  13.  14,  AnöX- 
XuiVoq  "TnepreXadrou  n.  9.  10.  11.  16,  nur  'AnuXujvog  (so)  n.  15,  nur 
'^TnepreXedTou  n.  12,  nicht  erhalten  n.  17.  18.)  Die  Namen  der  Träger 
sind:  Sp.  204  n.  8  (Faks.  Taf.  2)  Plokamos,  Sp.  205  n.  9  (Faks.  Taf.  3) 
Philokalos,  S.  des  Asklepiades,  n.  10  (Faks.  Taf.  2)  Ti.  Claudius  Helio- 
doros,  n.  11  (Faks.  Taf.  3)  Damylos,  n.  12  (Faks.  Taf.  3)  Philon,  Sp.  206 
n.  13  Alexandres,  n.  14  Eut[ych]io[s ,  n.  15.  16  Name  nicht  erhalten, 
n.  17  (Faks.  Taf.  1)  Chairas  (statt  Chaireas?),  S.  des  Artemas,  Sp.  207 
n.  18  -tes,  n.  19.  20  nur  Reste  von  nupo^opog.  —  b)  n.  21 — 31.  Stirn- 
binden von  cepsTg.  (Der  Name  des  Gottes  auf  -a  n.  23,  auf  -ou  n.  22. 
25.  29,  sonst  Endung  nicht  erhalten;  elpeug  n.  27,  capsug  n.  30.)  Deren 
Namen:  Sp.  207  n.  21  (Faks.  Taf.  2)  Sosaron,  S.  des  Philostratos,  n.  22 
M]enandros,  Sp.  208  n.  23  -as,  S.  des  Onesimos,  aus  Aso[pos],  n.  24 
(Faks.  Taf.  3)  Edru^^ä  Apacveag  (mit  Voranstellung  des  Vaternamens), 
n.  25  Asopos,  Sp.  209  n.  26  (Faks.  Taf.  2)  J!(oj^tvcxo[g  .  .  .  ]mTag,  n.  27 
Ar]atos,  n.  28  J^ujtvsccog,  n.  29  Name  nicht  erhalten,  n.  30  -es,  Sp.  210 
n.  31  Mer — .  c)  n.  32—36.  Ohne  erhaltene  Amtsbezeichnung:  Sp.  210  n.  32 
(Faks.  Taf.  2)  Erosat[es  Aii\ji6vtog  (so),  n.  33  Damok[les,  n.  34  Pothu- 
meno[s,  n.  35  (Faks.  Taf.  3)  A]sopos,  S.  des  Kanopos,  Sp.  211  n.  36 
(Faks.  Taf.  3):  Küvar^og  (Quinctius?)  Idppsoog  AnuUcuvog  — .  d)  n.  37 — 51. 
Dürftige  Fragmente  von  Bindeninschriften.  —  Über  ein  Heiligtum  des 
Asklepios  (wahrscheinlich  verbunden  mit  dem  des  ApoUon)  in  dieser  Gegend 
vgl.  Paus.  3,  22,  7—13.  Pantazides,  E^.  dp^.  1885  Sp.  58—61  postu- 
liert als  Namen  des  Ortes  ^TTiepTiXeca  und  emendiert  den  Lokalnamen 
bei  Paus.  3,  22,  10:  »to  8k  ^(upcov,  ev&a  zu  AaxXrjncEtov,  TmpTeXdazov 
dvop.d^ouacv<!i  in  »TmpreXedzou«  (sc.  ^AnoXXwvog). 

Mylonas,  a.  a.  0.  Sp.  85  ff.  Gleichen  Fundorts.  Proxeniedekret 
der  noXcg  zwv  'Entd[aupca>v  auf  einen  Unbekannten  mit  der  Bestimmung, 
dafs  dasselbe  vor  dem  Monat  Lykeios  (in  dem  wahrscheinlich  die  Fest- 
spiele stattfanden)  im  Heiligtum  des  ApoUon  Hyperteleates  aufgestellt 
werden  solle.    Vorchristi,  römische  Zeit. 


1)  Wo  keine  weitere  Bemerkung,  finden  sich  die  Inschriften  auf  Stirnbinden. 


IV.  Peloponnesus.  3.  Laconica  et  Messenia:  Epidaurus  Limera.  Boeae  etc.  467 

Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  244  f.  n.  2.  Desselben  Fundorts. 
Arg  verstümmelte  Ehreninschrift  (der  Name  der  Stadt  ist  erloschen)  auf 
einen  'Anne^rj  (so)  und  einen  andern  Wohlthäter,  dessen  Name  nicht  er- 
halten ist.  Die  im  Amt  befindlichen  Ephoren  sollen  das  Psephisma  im 
Tempel  des  ApoUon  aufstellen.     Mischdialekt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  246  f.  n.  3.  Ebd.  Sehr  defekte  Ehren- 
inschrift einer  Stadt,  deren  Name  nicht  erhalten  ist,  auf  Schiedsrichter 
im  Grenzstreit  mit  dem  nördl.  von  Epidaurus  Limera  gelegenen  Zarax 
{Zapa^twv  Z.  11).  Es  hat  den  Anschein,  als  wenn  zuerst  Schiedsrichter 
aus  Tenos  den  Streit  zu  gunsten  der  letzteren  Stadt  entschieden  hätten, 
darauf  jedoch  von  den  Geehrten  das  Urteil  im  Interesse  der  nicht  ge- 
nannten Stadt,  modifiziert  worden  wäre.     Lakonischer  Dialekt. 

Durrbach,  a.  a.  0.  S.  518  n.  9.  Phiniki.  Fragment  eines  Proxenie- 
dekrets  aus  dem  Tempel  des  ApoUon  Hyperteleates. 

Boeae. 

Durrbach,  a.  a.  0.  S.  518  n.  10.  Nednohg  twv  Boiuiv.  Fragment 
einer  Grabschrift  in  Distichen  (6  erhalten)  auf  eine  Frau. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  214f.  Grab- 
schrift in  acht  nicht  ganz  vollständig  erhaltenen  Distichen  auf  eine  Jung- 
frau Areskusa,  deren  Schönheit  und  Tugenden  in  überschwänglicher  Weise 
verherrlicht  werden.  —  Wahrscheinlich  2.  oder  3.  Jahrb.  n.  Chr. 

C  0 1  y  r  t  a. 

Mylonas,BCHIXl885  S.  241ff.  n.  1.  Tempel  des  Apollon  Hyperte- 
leates, westl.  von  Epidaurus  Limera  (s.  S.  465).  Proxeniedekret  rag  nuXzog 
(so)  Twv  Korupraräv  (die  auch  Thuk  4,  56  erwähnte  Stadt  Korüpra  lag 
im  westlichen  Teile  der  Ebene  am  Meerbusen  von  Boeae,  Cythera  gegen- 
über) auf  den  Lacedämonier  Aratos,  S.  des  Nikias.  Die  ifopoi  ol  nepc 
IlaXaiazi'  (statt  -ia  wegen  des  folgenden  dvaypa^dvTwi)  sollen  das  De- 
kret im  Temj^el  rou  'ATi6[^kK\u)vog  xoo  'TTTeprs^sdra  aufstellen  lassen  und 
eine  Abschrift  desselben  den  lacedämonischen  Ephoren  übermitteln.  La- 
konischer  Dialekt,  nach  dem  Herausg.  aus  dem  1.  oder  2.  Jahrb.  v.  Chr. 

Ungewissen  Fundorts. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  151.  Aus  den 
wiederaufgefundenen  »MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C  R. 
Cockerell,  1810  — 14«.  Wahrscheinlich  aus  Messenien.  Grabsteine: 
n.  51  des  Na]u(Tcvcxog  --xcTimda,  n.  52  des  Sosikrates  und  des  Aristo- 
kles.     n.  53.    Fragment  einer  Namenliste. 

30* 


468  ^Griechische  Elpigraphik. 


4a.   Arcadia. 

Bechtel,  Die  arkadischen  Inschriften.  SGDI  I  1884  Heft  4 
S.  339—361  n.  1181—1258.  Mit  etwas  ausführiicherem  Kommentar  Der- 
selbe, Bezzenbergers  Beiträge  VIII  1884  S.  301—327.  Wortregister  von 
Meister,  SGDI  IV  Heft  1  S.  95—103.  Rez.  s.  S.  391  f.  —  Das  inschriftliche 
Material  ist  mit  grofsera  Fleifs  und  Geschick  zusammengestellt.  Wohl  ab- 
sichtlich übergangen:  Die  einzeilige  Inschrift  von  Tegea  GIG  1516,  welche 
neben  einer  allgemein  dorisch-äolischen  Form  den  vulgären  Genetiv  Te- 
yeazwv  bietet,  und  das  heillos  korrumpierte  Fragment  von  Megalopolis 
CIG  1536.  Ungern  vermifst  wird  die  15  zeilige  Inschrift  letzteren  Fund- 
orts GIG  1534,  eine  von  Hirschfeld,  Bullett.  dell'  inst.  187.3  S.  217  publi- 
zierte Inschrift  aus  Megalopolis,  sowie  eine  in  der  zweiten  Sammlung 
von  Ross'  archäol.  Aufsätzen  S.  668  edierte  tegeatische  Inschrift. 

Tegea. 

Über  die  aus  Tegea  stammende  Xuthias-Inschrift  IGA  68  s.  IV  3 
Laconica  et  Messenia  (S.  463). 

Dragatses,  '£'^.  dp^.  1885  Sp.  92.  Piräus.  Grabstele  mit  pro- 
saisch-metrischer Autschrift  zum  Gedächtnis  des  Theoites,  S.  des  Te- 
leson,  aus  Tegea  und  seiner  Mutter  Nikarete,  y^prjcrrjg  ye  yuvatxog.  Zu 
Anfang  die  Sentenz:  Udvraju  dv&piuncuv  v6[/i]og  £-|<T]r:  xoivbg  rö  dnod-a- 
ve(T)v.  Am  Schlufs  ein  Grufs  an  die  Wanderer:  Xacps-\r]e,  dt  napcovres, 
iyu)  Si  ye  rd-j/zd  foXarriu. 

Durrbach,  BGH  IX  1885  S.  510  n.  1.  Piali.  Fragmentierte  Liste 
von  Eigennamen  mit  Vatersnamen  und  Ethnikon,  vielleicht  von  Söldnern, 
die  im  Dienste  Tegeas  standen.  Die  meisten  gehören  den  Nachbar- 
staaten an:  Argos,  Lacedämon,  Mantinea,  Megalopolis,  Orchomenos;  je 
einer  ist  aus  Naxos,  Phocis  (?),  Mylasa,  Cythera,  Rhithymna  auf  Kreta. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  51lf.  n.  2.  Ebd.  Fragmentierte  Liste  eines 
Kollegiums:  ein  xuvayog^  kXatondpoy^oQ ,  \Tia\'Kaiaxpo\(pi))^a^^  \(p\owetxo- 
(pü\p6\Q  — . 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  512  n.  3.  Ebd.  Verstümmelte  Grabschrift, 
in  Distichen,  deren  Pentameter,  in  der  Fortsetzung  der  Hexameter  ge- 
schrieben, nicht  erhalten  sind;  auf  einen  Androsthenes? 

Stymphalus. 

Martha,  BGH  VII  1883  S.  488 ff.  Kionia.  Auf  beiden  Breit- 
flächen und  einer  Seitenfläche  beschriebene  Marmortafel.  Die  Schrift- 
züge auf  der  einen  Breit-  und  der  Schmalseite,  die  zu  einer  und  der- 
selben Inschrift  gehören,  sind  im  Zusammenhang  nicht  zu  entziffern; 
die  lesbaren  Wortreste  (S.  488)  lassen  auf  einen  Vertrag  der  Stympha- 


IV.  Peloponnesus.  4  a.  Arcadia:  Tegea.  Stymphalus.  4  b.  Elis:  Olympia.     469 

lier  mit  einer  Nachbargemeinde  schliefsen,  in  welchem  wiederholt  das 
Wort  otxaa-rjp^ov  begegnet.  —  Auf  der  andern  Breitseite  finden  sich 
sechs  verschiedene  Inschriften:  S.  489  n.  1  12 zeiliges  Fragment  eines 
GTotjr^hhv  geschriebenen  Ehrendekrets  auf  einen  um  die  Stymphalier  ver- 
dienten Fremden.  Z.  9:  rh  o\ß.  ^]«[f^]'[<T]/j,«  B\ia\B-at  ]J\\i  zo7  '.-ipre/it- 
aloi  bestätigt  die  Vermutung  von  E.  Curtius,  Peloponnes  I,  205,  dafs  die 
Ruinen  aus  byzantinischer  Zeit,  in  deren  Nähe  der  Stein  gefunden  wurde, 
die  Stelle  eines  alten  Heiligtums  der  Artemis  Stymphalia  (Paus.  8,  22,  7) 
einnehmen.  Als  Beamte  figurieren  ein  npojivdixwv,  zwei  Tzpoordrai  ßioXäg^ 
ein  ypapiiarBÜg ,  als  oajxiopyol  waren,  wie  der  Raum  ergiebt,  nur  zwei 
Namen  genannt,  zwei  weitere  Namen  (wie  deren  Zahl  in  n.  6  schliefsen 
läfst)  sind  ohne  Zweifel  bei  Eingrabung  des  folgenden  Dekrets  ausge- 
kratzt.   —    S.  491   n.  2.     Arg  verstümmeltes  Fragment.     Z.  2.  3:    riüv 

Txapä  noXsp-tojv,  Z.  4.  5:  to.7  tioXc  8e§6xrjxe .    Ebd.  n.  3  unleserlich. 

—  Ebd.  n.  4.  5  unleserliche  Reste  von  Proxeniedekreten.  —  Ebd.  n.  6. 
Proxeuiedekret  auf  K]aXh'aQ  KaXhaMvEog  Tsyedrav.  Als  Beamte  sind 
verzeichnet  vier  oapiopyoi^  ein  ypappmtöq^  zwei  TipoüidTai^  ein  7ipop.vd- 
jxwv,  in  umgekehrter  Ordnung  wie  in  n.  1.  —  Der  Vertrag  auf  der  Rück- 
seite ist  offenbar  nach  den  Proxeniedekreten  auf  der  Vorderseite  ein- 
gemeifselt  worden;  nach  dem  Herausg.  nicht  vor  Ende  des  3.  Jahrh. 

4b.    Elis. 

Blafs,  Die  eleischen  Inschriften.  SGDI  I  1884  Heft  4  S.  311 
— 336  (Einleitung  und  n.  1147  —  1180).  Wortregister  von  Meisteri 
SGDI  IV  Heft  1  S.  88  —  94.  Rez.  s.  S.  391  f.  —  Bei  der  Menge  des 
fremden  Sprachgutes,  welches  namentlich  die  Ausgrabungen  in  Olympia 
zu  Tage  gefördert  haben,  wird  man  es  dem  Herausg.  nicht  zum  Vor- 
wurf machen  dürfen,  wenn  bei  der  Sammlung  der  Inschriften  ein  sehr 
radikales  Verfahren  beobachtet  worden  ist,  indem  als  eleisch  nur  solche 
Inschrifttexte  aufgeführt  werden,  die  sich  durch  untrügliche  Kennzeichen 
über  ihre  Nationalität  auszuweisen  vermochten,  während  die  nur  mög- 
licherweise eleischen  Reste  älteren  Datums  in  einen  Anhang  verwiesen 
sind  und  allen  Inschriften,  die  den  allgemeinen  peloponnesischen  Doris- 
mus der  späteren  Zeit  ohne  eleische  Besonderheiten  aufweisen,  kurzer 
Hand  das  Bürgerrecht  abgesprochen  ist.  Die  Ergänzungen  verraten  durch- 
weg die  kundige  Hand  des  Bearbeiters. 

Olympia. 

Zu  IGA  112  (SGDI  1152.  Cauer  Del.  2  253;  vgl.  Ahrens,  Rhein,  sgdi 
Museum  35  1880  S.  578 — 585,  Nachträge  von  Ahrens  und  F.  B[üche-  ^'" 
1er]  S.  631  f.)    —    Bergk  (Nachlafs),   Rhein.  Museum  38   1883  S.  526 
— 539  schreibt  statt  xatzauTu  Z.  1:  xa\  raoTou[v,  indem  er  annimmt,  der 
letzte   Buchstabe   sei  am  Ende  der  Zeile  verwischt  oder  vom   Graveur 


470  Griechische  Epigraphik. 

vergessen;  Z.  4  statt  der  Kirchhoffschen  Fassung:  ff^rnzSeovrojv.  Z.  5 
hält  B.  inivTMi  für  eine  synkopierte  Form  von  knevinu);  ini/xTrscv  zä  8c- 
xaca  =  ins  dicere,  iudicare.  Z.  7  verbessert  B.  Ifidaxot  in  üMaxoc 
(äolisch  =  cMcTxoc).  So  verhängt  dieser  Satz  über  den  Richter,  der 
dem  Angeklagten  gegenüber  Milde  zeigt,  eine  Bufse  von  zehn  Minen. 
Z.  8.  9  liest  B.  mit  Ahrens:  rayra;  ebenso  fafst  er  mit  Ahrens  ndaxoi 
=  -ndaxoi.  fsc^ojs  ist  der  Richter.  Z.  9  ergänzt  B.  den  Schlufssatz : 
Ts]7v  [x'  äv]  XEo[tT]o  [m]va^  tapbg  ''Olovmai. 

SGDi  Ridgeway,   ^ippetv  in  Homer  and  in  an  Olympian  inscription«, 

Journal  of  philology  XII  1884  n.  23  S.  32—35  statuiert  als  ursprüng- 
liche Bedeutung  von  sppeiv  »schreiten,  wandern«.  Demgemäfs  wird  in 
der  Inschrift  IGA  113  (SGDI  1153.  Cauer  Del.  2  257)  Z.  6:  al  8£ 
rig  aoXacrj,j-ep{p)7)v  ahrov  7iot{t)uv  dca  erklärt:  »er  verfüge  sich  zu  Zeus.« 

SGDI  Brand,   Hermes  XXI   1886  S.  312  liest  IGA  add.  113«  (SGDI 

1156  =  Cauer  Del.  2  259)  Z.  1:  ac  de  ßeveoc  (=  ßcveo:)  ev  zlapoc,  ßot 
xa  üodSoi  (=  &ud^£c)\  zum  Vergleich  wird  Herod.  2,  64  angezogen  »Ob 
ßevioc  dialektische  Form  für  ßeveoc  ist,  oder  das  erste  e  einem  Irrtum 
des  Schreibers  seinen  Ursprung  verdankt,  wage  ich  nicht  zu  entschei- 
den. Die  Ausdrucksweise  ßot  ßudCecv  würde  dem  lat.  sacrum  facere 
bove  entsprechen.« 

SGDI  Zu  der  Inschrift  IGA  111  (SGDI  1157.  Cauer  Del.  2  254)  Z.  3.  4 
dürften  sich  weitere  Ergänzungen  noch  aus  der  ganz  ähnlichen  Inschrift 
SGDI  1152  (s.  0.)  Z.  2.  3  gewinnen  lassen.  Ich  schlage  vor:  (3)  al  ^k  /xrjm- 
&ec7j  zä  ^c'xaca]  6  Zapt(up\jog  ö  iazafxsvog  £[::']  capat  napä  zag  7:6[hos 
(4) ^ixa]  pvaTg  x"  dnozc'voc  u.  S.  w. 

SGDI  Larfeld,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1885  n.  22   Sp.  674f.    Eine 

crux  interpretum  bildet  IGA  115  (SGDI  1158)  Z.  5: oaSoovzaBe- 

xuaiuaeßocxa .    Zum  Vergleich  wird  von  Blafs  angezogen  &odS{8)oc 

(=  xaBacpea&cu?) ßot n.  1156,  1.    Ich  vermute  in  xuac  eine  eleische 

Glosse;  vgl.  zpcxzeuav  xr^ijav  in  dem  Dekret  der  delphischen  A.mphi- 
ktyonen  CIA  11  1,  545  Z.  34  und  Böckhs  Notiz  zu  CIG  1688:  xrjuav  = 
xa&apzYjpcav ,  Ttapa  zrjv  xaumv^  nach  Hesychius'  xeta-  xa^dppaza,  xr^ca' 
xa&dpfiaza;  ferner  xeauav  in  der  lakonischen  Inschrift  von  Magula  Hermes 
in,  449.  xuac  würde  demnach  dem  xo&dpac  zs^ecac  in  SGDI  1156,  1 
entsprechen.  Trotzdem  sind  so  die  Schwierigkeiten  nicht  gehoben:  der 
Nominativ  ug  pafst  nicht  zu  der  Struktur  iy  ßot;  eine  Änderung  in  uc 
wage  ich  bei  der  gut  bezeugten  Lesart  nicht  vorzuschlagen. 

SGDI  Meister,  Berl.   philol.  Wochenschr.   1886  n.  11   Sp.  323   erklärt 

1165 

die  Aufschrift  des  im  Dorfe  Koskina,  Va  Stunde  von  Olympia,  gefundenen 
Steines  IGA  add.  112»  (SGDI  1165.  Cauer  Del.  2  262.  Roberts  n.  293): 
'Pcmp  I  iyctj  ]  Esv-\fdps-\[op  überzeugend:  »Ich  bin  der  Wurfstein  des  Xen- 
vares«.  Mit  pcmg,  eleisch  pcmp,  von  pcnzw  ist  zu  vergleichen  xomg  Hau- 
messer von  xönzw,  zuncg  Schlägel  von  tüttto»,  pa^cg  Nähnadel  von  pdnziu 


IV.  Peloponnesus.    4b.  Elis:  Olympia.  471 

u.  s.  w.  »Der  vom  eleischen  Athleten  Xenvares  in  Olympia  geworfene 
Stein  erinnerte  also  die  späteren  Besucher  des  Heiligtums  an  die  ge- 
waltige Körperkraft  des  Mannes,  der  Steine,  die  andre  Sterbliche  kaum 
heben  konnten,  zu  werfen  vermochte.  Die  Mafse  des  Steines  zeigen, 
dafs  die  Leistung  eine  respektable  war.  Da  nämlich  der  aus  Muschel- 
kalk bestehende  Block  0,34  m  breit,  0,37  m  rechts  und  0,42  m  links 
hoch  und  0,17 — 0,20  m  dick  ist,  so  ist  sein  Gewicht  auf  c.  75  Kilo  zu 
veranschlagen.« 

Purgold,  Olympische  Weibgeschenke,  in  den  »historischen  und  sgdi 
philologischen  Aufsätzen ,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewid-  ca.  36o 
mets  Berlin  1884  S.  224  ff.  nimmt  die  Basis  eines  Weihgeschenks  mit 
der  Inschrift:  fahcwv  |  Trepl  6fxo-\voiap  (SGDI  ll7l.  Cauer  Del.  2  265) 
für  das  Mittelstück  des  Bathrons  eines  kolossalen  Anathems  der  Eleer 
nach  dem  Arkaderkriege,  des  gröfsten  aller  ehernen  Zeusbilder  der  Altis, 
in  Anspruch,  dessen  vordere,  merkwürdigerweise  in  stehende  Felder  oder 
Streifen  geteilte  Basis  mindestens  2,13  m,  dessen  obere,  in  zwei  Löchern 
auf  der  Oberfläche  unseres  Blocks  befestigte  Platte  mit  ihren  vortreten- 
den Profilen  mindestens  3  m  breit  gewesen  wäre,  und  dessen  ganze  Basis- 
höhe mit  dem  oberen  und  unteren  Profilblock  etwa  2  m  betragen  haben 
würde.  Für  das  von  Pausanias  erwähnte  Weihgeschenk  der  Eleer  nach 
der  Arkaderschlacht,  ein  27  Fufs  hohes  ehernes  Zeusbild,  ist  unser  Ba- 
thron  mit  seinen  gewaltigen  Dimensionen  als  ganz  besonders  geeignet  zu 
betrachten.  Die  Inschrift  ist  dem  Schriftcharakter  nach  nicht  über  die 
erste  Hälfte  des  4.  Jahrb.  v.  Chr.  herab  zu  datieren.  Das  Bestreben, 
die  Erinnerung  an  die  fremden  Eindringlinge  zu  verwischen,  dürfte  die 
Eleer  bestimmt  haben,  auf  dem  von  ihnen  gestifteten  Monument  den 
Namen  ihres  Stammes  mit  besonderer  Betonung  voranzustellen.  Der  Zu- 
satz yynepc  6/xovocap«  als  Grund  der  Weihung  wird  kaum  eine  passendere 
Motivierung  finden  können,  als  durch  die  Ereignisse  jenes  Krieges,  der 
nach  der  gewaltsamen  Okkupation  Olympias  und  der  widerrechtlichen 
Feier  der  Spiele  durch  die  Pisaten  mit  einer  friedlichen  Lösung  und 
der  Wiederherstellung  des  früheren  Rechtszustandes  endigte.  Als  Ent- 
stehungszeit des  Denkmals  wäre  demnach  das  Ende  von  Ol.  104  oder 
wahrscheinlich  der  Anfang  der  folgenden  (=  ca.  360  v.  Chr.)  anzusetzen. 

Mylonas,  'J?^.  dp;(.  1883  Sp.  106.     Bruchstück  eines  steinernen  sgdi 
aÄTTjp  mit  der  linksläufigen  archaischen  Inschrift  MAIQIOH  =  Koiolag. 
Identisch  mit  Kirchhoff,  Arch.  Ztg.  XXXVII  1879  S.  158  n.  305  =  IGA  560 
=  Blafs,  SGDI  1177. 

Gurlitt,  Paionios  und  der  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia,  iga348 
in  den  »histor.  und  philol.  Aufsätzen«  (s.  oben)  S.  271   setzt  auf  grund  "^"^ 
einer  archäologischen  Untersuchung  die  Nike   des  Paionios  nach  dem 
Parthenon  =  nach  436  v.  Chr.    Weder  Schriftcharakter  noch  Inhalt  der 
Basisinschrift  derselben  (IGA  348.  SIG  30)  hindere,  die  Ausführung  der 


472  Griechische  Epigraphik. 

Nike  nach  429  v.  Chr.  anzusetzen.  Die  allgemeine  Bezeichnung  ■ßdnb  rojß 
TioXsficajva  sei  am  einfachsten  auf  die  mannigfachen  Kämpfe  zu  beziehen, 
welche  etwa  422  v.  Chr.  durch  den  Nikiasfrieden  einen  vorläufigen  Ab- 
schlufs  fanden.  Unser  Paiouios  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  iden- 
tisch mit  einem  Künstler,  der  nach  der  Mitte  des  5.  Jahrh.  in  Athen 
thätig  war.  »Auch  verstehen  wir  jetzt  besser,  warum  sich  die  Messe- 
nier  und  Naupaktier  für  ihr  Siegesdenkmal  gerade  an  Paionios  wendeten. 
Er  war  ein  Künstler,  welcher  damals  in  Athen,  dem  treusten  Schutz- 
staate der  Messenier,  lebte  und  arbeitete«  (S.  282  f.). 

Foucart,  BCH  XI  1887  S.  289  —  296.  Das  zu  Olympia  gefun- 
dene Fragment  einer  Siegesinschrift  IGA  380  (zuletzt  wiederholt  von 
Roberts  n.  24;  vgl.  append.)  ist  von  dem  Herausg.  Treu,  Arch.  Ztg. 
XXXVII  1879  S.  212  mit  Unrecht  dem  Theagenes,  S.  des  Timosthenes, 
von  Thasos  zugeteilt  worden,  der  nach  Paus.  6,  11,  2  zu  Olympia  Ol.  75 
(=  480  V.  Chr.)  einen  Sieg  im  Faustkampf,  Ol.  76  im  Pankration  er- 
rang. 1.  Es  ist  unwahrscheinlich,  dafs  das  Präskript  zu  Anfang  der 
ersten  Kolumne  gestanden  habe;  man  erwartet  vielmehr  eine  General- 
überschrift beider  Kolumnen.  Wenn  aber  entsprechend  der  linken  auch 
die  rechte  Kolumne  um  mindestens  eine  Zeile  vermindert  wird,  so  ist 
für  die  von  Pausanias  berichteten  zehn  isthmischen  Siege  kein  Raum 
mehr.  Andrerseits  giebt  das  Faks.  keinen  Anhalt  für  Treus  Annahme, 
dafs  Kol.  II  wegen  der  gedrängteren  Schrift  um  eine  Zeile  länger  ge- 
wesen sei,  als  Kol.  I.  Bei  gleicher  Länge  beider  Kolumnen  mangelt  aber 
auch  der  Raum  für  die  von  Pausanias  erwähnten  neun  nemeischen  Siege. 

2.  Das  uns  bekannte  Alphabet  von  Thasos  und  der  schriftverwandten 
ionischen  Inseln  hat  stets|i2  für  O  (Kirchhoff,  Studien*  S.  83  u.  Taf.). 
Die  Annahme  Treus,  dafs  die  Thasier  um  450  v.  Chr.  das  ionische 
Alphabet  adoptiert  hätten,  ermangelt  bis  jetzt  des  inschriftlichen  Belegs. 

3.  Treus  Wiederherstellung  berücksichtigt  das  dxovcTec  Z.  7  nicht  ge- 
bührend. Es  ist  wenig  wahrscheinlich,  dafs  dieser  bedeutungsvolle  Zusatz 
von  Pausanias  übergangen  worden  sei.  —  Die  durch  das  Fragment  dar- 
gebotenen Anhaltspunkte  sind  mit  gröfserer  Wahrscheinlichkeit  auf  einen 
anderen  Sieger  des  5.  Jahrb.,  den  Rhodier  Dorieus,  jüngsten  Sohn  des 
Diagoras,  zu  beziehen.  Derselbe  errang  nach  Paus.  6,  7  Ol.  87.  88.  89 
drei  Siege  zu  Olympia  im  Pankration,  acht  in  den  isthmischen  Spielen, 
sieben  zu  Nemea.  Die  Notiz  des  Pausanias:  ^sysrac  8k  xai  wg  flü&ia 
dveXoiTo  dxovcTc,  eine  seltene  Auszeichnung,  die  aufser  dem  Dorieus 
bis  zum  Ende  des  5.  Jahrh.  nur  noch  dem  Mantineer  Dromeas  zu  teil 
wurde,  ist  der  Herausg.  geneigt,  auf  unmittelbare  Lektüre  der  In- 
schrift (=  »man  liest«)  zu  beziehen.  —  Da  aufser  diesem  hervorragen- 
den Siege  an  den  Pythien  noch  zwei  Zeilen  der  linken  Kolumne  zu  be- 
legen sind,  so  nimmt  der  Herausg.  an,  Pausanias  habe  nur  jenen  be- 
richtet, zwei  weitere  pythische  Siege  dagegen  unerwähnt  gelassen.  Es 
wären  somit  verzeichnet  gewesen:   Kol.  I  3  Siege  zu  Olympia  im  Pan- 


IV.  Peloponnesus.    4  b.  Elis:  Olympia.  Elis.    5.  Achaia.  473 

kration,  3  in  den  pythischen,  4  in  den  isthmischen  Spielen;  Kol.  II  4  isth- 
mische und  7  nemeische  Siege.  Die  gedrängtere  Schrift  von  Kol.  II  er- 
kläre sich  daher,  dafs  hier  ein  Sieg  mehr  zu  verzeichnen  war.  —  Die 
Anwendung  ionischen  Alphabets  und  Dialekts  in  der  Siegesinschrift  eines 
Rhodiers  unterliegt  keinem  Bedenken.  Eine  Inschrift  aus  Halikarnafs 
aus  dem  5.  Jahrh.  IGA  500  bietet  ionisches  Alphabet  und  Dialekt;  eine 
jüngere  Inschrift  derselben  Herkunft  BCH  IV,  295  (Röhl  II,  56 f.)  ent- 
hält mehrere  ionische  Formen ;  dasselbe  gilt  von  einer  Inschrift  von  lasos 
aus  der  Zeit  des  Mausolos  BCH  IV,  491  (Röhl  II,  58).  Der  Annahme 
des  Gebrauchs  ionischen  Alphabets  und  Dialekts  in  den  übrigen  dori- 
schen Kolonieen  Kariens  während  des  5.  Jahrh.  steht  nichts  im  Wege. 
Für  Kos  und  Knidos  fehlen  bisher  archaische  Texte;  in  der  Inschrift 
der  griechischen  Söldner  von  Abu-Simbel  gebraucht  ein  Rhodier  von  la- 
lysos  ionische  Schrift;  einige  rhodische  Vasen  zeigen  dieselbe  Schriftart 
(Kirchhoff,  Studien*  S.  40.  49).  Eine  Siegesinschrift  des  Eukjles,  S. 
des  Kallianax  (Enkel  des  Diagoras),  von  Rhodos  (Arch.  Ztg.  XXXVI 
1878  S.  129  =  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  n.  86)  aus  dem  Ende  des 
5.  oder  den  ersten  Jahren  des  4.  Jahrh.  bietet  ionische  Schrift  und  Mund- 
art, die  sich  nicht  auf  den  Bildhauer,  Nau]kydes,  S.  des  Patrokles  (//«- 
zpoxkr^og),  aus  Ai'gos  zurückführen  lassen.  Eine  Siegesinschrift  des  Da- 
magetos,  älteren  Bruders  des  Dorieus  (Arch.  Ztg.  XXXVIII  1880  S.  52), 
nicht  jünger  als  Ol.  86  =  436  v.  Chr.,  zeigt  bereits  ionisches  H  =  5y. 

Eine  zu  Olympia  gefundene  Ehreninschrift  des  achäischen  Bundes 
s.  u.  unter  5.  Achaia. 

Elis. 

Purgold,  Arch.  Ztg.  XL  1882  Sp.  394  n.  3.    In  der  Palanopolis,  .->. jahrh. 
der  alten  Stadt  Elis,  in  der  Vorhalle  eines  Hauses  eingemauerter  Grab- 
stein: 'Apcazovcx — . 

5.    Achaia. 

Henzen  1  Purgold),  BuUett.  dell'  inst.  1884  S.  80.  Basisinschrift  ca.  iso 
aus  Olympia,  die  wahrscheinlich  ein  Reiterstandbild  trug.  Das  xocvuv 
Tüjv  A/acu)v  ehrt  den  Q.  Marcius  L.  f.  Philippus,  a-lparalybv  onarov  'Pw- 
fiaccüv ,  wegen  seiner  dpexä  und  xaluxdyadta  gegen  den  Bund  und  die 
andern  Griechen.  Einheimischer  Dialekt.  —  Trotz  der  Schriftzeichen 
€C(jJ  ist  die  Inschrift  nach  Purgold  wegen  der  Schreibart  Madpxiov 
nicht  über  die  Mitte  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.  hinabzurücken.  Die  Künstler- 
inschrift; 'Avopiag  xac  'Apiazö/jia^og'Apyeioe  |  inocr^crav  ist  von  andrer  Hand. 
Ersterer  ist  wohl  identisch  mit  dem  bei  Paus.  6,  16,  7  Genannten.  Q.  Mar- 
cius Philippus  war  Konsul  186  und  169  v.  Chr.;  in  letzterem  Jahre  war 
er  Oberbefehlshaber  des  römischen  Heeres  gegen  Perseus.  —  E.  Curtius 
erblickt  in  der  Inschrift  ein  Zeugnis  für  das  Wiederaufleben  der  ars  sta- 
tuaria  nach  Ol.  156  und  erweist,  dafs  die  in  neuerer  Zeit  so  häufig  an- 


474  Griechische  Epigraphik. 

gezogene  Stelle  des  Plinius  (34,  8)  nur  vom  Erzgufs  verstanden  werden 
kann  (Sitzung  der  archäol.  Gesellsch.  zu  Berlin  vom  10.  Juni  1884;  vgl. 
Berl.  philol.  Wochenschr.  1884  n.  41  Sp.  1301). 

Aegium. 

Panagiotopulos,  '£^.  äpy^.  1884  Sp.  89 f.  Grabsteine:  1.  der 
35jährigen  Alkain[eteJ,  T.  des  Styrax;  2.  des  Msvtov  Haneüg  (?). 

Kalavryta. 

Purgold,  Arch.  Ztg.  XL  1882  Sp.  393 f.  n.  2.  Am  Anfang  ab- 
gebrochene Eandinschrift  eines  runden  Blechkessels:  --epazt  'ApTdfi{c)Tc. 
Ersteres  Wort  wohl  Reste  eines  Beinamens  der  Göttin. 

V.   B  0  e  0 1  i  a. 

Larfeld,  Sylloge  inscriptionum  Boeoticarum  dialectum  populärem 
exhibentium.  Composuit,  adnotavit,  apparatu  critico  instruxit.  Prae- 
mittitur  de  dialecti  Boeoticae  mutationibus  dissertatio.  Berl.  1883.  gr.  8. 
XXXVI,  232  S.  10  Mk.  —  Bez.:  Röhl,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1883  n.  9 
Sp.  269—271.  Hinrichs,  DLZ  n.  26  Sp.  921—923.  Cauer,  LCB  n.  24 
Sp.  844  f.  G.  Meyer,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XXXIV  S.  354—356. 
Meister,  Philol.  Rundschau  n.  30  Sp.  955—960.  Führer,  Philol.  An- 
zeiger XIV  1884  S.  85—88.  Haussoullier,  Revue  arch.  S.  60—64.  — 
»Splendid  ausgestattetes  Buch,  achtungswerte  und  brauchbare,  in  ge- 
wissem Sinne  abschliel'sende  Arbeit,  welche  zugleich  mehr  für  den  kri- 
tischen Apparat  leisten  will,  als  meist  bei  epigraphischen  Hülfsmitteln 
geschehen.  —  Die  Buchstabenformen  gewähren  für  die  macedonische  Zeit, 
der  die  meisten  Inschriften  angehören,  ein  höchst  unsicheres  und  wenig 
ergiebiges  Kriterium,  auf  welches  neuere  Forscher  einseitig  zu  grofses 
Gewicht  gelegt  oder  auf  grund  dessen  Andere  fälschlich  Inschriften  für 
archaisierend  angesehen  haben.  Dem  gegenüber  versucht  der  Verfasser 
an  der  Hand  des  Dialekts,  speziell  der  allmählichen  Wandelungen  im 
Vokalismus,  indem  er  von  den  durch  historische  Beziehungen  fixierbaren, 
einleuchtend  besprochenen  Dokumenten  (p.  V  —  XI)  ausgeht,  auf  ver- 
gleichendem Wege  eine  möglichst  genaue  Chronologie  der  etwa  600 
Dialektinschriften,  welche  nicht  unter  sich,  sondern  nach  den  Städten 
in  den  Abschnitten:  vor  350,  350  —  230,  230  (bezw.  200)  — 150  v.  Chr. 
(römische  Namen,  also  Inschriften  nach  1 46  kommen  nicht  vor,  p.  XI  3) 
geordnet  sind.  Die  älteren  im  epichorischen  Alphabet  (bei  Röhl  183)  sind 
alle  faksimiliert,  zum  teil  mit  den  Holzstöcken  der  IGA,  zum  teil  ver- 
kleinert, die  in  dem  zwischen  370  —  350  v.  Chr.  eingeführten  ionischen 
Alphabet  selten;  hier  genügt  eine  höchst  genaue  Umschrift  in  Minus- 
keln, bei  welcher  allerlei  Klammern  im  Text  und  die  Originalformen  im 
Lemma  und  Apparat  für  eine  Rekonstruktion  jede  Auskunft  geben.    Die 


V.  Boeotia.  475 

reinen  xotv^-Inschriüen  der  Landschaft  Böotien  sind  dem  Titel  nach  aus- 
geschlossen; bei  denen  in  gemischtem  Griechisch  wird  auf  Hellenismen 
und  Dorismen,  Atticismen  oder  Megarismen  besonders  hingewiesen.  Das 
Lemma  nennt  kurz  Fund-  und  Aufenthaltsort;  der  Kommentar  giebt  die 
Litteratur  an  und  bietet  neben  knai)per  Sach-  und  Spracherklärung  die 
gesuchte  Altersbestimmung.  Diese  stützt  sich  besonders  auf  den  Ge- 
brauch patronymischer  Adjektiva  oder  (p.  230)  Genetive  und  die  Schrei- 
bungen jy  (später  er,  attisch -tanagräisch  ae)  für  at  (seit  400),  u  (später 
in  Chäronea  und  Lebadea  er,  d-s,  nicht  ö)  für  oc  (seit  230),  ou  oder  cou 
(seit  250)  für  u,  t  (sj)  für  e  vor  Vokalen  (seit  350),  s.  die  Tabelle 
p.  XXXIV  ff.«  —  Hinrichs,  a.  a.  0. 

Meister,  die  böotischen  Inschriften.  SGDI  I  Heft  3  S.  145—309 
n.  374 — 1146  (einschliefslich  der  Münzlegenden).  Gott.  1884.  gr.  8. 
5  Mk.  —  Nachträge  und  Berichtigungen  Heft  4  S.  387—406.  Wort- 
register Bd.  IV  Heft  1  S.  41—87.  Rez.  s.  S.  391.  —  Neubearbeitung 
der  in  Bezzenb.  Beitr.  Bd.  V.  VI  enthaltenen  »Inschriftlichen  Quellen  des 
böotischen  Dialekts«  von  demselben  Verf.  Einen  Fortschritt  gegen  die 
frühere  Bearbeitung  bildet  der  den  in  Minuskeln  wiedergegebenen  und  nach 
Städten  geordneten  Inschriften  beigefügte  kritische  Apparat.  Als  unlieb- 
same Lücke  empfunden  wird  der  Mangel  einer  Angabe  der  Schriftcha- 
raktere, zumal  auf  der  Verschiedenartigkeit  der  letzteren  das  ganze, 
sehr  äufserliche  und  problematische  Einteilungsprinzip  Meisters  beruht: 
1.  älteres  Alphabet,  2.  ältere  und  jüngere  Zeichen  neben  einander, 
3.  jüngeres  Alphabet.  Statt  bei  diesem  früheren  Einteilungsprinzip  zu 
verharren,  wäre  eine  Zusammenstellung  nach  tiefer  liegenden  Prinzipien, 
nach  lautlichen,  sprachhistorischen  Erscheinungen,  somit  eine  chrono- 
logische Anordnung  am  Platze  gewesen.  Der  neuen  Bearbeitung  ist  eine 
grofse  Zahl  (ca.  70)  Inschriftnummern,  gröfstenteils  nur  einnamige  Grab- 
schriften, einverleibt,  die  auch  gemeingriechisch  sein  können;  andrer- 
seits wird  manche  nicht  unwichtige  Inschrift  vermifst.  Um  den  inschrift- 
lichen Text  hat  sich  der  Herausg.  auch  in  der  neuen  Bearbeitung  an- 
erkennenswerte Verdienste  erworben;  doch  werden  dieselben  reichlich  auf- 
gewogen durch  den  Nachteil,  der  daraus  entspringt,  dafs  Meister  nach 
wie  vor  statt  des  Sprachprinzips  seiner  Sammlung  das  wertlose  Schrift- 
prinzip zu  gründe  gelegt  hat.  Dadurch  bleibt  das  relative  Alter  der 
weitaus  gröfsten  Zahl  der  Inschriften  in  Dunkel  gehüllt,  und  eine  Ein- 
sicht in  die  Geschichte  des  Dialekts  läfst  sich  nicht  gewinnen. 

Adolf  Schmidt,  Der  boiotische  Doppelkalender.  Fleckeisens 
Jahrb.  Bd.  131/2  1885  S.  349  —  366  behandelt  1.  den  »Mondkalender 
der  metonischen  Zeit«  (S.  350—355),  2.  den  »Mondkalender  der  oktae- 
terischen  Zeit«  (S.  355—360),  3.  die  »Doppeldatierung  von  Tanagra«  — 
auf  grund  von  SIB  497  (SGDI  951)  Z.  1.  2  (S.  360—363),  4.  die  »Doppel- 
datierung von  Orchomenos  —  im  Anschlufs  an  SIB  16  C  Z.  40.  41  = 
SGDI  488  F  Z.  141.    142  (S.  364—366). 


476  Griechische  Epigraphik. 

Acraephia. 

Ar-  Korolkow,  MD  AI  IX  1884  S.  5  ff.     Bei  der  Trockenlegung   des 

1. 1-6)  Kopaissees  durch  die  französische  Gesellschaft  wurden  'A  Stunde  östlich 
von  der  Akropolis  von  Akraiphia  in  einer  Reihe  neun  Grabsteine  mit  In- 
schriften (n.  1 — 6  archaisch)  gefunden,  augenscheinlich  Überreste  des 
alten  Friedhofs.  —  S.  5  n.  1 :  2'<Ta////cü  =  SGDI  668^  Nach  Lolling 
(s.  u.),  S.  1031  ist  am  Ende  wahrscheinlich  ein  ^  weggebrochen.  S.  6 
n.  2:  Mvaaifia^^ OS  =  SGDI  568^.  Nach  Lolling  (s.  u.),  S.  1031  lautet 
der  Schlufs  S'A  (—  Mvaacfxd^o)]  sodafs  die  vermeintliche  Entdeckung 
»einer  bisher  unbekannten  Form  für  ö«  nur  auf  der  Ungenauigkeit  des 
Abschreibers  beruht,  n.  3:  KaXd/x}xe{i)  =  SGDI  568«';  zur  Bildung  vgl. 
SIE  2  und  p.  XXVII  sq.  n.  4:  'Em  n-ujcuoib]jjoc  =  SGDI  568^'.  S.  7 
n.  5:  navxdpe{i)g  =  SGDI  568«.  n.  6:  TtixönoXitg  =  SGDI  568^  — 
n.  7:  ncBaxo[g^  =  SGDI  568 &.  n.  8:  MvamcpiXog  =  SGDI  576".  n.  9: 
KXsla^px^Slag  =  SGDI  576  b. 

desgl.  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  8.   Archaische  Grabschriften,   n.  10:  Ap{o)ü- 

fxtog  =  SGDI  5681^.  —  n.   11:  Sevvcu  =  SGDI  568*. 

desgl.  Derselbe,    a.  a.  0.   S.  8 f.      Archaische  Weihinschriften,     n.  12 

neue  Abschrift  von  IGA  151.  SIB  178^  SGDI  567.  —  S.  9  n.  13  desgl. 
von  IGA  162.  SIB  178'^.  SGDI  568.  Wahrscheinlich  ist  zu  ergänzen: 
'ö  §£cva  iv  'Axpa]i^ce{i)e(7m  £{J)poi  nro't\e(T)]t. 

desgl.  Lolling,   Sitzungsber.   der  Berliner  Akad.   der   Wissensch.    1885 

S.  1031  n.  45.'  Archaische  Grabsteine  im  Hof  der  Demarchie  von  Kar- 
ditza.  n.  1:  "ApTuUo\g\  n.  2:  Afsivcag'^;  n.  3:  EyjYiJ.'\apl\j]a\  n.  4  (auf 
zwei  hufeisenförmig  beschriebenen  schwarzen  Blöcken,  scheinbar  zusammen- 
gehörig): 'Em  Ka — XixpdT£tg\  n.  5:  Mivm[7[og\  n.  6:  Em  J-ocxuvi.  —  n.  7 
(Karditza,  Haus  des  Demetrios  Xenakis):  0oh{i^. 

desgl.  Frank el,  Arch.  Ztg.  XL  1882  S.  387 ff.    Eine  dem  Kunsthändler 

Hoffmann  in  Paris  gehörige  Lanzenspitze  trägt  die  archaische  Inschrift: 
Tö  Ihoi£(7)og:  Hiapov  =  SGDI  569. 

desgl.  Reinach,  American  Journal   of  archaeology  I  1885   S.  358 — 360 

(Taf.  X).  Basisinschrift  einer  am  Berge  Ptoos  gefundenen  archaischen 
Bronzestatue:  Tipaat(ptAog  p''  di'S&e{c]x£  rdnoXovc  to2  n7oie(J)i.  Die  Deu- 
tung des  folgenden  HOnPAOrrEION  ist  unklar;  Bröal  liest :  o;T^a 
oTiXecov  =  ()<ppa  d(pecXujv\ 

desgl.  Holleaux,    BGH  X  1886.     Archaische  Votivinschriften  von  der 

Stätte  des  Tempels  des  Apollon  Ptoos  zu  Perdikovrysi  (Demos  von  Kar- 
ditza). —  S.  78  (Taf.  YII,  1).  Bustrophedoninschrift  auf  der  Tunika  des 
Fragments' einer  hermenartigen  Statue:  --[p'?}o\>  dvi^a{t)x£  roc  'A7i6-(2)Xovc 
Tol  nroc£{7)c-  (3)  --ozog  i7Tocf£(c)(T£.  —  S.  190.  Auf  den  Schenkeln  einer 
bronzenen  Ap oUo Statuette :  'Eu[y]£cTcag  (oder  £d[f]£cudg)  du£&£{c)x£  (2) 
To{T)  lkoc£u{i).    Da  als  Beiname  des  Gottes  in  den  älteren  Inschriften 


V.  Boeotia:  Acraephia.  Chaeronea.  •  477 

nur  die  Form  IlrmeOg  (Dativ  Ilraj'cefc,  flrojceTi),  in  jüngeren  nur  Ihcjlog 
begegnet,  so  mufs  in  der  Namensform  unsrer  Inschrift  wohl  ein  Ver- 
sehen des  Graveurs  vorliegen.  Letztere  zeigt  nach  Komposition  und 
Schriftcharakter  grofse  Verwandtschaft  mit  der  von  Köhler  dem  6.  Jahrh. 
V.  Chr.  zugewiesenen  Weihinschrift  einer  Berliner  Bronze,  ohne  Zweifel 
aus  dem  Tempel  des  Apollon  Ismenios  zu  Theben  (MD AI  I,  97;  vgl. 
Foucart  BCH  III,  139).  Sie  dürfte  daher  derselben  Zeitepoche  zuzu- 
weisen sein.  —  S.  196.  Auf  Brüst  und  beiden  Schenkeln  einer  Bronze- 
statuette (des  Apollon?):  Kloog  dvii)-B{c)x£  TonoXXovi  roT  11to'i£(7)i.  Gleich- 
altrig mit  der  vorigen  Inschrift.  —  S.  270.  Berichtigungen  des  Herausg. 
BCH  XI  1887  S.  287;  ausführliche  Beschreibung  der  Statue  a.  a.  0.  S.  275 
—287  (Taf.  XIII  XIV).  Inschriftfragraent  eines  Torso.  Auf  dem  linken 
Schenkel,  linksläufig:  FIuBcag  bxpanp\tEUQ  (2)  xcxi  Alay^fjcov  dv{e\d^{iTav\ 
auf  dem  rechten,  rechtsläufig:  0c{X\--  \  HTo'c[s{7)r.  dpyu]poT6;((7oc.  Um  450 
v.  Chr. 

Korolkow,  MDAI  IX  1884  S.  10 ff.  n.  14.    Katalog  (22  Z.)  von  250-200 
&up'?]sa^6poc  =  SGDI  571  ^     Aus   der  2.  Hälfte  des   3.  Jahrh.  v.  Chr. 
Aus  der  Zahl  der  Epheben  (34)  berechnet  der  Herausg.,  auf  neuere  sta- 
tistische Daten  gestützt,  die  Zahl  der  ganzen  freien  Bevölkerung  auf  ca. 
3800,   die  der  männlichen  von  20  Jahren  aufwärts  auf  ca.  1290  Köpfe. 

Clerc,  BCH  VII  1883  S.  79.  Unter  dem  Basrelief  eines  Herakles: 
ZujTiupog  Ssvia  ew/jyv.     »fipoque  assez  basse.« 

Chaeronea. 

Lolling  (s.  0.),  S.  1032.    Archaische  Grabsteine,   n.  8:  -  -  kpo(po\g\     Ar- 
n.  9:  Eu^i&co[g\  n.  10:  AappiThoQ.  <=^^'^=^^ 

Latischew,  MDAI  VII  1882  S.  353f.  Rings  verstümmeltes,  8zei- 
liges  Fragment  einer  Ephebenliste  in  einheimischem  Dialekt  =  SGDI  379. 
—  S.  354.  Rings  abgebrochenes,  7  zeiliges  Fragment  einer  gleichen  Liste 
in  Vulgärdialekt.  —  S.  354f.  12 zeiliges  Fragment  gleichen  Inhalts  aus 
späterer  Zeit. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  355.  Auf  der  Schmalseite  des  letzteren 
Steines.  9zeiliges  Fragment  eines  Volksbeschlusses,  »^der  offenbar  von 
der  Belohnung  der  Schiedsrichter  handelt,  die  aus  einer  befreundeten 
Stadt  zur  Beilegung  irgend  welcher  Uneinigkeiten  berufen  waren.« 

Derselbe,  BCH  VIII  1884  S.  54—56  n.  1.  Auf  demselben  Stein, 
welcher  CIG  1608*  ^  enthält,  finden  sich  noch  drei  Freilassungsurkun- 
den: a)  'Ava^cxpdziog  dp^a)\  KaU[}g]  Tipidc^ao  weiht  ihre  Sklavin  Kallis 
T£?  Eapdm  =  SGDI  406*=;  h)  'Ap^ovrog  Mvaaioo\  TeXXiag  Euvö/iou  die 
Sklavin  Zoila  tcJ  Zepdmi  (hierzu  eine  verbesserte  Lesart  zu  Z.  16  durch 
den  Herausg.  S.  351);  c)  "Ap^uvTog  AfioUoowpo'j;  die  Sarapispriesterin 
Pythis  die  Tochter  ihrer  Sklavin  Karais,  Niko,  r^  Eapdm. 


478  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  56f.  n.  2.  Marmoraltar,  von  welchem  drei 
„Seiten  mit  Freilassungsurkunden  bedeckt  sind.  Preller,  Berichte  der 
Kgl.  Sachs.  Gesellsch.  der  Wissensch.  VI  1854  S.  195—202  hat  die  fünf 
Inschriften  der  beiden  Breitseiten  publiziert,  konnte  jedoch  von  denen 
der   dritten   Seite    nur   weniges   entziffern.     Diese  hat  L.   neu  kopiert: 

a)  Archen  -on;  Puthina[s  weiht  seine  Sklavin und  deren  Knäblein 

-raios  zeT  lapä-nei  =  SGDl  400*;  b)  Archos  Archedamos;  Melis,  T.  des 
Philemon,  weiht  ihre  Sklaven  Sotimos  und  Soticha  zeT  Zepdm  =  SGDI 
401  (S.  389);  c)  Archen  Purrhinas;  Epitimos,  S.  des  Samokleis,  und 
Euphrosona,  lapä  zag  Mazipog  zwv  &tüjv,  weihen  ihre  Sklavin  Zoila  zsT 
lapdm  =  SGDI  402  (S.  389).  Über  den  inschriftlich  hier  zuerst  be- 
gegnenden Kult  der  Göttermutter  in  Chaironeia  und  die  Sitte,  ihr  — 
neben  dem  Serapis  und  der  Artemis  Eileithyia  —  Sklaven  zu  weihen, 
vgl.  die  Inschriften  unten. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  58  n.  3.  Das  offenbar  von  einem  vier- 
eckigen Altar  herrührende  Marmorfragment,  auf  dessen  einer  Seite  De- 
charme,  Recueil  d'inscr.  inedites  de  B6otie  n.  17  zwei  Freilassungsur- 
kunden las  (SIB  56.  57.  SGDI  405.  406),  enthält  auf  der  anderen  Seite 
zwei  weitere  Fragmente  desselben  Inhalts :  a)  Archos  [Mela]nthios ;  Rho- 
don  weiht  eine  Sklavin  zei  2apdm  =  SGDI  406*;  b)  Archos  -os;  --g 
'Avziy6[yoj  desgl.  =  SGDI  406 1\ 

Derselbe,  a.a.O.  S.  58 — 61.  Fragmentierte  Freilassungsurkun- 
den. —  S.  58  f.  n.  4.  a)  Archos  Mnasikleis;  Weihung  einer  Herrin  = 
SGDI  406  d;  b)  Archen  Theo(ioros;  --cha,  T.  des  Aristokles,  weiht  Skla- 
vinnen. —  S.  59  n.  4  bis.  "Weihung  an  Sarapis,  Isis  und  Anubis  = 
SGDI  406®.  —  n.  5.  Dämon,  S.  des  Kaphision,  und  sonst  jemand  weihen 
ihre  Sklavin  Parthena  zivc  Sepdnet.  —  S.  60  f.  n.  6.  A  a — c)  dürftige 
Reste;  c)  =  SGDI  406 ^  d)  Archen  Theodoros;  [Heljlanikos,  S.  des 
Herakleides,  weiht  seinen  Sklaven  Andren,  e)  Archen  Dexippos;  --ris, 
T.  des  Antias,  weiht  ihre  Sklavinnen  Homolois  und  Zoila.  f)  Archon 
Nikon;  Aristokleis,  S.  des  Kall--,  und  sonst  jemand  weihen  einen 
Sklaven  dem  lapdm  =  SGDI  406 e.     B  g— 1)  dürftige  Reste;  1)  =  SGDI 

406 '^.    m)  Weihuug  eines  (oder  einer) Ka<p]iaooujpuj  =  SGDI  406  ^ 

n)  Le--  weiht  den  Sklaven  Archon  =  SGDI  406*^. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  62  n.  7.  A)  Weihung  der  Sklavinnen  Niko 
und  — ;  =  SGDI  406 1.  B)  Geringe  Schriftreste.  —  S.  63  n.  8.  Archon 
Eubulos;  Syreina,  T.  des  Simias,  weiht  ihre  Sklavin  Chrysis.  —  S.  64  f. 
n.  9.  a)  Damo,  T.  des  Hiaron,  weiht  eine  Sklavin  der  'Apz]dpc8c  z^ 
'EXtdioutTj  =  SGDI  406'».  b)  Archos  Aristonikos;  Eudamos,  S.  des 
Aristodamos,  weiht  die  Sklavin  (hierzu  die  verbesserte  Lesart  des  Herausg. 
8o6av  statt  8ouXav  a.  a.  0.  S.  351)  Sosicha  z^  'Apzdp.c8:  z^  EiXSitj  = 
SGDI  406°.  —  S.  65  ff.  n.  10.  a)  Archon  Euandros;  Theon,  S.  des  Dio- 
nysios,  und  Athenais,  T.  des  Phaon,  weihen  ihre  Sklavin  Dionysia  zrj 


V.  Boeotia:  Chaeronea.  Chorsiae.  Coronea.  479 

MrjTpl  Tu)v  &ewv\  desgl.  ihren  Sklaven  Kerdon.  b)  A[rchos  Ch]arondas 
(verb.  Lesart  des  Monatsnamens  Ocoucuj  statt  Ostouiui  und  \ne\Tpd3i  statt 
[r£\Tpd§t  durch  den  Herausg.  S.  351);  Lajmpris,  T.  des  Kallon,  weiht 
ihren  Sklaven  ÄpoUonios  rrj  Marp\\\  rrj  (rrjy  peydXrj.  Über  den  Brauch, 
der  Göttermutter  Sklaven  zu  weihen,  s.  oben  S.  478. 

Derselbe,    MD  AI    VII    1882    S.   356.     Basisinschrift.     Caecilia  t  ^a 
Lampris  errichtet  im  Jahre  73  n.  Chr.  dem  Kaiser  Vespasian  eine  Bild- 
säule uTikp  rr^g  TtoXeujg. 

Chorsi  ae. 

Foucart,  BCH  VIII  1884  S.  408  n.  9.  Unter  dem  Archonten 
Euagoros  ernennt  der  Damos  den  Delphier  {BsX<puv)  Anticha[reis],  S.  des 
Adrastos,  zum  Proxenos  und  Euergetas  =  SGDI  736  ^ 

Derselbe,  BCH  X  1886  S.  459f.  Z.  11—19  der  Ehreninschrift 
SIB  190^  =  SGDI  737  werden  aus  den  Papieren  von  Karl  Blondel  in 
besserer  Abschrift  mitgeteilt. 

Coronea. 
Lolling  (s.  0.),  S.  1032  n.  11.     Mamura  bei  Koroneia.    Archai-     ^r- 

°     ^  ' '  chaisch. 

scher  Grabstein:  'Apiartag. 

Foucart,  BCH  IX  1885  S.  427  n.  39.  Dorf  Sulinari.  'Hpäg  Ka- 
harpUiog^  S.  des  Aulos  (letzterer  Sieger  an  den  Pamboiotien  n.  46  Z.  14; 
s.  u.)  weiht  rov  vaov  und  rd  ^opiüpaza  dem  Koronios.  —  Hiernach  ist 
der  Name  des  von  Paus.  9,  34,  7.  8  erwähnten  Heros  und  Gründers  von 
Koroneia  »Koronos«  zu  emendieren. 

Derselbe,  a.a.O.  n.  40.  Ebd.  Grabschrift]:  Kafuaodwpa  (vgl. 
n.  44:  roäg). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  428 ff.  Dorf  Mamura;  Proxeniedekrete  (in 
epichor.  Dialekt)  des  böotischen  Bundes  von  der  Ruinenstätte  des  Tem- 
pels der  Athena  Itonia  bei  Koroneia:  S.  428  n.  41.  1.  Fragment  auf 
einen  Unbekannten;  der  eine  der  beiden  Garanten  {iyyoot)  ist  ein  Or- 
chomenier.  2.  Fragment  auf  einen  -  mipovza  ^iXcuvog  'A8pap.oo\rTrjv6v\ 
auch  hier  fungiert  als  Garant  ein  Orchomenier.  —  S.  429  n.  42. 
1.  Schlufs  eines  Dekretes  auf  einen  -XsTov  (Ethnikon).  2.  Anfang  eines 
solchen.  —  n.  43.  Anfang  eines  Dekretes  des  xocvöv  Boccutojv  aus  dem 
Monat  Eiluthios;  Sprecher  ist  --aahao.  —  S.  430  n.  44.  Schlufs  eines 
Dekretes  auf  -ios  aus  Amphissa.  Z.  1:  xoug  a\}lo'.g\  vgl.  n.  40.  —  n.  45. 
Anfang  eines  Dekretes  auf  einen  Apollopha[neis ;  Sprecher  ist  ein  dei- 
ß^og.  Z.  2  begegnet  zum  ersten  Male:  Buwrwv;  dgg.  Z.  1:  to?,  Z.  3: 
abzoTg ! 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  430 — 432  n.  46.  Ebd.  Liste  der  Sieger  an 
den  Pamboiotien ;  datiert  nach  dem  Archonten  von  Akraiphia  Hipponikos 


480  Griechische  Epigraphik. 

und  nach  dem  Schreiber  der  vaoTTococ,  der  gleichzeitig  Epimelet  der  Pane- 
gyris  war.  Da  Z-  9.  11  auch  der  Kult  des  Ares  erwähnt  wird,  so  wird 
mit  dem  Herausg.  in  der  Beschreibung  des  Tempels  der  Athena  Itonia 
bei  Strabo  9,  2,  29:  aoyxad^iSporat  8k  r^  'ABr^vq.  b  "Aorjg  xard  uva,  utg 
<paai^  jioaztxrjv  ahia\>  das  auf  ungenauer  Information  dieses  Schriftstellers 
beruhende  "AB-qq  in  "Apriq  zu  emendieren  sein. 

Creusis. 

Ar-  Lolling  (s.  0.),  S.  1032  n.  12.    Livadostro,  im  Heiligsten  der  Ka- 

chaisch.  pgjjg  ^gg  jjjjg_  Nikolaos.     Archaischer  Grabstein:  MsXdv&cog. 

Haliartus. 

Foucart,  BCH  IX  1885  S.  424  n.  37.  Fragment  des  ersten  bisher 
bekannt  gewordenen  Proxeniedekretes  rag  Tiöhog  'Apiaprtojv  (Z.  6)  auf 
mehrere  Macedonier  aus  Odessa  {i[aQ]  'Ediaaag  Z.  5);  unter  ihnen  ist 
ein  Kassandros,  S.  des  Nikarchos.  Das  in  einheimischem  Dialekt  ab- 
gefafste  Dekret  enthält  dieselben  Formeln  und  Privilegien,  wie  die  an- 
derer böotischer  Städte. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  425  n.  38.  Mulki.  Fragment  eines  Proxenie- 
dekretes in  epichorischem  Dialekt  auf  einen  in  der  Stadt  ansässigen  Ma- 
cedonier -  teis,  S.  des  Xenokrateis,  der  sich  durch  Vorträge  im  Gymna- 
sion  verdient  gemacht  hatte-  Selten  begegnet  in  böotischen  Inschriften 
die  am  Schlufs  vorkommende  Bestimmung  inbetreff  der  Niederschrift  und 
Aufstellung  des  Dekretes.  Mit  Dittenberger,  Hermes  XXI  1886  S.  633 
sind  die  Schlufszeilen  zu  ergänzen :  dyypd(l'Yj  tu  <pd^c(7/ia  |  zöSs ,  ec  xa 
SoxsT  iv  xaXXl^azo  ecp.ev  (vgl.  die  oropische  Inschrift  bei  Newton,  Greek 
inscr.  in  the  Brit.  Mus.  II  n.  160  [früher  u.  a.  GIG  1670]  Z.  44ff. 

L  e  b  a  d  e  a, 

jjgjg,  Lolling  (s.  0.),  S.  1032.    Archaische  Grabsteine,    n.  13:  Aya]&o- 

xh'o[aQ',  n.   14:  Jd]p.oxudedag. 

Novosadsky,  MDAI  1885  S.  217.  Unter  dem  böotischen  Ar- 
chonten  Eraton  werden  Tcfiojv  ärjSdXoj  Ihpprjßog  ig  0aMvvag  und  seine 
Nachkommen  zu  Proxenoi  und  Euergetai  raj  xotvw  BouuruJv  ernannt. 
Nach  den  Buchstabenformen  kann  die  Dialektinschrift  kaum  jünger,  als 
das  2.  Jahrb.  v.  Chr.  sein.  Zu  dem  von  Polyb.  4,  9,  4  erwähnten,  von  An- 
tigonos  gestifteten  Bündnis  gehörten  u.  a.  auch  die  Böoter  und  Thessaler. 
Der  Herausg.  liest  Z.  3/4:  ^pstaip-ög  kazi  rolg  al8ei-\ixivotg  mit  Bezug- 
nahme 2i\xi  j3edop.ivotg  kihen.  1881  S.  362/3  5!  Dittenberger,  Hermes 
XXI  1886  S.  634  verbessert:  rolg  d\  Seijxivo'.g  (attisch:  zolg  dz\  deojxi- 
votg)  mit  Hinweis  auf  d8cxscp.evog  Aristoph.  Acharn.  914.  Doch  erklärt 
Meister,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1886  n.  5  Sp.  1587  jene  Form  für 
unböotisch  und  ergänzt  8si[o-\p.£vocg. 


V.  Boeotia:  Creusis.  Haliartus.  Lebadea.  Leuctra.  Orchomenus.       481 

Dittenberger,  Epigr.  Miscellen,  in  den  »Histor.  u.  philol.  Auf- 
sätzen, E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl.  1884 
S.  298  ergcänzt  die  Brunnenaufschrift  MDAI  V  1880  S.  140  n.  52  (Röhl 
r,  94):  '0  oelva  —  —  u^oujp  xal  [r]«  \xf>a-{2)~rjpt8ta  xat  )\^e-{Z)ov~6- 
xpoova  (4)  xai  zb  nspl  rrjv  (5)  xpijvrjV  iaiu  (6)  xazaaxeOaajxla  (7)  mv  (8) 
xal  TU  sie  (9)  aurrjv  oSwp  (10)  i]x  rwv  Idmv  (11)  zfj  &ea>  xai  tj]  (12) 
noXei.  »Das  Wort  Izovroxpoovov  ist  meines  Wissens  sonst  nicht  nach- 
weisbar, aber  weder  seiner  Bildung  nach,  noch  —  bei  der  bekannten 
Verwendung  der  Löwenköpfe  —  sachlich  anstöfsig.« 

Leuctra. 

Lolling  (s.  0.),  S.  1032  n.  15.  Die  archaischen  Grabschriften 
IGA  201.  249  sind,  wie  sie  dort  mitgeteilt  werden,  am  Anfang  vollstän- 
dig, und  die  Lesungen  stehen,  wie  eine  neue  Vergleichung  gezeigt  hat, 
sicher,  so  dafs  die  von  Fick  zu  SGDI  851.  852  vorgeschlagenen  Le- 
sungen —  bei  852  sicher  —  nicht  das  Richtige  treffen.  —  IGA  248  ist 
nicht  von  Decharme,  sondern  von  Rangabe  richtig  wiedergegeben: 
0IOON. 

Orchomenus. 

Latischew,'MDAI  VII  1882  S.  360  n.  13.  Archaische  Grab-  Ar- 
Schrift  neben  der  Kirche  des  Hagios  Demetrios  in  dem  gleichnamigen 
Dorfe,  südöstl.  Skripu  (Orchomenos):  '£"?:'  'A8e{t)atoc  (?).  Meister,  SGDI 
587:  'En  'A[p'\£(Tßc.  Nach  dem  Herausg.  mit  n.  16  (gleichen  Fundorts; 
s.  S.  482  0.)  vielleicht  aus  Koroneia,  gleich  den  Briefen  des  Kaisers  An- 
toninus  BGH  V,  452f.  (Röhl  I,  91).  —  Lolling  (s.  o.),  S.  1032  n.  16  liest 
nach  Revision  des  Steines:  '^tt'  'Ay£{c)(T:o:. 

Derselbe,   a.  a.  0.   S.  360      Archaische  Grabsehriften  in   einer  desgi. 
Mauer  derselben  Kirche,     n.   14:    Btayivta  =  SGDI  588.     n.  15:    IIoXu- 
xpdrrjQ  (lonier?  oder  mit  Meister,  SGDI  589:  no?.uxpdT[zt]Q). 

Lolling  (s.  0.),  S.  1033  n.  17.  20.   Ebd.   Archaische  Grabschriften:  desgl. 
'Et:    'Ay£[:)Top:vo:  und  Ka^i[aca^? 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  18.  Die  archaische  Grabschrift  IGA  293,  desgl. 
die  auf  einem  erhöhten  Streifen  eines  an  der  Südseite  der  Kloster- 
kirche vermauerten  Blockes  steht,  lautet:  fava^coorog.  Von  einem 
Versehen  des  Steinmetzen  kann  nicht  die  Rede  sein.  Das  C  am  An- 
fang steht  so  sicher,  wie  in  der  Inschrift  von  Turnawo  MDAI  VII,  224 
(s.  VIc:  Thessalia,  unter  Phalanna)  —  n.  21.  Ebd.  Archaische  Grab- 
schrift: llolop-iazop. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  19.    Bei  der  Kapelle  der  Panagia  im  Dorfe  desgl. 
Degle  (ca.  l^/a  St.  von  Orchomenos).    Archaische  Inschrift  (vollständig): 
"Epfiov  I  ßeffmsu. 

Latischew,   MDAI  VII    1882   a.  a.  0.     Grabschriften   desselben 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.   (1887.  lU.)  31 


482  Griechische  Epigraphik. 

Fundorts,  wie  n.  13—15.  —  S.  360  n.  16  (s.  o.  zu  n.  13):  Eufdyopog  =  SGDI 
648.  S.  361  n.  17:  0£[p]exh[a]  \  0co8iupc'a  =  8Gm  649  (beide  Namen 
sind  neu).  S.  361  n.  18:  Ji(uvouoc^o[g]  =  SGDI  650.  n.  19:  Mvdawv  = 
SGDI  651.     n.  20:  'Ap:aTajv,  |  ^a7ps.     n.  21:  Umps,  \  /a7p£. 

3.  Jahr-  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  359  n.  12.  Fragment  einer  Weihung,  gleichen 

Fundorts:  —  ag  xrj  Eux[pdTScg?  dvei9cav  \  ruv  ßu)p]ov  Jco<Tx6pot[v]  = 
SGDI  652.     Nach   dem  Herausg.  vermutlich  aus  dem   3.  Jahrh.  v.  Chr. 

300   250  Derselbe,    a.  a.  0.    S,   357    n.   8.     Schliemann,    Orchomenos. 

Leipz.  1881  S.  55  Anhang.  Skripu,  Kloster.  Basisinschrift:  'Avccxpd- 
zecg,  '4o/£r[i/]oc,  Mra  \  ApTdpcoc  ElXe^buirj  =  SGDI  506.  Nach  dem 
Herausg.  wohl  aus  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  Zu  dem 
Frauennamen  Mita  vergleicht  derselbe  den  Mannsnamen  Mitas  IGA  49. 

Derselbe,  a.  a  0.  S.  358  n.  9.  Ebd.  Umgekehrt  eingemauertes 
6  zeiliges  Fragment  einer  Liste  von  Männernamen  aus  späterer  Zeit  in 
Vulgärdialekt. 

ca.  200  Derselbe,   BCH  VDI  1884  S.  67.     Ebd.    Marmoraltar  mit  acht 

Freilassungsurkunden  (n.  1—3  nach  dem  Herausg.  wahrscheinlich  aus 
dem  Ausgange  des  3.  oder  dem  Anfange  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.;  n.  4 
weit  jünger),  von  denen  Decharme,  Recueil  n.  1—4  -(SIE  27—29.  SGDI 
497 — 499;  n.  4  in  Vulgärdialekt)  nur  vier  entziffern  konnte.  Latischew 
giebt  dieselben  in  besserer  Abschrift:  S.  68  n.  1  =  SGDI  I  »Nachträge« 
S.  394  n.  497.  Z.  5  beginnt  mit  Swacßcw.  In  dieser  Inschrift,  wie  in 
den  beiden  folgenden:  iapap-/i6vTujv ,  nicht  lapap^uvzwv.  Z.  4:  'Ayetai- 
vli^xio.  —  S.  69  f.  n.  2  =  SGDI  S.  394 f.  n.  498.  Von  Decharme  der 
Anfang  nicht  entziffert:  l^iSapiu  [äp^ovrog,  lapecdodovrog  (2)  EbpecXuj 
Acoa[xopc8ao\  Z.  15:  [rj;?  i^[d]n[r]£CT7^ ,  xo[u]pcog  [Iötcu]  o  crxp£[Ljg  — , 
S.  70 f.  n.  3  =  SGDI  S.  395  n.  499.  Z.  1  vielleicht:  K[rx^c]a[oddp\u} 
äp^ovTog,  2:  ['£7r]cü^£^/oao,  ^'.  Atoua[i'\ao  midi  Ebpaao^  4:/^:  äop-\\^xYXXing. 
Der  Freilassende,  Athanodoros,  S.  des  Dorkilleis,  ist  wahrscheinlich  der 
Sohn  des  Dorkilleis,  S.  des  Athanodoros,  SIE  31  =  SGDI  501  Z.  2. 
Dann  wäre  letztere  Inschrift,  sowie  SIE  30  =  SGDI  500  um  ein  Menschen- 
alter älter.  —  S.  71  f.  n.  4.  Z.  2:  xaronreuuvTojv ,  3:  'Tnv[od6r]oo'>, 
4 — 6:  Ilu&c-(5)vou  xai  \^Avl^d-mntva  Ka[^]caoSa)pou  xat  2u}-{Q)xX£ia,  8:  na- 

pap£cvd[ay]g].     Den  Schlufs  ergänzt  Latischew:   10: ^  prj  7:o:[^  rb 

7rjOOöTa(T<To-(ll)/£]c[vJov,  iqouaca  zaziu  I[£poxX£c  xat  'Av&cnmmi  imziiiav 
(oder  xoXdCeiv)  zpönojc  üjc  äv  SiXwacv.  —  S.  74  n.  5  (voQ  Latischew  zuerst 
publiziert;  =  SGDI  S.  395  n.  499a).  Schwer  lesbares  Fragment  einer 
Freilassungsurkunde,  aus  demselben  Jahre  wie  u.  1,  so  dafs  die  Reste 
der  Beamtennamen  mit  hinlänglicher  Sicherheit  ergänzt  werden  können. 
--og  AapoxXcoao  und  seine  Familie  weihen  zwg  fcdicog  fuxdzag  2ou- 
pcv\av  und  -  -  (ova  capdig  £tp£V  [reo]  2apdniog  xrj  z\a\g''I(Tiog.  —  Die  noch 
übrigen  drei  Freilassungsakte  konnte  auch  Latischew  nicht  entziffern. 


V.  Boeotia:  Orchomenus.  Plataeae.  Tanagra.  Thebae.  483 

Plataeae. 

Lolling  (s.  0.),  S.  1033  n.  22.     In  der  byzantinischen  Kapellen-     Ar- 
mine Hag.   Athanasios.     Archaische  Inschrift,  hufeisenförmig:   'Em  Aa- 
/lasveToe. 

Foucart,  BCH  IX  1885  S.  423  n.  36.  Dorf  Kokla.  Bessere  Ab- 
schrift des  nach  ungenauer  Kopie  von  Keil,  zur  Sylloge  S.  509  heraus- 
gegebenen Anfanges  einer  Liste  der  Sieger  bei  den  Eleutherien.  Z.  2/3 
berichtigt  der  neue  Herausg. :  'Eni  hpecug  rod  /}io[q  (3)  rou  'EXso^epiou, 
Z.  11  lautet  das  Ethnikon:  Mö)M<T[s{jg  {■Aiaii  r^atog).  Die  drei  Würden- 
träger der  Inschrift  gehören  derselben  Familie  au:  Der  Zeuspriester 
Apo[llo]doros ,  S.  des  Stratokies,  und  der  Agonothet  Aristion,  S.  des 
Stratokies,  sind  Brüder,  der  -nup<p6pos  Lysippos,  S.  des  Aristion,  ist  der 
Sohn  des  letzteren. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  8.  150  n.  27.  Aus 
den  wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C  R. 
Cockerell,  1810 — 14«.  Wahrscheinlich  aus  Platää  stammendes  Fragment 
einer  Ephebenliste. 

Tanagra. 

Lolling  (s.  0.),  S.  1033f.  Archaische  Grabsteine.  S.  1033  n.  23:  Ar- 
ilaii6'vixo[Q',  n.  24:  ^hr.uKk{s)La\  n.  25:  MelydxXsia^  n.  26  (linksläufig): 
MeK\d\)dij^ug\  n.  27:  MeMv-c/og;  n.  28:  M£v]s^uÄog  oder  'E^]i^uXog; 
n  29:  fhaidcxa;  n.  30:  'Em  0ae{i)viot  e(i)p.l  - -.  S.  1034  n.  31:  0a[ö]X- 
[-^];/a;  n.  32:   0c&ov. 

Stamatakes,  'E^.  äpi-  1883  Sp.  157  —  160.  Plinthe  mit  der 
Künstlerinschrift  des  Thoinias,  S.  des  Teisikrates.  Darunter  drei  jüngere 
Proxeniedekrete  in  einheimischem  Dialekt  (=  SGDI  S.  404  f.  n.  956»'=): 
1.  Unter  dem  Archontat  des  ApoUodoros  roi  ohaazipiü  auf  Apollonios, 
S.  des  Menekrateis,  aus  Teos;  2.  unter  dem  Archonten  Timon  auf  Da- 
matrios,  Pasikrates  und  Diodotos,  S.  des  Heraklidas,  aus  Kyzikos;  3.  unter 
demselben  Datum  wie  2.  auf  'laztr^og^  S.  des  Ariston,  aus  Milet. 

Thebae. 

Lolling  (s.   0.),   S.  1034.     Archaische  Grabsteine.     Im  Museum     Ar- 
(n.   1930):    n.  33:    'A\i\o.v-cdag-^    n.  36:    (-fsoxTioag;    n.  37    (=   n.    248):  '^''^'" 
'Füv'/^ov.    —    Bei  der  Post:   u.  34:  'Em  (2)  Ilpoadoxa  (3)   'AvzKpdvrjQ  (4) 
'Ap[azoy{e)t7ov  (Z.  1.  2  in  sehr  jungen  Buchstaben).  —  Vor  der  Kirche 
des  Hag.  Athanasios  in  der  Vorstadt  Pyri:  n.  35:  /leüqov. 

Latischew,  MDAI  VII  1882  S.  35lf.    Zu  dem  von  Kumanudes.  287? 
Athenaion  III,  482  f.  (=  SIB  315)  in  Minuskeln  herausgegebenen  24 zei- 
ligen Fragment  mit  Resten   eines  athenischen  Volksbeschlusses  in  atti- 
schem (Z.  1 — 4)  und  böotischem  (Z.  5  0.)  Dialekt  giebt  der  neue  Herausg. 

31* 


chaisch. 


484  Griechische  Epigraphik. 

den  Majuskeltext  und  einige  Varianten  (=  SGDI  712).  Meister  möchte 
das  auf  ein  Bündnis  zwischen  Atlien  und  Theben  bezugnehmende  Frag- 
ment, welches  Kumanudes  in  die  Zeiten  des  Kassander  und  des  Deme- 
trios  Poliorketes  setzte,  auf  die  Ereignisse  des  Jahres  287  v.  Chr.  be- 
ziehen. 

Korolkow,  MD  AI  IX  1884  S.  95  f.  Die  Weihinschrift  SIB  321 
=  SGDI  722  ist  nach  erneuter  Besichtigung  zu  lesen:  'AptaroziXetg  o  na- 
tzlp^   Uou^oyira  ä  [xdrsip  (2)   Ooiviav  roTg  ^soTg. 

Haussoullier,  BCH  IX  1885  S.  356f.  Museum,  n.  21.  Frag- 
mentierte Liste  von  Landpächtern  in  zwei  Kolumnen  mit  dem  Präskript: 
0]7de  d7i£[/xca^u)(TavTo ,  dv]Tchj(f>o/j.evoc  yeiulpytag,  (2)  Trf\v  8rjjxo[atav  xac 
TTjv]  cepäv  yf^v.    Reste  einheimischen  Dialekts. 

Foucart,  a.  a.  0.  S.  406.    Stele.    Über  einem  Schlüssel,  dem  Ab- 
zeichen der  Priesterwürde:    'Em  (2)  Noujirjvcot^  i£-{Z)pta  ärjprjxpog.     Vgl. 
S.  488  n.  17. 
Rom.  Latischew,  MDAI  VII  1882  S.  349f.     Museum,  n.  209.     Sechs- 

zeiliges,  fragmentiertes  Präskript  einer  Liste  der  Sieger  an  den  Agrio- 
nien  aus  dem  Archontat  des  Thraseas.  Römische  Zeit.  —  Das  Frag- 
ment bestätigt  die  Identität  der  thebanischen  'Aypicuvca  mit  Hesychs 
'Ayptdvca,  da  nach  ersterem  das  Agrionienfest  mit  poetischen  Agonen 
verbunden  war.  Ohne  Zweifel  fand  das  Fest  in  dem  neuerdings  aus 
chäroneischen  Freilassungsurkunden  erwiesenen  böotischen  Monat  Agrio- 
nios  statt,  dem  nach  Ansicht  des  Herausg.  die  siebente  Stelle  —  ent- 
sprechend dem  attischen  Skirophorion  —  nicht  mit  Lipsius  die  vierte, 
zuzuweisen  sein  dürfte. 

Dittenb'erger,  Epigraphische  Miscellen  in  den  »Histor.  und 
philol.  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl. 
1884  S.  289,  ergänzt  Z.  3  des  Grabepigramms  Kaibel,  Hermes  VIII,  422 
n.  40  (Epigr.  Gr.  488):  ^p  [npoXcn^ojv  iy  X^P^'^  (piXwv  B[dveg'  ou\nor' 
inatvoo  — .  Derselbe,  Ind.  schob  Hai.  Winter  1885/86  p.  IX  ver- 
bessert das  Verbum,  da  nur  vier  Buchstaben  fehlen,  in  [no&e}ujv. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  150  n.  28.  Aus 
den  wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  coUected  in  Greece  by  C.  R. 
Cockerell,  1810 — 14«  wird  eine  vollständigere  Abschrift  von  GIG  1632 
mitgeteilt. 

Thespiae   und   Umgegend. 

Ar-  Lolling  (s.  0.),   S.  1034—1036.     Archaische  Grabsteine  in  Eri- 

chaisch.  mokastro,  Museum.  S.  1034  n.  38:  'Ayd^ap^og;  n.  39:  'AneUleTg;  n.  40. 
41:  Auf  die  ältere,  böotische  Inschrift:  ApcazoxpdrB{t)g  —  nach  Kirch- 
hoff aus  dem  Anfange  des  5.  Jahrb.  —  folgen,  durch  kleinen  Abstand 
von  derselben  getrennt,  die  jüngeren  Zeilen  2 — 5  von  unten  beginnend: 
(2)  ElrMxXi-{Z)eg  Jaxe-{4)Sacpo-{5)vcog.  Nach  Inhalt  und  Alphabet  ge- 
hören dieselben  nach  Kirchhoff  vermutlich  einem  der  Jahre  an,  in  welchen 


V.  Boeotia:    Thebae.    Thespiae  und  Umgegend.  485 

iu  Thespiae  eine  lakedämonische  Mora  unter  Befehl  eines  Polemarchen 
stationiert  war,  d.  h.  dem  Zeitraum  von  378  v.  Chr.  bis  kurz  vor  der 
Schlacht  bei  Leuktra.  Kirchhoff  vermutet,  dafs  das  erste  Zeichen  der 
zweiten  (untersten)  Zeile  ein  g  sein  solle.  —  n.  42:  )ipxaoca\  S.  1035 
n.  43:  ßp6^oU[os;  n.  44:  dajn]o&d?,£ca;  n.  45:  dcovümo;;  n.  46:  feca- 
pcvog  (vgl.  IGA  250);  n.  47:  Eüßu/iwag;  n.  48:  EbxXecdag:,  u.  49:  E/i- 
d\a.iiog\  n.  50:  Sz{t)ßa  .  .  [6^<pckoQ\  n.  51:  IßooU^a;  n.  52:  fiaap'/^og', 
n.  53:  ld\ßo-\oq\  n.  54:  KdlXig  oder  KaXh'g;  n.  55:  Kapeaooozog;  n.  56: 
K]XczaaBiv£ta\  n.  57:  Ayxxpaptöag  {■Bidiii:  A]axpazcoag?);  S.  1036  n.  58: 
Msmp^a;  n.  59:  Mmaapiza;  n.  60  (=  Foucart,  BCH  IX  1885  S.  422 
u.  31):  IJ]dvracvü[g;  n.  61:  E£>6^av[Tog ;  n.  62  (=  Foucart,  a.  a.  0. 
n.  30):  llpopadcdag;  n.  63:  fluppivag;  n.  64:  ^Eliaza.  (statt  ^iliazal 
Vgl.  IGA  279.  SGDI  781);  n.  65:  <f^'c(o)?;  n.  66:  '£7r[J]  Tczpi  - -. 

Foucart,  BCH  IX   1885   S.  421  f.     Archaische   Grabschriften  im  desgi 
Museum,     n.  29:   K£p£{c)(n/vg;    S.  422  n.  32:  Ap{o)6iia{c)g. 

Lolling  (s.  0.),  a.  a.  0.  S.  1036 f.  Archaische  Grabsteine  im  Gebiet  desgl. 
von  Thespiae.  S.  1036  n.  67  (Paläopanagia) :  ''Ap^!xÄs{c)a;  n.  68  (Tatesa): 
'A(ToriOxp[dzsig\  n  69  (Mavromati):  'laonpoc;  n.  70  (Paläopanagia,  an 
der  Südostecke  der  Kirche  des  Hag.  Blasios  ziemlich  hoch  eingemauert, 
bisher  nur  aus  Abschriften  von  Hofs  und  Schillbach  bekannt  =  IGA 
146.  SIB  212.  SGDI  765,  von  unten  gelesen):  Mvä/i'  £[rT]'  '0^cy£icy(2)8ac 
[x'  b  7:azs{})p  [i]-(3)7:s[>s{c}x£  i%xvö[v-{4)tc  ' 0(T[{*y?.og.  ' Og  (5)  ndvßog 
&£{c)xav  (6)  dmxfd^ijievogl  »Das  5.  Zeichen  in  Z.  4  ist  quadratisch,  die 
Annahme  eines  <p  (wg  (pilog)  also  ausgeschlossen;  da  o  keinen  Sinn  giebt, 
bleibt  nur  £0  übrig,  dessen  Kreuz  zerstört  ist.«  —  S.  1037  n.  71  (südöstl. 
unter  der  Höhe  von  Erimokastro;  die  erhaltenen  Ruchstaben  sind  vielleicht 
nur  ein  Fragment  aus  der  Mitte  einer  Grabschrift,  da  die  Ränder  rechts 
und  links  neu  behauen  zu  sein  scheinen):  [7r]£j9a[>^>]  - ;  n.  72  (Kaskaveli, 
vgl.  IGA  280  =  SIB  223.  SGDI  783):  'Pa^cag\  Fragment:  {0]tXh)-\  eine 
neue  Abschrift  von  IGA  277  (=  SIB  222.  SGDI  782)  »schliefst  jeden 
Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Rofsschen  und  Rangabeschen  aus«,  n.  73 
(Paläopanagia):  0av6<p'.)Mg\  n.  74  (Xeronomoi):  -  -  xXe{t)3ag  2dp.i^og. 

Stamatakes,  Praktika  der  archäol.  Gesellsch.  zu  Athen  1882  desgl. 
S.  67  ff.  Acht  östlich  von  Thespiä,  nördlich  von  der  Fundstätte  des  ko- 
lossalen steinernen  Löwen  ausgegrabene  Grabstelen  mit  archaischer 
Stoichedonschrift.  Nach  der  Vermutung  des  Herausg.  bargen  die  zuge- 
hörigen, mit  dem  Denkmal  des  steinernen  Löwen  geschmückten  Gräber 
die  Überreste  der  bei  Platää  gefallenen  Thespier.  —  n.  1  (12  Eigen- 
namen) =  SGDI  S.  401  n.  791»;  n.  2  (mit  einer  Berichtigung  des  Herausg. 
'%  dp/.  1883  Sp.  192f.,  12  Namen)  =  SGDI  791»';  n.  3  bis  6  (je  12 
Namen)  =  SGDI  791«=  bis  ^;  n.  7  (10  Namen)  =  SGDI  791  f?;  n.  8 
(12  Namen)  =  SGDI  791»'. 

Foucart,    BCH  IX    1885  S.  403  n.  14.    Archaisches  Fragment  desgi. 
einer  Weihung  an  die  Dioskuren: -o\iv  Jioaxopuiv  dv\i^etxev. 


486  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  BCH  VIII  1884  S.  415  n.  13.    Weihinschrift:  laix£tv{i'ag 

(2)  dyujvoßsTscaag (3)  toTq  =  SGDI  799 ^     Auf  demselben 

Stein  die  Weihinschrift  des  Mumraius  (S.  488). 

Derselbe,  a-  a.  0.  S.  409 f.  n.  10.  Fragment  einer  Weihinschrift 
in  einheimischem  Dialekt  aus  dem  Thale  der  Musen.  "Ap^ovTug  Bouo- 
zo7g^  Mv[dcroj[vos  weiht  der  durch  die  dfsdpiazeuuvzeg  repräsentierte 
böotische  Bund  den  Musen  wahrscheinlich  einen  Dreifufs  =  SGDI  807*. 
Der  Archon  Mnason  begegnet  in  den  Inschriften  von  Aegosthenä  (SIB 
Appendix  n.  9)  unter  dem  Titel  äp'/^wv  iv  Vy^rjarco,  welch  letzterer,  wie 
Foucart  BCH  IV,  83  gezeigt  hat,  mit  dem  obigen  gleichbedeutend  ist. 
Die  Inschrift  gehört  demnach  in  die  Zeit  der  Zugehörigkeit  von  Megaris 
zum  böotischen  Bunde  =  223 — 197  v.  Chr. 

Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  4l7f.  n.  26.  Erimokastro,  Museum. 
Fragment  einer  Rekrutenliste.  Die  Datierung  ist  eine  doppelte:  nach 
dem  Archonten  der  Stadt  und  dem  von  Onchestos.  Ist  der  Name  des 
letzteren  zu  Aristokles  zu  ergänzen,  so  wäre  unser  Fragment  gleich- 
altrig mit  der  ägosthenischen  Inschrift  Lebas-Foucart,  Inscr.  du  Pelop. 
n.  10  (SIB  Append.  n.   10).     Einheimischer  Dialekt 

Derselbe,  a.  a,  0.  S.  412f.  n.  23.  Erimokastro,  Museum.  Bessere 
Abschrift  des  Fragments  SIB  240  =  SGDI  802.  Die  Gröfse  der  Lücken 
(nach  Z.  1  ca.  20  Buchstaben)  macht  eine  Herstellung  fast  unmöglich; 
doch  läfst  sich  der  Inhalt  wenigstens  annähernd  bestimmen  Während 
Keil,  zur  Syll.  S.  515  vermutete,  es  handle  sich  um  den  Eintritt  (i//- 
ßaotg)  in  das  Heiligtum  des  Herakles,  welcher  einem  Privatmanne  nur 
in  Gegenwart  des  Vorstehers  im  Monat  Damatrios  jeden  Jahres  gestattet 
worden  sei,  weist  Foucart  nach,  dafs  vielmehr  von  dem  x\ntritt  {ip.ßaatg) 
einer  Pacht  von  Grundstücken  des  heiligen  Bezirks  die  Rede  ist,  und 
dafs  die  Bedingungen  dieses  Antritts  im  Einzelnen  bestimmt  werden.  — 
Auf  die  Datierung  (Z.  1 — 5)  nach  dem  Archonten,  den  drei  Polemarchen 
(nur  der  Name  des  dritten  ist  erhalten)  und  dem  Schreiber  folgen  die 
näheren  Bestimmungen:  Die  Pachtsumme  soll  alljährlich  im  Monat  Da- 
matrios entrichtet  werden;  es  sind  von  dem  Pächter  zwei  Bürgen  zu 
stellen,  die  von  der  Tempelbehörde,  den  Tipoa-zdrat,  als  solche  anerkannt 
sein  müssen ;  stellt  derselbe  keine  leistungsfähigen  Bürgen,  so  soll  er  in 
das  Schuldnerverzeichnis  mit  iVa  der  Pachtsumme  eingetragen  werden, 
u.  s.  w.  Der  Schlufs  scheint  die  Bestimmung  zu  enthalten,  dafs  Streitig- 
keiten inbetreff  der  Pacht  nicht  vor  eine  andre  böotische  Stadt  gebracht 
werden  dürfen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  415f.  n.  24.  Ebd.  Fragment  einer  Namen- 
liste, welches  mit  den  Fragmenten  SIB  239  =  SGDI  801  und  SIB  239« 
=  SGDI  803  zu  einer  und  derselben  Pächterliste  gehört.  Ersteres  hatte 
seine  Stelle  zur  Rechten  von  SIB  239  und  liber  SIB  239%  da  letzteres 
die  Summen  angiebt.  Es  werden  aufgeführt:  Pachtparzelle,  Name  des 
Pächters,  Pachtsumme  und  Bürge.  —  Einheimischer  Dialekt. 


V.  Boeotia:  Thespiae  und  Umgegend.  487 

Derselbe,  BCH  VIII  1884  S.  412  f.  n.  11  (SGDI  807'^).  Frag- 
ment einer  Beamtenliste.  Es  sind  verzeichnet:  l  dp/6g,  3  7ToXeiJ.apxoi, 
1  YpanjxaztGTäg  und  I  (?)  m-napioq.  —  Der  äpy^üq^  Phaeinos,  begegnet 
als  eponymer  Archont  in  dem  thespischen  Proxeniedekret  SIE  246  = 
SGDI  807.  Ein  böotischer  Hieromnemon  desselben  Namens  figuriert  in 
einem  Amphiktyonenkatalog  aus  der  Zeit  der  ätolischen  Herrschaft 
(Lebas,  Inscr.  de  la  Grece  du  Nord  836).  Der  erste  Polemarch,  Thei- 
rarchos,  S.  des  Kanas,  begegnet  iu  dem  thespischen  Pachtkontrakt  SIB 
239  =  SGDI  801,  sein  Sohn,  Kanas,  S.  des  Theirarchos,  in  dem  thespi- 
schen Proxeniedekret  auf  vier  Athener  SIB  250  =  Cauer  Del.  ^  341. 
SGDI  812. 

Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  416f.  n.  25.  Aus  der  Kapelle  Hag. 
Trias  im  Thale  der  Musen;  jetzt  im  Museum.  Proxeniedekret  xaQ  tiS- 
?Mg  0£c(T7::a![wv  auf  Nikanor,  S.  des  Euios,  aus  Korinth.  Sprecher  ist 
ein  ^u>[Tr]pos  Iturrjpw,  wohl  identisch  mit  dem  in  der  folgenden  Re- 
krutenliste Z.  11  Genannten.  —  Einige  Reste  der  Inschrift  waren  schon 
von  Ulrichs  kopiert;  die  Herstellungsversuche  von  Keil,  zur  Syll.  S.  538 
=  SIB  248,   SGDI  809   können  nicht   als  genügend  bezeichnet  werden. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  41 9  f.  n.  27.  Museum.  Ein  mit  Ausnahme 
der  drei  ersten  Zeilen  gut  erhaltenes  Fragment  einer  Rekrutenliste,  nur 
Eigennamen  enthaltend,  von  denen  eine  grofse  Zahl  neu  ist  Einheimi- 
scher Dialekt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  421  n.  28.  Ebd.  Fragment  einer  Frei- 
lassungsurkunde in  einheimischem  Dialekt.  Die  Freigelassene,  Apollo- 
dora,  soll  ihrem  Patron  "^Öoiv  (=  Al'Scuv)  zu  dessen  liebzeiten  noch 
dienen,  nach  seinem  Tode  jedocii  frei  sein.  —  Die  Schlufszeilen  werden 
von  Dittenberger,  Hermes  XXI  1886  S.  634  ergänzt:  —  xi]  \iep.ipc\v 
I  ■np^varäzav'Ano-llXooujpov  uvztvd]  xa  \  \MX£t.  Diese  Bestimmung  vervoll- 
ständigt unsre  Kenntnis  von  der  rechtlichen  Stellung  der  Freigelassenen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  407 f.  n.  20.  Ebd.  Fragment  einer  Rech- 
nungsablage von  Agonotheten.  Erwähnt  wird  nur  die  Summe  der  ge- 
prägten Bundesmünzen.     Einheimischer  Dialekt. 

Derselbe,  a.  a.  U.  S.  409  n.  21.  Ebd.  Fragment  mit  dem  Schlufs 
einer  Liste  von  Siegern  an  den  Festspielen  der  Musen.  Erhalten  sind  die 
Namen  eines  Dichters  und  Schauspielers  einer  neuen  Tragödie  und  Komödie, 
sowie  des  Siegers  eines  emvixiov.  —  Die  Liste  ist  gleichaltrig  mit  den 
musischen  Inschriften  von  Oropos  Decharme,  Inscr.  de  Beotie  n.  26,  Ku- 
manudes.  'E(f.  dp-/.  1884  Sp.  121—127  (s.  S.  416),  Rang.,  Ant.  Hell  965. 
—  Einheimischer  Dialekt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  410f.  n.  22.  Fragmentierte  Liste  der  Sieger 
an  den  Erotideia  (Spielen  zu  Ehren  des  Eros). 

Derselbe,  BCH  VHI  1884  S.  414  n.  12  (SGDI  812»).  Fragment 
wahrscheinlich  einer  Weihinschrift,  welche  errichten  Tu  ayoiWipio  rb  im 


488  Griechische  Epigraphik. 

(2)  lioXB[a\o  apiov:oq\  es  folgen  die  Reste  dreier  Namen.  —  Die  böoti- 
schen  äjuDvdpiut  waren  nach  Eusthatios  (ad  II.  24,  i)  gleichbedeutend 
mit  den  athenischen  dyupavüij.ui.  Dieselben  sind  nicht  zu  verwechseln 
mit  den  Agonotheten  (a.  a.  0.  S.  407 f.  n.  20;  s.  o.). 

Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  404  n.  15.  Museum.  Weihinschrift: 
0ovuxXidag  Aiovou-{1)mu>  Ja  Mdc^o  xrj  3Ic-{S)Xcy(rj. 

^•190  Derselbe,  BCH  VIII  1884  S.  158.    Dorf  Karata,  zwischen  Thisbe 

und  Leuktra.  Zwei  Stelen  mit  der  Inschrift:  ^dirrjpog  'ArrdXu)  IJep- 
ya/xsuQ  dvzHzixs  zdv  yäv  rrjg  Mcoarjg  z^g  'EXcxaividosaat  capdv  slfxev  iv 
zov  mxvza  ^fiuvov  —  SGDI  SOS"-"*  ''■  —  Abgesehen  von  der  Länge  der  ein- 
zelnen Zeilen  und  dem  in  der  Schlufsformel  von  A  fehlenden  iv  stim- 
men beide  Inschriften  wörtlich  überein.  Der  Tempel  der  helikonischen 
Musen,  von  Decharme  und  Schillbach  entdeckt,  lag  im  Thale  von  Kryo- 
Pigadi,  im  Distrikt  von  Thespiä.  Philetairos,  der  dritte  Sohn  Attalos  I., 
errang,  ebenso  wie  seine  drei  Brüder,  um  191  v.  Chr.  an  den  Panathe- 
näen  einen  Wagensieg  und  zeichnete  sich  durch  mannigfache  Schenkun- 
gen an  die  Griechen  aus.  —  Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  405  n.  16. 
Ebd.,  Stele.  Derselbe  Philetairos  weiht  z^g  M[u)-\a]r]g  xrj  züg  auv^üzr^g 
z\Jjg  1  (P'\dszrjpzi[i]aat  ein  Stück  Land. 

a.  146  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  415  n.  13.    Weihinschrift:  A^süxiog  Müji- 

[itog  Aeuxtoü  (Tzpazr]yo[g  (2)  u{7:azog  '^Pcufiaciuv  zo2g  HsuTg.    Vgl.  S.  486  o. 

Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  405  n.  17.  Thal  der  Musen.  Basis- 
inschrift: 0£o/j.vdaza.  Darunter  ein  Epheukranz  und  ein  Schlüssel.  Die 
Geehrte  war  also  Priesterin  (vgl.  die  thebanische  Grabschrift  S.  484). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  422  n.  33.  Museum.  Grabstein  des  Aristo- 
giton,  S.  des  Mnasistratos  und  der  Murticha.  Die  Erwähnung  auch  der 
Mutter  ist  singulär.  Wahrscheinlich  war  dieselbe  eine  Person  von 
Stande. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  34.  Grabstein  der  Niko  AAeazc'g  (aus  Alea 
in  Arkadien). 

Derselbe,    a.  a.  0.   S.  423  n.  35.     Moschas   errichtet    auf   dem 
Grabe  seiner  Kinder  Sotericha  und  Euemeros  ein  Grabmal  für  sich  und 
sein  Weib  Eis  — . 
Caiser-  Derselbe,   a.  a.  0.   S.  407  n.  19.     Mit  dem  Attribut  ^ßot  ver- 

^^"     sehene  Eigennamen:  Anthema[s  |  Phaidros  —  Anthemas  |  Epiktas. 
desgl.  Derselbe,  a.  a.  0.   S.  406  u.  18.     Gefunden   in  Theben,   wohin 

viele  Steine  aus  den  Ruinen  von  Tanagra  und  Thespiä  verschleppt  sind : 
^Op.6{voLa)  (2)   dzaruiojv  xal  'Aßrjvacojv. 

Ditten berger,  Epigr.  Miscellen,  in  den  »Histor.  und  philol.  Auf- 
sätzen, E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl.  1884  S.  289 
liest  das  Epigramm  auf  Thaleia  auf  dem  in  der  Nähe  von  Thespiä  ge- 
fundenen Denkmal  der  neun  Musen    Slß  238.    SGDI  805:    &dXXi  in' 


V.  Boeotia:  Thespiae  und  Umgegend.   Thisbe.  489 

IprjVTjg  ao<ptrjg  xaXd-  ruiyap  andaa^g  \  UpijVYji  Xotßdg  rdads,  SdXeta^  yioi 
—  »Es  blüht  im  Frieden  die  Herrlichkeit  der  Kunst;  darum  giefse  ich, 
Thaleia,  der  Friedensgöttin  alle  diese  Spenden  aus.«  —  »Dafs  dndaaq 
ungeschickt  und  prosaisch  ist,  läfst  sich  nicht  leugnen,  aber  ein  bedeu- 
tender und  geschmackvoller  Dichter  ist  der  Verfasser  dieser  Epigramme 
auch  nicht  gewesen.«  —  »Dafs  das  zu  Anfang  der  Weihinschrift  fehlende 
T  ganz  allein  auf  einem  links  an  den  der  Urania  anstofsenden  und  sonst 
vollständig  unbeschriebenen  Steine  gestanden  hätte,  ist  wenig  wahrschein- 
lich. Sollten  die  Böoter,  wie  das  für  das  Pronomen  ohroq  jetzt  durch 
eine  ganze  Reihe  urkundlicher  Zeugnisse  feststeht,  auch  bei  ooe  den  An- 
laut der  sämtlichen  Casus  obliqui  nach  der  Analogie  des  Nom.  sing,  be- 
handelt haben,  und  danach  "A^s  zu  lesen  sein?  Die  bis  jetzt  aus  böoti- 
schen  Inschriften  bekannten  Beispiele  geben  nach  keiner  Seite  eine  Ent- 
scheidung.«    S.  288  Anm.  4. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  291  Anm.  1.  In  dem  Grabepigramm  auf 
Eutychianos  MDAI  V  1880  S  123  n.  11  (Röhl.I,  106)  ist  V.  1  mit 
Wahrscheinlichkeit  zu  lesen:  EvÜdnz  ar^iia  ßsaa'  {—  &daaac)  dvdpbg  (pi^ou 
EiJTU^cavoü. 

Thisbe. 

Lolling  (s.  0.),  S.  1037.    Archaische  Grabschriften,    n.  "75  (Dom-     Ar- 

,  chaisch. 

brena):  Aaavurifj.og.  n.  76  (an  der  Südseite  der  Kapellenruine  Hag. 
Lukas  kopfüber   eingemauert;   =  IGA  167.   SIE  192.   SGDI  744):  \^A](t- 

0Toc[g]  xal  y^aivoiai  ipavkg  (pt.Xd\q  \  .am.   dpiaarzüov  iv  rrpu/idy^otg . 

Foucart,  ßCH  VIII  1884  S.  400  n.  1  (SGDI  744»).    Archaische  ^i«gi. 
Weihinschrift:    'Apt]aT6?i0^og    xal    Kü\ß]aS[ut   (2)   rocg]   Hsocg   dvsBsrav. 
(3) [io]v  i7iös[c)(TS  0e{t)ßruog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  405  n.  6  (SGDI  747 <J).  Der  Damos  er- 
nennt unter  dem  Archonten  DJamokrates  den  Menexenos,  S.  des  Menan- 
dros,  aus  Sikyon  zum  Proxenos  und  ehzpyiTag  rag  ndhog  Sia\ßs.ko\>.  — 
S.  405  f.  n.  7  (SGDI  747  e).  Desgl  unter  dem  Archonten  Theopompos 
den  Phyjskos,  S.  des  Machatas.  aus  Naupaktos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  402 f.  n.  5  (SGDI  747 ").  Freilassungsur- 
kunde. Unter  dem  Archonten  Empedon  weihen  Euandridas  und  Pasikrita 
die  Dopyra  (=  Zconüpa)  der  Aprdp.:ai  ElXzdhtrj  —  —  T:a[p\iJ.sivaaav^ 
dujg  xa  oujwvf^i.  Die  bisher  nur  für  Chäronea  und  Lebadea  bekannte 
Bezeichnung  des  u  durch  sc  wird  durch  unsre  Inschrift  auch  für  Thisbe 
belegt  (Elkatb^etrj). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  401.  Weihinschriften:  n.  2  (SGDI  747*) 
des  Deixias,  S.  des  Askla[piodoros,  an  Obyio.  (=  Tycsta);  n.  3  (SGDI 
747'')  des  Thoinias,  S.  des  Amunias,  an  Artamis  Soteira. 

Derselbe,    a.  a.  0.    S.  402  n.  4.     Genauere  Kopie    der    Weih-  Kaiser- 
inschrift Keil,  Zur  Syll.  S.  589  (Russopulos,  E<p.  dpx-  3064):  levei  2'e-    ""' 


490  Griechische  Epigraphik. 

ßaaruiv  (2)  xa\  rfj  tzoIsi  tov  vaov  (3)  'Apri/xcoc  Icurscpa.  (4)  IxöXa^  Ixö~ 
Xaxog  (5)  ix  rojv  loiwv  dviB/jxe. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  407  n.  8  (SGDI  747  0-  Ziegelstempel: 
fafyz-\(/i)xpcT-\cu. 

Via.    P  ho  eis. 

Bechtel.  Die  pliokischen  Inschriften.  SGDI  II  1885  Heft  1  S.  63 
— 89  n.  1512 — 155H.  Rez.  s.  S.  392.  —  Absichtlich  nicht  aufgenommen 
sind  die  zaldreichen  delphischen  Inschriften;  wohl  unabsichtlich  über- 
gangen ist  das  von  Forchhammer,  Halkyonia  S.  27  veröffentlichte  Frag- 
ment einer  archaischen  Inschrift  aus  Bulis. 

E  1  a  t  e  a. 

Ar-  Foucart,  BGH  VIII  1884  S.  217.    Archaische  Opfervorschrift  aus 

dem  Dorfe  Sfaka  bei  Elatea  (Drakmani)  =  SGDI  1531,  Roberts  n.  229 
bis.  Die  Buchstabenfonnen  C  ^ind  <  =  <t  und  y  begegnen  hier  in 
Pliocis  zum  ersten  Male. 

desgl.  Paris,  BGH  X  1886  S.  359  n.  1.    Archaische  Grabscbrift  (?)  von 

unsicherer  Deutung.  Die  phocische  Form  für  y  lernen  wir  hier  als  0 
kennen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  367 f.  n.  9.  Grofse  Basis,  die  eine  Gruppe 
von  Statuen  trug,  mit  Stoichedoninschrift.  Zwei  Distichen  melden,  dafs 
die  Stadt  einem  Gelübde  zufolge  dem  Poseidon  die  Statuen  der  Stamm- 
heroen (rjfiSio'jg  (norr^oag)  weihte.  Der  Herausg.  glaubt  die  Veranlassung 
in  einem  Kampfe  der  Phocier  mit  den  Thessalern  sehen  zu  dürfen,  in 
welchem  der  Nationalheros  Phokos,  Sohn  des  Poseidon,  seine  Schützlinge 
auf  wunderbare  Weise  rettete  (Paus  10,  1).  Da  jedoch  diese  Schlacht 
vor  den  Perserkriegen  stattfand,  so  scheint  der  Schriftcharakter  der  in 
ionischem  Alphabet  gehaltenen  Inschrift  zu  widersprechen,  während  an- 
drerseits die  Form  des  stets  punktierten  O  und  ß  auf  ein  höheres  Alter 
zu  deuten  scheint,  da  ersteres  nur  vor  Ol  80,  letzteres  lediglich  in  In- 
schriften aus  Halikarnafs  vor  dem  genannten  Zeitabschnitt  begegnet.  Nach 
der  Vermutung  des  Herausg.  dürfte  eine  ältere  Basis  durch  die  unsrige 
ersetzt  worden  sein;  alsdann  würde  sich  das  befremdliche  Vorkommen 
jener  älteren  Buchstabenformen  durch  einfache  Kopie  des  Steinmetzen 
erklären. 

.  Jahr-  Derselbe,  BGH  XI  1887  S.  323—333  n.  2—8.    Auf  der  Tempel- 

^""'^'  Stätte  der  Athena  Kranaia  gefundene  Stelenverzeichnisse  in  einheimischem 
Dialekt,  die  sich  auf  die  den  Phociern  nach  dem  zweiten  heiligen  Kriege 
(355 — 346  V.  Chr.)  auferlegte  Wiedererstattung  der  geraubten  Tempel- 
schätze beziehen.  —  S.  323  f.  n.  2.  Die  Phocier  entrichten  30  Talente 
iv  J[eß[^]o[ug]  iv  zäv  kapivav  nuXa-(3)cay.  Erwähnt  sind  vier  phocische 
Archonten  mit  ihrem  y/jaij-jj-areüg,  der  delphische  Archont  Palaios,  S.  des 


via.  Phocis:  Elatea.  491 

Euanthes,  mit  acht  Prytanen  (ßpoTaveuövzwv  Z.  7),  sowie  vier  Zeugen 
der  Delphier  und  fünf  derPhocier;  letztere,  wie  die  phocischen  Archon- 
ten,  sind  aus  verschiedenen  Städten:  drei  aus  Elatea,  je  einer  aus  Li- 
laia  und  Erochos.  —  Die  Phocier  waren  verurteilt  worden,  von  dem  ge- 
raubten Tempelscbatze  (10  000  Talente  nach  Diodor)  eine  jährliche 
Summe  von  60  Talenten  zu  erstatten  (Diod.  16,  60);  wie  unsere  Inschrift 
vermuten  läfst,  je  30  Talente  zur  Zeit  der  Frühlings-  und  der  Herbst- 
versammlung  der  Amphiktyonen.  Sie  hatten  somit  an  der  ganzen  Summe 
166  Jahre  zu  zahlen.  Unsere  Inschrift  fällt  auf  alle  Fälle  vor  [das 
2.  Jahrh.  v.  Chr.,  sowohl  weil  die  Magistrate  der  Delphier  wie  der  Pho- 
cier (letztere  hatten  im  2.  Jahrh.  einen  einzigen  Strategen)  in  dieser 
Zeit  andre  sind,  als  auch,  weil  der  Z.  7  erwähnte  delphische  Archont 
in  der  von  194  v.  Chr.  bis  zur  Römerzeit  bekannten  delphischen  Ar- 
chontenliste  (s.  A.  Mommsen,  Philologus  1886  S.  1 — 48)  nicht  figuriert. 
Andrerseits  kann  die  Inschrift  nicht  unmittelbar  nach  dem  heiligen  Kriege 
fallen,  weil  die  Erwähnung  von  Magistraten  der  verschiedenen  Städte 
die  Erneuerung  des  phocischen  Bundes  voraussetzt.  Nach  Paus.  10,  3 
führten  die  Athener  und  Thebaner  die  Phocier  kurz  vor  der  Schlacht 
bei  Chaeronea  wieder  in  ihre  Städte  zurück.  —  S.  326  f.  n.  3.    Die  Pho-  4.  jahr- 

,  '  hund.- 

cier  entrichten  r-(2)a  iniiaxa  sv  As^^o[u]g  ^^^  (=  30  Talente)  unter 
ihrem  Archonten  [Th]ra[syb]ulos.  Weiterhin  sind  erwähnt  drei  delphische 
Prytanen  (ßp--),  vier  Zeugen  derPhocier  und  einer  der  Delphier  (letz- 
terer, IüscaTs[ag]  —  —  -cpaTeCirag ,  hatte  wahrscheinlich  die  Summe 
vorgestreckt).  Dem  Schriftcharakter  nach  ist  dieses  Verzeichnis  das 
älteste  von  allen;  es  kann  dem  4-  Jahrh.  angehören.  O  (dagegen  nicht  £l\ 
vgl.  BCH  X,  367  n.  9;  s.  o.)  ist  stets  punktiert.  —  S.  328  n.  4.  Der 
delphische  Schatzmeister  —  on  entrichtet  den  Schatzmeistern  xai  z[o7g] 
ßpuzävsu-{5)acv  zo)v  J]sä^wv  [30  Talente]  unter  dem  delphischen  Archon- 
ten Orni[thi]das.  Von  den  folgenden  Prytanennaraen  ist  nur  das  Frag- 
ment eines  einzigen  erhalten.  —  S.  329  n.  5.  Fragment  einer  ähnlichen 
Liste,  wie  sich  aus  der  Erwähnung  der  (delphischen)  Prytanen  (hier  npo- 
■zävieg  Z.  3)  ergiebt,  denen  ohne  Zweifel  die  Namen  der  phocischen 
Zeugen  folgen;  Z.  7 — 9  Aufzählung  der  delphischen  Zeugen.  Die  Ortho- 
graphie des  Wortes  Prytanen  mit  r:  läfst  auf  jüngere  Zeit,  als  die  der 
drei  vorhergehenden  Verzeichnisse,  schliefsen.  —  S.  330  n.  6.  Fragment, 
aror/r^döv,  rechts  verstümmelt.  Nur  erhalten  die  Anfangsbuchstaben  des 
Namens  des  delphischen  Archonten  ( Ba  -  -),  sowie  Reste  der  Namen  der 
delphischen  Prytanen;  Z.  6 ff.  Namenreste  der  j)hocischen  und  delphi- 
schen Zeugen.  —  S.  331  n.  7.  Fragment,  aroiirfiöv.  Erhalten  die  Namen 
von  vier  (delphischen)  Buleuten  sowie  von  acht  delphischen  und  gleich 
vielen  phocischen  Zeugen.  Jünger,  als  die  vorherigen  Verzeichnisse,  da 
die  delphischen  Magistrate  hier  ßaulfjovrag  genannt  werden.  —  S.  332 
n.  8.  Fragment.  Erhalten  nur  die  Namenreste  eines  delphischen  (aus 
Amphissa)  und  zweier  phocischen  Zeugen. 


492  Griechische  Epigraphik. 

ca.^223  Derselbe,   BCH  X  1886   S.  359 ff.   n.  2—5.     Stein   mit  vier  In- 

schriften in  einheimischem  Dialekt.  —  S.  359 f.  n.  1.  Proxeniedekret 
des  phocischen  Bundes  {0coxzTs)  auf  drei  Larisäer,  in  äufserst  einfacher 
Form;  datiert  nach  drei  Phokarchen  (aus  Tithorra,  Elatea,  Panopeus) 
und  einem  Schreiber.  —  S.  360  f.  n.  2.  Proxeniedekret  der  noXtg  ribv 
'FAazeojv  auf  den  Böoter  Kleorajachos,  S.  des  Meilichos,  aus  Oropos.  Der 
Name  des  letzteren  läfst  sich  herstellen  nach  zwei  noch  unedierten 
Proxeniedekreten'  aus  dem  Amphiareion  zu  Oropos,  in  welchen  derselbe 
als  Sprecher  fungiert,  und  in  deren  einem  der  Archon  unserer  Inschrift, 
Gennaios  aus  Elatea,  zum  Proxenos  ernannt  wird.  Wahrscheinlich  be- 
gegnet derselbe  Kleomachos  als  Priester  des  Araphiaraos  in  einer  an- 
dern, nach  dem  Böotarchen  Kaphisias  datierten  oropischen  Inschrift. 
Letzterer  war  im  Amte  zwischen  223  und  197  v.  Chr.;  hiernach  würde 
sich  das  Datum  der  vier  elateischen  Dekrete  bestimmen  —  S.  361  f.  n.  3. 
Die  TioXtg  twv  TAa\ri(uv  verleiht  dem  Ötäer  Alexon,  S.  des  Alexaraenes, 
£[c J  Et . . .  00  die  Proxenie  mit  den  zugehörigen  Privilegien.  Datiert  nach 
dem  Archouten  Ampharetos  und  dem  Schreiber  {Ypaix[xazz.öov:()g  ~oTj  au\>- 
sdpiou)  Me[g]o[n]das ,  S.  des  Diokles.  Am  Schlufs  werden  drei  Bürgen 
erwähnt.  —  S.  363  n.  4.  Der  phocische  Bund  (ro  xoivbv  Oiuxiwv)  er- 
teilt einem  Kreter,  dessen  Name  nicht  erhalten  ist,  wegen  seiner  den  im 
Peloponnes  ansässigen  Phociern  geleisteten  Dienste  eine  Belobigung  und 
bescbliefst  die  Errichtung  eines  Standbildes  desselben  durch  die  Pho- 
karchen und  einer  Ehreninschrift  durch  die  hier  zum  ersten  Male  be- 
gegnenden dpcrr-r^peg^  sowie  die  Entsendung  eines  Abgesandten  zur  Ver- 
kündigung der  Beschlüsse,  wahrscheinlich  an  die  l'hocier  im  Peloponnes. 

2.  lahr-  Derselbe,  BCH  XI  1887  S.  332  f.  n.  9.    Stelenfragraeut  mit  einem 

^'^^^'  Beschlufs  des  xotvhv  0ujxiujv  ^  wonach  das  Heiligtum  des  Poseidon  {tuu 
[I]o]Tecoävo5)  und  der  Amphitrita  auf  Tenos  sowie  die  ganze  Insel  für 
äau?M  erklärt  und  zur  Wiederherstellung  des  Tempels  des  Gottes  fünf 
Minen  bewilligt  werden.  Da  ein  Krieg  (wahrscheinlich  gegen  die  Atoler) 
die  Phocier  momentan  verhindert,  eine  gröfsere  Unterstützungssumme 
beizusteuern,  so  wird  den  Tenieru  zum  Ersatz  eine  Belobigung  und  die 
iGunoXiieia  erteilt.  Der  Bia\poQ\  der  Tenier,  Thestias,  S.  des  Diaitos, 
soll  aufserdem  ein  Geschenk  von  einer  Mine  erhalten  und  von  den  Pho- 
karchen zu  den  Festmahlen  gezogen  werden.  Abschriften  des  Dekrets 
sollen  aufgestellt  werden  im  Heiligtum  zag  \^A\ü^a\)äg  (19)  iv  Kpavalg 
(somit  ist  das  Attribut  der  Göttin  Kpavaca  ein  Lokalname,  nicht  »die 
Behelmte«;  vgl.  a.  a.  0.  S.  319f.),  auf  dem  Markte  von  Elatea  und  in 
Delphi.  Die  Kosten  sollen  die  Phokarchen  und  die  a.{pt\(Trrjpsg  (s.  o.)  ent- 
richten. —  Einheimischer  Dialekt.    Wahrscheinlich  2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  340 f.  n.  11.  Zwei  Fragmente  einer  Stoi- 
chedoninschrift;  wahrscheinlich  Rest  einer  Rechnungsablage.  Einheimi- 
scher Dialekt. 


via.  Phocis:  Elatea.  493 

Derselbe,  BCH  X  1886  S.  364f.  Zwei  Proxeniedekrete  auf  einem 
Stein;  einheimischer  Dialekt.  —  S.  364  n.  6.  Fragment  einer  Belobi- 
gung und  eines  Proxeniedekretes  der  Elateer  auf  einen  Sosikles.  — 
S.  365  n.  7.  Fragment  eines  gleichen  Dekretes  der  Elateer  zu  Ehren 
eines  Arztes  Ask[lapiodoros,  datiert  nach  dem  Archonten  Ariston.  Als 
Bürge  figuriert  ein  Arjistonj-mos,  S.  des  Nikodoros.  Dem  Geehrten  wird 
u.  a.  das  selten  verliehene  Privilegium  der  emv^oiica  zu  teil. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  366  n.  8.  Schlufs  und  Anfang  zweier 
Proxeniedekrete ;  deren  zweites  wahrscheinlich  von  dem  phocischen  Bunde 
einem  Konon  erteilt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  367.  Dürftiges  Fragment  eines  Dekretes, 
in  welchem  die  Zuerkennung  von  Ehrenbezeugungen  mit  den  Privilegien 
der  Proxenie  vereint  zu  sein  scheint. 

Derselbe,  BCH  XI  1887  S.  337 f.  n.  10.  Freilassungsurkunde 
unter  dem  Archonten  Kallipos,  S.  des  Aristokles,  und  dem  ypaiina-EUQ 
zo~)  (T'jvzopcou  Polyxenos,  S.  des  Xenokrates.  In  einer  am  15.  Tage  des 
5.  Monats  unter  dem  /scpoay.ÖTiog  Xenodokos,  S.  des  Theoguis,  abgehal- 
tenen Sitzung  des  Synedrion  war  die  Freilassung  des  Stephanos,  früheren 
Sklaven  des  Lampron,  sowie  die  Aufstellung  der  Freilassungsurkunde  im 
Tempel  der  Athana  Kranaia  im  Namen  seiner  gegenwärtigen  Herrin  Me- 
nekleia  und  der  Stadt  beschlossen  worden;  die  Volksversammlung  hatte 
diesen  Beschlufs  genehmigt.  Somit  erklären  der  Damos  von  Elatea  und 
Menekleia,  T.  des  Lampron,  den  Stephanos  für  frei.  —  Durch  unsre  In- 
schrift wird  die  Erklärung  des  Suidas  zu  yeipoaxÜTioq  =  ol  -äg  xeipo- 
zovcag  imaxonouvreg  gerechtfertigt;  die  Herausgg.  des  Thesaurus  haben 
daher  mit  Unrecht  yetpo-ovtag  in  x^Tpag  (nach  der  gewöhnlichen  Bedeu- 
tung von  ■/^etpoaxÖTiog)  geändert.  —  Einheimischer  Dialekt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  341  n.  12.  Fragment  einer  Freilassungs- 
urkunde ;  erujxehj-al  sollen  sein  Athana,  Zeus,  Hermas,  Apollou,  Poseidon, 
die  Charites. 

Derselbe,  BCH  X  1886  S.  377ff.  n.  16.  Freilassungsurkunden 
auf  drei  Seiten  einer  in  ca  50  Stücke  zertrümmerten  Stele.  Von  denen 
der  einen  Seite  werden  vier,  schon  von  E.  Curtius,  Anecdota  Delphica 
n.  39  mit  vielen,  durch  die  Umstände  bedingten  Fehlern  veröffentlichte 
Urkunden  in  besserer  Lesung  mitgeteilt.  Die  zweite  Seite  trägt  eine 
lange,  gänzlich  unleserliche  Liste  gleichen  Inhalts.  Die  dritte,  von  Cur- 
tius nicht  gelesen,  enthält  den  Freilassungsakt  einer  Sosinika  durch  Be- 
renika  und  Nikok?]leis.     Einheimischer  Dialekt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  375  n.  13.  Basis  mit  fragmentierter  Ehren- 
inschrift auf  die  dpy^'.i]ptt{a  Flavia  Lanica,  die  aus  der  von  Decharme, 
Inscr.  de  Beotie  n.  16  mitgeteilten  Inschrift  aus  Chäronea  als  lebens- 
längliche Erzpriesterin  des  böotischen  und  phocischen  Bundes  am  Heilig- 
tum der  Athena  Itonia  bekannt  ist. 


494  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  375  u.  14.  Basis.  Theodora,  T.  des  Kalli- 
k[rates,  ehrt  ihre  Tochter  in  Form  einer  Weihung  an  die  Götter. 

Derselbe,  BGH  XI  1887  S.  61.  Fragment  wahrscheinlich  einer 
Ehreninschrift  auf  Wiedererbauer  einer  Stoa  der  Göttin  (Athena  Kranaia). 

Derselbe,  BGH  X  1886  S.  381  f.  n.  18.  Arg  verstümmeltes  Frag- 
ment des  Testaments  eines  reichen  Herrn,  der  u.  a.  der  Stadt  ein  Grund- 
stück schenkt  mit  der  Bedingung,  dafs  sein  Andenken  durch  ein  Fest, 
verbunden  mit  Spielen  und  Opfern,  geehrt  werde. 

49/48  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  371  n.  10.     Der  Demos  der  Elateer  ehrt 

den  Proprätor  Faustus  Cornelius  Sulla  Epaphroditus  (Sohn  des  Dikta- 
tors und  der  Caecilia  Metella)  in  Form  einer  Weihung  an  die  Götter.  Der 
Titel  dv-tarpdzrjyog  für  denselben  ist  neu.  Aus  einem  Briefe  Ciceros  (ad  Att. 
9,  1)  ist  ersichtlich,  dafs  Faustus  i.  J.  49  dem  Pompeius  als  Proquästor 
nach  Griechenland  folgte;  er  kann  den  Titel  eines  Proprätors  nur  wäh- 
rend des  mit  der  Schlacht  bei  Pharsalus  endigenden  Feldzuges  erhalten 
haben. 
Kaiser-  Derselbe,  BGH  XI  1887   S.  319  n.  1.     Thrasjeas   und  Preima 

^^"'    (=  Prima)  weihen  die  Statue  ihres  Sohnes  Onesiphoros,  eines  Priesters 

der  Göttin,  der  Athana  Kran[aia. 
1 117  Derselbe,   BGH  X  1886  S.  372  n.  11.    Basis.    Bule  und  Demos 

~^^^  der  Elateer  errichten  dem  Kaiser  Hadriau  eine  Bildsäule  ix  -wv  dpyu- 
fjora/xceuTcxiuv  xai  ra/uBurcxaJv  ^prjfxdzujv.  —  Das  Amt  der  nur  in  römi- 
scher Zeit  und  wahrscheinlich  erst  gegen  Ausgang  der  Regierung  Tra- 
jans  begegnenden  dfjyupoTafjLcac  scheint  demjenigen  der  curatores  kalen- 
darii,  auch  cur.  pecuuiae  publicae  genannten  Beamten  der  okzidentali- 
schen  Städte  zu  entsprechen.  Es  ist  von  Interesse,  dafs  der  eine  der 
beiden  Männer,  denen  die  Fürsorge  für  Errichtung  der  Statue  übertragen 
wird,  T.  Flavius  Aristotimus  —  wahrscheinlich  doch  ein  Phocier  —  Priester 
des  (böotischen)  ApoUon  Ptoios  ist  (vgl.  zu  n.  13  S.  493  u.).  Den  Grab- 
stein des  andern,  T.  Flavius  Timoxenus,  s.  n.  26  (S.  495). 
1 161  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  374  n.  12.     Basis.     Bule  und  Demos  der 

~^^°  Elateer  ehren  den  Kaiser  Marcus  Aurelius  Antoninus  Pius. 
tca.200?  Derselbe,  BGH  XI  1887  S.  342  n.  13.    Rest  einer  Ehreninschrift: 

Mm(Tcßou[Xov   (2)   Mvaacßo(j{Xou   (3)    8\g   7:£pco[Sov£:-{4:)xuu ,   dpcaT[ou  'EX- 

{b)XTV(j)v .    Der  Vater  Mnasibulos  fiel  nach  Paus.    10,  34,  5  im 

Kampfe  gegen  die  räuberischen  Kostobokker  (kurz  nach  174  n.  Ghr.), 
nachdem  er  Ol.  235  =  160  n.  Ghr.  zweimal  in  Olympia  gesiegt  hatte. 
Zu  Elatea  war  ihm  eine  bronzene  Bildsäule  errichtet  worden. 

Derselbe,  a  a.  0.  S.  344f.  n.  14;  nach  einer  Mitteilung  des 
Herausg.  auch  Löwy,  Inschr.  griech.  Bildh.  n.  135%  ohne  Ergänzungen. 
Fragment  einer  Widmung  (3  Distichen)  des  Eukleides  an  die  ll\6Tvca 
'ABavata. 


via.  Phocis:  Elatea.  Delphi.  495 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  346  n.  15.  Weihinschrift;  nur  vier  Eigen- 
namen enthaltend:  Meilichios  (oder  -chion),  (2)  Damostrata,  (3)  Mika, 
(4)  Choirina. 

Derselbe,    BCH   X   1886   S.  358.     Verstümmelte   Weihinschrift: 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  375  n.  15.  Fragment.  Dem  Zeus  Apo- 
tropaios  werden  Opfergaben  geweiht.  Die  Namen  der  Dedikanten  sind 
verstümmelt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  383  n.  19.  Metrische  Grabschrift  auf  einen 
in  den  besten  Jahren  {dx[p.a]Tg  ivc  adxppovnq  rjßag)  durch  schnellen  Tod 
dahingerafften  Damotimos,  in  welcher  drei  Hexameter  mit  gleich  vielen 
iambischen  Senaren  wechseln. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  383f.  n.  20.  Berichtigte  Abschrift  von  CIG 
1731.  —  S.  381  n.  17.  Grabstein:  Archippa.  —  S.  384  n.  21:  Anaxo. 
—  n.  22:  Archinos,  Theuxenos.  —  n.  25:  Philokrates.  —  n.  23:  'Em 
llpd^oi  I  rXaOxa.  —  n.  24:  'Em  'Ayaa-\dv8p(vi.  —  S.  385  n.  26.  Z.  2:  Tc. 
0^a.   T£c[/i6$£vog  (s.  n.   11    S.   494). 

Derselbe,  BCH  IX  1885  S.  224  —  233.  Neues  Fragment  des 
edictum  Diocletiani  de  pretiis  in  drei  Kolumnen  zu  45  bzw.  46  Zeilen. 
A  =  Preise  für  leinene  Kleiderstoffe.  B  =  4.  Fragment  der  Inschrift 
von  Geronthrae  col.  II  (CIL  III  p.  105),  in  welchem  Z.  35.  36  auf  grund 
des  neuen  Textes  herzustellen  ist:  Kunpia  xal  al  lomai.  Z.  17 — 46  un- 
serer Inschrift  decken  sich  mit  Z.  1  —  24  des  megarischen  Fragments 
(a.  a  0.  p.  1057).  In  letzterem  ist  auf  grund  unseres  Textes  zu  er- 
gänzen: Z.  22:  cj,  7/O^ö-rv  -MV  cocüJZiTjv  — ,  Z.  23:  aaßdvujv  faXarcuv  — . 
C  1 — 34  entspricht  Z.  81 — 102  des  megarischen  Fragments,  dessen  Text 
in  erwünschter  Weise  ergänzt  wird.  Z.  35 — 46  Maxiraalpreise  für  Gold 
und  Goldarbeiter. 

Delphi. 

Fabricius,  Jahrbuch  des  kais.  deutsch,  archäol.  Inst.  I  1886  ca.  478 
S.  176 — 191  (mit  Tafel).  Eine  Nachvergleichung  der  Inschrift  des  von 
den  Teilnehmern  am  Perserkriege  in  Delphi  aufgestellten  s.  g.  platäi- 
schen  Weihgeschenkes,  der  bekannten,  jetzt  in  Konstantinopel  befind- 
lichen Schlangensäule  (IGA  70.  SIG  1.  Roberts  259)  hat  mehrere  Ab- 
weichungen von  den  bisherigen  Lesungen  ergeben.  Die  Überschrift  ist 
in  der  bisher  angenommenen  Form  (nach  Göttling):  Ano^iMiovi  (V[cja;[i 
aTäaavz'  (2)  d\v\dBrj\jr  drJj  M\rj8u}v  ganz  unmöglich,  die  erhaltenen  Buch- 
stabenreste ergeben  vielmehr  mit  Sicherheit  die  Lesung:  T]n[c8£  zuv  (2) 
TzuXepov  [i.-{Z)m)Ä[i]psov  (somit  standen  in  jeder  der  drei  Zeilen  acht 
Buchstaben),  eine  Fassung,  die  durchaus  zu  dem  Bericht  des  Thuk.  1,  132 
über  den  Inhalt  der  Inschrift  stimmt,  wofern  man  annimmt,  dafs  die 
eigentliche  Weihinschrift  auf  der  Basis  des  Denkmals  gestanden  habe; 


496  Griechische  Epigraphik, 

ihr  Wortlaut  ist  bei  Diod.  11,  33,  2  erhalten:  'EUddog  Bufw^ofjou  aw- 
zrjps,^  ~ov8'  dvid^Tfjxav  \  oüoXoaüvrjg  azujspag  puödjievoc  noXtag.  —  Auf 
der  elften  Windung  vermochte  Fabricius,  abweichend  von  den  älteren 
Abschriften  {Esxuoviot),  nur  Hcxuovcoc  zu  erkennen;  derselbe  erklärt  die 
Möglichkeit  einer  Ergänzung  des  |  zu  E  für  ausgeschlossen.  —  Bauer, 
Wiener  Studien  IX  1887  S.  223  —  228  sucht  den  Nachweis  zu  liefern, 
dafs  das  Verzeichnis  der  delphischen  Liste  wie  der  olympischeu  Inschrift 
unabhängig  von  einander  entstanden  seien  und  daher  das  eine  aus  dem 
andern  nicht  ergänzt  oder  verbessert  werden  dürfe.  Die  Verschieden- 
heit beider  Listen  sei  daher  zu  erklären,  dafs  nicht  die  Teilnahme  an 
den  Schlachten  allein,  sondern  aufserdem  auch  die  Beitragsleistung  zur 
Errichtung  der  Denkmale   den  Anspruch  auf  Erwähnung  gegeben  habe. 

Ar-  LoUiug,  MDAI  XII  1887  S.  384  hat  den  von  Pomtow,  Sitz.-Ber. 

der  Berliner  Akad.  1887  S.  707  (mir  noch  nicht  zugänglich)  besprochenen 
Grabstein  (bustrophedon)  des  Selinuntiers  Archedamos:  [ö]f/^[o]i  ö[jo];^£- 
[d]a[/x]-{2)e  llo  fJuBsa  Ie-(S)Xiv6v~cos  neu  verglichen  und  teilt  eine  ge- 
nauere Abschrift  desselben  mit.  Auch  die  Rückseite  des  Steines  trägt 
eine  Inschrift:  lr/]pcov,  »wodurch  einerseits  die  Deutung  der  Hauptinschrift 
als  Grabschrift  bestätigt,  andrerseits,  da  die  zweite  Inschrift  den  ganzen 
Raum  der  Rückseite  einnimmt,  die  Vermutung  zurückgewiesen  wird,  dafs 
der  Block  mit  seinem  unteren  Ende  etwa  in  einen  andern  Block  oder 
die  Erde  eingelassen  war.« 

Foucart,  BCH  VII  1883  S.  409—439  veröffentlicht  sechs  De- 
krete der  Amphiktyonen  (n.  2 — 4  und  6  von  Haussoullier  entdeckt), 
sämtlich  aus  dem  Ende  des  3  oder  der  ersten  Hälfte  des  2.  Jahrh. 
250-200  V.  Chr.  —  S.  409  f.  n.  1  aus  dem  Archontat  des  Eudokos.  Erteilung 
der  Prodikia  u.  s.  w  an  den  Knidier  Sokrates,  S.  des  Telesias,  und  an 
den  in  Atollen  wohnhaften  Eleer  Alexeinides,  S.  des  Philonides.  —  Dar- 
unter auf  demselben  Stein  vier  Proxeniedekrete  der  Delphier  S.  41 5  f. 
Die  Proxenie  wird  erteilt  1.  dem  Knidier  Sokrates,  S.  des  Telesias,  unter 
dem  Archonten  Straton;  2.  dem  Eleer  Alexeinides,  S.  des  Philonides, 
unter  demselben  Archonten  (beide  sind  identisch  mit  den  in  dem  oberen 
Dekret  Geehrten);  3.  dem  Tlepolemos,  S.  des  Herakleides,  AcoXeüg  {nicht 
»aus  Äolien«,  da  sonst  der  Heimatsort  angegeben  wäre,  sondern  aus 
einer  Stadt  dieses  Namens,  welche  zum  Bunde  der  Magneten  gehörte; 
Vgl.  MDAI  VII,  71),  unter  dem  Archonten  Eukles;  4.  dem  Protolaos 
Malki  (Ethnikon)  e^  'Ey^cvou^  unter  dem  Archonten  Eukles.   — 

desgl.  S.  416  f.  n.  2.  Erteilung  der  Prodikia  u.  s.  w.  an  den  in  Delphi  an- 
sässigen Herniias,  S.  des  Charixenes,  unter  dem  Archonten  Kallias.  — 

desgl.  S.  420  n.  3.    Desgl.  an  einen  Antagoras,  unter  dem  Archonten  Erys.  — 

194/3  S.  421  f.  n.  4.  Desgl.  au  einen  Achaiion  und  dessen  Sohn  Antagoras, 
die  zu  Dienern  {brajpi-at)  der  Hieromnemonen  ernannt  werden,  unter 

desgl.  dem  Archonten  Peithagoras  (194/3  v.  Chr.).  —  S.  4230'.  u.  5.  Aus  dem- 
selben Jahre,  wie  die  Reste  des  Präskripts  zu  ergeben  scheinen.  Ertei- 
lung der  gleichen  Rechte  an  8—10  Personen,  deren  Namen  nicht  voll- 


via.   Phocis:  Delphi.  497 

ständig  erhalten  sind.  Rechts  daneben  unleserliche  Reste  eines  Proxenie- 
dekrets  (S.  426).  Darunter  ein  Proxeniedekret  der  Delphier  auf  den  Eleer 
Kyllon,  S.  des  Kyllon,  unter  dem  Archonten  Kallikles  (S.  426  f.).  — 
S.  427  ff.  u.  6.  Vollständige  Abschrift  des  von  Wescher-Foucart,  Inscr.  iW7 
ined.  de  Delphes  n.  459  nur  dem  Anfang  nach  mitgeteilten,  33  Zeilen 
umfassenden  Dekretes:  Unter  dem  Archonten  Praxias  (178/7  v.  Chr.) 
beschliefsen  die  Hieromnemonen,  dafs  ein  Teil  des  heiligen  Bezirks  den 
Rindern  und  Pferden  des  Gottes  als  Weideland  überlassen  werden  soll. 
—  [Hieran  reiht  der  Herausg.  S.  431  ff.  eine  Auseinandersetzung  über 
den  wechselnden  Bestand  der  Amphiktyonen  von  der  vormacedonischen 
bis  auf  die  Römerzeit.] 

Haussoullier,  BCH  VLI  1883  S.  189  —  203  n.  93.  Drei  Frag-  200-1 
mente  einer  geographisch  geordneten  Liste  delphischer  Proxenen: 
A)  (67  Zeilen  und  Zeilenreste)  aus  Südgriechenland:  B)  (49  Z.  und  Zeilen- 
reste) aus  Mittel-,  Nord-  und  Grofsgriechenland;  C)  (16  Z.  und  Zeilen- 
reste) aus  Thessalien  und  Umgegend.  —  Latischew,  MDAI  VIII  1883 
S.  381  f.  möchte  C  5  auf  Grund  einer  in  Korkyra  gefundenen  Inschrift 
(Wachsmuth,  Rhein.  Mus.  XVIII,  540)  Muwaca  lesen.  Diese  Stadt  müsse 
in  Thessalien,  wenngleich  in  nächster  Nachbarschaft  von  Perrhäbien,  ge- 
legen haben,  da  sonst  in  der  Inschrift  der  thessalische  Strateg  nicht  er- 
wähnt wäre.  —  Nikitsky,  MDAI  X  1885  S.  101  f.  giebt  ein  weiteres 
Fragment  der  Liste.  Die  Vorderseite  desselben  (a,  19  Z.)  enthält  die 
Proxenen  in  den  Küstenstädten  Kleinasiens  in  streng  geographischer, 
nur  an  zwei  Stellen  unterbrochener  Ordnung;  auf  der  linken  Schmalseite 
(b,  21  Z.)  ist  nur  der  Stadtname  'AoYc.i^ta  (?)  Z.  5  lesbar.  —  Da  die 
Ernennung  delphischer  Proxenen  in  Massilia  und  Elea  nach  andern  Ur- 
kunden in  das  Jahr  196  bezw.  176  v.  Chr.  fällt,  so  ist  die  Liste  der 
ersten  Hälfte  des  2.  Jahrh.  v.  Ghr.  zuzuweisen.- 

Bergk,  Die  Liste  der  delphischen  Gastfreunde,  Philologus  XLII  ca.  \i 
1883  S.  228  —  265,  behandelt  das  von  Wescher  und  Foucart,  Inscr. 
recueillies  ä  Delphes  n.  18  veröffentlichte  Verzeichnis  der  Proxenoi  von 
Delphi,  welches  Mommsen,  Philologus  XXIV  S.  1—48  zur  chronolo- 
gischen Anordnung  der  delphischeu  Archonten  benutzte  und  —  gleich- 
zeitig mit  Bergk  —  Dittenberger,  SIG  198  mit  ausführlichem  Kommen- 
tar versehen  hat.  —  Das  Verzeichnis  beginnt  Ol.  145,  4  =  197/6  v.  Chr., 
offenbar  anknüpfend  an  ein  wichtiges  historisches  Ereignis,  die  Prokla- 
mation der  Unabhängigkeit  der  griechischen  Staaten  an  den  Isthmien. 
Wahrscheinlich  geschah  die  Aufstellung  der  Liste  gleichfalls  im  Anschlufs 
an  ein  entscheidendes  Faktum,  die  Zerstörung  Korinths  und  die  Unter- 
werfung Griechenlands  unter  das  römische  Regiment.  Mommsens  Vor- 
stellung, als  ob  das  Verzeichnis  nach  und  nach  entstanden  sei,  ist  irrig. 
Ob  die  Behörde  ein  förmliches  Protokoll  führte,  ist  zweifelhaft;  jeden- 
falls war  dasselbe  nicht  mehr  vorhanden,  als  man  beschlofs,  die  Liste 
aufzustellen.    Der  mit  der  Abfassung  des  Katalogs  betraute  Beamte  be- 

Jaliiebbericht  für  Altenhiimswiaaeniicbaft  LH.  ,1887.  III  j  32 


498  Griechische  Epigraphik. 

nutzte  die  einzelnen  Urkunden,  soweit  sie  noch  vorhanden  waren;  aber 
er  begnügte  sich,  die  namhafteren  Personen  auszuwählen:  gegen  Ende 
wird  das  Verzeichnis  dürftiger  und  lückenhafter.  Die  Redaktion  ist 
nichts  weniger,  als  sorgfältig;  so  wird  die  chronologische  Folge  öfters 
verletzt,  ein  Umstand,  der  Mommsens  Annahme  von  der  successiven  Ein- 
tragung der  Proxenoi  widerlegt.  Es  sind  meist  Proxenieerteilungen  an 
einzelne  Personen,  vereinzelt  auch  an  Festgesandtschaften  und  einzelne 
Familien  verzeichnet.  Bemerkenswert  ist,  dafs  die  meisten  Verleihungen 
in  die  zweite  Jahreshälfte  fallen;  der  Besuch  des  Heiligtums  raufs  daher 
in  der  Zeit  von  Februar  bis  Juni  (Juli)  besonders  lebhaft  gewesen  sein. 
Wichtig  ist  das  Verzeichnis  dadurch,  dafs  sich  wenigstens  ein  Teil  der 
Freilassungsurkunden  von  Delphi  nun  chronologisch  ordnen  läfst;  ferner 
giebt  es  eine  fast  vollständige  Liste  der  Strategen  des  ätolischen  Bundes 
für  die  letzte  Zeit  desselben;  endlich  werden  eine  Reihe  mehr  oder  minder 
namhafter  Männer  aufgeführt.  Das  wesentlichste  Hülfsmittel,  das  Amts- 
jahr der  Archonten  zu  bestimmen,  bieten  die  Freilassungsurkundeu,  die 
oft  in  der  Überschrift  zugleich  den  jedesmaligen  ätolischen  Strategen 
nennen.  S.  237f.  stellt  Bergk  eine  Liste  der  delphischen  Archon- 
ten und  der  ätolischen  Strategen  auf,  nach  Olympiaden  und  der 
christlichen  Zeitrechnung  geordnet.  —  Darauf  wendet  sich  der  Verf.  zu  ' 
der  Liste  der  delphischen  Gastfreunde.  Nur  Quinctius  Flamininus 
und  die  zugleich  mit  ihm  genannten  Römer  haben  die  Aufmerksamkeit 
auf  sich  gezogen.  Wie  die  Erteilung  der  Proxenie  an  ersteren  unzweifel- 
haft auf  politischer  Berechnung  beruhte,  so  mag  dies  Motiv  auch  in  an- 
deren Fällen  mitgewirkt  haben.  S.  242  —  265  folgt  eine  nach  Olympia- 
den geordnete  Übersicht  über  die  delphischen  Proxenoi.  —  Vgl.  Ditten- 
berger,  a.  a.  0.  —  Nikitsky,  MDAI  X  1885  S.  103f.  giebt  auf  grund 
eines  neuen  Abklatsches  einige  abweichende  Lesarten  und  Ergänzungen 
der  Liste. 
1.50?  Stamatakes,   'E<p.  äpy^.  1883  S.  161 — 163.    Nach  verstümmelten, 

von  Nikitsky,  'E(p.  äpi-  1884  Sp.  217 — 219  hergestellten  Bemerkungen 
über  die  Veranlassung  eines  an  den  winterlichen  Soterien  gehaltenen 
musischen  Wettstreites  folgt  das  Verzeichnis  der  Sieger  in  einheimischem 
Dialekt.  Mit  geringen  Ausnahmen  sind  es  Thebaner.  Aufser  einem  The- 
baner,  dessen  Charakter  nicht  erhalten  ist  (Z.  5),  werden  registriert:  ein 
xcBapiüidug  Tyrannias,  S.  des  Automedes,  aus  Theben  (Z.  6),  zwei  the- 
banische  lopEUTai  (Z.  8.  9),  ein  r^ys-p-ojv  nals  (Z.  10),  ein  rjjepwv  dv- 
dpcüv  (Z.  11),  zwei  weitere  loptuzai  (L.  13.  14),  ein  x](vpa>c8og  'AnoXXäg 
(^zveä-rfi  (Z.  15),  ein  (oder  zwei?)  auvayujvtarat  (Z.  17),  vier  /opeurai 
xujfxcuidou  (Z.  19—22).  —  Nach  Nikitsky,  a.  a.  0.  Sp.  219  dürfte  die 
Liste  der  Mitte  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.  oder  der  zweiten  Hälfte  desselben 
angehören. 

Derselbe,   a.  a.  0.  Sp.  163—166.     Proxeniedekret  der  Delphier 
auf  Aristarchos,  S    des  Aitolion,  Ku<patp£ug  in  einheimischem  Dialekt. 


via.  Phocis:  Delphi.  Crissa.     VIb.  Locris  et  Doris  499 

C  r  i  s  s  a. 
Dittenberger,  Epigraphische  Miscellen,  in  den  »Historischen  und  '^a-  279 
philol.  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berlin 
1884  S.  294,  ergänzt  und  bespricht  das  delphische  Psephismafragment 
MDAI  V  1880  S.  202  n.  62  (Röhl  I,  115).  Die  Ergänzung  lautet:  -  -  og 
'Ayd&wv  (2)  Neori^eog  xa{3)c  rot  d8s?.^£[ol  (4)  Quopioig  Ttep\\  T{ß)äg  rtpo- 
liavT{rj{%)tag  i7rav£v[c(7)a((Tavro,  in[£l  (8)  u  vaug  xaT£[y.a{9)'')B7],  xai  e8ö[^£ 
(10)  JeXfolg^  9[oof)c(\\)otg  a.T:uo6[iJ.e{\2)v  räv  ■npü[}j.a{\Z)vzrjiav,  7r[/>o(14)- 
aXtiuzäv  [ov(15)ra»v  Tapav\zi{\Q)vüu,  [Ä']/i£o/[roo  - -.  Der  Ausdruck  rcpo- 
ahS}-at  Z.  13/14  ist  nicht  direkt  zu  belegen,  doch  durch  sprachliche 
Analogieen  zu  rechtfertigen  (rjkxiä)-rjg:  rjhxüx  =  äXiwzai:  alla,  npopvd- 
fjLwv :  p.vdp.ov£g  =  Tipoaiacpvärai  [SIG  252,  54.  321,  5.  369,  13]:  alacp-vdrai 
=  TipvaXiwTat:  dXtwrai).  Der  durch  Agathon,  Neoteles'  Sohn,  und  seine 
Brüder  —  offenbar  Bürger  von  Thurii  —  an  die  Gemeinde  Delphi  gerichtete 
erneute  Antrag  inbetreff  der  TipofiavTeia  der  Thurier  hat  seine  Veran- 
lassung in  einem  Tempelbrande  (Z.  8/9),  bei  welchem  die  Urkunde  über 
die  Promantie  der  Thurier  zu  gründe  gegangen  war  (vgl.  das  auf  einen 
ähnlichen  Anlafs  zurückzuführende  attische  Dekret  für  die  Söhne  des 
Apemantos  CIA  II  3.  SIG  49).  Dieser  Tempelbrand  kann  nicht  auf 
das  bekannte  Ereignis  des  Jahres  548  v.  Chr.  bezogen  werden,  da  zu 
jener  Zeit  Thurii  noch  nicht  existierte.  Wahrscheinlich  fand  er  bei  Ge- 
legenheit der  gallischen  Invasion  i.  J.  279  v.  Chr.  statt.  Das  tendenziöse 
Schweigen  der  Schriftsteller  über  diese  Katastrophe  —  sie  erwähnen  nur 
eine  Plünderung  —  kann  in  keiner  Weise  als  Beweis  gegen  die  That- 
sächlichkeit  desselben  gelten.  —  Auf  dieselbe  Veranlassung  ist  wohl  auch 
die  Erneuerung  der  Promantie  der  Naxier  zurückzuführen.  Das  Dekret 
(Wescher,  Revue  arch.  IV  1861  S.  314.  Foucart,  Archives  des  missions 
scient  et  litt.  ser.  II  tom.  II  1865  S.  90  =  Revue  arch.  VIII  1863  S.  56. 
Wescher-Foucart,  Inscr.  recueillies  ä  Delphes  466)  erwähnt  zwar  die 
Veranlassung  nicht,  aber  der  Wortlaut  {dtl<po\  dnsdajxav  (2)  Na^totg  räv 
■npojiavzrjtav  (3)  xazzd  dpyaTa,  äp^üvvog  (4)  0£oXÜtoo^  ßooXeüovxog  (5) 
'Emyivsog)  weist  auf  einen  analogen  Fall.  Auch  spricht  für  die  Gleich- 
zeitigkeit beider  Inschriften  die  Beibehaltung  der  älteren  Form  rtpoimv- 
TTfj'ia^  während  auf  den  sehr  zahlreichen  delphischen  Inschriften  aus  dem 
Ende  des  3  und  dem  2.  Jahrh.  v.  Chr.  das  der  späteren  Gemeinsprache 
angehörige  npüpo-v-Eca  begegnet.  Irrig  schliefst  Foucart  aus  jener  Form, 
die  Inschrift  für  Naxos  sei  in  ionischem  Dialekt  abgefafst  und  rückt  die- 
selbe ins  4.  oder  5.  Jahrh.  v.  Chr.  hinauf. 

VIb.  Locris  et  Doris. 

Bechtel,  Die  lokrischen  Inschriften.  SGDI  II  Heft  1  1885  S.  47—62 

n.  1474—1510  (Nachtrag  S.  90).    Über  Doris  s.  denselben,  a.  a.  0.  S.  62. 

Rez.  s.  S.  392. 

32* 


500  (Erriechische  Epigraphik. 

Oeanthea  (und  Opus), 

iGA  321  Dittenberger,  Index  schol.  Hai.  Winter  1885/86  p.  XIsq.  ver- 

teidigt die  Curtiussche  Lesung  der  Erztafel  von  Oiantheia  IGA  321  (SGDI 
1478)  Z.  1 :  xä{~)  tmvSs  dmfocxca,  indem  er  einerseits  aus  dem  Schlüsse 
der  Inschrift  von  Opus  (Talanti)  Athenaion  I,  489  und  Archäol.  Ztg. 
XXXI   1874   S.   142  =  SGDI    1508   (nach   seinen  Ergänzungen:    iv^at- 

ve~[a)  8k Ttozl  Tä]v  ßoitXäv  xa&'  wv  xai  zag  äXXag  svcpaviag^  xac  uno- 

dcxog  [iffzw,  oarcg  x]a  fii]  tcB^,  Seav  auröv)  lokr.  xa&'  wv  =  att.  xaB' 
ä  und  dem  entspi'echend  lokr.  xär  zwvds  =  att.  xarä  rdos  nachweist 
und  andrerseits  zur  Erklärung  von  äruj-otxta  aus  ä  irufocxca  annimmt, 
dafs  im  lokrischen  Dialekt,  wie  im  dorischen  (vgl.  Ahrens  II  195),  äe 
und  ä7]  in  ;y,  dagegen  äs  in  ä  kontrahiert  worden  sei.  Vgl.  Bechtel, 
SGDI  II,  1  S.  90. 

IGA  322  Derselbe,  a.  a.  0.  p.  XII  stützt  die  Röhlsche  Lesung  der  zweiten 

Erztafel  von  Oiantheia  IGA  322  (SGDI  1479)  Z.  8/9:  8mX\e!ü)  »ojearaj 
(Dittenb.:  ßw-jarw)  =  att.  rö»  dc7:?.aj  Qr/ [JLtoijad^u)  durch  die  von  ihm  her- 
gestellte Lesung  der  attischen  Inschrift  CIA  11  841  (SIG  359)  Z.  15: 
äv  8k  iXeüi^epog  sc,  {^[oj cjdaec  auzov  6  lepeüg.    Vgl.  ßechtel,  a.  a.  0. 

VIc.    Tiiessalia. 

Fick,  Die  thessalischen  Inschriften.  SGDI  I  Heft  2  1883  S.  125 
— 143  n.  324 — 373  (einschliefslich  der  Münzlegenden).  Nachträge  Bd.  I 
Heft  4  1884  S.  377—386  n.  1278—1333  (dazu  Prellwitz,  De  dialecto 
Thessalica.  Gott.  1885.  S.  2—4  n.  I— XIII).  Meister,  Wortregister 
zu  den  thessalischen  Inschriften.  SGDI  IV  Heft  I  1886  S.  26  —  40.  — 
Rez.  s    S.  391. 

Derselbe,  Die  änianischen  Inschriften.  SGDI  II  Heft  1  1885 
S.  29—33  n.  1429—1438  (=  Bezzenb.  Beitr.  VII  1883  S.  252—255).  — 
Rez.  s.  S.   392. 

Derselbe,  Die  phthiotischen  Inschriften.  SGDI  II  Heft  1  1885 
S.  34—46  n.  1439—1473  (=  Bezzenb.  Beitr.  VI  1880  S.  307—325).  — 
Rez.  s.  a.  a.  0. 

L  a  m  i  a. 

300-250?  Latischew,  MDAI  VII  1882  S.  361   n.  22.     Im  Hofe  des  Ezvo- 

ouysiov  zwv  Etvcuv.  19 zeilige,  unten  abgebrochene  Inschriftplatte,  die 
als  Thürstufe  dient  und  wegen  ihres  abgeriebenen  Zustaudes  nur  mit 
Mühe  entziffert  werden  kann.  Dieselbe  enthält  ein  genau  azorj^r^obv  (je 
18  Buchst.)  geschriebenes,  knapp  gefafstes  Proxeniedekret  der  Lamier 
auf  Hippokrates  und  Damokritos,  Söhne  des  Simmias,  aus  Larisa.  — 
Dem  Schriftcharakter  nach  (OMPC)  möchte  der  Herausg.  die  Inschrift 
dem  4.  oder  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  zuweisen 


VIb.  Locris  et  Doris:  Oeanthea.    VIc.  Thessalia:  Lamia.  Narthacium.     501 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  363  n.  23.     (Cauer,  Del.  2  386«.     Fick,  2-  Jahr- 

hund  :" 

SGDI  1447.)  Im  Vorhofe  des  Centralmuseuras  zu  Athen.  Zuerst  heraus- 
gegeben von  Kumanudes  in  der  griech.  Zeitschrift  ^E(prjn£p]g  tujv  (ptlo- 
lia&wv  24.  Okt.  1864  n.  541  nach  einer  Kopie  von  Blastos,  nach  Über- 
führung des  Steines  nach  Athen  von  Eustratiades  in  derselben  Zeitschrift 
22.  Dez.  1866  n.  617  nach  eigener  Kopie  wiederholt;  beide  in  Minus- 
keln und  nicht  fehlerlos.  Wortreiches,  16 zeiliges  Proxeniedekret  spä- 
terer Zeit  auf  den  Rofsarzt  Mrj-juooujpog  'Ayopopi^^eog  aus  Pelinna  {lle- 
hvvaeüg)  wegen  unentgeltlicher  Kuren.  —  Schon  Eustratiades  bat  be- 
merkt, dafs  das  Dekret  wegen  des  im  Präskript  genannten  th essaii- 
schen Strategen  nicht  vor  189  fallen  kann,  in  welchem  Jahre  Lamia  von 
der  Herrschaft  des  ätolischen  Bundes  befreit  wurde  und  mit  dem  thessa- 
lischen  in  Verbindung  trat.  Auch  kann  dasselbe  nicht  aus  den  10  fol- 
genden Jahren  stammen,  da  der  Stratege  Timasitheos  in  dem  Katalog 
thessalischer  Strategen  bei  Eusebius  (chron.  1 ,  340  Aucher)  nicht  ge- 
nannt ist.  Trotzdem  möchte  der  Herausg.  das  Dekret  noch  dem  2.  Jahrh. 
V.  Chr.  zuweisen.  —  Der  auch  bei  andern  griechischen  Völkerschaften 
vorkommende  Monatsname  Ooog  Z.  4  ergänzt  die  Liste  der  lamischen 
Monate,  so  dafs  der  von  Bergk,  Beiträge  zur  griech.  Monatskunde  S.  58 
vorgeschlagene  Monatsname  hdpaiog  hinfällig  wird.  —  AOPTT- 

Narthacium. 

Latischew,  BCH  VI  1882  S.  581ff.  Zwei  Steine  von  der  Trümmer-  160-139 
Stätte  der  byzantinischen  Kirche  des  h.  Johannes,  auf  welcher  auch  der 
a.  a.  0.  S.  364ff.  n.  1  (genauere  Kopie  von  S.  356ff;  vgl.  Röhl  I,  120) 
mitgeteilte  Senatsbeschlufs  gefunden  wurde-,  welch  letzterer  nach  einer 
Anmerkung  des  Herausg.  zu  S.  580  vielmehr  der  Zeit  von  150 — 139 
(nicht  146)  v.  Chr.  zuzuweisen  ist.  Nach  Lolling,  MD  AI  X  1885  S.  284 
ist  A  Z.  4  KuScnTTou  zu  lesen  statt  0ztomrMu.  —  n.  2  a.  a.  0.  enthält 
ein  Verzeichnis  narthakischer  Bürger,  welche  die  Proxenenwürde  von  zu- 
sammen mindestens  27  griechischen  und  kleinasiatischen  Städten  beklei- 
deten, und  welches  zu  Nutz  und  Frommen  der  zuwandernden  Fremden 
auf  dem  Marktplatze  aufgestellt  sein  mochte  (bisher  das  einzige  Bei- 
spiel dieser  Art  aus  dem  klass.  Altertum).  Lolling,  a.  a.  0.  S.  284  giebt 
auf  grund  einer  Neuvergleichung  einige  berichtigte  Lesarten.  —  n.  3 
a.  a.  0.  S.  588 f.  scheint  das  Fragment  der  Liste  einer  Bürgerabteilung 
in  2  Kolumnen  (Tribus,  Phratrie  oder  yhog)  zu  sein.  Hierzu  veröffent- 
licht Lolling,  a.  a.  0.  S.  284  ein  neues  Fragment,  durch  welches  eine 
der  Kolumnen  vervollständigt  und  die  Anfänge  einer  dritten  Kolumne 
bekannt  werden.  —  Die  drei  Inschriften  stehen  zeitlich  einander  sehr 
nahe.  n.  2  dürfte  als  älteste  um  160  v.  Chr.  verfafst  sein.  In  ihr  be- 
gegnen drei  der  in  n.  3  verzeichneten  Bürger  und  eben  so  viele  Väter 
von  letzteren;    auch  erwähnt  sie  den  Vater  eines  der  Archonten  von 


502  Griechische  Epigraphik. 

n.  1.  In  n.  3  lassen  sich  die  Namen  zweier  Archonten  der  Inschr.  1 
restituieren.  Die  beiden  letzteren  Inschriften  scheinen  von  demselben 
Steinmetzen  herzurühren. 

H  a  1  u  s. 

Foucart  (nach  einem  Abklatsch  von  Fougeres),  BCH  XI  1887 
S.  364—368.  Auf  zwei  Seiten  beschriebene  Stele,  jetzt  in  Volo  (Seite  A 
unvollständig  bei  Heuzey,  Miss.  arch.  de  Macedoine  S.  431,  dessen  Ab- 
schrift durchweg  bestätigt  wird),  mit  einer  Liste  von  Freigelassenen  aus 
den  Amtsjahren  des  thessalischen  Strategen  Ptolemaios,  S.  des  The- 
[mi]stogenes,  aus  Gyrton  (A,  1 — 59),  und  des  Italos,  S.  des  Philiskos, 
aus  Gyrton  (A,  60 — 76.  B,  l — 72).  Da  die  Namen  beider  Strategen  in 
der  bis  179  v.  Chr.  reichenden  Liste  des  Eusebius  fehlen,  so  ist  die  In- 
schrift jüngeren  Datums;  doch  deuten  die  Erwähnung  von  Stateren  (15 
mufsten  von  jedem  Freigelassenen  an  die  Stadtkasse  entrichtet  werden) 
und  das  Fehlen  römischer  Namen  auf  vorrömische  Zeit.  Das  Datum  wird 
nächst  dem  Namen  des  Strategen  durch  den  des  halbjährlich  gewählten 
einheimischen  Schatzmeisters  bestimmt.  Dem  Namen  des  Freigelassenen 
folgt  ein  zweiter  Name  im  Genetiv  (oft  des  Herrn  oder  seines  Vaters, 
so  14  mal  unter  34;  oft  auch  eines  Dritten  als  Patron  oder  Prostates). 
Wenig  üblich  ist  in  Thessalien  eine  Klausel,  wie  die  des  Menekles  B,  60, 
wonach  die  Freigelassenen  bis  zum  Tode  des  Herrn  in  dessen  Diensten 
verbleiben  sollen.  Der  Ausdruck  dr.eXBoBepuj&eig  xazä  8tav6rjacv  B,  20. 
37.  43  scheint  gleichbedeutend  zu  sein  mit  —  xazä  8ca>9rjxrjv.  Der  Ka- 
lender von  Halos  (der  vielleicht  bei  allen  phthiotischen  Achäern  in  Ge- 
brauch war)  wird  durch  die  Inschrift  in  folgender  Weise  bestimmt: 
1.  Adromios,  2.  Euönios,  3.  Pythoios,  4.  Hagnaios,  5.  [Genetios]?  Ge- 
netios  embolimos,  6.  Dionysios,  7.  Megalartios,  8.  Themistios,  9.  Dema- 
tros,  10.  Hekalombios,  11.  Homolöios,  12.  Thyios.  —  Vgl.  die  Monats- 
liste S.  504. 

Monceaux,  BCH  VII  1883  S.  61  n.  19.  —  Deckstein  eines  Brun- 
nens: 'E?^ms  I  Sb\io8uxoö. 

Thebae  Phthiotides. 

Monceaux,  BCH  VII  1883  S.  61  n.  18  (Cauer,  Del.  2  391.  Fick, 
SGDI  1471);  berichtigt  Lolling,  MD  AI  XI  1886  S.  51  n.  18.  Dorf 
Ekkitschi.    Grabstein :  "Avdpwv  \  /l]anoxpdT£og. 

Lolling,  a.  a.  0.  n.  19.  Ebd.  Sarkophaginschrift  (ungenügend 
Lebas,  Thess.  1175):  Acoyswg  re/jL[e]?i'{2)hcvrjg,  [^]p£7:[r]^  oe  Ilo-{S)h$svou. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  20.  Ebd.  Grabstele  (unvollständiger  Lebas, 
a.  a.  0.  1168):  a)  Awprjdrjg  (2)  Uacocvoo^  (3)  ' E^kavoxpdreca  (4)  Happi- 
vovTog.  b)  (5)  'AvTcrtärpa  (6)  Ji]op[rj]§oog.  c)  mit  umgestürzten  Buch- 
staben: (7)  'AptaroTzokg,  (8)  Ma^drag. 


VIc.  Thessalia:  Halus.  Thebae  Phthiotides    Melitaea.  Thaumaci        503 

Melitaea  und  Umgegend. 

Monceaux,    BCH  VII   1883  S.  4lf.   ii.  1    (Cauer,  Del.  2  388.  um2oo? 
Fick,   SGDI  1453).     Schenkungsurkunde:   'A[x6vav8pog  (2)  Ma^äscog  za 
(3)  TioXi  iocvxs  £-{4)v  raw  7iu?mv  x-{5)ac  iv  rä  T£c^-{ß)r]   dpyupcoü  T-(1)d- 
lavra   8ixa.   —   Der  freigebige   Stifter   ist  vielleicht  identisch  mit  dem 
Athamanenfürsten    gleichen    Namens ,    welcher    um    200    v.   Chr.    lebte. 

KMPe 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  43  n.  2.  (Fick,  SGDI  1454.)  Kloster  der 
Hagia  Triada:  Me^cra,  Jajiofpsc'orjg.  Variante  zu  der  Parnassos  1878 
S.  483  mitgeteilten  Grabschrift:  MeXizata  do.jiü(fEtori  (Röhl  I,  120). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  44  n.  3.  —  Ebd.  Grabstele:  Z\zp6.zmno\q 
I  Ntxovcdoo. 

Ka'itsa  (antiker  Stadtname  unbekannt,  nach  den  Dorfbewohnern 
=  Aglae;  K.  =  »petit  village  du  mont  Othrys,  ä  l'ouest  du  lac  Nez6ro, 
ä  4  heures  de  Domoko«  =  Thaumaci).  —  Monceaux,  BCH  VII  1883' 
S.  50  n.  6.  Grabstele  am  Dorfbrunnen.  Über  zwei  Basreliefs:  Euzu^og 
zöv  ulüv  Euzu^ov  (2)  izapap-uB^iaq  (3)  evbxev  rjpoja. 

Thaumaci. 

Monceaux,  BCH  VU  1883  S.  44f.  n.  4.  (Fick,  SGDI  1459).  ivo-ue 
Proxeniedekret  auf  'AMc]cn7Tog  xal  ' Inr.oXo^og  ol  ^InnoXo/ot)  AapcaaaTot, 
in  einheimischem  Dialekt,  aus  dem  Jahre  des  thessalischen  Strategen 
Alexippos  (aufser  demselben  werden  drei  Archonten  und  ein  Schatz- 
meister genannt),  welch  letzterer  wahrscheinlich  identisch  ist  mit  dem 
einen  der  beiden  Geehrten.  Nach  der  uns  erhaltenen  Liste  thessalischer 
Strategen  für  die  Jahre  195—179  v.  Chr.  (Müller,  fragm.  bist.  gr.  III 
p,  704)  bekleidete  der  Vater  Hippolochos  diese  Würde  i.  J.  181  v.  Chr., 
nach  einem  Amphiktyonendekret  BCH  VU  S.  427 ff.  die  eines  Hiero- 
mnemon  der  Thessaler  178/177  v.  Chr.  Fick  möchte  die  Inschrift  um  160 
setzen.     AKTKP). 

Lolling,  MDAI  VHI  1883  S.  128.  Am  Fufs  der  Festungsmauer  August. 
des  türkischen  Kastells  von  Domoko  kopfüber  eingemauert.  14 zeiliges  ^''"' 
Proxeniedekret  von  Thaumaci  zu  Ehren  des  Gyrtoniers  'Avopöai^dvrjg 
[0spc]a[z]ayevoug,  von  welchem  bei  Lebas,  Thessalie  1181  etwa  die  Hälfte 
publiziert  ist.  Aus  der  Zeit  des  Augustus,  wie  ein  Vergleich  mit  Ussing  n.  4 
lehrt,  einer  Freilassungsurkunde  von  Pherae,  aus  der  Lolling  den  Vaters- 
namen des  A.  ergänzt  hat;  vermutlich  in  dem  Jahre  nach  seiner  Stra- 
tegie abgefafst. 

Derselbe,    a.  a.  0.  8.  192.     Neue  berichtigte  Kopie  des  BCH  1 283 
VH  1883  S.  48f.  n.  5  in  ungenügender  Abschrift  von  Monceaux  mitge- 
teilten, bei  der  Metropolis   von  Domoko  aufbewahrten  Meilensteines  in 


504  Griechische  Epigraphik. 

Säulenform.  Ehreninschrift  auf  die  Imperatoren  M.  Aurelius  Carus  und 
M.  Aurelius  Carinus  und  den  Cäsar  M.  Aurelius  Numerianus.  »Die  In- 
schrift fällt  in  die  erste  Hälfte  des  Jahres  283  n.  Chr.  Numerianus  führt 
noch  nicht  den  Imperatorentitel,  wie  sein  Bruder  Carinus,  der  mit  dieser 
Würde  und  der  Macht  eines  Augustus  ausgestattet  wurde,  als  Carus  mit 
dem  jüngeren  Sohne  in  den  Orient  zog.«  —  Die  Inschrift  auf  der  Rück- 
seite ist  vielleicht  älter,  aber  zu  stark  verletzt,  um  einen  zusammenhän- 
genden Sinn  zu  geben. 

Pharsalus. 

IGA325  Lolling,  MDAI  VII  1882  S.  226.    (Röhl,  IGA  325).    Archaische 

Inschrift  im  Dorfe  Chadschi-Amar,  iV*  Stunden  westlich  von  Pharsalus, 
über  der  Westthür  der  Kapelle  des  Hagios  Georgios  als  Oberschwelle 
kopfüber  eingemauert,  a-ot/r^Sov.  L.  liest:  üä/xa  t]68'  ä  fxdrep  Acox^iac 
iaaraa'  'E^evat^,  \  yo'\u)aa  üt'  dvopog  (=  dviüpatg)  oXsto  uv  dya&og.  | 
Uoc,  Jco]xX£a,  rsog  ddelcpsoq  £(T(TTay£^o[cßdv?  |  nag  8k  xa]TotxTipag  ävopa 
dyadbv  napiTo.  Vgl.  Röhl  I,  121.  —  v.  Wilamowitz-MöUendorff, 
Ind.  schob  Gott.  Winter  1885/86  p.  13  liest  u.  a.  Z.  3:  Eaaxa  [Trjjy^öi 
(=  att.  ~r^loo). 

Monceaux,  BCH  VII  1883  S.  51  n.  7.  Im  Garten  einer  Moschee. 
Basisinschrift:  '^0'\pT^pov  0apaaXiu)v  \  tj  noXig.  In  dem  gefeierten  National- 
dichter ehrte  die  Stadt  sich  selbst,  denn  nach  Eustathius  (ad  IL  I,  155) 
ist  Pharsalus  identisch  mit  Phthia,  der  Heimat  des  Achilleus. 

Berl.  philol.  Wochenschr.  1887  n.  29  Sp.  900:  »In  Pharsalus  hat 
Herr  Tousser,  Mitglied  der  ficole  frauQaise  in  Athen,  ein  schönes  Bas- 
relief mit  fünf  Köpfen  und  der  Inschrift:   —  re'a  lüpijxa'/og 0pa- 

aodaiog  dviBrjxev  gefunden.  Obschon  stark  verletzt,  zeugt  es  von  treff- 
licher Arbeit  und  Ausbildung« 

Metropolis   (Hestiaeotis). 

Monceaux,  BCH  VII  1883  S.  52  n.  8.  Ohne  näheren  Fundort. 
11  zeiliges  Fragment  einer  Liste  von  Freigelassenen,  wichtig  für  die  Be- 
stimmung der  Reihenfolge  der  Monate.  Durch  Kombination  der  in  unsrer 
Inschrift  gebotenen  Anhaltspunkte  mit  den  in  der  Inschr.  von  Halus  bei 
Heuzey,  Mission  de  Macedoine  S.  431  und  von  Larisa  bei  Duchesne  et 
Bayet,  Mission  au  mont  Athos  n.  163  gegebenen  bestimmt  der  Herausg. 
die  Reihenfolge  der  thessalischen  Monate  in  folgender  Weise:  I.  Halb- 
jahr: 1.  'Aopöpiog^  2.  Eoiüvcog.  3.  fJüHuiog,  4.  Ayvacog,  5.  oder  6.  levs- 
Tcog,  6.  oder  5.  MeyaMprtog.  II.  Halbjahr:  7.  Aea^aväptog,  8.  "A<ppiog, 
9.  Qöog^  10.  ^Ep[xalog^  11.  'Iru/vcog,  12.  Os/x/anog.  —  13.  (Schaltmonat  in 
jedem  8.  Jahre)  'OpoXiutog.  Vgl.  die  Monatsliste  S.  502.  —  Da  nach  der 
delphischen  Inschrift  bei  Wescher  und  Foucart,  Inscr.  de  Delphes  n.  55 
der  thessalische  düog  dem  delphischen  'Ev8oanocTp6mog  und  somit  dem 
attischen  Mouvu^iwv  zu  entsprechen  scheint,   so  hätte   das  thessalische 


VIc.  Thessalia:  Thaumaci.  Pharsalus.  Metropolis  etc.  505 

Jahr  einen  Monat  vor  dem  attischen  begonnen,  und  der  erste  thessalische 
Monat,  ]iSp6/jL(oc,  würde  etwa  unserm  Juni  entsprechen. 

Lolling,  MD  AI  VIII  1883  S.  210.  An  der  Ecke  eines  Privat- 
hauses (Evangelis  Kukutzil)  in  Paläokastro  eingemauertes,  9  zeiliges  Frag- 
ment einer  Freilassungsui'kunde,  vielleicht  zu  der  vorstehenden  Inschrift, 
jedenfalls  aber  zu  derselben  Epoche  gehörig. 

Mordtmann,  h'E0I  XV  1884  S.  4  giebt  berichtigte  Lesungen 
zu  der  Freilassungsurkunde  Leake,  Travels  in  North.  Greece  n.  7. 

'O!louu  KapaXäp  (Eparchie  Karditsa). 

Kirchhoff,  Hermes  XX  1885  S.  158  (Prellwitz,  De  dial.  Thessa-  um  4oo 
lica.    Gott.  1885  p.  4  n.  XI)  teilt  nach  zwei  Abschriften  und  einem  Ab- 
klatsch des  Prof.  Phintiklis   in  Athen   »eine  altthessalische  Grabschrift« 
(nicht  viel  jünger,  als  400  v.  Chr.)  mit,  die  auf  zwei  an  einander  stofsen- 
den  Seitenflächen  einer  Basis  eingehauen  ist: 

a)  Mväjx^  ijü  nafj(p)c-      ß)  döa,   ^og  obx  i[~0- 

aza-o  (pa'jyev^  d  —  ^(^)'  aoHe  nep  yäg 

zäade  rroM  ^)ov  d  —  pcars'jov  i&ave. 

Beabsichtigt  ist  ein  Distichon;  doch  ist  der  Pentameter  völlig  aus  den 
Fugen  gegangen.  Schwierigkeit  für  die  Erklärung  bietet  auBe  ß)  Z.  2. 
Vgl.  Usener,  Altgriech.  Versbau  S  32 f.  86. 

T  r  i  c  c  a. 

Monceaux,  BGH  VII  1883  S.  57f.  n.  9.  Mordtmann,  KE02 
XV  1884  S.  3.  Jetzt  im  Gymnasium;  ehemals  in  der  Phaneromenikirche 
eingemauert.  Entdeckt  von  Ussing,  Griech.  Reisen  und  Studien  S.  67, 
doch  nicht  kopiert.  Jetzt  in  schlechter  Verfassung.  21  zeiliges,  rings 
verstümmeltes  Bruchstück  der  Entscheidung  eines  nach  der  Inschrift  von 
Daulis  CIG  1732  vorauszusetzenden,  von  dem  römischen  Prokonsul  er- 
nannten Schiedsrichters  hinsichtlich  einiger  zwischen  dem  Privaten  Aga- 
thomenes  und  der  durch  iyoixoi.  vertretenen  Stadt  Tpcxa  (so  zweimal  mit 
nur  einem  K,  entgegen  dem  Brauch  der  Münzen  und  Handschr.)  strei- 
tigen Ländereien. 

Die  von  Ussing  a.  a.  0.  erwähnte,  jedoch  gleichfalls  nicht  abge- 
schriebene lange  Inschrift  in  der  Kapelle  des  Hagios  Demetrios  ist  jetzt 
nicht  mehr  lesbar,  da  der  Stein  y^pr^mixeözi  dnu  r.oXXou  scg  rpcßrjv  nX'jvo- 
jievwv  TTpay/iazcov.  —  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  4. 

Mordtmann,  a.a.  0.  S.  4.  Lolling,  MDAI  XII  1887  S.  358  n.  146 
(ungenau  Damirales,  Parnassos  VI  1882  S.  344.  861;  vgl.  Röhl  1,  121). 
An  der  Aufsenseite  der  Kirche  rrjg  'Ayto-g  'Kztaxdif'scug  eingemauert;  jetzt 
im  Gymnasium.  Unter  der  kunstlosen  Darstellung  eines  Jünglings  zu 
Pferde;  8 zeilige,  unten  verstümmelte  Grabschrift  eines  Bräutigams,  nicht 
ganz  1V2  Distichen  erhalten:  IJpug  yd/j-ov  ip-['I)^tJne)^oy  xac  £y-(3)<rr£- 
(fävoig  b}j.e-{\)vatoig  (so)  |  r^pno-os  Nei-{b)xtddrjv  (Mordtm.;  Lolling:  Metx-) 
6  <pdove-{(o)pbg  d^dvarog  xrX. 


506  Griechische  Epigraphik. 

Monceaux,  a.  a.  0.  S.  59f.  n.  10  giebt  folgende  Verbesserungen 
zu  dem  Doppelepigramm  Lebas  II,  1201  (Kaibel,  Epigr.  Gr.  506):  A)  Z.  2 
wird  die  von  Kaibel  gegebene  Verbesserung  des  Lebasschen  azfjamxov  in 
dTpamröv  durch  den  Stein  bestätigt.  Z.  3  fehlt  bei  Lebas  zwischen 
^euaaeig  raid'  das  Wort  $sv£.  —  B)  Z.  1:  urujv  xat  statt  rwvia.  Z.  2 
statt  der  Lücke:  aeuv  scm  nfxmoXov.  Z.  3  am  Ende  ^ev  statt  ^e.  Z.  5 
xa^apäv  statt  xa^ayav.     Z.  8  7:'\pa)Tog  statt  (piuruQ. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  Die  gleichfalls  metrische  Inschrift  CIG  1778 
(Leake  l7l.  Lebas  1202.  Kaibel  507),  die  sich  »ii^  -crj  äp^aca  Maet  -fj 
npug  r^v  Se^täv  o^Br^v  zou  TptxxaXrjVOu  xetpewjv  elg  zrjv  TMpä  ztvt  ya- 
(pöpq.  ■mfj-jrjva  befindet,  steht  zur  Hälfte  im  Wasser,  so  dafs  eine  neue  Ab- 
schrift unmöglich. 

Monceaux,  a.  a.  0.  S.  60  n.  11.  Grabstele  in  einer  Strafse  öst- 
lich vom  Bazar:  'hrMiipag. 

Lolling,  MDAI  VIII  1883  S.  120  n.  33.  Parnasses  VII  1883 
S.  88  (Fick,  SGDI  1281).  Türkischer  Friedhof  am  Rande  von  Trik- 
kala  am  Wege  nach  Larisa.     Grabstele:  MivmTzog  \  UszBdXstog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  37.  (Fick,  SGDI  1282.)  Ebd.  Grabstele: 
EevoXaog  Esvoövscog. 

Derselbe,  MDAI  XII  1887  S.  358  n.  145  (Duchesne  et  Bayet, 
Mission  au  mont  Athos  n.  192;  Damirales,  Parnassos  VI  1882  S.  862 
=  Röhl  I,  121).  Ebd.   Grabschrift  des  Eutychos  auf  seine  Gattin  Hed[eia. 

Derselbe,  a.  a  0.  S.  359  n.  147.  Berichtigungen  zu  Leake,  Tra- 
vels in  North.  Greece  IV  n.  l7l ;  zuletzt  Damirales,  a.  a.  0.  Z.  1  Schlufs: 
voücrouv.    Z.  3  Schlufs:  Fuivaa. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  4.  Die  Inschrift  bei  Heuzey,  Mission  en 
Macedoine  n.  229  befindet  sich  nicht  in  Kalampaka,  sondern  —  wie  auch 
Ussing,  Reisen  S.  67  und  Bayet-Duchesne,  Mission  au  mont  Athos  n.  193 
angeben  —  in  Trikkala. 

G  0  m  p  h  i. 

Lolling,  MDAI  XII 1887  S.  361  n.  150  (Heuzey,  Macedoine  n.  224). 
An  einem  Brunnen  im  Dorfe  Gelanthi.  Sarkophaginschrift  des  Nikasippos, 
S.  des  Xenarchos,  auf  seine  Tochter  Eleia  (=  Ailia?). 

Dittenberger,  Epigraphische  Miscellen,  in  den  »Histor.  undphilol. 
Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl.  1884 
S.  290.  In  dem  Epigramm  bei  Heuzey,  Mission  archeol.  S.  439  n.  225 
aus  der  Kirche  des  Dorfes  Mavromati  unweit  des  alten  Gomphoi  ist  V.  1 
zu  lesen:  'J  TidvTUJV  xpiaaiuv  'Aperä  fiezä  rcaiSa  &de<Txov  — .  »Befrem- 
den könnte  auf  den  ersten  Blick  die  Anschauung,  wonach  die  'Apezä  den 
Knaben  einzuholen  strebt,  während  uns  das  Umgekehrte,  die  Vorstellung 
von  einem  Lauf  des  Menschen,  dessen  Ziel  die  Tugend  ist,  ganz  natür- 
lich erscheint.    Indefs  der  Pentameter  motiviert  jene  Auffassung  in  durch- 


VIc.  Thessalia:  Tricca.  Gomphi.  Phaloria.  Aeginium  etc.  507 

aus  angemessener  Weise :  Da  der  Knabe  (durch  Abstammung  und  natür- 
liche Begabung)  würdig  schien,  in  die  Zahl  der  Verehrer  der  'Apezä  ein- 
zutreten, so  strebte  die  Göttin  danach,  ihn  für  sich  zu  gewinnen,  und 
es  wäre  ihr  auch  gelungen,  wenn  nicht  sein  allzu  früher  Tod  ihre  Be- 
mühungen vereitelt  hätte« 

Phaloria. 

Lolling,  MDAI  XII  1887  S.  360  n.  149.  Umfassungsmauer  des 
Hag.  Nikolaos  von  Megarchi,  am  Fufse  des  Skumbos  gefunden.  Grab- 
platte mit  roher  Reliefdarstellung  von  fünf  Personen:  Philotes  und  Ni- 
karchos,  SS.  des  Kleonymos,  Harraodika,  T.  des  Protogenes,  Kleonyraos, 
S.  des  Philotes,  Har[modika?,  T.  des  Hy  - -. 

Aeginium  (Kalampaka). 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  4  Die  Inschriften  Leake  n.  6 — 8  finden 
sich  an  der  Quelle  neben  der  Kapelle  des  Hag.  Johannes  Prodronios.  n.  8 
möchte  M.  lesen:  ArjjioxfjäT{a  rj\  xk  [l^yaaiQ  Hp£(pa-\vTa]  a'j[Trj]g  /xvecag 
X^p^v.  Nach  Lolling,  MDAI  XII  1887  S.  359  n.  148  (Lebas  1209)  ist 
die  Inschrift  an  der  Frontseite  der  Prodromoskirche  eingemauert.  Unter 
einem  Reiterrelief  die  undeutlich  erhaltenen  Worte:  Arjiiuxpaz . .  t  xk  üij- 
yaaig  ot .  £[u]a  (2) .  [^]y<T£i .  .  pvscag  X'^P^^- 

Zwischen  Vlocho  (Piresiae)  und  Kurtiki  (Limnaeum). 

Lolling,  MDAI  VHI  1883  S.  118  n.  24  (Fick,  SGDI  1278). 
Neben  dem  ye^üpi  zoD  npayixaTeo-crj.  Grabstein:  ßecpcwv  oder  Secpcuv. 
Das  zweite  I  ist  zweifelhaft. 

P  hayttus. 

Lolling,  MDAI  VIII  1883  S  113  n.  1  (Fick,  SGDI  1279).  An 
der  Kirche  des  Klosters  Hag.  Johannes  Theologos  bei  Zarkos  (dem  alten 
Phayttos)  eingemauerte  Grabschrift:  'Aßoprddag. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  118  n.  26  (Fick,  SGDI  1280).  In  Zarkos 
(Haus  des  Epistaten)  ungefähr  V4  Stunde  südl.  vom  Orte  bei  der  alten 
Ruinenstelle,  welche  nach  dem  Kapellchen  des  Hag.  Johannes  Kutzoke- 
phalos  benannt  wird.  Grabschrift:  77rTO<Tr^ar[og-  \' hT:oxAEn.t[()g.  Identisch 
mit  Monceaux,  a.  a.  0.  S.  60  n.  12.  Zarko,  gefunden  »dans  la  plaine 
voisine«.  Basisinschrift  zu  einer  Statue  aus  römischer  Zeit:  ^limoarpa- 
t[oc  I  '^l7:7:ox?>£!'3[ofj. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  126.  In  der  Nordostecke  der  Kapelle  des 
Hag.  Nikolaos  umgekehrt  eingemauert.  27  zeiliges  Fragment  eines  Proxenie- 
dekretes  auf  einen  [Gyrjtonier,  dessen  Name  nicht  erhalten  ist.  In  Z.  28 
— 33  schliefsen  sich  Überreste  einer  Freilassungsurkunde  aus  jüngerer 
Zeit  an. 


508  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  127.  An  der  inneren  Westseite  der  nie- 
deren Ummauerung  des  Vorbaiis  derselben  Kapelle  eingemauert.  15  zeiliges 
Fragment  eines  Dekrets,  in  welchem  es  sich  um  die  Aufzeichnung  eines 
Schiedsrichterspruches  handelte.  Der  Dialekt  stimmt  mit  dem  der  Proxenie- 
dekrete  von  Lamia  überein. 

Derselbe,  MDAI  XII  1887  S.  357  n.  140.  Epistasie  von  Zarkos, 
unweit  Hag.  Nikolaos  (Kutzokephalos).  Grabstein:  'Ax]a<T~6^aov  0s:pa- 
fievecov,  (2)  'ETijcxpdTav  Oscpiaxeiav. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  141.  Kloster  des  Hag.  Johannes  Theologos, 
ca.  Va  St.  von  Zarkos.     Grabstele  des  KJallipolis. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  358  n.  142  Ruinen  der  Kapelle  des  Hag. 
Johannes  (Kutzokephalos  genannt),  V*  St.  südl.  von  Zarkos.  Grabstein 
der  Kleotima  — 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  143.  144.  Kapelle  des  Hag.  Taxiarchis 
gegenüber  Zarkos  südl.  vom  Peneios,  nach  Atrax  oder  Phayttos  gehörig? 
Rohe  Grabsteine  der  Malthaka  und  der  Sophrona. 

Scotussa. 

Lolling,  MDAI  XI  1886  S.  52  n.  24.  Dorf  Arnautli.  Kirche  des 
Hag.  Nikolaos.  Grabschrift:  ' l7n{\oxpdry]  (vollständig)  (2)  'ApxeatXdoo, 
(3)  rjpu)g^  X^^P^' 

P  h  e  r  a  e. 

Lolling,  MDAI  VII  1882  S.  234.  (Prellwitz,  De  dial.  Thess. 
Gott.  1885  p.  2  n.  I).  Friedhof  im  SW.  von  Velestino  (Pherae).  3 zei- 
lige metrische  Grabschrift.  Ursprünglich  wohl  nur  2 zeilig:  'Aarayöpai 
Tiarpl  Yn'\aYa-{2)aLxXiag  er.id^etxsv.  Das  folgende:  dn .  .  .  {S)£8£cxav  p-vap.- 
pzLov  ist  gewifs  alt,  aber  doch  nachträglicher  Zusatz. 

Derselbe,  MDAI  VIII  1883  S.  113f.  n.  3  (Fick,  SGDI  1283). 
Grabschrift  desselben  Fundorts:  AlaxuXig  riapp£vi[uj\iog  y'\<j\'[^ ,  X]^\^P^^' 
Nach  Fick:  —  IIappcVi[ouv£ca  y]üv[d. 

Monceaux,  BCH  VII  1883  S.  60  n.  14.  Votivinschrift:  KaUc- 
xhca  (2)   [Inppzvtaxou  (3)  'Evodcac  (=  Hekate)  eh^apivrj. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  61  n.  15.  Grabschrift,  Distichon.  Nach 
Dittenberger,  Epigraphische  Miscellen,  in  den  »Histor.  und  philol.  Auf- 
sätzen, E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl.  1884 
S.  301:  Hwi^ojv  p.kv  mariv ^  ripüjv  8k  dp^STrjv^  (2)  d-dveg  cu8e  \  xdX'  la- 
cra[y6pd],  narpcSog  ix  Teyiag.  —  »Der  Herausg.  schreibt  haXca  la-- 
(sehr  nahe  läge  lrj.[TÖpou])^  aber  das  einfache  Lambda  in  der  Inschrift, 
die  durchaus  nicht  archaisch  ist,  sondern  etwa  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr. 
stammt,  wäre  auffallend.  Dagegen  kommt  der  Name  la.aayöpag  aufser- 
dem  in  der  larisäischen  Urkunde  MDAI  VII,  229  (s.  S.  512  u.)  vor,  wo 
Lolling  mit  Unrecht  laayöpoo  liest.« 


Vic.  Thessalia:  Phayttus.  Scotussa.  Pherae.  Demetrias.  509 

Derselbe,  a.  a.  0.  u.  16.    Grabschrift:  'Entxpdza  Uapiioveta. 

Derselbe,  a.  a.  0.  u.  17.  Grabschrift:  fJoXOsuxrog  (2)  xal  Alvzrä 
(3)  Bcpoüvziot.  Ygl.  Bcppuuv^  BcppuuvsLog  bei  Heuzey,  Mission  de  Mace- 
doine  S.  426  Z.  15.   19. 

Derselbe,  MDAI  XI  1886  S.  50  n.  16.    Grabstein  der  Hekat[o?]. 

Demetriasund  Umgegend. 

Lolling,  MDAI  VII  1882  S.  239.  Makrinitza  am  Pelion.  Neben 
der  Mittelthür  an  der  Südseite  der  Panagia  (Hauptkirche)  eingemauert. 
»Da  andre  an  dieser  Kirche  eingemauerte  Inschriften  sicher  aus  dem 
nahen  Demetrias  stammen,  wird  auch  diese  Basis  daher  verschleppt 
sein.«  Ehreninschrift  auf  Pompeius  Magnus:  f  ö  orjpog]  \  rva7'\ov  [ll]op- 
r^ijiov  [/  ]va.'6'['J  uVuv  \  tu  rpc'zuv  auzoxpd\zupa  \  xov  iauvoü  suspyldvi^v.  — 
Vgl.  die  drei  bisher  bekannten  Ehrenbasen  auf  Pompeius:  GIG  II  3608 
von  Neu-Ilion,  CIL  I  615.  616. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  335 ff.  Neue  Publikationen  dreier  von  Me- 
zieres,  Missions  scient.  1853  S.  70 ff.  nach  ungenügenden  Kopieen  heraus- 
gegebener Inschriften  aus  Makrinitza: 

1.  Lolling,  a.  a.  0.  Mezieres  n.  l.  An  der  Südseite  der  Pa- 
nagiakirche  eingemauert.  29  zeiliges  Ehrendekret  der  urMaroXot,  die  nach 
Ansicht  des  Herausg.  die  aus  delischen  Inschriften  bekannten  Melane- 
phoren  vertreten  mochten,  auf  den  Sarapispriester  Kpcrivv  Kpcrcuvog.  — 
Da  sich  auf  demselben  Stein,  der  im  Sarapieion  aufgestellt  werden  sollte, 
auch  eine  zweizeilige  jüngere  Freilassungsurkuude  findet,  so  folgert  der 
Herausg ,  dafs  unter  dem  Schutze  dieses  Gottes,  wenigstens  in  späterer 
Zeit,  bei  den  Magneten  die  Freilassungen  vor  sich  gegangen  seien. 

2.  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  338.  Unvollständiger  Mezieres  n.  2. 
Seitwärts  der  Basis  des  Pompeius  (s.  o.)  eingemauert.  8  zeiliger  Schlufs 
eines  Dekrets  zu  Ehren  eines  Mannes,  der  sich,  wie  es  scheint,  um  das 
Sarapieion  verdient  gemacht  hatte. 

3.  Derselbe,  a  a.  0.  S.  339.  Unvollständiger  Mezieres  n.  3. 
Schwer  zugänglich;  hoch  an  der  Rückwand  der  Panagiakirche  rechts  von 
der  Mittelapsis  eingemauert.  18  zeiliges  Dekret  zu  Ehren  dreier  Stra- 
tegen und  dreier  Nomophylakes.  Der  Zahl  der  Geehrten  entsprechend 
sind  unter  dem  ersten  Teile  der  Inschrift  (zwischen  Z.  5  und  6)  6  Oliven- 
kränze in  zwei  Reihen  dargestellt. 

Auf  den  drei  vorstehend  erwähnten,  sowie  den  beiden  von  Lolling, 
MDAI  VU  S.  71—74  und  75  (Röhl  I,  122 f.)  mitgeteilten,  ungefähr  gleich- 
zeitigen Inschriften  beruht  im  wesentlichen  unsere  Kunde  von  der  Or- 
ganisation des  Magnetenbundes  in  der  Zeit  zwischen  Mummius  und 
Augustus  (hiernach  ist  die  auf  S.  74  von  dem  Herausg.  gegebene  Zeit- 
bestimmung zu  modifizieren),  welch  letzterer  die  Bewohner  des  Pelion 
nebst   andern   kleinen  Gemeinden  mit  den  Thessalern  verschmolz.     Als 


510  Griechische  Epigraphik. 

Oberhaupt  des  Bundes  figuriert  auf  den  Inschriften  der  von  Livius  35, 
31.  39  erwähnte  Magnetarches ,  hier  als  o  (Tzpan^yog  tü)v  MayvrjTujv^  o 
xotvhg  azpazTjyug,  u  azparrjyug  bezeichnet.  Ihm  beigeordnet  als  auvap^ca 
sind  neun  andre  Strategen.  Das  ganze  Kollegium  wird  als  oi  dexa  azpa- 
zriyoi  bezeichnet.  Ihre  Wahl  erfolgt,  wie  die  der  übrigen  höheren  Be- 
hörden, alljährlich.  Den  Strategen  beigeordnet  sind  (zehn?)  Nomophy- 
lakes.  Als  Finanzbehörde  erscheinen  die  zapiac\  aufserdera  wird  ein 
ypapjxazeüg,  wohl  der  Generalsekretär  des  Bundes,  erwähnt.  Als  oberste 
religiöse  Behörde  des  Bundes  scheint  der  oft  erwähnte  Priester  des  Zeus 
Akraios  fungiert  zu  haben.  Sämtliche  Bundesbehörden  werden  als  ot 
xocvoc  äp^ovzeg  zusanimengefafst.  Einen  engeren  Rat  scheinen  die  <t''jvs- 
dpoi  gebildet  zu  haben,  dem  in  den  einzelnen  Städten  die  npuzävstg 
einigermafsen  entsprechen.  Das  allgemeine  Magnetura  concilium  wird 
als  ixxXr]aia  bezeichnet. 

Derselbe,  MDAI  XI  1886  S.  50  n.  17.  Makrinitza,  an  der 
Panagiakirche  eingemauert;  wahrscheinlich  aus  Dem  et  rias.  Schlufs  der 
Strafandrohung  einer  Grabschrift. 

Derselbe,  MDAI  VII  1882  S.  234.  Volo.  An  der  Aufsenseite 
des  Kastro,  im  zweiten  Turm  der  Westseite.  8 zeilige,  sehr  fragmen- 
tierte metrische  Inschrift. 

Derselbe,  MDAI  VIII  1883  S.  121  n.  39  (Fick,  SGDI  1285). 
Östlich  von  Volo  am  Fufs  des  Pelion;  über  der  Thür  der  Hagia  Pa- 
raskevi  am  Nordende  der  Baksedes  (Gärten).  Am  wahrscheinlichsten 
Demetrias  (oder  dem  späteren  Jolkos?)  zuzuweisen.  Grabstele:  Kpivuj 
(2)  'Opzä  (3)  yovTj.     Fick:  "Opza. 

In  Volo  befinden  sich  aufserdem  die  unten  folgenden  Grabinschrif- 
ten aus  Pagasae.  Ebenso  findet  sich  hier  —  und  nicht  in  Thessa- 
lonich —  die  metrische  Inschrift  Kaibel  519.  —  Mordtmann,  KE02 
XV  1884  S.  8. 

Pagasae. 

Lolling,  MDAI  XI  1886  S.  47 f.  Marmorne  Grabplatten  an  einem 
Brunnen  unterhalb  des  Dorfes  Volo;  am  wahrscheinlichsten  aus  Pa- 
gasae. Die  Verstorbenen  sind:  S.  47  n.  1:  Alexandres,  S.  des  Dio- 
doros,  aus  Eleutherna;  n.  2:  Xenodamos,  S.  des  Hippomachos,  und  Hippo- 
machos,  S.  des  Xenodamos ;  S.  48  n.  3 :  Polytimos,  Hygiamenes,  Gnathios, 
SS.  des  Aristomachos ,  Kpyjzeg  Tuliaioi\  n.  4:  Sosigenes,  S.  des  Chari- 
demos;  n.  5:  Philaristos,  S.  des  Alkis,  KpriQ  Tuk'mog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  49f.  (vgl.  Heuzey  189—197,  Perrot,  Revue 
arch.  N.  S.  XXXI,  288 ff.).  Grabsteine  an  der  Nikolaoskirche  zu  Volo; 
sicher  aus  Pagasae.  Die  Verstorbenen  sind:  S.  49  n.  6:  Antis  und  Alkis, 
SS.  des  Philaristos,  Kpr^zeg  ToXcmoi\  n.  7  (Perrot  10;  Mordtmann, 
KE0I  XV  1884  S.  8  n.  3):   ApoUonia,  Gattin  des  Archimenes;  n.  8: 


VIc.  Thessalia:  Demetrias.  Pagasae.  Meliboea.  Larisa.  511 

Aristophanes  aus  Kalymna;  n.  9:  Glauka,  T.  des  A]lexandros,  aus  He]ra- 
kleia;  n.  10:  Demetrios,  S.  des  Antipatros,  ein  Phönizier,  und  sein  Weib 
Aristonike;  n.  11  (Perrot  9,  Mordtmann,  a.  a-  0.  n.  2;  vgl.  Druckfehler- 
verzeichnis): Eisarche,  T.  des  Bakchios,  und  Myntilos,  S.  des  Mnasar- 
chos,  S.  50  n.  12  (Mordtmann,  n.  4):  Kleopatra,  T.  des  Stesimenes, 
aus  Pella;  n.  13:  Krateso,  T.  des  Kleobulos,  Frau  des  Skopas;  n.  14 
(Mordtmann,  n.  1):  Onasicha,  T.  des  Äischines;  n.  15  (Mordtmann, 
n.  2):  Sosikleia,  T.  des  Aristokles,  aus  Epidauros.  —  Dazu  Mordt- 
mann, a.  a.  0.  n  5:  Diphilos,  S.  des  Zenomingos,  ein  Bithynier  (vgl. 
Heuzey  und  Perrot);  n.  6:  Androkades  (so  nach  dem  Druckfehlerver- 
zeichnis), S.  des  Chaironides,  K/jTjg  AuT-tog  (bei  Perrot  und  Heuzey). 

Derselbe,  MDAI  XII  1887  S.  363  n.  161.  Beim  Brunnen  von 
Haliki  neben  Pagasä.  Grabstein  der  Malio,  T.  des  Kteson.  —  S.  364 
n.  162.  163.  Grabstein  der  Philista,  T.  des  Philon  —  sowie  der  Para- 
mona  und  des  Epigonos.  Kinder  des  Hekataios,  des  Gavius  {fducog),  S. 
des  Epigonos,  und  der  Sokrateia,  T.  des  Diphilos. 

Derselbe,  MDAI  VIII  1883  S.  115  n.  9  (Fick,  SGDI  1284). 
Grabschrift  an  der  Rückseite  der  Kapelle  der  Metamorphosis  unter  der 
Spitze  des  Episkopihügels,  der  Burg  von  Jolkos:  'A(rx]a(so)^amd8[ag 
(2)  'Av]Tcxpdrsi[os.  —  Zu  ersterem  Namen  vgl.  die  S.  523  folgende  In- 
schrift von  Phalanna,  a.  a.  0.  S.  HO. 

Meliboea  (?). 

Lolling,  MDAI  XI  1886  S.  52  n.  21.  Agiä.  Unter  einem  flüchtig 
gearbeiteten  Reiterrelief:  rdc{o)[g]  (Dihi-ov  zhv  (2)  7:£vd^[s\p6v'  rjpwg 
Xpr^<r-(?,)ze,  yaipe. 

Larisa. 

Lolling,  MDAI  XI  1886  S.  450  n.  1.  (Roberts  S.  380  n.  242*1).  Ar- 
Larisa.  Sammlung  beim  Didaskaleion.  Im  Peneios  gefundene  archaische 
Weihinschrift  (Distichon) :'J/^^£/a:  /x'  dviBrjxe'.  Imkp  Tzatohg  (2)  ru8'  äyaXua: 
£u$aTo  S'  ''A'frj-zuyp  (3)  facrrexäi  :  e{l)vo8cdi.  —  E,  O  =  Jy,  «w;  C  =  J^, 
+  =  f .  faazcxd  (vermutlich  nach  dem  aus  Steph.  Byz.  u.  a.  bekannten 
thrakischen  Volksstamme  'Acrzal  benannt)  =  'Exdzrj? 

Zu  der  grofsen  Inschrift  Fick,  SGDI  345  vgl.  aufser  den  Litte- 
raturangaben  bei  Röhl  I,  123:  Meister,  SGDI  Bd.  I  Heft  4  S.  386. 
Fick,  Bezzenb.  Beitr.  VII  1883  S.  277ff.  Cohn,  Hermes  XVII  1882 
S.  645.  Robert,  Hermes  XVIII  S.  318.  Prellwitz,  De  dial.  Thess. 
Gott.  1885  p.  4:  Z.  38  ist  die  Vulgärform  /ihrnv  (=  /xivroc),  Z.  79/80 
mit  Cauer  die  Lesart  der  LoUingschen  Abschrift  Iloij}.odd/iag  (Umschrift: 
floh-)  beizubehalten,  p.  4/5:  Z.  89  ist  entweder  mit  Cauer  Aazoxld- 
[daiog  oder  A(T~oxX£i[og  zu  ergänzen.  Zum  Inhalt  vgl.  Dittenberger, 
Ind.  schol.  Hai.    Winter  1885/86  p.  IV  sqq. 


512  Griechische  Epigraphik. 

Prellwitz,  a.  a.  0.  p.  5.  —  SGDI  346  ist  auf  grund  von  1321. 
1322  üoTei8o\jj]y!.  zu  lesen. 

Durrbach,  BCH  X  1880  S.  431—451.  Von  den  türkischen  Fried- 
höfen; jetzt  in  der  Astynomie  von  Larisa.  —  S.  431 — 435  n.  1.  Inschrift 
einer  Stele,  teilweise  unleserlich,  doch  für  die  Verfassung  des  thessali- 
schen  Bundes  von  Wichtigkeit.  Das  Präskript  mit  den  Namen  des  thessa- 
lischen  Strategen,  eines  Hipparchen  und  eines  Schreibers  {ypajiiia-soov- 
Tog  Twv  <7u^£o^[a»^),  berichtet  von  der  Veranlassung  des  Dekretes:  die 
Thessaler  hatten  sich  an  die  Stadt  Mylasa  mit  der  Bitte  um  Schieds- 
richter gewandt,  und  die  Stadt  hatte  dieser  Bitte  entsprochen.  Zum 
Dank  dafür  beschliefst  der  Bund  eine  Belobigung  der  Mylasäer  und  ver- 
leiht den  Schiedsrichtern  Privilegien,  dem  Schreiber  eine  Belobigung. 
Es  folgt  ein  Verzeichnis  der  den  Friedensstiftern  verliehenen  Vorrechte. 
Das  Dekret  soll  in  Stein  gehauen  und  im  Tempel  des  Zeus  Eleutherios 
zu  Larisa  aufgestellt  werden. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  437  ff.  n.  3.  Fragment  einer  agonistischen  In- 
schrift. Datum:  'Apia^raydvou;  ruh  'A>ofJo-{2)(THsw]rjg  rou  zayvjuvzüQ  (3) 
xrjv  7:p]oj~rj[v  ^io]pav  iv  azpa-(^)-:ri\Y(h  KfjYX\Xa.  Z.  1 — 25  sind  unediert; 
von  Z.  26  an  stimmen  fast  alle  Buchstaben  mit  dem  Fragment  Ussing, 
Inscr.  Gr.  ined.  n.  13  (wiederholt  Lebas  n.  1234)  überein,  so  dafs  letz- 
teres ohne  Zweifel  den  Schlufs  der  jetzt  unleserlichen  Inschrift  bildet.  — 
Derselbe  Stratege  figuriert  in  der  Freilassungsurkunde  von  Gonnus  Lol- 
ling,  MDAl  IX  1884  S.  299  n.  2  (s.  S.  524). 

Derselbe,  a  a.  0.  S.  447 f.  n.  6.  Fragment  einer  Freilassungs- 
urkunde, datiert  nach  dem  Schatzmeister  (dessen  Name  nicht  erhalten 
ist)  und  dem  Strategen  Pherekrates..  Die  Liste  der  Freigelassenen,  die 
der  Stadt  15  Stateren  entrichten  mufsten,  ist  eingeteilt  nach  den  Mo- 
naten Panemos  und  Themistios. 

Die  meisten  der  folgenden,  von  Lolling  im  Sommer  1881  kopierten 
Inschriften  befinden  sich  jetzt  in  einer  von  den  Behörden  der  Stadt  ein- 
gerichteten Sammlung  im  offenen  Hofraum  neben  dem  grofsen,  im  Früh- 
jahr 1883  noch  im  Bau  begriffenen,  zum  .Gymnasion  oder  Didaskaleion 
bestimmten  Gebäude  in  der  Nähe  der  Hauptkaserne.  —  Lolling,  MDAI 
YIII  1883  S.   101. 

Lolling,  MDAI  VII  1882  S.  226ff.  36zei]ige  Freilassungsurkunde 
vom  Friedhofe  südlich  von  Larisa.  [Auf  der  Rückseite  eine  metrische 
christliche  Inschrift  (s.  unter  XL  »Tituli  christiani«)]. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  229 f.  Im  Peneios  gefundene,  jetzt  im  Hofe 
des  Gouvernementsgebäudes  befindliche  33  zeilige  Freilassungsurkunde. 
Mit  Ditten berger.  Epigraphische  Miscellen,  in  den  »Histor.  und  philol. 
Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  7ü.  Geburtstage  gewidmet«  S.  301  ist 
Z.  32/33  ' l[a\-\aaY6pou  herzustellen.  —  Vgl.  die  Herstellung  desselben 
Namens  in  der  Inschrift  S.  508  u 


VIc.  Thessalia:  Larisa.  513 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  231  ff.  Auf  einem  türkischen  Grabe  auf 
dem  Nordostfriedhofe  Larisas,  wenige  Schritte  von  der  dortigen  Kaserne. 
21  zeilige  Freilassuugsurkunde.  Unvollständige  Kopie  des  ersten  Teiles 
bei  Ussing,  Inscr.  Gr.  ined.  14.  —  Nach  der  Überführung  der  Inschrift 
in  die  städtische  Sammlung  konnte  auch  der  sehr  fragmentierte  Schlufs 
derselben  (bis  Z.  40)  entziffert  werden;  s.  Durrbach,  BGH  X  1886 
S.  446  f.  n.  5. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  233 f.  Im  Hofe  des  Adam  Anakatomenos 
gefundenes,  auf  der  rechten  Seite  verstümmeltes  12 zeiliges  Fragment 
einer  Freilassungsurkunde. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S  235.  23  zeilige,  metrisch  sein  sollende  Grab- 
schrift, wegen  ihrer  vielen  Ligaturen  schwer  leserlich,  mit  vielen  Ver- 
stöfsen  gegen  Versbau  und  Grammatik.  Nach  Z.  16  f.  ist  ihr  Verfertiger 
ein  schlichter  Handwerksmann.  Faksimile  derselben  a.  a.  0.  Beilage 
zu  S.  223  n.  4.  Ich  setze  sie  ganz  her:  Et}j.\  KAAHAOION  {raXi- 
Xatov^'l  TU)  (2)  xai  Ilüvcpopog  iarcv  (3)  dd£k<f6g,  naTg  eu-(4:)fioiu^og'  Ipuj; 
ems,  (5)  ^cXr^fjLSvs,  i  [ii/?]  dv&f)UJ-{%)nocacv  ^(o^g  ix-s-{7)M(Tag  uxzuj  xal 
8i-{S)xa  irrj  jxoipixbv  tjv  (9)  rb  ziXeg  {ziXog^  Iva  ^  fi^-{10)TY^p  aovodEÖarj 
xai  (11)  eXBrj  -npog  'Aldav  X-(l2)ocnoupsvyj  ujg  im  Ti-(l3)xvocg  xal  ronog 
(?)  r^v  £-(14)<T.'<j£cv  Ttäacv  {opduj)  ^c-(l5)Xocg.  Uuv^upög  eipc  (16)  nazrjp 
(fiXog^  ropuj  (17)  8k  TzSTTüixa  ypdpp.a-{l8)Ta  iv  (TTr^krj  [XScvt^'}  Auc-{l9)nou- 
piva  rd  rixvo.  xa-{2())Xd  xal  Ziu[rj}  ujg  [(Tyjvßto[g  (21)  etasarat  [xehea&e'^] 
Tzarpbg  (22)  {Bjyog^  ivßdde.  (23)  "Hpujg  XP^'^i  ^o-^^P^- 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  236 f.  Beim  Magazin  des  Hassan-Bey  im 
Dörfchen  Kalyvia,  V*  Stunde  nordöstlich  von  Larisa,  links  vom  Wege 
nach  Tempe  An  den  Zeilenanfängen  heillos  verstümmeltes  31  zeiliges 
Fragment  einer  metrischen  Grabschrift  mit  dem  Schlufs:  {il^waavta 
[.  .  .  i.r\wv  oixa[.  .  .  ^a7]pö. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  237 f.  Angeblich  in  den  Trümmern  eines 
Bades  bei  den  Gyphtika  von  Larisa  am  Peneios  gefunden,  jetzt  vor  einem 
Hause  in  diesem  Stadtteile.  Zweiteilige,  arg  verstümmelte  Inschrift,  Der 
erstere  Teil  ist  eine  Siegesinschrift  in  Distichen  mit  der  Unterschrift  des 
Künstlers:  Euporos,  S.  des  Zopyros.  Genauere  Abschrift  derselben  von 
Durrbach,  BGH  X  1886  S.  444  u.  4.  Im  zweiten  Teile  scheint  das 
xotvbv  0£]aaa?MV  einen  Sieger  zu  ehren. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  238.  (Cauer,  Del.  2  408  Prellwitz,  1.  c. 
p.  3  n.  IV.)  Beim  Parekklision  des  Hag.  Athanasios  in  Larisa.  Weih- 
inschrift, nach  dem  Herausg.  wahrscheinlich  aus  dem  3.  Jahrb.:  Uet]- 
bdXa  [2J]xoopeca  (2)  dvsBr^xsv. 

Derselbe,  a.  a.  0.  (Prellwitz,  1.  c.  n.  V.)  Auf  dem  Friedhofe 
im  NO.  Larisas  am  Peneios,  an  der  Ostseite  eines  von  sechs  Pfeilern 
getragenen  Turbes  vermauert.  Weihinschrift,  nach  dem  Herausg.  nicht 
viel  jünger  als  die  vorhergehende:  IJjroXspacog  (2)  dvs&rjxe. 

Jahresbericht  für  Altertbamawisseasohaft  LH.   (1887.  III.)  33 


5 1  4  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  (Prellwitz,  1.  c.  p.  2  n.  II.)  Jünger  ist  die 
4  zeilige  verstümmelte  Weihinschrift  eines  kleinen,  vom  türkischen  Fried- 
hofe stammenden  Postaments  im  Hause  der  'Apsz^  Jrj/i.  Olxovuixcdou  bei 
der  Onier-Bey-Moschee.  L.  möchte  lesen:  "£'[vo£x]«  ara&jxta  {2.)'AYa[pi\g 
'A-:{d-'\oV£ir£{t\a  (3)  £[y^a/x£Va  xrX. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  240.  Basis  in  einer  Ecke  der  Umfassungs- 
mauer einer  verfallenden  Moschee  beim  Gyphtikaviertel  Larisas  mit  zwei 
Ehreninschriften  aus  der  Kaiserzeit  (mangelhaft  Lebas  1238  und  Heuzey, 
Le  mont  Olympe  S.  484  n.  46):  1.  '0  orjjjtog  IiXaü-](2)Scov  Kaiaapa  (3) 
HeßaaTuv  Beov.  —  2.  Auroxpdropa  Kacaapa  Ou£an\aatd\vov  (2)  zb  xoivuv 
BeaaaXihv. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  344.  Im  Hofe  der  Kapelle  des  Hag.  Chara- 
lampos  jenseits  der  Peneiosbrücke  in  der  Nähe  des  linken  Flufsufers. 
17 zeiliges  Ehrendekret  der  Thessaler  auf  einen  Nikandros,  S.  des  Ni- 
kandros,  von  ungewisser  Herkunft.  —  Unvollständiger  Duchesne-Bayet, 
Mission  au  mont  Athos  n.  157. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  345.  Im  Hofe  des  Hotels  Bambakas.  13zei- 
liges,  arg  verstümmeltes  Fragment  eines  Ehrendekrets. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  346.  (Prellwitz,  1.  c.  n.  III.)  Am  Turbe  bei 
der  Moschee  des  Omer-Bey  eingemauertes,  12 zeiliges,  fast  ganz  aus  Namen 
in  thessalischem  Dialekt  bestehendes  Fragment,  an  dessen  letzte  Zeile: 
KolvTOQ  "A-riog  ein  zweiter  ebenda  befindlicher  Stein  mit  der  Aufschrift 
I!e]$(TTou  mag  unmittelbar  anzuschliefsen  scheint. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  347  f.  Mehrere  wenig  bedeutende  Frag- 
mente von  Inschriften  an  den  Sitzreihen  des  am  Burgabhange  Larisas 
gelegenen  Theaters.  Eine  Anzahl  solcher  aus  dem  Theater  stammender 
Platten  befindet  sich  jetzt  auf  dem  V*  Stunde  südlich  von  Larisa  ge- 
legenen jüdischen  Friedhof. 

Derselbe,  MDAI  VIII  1883  S.  23.  Zwei  Marmorplinthen:  Laus 
zwei  Distichen  bestehendes  Weih- Epigramm  auf  ApoUon  Kerdoios,  mit 
Subskription  des  Dichters,  Herakleides  von  Tralles,  und  des  Steinmetzen, 
Sosimenes,  S.  des  Sosimenes.  V.  3  u.  4  nach  Dittenberger,  Ind.  schol. 
Hai.  Winter  1885/86  p.  IX:  äc  (i.  e.  euatßta  V.  2)  xh  ;j^a,o[£;]-  ommg^ 
KspSujis,  Ja/iüxpareiojv  (Adj.  patron.  der  Dedikanien)  |  äv&s/xa  [Ic]p.[u- 
X£]uj  8a$o  xal  EuxpazcSa;  2.  ein  Distichon  auf  die  Musen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S-  112  n.  3.  (Fick,  SGDI  1308.)  In  der  Samm- 
lung in  Larisa.  Zu  einer  Brunnenmündung  verarbeitete  Marmorplinthe 
mit  der  Aufschrift:  Aeovrtaxog  ämXeu^zpooBstg  (2)  dtTib  Srpd-oovog  Kor- 
Tu^etoc  ovedecxe. 

Derselbe,  a.  a.  0  n.  1.  (Mit  Verbesserungen  wiederholt  von  Fick, 
SGDI  1286.)  Genauere  Abschrift  Durrbach,  BGH  X  1886  S.  435f. 
n.  2.  —  Auf  die  Widmung:  'E&modouv  (Tribus  oder  Phratrie,  am  wahr- 


Vlc.  Thessalia:  Larisa.  515 

scheinlichsten  Gens  in  Larisa;  vgl.  Dittenberger,  Ind.  schol.  Hai.  Winter 
1885/86  p.  IX)  rh  xutvov  EifjaxXzi  folgt  eine  Liste  von  12  Personen  mit 
Vatersnamen  (Adjektiva),  deren  erster  (Z.  3)  .  .  uvdarag.  Z.  6  u.  7  beide 
Male  'hru^/^scog.  Z.  6/7  wird  Ficks  Konjektur  bestätigt:  'Aa-üYx-\X\ia\(;. 
Die  einzelnen  Wörter  sind  durch  je  zwei  vertikale  Punkte  getrennt,  ein 
Umstand,   der  dem  alten  Charakter  der  Inschrift  entspricht. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  116  n.  12.  (Fick,  SGDI  1292.)  Fragmen- 
tierte Grabschrift  im  Kargatz-Machalas  vor  einer  verfallenden  Moschee 
neben  einer  Töpferei:  .  .  .  q  Boo  .  .  .  acog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  122  n.  45.  (Fick,  SGDI  1321.)  Über  einer 
Thür  der  Kapelle  des  Hag.  Charalampos  in  Kissabali,  iV*  Stunden  öst- 
lich von  Larisa,  eingemauerte  Grabschrift:  Ilorstdouvi  I]a[fj]anavacou 
(Fick),    dioxMag  '^Ayscaiatog. 

Derselbe,  a.  a  0.  S.  125  n.  55.  (Fick,  SGDI  1305.)  Türkischer 
Friedhof  am  Nordrande  der  Stadt  beim  Peneios.    Grabstele:  0iX\oxpdzsig. 

Derselbe,  a.  a-  0.  S.  113 — 125.  Grabschriften  in  der  Sammlung  zu 
Larisa.  —  S.  113  n.  2  (Fick,  SGDI  1287).  Mordtmann,  KE0I\N  1884 
^.^-/Aysimnohg.  —  ^.  I14n.  4  (SGDI  1309);  ungenau  Durrbach,  BGH  X 
1886  S.  451  n.  13  (S.  S.  519):  Aiicptoaiiog  Ajx<piaiog^  (2)  Ja/j-oxpazeca  dcx/io- 
xpdreog.  —  n.  5  (SGDI  1288)  des  'Ava^ayopag  und  Kpooxcvag.  —  n.  6  (SGDI 
1810)  des  Avzto-^og  und  'Avrcxpdrscg,  Vater  und  Sohn.  —  n.  7  (SGDI 
1289) :  "AvToxog.  —  S.  115  n.  8  (SGDI  1290):  Auivcog.  —  n.  10  (SGDI 
1291):  'Aaazu(ftküg  (2)  Uappovioeiog.  —  n.  11  (SGDI  1307)  dreier  Per- 
sonen; darunter  über  einem  Hermenbild:  'Epfidoo  iBovioo.  —  S.  116  n.  13 
(SGDI  1311)  der  dauTiula\  ungenau  Bayet- Duchesne,  Mission  au  raont 
Athos  173.  —  n.  14.  Fragment:  ' EXka\>oxpd-{'Z)-o'jg  yovr].  —  n.  15  (SGDI 
1312)  des  'Emyivscg  und  seiner  Tochter  Kpavudixa.  —  n.  16  (SGDI 
1293).  Stele,  deren  unterer  Teil  erhalten  ist.  Über  einem  Hermenbild: 
'Epp.do'j  ^&ovc'otj.  —  n.  17  der  Zajac'ixr]  auf  ihren  Mann  OdXXog.  Dar- 
unter (SGDI  1294):  'Epp.  x^-  —  S.  117  u.  18  (SGDI  1313;  schwer  les- 
bar) auf  iV[c>[£a]?  Darunter:  'Epp.  x^.  —  n.  20  (SGDI  1314):  EujSo'j- 
^og  noacScoüvsiog.  —  n.  21  (SGDI  1315):  EZ(fopßog  (2)  Seoooöpsiog.  — 
S.  118  n.  22  (SGDI  1316):  [OyiBtaöXa'^  —  S.  119  n.  27  (Prellwitz,  1.  c 
p.  3  n.  VII):  KXtouTtw  (?)  (2)  Kotv-a,  (3)  yuvT)  ok  (4)  loi)8a.  —  n.  28 
(SGDI  1317):  Aüxog  KXtöoo-  r^pcug  ipriori,  (2)  latpe.  —  n.  29  (SGDI 
1295):  hpazztata  ä  'Aazo-{2)p£c8eca  yovd.  —  n.  30:  Mdvza  (2)  ^pirjar/j^ 
Xo.'tps..  —  n.  31:  MeXavHob  Japovcxzia.  —  n.  32  (SGDI  1296):  Mzvzxpd- 
T£tg  EußcoTSiog.    —    S.   120  n.  34    (SGDI   1318):    Mvdaouu  KaUtxXiaiog^ 

(2) Il]a\jj]pe[vioeiug.    Fick:  Il}a[p]pE\ym)V£cog.  —  n.  35  (SGDI 

1319):  NixuXaog  (2)  'TMvdpetog^  dstrunter :  Eppduu  yßoviou.  —  S.  121 
n.  38  (SGDI  1297):  Vnoüpa.  —  n.  40  (SGDI  1298):  llavBaeha.  —  n.  41: 
JJezaUlg  (2)  FkzaXiaca,  (3)  /«Y-'S-  Unvollständig  und  falsch  bei  Bayet- 
Duchesne.  —  n.  42.    7  zeilige  Grabschrift  der  ilXa-oüpa  auf  ihren  25jäh- 

33* 


5 1 6  Griechische  Epigraphik. 

rigen  Sohn  Jdxujv.  —  S.  122  n.  43  (SGDI  1320):  IloXüapog  (2)  KXeav- 
Spcdacog.  —  n.  44  (SGDI  1299;  unvollständig  Mordtmann,  a.  a.  0, 
S.  6):  IloXüarpazog  IloXsiiüxpaTetog^  (2)  Houamohq  IhBouveta^  (3)  2a'j- 
puxXcca  xa\^A\j]£iadv8pa  IloXoaTpdzeiat,  —  n.  46  (SGDI  1322):  UorEi- 
ooö[vt  U\j{paTM\>atoo  (Fick).  —  S.  123  n.  47  iSGDI  1300):  flouräXa  (2) 
"AvTcxpdreia.  Weiter  unten:  ^Epiiauoo  (!)  iBovtoo.  —  n.  50  (SGDI  1301): 
nüBo'jv  'Oippodoaiog.  —  n.  51  (SGDI  1302):  Saxowooo.  —  S.  124  n.  52 
(SGDI  1303):  luocoag  IntvMpetog,  Sm^^Betp  looidatog.  —  n.  53  (SGDI 
1304):  TtjiaatTioXig  (2)  'AX£$op.svEta.  —  n.  54:  1.  eine  jüngere,  obere: 
des  Z]uj7:upog  auf  seine  T[po^ug'i']  2avß(xzig\  2.  eine  ältere,  untere 
(SGDI  1323):  ^Tßpsazag  /lapdp-^ecog,  (2)  Llap[oxpd]zsi[a  K]X£czopd^s:a 
xvX.  —  S.  125  n.  56  (SGDI  1306):  0cX6^£ipog  (2)  Aadi'opeiog ;  darunter 
über  einem  Hermenbilde:  'Eppdou  y^Hovtou.  »Wahrscheinlich  identisch 
mit  Ussing  25.« 

Derselbe,  MDAI  XI  1886  S.  52ff.  Grabsteine.  —  S.  52  n.  25 
(Ussing,  Inscr.  gr.  ined.  34.  Lebas,  Thess.  1277;  ganz  entstellt  Miller, 
Kev.  arch.  1874  S.  162  n.  11):  Al'Bpa  'fipatg  (2)  lundzpag  (so),  (3)  rjpog 
(so)  y^prjazi,  (4)  x^^P^-  —  S-  ^^  "•  ^*^'  Unterhalb  der  Darstellung  eines 
Zimmermannes:  Axoozz  Auxiaxou  dT:£-(2)XauB£p£  ^Bv^xfj^  rjpiug  (3) /,o^<Tr£, 
/«r^e.  Durrbach,  BGH  X  1886  S.  449  bestätigt  die  Richtigkeit  der 
Abschrift;  doch  schreibe  Lolling  mit  Unrecht  in  der  Umschrift:  ^evtx\i\ 
Durrbach  erklärt  das  Wort  unter  Vergleichung  einer  thessalischen  In- 
schrift bei  Duchesne  und  ßayet,  Mission  au  mont  Athos  S.  134  n.  195 
als  Abkürzung  von  $£vix^  Xucrei,  welches  nicht  selten  in  den  Freilassungs- 
urkunden von  Dodona  begegnet.  Der  Ausdruck  scheine  zu  bedeuten, 
dafs  die  Freigelassenen  wie  ^duoc  behandelt  wurden.  Diese  Auffassung 
wird  bestätigt  durch  eine  Inschrift  bei  Duchesne,  a.  a.  0.  n.  159,  wo 
nach  jeder  Freilassung  die  Entrichtung  der  15  Stateren,  welche  die  Stadt 
für  diesen  Akt  forderte,  an  den  xocvog  ^evodöxog  bescheinigt  wird.  — 
n.  27:  'A/i{p.)!a  Avzcoyoj  (2)  dv\o'[p\  pviag  (3)  X'^P^^-  —  ".  28.  Grabstein 
einer  Amphipolis.  —  S.  54  n.  29  (vgl.  Ussing,  a.  a.  0.  39  [Lebas  1265], 
Arch.  d.  miss.  scient.  1876  Bd.  III  S.  322.  167).  Unter  einer  männlichen 
Büste,  über  einem  Reiterrelief  Grabschrift  des  Androneikos  auf  seinen 
Bruder  Gaulos.  —  n.  30.    Grabstein  des  Antigonos,  S.  des  Neikophoros. 

—  n.  31  des  Antio]chos,  S.  des  Nikobulos.  —  S.  55  n.  32  (vgl.  CIG 
1780   [Lebas   1253])   des  Kyzikeners  A]pollodoros,    S.   des  A]glaophon. 

—  n.  33:  Ol  iy{y)ovoi  zrjv  elot-{2)av  ävvojv  (anum)  AnoXXu)-{Z)vYav 
pvecag  /dptv.  —  n.  34.  Grabstein  der  Knidierin  Asias,  Gattin  des  One- 
simos.  —  S.  56  n.  35  (ungenau  Lebas  1281,  Miller  Revue  arch.  1874 
S.  162  n.  16).  Grabschrift  des  Aphrodisis  auf  sein  Weib  Panthero  mit 
dem  Schlüsse:  zaüzrx  ouziug  I/sj  ö  ßiog.  —  n.  36.  Grabstein  des  Caius 
Porelleis  Theogenes;  darunter:  'Eppfj  x^ovcw.  —  S.  56 f.  n.  37  (ungenau 
Ussing,  a.  a.  0.  26  [Lebas  1252]):  A\(j.t]jxaxog  'Apztpi8cupoi>  (2)  /3«[/3]- 
doüxog.  —  S.  57  n.  38.    Grabstein  des  Damasias,  S.  des  Timokles,  mit 


VIc.  Thessalia:  Larisa.  517 

Widmung  an  den  Hermes  chthonios.  —  n.  39  der  Freigelassenen  Dekma. 

—  n.  40  des  Dexios,  S.  des  Kotys.  —  n.  41  eines  Dijkaios  (?).  —  S.  58 
n.  42  (unvollständiger  Duchesne  u.  Bayet,  a.  a.  0.  186)  eines  Dio]timos  (?). 

—  n.  43  des  Arkaders  Dipbilos,  S.  des  Zateas.  —  n.  44  des  Dion,  S. 
des  Petraios,  und  des  Parmeniskos.  —  n.  45  der  Elkapca  xk  ■ß^£-(2)- 
Xecfia  k  <p'.Xd-{^)osX(foc\  Schlufs :  Taura  oorcog  iii.  Darunter:  'A/>/i^^  X^^' 
vt(i).  —  S.  59  n.  46  des  lOjährigeu  Eiseidoros,  S.  des  Phileipos.  —  n.  47 
des  Eisi[doros.  —  n.  48  (unter  einem  Reiterrelief)  Grabschrift  der  Elpis 
auf  ihren  Sohn  Philippos.  —  S.  60  n.  49.  Grabstein  der  [Hermai]ska 
und  des  Straton,  S.  des  Kleogenes.  —  n.  50:  'Ep/j.doi>  -^Boviou. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  120ff.    Grabsteine.  —  S.  120  n.  51.    Über 
einem  schlechten  Reiterrelief  Grabschrift  des  Euangel[os  auf  seinen  Sohn. 

—  n.  52.  Durrbach,  BGH  X  1886  S.  450  n.  9.  Desgl.  Grabschrift 
des  Euangelos  auf  seinen  gleichnamigen  Vater.  —  n.  53:  EußouXog  Ilo- 
acdoüvecog.  —  S.  121  n.  54.   Grabstein  der  Ejutychis,  T.  des  Kallistratos. 

—  n.  55  der  Freigelassenen  Zosime.  —  n.  56.  Grabschrift  des  Zosimos 
und  der  Leaina  auf  ihre  Töchter  Thallusa  und  Ep[ig]one.  —  S.  121  f. 
n.  57.  Mordtmann,  KE0I:  XV  1884  S.  6.  Grabstein  des  'HpaxXäg 
KpazüUrjQ.  —  S.  122  n.  58.  Grabschrift  auf  eine  Tochter,  und  der  -ine 
auf  ihren  Gatten  Thallos.  —  S.  122  f.  n.  59.  Grabschrift  der  Thallusa 
auf  ihre  Mutter  Daphne,  sowie  des  Antidotes,  S.  des  Antidotes,  und  des 
Dionysios,  S.  des  Rufion.  —  S.  123  n.  60  (unvollständig  Duchesne  u. 
Bayet,  a.  a.  0.  183).  Über  einer  Gruppe  von  fünf  Personen  Grabschrift 
der  Themis  (?),  T.  des  Thrasylochos.  —  n.  61.  Grabstein  einer  Frei- 
gelassenen. —  n.  62.  Grabschrift  der  Thraso  auf  ihren  Mann  Trygetos, 

—  n.  63:  Y/sa  (=  '/;/«?).  —  S.  124  n.  64.  Grabstein  des  K[a]lli[k]l[e]s, 
S.  des  Sokrates.  —  [n.  65  (ungenau  Lebas  1288).  Mordtmann,  a.  a.  0. 
S.  7.  Grabschriften  mit  der  Schlufsformel:  rib  law  iaips.Lv\  wahrschein- 
lich christlich.  S.  unter  XL:  Tituli  christiani.]  —  S.  125  n.  66.  Grabstein 
der  Kasia  Apate.  —  n.  67.  Auf  Volksbeschlufs  errichtete  Grabschrift  des 
Klaudio[s  Euthy]krates  und  der  Damareta  auf  ihre  T.  Damareta.  —  n.  68 
(ungenau  Lebas  1278).  Grabstein  der  Kleitagora,  T.  des  Hipponeikos.  — 
n.  69  1  Dürr b ach,  a.  a.  0.  S.  451  n.  12)  der  Kleopatra  Esprepeia.  —  S.  126 
n.  70  der  Ko'iuta  Statia  Epigone.  —  n.  7l  (unvollständiger  Duchesne  u. 
Bayet,  a.  a  0.  177).  Grabschrift  des  Koi[nto]s  aufsein  Weib  Epigone.  — 
n.  72.  Grabstein  des  Kointos,  S.  des  Likinios,  und  des  Alexion,  S.  des  Koin- 
tos.  —  S.  126  f.  n.  73  (unter  der  Reliefdarstellung  einer  Frauenbüste)  der 
Kokkeia  Aristoneike,  Gattin  des  Aphrodeitos.  —  S.  127  n.  74  des  Kriton, 
S.  des  Phormion.  —  n.  76  der  LJadama  -yprjoazrj.  —  S.  128  n.  77  des 
Laeis  Syntyches.  —  n.  78  des  Leukios  [A]ku[t]os  Hil[a]ros.  —  n.  79 
(vgl.  Duchesne  u.  Bayet,  a.  a.  0.  172,  Lebas  1287).  Mordtmann, 
a.  a.  0.  S.  7.  Unter  der  christlichen  Grabschrift  des  Leukios,  S.  des 
Kointos  (s.  unter  XL:  Tituli  christiani)  späterer  Zusatz:  Äöatg  N£cxac-\ou, 
Xai'ps-  —   S.  129  n.  80.   Grabschrift  des  Leon  auf  sein  Weib  Antigona.  — 


518  Griechische  Epigraphik. 

n.  81:  Aouxte  Aox£i:-{1)v\s.  7:or£tz[&]i  (statt  Trodjyrs) ,  (3)  /«?/»£.  —  n.  82. 
Grabstein  des  16jährigen  Lykas.  —  n.  83  des  Lykos,  S.  des  Antiochos. 
—  S.  130  n.  84  einer  Lysikrateia.  —  n.  85.  Unter  einem  Reiterrelief 
Grabschrift  des  Makedon  auf  seinen  28jährigen  Sohn  Sostratos.  — 
S.  130  f.  n.  86.  Grabstein  der  Maxima,  Sklavin  des  Amynandros,  und 
deren  Tochter  Nikokrata.  —  S.  131  n.  87.  Grabschrift  der  Orbana, 
Sklavin  des  Isagoras,  auf  ihren  Mann,  den  Bithynier  Markos,  S.  des 
Epagathos.  —  n.  88.  Grabstein  des  Meidias,  S.  des  Ergon.  —  n.  89: 
Mika{aa.  —  n.  90.  Unter  einem  Reiterrelief  Grabschrift  der  Melita  auf 
ihren  Mann.  —  S.  132  n.  91.  Fragment  einer  Grabschrift.  —  n.  92. 
Grabstein  des  Meton,  S.  des  Meton.  —  n.  93  des  Menophantes,  S.  des 
Dionysios.  —  n.  94:  Mi^piovrjg  nd-{1)XoQ  rpcTog  ix£-{S)hucr£v  kaoTw  (4) 
yevia&ac.  —  S.  133  n.  95.  Grabschrift  auf  eine  Neike  (?).  —  n.  96. 
Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  8.  Sarkophaginschrift  der  Neikasipolis,  T.  des 
Alketes.  —  n.  97.  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  6:  Nikasipolis.  —  n.  98  (un- 
genau Miller,  a.  a.  0.  S.  161  n.  7;  vgl.  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  7): 
Mxrj  (PijXtxoQ  dneXeu&epa,  'Pa>fi{a)ca  (2)  0c2ag  olxiztg,  r/pouidsg,  (3)  ](ac- 
pere.  —  S.  134  n.  99.  Grabstein  der  Homonoia,  T.  der  Zosime.  —  n.  100 
des  Ones(i)mos,  S.  des  Pos[eidip]pos. 

Derselbe,  MDAI  XII  1887  S.  347  ff.  Grabinschriften  in  der  Samm- 
lung  zu  Larisa.  —  S.  347  n.  102  des  -  -  os,  S.  des  Panaristos,  auf  sein 
[Weib];  S.  348  n.  104  der  Paraske[u]e,  T.  des  Aischines,  auf  ihren  Mann; 
n.  106  (unvollständiger  Lebas  1282);  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  7:  des  Prei- 
mos  auf  seine  Gattin  Banausis;  S.  350f.  n.  115a  des  Syneros,  S.  des  Kal- 
li[ppides,  Olsos  auf  seine  Eltern;  S.  351  n.  116  des  Synphoros,  S.  des  L[y]- 
kos,  auf  seine  29  jährige  Frau  und  seine  4  jährige  Tochter  Lyka  (Z.  2:  £[r\8cav, 
Z.  3.  6:  iJivcag,  Z.  6:  readpuiv);  n.  117  (unvollständiger  Dürr bach,  BCH 
X  1886  S.  449  n.  8)  des  Tibe[r]ius  Claudius  Logicus  aus  Smyrna  auf  seinen 
14jährigen  Sohn  Modestus;  S.  352  n.  118  der  Phila,  T.  des  Salbios,  auf 
ihren  und  des  Leon  S.  Alexippos;  n.  121  der  Chrota[r]is  auf  ihren  Gatten 

Pausanias;  S.  353  n.  124  der auf  ihren  Mann;  S.  361  n.  153  des 

Zosimos  auf  seine  Tochter  Euposia;  S.  362  n.  154  der  Zoso  und  Philo- 
genea,  Ilokuvs.txrjg  olx£rixd\  n.  155  der  Lami[a]  auf  ihren  Gatten  Teimon, 
S.  des  Antigonos;  S.  362 f.  n.  157  der  Skylla  auf  ihren  geliebten  Ge- 
mahl Epaphrodeitos ;  S.  363  n.  158  der  Phile  auf  einen  Ti[monax?  S.  361 
n.  151:  'Aprsfiscg  £[y]pa<pa,  dg  \a\v  x\a\-{2)xoT:oirj(T7j  lg  zb  fiv^/JLa,  (3)  Syj- 
vdpca  TTSVzaxoma. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  347 ff  Grabsteine  in  der  Sammlung  zu 
Larisa.  —  S.  347  n.  101  der  Ouezzca  IJpsc/xa;  n.  103  eines  ßa^£Ü[g,  S. 
des  Paramonos,  und  der  --akszo),  T.  des  Paramon[os;  S.  348  n.  105  des 
Polyxenos,  S.  des  Herakleides;  [S.  349  n.  108  christlich;  Schlussformel: 
zw  Xaw  ^atpetv;  s.  unter  XL:  Tituli  Christian!;]  n.  109  der  Solphikia 
(=  Sulpicia),  T.  des  Solphikios;   n.  Hl   der  Spendusa,  T.   des  Aristo- 


Vlc.  Thessalia:  Larisa.  519 

phylos;  S.  350  u.  112  (ungenau  Lebas  1266)  des  20jährigen  Strymon, 
S.  des  Neikanor;  n.  113  des  Symmachos,  S.  des  Popillios;  n.  114  (vgl. 
Lebas  1255)  des  Syna--nios,  S.  des  Alexippos,  eines  dnelsüBepog  ^e- 
vcxjj  (vgl.  zu  dieser  Formel  S.  516);  S.  351  n.  115^  des  Parmeneides 
und  des  Theogenes;  SS.  des  Poseidonios,  und  der  Philista,  T.  des  Par- 
meneides; S.  352  n.  120  der  Philotera,  T.  der  Sopatra;  S.  353  n.  122 
eines  -omas  (?);  S.  361  n.  152  des  Astas,  S.  des  Metrodoros;  S.  362  n.  156 
der  -  -  a,  T.  des  Pandamos,  der  --lis  Ntxua-fjdreca  und  der  --,  T.  der 
Dammatreia;  S.  363  n.  159  des  Philip(p)os,  S.  des  Dionysios;  n.  160 
des  Phi[lokles. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  353  n.  123.  Haus  des  Adam  Anakatomenos 
unweit  des  Theaters.  Fragmentierte  Grabschrift  auf  eine  22jährige  Tochter. 
—  S.  352  n.  119.    Ebd.    Grabstein  der  Philikiane. 

Derselbe,  a  a.  0.  S.  349  n.  107.  Brücke  gegenüber  dem  Arnaut- 
Machaläs,  an  welcher  der  Weg  von  Larisa  nach  Karditza  beginnt.  Grab- 
stein des  [Preimos],  S.  des  Preimos. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  110.  Haus  des  Kaftän-Agä  (jetzt  Artillerie- 
kaserne). Grabschrift  der  Spendusa  auf  ihre  Tochter  [und  auf  der  linken 
Seite  des  Steines  auf  ihren  Mann]. 

Derselbe,  MD  AI  XI  1886  S.  451  n.  2.  Metrische  Grabschrift 
(9  Hexameter)  auf  [Pjarmonis,  T.  des  Epitynchanos,  deren  herbes  Ge- 
schick beklagt  und  deren  Gatte  getröstet  wird.  —  Roh  de,  MD  AI  XII 
1887  S.  141  vermutet  Z.  8  auf  dem  Stein:  ouSev  yäp  nXelv  (=  nXeov) 
kazi^  wobei  freilich  nletv  =  tiHov,  da  kein  ^  mit  einer  Zahl  folgt,  nicht 
ganz  korrekt  wäre.  Am  Schlufs  der  Zeile  wohl:  BavvvTa  yäp  ooSkv 
iyeipet.     Das  iy  Z.  9  schwebt  in  der  Luft. 

Durrbach,  BCH  X  1886  S.  449ff.  Grabsteine.  —  S.  450  n.  10. 
Grabschrift  der  Hygeia  auf  ihre  13jährige  Tochter  Zbyrna.  —  n.  11. 
Grabstein  der  Sklavin  (olxirtg)  Maxima,  T.  des  Amynandros,  und  deren 
Tochter  Nikokrata.  —  S.  451  n.  12  s.  S.  517  n.  69.  —  n.  13.  Grab- 
stein des  'Apr^oa/xag  'Aixrjhog  und  der  da/ioxpareia  Jaiioxpareiog-,  besser 
Lolling,  MDAI  VIII  1883  S.  114  n.  4  (s.  S.  515). 

Monceaux,  BCH  VII  1883  S.  60  n.  13.  Grabschrift  in  einem 
Hause:  Bur^&s  'ApxE-{2)aiMou,  ;^a?-(3)/>]e. 

Mylonas,  'E^.  dpx-  1884  S.  221  f.  Weihinschrift:  ApziixcSc  AeX- 
<ptvia  (2)  Ah/uXcg  l'arupoc  xopa,  yuvä  (PcXo$s-(3)vioa  'Afxou/jiSCTOc  Xeczopsu- 
ffavffa.  —  Ala^oXig  larüpot  auch  in  einer  andern  thessalischen  Inschrift 
Leake  N.  G.  3,  382.  361.   CIG  1767.   SGDI  368.    AlaxuXig  SGDI  1283. 

Mordtmann,  KE0S  XV  1884  S.  5  giebt  als  epigraphische  Aus- 
beute einer  im  Sommer  1881  unternommenen  Reise  in  Thessalien  berich- 
tigte Lesungen  zu   der  Inschrift  Ussing,  Inscr.   Gr.  ined.  8   (vgl.  Lebas 


520  Griechische  Epigraphik. 

1240;  von  Bayet-Duchesne ,  Mission  au  mont  Athos  n.  163  als  unediert 
herausgegeben)  und  Leake,  N.  G.  179. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Inschrift  auf  einem  Steine,  der  als  ßaB[itQ 
dient,  im  Hofe  des  KtpxXäp  TZa[itrj\  schwer  lesbar.  19 zeilige,  arg  ver- 
stümmelte Liste  der  von  Freigelassenen  an  die  Stadt  entrichteten  Löse- 
gelder (ähnlich  Leake  13).  In  Z.  15  liest  M.  /xir^vög)  'Ayayukcou  und 
möchte  diesen  Namen  Sixd 'AnoUwv  'Ayucsug  beziehen.  Vgl.  üssing  12^, 
wo  dieser  Mayä  Fuhou  schreibt;  dagegen  Leake  176  in  derselben  In- 
schrift /i{y]vug)  'AyayoaLou;  auch  Heuzey  214:  'Ayvacou. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  6.  Auf  den  Friedhöfen  westlich  von  Larisa 
an  dem  Wege  nach  Trikkala  und  an  dem  östlich  nach  Tempe  führen- 
den Wege  befinden  sich  eine  grofse  Zahl  alter  Grabsteine,  von  denen 
viele  schon  ediert  sind  (vgl.  GIG,  Leake  9 — 11,  Ussing  23 — 42,  Lebas 
1242ff.,  Miller,  Rev.  arch.  1—20,  Bayet-Duchesne  164—191,  KE^I  F' 
1.  3 — 13.  15);  die  altern  sämtlich  in  thessalischem  Dialekt.  Unediert: 
I.  auf  dem  jüdischen  Friedhof:  -j^aTog.  —  II.  »'£^v  r^  auXjj  roU 
xovaxc'oua  Grabschrift  von  Eltern  (^juvjy  0dtara)  auf  ihren  Sohn,  dessen 
Brustbild  en  face  unter  der  Inschrift.  —  III.  auf  dem  türkischen 
Friedhof:  1.  Eucmrog  Fop-ychcog,  Fopyovcaxa  0do^evi8aia\  am  Fufs  der 
Stele  ein  Herraesbild  mit:  'Epfxdou  ^&ovcou.  2.  Zweizeilige  Grabschrift; 
lesbar  nur  FXuxcwa  Z.  2. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  7.  Verbesserungen  zu  Lebas  1255.  Mordt- 
mann  liest  die  äufserst  verwahrloste  Inschrift:  [E]u[e?i]n[c<7r]£  ['A]Xe^in- 
(2)7iou,  än[£X£u\&ep£  8k  Ncxrj[g,  (3)  r^pcog  ^pr^aTS,  ^acpe. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Im  Hause  naTzä  Arjp.7jTp7)  xarä  to\>  Ta/xnäx- 
liay^ali.  Grabschriften  des  EuTUy(og  auf  sein  Weib  und  der  Tpu^epä  auf 
ihren  Mann. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Ehemals  Ttapä  r^  A.  E.  rw  Soun^fj  Tlaacra^ 
jetzt  im  Museum  zu  Konstantinopel  unter  den  Inschriften  unbekannter 
Herkunft.  Unter  einer  weiblichen  Gestalt  Grabschrift  der  Hadyla,  T.  des 
Teimon.  Nach  dem  Herausg.  könnte  XPTTCTH  Z.  2  (;^;o[)y]<TT^)  auch 
gedeutet  werden:  ^p{i<7Tia\irj)  7:{i)azrj. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Ilapä  r^  A.  E.  ra»  ^oonxfj  Ilaaaä.  Weihung: 
MvafjLOffüva  dvi&eixe. 

Strafse  von  Larisa  nach  Turnawo. 

Foucart,  BCH  IX  1885  S.  220  n.  1  (Prellwitz,  1.  c.  p.  4  n.  XII). 
Geringe  Schriftreste.  Z.  3:  ovi&ecxe.  Darunter  die  zweimalige  Künstler- 
inschrift: Ud-upog  'AnoUoS---  \  i7:6rj<T£.  —  S.  221  n.  2  (Prellwitz,  1  c. 
n.  XIII).  Grabschrift:  Edoeicog,  Böhnnog  \  BuhdSaioi.  —  n.  3.  Grab- 
schrift auf  Alexandres,  S.  des  Antigonos.  —  n.  4  auf  Kratesipolis ,  T. 
des  Menophilos.  —  S.  222  n.  5  auf  Straton,  S.  des  Erotias. 


VIc.  Thessalia:  Larisa.  Strafse  von  Larisa  nach  Turnawo.  Crannon.  Atrax.   521 

Crannon. 

Prellwitz,  De  dial.  Thess.  p.  5  ergänzt  SGDI361B  Z.  1:  Izpa- 
TojydvTos  zodv  ne[-ßa^ouv  statt  des  herkömmlichen  Ik{kaaytooTdoijv . 

Atrax. 

Lolling,  MDAI  VIII  1883  S.  111  n.  1.  (Fick,  SGDI  1324.) 
Bei  der  Kapelle  des  Hag.  Nikolaos  von  Kutzochero,  einem  Dorfe  I^/a 
Stunden  westlich  von  Larisa,  ungefähr  1  St.  östlich  vom  Kalamakipasse 
des  Peneios  und  den  Ruinen  von  Atrax  (Paläokastro  von  Alifaka).  Weih- 
inschrift: J^o]oioag  (2)  ll^oXu<pf)6v£coQ  (3j  r]äv  eu^fäv  to7  7Ta-{4:)T]epoQ  flo- 
reido^uvt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  2.  Marmorbasis  in  derselben  Kapelle  mit 
der  Weihinschrift:  Kuvayca  (2)  ovsBecxe. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  118  n.  25.  In  derselben  Kapelle.  Grab- 
schrift: " h7:oxXtd8a\Q  (2)  Femscog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  123  n.  49.  (Fick,  SGDI  1327.)  Bei  der- 
selben Kapelle.    Grabschrift:  nudjoyivr^g  (2)  Ei/]8d/ie:og. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  129.  An  derselben  Kapelle.  Grabschrift: 
'AXs$[:ag. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Links  vor  dem  Eingang  derselben  Kapelle. 
Marmorblock,  dessen  nach  oben  gekehrte  Breitfläche  mit  einem  langen, 
nach  Strategen  geordneten  Verzeichnisse  von  Freilassungen  angefüllt 
war,  von  dem  jedoch  seines  abgeriebenen  Zustandes  halber  nur  wenige 
zusammenhängende  Partieen  kopiert  werden  konnten.  Eine  45  zeilige 
Fortsetzung  dieses  Verzeichnisses  findet  sich  auf  der  rechts  anstofsen- 
den  Schmalseite.  Als  Freigelassene  werden  genannt:  Zcum/irj  Auxou 
Z.  5,  MdvTa  Z.  7,  EhroxtQ  Z.  9,  SrpaTovtxog  Z.  11,  Iwmag  xai  iMoa/cov 
Z.  13,  Ehzoilg  Z.  15,  "Äv-iyö\>a  Z.  17,  Aioyiv/jg  Z.  19,  ' Po6(prx  Z.  21,  äco- 
v'jata  Z.  23,  Eurjjxepog  Z.  25;  unter  dem  Strategen  Mnasimachos:  äco- 
vuatog  xcii  Zwnupog  Z.  28,  'A^poocaca  Z.  30,  Eh(fpoa6vrj  Z.  32,  WiXiaxa 
ij  xaXounivTj  xat  lupa  Z.  34/5,  "AnoXXätvtog  Z.  37,  Oixoujiivrj  Z.  39/40; 
unter  Philoxenides:  HdixcptXog  A'.ovoatou  Z.  42,  Nixrj  Z.  44.  —  Nach  An- 
sicht des  Herausg.  stand  auf  dem  Hügel  von  Kutzochero  ein  Heiligtum 
des  Poseidon  (vgl.  auch  n.  1),  in  welchem  die  Verzeichnisse  aufgestellt 
waren. 

Derselbe,  a.a.O.  S.  118  n.  23.  (Fick,  SGDI  1325)  In  einer 
Kapellenruine  unweit  von  Alifaka.  Grabschrift:  9\a<)}xamhß.  (2)  'Av\zi- 
abivtia. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  120  n.  36.  (Fick,  SGDI  1326.)  Dorf  Lutro, 
'/4  St.  südl.  von  Alifaka,  bei  einem  der  Quellbassins  neben  der  Hag.  Pa- 
raskevi.     Grabstele:  Sevox^da. 


522  Griechische  Epigraphik. 

Phalanna  und  Umgegend. 

Ar-  Lolling,  MDAI  VII  1882  S.  223.    Turnawo.    An  der  Nordseite 

der  Kirche  Hag.  Trias  eingemauerte  archaische  Inschrift:  .  .  .  g  'Opsardoa 
dve&ecxs  rät  &£jj.t(Tar:.    Zu  letzerem  Wort  vgl.  MDAI  VIII,  101  Anm. 
ca.  400?  Demetriades,  '%.   dp^.   1884   Sp.  224.     Ebd.     Gesetzfragment, 

arocyi^döv.  Nö/xog.  (2)  AI'  xs  zbv  (3)  faaarov  (i)  xtg  faM'-{5)(T(TxsTrx[t  (6) 
xoivä  y[p-{'7)£/xaTa  £[y-{8)ov  xal  //[s  (9)  dovd£T\r/.-{\0)t  dnne  .  .  Etwa 
400   V.  Chr.  /  =  C,  MCV. 

Lolling,  MDAI  VII  1882  S.  224.  Ebd.  Als  Treppenstufe  vor 
dem  Hause  des  früheren  Kadi,  Seriph  Effendi,  vermauert;  zuletzt  IGA 
328  herausgegeben.  L.  hält  die  jetzt  die  erste  Zeile  bildenden  Zeichen 
für  eine  müfsige  Spielerei  und  läfst  die  eigentliche  Inschrift  erst  mit  Z.  2 
beginnen:  J-aacSrxpog  7ra[?]g'  IhiHoovsiog  £7r'  'A^{ajp-{3)o[  dni^Blavs  dpt- 
a7[eü\ouv  [;(f]<9[ö]vc»?  e-n  dpo6p\ag.  Das  erste  der  in  Z.  4  erhaltenen 
Zeichen  ist  sicher  E;  den  Rest  als  Ypa[v£g  zu  deuten,  ist  zu  künstlich. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  226.  Ebd.  Verstümmelte  Inschrift  mit  Li- 
gaturen (metrisch?)  über  dem  sehr  roh  ausgeführten  Relief  bilde  eines 
sitzenden  Knaben.  Z.  1:  ...  zd^og  ij  p.oipa  xaßßa{a)^ov  (?);  Z.  2:  nkcov 
oux  i^yj  ivTf]  dexa  xai  — ;  Z.  3:  ...  [/^]>^('y)/ji'yS'  ^dpcv  rjpcog  ^ — . 

Derselbe,  MDAI  VHI  1883  S.  102ff.  (Fick,  SGDI  1329.)  Vgl. 
Ditte'nberger,  Ind.  schol.  Hai.  Winter  1885/86  p.  IV  sqq.  —  Marmor- 
platte, auf  3  Seiten  beschrieben,  gefunden  auf  dem  türkischen  Friedhofe 
von  Kasaklar,  eine  Stunde  östlich  von  Turnawo  und  in  dem  genannten 
Dorfe  aufbewahrt,  jetzt  aber  wohl  nach  T.  in  die  dort  begonnene  An- 
tikensammlung geschafft.  Das  Dekret,  welches  nebst  einer  zweizeiligen 
Überschrift  auf  der  Frontseite  34  gegen  den  Schlufs  hin  mehr  und  mehr 
verstümmelte,  und  auf  den  beiden  Schmalseiten  Nachträge  von  28  bezw. 
33  gleichfalls  gegen  den  Schlufs  hin  sehr  fragmentierten  Zeilen  in  thessa- 
lischem  Dialekt  umfafst,  enthält  Bestimmungen  der  Phalannäer  über  Auf- 
nahme von  Neubürgern.  Den  (Metöken  aus  den)  Perrhäbern,  Dolopern, 
Änianen,  phthiotischen  Achäern,  Magneten,  sowie  ro7g  ig  räv  Oalav- 
^aiäv  (=  »filiis  mulierura  Phalannaearum  ex  peregrinis  patribus  genitisa 
Dittenberger,  1.  c.  p.  V)  wird  mit  der  Einschränkung:  roTg  Tzoxypaipa- 
fxivoig  xai  8oxc[ia0i^£VT£aai  xaz[Tuv]  vofxov  das  Recht  zum  Eintritt  be- 
willigt. »Die  Abfassungszeit  liegt  gewifs  nicht  weit  von  der  der  Phi- 
lippischen Briefe«  (vgl  Röhl  1,  123  unter  Larisa).  Prellwitz,  De  dial. 
Thessal.  p.  5  ergänzt  Z  3/4  der  linken  Schmalseite:  Eu8apo[g  \  l£xvo-toi. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  107ff.;  mit  Wiederherstellungsversuchen 
Fick,  SGDI  1332.  Stark  verwitterte  Marmorplatte  desselben  Fundorts 
mit  einer  47 zeiligen  Inschrift,  wegen  gleicher  Datierung  nach  dem  As- 
klepiospriestcr  wahrscheinlich  ebenfalls  der  Stadt  Phalanna  zuzuschreiben; 
dem  Schriftcharakter  nach  in  spätere  Zeit  gehörig.     »Die  drei  ersten, 


VIc.  Thessalia:  Phalanna  und  Umgegend.  523 

gröfser  geschriebenen  Zeilen  enthielten  ein  kurzes  Resume  des  Volksbe- 
schlusses, der  denHauiDtinhalt  bildet.  Dieser  scheint  sich  auf  die  Regulierung 
der  Besitzverhältnisse  des  Heiligtums  des  Pluton  und  der  Persephone  gegen- 
über Privatleuten  bezogen  zu  haben.«  Prellwitz,  1.  c.  ergänzt  Z.  13 f.: 
uuars  (Tuix^av[zg  s/x-(14)/jl£v]  8ik  xt  [iiec  id?]Sca  ^oupa  iarc — ,  Z.  22 f.:  «[r]- 
Toc  inotxcoc  äm-oo  Xaßobv  tu-\-[t\ouv  mXouv  — ,  Z.  26ff. :  t\o  /i«  Xon:[u\v 
ol[xo]oojjLSc/j.a  z[oüv  (27)  Ö£o5]v?  elfi/isv  al  jid  xi  reg  xaraaTzdaei  (28) 
olxodi)fi\E{i]ii\a\,  d{7:)nsc<TdTou  roü  i9£[o0  — ,  Z.  37:  [t]oT  ivoc\xot)  xac  oi 
rayol  — .  Fast  übereinstimmend  v.  Wilamowitz-Möllendorff,  Ind. 
schol.  Gott   Winter  1885/86  p.  14 f.    Aulserdem  Z.  29:  ro  -i/idj/xa-  [xal] 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  HO.  (Fick,  SGDI  1330.)  Marraorblock 
derselben  Herkunft,  jetzt  Träger  eines  der  Narthexpilaster  der  Phane- 
romenikirche  in  Turnawo,  wahrscheinlich  aus  Kastri  (=  Phalanna)  stam- 
mend ;  vgl.  den  von  Phalanna  bekannten  Kult  der  Athena  Polias  und  das 
zweimalige  Vorkommen  eines  Asklapiodoros.  7  zeilige  Weihinschrift  einer 
Basis:  'A]&dv(ji  IluXtdot  oi  noXtap^ot  dvs-(2)&eexav ,  dp-/^niohapyivroQ  (3) 
'A<Txa{so)Xamoooijpot  Ah^cvacuc-  folgen  die  Namen  von  vier  Poliarchen. 
—  Fick  schreibt  Z.   1  u.  2  rxolUipyoi  und  dpynrohapiivzoq. 

Derselbe,  a.a.O.  (Fick,  SGDI  1331.)  2zeilige  Weihinschrift 
in  Turnawo,  vermutlich  gleichfalls  ans  Phalanna.  Im  Heiligsten  der 
Klosterkirche  des  Hag.  Athanasios  aufserhalb  der  Stadt,  der  kleinen 
Nebenthür  des  Templeins  rechts  gegenüber  eingemauert,  teilweise  über- 
tüncht: Jdjxazpt  xai  hopa  (2)  MiXiaaa  'Emyivzta  relscuo^a. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  123  n.  48.  (Prellwitz,  1.  c  p.  4  n.  X.) 
Ebd.,  dem  Eingange  links  von  der  Mittelthür  gegenüber.  Grabschrift: 
npä?]$cg  (2)  'Avopo/xdyeia. 

Derselbe,  MDAI  XII  1887  S.  354  n.  125.  Turnawo,  Polizei- 
gebäude. Über  der  Reliefdarstellung  eines  Mädchens:  'Ah$dv8pou  xai 
Nsi'xr^lg]  xaXrj  (2)  Buydrrjp  Odrjzrj,  Eh8r^po'j  ok  (3)  toü  0ih'axoo  olxizi, 
Tjpwg  ypr^ati,  pfa^oe.  —  S.  356  n.  134.  Ebd.  Grabstein  der  Lenais,  T. 
des  Theomnes[t]os,  leiblichen  T.  des  Antio[chos;  sowie  der  Epiktesis, 
T.  der  Philjokratea.  —  S.  357  n.  139.  Ebd.  Grabschriftfragment  auf 
eine  Tochter. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  354  n.  126.  Turnawo,  Haus  des  Marga- 
ritis  Chadjiphoros.  Grabstein  des  Gor[gidas],  S  des  Herm[o]laos.  — 
S.  355  n.  130.  Ebd.  Grabstein  des  Heges[ip]ol[is.  —  S.  356  n.  136. 
Kirche  des  heil.  Nikolaos  der  Wlachen.  Abgetretener  Grabstein  des 
One]simos  und  des  Panphil[os  —  n.  137.  Haus  des  Michalakis  Zarkinos. 
Grabstein  des  Pyrallos.  —  S.  357  u.  138.  Schwellstein  vor  dem  Altar 
des  Hag.  Georgios  mit  sehr  abgetretenen  Grabschriftfragmente u.  —  S.  354 
n.  129.  Dimarchie  von  Turnawo,  vom  türk.  Friedhof  von  Tza'irli.  Grab- 
stein der  Zosime,  T.  des  'üvr^ac^opog. 


524  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  354  n.  127.  Kasaklar  bei  Turnawo.  Grab- 
stein des  Gorgippos.  n.  128  des  Deinias,  S.  des  Dionysios.  —  S.  356 
n.  133  (aus  Tzairli;  ungenau  Parnasses  VI  1882  S.  869).  Grabschrift 
des  Leonteus  auf  sein  Weib  Hilaria  —  S.  355  n.  130.  Türkischer  Fried- 
hof so.  von  Kasaklar.  Grabstein  des  Hegesaretos,  S.  des  Kephalos.  — 
S.  356  n.  135.  Türkischer  Friedhof  westl.  von  Kasaklar.  Grabstein  des 
Mnasias. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  355  n.  132.  Gunitza  (ca.  2  St.  von  Atrax 
und  Turnawo),  Kapelle  des  h.  Athanasios  an  der  Peneiosfähre.  Grab- 
schrift der  Kaie  auf  ihren  Vater,  der  Mestaro  und  des  Timothe(o)s  auf 
ihren  Wohlthäter  Dionysios. 

Demetriades,  'E^.  dp/.  1884  Sp.  223.  Turnawo.  Grabschrift: 
Kipdojv  NeixrjQ  dvrjp  xat  ^c^/xazlg  (2)  ^uydTrjp  xal  üapaKig  nev&epd  (3) 
dnid^avav  (so)  iv  no^dfiu). 

G  y  r  t  0  n. 

Lolling,  MDAI  VIII  1883  S.  113.  (Fick,  SGDI  1328.)  Am  Chan 
des  Dorfes  Tatarli  östlich  von  Turnawo  eingemauert  und  vermutlich  dem 
alten  Gyrton  zuzuweisen.    3  zeiliges  Fragment  eines  Namensverzeichnisses. 

G  0  n  n  u  s. 

Lolling,  MDAI  IX  1884  S.  299 f.  Basis;  1.  auf  der  Frontseite: 
'H  Tiöliq  ij\  Fovviwv  Eu^poviov  I]a-(2)acx^£]oug  röv  iaurrjg  sbspyizrjv,  — 
2.  auf  der  einen  Schmalseite  5  zeiliges  Freilassungsdekret  der  dmhio&e)- 
p(ü&c(so)aa  2a^ßca,  im  cfTpazrjyou  KüXXoo  Ebßtu\roo.  Derselbe  Stratege 
begegnet  in  der  agonistischen  Inschrift  von  Larisa  Durrbach,  BCH  X 
S.  437  n.  3  (s.  S.  512).  —  3.  auf  der  andern  Schmalseite,  mit  Resten  einer 
früheren  Inschrift  durchsetzt,  5 zeiliges  Freilassungsdekret  eines  Izpa- 
Tovexog,  arpaTr^yoüvrog  KöXXou  y' . 

Derselbe,  MDAI  VIII  1883  S.  117  n.  19.  (Prellwitz,  1.  c  p.  3 
n.  VIII).  An  der  Rückseite  der  Hag.  Georgioskapelle  in  Dereli  einge- 
mauert, nach  Gonnos  gehörend.     Grabschrift:  Ehßiüza  Iluppi\oo. 

Derselbe,  MDAI  XI  1886  S.  52.  Grabstelen  bei  der  Dimarchie 
von  Dereli:  n.  22  des  Dikaios,  S.  des  Antiphilos;  n.  23  des  Philippos, 
S.  des  Mnesarchos. 

VII  a.  Aetolia,  Acarnania. 

Fick,  Die  ätolischen  Inschriften.  SGDI  II  Heft  1  1885  S.  18—28 
n.  1409  —  1428  ^  Vgl.  »die  dialektischen  Inschriften  der  Akarnanen, 
Ätoler,  Änianen«  von  demselben,  Bezzenb.  Beitr.  VII  1883  S.  242—256. 
—  Rez.  s.  S.  392. 


VII  a.  Aetolia,  Acarnania:  Arsinoe.    Calydon  und  Umgegend.        525 

A  r  s  i  n  0  e. 

LoUing,  MD  AI  VIII  1883  S.  340  f.  Mühle  in  einem  Seitenarm 
des  Acheloos;  nach  Aussage  des  Erbauers  aus  der  Nähe  des  Dorfes 
Angelokastro  und  der  Kirche  Hag.  Georgios,  wo  sich  u.  a.  die  Grund- 
mauern eines  Tempels  befinden.  Die  Inschrift,  auf  die  schon  Weil, 
MDAI  IV,  28  hinwies,  eine  links  arg  verstümmelte  Freilassungsurkunde 
in  nordgriechischem  Dialekt,  zerfällt  in  zwei  ungleich  grofse  Teile.  Aus 
der  Form  des  Steines  und  Z.  2:  \\pacvotg  zol  'HpaxXsc  schliefst  der 
Herausg.,  dafs  derselbe  zur  Peribolosmauer  eines  Herakleion  gehört  habe. 

Calydon  und  Umgegend. 

Cousin,  BGH  X  1886  S.  183  n.  1.  Genauere  und  vollständigere 
Abschrift  von  SGDI  1418,  welche  eine  abweichende  Ergänzung  und 
Anordnung  der  Inschrift  ergiebt;  namentlich  ist  der  Schlufs  vollständig: 
Tu  xocvov  Twv]  Ahu)Xu)V  Ad8a\y  -  -  (2)  -  -  v  d^£[r]ac  ivexsv  xal  eu[spy£- 
acag  Tag  (3)  £cg  auro],  (TrpaTsuadfxsvov,  zeclßa&zvra  dopazc  (4)  ijttö  Aeo- 
xi\ou  KopvTjXcoi}  IiülXa  xal  a[Tpazc(UTcxocg  (5)  Swpocg  in'  d}v8paya&c'^. 
—  Mit  der  griechischen  Ehreninschrift  Z.  1.  2  ist  verbunden  eine  aus 
dem  Lateinischen  übersetzte  Aufzählung  militärischer  Verdienste  und  Aus- 
zeichnungen. Ladas  mochte  dem,  wohl  von  Sulla  wiederhergestellten^ 
ätolischen  Bunde  während  des  mithridatischen  Krieges  gute  Dienste  bei 
den  römischen  Feldherren  geleistet  haben. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  185 f.  n.  2.  Vollständigere  Kopie  von  SGDI 
1428». 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  186  n.  3.  Kephalo-Vrysi.  Dürftiges  Frag- 
ment ungewissen  Inhalts.  Das  Ethnikon  Z.  1 :  -  -  vcoc  scheint  die  Ver- 
mutungen von  Bazin  und  Lolling  nicht  zu  bestätigen,  dafs  der  alte  Stadt- 
name Ellopion  oder  Thermon  gewesen  sei. 

Derselbe,  a.  a  0.  S.  187  n.  4.  Mokista.  Fragment  eines  Proxenie-  ca.  iso 

dekretes  des  ätolischen  Bundes  auf  einen  -,  -  x]pdzsog  M o[g.    Datum: 

üzpazayiovzug  züov  AhojXäJv  0{ij]Uto[g?  (2)  zou  flavzaXiuiVog  [füeupw- 
v]cou  [[J]avanu)Xi-{S)x]o\Tg.  Der  Vater  Pantaleon  war  mehrmals  Stratege 
der  Ätoler,  zuletzt  Ol.  151,  3  =  174  v.  Chr.  Das  Fragment  wird  dem- 
nach der  Mitte  des  2.  Jahrb.  v.  Chr.  angehören. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  188  n.  5.  Ebd.  Grenzstein  eines  Tempel- 
bezirks =  SGDI  1428  h. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  189  n.  6.  Gavalu  (=  Trichonion?).  Votiv- 
inschrift:  Tpcucäg  \  dvsBrjxs. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  8.    Ebd.    Grabschrift:  Xapt[^'\ivou. 

Fick,  Die  akarnanischen  Inschriften.  SGDI  II  Heft  1  1885  S.  12 
— 17  n.  1379—1408.  Vgl  die  oben  (S.  524)  angeführte  Zusammenstellung 
desselben  Herausg.  in  Bezzenbergers  Beiträgen.  —  Rez.  s.  S.  392. 


526  Griechische  Epigrapbik. 

Blafs,  Dialektinschriften  von  Korinth,  Kleonai,  Sikyon,  Phleius 
und  den  korinthischen  Kolonieen  am  ionischen  Meere,  Bezzenb.  Beitr. 
XII  Heft  3  1887,  behandelt  unter  V:  Korinthische  Kolonieen  in  und  um 
Akarnanien  (Anaktorion,  Herakleia)  S.  185  f.  [Vgl.  Derselbe,  SGDI 
III,  2  1888  S.  soff.] 

Oberhummer,  Akarnanien,  Ambrakia,  Amphilochien,  Leukas  im 
Altertum.  Mit  2  Karten.  München  1887.  XVIII,  330  S.  8.  10  Mk.,  be- 
handelt S.  260 — 275  die  einschlägigen  Inschrifttexte. 

Thyrrheu  m. 

Cousin,  BCH  X  1886  S.  165  n.  1.  Fragment.  Auf  die  Überschrift: 
Huixjxa^ta  TtoTc  'Fat/xacoug  folgt  das  Präskript  eines  Bündnisses  zwischen 
Kom  und  Thyrrheion  in  Vulgärdialekt.  Dasselbe  ist  datiert  nach  den 
Konsuln  des  Jahres  94  v.  Chr.  C.  Coelius  C  f.  Caldus  und  L.  Domitius 
Cn.  f.  Ahenobarbus,  den  Prätoren  C  Sentius  C.  f.  (S.  169  Z.  8—10  sind 
zu  tilgen  nach  einer  Berichtigung  des  Herausg.  BCH  XI,  239)  und  L. 
Gellius  L.  f.  und  zwei  Gesandten  von  Thyrrheion.  Das  Fragment  be- 
stätigt die  auf  Münzen  und  Inschriften  ausschliefslich  begegnende  rich- 
tige Schreibweise  des  Namens  der  Stadt  und  fixiert  endgiltig  deren  Lage. 
Hieraus  folgt,  dafs  alle  gleichfalls  im  Dorfe  Hag.  Vasilios  gefundenen  In- 
schriften nach  Tyrrheion,  nicht  mit  Böckh  und  Lebas  nach  Anaktorion  zu 
setzen  sind.  Es  sind  dies  die  Inschriften  CIG  1794<=,  ^.  1793^  add., 
1794^  add.     Lebas,  Voy.  arch.  II  1052  und  vielleicht  1048. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  175 f.  n.  2.  Fragment  einer  Genossenschafts- 
liste. Die  Z.  1 — 5  erhaltenen  Reste  sind  vielleicht  die  Namenfragmente 
von  bnonpordvtsg,  es  folgen  fünf  auixßtwrai,  je  ein  ixdvvtg  (derselbe  Euxe- 
nos,  S.  des  Dazimos,  begegnet  in  der  ganz  ähnlichen  Liste  desselben 
Fundorts  CIG  1793 '^  add.),  auhjzäg,  fidyscpug,  8cdxovog  und  fünf  naideg. 

Derselbe,  a.  a.  0  S.  178 f.  n.  3.  Zwei  Grabschriften  (schon  früher 
ediert  in  den  ^EUr^vcxa  Xpovtxd,  Juli  1860):  1.  die  obere,  viel  jüngere, 
auf  den  11jährigen  Damokrates,  S.  des  Dionysios;  2.  metrische  Grab- 
schrift (4  Hexameter,  1  Pentameter  und  2  Distichen)  auf  Echenika,  T. 
des  Menedemos  und  der  Aristokrateia,  aus  Kassopa,  die  ihre  beiden 
Kinder  ihrem  Gatten  Lysixenos  und  ihren  Eltern  hinterlassen  mufs.  Der 
Ausdruck  'Hnecpou  yaTa  <fiponlog  scheint  auf  eine  Zeit  zu  weisen,  in  der 
Epirus  noch  unabhängig  war. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  179  n.  4.  Stein  mit  wenigen  Zahlzeichen, 
die  mit  den  attischen  übereinstimmen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  180.  Grabsteine:  n.  5  Ariste,  n.  6  Herakleia, 
n.  7  Sosippos,  n.  8  Nikostratos,  n.  9  Nikokles,  n.  10  Gnathaina,  n.  11 
Nikippa,  n.  12  Archela. 


Vlla.  Aetolia,  Acarnania:  Thyrrheum  etc.     Vllb.  Epirus:  Dodona.     527 

Zaverdha. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  181.  Grabsteine:  n.  1  A]ktias,  u.  2  Polyxena, 
n.  3  Axiochos,  n.  4  Euphron,  n.  5  Myrmidon,  n.  6  Xenotimos,  n.  7  Kreo- 
macha  (?),  n.  8  X]enarchid[as,  n.  9  Lamias. 

Kekropula. 

Derselbe,  a.  a.  0.    Grabsteine:  n.  1  Phaina[r]eta,  n.  2  Djionysios. 

Kandila. 
Derselbe,  a.  a.  0.    Grabstein  der  Geraella  und  des  Pollio. 

Chrysovitza. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  182.  Grabstein  des  Polemon,  S.  des  Phaseidas. 

Oktia  (Va  Stunde  von  Stratus). 
Derselbe,  a.  a.  0.    Fragment  der  Grabschrift  auf  einen  Q.  Fabius. 

Phoetiae. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Die  Grabschrift  bei  Heuzey,  Le  mont  Olympe 
et  l'Acarnanie  S.  490  n.  65,  deren  Eigennamen  Fick,  SGDI  1401  in  Aco- 
[^:ag  änderte,  bleibt  zu  Recht  bestehen:  AlS-ptag  \  ['}äg  ^pyjaväg. 

Prodrom  US. 
Derselbe,  a-  a.  0.  S.  183.    Zwei  Fragmente  der  metrischen  Grab- 
schrift auf  ein  7jähriges  Kind. 

VII b.    Epirus. 

Dodona. 

Fick,  Die  epirotischen  Inschriften.  SGDI  U  Heft  1  1885  S.  3—11 
n.  1334 — 1377.  —  Rez.  s.  S.  392.  In  der  Ergcänzung  und  Zusammenstel- 
lung der  vielen  Fragmente  ist  der  Herausg.  meist  glücklich  gewesen. 
Als  nicht  dialektisch  auszuscheiden  ist  n.  1368,  als  thessalisch  n.  1371 
(s.  S.  5J8).  Ungern  vermifst  werden  drei  von  Carapanos,  Dodone  et  ses 
ruines,  Paris  1878  nicht  umschriebene  Fragmente  einer  Freilassungs- 
urkunde (Taf.  XXXII,  2;  s.  S  528).  Die  zahlreichen  Orakelinschriften 
sollen,  soweit  sie  sich  mit  Sicherheit  bestimmten  Dialekten  zuweisen 
lassen,  an  den  Schlufs  des  Bandes  gestellt  werden. 

Larfeld,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1886  n.  29/30  Sp.  928.  Mit 
dem  Fragment  SGDI  1335  sind  zu  verbinden  Carapanos,  a.  a.  0.  Taf. 
XXXllI,  18.  19.  Ich  lese  und  ergänze:  BaatXs.(juv\-og  \^AA\£^dvopotj  (Sohn 
des  Neoptolemos,  342 — 326  v.  Chr.),  i.7i\}  (2)  MuXo[aau)v  (3)  ä[pxovTog} 
'ApcalrojfjLd^otj  'Vp(pa-{4)^o[g^   ypa/x]p.aTi[og   S]s  Meveddpuu  (ö)  "Op[<paXog^ 


528  Griechische  Epigraphik. 

i8]o$e  T[ä]:  ix{so)^yjacac  twv  (6)  'AmcpcD-äv]-   Krrjaiov  euep-j^srag  £-(7)<tt;, 
8cu  do/iecv]  7:o^ei{so)T£iav  Kt:^(t[uj-{8)vc'\  xat  a\uro7  xac\  yevzal. 

Derselbe,  a.  a.  0.  SGDI  1359  ist  zu  verbinden  mit  den  Frag- 
menten Carapauos,  a.  a.  0.  Taf.  XXXIII,  8.  7:  &]£6q,  [ry];^«  dyaBd. 
Bo\^Lax'\og,  (2)  0opiii[a\xog,  'E^£vcxa^  (J)ap[v]a)'6pa  (3)  ^Xeo^uj  iXeuM- 
pav  dfc£v[Tc]  xul  a[u-{4)-oc  dn'  auzujv  xal  tujv  ixyö[vw]v  au-{5)Tdv  xa\ 
yivog  ex  yeveäg,  [a\g  (=  ziog)  xa  \^B'\ot-{&)(Txog  xat  äapvaydpa  reXsuzd- 
\a-{'j)u)vvi  xal  Ooppiaxog  ^/5[a](T;y,  T/?[a-(8)7r£r<TÖa;,  o-nai  xa  d^iX\rj.  M^dp- 
Tup-(ß)£g  Adyopog  BaT£Xw[vo\g^  K£f[a-{\0)Xog' OnXalvog^  noX(j7:{so)£[p]^wv 
^On-{ll)Xa?vog,  Sipiag,  Kila\^i&'\og. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Drei  von  Carapanos  nicht  umschriebene  Frag- 
mente einer  Freilassungsurkunde  (Taf.  XXXII,  2)  ergeben  die  Lesung: 
öeoff],  Tw;^«.     (2)  Su}mTt\drpa  ^oj-{Z)cnndT'\po\jj^   dTCo-{4:)X()\£t  rä  8\jja  (?) 

XTd-(b)para ipnov-{Q)ra    x[a\    'ErJ\tpiva-{1)\>]    Xba£i   \^£v\ixa'c.     '£?-(8);r]j 

Qpda\iu\wg  A'£-(9)^]«/<9r>[y  Txp'\oa-d.-(\^)za.     \^Mdpxu\p£g  roi-{\V\ag  0 

'Ay£X-.    Die  Urkunde  ist  gleichaltrig  mit  n.  1365,  wo  Z.  12/13  der  Name 
des  Prostatas  0p]dcra>vog  K£Xaidou  herzustellen  ist. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Nicht  dialektisch  ist  die  in  Vulgärdialekt  ge- 
schriebene Weihinschrift  des  Königs  Pyrrhos  (gewidmet  nach  der  Schlacht 
bei  Herakleia?)  SGDI  1368.  Statt  \^An£cpa>\T:ai  ist  ['H7:£cp<v]Tac  zu  lesen, 
da  der  untere  Teil  des  Anfangsbuchstabens  wegen  der  parallel  laufen- 
den Hasten  nur  zu  H  ergänzt  werden  kann. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Nicht  epirotisch  ist  die  Weihinschrift  auf  dem 
Bande  eines  Gefäfses  Carapanos,  Taf.  XXV,  2  (SGDI  1371)  und  2  ter, 
welche  nach  den  Varianten  der  zweiten  Hälfte  dcuva  und  Jcwvac  die  Dativ- 
form Jcatva  zu  bieten  scheint  Die  Inschrift  ist  auf  den  thessalischen 
Dialekt,  genauer  auf  die  Mundart  der  Thessaliotis  (Gen.  Sing.  II.  Dekl. 
ou,  dagegen  Pelasgiotis  und  Perrhäbia  oc)  zurückzuführen,  wie  dies  die 
Wahrung  des  Patronymikon  in  llapBatou  und  die  Verdumpfung  des  ö-Lautes 
in  J«  Ndoo  (=  Nacuji,  Ndcu)  beweist. 

Durrbach,  BGH  X  1886  S.  449  trifft  mit  Fick  in  der  Ergänzung 
von  SGDI  1351  Z.  2:  $£vt[x]a[?  X]'ja£t  und  n.  1360  Z.  3:  $£vcxdc  Xbai  d\n£' 
X{jaav\  zusammen,  n.  1353  Z.  3.  4  ist  gleichfalls  zu  ergänzen:  £X£(j[d-£pov 
d(ptiv-t  ^£vixac  X^üoEi.  —  Vgl.  über  diese  Formel  Durrbach,  a.  a.  0. 
(s.  S.  516). 

Robert,  Hermes  XVIII  1883  S.  466—472  »Ein  antikes  Numerie- 
rungssystem und  die  Bleitäfelchen  von  Dodona«  erweist  die  mehrfach 
auf  der  Rückseite  der  Orakelanfragen  vorkommenden  Einzelbuchstaben 
als  Zahlzeichen  und  Kontroimarken  bei  Abgabe  und  Rückgabe  der  Täfel- 
chen nach  den  Nummern  einer  zu  diesem  Zwecke  angefertigten  Liste  der 
Fragesteller.     A — il  =  1 — 24;  beim  Weiterzählen  werden  Doppelbuch- 


VII b.   Epirus:  Dortona.  529 

Stäben  verwendet,  wobei  A  ftii'  die  einmal  durchgezählte  Reihe  =  24 
gilt,  demnach  beispielsweise  AP  =  24  4-17  =  41. 

Pomtow,  Fleckeis.  Jahrb.  Bd.  127  1883  S.  308—345  behandelt 
»die  Orakeliuschriften  von  Dodona«  (Carapanos,  a.  a.  0.  Taf.  XXXIV 
— XXXIX)  und  fafst  die  aus  denselben  sich  ergebenden  Resultate  für 
das  Orakelwesen  S.  345 — 360  zusammen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  308—318.  I.  Anfragen  griechischer 
Staaten,    (n.  1—5.)     S.  308ft'.  n.  1.  2  (Car.  XXXIV,  5  und  4  verbun-  Car.34.  .'i.  4 

39   7 

den  mit  XXXIX,  7).  Anfragen  Korkyras  über  innere  Verhältnisse. 
n.  1  Z.  1 :  ysög.  'Encxocvu)VT]ac  h'opx[upa!oc  -  -,  Z.  3.  4:  -  xdX\kaTa  xrxl  ca.  425  bz« 
ä[pc(TTa  x(u  vT)v  xal  eis  t-\uv  enetra  ^fjovov]  focxsoce[v.  —  n.  2  Z.  2ff. : 
in[c]xo!Vu>vrac  roc  K[o]pxupa-\[coc  zioc  Je  (3)  Ndwc  xal  rat  J[«]a»va;,  tlvl 
xa  [(9]-j£(i;v  iy  (4)  rjoujujv  &{jov\r\sg  xal  £y2'M'l/^^''''t']  (^)  ^/J-ovoocsv  i[7:]c 
Tujyabov.  /^  auf  der  Rückseite  von  n.  1  nach  Pomtow  von  Priester- 
hand gemachte  Abbreviatur  für  Sdpoo,  da/xömov  oder  dgl.,  nach  Robert, 
a.  a.  0.  S.  468  Zahlzeichen.  —  n.  1  ist  wegen  des  F  und  des  ionischen 
Alphabets  zwischen  450  und  350  v.  Chr.,  wahrscheinlich  nicht  nach  dem 
peloponnesischen  Krieg  zu  setzen ;  n.  2  vielleicht  einige  Jahrzehnte  jünger. 
Beide  Anfragen  setzt  P.  in  Beziehung  zu  den  von  Thuk.  3,  70 — 85.  4, 
46—48  (427—425  v.  Chr.),  bzw.  Diodor  13,  48  (410  v.  Chr.)  geschil- 
derten unsichern  Zuständen  von  Korkyra. 

Derselbe,  S.  314ff.  n  3  (Car.  XXXIV,  1  verbunden  mit  XXXV,  4).  Can34,i. 
Anfrage  Tarents  über  Wohlergehen:   6'£o[r]g',  |  zu^ac  dyaßäi.    ['Empcurr^c  ca  anov 
(2)   }ra  7:u-\Acg   \-a  rcuv  Tapr/y[Tc'vu)V  (3)  rov  d-\ia  ruv  Ndiov  xai  T[av  dabvav 

(4)  Ttep]  1  navT'j^tag  xal  r,[^z.pl iv'i  (5)  Ta)r.\.pa>c  xal  mpl  ruiv . 

Das  aus  den  tabulae  Hercul  (CIG  5774 ff.)  hinlänglich  bekannte  Zeichen 
|-  für  den  rauhen  Hauch  begegnet  hier  zum  ersten  Male  sicher  auch  in 
dem  Alphabet  der  Mutterstadt.  Ausgang  des  4.  oder  Anfang  des  3.  Jahrb.? 
Vgl.  Blafs,  Rhein.  Mus.  XXXIV  S.  160. 

Derselbe,  S.  316f.  n.  4  (Car.  XXXIV,  3  bis;  Rückseite  von  n.  8).  Car  34,3b 
Anfrage  seitens  des  Mov  .  .  diazdv  tu  xuivov.    Z.  4  vielleicht:  llüppot  Ta\}\ 
beixt<TT\e\uu\  ara  Schlufs:  rd  &ep.c[(Tzsüßdv-a? 

Derselbe,  S.  317f.  n.  5  (Car.  XXXIV,  2).    Anfrage  eines  Nach-  Ca.-.  34,.'. 
barst aates  der  Molosser  über  Politik.     Wegen  der  fast  kursiven  Schrift 
die  bei  weitem  jüngste  aller  Inschriften;  doch  Dorismus  festgehalten. 

Derselbe,  S.  318ff.    II.  Anfragen  von  Privatleuten.    A)  Die 
Antiquissimae  (n.  6.  7).  —  S.  318  n    6  (Car.  XXXVI,  4  bis;  Rück-  Cai.sc, 4b 
Seite  n.   14).    Etwa:   Tu^av  dy]aHdv.     flozspa  Tuv^[dvoipc  ä/ieevov  \  Tipda-     r,.  jahrh. 
ö'a»][^]    y]  zdv  (oder   -);[v]av'?)    rj   dlXav   ot'xrj(y[cv  i/<üv;  —  Wegen  E  =  5/ 
noch  Ende   des   5.  Jalirh.     Über  die   auf  derselben  Seite  noch   vorhan- 
denen Reste  zweier  anderen  Inschriften  s.  S.  325  u.  (S.  530  u.). 

Derselbe,  S.  319   n.  7   (Car.  XXXVIII,  6).     Schlufs   einer  An-  c-.u-.-ax.cu 
frage:  ^  dUav  jxaazeke  (=  {laazeüec,  /laazsui^?);  ebenso  schon  Bursian. 
E  =  ^. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LH.  (1887.  HI.)  34 


530  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  S. 319—332  n. 8—22  Vorderseite.  B)  Dorer  und  Äoler. 

Car  34,3.  —  S.  319  ff.  11.  8  (Car.  XXXIV,  3;  Rückseite  von  n.  4).    Euandros  und 

sein  Weib   fragen   über  Wohlergehen.     Einige  Besonderheiten   der  äoli- 

schen  Schreibweise  s    bei  Röhl  I,  131.    Am  Rande  Priestervermerk:  Euav- 

[8poQ.    AP  nach  Robert,  a.  a.  0.  S.  470  Zahlreichen  =  41  (s.  S.  529  o.). 

ar.  37, 2. 3.  D  e r  s  e  1  b  e ,  S.  32 1  f.  u.  9  (Car.  XXXVII,  2  verbunden  mit  XXXVII,  3). 

Hippostratos  fragt  über  Wohlergehen.  Z.  2  vielleicht:  ij  ixrj\>[uü)v\  /i/[rij- 
fjTjv  =  »ob  ich  durch  Denunziation  des  Klares«,  oder  (nach  Robert):  ^ 
firj  \'{au\x'A[ci\(j[(l)~\v  bzw.  mit  Syntaxfehler:  \>[fw^x'A\a\prjV  — . 

Car  36,2.  Derselbe,   S.  322  n.  10   (Car.  XXXV,  2).     Sokrates  fragt   über 

Wohlergehen.  Robert,  a.  a.  0.  S.  467  Anm.  2  ergänzt:  Stoc ,  zuya 
dya&a.  Tu>  AI  zS)  A'a/Jo»  xal  äiojvo.  Scuxfjdzrjg  smxoi-{1)vrjzat,  r.uzepw^ 
vaoxXapibv  tj  yäv]  ipyal^o psvog  Xujiov  xal  äfistvov  (3)  npd^si  b  ulug  rxuzoü 
I!iüaTpaT\og  xai  ahzib  xai  yEvea.  —  In  der  von  ihm  ergänzten  Aufschrift 
der  Rückseite:  101  ^«^  äp.a-i  lijoptg  \  — dioof^peg  yviuvat  tu  dXaBkg 
möchte  derselbe  schon  der  poetischen  Färbung  wegen  eine,  offenbar  sehr 
allgemein  gehaltene,  Antwort  des  Orakels  sehen  (vgl.  u.  S.  532). 

Car.  36, 2.  Derselbe,  S.  322ff.  n.  11  (.Car.  XXXVI,  2).    Lysanias  fragt  über 

das  Kind  der  Annyla.  Nach  P.  wäre  ärjojvav  Z.  3,  w'elches  auch  in  n.  16 
wiederkehrt,  wo  der  Schreiber  ein  Ambrakiote  ist,  als  ambrakiotische 
Eigentümlichkeit  aufzufassen.  Schwerlich  richtig.  Auf  der  Rückseite 
lassen  sich  unter  andern  gröfsern  Buchstaben  auch  A  und  Y  erkennen; 
vielleicht  Ly[sanias? 

Car.  36,1.  Derselbe,  S.  324  n.  12  (Car.  XXXVI,  1).     Agis  fragt  über  ver- 

lorene Matratzen  und  Kissen.  ärMXo){zv  Z.  3  wohl  Schreibfehler.  Das 
von  Car.-Foucart  am  Schlufs  der  Zeile  ergänzte  auzog  befriedigt  nicht 
ganz,  auch  hat  es  zwei  Buchstaben  zu  wenig;  es  stand  hier  wohl  ein 
zweiter  Eigenname.  Auf  der  Rückseite  Priestervermerk:  'AY[cg\  darunter 
ein  B,  nach  Robert,  a.  a.  0.  Zahlzeichen  (s.  S.  528  u.). 

Car.  37, 8.  Derselbe,  S.  324 f.  n.  13    (Car.  XXXVII,  8).     Amyntas  fragt  in 

betreff  seines  Sohnes.  Die  mit  kleinerer  Schrift  unter  dem  Eigennamen 
eingeritzten  Worte:  iy  Xio{o)  sind  nicht  mit  Car.-Foucart  auf  das  Vater- 
land des  Amyntas  zu  beziehen,  denn  dieser  ist  Dorer  {Aiaiivav  Z.  2).  P. 
fafst  sie  als  Überreste  einer  früheren  Inschrift,  wodurch  bewiesen  würde, 
dafs  auch  die  Bewohner  der  Westküste  Kleinasiens  mit  dem  alten  Stammes- 
heiligtum in  Verbindung  geblieben  wären.  0  für  OY  würde  auf  das 
6.  Jahrh.   deuten  (doch  widerspricht  die  Form  6!)- 

Car.36,4.  Derselbe,   S.  325  n.  14  (Car.  XXXVI,  4,   Rückseite  von  n.  6). 

Anfrage  des  Lysias  und  Pasias. 

Car.  38,1.  Derselbe,  S.  326  n.  15  (Car.  XXXVIII,  1).    Anfrage  über  Schaf- 

zucht. Der  Anfang  zu  lesen :  'Epouzäc  K?,soijza[g]  (Thessaler  wegen  Ver- 
dumpfung  des  ö-Lautes).     Z.  3  zu  schreiben:  ömcuv.    Auf  der  Rückseite 


Vllb.   Epirus:  Dodona.  531 

Priestervermerk:  r.kp  Tipußa-siag.  Die  Zeichen  rechts  davon  K  •  J-  er- 
gänzt Robert,  a.  a.  0.  S.  468  zu  KXeoü-ag.  Ein  darunter  stehendes  E 
fafst  er  als  Zitier  (s.  S.  528  u.). 

Derselbe,  S.  326f.  n.  16  (Car.  XXXVI,  5).    Ein  Ambrakiote  fragt  Car.  se.s. 
über  seine  und  seiner  Nachkommen  Gesundheit.     Z.  1:   [z]tg  'Außpaxid- 
\yag.    Über  ilrj\tuvat  s.  zu  n.  11. 

Derselbe,  S.  327ff.  n.  17  (Car.  XXXVII,  4).    Anfrage  über  den  Car. 37,4. 
Ausfall    von   Handelsgescliäften.     Z.  2    ty^c   vielleicht  verlesen   oder   ver- 
schrieben für  ra^i.    Ar  nach  Robert,  a.  a.  0.  S  480  Zahlzeichen  =  27 
(s.   S.  529  0.). 

Derselbe,  S.  329  n.  18   (Car.  XXXVI,  6).     Lesung  zweifelhaft.  Car.36,6. 

Derselbe,  S.  329f.  n.   19  (Car.  XXXVII,  1).     Anfrage  über  den  Car.37,1. 
Besitz  eines  Stadthauses  und  Landgutes.    Auf  die  Schreibung  i  nöXt  statt 
£/i  TM}d  Z.  ]   ist  mit  Bm-sian  wegen  der  auch  sonst  nachlässigen  Schrei- 
bung (vgl.  7:uXuu)<f£Ki{a)-e{p)üv  Z.  2;   auch  Röhl  I,    131)    kein  Gewicht 
zu  legen. 

Derselbe,  S.  330  n.  20  (Car.  XXXV,  3).     Anfrage  über  Bürger-  Car.  35,8. 
rechtsverleihung.     In  der  Aufschrift  der  Rückseite  wird  ergänzt:  --;:«]- 
zipa    ^il6-a\>  y.a\  (5)  po.ripa ?  'l(ft\jiveiav  xat  d\o]-{Q)Yaripa. 

Derselbe,  S.  330f.  n.  21  (Car.  XXXVIII,  2).    Anfrage  über  eine  Car.  38,2. 
Schreibtafel.     Z.  2   wird  ergänzt:   'Ap{)a{Tag.     Z.  3.  4  ist  die  Ergänzung 
von  Car.-Foucart:   al  a[()jX(popov  ikd-£tv  schwerlich  richtig;  Z.  5  zu  er- 
gänzen: ilujpc]Xaov,  am  SchluCs:  £-£'/^vä[aazu\  Z.  6:  eY{y)pa(prßriixzv. 

Derselbe,  S.  331  f.  n.  22  (Car.  XXXV,  l).  a)  Anfrage  einer  Car. 35, 1 : 
Frau  über  Heilung  von  Krankheit.  Nach  dem  Priestervermerk  lölaq 
(Genetiv)  auf  der  Rückseite  ist  Z.  1  wohl  zu  ergänzen:  Btüq.  'Ettspojt^c 
'l6X\a  — .  In  einer  zweiten,  auf  derselben  Seite  stehenden  Anfrage  (viel- 
leicht einer  Reisegesellschaft,  Robert)  b)  Z  1:  ^  elg  'Ekmv  7:£pt£?^[(JiJ]- 
[fxsv  ist  entweder  W.ivca  (Land  des  thesprotischen  Volkes  dev^EXtvoc  gegen- 
über Anaktorion)  zu  verbessern,  oder  mit  Bursian  'EXc'va  für  die  gleich- 
namige Hauptstadt  zu  halten. 

Derselbe,  S.  332  —  335  u.  22  Rückseite  —24.  C)  Athener 
und  lonier.  —  S.  332 f.  n.  22  Rückseite,  c)  Anfrage  über  Kinder.  Car.  30,  r 
Z.  2.  3  nach  P.  wohl  zu  ergänzen:  impcuvfX!,  \  ^  Xwiuv  xal  äpscvov  elrj] 
ix  ry^g  juvoAxog  [TTacduTiotr^cratTdac.  Robert,  a.  a.  0.  S.  470  möchte  die 
Inschrift  nach  Vergleich  mit  XXXVIII,  3  etwa  ergänzen:  *ö  decva  ahsT 
Tuv'\  Jco.  xal  TYjv  duijvTjV  (2)  xal  robg  Jujoojvacoug  xal]  rov  f^sov  ine- 
pajzät,  (3)  sl'  ioriv  aozS)  7:aioor.<mcalhic]  ix  zr^g  yuvatxug.  —  Darunter 
in  umgekehrter  Schrift  der  Priestervermerk :  Nix  — ,  vielleicht  auf  einen 
der  Dorer  von  b)  zu  beziehen.  Dann  kann  man  auch  das  unter  letz- 
terem stehende  'löh/g  (s.  o.)  als  dorische  Nominativform  für  löXaog  an- 
sehen und  hierin  einen  zweiten  Frager  von  b)  erkennen.    Vgl.  Robert, 

34* 


532  Griechische  Epigraphik. 

a.  a-  0.,  der  ein  auf  Ncx-  folgendes  ^,  sowie  einen  in  T  oder  Y  korri- 
gierten Buchstaben  für  Zahlzeichen  erklärt  (s.  S.  528  u.)- 

-ar.38,3.  Derselbe,  S.  333f.  n.  23  (Car.  XXXVIII,  3),    Bitte  des  Atheners 

Diognetos.  Z.  6  ist  das  u  von  euvotQ  undeutlich;  entweder  ist  ein  Schreib- 
fehler für  £[x;'J] vor?  anzunehmen,  oder  süvoü?  zu  korrigieren.  —  Polak, 
Mnemosyne  XV  1887  S.  273  liest:  {T)i[x]votg\  Z.  5:  abzw  statt  aura). 

Dar. 38, 4.  Derselbe,  S.  334 f.  n.  24  (Car.  XXXVIII,  4).    Herakleidas  fragt 

nepl  yetverjQ.  Wegen  der  ionischen  Form  yetverig  Z.  3  ist  der  Eigen- 
name auf  -das  wohl  verlesen.  Z.  2 ff.  werden  ergänzt:  xai  T\o7g  eaurod 
xac  äjxa  eTisipa)-{Z)z£7'\  nepl  ysivsrjS,  ^  £aTa[c  aöran  nacdcov  ix  r^g  yuvai- 
(4)xo?]  A\l'}Yh)g^  rrjg  vov  e^et. 

Derselbe,  S.  335  —  338  n.  25  —  29.  D)  Die  angeblichen 
Orakelantworten.  —  Nach  Pomtow  wären  von  Car.  mehrere  Inschrif- 
ten  mit  Unrecht  als  Orakelantworten  in  Anspruch  genommen  worden. 

Car.  38, 7.  So  S.  335  u.  25  (Car.  XXXVIII,  7).  Das  in  die  gröfsere  Platte  hinein- 
geprefste  Fragment  ä,  welches  Car.  für  eine  Orakelantwort  hielt,  soll 
vielmehr  eine  ähnliche  Anfrage  wie  das  gröfsere  Fragment  a  enthalten. 

ir.  37, 1  b.  —  S.  336  n.  26  (Rückseite  von  Car.  XXXVII,  1).  Das  lückenhafte  Wort 
em .  AAtj?  sei  nicht  Orakelantwort,  sondern  wahrscheinlich  Priesterver- 

Car.  35, 6.  merk.  —  S.  336  n.  27  (Car.  XXXV,  6)  sei  weit  einfacher  als  Rest  einer 

:ar.  37, 6.  Anfrage  zu  fassen.  —  S.  336  u.  28  (Car.  XXXVII,  6).  Die  über  einem 
Schlangenhals  mit  Kopf  eingeritzten  zusammenhanglosen  Buchstaben  seien 

Car.  38, 6.  wohl  uur  Spielerei  mit  dem  Griffel.  —  S.  337 f.  n.  29  (Car.  XXXVIII,  5). 
Z.  2  sei  von  anderer  Hand  geschrieben,  als  Z.  1.  In  letzterer  begegne 
die  ionische  Form  pavTrjtov^  deshalb  keine  Orakelantwort  (allein  jene 
Form  ist  nicht  lediglich  ionisch,  s.  Dittenberger  zu  dem  delphischen  De- 
kret S.  499  u.).  —  Dagegen  sind  nach  Robert,  a.  a.  0.  S.  467  Anm.  2  als 
Orakelantworten  zunächst  einige  schmale  Bleiplättchen  anzusehen,  die  in 

ar.  35, 6.  die  Fragetäfelchen  eingewickelt  wurden  (Car.  XXXV,  6  =  n.  27,  XXXVIII, 
5.  6  =  n.  29.  7,  und  namentlich  XL,  3  =  n.  43;  s.  u.).  In  einzelnen 
Fällen  wurde  die  Antwort  auf  die  Rückseite  des  Fragetäfelchens   ein- 

:ar. 37,5.  gcritzt ;  so  sicher  XXXVII,  5  =  n.  32  (s.  u.),  wo  man  unter  den  derben 
Buchstaben  einer  späteren  Anfrage  deutlich  liest  ätovuai-  (offenbar  Name 
des  Orakelsuchenden)  und  kreuzweise  darüber  AIONE0YHN  = 
/lubvY]  &urjv,  offenbar  als  Antwort  auf  die  formelhafte  Frage:  tw  xa  Becüv 
^  Yjpujwv  ^üojv  xal  Bu^ofievog  Xwtov  xa}  äpecvov  7Tpda<Toc/xc.  Name  und 
Antwort  scheinen  von  derselben  zierlichen  Hand  eingeritzt  zu  sein.    Auch 

:ar.  35, 2.  Ist  XXXV,  2  =  u.  10  wohl  für  eine  Orakelantwort  zu  halten  (vgl.  S.  530). 
—  Als  völlig  zweifelloses  Beispiel  einer  Anfrage  mit  Antwort  veröffent- 
lichte Carapanos,  Rev.  arch  1883  S.  354—356  folgende  Inschrift.  An- 
frage: 9s6[g,  TÜ]^a  dya-{2)Bd.  'Ep[coT]s7  'AvTco-{3)xo[g  7u]v  dt  (so)  xai 
räv  (4)  dccüv[a]v  bnkp  uyc-(5)£cag  [ajuroü  xac  7:a-(G)Tpög  xal  d8sX(p-{'l)äg, 
r[/]va  &su)V  ^  ijpliuco\v   TtpäV'{8)Tc   X[w]cou  xac   ä-{9)p£cvov  ei^.     Antwort 


Vllb.  Epirus:  Dodona    Ambracia.     VII  c    Illyricum:  Corcyra  nigra.     533 

auf  der  Rückseite  (nach  einem  sonderbaren  Erklärungsversuche  des 
Herausg.  a.  a.  0.  von  Merriam,  American  Journal  of  philology  V  1884 
S.  85f.  sowie  von  Gomperz,  Berl.  philol.  Wochenschrift  1884  n.  5 
Sp.  129  richtig  gedeutet):  Etg  ' Epixc-(2)um  (3)  upjj.d-{'^)aa(a)vzc. 

Derselbe,    S.  338  —  343   n.  30  —  42.     E)  Die  übrigen  meist 
sehr  verstümmelten  und  unleserlichen  Inschriften.  —  Von  den 
bei   Car.  nur  in  Faksimile  mitgeteilten   Plättchen  folgen  noch  in  Um- 
schrift:   S.  338   n.  30  =  Taf.  XXXVI,  3,    S.  339   n.  31  =  XXXIX,  4,    Car.  3.;,  3. 
S.  339  f.  n.  32  =  XXXV n,  5  (s.  S.  532),   S.  340  n.  33  =  XXXVII,  9,  39,4.37,5. 
n.  34  =  XXXVII,  7,  S.  341  n.  35  =  XXXIX,  2  (A  auf  der  Rückseite  07,7.39,2 
nach  Robert,  a.  a.  0.  S.  468  Zahlzeichen),  S.  341  f.  n.  36  =  XXXIX,  1,       39,  i. 
S.  342  n.  37  =  XXXIX,  3,  n.  38  =  XXXVIII,  8,  n.  39  =  XXXIX,  8,  39,3.8.38, 
S.  342  f.  n.  40  =  XXXIX,  5,  S.  343  n.  41  =  XXXIX,  6,  n.  42  =  XXXV,  5.  39,5.(;.35, 

Derselbe,  S.  343  n. 43— 46.  F)  Die  noch  unentzifferten  Plätt- 
chen. —  S.  343  n.  43  =  Taf.  XL,  3.    Car.  giebt  nur  die  Photographie  Cai.  411, 3. 
eines  zusammengeprefsten  gröfseren  und  kleineren  Plättchens ;  bisher  noch 
nicht  enträtselt.    Zwei  weitere  Fragmente  (n.  44.  45)  hat  derselbe  noch 
nicht  publiziert.  —  n.  46  =  XL,  4.     Nur  in  Photographie  mitgeteilt,  Car. 40, 4. 
noch  unentziffert. 

Derselbe,  S.  344f.  n.  47.  48.  G)  Nachtrag.  Zwei  später 
ausgegrabene  Bleiplättchen.  —  n.  47.  Gurlitt,  Archäol.-epigr. 
Mitteilungen  aus  Österreich  IV,  61  f.,  Faksimile  IGA  332  (Roberts  108). 
Buchstaben  von  Korinth  und  seinen  Kolonieen.  P.  ergänzt  Z.  1/2:  'Av]ä(T- 
ff^lsTog.  —  n.  48.  Gurlitt,  a.  a.  0.  In  vier  Stücke  zerbrochener 
Bleistreifen  mit  mehreren  über  einander  geschriebenen,  nicht  zu  enträt- 
selnden Inschriften,  deren  Buchstaben  mitgeteilt  werden. 

Ambracia. 

Blafs,  Dialektinschriften  von  Korinth,  Kleonai,  Sikyon,  Phleius 
und  den  korinthischen  Kolonieen  am  ionischen  Meere  (Bezzenb.  Beitr. 
XII  Heft  3  1887)  behandelt  unter  V  die  Dialektinschriften  von  Ambrakia 
(s.  S.  445).     [Vgl.  Derselbe,  SGDI  III,  2  1888  S.  82.] 

Oberhummer,  Akarnanien,  Ambrakia  u.  s.  w.  s.  S.  526  0. 

Vllc.    Illyricum. 

Blafs,  a.  a.  0.  behandelt  unter  VI  S.  211  f.  n.  35—37  [SGDI  III,  2 
n.  3221—3223]  die  Dialektinschriften  von  Apollonia,  S.  212  n.  38.  39 
[SGDI  111,2  n.  3223(1).  3224]  von  Üyrrhachion. 

Corcyra  nigra. 
Hirschfeld,    Archäol.-epigr.   Mitteil,   aus   Österreich  VIII    1884 
S.  87—89  veröffentlicht  nach  Briefen  von  Vuletic-Vukasovic,  docente  di 


534  Griechische  Epigraphik. 

storia  e  lingua  slava  in  Curzola,  an  Mommsen  mehrere  lateinische  In- 
schriften aus  Dalmatien  und  der  Herzegowina.  Darunter  S.  87  n.  1  eine 
in  einem  Grabmal  zu  Curzola  (Corcyra  nigra)  gefundene  griechische 
Grabschrift:  MapxiXXu)  (2)  'Em(pav€l  (3)  t^c  Kdtxl-{^)ag  Mrjv6-{^)<pdug 
(6)  0  ulu[g\  (7)  p-vrjfiTjg  (8)  X"P^\y^-  Über  die  cilicische  Stadt  'Eru(fdvzia 
s.  Pape- Benseier.  Die  Schriftzüge  sind  teilweise  ganz  barbarisch  und 
nähern  sich  der  Kursive. 

S  a  1 0  n  a  e. 

Frankfurter,  a.  a.  0.  teilt  unter  einer  grofsen  Zahl  im  Museum 
zu  Spalato  befindlicher  lateinischen  Inschriften  aus  Dalmatien  und  Um- 
gegend (S.  104 — 179)  auch  ein  aus  Salona,  dem  alten  Salonae,  herrüh- 
rendes dürftiges  Fragment  einer  griechischen  Inschrift  (S.  150  n.  197)  mit 
(vorher  schon  herausgg.  von  B(ulic),  BuUettino  di  Archeologia  e  Storia 
Dalmata  VII,  71):  -tov  layrtt»[v?  -(2)-  dcä  npeaß[ecav'^  - (3) -  ' Epfierou 
/i-(4)-o/x  -  -. 

Spalato. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  178  veröffentlicht  nach  einer  Zusammen- 
stellung von  Glavinic,  Bull.  Dalm.  IV,  65  f.  vier  griechische  Fabrikmarken 
auf  Thonlampen  im  Museum  von  Spalato. 

Hirschfeld,  Archäol-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  IX  1885  bietet 
unter  einer  gröfseren  Zahl  lateinischer  Inschriften  aus  Dalmatien  (S.  1 
— 30)  auch  einige  griechische.  Darunter  S.  19  n.  31  eine  im  Museum 
befindliche  Grabschrift  des  BaacAior^g  xk  KaUcyövr]  auf  ihr  l^/a  Jahre  alt 
verstorbenes  Töchterlein  Baadcaarj.     Schlufs:  Xips^  TcapoSlr^a. 

T  r  a  11. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  6  u.  3  (=  Bull.  Dalm.  1885  S.  27).  Im 
Benediktinerkloster:  ^Em  lepopvdpLovog  (2)  Eodpeog  (3)  rou  Tsc/iaaccDvog, 
(4)  Xoycazäv  Ja^vacou  (5)  'OXrccovog  ZdXXa,  (6)  Oapaüvovrog  Auac'a,  (7) 
fpapiiaziog  'Apiaxoipdvtog.  Wahrscheinlich  aus  Lissa;  vgl.  CIG  1834, 
wo  sowohl  der  barbarische  Name  EdXXa  wiederkehrt,  als  auch  Logisten 
erwähnt  werden. 

Perasto. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  27  n.  43^  Grabcippus  im  Gemeindehaus. 
Mouxc'a  ' EruxTrj-{'2.)at5  UozioXo.va[g  errichtet  ihrem  Mann  und  sich  selbst 
ein  Grabmal,  mit  Strafandrohung.  —  S.  27  f.  n.  43''.  Ebd.  Grabcippus. 
Aixcvvtüi  (2)  "Av&tpag  xac  (8)  ]4Xe$avdpog  errichten  sich  und  ihren  Frauen 
Hermione  und  Epikarpia  ein  Grabmal. 

Schneider,  a.  a.  0.  S.  82.  Perasto;  aus  Risano.  Grabstein- 
fragment mit  Reliefdarstellung  dreier  Männer  und  der  Inschrift:  a)  Zo- 
ptxc'ojc  (=  Xopcxuotl)  I  0cXu>vog,  b)  'Hyrjacag  \  ftiwvog,  c)  Msv£\xy}drr]g  \ 
Mevex[pdzoug.     Darunter:  ^ac'pere. 


VII  c.  Illyricum.  VIII.  Corcyra  et  viciuae  iusulae.  X.  Macedonia  et  Thracia.     535 

VIII.  Corcyra  et  vicinae  insalae. 

Blafs,  Bezzenb.  Beitr.  XII  1887  (s.  S.  445)  behandelt  unter  V  S.  186 f. 
n.  4.  7  [SGDI  III,  2  n.  3178.  3182]  die  Dialektinschriften  von  Leukas, 
unter  VI  S.  188—211  n.  1—34  [SGDI  III,  2  n.  3186—8220]  von  Corcyra. 

Corcyra. 

Warsberg,  Lützows  Kunstcbronik  1884  S.  290  n.  17.  1.  'A]^po- 
dtT(^  i[spöv?  2.  '^lapug  Tidv-wv  \  Bewu  oos  ßoj/x6g.  Dem  Schriftcharakter 
nach  etwa  aus  dem  3.  Jahrb.  v.  Chr. 

Zwei  zu  Dodona  gefundene  Orakelanfragen  Korkyras   s.  8.  529. 

X.  Macedonia  et  Thracia. 

D  i  u  ra. 

Laspopulos,  Parnassos  VII  1883  S.  185.  Kunturiotissa,  iVa  St. 
von  Dion.     Fragment  einer  5  zeiligen  Grabschrift  aus  später  Zeit. 

Derselbe,  a  a.  0.  S.  186.  Stypio,  Va  St.  von  Kunt.,  unweit  Dion. 
Grabschrift  der  Komnia  Antigona  auf  ihren  Mann  Titus  Tiberianus  Par- 
menion. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Karitsa,  unweit  des  vorigen  Ortes.  Späte 
Grabschriften:  1.  des  Eros  und  der  'Piu/xrj  ßepivrj  auf  ihre  Tochter; 
2:  Mrjxoptov   OeonoBmag  \  xal  ^Epixcövrjg. 

L  e  t  e. 
Polak,  Mnemosyne  XV  1887  S.  277ff.  giebt  Lesarten  und  Erklä- 
rungen zu  dem  Ehrendekret  für  Marcus  Annius  SIG  247  (Röhl  I,  137  f.). 

Heraclea   Lyncestis. 

Mordtmann,  KE02:  XY  1884  S.  62  n.  2.  Grabschriftfragment 
des  Philippos,  S.  des  Protogenes. 

Thessalonice. 

Durrbach,  BCH  X  1886  S.  125—129.    Stele  mit  zwei  Rats-  und  ca.  235. 
Volksbeschlüssen  der  Delier  zu  Ehren  des  Admetos,  S.  des  Brokos,  aus 
Thessalonich,  der  durch  Errichtung  von  Statuen  in  Delos  und  Thessa- 
lonich geehrt  werden  soll,  nebst  Antwortschreiben  und  Ratsbeschlufs  der 
Thessalonicher  (Z.  46—77)  s.  XII  unter  Delus. 

Hogarth,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  357ff.  n.  1. 
Arg  verstümmeltes  Bruchstück  des  Ediktes  oder  Briefes  eines  Kaisers 
(vgl.  6  &eöe  naTYjp  {lou  Z.  II.  25)  an  den  Demos  von  Thessalonike  (vgl. 
ot  t^eaaalovixsTg  Z.  24,  6ea(TaXo\vetx£~jciv  Z.  32).  Nach  Z.  15:  Staaa- 
l\ovixri  /j.[o)^]r}  <Tuvrj{p)e-[oü(Ta(?)  möchte  der  Herausg.  das  Fragment  für 
einen  Dankesbrief  des  Kaisers  für  seinem  Vater  erwiesene  Dienste  halten. 


536  Griechische  Epigraphik. 

1 46  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  360  n.  2.     Die  Stadt  errichtet  dem  Kaiser 

Claudius  eine  Weihinschrift;  noXc[T]a[p]^oüvTajv  (9)  NscxrjpdTou  tuu  ßsoSä, 
(10)  'HpaxXstSotj  Tuu  ArjurjTpi'oü,  (U)  smpeXrjZüo  Msvdvdpou  rou  (12)  JJs- 
h^yeivou.  Datum:  ^'Etouq  c«'  2eßaa-:ou  rou  y.a\  ßqp'  =  i.  J.  76  der  Allein- 
herrschaft des  Augustus,  192  nach  Einrichtung  der  Provinz  Makedonien 
=  46  n.  Chr.,  vgl.  Böckh  zu  CIG  1970.  Während  hier  nur  zwei  Po- 
leitarchen begegnen,  scheinen  in  der  Inschrift  CIG  1967  sechs  oder  sieben 
(s.  Böckh,  Api^end.)  erwähnt  zu  werden;  nach  Vermutung  des  Herausg. 
dürften  jedoch  nur  die  beiden  ersten  durch  xal  verbundenen  Personen- 
namen Poleitarchen  sein.  Der  eTunehjzy^Q  unserer  Inschrift  ist  wahrschein- 
lich identisch  mit  dem  Tap.cag  -zrjg  mXsiog  in  CIG  1967,  obgleich  letztere 
nach  Böckh  jünger  ist,  als  der  Regierungsantritt  Vespasians  (69  n.  Chr.). 

•t^i38  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  361ff.  n.  3.     Nur  rechtsseitig  erhaltene  In- 

schrift, datiert  nach  dem  Augustus  T.  Aelius  Hadrianus  Antoninus  Pius 
und  dem  Cäsar  (seit  138)  M.  Aelius  Aurelius  Verus.  Es  scheint  sich 
zu  handeln  um  xuvrjyia  (Z.  5)  —  ex  oiaBrjxCov  ' Epsvvi\ou  — ;  Z.  11: 
"Ap^exai  de  zd  xuvrj[yca  — .  In  Z.  10/11  ist  nur  knapper  Raum  für  zwei 
Poleitarchen;  s.  zur  vorhergehenden  Inschrift. 

1 284  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  363  n.  4.     M.  Aelius  Paramonos  bestimmt 

einen  Sarkophag  für  sich  und   sein  Weib  Aelia  Fausta;  aus  dem  Jahre 

t  2fi3  Btr'  =  284  n.  Chr.  (s.  o.).  —  S.  364  n.  5.  Über  und  unter  der  Figur 
eines  Kindes  mit  einem  Stabe  in  der  rechten  Hand  (unter  welcher  der 
spätere  Zusatz:  oj  paXaxögl)  Grabschrift  des  L.  Canuleius  Zosimos  auf 
sich  und  Canuleia  Potamila,  t^  dneXeuMpa  xal  ehepjexiari  (?);  aus  dem 
Jahre  yqa  —  263  n.  Chr.  —  n.  6.  Grabschrift  der  Flavia  Cassandra 
auf  ihre  Tochter  Lyka.  Späterer  Zusatz  auf  dem  Halse  der  weiblichen 
Büste:  Abxa^  -/alpe.  —  S.  365  n.  7.  Verstümmelte  Grabschrift  mit  dem 
Relief  eines  speerschleudernden  Reiters.  —  n.  8.  Fortunatus  und  Petronia 
errichten  ihrem  25jährigen  Sohne  Patrobios,  sich  selber  und  ihren  Nach- 
kommen ein  Grabmal;  mit  Relief  eines  auf  einen  Altar  zureitenden 
Knaben,  hinter  welchem  ein  Baum  mit  Schlange.  —  S.  366  n.  9.  Ihrem 
Sohne  Aelius  Nepos  (Figur  eines  Jünglings  mit  Speer,  Vogel,  Palmzweig 
und  Kranz)  errichten  Abaskantos  und  Charit[i]n  (=  Charition)  ein 
Grabmal.  Auf  der  linken  Seite  der  Stele  Dialog  zwischen  einem  Wan- 
derer und  dem  Jüngling  (3  Distichen),  in  welchem  der  12 jährig  Verstor- 
bene berichtet,  er  habe  vordem  im  Pankration  und  im  Ringkampf  so 
viele  Kränze  erhalten,  wie  jetzt  im  Tode.  —  Ein  Grund,  mit  dem  Herausg. 
die  Grabschrift  für  christlich  zu  halten  mit  Rücksicht  auf  den  Palmzweig 
und  die  Parallele  zwischen  den  irdischen  und  himmlischen  (?)  Kronen, 
scheint  mir  nicht  vorzuliegen.  Als  Spender  der  Totenkränze  sind  ledig- 
lich die  Eltern  gedacht.  —  S.  367  n.  10.  Stele  mit  Mann,  zwei  Frauen, 
Mädchen  und  Kind  nebst  der  Grabschrift  des  Titus,  S.  des  Secundus, 
und  seines  Weibes  Kleupo  auf  ihre  Kinder  Maketa  und  Marcus.  —  S.  368 
n.  11.  Stele  mit  einem  reitenden  Knaben,  Hund  und  Eber;  hinter  einem 
Altar  Baum  mit  Schlange ;  rechts  Hermes  mit  Stab.  Grabschrift  des  Neos 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Thessalonice.  537 

Numisios  Felix  -  Balas  und  seiner  Schwester  Chreste  auf  ihre  Brüder 
Hierax  und  Hermes.  Z.  1  C  =  f  (C  überall  =  n).  —  n.  12.  Stele  mit 
sitzender  weiblicher  Figur  und  Grabschrift  des  Neos  Numesios  Felix- 
[ßjalas  auf  seine  Tochter  Chrest[e].  Auch  hier  C  =  >?  (C  überall  =  a). 
—  S.  369  n.  13.  Grabschrift  des  KaHso!)ikrates  und  der  Alexandra  auf 
ihren  Vater  Nikanor;  mit  dem  Pentameter:  /xvrj/xocruvrjg  ev£-{5)x£v  (t^/x' 
in£yf)a-{Q)(l>£  zoSe.  —  n.  14.  Unter  der  rohen  Darstellung  eines  Kopfes: 
'A/xmavu;  (für  'Amno.vog)  bTixog  Mdvra  (2)  rfj  lata  Hpsmfj  ixvrjlirjg  (3)  X'^P^'^- 
Bäxog  =  Ruhestätte;  nach  dem  Herausg.  vielleicht  christlicher  Euphe- 
mismus. —  n.  15.  Stele  mit  Grabschrift,  welche  Ti.  Claudius  Par(a)monos 
seiner  Tochter  Claudia  Paramona,  seiner  Enkelin  Klaudia  Heorte,  sich 
selber  und  seinem  Schwiegersohn  M.  Herennius  Aidemon  zu  Lebzeiten 
errichtet.  Die  in  regelmäfsigen  Zwischenräumen  über  der  Inschrift  ein- 
gegrabenen Buchstaben  yva  dürften  das  Jalir  223  n.  Chr.  (s.  S.  536  0.)  be- 
zeichnen. —  S.  370  n.  16.  Stele  mit  weiblichem  Kopf  und  sitzendem  Kinde 
nebst  der  Grabschrift  des  Mattius  Gemellus  auf  sein  Weib  S[et]eina  (neu) 
und  seine  Schwägerin  Grapte.  —  n.  17.  Stele  mit  weibhcher  Figur, 
zwischen  einem  Kinde  und  einem  Baume  sitzend;  von  zwei  männlichen 
Figuren  führt  die  eine  ein  Pferd  auf  dieselbe  zu.  Hipjpostratos  und  An- 
tigona  errichten  ihrem  verstorbenen  Sohne  (rA  olwi)  Hippostratos  sowie 
sich  selber  zu  Lebzeiten  eine  Grabschrift.  —  S.  370 f.  n.  18.  Stele 
mit  Mann,  Frau  und  erwachsener  Tochter  nebst  Grabschrift  des  Dion 
und  der  Kuthein  (barbarischer  Name)  auf  ihre  Tochter  Deltis.  —  S.  371 
n.  19.  Stele  mit  zwei  Frauen  und  einem  Kinde,  -anios,  S.  des  T.,  er- 
richtet seiner  Tochter  Terentia,  T.  des  T.,  und  seinem  Weibe  Tertylla 
sowie  sich  selber  zu  Lebzeiten  eine  Grabschrift.  Der  erstere  Name  ist 
vielleicht  Bretanios.  —  n.  20.  Stele  mit  stehender  Frau,  welcher  ein 
Kind,  ein  Kästchen  in  der  linken  Hand,  mit  der  rechten  einen  Spiegel  (?) 
darbietet.  Fragmentierte  Grabschrift  eines  Ca'?]nul[eius  — .  S.  372 
n.  21.  Stele  mit  zwei  Köpfen.  Grabschrift  mit  sonderbarer  Wortstel- 
lung: —  d}x]u)/x(p  ^(vaa  KXea){^o)vtxrj  rjj  \  ^öYaT]p\  jxvetag  x<^piv.  —  n.  22. 
Stele  mit  Jüngling  zu  Pferde.  Grabschrift  des  Damok[l]os  und  der  Phi- 
l[iste  auf  ihren  Sohn  (?)  Pasam[oJn[os  und  sich  selbst.  —  n.  23.  Stele 
mit  Kopf  eines  Mannes,  einer  Frau  und  zweier  Kinder.  Reste  einer 
Grabschrift.  —  S.  373  n.  24.  Stele  mit  sitzender  Frau,  hinter  ihr  ein 
stehender  Mann.  Inschrift:  'Afj]£Trj  Avzepiu-i  — .  n.  25.  Stele  mit  Kopf 
eines  Kindes,  eines  Mannes  und  Weibes  und  zweiten  Kindes.  Philodoxos 
errichtet  seinem  Weibe  {yuvcxl)  Artemidora  eine  Grabschrift.  —  S.  373 f. 
n.  26.  Sarkophag  (früher  Brunnentrog)  mit  geflügelter  Figur,  in  der 
rechten  Hand  ein  Palmzweig,  in  der  linken  Hand  eine  Guirlande.  Arg 
verwaschene  Inschrift,  vielleicht  des  T.  Serb[eios|  ^/[a]rpo[g  und  — 
auf  Ser[b]ei[a  'I]a[r]fjeivrj  — .  S.  374  n.  27.  Girard,  BCH  IV  S.  66 
(Röhl  II,  137).  Sarkophag.  lulia  Arrhia  Lyka  und  Aurelius  Smarag- 
des haben  ttju  hyov  zu  Lebzeiten  für  sich  ex  zihv  xoivöjv  xömuv  her- 


538  Griechische  Epigiaphik. 

richten  lassen;  mit  Strafandrohung:  Entrichtung  von  [8rjv.]  (lo'  au  das 
[l£]pwzazov  rnixelov  (=  kaiserl.  Fiskus),  —  S.  375  n.  28.  Berichtigte 
Abschrift  von  CIG  1988.  Es  ist  zu  lesen:  Z.  1:  'Ioox]oTjv8og ,  Z.  1/2: 
lou-'xo{)v]doo,  Z.   2/3:  lo\ijy.oü\^^8ii)  statt  Isxouvoog  u.  s.  w. 

t  136  Dittenberger,   Epigraphische   Miscellen,   in    den    »Histor.    und 

philol.  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  S-  291. 
Als  metrisch  in  Anspruch  zu  nehmen  ist  die  Grabschrift  bei  Duchesne- 
Bayet,  Archives  des  missions  scient.  et  litter.  ser.  III.  tom.  III  (1876) 
S.  238  n.  55  aus  dem  Jahre  136  n.  Chr.  Z.  3  bis  6  bilden  zwei  jam- 
bische Trimeter:  Atoaxoupcoou  ra  crr^/ia  zoü  -(inrjaTuü  narpög  \  inorjaev  rj 
natg  ^ApixlXa  pv^jxrjQ  -/dpiv.  Dafs  die  drei  ersten  Silben  von  äiuaxoupßoo 
(nach  regelmäfsiger  Prosodie  ein  Bacchius)  als  Spondeus  (oder  Anapäst?) 
behandelt  werden,  kann  namentlich  in  anbetracht  des  Zeitalters  des  Epi- 
gramms keinen  Anstofs  erregen. 

Mordtmann,  KE02y^N  1884  S.  8.  Die  metrische  Inschrift  Kaibel 
519  gehört  nicht  nach  Thessalonich,  sondern  nach  Volo  bei  Demetrias 
(Halbinsel  Magnesia);  vgl.  S.  510. 

Dumont,  BCH  VIII  1884  S.  462  n.  1.  Gefunden  beim  Turm 
Quanlu-Koule.  Grabschrift  des  /!  Kouaujvtog  TcTcavog  (derselbe  Mordt- 
mann, KE0I:  XI  1880  S.  37  n.  15;  vgl.  Röhl  I,  137)  auf  seinen  Sohn 
0ai8c/jLos  und  seine  Tochter  ^Prjropixij. 

1 155  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  463  n.  2.     Die  auvrj^etg  roü  'HpaxMog  er- 

richten ihrem  Genossenschaftsbruder  Euphrantos  ein  Grabmal.  Merk- 
würdig ist  die  Bezeichnung  dp^muvaycoyouv-og  Kiüroog  Elprjvrjg.  Gleich- 
wohl ist  der  einem  Heiden  beigelegte  Titel  eines  dp^cauvdywyog  nicht 
ohne  anderweitige  Belege  (aus  Olynth  und  Chios).  Wie  hier,  so  ist  auch 
Z.  9/10:  nüBwvog  Ao{(j)xdtag  SsaaaXovixeog  das  Verwandtschaftsver- 
hältnis nicht  nach  dem  Vater,  sondern  nach  der  Mutter  bestimmt  (vgl. 
die  Inschrift  aus  Thessalonike  CIG  1967;  in  Lykien  war  dieser  Brauch 
konstant).  Datum:  ezoug  £n[pY  ruu  (xal)  ax'  =  185  der  Aera  von  Aktium, 
301  der  makedonischen  Aera  =  155  n.  Chr. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  15  n.  1.  Grabstele  im  Tschinili 
Kiösck  zu  Konstantinopel  (Reinach,  Catalogue  n.  234),  aus  KtounpuXi 
bei  Salonichi;  unbrauchbare  Kopie  bei  Bayet-Duchesne,  Miss,  au  mont 
Athos  n.  80.  —  T.  Plavius  Satyros  errichtet  Nztxr^<p6piü  loviröo  Aaxe- 
\S]a[p.ov{i)uj  ZU)  xal  Napxc'aaaj  üsxoüzopt  ein  Grabmal. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n  2.  Ebd.  Die  Grabschrift  bei  Dethier,  Ar- 
chäol.  Aufsätze  S.  120,  angeblich  aus  Brussa  (so  auch  Reinach,  a.  a.  0. 
n.  236)  ist  identisch  mit  Bayet-Duchesne,  a.  a.  0.  n.  83  und  gehört  somit 
nach  Salonichi. 

de  Sainte-Marie,  Revue  arch.  VII  1886  S.  146.  Elpis  errichtet 
ihrem  Manne  Diouysios  einen  Grabstein. 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Thessalonice.  Olynthus.  539 

Olynthus. 

Swoboda,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Ocsterreich  VII  1883  S.  1    f-*/3 

'  ^    °  oder  38U 

— 59  (mit  Taf.)  giebt  auf  grund  einer  neuen  Abschrift  und  eines  Faksi-  —383? 
railes  einige  neue  Ergänzungen  zu  dem  in  der  Kaiserl.  Sammlung  zu 
Wien,  4.  Zimmer  des  unteren  Belvedere  n.  246,  befindlichen  Vertrag  des 
Amyntas,  S.  d.  Arrhidäus  von  Macedonien  mit  Olynth,  der  bisher  wieder- 
holt publiziert  worden  ist  (u.  a.  von  Sauppe,  Weimarer  Gymnasialprogr. 
Ostern  1847  S.  15 f.  ohne  persönliche  Kenntnis  des  Originals;  nicht  völlig 
zuverlässiges  Faksimile  bei  Lebas  VII,  1406;  mit  Benutzung  beider  Pu- 
blikationen bei  Hicks,  a  manuel  of  Greek  historical  inscriptions,  Oxford 
1882  n.  74  S.  129  f.,  neuerdings  wiederholt  von  Dittenberger,  SIG  60  mit 
den  Addenda  und  nach  neuem  Abklatsch  und  Abschrift  von  Bechtel, 
HD  8).  —  Zu  Sauppe's,  von  Hicks  mit  einigen  Abänderungen  adoptiertem 
Text  giebt  Swoboda  unter  Beifügung  des  gesamten  kritischen  Apparats 
(S.  5 — 7)  folgende  Varianten: 

A)  1:  'Eppc8a!o{u),  2:  'Eppc8aco['j],  3:  sh'  (so  überall  schon  Hicks), 
4:  d<^&pu>nou[c,  6:  ig  t[7jv  ^wprjv  im  ir]oXep.oc  \  (7)^J  im  X[aÄxc8sai,  ßorj- 
&ietv'\  XaXxtoi-(ß)ag]^Aji['JVTat  xrX.  B)  1:5'  icrvcu,  2:  o]cxooopt(TTrjpc(o/JL, 
3:  aipojv  —  ^'t[c]  (Original:  OTI),  4:  riu'.  8s  xoiucut  xat  tu'jtujv  \  5:  eh\ 
7:  i^aycoyrj\^  8k  slv'  xol  8crx-{8)(^a^ya)y7)v  TsMoumv  r.  9:  at  kxy  M. 
11:  7r[orc?'-(l2)<Tt9]ai,  14:  xot\^{rji  7:po-\ilb)(T8sqa<7&ac  ixsc]vo'j,\  ^'üpxog 
aojJ.p\a.-/^c-{\%)rjg •    <püM^iu  za  ai>v-s,dzi\iJ.ivrß.  Xa\xt8\eT)-{Vl)aiv  xat  idv  reg 

crj!   in'   'Ap]uvzai'[-- (18) --,   ßorj&yj(T(o 'Apy^lrac?    xrX.      In    einem 

längeren  Exkurs  unternimmt  der  Herausgeber  gegenüber  Arnold  Schäfer 
und  V.  Gutschraid,  welche  den  Chronographen  gröfsere  Glaubwürdig- 
keit iubezug  auf  die  macedouische  Königsliste  beimessen,  eine  Ret- 
tung Diodors,  indem  er  zu  erweisen  sucht,  dafs  von  einer  Konfusion 
dieses  Historikers  bei  Wiedergabe  der  macedonischen  Königsreihe  von 
400 — 370  V.  Chr.  nicht  die  Rede  sein  könne.  Als  Quelle  habe  demsel- 
ben für  diesen  Abschnitt  eine  synchronistische  Tabelle  vorgelegen,  die, 
wenngleich  später  als  Apollodor  (144  oder  129  v.  Chr.),  doch  aus  letzte- 
rem und  andern  Quellen  kompiliert  gewesen  sei;  vielleicht  sei  es  Kastor 
gewesen.  Die  Umbildungsphasen  der  ursprünglichen,  bei  Diodor  vor- 
liegenden Liste  in  den  späteren  Bearbeitungen  werden  im  einzelnen  nach- 
zuweisen versucht;  relativ  am  wenigsten  verfälsclit  sei  die  Liste  des  Syn- 
cellus.  Die  zwiefache  Regierungszeit  Amyntas  II  wird  auf  39 1/3 — 393/2 
und  vor  383 — 370/69  fixiert.  Die  in  unsrer  Inschrift  erwähnte  Allianz 
zwischen  Amyntas  und  der  chaicidischen  Eidgenossenschaft  möchte  der 
Verf.  in  das  erste  Jahr  des  Amyntas  (394/3)  setzen  (S.  44).  In  einer 
längeren  Ausführung  über  Organisation  und  innere  Verhältnisse  des  olyn- 
thisch-chalcidischen  Bundes  ist  der  IJerausg.  geneigt,  die  erste  Gründung 
desselben  über  das  Jahr  424  v.  Chr.  hinaufzurücken  (S.  57).  —  Ditten- 
berger, a.  a.  0.  setzt  den  Vertrag  zwischen  389  und  383  v.  Chr. 


540  Griechische  Epigraphik. 

Amphipolis. 

Philippides,  Parnassos  VI  1882  S.  978.  Artemisia  errichtet  ihrem 
Manne  lustus  und  sich  selbst  zu  Lebzeiten  eine  Grabschrift.  Nicht  jünger 
als  2.  Jahrh.  n.  Chr. 

A  b  d  e  r  a. 

Reinach,  BCH  VIII  1884  S.  49  n.  9.  »Katzi-Davan  unweit  Ab- 
dera.  Griechische  und  lateinische  Weihinschrift:  "Hpwi  AbXajvEcTjj  d^oaia- 
aral  nspl  hpia  non{c)XXiov  Zemav.     »Basse  epoque«. 

Maronea. 

1 38  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  50f.  n,  1 — 4  giebt  berichtigte  Lesarten   zu 

den  von  ihm  BCH  V  1881  S.  89  ff.  herausgegebenen  Inschriften  n.  2.  3. 
7.  17  (Röhl  I,  139).  Es  erhellt,  dafs  Aur.  Tarsas  (n.  17)  gleichzeitig 
Priester  des  Zeus,  der  Rome,  des  Dionysios  (!)  und  des  Maron  war.  — 
S.  51  n.  5.  Weihung  eines  Timon  an  die  Musen  aus  sehr  junger  Zeit.  — 
S.  52  n.  6:  Idiov  Oua^spc-{2)ov  l'eur^fjov  rjf)w{a  (3)  'HdeTa  Tdpaoo  r^pioig. 
—  n.  7 :  0  [ßf^fiog^  (2)  Bam^Xia  BpciL{x]u)V  'Poifiy^lrdXxrjv  (3)  K]6Tuog  uluv 
Tuv  (4)  Biar^üvMv  EuepydT[rjv.  Rhoimetalkes  wurde  38  n.  Chr.  von  Ca- 
ligula  in  die  Herrschaft  seines  Vaters  wieder  eingesetzt. 

Chersonesus  Thracica. 

Lolling,  MDAI  IX  1884  S.  75.  Aus  Doghan-Arslan,  Gehöft 
zwischen  Plagiari  und  Examili;  jetzt  im  Metochi  von  Plagiäri.  Auf  einer 
Marmorbasis:  Jr^fiaperr]  (2)  Erjvcxivou  {=  Ztjv-)  yuvij. 

Derselbe,  a.a.O.  Examili,  in  einer  Mauer  am  Eingang  des 
Dorfes  beim   Schulgebäude.     Marmorpostaraent:    Tobg  9-{e)coTdToog    xa\ 

dv{i-{1)xrjroug  \7:p^LVxtm'ou[g (3)  £t  OXaßcuj  raXe\p]tuj  ...  (4)  KooT\a]v- 

rdvog.  Z.  1 — 3  wohl  sinnlose,  aus  echten  Inschriften  zusammengesetzte 
Fälschung;  Z.  4  wahrscheinlich  von  zweiter  Hand.  Ungenau  bei  Dumont, 
Inscr.  et  mon.  fig.  de  la  Thrace  n.  92. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  76.  Plagiari,  in  der  Panagiakapelle  des 
Metochi.  Unter  dem  Relief  auf  einem  Grabstein  an  Stelle  einer  ursprüng- 
lichen andern  Inschrift:  Aiovöaiug  'AXe^c\o\o. 

Derselbe,  a.  a.  0.  GoIfvonSaros,  bei  der  Kapelle  Hag.  Geor- 
gios,  Va  Stunde  von  Jenikiö.  Verschleppte  Marmorplatte,  vielleicht  aus 
Athen,  mit  dem  vierzeiligen  Schlufs  eines  Psephisma:  x']a\  a[T]rja[ai  auT^v] 
iv  T^  [dxpoTtüXei^  (2)  to  8k  dv[dKu}ix\a  tu  elg  rrjv  arrj-{'i)krjv  xac  T[rjV 
dv]aypa^rjv  3oü-{4:}vai  zbv  Ta[pLc]av. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  77.  Madytus  (Maito),  aus  Koila  (Kilia). 
Unter  einem  Relief:  Bdxwv  üpißd-zu}  cocw  (2)  narpl  p.vrjp.[rjg  X'^f^^]^- 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Amphipolis.  Abdera.  Maronea  etc.        541 

Derselbe,  a.  a.  0.  Pergas,  Privatbesitz.  Rest  einer  Grabschrift 
mit  Strafandrohung:  dvoi^rj^  (2)  (iujac  zw  (3)  cptaxü)  (4)  [^Jjyv.] 

Derselbe,  a.  a.  0.  Taifir,  Kirche  des  Hag.  Georgios.  Posta- 
ment mit  der  zwölfzeiligen  Grabschrift  des  X^poaipuj{g  0\do{x\{}vrjY6[Q 
und  seiner  Familie. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  206.  Callipolis  (Gallipoli).  Be- 
richtigte Lesung  der  Inschrift  des  BCH  I,  409  veröffentlichten  Priapus- 
reliefs. 

Kaibel,  Hermes  XIX  1884  S.  261  f.  n.  VII  möchte  zu  Anfang  der 
von  Mordtmann  MDAI  VI,  261  mitgeteilten  metrischen  Orakelinschrift 
aus  Callipolis  (Röhl  I,  140)  lesen:  'AfpBtTjg  (der  Stein:  'Ap^eir^g)  olrjt. 
Aeneas,  der  »Sohn  der  Aphrodite«,  mochte  als  Gründer  des  wahrschein- 
lich V.  4  erwähnten  Ainos  gelten.  Die  sonst  nicht  nachweisbare,  von 
dem  Dichter  frei  gebildete  Namensform  der  Aphrodite  sucht  Kaibel  durch 
einen  analog  gebildeten  Beinamen  des  Apollo  zu  erklären,  indem  er  die 
Gleichung  aufstellt:  Joxrjyivrjg:  Jaxecüg  =  'A^poyivsca:  'A^psca.  —  Keil, 
Hermes  XX  1885  S.  630  vergleicht  den  thessalischen  Monatsnamen  'A(pptog. 

Dittenberger,  Epigraphische  Miscellen,  in  den  »Histor.  und  philol. 
Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«  Berl.  1884 
S.  299.  In  der  Grabschrift  BCH  IV  1880  S.  516  aus  Sestus  (Röhl  I, 
140)  sind  die  Personennamen:  Ttrog  0op(pavuQ  Tc'-ou  Ntxiag^  Tlzog  0op- 
(pavhq  TcTou  JJüBrjg  und  Oopcpavrj  Tczou  Brjvöara.  Der  mehrfach  bezeugte 
Gentilname  Furfanius  (E.  Hübner,  Eph.  epigr.  II  p.  67)  ist  abgeleitet 
von  dem  Cognomen  Furfanus.  Für  den  häufigen  Gebrauch  dieser  Cogno- 
mina  (ursprünglich  Ethnika)  auf  -anus,  -enus  und  -inus  in  unveränderter 
Gestalt  als  Gentilnamen  neben  den  Ableitungen  auf  -ins  bringt  Hübner 
S.  30 — 52  zahlreiche  Belege. 

T  i  r  i  s  t  a  s  i  s. 
Lolling,  MDAI  IX  1884  S.  75.     Im  Hof  des   Aristides  Xantho- 
pulos  eingemauert:  Kptza  /latnnou  \i(ppo8{{zjj  (2)  llovziq.  eb^rjv. 

G  a  n  u  s. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  74.  Im  Schulgebäude  auf  der  Höhe.  Altar- 
inschrift: Aya^^  Tuj^jj.  (2)  AmtXXujVLog  (3)  l'£ui%)ij  0sq.  (4)  lavijCf  sh^riv. 
Vgl.  Röhl  I,  141. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Haus  nw.  von  der  Kirche  des  Hag.  Nikolaos. 
Dreizeiliges  Fragment  der  Grabschrift  einer  Secunda. 

Heraclea  —  Perinthus  (Eregli). 
Lolling.  MDAI  IX  1884  S.  73 f.     Kopie  von  Limnios.     Aus  Ty- 
roloi  (TupohWj),   nach  Perinthus  zu   setzen.     Vierzeilige  Grabschrift  des 
Eustathios   aus   Perinth    mit   Strafandrohung.     Wahrscheinlich   identisch 
mit  GIG  2027. 


542  Griechische  Epigraphik. 

Mordtmaun,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884  S.  215 
n.  38.  Fragmentierter  Rats-  und  Volksbeschliifs  zu  Ehren  eines  athe- 
nischen Tragöden.  Als  Agonothetes  figuriert  ein  lJu(T£c8[<u]vcog  Jcu- 
a[xo]pidou. 

Derselbe,  a.  a.  0.  u.  39.    Fragment  in  einem  Hause,  Eigennamen 
enthaltend,   darunter  ein  'Fo-iJ-voürnog  und   ein  KXsoyujp  Noiizvatou  Kpi^g. 
1 117  Derselbe,  a.  a.  0.  n.  40.    Neue  Kopie  der  von  Duraont  69  mangel- 

~"  haft  publizierten  Inschrift  im  Innern  der  Palaia  Metropolis.  Zwei  Bruch- 
stücke eines  Tempelarchiti'avs  mit  der  Weihinschrift  der  Erbauerin  des 
Tempels,  Aapxia  rTjnamopi^^  Aapxtoo  'Aacarcxou  ^uyd-y]fj,  auf  den  Kaiser 
Hadrian  und  die  Kaiserin  Sabina. 

Derselbe,  a.a.O.  S.  217  u.  43.  Basisinschrift.  Nach  Rats-  und 
Volksbeschlufs  ehrt  Aur.  Chrestos  den  P.  Aelius  Severianus  Maximus, 
Sohn  des  gleichnamigen  Vaters,  rou  Xaimpordzüo  uTxartxuu.  Über  den 
Gefeierten  vgl.  CIL  III  n.  91  und  Napp,  De  rebus  imp.  M.  Aurelio  in 
Oriente  gestis  S.  15. 
1 292  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  2 18f.  n.  44 — 47.    Inschriften  von  vier  gleich- 

~  artigen  Marmorbasen,  wahrscheinlich  aus  dem  alten  Amphitheater.  7/ 
)<ajj.7:jjä' IlpaxXzwza)v  r.öXtg  ehrt  durch  Errichtung  eines  Standbildes  1.  den 
Imperator  C.  Val.  Diocletianus,  2.  den  Cäsar  Fl.  Valerius  Constantius, 
3.  den  Imperator  M.  Aur.  Val.  Maximianus,  4.  den  Cäsar  Galerius  Val. 
Maximianus,  rjyepoveuovrog  zoü  dcaarjpordruü  Jopcrcoo  dopvscvou. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  219f.  n.  49.  Basis  vor  der  Kirche  des  h. 
Georg  mit  einem  fragmentierten  Verzeichnis  der  Spiele,  in  denen  der 
Geehrte  gesiegt  hatte.  Von  denselben  scheinen  die  Pythia  in  Cliarta- 
genna  (?),  sowie  der  Agon  der  Kora  in  Kyzikos  sonst  nicht  vorzukom- 
men. Vermutlich  steht  der  Anfang  der  Inschrift  auf  der  dem  Boden 
zugewandten  Seite  der  Basis. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  220f.  n.  50.  In  einem  Privathause  (Po- 
lyzon  oglu)  in  der  Nähe  der  Palaia  Metropolis.  Metrische  Grabschrift 
zu  beiden  Seiten  einer  Herme  (3  -f  4  Distichen)  auf  einen  in  den  Gym- 
nasien gebildeten  und  zu  den  schönsten  Hoffnungen  berechtigenden  Jüng- 
ling Doras,  S.  des  Diokles. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  221  n.  51.  In  der  Umfassungsmauer  eines 
Hauses.    Rechts  verstümmeltes  Epigramm  in  4  Distichen  auf  eine  Romulis. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  222  n.  52.  Altar  aus  Heraklea;  jetzt  in 
Silivria.     Grabschrift  auf  den  40jährigen  M   linoüaziog  'Ayptnnag. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  53.  Altar  aus  Heraklea,  jetzt  gleichfalls 
in  Silivria;  nach  der  Aufschrift  von  L.  Valerius  Stephanus  samt  den 
danebenliegenden  beiden  Steinen  aus  Chalcedon  errichtet. 

Derselbe,  a.  a  0.  n.  55.  Sarkophag  als  Wasserbehälter  an  einem 
öffentlichen  Brunnen  am  Eingang  des  türkischen  Quartiers,  einer  Frau 
BoXoaaca  Jpoalg  nach  20 jähriger  Ehe  von  ihrem  Manne  errichtet. 


X.   Macedonia  et  Thracia:  Heraclea  —  Perinthus.  Selymbria.         543 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  223  11.  56.  Kirche  des  h.  Georg,  im  Pflaster 
des  Vorhofs  Grabstele,  dem  Aur.  Hymenios  vou  seinen  Genossen  er- 
richtet. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  ö7.  Sarkophaginschrift  des  Gl.  Erasinus 
auf  sein  Weib  Gl.  Donata  und  seine  Tochter  GL  Elpis. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  214  n.  37-  In  Eski-Eregli,  einem  Tschift- 
lik  2  Stunden  nördl.  von  Eregli,  kopierte  M.  die  von  Aristarchi  Bey  im 
KE0IIV  S.  10  mitgeteilte  Inschrift,  ohne  eine  neue  Abschrift  derselben 
zu  veröffentlichen  Ebendahin,  nicht  nach  Eregli,  gehört  auch  GIG  2028. 
—  In  Umurdja,  einem  andern  Tschiftlik,  2  Stunden  landeinwärts  von 
Eregli,  sah  derselbe  die  Inschrift  Dumont  66,  welche  aus  Eregli  dorthin 
verschleppt  ist;  ohne  erhebliche  Varianten. 

Bechtel,  HD  S.  134  n.  233  (Taf.  II,  14).  Grabschrift  aus  Pe- 
rinthos:  'flyrjacno^cog   \   to{u)   0avayöfis-]iij. 

Selymbria   (Silivri). 

Mordtmann,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österr.  VIII  1884  S.  204 
n.  9.  Oben  und  unten  verstümmelte  Marmortafel.  Abbildung  KE01' 
IV  S.  11  ungenau.  Nach  M.'s  Abklatsch:  ü'c  xaTocxouvTsg  h  ^ol'Jii- 
{2)ßpia  areipavoövzt.  (so)  ' IIfJuOaj-{'6)fjov  'AvTtaXxtSa  a~£<pdvo)  (4)  y^poaiujt. 
xiu>iapyoöVTa  (5)  iaoTwv  dr.ö  irujv  riXst-{Q)uvujv  xac  r.po'cazäiizvov  {!)  zwv 
TS  kfjwv  xac  Tuiv  8a-(S)p.oa{wv  umajg  xa\  ocxac—{9)ajg^  scgsunofjrjxöra  8s 
xac  (10)  Ti\po68üög  Tocg  iy^ojpcocg  (11)  .  .  .  .  ra  Ocä  7ia\^[Tog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  10.  Fragment.  Z.  4  al](jcpi^a)v ;  vgl.  Hermes 
XVI,  167.  GIA  514.  Auf  der  rechten  Schmalseite  Fragment  einer  Weih- 
inschrift an  Aphrodite. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  205  n.  11.  2zeiliges  Fragment  an  einem 
Brunnen  in  der  auf  das  Kir  kale  Kapussi  -  Thor  zuführenden  Strafse. 
Z.  2:  t]ov  dcovoaov.  xaTsaxeuags. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  12.     Säule,  errichtet 'i'Vrs/j  bjzc'ag  (so)  der  t  soa 
Kaiser  C.  lul.  Maximinus  und  G.  lul.  Verus. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  13.  Über  dem  Reliefbild  eines  Dionysos: 
dtovüaw  ^HXrjVzirrj\  unter  demselben  die  Namen  der  Stifter. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  206  n.  14.  Am  Eingang  zur  Kirche  der 
Panagia.  Über  dem  Reliefbild  eines  Dionysos:  flauXo-  Xpu  --.  Inderseiben 
Kirche  wurden  von  M.  nach  S.  214  noch  mehrere  arg  verstümmelte  Grab- 
schriften kopiert. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  15.  In  der  hellenischen  Schule.  Über  dem 
Basrelief  eines  Totenmahles:  'E^ruyappo;  Iht^oyivr^. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  16.  Armenische  Kirche  des  h.  Georg.  Unter 
einem  Basrelief  eine  verstümmelte  Inschrift  mit  dem  Namen:  'Avs/xdarj- 
To[g  imx^XrjV  Ar^p6<fckog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  17.  Im  Nepiagogeion.  Unter  dem  Bas- 
relief eines  Totenmahles:  'ArzloXlcw^tog  \  -  —  umov  'A7toXXujv!o[u? 


313 


544  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  18.  An  der  Kirche  Kotixrjatg  rr^g  Oeoröxou. 
Unter  einem  Basrelief  die  merkwürdige  Inschrift:  Jrjfiog  Icuvcxög.  —  In 
derselben  Kirche  kopierte  M,  nach  S.  214  noch  mehrere  stark  verstüm- 
melte Grabschrifteu,  sowie  eine  Säule  vor  dem  Magazin  des  H.  Stamulis. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  214  n.  36.  Auf  dem  Wege  nach  Eregli, 
ca.  ^/9  Stunde  von  Silivri.  Zwei  Fragmente  an  einer  Fontaine:  Grab- 
schrift des  Aup.  Mapxtavug  u  xpidzcarog)  und  seiner  Gemahlin  Aur.  Va- 
leria  mit  einer  Strafandrohung  von  20  000  Denaren. 

In  der  Sammlung  des  Herrn  Stamulis  befinden  sich  folgende  Steine 
aus  der  Umgegend  von  Silivri: 

1.  aus  Kadiköi,  Dorf  IV2  Stunden  nw.  von  Silivri: 
Derselbe,  a.  a.  0.  S.  207  n.  19.    Verstümmelte  Grabschrift  der 

Familie  eines  ---cojvog  (Nominativ).  —  n.  20.  Zwei  Fragmente  der  Weih- 
inschrift eines  Auprjhog  ' Afoog  und  seiner  Frau  Asklepiodote.  —  n.  21. 
Grabschrift:  Otlo^ia  Zr^vojvog.  Zr^vcg  ZrjViuvog.  —  S.  208  n.  22.  Über 
einem  Basrelief:  Aaaig  Közuug.  (2)  'Af^]rjvdscg  Jaac'oo.  —  n.  23.  Frag- 
ment über  einer  Frauengestalt:  rouxo[üg? 

2.  aus  Epivatäs  {'Encßdracg,  Pivados),  2  St.  nördl.  von  Silivri 
am  Meere: 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  24.  Über  dem  Basrelief  eines  thrakischen 
Reiters:  AuUcog  (2)  Tczog  i^sib  (3)  ^ Apiayixa\  unter  demselben:  s.uiri\t 
dniSujxs.  —  n.  25.  Zwischen  den  Teilen  der  Figur  eines  thrakischen 
Reiters:  "Hpwi  ' Ap^a-{'2,)Yiza\  unter  dem  Bilde:  dcovüacog  'Emx-{1)zrjzoo 
s{u)^rjv.  —  Das  in  beiden  Inschriften  vorkommende  Epitheton  des  thra- 
kischen Herosgottes,  'Ap^^ayizag^  ist  neu.  M.  macht  neben  der  —  wegen 
der  Nähe  von  Byzantion  nicht  mit  triftigen  Gründen  zu  bestreitenden  — 
Auffassung  als  dorischen  Form  von  dp/rjyizrjg  die  Möglichkeit  thraki- 
schen Ursprungs  geltend.  Gleichzeitig  stützen  die  Inschriften  Mordt- 
manns  (Rev.  arch.  1878  Nov.)  Widerspruch  gegen  Dumonts  Auffassung 
des  thrakischen  Reiters  als  heroisierten  Toten,  zu  welchem  derselbe  an 
dieser  Stelle  neues  Beweismaterial  beibringt. 

Byzantium. 

Curtis  und  Aristarchis,  KE0IXN\  1885  S.  3  n  1.  Archaische 
Inschrift  in  dorischem  Dialekt:  'Anoixd{j^(vv  (2)  al^paz[äv^  (3)  (Tzadco8[p6- 
fiüjv  (4)  u  zonog  ä[p^ezac.  Die  Inschrift  bezeichnete  die  Sitzplätze  der 
durch  kriegerische  oder  gymnastische  Verdienste  ausgezeichneten  Inva- 
liden in  dem  wahrscheinlich  durch  Pausanias  nach  der  Eroberung  von 
Byzanz  (477  v.  Chr.)  errichteten  Stadion.  —  Die  Abschrift  Mordtmanns, 
SGDI  III  1  1888  n.  3060:  'A7ToU[iu][vuot?  (2)  ac/pazä[c,  (3)  (Tzadtodplujxwt 
(4)  u  zönog  d[v£czat  wird  durch  eine  Kopie  von  Blafs,  SGDI  III  2  1888 
S.  116  Nachtrag:  Anoprx--  Z.  1  wieder  modifiziert.  Buchstaben:  /Mo^  + 
i^  X)- 


X.  Macedonia  et  Thrada:    Byzantium.   Bizye.  545 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  5  n.  2.  Basisinschrift:  'ApzejjLc8(up[o]g 
(2)  iyyevrjc. 

Dieselben,   a.  a.  0.  S.  6  n.  5.     Bruchstück  einer   Ehreninschrift  t^.^w 
auf  Septimius  Severus,  der  Byzanz  nach  der  Zerstörung  i.  J.  197  n.  Chr. 
um  204  als  Antonina  Byzantinorum  Augusta  wieder  aufbaute. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  8  n.  7.  Sesselinschrift,  wahrscheinlich  aus 
dem  Stadion:  '0  osTva  Oc]xca[x]os  y. 

Dieselben,  a.  a.  0.  n.  8.  Grabschrift;  Museum  zu  Konstantinopel: 
AnoXlwvtog  Mixxoo. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  18  n.  4.  Zwei  zusammengehörige 
Stelenfragmente  im  Tschinili  Kiösck  zu  Konstantinopel,  vielleicht  aus 
Byzanz.  Nach  Beschlufs  rr^g  xpaTiazrjg  ßooXrjg  xai  roü  cepwrdrou  Stjixou 
ehrt  Diogn[ius]  Aurelius  Sabinian[us]  Quintianus  seine  Verwandte  Aurelia 
Euphemia,  Tochter  roT»  d^co^oyajTdrou  ßaacXiujg  -  -  (vermutlich  bospo- 
ranischer  König  des  2.  oder  3.  Jahrh.  n,  Chr.).  »Stand  am  Ende  der 
verlorenen  6.  Zeile  yuvalxa  od,  so  hat  man  für  die  folgenden  11  Buch- 
staben die  Wahl  zwischen  ' Foi/xrjTaXxou  oder  ^Paaxounöpcdoga. 

Bizye. 

Bt^ürjvai  dvapvTjcreig,  im  H/xepoXoycov  rr^g  'AvazoX.r^g  noXtzeioypaiptxov, 
(ptloXoyixhv  xa\  entarr^ixovtxuv  zou  ezoug  1886  uno'A&avacrioL)  nakaioXoyoo. 
"Ev  Kwvazavztvounoket  1886.  160  S.  8.  5  fr.  S.  83— 119  von  *.  Darin 
S.  92  Wiederholung  der  nach  Rang.,  Ant.  Hell.  II  n.  1236  von  Mommsen, 
Ephem.  epigr.  II  1875  S.  250ff.  und  neuerdings  von  Polak,  Mnemosyne 
XV  1887  S.  270  mitgeteilten  Ehren -(Grab-)  Inschrift  des  Königs  Kotys 
auf  seine  Eltern,  den  König  ^adaka-  und  die  Königin  Polemokrateia 
in  Form  einer  Weihung  an  die  Bsol  Tiazpwiot  (der  Name  2a.8aXog 
findet  sich  auf  thrakischen  Münzen).  —  S.  97;  wiederholt  von  Polak, 
a.  a.  0.  Inschrift  vor  dem  Eingange  eines  byzantinischen  Felsengrabes: 
BEBTAAIEZTAAK(2)KIOY  ^v  zoTg  Idcoig  ^wv  ia[u]-{3)z&  xa).  zjj 
auvß'.o)  zo.ozo~)  (4)  'lo'jazj]  louazou  ztjV  xa-{5)pdpav  xazscrxauaas.  —  Vgl. 
Papageorg,  Berliner  phil.  Wochenschrift  1886  n.  33  Sp.  1030.  — 
Polak,  a.  a.  0.  vermutet  Z  1 :  BetzäXi^^  Zzlaxxioo.  Ersterer  Name  findet 
sich  häufig  auf  lat.  und  griech.  Inschriften.  Der  Name  Stlaccius  be- 
gegnet bei  Orelli,  Ampi.  coli,  inscr.  Rom.  n.  5017.  SIG  270.  CIG  3654g; 
Add.  3668.    4884b. 

Latischew,  MDAI  IX  1884  S.  213lf.  hat  eine  Reihe  thrakischer 
Inschriften  herausgegeben,  die  —  1829  gefunden  und  nach  Rufsland  durch 
verschiedene  Abgeordnete  gebracht,  welche  nach  dem  damaligen  russisch- 
türkischen Kriege  von  der  russischen  Regierung  zur  Erforschung  der 
türkischen  Provinzen  gesandt  wurden  —  teils  nach  Blarambergs  Kopieen, 
teils  nach  Dubois  de  Montpereux  u.  a.  zum  gröfsten  Teile  im  CIG  ver- 
öftentlicht    worden    sind.     Einige   derselben,    zusammengestellt    in    dem 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenscbaft  LH.  (1887.  III  j  35 


546  Griechische  Epigraphik. 

Album  d'un  voyage  en  Turquie,  fait  par  ordre  de  Sa  Majeste  l'Empereur 
Nicolas  I.  en  1829  et  1830  par  C.  Sayger  et  A.  Desarnod,  haben  in  den 
Addenda  Berücksichtigung  gefunden.  Allein  namentlich  die  in  letzterem 
Werke  enthaltenen  inschriftlichen  Texte  lassen,  weil  von  einem  Nicht- 
Epigraphiker  herrührend,  vieles  zu  wünschen  übrig.  Latischew  giebt 
dieselben  in  neuen  Kopieen. 

Didymoteichos  (Demotika). 

A.  a.  0.  S.  213  f.  n.  1.  Jetzt  in  St.  Petersburg,  Eremitage.  Album, 
Taf.  48.  Basrelief  eines  Gladiators  mit  einer  16  zeiligen  metrischen  (wenig- 
stens 5  Hexameter)  Grabschrift  aus  der  späteren  römischen  Kaiser- 
zeit. Der  Anfang  lautet:  ['Ev9do£\  /iup/xu?J(ov ,  Z/xupvrjg  [xMog,  w  7i\ap- 
o[(5]£rra,  (2)  x£^£  Bavcbv  7Tuy/jL^  npoßoxdropog  ^raxcvß^ou.  In  v.  2  gilt 
die  letzte  Silbe  von  xeTp-e  als  Kürze;  dagegen  in  v.  5,  wenn  richtig  er- 
gänzt: Ks?/i]s  8'  iv  yirj  9pax{wv ■'Adptavon'\ok£c-u)v^  als  Länge.  Unter 
dieser  Voraussetzung  würde  auch  der  Stein  nach  Demotika  aus  Hadria- 
nopolis  verschleppt  sein.  Neu  ist,  dafs  ein  Myrmillo  mit  einem  Provo- 
kator  kämpfte. 

A.  a.  0  S.  215  n.  2.  Jetzt  in  der  Eremitage.  Album,  Taf.  48.  Dar- 
stellung eines  Totenmahles  mit  der  fünfzeiligen  Widmung  eines  Gl.  Po- 
tamon  an  seinen  Vater,  seine  Mutter  [Tita?j  Flavia,  seine  Schwester 
Kleopatra  und  seinen  Bruder.  Wegen  des  Namens  der  Mutter  kann  das 
Denkmal  nicht  älter  sein,  als  die  vespasianische  Zeit. 

Adrianopolis  und  Umgegend. 

Mordtmann,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884  S.  199 
n.  1  reklamiei't  den  bisher  einzigen,  von  Apiauus  »in  Cycladum  raonu- 
mentis«  aufgeführten  vorchristlichen  Text  GIG  II  2046  für  Adrianopel 
auf  grund  der  mehrfach  die  Heilsgottheiten  aufweisenden  Münzen,  wie 
auch  wegen  der  an  einer  Brücke  eingemauerten  Inschrift:  -  -  dvsBrjXB 
\ßBw\  'A(Tx^[rjma> . 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  200  n.  2.  Drei  Zeilenfragraente :  a)  -  -  -  v 
ipYliam  ö[£<7-  b)  neacocg  c)  Zusammenhang  unklar. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  3.  Zwei  vielleicht  metrische  Fragmente. 
Zusammenhang  unklar.     Auffällig  R. 

Dorf  Doganovo  (1  St.  östl.  von  Kavakli,  ca.  45  km  nördl.  von 
Adrianopel,  45  km  südl.  von  Jambol  =  Cabyle)  und  Umgegend. 

Jirecek,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  144. 
Verstümmeltes  Basrelief  eines  thrakischen  Reiters  mit  der  Inschrift: 
Oliaoma)  BevSlg  auvßc{o)g  ivB[d8£  (2)  nspcx  -  -. 

Derselbe,  a.  a.  0.    Sockel  einer  verstümmelten  männlichen  Figur, 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Didymoteichos.  Adrianopolis  etc.  547 

an  die   sich   ein  Kind  anlehnt,  mit  der  Weihinschrift:    fharoüi  Bc&uoe 
dnu    ri-(2)vouXiuv  (?)  eu'/aptaTrjpcov. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Aum.  11.  Kloster  Sveta  Trojica  bei  dem  Dorfe 
Vakuf,  ca.  5  km  südl.  von  Doganovo.  Die  Gebrüder  Skorpil,  Einige 
Bemerkungen  über  archäulogische  und  historische  Untersucimngen  in 
Thrakien,  (bulgarisch),  Philippopel  1885  S.  82  beschreiben  ein  Marmor- 
relief des  Zeus  und  der  Hera  mit  der  Weihinschrift  eines  E[rf\va.xzvd^ug 
äaixwaou  (fuXap^og  und  seiner  Angehörigen  an  Zeus  Soter  und  Hera. 

Dorf  Büjük  Monas tir  =  Msj-d^o  Mov aarij pt 
(ca.  30  km  südl.  von  Jambol,  60  km  nördl.  von  Adrianopel). 

Derselbe,  a.a.O.  S.  14lf.;  mit  geringen  Varianten  Tsuntas, 
'£>.  dpx-  1883  Sp.  263f.,  Skorpil,  a.  a.  0  S.  80.  Altarinschrift  in  vier 
mangelhaften  Hexametern,  errichtet  dem  öso»  \7i\zptxakXit  0ocß(ü  von  einer 
''An\o\XXuj\/}g  rjök  xaacyvrjTuc ,  nacosg  AuXuuCivsuj,  die  ihren  aus  der  2"«- 
TTucxrj  ipcßujXuQ  (Vgl.  die  laTialoc  bei  Herodot  8,  110)  stammenden  Vater 
xarä  /[t^Jora  Ju}8o7idpoLü  bestattet  haben.  —  Ähnlich  beginnt  das  Ge- 
dicht Anth.  Pal.  IX  786.  Der  thrakische  Name  Auluzenes  begegnet  auch 
in  der  Inschrift  von  Mesembria  GIG  2054  (S.  549).  CIL  III  6050,  2.  13. 
V  3509.  Ist  zu  Anfang  von  Z.  5 :  i^  Kskazojv  ein  Ort  zu  verstehen ,  so 
ist  derselbe  unbekannt;  ebenso  ein  Dodoparos  Z.  8. 

Jambol  =  Cabyle,  byz.  Diampolis 
(2V2  St.  nordöstl.  von  Sliven,  an  der  Tundza  =  Tonzus). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  132.  Zerschlagener  Stein  neben  der  grofsen 
Eski-Dzamissi  mit  der  Aufschrift:  'Aya&rjc  rO-j^rjc. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  133.  Aur.  Heraklianos  errichtet  zu  Leb- 
zeiten seine  und  seines  Weibes  Ziamarke  Bildsäule. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Skorpil,  a.  a.  0.  S.  83.  Metrische  Inschrift; 
nach  Gomperz:  'Akpc  dvu<pep[w\  xsxaXu[iip\iwv  [^  7T]spä{2)  ulxov  ||  (3) 
ou[(T]dvTrjTov,  [x]dvTiTo(u)(Tav  i&Tjxa  \\  (4)  mxlq  'AnoXivdpiog  Ilizpav  £[;<]  'Püt- 
jtji'^Cs'-  II  (5)  EuTu^cug.  —  V.  1  wohl  eher  ein  prosodisch  fehlerhafter  Hexa- 
meter, als  ein  akatalektischer  anapästischer  Triraeter;  V.  2  und  3  ent- 
ziehen sich  einer  genaueren  Bestimmung. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  135  Anm.  4.  Dorf  Tausan-Tepe  bei  Jambol. 
Dürftige  Inschriftreste. 

Sliven. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  147f.  Skorpil,  a.  a.  0.  S.  79f  (wiederholt 
von  Jirecek).  Nach  der  gröfstenteils  von  Hartel  hergestellten  halberlosche- 
nen Inschrift  weihten  die  'Av^claXelg]  —  Hsiov  dydX-{Q)pa-a  xarä  XP^]^' 

3Ö* 


548  Griechische  Epigraphik. 

lioug  rou-(7)[?  -  -  'A7t6XX\uj\ioq  KoXo<puj-(ß,)vcoo  unter  dem  Epimeleten  T.  Fla- 
vius  Niketes.  Zu  dem  Z.  6 — 8  erwähnten  Orakel  des  Apollon  Klarios 
bei  Kolophon  vgl.  Tac.  Ann.  2,  54. 

Apollon ia  (Sizopoli). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  163  n.  l.  Weihinschrift :  Mrjroxog  TapoüXou^ 
ipbat  de  (2)  Jix/xou,  xxtaaq  t^v  Tiöhv  (3)  [itza  -r^v  exTirojcftv  xai  i-{5)ma- 
axeudaag  tu  rpmukov  (5)  xai.  rrjv  ßäpcv,  'AndkXujvi  lrjTp[ü).  —  »Also  ein 
Mann  mit  ganz  thrakischem  Namen  hat  die  Stadt  nach  einer  Katastrophe 
erneuert.  Die  sxnrcjmg  mag  sich  auf  die  römische  Eroberung  durch  M. 
Lucullus  (72  V.  Chr.)  beziehen«. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  163f.  Grabsteine:  n.  2  (Bechtel,  HD  137): 
0iXrdz7j  I  ^AnoXXüJVidsuj.  —  n.  3:  AnoXXujvlg  \  Arjp£co[tj  |  yuvr^.  —  S.  164 
n.  4  (Bechtel,  HD  138):  Kpcvofisvrjc  (2)  Ocvom[o]euj.  (3)  Ji^/xrj  (4)  Apc- 
aroxXeioug  {b)'Ap(pmoX'iTtg^  (6)  Kpivo[xevüog  (7)  yuv^.  —  n.  5 :  tlr^pr^zpiog  \ 
^  ExaTU)wpo\u. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  164  n.  6.  Aus  Sozopolis;  jetzt  in  Burgas. 
16  zeiliger  Anfang  eines  wortreichen  Ehrendekretes  der  Bule  und  des 
Demos  der  ApoUoniaten  auf  Aischrion,  S.  des  Poseidippos. 

Latischew,  MDAI IX  1884  S.  2I6f.  n.  3.  Odessa,  Museum.  Bei 
Boeckh,  CIO  II  add.  2056^  nach  einer  von  Dubois  de  Montpereux  ge- 
nommenen Kopie,  mit  geringer  Wahrscheinlichkeit  Varna,  dem  alten 
Odessos,  zugeschrieben;  wahrscheinlicher  aus  Sizopoli.  Die  15 zeilige 
Inschrift,  in  deren  Text  der  Herausg.  von  Boeckh  abweicht,  enthält  nach 
seiner  Ansicht  den  Schlufs  eines  Ehrendekrets  der  ApoUoniaten  auf  einen 
Bürger  von  Kallatis,  welchem  in  seiner  Vaterstadt  eine  Statue  errichtet 
werden  sollte. 

A  n  c  h  i  a  1 0  s. 

t  138  Jirecek,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  172  n.  1. 

Den  Kaiser  M.  Aurelius  Autouinus  Pius  ehrt  rj  ßooXrj  xai  o  Xapnpora-og 
drjpog   OuKmavoJv  'Ay^[caXscuv. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  173  n.  2.     Altarinschrift:  Ju  VXup.-\maj. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  3.  Votivinschrift :  dcc  u(pc(r[T(p]  i[7:6n-{2)Tr}  (?) 
IloXülßi'log  (3)  r]a);>  Te[x]vajv  xai  [l]-(4)ayro5  eu^apcaTYj-(b)pcov . 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  4.  Unter  dem  Basrelief  eines  Mannes  in 
der  Toga:  —  nXazsca  —  (2)  A]öp.  Ilaokog  —  (3)  ßd\oX£o-a\  —  (4)  yivoug. 

Mesembria. 

Latischew,  MDAI  IX  1884  S.  223f.  n.  8.  Petersburg,  Eremi- 
tage. GIG  2053.  Album,  Taf.  47.  Tara  Z.  4  zweifelhaft.  Nach  L.  überein- 
stimmend mit  Boeckh  nicht  vor  dem  3.  Jahrh.  n.  Chr. 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Apollonia.  Anchialos.  Mesembria.  Beroe.     549 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  219f.  n.  5.  Eremitage.  CIG  2053^  K6v]ojv 
Z.  1/2  und  das  ungewöhnliche  Js[jx6vT]rjg  Z.  2/3  sind  Blarambergs  Ver- 
mutungen. Z.  3  ist  zu  lesen:  ^üog  ichv  xa\  z<jvü\tjQ^  Z.  4:  xa\  xar'  ioiav. 
Nach  L.  wahrscheinlich  2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  218  n.  4.  Eremitage.  CIG  2053«=.  Geringe 
Abweichungen.  Proxeniedekret  auf  den  Thessaler  Kallipos.  Nicht  jünger 
als  3.  Jahrh.  v.  Chr.  nach  L. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  222 f.  n.  7.  Eremitage.  CIG  II  add.  2053 d. 
Einige  Ergänzungen  abweichend  von  Boeckh. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  224 f.  n.  9.  CIG  2054.  Album,  Taf.  41. 
Z.  2:  AbXooZivTjQ  AuXouZiveog.     Vgl.  S.  547. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  221  f.  n.  6.  Odessa,  Museum.  CIG  II  add. 
2056  ^  Von  Boeckh  Varna  zugeschrieben,  nach  L.  wegen  der  Z.  2  her- 
zustellenden dorischen  Monatsform  'Ap-s/icacoi)  wohl  aus  Mesembria.  Nach 
L.  etwa  2    Jahrh.  v.  Chr. 

Jirecek,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  175.  Unter 
dem  zerschlagenen  Basrelief  einer  sitzenden  Person  (Aphrodite?)  die 
Naraenreste  von  sechs  Dedikanten.  Z.  7:  ra$cap;;(rjaa[vT£g\  Z.  8:  A^f)odcT[r^. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Grabstein  mit  Spuren  eines  Basreliefs:  ''Av- 
viov^  yovä  riav^äpeüg,  }(acf)e.  (2)  Ilapjxiviuv  llo.\>-/^dpEoq,  '/'^^P^-  (3)  Ma- 
zptg  Ilav^dpeog,  /acps.     (4)   Ohiag  llavy^äptog^  Z"^^- 

Beroe  (Eski-Zagra)  und  Umgegend. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  103  n.  1.  Nach  dem  Bulletin  der  kais.  russ. 
archäol.  Gesellsch.  zu  St.  Petersburg,  N.  S.  I  1885  nach  einer  Abschrift 
von  Montani  in  Philippopel  wiederholt  von  Jirecek,  a.  a.  0.  S.  209.  Eine 
dritte  Kopie  von  Tacchella  in  Philippopel  veröffentlicht  Bei  nach,  Kevue 
arch.  VIII  1886  S.  88.  Nicht  völlig  erhaltene  Grabschrift  in  drei  Hexa- 
metern und  einem  Pentameter,  einem  Ateilianos  errichtet  von  seinem 
Weibe  Sekunda. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  2.  Neue  Abschrift  des  von  Foucart,  BCH 
VI  1882  S.  183  n.  5  (Röhl  I,  144)  zum  teil  vollständiger  herausgegebenen 
Schlusses  der  Ehreninschrift  auf  eine  Kaiserin. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  104  n.  3.  Dorf  Avdzi  -  Duvandza  (4  St. 
südl.  von  Eski-Zagra).     Aur.  Mokianos  weiht  einen  Altar. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  4.  Skorpil,  a.  a.  0.  S.  84  mit  einer  Va- 
riaute Z.  1.  Kirche  zu  Jeni-Zagra  (Nova-Zagora).  Grabschrift  auf  eine 
12jährige  Tochter  und  deren  Mutter  Sekunda  in  zwei  nicht  ganz  unver- 
sehrten Distichen. 

Dorf  Golem 0  Selo  unweit  Kazanlyk,  im  Quellgebiet 

der  Tundza  =  Tonzus. 
Derselbe,  a.  a.  0.  S.  102  u.  2.     Inschriftstein  aus  einer  Schlofs- 
ruine  bei  dem  genannten  Dorfe,  sehr  fragmentarisch  und  unleserlich. 


550  Griechische  Epigraphik. 

Philippopolis  und  Umgegend. 

1 202  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  95 f.    Eine  jetzt  in  Cakyrlar  befindliche  In- 

schrift berichtet  über  die  Gründung  des  aus  den  Itinerarien  wohlbekann- 
ten Pizos  in  der  Zeit  des  Kaisers  Septiraius  Severus,  welches  von  den 
uTioTETayiiivoi  =  subiecti  besiedelt  wurde;  sie  erwähnt  zwei  thrakische 
Dörfer,  xw/ir^g  ZxElaßpirfi  und  xJjjxrjg  Ixenzwv^  und  nennt  zahlreiche  Per- 
sonen mit  thrakischen,  römischen  und  griechischen  Namen.  Die  Inschrift 
fällt  nach  dem  Datum  Z  9f. :  im  undvcuv  töjv  xoptutv  auroxpaTopiuv  A. 
2Je7T{Tc/j.iou)  Il£p-{lO)Tcvaxog  x{a})  M.  Aup{rjXcou)  'Avzujvecvou  ZeßiaaxMv)  in 
das  Jahr  202  n.  Chr.    Z.  4  ist  der  Name  des  Geta  getilgt. 

t  238  Derselbe,    a.  a.  0.    S.  206   teilt   eine   Inschrift   von   Skorpil, 

a.  a.  0.  S.  86  aus  der  Nähe  von  Airanli  mit.  Den  Kaiser  Gordian  und 
seine  Gemahlin  Furia  Sabinia  Tranquillina  ehrt  ^{yBp.u-{'J)v£iJovrog  ttjq 
9pq.x(i)V  e7iap-)(^[£]ta{Q  (8)  no[iniajvt]avou  (?)  Trpeaßieurotj)  SsßiaaToü)  dv- 
rc{(TTpa-{Q)T7jyou  ^  Xavn^plordzTj  6p<fxwv  pYj[Tp6-{\0)noXtg  {OdilmzonoXtg. 

Derselbe,  a.  a.  0.  teilt  das  Fragment  einer  Grabschrift  bei  Skor- 
pil, a.  a.  0.  S.  83  mit.     Der  Schlufs  lautet:   Edru^ec,  napodeTra  <pil£. 

Revue  arch.  VII  1886  S.  150.  Schlufs  einer  Ehreninschrift  des 
äpxiepeug  Ti.  Claudius  Polemarchos  auf  den  Kaiser  Trajan. 

Porta  Traiana. 
Jirecek,  a.  a.  0.  S.  90.    Stein  mit  dürftigen  Buchstabenresten. 

Pautalia,  Ulpia  Pautalia  oder  Pautalia  Aurelii 
(Küstendil)  und  Umgegend. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  64  n.  1.  Tafel  an  der  Aufsenmauer  eines 
türkischen  Bades:  fJdvrag,  oaot  aret^ouacv  (2)  dn'  äazsog  rj8k  npug  äazo^ 
(3)  ^euaau)  ^  eiaopöoj. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  2.  Inschriftfragment  im  Strafsenpflaster.  — 
n.  3.  Desgl.  Griechische  und  lateinische  Inschrift,  wahrscheinlich  dak- 
tylische Verse,  doch  unsichern  Inhalts. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  65  n.  5.  Fragment:  --zoug  (pilezaipoug 
(2)  xa\  (ptkadiX^oog  (3)  'Ano^ödojpov  — . 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  6 — 8.  Dürftige,  verwaschene  Inschriftreste, 
n.  7  Anfang:  d^cokoyw^xal-  -.    n.  8  Anfang:  M.  OuX-nliog--. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  66.  Dorf  Lozno,  1  St.  nw.  von  Küstendil. 
Interessantes  Epigramm,  von  dem  sechs  Hexameter  erhalten  sind:  »Ein 
vielvermögender  Mann  hat  ein  altes  Gemäuer  auf  steiler  Felshöhe,  dessen 
Erbauung  ruhmreichen  Herrschern  der  Vorzeit  zugeschrieben  ward,  zur 
Grabkammer  umgestaltet.« 


X.    Macedonia  et  Thracia:  Philippopolis.  Porta  Traiana.  Pautalia  etc.     551 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  67.  Skrinjano,  in  der  Ebene  nordwärts 
von  der  Stadt.  Marmortäfelchen  mit  drei  weiblichen  Figuren  und  der 
Widmnng:  Kopiaig  Nüjxfatg;  darunter  Namenreste. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Dorf  Nikolicevci.  Arg  verstümmeltes  Fragment. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  68.  Pfeilerinschrift  an  der  Brücke  über  die 
Struma,  2  St.  östl.  von  Küstendil.  Das  Fragment  enthält  den  Namen 
DauTaXca. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  74.  Dorf  Ryla,  am  Eingange  des  Ryla- 
gebirges.     Verwitterte  Granitinschrift;  Fragment  einer  Beitragsliste. 

Serdica  oder  Sardica  (Sofia). 

Jirecek,  a.  a.  0.  S.  49  n.  1.  2.     Dürftige  Inschriftreste. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  50  n.  5.  Grabstein  des  65jährigen  Aristo- 
krates,  S.  des  Aristokrates,  aus  Nicaea  (Necxasug). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  86f.  Am  Rande  von  Sofia,  an  der  Strafse 
nach  Lom.  Fragment  eines  Meilensteins.  Z.  3/4:  rjy£/j.ovsijov[Tog  t^c] 
Xafi7TpordT[7ji]g  Opaxwv  [iTzap^etas;  Z.  6.  7  noch  lesbar:  odwv  —  pcXtov. 

V.  Domaszewski,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886 
S.  241  n.  5.  Verwitterter  Meilenstein,  den  rjYeixo£öov-{b)Tog]  r^c  Xapnpo- 
rdrrjg  0paxu)V  (6)  STiapy^Buxg  -  -  JTfy'/oy  no6dev-{'7)Tog  unarcxod?  np]£<Tß. 
Heß.  dv-i-{S)arp]aT7]Yoo  [^  X]£pda)v  noXig  d-{%)viarrl\ae.  Vgl.  zu  der  In- 
schrift von  Pirot,  a.  a.  0.  S.  238  n.  1  (s.  u.). 

Dragomanski-Tepnik  (Anhöhe  unweit  des  Dorfes  Dragoman, 
an  der  Strafse  von  Sofia  nach  Pirot). 

V.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  239  n.  3.  Aur.  Mestria[nos],  Soldat 
der  legio  IL  Italica,  errichtet  dem  xopm  Eaßa^iip  ein  Weibgeschenk. 
—  Man  erwartet:  legio  I.    Italica  (die  Legion  von  Moesia  inferior). 

Dorf  T  u  d  e  n  (unweit  der  Strafse  von  Sofia  nach  Lom). 

Jirecek,  a.  a.  0.  S.  52.  Zwei  höchst  primitive  Figuren  des  Zeus 
und  der  Hera  mit  den  Votivinschriften :  1.  Kopicf.  "Hpq.  i)  x(o/i.a-\pj(:a 
£o^y}V\   2.  Kupcoj  Je:  rj  xuxpap-^ia  \  sb'/^TjV. 

Pirot. 

V.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  238  n.  1.  Altarinschrift.  Die  Cor- 
nelia (2)  Paula  Au-(3)gusta  ehrt  ^  I[ip-{^)öu)v  7roI'[?,  (5)  im  M.  Abp. 
(6)  'Hpwoou  xac  (7)  llpöxXoo  — .  Ist  die  Ergänzung  von  Z.  3  richtig, 
so  reichte  das  Gebiet  der  thrakischen  Serder  (Cass.  Dio  51,  26;  vgl.  jy 
lipdwv  TZühg  =  Serdica  a.  a.  0.  S.  241  n.  5;  s.  o.)  bis  nach  Pirot 
in  Serbien.     Demnach  wäre  die  Grenze  zwischen  Thracia  und  Moesia 


552  Griechische  Epigraphik. 

superior  weit  westlicher,  als  bisher,  auf  den  Höhen  zwischen  Bela  Pa- 
lanka  (wahrscheinlich  =  Remesiana)  und  Pirot  anzusetzen.  Die  Grenzen 
des  lateinischen  und  griechischen  Sprachgebiets  fallen  mit  diesen  Pro- 
vinzialgrenzen  zusammen, 

Derselbe,  a.  a-  0.  S.  238f.  n.  2.  Altarinschrift.  Dem  9ew  inrjxoü) 
u(pc<TT(u  widmet  ein  xocvuv,  wohl  identisch  mit  dem  &ca[(To?]  leßa^tavög 
Z.  14/15,  dessen  Mitglieder  aufgezählt  werden,  ein  Weihgeschenk  durch 
den  Priester  Hermogenes  und  den  Prostates  Augustianus. 

Sorlyik  (im  Knazevazer  Kreise). 

V.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  240  n.  4.  Jetzt  im  Belgrader  Mu- 
seum. Plinthe.  Der  "Hp<f.  Iovxtjtt^v^  weiht  Ti.  Claudius  (2)  Quirina  Theo- 
pompus  Theopompi  f.  (3),  arprxrrjybg  'AazixTJg  r^g  nepl  fJs-(4:)pcv&ov,  Irj- 
XrjTcxrjg  dpecvrjg,  j£v^£-(5)>^])yr;x^?  rr£[(5«]aö-/[a]s',  ein  ^apcarr^ptov.  Die  wahr- 
scheinlich unter  der  Regierung  des  klaudischen  Hauses  geschriebene  In- 
schrift erklärt  den  Widerspruch  in  der  Aufzählung  der  Strategieen  Thra- 
kiens zwischen  Ptoleraäus  (3,  11,  6)  und  Plinius  (N.  H.  4,  40),  indem 
letzterer  wahrscheinlich  die  Unterabteilungen  der  Strategieen  des  Ptole- 
mäus  als  selbständige  Glieder  zählte.  Eine  gleichzeitige  Verwaltung  der 
drei  Strategieen  ist  bei  der  Lage  derselben  nicht  denkbar;  vielmehr 
scheint  der  Dedikant  als  Stratege  des  zuletzt  verwalteten  Bezirks,  der 
Dentheletike,  an  dem  weit  von  den  späteren  Grenzen  Thrakiens  entfern- 
ten Orte  das  Denkmal  errichtet  zu  haben.  Vielleicht  ist  auf  grund 
unserer  Inschrift  anzunehmen,  dafs  der  südöstlichste  Teil  der  Provinz 
Moesia  superior,  das  Becken  von  Nisch,  vor  Errichtung  dieser  Provinz 
zu  Thrakien  gerechnet  wurde. 

Nicopolis  (Jeni-Nikup  und  Stari-Nikup). 

V.  Domaszewki,  a.  a.  0.  S.  241  n.  6.    Jeni-Nikup.    Dem  Zeus 
Helios  Sebazios  errichtet  Fl.  Asianus  ein  Weihgeschenk, 
t  233  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  242  n.  7.    Ebd.   Dem  Zeus  Keraunios  er- 

richtet die  Stadt  ein  Weihgeschenk,  Ma^cpo)  xk  naripvip  u7i{(XTocg)  = 
233  n.  Chr. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  8.  Ebd.  Grabstein  des  Gai'us,  S.  des  Bianor, 
aus  Nicaea,  doporexrwnoXstryjg  (?)  (polr^g  KaniTOjXecvrjQ.  »Auch  in  zwei 
anderen  Inschriften  aus  Nikopolis  (Röhl  I,  145)  werden  Asiaten  aus 
Nicaea  genannt.  Es  scheint  demnach,  dafs  Traianus  in  Nikopolis  am 
Ister,  wie  auch  in  Dacien,  Asiaten  als  städtebildendes  Element  ansiedelte«. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  9.  Unweit  Stari-Nikup.  Weihinschrift  des 
T{iß.']  Kh  UpeiaxeTvog  an  Zeus  Olympios,  Hera  und  Athena. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  243  n.  10.  Polikraste,  nördl.  von  Tirnova; 
ohne  Zweifel  aus  den  Ruinen  von  Stari-Nikup,    Altarinschrift  zu  Ehren 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Sorlyik.  Nikopolis.  Schumen.  Odessas.     553 

eines  Kaisers,  errichtet  bnaTeöovrog  i-{4:)nap/cag  Ootrewtoo  (5)  foußsvcoo 
dvT\^L\aTp{rjLTrjYütj). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  243f.  n.  11  (=  Kanitz,  Bulgarien  III  8.  1 200/1 
342,  XIII)  Jetzt  in  Tirnova.  Die  lulia  Domna,  Gemahlin  des  Kaisers 
Septimius  Severus,  Mutter  des  M.  Aurelius  Antoninus  und  des  L.  Sep- 
timius  Geta,  ehrt  unter  der  Regierung  des  Legaten  V.  'Oouetvt'oo  Tsp- 
TuXXou  rj  Upwrd-crj  ßouXrj  xac  o  xpäziaxog  Srjfj.og  ObXmag  NtxonoXscug  rr^g 
Ttpbg  "lazpov  durch  Errichtung  einer  Bildsäule.  —  Vgl.  S.  557  n.  57. 

Schumen,  türk.  Schumla,  und  Umgegend. 

Jirecek,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  197.  Frag- 
ment der  Ehreninschrift  auf  einen  Kaiser;  wohl  aus  Aboba. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  196.  Dorf  Madara,  15  km  östlich  von  Schu- 
men. Ungefähr  sieben  Mannshöhen  hoch  im  Felsen  ausgehauenes  Bas- 
relief eines  thrakischen  Reiters,  der  einen  Löwen  mit  der  Lanze  zu  durch- 
stechen scheint.  Die  Inschrift,  zu  beiden  Seiten  des  Pferdes,  ist  nur 
rechts  gut  erhalten.  Mit  dem  Fernglas  wurden  entziffert:  —  '/o.^P^  — 
Toosvap  —  scXs  —  epsTS  — . 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  198 ff.  (Umschrift  und  Erklärung  von  Szanto). 
Unweit  des  früheren,  jetzt  unter  dem  Namen  Kostena  Rjaka  von  Bul- 
garen bewohnten,  Tscherkessendorfes  Kemekci  Dere  bei  Markovca,  nö. 
von  dem  Felsrelief  von  Madara  ausgegraben;  jetzt  in  Schumen.  40 zei- 
liges Fragment  einer  dorischen  Ehreninschrift  (vielleicht  aus  Kallatis,  vgl. 
Z.  19 — 21:  i^ovra  zov  7Tpo[9ü-{20)piog  dvrcÄapßavopsvov  zag  KaX?.az[ca- 
(21)vtuv  awzrjpiag)  auf  Stratonax,  S.  des  Ly[gda]mis,  aus  Apollonia.  Die 
oberen,  arg  zerstörten  Zeilen  scheinen  den  Hinweis  auf  einen  in  skythi- 
schem  Gebiet  geführten  Krieg  zu  enthalten.  Die  Inschrift  von  Sestos 
Hermes  VII,  113  ff.  =  Dittenberger ,  Syll  inscrr.  Graec  246  (Wiener 
Studien  I,  32 ff.)  bietet  merkwürdige  sprachliche  Analogieen.  Wie  letztere, 
fällt  auch  unsre  Inschrift  sicher  nach  dem  Tode  Attalos  III.  (133  v.  Chr.). 

Odessas  (Varna). 

Latischew,  MDAI  IX  1884  S.  225 ff.  n.  10—12.  Odessa,  Mu- 
seum.    CIG  2056'',  ^  II  add.  2056  f.     Geringfügige  Varianten. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  228  ff',  n.  13.  14.  Odessa,  Museum. '  Bisher 
unediert.  Im  Katalog  des  Museums  als  aus  Smyrna  stammend  bezeichnet» 
doch  von  L.  aus  mehreren  Gründen  Varna  zugeschrieben.  Der  Stein  war 
im  Altertum  mehrmals  benutzt;  zunächst  diente  er  als  Piedestal  einer 
Statue  und  zeigt  Reste  von  mindestens  40  Zeilen  eines  Ehrendekrets 
(n.  13),  etwa  aus  dem  2.  Jahrh.  v.  Chr.  Später  wurde  er  als  Grabmal 
verwandt  und  trägt  die  Inschrift  (n.  14):  "EXkr^v  Ino'/^pöaoo  xat  rj  yuvrj 
(2)  auzou   Toüza  Jrjpovcxou,  (3)  /acpsze. 


554  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  231  n.  15.  Odessa,  Museum.  Über  der  Dar- 
stellung eines  Totenmahles  die  Zeilenreste  aus  späterer  römischer  Zeit: 
-  -  e]og  SToiv  v' \  darunter:  xai  rj  yuvrj  auzou  Tep-ia'HpaxXiujvog. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  313ff.  Nach  Abklatschen  des 
Atheners  Mystakides.  Da  die  Abklatsche  an  manchen  Stellen  deutlicher 
sind,  als  die  Photographieen  des  Russen  Ermakow,  nach  denen  M.  in  der 
Revue  archeol.  1878  (Februar  und  März)  eine  Anzahl  Inschriften  ver- 
öffentlichte, so  sind  die  wichtigeren  Texte  wiederholt  worden.  —  S.  313 
n.  1  =  Rev.  arch.  a.  a.  0.  n.  4;  S.  314  n.  2  =  n.  3;  S.  315  n.  3  =  n.  5. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  315  n.  4.  Schlufs  eines  Proxeniedekrets ; 
wahrscheinlich  =  CIG  2056. 

Derselbe,  a.  a  0.  S.  3l7f.  n.  5.  Auf  das  Präskript:  'AyaB^rji  rüxrji. 
07Se  lipTjvrat  (2)  rw  Btwc  perä  ttjv  xd&oSov  folgt  eine  Liste  von  46  Prie- 
stern; der  Sohn  (so  Latischew,  MDAI  XI,  200)  des  einen  derselben 
(Z.  24)  begegnet  CIG  2056  s  (aus  Varna,  Zeit  des  Tiberius).  —  Latischew, 
a.  a.  0.  S.  200  f.  bezieht  die  Z.  2  erwähnte  xdßoSog  auf  die  Rückkehr 
der  Einwohner  nach  dem  Einfall  der  Geten  (Dio  Chrj's.  ed.  Dindorf 
II,  49),  etwa  50  v.  Chr.,  und  setzt  demnach  das  Verzeichnis  der  46  (auf 
je  ein  Jahr  gewählten)  Priester  in  das  letzte  vorchristl.  Dezennium.  — 
Nach  demselben,  a.  a.  0.  S.  202  Anm.  1  wird  derselbe  Einfall  wahr- 
scheinlich auch  erwähnt  in  der  Inschrift  von  Istropolis  Arch.-epigr.  Mitt. 
aus  Österreich  VI  1882  S.  36  n.  78  (Röhl  I,  149)  Z.  3ff.  —  Die  Genetiv- 
form Zrjvc  Z.  29.  39  (Nominativ  Zrjvig  Z.  28)  wird  bestätigt  durch  die 
Inschrift  Rev.  arch.  a.  a.  0.  n.  9,  welche  S.  319  nach  einem  Abklatsch 
wiederholt  wird. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  319  n.  6.  Fragment,  wahrscheinlich  einer 
Dedikation  an  die  Dioskuren. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  7  =  Rev.  arch.  a.  a.  0.  n.  17. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  320  n.  8.  Grabschrift  Aes^EanaTog  \  dioaxou- 
pidou;  n.  9  des"E?.?.rjV  'Earca-;  n.  10  des  Mivzrjg  Necxcou  und  seines  Weibes 
''Avvi  Eevujvog^  —  zou  Ab-oxpäzoog  &(jydz7]p.  —  n.  11  zwei  Fragmente. 
S.  321  n.  12  Schlufs  einer  Grabschrift:  yuvr]  auzou]  OcaBcoug^  Buydzfjp  \ 
8s  'AneXMdog'  /alps. 

Jirecek,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  179  n.  2, 
Fragment:  duo  |  ^£u(prj-. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  180  n.  4.  Grabstein  (mit  Basrelief)  des 
Diogenes,  S.  des  Zopyrion,  seines  Weibes  N]ana,  T.  des  Hellen,  und 
seines  andern  Weibes  Theteis  (?),  T.  des  Asklepiades. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  5.  Grabstein  (mit  Basrelief)  des  Apellas, 
S.  des  Zoilos,  und  seines  Weibes  Mama,  T.  des  Metrodoros. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Grabstein  des  Apellas,  S.  des  Zenon,  und 
seines  Weibes  Glykytes,  T.  des  Chaireas. 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Odessus.  Dionysopolis  etc.  555 

Dionysopolis  (Balcik). 

Jirecek,  a.  a.  0.  S.  184  n.  1.    Fragment.    Bule  und  Demos  J;ov]u-  ^J^s 
aunoXirihv  ehren  den  T.  Vitrasius  PoUio,  der  als  legatus  Augusti  pr.  pr. 
von  Moesia  inferior  zur  Zeit  des  Kaisers  Antouinus  Pius  auf  Inschriften 
von  Varna  und  Lompalanka  (CIL  III  762.  6125)  erscheint. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  2.  Fragment  der  Ehreninschrift  auf  einen 
dp;(i£[pz-.     Z.  4:  ^[s]otjr]p-. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  185  n.  3.   Dorf  Junuzcilar  (nördl.  von  Balcik).  desgl. 
Fragment  der  Ehreninschrift  von  Bule   und  Demos  dcovu]ao7:oXecTu>v  auf 
einen  um  die  Stadt  hochverdienten  Mann ;  u.  a.  npsaßsöaavra  napä  9eb[v 
(5)  —  'AvTCDvecvov  £cg  rrjv  ßaatliba  ^Fiüii\rjv. 

Kavarna(=Bizone?  2V4  St.  nördl.  von  Balcik)  und  Umgegend, 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  186.  Fragmente  eines  Verzeichnisses  von 
lepeiQ  Taüpwv. 

Derselbe,  a.  a.  0  S.  187.  Dorf  Gjaur-Sujutcuk  (V*  St.  Östl.  von 
Kavarna).  Dürftiges  Fragment  einer  Weihinschrift  (?).  Z.  2:  iA]')p. 
OuaXspco-. 

Dorf  Jaly  Üc  Orman 
(18  km  nördl.  vom  Kap  Kaliakra  =  Tiriza  promunturium). 

Derselbe,  a.a.O.  S.  190.  Arg  verstümmeltes  Fragment.  Z.  3: 
'Av£ixri-\  Z.  8:  KaXX\aTtavu}\y'i 

Tocilescu  hat  unter  dem  Titel  »Neue  Inschriften  aus  der  Do- 
brudscha  und  Rumänien«  in  den  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII 
1884  S.  1—34,  XI  1887  S.  19—70  eine  reichhaltige  Fortsetzung  der  von 
ihm  im  VI.  Bande  der  genannten  Zeitschrift  (1882)  S.  1 — 52  publizierten 
»Inschriften  aus  der  Dobrudscha«  geliefert.  Die  Umschriften  in  Bd.  VIII 
werden  Frankfurter,  die  Restitution  und  Erklärung  der  metrischen  In- 
schriften Gomperz  verdankt. 

Callatis  (Mangalia)  und  Umgegend. 
Tocilescu,  a.  a.  0.  S.  3  n.  5.     Küstendsche  (Tomi),  Sammlung 
Cogalnitscheano.     Fragment:    — Kac](7apc  xal  Jouxcw  A[uprj]^c(p  [Ko/i- 
fi]6Sw  -  -. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  6.  Bukarest,  Museum.  Fragment:  'Aya&^ 
"^öxTi-      (2)   BouXtj,  0/;pog  (3)   KaUarcryyujv  (4)   [loünXiuv   0Xaoij{cov . 

Vielleicht  stammen  aus  Callatis  die  dorische  Ehreninschrift  Jire- 
cek, Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  198 ff.  (s.  S.  553)  und 
das  Ehrendekret  aus  der  Bukowina  Tocilescu,  Arch.-epigr.  Mitteil.  XI 
1887  S.  66  ft".  n.  141  (s.  unter  XXVIII:  Pannonia  et  Dacia). 


556  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  Arch. -epigr.  Mitteil.  XI  1887  S.  33  n.  32.  Jetzt  im 
Museum  zu  Bukarest.  Fragment  eines  Ehrendekretes  von  Bula  und 
Damos  in  dorischem  Dialekt  auf  einen  aTpaxlrjyug  -  -  iJL\ovtdvcog ,  datiert 
nach  dem  Priester  des  ApoUon  Agyeus. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  34  n.  33.  Jetzt  in  Bukarest.  Zwei  zusammen- 
gehörige Fragmente  des  Ehrendekretes  eines  Thiasos.  —  S.  35  n.  35. 
Zwei  Fragmente  eines  gleichen  Dekrets. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  34  n.  34.  Ebd.  Fragment,  vielleicht  einer 
metrischen  Grabschrift;  anscheinend  4.  Jahrh.  v.  Chr.  —  S.  35  n.  36. 
Ebd.  Grabplatte:  Nixlg  \  'Ispoovog. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  34  n.  37.  S.  35  n.  38.  39.  Ebd.  Dürftige 
Fragmente. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  65  n.  138.  Tatligeak,  Kreis  Mangalia;  jetzt 
in  Bukarest.     Fragment:  [Ajafxarpcou 'llpaxXe-. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  136.  Besiul,  Kreis  Medgidie;  jetzt  in  Bu- 
karest. Lateinisch -griechische  Ehreninschrift;  Fragment.  Z.  3:  ^eo~j 
M\dpxou  AhpyjXcou. 

Tomi  (Küstendsche)  und  Umgegend. 
1.  Inschriften  aus  Küstendsche  a)  im  Museum  zu  Bukarest: 
Tocilescu,  Arch.-epigr.  Mitteil.  VIII  1884  S.  11  n.  24.  Acht  elende 
Hexameter.  Grabschrift  einer  13 jährig  verheirateten  jungen  Frau,  die, 
selbst  das  einzige  Kind  geschwisterloser  Eltern,  auch  wieder  nur  einen 
Spröfsling  hinterläfst.  V.  l:  w8e  yäf)  rjjisriprjv  yevtrjv  jwüviuaz  hpov£ca}[v. 
V.  8  wird  zu  ergänzen  sein:  xal  iyiu  (=  xdyw)  ps]v  (^vrjoxuj^  au  de  )(a7ps, 
uy/aii'e,  6  dvay£(Vw[(Txujv. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  25.  Schenkung  von  Gütern  an  Asklepios 
bycatve,  6  und  Demeter. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  12  n.  26.  13zeiliges  Fragment.  Ein  Priester- 
kollegium stiftet  eine  Säule.  Neben  Namen  auf  -cog  auch  solche  auf  -tg: 
^cxwpffcg,  drjjirjTpcg,  floascSidvtg,  dtovuatg. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  15  n.  42.  »Ein  Ceuto  poetischer  Floskeln, 
mittelst  dessen  ein  angesehener  Wohlthäter  der  Stadt  verherrlicht  wird: 
y]£V£r^c  TTpou^ovza,  (2)  mvuratg  npanc'SecTfrtv,  (3)  ^ap7:ou\<Tacs  r'  dpszaTai, 
(4)  eö]S£cacg  zs  vüoco,  (n)  xo(Tp.r](Tav~a  (6)  7t]6^cv  £upu[dyutav.«.    Gomperz. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  17  n.  49.  Fragment  eines  Cippus,  von  //o]u- 
7r[i^«]f  Kop[v]i^^cg  KaXTiobpvtg  seinem  Bruder  llounXeia}  Kopvr^^[c]oj  Ma^c'iiu) 
errichtet. 

Derselbe,  a.  a.  0.  Grabschriften.  S.  18  n.  50  des  Flovrtxhg  Nec- 
xi'üo  VXßtonoket'rrjg  auf  seinen  Sohn  Satyros.  n.  51  eines  Vaters  auf 
seinen  Sohn  Markus  (?)  mit  Strafandrohung.  S.  33  n.  2  Fragment  einer 
Grabschrift,  dem  Toten  geweiht  von  seinem  Vater,  seiner  Schwiegermutter 


X.  Macedonia  et  Thracia:  Callatis.  Tomi.  557 

Nuvva  und  seinem  Schwager  Nows^Mg.  Z.  4  ist  mit  Mommsen,  a.  a.  0. 
S.  249  zu  lesen:  Novva  x{at)  o  yov£xdf)eX(pog.  S.  19  n.  53  —  S.  20  n.  59 
arg  verstümmelte  Fragmente. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  12  n.  27—29,  S.  13  n.  30—32,  S.  14  n.  38. 
40.    Dürftige  Buchstabenreste  verschiedenartiger  Fragmente. 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitteil.  XI  1887  S.  41  ff.  n.  5.5.  Fragment 
eines  Ehrendekretes  auf  einen  Bürger  von  Tyras.  —  S.  43  f.  n.  56.  Desgl. 
einer  Ehreninschrift  von  [Bule  und]  Demos  auf  Attal]os,  S.  des  Eumenes, 
Bruder  des  (in  der  Inschrift  Mitteil.  VI,  22  n.  44  =  Röhl  I,  147  geehr- 
ten) Corainius  Claudianus  Hermaphilus  Pontarches,  der  mehrere  städtische 
Ämter  bekleidete. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  41  n.  54.  Fragment  der  Votivinschrift  für 
eine  ^e«  'Aypmmva.  —  S.  44 ff.  n.  57.  Fragmente  der  Votivinschrift  t  200/1 
eines  Kollegiums,  bestehend  aus  Priestern,  Priesterinnen  und  Bürgern, 
für  die  Kaiser  L.  Septimius  Severus  Pertinax,  M.  Aurelius  Antoniuus  = 
Caracalla  (Z.  7.  8  ist  der  Name  des  Geta  getilgt),  der  lulia  Augusta 
und  des  ganzen  kaiserlichen  Hauses,  sowie  für  den  Konsular  Ovinius  Ter- 
tuUus  (200  und  201  n.  Chr.  Statthalter  von  Moesia  inferior;  vgl.  S.  553  n.  11). 
—  S.  47  n.  59.  Fragmentierte  Votivinschrift  für  Pertinax,  Caracalla,  [Geta], 
das  kaiserliche  Haus,  den  Senat  u.  s.  w.,  sowie  für  Bule  und  Demos  von 
Tomi.  —  S.  50  n.  61.    Desgl.  des  Her]mes  und  T.  Fl.  [Capito]  für  Trajan, 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  47  n.  58,  S.  50  n.  62—65,  S.  51  n.  66—70, 
S.  52  n.  71—76,  S.  53  n.  77—82,  S.  54  n.  83—90,  S.  55  n.  91—96,  S.  56 
n.  97.  98.     Dürftige  Fragmente. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  56  n.  99.  Grabschriftfragment  eines  Euel- 
pistos  auf  sein  Weib  Blas-,  n.  100.  Fragment  einer  Grabschrift.  —  S.  57 
n.  101.  Fragment  einer  metrischen  Grabschrift;  merkwürdigerweise  ist 
auch  die  Strafandrohung  metrisch.  —  n.  102.  Grabschriftfragment  eines 
Hj'psigouos.  —  n.  103.  Fl.,  Catullus  errichtet  seiner  (verstorbenen)  Tochter 
CatuUa  eine  Bildsäule.  —  n.  104.  Fragment  des  Grufses  an  den  Wan- 
derer. —  S.  58  n.  106—110  (108  wohl  christlich),  S.  59  n.  111—114, 
S.  60  n.  118—120.  Grabschriftfragmente.  —  n.  115.  Grabschrift  des 
20jährigen  Sosikrates,  S.  des  Sosikrates.  —  S.  60  n.  117.  Grabschrift- 
fragment der  Aelia  luliana  auf  ihren  Sohn  Au[relius. 

b)  In  der  Sammlung  Cogalnitscheano  zu  Küstendsche: 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitteil.  VIII  1884  S.  14  n.  36.  Grabschrift 
auf  die  Freigelassene  Epiktesis.     n.  39  Bruchstücke:  Ispo  - -. 

Dittenberger,  Epigraphische  Miscellen  in  den  »Historischen  und 
philologischen  Aufsätzen,  E.  Curtius  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet«, 
Berlin  1884  S.  291  Anm.  1  trifft  in  der  Lesung  des  von  Tocilescu,  Arch.- 
epigr.  Mitteil.  VI  S.  30  n.  60  veröffentlichten  Grabepigramms  V.  6  mit 
Röhl  I,   148    zusammen:     '/poj    ruv   i'f/ujra   ^ipcov   r.äat.    ■j(^()uviüv   ayabdii. 


558  Griechische  Epigraphik. 

»Dann  kann  freilich  der  Schlufs  des  Hexameters  nicht  mit  Gomperz  her- 
gestellt werden  ir  au[T6g,  sondern  es  mufs  dort  ein  Participium  gestan- 
den haben.  Am  nächsten  der  Überlieferung  liegt  i^au[vcijv,  dessen  sprach- 
liche Zulässigkeit  mir  aber  zweifelhaft  ist«. 

2.  Inschriften  aus   dem  Trajanswall  bei  Küstendsche  (Kostantza). 
Tocilescu,  a.  a.  0.  S.  16  n.  48.     Stele   im  Museum  zu  Bukarest. 

Unter  der  Darstellung  einer  Jagdscene  und  eines  Totenmahles  zwei  Di- 
stichen, Grabschrift  eines  Hylas.  —  S.  13  u.  34.  Friesfragment  in  der 
Sammlung  Cogalnitscheano:  'A]ya&^  '^^XJj- 

3.  Inschriften  aus  der  Umgegend  von  Küstendsche  a)  im  Museum 
zu  Bukarest: 

ca. ti55  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  20f.  n.  60.     Stele  aus  Cicracci,  Distrikt 

Küstendsche.  A  ßooXä  x\cu  b  8aiioQ\  rag  &eoxTi<y-[oo  ' Hpa\xXetag  ehren 
den  T.  Fl.  Palatina  Longinus,  Q.  Marcius  Turbo,  dessen  cursus  bonorum 
ausführlich  angegeben  wird.  Nach  Mommsen,  a.  a.  0.  S.  249  ist  Z.  14 
zu  ergänzen:  l\Xap-)^ov  (pü-{\b)Xrjg,  vgl.  Staatsrecht  II,  800;  sowie  xat  am 
Ende  von  Z.  18  zu  tilgen.  Der  Gefeierte  ist,  wie  Hirschfeld  anmerkt, 
als  Statthalter  von  Moesia  inferior  aus  CIL  III  767  und  Ephem.  epigr. 
IV  525  (aus  dem  Jahre  155  n.  Chr.)  bekannt,  wahrscheinlich  identisch 
mit  dem  in  einer  Inschrift  von  Puteoli  v.  J.  161  genannten  Flavius  Lon- 
•  ginus  cl.  V.  cur.  r.  p. ,  demnach  vielleicht  nach  Mommsen  (a.  letzt.  0. 
S.  Ö29)  Adoptivsohn  des  bekannten  Gardepräfekten  Hadrians  Q.  Marcius 
Turbo.  Sein  Konsulatsjahr  ist  unbekannt.  Mommsen,  a.  a.  0.  S.  249 
führt  die  singulare  Ämterlaufbahn  des  Longinus,  der  zuerst  praefectus 
cohortis  wird  und  dann  vom  Sevirat  auf  die  senatorische  Carriere  voll- 
ständig durchmacht,  auf  die  Adoption  desselben  zurück,  die  ihn  aus  dem 
Ritter-  in  den  Senatorenstand  gebracht  haben  wird  Der  Z,  14  erwähnte 
L.  Caesar  ist  der  Adoptivsohn  Hadrians  L.  Aelius  Caesar;  demnach  wird 
Longinus  i.  J.  136  oder  137  Quästor  gewesen  sein.  Der  Z.  16/17  er- 
wähnte im/j.s?,rjTr]g  wohl  =  curator  reipublicae  (Heracleensium).  Es  folgen 
die  Namen  derjenigen,  welche  die  Ausführung  des  ohne  Zweifel  in  Tomi 
aufgestellten  Monumentes  zu  besorgen  hatten.  —  Über  Herakleia  und 
den  daselbst  herrschenden  dorischen  Dialekt  vgl.  Boeckh  CIG  II  S.  89. 

ca.t24o  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  22f.  n.  61.    Cippus  aus  Alakapu,  Distrikt 

Küstendsche.  Ehreninschrift  des  KaroXXehog,  dneXsuBspos  -ou  xuptoo 
au-oxpdxopug  M.  'Avt.  FopScavoü  leßiaa-ou)  hßpdpiog  auf  seinen  npai- 
nöatzov  llunX.  All.  A/xp.u)v:ov,  zuv  xpanarov  knhpunov  zoTj  JJeßiaazod), 
dessen  militärische  Ämter  in  aufsteigender  Ordnung  aufgezählt  werden; 
u.  a.  war  derselbe  zptßoüvog  ^wpzrjg  a  repp-dviov.  Nach  Hirsch felds 
Vermutung  dürfte  der  Gefeierte  identisch  sein  mit  dem  Ammonius,  an 
den  ein  Reskript  des  Kaisers  Gordian  v.  J.  240  gerichtet  ist  (cod.  lust. 
VI,  45,  2). 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  63.    Aus  Hagigia,  Distrikt  Küstendsche. 


X.   Macedonia  et  Thracia:  Tomi  und  Umgegend.  559 

Grabschrift  eines  Vaters  auf  seinen  27jährigen  Sohn:   'A]vvc'üj  Sounipu), 
mit  Strafandrohung. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  15.  Aus  Hassiduluk  unweit  Küstendsche 
(s.  u.  n.  60).  n.  43.  Fragment  der  Grabschrift  eines  Mannes  auf  seine  nach 
46jähriger,  mit  sieben  Kindern  gesegneten  Ehe  im  Alter  von  70  Jahren 
verstorbene  Frau.    n.  44  wenige  ßuchstabenreste. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  18  n.  52.  Aus  Tekürgiölü  (Tökirgele), 
Distrikt  Küstendsche.  Fragment  der  Grabschrift  eines  Vaters  auf  seinen 
85 jährigen  Sohn,  fivtag  xdptv.  S.  13  n.  33.  Fragment  ebendaher:  •\- 
IJsda--  I  'A?^e$a[v\8po5  oa  - -.     Christlich? 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitt.  XI  1887  S.  62  u.  124.  Aus  Con- 
stantza.    Altarinschrift.    Über  einem  Adler:  ■/^apca]Tr]pcüv. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  48  n.  60.  Aus  Hassiduluk,  Kreis  Con- 
stautza  (s.  0.  n.  43).  Fragment  (drei  Distichen).  »Der  Sohn  des  Parmis 
weiht  dem  Stierbakchos  als  Priester  eines  bakchischen  Thiasos  der  Paso 
eine  Statue  aus  dem  Erträgnis  seines  Gewerbes.«     Reisch. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  62  n.  125.  Aus  Hasan cea,  Kr.  Constantza. 
Dem  40jährig  verstorbenen  Menephelos  errichten  sein  Weib  Thithisatta, 
seine  Kinder  Oneratmios  und  Kiatta,  sowie  lo^sc/xuou,  T.  des  Menekles, 
eine  Grabstele. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  63  n.  126.  Aus  Karamurat,  Kr.  Con- 
stantza. C  Pontius  Licinnianus  errichtet  seinen  Brüdern  C  Pontius 
Phoebianus  und  C.  Pontius  Marcianus  ein  Grabmal. 

Derselbe,  a.  a.  0.  u.  127.  Aus  Palazu  (s.  u.  n.  23),  Kr.  Con- 
stantza.    Fragment  einer  Grabschrift  mit  Strafandrohung. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  65  n.  139.  Aus  Anadolköi  (s.  u.  n.  22). 
Reste  vermutlich  einer  Grabsclmft. 

b)  In  der  Sammlung  Cogalnitscheano  zu  Küstendsche. 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitt.  VIII  1884  S.  8  n.  21.  Cippus  aus 
Sofulea,  Kreis  Küstendsche.  Zwölfzeiliges  Fragment  einer  Weihinschrift 
des  Mäpxog  Md[px]o'j  auf  Pluton,  Demeter  und  die  &sä  Kopyj. 

Derselbe,  a.  a.  0.  n.  22.  Cippus  aus  Anadolköi  (s.  0.  3*).  Elf- 
zeiliges  Fragment  eines  Verzeichnisses  von  Beiträgen  zu  einem  gemein- 
schaftlichen Bau,  etwa  einem  Cäsareum  (wohl  aus  dem  2.  oder  3.  Jahrh. 
nach  Gomperz).  Z.  3  befremdliche  Verschmelzung  der  römischen  und 
griechischen    Benennungsweise:    Abp.    AxüXag  'A&rjva[c]ou    7Ty]^[scg   oder 

Derselbe,  a-  a.  0.  S.  9  n.  23  Marmortafel  aus  Palazu  (s.  0.  3'*), 
unweit  Küstendsche.  Unter  dem  Reliefbrustbild  einer  männlichen  und 
einer  weiblichen  Figur  drei  Hexameter.  Sind  dieselben  von  Szauto  und 
Gomperz  richtig  ergänzt,  so  wäre  der  »venator«  (xuvrjyog)  Attalus,  der 
aus  so  vielen  Kämpfen  der  Arena  siegreich  hervorging,  schliefslich  einem 


560  Griechische  Epigraphik 

Büffel  erlegen,  dessen  Anblick  und  Angriff  waghalsig  ertragen  zu  haben, 
er  sich  zugleich  rühmt  und  gewissermafsen  anklagt. 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitteil.  XI  1887  S.  69  n.  142.  Dorf  Ka- 
ranasib.  Bauinschrift  innerhalb  der  Reliefdarstellung  eines  thrakischen 
Reiters.  Dionysios  und  Herodoros,  SS  des  Satyrion,  und  Arteraidoros, 
S.  des  Dionysios,  haben  rfj  xojixrj  unkp  ixayKTzpdzTjQ  ein  äßtriopiov  (abitoriuni 
wohl  von  gleicher  Bedeutung  mit  dem  von  unserm  »abtreten«  hergeleite- 
Ten  Wort)  auf  eigene  Kosten  errichtet. 

Hirschova  und  Umgegend. 

Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest: 

Tocilescu,  Arch.-epigr.  Mitt.  VIII 1884  S.  4  n.  9.  Aus  Hirschova. 
Fragment:  -  -  xai  o  dr^/xog  [Trjg  \  /xrjTpo7:6]^£üjg  ~ou  f/ovrou  \  -  -   T]ojJLeajg. 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitt.  XI  1887  S.  64  n.  1:34.  Aus  Dul- 
gheru.    Weihung  an  den  {^sug  la^opog  (wohl  Mitbras  =  deus  Invictus). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  28  n.  17.  Aus  Sarai.  Wohl  Reste  einer 
metrischen  Grabschrift. 

Istropolis  (Karaharman). 
Derselbe,  a.  a.  0.  S.  66   n.  140.     Grabschrift  auf  den   um   die 
Stadt  verdienten  Klitios,  S.  des  Artemidoros. 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitt.  VIII  1884  S.  24  n.  62.  Jetzt  in 
Bukarest.  Grabschrift  des  Asklepiades,  S.  des  Menophilos,  aus  Niko- 
media,  o  xal  'AZnvehrjg^  ivnopog  auf  seinen  Bruder  und  im  Alter  von 
60  Jahren  verstorbenen  Vater.     Z.  10:  yalpe,  napodeTra. 

Camäna,  Kreis  Babadagh. 

Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitt.  XI  1887  S.  38  n.  43.  Aus  Kasap- 
kiöi;  jetzt  in  Bukarest.  In  zwei  Stücke  zerbrochene  Marraortafel  mit 
der  Inschrift  (Weihung?)  der  Söhne  des  Hippolochos,  datiert  nach  dem 
Priester  Hegesagores. 

XL  Sarmatia  cnm  Chersoneso  Taurica  et  Bosporo 
Cimmerio. 

Die  folgenden  Inschriften  finden  sich  gröfstenteils  gesammelt  in 
dem  mir  nicht  zugänglichen  Werke: 

Inscriptiones  antiquae  orae  septentrionalis  Ponti  Euxini  Graecae 
et  Latinae.  lussu  et  impensis  societatis  archaeologicae  imperii  Russici 
ed.  M.  Basilius  Latyschew.    Vol.  I,  Inscriptiones  Tyrae,  Olbiae,  Cher- 


XI.  Sarmatia  cum  Chersoneso  Taurica  et  Bosporo  Cimraerio.         501 

sonesi  Tauricae,  aliorum  locorum  a  Danubio  usque  ad  regnum  Bospo- 
ranum  continens.  Accedunt  tabulao  2  lith.  St.  Petersburg  1885.  (Leipzig, 
Vofs'  Sort )  Imp.-4.  VIII,  243  S.  20  Mk.  —  Rez.:  Reinach,  Revue  crit. 
1885  n.  51  S.  481—483.  Dittenberger,  DLZ  1886  n.  13  Sp.  437  f.  Bürchner, 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1887  n.  8  Sp.  225—228.  Zum  Muster  sind 
CIA  und  CIL  genommen.  Der  knappe  Kommentar  enthält  nur  das  für 
die  Erklärung  Unentbehrliche.  —  Bd.  II  soll  die  Inschriften  des  Bospo- 
ranischen  Reiches,  Bd.  III  die  keramischen  und  andre  Inschriften  um- 
fassen. 

T  y  r  a  s. 
Jurgiewitsch,  Revue  arch.  3.  serie.  II  1883  S.  79ff.  Fragment  t  i82 
eines  Ehrendekretes  auf  einen  Cocceius  aus  dem  Konsulate  des  Kaisers 
Commodus  und  des  Antistius  Burrhus,  d.  h.  aus  dem  mit  dem  17.  März 
182  n.  Chr.  beginnenden  dritten  Konsulatsjahre  des  Commodus.  Das  ge- 
nauere Datum  der  Inschrift  ist  nach  einheimischer  Zeitrechnung  der 
30.  Artemision,  der  dem  27.  April  der  Römer  (a.  d.  V.  Kai.  Mai.)  ent- 
spricht Durch  diese  und  eine  schon  früher  bekannte  Inschrift  aus  Tyras 
wird  es  ermöglicht,  den  Kalender  dieser  Stadt  mit  grofser  Wahrschein- 
lichkeit festzustellen  (vgl.  S.  85—87). 

0  1  b  i  a. 

Egger,  BCH  IX  1885  S.  375f.  und  Revue  crit.  1885  S.  16.  319. 
Latischew  (s.  o.)  n.  171.  Tocilescu,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus 
Österreich  XI  1887  S.  37 f.  n.  41  mit  teilweise  abweichenden  Ergänzungen. 
Fragment  einer  auf  der  Insel  Leuke  (vor  den  Mündungen  des  Istros)  ge- 
fundenen, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest  befindlichen  Ehreninschrift  des 
Demos  der  Olbiopoliten  auf  einen  Verstorbenen,  dessen  Name  nicht  er- 
halten ist,  wahrscheinlich  einen  Bürger  von  Leuke,  den  die  Olbiopoliten 
zu  seinen  Lebzeiten  durch  ein  Geschenk  geehrt  und  dann  auf  öffentliche 
Kosten  bestattet  hatten.  Unser  Stein  ist  ohne  Zweifel  die  Basis  einer 
Bildsäule  des  Geehrten,  deren  Errichtung  in  der  Inschrift  beschlossen  wird. 

Mordtmann,  Hermes  XX  1885  S.  314.  Eine  Revision  des  Hermes 
XIII,  373  ff.  (Röhl  I,  150)  mitgeteilten  Rats-  und  Volksbeschlusses  hat 
mehrere  Varianten  ergeben,  auf  grund  deren  namentlich  Z.  10 — 13  mit 
Wahrscheinlichkeit  zu  ergänzen  sind. 

Chersonesus. 

Latischew,  BCH  IX  1885  S.  265  —  300  sucht  in  einer  ausführ- 
lichen Untersuchung:  »La  Constitution  de  Chersonesos  an  Tauride  d'aprös 
des  documents  epigraphiques«  die  kommunalen  und  politischen  Verhält- 
nisse der  Stadt  auf  grund  der  Inschriften  klarzulegen. 

Rumpf,  »Ein  inschriftliches  Digamma«,  Fleckeis.  Jahrbb.  Bd.  131 
und  132  1F85  S.  837  —  840,  rechtfertigt   seine  in  derselben  Zeitschrift 

Jahresbericht  flir  AltertbumswissenBChaft  LH.    (1887.  HI,)  36 


562  Griechische  Epigraphik. 

Bd.  123  1881  S.  833  —  838  mitgeteilte  Lesung  von  Z.  31  des  Ehrende- 
kretes der  Chersonesiten  auf  Diophantos  (vgl.  Röhl  I,  151;  zuletzt  Lati- 
schew,  Inscript.  antiquae  n.  185):  zä  li/[yo]iva  gegenüber  der  aus  sprach- 
lichen Gründen  unzulässigen  Lesung  von  ßlafs,  Rhein.  Mus.  XXXVI 
S.  611  f.:  -ä  evmiva  =  »das  Dortige«.  In  dem  fraglichen  Worte  steht 
an  dritter  Stelle  »un  Y  gi'ave  comme  en  surcharge  sur  un  O«-  Der 
Verf.  sucht  aus  sprachlichen  Analogieen  zu  erweisen,  dafs  seine  Lesung 
bedeute:  »Die  in  der  mit  Weinspenden  verbundenen  heiligen  Handlung 
eingeschlosseneu  Bestimmungen,  die  Vertragsbestimmungen«. 

Latischew,  ßCH  IX  1885  S.  279  Anm.  1;  und  Inscr.  ant.  n.  laS. 
Bessere  Kopie  der  Ehreninschrift  CIG  2098. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  285.  Vielleicht  ist  das  kläglich  verstüm- 
melte Fragment  eines  Psephisma  im  Museum  zu  Odessa  auf  Chersonesos 
zu  beziehen.     Z.  2:  Xepauvaa\scza[tQ'^ 

Jurgiewitsch  hat  in  den  mir  unzugänglichen  Meraoires  de  la  so- 
ciete  d'hist.  et  d'archeol.  d'Odessa  XI  1881  S.  314  n.  2  (=  Latischew, 
Inscr.  ant.  n.  188)  ein  kleines,  ohne  Zweifel  von  einer  Ehreniiischrift 
herrührendes  Fragment  veröffentlicht,  dessen  erste  Zeile  wahrscheinlich 
ol  7tp]öcdpoi  X[epauvaairäv  slnav  zu  ergänzen  ist.  —  Ebenso  ist  in  einem 
anderen  Fragment,  Bd.  XII  1882  S.  220  n.  1  (=  Latischew,  1.  c.  n.  186) 
wohl  zu  lesen :  Ol  Xepaova{cnräv  Tzpoedpoc  ei-\rMV.  —  In  einem  dritten, 
älteren  Fragment,  a.  a.  0.  S.  221  n.  3  (=  Latischew,  u.  184)  liest  man: 
'IIpaxA.?]sc'8ag  liapiievovzoQ  dn-\\_sv.  —  (Diese  Notizen  nach  Latischew,  BCH 
IX,  279  Anm.  2.) 

1 58-69  Latischew,   BCH  IX  1885   S.  273f.     Halb   erloschene,  jetzt  im 

kais.  histor.  Museum  zu  Moskau  befindliche  Ehreninschrift.  Von  ur- 
sprünglich zwölf  Kränzen,  deren  jeder  eine  Belobigung  des  Geehrten 
umgab,  sind  nur  sieben  mehr  oder  minder  schwer  lesbare  erhalten.  Die 
Inschrift  des  zehnten  Kranzes :  npE(Tߣ'j-{2)(Ta\>Ti  nozl  (3)  rov  zag  Mu- 
at-{^)ag  ayep6-iyfi)va  möchte  der  Herausg.  auf  Ti.  Plautius  Silvanus  Aelia- 
nus  beziehen,  der  Mösien  als  legatus  pro  praetore  zwischen  58  und  69 
n.  Chr.  verwaltete  (Mommsen  zu  CIL  III  781)  und  der  nach  inschrift- 
lichem Zeugnis  die  Bewohner  von  Chersonesos  von  der  Belagerung  durch 
einen  Skythenkönig  befreite. 

ca.  t  92  Derselbe,  BCH  XI  1887  S.  164,  nach  einer  von   dem  Sekretär 

der  archäol.  Gesellschaft  zu  Moskau,  Oreschninow,  in  Sebastopol  erwor- 
benen Kopie.  Der  Stein,  dessen  man  bisher  nicht  hat  habhaft  werden 
können,  soll  zu  Balaclava  gefunden  sein,  gehört  jedoch  augenscheinlich 
nach  Chersonesos.  Er  enthält  eine  Ehreninschrift  des  Damos  auf  Sextus 
Octavius  Fronto  {0p6vzo\>a) ^  npsoßsuzrjg  und  dvztazpdzrjyog  des  Kaisers 
Domitian,  in  fast  wörtlicher  Wiederholung  einer  durch  den  Damos  von 
Chersonesos  dem  Sextus  Vettulenus  Cerialis,  Statthalter  von  Mösien  unter 
Vespasian,  errichteten  Basisinschrift  (Latischew,  kiscr.  ant.  n.  197);  wahr- 


XI.  Sarmatia  cum  Chersoneso  Taurica  et  ßosporo  Cimmerio.        563 

scheinlicb  stand  daher  auch  unsere  Inschrift  auf  dem  Sockel  einer  dem 
Geehrten  errichteten  Bildsäule.  Sextus  Octavius  Fronto  war  mit  Ti. 
lulius  Candidus  Marius  Celsus  consul  suffectus  im  zweiten  Drittel  des 
Jahres  86  n.  Chr.  (CIL  III  2  p.  857  n.  14)  und  Befehlshaber  der  mösi- 
schen  Flotte  (nach  dem  vom  14.  Juni  92  datierten  Militärdiplom  CIL 
III  2  p.  858  n.  15);  aufserdem  war  er  nach  unserer  Inschrift  Statthalter 
von  Moesia  inferior,  zu  dessen  Verwaltungsbezirk  ohne  Zweifel  auch  Cher- 
sonesos  gehörte. 

Jurgiewitscb,  Memoires  de  la  societe  d'hist.  et  d'archeol.  d'Odessa  c-i.  tißo 
XIII  1883  S.  1  ff.,  wiederholt  von  demselben,  Revue  arch.  3.  serie  II 
1883  S.  79  —  90;  nach  neuer  Abschrift  Latischew,  BCH  IX  1885 
S.  268  f.  =  Inscr.  ant.  n.  199.  Basisinschrift  zu  Ehren  des  Ariston,  S. 
des  jittinas,  wegen  seiner  der  Vaterstadt  geleisteten  Dienste,  die  von 
zehn  Olivenkränzen  umgeben,  der  Reihe  nach  aufgezählt  werden.  Die 
aus  der  Mitte  des  2.  nachchristl.  Jahrh.  stammende,  den  Künstlernamen 
des  Kephisodotos  tragende  Inschrift  ist  sehr  interessant  wegen  der  neuen 
Auskünfte,  welche  dieselbe  über  die  politischen  Verhältnisse  von  Cher- 
sonesos  und  über  die  daselbst  bestehenden  obrigkeitlichen  Ämter  gewährt. 
U.  a  war  der  Geehrte  zweimal  mit  einer  Mission  an  den  bosporanischen 
König  Rhoimetalkes  (=  Ti.  lulius  Rh.,  unter  Hadrian  und  Antonin,  131 
— 153  n.  Chr.)  betraut.  —  Um  sich  der  Ungewifsheit  über  ihre  poli- 
tischen Verhältnisse  zu  entziehen,  beeilten  sich  die  Chersonesiten,  unter 
Führung  des  Ariston  in  Rom  die  nötigen  Schritte  zu  thun.  Da  die  Kö- 
nige des  Bosporos  seit  Mithridates  VI.  nicht  auf  ihre  Rechte  über  die 
Grieclienstädte  der  taurischen  Halbinsel  verzichtet  hatten,  so  konnte  der 
in  Rom  zu  erwartende  Bescheid  zweifelhaft  sein  Doch  wurde  ihnen  nach 
sechsjährigem  Warten  ihre  Unabhängigkeit  von  Hadrian  bestätigt.  — 
Von  autonomen  Ämtern  der  Stadt  werden  erwähnt:  die  Tzpodixia^  i/ofio- 
^uÄaxca,  8a/ieofjpa,  otocxr^acg  (letzteres  =  Verwaltung  der  städtischen 
Einkünfte). 

Panticapaeum. 

Wolters,  Rhein.  Mus.  XLI  1886  S.  347 f.  behandelt  das  Grab- 
epigramm aus  römischer  Zeit  Stephani,  Corapte-rendu  1877  S.  277  (Röhl 
I,  152). 

Caucasus. 

Pomjalowski,  Sammlung  griechischer  und  lateinischer  Inschrif- 
ten Kaukasiens.  Festschrift  zum  fünften  Archäologcnkougrefs  zu  Tiflis. 
(Russisch)  St.  Petersburg  1881.  96  S.  8  Taf.  (Mir  unzugänglich.)  — 
Die  griechischen  und  lateinischen  Inschriften  Kaukasiens  sowie  die  zum 
teil  schwer  zugänglichen  Mitteilungen  über  die  epigraphischen  Denkmäler 
des  kaukasischen  Gebiets  sind  hier  im  Auftrage  der  archäol.  Gesellschaft 
zu  Muskau  in  einem  Corpus  vereinigt.     »Die  Anordnung  des  Werkes  ist 

36* 


564  Griechische  Epigraphik. 

eine  örtliche:  Der  erste  Teil  enthält  die  Inschriften  des  nördlich  vom 
Kaukasusgebirge  gelegenen  Kaukasiens  (Gouvernement  Stawropol)  mit 
Ausnahme  der  prinzipiell  ausgeschlossenen  Inschriften  der  Halbinsel 
Taman;  im  zweiten  Teile  sind  die  Denkmäler  der  Ostküste  des  Pontus, 
im  dritten  das  Ceutralgebiet  von  Kaukasien,  im  letzten  der  südliche  Kau- 
kasus samt  den  von  Rufsland  in  jüngster  Zeit  annektierten  Gebieten  be- 
handelt. Der  Abdruck  der  Inschriften  geschieht  in  genauem  Anschlufs 
an  die  benutzten  litterarischen  Quellen.  Die  Fundberichte  der  Reisen- 
den sind  in  der  Sprache,  in  der  sie  geschrieben,  wiedergegeben;  dem 
Texte  der  Inschriften  sind  Notizen  über  die  frühere  Publikation  der- 
selben und  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  russisch  geschriebene  Erläute- 
rungen und  Übersetzungen  beigefügt.  Den  Schlufs  bilden  sorgfältig  gear- 
beitete Indices  und  die  in  Lithographie  ausgeführten  Abbildungen  von 
26  der  bedeutenderen  Denkmäler,  deren  praktischen  Werth  wir  aller- 
dings nicht  gar  hoch  anschlagen  möchten.«  Die  150  Inschrifttexte  der 
Sammlung  oder  Mitteilungen  über  solche  (eine  einzige  Inschrift,  n.  140 
=  CIL  III  2,  6052  ist  lateinisch)  entfallen  auf  Denkmäler  der  griechi- 
schen, römischen  und  byzantinischen  Zeit;  auch  Inschriften  religiösen  In- 
halts aus  dem  Mittelalter  und  bis  auf  das  18.  Jahrh.  herab  sind  aufge- 
nommen. Für  die  antike  Epigraphik  kommt  nur  etwa  ein  Dutzend  grie- 
chischer Inschriften  von  der  Ostküste  des  Pontus,  namentlich  aus  Anapa, 
in  betracht.  »Für  die  wichtigen  Inschriften  aus  Anapa,  von  denen  ein- 
zelne im  GIG  nicht  berücksichtigt  sind,  eine  (n.  58)  bisher  überhaupt 
noch  nicht  bekannt  gewesen  zu  sein  scheint,  konnte  der  Herausg.  zum 
teil  photographische  Abbildungen  benutzen,  die  verschiedene  Textver- 
besserungen ermöglichten;  an  den  Lesungen  des  GIG  (n.  2133.  2134. 
2132.  2130.  2130b.  2131.  2131b.  2131c.  2108)  hat  Prof.  Destunis,  der 
an  der  Veröffentlichung  der  Inschriften  thätigen  Anteil  nahm,  mehrfach 
scharfsinnige  Kritik  geübt.  Einen  dunkeln  Punkt  bilden  die  aus  altern 
und  auch  neuern  Reisewerken  gezogenen  Notizen  über  eine  grofse  An- 
zahl griechischer  Inschriften,  welche  bisher  noch  nicht  veröffentlicht  wur- 
den, sondern  von  deren  Existenz  man  nur  durch  Hörensagen  Kunde 
hat.«  —  Herrn.  Haupt,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1884  n.  43  Sp.  1346 
—1348. 

(Teil  II  folgt  im  nächsten  Bande.) 


Register. 


I.  Verzeichiiiss  der  besprochenen  Schriften. 


Abel    E,  Isota  Nogarola  III   151 

—  die    Catullusrecension   des   Guarinus 

II  208 

Ackermann,  K  ,  pädagogische  Literatur 

III  229 

Adam,  J.,  de  codicibus  Aeschineis  I  234 
Adrian,  K.,  Aristotelis  systema  causarum 

ad  motum  circularem  I  3 
Aken,  O.,  de  figurae  ärzö  xoivoö  usu  apud 

CatuUum  II  88.   191 
Allard,  P.,  les  persecutions  eu  Espagne 

III  326 
Allers,  W.,  de  Senocae  librorum  de  ira 

toiitihus  I  60 
Almanach    der    Universität   Heidelberg 

III  204 
Andronicus  Tispi  Tta^fibv  rfcc.  Kreuttncr 

et  Schuchhardt  1  73 
Antoniades,  Hypothekensteiu  III  440 
Antoniewicz.  J.  v  ,  Humanismus  in  Polen 

III  186 
Antonini    Marc!    meditatious  ed.   by  H. 

Crossley  I  71 

—  commentarii  rec    J.  Stich  I  70 
Apelt,    0.,    die    stoischen    Üetinitiouen 

der  Affekte  I  57 

—  Melissos  1  9 

Aristoteles,   morale  ä  Niconiaque,   ed. 
L.  Carrau  I  9 

—  —  par  L.  Olle-Laprune  I  9 

—  —  trad.  da  L.  Moschettini  I  9 

—  —  trad.  par  Thurot  1  9 

—  metaphysica  rec.  W.  Christ  1  2 

—  meteorologia,  ed.  P.  Tanuery  1  6 

—  the  Rhetorics,  translated  by  J.  Well- 
don I  13 

—  Tzepi  kpßfjveirjq  ed.  ¥r.  Michaelis  1  1 

—  fragmenta  coli.  V.  Rose  I   1 

—  supplementum :  Prisciani  metaphrasis 
ed.  J.  By  water  I  20 

Arleth,  E. ,    über  Aristoteles  Eth.  Nie. 

I  10 
Arlt,  A.,  CatuUs  36.  Gedicht  II  258 
Aronis,  Ch.,  Xpöuinnoc,  ypappurixui  I  54 


Asbach,  J  ,   die  Kriege  der  flavischen 

Kaiser  III  316 
Aubert,  C.  M.,  adnotationes  in  Senecae 

dialogum  I  58 
d'Avenel,  J.,  le  stoicisme  I  46 
Bährens,  E.,  zu  iat.  Dichtern  II  IIB 

—  Buchformat  der  Elegiker  II  119 

—  zu  Ausonius  u.  Gatull  II  240 

—  die  Laodamiasage  II  256 

—  über  das  Catullsche  Epigramm  vili- 
cus  aerari  quondam  II  287 

Bailly,  A  ,  notice  sur  E.  Egger  111  20O 
Baltzer,    E.,    Apollouius    von    Thyana, 

übersetzt  I  92 
Band,  0.,  Demeter-Kore-Fest  III  375 
Bapst,  G.,  sur  la  provenanco  de  l'etain 

III  102 
Baran ,  A.,   zur  Chronologie  des  euböi- 

scheu  Krieges  1211 

—  Komposition  der  ersten  Philippica 
I  208 

Baratieri,  0.,  la  leggenda  dei  Fabi  111 

292 
Barone,  J.,  la  tondation  de  Rome  III  285 
Bases,  Amphiareion  zu  Üropos  III  407 
Bastgen ,   P. ,   de   Demosthenis   Midiana 

I  218 

Bauch,  G.,  Hutteniana  III  177 

—  Johannes  Hadelius  HI  182 

—  Ursinus  Velius  III   180 
Baumann,   J.,  de  arte   metrica  Catulli 

II  197 

Baumgarten,  Fragment  eines  bäulen- 
schattes  III  448 

Baunack,  J  ,  Inschriften  aus  dem  As- 
klepiostempel  von  Epidauros  111  449 

Becher,  F,  zu  Quintilian  II  12  ff. 

Bechtel,  die  arkadischen  Inschriften  III 
468 

Beiger,  Ch. ,  Moritz  Haupt  als  akade- 
mischer Lehrer  II  224 

Bender,  H  ,    Iat.  Anthologie  II  84.  278 

Benn,  A.  W.,  the  Greek  philosophers  I  36 

Benoist,  E.,  sur  CatuUe  11  257 


566 


Register. 


Bergk,  Th.,  die  Liste  der  delphischen 

Gastfreunde  III  497 
Bernays,  J.,  über  die  pseudophilonische 

Schritt  von  der  Unzerstörbarkeit  des 

Weltalls  I  96 
Berthelot,  M.,  coUection  des  alchimistes 

III  95 
Bestmann,  H  ,  Origenes  u.  Plotin  I  124 
Biadego,  G. ,  il  p.  Mansi  e  il  p.  Mama- 

chi  III  258 
Biereye,  J.,  res  Numidarum  III  299 
Biese,  A.,  Entwickelung  des  Naturgefühls 

II  120 

—  de  iteratis  syllabis  II  121 

—  zu  Catull  II  288 

Bigg,  Ch.,  the  Christian  Platonists  I  121 
Binde,    Seneca  quid   senserit  de  rerum 

natura  I  62 
Birt,   Th..   antikes  Buchwesen    II  121. 

214.  289 

—  ad  historiam  hexanaetri  II  289 

—  Bfmerkungen  zu  Properz  II   123 
Bitschofsky,  R,  zu  Properz  II  125 
Blass,  F ,  Citate  aus  Demosthenes  I  194 

—  Dialektinschriften  III  446 

—  de  Gemino  et  Posidonio  I  56 

—  ad  Hyperidis  Demosthenicam   I  242 

—  die  eleischen  Inschrifteu  III  469 
Blümnep,  H  ,  zu  CatuUus  II  258 
Bodewig,  R ,  de  proeliis  apud  Mutinam 

comtnissis  III  308 
Böhlau,  K. ,   de  Lygdami  carminibus  II 

355 
Bötticher,  W.,  des  Arnos  Comenius  di- 

dactica  magna  III  228 
Bohlmann,  C,  de  attractionis  usu  116 
Boissier,  G  ,  etude  d'histoire  religieuse 

III  329 

Boldt,  de  liberiore  linguae  Graecae  et 
Latinae  collocatione  11  289 

Bonin,  A.,  Untersuchungen  über  das  62. 
Gedicht  von  Catull  II  264 

Bonnet,  M  ,  Codex  Sangerm.  des  Catull 

II  198 

—  sur  Catulle  II  290 

Bornemann ,  Pindars  7.  nemeische  Ode 

I  33 
Bouchot,  H.,  le  livre  III  191 
Boxberger,  R  ,  Briefe  von  llgen  III  237 
Braitenberg,  R  v.,  über  das  Verhältniss 

Catulls  zu  seiner  Zeit  III  233 
Brandt,  S.,  eclogae  poetarum  latinorum 

U  85    279 

—  Jubiläum  der  Universität  Heidelberg 

III  194 

Braune,  A  ,  Epiktet  u  das  Christenthum 
I  69 

Bresslau,  H. ,  die  Commeutarii  der  rö- 
mischen Kaiser  111  27 

Breusing,  A.,  Nautik  der  Alten  III  127 


Breusing,  A.,  Nautisches  zu  Homer  III 

i;j3 
Briefwechsel     des     Beatus     Rhenanus, 

herausg.    von  Horawitz  u.    Hartfelder 

111   165 
Brieger ,  A.,  Epikurs  Brief  an  Herodot 

übersetzt  1  76 
Brinck,  inscriptiones  ad  choregiam  per- 

tinentps  III  395 
Brinz,  A.  v. ,   BegriiF  u.  Wesen  der  rö- 
mischen Provinz  III  42 
Brochard,  V ,  Pyrrhon  et  le  scepticisrae 

1  87 
Bruch,  C,  Roma  II  286.  371 
Buchenau,   die  höheren  Knabenschulen 

III  267 
Buchwald,  G  ,  Logosbegriff  des  Johannes 

Scotus  Erigeua  I   126 
Bücheier,  F .  coniectanea  II  127 

—  Properz  II   125 

Büchle,  A.,  der  Humanist  Gerbel  III  169 
ßüchsenschütz,  B.,  römische  Volkswirth- 

schatt  III  285 
Busse,  J  ,  de  Taciti  Agricola  III  318 
Buresch,  C. ,   consolationum  scriptarum 

bistoria  I  43 
Burger,   C.   P,    ad   annalium   reliquias 

111  290 
Bury,  B.,  multus  bei  Catull  II  290 
Buschkiel,  L.,   Nationalgefühl  u.  Vater- 
landsliebe im  deutschen  Humanismus 

III   160 
Buzello,   J.,    de   oppugnatione   Sagunti 

III  295 
Candolle,    de,    Ursprung    der    Kultur- 

paanzen  III  113 
Carini,  Z.,  poesie  scelte  II  287 
Casagrandi,  V.,   lo   spirito   della  storia 

111  270 
Catulli  über  rec.  E  Baehrens  II  1.^6 

—  rec.  R.  Ellis  II  173 

—  da  A.  Gigli  11  176 

—  rec.  Haupt- Vahlen  II  168.  170 

—  von  A.  Riese  II  146 

—  par  E.  Rostand  et  ßenoist  II  180 

—  rec.  L.  Schwabe  II   165 

—  par  J.  P.  Simpson  II  182 

—  da  L  Toldo  II  179 

—  verdeutscht  von  F.  Pressel  II  283 

—  Buch  der  Lieder,  deutsch  v  R.  West- 
phal  II  280 

—  et    Propertii    carmina    selecta    cur. 
0.  Berrini  II   184 

—  —  editio  Paravia  II  87 
Chambalu,  A.,  Flaviana  III  315 
Chauvet,  E  ,    ia  medecine  grecque.    — 

Philosophie    des  medecins  grecs  I  93 
Cheneviere,  A.,   Bonaveuture   Des   Pe- 

riers  III   155 
Chiapelli,  A.,  Panezio  di  Rodi  I  55 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schritten. 


567 


Chloros,  forstwissenschattliche  Leistun- 
gen der  Altgriechen  III   116 

Choisy,  etudes  epigraphiqnes  sur  l'ar- 
ohitecture  grocque  III  396 

Christ,  W.  V.,  die  Attikusausgabe  des 
Deniosthenes  I  187 

—  Beiträge  zur  Metaphysik  des  Aristo- 
teles I  2 

Christensen,  H.,  Yigintisexvirut  III  16 
Claudiani  Mamerti  opera  rec.  A  Engel- 

brecbt  I  132 
Clemens,  E.,  de  Catulli  periodis  II   189 
Comparetti,  D  ,  franimenti  di  Epicnro  1 75 
Conti  e  Rossi,  esame  della  filosofia  epi- 

curea  I  78 
Cornelissen,  J.,  zu  Catulhis  II  290 

—  ad  Tibullum  II  363 

Cornuti     tbeologiae    compendium    rec. 

C.  Lang  I  66 
Corpus  inscriptionum  atticarum  II    IV. 

III  398 
Corsi,  C,  lo  stoicismo  romano  I  60 
Crecelius,   W.,    ein   Brief  von  Johann 

Sturm.    —    Johann  Weidner,   Rektor 

zu  Elberfeld.  —  Zu  Zingrefs  Briefen 

III  189 
Cousin  et  Durrbach,  Inschriften  von  Ne- 

mea  III  449 
Crusius,  0.,   ein  Lehrgedicht   des  Plu- 

tarch  I  93 

—  l$£UTCxd    III    127 

Cumpfe,    K.,    exegeticke    prispevky    II 

127.  267.  273 
Dacbert,  v.  Hochart 
Dalmartello,  A.,  la  vita  di  Demade  I  245 
Degeorge,  L  ,  la  maison  Plantin  III   193 
Demosthenis  orationes  cur   Fr.  Blass  I 

198 
von  J.  Sörgel  I  198 

—  —  von  A.  Westermann  I  200 

—  plaidoyers  poiitiques,  par  H.  Weil 
I  202 

—  philippische  Reden,  von  C.  Rehdantz 
1  201 

—  —  the  first  Philippic,  by  T.  Gwatkin 
I  201 

—  against  Androtion,  by  W.  Wayte  I 
203 

—  discours  do  la  couronne,  par  H.  Weil 
I  202 

—  against  Meidias,  by  C  Fennell  I  203 
Denis,  J.,  philosophie  d'Origene  1  123 
Deppe,  A.,  Kriegszüge  des  Tiberius  III 

313 
Dessau,    Inschriften    vom    Thurm    der 

Winde  III  433 
Dettmer,  H.,  de  Mercule  attico  III  336 
Diels,  H.,   über  das  3.  Buch  der  aristo- 
telischen Rhetorik  I  13 

—  Seneca  u.  Lucan  I  65 


Dieterici,  Fr ,  die  sogenannte  Theologie 

des  Aristoteles  I  102 
Dinarchi  orationes  tres  germanice  redd. 

Th    Plaschka  I  243 
Dittenberger,  W.,  sylloge  inscriptionum 

Graecarum  III  389 

—  epigraphische  Miscellen  III  407.  426. 
488.  499 

—  die  eleusinischen  Keryken  111  363 

—  die  Panathenaidenära  III  348 

—  zur  Erztafel   von  Oiantheia  III    500 
Dörpfeld,  W  ,  antikes  Bauwerk  im  Piräus 

III  361 
Dolnicki,  J. ,    über  die  Entstehung  der 

Kranzrede  I  216 
Domaszewski,  A.  v.,  die  Fahnen  im  rö- 
mischen Heere  III  71 
Draheim,  J  ,  lyra  doctorum  III  191 
Dragumes,  Inschriftliches  III  409  ff. 
Dreher,    ISeiträge    zur    Erklärung    von 

Demosthenes  Rede  für  die  Megalopo- 

liten  I  212 
Dressel,  H.,  Ziegelstempel  der  Gens  Do- 

mitia  III  320 
Duderstadt,  E  ,  de  particularum  usu  apud 

Catullum  II   188 
Dumeril,  A.,  Apollonius  de  Tyane  I  90 
Durrbach,  Ehrendecrete  III  419 

—  Inschriften    von  Aegosthenä  III  445 
Ediinger,  A.  v. ,   Erklärung   der   Thier- 

namen  III   125 
Ehrlich,  B.,  de  TibuUi  elocutione  II  308 
Eichler,  E  ,  Demosthenes'  erste  Philip- 

pica  I  208 
d'Eichthal.  G  ,  Socrate  et  notre  temps 

I  138 

Ellinger,   G.,   über   Huttens  Charakter 

III  177 
Ellis,  R.,  Propertianum  II  127 
—  zu  Catullus  II  290 
Engel,  K ,  Schulwesen  in  Strassburg  III 

241 
Epictetus.      Les    entretiens,    trad.    par 

V.  Courdaveaux  I  68 
Euangelides    M.,  zwei  Kapitel  aus  einer 

Monographie  über  Nemesios  1   131 
Eussner,  A.,  adversaria;  ad  Quintilianum 

II  3.  8 

Ewald,  P.,  Einfiuss  der  stoisch -cicero- 
niauischen  Moral  auf  Ambrosius  I  126 

F.  M.,  zur  Methodik  des  Sammeins  von 
Incunabeln  III   192 

Fabricius,  das  platäische  Weihgeschenk 

III  495 

Falk,  F.,   zu  Bauch:   Ragius  Aesticam- 

pianus  III  179 
Feiice,  P   de,   etude  sur  l'Octavius  de 

Minucius  Felix  I  118 
Fick,   thessalische,   änianische,  phthio- 

tische  Inschriften  III  500 


568 


Register. 


Fick,  epirotische  Inschriften  III  527 
Fisch,  R.,  handschriftliche  Ueberlieferung 

des  Catull  II  207 
Fischer,  C ,  Festrede  III  203 
Fischer,  C ,  Inhaltstabelle  der  olynthi- 

schen  Redenl  204 
Foucart,  P.,  culte  de  Pluton  111  359 

—  Inschriften  III  403  ff. 

—  Siegesinschrift  von  Olympia  ,111  472 
Förster,  R.,  Lucian  in  der  Renaissance 

III  159 

—  die  Philologie  der  Gegenwart  III  140 
Förster,  Th.,  Ambrosius  1  127 
Fraccaroli,  G.,  l'ode  Pitia  1  dichiarata. 

-L'ode  Pitia  IX  I  32 
Franke!,  Frosch  mit  Weihinschrift  III 
446 

—  archaische  Weihinschrift  III  448 
Fragmenta  Hercuianensia  ed.  by  Walter 

Scott  I  77 
Francken,  C.  M.,  Lesbia-Clodia  11^,229 

—  ad  TibuUum  II  364  ff. 
Franke,  R.,  Chrestomathie  II  279 
Frankfurter,   Inschriften  aus  Dalmatien 

III  534 
Freeman,  E.  A.,  chief  periods  of  Euro- 
pean history  III  269 

—  zur  Geschichte  des  Mittelalters,  Es- 
says übersetzt  von  Locher  III  334 

Freudenthal,  J.,  zu   Proklos   u.   Olym- 

piodoros  I  105 
Freyer,  Th.,  de  scholiorum  fontibus  1  236 
Fröhlich,  Fr.,  Feldherren  u.  Feldherrn- 

thum  III  70 
Froment,   Th.,    la    critique   d'art  dans 

Quintilien  II  7 

—  Quintilian  avocat^II  2 

Führer,  Sprache  u.  Entwickelung  der 
griechischen  Lyrik  I  25 

Funck,  H.,  ein  Vorschlag  zur  Errich- 
tung einer  Universität  in  Karlsruhe 
111  215 

—  über  den  Rheinländischen  Hausfreund 
u.  J.  P.  Hebel  III  245  , 

Gabba,  B.,  di  Marco  Aurelio  Antonino 

I  72 
Galeni  de  partibus  philosophiae  ed    E. 

Wellmann  I  92 
Gehrmann,    A.,    de    ratione    critica   in 

emendando   Catulli  libro   adhibita  II 

200 
Geibel,   E. ,    klassisches  Liederbuch  II 

115.  370 
Geiger,  L.,  Studien  zur  Geschichte  des 

französischen  Humanismus  III  154 

—  röm.  Musenalmanach  III  181 

—  fünf  Briefe  Reuchlins  III  172 
Gemoll,  W.,   Untersuchungen   über  die 

Geoponica  III  119 

—  adnotationes  in  Senecae  epistulas  1 58 


Gentile,  J  ,  storia  romana  III  271 

—  il   conüitto  di  Giulio  Cesare   col  se- 
nato  III  303 

Gercke,  A.,  Chrysippea  I  53 

—  eine  Quelle  des  Neuplatonismus  I  98 
Gitibauer,  M.,   philologische  Streifzüge 

1  18 
Gizycki,  P.  v.,  einleitende  Bemerkungen 

über  den  Werth  der  Naturphilosophie 

des  Epikur  1  80 
Gölkel,  H.,  eine  Interpolation  in  Demo- 

sthenes  I  206 
Götz,  G.,  zu  den  Deliaelegieen  11*352 

—  codex   Guelferbytanus  des  Tibull  II 
312  fi'. 

—  zu  Tibullus  II  291 
Goldbacher,  zu  Tibullus  II  292 
Gomperz,  Th.,  eine  vermeintliche  Tra- 
gödie des  Euripides  I  16 

—  ein  griechisches  Schriftsystem  III  441 

—  Skylla  in  der  aristotelischen  Poetik 
I  16 

Gow,   note  on  Propertius  II  128 
Graf,  H.,  annotatioues  ad  Tibullum  II  362 
Grätz,  H.,  Stellung  der  kleinasiatischen 

Juden  111  323 
Grasberger,  L  ,  zur  Würdigung  des  Ti- 
bullus 11  341 
Grünwald,    E.,    quae    ratio  iutercedere 
videatur   inter  Quinlilianum   et  Taci- 
tum  II  10 
Güldenpenning,  A.,  Geschichte  des  ost- 
römischen Reichs  III  332 
Günther,  E.,   de   coniunctionum   causa- 

lium  apud  Quintilianum  usu  II  3 
Guiraud  et  Lacour- Gayet,  histoire  ro- 

maine  III  271 
Gurlitt,  Paionios  III  471 
Gustafsson,  zu  Quintilian  II  6 
Guttmann,  G.,  de  oratione  Gtesiphontea 

I  237 
Haas,  L. ,  Leben  des  Soxtus  Empiricus. 
—  Die  Schriften  des  Sextus  Empiri- 
cus I  87 
Hagen,  H.,  Briefe  von  Heidelberger  Pro- 
fessoren 111  209 
Halbertsma,  T.,  zu  Catull  II  292 
Hammer,  C  ,   zu   Quintilians  Declama- 

tiones  II  78 
Hannot.  E.,  essai  de  la  morale  stoicienne 

I  51  ■ 
Hanotaux,  G.,  etudes  historiques  111  156 
Hansen,  M.,   de   tropis  et  tiguris  apud 

Tibullum  II  310 
Hanssen,  H.,  de  metailis  atticis  III  108 
Hardt,  W.,  de  Aeschinis  emeudatioue  I 

234 
Harnack,  A.,  Lehrbuch  der  Dogmenge- 
schicbte  III  334 

—  Ursprung  des  Lectorats  III  324 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


569 


Harnecker,  O.,  Beiträge  zur  Erklärung 
des  CatuU.  —  Qua  necessitudiue  con- 
iunctus  tuerit  cum  Cicerone  Catullus. 
—  Cicero  u.  Catullus  II  240 

—  des  Catullus  Juveutiuslieder  II    238 

—  zum  36.  Gedicht  dos  Catullus  II  259 

—  das  (58.  Gedicht  des  Catullus  II  248 
Hartfelder,  K.,  Analekten  zur  Geschichte 

des  Humanismus  111   172 

—  Briefe  von  Rudolf  Agricola  III  174 
• —  der  Humanismus  u.  die  Heidelberger 

Klöster  III  212 

Hartfelder,  K.,  die  Kritik  des  Götter- 
glaubens bei  Sextus  Empiricus  1  89 

Härtung,  H.,  de  panegyrico  ad  Messallam 

II  356 

Hauschild,  G.  R.,  Wortbildung  bei  Ter- 

tuUian  I  120 
Haussoullier,  delphische  Proxenenlisteu 

III  497 

Havet,  L.,  rapport  sur  quelques  analyses 
III  102 

—  zu  Quintilian  II  6 

Hecht,  orthographisch-diahktische  For- 
schungen auf  Grund  attischer  Inschrif- 
ten m  399 
Hecker,  H.,  zur  Geschichte  des  Kaisers 

Julianus  III  330 
Hedinger,  A.,  der  Oelbauni  III   114 
Heimer,  A.,  studia  Pindarica  1  26 
Heisterbergk,  B ,  ius  italicum  HI  66 
Heitz,    E..    der    Philosoph   Damascius  I 

106 
Hemme,  A.,  Auswahl  aus  Horaz  II  280 
Hempfing ,    die   grosse  Zahl  der  Abitu- 
rienten III  266 
Henkel,  G.,  de  Catullo  Alexandrinorum 

imitatore  II  236 
Herwerden ,   H    van ,    ad  Janiblichi  de 

vita  Pythagorica  I  104 
Heyck,  E.,  Heidelberger  Studentenleben 

III  212 
Heymann,  P,,  iu  Propertium  quaestiones 

II  88 

Hilberg,  J.,  zur  pseudo-quintilianischen 

Declamalio  II  64 
Hild,  les  juifs  devant  lopinion  romaine 

III  323 

Hildebrand,  A,  Boethius  u.  seine  Stel- 
lung zum  Christenthum  I  109 

Hiller,  E. ,  handschriftliche  Ueberliefe- 
rung  des  Tibull.  —  Fragmentum  Cuia- 
cianum  II  312  ff, 

—  die  Tibullische  Elegiensammlung  II 
338 

—  zur  Quellenkritik  des  Clemens  Alexaa- 
drinus  1  123 

Hiller,   E.,    Verzeichnisse    der  pindari- 

schen  Dichtungen  I  21 
Hinrichs,  griechische  Epigraphik  111  382 


Hirst,  on  the  mining  Operations  of  the 

Romains  III  108 
Hirt,  P.,  zu  Quintilian  II  6.  60 
Hirzel ,  R. ,   Untersuchungen  zu  Ciceros 

philosophischen  Schriften  I  46 

—  Ursprung  der  Skepsis  I  83 
Hochart  (Dacbert),  Seneque  et  la  mort 

d'Agrippine.  -  Etudes  sur  la  vie  de 
Seneque  I  61 

Hochegger,  P.  R  ,  Entwicklung  des  Far- 
bensinnes III   122 

Hofmann,  K  B. ,  zur  Geschichte  der 
Chemie  HI  93 

—  zur  Geschichte  der  antiken  Legie- 
rungen III  96 

—  zur  Geschichte  des  Zinkes  III  98 

—  Blei  im  Alterthum  III  99 

—  über  die  Schmelzfarbeu  von  Teil  el 
Jehudj  III  96 

—  zu  Aristoteles  Meteorologie  III  95 
Hofmeister,  A.,   Matrikel  von  Rostock 

III  218 
Hogarth,   Inschriften   von   Thessalonice 

HI  535 
Holland,  G    R ,  de  Polyphemo  et  Gala- 

tea  H  128 
Hofleaux,  Votivinschrifteu  vom  Tempel 

dos  Apollon  Ptoos  HI  476 
Holstein,  H.,  Kloster  Berge  III  231 
Holzer,  E,  zu  TibuUus  II  292 
Horawitz,  A  ,   über   die   Colloquia   des 

Erasmus  111  173 
Hübner,  E,,  Priaposelegie  des  Tibullus 

11   353 
Hültner,  G.,  Demostheuis  pro  Phormione 

üiatio  I  229 
Huit,  C,  Piaton  ä  I'Academie  1  150 
Huleatt,  Conjectur  zu  Catull  II  293 
Jacoby,  D..  Georg  Macropedius  III  184 
Jacoby,  K,  Anthologie  II  86.  278 

—  zu  Catull  II  293 

Jackson,  H.,  ou  Plato's  Republik  I  141 
Jamblichi     de     vita     Pythagorica     rec. 

A    Nauck  I  104 
Janssen,  J.,   aus  dem  Universitätsleben 

dos   16    Jahrhunderts  III  219 
Jessen,  J  ,  Apollonius  von  Tyana  I  90 
Ihne,  W  ,  römische  Geschichte  III  272 
lllmann,  Ph.,  de  Tibulli  cod.  Ambrosiano 

II  312  ff. 
Joannides,  A.,  npayfiarsia  -nefil  rrjq  nap 

^AHrjVayöpa  yvu)aEU)c,   I    116 
Isotae  Nogarolae  opera  coli.   A.  comes 

Appunvi  Hl    153 
Judeich,  "W.,  Cäsar  im  Orient  HI  305 
Juliien,  E  ,  de  Cornolio  Balbo  III  307 
Jurenka,    H.,    Beiträge   zur   Kritik    der 

Ovidischen  lleroideu  II   128 
Jurien  de  la  Graviere,  la  marine  des 

Ptolemees  III  84 


570 


Register. 


Kabbad  ias,  Inschriften  von  Epidauros 
HI  450 

—  Weihinscbrilteu  von  der  Akropolis 
III  429 

Kade,  R.,  Studien  zum  Freiberger  Chro- 
nisten Andreas  Möller  III  183 

Kästner,  B. ,  Haltung  des  römischon 
Senats  III  309 

Kahl,  W. ,  Lehre  vom  Primat  des  Wil- 
lens bei  Augustinus  1  129 

Kahnis,  K.,  Verhältniss  der  alten  Philo- 
sophie zum  Christenthum  I  109 

Kaiser,  de  inscriptiouum  Graecarum  in- 
terpunctione  III  386 

Kalkmann,  de  Hippolytis  Euripideis  II 
130 

Kan,  J.,  epistula  critica  II  130 

Kanakis,  J.,  Dionysios  der  Areopagite 
I  125 

Kappeyne  van  de  Coppello,  J.,  Ab- 
handlungen zum  röm.  Recht  III  31 

Karasiewicz,  die  Kritik  der  Platonischen 
Politie  bei  Aristoteles  I  13 

Kariowa,  zum  Sprachgebrauch  des  De- 
mosthenes  I  191 

Kariowa,  0.,  römische  Rechtsgeschichte 
III  5 

Keelhoff,  J.,  la  question  des  humanites 
III  256 

Keim,  Th.,   Rom    u.   das  Christenthum 

I  110 

Keller,  0.,  zur  lat.  u.  griech.  Sprach- 
geschichte III  115 

—  zu  Pindar  I  33 

Kesper,   L.  A  ,   de   Camillo   Volscorum 

Victore  III  293 
Kiderlin,  M  ,  zu  Quintilian  II  15   60 
Kiessling,  A.,  analecta  CatuUiana  II  248 

—  über  Horaz  II   131 

—  de  Helvio  Cinna  poeta  II  257 
Kinkel,  G.,  Erinnerungen  an  Köchly  III 

265 
Kirchhoff,  A.,   Studien   zur  Geschichte 
des  griechischen  Alphabets  III  385 

—  altthessalische  Grabschritt  III  505 
Kirchner,  J.,   de   litis  instrumentis.  — 

Glaubwürdigkeit  der  in  die  Demosthe- 
nischen  Reden  eingelegten  Urkunden. 
Glaubwürdigkeit  der  in  die  Rede  wi- 
der Neaira  eingelegten  Zeugenaus- 
sagen I  223 
Kirchner,  K. ,  de  Propertii  libro  quinto 

II  89 

Kleanthis,  K.,  Tlivddpou  rä  ffwCö/j.£va  1 29 
Kleist,  H.  V.,  Plotinische  Studien  I  100 
Klimke.  älteste  Quellen  zur  Geschichte 

der  Gracchen  III  297 
Knappe,  Ch.,  de  Tibulli  elegiis  II  358 
Knod,  G,,  Jakob  Wimpfeling.  —  Wim- 

pfelingiana  III  161 


Knod,  G.,  zwei  anonyme  Schriften  Wim- 
pfelings  III  162 

—  Jakob  Spiegel  aus  Schlettstadt  III 
163 

Knortz,  K.,  Gustav  Seyffarth  III  258 
Koch,  A.,   Gründung  der  Heidelberger 

Universität  III  213 
Koch,  E.,  Magister  Reich  III  187 
Köhler,  J.,   Handschriften  und  Inkuna- 
beln von  Rastatt  III  193 
Köhler,  U.,  der  Areopag  III  337- 

—  der  Südabhang  der  Akropolis  III  339 

—  Documente  zur  Geschichte  des  athe- 
nischen Theaters  III  350 

—  Genossenschaft  der  Dionysiasten  III 
361 

—  die  attischen  Grabsteine  des  6.  Jahr- 
hunderts III  434 

—  Inschriften  von  der  Akropolis  etc. 
III  401  ff. 

—  Inschriften  der  Ergastinen  III  360 

—  Dionysiasten-Inschriften  III  421 

—  stenographische  Inschrift  III  441 

—  Werfturkunde  III  411 

Kohl,  A  .  Abhandlung  über  italischen 
Wein  III   121 

Kolbe,  A. ,  was  haben  wir  an  Bugen - 
hagen?  III  184 

Koldewey,  Fr.,  ßraunschweigische  Schul- 
ordnungen III  226 

—  Verfassung  der  Realschule  zu  Braun- 
schweig 1754  III  227 

—  die  figura  dTzd  xoivou  II  190 
Kornitzer,  A.,  quo  tempore  oratio  nspi 

TWi/  Tzpög  AXi^avdpov  auvd^rjxwv  ha- 
bita  esse  videatur  I  214 

Korolkow,  Inschriften  von  Megara  etc. 
III  443.  476 

KrafFert,  H  ,  Beiträge  zur  Kritik  latei- 
nischer Autoren  I  275.  II  5 

Krieg,  C,  über  die  theologischen  Schrif- 
ten des  Boethius  I  108 

Krones,  F.  v. ,  Grazer  Studentenleben 
III  217 

Krüger,  G.,  Lucifer  von  Calaris  III  332 

Kubitschek,  Inschrifttexte  des  Kyriacus 
III  397 

Kühlewein,  G.,  Bemerkungen  zu  Pro- 
pertius  II  133 

Kühlewein,  H,  zur  Geschichteder  Kloster- 
schule Ilfeld  III  237 

Kühn,  R. ,  der  Octavius  des  Minucius 
Felix  I  118 

Kumanudis,  St.,  au^ayioyT)  Is^etoi^  III 
393 

—  Psephismen  etc.  111  401  fi". 

Kurtz,  E  ,  Thierbeobachtung  der  alten 

Griechen  III  125 
Kuthe,  A.,  die  römische  Manipulartaktik 

III  74 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


571 


Lange,  A.,  Schule  zu  Schlettstadt  III 

245 
Lange,  W. .  de  Callimachi  aetiis  II  134 
Langhoff,  Beitrag  zur  Klärung  des  Ur- 

theils   über  die   höheren  Schulen  III 

267 
Larfeld,  sylloge  inscriptionum  Boetica- 

rum  III  474 
Larroumet,  G.,  de  quarto  Tibulli  libro 

II  357 
Lauret,  H.,   de   perturbationibus  animi 

Stoici  quid  senserint  I  57 
Lautensack,  Verbalflexion  der  attischen 

Inschriften  III  399 
Latischew,  Inschriften  von  Chäronea  III 

447 

—  Inschriften  von  Tenos  III  407 
Latkoczy,  M.,  Tibullusliteratur  II  361 
Leithäuser,  G.,  Hans  Holbein  III  185 
Leo,  F.,    über   einige  Elegieen  Tibulls 

II  343 
Leonardos,   Inschriften  von  Oropos  III 

424  ff 
Leonhard,  R. ,   de  codicibus  Tibullianis 

n  312ff 
Leuchtenberger,  G  ,  Inhaltsübersicht  der 

Olynthischen  Reden  I  204 
Leue,  G.,  quo  tempore  oratio  nepl  rwv 

■npuq  ''Aki^avdpo)^  au\if}riy.wv  composita 

Sit  1  214 

—  Eipri'^owüXa^  I  238 

Leutsch,  E.  v.,  Catullstellen  II  293 
Leyser,  J. ,    die  Meustadter  Hochschule 

HI  211 
Liebhold,  K.,  zu  Demosthenes  Friedens- 
rede I  212 
Lieblein ,  Handel  u.  Schiffahrt  auf  dem 

rotheu  Meere  III  134 
Liers,  Theorie  der  Geschichtsschreibung 

des  Dionys  111  292 
Lilie,   W. ,    de   coniuratione   Caiilinaria 

ni  301 
Linde,  S. ,   quaestiones  in  Senecae  epi- 

stulas  I  59 
Lindner,  G.,  Marcus  Fabius  Quintilianus 

II  2 
Linke,  B. ,  TibuUus  consparato  Catullo 

II  235 

Lipsius,  H.,  über  die  Unechtheit  der 
ersten  Rede   gegen  Aristogiton  I  221 

Lösche,  G  ,  neuplatonische  Polemiker 
I  l<i6 

—  Plotin  u.  Augustin  I  130 

Löwy,  Inschriften  griechischer  Bildhauer 

III  395 

Lolling,   Grabsteine  von  Larisa  III  515 
Lorentz,  B.,   die  Taube   im  Alterthum 

III  126 
Lossen,  M.,  Briefe  von  Masius  III  189 
Ludwig,  G.,  TertuUians  Ethik  1  119 


Luschin  von  Ebengreuth,  A.,  Balthasar 

Wejdacher  III  219 
Luthardt,  Ch.,  die  Moral  in  Marc  Aureis 

Meditationen  I  72 
Lübbert,  E.,  de  Pindari  studiis  chronolo- 

gicis  I  25 

—  de  Pindari  studiis  Terpandreis   I  23 

—  de  Pindari  et  Hieronis  amicitia  I  30 

—  de  Pindaro   dogmatis  de  migratione 
animarum  cultore  I  24 

—  de   Pindaricorum   carminum    compo- 
sitione  I  23 

—  de  Pindari  carminum   quibus   Olym- 
piae  origines  canit  fontibus  I  30 

—  in   Pindari   locos   de  Hieronis  sacer- 
dotio  Cereaii  I  31 

-    de  poesis  Pindaricae  arte  I  22 

—  originum  Eiiacarura  capita  1  30 

—  zu  Pindars  Hyporcbema  I  33 
Lyourgus'  Rede  gegen  Leokrates,  erklärt 

von  A.  Nicolai  I  240 
Maass,  E.,  Tibullische  Sagen  II  349 
Mähly,  J.,  römische  Lyriker  II  286.  370 
--   zur  Kritik  lateinischer  Texte   II  26 
Magnus,  H.,   zu  CatuUus  u.  Propertius 

II  256 
Wallet,    Fr.,    quaestiones   Propertianae 

II  91 

Mann,  0.,  Anthologie  II  86.  279 
Manzi,  L.,  il  conimercio  in  Etiopia  III  136 
Markwart,  0.,  Willibald  Pirckheimer  als 

Geschichtsschreiber  III  178 
Martha,  C ,   etudes  morales  sur  l'anti- 

quite  I  42 

—  Marniortafel  von  Kionia  III  468 
Martini,  F,  Caio  Valerie  Catullo  II  226 
Marucchi,  0.,  una  eroina  cristiana  III  327 
Marx,  A  ,  de  Propertii  vita  II  92 
Massebieau,  L.,  scbola  Aquitanica  III  253 
Mehrtens,  G.,  das  Eisen  im  orientali- 
schen Alterthum  III  103 

Meister,  F.,  Literaturbericht  zu  Quinti- 
lian  II  9 

—  zu  Quintilian  II  77 

Meister,  R  ,   die  böotischen  Inschriften 

III  475 

Meisterhans,   Grammatik  der  attischen 

Inschriften  III  398 
Meletopulos,  Grabstein  III  437 
Meltzer,  0.,   Kreuzschule   zu  Dresden 

111  240 
Menge,  R ,  ein  Beitrag  zur  Konstruktion 

von  Gäsars  Rheinbrücke  III  77 
Meyer,  E.,  über  die  passio  ss.  quatuor 

corouatorum  III  328 
Meyer,  W.  A  ,  Hvpatia  von  Alexandria 

I  103 
Michaelis,  A  ,  Elgin  marbles  III  436 
Michelis.  über  die  Bedeutung  des  Neu- 

platouismus  I  97 


572 


Register. 


Mitchhöfer,  voreuklidisches  Fragment  III 

406 
Milchsack,  G.,  hyniui  et  sequentiae  III 

190 
Miller,  de  decretis  atticis  III  400 
Milz,  H. ,   Geschichte   des  Gymnasiums 

an  Marzelleu  III  239 
Mitzschke,  eine  griechische  Kurzschrift 

III  441 
Mommsen,  A.,  Reformen  des  römischen 

Kalenders  III  283 
Mommsen,  Th.,  Freiheitsschutz  III  28 

—  Rechtsstreit  von  Oropos  III  65 

—  die  Tatiuslegende  111  284 

—  über  die  Excerptenhandschrift  des 
Petrus  Donatus  111  397 

Monceaux,  P. ,  de  communi  Asiae  pro- 
vinciae  111  46 

Monod ,  P. ,  la  politique  religieuse  de 
Constantin  III  330 

Monrad,  J.,  de  locis  quibusdam  Ploti- 
nianis  1  99 

Monse,  H  ,  zu  Gatuil  11  260 

Monumenta  Germaniae  paedagogica  111 
224 

Morawski,  K.  v.,  zu  lateinischen  Schrift- 
stellern 11  69 

—  Bemerkungen  zu  denQuintilianischen 
Declaraationeu  II  62 

—  zu  Quintilian  II  76 

Worin,  G.,  la  colonie  nimoise  111  58 
Morlot,  E.,  les  comices  electoraux  III  40 
Morselli,  E.,  il  demone  di  Socrate  1  150 
Mowat,  J  ,  Catulle  II  293 
Much,  die  Kupferzeit  in  Europa  III  100 
Müller,  Georg,  de  Senecae  quaestioni- 

bus  uaturalibus  I  59 
Müller,  H.  Fr.,  Plotins  Forschung  nach 

der  Materie  1  99 

—  Dispositionen  zu  Plotinos  1   100 
Münzer,  J  ,  ein  Philosoph  auf  dem  Thron 

I  71 

Munro,  H.  A.  J.,   criticisms  of  Catullus 

II  267 

—  Catullus  68  th  poem  II  252 
Myionas,  Inschi-itten  von  Troezen  III  462 
Natorp,  P.,  Forschungen  zur  Geschichte 

des  Erkenntnissproblems  1  82 

—  Aeuesidem  I  83 
Nettleship,  H.,  Catullus  II  225 

—  zu  Quintilian  II  24 

Neumann,    K.  J.,  wann  schrieb  Colins 

Antipater?  111  291 
Neupert,  A.,  de  Demosthenicarum  epi- 

stularum  fide  I  232 
Newton  and  Micks,  collection  of  Greek 

inscriptions  111  388 
Niese,  B  ,  dt»  annalibus  romanis  III  289 
Nikitsky,  Ratsbeschluss  von  der  Akro- 

polis  111  418 


Nissen,  A  ,  Beiträge  zum  röm.  Staats- 
recht III  8 

—  Bedeutung  des  Monumentum  Ancy- 
ranum  111  311 

Nohle,  K.,  die  Staatslehre  Piatos  I  134 
Nordewier,  Demosthenica  1  197 
Nowak,  R.,  ad  CatuUum  II  274 
Obser,   K.,   die  Universität  Heidelberg 

111  213 
Occioni,  0.,  la  Cintia  di  Properzia  II  134 
Ogoreau,  F.,   essai  sur  le  Systeme  des 

stoiciens  I  45 
Ohnesseit,  L.,  das  Gemeindeamt  in  den 

römischen  Landstädten  III  59 
Otte,  P.,  die  Einheitsschule  III  267 
Otto,  A  ,  Versumstellungen  bei  Properz 

II  94.  134 

—  Propertiana  II   135 

Pabst,  P.,  Plotins  Enu.  1  1  untersucht 
I  102 

—  zu  Catull  II  294 

Pachnicke,  H. ,  de  philosophia  Epicuri 
I  79 

Pähler,  Löschung  des  Stahles  bei  den 
Alten  111   109 

Palaiologus,  G.,  Inschrift  von  der  Akro- 
polis  III  414 

Palcitinus,  Th  ,  Heidelberg  u,  seine  Uni- 
versität III  205 

Pallu  de  Lessert,  C. ,  les  gouverneurs 
de  Mauretanie  III  54 

Palmer,  A ,  Ellis's  Catullus  II  270 

—  Propertiana  II  136 

—  zu  Tibull  u.  Catull  II  298 
Panaetii   et  Hecatonis  fragmenta  coli. 

H.  Fowler  I  55 

Pannenborg,  A. ,  zur  Geschichte  des 
Göttinger  Gymnasiums  111  238 

Pappenheim,  E ,  die  Tropen  der  Skep- 
tiker 1  84 

—  Erläuterungen  zu  des  Sextus  Empi- 
ricus  pyrrhoneischen  Grundzügen  I  88 

Pardon,  die  römische  Diktatur  III  16 
Paris,  G  ,  Inschriften  von  Elatea  III  490 
Peiper,  R. ,  Spottvers   auf  Pompeius  II 

295 
Pelisson,  M.,  Rome  sous  Trajan  111  321 
Perez,  F.,  sopra  Filone  Alessandrino  I  95 
Pernice,  A,  volksrechtliches  Verfahren 

in  der  Kaiserzeit  III  88 
Petersen ,  E.,  zum  Erechtheion  III  369 

—  über   die  Preisrichter  der  Dionysien 

III  354 

Petersen,  W. ,  quaestiones  de  historia 
gentium  Atticarum  III  358 

Petsch,  Glaubwürdigkeit  der  Commen- 
tarien  Cäsars  111  302 

Petzold,  Bedeutung  des  Griechischen 
für  das  Verständniss  der  Pflanzenna- 
men III  115 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


573 


Pezzi,  D.,  la  grecitä  nelle  iscrizioni  piü 

antiche  III  394 
Pflugk-Harttung,  J  v.,  die  germanischen 

Niedeilassiiiigeu  im  Rönierreichlll33l 
Philios  ,    D. ,  ^E^eufTiviaxd    äuäyltjoa    III 

374.  408  ff.  438 
Philippson,  R. .   de  Philodemi   nepl  a-i)- 

ßsiujv  I  81 
Philodemus  über  den  Tod,  herausg.  von 

S.  Mekler  1  76 
Piccolomini,  R. ,    osservazioni  sul  testo 

d'Iperide  I  242 
Pick,  L.,  zur  Titulatur  der  Fiavier  III  17 
Pischel,  Xuthias- Inschrift  III  463 
Plato,  Apologie  u.  Kriton,  von  H.  Ber- 
tram I   142 

von  E.  Göbel  I   152 

ed.  J,  Keil  I  180 

—  —  versione  di  Puoti  e  Bembo  1   176 

—  Criton,  par  C    Hnit  I  179 

—  —  par  Ch    Waddington  I   137 

—  Laches,  ed.  M.  Gitlbauer  I  161 

—  Phaedo,   ed.   by  Archer-Hind   I   170 
tradotto  da  A.  Bianchi  I   167 

—  selections  from   the  dialogues  1  159 

—  les  atomes,  par  E.  l'Ollivier  I   168 

—  Prodi  commentarium  in  rempublicam 
ed.  R    Scholl  I  104 

Plessis,  Fr.,  etudes  sur  Properce  II  98 
Plotini  Enneades  ed.  R  Volkraann  I  98 
Polle,  F,  zu  TibuU  II  295 
Polster,  L.,  quaestiones  Propertianae  II 

106 
Pomjalowski,  Inschriften  Kaukasiens  III 

563 
Pomtow,  Orakelinschriften  von  Dodona 

III  529 
Poppelreuter,  P.,  quae  ratio  intercedat 

inti^r  Posidonii  Ttpayßazziaq  et  Tuscu- 

lanas  Ciceronis  I  56 
Porphyr!!  opuscula  rec.  A.  Nauck  I   133 
Postgate,  J.  P.,  Catulliaua  II  272 

—  genuineness   of  Tibulius    II   138.  359 
Propertius,  select  elegies,  by  J.  P.  Post- 
gate II  83 

—  Elegien,   deutsch  von   L.  v.  Knebel 
II  116 

—  elegiae  XII,  schv?edisch  von  A.  Fri- 
gell  II  85 

Purgold,  olymp.  Weihgeschenke  III  471 
Quicherat,  L.,  Catulle  II  295 
Quintiliani   inst.   or.    libri  duodecim  ed. 
F.  Meister  II  49 

—  liber  X  di  D.  Bassi  II  35 

—  —  von  Bonnell-Meister  II  31.  47 

—  —  par  S.  Dosson  II  35 
par  J.  A.  Ilild  II  35 

—  declamationes  rec.  C.  Ritter  II  72 
Radel  et  Paris,  deux  nouveaux  gouver- 

neurs  de  provinces  III  57 


Reich,  H.,  die  Beweisführung  des  Aeschi- 

nes  1  240 
Reinach,  S  ,  traite  d'epigraphie  grecquo 

III  381 

—  Serviiis  Cornelius  Lentuhis  III  57 
Reinach,  Th  ,   de  l'etat  de  siege  III  68 
Reisch,  E ,    de  musicis  certaminibus  III 

3(j6.  395 
Renan,   E  ,   Marc-Aurele  et   la    fin    du 

nionde  antique  1  114 
Repertoire    des  ouvrage.s  pedagogiques 

du  XVI.  siecle  III  222 
Rettig,  G.,  Catulliana  II  230 
Reuter,  A.,  de  Quintiliani  libro  de  cau- 

sis  corruptae  eloquentiae  II  79 
Reuter,  H  ,  augustiuische  Studien  I   130 
Ribbeck,  0.,  über  die  Deiiaeiegien  II  352 
Richter,  R,  Catulliaua  II  212.  287 
Richter,  W.,  Handel  u.  Verkehr  im  Alter- 

thum  III   138 
Ridgeway,  ippsiv  in  Homer  III  470 
Riemann,  J  ,  de  corapositione  strophica 

carmiuura  TibuUi  11  351 
Riemann,  0.,  le  dialecte  attique  III  400 
Riemann,  0.,  Melanchthonis  studia  philo- 

sophicd  III   186 
Riese ,   A. ,    zu  den   römischen    Quellen 

deutscher  Geschichte  HI  319 

—  zu  Horaz  u.  Catuli  II  295 

Ritter,   die  quintilianischen  Declamatio- 

nen  II  64 
Ritter,   C. ,    de    Pindari    studio    nomina 

viuiandi  I  26 
Ritter  et  Preller,    historia  philosophiae 

Graecae  III  91 
Rivoyre,  de  l'etude  du  Grec  III  257 
Robert,  C,  Athena  Skiras  III  371 

—  de  Gratiis  Atticis  III  344 

—  antikes  Numerieruugssystem  III  528 
Roberts,  an  introduction  to  Greek  epi- 

graphy  111  386 
Roch,  G.,  die  Schrift  des  Bischofs  Diony- 

sius  des  Grossen  über  die  Natur  I  133 
Röhl,  imagines  inscriptionum  Graecarum 

III  388 
Rover,  Fr  ,  Uebertragnng  des  Adjektivs 

bei  Pindar  I  27 
Rohde,  E.,  Exipa  III  372 
Rohden,  P.  v.,   de  Palaestina  et  Arabia 

provinciis  Romanis  III  51 
Röscher,  W.,  zu  Catuli  II  295 
Rossbach,  0.,  disquisitiones  de  Senecae 

scriptis  I  59 
Rossberg,  K,  Bährens'  Tibull  II  302 

—  Konjekturen  zu  Catullus  II  297 

—  zur  Kritik  des  Propertius  II  139 
Rothlauf,  B.,  die  Physik  Piatos  111  92 
Rothstein.  M.,   de  Tibulli   codicibus  II 

312ff. 
Rüger,  C ,  Prolegoraena  I  227 


574 


Register. 


Rumpf,  inschriftliches  Digamma  III  561 
Rusch,  de  Posidonio  Lucreti  auctore  I  56 
S.,  die  Reform  unserer  Gymnasien  III 266 
Sabbadini.  R.,  Briefe  des  Guarino  III  154 

—  se  Guarino  Veronese  abbia  fatto  una 
recensione  di  Caiullo.  —  Ancora  di 
Catuilo  e  di  Guarino  Veronese  II  208 

Sammlung  der  griech.  Dialektinschriften 

III  391.  475 
Saueressig,  de  epigrammate  sepulcrali  in 

Athenienses   apud  Chaeroneam  iuter- 

fectos  1  216 
Schacht,  Lemgoer  Schulgesetze  III  238 
Schäfer,   H    W.,  die  Alchemie  III  94 
Schäfler,    J.,    die    Gräcismen    bei    den 

augusteischen  Dichtern  II  141.  195 
Schanz,  M  ,  zu  griechischen  Prosaikern 

I  238 
Schanzenbach,   0.,   Eberhard- Ludwig- 
Gymnasium  III  246 
Scharf,  R.,  quaestiones  Propertianae  II 

107 
Schaube,  A.,  zur  vita  Tibulli  II  297 
Schenk,  R. ,  zum  ethischen  Lehrbegriif 

des  Hirten  des  Hermas  I  1 13 
Schenkt,  K ,  zu  Lykurgos  I  240 

—  zu  Quintilian  II  77 

—  eine  Properzhaudschrift  II  141 
Schepss,  G.,  zu  Boethius  I  107 
Scherr,  J.,  römische  Cäsaren  III  315 
Schleusner,  W  ,  Taciti  Germania  III  318 
Schmidt,    Ad.,    der    boiotische   Doppel- 

kaleuder  III  475 

Schmidt,  Ernst,  Gymnasium  zu  Marien- 
burg III  229 

Schmidt.  Fr.,  Bivium  III  227 

Schmidt,  Heinr.,  griech.  Synonymik,  IV. 

I  29 

Schmidt,  Joh.,  über  die  Grabschrift  des 

Augustus  111  309 
Schmidt,  L.,  quaestiones  de  Pindaricorum 

carminum  chronologia  I  28 

—  über  unsere  Catullhandschriften  II 
202 

Schmidt,  Leop.,  Caroli  J.  Caesaris  vitae 
memoria  III  264 

Schmidt,  M.,  zu  Catullus  II  251 

Schmidt,  Robert,  Collegium  Groeningia- 
num  III  230 

Schmolling,  Pronomina  auf  attischen  In- 
schriften III  400 

Schneemann,  C,  de  verborum  cum  prae- 
positiüuibus  apud  Catullum  structura 

II  108.  189 

Schneider,  C,  Areopagitica  I  125 
Schneider,  Rud  ,  Ilerda  III  305 
Scholl ,  Fr. ,  zum  Virgil    des  Probus   u. 
Quintilian  II  24 

—  zu  Catullus  11  253 

—  Georg  Friedrich  Creuzer  III  214 


Scholl,  Fr.,  Künstlerinschriften  III  447 

Schrader,  0.,  Forschungen  zur  Handels- 
geschichte III  133 

Schranka,  E.,  Epiktet  u.  seine  Philoso- 
phie 1  68 

Schubring,  Fr,  Philosophie  des  Athe- 
nagoras  I  115 

Schuck,  die  letzten  heidnischen  Philo- 
sophen I  107 

Schürer ,  E. ,  Geschichte  des  jüdischen 
Volkes  III  323 

Schultess,  C  ,  de  Epimenide  III  343 

Schulze,  K  P.,  römische  Elegiker  II  87. 
276.  277 

—  Prinzip  der  Variatio  bei  römischen 
Dichtern  II  216 

—  Catullforschuugen  II  213 

—  drei  Catullfragen  II  240 

—  zum  Codex  Oxoniensis  des  Catull  II 
198 

—  zu  Catull  I  173.  II  261.  265 
Schulze,  Martin,  die  Schrift  d(s  Clau- 

dianus  Mamertus  über  das  Wesen  der 

Seele  I  132 
Schwabe,  L.,  Glossen  des  Labbäus  II  298 
Schwen,  B.,  über  Epikureismus  I  79 
Scipio,  K.,  des  Augustinus  Metaphysik 

I   129 
Scott,  W.,  the  physical  Constitution  of 

the  Epicurean  gods  1  80 
Seeck,  0.,  die  Haloandrischen  Subscrip- 

tioneu  III  327 
Seidel,  E.,  de  usu  praepositionum  Plo- 

tiniano  1  99 
Seidensticker,  A. ,   Waldgeschichte  des 

Aiterthums  III   116 
Senecae  dialogi  rec.  M.  C.  Gertz  I  57 
Senger,  J  ,  Infinitiv  bei  Catull  II   187 
Seyffert,  M  ,  Lesestücke  II  280 
Shorey,  P. ,   de   Piatonis  idearum   doc- 

trina  I  176 
Siebeck,  H.,  Geschichte  der  Psychologie 

I  38 
Sihler,  E. ,  a  study  of  Dinarchus  I  244 
Sillographorum  reliquiae  rec.  C.  Wachs- 

muth  1  89 
Skaphidiotis,    P.,   xpizual  napaT7j<T£i<;  I 

70 
Slameczka,  F  ,  Untersuchungen  über  die 

Rede  von  der  Gesandtschaft  I  217 
Sörgel,  J  ,  demosthenische  Studien  I  196 
Solbisky,  R.,    de  codicibus  Propertianis 

n   108 
Soltau,  W.,   Prolegomena  zu  einer  rör- 

mischen  Chronologie  III  274 

—  Roms  Grüudungstage  III  278 

—  Problem  der  fünfjährigen  solitudo 
magistratuum  III  279 

— -  das  altitalische  Sonnenjahr  111  277 

—  Dauer  der  Diktatorenjahre  III  280 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


575 


Soltau,  W.,   die  Idus  als  dies  fasti  III 
282 

—  die  Enniusfinsterniss  III  281 

—  Manipulartaktik  III  74 

Sommer,  0.,  Gottfried  Semper  III  262 
Sorof,  G  ,  de  Aristotolis  geographia  I  7 
Stachelscheid,  A,  uuedited  conjectures 

II  273 

Stadtmüller,  H  ,  eclogae  poetarum  Grae- 

corum  I  28 
Stäker,  0  ,  de  litis  instrumentis  I  223 
Stampfer,  C,  Gymnasium  zu  Meran  III 

249 
Stangl,  Th  ,   Boethiana     -    Pseudoboe- 

tbiana  I   108 
Stehle,  R  ,  de  Tibulli  puri  sermonis  poe- 

tici  cultore  II  310 
Stein,  L  ,  die  Ps5'chologie  der  Stoa  I  49 
Stich,  J.,  adnotatioues  ad  Marcum  An- 

touinum  I  70 
Stier,  H  ,  de  scriptore  prioris  adversus 

Aristogitonem  orationis  I  221 
Stocchi,  G.,  vita  e  carmi  di  Catulio  II  226 
Stolz,  Bustrophedoninschrift  von  Sparta 

III  463 

Stoppani,  A.,  l'ambra  III  105 

Storz,  J.,    die  Philosophie   des  h.  Am- 

brt)sius  I   127 
Straub,  J.,  de  tropis  et  figuris  I  193 
Streifinger,   J.,    de    syutaxi   Tibulliana 

II  3U9 
Striüer,  F.,  de  stoicorum  rhetoricis  I  52 
StschukarefT,  Inschriften  111  444 
Stuhrmann,  J  ,    de   vocabulis  uotionum 

phiiosophicarum  in  Epicteti  lil)iis  I  69 
Süss,  J  ,  Catuliiana  II  210 
SusemihI,  F.,  de  Politicis  Aristoteleis  I  1 1 

—  zu  Aristoteles  Psycholugie  I  8 

—  zu  Aristoteles  izspl  alar^rjasiuq  I  8 

—  (piXdi'ßpwTrov    in   der    aristotelischen 
Poetik  I  18 

—  Skylla  in  der  aristotelischen  Poetik 
I   16 

—  Zenon  von  Kittion  I  52 
Swoboda,    inschrittlicher    Vertrag    des 

Amyntas  III  539 
Sydow,   R. ,    de  recensendis  Catulii  car- 

miuibus  II  204 
Tappe,  A.,  aualecta  critica  II   142 
Tartara,  A  ,  animadversiones  II  276 
Teichert,  P  ,  de  t'ontibus  Quintiliani  II  14 
Terlikowski,  F.,  o  mowach  Oliutyskich 

I  204 
Testut-Taillebois,   les  tumulus  dans  la 

region  sous-pyreneenne  III  101 
Thamin,  T. ,    un   probleme   nioral  dans 

l'antiquite  I  51 
Thömes,  N  ,  das  Stift  zum  h  Geist  III  204 
Thomaszewski,  R. ,   Gymnasium   zu  Co- 

nitz  III  230 


Thorbecke,  A,,  Geschichte  der  Univer- 
sität Heidelberg  III   199 
Thurot,  Ch.,  sur  Quiiitilien  II  I 
Tibulli  elegiae  reo.  Ae.  Baehreus  II  301 

—  cur.  0.  Barini  II   184 

—  von  B.  Fabrioius  II  307 

—  ed.  Ed.  Hiller  II  303 

—  carminacastigata,  ed.Salesianall  184 

—  übersetzt  von  A.  Bernstädt  II  369 
von  W.  Binder  II  368 

—  —  von  G.  Fischer  II  367 

—  —  versione  barbaro-dattilica  diP.  Ca- 
sorati  II  371 

Töpke,  G  ,  Matrikel  der  Universität  Hei- 
delberg III  197 

Trabandt,  A. ,  de  minoribus  Quintiliani 
declaniationibus  II  69 

Traube,  L.,  varia  libamenta  II  298 

Triemel,  S.,  noch  einmal  das  Catonische 
Grüuduijgsdatum  III  278 

Troost,  K. ,  zu  Aischines'  Rede  gegen 
Ktesiphon  I  239 

Tsuntas,  Inschrift  von  der  Akropolis 
III  408 

Tyrrell.  R  Y.,  Jowetts  Politics  of  Ari- 
stotle  1  12 

—  Pindarica  I  30 

Uhle,  P.,  de  prooeraiorum  Domosthenis 
origine  I  231 

—  quaestiones  de  orationum  Demostheni 
falso  addictarum  scriptoribus  I  226 

Unger,  G   F ,  zu  Aischines  I  234 

—  zu  den  Charakteren  des  Theophrastos 

I  19 

Untersuchungen,  philologische,  II  131 
Urbini,  G  ,  vita  di  Properzio.    —  Per  i 
uatali   di  Properzio     —   Properziana 

II  110 

Uri,  J.,  un  cercle  savant.  Fraugois 
Guyet  III  157 

Urlichs,  L.  v.,  Grundlegung  und  Ge- 
schichte der  klass.  Alterthumswissen- 
schaft  III  143 

—  die  philosophische  Fakultät  Würz- 
burg III  215 

Vahlen,  J.,  über  drei  Elegien  des  Ti- 
buUns.  —  De  CatuUo  II  168 

—  zu  Catullstellen  II  299 

—  über  zwei  Elegien  des  Propertius 
II   111 

—  Pätus-Elegie   des   Propertius  II  113 

—  de  Propertio  et  TibuUo  II  170 
Vessiot,  A  ,  la  question  du  Latin  III  255 
Veuclin,  E  ,  Instruction  publique  de  Ber- 

nay.  —  Le  College  de  Bernay.  —  Les 

petitos  ecoles  et  la  revolution  III  254 
Vieze,  H  ,   de  Demosthenis   orationibus 

1  219 
Vit,  V.  de,  doude  abbiano  i  Cimbri  preso 

le  mosse  per  calare  in  Italia  111  298 


576 


Register. 


Votsch,  W.,  Cajus  Marius  III  299 
Wagner,  R.,  quaestiones  de  epigramma- 
tis  graecis  III  394 

—  de  priore  adversus  Aristogitonem  ora- 
tione  I  221 

Wangrin,  E.,  quaestiones  de  scholiorum 
Demosthenicorum  fontibus  I  190 

WashietI,  J  ,  de  similitudinibus  Ovidia- 
nis  11   143 

Weber,  G ,  Heidelberger  Erinnerungen 
111  202 

—  Bedeutung  des  Heidelberger  Jubel- 
festes III  214 

Weber,  J.,  Interpolationen  der  Fasten- 
tafel III  282 

Wegele,  F.  v.,  Geschichte  der  deutschen 
Historiographie  III  150 

Weidgen,  J.,  quaestiones  Propertianae 
II  113 

Weil,  H.,  de  l'authenticite  du  premier 
discours  contre  Aristogiton  I  221 

—  omissions  dans  Demosthene  I  196 

—  d'uu  signe  critique  dans  ie  meilleur 
ms.  de  Demosthene  I  189 

Weise,  P.,  quaestiones  Catonianae  III  94 

Wei8senfels,  0.,  de  Seneca  Epicureo 
I  63 

Wendland,  S.,  quaestiones  Musonianae 
I  67 

Wendt,  Gymnasium  in  Karlsruhe  III  245 

Westerburg,  E.,  Ursprung  der  Sage,  dass 
Seneca  Christ  gewesen  I  64 

Westermayer,  A.,  der  Protagoras  I  147 

Westphal,  R  ,  über  Ritschis  Umstellun- 
gen in  Tibull  II  354 

Wetzstein,  0  ,  Seneca  quid  de  natura 
humana  senserit  I  62 

Weygoldt,  G.,  die  Philosophie  der  Stoa 
I  44 

Widder,  F  ,  de  Tibulii  codicum  fide  II 
312 

Wiedemann,  A. ,  Ie  lettre  d'Adrian  III 
322 

Wiedemeister,  der  Cäsarenwahnsinn  III 
315 

Wiese,  L  ,  Lebenserinnerungen  u.  Amts- 
erfahrungen III  249 

Wilamowitz-Möllendorff,  U.  v.,  coniecta- 
nea  11   143 

—  res  gestae  divi  Augusti  III  311 

—  die  Galliamben  des  Kallimachos  II 237 

—  ^Idßou  yovai  I  31 


Windel,  J.,  de  oratione  mpi  tü)v  Tzpdg 
^AXi^avSpoM  auvß-T^xihv  I  214 

Winkelmann,  Urkundenbuch  der  Univer- 
sität Heidelberg  III  195 

Winter,  Fr.  J.,  Ethik  des  Clemens  von 
Alexandrieu  I   121 

—  sittliche  Grundanschauungen  im  Hir- 
ten des  Hermas  1113 

Winter,  G  ,  neuere  Darstellungen  der 
römischen  Geschichte  III  274 

Wintle,  H    G.,  Ovid  lessons  II  280 

Wittauer,  A.,  Uebersetzungsprobe  aus 
Properz  II  117 

Wölfflin,  E.,  zu  Quintilian  II  28.  30 

—  zu  Tibull  u    Catull  II  299 
Wönig,  F.,  die  Pflanzen  im  alten  Aegyp- 

teu  III  110 
Wolff ,  0  ,   de   enuntiatis   interrogativis 

apud  Catullum  II  115.  186 
Wolf  u  Dahm,  der  Grenzwall  bei  Hanau 

111  82 
Wollner,  D  ,  die  aus  der  Kriegersprache 

entlehnten    bildlichen    Wendungen   in 

Cicero,  Quintilian  u    Tacitus  II  25 
Xenopol,  A.,  les  guerres  daciques  III  321 
Y.,  la  critique  des  textes  grecs  I  193 
Zahlfleisch,  J  ,   zu  Aristoteles  Rhetorik 

I  16 
Zahn,  Th.,   supplementum  Clementinum 

I  121 
Zeller,  E.,  Philosophie  der  Griechen  I  34 

—  Grundriss  der  Geschichte  der  griechi- 
schen Philosophie  I  35 

Ziegier,  B  ,  de  Catulli  sermone  II   185 
Ziegler,  Th.,  Geschichte  der  Ethik  I  39 
Ziel,  A. ,   Johann  Raues  Schulverbesse- 
rung III  228 
Zietzschmann,  C,  Eutwickelung  des  höhe- 
ren   Schulwesens   der  Stadt  Mülheim 
Hl  240 
Zingerle,  A  ,  kleine  Abhandlungen  II  262 
Zink,  K. ,   aduotationes  ad  Demosthenis 

orationem  in  Conouem  I  230 
Ziwsa,    K.,    eurythmische    Technik   des 
Catullus  II   192 

—  Intercalar  bei  Catullus  II  193 
Zocco-Rosa,  A.,  l'etä  preistorica  del  di- 

ritto    a  Roma.    —    Principii   di    uua 
preistoria  del  diritto  III  87 
Zöller,  M.,   römische  Alterthümer  III  1 
Zverina,   F.,    aus    den    quintilianischen 
Declamationen  II  64 


Vorzoichniss  der  bebandelten  Stellen. 


577 


II.    Verzeichniss  der  behandelten  Stellen. 


a.    Griechische  Autoren. 
(Die  nicbt  näber  bezeichneten  ytellen  sind  aus  der  ersten  Abtheilung.) 


Aeiianus,  nat.  animalium  ix.33  HI  460. 

Aenesidemus  83. 

Aeschines  2:i4.  —  Ctesiphoiitea  237  13 
•239    159  238    —  scholia  236. 

Aeschylus  111  3,50. 

Agrippa  85. 

Änatolius  III  120. 

Andronicus  m/Jt  r.ai'iibv  37.  73 

Anthologia  Pal  vn245  217  XV11322  III 
4-'<) 

Antiochus  86 

Antoninus  imp    70    114. 

Apollonius  Rhodius  367.  111  1.32 

Apollonius  Tyan    90  f 

Appianus  111  298.  305 

Arcesilaus  8.5. 

Aristides  195. 

Ariston  51. 

Aristophanes   Eccl.  18   III  371.  372. 
Nubes  985    111  413.    —    Rauao  3s;!    111 
378.  —  The^moph   834  Hl  371.  .372 

Aristoteles  Ethica  Nicom.  9.  —  Melis- 
siis  9.  —  M-^taphys  2  xii  4  160.— 
Moteorolog  115,862  7.  in  6  v  9.2  III 
95.     VI  1045, 33  5     —    phy-ica  I  6.    — 

poet.    I  1447    8.       XII    1452  18         XV    1454. 

XXVI1461     16      —     polit  11.      119,1271. 

II   1279    12.       IV   2,1324   8.  IV   7,  1327   7 

IV  10,1329    8         VI  11    3.  VII  .3,1318    10. 

VIII  6  111  366.  —  p'ych.  i  3,407  8  — 
rhet.  119,1386  18.  iii  13  —  bist,  ani- 
mal.  III  1,510  9.  —  de  coelo  ii  14,298  7. 
—  de  sensu  7, 448  8  —  ntpi  ipirr^- 
veiaq  1.  —  de  mirab.  auscul  111  98 
104.  —  tbeologia  102.        fragmenta  1. 

Athenagoras  115. 

Axiochus  43. 

Callimachus  11  237. 

Carneades  85 

Celsus   106 

Chrysippus  53.  54.  74. 

Cleanthes  48.  52 

Clemens  Alexandrinus  67.  111.  121.  - 
protrepticiis  s.  9  111  360.  s.  22  III  347. 
11  17   III  374 

Cornutus,  theol.  compendium  66. 

Grates  111   144. 

Oamascius  106. 

Demades  245 

Democritus  83. 

Demosthenee  188.  Olynthiacae  204. 
211.     3,12  212     —    Philippicae    188 

Jahresbericht  tür  AltertumswiBseD-scbaft  LH. 


352.  —  de  Megalop.  212  —  de  tbe- 
(I'^re  Alex.  214.  238.  —  de  Corona 
202  216  ~  de  falsa  legat  217  xix 
86,126  III  337.  —  contra  Midiara  203. 
218.  161  212  —  adv  Androt  203.  919. 
adv  Timocr.  220.  —  adv.  Aristo- 
git.  221  —  pro  l'horm  229.  --  in  La- 
criturn  224  —  in  Macart.  226.  —  in 
Stephan  ;  in  Neaeram  224  -  in  Co- 
noriem  230.  —  in  Olymp.  227.  —  fal- 
sae  226.  —  epist.  232.  —  prooemia 
231. 

Dexippus  111  429. 

Dinarchus  244. 

Diodorus   Sic.    111  293    298.    13  -  48   III 

529.    54,26,4    III    16     58,7.4    III  23.    XI  68 

III  289.  296     XI  79  111  414.    xix  76.101 

XX  26    III   290. 
Diodorus  Sinop    111  336 
Diogenes  Laert    i  110    112  111343.   iii  se 

111   367 
Diogenianus  53 
Dionysius  Alexandrinus  133 
Dionysius  Areopagita  125. 
Dionysius   Hai.   iv  16;    vii  59   11131.    — 

^rholia   in   Demosth.  209. 
Dioscorides  v  9  111  122.     v  84  111  98. 
Epictetus  68 
Epiourus,  TüEpi  atpsffswi']  Tzepi  jpvo-ewj  75. 

—  f-pistuiae  79.  —  epist.  ad  Herod.  76, 
Eunapius  ^'7 

Eusebius  in  329. 

Galenus  92 

Geminus,  isagoge  56. 

Geoponici  111   119. 

Harpocration  190 

Heraclitus  Ephesius  95 

Herculanensia  fragmenta  77. 

Hermas,  pastor  113. 

Hermogenes  195. 

Herodotus  ii87  III  397.     11 64  111470. 

Hesychlus  s.  v    BouZüyjjq  III  344. 

Hippoorates  94. 

Homerus  111  123.  125.  —  Odyss.  111  132. 

133. 
Hypatia   103. 
Hyperides,  epitaph.;  Demosthenica  244. 

—  fragm.  i  243 

lamblichus,  de  vita  Pythagorica   104. 
Isocrätes  17,  33  Hl  356. 
Julianus  imp.  111  330. 
Libanius,  epitonn;  111331. 

(1887.   III  ',  37 


578 


Verzeichniss  der  behandelten  Stellen. 


Lycurgus,  adr.  Leoer.  240. 

Lysias  4,  3  III  367.     21.3  III  367. 

Melissus  III  91. 

Musonius  67. 

Nemesius  131. 

Olympiodorus  105. 

Ocellus  1  97 

Oppianus  HI    127 

Origenes  112.  123 

Orpheus,  hymui  III  346. 

Panaetius  48  55 

Pausanias,  1 1,  4  III  371.     i  u,  4  III  344. 

122    III  341.     126,  5;  27,1    III  369  f.    I28,G 

III  338.    1126,4  III  456.    1127,3  III  457. 

1136,1  III  459.     m  III  341.     VI  7,1  III 

272.    VI  9, 4  30.    IX  35, 1. 2  III  344—347. 
Persaeus  52. 
Philo  Alexandrinus  85.  95.  96.    —    -Kspi 

(rr/ßzia»  81 . 
Philodemus  II  15     —    -nepl  Hav.  76. 

tragm.  78. 
Philostratus,  vita  Apoll.  90.  92, 
Photius,  bibl.  cod  212  85.  —  scholia  190. 
Pindarus   21.     Isth.  3, 64  30     -      Nem. 

VII 33  29.  —  Ol.  I30.    112,57  24.    lliG 

25.    III 30.     1113,45  30.    V  12.    VI  8  29. 

XI 38  30.    XIII 113  32.    —    Pyth.   i  32. 

IV 118  30      VIII  22.     XI  32     —    fragra. 

133  24. 
Plato    134.    —    apol.   142.  152.  180     — 

Charm.  III  93.  —  Crito  137.  157.  179. 

—  Laches  161.  —  Parraen  179.  — 
Phaedo  167  ff.  -  Protag.  147.  —  Ti- 
maeus  93  t.  169.  III92      24  7.     53  178. 

—  Polit.  134.  —  Rep.  134.  III 92 

394  17.  509  141.  623  178.  680  III  357. 


Plotinus  39.98.99. 

Plutarchus,  Cic.  2s  111  230.    —    Cimon  s 

III  356.  —  Sert.  e  III  300.  —  apophth. 

VI  III  397.  —  de  fato  98.  —  de  music. 

III  366.  1142  17.  —  protrept.  93. 
Pollux  vriiios  III  346.     vm  io7  III  337. 

1X96  III  371.  373 
Polyaenus  V43  III  131. 
Polybius  III  291  296.    11 14  III  275. 
Porphyrius,  opuscula  133. 
Posidonius  45  57  74. 
Procius,  comm.  in  rempubl    Plat.   104. 
Pyrrhon  84  87. 
Sextus  Empiricus  84.  86  87.  220.   -  adv. 

dogm.  86.  89.  —  Hypot.  86.210. 
Sillographi  89. 
Simplicius,  comm.  ad  euchirid    Epicteti 

107. 
Socrates  138  148 
Sophocies,  Aiax  eso  III  109.       Antig.  473 

111  109. 
Stobaeus,  floril    38.67.    vii  21  40.    x  53 

III  397.     XL  48  III  346. 
Strabo  in  5.    x  5  III  133    vm  373  III  457 
Suidas  ('.7.  103.  —  vita  Pind.  21. 
Teles  54. 
Terpander  23 
Theophrastus  19.    III  117. 
Thucydides  iii  70.    iv  46  III  529.      iv  56 

III  467     VII  28,4  III  403. 
Timon  84. 
Xenophon,  Hell,  v  1,7  III  404.   vi  3,6  III 

364.  —  memor.  iv  3, 13  139.  —   symp 

VIII  9  III  341. 
Zeno  47.  .50.  52.  74.  82. 
Zosimus  III  95.  331. 


b)    Lateinische  Autoren. 


(Die  nicht  näher  bezeichneten  Stellen 

Ambrosius  I  126. 

Ammianus  Marcellinus  III  331. 

Augustinus  I  113.127.     civ.  Dei  xiv  s 

140. 
Augustus  imp.,  monum.  Ancyr.  III  309. 
Ausonius  239. 

Baibus,  epistnlae  ad  Cic.  III  307. 
Boethius,  de  consol.  I  107    —  theologica 

I  108. 
Caesar  xvi.    iv  le  n  III  77. 
Caipurnius  Piso  298. 
Cassianus  Bassus  III  121. 
Cato  de  re  rust.  III  93. 
Catullus  145.    —    carm.  2  246.  255.  260. 

270.   .36  259.    62  264    64  195.   68  248.  - 

epitalamius  215.  238.  -   Attis  2.37. 
Censorinus  de  die  nat.  14  Hl  416. 
Cicero,   oraiore  44, 150  56.    —    de  orat. 

244.  246.  —  pro  Caelio  1,3  45.    2,6  229. 


sind  aus  der  zweiten  Abtheiluug.) 

—  in  Catil.  111301.  —  pro  Mil.  8,21 
54.  —  pro  Mur.  51  III301.  —  post. 
red.  9,23  272.  —  pro  Rose.  Am.  sa  45. 

—  pro  Sestio  53, 114  56.  —  in  Vatin. 
211.  —  in  Verrem  110,30  17  —  epi- 
stulae  11.  -  ad.  fam.  vi  7, 4  242.  — 
ad  Att.  XIII  46, 2  246.  —  ad  Quint.  tratr. 
113,2  245.  —  Laelius  26  I  147.  —  de 
nat.  deor.  125,70  34.  —  de  div.  3,75 
III  10    —  de  fin.  14.    146.    11 11, 36  40. 

—  de  off   11133,119  58.    —    de  republ 

1,16    III  276.     1,16,26   III  281.      2,30   III 

279.    2,3!)  III  31.   —    Academica  146. 

—  Tusc    I  57.    I  32,  79  I  56.    III  19,  45. 

11164,30  245.     IV  24,54   19. 

Claudianus  Mamertus  I  132. 
Coelius  Antipater  III  291. 
Columella  111  119. 
Cyprianus  de  idol.  vauitate  I  117. 


Ijati'inischt»  Autorpn. 


579 


Frontinus  ii  11,7  III  316. 

Gellius  i;!,i5  111  10. 

Hadriani  imp.  reliquiae  III  322. 

Horatius  ,  carm.  i  33  341.    11  6,7  271.    — 

sat    112,123  III  121.    —   epist.  14  342. 

111,6  271. 
Hyginus,  fabulae  III  345. 
Johannes  Erigena  Scotus  1  120. 
Juvenalis  viii  145  196. 
Livius  111  293.    i  43  III  31.    11  68  III  290. 

XXII  26,  4  34.     XLV  20,  9  27. 

Lucanus.  Pharsalia  I  65. 
Martialis  IV  14  214    x  20, 9  187.    xi  6  214. 
Minucius  Felix,  Octavius  I  116. 
Ovidius,  met.  ni  636  266    —  amores  iii  y 
341.  —  ars  amat.  1529  195.   —  tristia 

II  427    210.    II  457   364. 

Plinius,  iiat   bist,  vi  36  III  129.     xiv  21 

III  122      xxvm2  211.     xxxiv  48  III 
104.    XXXV  7  III  123.   XXXV  22  III  98. 

Plinius  minor,  epist.  v  8,9  3.  viii  is  III 
320.  op.  ad.  Traiau.  65.66.95106  III  27. 

Priscianus,  metaphr.  in  Theophrast.  20. 

Propertius  S3.  172    11130,20.  iv  7,42,308. 

Quintilianus  I.  —  inst.  or.  3  —  declam. 
62. 

Remnius,  carm.  de  ponderibus  III  97. 

Sallustius,  bell.  Cat  53.  III  301.  -  bist. 
n  65  III  300. 


Seneca  philosophus  I  57.  —  dialogi  I  57. 

—  controv.  13,1  75.  —  de  benef.  vr 
32  230.  —  de  ira  I  60.  —  epist.  I  59. 

—  epist.  ad  s.  Paulum  1  64.  —  nat, 
quaest.  I  59.  65.  -    epigr.  I  59. 

Servius  in  Verg.  Ge.  1195  211. 

Silius  Italicus  13,106  196. 

Suetonius,  vita  Aug  101  III  310.  —  Do- 

mit.  2  III  26.     6  III  319.     20  III  27. 
XII  Tabulae  III  88. 
Tacitus,  bist    11  5  III  18.     11  82  III  315. 

—  ann.  in  56  III  23.  •  iv  22  69  xi  22 
III  10.  -  xri  24  III  9.  XIV  44  69.  xiv 
65  42  —  dial.  10.  12,28  11  —  Agric. 
III  318.  —  Germ.  III  318.  32.41  III  319. 

Tanusius  (Volusius),  annales  233. 
Tertullianus  I  119    —   apologeticum  I 

117. 
Tibullus  169.  171.  301.    is  365.    111,57 

351.    116,19349     116,3  271.  —   lib.  iv 

357  ff.  —  eleg  ad  Lygd.  1,19  187.  4,3 

172.  —  paneg.  ad  Mess.  356.  —  Pria- 

pea  338.  353. 
Ulpianus  de  censibus  III  67 
Varro,  1.  1.  s.  74  m.  211. 
Velleius  Patercuius  2,60  III  27.  2,105  III 

314. 
Vergilius  Aen.  I  109  24.    1 626  12.   iv  53  25. 

V4  III  .541.  —  Ciris  m  210. 


liruck  von  C.  F  e  i  c  li  t    in  lierliii. 


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PA  Jahresbericht  über  die  Fort- 
3  schritte  der  klassischen 

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Bd.  52 


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